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412 Fritz Wehrli [31] [31/32) Hesiods Prometheus 41)

Den Menoitios hat Zeus wegen frevelhafter Oberhebung (etve'l!.• zugedad::iten Allwissenhei t gedenkt Hesiod in V. 613 nodimals,
dtmrtluUrg; tE i«xt f}VOQEll� 1JJt€QOJtA.OV V. 516) mit dem Blitz in wo er abschließend als Lehre von Prometheus' Bestrafung festhält,
den Tartaros geschleudert, und Atlas muß stehend den Him­ es sei unmöglich, Zeus zu hintergehen.
mel mit Haupt und Händen tragen. Daß auch dies Strafe für Was in der Erzählung auf die Opferteilung folgt, ist Zeus' Rache
titanenhafte Unbotmäßigkeit ist, deutet das Atlas in V. 509 zu­ durch Vorenthalten des Feuers sowie dessen Raub als zweiter An­
gedachte Attribut &QO.t€QO<pQWV an. Obwohl die Vergehen, für schlag des Prometheus. Als schlaue Tat (ei;mratfiv 565) wird dieser
welche Prometheus mit Fesselung büßt (521 f.; 616), nur List und auf die gleiche I Stufe gestellt wie der Opfertrug, und außerdem
Diebstahl zum Besten der Menschen sind, nämlich Sicherung der besteht, worauf Ed. Schwartz (a. 0. 136) hingewiesen hat, zwischen
besten Opferstücke und Gewinnung des Feuers, so will Hesiod beiden Handlungen für den Dichter wohl auch ein sachlicher Zu­
diese doch nicht von der Verschuldung seiner Brüder unterschieden sammenhang, sofern erst der Besitz des Feuers erlaubt, das den
wissen; die drei Iapetossöhne sind für ihn vielmehr unterschiedslos Göttern abgelistete kostbare Opferfleisch auch zu genießen ( cf.
Zeugen für den Triumph des Zeus über seine Widersacher 2• Er Hygin Astron. XV). Trifft dies zu, dann stammt Hesiods Feuer­
legt damit die Grundlage für die großartige Konzeption des Aischy­ raub aber aus der gleichen burlesken Vorlage wie der Opfervertrag,
los von Prometheus dem Empörer, und wie groß seine Leistung bei und in der Tat schimmert die von noch keinerlei Rücksicht auf die
aller Unbeholfenheit doch mindestens als Ausdruck der Gesinnung Majestät des Gottes beschwerte ursprüngliche Fassung hier be­
ist, kann nichts besser lehren als eine Untersuchung seiner Vorlagen. sonders deutlich durch. Die Worte V. 567 f., Zeus' -t>vµ6; habe
Es bedarf keines Beweises mehr, daß Hesiod für die erste Phase einen Biß erhalten und sein Herz sei ergrimmt, als er das weithin
seiner Auseinandersetzung zwischen Zeus und Prometheus (Theog. lodernde Feuer bei den Menschen erblickt habe, sind nämlich das
535-561) eine naiv-lustige Geschichte vor sich hatte, nach welcher Eingeständnis einer Niederlage, welches sich mit Hesiods eigener
Zeus bei der Teilung des Opfers wirklich übertölpelt wurde, und Zeusfrömmigkeit nid::it verträgt und bei ihm nur steht, weil ihm
daß er dieselbe, geleitet von seinem strengeren Zeusglauben, mit hier die Umbildung des alten Schwanks nod::i weniger gelingen
der Korrektur verdorben hat, Zeus habe die List durchschaut, aber wollte als bei der Opfergesd::iichte 4,
trotzdem die schlechteren Opferteile gewählt 3• Diese Korrekcur Wie steht es nun aber mit dem zweiten Vergeltungsakt des
erhält die Form fast ausdrücklicher Polemik, wenn Zeus zweimal Zeus, der Heimsuchung der Menschen durch das Weib, welche Ed.
das Attribut li.cp-lhta µ11öea döro; (545; 550) erhält; der ihm damit Schwartz im Gegensatz zu den vorangehenden Episoden als Hesiods
„eigenste Erfindung" würdigt 5 ? 'W�e das Vorenthalten des Feuers
l Die Erwähnung des Epimetheus Vs. 511 halte ich mit Jacoby und
G. Jachmann (Götting. Nachr. 1936, 131) für Interpolation. Sie stört die
Ord:mmg; in wcldter Namen =d&:hickttle ßef'�il00t!l'1'1. aufgezählt
sind. Außerdem verträgt sie sich schlecht mit dem Thema der Bestrafung
Ptomed1eus ot··Hesroct···fflt! � Ski#te� ..utgm =�
Die harmonisierende Behandlung der Erzählung durch Eirik Vandvik (The
No.rske�
Videnskaps-Akademi i Oslo 1942 II, Historisk-filologisk Klasse), wonach
von Zeus' Herausforderung, denn der Erfolg seiner Rache darf nicht vom Zeus einen wohlerwogenen erzieherischen Plan verfolgt, stellt einen Rück­
zufälligen Versagen der Abwehr abhängig sein. Vollends in der von schritt der Forschung dar.
Hesiod bearbeiteten älteren Geschichte (s. Text) wäre sie ein Fremdkörper. • fo den Erga 54 :ff., wo Hesiod auf den alten Schwank für einen
2 Cf. Ed. Schwartz, Prometheus, Sitz, Ber. Berl. 1915, 135; Friedr.
,rnderen Zwec.1- zurückgreift:, bekennt sich Zeus selbst ausdrüddich zu
Solmsen, Hesiod and Aeschylus, Cornell Univ. Press 1949, 50 f. �einer Schlappe, indem er zugleich die Rache durch Erschaffung des Wei­
3
Carl Robert, Melanges Nicole, Genf 1905, 482 [oben S. 169]; Schwartz bes 'ankündigt. Dafür fehlt dort die Opfergeschichte.
(oben Anm. 2) 143; Fr. Schwenn, Die Theogonie des Hesiodos, 1934, 131; " a. 0. 137; ib. 144 sieht Schwartz in dieser sogar eigene ehelich<!
H. J. Rose, A handbook of Greek mythology, 1953, 72Ann. 57; Solmsen 48 f. Erlebnisse des Dichters gespiegelt.
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trifft sie die ganze Menschheit, während die Fesselung, welche diti!, .,.. l,lid1 und stimmungsmäßig ans Vorhergehende an, ja erst durch
Beziehung zum Schicksal von Prometheus' Brüdern allein herstellr, :J w• 1•rhält jenes vollen Sinn und Abschluß: zweimal hat Prometheus
von ihm persönlich erduldet werden muß. Die Beziehung zwischeöJ ••-lllt'll Gegner, dem er an Schlauheit überlegen ist, zugunsten der
diesen beiden Maßnahmen des Zeus enthält denn auch die größto i? M,•11schen zu überlisten gewußt, aber jetzt spielt Zeus mit dem
Schwierigkeit, welche der ganze Prometheusexkurs dem Verständ� 'i Wnhc den letzten Trumpf aus, so daß für jene trotz Opferfleisch
nis entgegenstellt 0• Sie konzentriert sich auf das abschließende ' 11111.I Feuer erst das volle Elend anhebt. Dieser Zusammenhang ist
Bekenntnis zu Zeus' unentrinnbarer Allmacht und Allwissenheit •-• ,,,dit Zufall, sondern Schöpfung eines Dichters, dessen kleines Werk
(V. 613-616, cf. oben), wo einerseits nochmals wie in V. 521 f, l bind also in seinem ganzen Umfang übernommen und seiner
auf die Fesselung des Prometheus hingewiesen, andrerseits det r,,tt1 anderen Gesinnung anzupassen versucht hat. Am sichtbarsten
✓•

Eindruck erweckt wird, als ob aus der unmittelbar vorher er-­ , r<'lcn uns die Schwierigkeiten, die sich dem Einbau entgegenstell­
zählten Erschaffung des Weibes das Fazit gezogen würde7. Die wn, beim Abschluß der geborgten Erzählung entgegen8•
beiden Racheakte des Zeus scheinen sich hier also gegenseitig aus­ Was jenen Schwank selbst betrifft, den wir uns in epischer Form
zuschließen, ohne daß wir doch den einen oder den andern aus� -li·nkcn dürfen, so scheint sein Erzähler ihn aus drei ursprünglich
merzen dürften. Die Ge I schichte vom Weibe ist unantastbar, und -.,·11,ständigen Elementen komponiert zu haben 9. Das erste derselben
vor einem Tilgen der die Fesselung ins Gedächtnis zurückrufenden ,·,r ein Opferaition, welches nicht einmal von jeher mit dem Namen
Verse 614/6 muß uns deren Erwähnung am Beginn des Prometheus• 1ln Prometheus verbunden gewesen zu sein braucht 10• Aber auch
exkurses warnen: Hesiod biegt dessen Anfang und Ende getreu ,lcr Feuerraub\ ist auf keinen erzählerischen Zusammenhang, wie
dem bekannten Schema der archaischen Ringkomposition zusam­ ,J„r Hesiods ist, angewiesen, denn in seiner Bedeutung für das
men und unterläßt dabei nur, das zunächst bloß angekündigte mrnschliche Leben ist das Feuer so offenkundig, daß es uns wundern
Thema dann auch wirklich auszuführen. Dies geschieht offenbar ,.,lltc, wenn seine Herkunft die aitienfreudige Phantasie der Grie­
weil die Fesselung, welche Hesiod zunächst als Denkmal für Zeus; ,l,cn nicht schon früh als selbständiges Thema beschäftigt hätte 11 •
übermacht allein im Auge hat, sich an die inzwischen eingescho­ Tusächlich ist es denn auch nach argivischer Sage Geschenk des
benen Geschichten von anderen Heimsuchungen nicht mehr recht
anschließen läßt. Daß Zeus die Herausforderung mit einer doppel­
" Daß Opferbetrug, Feuerraub und Erschaffung der Frau eine nicht
ten Strafe beantwortet, ist nämlich an sich mißlich, eine eigentliche l ,11· Jie Theogonie geschaffene Einheit bilden, finde ich schon bei W. Aly
Stillosigkeit liegt aber darin, daß von seinen beiden Maßnahmen "'"gesprochen, der aber mit nachträglicher Einarbeitung rechnet (Rh. Mus.
die eine burlesken, die andere tragischen Charakter hat. Dies wäre ,.:i, 1913, 547ff. = oben S. 328). A. Severyns, Promethc Heros de conte
durch größere Ausführlichkeit erst recht spürbar geworden, welche l'"l'ulaire (La Nouvelle Clio V 1953, 148 ff.) beurteilt Opferteilung und
der Dichter darum wohlweislich vermeidet. 1 c11crraub als Erfindung eines unbekannten Rhapsoden.
Um so fugenloser schließt sich dafür die Erschaffung des Weibes " Von ursprünglich getrennten Prometheusmythen redet auch Robert
IU/3 [oben S. 170), nur daß er ihre Vereinigung als Werk Hesiods be­
" -1chcet; ähnlich schon Lisco 22.
8 F. G. Welcker, Gd.edusdie Götter1chre! 1fü; ™;-RO!dter
� 10
Schwanz 144; Max Pohlenz, Die griechische Tragödie2 (1954) Er-
III 3055; Schwanz 145; Ed. Lisco, Quaestiones Hesiodeae, Diss. Götting, 1.mterungen 1'T. n1r·� moderneErklätung.de�Q2fers U11� seiner se!t­
1903, 23; W. Schmid, Untersuchungen zum gefesselten Prometheus, Stutt­ -.llnen Verteilung cf. A. Thomsen, Arch. Re!. wiss. 12 (1909) 47,0 uiiä
gart 1929, 80. :;,1rJ Meuli, Phyllobolia für P. Von der Mühll (1945) 185:ff.
7 V. 613. Die Verse 603-612, ein altkluges Abwägen 11 Das Feuer als Voraussetzung aller TbXNAI Aisdiylos Prometheus
zwischen den
Nachteilen von Ehe und Junggesellentum, sind störende Eindichtung. lO'J ff.; cf. Preller-Robert, Griechisdie Mythologie' I (1894) 92, der auf
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Phoroneus (Pausanias II 19, 5), der außerdem das Zusammenlebett (V. 443ff.), so geschieht dies I wenigstens getreu dem allgemeinen
der Menschen begründet haben soll (ib. 15, 5 und Oxyrh. Pap. 124 SL1111 eines vorhesiodischen Aitions.
c ol. IV), also ähnlich wie Prometheus als Kulturbringer im allge,. Als Warnung vor einer solchen Hypothese wird uns nun freilich
meinen Sinne galt. Da ihn schon das Epos Phoronis so dargestellt eingeschärft, daß Prometheus' Beiname Pyrphoros, auf den man
zu haben scheint (Stoessl, RE XX 648), fällt späte Übertragung ,idi berufen könnte, ursprünglich den kultischen Feuerträger und
dieser Züge aus der Prometheussage weg; es muß vielmehr eine 111cht den Wohltäter des Mythos bezeichne 12• Mag diese zweite
eigenständige kulturaitiologische Dichtung anerkannt werden. Dat lkdeutung also die jüngere sein, so ist sie immerhin belegt 13, und
gleiche gilt für den Homerischen Hymnus auf Hermes, nad1 wel• ,·s stellt sich die Frage, wie es zu einer solchen Ambivalenz des
ehern dieser Gott, der zugleich Erfinder der Leier ist, auch das l\cinamens überhaupt kommen konnte. Eine Antwort wird im
Feuer hervorgebracht hat (V. 108 ff.). Die Erzählung ist in derf einzigen namhaften Kulte des Prometheus, den wir kennen, zu
überlieferten Form entstellt, doch läßt sich noch erkennen, daß e$ '\ ,urhen sein, nämlich in den athenischen Promethia mit ihrem Fackel­
sich um Feuerreiben handelt, vor allem aber, daß Hermes das Feuer ; l.luf 14: Prometheus der Feuerbringer wäre darnach aitiologische
für die Zubereitung der von ihm gestohlenen Rinder braucht. Eine �' Projektion der menschlichen Feuerträger an seinem Feste oder,
Verbindung also mit dem Tieropfer wie bei Hesiod, die man leicht .,nders ausgedrückt, mit der rituellen Begehung glaubte man die
versteht, da das Braten am Götterfest zu den augenfälligsten Ver• i'.rinnerung an die menschenfreundliche Tat des Titanen zu feiern 15.
wendungen des Feuers gehört. Die Theogonie fügt die ungleiche Ursprünglich kann Prometheus allerdings nicht Feuergott ge­
Verteilung der Opferstücke und den Zorn des Zeus als zusätzliche wesen sein, schon weil sein sprechender Name auf eine freie dich-
Elemente der Erzählung bei, der Hymnus spiegelt also nur die 1.:risc.l-ie Konzeption deutet, er also erst nachträglid1 zum Inhaber
allgemeinen Voraussetzungen, welche der Erfinder des Schwankes des 2.ttischen Kultes geworden sein kann. Von seiner Voraussicht
dem Leben entnahm. Wir folgern daraus eine vorhesiodische Sage, und Klugheit mag man einmal alles mögliche erzählt haben, ähn­
in welcher von Prometheus ähnlich wie von Hermes - und Pho. lich wie von der eines Odysseus oder Sisyphos, doch muß die
roneus - die Vermittlung des Feuers als Kulturtat berichtet und l'hantasie bei ihm früh in der Richtung der Kulturleistungen ge­
seine Verwendung beim Opfer hervorgehoben wurde. Aischylos gangen sein, der eindrucksvollsten Zeugnisse für menschliche Be­
hätte danach den allgemeinen Sinn des Feuerraubs nicht erst in ,;,1bung. Jedenfalls ist die Vermittlung des Feuers - in irgendeiner
eine ursprünglich humoristisch gemeinte Erzählung hineinlesen müs­ Form - als Ruhmestat des Prometheus Voraussetzung für seine
sen, und wenn sein Held sich außer auf das Feuer auf eine Verbindung mit dem attischen Kult. Wir können diese zwar nicht
lange Reihe dem Menschen verliehener Wohltaten berufen kann ,:enau datieren, da sie aber immerhin in archaischer Zeit erfolgt sein
muß, stützt sie die vorgetragene Anschauung, daß Prometheus der
Plinius NH XXXVI 200 verweist: et peractis omnibus, quae constant
ingenio arte naturam faciente, succurrit mirari nihil paene non igni 12 Schwartz 143; U. v. Wilamowitz, Aischylos-Interpretationen 144;
per/ici; ferner Ad. Kleingünther, IIPQTOl: EYPETH::r, Philologus .:.,,;�gen einschränkend Pohlenz 33.
Suppl. XXVI Heft 1 (1933) 20; Paul Joos, TYXH il>Yl:U TEXNH, i:i Das Material vermittelt die Anm. 11 angegebene Literatur.

Studien. für nelfüuik� fruhgriedrisdrer LebensbeLIachtung, Ilm. 1'L. Deubner, Ar.tische. l'�e, l�Jl,:211.
1955, 22. Adalbert Kuhns umfassende Behandlung von Feuerbringersagen 15 Auf eine für uns wichtige Bezugnahme auf die Promethia im aisch y­
versmieclener Völker (Die Herabkunfl: des Feuers und des Göttertranks, kischen Prometheus Pyrkaeus (fr. 205 N2) macht F. Foc:ke aufmerksam
1858) müßte auf moderner Grundlage neu unternommen werden; wert­ (l lcrmes 65, 1930, 266 f.). über weitere Zusammenhänge zwisdien Kult
volle Hinweise und bibliographisches Material bei Louis Sechan, Le 111,d Mythos Karl Reinhardt, Aischylos als Regisseur und Theologe, 1949,
mythe de Promethee, Paris 1951, 5 ff. \9 ff.
418 Fritz Wehrli: Hesiods Prometheus

Kulturbringer nicht erst von der hesiodischen Erzählung abgeleitet


worden sei 10.
Was den letzten Bestandteil des vorhesiodischen Schwankes be.
trifft, so hat Ed.Schwartz die Vermutung ausgesprodten, Hesiod
bilde hier eine ältere Geschichte um, welche die Erschaffung des
Weibes durch Prometheus selbst erzählt habe. Unter der Ein­
schränkung, daß wir gemäß unseren Voraussetzungen statt Hesiod
den von ihm benützten I Dichter einsetzen, läßt sich diese Hypo­
these zu hoher Wahrscheinlichkeit erheben. Nach der von Menander
(fr. 535 Kock = 718 Koerte) an belegten jüngeren Überlieferung
hat Prometheus ja in der Tat das weibliche Geschlecht selbst ins
Leben gerufen, und seine Erschaffung der Urmutter glaubt man
mit gutem Grund schon aus einem Fragment des Aischylos heraus­
lesen zu dürfen 17• Ohne direkte Beziehung zur hesiodischen
Schöpfungsgeschichte kann diese Fassung nicht sein, wir haben also
die Wahl, sie entweder aus jener abzuleiten oder umgekeh rt an­
zunehmen, der vom hesiodischen Zeus geführte Schlag gegen Pro­
metheus sei die burleske Umwandlung einer bloß zufällig erst viel
später belegten Erzählung. Wenn das Einfache dem Komplizierten
vorangeht, so müssen wir uns für die zweite Alternative ent"
scheiden. Daß mit dem Weib ein übel in die Welt gekommen sei,
lag natürlich nicht in der Fassung mit Prometheus als Schöpfer.
Weniger hypothetisch als diese Vorgeschichte des von Hesiod
benützten Gedichtes und zugleich wichtiger für uns ist das was
sich für Hesiods eigene Arbeitsweise ergeben hat. Wenn er i� der
Theogonie nicht bloß den Stoff einer älteren Dichtung verwertet,
sondern noch die Umrisse ihrer künstlerischen Form sichtbar läßt,
so zeigt er sich stärker in die epische Tradition verwoben als seine
Individualität zunächst erwarten läßt. Die gleiche retoudiierende
Einbeziehung kürzerer Gedichte is t nach unserer Überzeugung
besonders für die Ilias längst erwiesen.

16 An der Klärung der dargelegten Gedanken ist ein Gedankenaus­

tausch mit P. Von der Mühll beteiligt.


17 fr. 369 N2, dazu Roscher, Lexicon III 3044 und Wilamowitz 145;

zum Ganzen 0ldfather, RE XVIII 2 Sp.541 s.v. Pandora.

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