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Jahrhunderts

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, V ERLAG DES B IBLIOGRAPHISCHEN INSTITUTS, L EIPZIG UND WIEN , Vierte Auflage, 1885-
1892

2. Band: Atlantis - Blatthornkäfer

Hauptstück

Schlagworte auf dieser Seite: Atmosphäre

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Atmosphäre (Gehalt an Sauerstoff, Kohlensäure, Wasserdampf


etc.).

Der Kohlensäuregehalt der Luft ist sehr gering und an einem und demselben Ort
einem dauernden Wechsel unterworfen, der von der Temperatur, dem Luftdruck,
dem Wind und Regen abhängig ist. Die Menge der atmosphärischen Kohlensäure
schwankt in 10,000 Teilen dem Volumen nach zwischen 3,7 und 6,2 Volumteilen,
wofür freilich auch noch andre Zahlen angegeben werden, indem Muntz und
Aubin dafür in Paris die Werte 2,88 und 4,22 Volumteile fanden. Dabei zeigten
sich die Maxima bei bedecktem Himmel und ruhigem Wetter, während die Minima
bei reiner und bewegter Luft beobachtet wurden. Im allgemeinen ist die Luft im
Sommer reicher an Kohlensäure als im Winter, in der Nacht reicher als am Tage.
Mit der Erhebung vom Boden nimmt der Sauerstoffgehalt ab, der
Kohlensäuregehalt zu, und diese Zunahme ist vielleicht aus einer vollständigen
Oxydation der der Luft beigemengten organischen Stoffe zu erklären. Auf dem
Meer ist die Luft an Kohlensäure ärmer als auf dem Land wegen des
Absorptionsvermögens der See in Bezug auf Kohlensäure, und man hat daher in
Küstengegenden den Kohlensäuregehalt der Luft bei Seewind ab-, bei Landwind
zunehmen sehen. Ebenso ist derselbe in der Nähe des Meers im Durchschnitt
kleiner als in weiterer Entfernung. In Rostock wurde er z. B. als 0,029
Volumprozent gefunden, während er sich in Göttingen und Dahme resp. als 0,032
und 0,033 Volumprozent ergab. Wüstenluft aus der Oase Dachel hat 0,047-0,049
Volumprozent Kohlensäure, also soviel, wie die Luft auch bei uns besitzt, indem
ihr Kohlensäuregehalt in Thälern und auf hohen Bergen bei uns zwischen 0,025
und 0,050 Volumprozent schwankt. Polarluft scheint reich an Kohlensäure zu sein,
nach den Bestimmungen von Moß beträgt sie im Mittel 0,0553 Volumprozent.
Anhaltender Regen vermindert den Kohlensäuregehalt der A., nach kurzem Regen
scheint er etwas zu steigen. So ergab sich nach den Beobachtungen von Truchot in
Clermont der mittlere Kohlensäuregehalt an Tagen ohne Niederschlag 0,033, an
Tagen mit Niederschlag 0,046 und an Tagen, an denen der Boden mit Schnee
bedeckt war, 0,056 Volumprozent. Noch stärker als der Kohlensäuregehalt
schwankt der Gehalt der A. an Stickstoffverbindungen. Die Angaben schwanken
für das Ammoniak zwischen 0,04 und 47,6 Gewichtsteilen in 1 Mill. Teilen Luft,
aber stets war die Luft im Sommer bedeutend reicher an Ammoniak als im Winter.
Dies ist nicht auffallend, da das Ammoniak teils aus Fäulnisprozessen, teils von der
Verdunstung des Wassers herstammt. Von andern Bestandteilen der Luft sind
schließlich noch zu nennen: Kohlenoxyd, Kohlenwasserstoff (aus Verbrennungs-
und Fäulnisprozessen), Wasserstoff (aus dem Atmungsprozeß),
Schwefelwasserstoff, vor allen aber Wasserdampf.

Die A. steht in fortwährender Verbindung mit mehr oder weniger ausgedehnten


Wasserflächen und feuchten Landstrecken und ist daher immer mit Wasserdampf
geschwängert. Die Menge desselben ist indes sehr veränderlich und selten so groß,
wie sie nach der stattfindenden Temperatur sein könnte. Im allgemeinen jedoch
steigt und fällt der Wassergehalt mit der Temperatur und ist, abgesehen von
wasserlosen Gegenden, in heißern Gegenden größer als in kältern, in Ebenen
größer als auf Bergen, im Sommer größer als im Winter, bei Tage größer als bei
Nacht. Indes bewirken die Lage des Orts, die Beschaffenheit des Bodens, die
Konfiguration angrenzender Länder, die Nähe des Meers, die Richtung der Winde
und andre Umstände mannigfaltige Abänderungen hierin, in betreff deren wir hier
nur bemerken, daß eben wegen dieser Veränderungen und Verschiedenheiten
niemals von dem Wassergehalt der ganzen A., sondern nur von dem eines
bestimmten Orts und einer bestimmten Zeit die Rede sein kann. Bei der
Bestimmung des Wassergehalts in der A. eines Orts kommen zwei Dinge in
Betracht: die absolute Menge des Wasserdampfs in einem gegebenen Raum und die
relative. Die absolute wird am besten durch die Spannkraft des vorhandenen
Wasserdampfs ausgedrückt; die relative dagegen ist der Quotient aus der ersten,
dividiert durch die Menge, welche vermöge der Temperatur vorhanden sein
könnte; die letztere drückt den Grad der Sättigung mit Wasserdampf aus, und von
ihr hängen die hygroskopischen Erscheinungen ab. Die absolute Feuchtigkeit ist in
den wärmern Monaten größer, die relative kleiner als in den kältern Monaten. In
heißen Klimaten ist die absolute Menge des Wasserdampfs sehr viel größer als in
der gemäßigten oder in der kalten Zone. Über die Mittel, den Wassergehalt der Luft
zu messen, s. Hygrometer.

Ein wichtiger Bestandteil der A. ist endlich noch der Staub, dessen Qualität und
Quantität natürlich ganz von lokalen Verhältnissen abhängen. Tissandier fand, daß
nach trocknem Wetter die Menge des atmosphärischen Staubes viermal so groß sein
kann als nach einem Regen, daß sie in Städten größer ist als auf dem Land, und
daß man verschiedene Resultate erhält, je nachdem man Luft in der Nähe des
Bodens oder auf Dächern untersucht. Für Paris fand er nach einem starken Regen
0,0060 g, nach achttägiger Trockenheit 0,0230 g und unter normalen
Bedingungen im Durchschnitt 0,0072 g atmosphärischen Staubes in 1 cbm Luft.
Auf dem Land in Ste.-Marie du Mont (Manche) fand er unter normalen
Bedingungen 0,00025 g pro Kubikmeter und nach einer Periode von Trockenheit
0,0030 und 0,0045 g. Die chemische Untersuchung des Staubes ergab 25-34 Proz.
verbrennbare Stoffe und 75-66 Proz. unverbrennliche. Unter den erstern befinden
sich organische Substanzen der verschiedensten Art, unter letztern Chloride und
Sulfate von Alkalien und alkalischen Erden, Ammoniaknitrat, Eisenoxyd,
kohlensaurer Kalk, Magnesiumkarbonat, Spuren von Phosphaten, Kiesel etc. Auch
hat sich stets kosmischer Staub, freilich in sehr geringem Prozentsatz, als ein
Bestandteil des atmosphärischen Staubes nachweisen lassen.

Die Bestandteile der A. sind von der größten Bedeutung für das Leben der
Organismen auf der Erde. Der Sauerstoff ist die Lebensluft aller tierischen Wesen,
deren Stoffwechsel im wesentlichen aus Oxydationsprozessen besteht. Sie atmen
Sauerstoff ein und Kohlensäure aus. Bei allen Verbrennungs- und
Verwesungsprozessen wird gleichfalls Sauerstoff verbraucht und Kohlensäure
erzeugt. Anderseits wird durch den Lebensprozeß der Pflanzen die Kohlensäure der
atmosphärischen Luft zersetzt, indem sich die Pflanzen den Kohlenstoff aneignen
und Sauerstoff ausscheiden. Ob im Lauf der Zeit die Zusammensetzung der A.
Änderungen unterworfen ist oder nicht, ist vorläufig noch nicht möglich, zu
beantworten; denn wenn auch unsre Instrumente einen hohen Grad von
Genauigkeit bei den Analysen gewähren, so besitzen wir sie viel zu kurze Zeit, um
mit ihrer Hilfe jene Frage zu entscheiden, weil die Veränderungen an und für sich
nur sehr gering sein könnten und man daher erst nach langen Zeitperioden im
stande sein würde, die Existenz derselben mit Sicherheit nachzuweisen.

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