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DOSSIER

caepsele

Die zehn größten


Börsenirrtümer
Einige Fehler passieren Anlegern im Boom und in der
Baisse immer wieder – und kosten sie bares Geld.
Wo typische Fallstricke lauern – und wie man sie umgeht.
D O S S I E R Börsenirrtümer 2

Editorial

Inhalt
2
Editorial

3
einige Fehler passieren im Boom und in tappen in typische Fallstricke an der Irrtum 1 – Das Risiko zu hoch
der Baisse immer wieder – und kosten Börse. einschätzen
bares Geld. Viele Anleger verloren offen- Das sind klassische Irrtümer, die nicht
bar zu viel, denn sie kehrten der Börse dadurch wahr werden, nur weil sie sich 4
den Rücken: Die Zahl der direkten Aktio- schon lange an den Märkten halten. Irrtum 2 - Kaufen, wenn alle
näre in Deutschland fiel dramatisch von anderen kaufen
6,2 Millionen im Börsenboomjahr 2000
bis auf 3,55 Millionen im Jahr 2008. Seit- 5
dem wurden es zwar wieder mehr, aber Irrtum 3 - (Blind) Auf
noch immer gilt: In keinem anderen Analysten hören
hochentwickelten Industrieland gibt es
gemessen an der Bevölkerung so wenige 6
Aktionäre. Gut zehn Millionen Deutsche Irrtum 4 - Das Heil (nur) in
halten Aktien: direkt oder indirekt über der Heimat suchen
Fondsanteile.
Wer sich von der Börse verabschiede- Ulf Sommer, der für das Handelsblatt seit 20 7
te, und sei es nur vorübergehend, profi- Jahren das Marktgeschehen beobachtet, hat Irrtum 5 - Der Aktienmarkt
tierte nicht vom kräftigen Kurszuwachs. zehn große und häufige Börsenirrtümer nützt nur Spekulanten
Seit dem Tief im Frühjahr 2009, als auch ausgemacht. Sie zu entlarven und die
die Zahl der Aktionäre ihr Tief erreichte, richtigen Lehren daraus zu ziehen verhilft zu 8
hat sich der Dax mehr als verdreifacht. einer erfolgreichen Anlage. In diesem Dossier Irrtum 6 - Kaufen, wenn die
Der Exodus der Aktionäre ist eine Fol- erklärt er kurz, prägnant und verständlich, wie Börsenumsätze steigen
ge von schlechten persönlichen Erfah- man sich optimal verhält und die Chancen
rungen – hervorgerufen durch Misserfol- nutzt, die der Aktienmarkt in guten wie auch 9
ge, falsche Erwartungen und das Hinein- in schlechten Zeiten bietet. Irrtum 7 - Aktienkurse fallen
in der Rezession

10
Irrtum 8 - Kursschwankungen
fürchten
IMPRESSUM

Verantwortlicher im Sinne des § 55 Abs. 2 RStV: Sven Afhüppe 11


Redaktion: Ulf Sommer Titel/Illustrationen: caepsele Produktion: Heide Braasch, Marc Renner Irrtum 9 - Der Anleger, das
Bildredaktion: Heide Braasch Veröffentlichung: 3. überarbeitete Veröffentlichung, Juli 2019 unberechenbare Wesen
Verlag: Handelsblatt GMBH (Verleger im Sinne des Presserechts),
Toulouser Allee 27, 40211 Düsseldorf,
E-Mail: handelsblatt.com@vhb.de, Tel.: 0800 000 2053 (kostenlos)
12
Geschäftsführung: Gerrit Schumann, Oliver Voigt Irrtum 10 - Den Nachrichten
AG Düsseldorf HRB 38183, UID: DE 812813090 hinterherlaufen

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Das Risiko zu
hoch einschätzen
Die Aktienmärkte sind viel zu riskant,
glauben die meisten deutschen Sparer. Doch das täuscht.

S
eit 2009 haben sich die Aktienkur- am MSCI World kaufte, das sind die Aktien der beiden Versorger Eon und RWE. Dies
se im Dax verdreifacht. Selbst seit der weltgrößten Unternehmen wie Apple, lehrt aber auch die Geschichte der T-Aktie.
dem Kurshoch auf dem Höhe- Microsoft, Samsung, Nestlé und Co., hat Der Lieblingstitel der Deutschen wird sein
punkt der Technologie- und Inter- seinen Einsatz mehr als verdoppelt. bisheriges Hoch von 104 Euro aus dem Mil-
netblase im Jahr 2000 hat der Dax um gut In der jahrhundertelangen Börsenge- lenniumsjahr wohl für eine lange Zeit nicht
50 Prozent zugelegt. Dennoch hält sich die schichte gab es nur einen Zeitraum, in wieder erreichen.
große Mehrheit der Deutschen von den dem die Aktienkurse selbst 15 Jahre nach
Aktienmärkten fern. der Investition niedriger lagen als beim
Aber woran liegt das? Offenbar hat der Kauf, und zwar nach dem großen Crash
Crash nach dem Internetboom zur Jahrtau- von 1929. Es sollte bis 1954 dauern, ehe die FAZIT
sendwende seinen Schrecken nicht verlo- Kurse wieder das alte Niveau erreicht hat-
ren. Damals verlor Deutschlands wichtigs- ten. Die Weltwirtschaftskrise und der Zwei- Man sollte niemals auf eine
tes Börsenbarometer innerhalb von drei te Weltkrieg verhinderten eine schnellere einzige Aktie spekulieren. Auf
Jahren 75 Prozent, eine steile Talfahrt. Die Erholung. Im Durchschnitt der vergange- den Dax zu setzen, ob mit
als Volksaktie gefeierte Deutsche Telekom nen Jahrhunderte ließ sich mit Aktien im Fonds oder ETFs, lohnt dage-
büßte zeitweise mehr als 90 Prozent ein, amerikanischen Dow Jones in einem Zeit- gen. Allerdings nicht als Ein-
ausgerechnet die Aktie mit den meisten raum von 15 Jahren ein Wertzuwachs von malanlage, sondern möglichst
Kleinanlegern. Noch heute hält rund jeder acht Prozent erzielen – und das jährlich. in Etappen, beispielsweise mit
Vierte deutsche Aktionär die T-Aktie. Wer jedoch eine einzelne Aktie kauft, monatlichen Sparplänen. Dies
Dennoch, trotz Crash und T-Aktien-De- muss auch nach 15 und mehr Jahren Ver- verringert das Risiko, Aktien
saster, verteufeln viele Sparer Aktien zu luste fürchten. Das lehren die Verluste von ausgerechnet dann zu kaufen,
Unrecht. Denn wer vor zehn Jahren Anteile Deutscher Bank und Commerzbank oder wenn sie am teuersten sind.

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Kaufen, wenn alle
anderen kaufen
Falsch. Wer konsequent in der Baisse ein- und in der Hausse
aussteigt, verdient viel Geld – mit vielen Aktien.

W
er in den beiden Spätwintern Daraus folgt: Die Suche nach der richtigen FAZIT
2003 und 2009 Aktien kaufte, Aktie ist zwar wichtig. Aber sehr viel entschei-
hat nichts falsch gemacht. dender für den Erfolg an der Börse ist es, das Im Börsenboom, vor
Mehr als 90 Prozent aller deut- Gefühl für teure und damit unattraktive sowie allem wenn dieser be-
schen und gut 80 Prozent aller amerikani- für preiswerte und damit attraktive Märkte zu reits eine Weile anhält,
schen Aktien waren jeweils drei Jahre später entwickeln. Gefragt ist der Blick für das große Aktien zu kaufen, lohnt
deutlich teurer. Die Hälfte aller in Deutschland Ganze – das Skizzieren des „Big picture“, wie sich nicht. Besser ist es
gehandelten Wertpapiere hatte den Kurs sogar amerikanische Fondsmanager gerne ihre Ana- zu warten, bis die eu-
mindestens verdoppelt. Bis heute haben sich lysen über die Aktienmärkte einleiten. phorische Stimmung
die Kurse oftmals sogar mehr als verdreifacht. verflogen und sie idea-
In beiden Kaufjahren war es so gut wie un- lerweise wieder
möglich, Aktien zu erwerben, die sich als Ver- schlecht ist – und die
lustbringer entpuppten. Warum? 2003, nach begehrte Ware Aktie
der geplatzten Internetblase und kurz vor Aus- in der Börsenbaisse
bruch des Golfkrieges, war die Börsenstim- billig und damit attrak-
mung extrem schlecht. Kaum jemand wollte tiv zu haben ist.
etwas von Aktien wissen.
Ähnlich war es auf dem Höhepunkt der Daraus leitet sich die
weltweiten Finanz- und Wirtschafts- vielleicht größte
krise Anfang 2009. Umgekehrt gilt Schwierigkeit für Anle-
aber auch: Wer in den konjunk- ger ab: der Wiederein-
turellen Boomjahren 2000 und stieg. Hier ist Geduld
2007, in denen das Wachstum gefragt. Beginnen die
grenzenlos schien, Aktien kauf- Kurse nach einem gut
te, schleppte noch zwei bis drei getimten Verkauf tat-
Jahre später mit recht hoher sächlich zu fallen,
Wahrscheinlichkeit Verluste mit lohnt sich eine Neuan-
sich. Nur wenige Aktien lagen zu lage meistens (noch)
diesem Zeitpunkt im Plus. nicht. In diesem Fall
Das heißt: Wer inmitten eines sind Ausdauer und
weit fortgeschrittenen Börsenab- Stillhalten gefragt,
schwungs (Baisse) Aktien kauft zwei der schwierigsten
und sie in einem gereiften Auf- Tugenden an den
schwung (Hausse) wieder ver- schnelllebigen Finanz-
kauft, macht alles richtig. märkten.
Im Aufschwung steigen fast
alle Aktien – die von gut ge- Wer beispielsweise zur
führten Unternehmen Jahrtausendwende sei-
stärker als die Masse. ne Aktien mit ordentli-
Im Abschwung fallen chem Gewinn verkauf-
fast alle Werte – die ex- te, tat gut daran, drei
zellenten Firmen mit lange Jahre lang das
großen Perspektiven Börsengeschehen zu
meistens nur etwas we- beobachten – und ein-
niger stark. fach nichts zu tun.

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(Blind) Auf
Analysten hören
Falsch. Empfohlene Aktien entwickeln sich oft schlecht, weil viele
Investoren die Papiere schon längst besitzen.

FAZIT

Die Papiere, die zum


Verkauf eingestuft
werden, entwickeln
sich oftmals besser als
die zum Kauf empfoh-

W
er kennt das nicht: Sobald cherklagen schienen den Konzern in den lenen. Und das nicht,
die viel gepriesene Aktie im Ruin zu treiben; die Verkaufsempfehlungen weil Analysten den
eigenen Depot liegt, beginnt häuften sich. Als schließlich mehr als 50 Pro- Anleger womöglich
der Kurs zu fallen – obwohl zent der Banken zum „Halten“ oder „Verkau- über den Tisch ziehen
doch die meisten Analysten das Unterneh- fen“ der Aktie rieten – im Durchschnitt hat- wollen, indem sie ihm
men weiterhin zum Kauf empfehlen. Andere ten Aktien in dieser Zeit über 80 Prozent Ladenhüter auf-
Werte legen hingegen zu, obwohl die Fakten Kaufempfehlungen – stoppte der Kursverfall. schwatzen und die
eigentlich gegen sie sprechen – und die meis- Der Grund: Wer an der Aktie festhielt, kal- Durchstarter von mor-
ten Analysten sie kritisch beurteilen. kulierte die vielen Risiken und Milliarden- gen bewusst ver-
Dies ist kein Widerspruch. „Aufstehen strafen mit ein. Für Anleger war es eine Wet- schweigen.
kann nur, wer am Boden liegt“ lautet eine te gegen die Justiz, nämlich darauf, dass die
Weisheit. Sie gilt auch für die Börse. Wenn Urteile in ihren Revisionsverfahren keinen Ursache ist vielmehr,
Anleger und Analysten eine Aktie über ei- Bestand haben würden. dass Anleger die Titel
nen langen Zeitraum hinweg verteufeln, Und genauso kam es. Wenige gute Nach- von Unternehmen mit
dann hat die Mehrheit diese Aktie bereits richten reichten, um die Kurse wieder stei- vielen guten Nach-
verkauft; der Verkaufsdruck erlahmt. Kenn- gen zu lassen. Die Raucherklagen hatten richten bereits gekauft
zeichen einer solchen Phase ist, dass letztendlich keinen Erfolg, weil Revisionsge- haben – und deshalb
schlechte Nachrichten dem Kurs nichts richte sie kippten. Eine konstante Gewinn- die Kurse anschlie-
mehr anhaben können. Wer jetzt noch in- entwicklung und eine hohe Dividendenren- ßend nicht weiter stei-
vestiert ist, lässt sich durch Hiobsbotschaf- dite sorgten dafür, dass sich der Kurs rasch gen.
ten nicht mehr verschrecken, weil es bereits verdreifachte.
viele gab. In so einem Fall reicht die kleinste Was für Philip Morris galt, gilt für viele Ak- Umgekehrt vermögen
positive Nachricht, um die Aktie nach oben tien. Jahrelang wurden Bank-Aktien verteu- Hiobsbotschaften oft-
zu treiben. felt, weil die Gewinne einbrachen und die In- mals keinen weiteren
Ein spektakuläres Beispiel ist Philip Mor- stitute die Finanzkrise verursacht hatten. Schaden anzurichten,
ris. Ausgerechnet im Boomjahr 1999, als die Doch als die Stimmung im Jahr 2009 am vorausgesetzt, es gab
Märkte nur eine Richtung kannten: aufwärts schlechtesten für Finanztitel war, begannen zuvor viele schlechte
– fiel die Aktie des amerikanischen Zigaret- diese schon wieder kräftig zu steigen. Ähn- Nachrichten, sodass
tenherstellers von einem Tief ins nächste lich war es später mit weltweiten Rohstoff- jeder verkauft hat, der
Tief. Immer neue milliardenschwere Rau- und deutschen Versorger-Aktien. verkaufen wollte.

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Das Heil (nur) in der
Heimat suchen
Ist mit deutschen Aktien seit Jahren kein Geld zu verdienen? Doch –
wenn man auf Firmen setzt, die in der Welt zu Hause sind.

I
m März 2000 stieg der Dax auf ein
Hoch von über 8 000 Punkten. Die
Euphorie war groß – der anschlie-
ßende Absturz ebenso. Doch 19 Jahre
später notiert der Dax immerhin rund 50
Prozent höher. Blickt man allerdings auf
die einzelnen Aktien im Dax, so sind die
Unterschiede riesengroß. Die meisten Dax-
Titel sind zwar gestiegen. Sie haben sich
teilweise verdoppelt und verdreifacht.
Doch einige Aktien notieren (immer noch!)
weit unter den Niveaus aus dem legendä-
ren Boomjahr 2000.
Da sind auf der einen Seite Erfolgsaktien
wie Adidas und Linde. Deren Kurse steigen
und steigen. Auf der anderen Seite verlo-
ren Eon und RWE, Deutsche Bank und
Commerzbank und die wohl bekannteste
Aktie im Dax, die Deutsche Telekom, viel
an Wert. Die T-Aktie stieg im Jahr 2000 auf
über 100 Euro – heute wären Anleger froh,
wenn Kurse von 30 Euro erreicht würden.
Das heißt: Wer das richtige Gespür hatte,
dass die Telekom in einer schrumpfenden
Branche hohem Wettbewerbsdruck ausge-
setzt ist und darüber hinaus die Aktie, ge-
messen am Kurs und Firmengewinn, im
Jahr 2000 exorbitant überbewertet war,
konnte große Verluste vermeiden – indem
er rechtzeitig verkaufte, oder gar nicht erst
kaufte.
Dies gelang auch Anlegern, die sich früh-
zeitig von Eon und RWE trennten, spätes-
tens als sie merkten, dass die Energiewen-
de die großen Stromversorger um Teile ih- der Nachfrage in Boomländern wie China FAZIT
rer Einnahmequellen berauben würde. und in stark wachsenden Regionen wie
Ebenso war es wichtig, Finanztitel vor Aus- Asien und Nordamerika. Erfolgreich ist, Viele Aktien haben Anle-
bruch der Immobilien- und Finanzkrise zu wer Exporte, Betriebsanlagen, Forschungs- gern sehr viel Geld einge-
verkaufen. Dagegen profitierten die Aktio- und Entwicklungskapazitäten in die sich bracht. Doch profitiert
näre vieler Industriewerte, die frühzeitig konjunkturell stark entwickelnden Länder haben nur Aktionäre, die
den aufstrebenden Märkten in Fernost ge- verlagerte. ein glückliches Händchen
folgt sind. Also Aktien wie Adidas, Linde Die wenig erfolgsverwöhnten Konzerne bei der Auswahl hatten –
und SAP. wie Eon und RWE leiden indes darunter, oder die sich regelmäßig
Das Erfolgsrezept: Diese Unternehmen dass sie ihre Geschäfte auf Deutschland über die globale Strate-
erwirtschaften mehr als 70 Prozent ihrer und Europa und damit schwach wachsen- gie der deutschen Unter-
Umsätze im Ausland und verdienen gut an de Länder konzentriert haben. nehmen informierten.

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Der Aktienmarkt
nützt nur
Spekulanten
Falsch. Auch Unternehmen profitieren von einer Börsenpräsenz.
Sie können sich dauerhaft mit günstigem Kapital eindecken.

D
er Aktienkurs steigt um zehn, etwa einen wettbewerbsstarken Konkur-
hundert oder tausend Prozent – renten zu kaufen, beschafft sich mit der
und er halbiert oder zehntelt Herausgabe weiterer Aktien frisches Geld.
sich wieder. Doch den (zwi- Je höher der Aktienkurs zu diesem Zeit-
schenzeitlichen) Gewinn oder Verlust hat punkt ist, desto mehr Kapital fließt dem
immer nur der Anleger, nicht das Unter- Unternehmen zu. Auch wer in finanzielle
nehmen. Ist das so? Dient die Börse nur Schwierigkeiten geraten ist, wie beispiels-
den Interessen der Zocker und Spekulan- weise die Commerzbank in der Finanzkri-
ten, nicht aber der realen Wirtschaft? Das se, gibt ebenfalls neue Anteilscheine he-
harsche Urteil stimmt nur auf den ersten raus – und erhöht dadurch sein Kapital
und sehr oberflächlichen Blick. und verschafft sich Liquidität.
Richtig ist, dass es großen Unternehmen Drittens: Die hohe Transparenz, die eine
wie BASF, Henkel und Siemens oder den Börsennotiz jedem Unternehmen abver-
vielen kleineren Firmen keineswegs besser langt (und von den Vorständen oftmals als
geht, wenn sich der Aktienkurs verdop- lästig empfunden wird), schafft Vertrauen
pelt. Und wenn das Papier einer Firma um bei den Anlegern. Dafür sorgt die regelmä-
zehn Prozent fällt, weil der Finanzchef ßige Veröffentlichung der Jahres- und
geht, oder wenn der Kurs völlig einbricht, Quartalsbilanzen inklusive sensibler Kenn-
so wie der von der Telekom nach der Dot- zahlen wie Verschuldung und Bargeldver-
comblase, dann hat das keinen unmittelba- mögen. Auch unerwartete Ereignisse wie
ren Einfluss auf die Angestellten. Auch die Übernahme einer Firma, die Abspal-
nicht auf die laufenden Umsätze, Gewinne tung eines Unternehmenssegments oder
und Margen. Und doch ist es für das Unter- FAZIT die Warnung vor geringeren Umsätzen und
nehmen immens wichtig, wie sich der Ak- Gewinnen sind veröffentlichungspflichtig.
tienkurs bewegt. Die Börsennotiz ver- Diese Offenheit, der sich nicht börsen-
Dazu drei Beispiele. Erstens: Wer eine hilft jungen, aber auch notierte Firmen gerne verschließen, ver-
zündende Idee hat, dafür Geld braucht bereits etablierten Fir- hilft auf dem Anleihemarkt zu günstigeren
und große Investitionen plant, nutzt die men billig oder sogar Konditionen, als sie verschwiegenere Un-
Herausgabe von Aktien, um sich Kapital zu kostenlos zu neuem ternehmen an den Finanzmärkten und bei
beschaffen. Der Erlös aus dem Börsengang Kapital – und darüber den Banken bekommen. Börsennotierte
kommt direkt der Firma mit ihren Ange- hinaus geschickten An- Unternehmen erhalten Fremdkapital in al-
stellten zu – abzüglich der Gebühren an die legern zu mehr Reich- ler Regel billiger, das heißt zu niedrigeren
Emissionsbanken. tum. Beides treibt die Zinsen als nicht börsennotierte Firmen.
Zweitens: Auch nach dem einmal vollzo- Volkswirtschaft an und Vor allem gegenüber vielen mittelständi-
genen Börsengang (IPO) ergeben sich Vor- fördert auf Dauer die schen Firmen verschaffen sich Aktienge-
teile einer Börsennotiz. Wer neues Kapital Entwicklung neuer sellschaften so einen finanziellen Wettbe-
für seine Wachstumsstrategie benötigt, um Technologien. werbsvorteil.

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Kaufen, wenn
die Umsätze an der
Börse hoch sind
Falsch. Niedrige Umsätze zeugen von einem
gesunden und stetigen Aufschwung.

M
it diesem Satz äußern Analys- Erholung. Zu diesem Zeitpunkt gibt es nur weniger verkauften. Die Umsätze waren
ten und Medien häufig ihre noch wenige neue Verkäufer und Käufer. gering.
Skepsis gegenüber einer Rally Markantes Beispiel dafür ist das Jahr Das waren sie auch im Frühjahr 2009.
an den Aktienmärkten: „Der 2003. Wenige Anleger trauten sich im Nur wenige Anleger vertrauten damals der
Aufschwung steht auf wackeligem Funda- Frühjahr, als der Irakkrieg ausbrach und Börse, weil die Finanzkrise ihren Höhe-
ment, denn die Umsätze sind gering.“ Um- die Welt vor einer Rezession stand, Aktien punkt erreichte und Deutschland inmitten
gekehrt dienen ihnen hohe Umsätze als zu kaufen. Allerdings verkauften auch nur der schwersten Rezession der Nachkriegs-
Beleg für eine starke und intakte Aufwärts- noch wenige Aktionäre ihre Papiere; es geschichte steckte. Verkaufsdruck gab es
bewegung – weil das Interesse der Anleger hatte bereits vorher reichlich Gelegenhei- trotzdem kaum, weil in vielen Monaten zu-
vermeintlich hoch ist. ten dafür gegeben. Die Kurse stiegen, trotz vor sehr viele schlechte Nachrichten die
Diese Deutung ist schlichtweg falsch. Bei des Stimmungstiefs. Aber nicht, weil viele Kurse bereits nach unten getrieben hatten.
niedrigen Umsätzen kaufen zwar nur weni- Börsianer begeistert zugriffen, sondern Deshalb stiegen im Frühjahr 2009 die
ge Anleger. Doch gleichzeitig ist auch der weil wenige Anleger kauften – und noch Kurse – und das wieder bei niedrigen Um-
Verkaufsdruck gering. Hohe Umsätze zeu- sätzen. Auch danach, 2010, 2011 und 2012,
gen dagegen von einem starken Verkaufs- blieben die Umsätze gering – weil viele An-
druck. Denn Fakt ist: Jedem Kauf steht im- leger in der Schuldenkrise der Hausse
mer ein Verkauf gegenüber. nicht trauten. Doch die Kurse stiegen. We-
Ein wichtiges Signal, dass sich eine Bör- nige kauften, noch weniger verkauften.
sen-Hausse dem Ende zuneigt, sind rasant
steigende Aktienumsätze – bei gleichzeitig
steigenden Kursen. In solch einer Phase
wechseln die Aktien von „festen“ in „zittri- FAZIT
ge Hände“ – das wusste schon der verstor-
bene Börsenaltmeister André Kostolany. Geringe Umsätze zeugen
Dabei verkaufen erfahrene Anleger an un- von einem geringen
erfahrene. Kauf- und Verkaufsinte-
Viele Neulinge, die bislang nichts mit der resse. Dabei steigen die
Börse zu tun hatten, greifen nach Aktien – Kurse jedoch eher als bei
und treiben so den Gesamtumsatz in die hohen Umsätzen – wenn
Höhe. Folgen schließlich den neuen Anle- langfristige Investoren
gern keine weiteren nach, ist es bis zum ihre Papiere an viele Neu-
Absturz nicht mehr weit. Einmal in Gang aktionäre weiterreichen.
gekommen, beschleunigt sich die Talfahrt,
wenn sich Banken und Versicherungen
mit automatischen Verkaufspro-
grammen vor weiteren Verlusten
schützen. Die Umsätze steigen ra-
sant.
Wenn anschließend die Stim-
mung am Boden ist, Anleger sich
von ihren letzten Beständen
trennen, ist die Zeit reif für eine

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Aktienkurse fallen
in der Rezession
Falsch. Auf einen Abschwung folgt ein Aufschwung. Das nehmen
die Aktienmärkte vorweg – und die mutigen Anleger.

B
ullenmärkte werden geboren in
Pessimismus, wachsen in Skep-
sis, reifen in Optimismus und
sterben in Euphorie.“ So treffend
beschrieb der Brite Sir John Templeton,
der 1954 den Templeton Growth Fund, ei-
nen der größten und auf Dauer sehr erfolg-
reichen Investmentfonds gründete, die
Chancen und Risiken an der Börse.
Wer in den konjunkturellen Abschwung-
jahren 1967, 1975, 1982 und 2003 auf Ak-
tien setzte, der wurde mit kräftigen Kurs-
gewinnen belohnt: Der Dax stieg in diesen
vier Rezessionsjahren zwischen 17 und 49
Prozent. 2009 schließlich, Deutschland
machte gerade mit einem Einbruch des
Bruttoinlandsprodukts um fünf Prozent
die schwerste Rezession in der Nachkriegs-
geschichte durch, legte der Dax um 24
Prozent zu. Der Mut zum Risiko zahlte sich Verschuldung wegen der hohen Steuerein-
jedes Mal aus. nahmen weniger stark erhöhen oder gar
Umgekehrt waren Boomjahre wie das senken, so wie im Jahr 2000. Umgekehrt erlahmen die Wirtschafts-
Jahr 2000, in dem die Euphorie um Statistiken für die vergangenen sechs kräfte, wenn die Aktienkurse flächende-
Hightech-Unternehmen keine Grenzen Jahrzehnte belegen, dass die Wirtschaft ckend einbrechen, so wie im Sommer und
kannte und die Menschen sich darüber sechs bis neun Monate nach einem Bör- Herbst 2008, als der Dax binnen kurzer
freuten, dass der globale Computercrash sentief anzieht. Die Märkte eignen sich da- Zeit 40 Prozent verlor. Daraufhin stoppten
infolge des Jahrtausendwechsels ausgeblie- mit als verlässlicher Frühindikator – nicht die Firmen ihre Investitionen und order-
ben war, keine gute Börsenzeit. Der Dax nur für Anleger, sondern auch für Kon- ten weniger Vorprodukte; viele Verbrau-
fiel um 7,5 Prozent. junkturforscher, Ökonomen und die Unter- cher gaben weniger Geld aus, der Konsum
Der Grund für die schwachen Börsen in nehmen. lahmte. Erst dadurch entstand die darauf-
guten und starken Aktienmärkte in Kleine Einschränkung: Oftmals ist die folgende Rezession.
schlechten Jahren: Anleger versuchen je- Börse allerdings nur deshalb ein wirkungs-
des Mal, mit ihren Käufen und Verkäufen voller Frühindikator, weil sich die Vorher-
die Zukunft vorwegzunehmen. Und das ge- sagen selbst erfüllen. Sobald nämlich die
lingt ihnen oft erstaunlich gut. Es gehört Aktienkurse wieder zulegen, steigt auch FAZIT
zu den simplen Naturgesetzen, dass jedem nach und nach die Zuversicht bei den Fir-
wirtschaftlichen Abschwung ein Auf- men – speziell bei den börsennotierten An der Börse wird die Zukunft
schwung folgt. Deshalb setzen Investoren Konzernen. gehandelt. Deshalb setzen vie-
auf Aktien, sobald die Rezession gereift Schließlich halten viele Mitarbeiter, vor le Anleger in einem fortge-
und deshalb womöglich vor dem Ende ste- allem aber die Vorstände und Aufsichtsrä- schrittenen Aufschwung be-
hen könnte, auch wenn es danach über- te, oftmals Aktien ihres Unternehmens. reits auf den Abschwung – und
haupt nicht aussieht – so wie in den Jahren Das weckt den Optimismus bei steigenden verkaufen ihre Aktien.
2003 und 2009. Kursen. Die Einkaufsmanager in vielen Un-
Ebenso beginnen kluge Anleger jedoch ternehmen ordern in freudiger Erwartung Umgekehrt setzen Anleger in-
auch, Aktien wieder zu verkaufen, wenn des Aufschwungs mehr Produkte und in- mitten einer Rezession gerne
der Wirtschaftsaufschwung schon weit vestieren in die Zukunft – erst das treibt die auf den Aufschwung – und
fortgeschritten ist und viele Staaten ihre Wirtschaft an. kaufen Aktien preiswert ein.

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Kursschwankungen
fürchten
Falsch. Wer für das Alter mit Aktien vorsorgt,
sollte die vielen Turbulenzen an den Börsen nicht fürchten,
sondern für sich nutzen.

D
er ideale Sparplan für die Rente
sieht so aus: Monat für Monat
Aktien kaufen und darauf ver-
trauen, dass die Kurse in der
langen Ansparphase niedrig sind, um so
möglichst viele Fondsanteile billig zu er-
werben. Kursschwankungen sind in der
Ansparphase kein Nachteil, sondern sogar
ein Vorteil, der sich am Ende auszahlt.
Dazu ein Rechenbeispiel: Wer monatlich
100 Euro in einen Sparplan einzahlt, ent-
nimmt nach drei Monaten 300 Euro – vo-
rausgesetzt, die Kurse sind über den ge-
samten Zeitraum stabil geblieben. Doch
angenommen, der Anteilspreis liegt im ers-
ten Monat bei 100, im zweiten Monat bei
50 und im dritten Monat bei 150 Euro,
dann beträgt der Durchschnittspreis zwar
immer noch 100 Euro. Doch mit den insge-
samt ebenfalls eingezahlten 300 Euro hat
der Anleger nicht drei, wie eigentlich zu
vermuten wäre, sondern 3,5 Anteile erwor-
ben.
Den Zugewinn des halben Anteils ver-
dankt der Anleger dem sogenannten Cost- ständler wird mit dem Ausscheiden aus also nach Rentenbeginn, werden dann
Average-Effekt, dem Durchschnittskosten- seinem Beruf auf einen Schlag alle Aktien Jahr für Jahr weitere Anteile verkauft.
effekt – und das nicht trotz, sondern sogar verkaufen, um das Geld zu konsumieren
wegen der starken Schwankungen! oder aufs Sparbuch umzuschichten. Nötig
Das zweite so vorteilhafte Beispiel hat ist monatlich nur ein kleiner Teil, zumal FAZIT
dennoch eine Schwäche: Kurz vor der Aus- auch die staatliche Altersvorsorge immer
zahlphase müssen die Kurse steigen, damit noch ihren Beitrag leisten wird. Wer fürs Alter mit Aktien spart,
der Wert aller erworbenen Anteile am En- Ziel ist es, das Gesamt-Aktienvermögen sollte über einen längeren Zeit-
de hoch ist. Des Anlegers Albtraum ist es nach Rentenbeginn in einem langen Zeit- raum und regelmäßig und mit
hingegen, wenn ausgerechnet mit Beginn raum über mehrere Jahrzehnte zu verbrau- etwa gleich hohen Geldbeträ-
der Rente die Börse einbricht – und die chen – so wie es über eine längere Phase gen Aktienfonds oder ETFs
teuer erworbenen Anteilscheine nur noch eingezahlt wurde. Um das Risiko zu verrin- kaufen. Schon ein paar Jahre
wenig wert sind. So wie im März 2003, als gern, Aktien bei sehr niedrigen Kursen ver- vor Beginn der Rente beginnt
der Dax auf 2 188 Punkte fiel und er genau kaufen zu müssen, sollten die ersten Antei- idealerweise die Entnahme –
drei Jahre vorher noch bei 8 000 Punkten le mindestens fünf Jahre vor Rentenbeginn also der Verkauf von Anteilen.
gestanden hatte. verkauft werden, um sie auf dem Spar- Aber niemals ein Komplett-
Zweifellos, 2003 war zumindest für Bör- buch oder im Geldmarkt zu parken. Das verkauf, sondern sachte Stück
sianer kein optimaler Start in den Ruhe- lässt einen Puffer, um in besonders schwa- für Stück. Das gilt auch für
stand, aber auch keine wirkliche Gefahr chen Börsenjahren, wie 2002 und 2008, die Zeit nach dem Eintritt ins
für die Existenz. Denn kaum ein Ruhe- nicht verkaufen zu müssen. Anschließend, Rentenalter.

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9
Der Anleger, das
unberechenbare
Wesen
Falsch. Viele Anleger folgen nur der Herde – und sind
damit leicht zu durchschauen.

A
sienkrise, der Terroranschlag dafür sah, Aktien zu kaufen, weil mit dem Nötig war allein, sich von der zuneh-
auf die USA am 11. September Sparbuch oder mit Anleihen kein Geld mend besseren Stimmung an der Börse
2001, die Atomkatastrophe in mehr zu verdienen ist, hat damit ordentli- anstecken zu lassen – und ihr zu folgen.
Fukushima oder der Zusam- che Gewinne eingefahren: Über 200 Pro- Umgekehrt fuhren Anleger gut, die im
menbruch der amerikanischen Invest- zent seit dem Frühjahr 2009 – und Gewin- Frühjahr 2000 die plötzlich einbrechen-
mentbank Lehman: Solche Hiobsbotschaf- ne in fast jedem Börsenjahr. den Aktienkurse als Warnhinweis interpre-
ten ziehen die Kurse stets nach unten – ge- tierten, dass die Herde mit einem Mal in
nauso wie eine unerwartete Zinssenkung die andere Richtung trieb: weg von den
oder ein gutes Verbrauchervertrauen der Börsen! Wer sich dagegen beharrlich gegen
amerikanischen Konsumenten die Börse die Herde stellte und an seinen Dax-Titeln
beflügeln. unbeirrt festhielt oder gar zu vermeintlich
Der Anleger ist meistens berechenbar. Er günstigeren Kursen nachkaufte, musste
verkauft, wenn es aus den Unternehmen für seinen „Mut“ teuer bezahlen.
und der Wirtschaft schlechte Nachrichten Der Dax verlor in den drei Jahren
gibt. Er kauft bei positiven Botschaften. zwischen dem Frühjahr 2000 und
Ähnlich wie euphorisierte Fans im Fußball- dem Frühjahr 2003 drei Viertel
stadion lassen sich Anleger von den Gefüh- an Wert! Wer frühzeitig der
len der anderen anstecken. Früher ge- Herde folgte und genau das
schah dies direkt auf dem Börsenparkett, tat, was die Mehrheit woll-
wo Aktienhändler dicht gedrängt herum- te, nämlich aussteigen,
schrien und -gestikulierten und sich auf machte vieles richtig.
diese Weise Panik oder Euphorie rasch ver-
breitete.
Heute sind Medien, Nachrichtenticker
und vor allem das Internet die Über-
mittler guter und schlechter Neuig-
keiten. Weil die Börse gerne auf die
Zukunft spekuliert, diese aber
niemand kennt, sind Anleger FAZIT
empfänglich dafür, sich an an-
deren Anlegern zu orientie- Gute Frühindikatoren aus
ren. Aktionäre offenbaren der Wirtschaft und den
damit ein Herdenverhal- Unternehmen lösen bei
ten und sind deshalb Anlegern steigende – und
berechenbar. Und die schlechte Daten fallende
Herde ist oftmals gar Kurse aus. Meistens zu-
nicht so dumm. Da- mindest. Berechenbarer
zu zwei Beispiele: geht es eigentlich nicht.
Wer die Staats- Wer frühzeitig diese
schuldenkrise und Richtungswechsel er-
die darauf folgende kennt, gewinnt. Und das
Nullzinspolitik in nicht gegen die Herde,
Europa als Signal sondern mit ihr.

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D O S S I E R Börsenirrtümer 12

10
Den Nachrichten
hinterherlaufen
Falsch. Anleger sollten sich zwar gut informieren –
aber sich deshalb nicht zum ständigen Umschichten
ihres Depots verleiten lassen.

D
ie Aktienkurse steigen bei gu- täglich der neuen Situation anzupassen. FAZIT
ten Nachrichten, sie fallen bei Das ist fatal.
„bad news“. Wenn die Unter- Einem Tag mit guten Nachrichten folgt Die meisten Kursbewegungen
nehmen starke Quartalszahlen oft ein Tag mit negativen Meldungen – sei sind kurzfristig und für eine
liefern oder die Weltbank ihre Prognosen es aus der Weltwirtschaft, aus der deut- Langfristanlage unwichtig.
für die globale Konjunktur anhebt, dann schen Binnenwirtschaft oder aus den Un- Langfristig steigt der Kurs
legt der Dax zu. Er fällt, wenn sich Erwar- ternehmen selbst. Schlimmer noch: Viele einer Aktie, wenn das Unter-
tungen nicht erfüllen und Wirtschafts- einzelne Nachrichten sind geeignet, die nehmen bessere Produkte her-
Frühindikatoren sinken, ein Terroran- Kurse sowohl nach oben als auch nach un- stellt, profitabler als seine
schlag die Welt in Atem hält oder in Chi- ten zu beeinflussen, je nachdem, ob die Wettbewerber wirtschaftet und
na die Firmen ihre Perspektiven schwä- Grundstimmung gerade gut oder schlecht die Gewinne auf Dauer über-
cher einschätzen. ist. So beflügeln Übernahmegerüchte die durchschnittlich stark steigert.
Mehr als 100 000 Nachrichten laufen Aktienkurse, wenn die Grundstimmung
täglich durch die Ticker, mehr als 100 ha- gut ist. Anleger heben dann meistens die Alle Nachrichten abseits der
ben durchaus die Relevanz, Kurse zu be- Chancen der Wettbewerbsvorteile in den Firma beeinflussen zwar eben-
einflussen – und sie schaffen es auch. Die Vordergrund. Wenn die allgemeine Stim- falls den Aktienkurs, und oft-
Verlockung ist groß, möglichst viele Infor- mung hingegen negativ ist, weil die Risiken mals sogar stärker als Meldun-
mationen aufzugreifen, zu verarbeiten des Scheiterns und der finanziellen Schwä- gen aus dem Unternehmen
und umzusetzen, um daraus eine Anlage- chung Oberhand gewinnen, lähmen Fusi- selbst – aber immer nur kurz-
entscheidung abzuleiten – und sein Depot onsabsichten die Kurse. und nicht langfristig.

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