Beruflich Dokumente
Kultur Dokumente
Diskursiver Journalismus
Carsten Brosda
Diskursiver
Journalismus
Journalistisches Handeln
zwischen kommunikativer Vernunft
und mediensystemischem Zwang
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über
<http://dnb.d-nb.de> abrufbar.
1. Auflage 2008
Der VS Verlag für Sozialwissenschaften ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media.
www.vs-verlag.de
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede
Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne
Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für
Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung
und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
ISBN 978-3-531-15627-9
Inhaltsverzeichnis
Vorwort ............................................................................................................................. 9
I Einleitung ................................................................................................................11
1 Die Kluft zwischen Wissenschaft und Journalismus .........................................................11
2 Theoretischer Rahmen: Kommunikatives Handeln in der Moderne ..............................13
3 Theoretische Perspektive: Journalismus zwischen Lebenswelt und System...................20
3.1 Massenmedien und System .................................................................................................23
3.2 Journalismus und Lebenswelt .............................................................................................26
3.3 Auf dem Weg zu einem kommunikativ verstandenen Journalismus .....................................29
4 Zum Aufbau der Arbeit.........................................................................................................31
II Zur Verortung der Journalistik............................................................................... 35
1 Wissenschaft zur Verbesserung des Journalismus .............................................................36
1.1 Die Loslösung (von) der Praxis..........................................................................................39
1.2 Wurzeln der Journalistik ...................................................................................................44
1.3 Programm der Journalistik.................................................................................................50
2 Theoretische Optionen..........................................................................................................54
2.1 Systemtheorie und Konstruktivismus...................................................................................57
2.1.1 Systemtheoretische Grundlegung der Journalistik ......................................61
2.1.2 Kritik: Der Verlust des Akteurs.....................................................................65
2.2 Handlungstheoretische Optionen .........................................................................................70
3 Wissenschaftstheoretische Fundamente..............................................................................75
3.1 Die Möglichkeiten sozialwissenschaftlicher Kritik................................................................78
3.2 Die Stellung des Sozialwissenschaftlers zur Praxis..............................................................85
3.3 Sozialwissenschaftliche Teilnahme in der Journalistik..........................................................90
4 Zwischenfazit: Praxisorientierung und Kritik.....................................................................93
III Die Idee der Öffentlichkeit – Historische Grundlagen des Journalismus ........... 98
1 Die Idee der Öffentlichkeit ...................................................................................................99
1.1 Öffentlichkeit als ‚Sphäre‘................................................................................................103
1.2 ‚Bürgerliche Öffentlichkeit‘ als gesellschaftliches Strukturprinzip ........................................107
1.3 Journalismus und Öffentlichkeit .......................................................................................114
1.3.1 Journalismus und öffentliches Zeitgespräch..............................................114
1.3.2 Journalismus und die (kritische) Vernunft der Öffentlichkeit.................117
6 Inhaltsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
In den sieben Jahren, die es gedauert hat, dieses Buch zu schreiben, habe ich bei vielen Gele-
genheiten die Kraft verständigungsorientierter Gespräche erfahren dürfen. Es gibt die oft
beschworenen Inseln der Diskurse – im akademischen Raum genauso wie außerhalb. Ohne
diese Erlebnisse wäre es mir sicherlich ungleich schwerer gefallen, diese Arbeit neben einer
beruflichen Tätigkeit zu einem Abschluss zu bringen. Sie wurde im Januar 2007 von der
Universität Dortmund als Dissertation angenommen.
Ich danke insbesondere den beiden Gutachtern der Arbeit, Prof. Dr. Günther Rager und
Prof. Dr. Horst Pöttker, für die Zeit und Energie und guten Ideen, die sie in unsere Gespräche
investiert haben. Sie haben mir auch dabei geholfen, den Argumentationsgang trotz aller Breite
auf sein Ziel – ein praxisorientiertes und emanzipatorisches Verständnis von Journalismus –
hin zu orientieren. Prof. Dr. Achim Baum hat an entscheidender Stelle dafür gesorgt, dass ich
zumindest einige verweht romantisierende Passagen aus der Arbeit herausgelüftet habe. Prof.
Dr. Thomas Meyer wiederum hat früh meine Lust auf Wissenschaft geweckt und mir den
Zugang zu den Werken von Jürgen Habermas geöffnet. Auch ihnen bin ich sehr verbunden.
Die beständigsten Gesprächspartner – nicht bloß im Hinblick auf diese Arbeit – waren
meine Freunde Dr. Thymian Bussemer und PD Dr. habil. Christian Schicha. Sie haben unaus-
gereifte Ideen wegargumentiert, anderes unterstützt und wertvolle Anregungen gegeben.
Beiden habe ich es außerdem zugemutet, eine frühe Fassung dieser Arbeit komplett zu lesen.
Ich weiß nicht, ob ich ihnen dafür danken, oder ob ich mich entschuldigen soll. Mein Freund
Hannes Schwarz hat darüber hinaus – bisweilen ohne dass er es gemerkt hat – in unseren
zahlreichen, meist ganz praktisch politischen Debatten auch so manche wissenschaftliche
Prämisse dieser Arbeit korrigiert und damit bewiesen, dass Wissenschaft aus ihrer distanzierten
Position heraus keineswegs immer einen Erkenntnisvorsprung haben muss. Weitere wesentli-
che Anstöße und Hinweise verdanke ich Mareike Dittmer und Nadine Bilke. Von Herzen
verbunden bin ich meiner Frau Ulrike Ehling, die mit kritischem Auge und konstruktivem
Geist die Entstehung dieser Arbeit begleitet und vorangetrieben hat. Wenn die Ehe ein andau-
erndes Gespräch ist, dann haben wir das unsere in den vergangenen Jahren oft und gerne um
die vielleicht etwas ungewöhnlichen Themen kommunikatives Handeln, Öffentlichkeit und
Journalismus erweitert und bereichert.
Der Prozess der Entstehung dieser Arbeit ist verschlungen. Ihr Argumentationsgang
manchmal auch. Aber ich hoffe, dass der Text, für dessen Fehler ich allein verantwortlich bin,
dazu einlädt, über Aufgaben und Potenziale des Journalismus nicht nur nachzudenken, son-
dern auch zu sprechen und zu streiten. Wer guten Journalismus will, darf nicht in der Analyse
eines unzureichenden Status Quo verharren, sondern muss mit Leidenschaft das Gespräch
über Alternativen und Grundsätzliches suchen – mit und zwischen Wissenschaft und Praxis.
Zu diesem Gespräch will dieses Buch einen Beitrag leisten.
Carsten Brosda
Berlin, im Juli 2007
I Einleitung
Nun muss diese Kluft zwischen Praxis und Theorie einen Medien- und Kommunikationswis-
senschaftler nicht zwangsläufig stören, der sich seinem Beobachtungsgegenstand mit nachge-
rade ethnologischer Indifferenz und Distanz wie einer fremden Kultur nähert, um dessen
Kommunizieren, Handeln und Verhalten lediglich empirisch-analytisch zu beschreiben. Doch
abgesehen von aller noch aufzuzeigenden wissenschaftstheoretischen Problematik einer
solchen Haltung – von der letztlich auch der in fremden Kategorien beschriebene Gegenstand
1 Ausschließlich um den Lesefluss zu erleichtern, wird in der vorliegenden Arbeit die männliche Form verwendet
– wissend, dass damit einer traditionellen Routine Vorrang vor semantischer Korrektheit eingeräumt wird.
2 Blöbaum (1999, S. 217f.) hat eine ganze Liste unterschiedlichster Differenzverständnisse zwischen Theorie und
Praxis zusammengetragen. Er zählt – in Abgrenzung zum Integrationsanspruch der Journalistik – auf:
• „Gegenüber von Hochschule und Medienunternehmen“
• „Gegenüber von Nachdenken über Journalismus und Handeln im Journalismus“
• „Gegenüber von Journalismustheorie und Journalismus“
• „Gegenüber von dem, was in Lehrbüchern steht, und der Anwendung des Lehrbuchwissens“
• „Gegenüber von Anleitung und Ausführung“
• „unterschiedliche Lerninhalte“
• „unterschiedliche Lernformen“
• „Gegenüber von wissenschaftlicher Arbeit und journalistischer Arbeit“
• „unterschiedliche Bereiche des Journalistik-Studiums“
3 Haller 2000a
4 Ebd., S. 101. Fast jeder Kontakt zwischen beiden Kulturen, so könnte man ergänzen, führt zu einem ‚Kampf
der Kulturen‘. Reißfeste transkulturelle Netze dagegen, die weniger das Trennende als das Vereinende betonen,
scheinen nur selten gewoben zu werden. Kieslich (1972, S. 75) hat bereits vor über 30 Jahren konstatiert, dass
die Zeiten vorbei seien, in denen die journalistische Praxis aktiv eine wissenschaftliche Journalistik fordere und
unterstütze. Die meisten Praktiker, so auch Roegele (1978, S. 24), goutierten lediglich eine bedingungslos auf
praxisbezogene Fertigkeiten gerichtete Ausbildung. Aktuell bekräftigt Ruß-Mohl (2003, S. 20) diese Analyse.
12 I Einleitung
nicht unberührt bleibt5 –, kann die Sprachlosigkeit eine Disziplin wie die Journalistik nicht
zufrieden stellen, die sich einen eindeutigen emanzipatorischen Auftrag zu eigen gemacht hat,
den sie durch die Bildung und Ausbildung künftiger Journalisten einzulösen gedenkt.6
Journalistik zielt nicht nur auf die Erforschung des Journalismus, sondern auch auf ‚besse-
ren‘ Journalismus. Diese Perspektive des Faches bedarf einer entsprechenden theoretischen
Absicherung, um nicht auf einem unreflektierten Normativismus zu basieren.7 Wie ‚guter‘
Journalismus beschaffen sein soll, kann die Journalistik letztlich nur immanent aus einer theore-
tisch wie praktisch relevanten Idee des Journalismus heraus erklären. Erst vor dem Hintergrund
einer solchen Idee vermag eine anwendungsorientierte Journalistik der – auch systemtheore-
tisch erhobenen – Forderung zu genügen, als „kritischer Widerpart des Journalismus“ Defizite
der Praxis ebenso zu beschreiben wie Wege der Verbesserung aufzuzeigen.8
Wohl auch deshalb gewinnen handlungstheoretische Journalismus-Analysen nach Jahren
systemtheoretischer Dominanz wieder an Boden.9 Neverla merkt zu Recht an, dass eine
„intensivere theoretische und empirische Ausleuchtung des individuellen Berufshandelns“
notwendig sei, um Journalismus in seinen Möglichkeiten ausreichend verstehen zu können.10
Die systemtheoretische Perspektive darf in diesem Rahmen nicht aufgegeben werden, sondern
sie ist zu ergänzen um die Auseinandersetzung mit den handlungstheoretischen Verstehensop-
tionen, die in der Zeitungs- und Publizistikwissenschaft durchaus eine Tradition besitzen.11
Dazu ist auch die Entwicklung neuer integrativer Ansätze von Bedeutung. Beispielhaft ist hier
der Entwurf von Raabe, der Journalismus strukturierungstheoretisch als das Handeln sozialer
Akteure in einem sozialen Feld beschreibt, um dadurch sowohl die ermöglichenden als auch
die begrenzenden Strukturen in den Blick zu bekommen als auch das Verhältnis zwischen
Journalismus und journalistischen Akteuren wissenschaftlich zugänglich zu machen.12 Diese
Perspektive kann journalistisches Handeln und journalistische Akteure für die Journalistik
beschreiben und erklären, sie bleibt allerdings distanziert gegenüber Versuchen des Dialogs
zwischen Wissenschaft und Journalismus.
Der vorliegende Versuch nimmt das praxisorientierte Selbstverständnis der Journalistik
beim Wort und extrapoliert es, indem erste Vorüberlegungen für ein noch zu entwickelndes
Journalismus-Konzept formuliert werden sollen, das gleichermaßen die strengen wissenschaft-
lichen Kriterien genügende empirisch-analytische Beschreibung des Journalismus ermöglicht,
wie es immanent auf Maßstäbe rekurriert, anhand derer sich eine Aufgabe des Journalismus als
kritische Referenz benennen lassen kann. Ein solches Vorhaben hat nur dann Aussicht auf
Erfolg, wenn es sich auf eine gesellschaftstheoretische Einordnung verlassen kann, die eben-
falls den Spagat zwischen strengen analytischen Ansprüchen und kritischer Perspektive auszu-
halten imstande ist. Dagegen ist eine Rückkehr zu der Perspektive kritischer Kommunikations-
forschung allein, so wie sie in den 1970er Jahren im Anschluss an die Thesen zur ‚Kulturin-
dustrie‘ betrieben worden ist13, kaum möglich, weil diese zu den relevanten Ergebnissen der
empirischen Kommunikationsforschung nicht anschlussfähig wäre. Zudem sind die der
Kritischen Theorie zugrunde liegenden Totalitäts- und Dialektik-Vorstellungen nicht mit dem
heutigen Stand wissenschaftstheoretischer Erkenntnis in Einklang zu bringen.14 Darauf verwei-
sen insbesondere Studien, die im Umfeld der Cultural Studies angesiedelt sind.15
Lässt man sich aber auf die Prämissen einer kommunikativ gewendeten, kritischen Gesell-
schaftstheorie ein, die ihre kritischen Maßstäbe immanent aus den Konstitutiva sprachlicher
Humankommunikation zieht, kann es gelingen, erste Hinweise auf einen kritischen und
praxisrelevanten Bezugsrahmen für die sozialwissenschaftliche Analyse auch des Journalismus
zu entwerfen. Dies kann gelingen, wenn humankommunikative Interaktion und journalistische
Medienkommunikation als immanent verknüpft und damit prinzipiell vergleichbar betrachtet
werden. Dass dies möglich ist, soll in der vorliegenden Arbeit argumentiert werden.
Dabei soll allerdings nicht der Eindruck erweckt werden, die Lösung für alle Probleme des
Faches sei aus einer einzigen soziologischen ‚Supertheorie‘ zu deduzieren. Möglich sind viel-
mehr Hinweise auf Potenziale der fallweisen Erweiterung oder Fokussierung der theoretischen
Perspektive der Journalistik. Diese Hinweise sind geleitet von dem Anliegen, die Journalistik
durch eine tragfähige theoretische Fundierung in die Lage zu versetzen, in einen praktischen
Diskurs mit dem Journalismus zu treten.
meintlich verschwinden lässt. Den Massen werden surrogathaft standardisierte Vergnügungen verabreicht, um
deren Zufriedenheit innerhalb eines ausbeuterischen Systemzusammenhangs zu gewährleisten. Die der Waren-
industrie angeglichene Kulturproduktion erzeugt so affirmative und strategisch legitimierende Wirkungen; sie
hält das Publikum ‚dumm‘, da mit Massenproduktion und Standardisierung zwangsläufig eine Nivellierung der
angebotenen Inhalte einhergeht. Der Untertitel spitzt die These pointiert zu: „Aufklärung als Massenbetrug“
(Horkheimer/Adorno 1988 [1944], S. 128; vgl. auch Enzensbergers (1962) anschließende Analyse der „Bewußt-
seinsindustrie“). Allerdings ist der „ideologische Totalverdacht“ (Dörner 2000, S. 73), den Adorno und Hork-
heimer formulieren, zu undifferenziert, um das Gerüst einer Medientheorie bilden zu können. Sie weisen auf
zutreffende Manipulationstendenzen hin, übersehen aber, dass Rezeption von Medieninhalten autonomer er-
folgt, als von ihnen angenommen. Auch mangelt es an empirischer Stützung für ihre geschichtsphilosophisch
deduzierten Thesen. Adorno (1969) ist später vom Totalitätsanspruch der Thesen abgerückt. Notwendig ist da-
her ein neuer Anlauf der theoretischen wie empirischen Verankerung einer kritischen Forschungsperspektive.
19 Vgl. insbesondere Habermas 1990; 1992. Zu Leben und Werk von Jürgen Habermas vgl. die Einführungsbände
von Wiggershaus 2004; Reese-Schäfer 2001 oder Horster 19953.
20 Vgl. Habermas 1990
21 Vgl. dazu Müller-Doohm/Neumann-Braun 1991b
22 Vgl. Fabris 1985, S. 130f.; Burkart/Lang 1995
23 Vgl. Habermas 1995 [1981], 2 Bde. Kopperschmidt (1985, S. 107) sieht in dieser Theorie den „subtilsten und
grundbegrifflich konsistentesten konzeptionellen Ansatz einer kommunikationstheoretisch orientierten Gesell-
schaftstheorie“. Seine Aktualität belegen die Debatten in Müller-Doohm 2000 oder Wingert/Günther 2001.
24 Vgl. z.B. Giddens 1995. In etliche Facetten verfolgt Habermas allerdings ein ähnliches Programm wie Giddens
(1995), der in seinen strukturationstheoretischen Überlegungen ebenfalls versucht, die Dichotomie von Ak-
teurs- und Systemtheorie in einem durchlässigeren Modell internalisierender und externalisierender Effekte in
der Interaktion individueller und struktureller Handlungszusammenhänge aufzulösen. Dieser alternative gesell-
schaftstheoretische Entwurf, der in der Kommunikationswissenschaft zunehmend rezipiert wird (vgl. z.B. Raa-
be 2005; Jarren/Donges 2002a; 2002b; Röttger 2000), soll in der vorliegenden Arbeit nicht systematisch ver-
folgt werden. Er kann aber besonders in der Erörterung institutioneller Zusammenhänge auch als eine wertvol-
le Ergänzung zur Habermasschen Theorie betrachtet werden. Darauf wird insbesondere in Kapitel V dieser
Arbeit zurückzukommen sein.
2 Theoretischer Rahmen: Kommunikatives Handeln in der Moderne 15
kommunikation beschränkt bleibt, sondern auf der Basis einer Gesellschaftstheorie individuelle
und massenmedial vermittelte Kommunikation grundbegrifflich verzahnt, und es so ermög-
licht, Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den beiden aufzuzeigen.25 Habermas selbst
ruft im Schlussteil der ‚Theorie des kommunikativen Handelns‘ zu einer entsprechenden
Nutzung seiner theoretischen Anstrengungen in teildisziplinären Projekten ausdrücklich auf
und benennt die Massenmedien als einen gesellschaftlichen Bereich, in dem eine derart inspi-
rierte Forschung ansetzen könnte.26
Viel versprechend ist dies auch deshalb, weil Habermas die einseitig überspitzende Sicht-
weise der älteren Kritischen Theorie für die Gesellschaftstheorie dadurch modifiziert und
revidiert, dass er sich vom bewusstseinsphilosophischen Paradigma der negativen Geschichts-
philosophie Horkheimers und Adornos abwendet und statt dessen die Kritische Theorie
ausdrücklich auf das paradigmatisch neue Fundament der Analyse von Sprachgebrauch und
Rede stellt.27 In seiner allgemeinen ‚Theorie des kommunikativen Handelns‘ rekonstruiert
Habermas den kategorialen Rahmen und die normativen Grundlagen einer kritischen Gesell-
schaftstheorie, die ihre grundbegrifflichen Fundamente in Form eines anspruchsvollen Kon-
zepts der Rationalität ausweisen kann, die die Engpässe einer bewusstseinsphilosophischen
Grundlegung überwindet und die nicht mehr auf das marxistische Produktionsparadigma
rekurrieren muss:
„Der motivbildende Gedanke ist die Versöhnung der mit sich selber zerfallenen Moderne, die Vorstellung al-
so, daß man ohne Preisgabe der Differenzierungen, die die Moderne sowohl im kulturellen wie im sozialen
und ökonomischen Bereich möglich gemacht haben, Formen des Zusammenlebens findet, in der wirklich
Autonomie und Abhängigkeit in ein befriedetes Verhältnis treten; daß man aufrecht gehen kann in einer Ge-
meinsamkeit, die nicht die Fragwürdigkeit rückwärtsgewandter substantieller Gemeinschaftlichkeiten an sich
hat.“28
25 Damit können Voraussetzungen dafür geschaffen werden, die oft schwache soziologische Fundierung der
Medien- und Journalismusanalyse, die v.a. in Müller-Doohm/Neumann-Braun 1991a beklagt wird, zu verstär-
ken. Gleiches gilt für eine politökonomische Perspektive: In einer Liste relevanter Autoren einer politökonomi-
schen Medienanalyse nennt Meier (2003, S. 228) als einzigen deutschen Vertreter Jürgen Habermas.
26 Vgl. Habermas 1995 [1981], Bd. 2, S. 571ff.. Lang (1993, S. 216f.) verweist zugleich darauf, dass die Kommuni-
kationswissenschaft den Habermasschen Arbeiten nur Grundbegrifflichkeiten entnehmen kann, um vor ihrer
Folie ein in Teiltheorien zu entfaltendes Instrumentarium für die Analyse zu entwickeln.
27 Vgl. Dubiel 2001. Die Habermassche Theorie verabschiedet sich damit von früheren Totalitätsvorstellungen
ohne den aufklärerischen Impetus eines theoretisch identifizierten gesellschaftlichen Idealzustandes auf-
zugeben. Sie erlaubt es, Maßstäbe der Kritik immanent in einem bestimmten Modus der Sprachverwendung zu
verankern und entgeht jenen Aporien, die in den 1960er Jahren in die geschichtsphilosophische Sackgasse ge-
führt haben.
28 Habermas 1985a, S. 202
29 Vgl. Habermas 1995 [1981], Bd. 1, S. 7
30 Vgl. Habermas 1985a, S. 178
16 I Einleitung
(1) Er entwirft eine Theorie der Rationalität, die den Begriff über ein instrumentelles Ver-
ständnis hinaus auf symbolische Interaktion zwischen Kommunikationspartnern aus-
dehnt.
(2) Er entwickelt auf der Basis dieser kommunikativen Rationalität eine Theorie des kommu-
nikativen Handelns, die unterschiedliche Modi der Handlungskoordinierung differenziert.
(3) In einer evolutionstheoretisch angelegten Rekonstruktion sozialer Entwicklung beschreibt
er die Dialektik der gesellschaftlichen Rationalisierung, die sich aus dem breiteren und
dennoch zugleich schärfer geschnittenen Rationalitätsbegriff ergibt, der zwischen instru-
menteller und kommunikativer Vernunft zu unterscheiden vermag und so differenziertere
Betrachtungen gesellschaftlicher Wandlungsprozesse ermöglicht.
(4) Und er entwirft eine Theorie der Moderne, die auf einem Gesellschaftsbegriff beruht, der
System- und Handlungstheorie zusammenführt.
Habermas begreift Gesellschaften als Zusammenspiel von kommunikativ strukturierter Lebenswelt und
ausdifferenzierten Handlungssystemen.31
• Die Lebenswelt umfasst (teilweise unbewusst) konsentierte, vorinterpretierte Ressourcen der
Sozialintegration, auf deren Basis kommunikatives Handeln stattfinden kann und die
durch dessen Vollzug gebildet und bekräftigt werden. Sie bildet daher den Komplemen-
tärbegriff zum kommunikativen Handeln, das in seiner rationalen Verständigungsorientie-
rung ein durch die Aufklärung entwertetes vorsprachlich mythisches Weltverständnis er-
setzt.
• Unter Systemen wiederum versteht Habermas ausdifferenzierte soziale Funktionsbereiche,
die nicht mehr kommunikativ, sondern funktional über entsprachlichte Steuerungsmedien
integriert werden. Die beiden primären Ausdifferenzierungen dieser Art betreffen das pri-
vate Wirtschafts- und das staatliche Verwaltungshandeln. Diese Komplexe sind in sich
nicht mehr an kommunikative Legitimation gebunden, sondern konstituieren sich über die
entsprachlichten Medien Geld (Wirtschaft) und Macht (Staat). Allerdings behält die über
verständigungsorientiertes Handeln integrierte Lebenswelt das potenzielle Primat über die
Systeme.
Habermas stellt sich in seinem Gesellschaftsentwurf damit sowohl gegen soziologische Model-
le, die ausdifferenzierte Gegenwartsgesellschaften (bisweilen affirmativ) in systemisch unab-
hängige und für einander undurchsichtige Funktionszusammenhänge gliedern, als auch gegen
eine kritische Perspektive, aus der heraus die Entwicklung moderner Gesellschaften als zu-
nehmender Verfallsprozess einer vormals umfassenden Vernunft betrachtet wird. Er setzt die
systemische Ausdifferenzierung und die damit verbundene Entfesselung einer technisch
verstandenen instrumentellen Rationalität in Beziehung zu den kommunikativen Vernunftpo-
tenzialen, die in lebensweltlichen Verständigungsprozessen angelegt sind. Öffentlichkeit – und
damit auch Journalismus – erhält innerhalb dieses Modells als Bestandteil der Lebenswelt eine
vor allem politisch, kulturell und sozialisatorisch wichtige Bedeutung. Im Konzept der Le-
benswelt und in ihrer begrifflichen Verklammerung mit einer Theorie der kommunikativen
Rationalität entwirft Habermas einen abgrenzbaren gesellschaftlichen Bereich, der der kom-
munikativ rationalen Selbstbestimmung der Individuen bedarf. Für Dubiel ist dieser Schritt
„[…] die eigentliche Innovation, die Habermas an der Tradition kritischer Gesellschaftstheorie
vornimmt“.32
Die Betonung der Lebensweltperspektive ist das Ergebnis einer bereits früh einsetzenden
Kritik an der Einseitigkeit, in der kritische Soziologen die Entwicklung und Ausdifferenzierung
moderner Gesellschaften beschreiben. Habermas zielt dabei auf eine Erweiterung der Rationa-
lisierungsanalyse in modernen Gesellschaften über eine eindimensionale Kritik der instrumen-
tellen Vernunft hinaus. Er begreift moderne Gesellschaften – in einer grundbegrifflichen
Verknüpfung von System- und Handlungstheorie – als „systemisch stabilisierte Handlungszu-
sammenhänge sozial integrierter Gruppen“ und versteht diese als vorläufig charakterisierte
Definition als stellvertretend für den Vorschlag,
„[…] die Gesellschaft als eine Entität zu betrachten, die sich im Verlaufe der Evolution sowohl als System
wie als Lebenswelt ausdifferenziert. Die Systemevolution bemißt sich an der Steigerung der Steuerungskapazi-
täten einer Gesellschaft, während das Auseinandertreten von Kultur, Gesellschaft und Persönlichkeit den
Entwicklungsstand einer symbolisch strukturierten Lebenswelt anzeigt“.33
Bereits Ende der 1960er Jahre versucht Habermas, der Diagnose der Unterwerfung des Men-
schen unter eine rein technisch verstandene Rationalität ein ideologiekritisches Modell entge-
genzustellen, das weiterhin rationale Verständigungspotenziale ausfindig machen kann.34 In
diesem Modell sind zweckrationales und kommunikatives Handeln und die mit ihnen verbun-
denen unterschiedlichen Formen der Rationalisierung nicht nur theoretisch aufeinander
bezogen, sondern kennzeichnen darüber hinaus auch unterschiedliche gesellschaftliche Berei-
che, die entsprechend unterschiedlich koordiniert werden:
„Der institutionelle Rahmen einer Gesellschaft besteht aus Normen, die sprachlich vermittelte Interaktionen lei-
ten. Aber es gibt Sub-Systeme, wie, um bei Max Webers Beispielen zu bleiben, das Wirtschaftssystem oder
der Staatsapparat, in denen hauptsächlich Sätze von zweckrationalen Handlungen institutionalisiert sind. Auf
der Gegenseite stehen Sub-Systeme, wie Familie und Verwandtschaft, die gewiß mit einer Fülle von Aufgaben
und Fertigkeiten verknüpft sind, aber hauptsächlich auf moralischen Regeln der Interaktion beruhen. So
möchte ich auf analytischer Ebene allgemein unterscheiden zwischen 1. dem institutionellen Rahmen einer Ge-
sellschaft oder der soziokulturellen Lebenswelt und 2. den Sub-Systemen zweckrationalen Handelns, die darin ‚ein-
gebettet“ sind.“35
der Entwicklung von Gesellschaften bestimmen zu können.38 Diese Rangfolge betont er auch
in der ‚Theorie des kommunikativen Handelns‘:
„[D]ie Lebenswelt [bleibt] das Subsystem, das den Bestand des Gesellschaftssystems im ganzen definiert. Da-
her bedürfen die systemischen Mechanismen einer Verankerung in der Lebenswelt – sie müssen institutionali-
siert werden.“39
Die Systeme können sich erst aus einer weitgehend rationalisierten Lebenswelt ausdifferenzie-
ren. Vor allem die symbolische Reproduktion von Gesellschaft verbleibt in kommunikativ
strukturierten Bereichen; so zieht auch Öffentlichkeit als Idealtypus gemeinschaftlicher Diskur-
sivität ihre normative Kraft aus der kommunikativen Rationalität lebensweltlicher Verständi-
gung. Versuche, auch diese Bereiche auf Systemmechanismen umzustellen, begegnen meist
beharrlichen Widerständen, die in der Struktur der Lebenswelt selbst angelegt sind.
In der ‚Theorie des kommunikativen Handelns‘ beschreibt Habermas einen sozialen Evolu-
tionsprozess, in dem die Rationalisierung der Lebenswelt durch das Auseinandertreten von
Geltungsaspekten und Wertsphären sowie durch die Ablösung des kommunikativen Handelns
die zentrale Voraussetzung für die Entkoppelung von Systemen bildet.40 Die Folge ist die
beschriebene Zweistufigkeit von gesellschaftlicher System- und Sozialintegration, die für die
Herausbildung komplexerer moderner Gesellschaften notwendig ist, allerdings Gefährdungs-
potenziale für die lebensweltliche Dimension der Sozialintegration birgt. Die Anstöße für eine
derartige Differenzierung der Gesellschaft gehen vom Bereich der materiellen Reproduktion
aus41, der im Zuge der Modernisierung vor allem in den Dimensionen politisch-administrativen
und wirtschaftlichen Handelns auf systemintegrierte Mechanismen umgestellt wird. Beide
Komplexe sind, so Habermas, in sich nicht mehr an kommunikative Legitimation gebunden,
sondern konstituieren sich über die entsprachlichten Medien Geld (Wirtschaft) und Macht
(Staat).42 Entwicklung von Gesellschaft inkorporiert für Habermas immer gleichermaßen die
Weiterentwicklung von Systemen und Lebenswelt, so dass Rationalitätsgewinne sowohl in „der
38 Vgl. ebd., S. 27
39 Habermas 1995 [1981], Bd. 2, S. 230. Hier sind auch die Weiterentwicklungen der Theorie des kommunikativen
Handelns, die Cohen und Arato (1994) vorgelegt haben, von Bedeutung.
40 Diese Ausdifferenzierung systemischer Mechanismen vollzieht sich nach Habermas im historischen Verlauf in
mehreren Stufen: Egalitäre Stammesgesellschaften sind allenfalls durch eine segmentäre Differenzierung ge-
prägt, System- und Sozialintegration fallen in engen Verwandtschaftsbeziehungen noch weitgehend zusammen.
In hierarchisierten Stammesgesellschaften bilden sich erste stratifizierte Sozialbeziehungen. In weitgehend poli-
tisch stratifizierten Klassengesellschaften führen weitere Ausdifferenzierungsprozesse schließlich zur staatlichen
Organisation, durch die auf Macht basierende Systemintegration aus dem Netz verwandtschaftlicher Beziehun-
gen herauswächst (vgl. Gripp 1984, S. 95ff.; siehe ausführlich: Habermas 1995 [1981], Bd. 2, S. 232ff.) Vorar-
beiten dazu finden sich in Habermas’ (1976, S. 129ff.) Auseinandersetzung mit dem Marxschen Geschichtsmo-
dell des historischen Materialismus. Jede dieser vormodernen Entwicklungsstufen ist mit einem Zuwachs an
systemischer Zweckrationalität verbunden. Doch erst in den ökonomisch konstituierten Klassengesellschaften
der Moderne differenzieren sich systemisch stabilisierte Handlungszusammenhänge aus den sozialintegrativen
Institutionen der Lebenswelt aus und gewinnen durch die Umstellung von sprachlicher Verständigung auf ge-
neralisierte Steuerungsmedien weitgehende, wenn auch nicht vollständige, Unabhängigkeit.
41 Vgl. Habermas 1995 [1981], Bd. 2, S. 251
42 Neben der Ermöglichung dieser sozialevolutionären Perspektive, die den Grundstein zu einer Theorie der
Moderne legt, leistet die Differenzierung zwischen Lebenswelt und System methodisch eine Differenzierung
zwischen Teilnehmer- und Beobachterperspektive, indem formalpragmatische und sozialwissenschaftlich ob-
jektivierende Betrachtungen gleichermaßen einfließen. Darüber hinaus dient das zweistufige Gesellschaftsmo-
dell der grundbegrifflichen Zusammenführung von Handlungs- und Systemtheorie, indem es erlaubt, sozial-
und systemintegrative Mechanismen einerseits getrennt, andererseits aber in einem Modell aufeinander bezogen
zu analysieren (vgl. Dietz 1993, S. 70f.).
2 Theoretischer Rahmen: Kommunikatives Handeln in der Moderne 19
Um die Habermassche ‚Theorie des kommunikativen Handelns‘ und die auf ihr basierende
Diskurstheorie für die Analyse journalistischen Handelns nutzbar zu machen, sind deren
Implikationen allerdings in Bezüge mittlerer Reichweite ‚herunter zu brechen‘, um sie explizit
auf den journalistischen Handlungsmodus und das massenmediale System zu beziehen.52 Auf
dem Weg zu einem diskurstheoretischen Journalismus-Modell, auf dem hier erste Schritte
gemacht werden sollen, sind viele Forschungslücken zu schließen53:
• Es fehlen Theorieansätze, die die Diskurstheorie systematisch mit der ‚Realität‘ journalisti-
schen Handelns in Verbindung setzen und dabei auch die zunehmenden Tendenzen der
Visualisierung und die aus ihnen erwachsenden Formen visueller Diskurse berücksichti-
gen.54
• Es fehlt eine hinreichende Auseinandersetzung mit ‚institutionellen‘ Voraussetzungen
gesellschaftlicher Diskurse, zu denen auch Journalismus selbst gerechnet werden muss.
• Es fehlt eine eingehende diskurstheoretische Auseinandersetzung mit den Handlungsmög-
lichkeiten des Individuums, wenn es in Systemzusammenhänge eingebunden ist und Ent-
scheidungen zu treffen hat.
• Es fehlt eine Übersetzung der idealen Sprechakt-Situation auf gesamtgesellschaftliche und
besonders auf massenmediale Kommunikations-Zusammenhänge.
Journalistik, Publizistik und Kommunikationswissenschaft haben die Habermassche Wende
hin zur Kommunikationstheorie nur in seltenen Fällen nachvollzogen und diesen auch auf
ihren Gegenstandsbereich bezogenen Entwurf kaum systematisch zur Kenntnis genommen –
obwohl er dem Paradigma der Kommunikation und damit dem grundlegenden Gegenstand
der Kommunikationswissenschaft zentralen Stellenwert zuweist. Fabris schreibt vor über 20
Jahren:
„Die Konzentration auf die Beschäftigung mit Phänomenen der Massenmedien, genährt vom ‚Mythos der
Massenkommunikation‘ ging und geht in der herrschenden Praxis wie Theorie der Zeitungs-, Publizistik- und
Kommunikationswissenschaft auf Kosten und zu Lasten der Befassung mit nicht-massenmedial vermittelter
Information und Kommunikation; bis hin in die Grundbegriffe – wie zuletzt ‚Massenkommunikation‘ selbst
–, die Theoriebildung und Methodik. So ist es sicherlich kein Zufall, daß ein für die Analyse der gesellschaftli-
chen Entwicklung und die aktuelle sozialwissenschaftliche Diskussion so gewichtiges und folgenreiches Werk,
wie die von Jürgen Habermas vorgelegte ‚Theorie des kommunikativen Handelns‘ […] neben und außerhalb
des engeren Faches entstanden ist und innerhalb der Disziplin bisher nur von einigen ‚Außenseitern‘ über-
haupt zur Kenntnis genommen wurde.“55
54 Vgl. Brosius 1998b. Mittlerweile bearbeitet eine eigene Fachgruppe für „Visuelle Kommunikation“ unter dem
Dach der DGPuK diese zentrale Fragestellung.
55 Fabris 1985, S. 127
56 Vgl. insbesondere Burkart 1998a. In dieser umfassenden kommunikationswissenschaftlichen Einführung setzt
sich der Autor intensiv mit einem interaktionistischen und kommunikativen Handlungsmodell auseinander.
57 Vgl. Baum 1994. An den Grundlinien dieser Arbeit orientiert sich auch die vorliegende Studie. Eine zweite
relevante Untersuchung hat Kuhlmann (1999) vorgelegt, der sich intensiv mit den Postulaten auseinander setzt,
die die Diskurstheorie an Massenkommunikation richtet.
58 Baum 1994, S. 395
22 I Einleitung
Diese Prämisse aufgreifend ist es das Ziel der vorliegenden Studie, ein Verständnis des
Journalismus in spätmodernen ausdifferenzierten Gesellschaften vom Typ der Bundesrepublik
Deutschland zu skizzieren, das einerseits der gesellschaftlichen Komplexität zu entsprechen
vermag, aber andererseits auch notwendige normative Postulate theorieimmanent und operati-
onalisierbar aufrecht erhält, indem es sich eng an gesellschafts- und diskurstheoretische An-
nahmen, insbesondere an das Modell einer deliberativen Öffentlichkeit, anlehnt. Journalismus
wird hier vor allem in seinen Bezügen auf politische und soziale Kommunikation verstanden.
Ausgehend vom Habermasschen Gesellschaftsmodell, das lebensweltlich-kommunikative und
systemisch-funktionalistische Perspektiven zueinander in Beziehung setzt, soll hier ein Ver-
ständnis entwickelt werden, das der Darstellung der gegensätzlichen Ansprüche des journalisti-
schen Handelns und des massenmedialen Systems nicht ausweicht59 – weder durch eine rein
normative Handlungstheorie, noch durch ein subjektloses systemfunktionalistisches Denken.
Vielmehr geht es um eine grundsätzlich integrierende Betrachtung, die Gesellschaft gleicher-
maßen als „anzueignende Faktizität“ und als „im Lichte besserer Möglichkeiten auszugestal-
tende Vorläufigkeit“ begreift und so keinen künstlichen Gegensatz zwischen Internalisierung
(Systemtheorie) und Externalisierung (Handlungstheorie) mehr aufbaut.60 Es geht um beides:
Journalistisches Handeln und seinen massenmedialen Rahmen adäquat, für die Empirie an-
schlussfähig zu beschreiben und gleichzeitig normative Postulate immanent aus dem demokra-
tie- und gesellschaftstheoretisch inspirierten Gesamtzusammenhang heraus zu entwickeln.
Das von Habermas entwickelte Modell von System und Lebenswelt bezieht sich genuin auf
die Darstellung der Differenzierungen moderner Gesellschaften und der mit ihnen verbunde-
nen Schwierigkeiten hinsichtlich partizipativer Integration und Reproduktion. Die ‚Theorie des
kommunikativen Handelns‘ versucht durch diese theoriestrategische Entscheidung der übli-
chen Verabsolutierung je einer Perspektive bei der Beschreibung gesellschaftlicher Phänomene
zu entgehen und stattdessen beide Ansätze analytisch differenziert zu benutzen, um moderne
Gesellschaften zu beschreiben.61 Dieser theoretische Ansatz wird daher in der vorliegenden
Arbeit als Analysefolie für die Darstellung des journalistischen Handelns herangezogen. Für
eine an kritisch-theoretischen Ansätzen anschließende Journalistik ergibt sich daraus die
Möglichkeit, die Akteursebene weiter im Blick zu behalten und gleichzeitig auch systemtheore-
tische Ansätze und ihre spezifische Erklärungskraft62 fruchtbar in das Theoriegebäude zu
integrieren, ohne sie unter zwangsläufigen Verlusten an Präzision und Erklärungskraft in eine
fundamental andere Theoriesprache übersetzen zu müssen. Bevor dieses theoretische Unter-
fangen begonnen wird, sind weitere begriffliche Klärungen notwendig.
59 Diese Unterschiede hat Altmeppen (2006) in einer organisationssoziologischen Studie ebenfalls umfassend
beschrieben. Er begreift Journalismus und Medien als ‚Systeme organisierten Handelns‘, die einer je verschie-
denen Logik folgen und in Ko-Orientierung zueinander stehen.
60 Pöttker 1985, S. 334. Gerhards (1994, S. 79f.) formuliert ganz ähnlich Lösungsvorschläge für eine Integration
von System- und Akteursperspektive, die das Erklärungsdefizit einer nur beschreibenden Systemtheorie und
das Beschreibungsdefizit einer rationalen Handlungstheorie aufzulösen versprechen. In seinen öffentlichkeits-
theoretischen Betrachtungen geht er davon aus, dass individuelle Akteure innerhalb eines systemischen Rah-
mens handeln; sie sind nicht vollständig autonom, gleichzeitig ist aber auch der systemische Zusammenhang
nicht als autopoietisch geschlossen zu konzipieren.
61 Allerdings ist das Habermassche Gesellschaftsmodell gerade an diesem Punkt der Kombination von Hand-
lungs- und Systemtheorie scharfer Kritik ausgesetzt (vgl. zum Beispiel die Beiträge in Honneth/Joas 1986 oder
auch die Studie von Dietz 1993) und bedarf im Rahmen dieser Arbeit operationalisierender Modifizierungen –
auch Vergröberungen –, um als analytisch brauchbare Folie zur gesellschaftstheoretischen Verortung von Jour-
nalismus und Massenmedien zu dienen.
62 Zum Beispiel wäre eine Auseinandersetzung mit ökonomischen Steuerungskrisen ohne ein systemtheoretisches
Instrumentarium gar nicht denkbar (vgl. Habermas 1985a, S. 190).
3 Theoretische Perspektive: Journalismus zwischen Lebenswelt und System 23
63 Dabei sind es nicht in erster Linie die technologischen Rahmenbedingungen der Medien, sondern andere
Kontextvariablen, die darüber entscheiden, ob Medien zu Zwängen für journalistisch Handelnde werden, in-
dem sie zum Beispiel die Auswahl von Themen beeinflussen oder Änderungen im Produktionsablauf erzwin-
gen. (vgl. Böckelmann 1975, S. 33). Dazu sind zunächst die unterschiedlichen Dimensionen des Medienbegriffs
zu sortieren, wobei sowohl auf kulturwissenschaftliche Annäherungen (besonders angelsächsischer Provenienz,
wie z.B. Meyrowitz’ (1990a; 1990b) elaborierte Theorie des Fernsehens.) als auch auf die Beiträge der poststruk-
turalistischen Medientheorie (vgl. für einen Überblick: Pias 2003), die sich jeweils eher medienphilosophisch
mit diffizilen Wirkungsfragen auseinandersetzen, an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden kann.
64 Vgl. Wiegerling 1998, S. 8. Als ‚Verbreitungsmedien‘ dienen Massenmedien der Übermittlung von Kommuni-
kation, sie sind zu unterscheiden von den systemtheoretisch beschriebenen ‚symbolisch generalisierten Medien‘
(wie Macht oder Geld), die durch ihre Steuerungsfunktion die Bildung eigenständiger Systeme ermöglichen.
Vgl. dazu Luhmann 1981b, S. 28f. u. 1997, Bd. 1, S. 190ff.
65 Dass Massenmedien als zentrale Institutionen moderner Industriegesellschaften anzusehen sind – darin waren
sich so unterschiedliche Autoren wie Böckelmann (1975, S. 34) oder Silbermann/Krüger (1973, S. 9f.) schon
vor 30 Jahren einig.
66 Vgl. dazu Jarren/Meier 2002, S. 138.
67 Vgl. Faulstich 1995, S. 19: „Einmal heißt Medium ‚Zeichenvorrat‘ (Informationstheorie und Kybernetik), dann
‚technischer Kanal‘ (Kommunikationssoziologie und Massenkommunikationsforschung/Publizistik), dann wie-
derum ‚ästhetisches Kommunikationsmittel‘ (Einzelmedientheorie und Medienwissenschaft) oder schließlich
‚gesellschaftliche Interaktion‘ (Soziologie, speziell die Systemtheorie).“ Eine aktuelle Einführung in Medienthe-
orien differenziert zwischen elf theoretischen Zugängen auf den Medienbegriff, die sich sowohl hinsichtlich der
makrotheoretischen Herangehensweise als auch hinsichtlich des behandelten Gegenstandes erheblich vonein-
ander unterscheiden (vgl. Weber 2003). Die elf Basis-Theorien sind: Techniktheorien der Medien, ökonomische
Theorien der Medien, kritische Medientheorien, Zeichentheorien der Medien, Kulturtheorien der Medien, kon-
struktivistische Medientheorien, Systemtheorien der Medien, feministische Medientheorien, psychoanalytische
Medientheorien, poststrukturalistische Medientheorien und medienphilosophische Theorien.
68 Vgl. Wiegerling 1998, S. 7
69 Schmidt 1990, S. 54
70 Vgl. Pross 1976, S. 109ff.
24 I Einleitung
• Als primäre Medien sind die Medien zu verstehen, die ohne technische Hilfsmittel auskom-
men (z.B. menschliche Sprache).
• Als sekundäre Medien sind die Medien zu verstehen, welche technische Hilfsmittel bei der
Produktion benötigen (z.B. Zeitungen und Flugblätter).
• Als tertiäre Medien sind die Medien zu verstehen, die technische Hilfsmittel bei Produktion
und Rezeption benötigen (z.B. Rundfunk und Fernsehen).
Wenn im weiteren Verlauf der Studie der Begriff Medien verwendet wird, dann sind damit –
soweit nicht anders hervorgehoben – die so genannten sekundären und tertiären Medien
gemeint, die technischer Hilfsmittel zur Produktion bzw. zur Produktion und Rezeption
bedürfen. Diese technischen Medien sind in der Lage, die menschlichen Ausdrucksmöglichkei-
ten zu erweitern und Kommunikation zumindest teilweise von ihrer Kontingenz zu befreien;
sie erweitern den Gestaltungsraum menschlicher Ausdruckskraft, beschränken ihn aber
zugleich auch wieder.71
Für die Analyse der Medien als Rahmen des Journalismus sind ihre definitorische Eingren-
zung als Mittel der Kommunikation und die daran anschließende Differenzierung anhand der
Technizität der Medien allerdings noch zu grob. Einen weiteren Näherungsschritt bietet das
Medienverständnis Saxers, demzufolge ein Medium als ein komplexes institutionalisiertes System
verstanden werden kann, das sich um einen organisierten Kommunikationskanal mit spezifischem
Leistungsvermögen bildet.72 Diese Systeme (nach Saxer ist explizit ein Plural von medialen (Teil-)
Systemen denkbar) haben vor allem im Hinblick auf semiotische bzw. technische Vermitt-
lungsfragen, auf organisatorische Spezifika oder auf gesellschaftliche Institutionalisierungen
Einfluss auf öffentliche Kommunikation:73
• Als Kommunikationskanäle stellen Medien ein Transportsystem für Zeichensysteme bereit.
• Als mehr oder weniger komplexe Organisationen ermöglichen Medien die arbeitsteilig
organisierte Produktion und Distribution von Kommunikation.
• Als Institutionen einer spezifischen Informations- und Kommunikationspraxis errichten
Medien ein Normen- und Regelsystem zur Stabilisierung moderner Gesellschaften.
Das Medium Fernsehen zum Beispiel kann somit als technische und semiotische Infrastruktur,
als Sendeanstalt und als gesellschaftlich relevantes System der Vermittlung von Information,
Unterhaltung und Werbung medientheoretisch in den Blick genommen werden. Mit Bezug auf
die Medienleistungen und -qualitäten bedeutet diese Mehrdimensionalität, dass diese als
konkreter Output von einer ganzen Reihe institutioneller und organisatorischer Fragen abhän-
gig sind, zu denen insbesondere die Medieninstitutionalisierung auf der Systemebene, die
rechtliche Verfasstheit der Medien als private Unternehmen oder öffentlich-rechtliche Anstal-
ten, die ökonomische Ausrichtung von Medienunternehmen sowie von redaktionellen Organi-
sationsformen und den damit verbundenen publizistischen Entscheidungsprogrammen zu
zählen sind.74
71 Vgl. Wiegerling 1998, S. 234f. Mittlerweile wird eine Weiterentwicklung dieser Medientypologie gefordert, um
auch den ‚interaktiven‘ neuen Medien (v.a. Internet) gerecht zu werden, die zumindest das Versprechen formu-
lieren, die beschränkenden Wirkungen aufzuheben. Allerdings ist derzeit noch davon auszugehen, dass Online-
Journalismus eher eine Weiterentwicklung bekannter journalistischer Vermittlungsformen darstellt (vgl. Quandt
2005). Eine erste Ausnahme zeichnet sich in der Etablierung sog. „Blogs“ ab, die wechselseitige Interaktion
ermöglichen (vgl. Bucher/Büffel 2005).
72 Vgl. Saxer 1998d, S. 687
73 Vgl. ebd., S. 687
74 Vgl. Jarren 2003, S. 13
3 Theoretische Perspektive: Journalismus zwischen Lebenswelt und System 25
Medieninstitutionen folgen – das ist angesichts der genannten Umfeldfaktoren bereits er-
kennbar – vorwiegend einer instrumentellen und strategischen Zweckrationalität, wobei je
nach epistemologischem oder medienpolitischem Standpunkt diese ‚Massenmedien‘ entweder
als eigenständiges System samt eigener Logik betrachtet werden, oder aber als ein institutionel-
ler Zusammenhang, der in weiten Teilen unter der Logik des Wirtschaftlichen gesteuert wird.
In jedem Fall setzt die massenmediale Produktion einen hohen Grad der Arbeitsteilung und
einen erheblichen Kostenaufwand voraus75, die Rückwirkungen auf journalistische Handlungs-
spielräume besitzen. Folgt man zunächst der Prämisse der zunehmenden Ökonomisierung der
Massenmedien, dann lässt sich eine „Verquickung von ökonomischer Profitorientierung der
Medienunternehmen und gesellschaftlichem Auftrag der Medienkommunikation“76 konstatie-
ren, die Grundlage der Befürchtung ist, dass die zunehmende Kommerzialisierung der Medien
die angemessene Erfüllung des publizistischen Auftrages gefährden könnte.77 Altmeppen und
Karmasin sprechen daher vom „Janusgesicht“ der Massenmedien.78
Systemtheoretische Studien haben sich auf theoretischer Ebene lange Zeit am differenzier-
testen mit dem Gegenstand Massenmedien – und davon abgeleitet auch Journalismus –
auseinandergesetzt.79 Diese Rekonstruktionen der Massenmedien als eigenständiges Subsystem
unterscheiden allerdings weitgehend nicht zwischen journalistischem Handeln und massenme-
dialen Funktionen, sondern beschränken sich in der Regel auf Beschreibungen der Funktions-
weisen des Systems, meistens auf die Bereitstellung von Themen für die öffentliche Kommu-
nikation.80 Luhmann zufolge garantiert das massenmediale System allen anderen Funktionssys-
temen eine „gesellschaftsweit akzeptierte, auch den Individuen bekannte Gegenwart“.81 Es
konstruiert demnach eine gemeinsame Wahrnehmungs- und Handlungsbasis aller gesellschaft-
lichen Akteure. Luhmann verweist hier in seiner Funktionsbestimmung in erster Linie auf ein
Potenzial, für das es kein funktionales Äquivalent zu geben scheint. Aus systemtheoretischer
Perspektive scheinen die Massenmedien in ihrem genuinen Bezug zur Öffentlichkeit das
System zu sein, das aufgrund struktureller Kopplungen zu anderen Systemen ein „Dirigieren
des Selbstbeobachtens des Gesellschaftssystems“82 leisten kann. Massenmedien repräsentieren
Luhmann zufolge Öffentlichkeit, sie produzieren sie nicht, lassen aber andere Sozial- und
Personalsysteme an der Repräsentation teilhaben.83 Dabei operieren Massenmedien anhand der
Unterscheidung von Information und Nichtinformation.84
Man muss den systemtheoretischen Annahmen Luhmanns und anderer Autoren nicht in
allen Einzelheiten folgen, um grundsätzlich die Feststellung zu teilen, dass sich in modernen
Gesellschaften ein massenmediales System ausdifferenziert hat, das aufgrund einer spezifischen
eigenen oder aber ökonomischen Logik operiert, indem es Berichterstattung generiert, für die
kommerzielle Verwertungs- und Profitinteressen vor allem in den privatwirtschaftlich organi-
sierten Bereichen der Printmedien und der privaten Rundfunk- und Fernsehsender eine
wichtige Rolle spielen.85 Die Systemperspektive kann in einer Analyse des modernen Journa-
lismus daher nicht außer Acht gelassen werden, sondern ist als empirische Analysefolie an-
schlussfähig für andere theoretische Überlegungen zu gestalten. Auch systemtheoretische
Entwürfe kritisieren aber die mangelnde Unterscheidung zwischen Massenmedien (technischen
Verbreitungsmedien) und Journalismus.86 Kohring schreibt:
„Die Gleichsetzung von Journalismus mit Massenmedien impliziert die Vorstellung von Journalismus als blo-
ßem Informationsvermittler. An ihre Stelle tritt die strikte Unterscheidung von journalistischer Kommunika-
tion als spezifischer Sinnkonstruktion und technischen Verbreitungsmedien als genereller Voraussetzung für
interaktionsfreie Kommunikation.“87
Aus makrosozialer Perspektive werden hier sowohl Journalismus als auch Massenmedien als
um je unterschiedliche Steuerungsmedien zentrierte Systeme beschrieben. Diese getrennte
Betrachtung ist gerade dann aufrechtzuerhalten, wenn davon ausgegangen wird, dass das
Steuerungsmedium des Journalismus, die Sprache, nicht soweit differenzierungsfähig ist, dass
sie eine eigenständige Systembildung begründeten könnte. Die Annahme der Eigenständigkeit
der beiden gesellschaftlichen Bereiche Massenmedien und Journalismus bleibt davon zunächst
unberührt.
Die etablierte Systemperspektive ist im Lichte der ‚Theorie des kommunikativen Handelns‘ um
den Begriff der Lebenswelt zu ergänzen, in dem die sozialintegrativen Ressourcen verständi-
gungsorientierten Vernunft- und Sprachgebrauchs fundiert sind. Dementsprechend ist eine
Journalismusanalyse nicht nur systemisch, sondern auch lebensweltlich begrifflich zu fassen.
Zumal journalistisches Handeln wenigstens in seinen Ursprüngen als ein Derivat des lebens-
weltlich kommunikativen Handelns verstanden werden kann, in dem Sprache eine universale,
nicht vorher eingeengte Bedeutung erhält. Journalisten sind als handelnde Akteure auf Sprache
angewiesen.88 In Anbetracht der Orientierung von Journalismus auf die Herstellung von
Öffentlichkeit ist davon auszugehen, dass im journalistischen Sprachgebrauch kommunikative
Verständigungsorientierung zumindest als kontrafaktische Unterstellung von Bedeutung ist.
Selbst als berufliche Akteure, die auch systemischen Zwängen unterworfen sind, bedienen sich
Journalisten somit lebensweltlicher Handlungsmuster.
Der Ausgang der sprachlich und kommunikativ koordinierten Interaktion ist davon abhängig,
ob sich die Beteiligten untereinander auf eine intersubjektiv gültige Beurteilung ihrer Weltbe-
züge einigen können.91 Auf Basis des kommunikativ geteilten Weltverständnisses erarbeiten
Menschen intersubjektiv geteilte Normen, indem sie Geltungsansprüche auf Wahrheit, Wahr-
haftigkeit und Richtigkeit erheben, diskutieren und kritisieren.92 Aus einer Handlungsperspek-
tive heraus ist Journalismus plausibel als kommunikatives Handeln zu konzipieren, das Be-
standteil dieses gesellschaftlichen Prozesses zu sehen ist und die „kommunikative Koordinie-
rung gesamtgesellschaftlichen Handelns“ durch Herstellung öffentlicher Kommunikations-
strukturen gewährleisten soll.93
Die Ausdifferenzierung von formal organisierten, entsprachlichten Handlungssystemen be-
grenzt die Reichweite des kommunikativen Handelns. Das zeigt sich zum Beispiel in der
Ausweitung des technisch-zielorientierten Handlungsmodus, der sich vor allem in ökonomi-
schen und machtorientierten Imperativen begründet. Er erhält zunehmend, allerdings keines-
falls zwangsläufig oder irreversibel, ein Übergewicht, das die Möglichkeiten kommunikativer
Übereinkunft bedrängt.94 Baum differenziert in diesem Zusammenhang zwischen einem
journalistischen und einem massenmedialen, d.h. technisch und noch mehr ökonomisch
89 Traub 1928, S. 46
90 Habermas 1995 [1981], Bd. 1, S. 163 f.
91 Vgl. ebd., S. 157
92 Vgl. ebd., S. 148
93 Baum 1994, S. 161
94 Pointiert zeigt sich diese Kritik in dem Diskurs über die Technisierung von Kommunikation. So schreibt
Weingarten (1988, S. 61): „Kennzeichnend für die jüngere historische Entwicklung ist nun die Ausweitung der
Geltungsbereiche zweckrationalen Handelns. Diese Ausweitung kulminiert in der aktuellen Technisierung wei-
ter Bereiche kommunikativen Handelns.“ Das bedeute, dass weite Bereiche dem Zugriff kommunikativen Han-
delns entzogen werden: „Besonders problematisch wird diese Entwicklung, wenn technische Systeme auch
praktisch soziales Handeln ersetzen und soziales Handeln nach der Rationalität technischen Handelns beurteilt
wird.“ (ebd., S. 73) Journalistisches Handeln steht in Spannung zu dieser technischen Rationalität.
28 I Einleitung
steuerbaren, Zugriff auf die Sphäre Öffentlichkeit.95 Diese Unterscheidung greift zurück auf
die Analyse des ‚Strukturwandels der Öffentlichkeit‘ und stellt die dort beobachtete zuneh-
mende Vermachtung öffentlicher Strukturen durch die Imperative ausdifferenzierter Sozialsys-
teme in Rechnung. Ein massenmedialer Zugriff auf Öffentlichkeit erfolgt nicht mehr – wie
idealtypisch das journalistische Handeln – aus lebensweltlichen Strukturen, sondern wird von
den Kapitalverwertungsinteressen des Wirtschaftssystems bestimmt, dessen Akteure mit ihren
Medienangeboten in erster Linie Geld verdienen wollen.
Habermas weist den Massenmedien (genauer wäre zu sagen: der Massenkommunikation) –
in Entsprechung zu dieser Differenzierung – ein „ambivalentes Potential“ zu:96 Einerseits
können sie den Horizont möglicher Kommunikation entschränken und gegenüber Systemen
ein emanzipatorisches Potenzial entfalten; andererseits tendieren sie dazu, Kommunikations-
flüsse zu hierarchisieren, zu kanalisieren und autoritär zu wirken. Habermas rekurriert hier auf
die lebensweltliche Verankerung der Massenmedien und auf ihr Potenzial, Kommunikation aus
räumlich und zeitlich begrenzten Kontexten herauszulösen und so Öffentlichkeit entstehen zu
lassen, die Resonanzboden für eine Vielzahl von Themen sein kann. Gleichzeitig verweist er
auf Vermachtungstendenzen des ‚Strukturwandels der Öffentlichkeit‘97, die entgegen der
Koppelung der Medien und der Öffentlichkeit eine zunehmende Systemdominanz vor allem
aufgrund von Verrechtlichung und Ökonomisierung zur Folge haben. Das emanzipatorische
Potenzial bleibt erhalten, bedarf aber besonderer Umstände, um sich in gesellschaftlichen
Diskursen entfalten zu können.98
Baum gelangt in seiner Vorarbeit zu einer gesellschaftstheoretisch fundierten Theorie des
journalistischen Handelns zu einem Zwischenfazit, das der Stellung des Journalismus in einem
Gesellschaftsmodell von zweckrationalen Systemen und kommunikativ-rationaler Lebenswelt
und den daraus erwachsenden unterschiedlichen Ansprüchen Rechnung trägt:
„Die Arbeit von JournalistInnen ist gesellschaftliche Kommunikation. Als professionelle ‚Kommunikatoren‘
befinden sie sich also seit jeher an der konfliktbeladenen Schnittstelle zwischen kommunikativer Vernunft auf
der einen und einem an Zweck und Mittel orientierten Rationalisierungszwang auf der anderen Seite, der ge-
rade jenes Verhalten strategisch notwendig macht, das ihrem eigentlichen ‚journalistischen Auftrag‘ nicht ent-
spricht: Kommunikation eben als Konvention zu funktionalisieren, das heißt auch: mit ‚listigem Bewußtsein‘
zu handhaben, was ursprünglich mit emanzipatorischen Intentionen verknüpft ist.“99
Baum beobachtet allerdings auch eine von ihm aus der Perspektive kommunikativen Handelns
als bedenklich gewertete zunehmende Reduktion des journalistischen Handelns
„[…] auf jene politisch zweckgerichtete Informationsleistung […], die zwischen den Imperativen der sich ver-
selbständigenden Subsysteme sowie den Bedürfnissen des bürgerlichen Privatlebens vermitteln kann“.100
hergerissen werden. Die Konflikte zwischen den daraus erwachsenden Ansprüchen haben sich
kontinuierlich verschärft. Jarren beobachtet eine Bewegung der Medien hin zu den Interessen
der Rezipienten, die gerade unter ökonomischen Gesichtspunkten als Kunden ein wichtiger
Bezugspunkt werden, hinter dem die Ansprache als Staatsbürger weiter zurücktrete.102
Münch warnt angesichts der vorherrschenden Inszenierungs- und Dramatisierungsstrate-
gien in öffentlichen Auseinandersetzungen vor einer kommunikativen Inflation, die ihren
Ausdruck in diversen Diskurs-Mischformen bereits zeige.103 Er betont vor allem die Notwen-
digkeit der Anschlussfähigkeit der medialen Diskurse in der lebensweltlichen Kommunikation
der Rezipienten. In dieser Fähigkeit medialer Diskurse liegt heute am ehesten das Potenzial des
journalistischen Handelns im Spannungsverhältnis zwischen System und Lebenswelt – auch
wenn zurzeit die Systemeinflüsse das reale Handeln (und die theoretische Modellierung104)
dominieren.
Es stellt sich daher die – auch normativ zu behandelnde – Frage, wie Journalisten die Spiel-
räume, die ihnen die lebensweltliche Verankerung ihres Handelns potenziell lässt, nutzen
können. Um dieser Frage nachzugehen, bietet es sich an, die Annahmen der Diskurstheorie
heranzuziehen, die versucht, die kommunikativen Standards zu eruieren, nach denen Verstän-
digung in den vielfältigen sozialen und politischen Aushandlungsprozessen gewährleistet
werden kann und wird. Weitergehend wird zu klären sein, wie Journalismus darauf zu reagieren
hat, dass die gesellschaftlichen Arenen politischer und sozialer Auseinandersetzungen sich im
Zuge eines fortschreitenden Medienwandels zunehmend verschieben und Diskurse nicht mehr
a priori mit Informationsangeboten verknüpft werden können. Hier ist analytisch zu prüfen,
inwieweit ein diskursiv verstandener Journalismus, der seine Wurzeln in der Verständigungs-
orientierung menschlicher Kommunikation hat und sich zumindest regulativ an den Normen
einer deliberativer Öffentlichkeit orientiert, in seinen bisherigen Routinen angesichts neuer
Medienangebote, neuer Inszenierungsmöglichkeiten und veränderter Rezeptionsbedürfnisse
überdacht und gegebenenfalls verändert werden muss, um seine Leistungsfähigkeit für hoch-
komplexe moderne Gesellschaften wahren zu können. Diese beiden theoretischen Anliegen
richten sich – ganz im Sinne der Ambitionen der Journalistik – auch darauf, Kriterien für einen
‚besseren‘ respektive angemessenen Journalismus zu begründen.
Mit den bisherigen Ausführungen ist der Rahmen der Erörterungen eines kritischen und
diskursiven Journalismus-Konzepts vorläufig umrissen. Aus mehreren Gründen scheint die
Gesellschaftstheorie von Habermas als heuristische Interpretationsfolie viel versprechend.
(1) Der immanente Praxisbezug der folgenden Analysen wird sich darin wiederfinden, dass
sowohl theoretische Arbeiten als auch – zumindest partiell – historische Entwicklungen in
den Blick genommen werden. Damit soll nicht eine rein genealogische Entwicklung des
Journalismus unterstellt werden, wohl aber geht der vorliegende Entwurf davon aus, dass
102 Vgl. Jarren 1996a, S. 81. Dazu passt die Beobachtung Weischenbergs (1999, S. 41), dass US-Medien und – Jour-
nalisten keine Informationsbedürfnisse mehr bedienen, sondern sie wie bei Verbrauchsgütern gezielt wecken.
103 Vgl. Münch 1991 und 1995. Das Inszenierungskonzept ist kommunikations- und politikwissenschaftlich vor
dem Hintergrund des Theatralitätskonzepts zu einer aussagefähigen Analysekategorie weiterentwickelt worden.
Vgl. dazu Meyer/Schicha/Brosda 2002; Meyer/Ontrup/Schicha 2000.
104 Zur Ambivalenz apodiktischer theoretischer Äußerungen vgl. die Auseinandersetzung mit dem Autopoiesis-
Konzept bei Weber 2000.
30 I Einleitung
sich nicht nur Gesellschaft, sondern auch Journalismus als Bestandteil von Gesellschaft
evolutionär weiterentwickelt und verändert.105 Ein Konstitutionsimpuls, der zur Ausbil-
dung eines Konzepts journalistischen Handelns oder zur Bildung medialer Systemzusam-
menhänge geführt hat, ist keineswegs als fixer Bezugspunkt zu sehen, sondern als eine his-
torisch kontingente Antwort auf gesellschaftliche Entwicklungen. Diese Berücksichtigung
historischer Bezüge ist der Grund für eine theoretische Selbstbescheidung der folgenden
Analysen, die Gültigkeit lediglich hinsichtlich der Rahmenbedingungen des Journalismus
an einem historisch und sozial kontingenten Ort beanspruchen können. Nicht nur auf-
grund der Entscheidung, die Gesellschaftstheorie von Habermas zur Reflexionsfolie der
Arbeit zu machen, sondern vor allem aufgrund der Konstitution des Untersuchungsge-
genstandes als eines genuin öffentlichen Handlungsmodus sind es die Veränderungen in
jener fragilen gesellschaftlichen Sphäre Öffentlichkeit, die Einfluss auf Journalismus ha-
ben. Die Darstellung des Journalismus ist daher immer auch eine empirische Darstellung
der Beschaffenheit von Öffentlichkeit.
(2) Die ‚kritische‘ Perspektive der Arbeit gründet in einem an der Habermasschen Universal-
pragmatik geschulten Verständnis, das die Verständigungsorientierung als der sprachlichen
Kommunikation immanent erachtet. Daraus lassen sich Hinweise auf die Einordnung
journalistischen kommunikativen Handelns erwarten. Auch in diesem Zusammenhang ist
Öffentlichkeit im diskurstheoretischen Sinne eine zentrale gesellschaftstheoretische Kate-
gorie, da sie die Normen inkorporiert, deren gesellschaftliche Einlösung sie in demokratie-
theoretischer Wendung fordert. Erst in diesem Rahmen erscheint es möglich, abstrakt den
gesellschaftstheoretischen Stellenwert des Journalismus zu klären und die Grundzüge
journalistischen Handelns zu beschreiben. Bereits jetzt ist zu erkennen, dass Journalismus
im Lichte dieser Prämissen Emanzipation und Demokratie als zentralen Kategorien ver-
pflichtet ist.
(3) Darüber hinaus verspricht der Ansatz die Integration handlungs- und systemtheoretischer Annah-
men: Durch die doppelte Perspektive, die lebensweltliche und systemische Aspekte journa-
listischen Handelns in den Blick zu nehmen trachtet, können die Beschreibungsdefizite
handlungstheoretischer Ansätze und die Erklärungsdefizite systemischer Ansätze in einer
kombinatorischen Rekonstruktion kompensiert werden. Dadurch ist es möglich, die bis-
herigen Forschungsergebnisse der Journalistik in toto heranzuziehen und sich nicht durch
eine Theorieentscheidung auf einen Forschungszweig zu beschränken.
Innerhalb des entwickelten begrifflichen Rahmens soll anhand der bisherigen Ergebnisse der
Journalismustheorie und -forschung ein Verständnis von Journalismus entworfen werden, das
einen ersten Schritt hin zu einer Theorie eines kommunikativ verstandenen Journalismus
darstellen soll. Dieses Verständnis wird immanent normative Annahmen beinhalten, aber
zugleich anschlussfähig sein für empirische Forschung. Es soll dabei helfen, journalistisches
Handeln systematisch zu beschreiben und zu analysieren. Es soll aber darüber hinaus aufgrund
seiner gesellschaftstheoretischen Grundlegung auch medienethische Implikationen besitzen
und so Handlungsoptionen für die praktische Anwendung aufzeigen können.
106 Mit dieser Vorgehensweise wird weder eine Geschichte des Journalismus noch eine Theoriegeschichte
öffentlicher Kommunikation angestrebt. Vielmehr sollen historisch begründete Typologien abgeleitet und de-
ren Sedimente in aktuellen Konzepten aufgezeigt und weiterentwickelt werden.
32 I Einleitung
Im Ergebnis geht es um die Beschreibung eines diskursiven Journalismus, der sich unter Bedin-
gungen eines hohen Grades mediensystemischer Ausdifferenzierung eine große journalistisch-
kommunikative Eigenständigkeit bewahrt und eine gesellschaftliche Rolle als Anwalt gesell-
schaftlicher Diskurse annimmt und erfüllt. Dieser diskursive Journalismus ist vor dem Hinter-
grund der Annahme zu beschreiben, dass jedem journalistischen Handeln als kommunikativem
Handeln ein Bezug zu kommunikativer Rationalität innewohnt und dass dieser Bezug in einem
kommunikativ gehandhabten Journalismus auch aktiv genutzt werden kann. Erst im diskursiven
Journalismus allerdings wird er reflexiv auch zu gesellschaftlichen und demokratischen Erwar-
tungen in Beziehung gesetzt und zur journalistischen Selbststeuerung genutzt.107
Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit ist die Erörterung der Möglichkeiten einer auf Pra-
xisfragen bezogenen, emanzipatorisch ausgerichteten Journalismustheorie. Dazu ist es zu-
nächst notwendig, den Selbstanspruch der Journalistik genauer zu fassen, um ihn an den
sozialwissenschaftlich begrenzten Möglichkeiten der Kommunikationswissenschaft als umgrei-
fender Disziplin abzugleichen. Deren theoretische und systematische Grundprämissen er-
schweren bis zu einem gewissen Grad die Entwicklung eines theoretisch eigenständig zu
fassenden Fachverständnisses der Journalistik. Diesem Desiderat kann hier nur vorläufig
dadurch begegnet werden, dass ein formalpragmatisches Verständnis sozialwissenschaftlicher
Forschung eingeführt wird, in dessen Kategorien die Fiktionen der Unabhängigkeit des Beob-
achters und der daran anschließend vermeintlich möglichen Objektivation beobachteter
sozialer Zusammenhänge nicht aufrecht erhalten werden können, sondern ersetzt werden
durch ein sozialwissenschaftliches Selbstverständnis als Teilnehmer und damit auch als prinzi-
piell in den Untersuchungszusammenhang Einbezogener. Aus dieser Perspektive wird die
Möglichkeit, letztlich die Notwendigkeit, der (gleichberechtigten) Teilnahme an praktischen
Diskursen deutlich hervorgehoben, aus der heraus auch ein in einem ‚kritischen‘ Wissen-
schaftsverständnis fußendes Journalistik- und Journalismusmodell begründbar ist. (Kapitel II)
Anschließend soll dargestellt werden, wie aus dem historisch zu identifizierenden Idealty-
pus Öffentlichkeit journalistische Idealtypen abgeleitet werden, die entweder auf die Befriedi-
gung von Informationsinteressen durch referierende Vermittlung oder auf das politische und
kulturelle Räsonnement abstellen. Während die normative Publizistikwissenschaft aus dem
Idealtypus des Räsonnements das Rollenmuster des publizistischen Kommunikators als
normatives Erwartungsmuster ableitet, knüpfen die klassische Zeitungswissenschaft und – in
spezifischer Form auch die legitimistische Publizistikwissenschaft – an dem Idealtypus der
Vermittlung (Referat) an, um daraus eine sehr reduzierte Vermittlungstätigkeit zu deduzieren,
die journalistisches Handeln weitgehend seiner Eigenständigkeit entkleidet. Das Ergebnis ist
eine normativ scharf begründete Dichotomie journalistischer Idealtypen, die unvereinbar
scheinen, obwohl sie doch – so die hier zu begründende Annahme – je nur Facetten journalis-
tischen Handelns beschreiben. Anknüpfungspunkte für diese Annahmen lassen sich in dem
eher integrativen Entwurf von Otto Groth identifizieren, der darauf hinweist, dass journalisti-
107 Die Darstellung folgt dem Habermasschen Konzept vom „Strukturwandel der Öffentlichkeit“ über die
Erörterung der „Legitimationsprobleme im Spätkapitalismus“ bis zu den demokratietheoretischen Ausführun-
gen in „Faktizität und Geltung“, so dass sich zu den beiden bereits benannten Strängen, die diese Arbeit orga-
nisieren, im Hintergrund als ein drittes ordnendes Prinzip immer auch die Entfaltung und Entwicklung einer
kommunikationspragmatischen Kritischen Theorie gesellschaftlicher Kommunikation gesellt. Anhand dieser
theoretischen Entwicklung können die Prämissen der Arbeit systematisiert und parallel zu ihr entwickelt wer-
den. Gerade in den Revisionen, die Habermas an seinem idealtypischen Ursprungskonzept der Öffentlichkeit
vornimmt, liegen wertvolle Heuristiken begründet, die in ihren Perspektivverschiebungen auch die Journalis-
mustheorie voranbringen können.
4 Zum Aufbau der Arbeit 33
sches Handeln – von wenigen Ausnahmen abgesehen – stets sowohl vermittelnd als auch
produzierend ist. Journalismus ist demnach die öffentliche Vermittlung gesellschaftlicher
Diskurse, eine kommunikative, vermittelnde und strukturierende Tätigkeit, die kommunikati-
ves Handeln auch in komplexen Gesellschaften ermöglicht. Journalisten können somit, um
einen Begriff von Otto Groth zu modifizieren, als ‚Diskursanwälte‘ moderner Gesellschaften
betrachtet werden. (Kapitel III)
Die weitere Erörterung eines historisch fundierten Verständnisses von Journalismus erfor-
dert neben diesen klassischen Anregungen die systematische Entfaltung der bereits eingeführ-
ten Begriffe des kommunikativen Handelns und der Lebenswelt sowie ihres Bezugs zur
öffentlichen Sphäre einer Gesellschaft. Auf diesem Weg soll ein erweitertes theoretisches
Fundament entwickelt werden, auf dem die unterschiedlichen Journalismuskonzeptionen
zusammengeführt werden können, deren je einzelne konzeptionelle Begründungen sich
oftmals als nicht tragfähig erweisen. Die Vertiefung der Heuristik durch einen veränderten
gesellschaftstheoretischen Rahmenbezug erlaubt es, Journalismus begründet sowohl historisch
wie strukturell als kommunikativen Handlungsmodus in der Lebenswelt zu verorten und ihn
eng in Beziehung zum Konzept einer bürgerlichen oder deliberativen Öffentlichkeit zu setzen.
Er gewährleistet soziale Orientierung durch reflexive Vermittlung und entfaltet emanzipatori-
sches Potenzial, indem er soziale Teilhabemöglichkeiten durch Inanspruchnahme kommunika-
tiver Kompetenz eröffnet. Dadurch dient er auch der sozialen Integration. (Kapitel IV)
Anschließend werden die Prozesse des neuerlichen ‚Strukturwandels der Öffentlichkeit‘
und der Ausdifferenzierung der Massenmedien als System behandelt. Hier geht es vorwiegend
um die Auseinandersetzung mit der Feststellung, dass die idealtypischen Ideen von Journalis-
mus und Öffentlichkeit in ihrer bis dahin entfalteten Fassung nicht der empirischen ‚Realität‘
in modernen Demokratien vom Typ der Bundesrepublik entsprechen, sondern dass sich ein
massenmediales System herausbildet, dessen Logik signifikant anderen Steuerungsparametern
folgt. Diese Entwicklung geht einher mit der von Habermas beschriebenen Herausbildung
eines zweistufigen Gesellschaftsaufbaus, in dem neben die kommunikativ integrierte Lebens-
welt auch systemisch integrierte Bereiche der Ökonomie und der politischen Administration
treten, welche die Reproduktion materieller Ressourcen auf Basis generalisierter Steuerungs-
medien leisten. In diesen Prozess ist auch die Systemfunktionalisierung der Massenmedien als
der materiellen Basis journalistischen Handelns eingespannt. Massenmedien, so wird argumen-
tiert, können als eine systemische (ökonomische) Struktur verstanden werden, die Journalismus
in modernen Gesellschaften ermöglicht. Ein Ergebnis des ‚Strukturwandels der Öffentlichkeit‘
ist, dass journalistische Aussagen im Wechselspiel von lebensweltlich-komunikativem Journa-
lismus und systemisch-funktionalistischen Massenmedien entstehen. Journalistisches Handeln
ist zwischen lebensweltlich-kommunikativen Ansprüchen und systemischen ‚constraints‘108 ein-
gespannt. (Kapitel V)
Diese Annahmen führen zu dem abschließenden Versuch, das Verhältnis systemischer
Massenmedien und lebensweltlichen journalistischen Handelns in den Rahmen eines demokra-
tietheoretisch begründeten und ethisch-politisch operationalisierbaren Konzepts diskursiver
Öffentlichkeit und diskursiven Journalismus‘ zu stellen. Aus der Perspektive einer Theorie
108 Der Begriff ‚constraints‘ setzt sich in der Debatte über die Verzahnung von Handlungs- und Systemtheorie
zunehmend durch, um die Effekte systemischer Zusammenhänge auf individuelle Akteure zu benennen (vgl.
Schimank 2000; Giddens 1995; Gerhards 1994). Jarren und Donges (2002a, S. 76) verstehen unter ‚constraints‘
„[…] die Funktionserfordernisse handlungsprägender Sozialsysteme, in denen sich Akteure als handlungsfähige
Sozialsysteme bewegen“. Raabe (2005, S. 165) weist daraufhin, dass nicht nur beschränkende (‚constraining‘),
sondern auch ermöglichende (‚enabling‘) Sozialstrukturen beachtet werden müssen.
34 I Einleitung
deliberativer Demokratie wirkt Öffentlichkeit zwischen System und Lebenswelt der Parzellie-
rung gesellschaftlicher Kommunikation und gesellschaftlichen Wissens entgegen, indem sie als
kommunikativ rationales Korrektiv zu systemischen Entscheidungen fungiert. Massenmedien
können, obwohl sie zu den systemisch integrierten gesellschaftlichen Bereichen gehören, aus
der Perspektive eines solchen Modells Öffentlichkeit und öffentliche Kommunikation gewähr-
leisten – allerdings nur, wenn sie in ihren Darstellungsformen offen bleiben für Anschluss-
kommunikation in der Lebenswelt und wenn sie der kommunikativen Handhabung von
Journalismus ausreichende Handlungsspielräume gewährleisten. Diese Spielräume lassen sich
zum einen auf der Basis eines diskursiven Journalismus-Begriffs beschreiben, der journalisti-
sches Handeln nach den Prämissen sinnorientierten Verständigungshandelns konzipiert und an
eine anspruchvolle Diskursethik koppelt, die in handlungsleitende Qualitätsmaßstäbe übersetzt
werden muss, um die argumentative Angemessenheit der Vermittlung zu gewährleisten. Zum
anderen bedarf es einer reflexiven gesellschaftlichen Kommunikationspolitik in Form einer
‚Media Governance‘, die unter Einbeziehung gesellschaftlicher und privater Akteure die
Steuerung des Massenmediensystems leistet und dessen Verpflichtung auf Diskursivität des
Journalismus’ in den Mittelpunkt rückt. Beides zusammengenommen – die immanente Stär-
kung journalistischer Diskursivität und Selbstregulierung sowie die gesellschaftliche Bereitstel-
lung mit ihr korrespondierender institutioneller Vorkehrungen – kann gesellschaftliche Diskur-
se auch in komplexen Gesellschaften ermöglichen. (Kapitel VI)
Eine Journalistik, die sich an der Formulierung, Vermittlung und praktischen Durchsetzung
dieser ethischen Maßstäbe beteiligt, kann ihr Potenzial als Demokratiewissenschaft entfalten.
In diesen diskurstheoretischen Anforderungen liegen letztlich die immanenten Maßstäbe, derer
sich eine als kritische Wissenschaft verstandene Journalistik in der Untersuchung und Bewer-
tung journalistischen Handelns sowie in der Formulierung inhaltlicher Ausbildungsziele
bedienen kann. In diesen diskurstheoretischen Implikationen liegt ein aus dem journalistischen
Handeln heraus begründbarer normativer Kriterienkatalog, der den Weg zu einem ‚besseren‘
Journalismus weisen kann. Dieser würde die Basis für eine als „binnenkulturelle Wissenschaft“
verstandene Journalistik legen können, die sich ihrer immanenten Beziehung zu ihrem Gegens-
tand versichert.109 Ein solches Verständnis eröffnete der Journalistik neue Erkenntnisoptionen,
wie Haller in pointiert-kritischer Abgrenzung zur Systemtheorie ausführt:
„Sie [die Journalistik, -cb-] bräuchte nur einen kleinen Schritt zu unternehmen, um mit ihrem Objekt, dem
Journalismus, ein Sinnsystem zu bilden – in diesem Punkt nicht anders, als es die Medizin und die Rechtswis-
senschaft vor rund zwei Jahrhunderten getan haben. Dann könnte ein auf Verstehen und Verständigung gerich-
teter Kommunikationsbegriff entwickelt werden, der das Mediensystem als Bedingungsgefüge zu seiner Vor-
aussetzung nimmt – und der ein bisschen mehr leistet als die redundante Feststellung der Luhmann-
Gemeinde, Gesellschaft sei Kommunikation und sonst nichts.“110
Die vorliegende Arbeit wird daher einen weiten, aber notwendigen Umweg gehen, um sich
einen Schritt auf einen diskursethisch begründeten normativen Kriterienkatalog hin zu bewe-
gen, dessen Ziel es eben genau ist, Verstehen und Verständigung durch journalistisch-
kommunikatives Handeln innerhalb eines (zum Teil systemtheoretisch zu fassenden) medialen
Bedingungsgefüges darstellbar und wiederum verstehbar werden zu lassen.
Die Überlegungen zum Konzept des diskursiven Journalismus finden vor dem spezifischen wissenschaftstheoreti-
schen und fachkontextuellen Hintergrund der Journalistik statt. Dieser soll im nachfolgenden Kapitel in Form
von Vorbemerkungen behandelt werden, die sich in erster Linie an den fachwissenschaftlich interessierten Leser
wenden. Das Ziel ist, dem in den weiteren Kapiteln zu entfaltenden Journalismusverständnis Ort und Richtung
im Diskurs der Journalistik zuzuweisen. Dieses Vorgehen scheint geboten, weil die Konzeption des diskursiven
Journalismus in ihren praktischen Konsequenzen maßgeblich auch auf eine universitäre Journalistik als
Transmissionsriemen in die Praxis hinein setzt. Zunächst soll daher der praktische Erkenntnisanspruch der
Journalistik als einer Wissenschaft zur Verbesserung des Journalismus thematisiert werden. Dieser Anspruch
lässt sich sowohl anhand der Fachgenese als auch anhand der programmatischen Selbstverortung der Disziplin
rekonstruieren (1).
Daran anschließend werden die theoretischen Optionen der Journalistik diskutiert. Als derzeit paradigma-
tisch erweisen sich – wie in weiten Teilen der Kommunikationswissenschaft – in gesellschaftstheoretischer
Hinsicht die Systemtheorie und in erkenntnistheoretischer Hinsicht der Konstruktivismus. Auf Potenziale und
Limitierungen der beiden Perspektiven wird näher einzugehen sein. Das gilt auch für handlungstheoretische
Optionen, die allerdings innerhalb der Journalistik bislang in weit weniger paradigmatischer Form vertreten
werden (2).
Um handlungstheoretisch zumindest anschlussfähige Perspektiven zu stärken wird im weiteren Verlauf für
eine veränderte wissenschaftstheoretische Grundlegung des Faches plädiert: Erkenntnistheoretisch wird der
Sozialwissenschaftler zugleich als Beobachter und als Teilnehmer der von ihm untersuchten sozialen Prozesse
verstanden, der sich in seinen Rekonstruktionsleistungen als ‚virtueller Teilnehmer‘ immanent auf in der Praxis
erhobene Geltungsansprüche einlassen muss, wenn er Verstehen anstrebt. Gesellschaftstheoretisch wird die
Kombination einer kommunikationstheoretisch fundierten Handlungstheorie mit einer bescheideneren System-
theorie favorisiert, um individuelle Sinnfragen ebenso behandeln zu können wie soziale Strukturbildung.
Rekonstruktivismus anstelle von Konstruktivismus, Diskurstheorie anstelle von Systemtheorie lauten daher die
Vorschläge, die im weiteren Argumentationsgang weiter ausformuliert werden sollen (3).
In diesem Kontext ist es möglich, eine praxisbezogene und zugleich kritische wissenschaftliche Perspektive
auf den Journalismus zu beschreiben. Diese normativ verstandene Journalistik ist in der Lage, Maßstäbe zu
begründen, anhand derer sie für eine Verbesserung des Journalismus antritt. Auf ihren Zuschnitt sollen
abschließend Hinweise formuliert werden (4).
36 II Zur Verortung des Journalismus
1 Selbst in Teilwissenschaften kann die Kluft tief sein: vgl. die normativ-legitimistische Publizistik (Kepplinger
1979a; Donsbach 1982) mit der systemtheoretisch-konstruktivistischen (Merten/Schmidt/Weischenberg 1994).
2 Vgl. Glotz 1990; Hachmeister 1987
3 Pöttker 1998a, S. 231. Vgl. zur nicht unproblematischen Genese des Fachs in Westdeutschland zwischen
politischen und ökonomischen Interessen: Löffelholz 1990; Machill 2005.
4 Neverla 2002, S. 25
5 Vgl. Pöttker 1998a. Die vorliegende Arbeit allerdings plädiert dafür, nicht von einer beruflich abzugrenzenden
Akteursgruppe auszugehen, sondern den Modus journalistischen Handelns sowie seine Aufgaben und Leistun-
gen zu charakterisieren, aus denen heraus sich das Selbstverständnis von Journalisten im Verberuflichungs- und
1 Wissenschaft zur Verbesserung des Journalismus 37
anhand eines spezifischen öffentlichen Handelns identifiziert werden kann. Sie erhebt den
Anspruch, für die Praxis des Journalismus Ausbildungsleistungen zu erbringen.6
Häufig wird die Journalistik als eine Teildisziplin innerhalb einer integrierten Medien- oder
Kommunikationswissenschaft konzipiert.7 Aus einer solchen Perspektive heraus ‚erbt‘ sie die
disziplinären und theoretischen Probleme der Mutterdisziplin und lässt eine eigenständige
Kontur vermissen. Für Ronneberger war die Kommunikationswissenschaft schon in ihrer
Frühphase lediglich eine „Sammelsuriums- oder bestenfalls Dachwissenschaft für ein ziemlich
großes Gebäude, in dem sich die Mieter untereinander nicht kennen“.8 Positiver formulieren
Jarren und Bonfadelli, dass sie sich um ein Nebeneinander von sozial- und kulturwissenschaft-
lichen Ansätzen bemühe, die in integrationswissenschaftlicher Perspektive zusammengeführt
werden, um Theorie- und Methodenpluralismus zu erhalten.9 In ihrem Selbstverständnispapier,
das den aktuellen Stand der Debatten um die Fachverortung umfassend darstellt und kommen-
tiert, hat die Deutsche Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft
(DGPuK) Gegenstand und Methode des Faches im Jahr 2001 wie folgt beschrieben:
„Im Zentrum des Fachs steht die indirekte, durch Massenmedien vermittelte, öffentliche Kommunikation.
Die damit verbundenen Produktions-, Verarbeitungs- und Rezeptionsprozesse bilden den Mittelpunkt des
Fachinteresses. […] Die Kommunikationswissenschaft versteht sich heute im Kern als eine theoretisch und
empirisch arbeitende Sozialwissenschaft mit interdisziplinären Bezügen.“10
Professionalisierungsprozess speist. Journalistik untersucht aus diesem Verständnis heraus zunächst einen
kommunikativen Handlungsmodus, darf sich aber dessen systemischer massenmedialer Ausprägung nicht ver-
schließen. Allerdings sind diese Ebenen theoretisch-analytisch voneinander zu trennen.
6 Vgl. Pätzold 2000, S. 426
7 Vgl. jüngst Rusch 2005; Röttger 2005a.
8 Ronneberger 1978a, S. 17; vgl. auch Wirth 2000, S. 45; Noelle-Neumann 1975; Westerbarkey 1980
9 Vgl. Bonfadelli/Jarren 2001, S. 10; ähnlich auch Ruhrmann u.a. 2000. Wenn eine inhaltliche Gemeinsamkeit
dieser Bemühungen zu identifizieren ist, dann ist es die Fokussierung auf „mediengebundene Kommunikati-
on“, wobei mit Medien vor allem sekundäre und tertiäre Medien gemeint sind, während andere Aspekte von
Kommunikation in Disziplinen wie der Soziologie, der Linguistik oder der Psychologie behandelt werden
(Bohrmann 1981, S. 132). Diese Engführung wird allerdings von Kommunikationswissenschaftlern wie Burkart
(1998a, S. 401ff.) kritisiert, die ein interdisziplinäres Fach Kommunikationswissenschaft fordern. Diese Veror-
tungsschwierigkeiten sind regelmäßig Gegenstand von Selbstvergewisserungsdebatten, die innerhalb des Faches
geführt werden (vgl. z.B. die Beiträge von Ruhrmann u.a. 2000; Theis-Berglmair/Kohring 2000; Brosius 2000;
1998a; 1994b; Rühl 1993b; Merten 1993; Baum/Hachmeister 1982; Saxer 1980. Auch in zahlreichen Lehrbü-
chern finden sich Überblicke über die Diskussion: vgl. Jarren/Bonfadelli 2001; Schmidt/Zurstiege 2000; Mer-
ten 1999; Burkart 1998a; Pürer 1993)
10 DGPuK 2001, o.S.
11 Vgl. ebd., o.S.; vgl. Neverla/Grittmann/Pater 2002a
12 Vgl. zum Überblick den Sammelband von Burkart/Hömberg 1995.
13 Eine erwähnenswerte Ausnahme ist der Sammelband von Löffelholz 2000a, dessen Neuauflage (Löffelholz
2004) den Pluralismus des Diskurses leider gleich wieder einschränkt.
14 Das konstatieren Ruhrmann u.a. (2000), die gerade auch in dem Versprechen auf eine berufsbezogene Ausbil-
dung an Journalistik-Instituten einen Grund für das Ausbleiben theoretischer Arbeit vermuten.
38 II Zur Verortung des Journalismus
Erkennbar sind nicht alle diese Fragen durch die bloße Aggregation empirischer Daten nach
den Routinen einer professionell betriebenen ‚communications research‘ hinreichend zu
beantworten, sondern bedürfen einer (gesellschafts-)theoretischen Einbettung. Die theoreti-
sche Beschäftigung mit Journalismus kommt letztlich nicht umhin, auch voraussetzungsvolle –
und zum Teil auf einem kritischen Wissenschaftsverständnis fußende – Überlegungen einzu-
schließen, die sich zentral auf die demokratiekonstitutive Aufgabe des Journalismus beziehen.
Doch derzeit werden solche normativen Annahmen zwar immer noch lebhaft in der Praxis
verhandelt, finden aber nur noch selten Niederschlag in den wissenschaftlichen Diskursen. Die
Wissenschaft, die sich der Integration von Theorie und Praxis verschrieben hat, steht derzeit
nicht selten in gehöriger Entfernung zur Praxis und ihren Problemen.
15 Zur journalistischen Ethik-Debatte sind zahlreiche Sammelbände erschienen, in denen sich die einschlägigen
Diskursstränge nachvollziehen lassen: vgl. z.B. Debatin/Funiok 2003; Schicha/Brosda 2000; Funi-
ok/Schmälzle/Werth 1999; Holderegger 1999; Funiok 1996a; Haller/Holzhey 1992a; Wunden 1998; 1996;
1994; 1989; Erbring 1988
16 Baum 2005b
17 Vgl. Pöttker 2005; Pätzold 2005. Beide regen konsequenterweise die Gründung einer eigenen Fachgesellschaft
der Journalistik analog zur DGPuK an. Noch in den 1980er Jahren ist dagegen die Abkoppelung der Journalis-
tik als eigene ‚scientific peer group‘ von den wissenschaftsgeschichtlichen und -theoretischen Problemen der
Kommunikationswissenschaft als dysfunktionale Folge einer mangelhaften Verknüpfung von Forschung und
Lehre in den Fächern beschrieben worden (vgl. Hachmeister/Baum/Schuppe 1983).
18 Neverla 2002, S. 26
1 Wissenschaft zur Verbesserung des Journalismus 39
19 Diese Kategorie ist nicht trennscharf, sondern bezeichnet im Folgenden Bücher über Journalismus, die
entweder aus der Praxis heraus Praxis reflektieren oder aber sich als Handreichungen für die Praxis verstehen,
ohne primär wissenschaftlich fundiert zu sein.
20 Schneider/Raue 1998, S. 14
21 Vgl. für den Ansatz paradigmatisch: Dovifat 1962b und 1962c; Dovifat 1990a
22 Vgl. Dovifat 1964
23 Vgl. Dovifat 1990c, S. 65
24 Frankenfeld 1965, S. 337
25 Vgl. Prakke u.a. 1968; Dröge/Lerg 1965
26 Sogar Dovifat musste konstatieren, dass „Organisation […] der erste Schlüssel [ist], an die Massen heranzu-
kommen, ihr Wollen und Handeln zu bestimmen“ (Dovifat 1990e, S. 167) – ohne daraus aber Konsequenzen
für die Stellung des Individuums im publizistisch-journalistischen Prozess zu ziehen. Die hier bereits erkannte
Zäsur auch theoretisch wie analytisch tatsächlich auszuformulieren, blieb anderen vorbehalten, zunächst vor-
nehmlich den Mitarbeitern des Münsteraner Instituts für Publizistik, die bereits in den 1960er Jahren den
40 II Zur Verortung des Journalismus
Vor allem im Zuge der sozialwissenschaftlichen Weiterentwicklung des Faches beginnt seit
den 1960er Jahren die Kluft zwischen den Journalismus-Modellen in Praxis und Theorie zu
wachsen. Die emergierende Kommunikationswissenschaft setzt neben verstärkten empirischen
Anstrengungen vor allem auf funktionalistische Modellannahmen und Theorien, die zuneh-
mend eigenlogische Operationen unterstellen und in ihrer Abstraktion nur wenig Anschlüsse
für das Selbstverständnis der Praxis bieten.27 Eine Strategie, die in ihrer Fokussierung auf den
Funktionalismus durchaus mit der Entwicklung in der Soziologie der 1950er Jahre zu verglei-
chen ist, als sich vor allem in den USA die funktionalistische Methode etablierte.28 An die Stelle
der Frage nach dem ‚Sinn‘ und ‚Wesen‘ des Journalismus tritt auch in der Journalismusfor-
schung zunehmend das sozialwissenschaftlich geschulte und vom kritischen Rationalismus
angeleitete Streben nach möglichst präzisen Beschreibungen journalistischer ‚Wirklichkeit‘.29
Dagegen konserviert die Praxistheorie der Journalisten die ursprünglichen Annahmen zu
Aufgabe und Auftrag des Journalismus, die sich bis in die Debatten um die Pressefreiheit
zurückverfolgen lassen.30 Es besteht in der Praktiker-Literatur offensichtlich kein Anlass, die
wissenschaftliche Kurskorrektur im Verständnis des Journalismus mit zu vollziehen. Die
entsprechenden Handbücher müssen sich letztlich nicht mit den Beschreibungsdefiziten und
den analytischen Unzulänglichkeiten eines normativen Individualismus herumschlagen, da sie
sich nicht in einem strengen wissenschaftlichen Rahmen bewegen, sondern sie können sich auf
eine unter Journalisten bis heute weitgehend konsentierte Berufsideologie beziehen, die für den
Praxisgebrauch allemal auszureichen scheint. Mit diesem Vorgehen wächst die Kluft zwischen
dem Praktiker-Verständnis journalistischer Aufgaben und der wissenschaftlichen Beschreibung
journalistischen Handelns oder journalistischer Systeme. Zu Abstraktionsleistungen, wie sie
sich in wissenschaftlichen Beschreibungen des Journalismus als komplexes, kaum mehr von
Einzelnen zu steuerndes Gesamtsystem finden lassen, ist die Praktiker-Literatur weder willens
noch in der Lage – sie kann es auch gar nicht sein, wenn sie Handlungsanleitungen geben
will.31 Noch 1980 sahen Weischenberg und Weischenberg die bundesdeutschen Praxishandbü-
Grundstein für einen heute noch populären, und vom Individuum weitgehend abstrahierenden funktionalen
Ansatz gelegt haben, auf den zurückzukommen sein wird. Vgl. dazu ausführlich Hachmeister 1987.
27 Vgl. dazu z.B. Haller 2000a.
28 Vgl. Lepenies 1981, S. IVf.
29 Dieser Schritt zieht Probleme nach sich, auf die noch einzugehen sein wird. Vgl. z.B. die Kritik von Bohr-
mann/Sülzer 1973, Teichert/Renckstorff 1974, Aufermann 1976, Eurich 1977 oder Baum/Hachmeister 1982.
30 Vgl. Kieslich 1970; Wilke 1984b; Schneider 1966.
31 Dennoch hat sich auch in solchen Praxis-Handreichungen die Erkenntnis durchgesetzt, dass es eine ideale
journalistische Gesamt-Persönlichkeit nicht geben kann. Von LaRoche (1995, S. 17) schreibt in seiner viel gele-
senen ‚Einführung in den praktischen Journalismus‘: „Den Journalisten zu beschreiben ist in einer Zeit immer
stärkerer Arbeitsteilung nicht möglich. Wir können nur zusammenzählen, was Journalisten alles tun, damit am
Ende Informationen und Kommentare als fertige Produkte an die Öffentlichkeit gelangen.“ Der Umstand ei-
nes sich verändernden Journalismus wird zur Kenntnis genommen und auch als Problem begriffen – zumin-
dest in der Hinsicht, dass von holistischen Vorstellungen Abstand genommen wird. Zu Abstraktionen oder
auch nur zu Systematisierungen, die denen der wissenschaftlichen Analysen vergleichbar wären, führt diese
Einsicht aber nicht. Stattdessen werden in dem zitierten Praxis-Lehrbuch tatsächlich nur verschiedene Phäno-
mene ‚zusammengezählt‘: So beginnt die Darstellung der persönlichen Hilfsmittel bei „Terminkalender und
Adressenbuch“ (ebd., S. 55), und die praktizistische Anschaulichkeit des Buches gipfelt rund 100 Seiten später
in dem Kapitel „20 Wünsche des Redakteurs an einen neuen Mitarbeiter“ (ebd., S. 159ff.). Nur allzu deutlich
greift diese Form der Literatur in der Praxisbeschreibung zu kurz, indem sie bei konkretistischen Hinweisen
stehen bleibt, deren Repräsentativität und Nützlichkeit auf dem individuellen Erfahrungswissen des Autors be-
ruhen. An die Stelle einer in früheren Jahren konstruierten idealen Gesamtpersönlichkeit des Journalisten tritt
hier ein eklektizistisch zusammengetragenes Sammelsurium verschiedenster Angebote, die alle relevant sein
können, aber nicht näher gewichtet werden, und aus denen sich der einzelne Journalist das zusammensuchen
soll, was ihm in seiner Berufsausübung vermeintlich entgegenkommt.
1 Wissenschaft zur Verbesserung des Journalismus 41
cher für Journalisten auf dem Stand, der in den USA bereits 1910 erreicht worden war, als dort
erste Journalisten-Schulen etabliert waren.32 Abgesehen von wenigen Editionen oder Reihen,
die auf Basis wissenschaftlicher Konzepte entstanden sind33, können von diesem Urteil bis
heute kaum Abstriche gemacht werden.34
Hinsichtlich der Fragen nach ‚Sinn‘ und ‚Wesen‘ des Journalismus pflegt die journalistisch-
praktische Ratgeberliteratur aus der Sicht einer normativ entschlackten, empirisch-analytischen
Kommunikationswissenschaft nach wie vor eine tradiert bis antiquiert emphatische Sicht der
Dinge. Den lauten Klagen über die zunehmende Technisierung der Arbeit und über den
Verlust an individueller Autonomie unter den Journalisten wird hier weiter die Idee einer
öffentlichen Aufgabe des Journalismus entgegengehalten, die zu erfüllen die Bestimmung jedes
Journalisten sein sollte. Grundlage solcher Überlegungen sind zum einen eine simplifizierende
Handlungs-‚Theorie‘, die meistens rein akteursorientierte Prämissen aufstellt, und zum anderen aus
juristischen Urteilen destillierte Aufgabenkataloge.35
Daraus allerdings einseitig auf Defizite der Praktiker-Literatur zu schließen, greift zu kurz.
Deren Beharren auf tradierten, heute beinahe ideologisch wirkenden Einsichten ist schließlich
auch als eine Reaktion auf Entwicklungen in der wissenschaftlichen Literatur zu interpretieren,
die sich seit ihrer Hinwendung zur empirisch-analytischen Zergliederung ihres Forschungsge-
genstandes immer weniger um Verstehen als vielmehr um wertfreie Beschreibung sozialer
Regelmäßigkeiten zu kümmern scheint.36 Der vormals gegebene Zusammenhang eines Diskur-
ses zwischen Wissenschaft und Praxis37 wird auch dadurch zerschnitten, dass sich die wissen-
schaftliche Beschäftigung mit dem Journalismus hinsichtlich ihrer empirischen Methodik zwar
weiterentwickelt, sich aber gleichzeitig hinsichtlich normativ-praktischer Sinnfragen für nicht
mehr zuständig erklärt und diese an die Praxis selbst oder an eine als vorwissenschaftlich
erachtete Philosophie verweist.38
„Schaut man, worüber Journalistik-Dozenten forschen und publizieren, stößt man auf viele Themen, die für
den Journalismus von marginaler Bedeutung sind. Oder aber der Journalismus wird nur als abstraktes System
wahrgenommen.“39
Nur wenige Journalismusforscher verstehen wie Rager ihr Aufgabengebiet explizit „als eine Art
Forschungs- und Entwicklungsabteilung für die redaktionelle Praxis“, aus der heraus aktuelle
40 Rager/Rinsdorf 2002a, S. 44
41 Vgl. zu dieser Unterscheidung zwischen unterschiedlichen Theorieverständnissen Rühl 2000, S. 65.
42 Ebd., S. 66f.
43 Vgl. für ein solches Verständnis der sozialwissenschaftlichen Forschung grundsätzlich: Luhmann 1981c.
44 Vgl. dazu Kepplinger 2000, S. 83
45 Vgl. Baum/Hachmeister 1982, S. 211
1 Wissenschaft zur Verbesserung des Journalismus 43
Entwürfe gehen an einem darüber hinausreichenden Potenzial des Journalismus, das in Kom-
munikation, Verständigung und kommunikativer Handlungskoordinierung begründet werden
könnte, sogar schon auf konzeptioneller Ebene vorbei, indem sie sich auf zweckrational-
instrumentelle Denkfiguren zu seiner Beschreibung stützen. Baum kritisiert in diesem Zusam-
menhang eine „normative Entkernung des Journalismus durch die Wissenschaft“.46
Angesichts der unterschiedlichen Prämissen und des unterschiedlichen Zugriffs auf die
‚Wirklichkeit‘ des Journalismus ist zwischen den Vertretern der Kommunikationswissenschaft
und den journalistischen Praktikern bislang weder ein konstruktiver Dialog über die Situation
des Journalismus geschweige denn über seine Verbesserung zustande gekommen. Immerhin:
In den Bereichen der Redaktionsforschung47, der Qualitätssicherung48 und der Rezeptionsfor-
schung49 werden vereinzelt wissenschaftliche Forschungsergebnisse mit Blick auf praktische
‚Verwertung‘ angeboten und von Praktikern zur Kenntnis genommen.
Doch weitgehend kennzeichnet Sprachlosigkeit in Folge der beschriebenen unterschiedli-
chen Erwartungen und Selbstverständnisse das Verhältnis zwischen den zwei sozialen Grup-
pen, die eigentlich als prädestinierte Kommunikationsexperten zu gelten hätten. In den bereits
erwähnten wissenschaftsfernen Praxis-Handbüchern, die direkte Wege in den Journalismus
bereiten wollen, schlägt sich eine demonstrative Wissenschaftsfeindlichkeit zum Beispiel in
Ratschlägen an Studierende nieder, doch besser Seminare und Vorlesungen regelmäßig für vier
bis acht Wochen im Semester auszulassen, um Praktika zu absolvieren. Ein derart praktizisti-
sches Vademecum, verfasst von einem Journalistenausbilder und einem ehemaligen Chefredak-
teur, gipfelt gar in bedenkenswerten Merksätzen wie dem folgenden:
„Je größer die Distanz zur akademischen Welt auch während des Studiums bleibt, um so höher sind nachher
die Chancen, im Journalismus Karriere zu machen.“50
Die Journalismusforschung muss offensichtlich eine breite Kluft überbrücken, bevor ihr der
explizit angestrebte Dialog mit der journalistischen Praxis gelingen kann. Notwendig dazu ist
ein von der Journalistik zu entwickelndes theoretisches Journalismusverständnis, das Praxis
und Theorie in einen inneren Zusammenhang zueinander setzt und das daher in der Lage ist,
sowohl seine wissenschaftliche als auch seine praktische Relevanz zu explizieren.
46 Baum 2005b, S. 7
47 Vgl. z.B. Rager/Rinsdorf 2002b; Altmeppen 1999; Meckel 1999; Moss 1998; Rager/Werner/Weber 1992.
48 Vgl. die Beiträge in Fasel 2005; Bucher/Altmeppen 2003; sowie u.a. Rager 2000; 1994; Haller 2000b; Wallisch
1995; Ruß-Mohl 1994.
49 Vgl. für eine aktuelle Bestandsaufnahme dieses Spannungsfeldes: Hohlfeld 2002; 2003. Selbst dort sind die
Vorbehalte noch immer groß und kulminieren bisweilen in blanker Ablehnung, wie die folgende Aussage eines
Zeitschriftenredakteurs eindringlich belegt: „Wir testen einfach nicht. Wir testen weder Hefte noch Werbekam-
pagnen. Und das ist auch gut so, weil wir […] einen Chefredakteur haben, der vor allem ein Forschungsinstru-
ment kennt, einen Bauch, auf dessen Gefühl man sich verlassen kann.“ (Ruzas 2002, S. 207) Dass es dann doch
bessere Erhebungsmethoden gibt und dass auch bei weitem nicht alle Journalisten derart ignorant gegenüber
sozialempirischer Hilfestellung bei der Publikumsanalyse sind, ist heutzutage überzeugend darzulegen. Aber
dennoch bleibt das Bild ein zwiespältiges: Ganz offensichtlich sind die Potenziale der Journalismus- und Me-
dienforschung in der Praxis immer noch nicht zur Gänze angekommen. Noch immer nutzen und akzeptieren
Journalisten die Möglichkeiten der wissenschaftlichen Erforschung ihrer Tätigkeit und ihrer Ansprechpartner
nur selektiv, noch immer sind Publikums- und Produktanalyse mit dem vermeintlichen Makel der rein strategi-
schen Absatzoptimierung behaftet.
50 Schneider/Raue 1998, S. 279
44 II Zur Verortung des Journalismus
Die Idee der Integration von Theorie und Praxis und der damit einhergehenden Verbesserung
der Praxis durch wissenschaftliche Ausbildung liegt der Journalistik von Anfang an zugrunde.
Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts taucht der Begriff ‚Journalistik‘ im deutschen Sprach-
raum als Bezeichnung einer eigenständigen Wissenschaft auf.51 Den Anfang macht Wrede in
seinem ‚Handbuch der Journalistik‘, dessen erste Auflage 1902 erschienen ist. Nach eigenem
Bekunden strebt der Herausgeber danach, „[…] die Journalistik zu einer Wissenschaft zu
erheben […]“.52 Er unterbreitet gleich eine Reihe möglicher Definitionsvorschläge für den
zwar bereit gestellten, aber noch inhaltlich zu füllenden Begriff. Wahlweise schlägt er vor, unter
Journalistik
• „die Gesamtheit der im Zeitungswesen zur Verwendung kommenden Wissenschaften und
die Kunstlehre, diese in zweckmäßiger Art anzuwenden“ zu verstehen oder aber auch
• „die Lehre von dem Zeitungswesen als einem besonderen Komplex des öffentlichen
Geisteslebens“ oder schließlich
• „eine Lehre von der Grundlage und den Mitteln des Zeitungswesens“.53
Wrede zählt diese Journalistik zu den Geisteswissenschaften oder zu den „Wissenschaften vom
Volksleben“, d.h. zum Komplex der Gesellschafts-, Staats-, Rechts- und Wirtschaftswissen-
schaften, deren Objekte das „menschliche gesellschaftliche Zusammenleben und die dazu
gehörige Einzelerscheinung“ sind.54 Schon in diesem frühen Versuch eines Lehrbuchs steht die
Verbindung von Theorie und Praxis im Mittelpunkt des editorischen Interesses. Wrede plädiert
für eine gründliche Ausbildung künftiger Journalisten an einer eigenen ‚Fachschule für Journa-
listen‘, an der theoretische Seminare mit praktischen Übungen verbunden werden sollten.
Lehrredaktionen sollen seiner Ansicht nach die praktische Ausbildung durch das Volontariat in
der Redaktion ersetzen.55
Nach Wredes Lehrbuch wird zunächst kein vergleichbares Plädoyer für den Begriff ‚Jour-
nalistik‘ publiziert. Der Begriff taucht zwar auf, aber Schriften wie Junkers ‚Grundriß der
Journalistik‘56 boten lediglich frühe praktizistische Beschreibungen und keine wissenschaftliche
Systematisierung. Dennoch setzt sich in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts an
einigen Hochschulen in Deutschland – zunächst in Heidelberg unter Koch und dann vor allem
ab 1916 in Leipzig unter Bücher – die Idee einer hochschulgebundenen Journalistenausbildung
zunehmend durch.57 Auch angesichts der Entwicklungen an den Hochschulen findet sich in
51 Vgl. Weischenberg 1992a, S. 13: „Den Terminus ‚Journalistik‘ gibt es schon wesentlich länger als die Studien-
gänge der hochschulgebundenen Journalistenausbildung in Deutschland, die sich so nennen. Seine Geschichte
im 19. und 20. Jahrhundert gehört zum Teil zur Fachgeschichte der Zeitungs- bzw. Kommunikationswissen-
schaft. Doch erst in den letzten Jahren ist versucht worden, Beiträge zur näheren Identifizierung von ‚Journalis-
tik‘ als wissenschaftlichem System zu leisten: ein ‚Paradigma Journalistik‘ zu beschreiben und somit den wissen-
schaftlichen Orientierungskomplex, den das Fach bildet, über bestimmte Strukturen abzugrenzen. Konsensfä-
hig war ohne größere Probleme, daß es sich dabei um die Wissenschaft vom Journalismus und die Anwendung
ihrer Erkenntnisse auf die journalistische Praxis handelt, und zwar vor allem als Journalistenausbildung.“ Nicht
weiter eingegangen werden soll hier auf den gänzlich anders gelagerten Versuch, ‚Journalistik‘ als professionelle
Medienrhetorik zu definieren (vgl. Nickl 1987).
52 Wrede 1906b, o.S.
53 Wrede 1906c, S. 4
54 Ebd., S. 4f.
55 Vgl. Wrede 1906d, S. 13ff.
56 Junker 1915
57 Vgl. dazu zusammenfassend Meyen/Löblich 2006; vom Bruch 1980; einzelne biographische Studien zu den
Pionieren des Fachs in Deutschland finden sich in vom Bruch/Roegele 1986. Der Anstoß für derartige Initiati-
1 Wissenschaft zur Verbesserung des Journalismus 45
den 1920er Jahren der Begriff der ‚Journalistik‘ im wissenschaftlichen Kontext wieder – wenn
auch nur als ergänzende Fachbezeichnung: in Jägers ‚Zeitungswissenschaft (Journalistik)‘58 und
in Groths ‚Die Zeitung. Ein System der Zeitungskunde (Journalistik)‘59. Jäger ordnet den
Begriff der ‚Journalistik‘ dem der ‚Zeitungswissenschaft‘ zwar nach, ein Blick in die von ihm
entworfenen Lehrpläne für Journalistik zeigt aber deutlich, dass diese die Zeitungswissenschaft
als einen Bestandteil neben verschiedenen Formen der Ausbildung in Fragen des Sachwissens
umfassen.60 Auch Jäger stützt seinen offenbar eher wissenschaftspolitisch motivierten Entwurf
auf ein vehementes Plädoyer für eine systematisierte und wissenschaftlich basierte Ausbildung
künftiger Journalisten. Groth hingegen verwendete den Begriff ‚Journalistik‘ zunächst weitge-
hend synonym mit ‚Journalismus‘.61 Allerdings kann sein vierbändiges Werk als Entwurf einer
Journalistik-Theorie begriffen werden, die eine Geschichte des Zeitungswesens umfasst und
sich systematisch mit dem Begriff der Zeitung als Kulturleistung und ihren sozialen wie
kulturellen Verschränkungen beschäftigt.62 Durchsetzen konnte sich die Bezeichnung Journa-
listik zunächst nicht: Der Begriff ‚Zeitungswissenschaft‘ dominierte während des NS-Regimes63
und wurde in der Nachkriegs-Bundesrepublik zunächst durch die Publizistik- und später durch
die Kommunikationswissenschaft abgelöst.64
Einzig in der ehemaligen DDR fand die Journalisten-Ausbildung zentral an der Sektion
Journalistik der Karl-Marx-Universität Leipzig ihren Platz.65 Als „Zweig der marxistisch-
leninistischen Gesellschaftslehre“ basierte das Fach dort gänzlich auf den Annahmen des
historischen und des dialektischen Materialismus und war als „Wissenschaft von den Gesetz-
ven ging im Übrigen nicht selten von den Berufsverbänden der Presse aus, die durch bessere Ausbildung auch
eine Statusverbesserung erhofften. Gleichzeitig aber sahen sich nicht alle Universitäten in der Lage, eine Zei-
tungskunde oder -wissenschaft auch mit ausbilderischem Praxisbezug in das Lehrangebot zu integrieren, wie
das Beispiel der Münchner Zeitungswissenschaft zeigt (vgl. Roegele 1974/75). Jäger (1926a) nennt in einem
Überblick über universitäre Studienpläne für Journalisten lediglich die Hochschulstandorte Zürich (1902; 1911;
1922), Bern (1903), Heidelberg (1909), Leipzig (1916) und Lille (1924). Hier findet Journalistenausbildung statt,
während sich an anderen Orten in den 1920er Jahren, wie dem Berliner Institut für Zeitungskunde unter Martin
Mohr, lediglich allgemeine zeitungshistorische oder -wissenschaftliche Seminare finden lassen.
58 Jäger 1926b
59 Groth 1928-1930, 4 Bde. Groth (1948) zeichnet auch verantwortlich für die erste umfassende Fachgeschichte.
60 Vgl. Jäger 1926b, S. 23ff.
61 Vgl. Groth 1928, S. 108
62 Vgl. für diese Interpretation des Werks von Groth: Weischenberg 1992a, S. 15. Erst in seinem zwischen 1960
und 1972 publizierten, siebenbändigen opus magnum ‚Die unerkannte Kulturmacht‘ begreift Groth die Journa-
listik durchgängig als eine Teildisziplin im Rahmen der von ihm propagierten Wissenschaft ‚Periodik‘: „Der
Gegenstand der Periodik ist ein Kulturwerk, das der Vermittlung gewisser Idealgüter; sie untersucht die zu
vermittelnden Güter nach den Quantitäten der Universalität und Aktualität und deren Vermittlung nach den
Quantitäten der Periodizität und Publizität. Damit sind die Grenzen der Periodik mit aller notwendigen Deut-
lichkeit abgesteckt, ist ihren Untersuchungen die Richtung vorgeschrieben: Nach jenen vier quantitativen
Merkmalen hat sie zu fragen und sie theoretisch und geschichtlich, dogmatisch und technologisch zu erfor-
schen. Von ihnen aus hat sie alles zu erforschen, was mit ihnen zusammenhängt. Alles, was sie beeinflußt oder
von ihr beeinflußt wird, fällt in das Bereich [sic!] der Periodik, mag es physisch oder psychisch, sozial oder kul-
turell, quantitativ oder qualitativ sein.“ (Groth 1960, S. 631) Groth stellt hier fest, dass eine alleinige Wissen-
schaft ‚Journalistik‘ aufgrund des Bedeutungswandels des ihr zugrunde liegenden Wortes ‚Journal‘ nicht mehr
möglich sei. Auch die Abgrenzung von der Praxis im Alltagssprachlichen sei bislang kaum geglückt. Er schlägt
aber noch 1960 vor, den Namen Journalistik für die „spezielle wissenschaftliche Erforschung der Zeitung“ bei-
zubehalten (vgl. Groth 1960, S. 626). Diese systematische Anregung – über deren Sinn man rückblickend si-
cherlich kritisch diskutieren könnte – sollte sich aber ebenso wenig durchsetzen, wie so viele andere theoreti-
sche und systematische Vorschläge, die Groth hinterlassen hat. (siehe Kapitel III.4)
63 Vgl. Münster 1935
64 Vgl. für einen umfassenden fachgeschichtlichen Überblick Hachmeister 1987.
65 Eine eingehende Analyse der Leipziger Journalistik hat Blaum (1985) vorgelegt.
46 II Zur Verortung des Journalismus
mäßigkeiten der Entstehung und der Entwicklung der Presse (und auch des Rundfunks, des
Fernsehens und der filmischen Publizistik) und ihrer Funktionen und der Gesetzmäßigkeiten
ihrer Wirkungsweise“ konzipiert.66 Im Vergleich zur Situation in der Bundesrepublik erfuhr die
Journalistik damit in der DDR früh institutionelle Anerkennung. Neben den Schriften der in
Leipzig Lehrenden67 erschienen in den 1960er Jahren zwei Jahrgänge einer „Zeitschrift für
Journalistik“, die von der Leipziger Sektion herausgegeben wurde. Hinzu kam ein umfassendes
Angebot an Studienbriefen, die dem Fernstudium dienen sollten. Die relative Konjunktur der
Journalistik in der DDR war auch bedingt durch die Koppelung des Faches an Staatsinteres-
sen. Im ‚Wörterbuch der sozialistischen Journalistik‘ wurde die Disziplin wie folgt beschrieben:
„Marxistisch-leninistische Gesellschaftswissenschaft, die den Journalismus als Erscheinung des ideologischen
Klassenkampfes und als geistig-praktische Tätigkeit untersucht. Ihre besondere Aufmerksamkeit gilt dem so-
zialistischen Journalismus als einem Führungs- und Kampfinstrument der Arbeiterklasse beim Aufbau des
Sozialismus und im ideologischen Kampf gegen den Kapitalismus. Sie liefert die theoretischen Grundlagen
für die Beherrschung und Weiterentwicklung dieses Instruments.“68
Auch der Nestor der DDR-Journalistik, Budzislawski, begründet die enge Anbindung der
Leipziger Journalistik an den ideologischen Überbau des Systems aus der Bedeutung der Presse
im Klassenkampf, in dem sich weder Journalismus noch Gesellschaftswissenschaften neutral
verhalten könnten, sondern sich in den Dienst der Durchsetzung eines objektiv feststellbaren
Klasseninteresses zu stellen hätten.69 Aus dieser Sichtweise war es den Leipziger Forschern
nicht möglich, aus den bereits etablierten Ansätzen der Publizistikwissenschaft und der neuen
US-amerikanischen ‚mass communication research‘ einen eigenen Ansatz weiterzuentwickeln,
wie es im Westen geschehen ist. Sie haben sich vielmehr nach eigenem Verständnis ein Fach-
Fundament erarbeiten müssen, das mit seiner Perspektive tatsächlich einen ganz eigenen Weg
aufzeigt: Die Presse und ihre jüngeren medialen Ergänzungen sind von der sozialistischen
Journalistik als „Erscheinungsformen und Instrumente bestimmter gesellschaftlicher Kräfte
und Bewegungen, Instrumente des Klassenkampfes“ aufgefasst worden.70 Mit den späteren
‚bürgerlichen‘ Entwürfen gemeinsam hatte auch diese Journalistik ihren Bezug zur Praxis –
aufgrund der gesellschaftstheoretischen Ideologisierung war dies allerdings weniger direkt die
Praxis des Journalismus als vielmehr die Rolle des Journalismus in der Praxis des Klassenkampfes:
„Wie das Fach ‚Politische Ökonomie‘ dem wirtschaftlichen Aufbau des Sozialismus dient, dabei aber Teil der
gesamten marxistisch-leninistischen Gesellschaftswissenschaft bleibt, so ist es der Auftrag der Journalistik,
ideologisch zum Sieg des Sozialismus beizutragen, also eine aktive Rolle zu spielen, und dem Journalisten
nicht nur die Funktion des Chronisten oder des historischen Betrachters zuzuweisen.“71
Presse- und Rundfunkanalyse ist in der sozialistischen Journalistik damit nur im Rahmen einer
spezifischen Form der Gesellschaftsanalyse möglich gewesen. Erst die Wechselbeziehungen
journalistischer Arbeit zu den historischen Entwicklungen und den sozioökonomischen
Zuständen der Gegenwart versprachen Aufschlüsse über Rolle und Leistung des Journalismus
in der Durchsetzung der klassenlosen, sozialistischen Gesellschaft. Da dieses Wissen über den
Journalismus durch Ausbildungsleistungen wieder in Praxis umzusetzen war, entstanden enge
Verbindungen der Leipziger Sektion zur journalistischen Praxis. Die Wissenschaft sollte dazu
beitragen, dass sich eine revolutionäre und sozialistische Presse in Einheit und Einklang mit
der marxistisch-leninistischen Arbeiterpartei entwickelt, dass die Partei die Presseentwicklung
steuern kann und dass sich Journalisten als Parteifunktionäre begreifen und entsprechend ihre
Tätigkeit ausfüllen.72
Als in den 1970er Jahren auch in der Bundesrepublik eine hochschulgebundene Journalis-
tenausbildung zum Thema wurde, wurde der Name Journalistik trotz des zeitweiligen Ab-
bruchs der Begriffstradition „wie selbstverständlich“ wieder verwendet.73 Damals kam es zur
Etablierung mehrerer Journalistik-Institute in Westdeutschland.74 Eingebettet waren diese
Fachgründungen in eine Debatte über die Notwendigkeit und die Formen einer wissenschaft-
lich gestützten Ausbildung für Journalisten, die über das von einigen als „technokratisches
Konditionstraining”75 verschmähte ‚learning on the job‘ im Volontariat hinausführen sollte.76
Sätze wie: „Einem, der’s kann, über die Schulter zu blicken – das galt schon immer als die hohe
Schule des Journalismus“77 zeigen exemplarisch, mit welchem ideologischen Ballast auf Prakti-
kerseite die junge Journalistik konfrontiert war. Trotzdem sollte sie als „Brückenkopf zwischen
Kommunikationswissenschaft und journalistischer Praxis“78 wissenschaftliche Journalismus-
forschung mit einem gezielten Einwirken auf eine zu verbessernde Praxis verbinden.
Rager führt die Revitalisierung der in Westdeutschland jahrelang vernachlässigten Ausbil-
dungsdebatte auch darauf zurück, dass bereits zum Ende des vorangegangenen Jahrzehnts
durch die Ideologiekritik der „68er“ der politische Konsens der Bundesrepublik ‚brüchig‘
geworden war und daher auch die Kriterien der Nachrichtenselektion und -präsentation
zunehmend Gegenstand öffentlicher Erörterung wurden.79 Lange Jahre war die empirische
Journalismusforschung nur wenig gepflegt worden; erst in den späten 1960er und frühen
1970er Jahren setzte ein Forschungs-Boom in diesem Feld ein, der ganz offenkundig als Folge
des gewachsenen gesellschaftlichen Interesses am Journalismus sowie seiner Aufgabe und
seiner Funktionsweise zu betrachten ist.80 Aus der Beobachtung der gesellschaftlichen Verän-
derungen erwuchs damals das Bewusstsein, dass eine derart demokratiekonstitutive Aufgabe
wie der Journalismus angemessen ausgeübt werden muss und daher die Protagonisten über
eine hinreichende Ausbildung für ihre Tätigkeit verfügen sollten. Die zentralen Argumente der
damaligen Debatte fasst Rager zusammen:
• „Das Problem der Ausbildung für journalistische Berufe ist ein Problem der Gesamtgesellschaft.
• Der nicht an Ausbildungskriterien gebundene Zugang zu den verschiedenen journalistischen Berufen hat
die berufliche Mobilität und Unabhängigkeit der Journalisten beeinträchtigt. Die uneinheitliche und oft
geringe (schulische und/oder universitäre) Vorbildung und die meist einseitige berufliche Ausbildung
vieler heute im Journalismus Tätigen beeinträchtigen das demokratische Funktionieren der Massenme-
dien.
72 Diese Ziele formuliert Budzislawski (1962, S. 44) in einem programmatischen Aufsatz über die Journalistik als
Essentials eines sozialistischen Journalismus. Der Theorie-Praxis-Bezug ist innerhalb des totalitären Regimes
der DDR niemals streitig gewesen. Ein Blick in die Leipziger Publikationen bis 1989 zeigt deutlich, dass sich
Wissenschaft den politisch-ideologischen Prämissen unterordnete (vgl. Blaum 1985).
73 Weischenberg 1990a, S. 47
74 Vgl. Weischenberg 1992a, S. 20f.; Löffelholz 1990
75 Pätzold 1975, S. 128
76 Diese Debatte ist ausführlich dokumentiert in Heft 3-4/1-2 1974/1975 der Fachzeitschrift Publizistik.
77 Meyer/Frohner 1992, S. 1
78 Ruß-Mohl 1985, S. 265
79 Vgl. Rager 1978; zur Problematik der Nachrichtenobjektivität weitergehend: Rager 1973.
80 Vgl. Böckelmann 1993, S. 37
48 II Zur Verortung des Journalismus
• Die vielfältigen Aufgaben der journalistisch Tätigen machen in der demokratischen Gesellschaft eine
Verbesserung der beruflichen Aus- und Fortbildung notwendig.
• Aus berufspraktischen und gesellschaftspolitischen Gründen ist für Kommunikationsberufe eine wissen-
schaftliche Bildung unerläßlich.
• Ein breiteres Angebot an Bildungsmöglichkeiten und eine weitgehende Akademisierung der Journalis-
tenausbildung sollte den Berufszweig nicht reglementieren.“81
Darüber hinaus machten auch die steigende gesellschaftliche Komplexität und der Ausbau der
Öffentlichkeitsarbeit bei Verbänden und Behörden aus damaliger Sicht eine „Verbesserung“
des Journalismus durch „eine ‚bessere‘ Ausrüstung der Person des Journalisten“ notwendig.82
Journalismus müsse sich kontinuierlich einer komplexer werdenden Umwelt anpassen, um
noch angemessen über politische, wirtschaftliche oder gesellschaftliche Belange berichten zu
können. Diese Anpassungsleistung könne organisatorisch durch zunehmende Binnendifferen-
zierung der Medienproduktion und individuell durch „Steigerung der Leistungsfähigkeit des einzel-
nen Journalisten, also durch mehr und bessere Journalistenausbildung“83 geleistet werden, führt
Ruß-Mohl aus. Zumindest für letzteres reichten Marktmechanismen alleine nicht, sondern war
gesellschaftliche – und im Besonderen universitäre84 – Verantwortungsübernahme notwendig.
Um auf diesen Befund angemessen zu reagieren, musste universitäres Neuland betreten
werden: Während in den USA eine wissenschaftliche Journalistenausbildung schon seit Jahr-
zehnten etabliert war, führten die in Deutschland üblichen Studiengänge der Kommunikati-
onswissenschaft in der Regel nicht systematisch in den Journalismus ein, sondern legten ihr
Hauptaugenmerk auf die sozialwissenschaftlich-empirische Erforschung der Massenkommuni-
kation.85 In Abgrenzung zu diesen Zweigen strebt die Journalistik nicht nur als Wissenschaft
vom Journalismus nach Erkenntnissen über ihren Untersuchungsgegenstand, sondern auch
nach Operationalisierungen dieser Erkenntnisse für die Praxis. Journalistik ist nicht nur empiri-
sche Journalismusforschung und Journalismustheorie, sondern beansprucht – wie bereits
einleitend konstatiert – auch einen Ausbildungsauftrag, durch dessen Erfüllung sich Qualität
und Funktionalität des Journalismus in der Praxis verbessern sollen.
Saxer hat diesen Zusammenhang der Ausbildungsfrage mit der inhaltlichen Informations-
qualität in einer modernen Massendemokratie bereits in den 1970er Jahren in einem viel
zitierten Aufsatz zu Funktionalität und Dysfunktionalität von akademischer Journalisten-
Ausbildung betont und für die konsequente Einbettung der Ausbildungsfrage in einen gesell-
schaftlichen und politischen Gesamtzusammenhang plädiert:
„Angelpunkt der ganzen Betrachtung ist die manifeste Hauptfunktion journalistischer Aus- und Fortbildung.
Als diese kann die Befähigung ihrer Absolventen zur Produktion bzw. Produktionskontrolle systemgerechter
publizistischer Aussagen bezeichnet werden. Systemgerecht ist Publizistik in demokratischen Gesellschaften
dann, wenn sie auf ihre publizistische Institution bzw. auf ihr Medium, ihr Publikum, auf die jeweilige Publi-
kationsmaterie und auf die ideellen Grundvoraussetzungen von Demokratie abgestimmt ist. Für eine so defi-
nierte journalistische Aus- und Fortbildung sind offenbar die Vermittlung und der Erwerb entsprechender
Einstellungen ebenso wichtig wie der Erwerb von Fertigkeiten.“86
Einzig zu befriedigen seien diese Ansprüche durch eine Kombination von Volontariat und
Fachstudium, in der sowohl die für die Praxis notwendigen technisch-instrumentellen Fähig-
keiten vermittelt werden, als auch mit akademischen Mitteln eine Reflexion des Berufsbildes
möglich ist.87 Diesen Weg haben die meisten Journalistik-Institute beschritten.88 Strikt wendet
sich Saxer hingegen gegen eine rein verwissenschaftlichte Ausbildung, die seiner Ansicht nach
allzu oft an den berechtigten Erwartungen der Praxis vorbeigehe und statt dessen ideologisch
und interessengerichtet sei; er greift in diesem Zusammenhang vor allem den von kritischen
Ansprüchen getragenen Fachtypus der Kommunikationswissenschaft mit „seinen exorbitanten
Autonomieansprüchen, seiner Verlegerfeindlichkeit oder seiner Praxisferne“89 scharf an. Diese
pointierte und durchaus umstrittene Sichtweise zeigt den latenten internen Konflikt auf, in
dem sich die praxisorientierte Journalistik immer befindet und den Blöbaum wie folgt fasst:
„Ist Integration von Theorie und Praxis das Ziel von Journalistenausbildung an der Hochschule, dann ist die
Journalistik in einem ständigen Zielkonflikt: Sollen Journalisten gut ausgebildet werden, um im Beruf rei-
bungslos bestehen zu können? Oder sollen Journalisten gut ausgebildet werden, damit darüber der Journalis-
mus der Gesellschaft besser werde?“90
Diese Fragen verdeutlichen, dass der Begriff der Praxis allein noch zu unscharf ist, um die
Aufgaben der Journalistik näherungsweise zu beschreiben. Er ist vor allem nicht näher dahin
spezifiziert, ob mit ihm Aspekte der beruflichen Arbeit oder eben auch darüber hinaus gehen-
de Aspekte kommunikativer Interaktion gemeint sind. Je nach dem gewählten Referenzpunkt
kommt eine journalistikwissenschaftliche Journalistenausbildung zu je verschiedenen Praxis-
modellen. Daher lassen sich auch Saxers – explizit auf Systemkonformität zielende – Überle-
gungen zu einem funktionalen Journalismus und der entsprechenden Ausbildung kritisieren:
Dadurch wird dem Journalisten die Rolle eines „Widerspruch-Katalysators“91 zugewiesen, der
zwar sachverständig einen Ausgleich zwischen den gesellschaftlichen Interessen herbeiführen
soll, ohne aber zugleich auch die Produktionsbedingungen seiner Arbeit zu reflektieren.
Dass aber eine nicht nur demokratiepolitische, sondern auch politökonomische Analyse als
Bestandteil der Journalistenausbildung notwendig ist, bekräftigen Vertreter einer gesellschafts-
kritisch orientierten Kommunikationswissenschaft. Sie fordern eine wissenschaftliche Ausbil-
dung nicht nur hinsichtlich der Vermittlungsinhalte, sondern auch hinsichtlich der Analyse von
Produktionsbedingungen und von Verwertungsinteressen.92 Nur dadurch könne der Tendenz
entgegengewirkt werden, dass durch die konkrete Organisationsform der Massenmedien die
Entfaltung von Pressefreiheit einseitig eingeschränkt werde. Folglich müsse die Debatte über
die Journalistenausbildung einhergehen mit einer kommunikationspolitischen Diskussion der
inneren Verfassung von Medienbetrieben, so die klassische Forderung:
„Die kommunikationspolitische Einordnung der Ausbildungsprobleme muß also sowohl die unterschiedli-
chen Professionalisierungstendenzen in den Produktionsbetrieben der gesellschaftlichen Kommunikation be-
rücksichtigen und muß gleichermaßen nach den veränderbaren Strukturen fragen, durch die jene Produkte
ermöglicht oder verhindert werden, die den gesellschaftlichen Bedürfnissen nach Informationen entspre-
chen.“93
Ein solcher Ansatz unterwirft Journalistenausbildung in viel stärkerem Maße einem normati-
ven Anspruch, der sich aus einer gesamtgesellschaftlichen Analyse und aus einem bestimmten
gesellschaftspolitischen Ideal ableiten lässt. Anders als bei Saxer geht es hier nicht um Funktio-
nalitäten hinsichtlich des Status Quo, sondern um das immanente Ziel, Gesellschaft – zumin-
dest aus der Sicht ‚kritischer‘ Wissenschaftler – ‚freier‘ und ‚gerechter‘ zu gestalten. Journalis-
mus wird als zumindest bedingt steuerbare Kraft sozialen Wandels betrachtet.
In diesem Verständnis werden wissenschaftliche Forschung und auf Praxis gerichtete Ausbil-
dungsleistung addiert. Nimmt man den Gründungsimpetus der Journalistik ernst, dann ist
darauf hin zu arbeiten, dass Forschung und Ausbildung sich wechselseitig beeinflussen und
stützen. Die Wissenschaft soll dadurch nicht praktizistischer, wohl aber sensibler und offener
(oder in der Sprache der Systemtheorie: irritierbarer) gegenüber dem Journalismus werden.
Darauf weist Pätzold in einem weiteren aktuellen Definitionsvorschlag hin:
„Die Journalistik stellt die Regelhaftigkeit des Journalismus mittels sozialwissenschaftlicher Methoden dar
und entwickelt aus ihnen Theorien mit dem Ziel, wie Ansprüche an die journalistische Qualität im jeweiligen
medialen Umfeld eingelöst werden können. Durch die Zuordnung unterschiedlicher Perspektiven werden die
Beziehungen erforscht, die das Berufssystem Journalismus prägen. Die Journalistik ist eine praxisbezogene
wissenschaftliche Disziplin und somit ein Ausbildungsfach. Die Integration von Theorie und Praxis ist ihre
Funktion.“97
Auch aktuell wird die Journalistik als „kritischer Impulsgeber“98 gesehen, der eingeschliffene
Routinen des Journalismus durch wissenschaftlichen Rat verändern und verbessern soll. Ruß-
Mohl hat schon 1985 ein Arbeitsprogramm für die Journalistik entworfen, das vor allem aus
der Analyse der Berichterstattung heraus Verbesserungsvorschläge unterbreiten und so als
94 Dieser Ausbildungsanspruch wird von Praktikern bisweilen aggressiv zurückgewiesen. So riet die damalige
Leiterin der Henri-Nannen-Journalistenschule, Ingrid Kolb (2004, S. 72) noch im Jahr 2004 angehenden Jour-
nalisten, von einem Journalistik-Studium dringend ab – mit der ebenso eigenwilligen wie unzutreffenden Be-
gründung: „Dort lernt man nicht, einen Kommentar zu schreiben, sondern einen Kommentar zu analysieren.“
95 Machill 2005, S. 203
96 Neverla/Grittmann/Pater 2002b, S. 11. Pöttker (2005, S. 11) nennt die Journalistik ein „berufsorientiertes Fach
mit journalismusspezifischem Sachwissenanteilen und Praxisorientierung in Lehre und Forschung“.
97 Pätzold 2000, S. 426
98 Neuberger 2002b, S. 59
1 Wissenschaft zur Verbesserung des Journalismus 51
„Pfahl im Fleische des von Zeitknappheit bedrängten (und schon deshalb nur begrenzt
selbstreflektiven) Journalismus“99 wirken soll. Am Dortmunder Journalistik-Institut wiederum
wurde Journalistenausbildung bewusst „[…] von Beginn an nicht primär als Persönlichkeitsbil-
dung der Journalisten gesehen, sondern als Vermittlung von Handwerk, Wissen und Reflexi-
onsfähigkeit für einen gesellschaftlich wichtigen Tätigkeitsbereich“.100 Ein ausreichend belast-
bares und anschlussfähiges theoretisches Fundament ist angesichts solcher Zielvorstellungen
keineswegs überflüssig – im Gegenteil: Journalistik muss in der Lage sein, Auskunft über Idee
und Aufgaben des Journalismus zu geben, wenn sie ihre intendierte Praxisrelevanz auch
tatsächlich entfalten will. Mit anderen Worten: Das Fach muss in der Lage sein, seine inhaltli-
chen Ausbildungsziele zu benennen.101
Das zwingt dazu, ein Bild davon zu entwickeln, wie der Journalismus aussehen soll, der in
der Praxis von den Absolventen erwartet wird – eine Frage, in deren Beantwortung die skiz-
zierten ideologischen Differenzen innerhalb des Faches an die Oberfläche kommen und nicht
nur miteinander, sondern auch mit den ideologischen und ökonomischen Interessen der
Medienbesitzer in Konflikt geraten (können). Schon im Abschlussbericht des Dortmunder
Journalistik-Modellversuches wird Anfang der 1980er Jahre festgestellt, dass Versuche, die
Gegensätze zwischen den Erwartungen von Theorie und Praxis zu entschärfen, solange wenig
fruchtbar bleiben werden, „[…] wie eine theoretisch fundierte und empirisch abgesicherte
Durchdringung des Tätigkeitsfeldes journalistischer Tagesarbeit nicht vorliegt“102. Das Aus-
bleiben eines intensiviert geführten theoretischen Diskurses über den Sinn von Journalistik und vor
allem von Journalismus ist angesichts der administrativen und wissenschaftspolitischen Aufga-
ben, die die Fachgründer in den 1970er Jahren bewältigen mussten, zwar zu verstehen. Letzt-
lich aber hat dieses Desiderat zu einer wissenschaftssystematischen Schwäche beigetragen, die
sich im Selbstverständnis der Journalistik-Institute und -Studiengänge niederschlägt:
„Die Identität der wissenschaftlichen Disziplin ‚Journalistik‘ bestimmte sich nach dem Start der Modelle
durch die (jeweilige) Ausbildungspraxis: Journalistik ist, was in den Studiengängen gleichen Namens gelehrt
wird. Die Institutionen, welche ihre Lernziele durchweg pragmatisch festlegen, standen für die Inhalte.“103
Nicht zuletzt die journalistische Praxis, die auf einen korrespondierenden theoretischen Erklä-
rungsrahmen zu Analyse- und Reflexionszwecken angewiesen wäre, scheint dessen Entwick-
lung durch ihre bereits skizzierte demonstrative Theorieabstinenz lange Jahre verhindert zu
haben. Ein theoretischer Rahmen lag nicht im Interesse derjenigen, die sich aus der Praxis
heraus für wissenschaftliche Ausbildung stark machten, sondern bessere Vorbereitung für die
Praxis. Mithin nicht reflexives Wissen, sondern überwiegend instrumentelle Fertigkeiten, die
auf ‚Funktionstüchtigkeit‘ in der Praxis zielten.104 Und auch die Studierenden sind – bis auf die
Ausnahme einer kleinen ‚specialty‘-Gruppe wissenschaftlich Interessierter – vorwiegend mit
klarer und einseitiger Praxis-Orientierung in die Journalistik-Studiengänge gekommen. Die
Der ‚Mainstream‘ der wissenschaftlichen Journalismusforschung, der sich – wie überall in der
Kommunikationswissenschaft nach der Abkehr von der normativen Tradition in den 1960er
Jahren – durch Distanz zu theoretischen Modellen, die über eine mittlere Reichweite hinaus-
weisen, ausgezeichnet hat, konnte also auch aus der Praxis heraus keinen Anstoß für eine
Theoriediskussion erwarten. Lange Jahre ist die Journalistik daher nichts weiter als eine Wis-
senschaft gewesen, „[…] die es nur als Hochschulinstitution gibt, deren Konturen als wissen-
schaftliche Disziplin bis heute aber undeutlich geblieben sind“.106 Ihre in dem eindeutigen
Praxisbezug liegende „Chance für die kommunikationswissenschaftliche Lehre, wie sie sonst
keine andere Sozialwissenschaft vorweisen kann“107, haben die Journalistik-Studiengänge
zunächst kaum systematisch – und das heißt auch: zunächst kaum theoriegeleitet – genutzt.
Dabei dürften die Chancen auf ein belastbares gemeinsames Fundament der Journalistik
vor allem im Vergleich zur konventionellen Kommunikationswissenschaft gar nicht so
schlecht stehen, wenn sich die Journalistik auf ihr klar definiertes Untersuchungsobjekt Journa-
lismus konzentriert. In den letzten Jahren hat folgerichtig ein Konsolidierungsprozess des
Faches in theoretischer wie in institutioneller Hinsicht begonnen. Die zunehmende Ausdiffe-
renzierung universitärer Angebote im Bereich der Journalistik hat aber nicht nur zur Kanoni-
sierung, sondern auch zu einer wachsenden Unübersichtlichkeit der verschiedenen Theoriean-
sätze, Forschungsmethoden und Ausbildungsmodelle geführt.108
Es herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass die Journalistik wissenschaftliche Journa-
lismusforschung und praktische Journalistenausbildung zu vereinigen hat, und dass dies in
sozialwissenschaftlichem (bisweilen auch in kulturwissenschaftlichem109) Rahmen geschehen
soll.110 Die Journalistik verfügt dabei nach allgemeiner Auffassung über ein doppeltes Profil,
welches sowohl durch wissenschaftlich-universitäre als auch durch medienpraktisch-
journalistische Referenzen geprägt ist. Dass diese Doppelperspektive konstitutiv für das Fach
ist, kann als unumstritten angesehen werden.111 Anders sieht es bei der Frage aus, wie diese
Integration von Theorie und Praxis wissenschaftlich geleistet werden soll. Welches Fundament
bietet die Kommunikationswissenschaft dafür? Reicht das weit verbreitete empirisch-
analytische Selbstverständnis sozialwissenschaftlicher Forschung aus, um Brücken in die Praxis
zu schlagen? Es sind Zweifel angebracht, dass die Journalistik von der Kommunikationswis-
senschaft ausreichend ausgestattet worden ist, um ihre Aufgabe zu bewältigen.
Wenn die Journalistik darauf zielt, den Journalismus und damit einen zentralen Bedin-
gungsfaktor der Qualität öffentlicher Kommunikation zu verbessern, dann reicht es angesichts
der gesellschaftlichen Ansprüche an den Journalismus nicht aus, dies im Rahmen rein admi-
nistrativ verstandener Auftrags- und Anwendungsforschung abzuarbeiten. Vielmehr ist es
notwendig, „Journalistik als kritische Wissenschaft“ zu verstehen112, die Widersprüche zwi-
schen normativen und gesellschaftlichen Anforderungen an den Journalismus und seiner
empirisch feststellbaren Umsetzung in den Massenmedien nicht nur registriert, sondern in
anwendungsbezogener Ausbildungspraxis einen Abbau dieser Widersprüche anstrebt. Dieser
Standpunkt, verspricht ein wissenschaftstheoretisches Fundament für eine erfolgreiche Integra-
tion von Theorie und Praxis, die sich nicht in der Kombination von Einführungsvorlesungen
in die Medienwirkungsforschung und Lehrredaktionen erschöpft, sondern das Fach in einen
immanenten Bezug zu der von ihm untersuchten und zu fördernden Praxis bringt.
Dieses Vorhaben ist voraussetzungsreich: Beansprucht die Journalistik eine kritisch-
theoretisch fundierte Perspektive für sich, setzt sie sich auch einer weitreichenden Begrün-
dungspflicht hinsichtlich der normativen Aufgaben aus, die sie dem Journalismus zuschreibt
und die als inhaltliche Ausbildungsziele herangezogen werden. Angesichts der lange Zeit
problematischen wissenschaftstheoretischen Positionierung der kommunikationswissenschaft-
lichen Forschung und angesichts der nur gering ausgeprägten theoretischen Ansätze innerhalb
des Faches ist diesbezüglich noch viel aufzuholen, bevor ein tragfähiges Fundament einer
normativen und kritischen Journalistik auch gegenüber der empirisch-analytischen Selbstbe-
scheidung vieler Fachvertreter erfolgreich verteidigt werden kann.
111 Nur wenige plädieren heutzutage noch für eine einseitige Entscheidung und Auflösung dieses Dualismus. Dazu
gehören Ruhrmann u.a. (2000), die in der dezidierten Ausbildungsabsicht der Kommunikationswissenschaft ei-
nes der Hauptprobleme sehen: Schließlich zwinge Ausbildung dazu, den meist instrumentalistischen Wünschen
der Praxis zu folgen, um situatives Handlungswissen zu schaffen, und darüber die Verpflichtung der universitä-
ren Bildung auf ein Komplexität reduzierendes Reflexions- und Regelwissen zu vernachlässigen. „Die Bedeu-
tung einer solchen Bildungsfunktion liegt angesichts einer Gesellschaft, die wegen ihrer Pluralisierung und ar-
beitsteiligen Spezialisierung zunehmend auf öffentliche Kommunikation und deren mediale Vermittlung ange-
wiesen ist, geradezu auf der Hand. Reflexions- und Regelwissen ermöglicht es dem Handelnden, die überbor-
dende Vielfalt des Phänomens ‚öffentliche Kommunikation‘ auf die Einheit ihrer funktionalen Basismechanis-
men zurückzuführen. Bildung vermittelt aber nicht nur diese Orientierung, sondern versetzt den Gebildeten
darüber hinaus theoretisch und methodisch in die Lage, das erworbene Orientierungswissen immer wieder ei-
genständig auf den neuesten Stand zu bringen. Der Begriff der Bildung beinhaltet somit Orientierung und die
(erlernbare) Fertigkeit zur Selbstorientierung […].“ (ebd., S. 302f.) Während Ausbildung die Spezialisierungen
der Medienberufe nachvollziehen müsse, bleibe Bildung den Generalisierungen weiterhin verpflichtet. Je mehr
die Universität also ausbilde, desto mehr kümmere sie sich um die Spezialisierungen und desto weniger könne
sie bilden. Die Folge ist aus der Sicht der Autoren ein sinkender Gesamtnutzen des Faches für die Gesellschaft.
Sie plädieren dafür, gerade durch Verzicht auf Ausbildung und durch Berufung auf Bildung, den sozialen Wert
der Disziplin wieder kenntlich zu machen. Es ist unschwer zu erkennen, dass ein solches Konzept diametral
dem der vorliegenden Arbeit entgegensteht. Zumal die Autoren den Dualismus von journalistischer Ausbildung
und wissenschaftlicher Bildung ohne Not als Dichotomie konzipieren und sich gar nicht auf den Versuch ein-
lassen, diese beiden gleichrangigen Ziele der Journalistik immanent miteinander zu verzahnen, um szientistische
Betrachtungen ebenso zu verhindern wie instrumentalistisch verkürzte Vermittlung technischer Fertigkeiten.
112 Pätzold o.J., S. 14
54 II Zur Verortung des Journalismus
2 Theoretische Optionen
„Elementarste gesellschaftliche Funktion einer Universitätsdisziplin ist ja immer noch die Produktion von
Theorie als maximal verläßlichem und generalisierbarem Wissen und deren Instruktion, gegebenenfalls auch
deren Einsatz zur Lösung außeruniversitär sich stellender, durch Wissenschaft lösbarer Probleme.“113
„Erst der Blick ‚hinter‘ das unmittelbar Beobachtbare führt zu jenen theoretischen Begründungszusammen-
hängen, welche (zumeist mehrere ähnliche) real ablaufende Vorgänge einsehbar und damit verstehbar ma-
chen.“119
Hinzu kommt, dass viele der hier als komplementär charakterisierten Verhältnisse in letzter
Konsequenz noch dichotomisch verstanden werden und daher kaum zur Steigerung der
theoretischen Komplexität beitragen, sondern oftmals Barrieren bilden, die nur schwer über-
windbar scheinen.126 Klassisch wird daher in der Journalismusforschung zwischen dem „Per-
sonenparadigma“ und „Systemparadigma“ unterschieden; daneben finden sich in jüngerer Zeit
integrative Ansätze, die um eine Revitalisierung handlungstheoretischer Vorstellungen im
Einklang mit der Systemperspektive bemüht sind.127 Vielleicht kommt in diese Situation
Bewegung durch neuere innovative Ansätze (gerade auch in der Journalismustheorie) wie die
Distinktionstheorie, nicht akteurstheoretisch verkürzte Handlungstheorien oder die Übernah-
me von Forschungs- und Erklärungsmustern der Cultural Studies, die nicht mehr ausschließ-
lich entlang der tradierten Dichotomien operieren.128
Aus der theoretischen Heterogenität ragt die Systemtheorie heraus, die sich in der Folge
des Funktionalismus „zum expansivsten Paradigma in allen Sozialwissenschaften“ entwickelt
hat, da sie in ihrer Komplexität am besten geeignet scheint, eine hochkomplexe und hochorga-
nisierte Umwelt erfolgreich zu analysieren.129 Auch in der Kommunikationswissenschaft hat sie
in den letzten Jahren, so scheint es, das Primat übernommen. Die DGPuK spricht im Hinblick
auf Funktionalismus, Systemtheorie und Konstruktivismus von der „Existenz verschiedener
Paradigmata“ innerhalb der Disziplin.130 Diese theoretischen Grunddispositionen der Kom-
munikationswissenschaft schlagen auf die Journalistik durch und sind in der Analyse theoreti-
scher Optionen des Fachs mitzubehandeln. Gerade der erklärende und diagnostische Zweig ist
mit diesen Makrotheorien ertragreich, wenngleich ‚einseitig‘ ausdifferenziert worden.
Auch in der Journalistik haben systemtheoretisch und konstruktivistisch argumentierende
Arbeiten erheblichen Anteil an der Theoriefortbildung des Faches. Sie zielen durchaus mit
Erfolg auf eine präzise deskriptiv erklärende Analyse des Journalismus. Diese Spezialisierung
wird aber aufgrund der spezifischen Analyseoptik der Systemtheorie zwangsläufig mit Schwie-
Die Strukturierungs- und Ordnungsleistungen der Systemtheorie werden sowohl in der Kom-
munikationswissenschaft als auch speziell in der Journalistik genutzt. Die Systemtheorie sucht
generell nach Antworten darauf, wie eine angesichts der Ausdifferenzierung moderner Gesell-
schaften unwahrscheinlich gewordene soziale Ordnung dennoch möglich ist. Sie offeriert in
ihrer klassischen funktional-strukturellen Formulierung das Konzept der System/Umwelt-
Differenzierung, das zwischen gesellschaftlichen Funktionsbereichen klare Grenzbestimmun-
gen ermöglicht, durch die aus Systemsicht zwischen innen und außen unterschieden wird.
Diese binäre Unterscheidungslogik erleichtert auch die Abgrenzung der Forschungsfelder
Massenkommunikation und Journalismus von ihrer jeweiligen Umwelt.131
Soziale Systeme, so die Annahme, reduzieren die stetig steigende Komplexität von Welt
durch Entscheidungen zwischen ‚innen‘ und ‚außen‘, und versetzen sich dadurch zugleich in
die Lage, systeminterne Komplexität aufzubauen, mit der sie der Erfüllung einer gesellschaftli-
chen Funktion effizienter nachkommen können. Voraussetzung der Ausdifferenzierungspro-
zesse in modernen Gesellschaften ist daher die Entscheidung, ob ein Vorgang anhand der vom
System angewendeten Unterscheidungskategorien bearbeitet werden kann oder nicht, ob er
also zum System gehört oder ob er Bestandteil seiner Umwelt ist. Ein Denken ohne solche
Unterscheidungen ist nicht möglich, betont Luhmann132, dessen systemtheoretisches Gebäude
wenngleich nicht das einzig nutzbare, so doch das in der Kommunikationswissenschaft domi-
nierende ist.133
Die Systemtheorie zielt also auf die Reduktion von Komplexität, indem sie ein Instrumen-
tarium bereitstellt, mit dem soziale Zusammenhänge aus einer sozialwissenschaftlichen ‚Beob-
achterposition‘ heraus in bearbeitbare Teilaspekte strukturiert werden können.134 Dieses
Verfahren, dem sich partiell auch handlungstheoretisch argumentierende Soziologen ange-
131 Vgl. Görke/Kohring 1996, S. 15f. Darüber hinaus verspricht die Systemtheorie den Autoren zufolge einen
Rahmen zu gewährleisten, in den etablierte, nicht nur systemtheoretische Forschungsansätze wie der ‚agenda
setting‘-Ansatz (vgl. Rinsdorf/Rager/Charlton 2001; Brosius 1994a) und die Nachrichten(wert)forschung (vgl.
Eilders 1997a; Schulz 1976) integriert werden können, und in dem Medien nicht mehr als Spiegel der Realität
begriffen werden, sondern als eigenständige und eigenverantwortliche Konstrukteure von Wirklichkeit.
132 Vgl. Luhmann 1997, S 60ff.
133 Vgl. Scholl 2002b, S. 8f.
134 Auch die Systemtheorie bleibt daher – trotz ihres oftmals autoritativen Gestus – in letzter Konsequenz auf die
individuelle Konstruktionsentscheidung desjenigen psychischen Systems bezogen, das sie formuliert. Auch so
lässt sich der blinde Fleck der Unterscheidung interpretieren, den Luhmann erkenntnistheoretisch beschreibt.
Das Individuum selbst steht an diesem blinden Fleck.
58 II Zur Verortung des Journalismus
schlossen haben135, verspricht die Möglichkeit der präziseren Beobachtung und Beschreibung
sozialer Vorgänge und macht insbesondere auch nicht-intendierte und latente Handlungsfolgen
der wissenschaftlichen Darstellung zugänglich.136 Auf seiner Basis soll dargestellt werden,
inwiefern Journalismus gleichermaßen zu einem komplexitätsreduzierenden Umgang mit
seinen Umwelten fähig sein kann.137
Die Verdienste der systemtheoretischen Journalismusanalysen, allen voran Rühls138, sind
der Abschied von Alltagsvorstellungen, die Überwindung der klassisch-normativen Personen-
zentrierung und die Fokussierung auf die organisatorische Komponente des Journalismus in
der Redaktion.139 Es gelingt der systembezogenen Journalismusforschung, wie Raabe zu Recht
anmerkt, „[…] Journalismus als einen sozialen Zusammenhang, als eine Einrichtung der mo-
dernen Gesellschaft zu begreifen […].“140 Zugleich aber verliert sie darüber aufgrund theorie-
architektonischer Grundentscheidungen die journalistischen Akteure aus dem Blick. Dies liegt
vor allem daran, dass sich – folgt man Luhmanns autopoietisch gewendeter Systemkonzeption
– geschlossene, nach einer spezifischen Logik funktionierende Systeme durch Kommunikation
koordinieren und integrieren.141 Diese Kommunikation, und nicht Mensch oder Handlung, ist
somit „Letztelement sozialer Systeme“.142 Die Systemanalyse in der Luhmannschen Fassung
kommt gänzlich ohne die operationalisierte Betrachtung individueller Leistungen aus, da sie die
Integration sozialer Systeme von Handlungen Einzelner abkoppelt und sie statt dessen zu
einem perpetuierten Gesamtzusammenhang stilisiert, der durch Individuen (psychische Syste-
me) nicht erschütterbar, sondern allenfalls irritierbar ist. Durch diesen Verweis auf ‚Kommuni-
kation‘ statt auf ‚Handlung‘ als Letztelement sozialer Systeme „[…] werden die Akteure quasi
aus der Theorie eskamotiert“.143 Das führt dazu, dass in der Gegenüberstellung von Sozialsys-
tem und Personalsystem der Akteur explizit außerhalb des Sozialen positioniert und damit
psychologisiert wird.144 Als ‚psychische Systeme‘ gehören Individuen zur Umwelt des Systems
Gesellschaft. Beide Systeme sind für einander Umwelt, das soziale System damit vom Bewusst-
sein und auch vom Handeln individueller Akteure unabhängig.145 Luhmann konzentriert sich
auch in seiner Kommunikationstheorie
„[…] allein auf Sinnprozesse, die durch Kommunikation aufgebaut werden, und lässt die Aktanten aus seiner
Betrachtung heraus, weil er nur die übergreifenden, sich selbst erzeugenden und ordnenden Sinnzusammen-
hänge und ihre gesellschaftliche Wichtigkeit untersuchen möchte und nicht, was in den Köpfen der Leute
passiert“.146
135 So beschreibt z.B. auch Habermas (1973a) die Bereiche der materiellen Ressourcenreproduktion der Gesell-
schaft als Systeme. Auch akteurtheoretisch fundierte Gesellschaftsentwürfe (vgl. Schimank 2000), verweisen auf
Strukturierungsprozesse, die jenseits des Handelns Einzelner liegen und dieses ermöglichen oder begrenzen.
136 In dieser Arbeit wird daher der von Parsons und Luhmann inspirierte Habermassche Systembegriff verwendet.
137 Vgl. Hug 1997, S. 351ff.
138 Vgl. Rühl 1980
139 Vgl. Raabe 2005, S. 59f.
140 Ebd., S. 75
141 Vgl. Luhmann 1984; 1996; 1997
142 Görke/Kohring 1996, S. 16; vgl. auch Loosen/Scholl/Woelke 2002, S. 37.
143 Raabe 2005, S. 20
144 Vgl. ebd., S. 175
145 Vgl. Görke/Kohring 1996, S. 16f.: „Da soziale Systeme ausschließlich aus Kommunikation bestehen, gehören
Bewußtseinssysteme demnach zu deren Umwelt. Das heißt nicht, daß soziale Systeme ohne Bewußtseinssyste-
me auskommen würden. Gleichwohl kann aufgrund der operationalen Geschlossenheit nicht von Kommunika-
tion auf Bewußtseinsinhalte geschlossen werden und umgekehrt.“
146 Schmidt/Zurstiege 2000, S. 144f.
2 Theoretische Optionen 59
Nicht der Sinn der Erkenntnis individueller Bewusstseinssysteme, sondern ausschließlich der
Sinn übersubjektiver Kommunikation für soziale Systeme steht im Zentrum. Diese Differen-
zierung hat Konsequenzen für das systemische Verständnis von Kommunikation: Nicht
Individuen kommunizieren nach Luhmann, sondern ausschließlich Kommunikation kommu-
niziert und erzeugt Anschlusskommunikation. Begründet wird dies mit der fundamentalen
Differenz von individuellem Bewusstsein und einer davon unabhängigen Gesellschaft.147
Systemtheoretische Kommunikationswissenschaft als konkreter Unterfall einer allgemeinen
Systemtheorie bildet daher primär keine Kommunikationstheorie heraus, sondern untersucht
systembildende und -erhaltende Kommunikationszusammenhänge, denen individuelle Akteure
äußerlich sind. Auch nach der dezidierten Hinwendung Luhmanns zu Fragen der Kommunika-
tion bleibt die Beobachterperspektive in der Systemtheorie erhalten und wird nicht gegenüber
der Perspektive von Teilnehmern geöffnet.148
Dieser Umstand wird von der Kommunikationswissenschaft überwiegend durch die Hin-
zunahme konstruktivistischer Theoreme kompensiert, die sich auf das Individuum und seine
Wahrnehmungskapazitäten beziehen. Dabei greift das konstruktivistische Denken erkenntnis-
theoretisch auf ähnliche Grundlagen zurück wie die neuere soziologische Systemtheorie – sie
sind die „beiden großen antirealistischen und beobachterzentrierten Strömungen aktuellen
Denkens“.149 Beide Theoriestränge inkorporieren das von der Biologie inspirierte Denken in
Systemen, operieren mit Beobachterkategorien und betonen die Kontingenz ihrer Ergebnisse.
„Konstruktivismus und Systemtheorie eint somit einiges: Was im konstruktivistischen Denken Beobachterab-
hängigkeit und -relativität heißt, meint in der Systemtheorie Systemabhängigkeit und -relativität. Beiden Theo-
rien geht es um die Umschreibung der klassischen abendländischen Dualität von Subjekt (Beobachter, Ich)
und Objekt (Beobachtetes, Welt). Schließlich starten beide Theorien ihre Überlegungen mit Differenz […]
und nicht mit Identität.150
Ausschlaggebend für den Konstruktivismus ist – ebenso wie in der Systemtheorie – das an der
Biologie geschulte Denken in binären Unterscheidungskategorien, wobei die Unterscheidung
und ihre Kategorien selbst der Wahrnehmung nicht zugänglich sind, sondern als ‚blinder Fleck‘
verbleiben. Erst durch eine neuerliche Unterscheidung wird dieses Desiderat sichtbar – auf
Kosten eines neuen ‚blinden Flecks‘.151 Insofern kommt auch der Konstruktivismus in all
seiner epistemologischen Kontingenz der radikal in das Gehirn des individuellen Akteurs
verlagerten Erkenntnisprozesse nicht ohne ein Moment des Unhintergehbaren aus. Während
die Systemtheorie als soziologische Grundlagentheorie Modelle der Beschreibung sozialer
Prozesse liefert, präsentiert sich der Konstruktivismus als epistemologisches Modell, das
versucht die Erkenntnisleistungen des Subjekts erklärbar zu machen. Oder wie Scholl schreibt:
147 Vgl. Luhmann 1997, Bd.1, S. 105: „Nicht der Mensch kann kommunizieren, nur die Kommunikation kann
kommunizieren. Ebenso wie Kommunikationssysteme sind auch Bewußstseinssysteme (und auf der anderen
Seite Gehirne, Zellen usw. …) operativ geschlossene Systeme, die keinen Kontakt zueinander unterhalten kön-
nen. Es gibt keine nicht sozial vermittelte Kommunikation von Bewußtsein zu Bewußtsein, und es gibt keine
Kommunikation zwischen Individuum und Gesellschaft.“
148 Vgl. Jäger/Baltes-Schmitt 2003, S. 64f. Plausibel ist die Adaption der Beobachterperspektive zur Beschreibung
des Journalismus dann, wenn sie auf die Unterschiedlichkeit der zugrunde gelegten Relevanzkontexte verweist,
auf welche die Systemtheorie wert legt. Systemtheoretisch gesprochen lässt sich konstatieren: „Journalismus
richtet sich in seiner Selektion prinzipiell nicht an den Relevanzkriterien des gerade beobachteten Systems aus,
sondern immer an den Relevanzkriterien der gesellschaftlichen Umwelt dieses Systems.“ (Kohring 1998, S. 187)
149 Weber 1997c, S. 34
150 Ebd., S. 35
151 Vgl. Schmidt/Zurstiege 2000, S. 151
60 II Zur Verortung des Journalismus
„Der Konstruktivismus beobachtet durch das Nadelöhr Kognition, die rekursiv mit Medien und Kultur ver-
knüpft wird; die Systemtheorie Luhmanns beobachtet dagegen strikt durch das Nadelöhr Kommunikation,
die das Element aller sozialen Systeme bildet […]. Während der Konstruktivismus in dieser Spielart kultur-
wissenschaftlich fundiert ist, steht die Systemtheorie in einer sozialwissenschaftlichen Tradition.“152
Der radikale Subjektivismus des Konstruktivismus steht daher bisweilen nur vordergründig in
einem Gegensatz zur Systemtheorie. Theoriearchitektonisch lassen sich beide in der Kommu-
nikationswissenschaft miteinander verbinden. Auch in der Journalistik geschieht die Verbin-
dung von makro- und mikrosozialer Betrachtungsweise zum gegenwärtigen Zeitpunkt vorwie-
gend durch eine Kombination systemtheoretischer und konstruktivistischer Annahmen.153
Dabei hat allerdings der in den frühen 1990er Jahren populäre radikal-konstruktivistische
Ansatz154 zugunsten weniger hermetischer Konzeptionen wieder an Bedeutung verloren.
Konstruktivisten weisen – obwohl ihr eigenes Theoriegebäude ohne die Systemtheorie im
wahrsten Sinne des Wortes nicht ‚denkbar‘ wäre155 – mittlerweile deutlich auf die Schwierigkei-
ten systemtheoretischen Denkens hin. Sie kritisieren sowohl die ontologischen Prämissen des
vermeintlich realen Charakters der sozialen Systeme nach Luhmann als auch die Exklusion des
Individuums aus der Kommunikationsanalyse selbstreferentieller Systeme.156 Die konstruktivis-
tische Kommunikationstheorie begreift sich mittlerweile explizit als erkenntnistheoretisch
fundierte Handlungstheorie. Kommunikation ist für sie „eine Form von Handeln, die von
außen beobachtet werden kann“.157 Schmidt und Zurstiege begründen diese Eingangsentschei-
dung mit dem erfahrungswissenschaftlichen (empirischen) Charakter der Kommunikationswis-
senschaft, der den Umgang mit einzelnen Akteuren in konkreten Situationen bedingt, mit der
erkenntnistheoretischen Einsicht, dass Kommunikation nicht autopoietisch ist, sondern von
Akteuren erzeugt werden muss, und mit der Prämisse, dass Handeln in (gesellschaftlichen)
Sinnzusammenhängen erfolgt und auf Sinn ausgerichtet ist.158
Neben den epistemologischen Fragen individueller Welterkenntnis bzw. -konstruktion zei-
gen sich zum Beispiel die jüngeren Arbeiten von Schmidt auch offen für soziale, sprach- und
kulturgesteuerte Prozesse der gemeinsamen Konstruktion eines gesellschaftlichen Weltbil-
des.159 Auch diese Neuentwürfe gehen von einem nicht beobachtbaren ‚blinden Fleck‘ der
Unterscheidung aus, verankern ihn aber nicht mehr in biologistisch-neurophysiologischen
Annahmen, sondern in sprachlichen und kulturellen Sozialisationsprozessen. Anders als in der
Systemtheorie wird so auch ein Zusammenhang zwischen gesellschaftlichen Systemen und
individuellem Bewusstsein darstellbar. Der Konstruktivismus liefert ein Modell dafür, wie die
in sozialen Systemen ausdifferenzierten binären Codes in psychischen Systemen als Vorausset-
zungen individueller Kommunikation als Schemata internalisiert werden: Die Gesamtheit der
Unterscheidungen in einer Gesellschaft ergeben ein Wirklichkeitsmodell; das verbindliche
Programm zur Verwendung dieser Unterscheidungen, dessen individuelle Anwendung über
Mitgliedschaft in Gesellschaft entscheidet, bezeichnen Schmidt und Zurstiege als ‚Kultur‘.160
Medien und Journalismus gelangen aus dieser Perspektive als zentrale Konstruktionsin-
stanzen dieses Wirklichkeitsmodells und seiner Unterscheidungsprogramme in den Blick. Der
Konstruktivismus gewinnt so nicht nur den Blick für die Internalisierung vorhandener Sche-
mata der Unterscheidung, sondern zugleich auch für externalisierende Wirkungen individuellen
(Konstruktions-)Handelns. Gesellschaft erscheint als ein Produkt des Handelns von Individu-
en. Mit dieser jüngeren Weiterentwicklung setzt sich der kommunikationswissenschaftlich
fruchtbar gemachte Konstruktivismus von Schmidt von den systemtheoretischen Konzepten
ab und geht deutlich über sie hinaus. Letztlich kann aus dieser Perspektive ein emanzipatives
Potenzial von Kommunikation auch über das Trennende der individuellen Kognitionsprozesse
hinweg ausgemacht werden. Ob dieses Potenzial in der Journalistik ausgeschöpft werden kann,
ist offen; vielversprechende Ansätze sind mittlerweile vorgelegt worden.161
Die Möglichkeit klarer Unterscheidungen begründet die Attraktivität der Systemtheorie auch in
wissenschaftspolitischer Hinsicht, insofern sie eine begründbare Abgrenzung des Gegenstands
kommunikations- oder journalistikwissenschaftlicher Forschung verspricht. Je nach Betrach-
tungsweise können so Öffentlichkeit162, Publizistik163, Journalismus164 oder Massenmedien165
als soziales System verstanden werden und klar abgegrenzt werden. Die so vorgenommene
Differenzierung basiert auf der Identifikation je unterschiedlich gewählter Unterscheidungskri-
terien (Leitdifferenz/Code) und damit auf einer theoretischen Vorentscheidung, die Ausgangs-
punkt der weiteren Ausformulierung eines Journalismus- oder Medienmodells ist.166 Die klaren
Unterscheidungen der so generierten Einzelstudien lassen sich aber nicht zu einem kommuni-
kationswissenschaftlich übergreifenden Einverständnis über das empirisch zu beschreibende
und zu untersuchende System aggregieren. Scholl konstatiert vielmehr angesichts der zahlrei-
chen unterschiedlichen Thesen und Theorien innerhalb des systemtheoretischen Paradigmas
eine „Problematik mikrodiverser Subdiskurse“, die er aber durchaus positiv als Ausweis von
„(Binnen-)Komplexität“ gedeutet wissen will.167 Das Versprechen der kohärenten Abgrenzung
des Forschungsgegenstandes ist noch nicht eingelöst, wie auch Systemtheoretiker konzedieren:
„Daß der Forschungsgegenstand der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft Systemcharakter auf-
weist, ist bislang eher Ideal, denn (theoretische) Realität.“168
Das liegt nicht zuletzt daran, dass systemisches Denken oft lediglich eine sozialwissenschaftli-
che Objektivation sozialer Vorgänge ist, die der Strukturierung der Beobachtung entnommen
ist und Analysezwecken dienen soll. Die Systemabgrenzung kann daher – abhängig von
Perspektive und Erkenntnisinteresse – pragmatisch erfolgen; sie dient zunächst der Bestim-
mung des Untersuchungsgegenstandes.169 Insofern haben kommunikationswissenschaftliche
Teildisziplinen wie die Journalistik angesichts eines für sie schon empirisch relativ klar be-
stimmten Untersuchungsgegenstandes noch vergleichsweise wenig Probleme, zu einer fachin-
tern akzeptierten Abgrenzung zu gelangen. Als Minimalkonsens systemtheoretischer Journa-
lismusforschung kann allenfalls ausgemacht werden, dass Journalismus durch gesellschaftliche
Selbstbeobachtung und -beschreibung den thematischen Rahmen gesellschaftsintern möglicher
Kommunikation absteckt170 und dass er dies nach autonomen Regeln tut171. Fast alle ambitio-
nierten Entwürfe der Journalismustheorie orientieren sich letztlich an der Vorstellung, dass
sich Journalismus als ein soziales System durch eine nur von ihm erbrachte Funktion von
seiner Umwelt abgrenzt.172 Differenzen sind auch hier hinsichtlich des Verhältnisses zwischen
journalistischer Produktion und Publikumsrezeption festzustellen. Manche Theoretiker be-
trachten das Publikum als Bestandteil des Systems, andere wiederum siedeln es in der Umwelt
166 Die gewählten Codes unterscheiden sich in den Entwürfen entsprechend ganz erheblich. Görke/Kohring
(1996, S. 17ff.; auch Görke 1999, S. 240ff.) haben die zentralen Arbeiten dahingehend gegeneinander gestellt
und identifizieren die folgenden Leitdifferenzen:
• Luhmann: Information – Nichtinformation (Massenmedien – Beziehungen von Nachrichtenjournalis-
mus, Werbung und Unterhaltung sind unklar)
• Blöbaum: Information – Nichtinformation (Journalismus – nicht abgegrenzt zur Öffentlichkeit)
• Marcinkowski: öffentlich – nicht öffentlich (Publizistik – nicht abgegrenzt zu anderen veröffentlichenden
Systemen, z.B. Wissenschaft)
• Rühl: kein eigener Code, nur: zahlen – nicht zahlen (Marktpublizistik – nicht abgegrenzt zur Ökonomie)
• Spangenberg: aktuell – nicht aktuell
Kohring (1997, S. 236f.) weist darauf hin, dass nur Marcinkowski mit Publizität auch ein symbolisch generali-
siertes Kommunikationsmedium des Systems benennt, während alle anderen Entwürfe nur Codes benennen,
obwohl diese doch laut Theorie lediglich die Funktion haben, das Medium in eine Form zu gießen.
167 Scholl 2002b, S. 9ff.
168 Görke/Kohring 1997, S. 7
169 Vgl. Scholl/Weischenberg 1998, S. 47; Scholl 1997b
170 Vgl. Hohlfeld 2003, S. 95. Luhmann (1997, Bd. 2, S. 1103) selbst weist dazu vergleichbar den Massenmedien –
Journalismus wird von ihm nicht thematisiert – die Funktion der „Absorbtion von Unsicherheit bei der Her-
stellung und Reformulierung von Welt- und Gesellschaftsbeschreibungen“ zu.
171 Vgl. Görke 1999, S. 303
172 Vgl. Hohlfeld 2003, S. 89
2 Theoretische Optionen 63
Die junge bundesdeutsche Journalistik jedenfalls stellte sich zunächst mehrheitlich unter das
Dach systemtheoretisch begründeter Theorieentwürfe: Zunächst Rühl175 und dann auch
Weischenberg176 legten paradigmatische Näherungen an das zu institutionalisierende Fach vor,
die mit dem Ziel einer systemrationalen Rekonstruktion des Journalismus als Sozialsystem
durch Begriffe funktional-struktureller Differenzierung an die in den 1960er Jahren begründete
Tradition funktionalistischer Analysen in der Publizistikwissenschaft anknüpfen.177 Diese
Entscheidung hat deutliche Spuren in der theoretischen Entwicklung hinterlassen. Aus system-
theoretischer Perspektive wird nicht nur der Untersuchungsgegenstand, sondern auch das Fach
als Produkt sozialer Differenzierungsprozesse systematisiert und eingeordnet:
„Journalistik wäre dann funktional-strukturell als vorrangig am Journalismus orientierter Lehr- und For-
schungsprozeß zu begreifen. Da der Gegenstand der Journalistik erst in hochentwickelten Gesellschaften ent-
steht, in denen die sozialen, politischen, ökonomischen u.a. Prozesse der Differenzierung und Spezialisierung
bereits sehr weit fortgeschritten sind, ist sie zunächst funktional und dann erst strukturell zu identifizieren.“178
Die Primärfunktion der Journalistik ließe sich aus dieser Perspektive heraus definieren „[…] als
jene methodisch gesteuerten Kommunikations- und Entscheidungsprozesse, die der Entwick-
lung und der Diskussion theoretisch-empirischen Wissens über Journalismus dienen“.179
Dieses Wissen über den Gegenstand soll die Journalismusforschung in mehreren Dimensionen
akquirieren:180
• Sie untersucht die normativen Grundlagen des Journalismus als jene strukturierte Dimen-
sion, die Journalismus zeitlich stabilisiert;
• sie untersucht Arbeits- und Berufsstrukturen um Aufschlüsse über die soziale Dimension
des Journalismus zu erlangen; und
• sie richtet sich in einer sachlichen Dimension auf Medien, Genres und Techniken des
Journalismus.
Aus dieser Perspektive wären in der Journalistik auch die Interdependenzen zwischen dem
ausdifferenzierten Funktionssystem Journalismus und dem Ganzen der Gesellschaftsordnung
zu untersuchen, da erst die Verfassung der letzteren das konkrete Gesicht des journalistischen
Systems prägt. Journalismus existiere, so führt Rühl aus, nicht „wie eine Sache der Natur“,
sondern nur als Teil eines sozialen Differenzierungsprozesses.181 Als empirisch-analytische
173 Zum Beispiel sieht Rühl (1980) das Publikum nicht als Teil des Systems, während Marcinkowski (1993) es in
seine Systemvorstellung integriert. Diese Unterschiede stehen auch in Beziehung zu unterschiedlichen Überle-
gungen hinsichtlich des Geltungsbereichs des Systems (Rühl = Journalistik; Marcinkowski = Publizistik).
174 Kohring 1997, S. 265
175 Vgl. Rühl 1982
176 Vgl. Weischenberg 1990a
177 Vgl. Rühl 1982, S. 367
178 Rühl 1982, S. 367
179 Ebd., S. 368
180 Vgl. ebd., S. 368f.
181 Ebd., S. 368
64 II Zur Verortung des Journalismus
Wissenschaft ist die Journalistik aus diesem Verständnis heraus nicht in der Lage, Normen für
den Journalismus zu entwickeln, sondern sie kann allenfalls dessen Normativität untersuchen
„[…] als jene strukturelle Dimension, die Journalismus zeitlich stabilisiert“.182
Legt man ein systemtheoretisches Modell zur Beschreibung der Beziehung von Journalistik
und Journalismus zugrunde, dann folgen beide zwei getrennten Logiken; die Übertragbarkeit
der wissenschaftlichen Erkenntnisse der Journalistik auf die Praxis des Journalismus ist daher
keineswegs zwangsläufig gegeben. Beide Systeme haben ihre eigenen Funktionen und Struktu-
ren und sind nur begrenzt – zum Beispiel aufgrund struktureller Kopplungen – zur Zusam-
menarbeit fähig. Sie sind jeweils Umwelt füreinander – ein Grund für die konstatierte Dicho-
tomie zwischen Wissenschaft und journalistischer Praxis. Weischenberg, der in seinem Lehr-
buch der Journalistik explizit an Rühls systemfunktionalistischen Entwurf anknüpft und ihn
weiterentwickelt, warnt davor, „unrealistische Erwartungen an den Praxisbezug der Journalis-
tik“ zu formulieren.183 Ihren Gegenstand jedenfalls habe die junge Universitäts-Disziplin nicht
als „eine Addition von Journalisten, sondern [als] ein soziales Handlungssystem“ zu konzipie-
ren.184 Stärker als Rühl aber betont Weischenberg auch systemtheoretisch den Praxisbezug, den
die Journalistik zu pflegen habe. Journalistik bewege sich ständig auf zwei Ebenen:
(1) Auf theoretisch-empirischer Ebene dient die Forschung der Journalistik dazu, Wissen über den
Journalismus zu beschaffen und zu reflektieren. Dabei greift sie in besonderem Maße auf
kommunikationswissenschaftliche Methoden, Modelle und Theorien zurück.
(2) Auf praktisch-normativer Ebene zielt die Journalistik darauf ab, Regeln für angemessene und
glaubwürdige journalistische Vermittlungs- und Kommentarleistungen zu formulieren und
diese für die Journalistenausbildung zu operationalisieren.185
Das Fach ist dementsprechend weder ein „Dienstleistungsbetrieb“ für die journalistische
Praxis, noch darf es sich in den wissenschaftlichen Elfenbeinturm zurückziehen; vielmehr ist es
erst die „Integration von Kenntnissen und Erkenntnissen aus Theorie und Praxis des Journa-
lismus“, die das Fach legitimiert.186 Weischenberg zufolge hat die Journalistik dadurch auch die
Grundlagen für einen Kompetenzsprung in der journalistischen Praxis selbst zu legen, der
wiederum zu einer Steigerung der Legitimation des Journalismus führt. Die Analyse der
Regelhaftigkeit handwerklicher und organisatorischer Routinen des Journalismus und die
Reflexion seiner sozialen Leistungen und Wirkungen soll unmittelbar der Verbesserung der
Praxis dienen.187 Die systemtheoretische Journalistik kann zur „Reflexionsanregerin“ der Praxis
weiterentwickelt werden, wenn „eine hinreichend komplexe Vorstellung des Verhältnisses von
Journalismus und Gesellschaft“ entwickelt werde, so Kohring, die sich der Frage stelle, inwie-
fern ein autonomer Journalismus seine gesellschaftlich erwarteten Funktionen erfüllen kön-
ne.188 Er stößt dabei auch an die Grenzen systemtheoretischer Kapazitäten:
„Die Journalismusforschung müsste sich dann darum kümmern, Kriterien für die ‚richtige‘ Balance von
Selbstreferenz und Fremdreferenz zu begründen und zu operationalisieren. Diese Kriterien sollten theore-
tisch abgeleitet sein, werden aber auch unweigerlich (normativ formulierte) Erwartungen der gesellschaftli-
chen Umwelt des Journalismus (z.B. Beachtung demokratischer Prinzipien oder die Beachtung der Men-
schenwürde) mit aufnehmen müssen – Bewertungen bzw. normative Erwartungen können wissenschaftlich
nicht begründet werden. Auch die systemtheoretischen Funktionsbeschreibungen sind für sich genommen viel zu
allgemein, um daraus konkrete Selektionsprogramme für Journalisten abzuleiten. Je höher aber die Abstrakti-
onsfähigkeit der Journalismustheorie, desto größer ist die Möglichkeit, die Auswirkung solcher Normsetzun-
gen auf die gesellschaftliche Funktion des Journalismus zu überprüfen.“189
Dass die Systemtheorie dabei von Nutzen ist, liegt nicht zuletzt daran, dass sie besser als viele
andere Ansätze die Selbstläufigkeit und die der individuellen Steuerung enthobene Eigenstän-
digkeit sozialer Prozesse erklärt. Kontraproduktiv ist hingegen ein zur Luhmannschen System-
theorie apologetisches Abstrahieren vom Individuum, das dazu führt, dass theoretische Ent-
würfe manche Praxisprobleme gar nicht mehr zu fassen bekommen.190
189 Ebd., S. 87
190 Vgl. in ähnlicher Stoßrichtung Rühl 2000, S. 73: „Gegenwärtig erweckt die Journalismusforschung in Deutsch-
land den Eindruck, Niklas Luhmann könnte ihr Leitautor sein. […] Zu Problemen des Journalismus und der
Publizistik, Werbung, Public Relations und Propaganda eingeschlossen, hat sich Niklas Luhmann nur marginal
geäußert. Insofern liegen keine Gründe der Rechtfertigung vor, Luhmanns weit gespannte sozialwissenschaftli-
che Theoriearbeit als ‚mainstream‘ für die journalistische Theoriebildung zu vereinnahmen. Allerdings kann das
Journalismussystem demokratisch verfaßter Gesellschaften mit entscheidenden Beiträgen aus Luhmanns Theo-
rie autopoietischer Systeme, kombiniert mit sozialwissenschaftlichen Supertheorien (Emergenz-, Kommunika-
tions-, Öffentlichkeits-, Organisations-, Markt- und Entscheidungstheorien), als Kreislauf modelliert, die spezi-
fischen Kommunikationsverhältnisse zwischen Journalismussystem und Gesellschaft heterarchisch vernetzt
darstellen. Die Funktion, deretwegen die Gesellschaft den Journalismus ausdifferenziert, kann dann als organisa-
torische Produktion und schematische Distribution programmierter Programme zur öffentlichen Kommunikation umschrieben
werden.“
191 Damit steht die Rationalität des Systems oft in Nähe zu der Form instrumenteller Rationalität, die zunächst von
Weber (1980 [1921]) und später auch von Horkheimer und Adorno (1988 [1944]) in ihrer Kritik einer auf das
Zweckrationale halbierten Vernunft betrachtet worden ist. Die ‚Dialektik der Aufklärung‘ wird in der System-
theorie in bizarrer Verkehrung zur Grundlage von Unterscheidungen. Dazu Habermas (1985c, S. 443): „Luh-
manns Theorie sehe ich als ingeniöse Fortsetzung einer Tradition, die das Selbstverständnis der europäischen
Neuzeit stark geprägt und dabei ihrerseits das selektive Muster des okzidentalen Rationalismus widergespiegelt
hat. Die kognitiv-instrumentelle Einseitigkeit der kulturellen und gesellschaftlichen Rationalisierung fand auch
Ausdruck in den philosophischen Versuchen, ein objektivistisches Selbstverständnis des Menschen und seiner
Welt zu etablieren – zunächst in mechanistischen, später in materialistischen und physikalistischen Weltbildern,
die mit mehr oder weniger komplexen Theorien Geistiges auf Körperliches zurückführten.“ Die Systemtheorie,
66 II Zur Verortung des Journalismus
Sprache wird systemtheoretisch zu einem Medium reduziert, in dem bereits vorhandener Sinn
allenfalls übersetzt, aber kein neuer Sinn gestiftet werden kann. Kommunikation ist zwar der
zentrale Reproduktionsmechanismus von Systemen und damit auch von Gesellschaft als
System. Individuen allerdings sind an diesem subjektlosen Prozess nicht beteiligt, sondern
gehören zur Umwelt des Systems.193
Die theoretische Entscheidung Luhmanns, Kommunikation und individuelles Handeln zu
trennen, macht es unmöglich, im Rahmen der Systemtheorie ein Modell durch Kommunikati-
on getragener Öffentlichkeit zu etablieren, welches in der Lage ist, eine höherstufige Intersub-
jektivität zu begründen, die als Richtmaß gesellschaftlicher Entwicklung begriffen werden
kann. Auch öffentliche Meinung gelangt nicht sinnhaft oder mindestens kausal, sondern
überwiegend funktional als „Selektionshilfe“ in den Blick.194 Ähnlich ist Gesellschaftlichkeit
dem Willen des Einzelnen nicht ohne weiteres zugänglich, bzw. das soziale System ist durch
das Individuum maximal von außen irritierbar, nicht aber durch kommunikative Verständigung
in Öffentlichkeit gestaltbar. Die Konsequenz ist ein ‚methodischer Antihumanismus‘, der die
Möglichkeit einer öffentlichen Diskussion gesellschaftlicher Anliegen oder gar Krisen diskredi-
tiert.195 Systemtheorie beschreibt zweckrational-instrumentelle Logiken, während sie eine
weitergehende kommunikative Rationalität begrifflich nicht zu fassen bekommt. Sie vermag
nicht zu beschreiben, dass in lebensweltlichen Begründungsmustern eine Rationalität jenseits
technizistischer Effizienz existiert. Gesellschaft erscheint ihr als ein begrenztes System, dass
wie alle Teilsysteme nach strenger Logik operiert. Idiosynkrasien oder auch nur humankom-
so Habermas weiter, setze biologische Argumente ein, um die Metaphysik der Subjektphilosophie durch eine
Metabiologie zu ersetzen, deren Konsequenzen aber gleichfalls eine Vergegenständlichung lebensweltlicher,
durch Kommunikation gesteuerter Prozesse durch eine ihnen fremde Logik bedeuten. Die frühe Auseinander-
setzung zwischen Habermas und Luhmann dokumentiert der Band ‚Theorie der Gesellschaft oder Sozialtech-
nologie – Was leistet die Systemforschung?‘ (Habermas/Luhmann 1971).
192 Habermas 1985c, S. 441
193 Die sich daraus für die Kommunikationswissenschaft ergebende Folge wäre, dass sie keine spezifische
Kommunikationstheorie entwerfen könnte. Eine solche Theorie wäre zwangsläufig eine Theorie der Gesell-
schaft. Die Kommunikationswissenschaft würde dann in der allgemeinen Soziologie der Systeme aufgehen:
„Aus systemtheoretischer Sicht besteht die Gesellschaft selbst aus Kommunikation, die wiederum in voneinan-
der abgegrenzte Sinnsphären ausdifferenziert ist (z.B. Recht, Wissenschaft und eventuell eben auch Publizistik).
Systemtheoretisch betrachtet ist die Wissenschaft von der Kommunikation also gleichbedeutend mit der Wis-
senschaft von der Gesellschaft. Sofern also die Publizistik- und Kommunikationswissenschaft nicht einfach in
der soziologischen Systemtheorie aufgehen will (und hierfür sehen wir keinen Anlaß), muß sie sich nach einem
anderen Abgrenzungskriterium als Kommunikation schlechthin umsehen, um ihren Forschungsgegenstand ge-
genüber anderen gesellschaftlichen Bereichen eindeutig abzugrenzen.“ (Görke/Kohring 1997, S. 12)
194 Luhmann 1979 [1970], S. 30
195 Vgl. Habermas 1985c, S. 436. Luhmann (1997, Bd. 1, S. 35) erkennt den „radikal antihumanistischen“ Charak-
ter seiner Gesellschaftstheorie an, hält ihn methodologisch aber für unabdingbar: „Die These einer Selbstpro-
duktion durch Kommunikation postuliert klare Grenzen zwischen System und Umwelt. Die Reproduktion von
Kommunikationen aus Kommunikationen findet in der Gesellschaft statt. Alle weiteren physikalischen, chemi-
schen, organischen, neurophysiologischen und mentalen Bedingungen sind Umweltbedingungen. Sie können
durch die Gesellschaft in den Grenzen ihrer eigenen Operationsfähigkeit ausgewechselt werden. Kein Mensch
ist gesellschaftlich unentbehrlich. Aber damit ist natürlich nicht behauptet, daß Kommunikation ohne Bewußt-
sein, ohne durchblutete Gehirne, ohne Leben, ohne gemäßigtes Klima möglich wäre.“ (ebd., S. 13f.)
2 Theoretische Optionen 67
196 Vgl. dazu Habermas 1985c, S. 444: „Man muß berücksichtigen, daß innovative Gesellschaftstheorien in ihren
Paradigmen stets in der Gesellschaft selbst verankert waren und niemals dem Wissenschaftssystem ausschließ-
lich angehört haben. Ein Effekt der Vergegenständlichung kommt jedenfalls in dem Maße zustande, wie die
Systemtheorie in die Lebenswelt eindringt, in diese eine metabiologische Perspektive einführt, aus der sie sich
dann selber als ein System in einer Umwelt-mit-anderen-Systemen-in-einer-Umwelt verstehen lernt – so als
vollziehe sich der Weltprozeß durch nichts als durch System-Umwelt-Differenzen hindurch.“
197 In diesem theoriearchitektonisch notwendigen Schritt, der sich aus den erkenntnistheoretischen Wurzeln ergibt,
liegt die oftmals beklagte Tendenz der Systemtheorie zu konservativen Betrachtungsweisen, die in ihrer funkti-
onalistischen Perspektive zumeist auf die Fixierung eines nicht zu hinterfragenden Status quo gerichtet sind. Da
aber soziologisches Denken stets auf den beobachteten Zusammenhang zurückwirkt, da Soziologen selbst
wenn sie sich beobachtend wähnen, ohne virtuelle Teilnahme am sozialen Prozess nicht zu Ergebnissen kom-
men können, besteht vielmehr die Gefahr der Reifikation systemischer Konstruktionen und damit der ex-post-
Legitimation latenter Ausdifferenzierungsfolgen durch wissenschaftliche Studien.
198 Habermas 1985c, S. 426
199 Vgl. für eine handlungstheoretische Auseinandersetzung mit diesen Tendenzen Pöttker 1997.
200 Vgl. Scholl/Weischenberg1998; Loosen/Scholl/Woelke 2002
68 II Zur Verortung des Journalismus
„Eine Betrachtung, die die Akteure mit ihren Interessen und Motiven, ihren Einstellungen und
Überzeugungen aus dem System verbannt, erschwert die empirische Überprüfung systemtheoretischer Ein-
sichten oder macht sie vielleicht sogar ganz unmöglich. – Wie will man Kommunikation beobachten, ohne
wieder den Bruch mit Niklas Luhmanns Theorieentscheidung zu vollziehen und implizit oder explizit von
Personen und Akteuren – Menschen – zu sprechen. Das heißt: Die Übertragung systemtheoretischer Einsich-
ten auf die empirische Forschung funktioniert womöglich nur über einen Abschied von zentralen Postulaten,
die sich in der Systemtheorie Niklas Luhmanns finden.“201
Die Theorie sozialer Systeme tendiert dazu, ihre Systemkonstruktionen reifizierend als begrif-
fene Wirklichkeit auszugeben, ohne sie gleichzeitig einer empirischen Überprüfung zugänglich
zu machen. Diese Konsequenz der ausschließlichen Verlagerung von Sinn in die Differenzlo-
gik autopoietischer sozialer Systeme vermag eine Wissenschaft, die mit individuellen Personen
als Bezugspunkt im Theorie-Praxis-Dialog umgehen muss, kaum zu befriedigen. Nimmt man
dem Systembegriff schließlich sogar noch seinen Charakter als sozialwissenschaftliche Objekti-
vation, mithin als Konstruktion eines Beobachters, der soziale Zusammenhänge in einer
analytischen Sprache ordnet, und verdinglicht das System im Vermittlungsprozess zur Praxis
statt dessen zu einem sozialen Faktum202, muss sich Wissenschaft in der Konsequenz einseitig
auf die Internalisierungswirkungen eines hermetischen Sozialzusammenhangs konzentrieren,
der der Gestaltung durch Individuen nicht zugänglich ist. Unbeabsichtigt wird durch eine
derartige Überreizung der begrifflichen Chancen einer Theorie sozialer Systeme ihr durchaus
analytisch fruchtbarer ‚methodischer Antihumanismus‘ in den untersuchten sozialen Zusam-
menhang hineingetragen.
In der Journalistik zeigen sich die Probleme einer rein instrumentellen Beschreibung sozia-
ler Sachverhalte auch systemimmanent, indem die Entfernung der Systemtheorie von ihrem
Beobachtungsgegenstand das Fach mittlerweile vor Anwendungsprobleme stellt, die entweder
zu kategorialen Verzerrungen und Kompromissen in der empirischen Darstellung oder aber zu
Modifikationen des Theoriegebäudes zwingen, wie Hohlfeld anmerkt:
„Die Systemtheorie hat als gesellschaftliche Supertheorie eine Abstraktionshöhe gewonnen, von der aus der
Sprung in die Niederungen der empirischen Beschreibung journalistischen Handelns nicht länger ohne offene
Frakturen möglich ist.“203
Denkt man ein systemtheoretisches Konzept der Journalistik konsequent zu Ende, dann
bedeutet es, dass sich Journalismus und Journalistik zwar wie kommunizierende Röhren
beeinflussen und dass davon auch ihr jeweiliger Zustand und ihre jeweilige gesellschaftliche
Legitimation abhängig sein sollen; dass sie aber andererseits durch eine unverrückbare System-
grenze und differierende Logiken oder Codes rigide voneinander getrennt sind. Die zur
Erbringung der intendierten Funktion der Journalistik notwendige Interdependenz der beiden
Systeme wird durch systemisch bedingte Kommunikationshemmnisse gestört. Nimmt sich
Journalistik in ihrer Gründungsabsicht ernst, dann muss sie aber in der Journalistenausbildung
den Brückenschlag zwischen der theoretischen Abstraktion und der pragmatisch-normativen
Konkretion suchen. Sie kann es sich nicht leisten, ihren Gegenstand so sehr zu abstrahieren,
dass sie dadurch selbst den kommunikativen Partner verliert. Deshalb müssen die hochkom-
plexen Systemkonzepte umständlich „auf ein handhabbares Niveau gesundgeschrumpft“
werden.204 Angesichts dieser Feststellung lässt sich plausibel konstatieren, dass die „Bemühun-
Hohlfeld regt ein multiperspektivisches Vorgehen an, das von einem „Nebeneinander von
Kommunikation und Handlung, von System und Akteur, von Autonomie und Fremdsteue-
rung“ in seinen Beschreibungsversuchen ausgeht.209 Will die Journalismustheorie auch künftig
anschlussfähig für die mikrosoziale Beobachtung und Beschreibung redaktioneller Handlungs-
verläufe sein, dann ist es sinnvoll, ihre vorwiegend systemtheoretische Perspektive um diese
Faktoren erweitern, ohne aber die Systemtheorie in ihrem derzeitigen Entfaltungsstand zu
ignorieren.210 Dazu sind auch die erkenntnistheoretischen Prämissen des Konstruktivismus, die
zur stärkeren Offenheit und Verbindlichkeit weiterentwickelt worden sind, zu der makrosozia-
len Analyse anschlussfähig zu machen. Die dazu in der Journalistik oftmals gängige Kopplung
205 Ebd., S. 99
206 Vgl. Neverla 2002, S. 26
207 Haller 2000a, S. 114f.: Außerdem übersehe systemtheoretische Forschung,
• „[…] daß für die journalistische Aussagenproduktion einzelner Mediengattungen (Beispiel: Wochenzei-
tungen) und Genres (Beispiel: subjektive Erzählformen) keine Systemstruktur feststellbar ist, vielmehr das
journalistische Subjekt (als Autor und Blattmacher) maßgeblich bleibt,
• daß in anderen Mediengattungen (insbesondere beim Rundfunk) die journalistische Aussagenproduktion
von den medialen Determinanten gar nicht abgelöst werden kann, also Journalismus als System nicht be-
schreibbar ist, […]
• daß redaktionelles Handeln ein Gemenge aus medienspezifischen (externen) und journalistischen (inter-
nen) Prozeduren darstellt – und es sich keineswegs nur auf Routinen der Komplexitätsreduktion, etwa
der Selektion und Präsentation von Information, verkürzen läßt,
• daß redaktionelle Aussagenproduktion strukturell wie funktional den Prozeß des Öffentlichen (mit)trägt
und damit über eine Qualität verfügt, die sich mit Etiketten wie ‚Bereitstellen‘ nicht kennzeichnen läßt,
• daß Journalismus auch eine spezifische Kulturtechnik zur Konstruktion und Vermittlung von Wahrneh-
mungsinhalten darstellt – ein Aspekt, mit dem sich in jüngster Zeit immerhin der Konstruktivismus kon-
struktiv beschäftigt.“
208 Ebd., S. 115; vgl. auch kritisch: Raabe 2005, S. 72.
209 Hohlfeld 2003, S. 107
210 Vgl. ebd., S. 123
70 II Zur Verortung des Journalismus
mit der Systemtheorie erscheint – trotz des ähnlichen Vokabulars – nicht notwendig als die
fruchtbarste.211
Unter Umständen ergeben sich durch die jüngeren Revisionen des Konstruktivismus-
Konzepts Möglichkeiten für eine weniger verhärtete Auseinandersetzung zwischen Konstruk-
tivisten und ‚Realisten‘ in der Kommunikationswissenschaft. Für weniger radikale und nicht
letztlich ontologisch begründete Konstruktionsmodelle lassen sich in der Entwicklung der
Sozial- und Kommunikationswissenschaft Anknüpfungspunkte finden – z.B. das Kommunika-
tionsmodell des Symbolischen Interaktionismus, etliche Annahmen der Medienwirkungsfor-
schung (v.a. im Nutzenansatz) und die Nachrichtenwerttheorie, die Journalisten den Status von
Konstrukteuren der ‚Wirklichkeit‘ zuweist.212 Vor allem im Hinblick auf die Debatte über die
Objektivität journalistischer und medialer Berichterstattung – ein praxisbezogener Kernbereich
der Journalistik – haben konstruktivistische Annahmen Gewicht. Durch die Verknüpfung der
individuellen Unterscheidungen zur Konstruktion mit einem als geteilt unterstellten Wirklich-
keitsmodell zeichnet die jüngere konstruktivistische Theorie jedenfalls eine Instanz aus, der
gegenüber sich Journalisten verantwortlich zeigen müssen und die ihnen den Rückzug auf die
Unhintergehbarkeit individueller Konstruktionen sozial nicht mehr ermöglicht.213
Ein Beispiel dafür ist auch die aktuelle konstruktivistische Begründung der Journalistik
durch Pörksen: Eindringlich skizziert er, das Potenzial der Journalistik, den Journalismus
„informierend zu irritieren“.214 Er legt seiner Argumentation das Konzept eines diskursiven
Konstruktismus zugrunde, in dem eine „Ebene des sozialen Konsensus“215 als Referenz
mitgedacht wird, um nicht nur den Realismus zum Beispiel des kritischen Rationalismus,
sondern auch den epistemologischen Solipsismus anderer Konstruktivismus-Modelle zu
vermeiden. Eine solche kommunikativ und kulturell fundierte Variante des Konstruktivismus
ist durchaus anschlussfähig an eine – aus realistischer Sicht, aber sozialkonstruktivisisch
informiert entwickelte – Konsenstheorie der Wahrheit, wie sie in der ‚Theorie des kommunika-
tiven Handelns’ vorgelegt wird. Auch in solchen Ansätzen – und insbesondere in ihrer Kom-
bination – kann künftig das Fundament für eine Revitalisierung handlungstheoretischer Jour-
nalismus-Konzeptionen gefunden werden.
Die seit den 1980er Jahren festzustellende Tendenz zu einer stärkeren Theoretisierung der
Journalistik wird angesichts der skizzierten Probleme nicht ausschließlich durch die systemthe-
oretischen Entwürfe ausgelöst und abgedeckt. Handlungstheoretische Entwürfe sind in letzter
Zeit wieder vermehrt anzutreffen, auch wenn sie im Vergleich zur breiten Rezeption und
Verarbeitung der Luhmannschen Systemtheorie relativ unterentwickelt erscheinen.216 Mittler-
211 Zumal erhebliche Differenzen feststellbar sind, wenn nur Luhmanns (1984, S. 30) Systemkonzeption betrachtet
wird, die Systemen explizit empirische Evidenz zuspricht und sie im Gegensatz zum Konstruktivismus nicht
bloß als Heuristiken zur Beschreibung sozialer Zusammenhänge begreift.
212 Vgl. Burkart 1997, S. 62ff.
213 Vgl. die konstruktivistische Ethik-Konzeption in Baum/Scholl 2000 und in einer vorläufigen Version in
Weischenberg/Scholl 1995, die jeweils einen spezifischen Verantwortungsbegriff für den Journalismus zu be-
gründen versuchen.
214 Pörksen 2006, S. 336
215 Ebd., S. 184
216 Vgl. für einen Überblick Baum 2005a.
2 Theoretische Optionen 71
weile lassen sich aber undogmatische und innovative Ansätze ausfindig machen, die auf
soziologische Kategorien wie innovatives oder kommunikatives Handeln als Bezugsgrößen
abstellen.217 Vermehrt finden sich Forderungen nach einer Wiederbelebung handlungstheoreti-
scher Analysen – sei es unter Berücksichtigung des schöpferisch tätigen Subjekts218 oder unter
dessen bewusster Ausklammerung durch die Untersuchung abstrakter Handlungsmodi219. In
jüngeren journalismustheoretischen Arbeiten wird das Fehlen theoretischer Vorstellungen vom
Handeln von Journalisten zu Recht beklagt:
„Wenn die Journalismusforschung das Handeln in der sozialen Praxis journalistischer bzw. redaktioneller Zu-
sammenhänge analysieren will, muss sie dazu eine theoretische Vorstellung von den journalistisch Handeln-
den entwickeln.“220
217 Auf den publizistikwissenschaftlichen Zweig der Journalismusforschung wird an dieser Stelle nicht eingegan-
gen. Zwar vertritt dieser seit Jahrzehnten ein handlungstheoretisches Journalismusmodell, formuliert es aber
explizit nicht im Rahmen der Journalistik (vgl. Kepplinger 1979a; Donsbach 1982).
218 Vgl. Reus 1998
219 Vgl. Bucher 2000
220 Raabe 2005, S. 170
221 Ausnahmen bilden – wenn überhaupt – Arbeiten, die sich an die strukturierungstheoretischen Annahmen von
Giddens (1995) oder Schimank (2000) anlehnen. Nach Fertigstellung des vorliegenden Textes ist zudem der
Band „Journalismustheorie: Next Generation“ erschienen, in dem sich verschiedene Journalismusforscher und
Soziologen einer handlungstheoretischen bzw. integrativen Mikro-Makro-Perspektive nähern (vgl. Altmep-
pen/Hanitzsch/Schlüter 2007), leider allerdings ohne dabei das Instrumentarium der Handlungstheorie auch
nur annähernd umfassend auszuschöpfen und für eine auch normativ relevante Analyse fruchtbar zu machen.
222 Dies gilt insbesondere für die Konzeption von Fengler und Ruß-Mohl (2003; 2005a), die den journalistischen
Akteur verkürzt als individuellen Nutzenmaximierer sehen und behaupten: „Journalistenbilder gibt es viele in
der Kommunikationswissenschaft. Kratzt man ein bisschen an der Oberfläche, so lugt hinter jedem dieser Bil-
der der Journalist als aufgeklärter Homo oeconomicus hervor.“ (Fengler/Ruß-Mohl 2003, S. 233)
223 Vgl. Neuberger 2000b
224 Baum 2005a, S. 101
225 Diese sind auch dem Umstand geschuldet, dass handlungstheoretische Journalismus-Entwürfe wie die von
Fabris (1979), Gottschlich (1980) oder Baum (1994) nach wie vor unterrezipiert sind.
226 Vgl. Pöttker, 1996; 2000d
227 Vgl. Pöttker 1997
228 Vgl. Pöttker 2000a
72 II Zur Verortung des Journalismus
xivität gegenüber dem eigenen Handeln und die gesellschaftlich selbstregulierende Interaktion
zwischen Subjekten und Institutionen historisch-hermeneutisch in den Mittelpunkt rücken.
Nicht selten ziehen solche Ansätze systemtheoretische Modelle als Kontrastfolie heran, um
sich von ihnen zu distanzieren. So geht Reus davon aus, dass die Journalistik sozialwissen-
schaftlich so gefestigt ist, dass sie sich den Entfaltungsmöglichkeiten des Individuums zuwen-
den kann, ohne dabei in die Praktizismen der früheren Publizistik zurückzufallen. Vielmehr
sollte das Fach, „die Entfaltungsmöglichkeiten des Subjekts im System Journalismus“ auslo-
ten.229 Pöttker wiederum plädiert für eine stärkere Fokussierung auf die gesellschaftlichen
Aufgaben, die Journalisten mit der Ausübung ihres Berufs zu erfüllen haben, und sieht die
Journalistik entsprechend als immanent normative Disziplin.230 Und auch Pätzold fordert eine
Konzentration auf den journalistischen Beruf und sieht die Bewährungsprobe der journalistik-
wissenschaftlichen Theorie in ihrer Integration in die Praxis.231 Neverla, Grittmann und Pater
äußern den Wunsch, dass die Journalistik „[…] auf dem neuerdings eingeschlagenen Verbin-
dungsgleis von sachlich-analytischer Argumentation mit gesellschaftspolitischer Verantwortung
weiterfahren möge“.232
Den exemplarisch genannten Ansätzen ist gemein, dass sie sich gegen die einseitige Abs-
traktion von der Praxis und gegen die Annahme einer strengen Systemgrenze zwischen Journa-
lismus und Journalistik stellen – ohne aber andererseits notwendige Differenzierungen zu
untergraben. So konzediert Reus zwar ausdrücklich, dass die Journalistik eine sozialwissen-
schaftliche Grundierung benötige und dass die Abkehr von der praktizistischen Begabungs-
ideologie Dovifats ein richtiger Schritt gewesen sei, zugleich aber formuliert er Zweifel an der
notwendigen Konsequenz dieser Entscheidungen.233 Er fordert, den Journalisten nicht aus der
Verantwortung zu entlassen, indem alles zum System werde und die Abstraktion das Indivi-
duum verschwinden ließe. Dabei plädiert er nicht für eine zur Gänze alternative, sondern für
eine vorwiegend ergänzende Betrachtungsweise, die die systemische Perspektive um die
Analyse der „Leistung von Individuen“ und der „Entfaltungsmöglichkeiten des Subjekts im
System Journalismus“ erweitern könne.234
„Die kulturelle Leistung von Journalismus besteht wohl eher in der Vermittlung, der Übersetzung, der Inter-
pretation von Realität. Diese Interpretation braucht das Subjekt. Dieses Subjekt […] handelt im System Jour-
nalismus. Aber [es] handelt um so schöpferischer, je eigenständiger [es] – korrekt und aktuell informierend –
seinen Spielraum nutzt.“235
Mit diesem analytischen Vorschlag verbindet Reus die normative Absicht, „[…] die Persön-
lichkeit gegen jene Mechanismen des Berufs zu stärken, die Kreativität und Mut behindern“.236
Damit vertritt er eine Position, die Pätzold bereits in den 1980er Jahren formuliert, als er die
Journalistik dezidiert als eine „kritische Wissenschaft“ konzipiert, deren empirisch-analytische
Ergebnisse Aufschlüsse über Handlungsräume und -möglichkeiten der Journalisten gäben und
die damit mehr seien, als nur deskriptiv-systematische Darstellungen.237 Die Journalistik
thematisiere vielmehr permanent Widersprüche zwischen Normen und Realität, genauer:
zwischen dem Bild von Journalismus, das durch die Journalisten selbst oder durch Normkon-
texte wie das Verfassungsrecht und die Demokratietheorie gezeichnet werde, auf der einen
Seite und der Wirklichkeit des aktuellen Medienhandelns, wie es empirisch erfasst werden
könne, auf der anderen Seite.
„Kurz, die Journalistik kommt nicht umhin, vom Widerspruch zwischen Journalismus als Aufklärung und
Medien als gesellschaftlichen Trivialisierungsinstrumenten auszugehen. Für die Aufklärung spricht der empi-
rische Zustand unserer Gesellschaft. Für Trivialisierung spricht der empirische Zustand unseres Massen-
kommunikationssystems. Die aufklärerischen Traditionen zur stärken und zu fördern in einem zunehmend
trivialisierenden Massenkommunikationssystem ist die praktische Aufgabe der Journalistik, von journalisti-
scher Aus- und Weiterbildung.“238
Für Pöttker liegt die Chance der Journalistik, eine für die Fachidentität bestimmende Perspek-
tive zu finden, in ihrer Konzentration auf die Berufsorientierung, die zwischen Journalistik und
Journalismus ein ähnliches Verhältnis etablieren kann wie es die Medizin zum Arztberuf bereits
seit Jahrhunderten pflegt.243 Aus derartigen Analogien, von denen die Begründungen der
handlungstheoretischen Journalistik-Ansätze durchwirkt sind, lässt sich auf ein spezifisches
Theorie-Praxis-Verhältnis zwischen Wissenschaft und Untersuchungsgegenstand schließen, das
eben ganz bewusst nicht nur von abstrakt empirisch-analytischer Beobachtung des Journalis-
mus ausgeht, sondern die Wissenschaft der Journalistik von vornherein darauf verpflichtet, für
einen besseren Journalismus durch bessere Ausbildung zu sorgen.
Die Journalistik fungiert dann als Instrument „einer zwanglosen, vernunftgeleiteten, also
durch wissenschaftliche Fundierung bewerkstelligten Korrektur“ journalistischer Fehlleistun-
gen.244 Zentral an dieser Annahme ist, dass erst die Wissenschaftlichkeit der Analyse dazu
beitragen kann, dass diese Fehler erfolgreich aus der Welt geschafft werden.
„Die Journalistik kann offenbar nur dann die Berufswirklichkeit beeinflussen, wenn die Praktiker die Erfah-
rung machen, daß sie über nützliche, d.h. innovative und zutreffende Erkenntnisse verfügt. Wie innovativ
und zutreffend ihre Erkenntnisse sind, hängt wiederum davon ab, in welchem Maße die Regeln der systemati-
schen Empirie und der Logik befolgt werden; mit einem Wort: Es hängt ab von der Wissenschaftlichkeit der
Journalistik.“245
Auf diesen Weg haben sich einige der journalistischen Handlungstheoretiker gemacht. Sie
haben aber – anders als die Systemtheoretiker – noch keine geschlossenen Konzeptionen des
Faches oder seines Gegenstandes vorgelegt, die das Potenzial ihres Ansatzes weiter ausschöp-
fen würde. Erkennbar ist allerdings, dass jüngere theoretische Entwürfe in Richtung integrati-
ver Modelle zielen, die system- und handlungstheoretische Aspekte miteinander verknüpfen.246
Diesen Versuchen geht es vornehmlich darum, dass der in der systemtheoretischen Journalistik
weitgehend ignorierte Zusammenhang zwischen dem Journalismus und den journalistisch
Handelnden durch die Entwicklung entsprechender theoretischer Perspektiven wieder in den
Blick genommen werden kann. In dieser Hinsicht soll auch die in der vorliegenden Arbeit
angeregte Adaption des Habermasschen Modells kommunikativen Handelns weiterführen.247
Ein Konzept verständigungsorientierter Humankommunikation soll als Grundlage für eine
Beschäftigung mit massenmedial vermittelter Kommunikation genutzt werden, um darauf
aufmerksam zu machen, dass auch medial vermittelte Kommunikation (gesellschaftlicher)
Verständigung dient.248 Diese letztlich lebensweltlich orientierte Kommunikation steht dabei
243 Vgl. ebd., S. 233. Ganz so wie die wissenschaftliche Medizin neue und effektivere Heilmethoden erforscht, mit
dem Ziel die praktischen Leistungen der Ärzte zu verbessern, soll es demnach Aufgabe der Journalistik sein,
Journalisten zur bestmöglichen Erfüllung ihrer Aufgabe anzuleiten.
244 Ebd., S. 234
245 Ebd., S. 234
246 Beispiele sind die Studien von Raabe 2005; Neuberger 2000b; Altmeppen 2000. Auch Scholl und Weischenberg
(1998, S. 156) bemühen sich anhand des Konzepts der strukturellen Kopplung darum, Journalisten als Akteure
zum journalistischen System in Beziehung zu setzen, wenngleich sie weiterhin theorienotwendig ‚Umwelt‘ des
Systems verbleiben.
247 Deshalb wird an dieser Stelle nicht weiter – wie in der Auseinandersetzung mit der Systemtheorie – auf einzelne
handlungstheoretische Arbeiten und ihre Grundfiguren eingegangen, sondern sie werden im Verlauf der Argu-
mentation jeweils zur Entwicklung eines handlungstheoretischen Verständnisses ausgiebig herangezogen.
248 Vgl. Lang 1993. Burkart regt ebenfalls die stärkere Berücksichtigung der Habermasschen Gesellschaftstheorie
durch die Kommunikationswissenschaft an (vgl. für den Journalismus: Burkart 1998b; für PR: Burkart/Probst
1991) , während Baum (1994) sich in seiner Analyse der Journalismusforschung bereits systematisch auf die Be-
grifflichkeiten und Modelle von Habermas gestützt hat.
3 Wissenschaftstheoretische Fundamente 75
Im Rahmen eines kommunikativen Paradigmas nach Habermas lässt sich eine handlungstheo-
retische Journalistik begründen, die zugleich nicht nur normativ-praktischen, sondern darüber
hinaus gehend kritisch-emanzipatorischen Gehalt entfalten kann. Um dies näher zu begründen,
ist ein Rückgriff auf die wissenschaftstheoretische Verortung der Kommunikationswissen-
schaft und der Journalistik notwendig, um zu verdeutlichen, welche Probleme und Potenziale
eine solche kritische Herangehensweise an Fragen journalistischer Kommunikation beinhalten
kann. Ob sich mit Habermas die Theorie der Journalistik in die journalistische Praxis hinein-
tragen lässt und umgekehrt, die Theorie wieder für Praxis, die Journalistik wieder für den
Journalismus relevant wird – das sind zentrale Fragen des vorliegenden Projekts.
3 Wissenschaftstheoretische Fundamente
Die Skizze einiger derzeit von der Journalistik genutzter theoretischer Optionen hat gezeigt,
dass einerseits die Integration von Theorie und Praxis auf der Basis systemtheoretischer
Entwürfe kaum zureichend geleistet werden kann und dass andererseits handlungstheoretische
Entwürfe nicht so weit entwickelt sind, dass sie in normativ-praktischer oder kritisch-emanzi-
patorischer Absicht eine eigene Theorie des Journalismus formuliert hätten. Ursachen für diese
communication research‘ gestaltet.259 Die in den USA erprobten Methoden und Techniken
schienen den für eine sozialwissenschaftliche Orientierung des Faches eintretenden Wissen-
schaftlern als alternativlose Möglichkeit, den Individualismus, Historizismus und Praktizismus
der älteren Fachvertreter zu überwinden.260 Gleichzeitig und eng mit der Ausrichtung auf
empirisch-analytisch zu bestimmende Regelmäßigkeiten im sozialen Ablauf verbunden beginnt
der Aufstieg systemtheoretischen Denkens – zunächst in der funktionalen Publizistikwissen-
schaft261, kurze Zeit später dann auch in der empirischen Journalismusforschung.262
Mit dieser zunächst als Modernisierung begriffenen Adaption eines empirisch-analytischen
Wissenschaftsverständnisses gerät die sozialwissenschaftliche Kommunikationswissenschaft
allerdings in die Gefahr, ihre Bindung an die Philosophie und an hermeneutisch zu bearbeiten-
de (normative) Fragen des Verstehens zu lösen und so zum Teil auch das Webersche Erbe der
verstehenden Sozialwissenschaft preiszugeben.263 Sie rückt einen Schritt von der Praxis weg,
die sich ebenfalls hermeneutischer Methoden bedient, um im alltagssprachlichen Dialog zu
Verständigung zu gelangen264, und der es in ihrem Handeln um eben jene Sinnbezirke geht, die
durch empirisch-analytische Methoden nur schwerlich zu erreichen sind. So lassen sich die
eingangs bereits beleuchteten Ursachen der konstatierten Verständigungsschwierigkeiten
zwischen Wissenschaft und Kommunikationspraxis begrifflich präziser benennen.265
259 Von besonderer Bedeutung waren Maletzkes (1963) Synopse „Psychologie der Massenkommunikation und der
Sammelband von Schramm (1968) über „Grundfragen der Kommunikationsforschung“. Wenig beachtet wur-
den indes die deutschen Vorläufer einer sozialwissenschaftlichen Orientierung: Eine sozialwissenschaftliche
Konzeption kann bis zu den Vorschlägen Max Webers für eine Presse-Enquete aus dem Jahr 1910 zurückge-
führt werden (vgl. Weber 1986 [1911]; vgl. auch Kutsch 1988). Auch Groth hatte mit seiner Dissertation über
„Die politische Presse Württembergs“ eine Studie vorgelegt, die sich an den Forderungen Webers orientierte
(vgl. zu dieser Arbeit Eberhard 1965b). Und Everth forderte schon 1927 die verstärkte Ausrichtung der Zei-
tungswissenschaft an der Empirie; mithin „eine wirklich wissenschaftliche, das heißt sachliche und nüchterne
Betrachtung“ der Presse: „Bisher leiden wir noch an einem Übermaß von Gefühlsurteilen.“ (Everth 1927, S. 4)
Auch in den Arbeiten von Jäger (1926a) oder Schöne (1928) finden sich Hinweise auf sozialwissenschaftliche
Konzeptionen. Überhaupt bildete sich im Spannungsfeld von Soziologie und Zeitungswissenschaft in den 20er
Jahren ein innovatives sozialwissenschaftliches Forschermilieu, dessen Protagonisten in den 1930er Jahren zur
Emigration gezwungen wurden (vgl. Averbeck 2001; 1999). Vgl. für die Hinwendung der Kommunikationswis-
senschaft zum empirischen Paradigma auch die Ausführungen in Bussemer 2005, S. 249ff.
260 Vgl. Ronneberger 1978a, S. 13
261 Vgl. Dröge 1966; 1967
262 Vgl. Rühl 1969
263 Weber (1980 [1921], S. 7) hatte der Sozialwissenschaft die Aufgabe zugeschrieben, das soziale Handeln und
seinen subjektiven Sinns deutend zu verstehen: „Wir sind ja bei ‚sozialen Gebilden‘ (im Gegensatz zu ‚Orga-
nismen‘) in der Lage: über die bloße Feststellung von funktionalen Zusammenhängen und Regeln (‚Gesetzen‘)
hinaus etwas aller ‚Naturwissenschaft‘ (im Sinn der Aufstellung von Kausalregeln für Geschehnisse und Gebil-
de und der ‚Erklärung‘ der Einzelgeschehnisse daraus) ewig Unzugängliches zu leisten: eben das ‚Verstehen‘ des
Verhaltens der beteiligten Einzelnen, während wir das Verhalten z.B. von Zellen nicht ‚verstehen‘, sondern nur
funktionell erfassen und dann nach Regeln seines Ablaufs feststellen können. Diese Mehrleistung der deutenden
gegenüber der beobachtenden Erklärung ist freilich durch den wesentlich hypothetischeren und fragmentari-
scheren Charakter der durch Deutung zu gewinnenden Ergebnisse erkauft. Aber dennoch: sie ist gerade das
dem soziologischen Erkennen Spezifische.“
264 Vgl. Habermas 1982 [1970], S. 331
265 Insofern kann ein präziser Rückgriff auf Dovifat heute noch Relevanz beanspruchen, da er für den engen
Zusammenhang von Interpretation und Normativität auf der einen und Praxisrelevanz auf der anderen Seite
sensibilisiert. Dovifat (1956, S. 9) verweist auf unmittelbare Gegenwartsaufgaben, denen die Publizistikwissen-
schaft „anhand historischer und phänomenologischer Studien zu genügen sucht“ und mit denen sie „unmittel-
bar in das Tagesgeschehen“ wirkt. Auch in der normativen Journalismusforschung Roegeles (2000) lassen sich
diesbezüglich wichtige Anschlusspunkte finden.
78 II Zur Verortung des Journalismus
Ein ‚kritischer‘ sozialwissenschaftlicher Ansatz wendet sich sowohl gegen den Positivismus der
empirisch-analytischen Ansätze als auch gegen die Einzelfall-Semantik der Hermeneutik und
ordnet stattdessen beide einer Analyse der gesellschaftlichen Verhältnisse unter. Er erweitert
die ‚klassische‘ sozialwissenschaftliche Forschung um die Dimension der Kritik bestehender
Verhältnisse und des Verweises auf eine ‚jenseits‘ dieser Verhältnisse liegende kontrafaktische
oder gar ‚utopische‘ Dimension. Die einem solchen Konzept zugrunde liegende Kritische
Theorie ist von Horkheimer bereits in den 1920er Jahren maßgeblich formuliert worden. Sie
steht quer zu jedem ‚modernen‘ Verständnis einer ‚wertfreien‘ traditionellen Theorie und
beruht auf einem normativen und emanzipatorischen Programm:
„Wenn das Aufstellen von Theorien im traditionellen Sinn einen gegen andere wissenschaftliche und sonstige
Tätigkeiten abgegrenzten Beruf in der gegebenen Gesellschaft ausmacht und von historischen Zielsetzungen
und Tendenzen, in die ein solches Geschäft verflochten ist, gar nichts zu wissen braucht, folgt die kritische
Theorie in der Bildung ihrer Kategorien und allen Phasen ihres Fortgangs ganz bewußt dem Interesse an der
vernünftigen Organisation der menschlichen Aktivität, das aufzuhellen und zu legitimieren ihr selbst auch
aufgegeben ist. Denn es geht ihr nicht nur um Zwecke, wie sie durch die vorhandenen Lebensformen vorge-
zeichnet sind, sondern um die Menschen mit all ihren Möglichkeiten.“271
Die Verbesserung der Gesellschaft wird aus dieser Perspektive zu einer permanenten Aufgabe
auch des Sozialwissenschaftlers, dem eine Rückzugsmöglichkeit auf das vermeintlich teil-
nahmslose Sammeln und Aggregieren von Daten nicht mehr gelassen wird. Schon 1941 hat
Lazarsfeld in Auseinandersetzung mit Horkheimers Thesen die Kritische Theorie zum Anlass
genommen, der in den USA vor allem von ihm selbst aufgebauten und betriebenen administra-
tiven Kommunikationsforschung ein kritisches Pendant zur Seite zu stellen.272
„Wer heute kritische Analyse der modernen Kommunikationsmedien betreibt, wird Rundfunk, Film und
Presse betrachten und folgende Fragen stellen: Wie sind diese Medien organisiert und wie werden sie kontrol-
liert? Wie stark sind innerhalb ihres institutionellen Gefüges die Tendenzen zu Konzentration, Standardisie-
rung und Druck durch Werbung ausgeprägt? In welcher Form und wie versteckt auch immer bedrohen sie
menschliche Werte? Er wird feststellen, daß es die Hauptaufgabe der Forschung sein muß, die meist unab-
sichtliche und oft sehr subtile Art aufzudecken, in der diese Medien die von ihm als bedauerlich empfunde-
nen sozialen Verhaltensweisen und Lebensgewohnheiten beeinflussen.“273
271 Horkheimer 1992b [1937], S. 262; vgl. zur Einführung: Dubiel 2001; Honneth 1987; van Reijen 1986; Wig-
gerhaus 1988.
272 Vgl. Lazarsfeld 1973. Sein Text ist zunächst 1941 in der Zeitschrift des damals längst emigrierten Instituts für
Sozialforschung in den USA publiziert worden (vgl. zur Bedeutung Lazarsfelds für die Kommunikationswis-
senschaft Bussemer 2007 sowie die Beiträge in Langenbucher 1990). In Deutschland ist der Text übersetzt
erstmals über 30 Jahre später in einer Anthologie von Prokop (1973b) zur kritischen Kommunikationsfor-
schung aufgelegt und einseitig vereinnahmt worden. Vgl. zudem grundlegend Kausch 1988.
273 Lazarsfeld 1973, S. 18
274 Auf Resonanz stießen diese Vorschläge bei den bundesdeutschen Kommunikationsforschern, die rund 25 Jahre
später auf den Plan traten und sich dabei an den US-Vorbildern orientierten, nicht. Sie schotteten sich zunächst
erfolgreich von beinahe jeder kritischen Perspektive ab und legten ihren Forschungen und Prognosen das gän-
gige „sozialtechnologische Verständnis gegebener gesellschaftlicher Bedingungen“ zugrunde (Tei-
chert/Renckstorf 1974, S. 138). Während ökonomische und technische Fragen in zahlreichen Studien themati-
siert wurden, blieben darüber hinaus reichende politische oder soziale Zusammenhänge unberücksichtigt.
80 II Zur Verortung des Journalismus
275 So die Kritik z.B. von Baum/Hachmeister 1982; Eurich 1977; Teichert/Renckstorf 1974
276 Für dieses Postulat wird immer wieder Weber (19887 [1922]) als Kronzeuge herangezogen. Vgl. dazu kritisch
von Ferber 1965, S. 165ff.; Pöttker 1997, S. 7. Weber meint aber mit seinem berühmten Aufruf, auf ‚Katheder-
wertungen‘ zu verzichten, zunächst, dass Professoren davon Abstand zu nehmen haben, ethisch-politische
Kommentare mit einem wissenschaftlichen Wahrheitsanspruch zu versehen. Er räumt dagegen ausdrücklich
ein, dass die Auswahl des untersuchten Gegenstandes und die Fragestellung Ausfluss von Wertbeziehungen
seien (vgl. Weber 19887 [1922], S. 489ff.). Weber fordert dazu auf, Wertfragen offen zu legen und zu diskutie-
ren. Dadurch bleiben sie in ihrer Revidierbarkeit und Kontingenz erkennbar und können Beobachtungen und
Argumente sinnvoll ergänzen (vgl. Pöttker 1997, S. 7). Eine vergleichbare Position vertritt heutzutage Haber-
mas (1999, S. 321), wenn er der Philosophie nicht mehr die Kompetenz zuspricht, in materieller Hinsicht das
Gute und Gerechte zu bestimmen, sondern sie darauf beschränkt, Verfahren auszuweisen, die in der Lage sind,
in der Praxis zu Entscheidungen zu gelangen, die diesen Kriterien genügen.
277 Unter Positivismus ist allgemein ein Wissenschaftsverständnis zu verstehen, das sich „engstens an das Weltbild
und die Methoden der Naturwissenschaften“ anlehnt und nur durch Erfahrung kontrollierbare Aussagen zu-
lässt (Schischkoff 1991, S. 578). Der Positivismus (zu dem in der Regel, wenngleich nicht unumstritten, auch
der kritische Rationalismus nach Popper (1969; 1972) gezählt wird) unterstellt eine an den theoretischen Na-
turwissenschaften ausgerichtete Einheitswissenschaft als erreichbar, deren Methodiken für alle Disziplinen Gül-
tigkeit besitzen. Die hermeneutische Interpretation des Einzelfalls wird in den Vorhof der Wissenschaft verwie-
sen. Wissenschaft hat sich auf das Testen von Hypothesen anhand empirischen Materials zu beschränken.
278 Vgl. Adorno u.a. 1972
279 Vgl. Baum 1994, S. 25
280 Vgl. Schischkoff 1991, S. 139. Dialektik ist im Hegelschen Sinne „[…] nichts anderes als die Entwicklung der
Begriffe nach eigener innerer Gesetzmäßigkeit (von der Thesis zur Antithesis und weiter zur Synthesis) und, da
in den Begriffen das Sein gegeben ist, die Entwicklung des Seins überhaupt“ (Schmidt 1931, S. 84).
3 Wissenschaftstheoretische Fundamente 81
geprägt sei, die eine eindeutige, mithin ‚positive‘ Erkenntnis nicht ermöglichten.281 Kerngedan-
ke ist die ‚totalitäre Einheit‘ des Gesellschaftlichen und die daraus folgende Unmöglichkeit,
isolierte Einzelphänomene ohne Rückbezug auf das Gesellschaftsganze zu untersuchen.282
Eine solche Dialektik rechnet sich in ihrer Methodik eher der Hermeneutik zu, da sie Fragen
des Sinns nicht als heuristisch betrachtet, sondern als konstitutiv für ihre normativ geleiteten
Interpretationen des gesamtgesellschaftlichen Lebenszusammenhanges annimmt.283 Die
Kritische Theorie stellt damit einer positivistischen Soziologie, die sich als auf Einzelfälle
anwendbare, falsifizierbare Theorie im gedachten Rahmen einer einheitswissenschaftlichen
Methodik versteht, ein Verständnis von Sozialwissenschaft entgegen, das von einer Theorie der
Gesellschaft ausgeht, die eine dialektisch verstandene und geschichtsphilosophisch deduzierte
Totalität zu fassen versucht.284
Aus heutiger Sicht erscheint die Ausschließlichkeit dieser Positionen als ein Übergangsphä-
nomen285; der Streit um die Stellung von Werturteilen kann gar als erledigt gelten.286 Es ist mit
Burkart als plausibel zu unterstellen, dass es sich bei Unterscheidungen zwischen normativer
und empirischer Wissenschaft weitgehend „um analytische Zergliederungen eines in Wirklich-
keit ineinander verschränkt auftretenden Prozesses“287 handelt. Diese Perspektive setzt einer-
seits die Möglichkeit voraus, diese analytische Trennung vorzunehmen, und kommt so den
Positivisten entgegen, geht aber gleichermaßen mit den Dialektikern davon aus, dass Handlun-
gen, auch wissenschaftliche Forschung, wie vermittelt auch immer, mit Werturteilsfragen
verknüpft sind. Möglich ist eine solche vermittelnde Position, nachdem der radikale Totalitäts-
gedanke der Dialektiker angesichts der Komplexität und der Ausdifferenzierung moderner
Gesellschaften aufgeweicht worden ist. Erst dann kann eine kritische Position akzeptieren,
dass der Versuch der analytischen Trennung von empirischer Analyse und kritischer Bewer-
tung keinesfalls in kritiklosem Empirizismus und Positivismus enden muss.288 Letztlich bedeu-
tet diese Trennung, dass die Werturteilsgebundenheit explizit und nachvollziehbar sein muss,
um eine voluntaristische und dezisionistische Normativität zu vermeiden.
In der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft sind derartige Fragen der Komple-
mentarität und Konkurrenz von gegenwartswissenschaftlicher Forschung und empirisch-
sozialwissenschaftlicher Methodik auf der einen und gesellschaftswissenschaftlicher Theorie im
historischen Kontext auf der anderen Seite auf einer weit weniger abstrakten Ebene verhandelt
281 Auch in den Hypothesen, die dem kritischem Rationalismus (vgl. grundlegend Popper 1969) als widerlegt
gelten, steckt folglich noch ein bewahrenswerter Kern, da sie ansonsten ja gar nicht hätten aufgestellt werden
können (vgl. dazu kritisch Popper 1965, S. 264f.)
282 Vgl. Adorno 1972 [1957], S. 82. Für Habermas (1972a, S. 156) bedeutet Dialektik in einem bereits methodisch
entschlackten Sinne, „[…] daß der von Subjekten veranstaltete Forschungsprozeß dem objektiven Zusammen-
hang, der erkannt werden soll, durch die Akte des Erkennens hindurch selbst zugehört. Diese Einsicht setzt
freilich Gesellschaft als Totalität voraus, und Soziologen, die sich aus deren Zusammenhang reflektieren.“
283 Vgl. Habermas 1972a, S. 164
284 Vordergründig standen dabei unterschiedliche Beurteilungen des Beziehungsgeflechts von Empirie, Theorie
und normativen Werturteilen im Mittelpunkt. Darüber hinaus aber scheint die Differenz zwischen den beiden
Hauptkontrahenten Popper und Adorno auf einer mindestens in Teilen ‚politisch‘ motivierten Ebene gelegen
zu haben (vgl. Wiggershaus 1988, S. 633).
285 Vgl. Atteslander 1995, S. 389; zur Distanzierung von dem damaligen Streit vgl. Habermas 1982, S. 9.
286 Vgl. Peters 2000, S. 288f.
287 Burkart 1998a, S. 529
288 Popper geht davon aus, dass Wissenschaft mit der Entdeckung (theoretischer oder praktischer) Probleme
beginnt und sich in ihren Anstrengungen auf die Lösung solcher Probleme konzentriert; dazu schlägt sie Lö-
sungen vor, die sich dann im empirischen Test entweder bewähren oder aber verworfen werden (vgl. Popper
1972; Burkart 1998a, S. 408ff.).
82 II Zur Verortung des Journalismus
worden. Das zeigt beispielhaft der ‚Gehalt‘ des ‚kleinen Positivismusstreits‘ zwischen Eberhard
und Dovifat in den 1960er Jahren289: Eberhard forderte, dass die Publizistikwissenschaft
induktiv über die Empirie zur Theorie gelangen müsse und dass ihr dazu nur der Weg der
Einzeluntersuchungen offen stehe; sie dürfe nicht zu einer „normativen Wissenschaft ausar-
ten“.290 Gegen diesen vereinfachend empiristischen Standpunkt wehrte sich Dovifat, indem er
sich frontal gegen die Werturteilsfreiheit wandte und letztlich Ideologiekritik von der Publizis-
tikwissenschaft forderte, die sich gegen Propaganda und gegen eine ‚skrupellose Psychologie‘
zu richten habe.291
Interessant an dieser frühen Kontroverse in der Publizistikwissenschaft ist die Verschie-
bung der Konfliktlinien im Vergleich zur zeitgleichen Auseinandersetzung in der Soziologie:
Während dort eine sich ‚progressiv‘ orientierende Dialektik gegen den kritischen Rationalismus
anzugehen gedachte, indem sie den wertenden Rückgriff auf eine unterstellte gesellschaftliche
Totalität und eine enge Bindung an die philosophische Hermeneutik gegen die methodologisch
orientierte Einzelfallforschung verteidigte292, verband sich der Ruf nach wissenschaftlicher
Aufklärung gesellschaftlicher Verhältnisse in der Publizistikwissenschaft mit scharfer Kritik an
der historisch-hermeneutischen Methode des Faches und mit der Forderung nach empirisch-
analytischen Studien. Das Seil zu einer als antiquiert verstandenen vorwiegend an Einzelfällen
und Berufsbiographien orientierten Wissenschaft sollte gekappt werden. Hier fand also eher
ein nachgeholter Werturteilsstreit – letztlich eine „klassisch positivistische Wendung“293 – statt,
da sich die Kritik Eberhards an Dovifats freimütigen professoralen ‚Kathederwertungen‘
entzündete, deren wissenschaftliche Begründbarkeit ebenso sehr im Dunkeln blieb, wie sie
andererseits den Anschein höchstmöglicher Autorität in Anspruch nahmen. An deren Stelle
setzte Eberhard jenes normativ entschlackte einheitswissenschaftliche Verständnis, dass die
‚Dialektiker‘ in der Soziologie bereits als positivistisch bekämpften.
Die wissenschaftstheoretische Selbstreflexion der Kommunikationswissenschaften war
somit lange Zeit verkürzt auf die Alternativen eines geisteswissenschaftlich fundierten Norma-
tivismus der herkömmlichen Publizistikwissenschaft und eines sozialwissenschaftlich fundier-
ten Empirizismus der in den 1960er Jahren emergierenden Kommunikationswissenschaft.294
Erst in den 1970er Jahren bringt es eine auf Defizite des Positivismus zielende ‚kritische
Baum und Hachmeister verweisen in diesem Zusammenhang auf die konstruktive Überfüh-
rung der verhärteten Positionen des ‚Positivismusstreits‘ in eine Lehre verschiedener Erkennt-
nisinteressen. Dabei geht es um den von Habermas unternommenen Versuch, wissenschaftli-
295 Für die Kommunikationswissenschaft gilt: „Hinter dem Begriff ‚Kritische Theorien‘ verbergen sich verschiede-
ne Gruppierungen, die sich zwar in einer Reihe von Grundfragen einig sind, in Einzelaspekten aber zum Teil
beträchtlich voneinander abweichen und sich nicht selten heftig befehden.“ (Maletzke 1998, S. 131) Vgl. auch
Kausch 1988 zu den theoretischen Vorläufern kritischer Massenmedien-Analyse.
296 Baum/Hachmeister 1982, S. 209; vgl. auch Aufermann/Bohrmann/Sülzer 1973 sowie Oy 2001.
297 Baum/Hachmeister 1982, S. 211; vgl. für eine solche kritische empirische Forschung Holzer 1971; 1973.
298 Doch davon war die Disziplin in ihrer Mehrheit weit entfernt. Stattdessen dominierte ein unkritisch-
instrumentelles Forschungsverständnis: „Der Primat praktisch-administrativer Desiderate und die sich daraus
ergebende Instrumentalisierung des Forschungsprozesses reißt […] Problemgegenstand und Methode ausein-
ander. Die Methode erlangt Vorrang vor der Sache, und es entwickelt sich eine Art Forschungs-Bürokratie mit
einem gestörten Verhältnis zur empirischen Praxis.“ (Eurich 1977, S. 344)
299 Vgl. Pätzold 1975; Rager 1978
300 Vgl. die Beiträge in Bentele/Ruoff 1982; siehe dazu auch Abschnitt III.4.4 der vorliegenden Arbeit.
301 Vgl. Rager 1973
302 Baum/Hachmeister 1982, S. 205
84 II Zur Verortung des Journalismus
Die fundamentalen, vorwissenschaftlichen Interessen, die den Verlauf der Forschung beein-
flussen, sind phänomenologisch im Vorverständnis der Forschenden verankert, das zwar
hermeneutisch explizierbar, gleichwohl aber nicht in den Begrifflichkeiten einer vermeintlich
wertfreien Wissenschaft zu fassen ist. Die spezifischen Erkenntnisinteressen sind – das kann
Habermas angesichts der noch unterstellten Verbindung von gesellschaftstheoretischen und
methodologischen Fragen annehmen – bestimmten Ausformungen wissenschaftlicher Er-
303 Vgl. zum Folgenden Habermas 1969, S. 146ff.; 1973b. Pöttker (1995, S. 126) weist darauf hin, dass sich
Vorläuferüberlegungen zu einer Typologisierung unterschiedlicher Erkenntnisinteressen bereits bei Geiger
(1949) finden lassen.
304 Vgl. dazu Habermas 1972a.
305 Habermas (2000, S. 20) hat jüngst darauf verwiesen, dass die Konzeption der Erkenntnisinteressen auch darauf
gerichtet war, sich nicht nur gegen den Positivismus, sondern auch gegen den Antiszientismus und den Traditi-
onalismus der Hermeneutik abzugrenzen.
306 Habermas 1969, S. 162
307 Vgl. Horkheimer 1992b [1937], S. 262
308 Habermas 1972a, S. 180
3 Wissenschaftstheoretische Fundamente 85
kenntnissuche inhärent. So führt die Entäußerung jeder Form von Wertgebundenheit wissen-
schaftlicher Erkenntnis in den positivistisch verstandenen empirisch-analytischen Wissenschaf-
ten dazu, dass diese lediglich technische Interessen befriedigen können. Weder reichen sie an
das Selbstverständnis handelnder Individuen heran, noch können sie durch Gesellschaftskritik
emanzipative Wirkungen entfalten – diese Beschränkung ist ihren eigenen Methoden und ihrer
wissenschaftstheoretischen Selbstbeschränkung immanent. Insofern können sowohl histo-
risch-hermeneutische als auch kritisch-emanzipatorische Ansätze als Erweiterungen eines
empirisch-analytischen Wissenschaftsverständnisses angesehen werden. Beide berücksichtigen
subjektiven Handlungssinn, wobei ‚kritische‘ Ansätze überdies mit einem emanzipatorischen
Programm auf ‚Verbesserung‘ der Praxis zielen. Auf methodischer Ebene ist deswegen die
Abgrenzung zwischen den beiden Ansätzen nicht unbedingt trennscharf.309 Habermas reagiert
auf dieses Abgrenzungsproblem mit einer kommunikativ basierten Reformulierung epistemo-
logisch behandelter Grundfragen, um aus der idealtypischen Engführung heraus zu finden310 –
ein Vorhaben das zugleich über die Möglichkeiten eines revitalisierten Dialogs zwischen
Wissenschaft und Praxis informieren kann und Grundlage der weiteren Überlegungen sein soll.
Habermas entwickelt im Zuge der Abkehr von der Geschichtsphilosophie und der kommuni-
kationstheoretischen Reformulierung der Kritischen Theorie ein Begriffssystem, das die
Stellung des Sozialwissenschaftler sprachpragmatisch und kommunikationstheoretisch be-
stimmt: Im Vordergrund stehen nicht mehr die Erkenntnisinteressen, sondern Fragen der
Verständigung, der unterschiedlichen ‚Weltkonzepte‘, der daran orientierten Geltungsansprü-
che auf Wahrheit, Richtigkeit und Wahrhaftigkeit, die in Sprechakten erhoben werden, der
Identifizierung spezifischer Diskurse zur Prüfung und Klärung solcher Ansprüche sowie der
Erörterung des Verhältnisses von sozialwissenschaftlicher Teilnahme und Beobachtung.312
309 Wenn beide aus diesem Grund im vorliegenden Text häufig komplementär genannt werden, sollen damit aber
nicht die genannten Differenzen nivelliert werden.
310 Habermas (19714, S. 17ff.) grenzt eine kritische Soziologie durch diese kommunikative Fundierung ab vom
„Objektivismus der strengen Verhaltenswissenschaften“, vom „Idealismus der geisteswissenschaftlichen Her-
meneutik“, vom „Universalismus einer umfassend angelegten Systemtheorie“ und vom „dogmatischen Erbe
der Geschichtsphilosophie“. Diese Unterscheidung gehe, so Habermas, aus „von der eigentümlichen Stellung
des erkennenden Subjekts zu einem Gegenstandsbereich, der sich aus den generativen Leistungen sprach- und
handlungsfähiger Subjekte aufbaut und gleichwohl objektive Gewalt auch über diese Subjekte gewonnen hat“
(ebd., S. 17)
311 Burkart 1998a, S. 413
312 Vgl. Peters 2000, S. 295f. Die Perspektivverschiebung führt zu Veränderungen hinsichtlich der noch im
Positivismusstreit verhandelten Probleme: Die Unterscheidung zwischen empirischer und normativer Theorie
wird deutlicher akzentuiert. Darüber hinaus wird die Unterscheidung zwischen ‚Objektivation‘ (Vergegenständ-
lichung zum Zwecke der sozialwissenschaftlichen Untersuchung) und Hermeneutik nicht mehr weitgehend
gleichgesetzt mit der Unterscheidung zwischen Natur- und Sozialwissenschaften auf der einen und Geisteswis-
senschaften auf der anderen Seite. Vielmehr verläuft diese Differenz mitten durch die Sozialwissenschaften ent-
lang der Grenze zwischen hermeneutisch zu erfassender Lebenswelt und empirisch-analytisch zu untersuchen-
den Systemmechanismen. Mit der Annahme einer Unterscheidung von lebensweltlich und systemisch struktu-
rierten gesellschaftlichen ‚Bereichen‘ wird auch die Forderung nach der Zurückführung verdinglichter sozialer
Bereiche unter den Gestaltungsanspruch einer interaktiven Praxis suspendiert. Stattdessen akzeptiert die Kriti-
86 II Zur Verortung des Journalismus
Habermas geht davon aus, dass sich der Sozialwissenschaftler auf die Praxis und damit
auch auf ihre Probleme und Spezifika einlassen muss.313 Daraus folgt:
„[J]ede Wissenschaft, die Bedeutungsobjektivationen als Teil ihres Objektbereichs zuläßt, hat sich mit den
methodologischen Folgen der Teilnehmerrolle eines Interpreten zu befassen, der den beobachteten Dingen
nicht Bedeutung ‚gibt‘, sondern der die ‚gegebene‘ Bedeutung von Objektivationen, die nur aus Kommunika-
tionsprozessen heraus verstanden werden können, explizieren muß. Die Folgen bedrohen gerade jene Kon-
textunabhängigkeit und Wertneutralität, die für die Objektivität des theoretischen Wissens notwendig zu sein
scheint.“314
sche Theorie, dass es gesellschaftliche Bereiche der materiellen Produktion gibt, die aus den vormals spontanen
Lebenszusammenhängen herausgehoben werden. Sie geht nicht mehr davon aus, dass ‚Verdinglichungsprozes-
se‘ durch Reflexion der Totalität von Gesellschaft durchbrochen werden können, gleichwohl verteidigt sie ei-
nen Bereich der symbolischen Reproduktion der Lebenswelt gegen Kolonialisierungsversuche, sprich: gegen
eine weiter fortschreitende ‚Verdinglichung‘. Angesichts dieser Veränderungen ist es nicht mehr Aufgabe des
Sozialwissenschaftlers, ‚Verblendungszusammenhänge‘ aufzulösen. Die Frage der Manipulation, die die Kriti-
sche Theorie lange beherrscht hat (vgl. Oy 2001, S. 21ff.), verliert an Bedeutung. Vielmehr richtet sich ‚kriti-
sche‘ Sozialwissenschaft darauf, systemisch verzerrte Kommunikation zu identifizieren.
313 Vgl. Habermas 19997 [1983], S. 32ff. Eine solche Position widerspricht den Implikationen einer strikten
Trennung zwischen Laien- und Praktiker-Theorien auf der einen und sozialwissenschaftlichen Theorien auf der
anderen Seite, die von einem Teil der Kommunikationswissenschaft vertreten wird, obwohl sie Diskursmög-
lichkeiten zwischen Theorie und Praxis verriegelt. Wenn die Begriffe, Probleme und Theorien der Praxis mehr
oder minder a priori als „Erkenntnishindernisse“ apostrophiert werden, von denen sich der Sozialwissenschaft-
ler zu lösen habe (Rühl 1985b, S. 232), dann werden damit ohne theoretische Not die Dialogmöglichkeiten zwi-
schen Theorie und Praxis wieder eingeschränkt. Statt dessen lohnt es, die plausible Annahme einer notwendi-
gen ‚Dekomposition‘ und ‚Rekonstruktion‘ von Praxiserfahrung durch die Wissenschaft (vgl. Rühl 1993b, S.
87) zu verbinden mit Einsichten, die sich aus der Sicht der kommunikationstheoretisch gewendeten Kritischen
Theorie und damit aus der Sicht einer rekonstruktiv verfahrenden Sozialwissenschaft formulieren lassen.
314 Habermas 19997 [1983], S. 37
315 Vgl. Habermas 1995 [1981], Bd. 1, S. 152ff.
316 Konkreter gehören damit zum Untersuchungsgegenstand der Sozialwissenschaften alle symbolischen Gegen-
stände, die wir sprechend oder handelnd erzeugen. Dies können im Einzelnen sein:
• unmittelbare Äußerungen wie Sprechhandlungen, Zwecktätigkeiten, Kooperationen
• Sedimente dieser Äußerungen wie Texte, Überlieferungen, Dokumente, Kunstwerke, Theorien, Gegen-
stände der materiellen Kultur, Güter, Techniken usw.
• indirekt hervorgebrachte, organisationsfähige und sich selbst stabilisierende Gebilde wie Institutionen, ge-
sellschaftliche Systeme und Persönlichkeitsstrukturen (vgl. Habermas 1995 [1981], Bd. 1, S. 159).
Sie alle bestimmen den Bereich, der von den Sozialwissenschaften analysiert werden kann.
317 Habermas 1995 [1981], Bd. 1, S. 182
3 Wissenschaftstheoretische Fundamente 87
hängigen Gegenstand zur Untersuchung entgegentritt. Wissenschaft ist somit dreifach in Praxis
einbezogen: (1) Sie rekurriert auf die gleiche lebensweltliche Basis; (2) sie erhebt ihre Daten im
kommunikativen Austausch mit sozialen Akteuren; und (3) sie muss zu den kommunikativen
Geltungsansprüchen, mit denen sie konfrontiert ist, Stellung beziehen.
(1) Rekurs auf Lebenswelt: Eine sozialwissenschaftliche Analyse bleibt eng mit dem sozialen
Kontext verbunden, den sie erklären soll, weil sich auch Wissenschaftler nicht von ihrem
Alltagsbewusstsein entfernen können.318
„Der Sozialwissenschaftler hat zur Lebenswelt grundsätzlich keinen anderen Zugang als der sozialwissen-
schaftliche Laie. Er muß der Lebenswelt, deren Bestandteile er beschreiben möchte, in gewisser Weise schon
angehören. Um sie zu beschreiben, muß er grundsätzlich an ihrer Erzeugung teilnehmen können; und Teil-
nahme setzt Zugehörigkeit voraus.“319
Aufgrund dieser prinzipiellen Einbezogenheit ist es dem Interpreten genauso wie den Hand-
lungsteilnehmern nicht möglich, zwischen Bedeutungs- und Geltungsfragen zu unterscheiden
und eigenen Interpretationen dadurch den Anstrich von deskriptiver Neutralität zu geben.
Nicht erst auf der Ebene der Interpretation bedient sich der sozialwissenschaftliche Interpret
des gleichen Symbol- und Bedeutungsvorrats wie der sozialwissenschaftliche Laie, sondern
schon bei der Beschaffung von sprachabhängigen Daten nutzt er die im Objektbereich vorge-
fundene Sprache. Weder Theoriebildung noch empirische Forschung sind ohne Kommunika-
tion und damit auch ohne Sprache denkbar.320 In die Sprache aber, die für diese Kommunika-
tion notwendig ist, kann der Sozialwissenschafter „[…] nicht ‚einsteigen‘, ohne auf das vorthe-
oretische Wissen des Angehörigen einer, und zwar seiner eigenen Lebenswelt zurückzugreifen,
das er als Laie intuitiv beherrscht und unanalysiert in jeden Verständigungsprozeß ein-
bringt“.321 Der Forscher bewegt sich in alltäglichen Sprach-Strukturen, die nicht nur Verstän-
digung ermöglichen, sondern außerdem „die Möglichkeiten einer reflexiven Selbstkontrolle des
Verständigungsvorgangs“322 schaffen, von denen Laien wie sozialwissenschaftliche Interpreten
gleichermaßen Gebrauch machen können.
(2) Einbezogenheit in Kommunikationsprozesse: Ohne Teilnahme an Kommunikationsprozessen
bleibt dem sozialwissenschaftlichen Interpreten der Sinn lebensweltlicher Strukturen verbor-
gen, da diese nur von innen erschlossen werden können.
„Das Handlungssystem, in dem sich der Sozialwissenschaftler als Aktor bewegt, liegt auf einer anderen Ebe-
ne; es ist in der Regel ein Segment des Wissenschaftssystems, deckt sich jedenfalls nicht mit dem beobachte-
ten Handlungssystem. An diesem nimmt der Sozialwissenschaftler gleichsam unter Abzug seiner Aktoreigenschaf-
ten teil, indem er sich als Sprecher und Hörer ausschließlich auf den Prozeß der Verständigung konzentriert.“323
Er schlüpft daher in die „Rolle des virtuellen Teilnehmers“324, der sich beteiligt sich, um zu
verstehen, und nicht, um innerhalb des beobachteten Handlungszusammenhangs einen eige-
nen Zweck zu verfolgen, der Handlungskoordinierung mit den anderen Teilnehmern notwen-
dig machen würde. Diese epistemologische Annahme geht über die verbreitete Annahme des
Beobachterstatus hinaus, da sie vom Sozialwissenschaftler zwar nicht eigenständiges Handeln,
aber eben doch soziale Teilnahme postuliert.
(3) Zwang zur Stellungnahme zu Geltungsansprüchen: Will der Sozialwissenschaftler eine Äuße-
rung, die er als Datenmaterial in kommunikativem Austausch erhoben hat, verstehen, so muss
er sich zu den in ihr erhobenen Geltungsansprüchen verhalten, d.h. er muss Stellung nehmen
und werten. Nur durch Vergegenwärtigung der Gründe, mit denen der Sprecher, seine Äuße-
rung rechtfertigen und begründen würde, ist er in der Lage, die Frage nach dem ‚Warum‘ und
damit die Frage nach dem ‚Sinn‘ des untersuchten Zusammenhangs zu beantworten. Jede
sozialwissenschaftliche Analyse, die über die reine Deskription hinausgeht, muss sich dieser
Rekonstruktion der untersuchten Begründungsansprüche befassen.325 Für Habermas besteht
daher ein „fundamentaler Zusammenhang zwischen dem Verständnis kommunikativer Handlungen und im
Ansatz rationalen Deutungen“.326 Reine Deskription des Handlungsablaufes ist nur um den Preis
der Aufgabe des Sinnverstehens möglich.
Eine strikte Trennung zwischen den Bewertungen der Praktiker und Laien auf der einen
und der Sozialwissenschaftler auf der anderen Seite, ist angesichts dieser wissenschaftstheoreti-
schen Annahmen kaum mehr möglich.327 Der Sozialwissenschaftler muss der rationalen
Binnenstruktur des Handelns, das sich an spezifischen, noch näher darzustellenden Geltungs-
ansprüchen orientiert, mit den gleichen Methoden rationaler Deutung entgegentreten, die mit
dem Reflexiv-Werden von Geltungsansprüchen in der Moderne auch jedem anderen sprach-
und handlungsfähigen Subjekt offen stehen.328 Die Mittel, mit denen der Sozialwissenschaftler
325 Vgl. Ebd., S. 169f.: „Der Interpret hätte nicht verstanden, was ein ‚Grund‘ ist, wenn er ihn nicht mit seinem
Begründungsanspruch rekonstruieren, und das heißt im Sinne Max Webers: rational deuten würde. Die Beschreibung
von Gründen verlangt eo ipso eine Bewertung auch dann, wenn sich der, der die Beschreibung gibt, außerstande
sieht, im Augenblick ihre Stichhaltigkeit zu beurteilen. Man kann Gründe nur in dem Maße verstehen, wie man
versteht, warum sie stichhaltig oder nicht stichhaltig sind, und warum gegebenenfalls eine Entscheidung darüber,
ob die Gründe gut oder schlecht sind, (noch) nicht möglich ist. Deshalb kann ein Interpret Äußerungen, die
über kritisierbare Geltungsansprüche mit einem Potential an Gründen verknüpft sind und somit Wissen reprä-
sentieren, nicht deuten, ohne zu ihnen Stellung zu nehmen. Und er kann nicht Stellung nehmen, ohne eigene
Standards der Beurteilung anzulegen, Standards jedenfalls, die er sich zu eigen gemacht hat. Diese verhalten
sich kritisch zu anderen, abweichenden Standards zur Anwendung, die der Interpret nicht schlicht vorfindet,
sondern als richtig akzeptiert haben muß. In dieser Hinsicht entbindet eine bloß virtuelle Teilnahme den Inter-
preten nicht von den Verpflichtungen eines unmittelbar Beteiligten: in dem Punkt, der für die Frage der Objek-
tivität des Verstehens entscheidend ist, wird von beiden, dem sozialwissenschaftlichen Beobachter wie dem so-
zialwissenschaftlichen Laien, die gleiche Art von Interpretationsleistung verlangt.“
326 Ebd., S. 170
327 Das gilt auch in Bezug auf Journalismus. Hier betont Fabris (1981b, S. 16) sogar umgekehrt, dass Journalisten
„quasi angewandte Sozialwissenschaft“ betrieben. Rühl (1981, S. 211) beschreibt ebenfalls Gemeinsamkeiten:
„Journalismus und (empirische) Wissenschaft sind damit befaßt, Probleme aufzuspüren und sie zu lösen.“ Haas
(1990) spricht mit Blick auf Journalismus und Sozialforschung von ‚ungleichen Brüdern‘ und konstatiert somit
gleichfalls eine Verwandtschaft. Meyer (1973) wiederum versucht mit dem Konzept des „precision journalism“
explizit Standards der Sozialforschung zum Maßstab journalistischen Arbeitens zu machen.
328 Vgl. Habermas 1995 [1981], Bd. 1, S. 173: „Das Gelingen kommunikativer Handlungen hängt […] von einem
Interpretationsprozeß ab, in dem die Beteiligten im Bezugssystem der drei Welten zu einer gemeinsamen Situa-
tionsdefinition gelangen. Jeder Konsens beruht auf einer intersubjektiven Anerkennung kritisierbarer Geltungs-
ansprüche; dabei wird vorausgesetzt, daß die kommunikativ Handelnden zu gegenseitiger Kritik fähig sind. Sobald
wir aber die Aktoren mit dieser Fähigkeit ausstatten, verlieren wir als Beobachter unsere privilegierte Stellung ge-
genüber dem Objektbereich. Wir haben nicht mehr die Wahl, einer beobachteten Interaktionssequenz entweder
eine deskriptive oder eine rationale Deutung zu geben. Sobald wir den Aktoren dieselbe Beurteilungskompetenz
zuschreiben, die wir als Interpreten ihrer Äußerungen in Anspruch nehmen, begeben wir uns einer bis dahin
methodologisch gesicherten Immunität.“
3 Wissenschaftstheoretische Fundamente 89
über Beschreibung und Interpretation hinaus zu immanenter Kritik gelangen kann, sind
letztlich dieselben wie die der Laien – mit diesem Befund gibt Habermas die methodologische
Immunität der klassischen Sozialwissenschaft zugunsten eines engeren Anschlusses an Kom-
munikations- und Verständigungsprozesse der Praxis auf.
„Wenn die möglichen Korrektive gegen irregeleitetes kommunikatives Handeln sozusagen in das kommuni-
kative Handeln selbst eingebaut sind, kann der Sozialwissenschaftler die Objektivität seiner Erkenntnis nicht
dadurch sichern, daß er in die fiktive Rolle eines ‚uninteressierten Beobachters‘ schlüpft und damit an einen
utopischen Ort außerhalb des kommunikativ zugänglichen Lebenszusammenhangs flüchtet. Er wird vielmehr
in den allgemeinen Strukturen der Verständigungsprozesse, auf die er sich einläßt, die Bedingungen der Objektivität des
Verstehens suchen müssen, um festzustellen, ob er sich in Kenntnis dieser Bedingungen der Implikationen sei-
ner Teilnahme reflexiv vergewissern kann.“329
kommunikativer Geltungsansprüche und damit der Explikation der einer symbolisch struktu-
rierten Ordnung zugrunde liegenden Konstitutions- und Reproduktionsmechanismen offen.
Sie können (sozial-)wissenschaftliche Rekonstruktionen kompetent kritisieren. Das gilt auch
für die Auseinandersetzung mit dem Journalismus. Peters verweist auf die Konsequenzen
dieser Betrachtungen für den Praxis-Bezug:
„Die Sozialwissenschaften haben keine prinzipiell privilegierte Erkenntnisposition, von der aus sie sehen
könnten, was die Laien nicht sehen können. Die Sozialwissenschaften mögen in manchen Fällen aufzeigen,
daß soziale Praktiken auf partieller Ignoranz der Handelnden über die Bedingungen ihres Handelns beruhen.
Die Aufklärung dieses Sachverhalts vermag bestimmte Handlungsbedingungen dann möglicherweise auch
real zu verändern. Es ist aber nicht plausibel, daß Sozialwissenschaften insgesamt mit Beschreibungen von
sozialen Praktiken oder Überzeugungen operieren könnten (oder sollten), die im Alltag nicht übernommen
werden könnten, ohne die entsprechenden Praktiken zu destruieren.“333
Die ‚visuelle Metapher‘ (Habermas) des Beobachters verdunkelt potenziell nicht den Umstand,
dass der sozialwissenschaftliche Interpret durch die performativ genutzte Sprache in Beziehun-
gen eingebettet ist, die es ihm verunmöglichen, generell einen zum beobachteten Handlungs-
zusammenhang externen Status einzunehmen.336 Auch der Beobachter zweiter Ordnung steht
nicht außerhalb des Geschehens, sondern ist an ihm beteiligt. Auch er kann daher keinen
privilegierten Erkenntnisanspruch begründen.
Werden konstruktivistische Theoreme nicht gemäß eines biologistischen Radikalen Kon-
struktivismus, sondern nach logischen Kriterien radikalisiert, dann lässt sich ein abgehobener
Beobachterstatus nicht aufrechterhalten, sondern es liegt vor allem in der Kommunikations-
wissenschaft beinahe zwangsläufig ein Modell der Teilnahme des Wissenschaftlers an den
zugleich untersuchten Prozessen nahe. Vor allem Krippendorf hat auf diese Einbezogenheit
des Forschers verwiesen und bewegt sich damit in großer Nähe zu den Annahmen von Ha-
bermas hinsichtlich einer mindestens virtuellen, das heißt aller strategisch-praktischen Intenti-
on entkleideten Teilnahme des Sozialwissenschaftlers am untersuchten Kommunikationszu-
sammenhang.337 Für Krippendorf ist die Anwendung einer Kommunikationstheorie auf sich
selbst verknüpft mit dem Konzept einer Kybernetik zweiter Ordnung und dem damit korres-
pondierenden Beobachter-Verständnis:
„To me, the shift from a first-order to a second-order cybernetics signaled a shift in scientific attitude toward
reality, from privileging the perspectives of detached observers, spectators or engineers of a world outside of
themselves to acknowledging our own participation in the world we observe and construct as its constitu-
ents.”338
Diese Einbezogenheit in soziale Prozesse liegt für Krippendorf ebenso wie für Habermas in
Kommunikation begründet. Zudem bleibt auch die theoretische Arbeit des Beobachters
zweiter Ordnung mit den Handlungsvollzügen, die er beobachtet und beschreibt, rückgekop-
pelt. Seine Beschreibungsversuche können rückwirken auf den ursprünglichen Zusammen-
hang. Ein ‚re-entry‘ der Kommunikationstheorie in die Alltagskommunikation ist möglich.339
Es ist also davon auszugehen, dass wissenschaftliche Beobachtungen der Praxis ohne eine
– wie vermittelt auch immer geartete – Teilnahme am untersuchten Zusammenhang nicht
erfolgreich sein können, dass in Erhebung und Bearbeitung des Materials eine kommunikative
Involviertheit des Forschers unumgänglich ist. Darüber hinaus lassen sich Rekonstruktionen
von ‚Wirklichkeit‘, die aus diesen Beobachtungen erwachsen, gegenüber Praxis-
Wahrnehmungen weder über- noch unterordnen. Sie sind auf die gleiche soziale ‚Wirklichkeit‘
bezogen und müssen sich letztlich am gleichen diskursiv zu bestimmenden Bezugspunkt
messen lassen. Damit soll weder einer Verwissenschaftlichung des Journalismus, noch einer
336 Vgl. Habermas 19997 [1983], S. 33. Dies kann man für die Journalistik zum Beispiel daran festmachen, dass
auch der wissenschaftliche Interpret über den täglichen Umgang mit den kommunikativen Produkten des Jour-
nalismus auf eine ganz spezifische und vorwissenschaftliche Art und Weise bereits in einen sozialen Zusam-
menhang eingebunden ist, aus dem heraus er Daten zur Analyse und zur Theoriebildung erhebt. Hinzu kommt,
dass viele Journalistikwissenschaftler – den Autor dieser Studie eingeschlossen – über umfangreiche Praxiser-
fahrung als Journalisten oder in anderen Kommunikationsberufen verfügen.
337 Vgl. Krippendorf 1993; 1995; 1996
338 Krippendorf 1996, S. 311
339 Krippendorf (1995) hat dies in der Auseinandersetzung mit dem Machtbegriff verdeutlicht, den er für diskursiv
konstruiert hält und der durch Reformulierung in kritischer Sozialwissenschaft verändert werden kann. Die Be-
schreibung einer Machtsituation durch einen sozialwissenschaftlichen Beobachter zweiter Ordnung kann ent-
sprechend – wenn sie von den übrigen Teilnehmern rezipiert wird – dazu führen, dass sich die Wahrnehmung
der Situation verändert und Machtgefüge in Frage gestellt werden.
92 II Zur Verortung des Journalismus
Auf dieser Grundlage kann ein praxisorientiertes Fach gegenüber alltagssprachlicher Kommu-
nikation geöffnet bleiben und so auch in relevante Praxisdialoge eintreten. Journalistik zer-
schneidet dann nicht mehr den Zusammenhang zwischen Untersuchungsgegenstand und
Analyse, sondern betrachtet Praxistheorien und wissenschaftliche Analyse als Bestandteile
desselben Erkenntniskontextes. Auf der Basis eines solchen Selbstverständnisses fällt es nicht
nur leichter, den Übergang von der Beschreibung zum Verstehen zu konzipieren, sondern
auch die weitergehende Aufgabe der Kritik zu begründen. Kritische Theorie und – allgemeiner
– kritisch-emanzipatorische Wissenschaft können auf diese Weise, wie von Habermas gefor-
dert, ihre Fundamente ausweisen und dadurch ihre Legitimität steigern. Der Journalismus und
die Journalistik als seine Wissenschaft setzen im Rahmen dieses wissenschaftstheoretischen
Verständnisses in letzter Konsequenz auf den gleichen Grundlagen menschlicher Verständi-
gung auf; sie bleiben einander, trotz unterschiedlicher Aufgaben, Leistungen und Funktionen
immanent verbunden. Wissenschaftliche Forschung und Ausbildung sind gefordert, in eman-
zipatorischer Absicht auf die Praxis einzuwirken, um die Bedingungen der Möglichkeit kom-
munikativer Verständigung zu verbessern.
So kann ein Verständnis von Kommunikationswissenschaft und Journalistik reformuliert
werden, das diese als „Teil der allgemeinen Demokratieforschung“ versteht und sie so aus ihrer
seit der Überwindung der Publizistikwissenschaft gepflegten normativen Indifferenz heraus-
zwingt.341 Von einer solchen praktischen und kritischen Wissenschaft wäre zu erwarten, dass
sie aus der im Öffentlichkeitskonzept begründeten immanenten Verknüpfung zwischen
gesellschaftlichen Kommunikationsstrukturen und Demokratie heraus, die kommunikativ-
infrastrukturellen Bedingungen analysiert, die gleiche Bedingungen der Teilnahme am gesell-
schaftlichen Diskurs entweder befördern oder blockieren. Auf dieser Basis kann eine bestimm-
te Form des Journalismus als demokratiekonstitutiv hergeleitet werden.342
Pöttker plädiert entsprechend immerhin dafür, den Journalismus und in seinem Gefolge auch
die Journalistik dem praktischen Erkenntnisinteresse zuzuordnen, da sie zwar kaum der Kritik
der Ereignisse, aber doch ihrer Vermittlung dienten.345 Er sieht die Journalistik in ihrer Orien-
tierung an „gesellschaftlicher Verständigung“ mehr den praktischen Erkenntnisinteressen der
historisch-hermeneutischen Wissenschaften verpflichtet, als den auf Herrschaftskritik und
Gerechtigkeit gerichteten emanzipatorischen Erkenntnisinteressen.346 Schon diese bescheide-
nere Forderung nach einer Fundierung der Journalistik auf einer historisch-hermeneutischen
Methode mutet wissenschaftstheoretisch und -politisch kaum durchsetzbar an. Sie ist überdies
in dieser Abgrenzung nur haltbar, wenn man Verständigung auch in vermachteten und von
Ungerechtigkeit geprägten Verhältnissen für möglich erachtet. Ausgehend von einem gehalt-
vollen Verständigungsbegriff, der auf die kommunikative Kompetenz der einzelnen Beteiligten
genauso abstellt wie auf die Gleichheit implizierenden sprachimmanenten Vergesellschaftungs-
kräfte erscheint die emanzipatorische Haltung der Kritischen Theorie mindestens ebenso
zwingend.347 Diese Alternative allerdings wird in der Journalistik zu Beginn des 21. Jahrhun-
derts kaum systematisch rezipiert, geschweige denn genutzt. Man begegnet ihren Grundideen
„zumeist nur noch als ein Stück bundesdeutscher Wissenschaftsgeschichte“, die zwar in
Bruchstücken in Medien- und Technologiekritik noch gepflegt wird, ohne aber dabei substan-
tiell weiterentwickelt worden zu sein.348 Derartige Beobachtungen sind nachvollziehbar, wenn
sie sich auf das vorwiegend geschichtsphilosophische Denken der ersten Generation der
Kritischen Theorie um Adorno und Horkheimer beziehen, müssen aber eingeschränkt werden,
wenn man anerkennt, dass die nachfolgende Generation die Kritische Theorie weiterentwickelt
und sich dabei um eine Reformulierung der Ansprüche kritischen Denkens bemüht, die ohne
eine überholte historisch-materialistische Geschichtsphilosophie auskommt.349
343 So ließe sich der Kern der Kritik Baums (1994) zusammenfassen.
344 Altmeppen/Karmasin 2003c, S. 38f.
345 Vgl. Pöttker 2004, S. 73ff.
346 Ebd., S. 75
347 Letztlich legt dieser Abgrenzungsversuch aber nur noch einmal nahe, dass die erkenntnistheoretische Eintei-
lung unterscheidbarer Erkenntnisinteressen höchstens heuristischen Wert besitzt, in ihrer Systematik aber von
den angeführten kommunikationstheoretischen Reformulierungen Kritischer Theorie abgelöst werden sollte.
348 Eurich 2002b, S. 121
349 Vgl. van Reijen 1986, S. 158ff.
94 II Zur Verortung des Journalismus
Doch die Kommunikationswissenschaft hat sich der Frage nach der Differenz zwischen
Sein und Sollen auf einer grundlegend gesellschaftstheoretischen Ebene im Prinzip nicht
gestellt, sondern hat die Frage der Utopie einer idealen Kommunikationsgemeinschaft vollends
an andere Wissenschaften delegiert – zumeist sogar ohne deren Ergebnisse in Betracht zu
ziehen.350 Dabei hat ein ‚kritischer‘ gesellschaftstheoretischer Ansatz das Potenzial einige der
häufig beklagten Defizite der Disziplin zu kompensieren:
„Kritische Wissenschaft lebt von der Urteilsbereitschaft – allerdings mit Selbstkritik und zugestandener hoher
Fehler- und Ambiguitätstoleranz. Erst das Urteil, das analytisch nachvollziehbar ist, provoziert den Blick auf
die unausgesprochenen und versteckten/verdeckten Facetten einer noch nicht angemessen erkannten Wirk-
lichkeit.“351
Diese Kritik kann zunächst darin bestehen, die Gegenwart zu hinterfragen und ihre – an einem
normativen Ideal zu messenden – Missstände aufzuzeigen.352 Dann trägt Kommunikationsfor-
schung dazu bei, „[…] die Grundlagen zu erforschen, die Mißbräuche und die Ungerechtigkei-
ten der öffentlichen Kommunikation darzutun, die verhindern, daß menschliche Wachheit sich
selber hilft“353, wie es Pross einmal genannt hat. Sie kann über die kommerzielle oder administ-
rative Auftragsforschung hinaus zu „einem ‚öffentlichen Auftrag‘ im Interesse einer demokra-
tischen Gesellschaftsentwicklung“354 werden. Nicht mehr Einzelphänomene sind dann Ge-
genstand der Betrachtung, sondern (auch) der gesellschaftliche Kommunikationsprozess samt
seiner politischen, sozialen und ökonomischen Rahmenbedingungen. Die Behandlung des
Journalismus durch die Journalistik kann durch einen entsprechenden gesellschaftstheoreti-
schen Verweisungszusammenhang an analytischer Tiefe und an praktischer Relevanz gewin-
nen. Die Analyse der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die Kommunikation ermögli-
chen oder verhindern, erlaubt es, soziale Kommunikationsprozesse nicht nur zu beschreiben,
sondern sie auch zu verstehen und zu erklären.355 Kritische Theorie in solch einem Verständnis
schickt sich selbstbewusst an, das legitime Erbe der vernunftorientierten Aufklärung anzutre-
ten und zielt auf die Verbesserung der jeweiligen gesellschaftlichen Praxis. Nach wie vor gilt:
„Die Publizistik und Kommunikationswissenschaft kann in interdisziplinären sozialwissenschaftlichen Ar-
beitszusammenhängen bei entsprechender Bestimmung und Explikation ihrer normativen Maßstäbe dazu
beitragen, daß der wissenschaftlich-technische Fortschritt im Medienbereich auch den publizistischen Spiel-
raum erweitert für den meinungsbildenden Prozeß öffentlicher Diskussion, Aufklärung und Kritik; nur dann
wird es möglich sein, auch grundlegende sozialökonomische Interessenkonflikte und politische Strukturprob-
leme zu lösen, ohne daß dabei demokratische Zielwerte der sozialen Gerechtigkeit, der Selbst- und Mitbe-
stimmung durch undemokratische Mittelwahl bzw. elitäre Fremdbestimmung von Konfliktregelungen ver-
fehlt werden.“356
Kritische Theorie verbannt das Interpretative und Normative nicht in den Bereich des Vorwis-
senschaftlichen; sie betrachtet ein hermeneutisch erbrachtes Ergebnis nicht nur als Hypothese
für empirisch-analytische Feldforschung. Stattdessen nimmt Kommunikationswissenschaft aus
kritischer Perspektive die Herausforderung an, Kriterien zu formulieren, die auf eine bessere
Kommunikationsgemeinschaft und auf die Ausschöpfung der Verständigungspotenziale zielen.
„Der Utopieverlust, den wir der Aufklärung verdanken und deren affirmativen Scheitern, ist im kritischen
Horizont korrigierbar, Kritische Wissenschaft hat hier ein Erbe übernommen, das auf die Entmottung wartet.
Es geht in der Beziehung von kritischer Wissenschaft und Utopie nicht um die Feststellung von Gewissheiten
hinsichtlich der Gestaltung von Zukunft. Es geht um die Herausarbeitung, ob sie möglich ist. Hier liegt ihre
Aufgabe als Möglichkeitswissenschaft.“357
357 Eurich 2002b, S. 131. Dies sollte nicht apodiktisch oder transzendental geschehen, wie Eurich (2002b, S. 135)
fordert, sondern pragmatisch und im Sinne regulativer Ideen und der Identifizierung kontrafaktischer Unter-
stellungen in der Kommunikation. Es ist kein Gewinn, die nüchterne und sprachpragmatisch orientierte Per-
spektive einzutauschen gegen eine Theorie, die sich selbst transzendiert und damit die Forderung nach der Be-
gründung von ethischen und normativen Postulaten im Diskurs zugunsten einer erneuten Metaphysik aufgibt.
96 II Zur Verortung des Journalismus
rungsvorschläge mit Blick auf die Praxis. Diese Kombination ist auf der Basis eines kommuni-
kationstheoretischen und rekonstruktiven sozialwissenschaftlichen Verständnisses möglich, das
keinen grundlegenden Unterschied zwischen theoretischer und praktischer Reflexion kon-
struiert, sondern stattdessen von zueinander geöffneten Kommunikationsverhältnissen aus-
geht, die miteinander dialogfähig sind. Vor diesem Hintergrund sollen erste Hinweise auf ein
Journalismusverständnis skizziert werden, das mit diesen wissenschaftstheoretischen Erwägun-
gen korrespondiert und eine Grundlage journalistikwissenschaftlicher Analyse und Ausbil-
dungsleistungen sein kann. Die in der Einleitung entwickelte Skizze eines Journalismus als
kommunikativem Handlungsmodus unter systemischen Bedingungen der Massenmedien ist in
diesem Kapitel insofern ergänzt worden um komplementäre wissenschaftliche Sichtweisen auf
die verschiedenen Aspekte:
• Aus einer wissenschaftlichen Beobachterperspektive geraten systemische Zusammenhänge
der Massenmedien als funktionalistische und instrumentelle ‚Objektivation‘ in den Blick.
• Aus einer wissenschaftlichen Teilnehmerperspektive wird das lebensweltlich fundierte
kommunikativ rationale Handeln von Journalisten analysierbar.
Die Dimensionen einer so umfassend zu verstehenden Journalistik lassen sich entlang der
Unterscheidungen der folgenden Tabelle beschreiben.
Bezugspunkt der
Journalistisches Handeln Massenmediensystem
Journalismusanalyse
Wissenschaftliche Perspektive Journalismus als
Journalismus als Beruf
auf Journalismus kommunikatives Handeln
Theoretische Option Handlungstheorie Struktur-/Systemtheorie
Gesellschaftstheoretische
Lebenswelt Struktur/System
Referenz
Rationalitätskonzept kommunikativ instrumentell / funktionalistisch
Erkenntnistheoretische Option universalpragmatisch (überwiegend) konstruktivistisch
Stellung des
(virtueller) Teilnehmer Beobachter
Wissenschaftlers zur Praxis
normativ- kritisch-
primäres Erkenntnisinteresse empirisch-analytisch
praktisch emanzipatorisch
Dialog mit Praxis wissenschaftliches
Beiträge zur Praxis
Ausbildung / Ethik Kontextwissen
Funktionen des Journalismus
Aufgaben des Journalismus
Analyse des
journalistische Ethik
Handlungsumfeldes
Typologie / Handlungsmuster
Beiträge zur Theorie Systemanalyse
Idealtypen
‚constraints‘ / Kolonialisierung
kommunikative Rollenbilder
berufliche Rollenbilder
subjektiver Sinn
latente Handlungsfolgen
Wissenschaftliche Leistung Verstehen / Kritisieren Beschreiben / Erklären
4 Zwischenfazit: Praxisorientierung und Kritik 97
Diese Tabelle gibt lediglich grob typisierende Hinweise auf eine mögliche analytische Zerglie-
derung, sie soll keine falsche Trennschärfe suggerieren. Zentral ist vielmehr: In der analytisch-
rekonstruktiven Gesamtsicht kann auf der Basis beider Perspektiven ein kritisches Verständnis
der Situation journalistischer Verständigungsleistungen in ausdifferenzierten, von kommerziali-
sierten Massenmediensystemen geprägten Gesellschaften entwickelt werden. Dazu ist es
notwendig, das Problem des Zusammenhangs von akteurs- und systembezogener Analyseper-
spektive erneut aufzugreifen und vor dem Hintergrund des zweistufigen Gesellschaftsmodells
von System und Lebenswelt zu verhandeln. Dabei handelt es sich explizit nicht um alternative,
sondern um komplementäre Untersuchungsperspektiven, die in einem zweistufigen Gesell-
schaftsmodell von Lebenswelt und System zueinander in Beziehung gesetzt werden können,
um aus ihren Spannungsverhältnissen kritisches Potenzial zu generieren. Aus beiden Perspekti-
ven und auf der Basis ihrer Erkenntnisleistungen kann ein Modell der Journalismus-Analyse
entwickelt werden, das sensibel ist für die emanzipatorischen Leistungen des Journalismus. Im
Folgenden soll zunächst aus einer pragmatischen Teilnehmerperspektive der subjektive Sinn
journalistischen Handelns aufgeschlossen werden, um zu einem zureichenden Verständnis von
Journalismus als Handlungsmodus zu gelangen. Dazu wird in historischen und idealtypisch
fundierten Journalismusverständnissen nach Sedimenten eines Handlungskonzeptes des
Journalismus’ gesucht, das sich gleichermaßen praxisoffen wie theoriefähig zeigt. Im weiteren
Verlauf wird dieses Konzept systematisch ausformuliert und mit seinem systemischen Kontext
konfrontiert.
III Die Idee der Öffentlichkeit –
Historische Grundlagen des Journalismus
In diesem Kapitel sollen die historischen Fundamente des Journalismus besichtigt werden. Der Blick richtet sich
dabei sowohl auf die Etablierung eines modernen Typus von Öffentlichkeit als Idealtypus respektive als
regulative Idee gesellschaftlicher Kommunikation als auch auf die Herausbildung journalistischer Idealtypen.
Diese Referenzpunkte sind in der Journalismustheorie bis heute relevant. Im Anschluss an Habermas‘ Studie
‚Strukturwandel der Öffentlichkeit‘ wird zunächst argumentiert, dass sich im Zuge der Bildung neuzeitlicher
bürgerlicher Gesellschaften Öffentlichkeit als ein gesellschaftliches Strukturprinzip etabliert hat. Das Konzept
der bürgerlichen Öffentlichkeit formuliert einen Idealtypus des öffentlichen Diskurses unter Gleichen als Quelle
kommunikativer Rationalität und gesellschaftlicher Legitimation. Journalistisches Handeln ist demnach genuin
auf die Herstellung von Öffentlichkeit bezogen. Im prädikativen Einzelfall-Verständnis bedeutet dies die
Veröffentlichung von Nachrichten und Kommentaren und im subjektbezogenen Strukturverständnis die
Gewährleistung einer gesellschaftlichen Kommunikationssphäre (1).
Es ist zu skizzieren, wie sich Journalismus empirisch und konzeptionell entwickelt und etabliert hat. Da-
bei lassen sich unterschiedliche Modellvorstellungen identifizieren, die vom vermeintlich reinen Nachrichtenwesen
des korrespondierenden Journalismus über das Räsonnement des schriftstellernden Journalismus bis zu den
organisatorischen Leistungen des redaktionellen Journalismus reichen. Aus dieser historischen Genese des
Journalismus werden, wie zu zeigen sein wird, noch heute journalistische Idealtypen abgeleitet (2).
Auffällig ist, dass diese differierenden Erklärungsmuster und Anforderungsprofile meist in eine dichotomi-
sche Struktur münden, in der entweder das Erbe des korrespondierenden oder das Erbe des schriftstellernden
Journalismus alleinig als Idealtypus herangezogen wird, um Rollenerwartungen an Journalisten zu begründen.
Dabei führt die klassische Idealtypen-Dichotomie die Journalismusforschung regelmäßig in eine normative
Sackgasse. Dies zeigt sich in den klassischen, handlungstheoretisch fundierten Rollenmodellen (3).
In der vorliegenden Arbeit wird daher eine integrative Perspektive angestrebt. Es geht um die Formulierung
eines soziologisch theoriefähigen Handlungstypus, der quer zu den klassischen Dichotomien liegt und der
Vermittlung (Referat) und Räsonnement auch konzeptionell in einen inneren Zusammenhang zu bringen
vermag. Dazu wird unter anderem auf Otto Groths Thesen zurückgegriffen, der Journalismus als vermittelnde
Kommunikation im gesellschaftlichen Zeitgespräch situiert und im journalistischen Handeln sowohl vermittelnde
als auch eigenständig kommunikative Aspekte betont, die zusammen ein Handeln durch Kommunikation
begründen (4).
Im Zwischenfazit wird Groths Metapher vom Journalisten als ‚Anwalt des gesellschaftlichen Gesprächs‘
mit Habermas‘ Konzeption von Öffentlichkeit und kommunikativem Handeln in Öffentlichkeit heuristisch
zusammengezogen zu der Figur des Journalisten als Diskursanwalt der Gesellschaft. Dieses zunächst vorläufig
einzuführende und im weiteren Verlauf systematisch und theoretisch zu vertiefende Journalismusverständnis
setzt journalistisches Handeln in einen immanenten Bezug zur Vernunft öffentlicher Kommunikation und
gewinnt dadurch eine auch normativ begründbare Anspruchsdimension an Journalismus aus dessen eigenen
Grundlagen heraus (5).
1 Die Idee der Öffentlichkeit 99
Journalistisches Handeln kann nicht getrennt von politischen, wirtschaftlichen oder sozialen
Entwicklungen einer Gesellschaft betrachtet werden, da Veränderungen in diesen Bereichen
sich auch auf die gesellschaftliche Kommunikationsstruktur und ihre zentralen Akteure aus-
wirken.2 Aber nicht alle Spezifika der journalistischen Entstehungsgeschichte lösen sich in
historischer Kontingenz auf; aus der Rückschau sind durchaus idealtypische Aufschlüsse über
Sinn und Aufgabe journalistischen Handelns als kommunikatives Handeln zu gewinnen.3 Das
gilt in besonderem Maße für das mit der Ausdifferenzierung journalistischen Handelns histo-
risch eng verknüpfte Prinzip der Öffentlichkeit und seine ethisch-politischen Implikationen.
Doch der vermeintliche ‚Umweg‘ über die Historie des journalistischen Berufs mit dem Ziel
einer theoretischen Näherung an den Journalismus, der in der klassischen Zeitungs- und
Publizistikwissenschaft oft beschritten worden ist, ist heute unüblich geworden.4 Die Etablie-
rung der empirisch-analytischen Kommunikationswissenschaft bedeutete auch eine „Enthisto-
risierung“, um so die bis dahin beinahe unumschränkt gültige Annahme des sozial- und geis-
teswissenschaftlich konzipierten historischen Bewusstseins, „[…] man müsse und könne die
Dinge nur aus ihren Ursprüngen und im Zusammenhang ihres Gewordenseins verstehen“, zu
überwinden.5
In den letzten Jahren werden die Stimmen zumindest sporadisch wieder vernehmbar, die
eine „Theorie des Journalismus […], die sich historischer Empirie versichert“6, fordern. Damit
reagieren vorwiegend handlungstheoretisch und historisch-hermeneutisch interessierte For-
scher auf die Dominanz der Funktions- und System-Modelle, die zwar wertvolle Beiträge zur
Beschreibung und Erklärung des Journalismus erbringen, indem sie den analytischen Blick auf
Gegenwartsphänomene und ihre funktionale Form lenken, die aber gegenüber Fragen der
1 Fabris 1979, S. 47
2 Auch der Zeitgeschichtler Jagschitz (1987, S. 733) vertritt diese Position: „Mediengeschichte muß zur Sozialge-
schichte werden. Medien einerseits und ihre beabsichtigte oder unbeabsichtigte Wirkung andererseits stehen
nicht für sich. Sie stehen vielmehr mitten im Zentrum gesellschaftlicher und gesellschaftspolitischer Auseinan-
dersetzung, prägen die Gesellschaft mit, verändern Verhalten, Bewußtsein und politisches Handeln und werden
von den Entwicklungen der Gesellschaft geprägt. Es ist daher selbstverständlich, daß sich Kommunikationsge-
schichte mit der gesellschaftlichen Wirklichkeit auseinandersetzen muß, in der Institutionen und Produkte ent-
stehen, existieren und wirksam werden, in der Menschen bestimmte Handlungsräume ausfüllen und in den
Medien und historische Entwicklungen einander wechselseitig bedingen. Es wäre ungerechtfertigt, über der
veröffentlichten Meinung die öffentliche Meinung oder gar die verborgene Meinung zu vernachlässigen.“
3 Vgl. Dröge 1992
4 Ausnahmen sind z.B. Blöbaum 1994 oder Langenbucher 1993a. Auch davor standen weniger journalismusge-
schichtliche als pressehistorische Betrachtungen im Mittelpunkt der Forschung. Grundlegende Arbeiten stam-
men z.B. von Koszyk (1966; 1972a; 1972b) oder Lindemann (1969). Sie haben in der Regel eher die Entwick-
lung von Medienformaten oder Angeboten im Blick und thematisieren das damit verbundene journalistische
Handeln eher am Rande.
5 Wilke 1987, S. 702. Die frühe historische Orientierung der Zeitungswissenschaft war in ihrer Einseitigkeit
problematisch, da sie in die Nähe zu vermeintlich historisch-logischen Determinismen oder aber zu Fragen ei-
nes ‚Wesenskerns‘ des untersuchten Zusammenhangs führte. Dies zeigt sich deutlich in Texten, deren Autoren
vermeintliche ‚Ur-Aufgaben‘ des Journalismus erörtern. (vgl. z.B. Prakke 1963; aber auch: Dovifat 1962b;
Groth 1960; Braun 1958). Kritisch dazu z.B. Merten 1999, S. 440.
6 Langenbucher 1993a, S. 312
100 III Die Idee der Öffentlichkeit – Historische Grundlagen des Journalismus
Historie und des Verstehens weitgehend abstinent bleiben.7 Dieser Umstand wird seit rund
zwei Jahrzehnten innerhalb des Faches diskutiert8, allerdings ist der Schritt der Medienge-
schichte von einer Hilfswissenschaft zu einem Aspekt sozialgeschichtlicher Forschung9 oder
gar zu einer umfassenden Kommunikationsgeschichte10 noch längst nicht getan.
Hinter der Forderung nach einer geschichtlichen Perspektive auch für die Journalismusfor-
schung steht die Vermutung, dass eine historische Vergewisserung hinsichtlich der Ideen und
der Aufgaben, die mit journalistischem Handeln verknüpft sind, den Boden für eine an den
Gegebenheiten unserer Gesellschaftsformation ausgerichtete Journalismuskonzeption bereiten
kann. Autoren wie Langenbucher und Pöttker haben erfolgreich geschichtliche Anknüpfungs-
punkte des modernen Journalismus identifiziert.11 Aber eine kritische Geschichtsschreibung,
welche historische Prozesse und ihre Auswirkungen auf gesellschaftliche Kommunikationspro-
zesse analysiert, steckt allenfalls in den Kinderschuhen.12 Dabei können geschichtliche Kennt-
nisse kritisch-emanzipatorisch genutzt werden, um auf ihrer Basis und anhand ihrer Maßstäbe
die Gegenwart zu hinterfragen. Jagschitz weist pathetisch auf dieses Potenzial hin:
„Kommunikationsgeschichte muß auch ihre Aufgabe in der Erklärung der Gegenwart sehen. Sie hat eine
wichtige emanzipatorisch-kritische Funktion. Nicht der schäbigen Verwaschungs- und Verwischungsarbeit
von Zusammenhängen und Hintergründen im Dienste der herrschenden Oligarchie, die zur qualvollen De-
generation demokratischen Denkens und demokratischer Praxis beiträgt, nicht der Delegierung eigener Ur-
teilsfähigkeit und Verantwortung, nicht der Tradierung von Vorurteilen und Illusionen, der Banalisierung und
Verharmlosung soll sie verpflichtet sein, sondern der Aufhellung und Aufklärung, der Aufdeckung und Be-
wußtmachung. […] Eine kritische Kommunikationsgeschichte kann den Weg für den mündigen Bürger eb-
nen, ohne den ein partnerschaftliches Zusammenleben in einer freien, pluralistischen Gesellschaft nicht mög-
lich ist.“13
Dass die theoretischen Grundlagen für ein solches historisches und kritisches Vorgehen
existieren, verdeutlicht Hardt unter Hinweis auf eine Kulturforschung, in der die Idee der
7 Vgl. Lang 1985; vgl. auch Dröge 1992, S. 13: „Die Luhmannsche Evolutionstheorie weist keinen historisch-
empirischen Gehalt mehr auf; wenn man sich auf dieser Ebene aktuellen Problemen, zum Beispiel der ‚ökologi-
schen Kommunikation‘ zuwendet, stellt sich die Theorie als empirische banca rotta dar, historische Darstellun-
gen verkommen zu Demonstrationsexempeln rückwärts projezierter [sic!] theoretischer Begriffe.“ Eine wichti-
ge Ausnahme ist in dieser Hinsicht sicherlich die Arbeit von Blöbaum (1994), der mit systemtheoretischen Mit-
teln die Ursprünge und die Ausdifferenzierung eines journalistischen Systems in modernen Gesellschaften be-
schreibt. Langenbucher (1993b, S. 128) hingegen hat sich mit Blick auf biographische Forschungsansätze schon
früh dagegen gewandt, „[…] prinzipiell von den Personen abzusehen und mit einem systemtheoretischen
Denkverbot Erkenntnisse abzuschneiden, die nun einmal auch zum Phänomen ‚Journalismus als Beruf‘ gehö-
ren“. Die Folge sei, dass die schöpferischen Elemente des Journalismus, die ihn als eigenständige Kulturleistung
auszeichnen, gar nicht mehr in den Blick zu bekommen seien und stattdessen vorwiegend die Zwänge themati-
siert werden, die journalistisches Handeln extern bestimmen. Journalismusforschung nimmt die Höhepunkte
journalistischen Schaffens gar nicht zur Kenntnis, sondern überlässt sie der Literaturwissenschaft: Das gehört
zu den von Langenbucher konstatierten „jahrzehntelang anhaltenden Konsequenzen intellektueller Verödung“
der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft (ebd.).
8 Vgl. z.B. die Sammelbände von Blome 2000; Böning/Kutsch/Stöber 1999; Bobrowsky/Langenbucher 1987;
Bobrowsky/Duchkowitsch/Haas 1987; Duchkowitsch 1985.
9 Vgl. Koszyk 1977, S. 33
10 Vgl. Langenbucher 1987a, S. 17; für ähnliche Forderungen auch Rollka 1987; Burkart 1985.
11 Vgl. Langenbucher 1992a, 1993a; Pöttker 1998b, 2002b. Auch Fabris (1992, S. 15) verweist auf die berufsethi-
sche Relevanz des Journalismus in Zeiten der Unterdrückung und die handlungsleitende Relevanz großer jour-
nalistischer Vorbilder, anhand derer man Journalismus auch lernen könne.
12 Hardt (1992, S. 17f.) fordert insbesondere eine kritische Geschichtsschreibung, „[…] die sich mit den histori-
schen Konsequenzen des Kapitalismus und seiner gegenwärtigen Auswirkungen auf die gesellschaftliche In-
formation beschäftigt“.
13 Jagschitz 1987, S. 734
1 Die Idee der Öffentlichkeit 101
Kommunikation „zum Kernstück einer Kulturkritik [wird], deren Ziel die Emanzipation des
Einzelnen ist“ und deren wichtigster deutschsprachiger Vertreter Jürgen Habermas ist.14
„In diesem theoretischen Zusammenhang […] werden historische Entwicklungen aus subjektiver Sicht be-
handelt: der gesellschaftliche Prozeß der Kommunikation wird ein Gegenstand ethnographisch-kulturwissen-
schaftlicher Untersuchungen menschlicher Praxis. Eine Gesellschaftstheorie als Theorie der Geschichte, die
konkrete Zustände der Gesellschaft anspricht, erkennt nicht nur die Probleme menschlicher Existenz, son-
dern kommt auch den wachsenden Erwartungen der Praxis entgegen, unterstützt menschliche Werte und
ethische Normen, und bildet somit die Grundlage einer radikalen Demokratisierung der Gesellschaft.“15
Idealtypen im Weberschen Sinne werden gewonnen durch die „einseitige Steigerung eines oder
einiger Gesichtspunkte und durch Zusammenschluß einer Fülle von diffus und diskret, hier
mehr, dort weniger, stellenweise gar nicht, vorhandenen Einzelerscheinungen, die sich jenen
einseitig herausgehobenenen Gesichtspunkten fügen, zu einem in sich einheitlichen Gedan-
kengebilde“, das als eine Utopie zu begreifen ist, zu der die Empirie immer nur in Näherungs-
verhältnisse gesetzt werden kann.20 Dabei weist Weber die Vorstellung, dass Idealtypen norma-
tive Relevanz hätten, zunächst zurück und zeichnet diese als in einem rein logischen Sinne
ideal aus – und damit als Erkenntnismittel, nicht als Erkenntnisziele.
Allerdings sind diese logischen Konstruktionen von Zusammenhängen vor allem in der
historischen Betrachtung in zweifacher Hinsicht nur schwer von normativen ‚Ideen‘ und
‚Idealen‘ zu trennen. Zunächst kann davon ausgegangen werden, dass ein a posteriori identifi-
zierter Idealtypus bestimmter gesellschaftlicher Gegebenheiten den Menschen, die im unter-
suchten Zeitraum gelebt haben, als normative Idee oder als Maxime ihres Handelns oftmals
14 Hardt 1992, S. 17
15 Ebd., S. 17
16 Vgl. Habermas 1990
17 Schmolke 1987, S. 745
18 Weber 1980 [1921], S. 10
19 Ebd., S. 9f.
20 Weber 19887 [1904], S. 191
102 III Die Idee der Öffentlichkeit – Historische Grundlagen des Journalismus
selbst vorgeschwebt hat. Zum anderen sind die diffusen handlungsleitenden Ideen einer
Epoche in der Analyse nur als Idealtypen trennscharf zu beschreiben.21 Durch die Verknüp-
fung mit der historischen Empirie geraten gewonnene Idealtypen daher sehr schnell unter den
Druck, sich nicht nur als heuristische begriffliche Hilfsmittel bewähren zu müssen, sondern
auch als Kondensate bestimmter geschichtlicher Epochen oder Ideen. Wenn sie aber empiri-
sche Geltung beanspruchen würden, verlören Idealtypen viel von ihrer analytischen Kraft, so
Weber. Aus erfahrungswissenschaftlich-logischen Begriffen würden subjektive Werturteile.
Dies zu vermeiden oder mindestens bewusst zu machen sei entsprechend „eine elementare
Pflicht der wissenschaftlichen Selbstkontrolle“.22
Weber limitiert den Begriff Idealtypus selbst in einem idealtypischen Sinne auf seine An-
wendung als erfahrungswissenschaftliches Analyseinstrument, das mehr der Messung denn der
Bewertung empirisch zu beobachtender sozialer Vorgänge dienen soll.23 Im Rahmen einer
allgemeinen Soziologie sollen die Idealtypen als begriffliche Hilfsmittel im beschriebenen Sinn
„[…] durch Klassifizierung des möglichen gemeinten Sinns entstehen und den gesellschaftlich-
wirtschaftenden Menschen aus der Fülle seiner Möglichkeiten zu verstehen suchen“.24 Die
derart gewonnenen Idealtypen sollen anschließend in konkreten soziologischen Untersuchun-
gen zur Analyse auf empirische Begebenheiten angewendet werden. Idealtypen sind somit dem
Konzept einer verstehenden Sozialwissenschaft verpflichtet, indem sie die begrifflichen ‚Denk-
zeuge‘ gewährleisten, die der Sozialwissenschaftler zur Beschreibung und zum Verstehen
sinnhafter sozialer Vorgänge benötigt.
Mittlerweile kann es als eine gängige sozialwissenschaftliche Strategie angesehen werden,
Idealtypen, normative Modelle oder Utopien zu entwerfen und diese zum Beispiel als heuristi-
schen Referenzpunkt bei der empirischen Analyse, als rhetorische Figur in einer ethisch-
politischen Debatte oder aber als handlungsleitende Norm in praktischer Absicht heranzuzie-
hen.25 Auch in der Journalismusforschung ist dieses Verfahren bekannt – sowohl in seiner
induktiven Variante, in der aus empirischen Sachverhalten Idealtypen destilliert werden, als
auch in seiner deduktiven Variante, in der ein gesellschaftstheoretisch oder -politisch normati-
ves Konstrukt den Ausgangspunkt der journalistischen Modellbildung markiert.
Das Konzept der bürgerlichen Öffentlichkeit kann als ein solcher Idealtypus klassifiziert
worden. Streng genommen kann dieser nicht durch empirische Einwände falsifiziert werden26,
allenfalls kann das gedankliche Konstrukt als zur Analyse wenig brauchbar kritisiert werden.
Manche bis heute gängige und empirisch begründete Kritik an den Annahmen des Konzepts27
läuft daher letztendlich ins Leere, wenn die bürgerliche Öffentlichkeit wissenschaftlich als
begrifflicher Idealtypus bzw. ethisch-politisch als normativ wirksame regulative Idee betrachtet
wird, die als kontrafaktische Unterstellung wirkt. Empirisch begründete Kritik kann nur dann
verfangen, wenn Öffentlichkeit in sozialwissenschaftlicher Objektivation als ein fassbares
sozialräumliches Konstrukt verstanden wird, dessen Existenz anhand prüfbarer Indikatoren
untersucht werden können. Bürgerliche Öffentlichkeit hingegen kann als ein Idealtypus ver-
standen werden, der den Ausgangspunkt auch für Begründungsversuche der regulativen Idee
deliberativer Öffentlichkeit darstellt, ohne diese aber aus sich heraus alleine hinreichend
begründen zu können.
Dass Idealtypen in einem nicht-positivistischen Verhältnis zur Empirie stehen, lasst sich
zum Beispiel anhand der – empirisch letztlich bislang nicht erfüllten und auch kaum je erfüll-
baren – Forderung bürgerlicher Öffentlichkeit spezifizieren, dass die Teilnahme aller an den
Gesprächen über ethisch-politische Fragen möglich sein muss. Diese Unerfüllbarkeit muss a
priori konstatiert werden, berührt aber dennoch nicht die Validität des Idealtypus. Er behaup-
tet in letzter Konsequenz nicht einen empirisch prüfbaren Zustand, sondern zeichnet den
hinter den empirischen Prozessen stehenden, idealisierten Sinn aus. Folgert man aus einem
solchen analytischen Idealtypus eine normativ wirksame regulative Idee, so fordert diese dazu
auf, die Verwirklichung des idealtypischen Sinns so weit wie möglich zu erreichen. Die Nicht-
einlösbarkeit in der Wirklichkeit ist dann nicht mehr ein Kriterium der Falsifikation, sondern
eine normative Aufforderung zur Veränderung. Dass dies in besonderem Maße auf ein demo-
kratietheoretisch so relevantes Konstrukt wie Öffentlichkeit zutrifft, hat Burkart verdeutlicht:
Er bekräftigt idealtypische Forderungen an eine vernünftige Öffentlichkeit und leitet aus ihnen
die Notwendigkeit journalistischer Vermittlungs- und Kommentarleistungen für das Funktio-
nieren eines demokratischen Gemeinwesen ab.28 Journalistische Idealtypen sind aus solch einer
Perspektive auch abhängig von dem entwickelten idealtypischen Verständnis von Öffentlich-
keit; sie unterliegen damit historischen Kontingenzen.
Ziel des folgenden Rückblicks ist daher vor allem die Identifikation und Analyse des Ent-
stehungszusammenhangs derjenigen regulativen Ideen und ideologischen Konstrukte, denen
der Journalismus nach verbreiteter Auffassung auch in der Gegenwart noch verpflichtet ist und
die sich deshalb letztlich – da der Verweis auf Tradition allein in der Moderne kein valides
Begründungskriterium mehr sein kann – in der späteren systematischen Betrachtung des
gegenwärtigen Journalismus bewähren müssen.
Ein zentraler Konsens der Journalismusforschung besteht darin, dass Öffentlichkeit als der
wichtigste Bezugspunkt des Journalismus angesehen wird.
„In der modernen Gesellschaft bedingen sich Öffentlichkeit und Journalismus: ohne Journalismus keine Öf-
fentlichkeit, ohne Öffentlichkeit kein Journalismus.“29
27 Vgl. für einen Überblick der Kritik am Habermasschen Öffentlichkeits-Modell: Liesegang 2004, S. 22ff.
28 Vgl. Burkart 1998a, S. 518
29 Blöbaum 1994, S. 327f.
104 III Die Idee der Öffentlichkeit – Historische Grundlagen des Journalismus
Jedes journalistische Verbreiten einer Nachricht oder eines Kommentars – in Text, Bild oder
Ton – bedeutet auch ein ‚Sich-Hinwenden‘ zu einem Publikum, bedeutet ‚Ver-Öffentlichen‘
eines Sachverhaltes. Die Herstellung von Öffentlichkeit im Sinne einer produktiven Aktivität,
welche die Isoliertheit und Geschlossenheit in modernen Gesellschaften zu überwinden hilft,
ist die „konstitutive Aufgabe“ journalistischen Handelns, schreibt Pöttker aus handlungstheo-
retischer Sicht.30 Gerhards und Neidhardt wiederum verstehen Öffentlichkeit als ein eigenes
System, innerhalb dessen Rahmen auch Journalisten als spezialisierte Kommunikatoren agie-
ren. Sie konstatieren, dass die „Herstellung von medialer Öffentlichkeit […] in Organisationen
eingebetteten spezialisierten Berufen, vor allem den Journalisten“ obliegt.31
Noch weitreichender konzipiert Blöbaum in der Sprache der Systemtheorie Journalismus
als Form und Öffentlichkeit als das Medium, das durch die journalistische Form gesellschaft-
lich wahrnehmbar wird.32 Kohring und Hug wiederum zeichnen Öffentlichkeit als das von der
Publizistik- und Kommunikationswissenschaft zu untersuchende System und den Journalismus
als ein untergeordnetes Leistungssystem aus.33 Solchen systemischen Analysen zufolge erfüllt
Öffentlichkeit durch Beobachtung gesellschaftsinterner Systemgrenzen den Synchronisations-
bedarf34 oder Orientierungsbedarf35 ausdifferenzierter Gesellschaften. Als darin eingebettetes
Leistungssystem reduziert Journalismus „die Komplexität der möglichen Ereignisse unter dem
Gesichtspunkt, ob sie zur Ausbildung von gegenseitigen gesellschaftlichen Umwelterwartungen
beitragen können“.36 Diese Liste ließe sich fortsetzen – gemeinsam wäre den verschiedenen
Konzeptionen zunächst nur die Begrifflichkeit und die Anerkenntnis einer Verbindung zwi-
schen Journalismus und Öffentlichkeit. Auch für Habermas ist diese Verbindung evident,
wenn er von der Presse als der „vorzüglichsten Institution“37 der Öffentlichkeit spricht und die
Entfaltung bürgerlicher Öffentlichkeit an die Etablierung einer regelmäßig erscheinenden
Nachrichtenpresse und einer räsonierenden Journal-Publizistik koppelt. Journalismus wird
dadurch zu einem weitreichenden gesellschaftlichen Strukturprinzip immanent in Beziehung
gesetzt. Wie dieses Strukturprinzip allerdings genau beschaffen ist, verbleibt eine grundsätzli-
che politisch-ideologische oder gesellschaftstheoretische Frage von erheblicher Relevanz für
das daran anschließende Journalismus-Verständnis.
Jede nähere Bestimmung des Öffentlichkeitsbegriffs bedarf aufgrund dieser Mehrdeutigkeit
des Konzepts begrifflicher und theoretischer Präzisierungen, die im Zuge der Ausformulierung
eines daran ausgerichteten Journalismusbegriffs immanent bekräftigt werden. Je nachdem,
welcher Facette die Autoren den Vorzug geben, können sie unterschiedliche analytische
Richtungen einschlagen. Um die Fundamente des eigenen Ansatzes offen zu legen, wird es in
dieser Arbeit darum gehen, nicht nur einen Begriff von Journalismus, sondern auch das
korrespondierende Öffentlichkeitskonzept zu explizieren. Der Öffentlichkeitsbegriff wird
dabei nicht zu Beginn der Studie fixiert, sondern – ebenso wie der Journalismusbegriff – als
gesellschafts- und demokratietheoretisch relevantes Konzept in verschiedenen Facetten
betrachtet und weiterentwickelt.38
Die Notwendigkeit von Öffentlichkeit und damit auch die Notwendigkeit von Journalis-
mus als der Tätigkeit, die sui generis auf die Herstellung von Öffentlichkeit ausgerichtet ist,
kann vor allem als ein Produkt der gesellschaftlichen Wandlungsprozesse und Modernisie-
rungsschübe der frühen Neuzeit beschrieben werden39, als eine Reaktion auf Differenzierung
und Segmentierung.40 Der Einzelne kann in einer hochkomplexen Gesellschaft lediglich in
einem sehr begrenzten Umfang primäres Wissen durch Erfahrung in oftmals füreinander
opaken und – auf das Ganze gesehen – weit auseinander liegenden Bereichen sammeln. Der
Blick für gesamtgesellschaftliche Probleme ist dadurch ebenso gefährdet wie die Kompetenz,
allgemein verbindliche Entscheidungen zu treffen.41 Dieser aus der Parzellierung von Gesell-
schaft erwachsenden Borniertheit wirkt eine öffentliche Sphäre entgegen.
„Moderne Gesellschaften brauchen […] ein Gegengewicht zur Komplexität, brauchen eine Sphäre gesell-
schaftlicher Kommunikation, die dazu da ist, die mit der funktionalen Differenzierung eintretende Be-
schränktheit des Horizonts ihrer Subjekte wieder aufzuheben, indem alle vorhandenen Erfahrungen, Er-
kenntnisse und Interessen allgemein bekannt gemacht und zu einander vermittelt werden. Es liegt nahe, die
Kommunikationssphäre Öffentlichkeit zu nennen. Komplexe Gesellschaften brauchen Öffentlichkeit, weil sie
sich sonst nicht selbst regulieren können.“42
Groth hat bereits 1928 beschrieben, inwiefern Journalismus einen Beitrag zur Etablierung
dieser entdifferenzierenden Sphäre der Öffentlichkeit und zur Orientierung des Einzelnen
leisten kann:
„Die Zeitung verbindet die Menschen mit allem gleichzeitigen Geschehen, das ihren Augen und Ohren, ihren
persönlichen Beziehungen nicht mehr wahrnehm- und erreichbar ist. So erweitert sie den Gesichtskreis von
Millionen unendlich, indem sie ihnen auch das Fernste nahe bringt. Sie erhebt die Herzen, entflammt die Wil-
len. Vor tausend Irrtümern bewahrt sie, zersetzt falsche Vorstellungen, regt wissenschaftliche, literarische und
künstlerische Interessen an. Sie ist die erfolgreiche Streiterin gegen den Spezialismus der Zeit, sie verhindert,
daß sich der Mensch, dessen Blick sich im kleinen Feld des Berufs verengert, gänzlich aus der Allgemeinheit
löst, sie läßt ihn immer alles miterleben, was die Gegenwart bewegt. Die Schnelligkeit und Vielseitigkeit der
Nachrichten und Urteile der Zeitungen haben das Denken des modernen Menschen beweglicher, umfassen-
der, bereitwilliger zur Aufnahme neuer Eindrücke und Meinungen geschaffen, sein Handeln rascher, ent-
schlossener gemacht. Sie beschleunigt und bereichert den gesamten Lebensprozeß, bewahrt ihn durch Aus-
tausch der geistigen Schätze der gesamten Kultur vor Stagnation und Rückfall.“43
Öffentlichkeit kann zunächst als Attribut (politischer) Institutionen und Äußerungen verstan-
den werden. Dieses prädikative Verständnis hebt besonders den semantischen Ursprung von
‚Öffentlichkeit‘ in den adjektivischen Bestimmungen ‚offen‘ bzw. ‚öffentlich‘ hervor. Zentral
ist, dass keine Barrieren oder Blockierungen vorhanden sind, sondern universale Zugänglich-
keit zu dem öffentlichen Gegenstand bzw. der öffentlichen Handlung gewährleistet ist. Öffent-
lichkeit ist demnach nicht abstrakt, sondern nur als konkrete Eigenschaft denkbar. Entspre-
chend muss öffentliche Kommunikation „[…] im Prinzip für alle Mitglieder der Gesellschaft
und auch für alle Themen offen sein […]“.44
Daneben kann Öffentlichkeit aber auch selbst als sozial identifizierbarer ‚Raum‘ bzw. als
‚Subjekt‘ und nicht bloß als Eigenschaft verstanden werden. Ein solches institutionelles Verständ-
nis zielt auf eine öffentliche gesellschaftliche Kommunikationssphäre, die sich als konkrete
Öffentlichkeit bildet sich aus Veröffentlichungen49, aber auch aus öffentlichem Handeln,
mithin aus der Bereitstellung öffentlicher ‚Gegenstände‘ oder Güter oder – in anderer Wen-
dung – aus der Übermittlung von Informationen und Themen in eine Sphäre, die quer zu der
Struktur der Teilsysteme liegt50, aus der Bereitstellung von Themen zur öffentlichen Behand-
lung, durch alle diejenigen, die an öffentlichen Prozessen teilnehmen wollen. Sprecher in der
45 Diesen Begriff hat Habermas (1990, S. 86) in ‚Strukturwandel der Öffentlichkeit‘ verwendet. Auch in einem
frühen Lexikonartikel spricht er von Öffentlichkeit als einer „zwischen Gesellschaft und Staat vermittelnden
Sphäre“ (Habermas 1973 [1964], S. 62).
46 Neidhardt 1994c, S. 19
47 Vgl. Zerfaß 1996, S. 138ff.
48 Göhler 1995b, S. 7f.
49 Vgl. Arlt 1998, S. 44
50 Vgl. Marschall 1999, S. 39
1 Die Idee der Öffentlichkeit 107
51 Weßler 1999b, S. 169. Insofern sind die drei Modelle von Öffentlichkeit, die Neidhardt (1994c, S. 25) unter-
scheidet – Verlautbarungs-Öffentlichkeit, Agitations-Öffentlichkeit, Diskurs-Öffentlichkeit – vor allem als un-
terschiedliche Handlungsmodi von Sprechern, Vermittlern und Publika in der Öffentlichkeit bezogen auf ein
Thema zu begreifen, die sich nach der Wechselseitigkeit und dem persuasiven Gehalt der Äußerungen identifi-
zieren lassen. Allen diesen Handlungen ist unabhängig von der Beschaffenheit ihrer konkreten Intention ge-
meinsam, dass sie öffentlichen Charakters sind und somit durch ihre eigene materielle Qualität den Raum ihrer
Interaktion konstituieren.
52 Vgl. Habermas 1992, S. 437: „Jede Begegnung, die sich nicht in Kontakten wechselseitiger Beobachtung
erschöpft, sondern vom gegenseitigen Zugeständnis kommunikativer Freiheit zehrt, bewegt sich in einem
sprachlich konstituierten öffentlichen Raum. Er steht für potentielle Gesprächspartner, die anwesend sind oder
hinzutreten können, prinzipiell offen.“
53 Vgl. Habermas 1990. ‚Strukturwandel der Öffentlichkeit‘ hatte in seiner dezidierten Gegenwartskritik zweifellos
großen Einfluss nicht nur auf die damalige Generation Studierender und junger Wissenschaftler. Die Analyse
des Zerfalls gesellschaftlicher Diskussionszusammenhänge zu vereinzeltem Kulturkonsum und politischer
Ohnmacht offerierte eine Erklärungsmatrix für die ‚Pathologien‘ der von progressiven Gruppen als weitgehend
gelähmt empfundenen Nachkriegsgesellschaft. Das Werk wurde angesichts solch ‚praxisorientierter‘ Rezeption
Gegenstand polemischer Auseinandersetzungen (vgl. Jäger 1973, S. 6ff.). Doch die Studie als aktuellen Debat-
teneinwurf zu interpretieren, hieße die Breite ihrer analytischen Bemühungen in unzulässiger Weise zu veren-
gen. Zumal Habermas (1990, S. 11ff.) selbst die aktuell politisch instrumentalisierbaren Befunde in seinem
Vorwort zur 1990er Neuauflage als zu apodiktisch kritisiert, während er an der historisch-idealtypischen Analy-
se festhält.
54 Vgl. die Beiträge in Calhoun 1992a.
55 Vgl. Lindenau 1995, S. 209; Brosda 2000d
56 Hölscher 1997, S. 17
108 III Die Idee der Öffentlichkeit – Historische Grundlagen des Journalismus
57 Vgl. Habermas 1990, S. 51ff. Dezidiert weist er allerdings darauf hin, dass gerade die historischen Betrachtun-
gen nicht auf Vollständigkeit ausgelegt sind, sondern eher der Illustration des aus einer Vielzahl von Einzelbe-
trachtungen komponierten Idealtypus der bürgerlichen Öffentlichkeit und seiner Abgrenzung zum repräsenta-
tiven Vorläufer dienen sollen. Die Studie kann als historisch informierte Analyse einer politisch wirksamen,
wenn auch nur ansatzweise verwirklichten Idee begriffen werden. Die ihr zugrunde liegenden historisch-
empirischen Annahmen alleine hingegen können sehr wohl als unzureichend kritisiert werden, wie Liesegang
(2004, S. 51f.) mit einer Aufzählung der dort weniger beachteten Phänomene verdeutlicht: „Mit der Pluralisie-
rung historischer Öffentlichkeitsformen, die im Kräftefeld verschiedener gesellschaftlicher Gruppen und dem
Staat agieren, einer sich früh ausdifferenzierenden literarischen Öffentlichkeit, den antagonistischen Kräften der
bürgerlich-kapitalistischen Entwicklung in Deutschland, der Strukturlogik und dem damit zusammenhängenden
konstitutiven Ausschluss von Personengruppen sind die Faktoren benannt, welche die historische Konkretion
von Öffentlichkeit dominieren.“
58 Vgl. Habermas 1990, S. 69ff.
59 Vgl. Körber 1998, S. 8; Schneider 1992, S. 120
60 Vgl. Habermas 1990, S. 58ff. Dass Herrschaft öffentlich repräsentiert werden muss gilt als ‚Publizitätsprinzip‘
nicht nur für die feudalen oder absolutistischen Herrscher, sondern durchzieht die Beziehungen aller Stände
der mittelalterlichen ‚Gesellschaft‘. Vor allem Rechtsakte müssen prinzipiell öffentlich wahrnehmbar sein, um
Gültigkeit zu erlangen. Ein umfangreiches Arsenal an symbolischen und ritualisierten Handlungen prägt sich
aus, mit dem diesen Konventionen Folge geleistet wird (vgl. Schneider 1992, S. 97ff.; Hölscher 1997, S. 24).
61 Vgl. Hölscher 1997, S. 23. Manche Autoren sprechen daher im Bezug auf das Mittelalter auch eher von
‚okkasioneller Öffentlichkeit‘ (Thum 1990). Aufzeigen lässt sich aber vor allem im 16. Jahrhundert die Etablie-
rung mehrerer Typen einer Öffentlichkeit, die noch nicht wie die im 18. Jahrhundert aufkommende bürgerliche
Öffentlichkeit entlang einer scharf geschnittenen Grenze von privat und öffentlich gebildet wurde, die aber
immerhin bereits erste Kennzeichen dieser späteren Öffentlichkeit – wie „Unabhängigkeit, Orientierung an ei-
nem Publikum und Legitimation von Herrschaft“ – ausprägte (Körber 1998, S. 12).
62 Die neue Form der Öffentlichkeit ist u.a. eine Reaktion auf die seit den Religionskriegen eingeübte rigide
Trennung zwischen politischer und privater Sphäre: Im Zuge der Religionskriege des 17. Jahrhunderts hatte der
Staat alle moralischen Fragen aus der politischen in die private Sphäre gedrängt, um für die Befriedung des öf-
fentlichen Lebens sorgen zu können (vgl. Kunisch 1997, S. 42f.). Eine eher sozialästhetische und sozialpsycho-
logische Erklärung liefert Sennett (1986, S. 122ff.), indem er Öffentlichkeit als Prägung eines neuerlich Ord-
nung schaffenden (expressiven) Zeichensystems der Bürger interpretiert.
63 Vgl. Habermas 1990, S. 142ff. siehe auch die Beiträge in Jäger 1997.
1 Die Idee der Öffentlichkeit 109
Familienleben war im Gegensatz zur extrovertierten Hof- und Haushaltung von größerer
Innerlichkeit gekennzeichnet; hier wurde eine klare Grenze zwischen öffentlichen Bereichen
(‚Salon‘ des Hauses) und Privatsphäre gezogen.64 Das Bürgertum gewann im Zuge dieser
Veränderungen an gesellschaftlicher Bedeutung. Seine Kämpfe um Anerkennung zielten neben
der (rechtlichen) Gewährleistung privater Schutzräume auf die Etablierung einer ‚bürgerlichen
Öffentlichkeit‘, die aus der Privatsphäre heraus gebildet wurde. Die ersten öffentlichen Geh-
versuche in diese Richtung lassen sich im literarischen Räsonnement finden.65
„Noch bevor die Öffentlichkeit der öffentlichen Gewalt durch das politische Räsonnement der Privatleute
streitig gemacht und am Ende ganz entzogen wird, formiert sich unter ihrer Decke eine Öffentlichkeit in un-
politischer Gestalt – die literarische Vorform der politisch fungierenden Öffentlichkeit. Sie ist das Übungsfeld
eines öffentlichen Räsonnements, das noch in sich selber kreist – ein Prozeß der Selbstaufklärung der Privat-
leute über die genuinen Erfahrungen ihrer neuen Privatheit.“66
Durch die Beschäftigung des Bürgertums mit Kunst und Literatur wurde ein wesentliches
Instrument der bisherigen Selbstdarstellung des Adels zu einem disponiblen, der allgemeinen
Evaluation ausgesetzten Gut deklariert.67 Zum ersten Mal entfaltete das Bürgertum öffentlich
seine Urteilsfähigkeit und schärfte seine aufklärerischen Werte in einer neuen Form öffentli-
cher Kritik.68 Die literarische Öffentlichkeit wurde zum Präzedenzfall für die Beschäftigung
mit politischen Fragen, als sich die bürgerlichen Kaffeehausgesellschaften, Salons oder literari-
schen Clubs auch Problemen des Zusammenlebens, d.h. vor allem der Forderung nach einem
Rechtsstaat und nach politischen Teilhaberechten, zuwendeten. Eine rege publizistische
Tätigkeit sorgte im Prozess der Ausweitung des Räsonnements für die Entstehung einer
politischen Bürgeröffentlichkeit, die der autoritär entfalteten Öffentlichkeit der monarchischen
Herrscher entgegenstand und statt des demonstrativen Zurschaustellens der Macht das rationa-
le Räsonnement in den Mittelpunkt rückte.
Im Räsonnement konvergieren idealtypisch Kommunikation und Vernunft. Der Begriff
meint die Möglichkeit, „verständig“ über die Dinge zu reden und sie „nach Vernunftgründen“
zu untersuchen, wie es das französische Verb ‚raisonner‘ nahe legt, das übersetzt „überlegen,
vernunftgemäß handeln und reden“ bedeutet.69 Es bezeichnet ein (öffentliches) vernunftge-
prägtes Reden, das in letzter Konsequenz dialogisch und verständigungsorientiert angelegt ist70,
und besteht folglich aus vernunftorientierten öffentlichen Meinungsäußerungen, mit denen
Sprecher versuchen, Diskussionspartner rational zu überzeugen. Mit dem Räsonnement
beschreibt Habermas die materielle Veränderung von Öffentlichkeit: Nicht mehr das rituali-
sierte Symbol wie in Zeiten repräsentativer Öffentlichkeit, sondern der rationalisierte Diskurs
bestimmten das Ideal öffentlichen Handelns.71
64 Gerade in ihrem ‚privatisierten‘ Aspekten fungierte die Familie in vielerlei Hinsicht als die zentrale Sozialisati-
ons- und Sozialagentur: Sie übernahm die Erziehung und Bildung der Kinder und die Versorgung der Berufs-
unfähigen aus Alters- und Krankheitsgründen. (vgl. Habermas 1990, S. 107ff.)
65 Vgl. Habermas 1990, S. 116 ff.
66 Ebd., S. 88
67 Vgl. ebd., S. 97ff.; ähnlich auch Grieger 1997, S. 117
68 Vgl. Baum 1994, S. 85f.
69 So der Duden „Etymologie“: Herkunftswörterbuch der deutschen Sprache. 2., völlig neu bearb. u. erw. Aufl.
Mannheim; Wien, Zürich 1989, S. 572.
70 Damit steckt in dem Begriff der Ausgangspunkt der Habermasschen Theorie. Die Beschäftigung mit dem
Öffentlichkeitsbegriff markiert den Beginn einer umfassenden Erörterung der Funktionen und Leistungen, die
kommunikative Verständigungsakte für die Integration moderner Gesellschaften erbringen.
71 Das Räsonnement ist als Medium der politischen Auseinandersetzung „eigentümlich und geschichtlich ohne
Vorbild“, erläutert Habermas (1990, S. 86); der Begriff kann – je nach dem von wem er mit welcher Intention
110 III Die Idee der Öffentlichkeit – Historische Grundlagen des Journalismus
„Der Prozeß, in dem die obrigkeitlich reglementierte Öffentlichkeit vom Publikum der räsonierenden Privat-
leute angeeignet und als eine Sphäre der Kritik an der öffentlichen Gewalt etabliert wird, vollzieht sich als
Umfunktionierung der schon mit Einrichtungen des Publikums und Plattformen der Diskussion ausgestatte-
ten literarischen Öffentlichkeit. Durch diese vermittelt, geht der Erfahrungszusammenhang der publikumsbe-
zogenen Privatheit auch in die politische Öffentlichkeit ein.“72
Der Kern dieser Vorstellung von Öffentlichkeit findet sich bereits in Kants berühmter ‚Beant-
wortung der Frage: Was ist Aufklärung?‘, in der er einen präzisen Begriff von Aufklärung und
ihren Implikationen entwickelt. Dabei insistiert er besonders darauf, dass es das Räsonnement
als der öffentliche Gebrauch der Vernunft ist, der aufklärend wirkt, nicht der Gebrauch im
Privatbereich. Öffentlich ist nach Kant derjenige Vernunftgebrauch, „[…] den jemand als
Gelehrter von ihr vor dem ganzen Publikum der Leserwelt macht“.73 Daran schließt auch die
spätere zeitungswissenschaftliche Modellierung des Begriffs an:
„Räsonnement […] ist Urteil, Meinung, die im Periodikum nicht als Tatsache, sondern unmittelbar als Ge-
dankenäußerung eines Subjektes auftritt. Dabei nimmt die Periodik [so bezeichnet Groth die Zeitungswissen-
schaft, -cb-] Räsonnement nicht bloß in seiner ursprünglichen engeren Bedeutung als verständige Beurteilung,
Verstandesurteil oder gar in der engsten als kritische (tadelnde) Beurteilung, sondern in der weitesten der geis-
tigen Äußerung überhaupt, auch der gefühls- und willensmäßigen.“74
verwendet wird – sowohl die „Berufung auf Vernunft“ als auch ihre „verächtliche Herabsetzung zur nörgeln-
den Vernünftelei“ meinen.
72 Habermas 1990, S. 116
73 Kant 1968 [1783], S. 55. Hier ist die Idee einer wechselseitigen Verständigung lediglich insoweit hinein zu
deuten, als dass der öffentliche Vernunftgebrauch des Gelehrten den Mitgliedern des Publikums bei dem Aus-
gang aus ihrer eigenen selbstverschuldeten Unmündigkeit helfen soll und sie somit in die Lage versetzt, selbst
öffentlich vernünftig zu kommunizieren. Der im Rahmen öffentlich zugänglicher Kommunikation verlaufende
Aufklärungsprozess unterscheidet in diesem Modell zumindest der Tendenz nach noch zwischen Aufgeklärten
und Aufzuklärenden. Öffentliche Kommunikation ist noch keine wechselseitige Verständigung, aber auch
schon kein einseitiges Erziehen und Anleiten mehr, sondern ein öffentlich beobachtbarer Gebrauch einer Ver-
nunft, zu der alle potenziell fähig sind. Jeder kann daher in den Status eines Beteiligten am Aufklärungsprozess
aufsteigen, niemand aber kann diesen Prozess in eine reine Anleitungsrolle hinein wieder verlassen, da der Ver-
nunftgebrauch stets prekär verbleibt (vgl. auch Liesegang 2004).
74 Groth 1961, S. 90
75 Vgl. dazu auch Schneider 1992, S. 198ff.
76 Dieses bildet sich in einer semantischen Verschiebung ab, die stark unter dem Eindruck der Aufklärung steht:
Zunächst wird öffentlich nicht mehr in der Folge des germanisch-deutschen Rechts als Gegensatz zu ‚geheim‘,
sondern zunehmend in der Tradition des römischen Tradition als Gegensatz zu privat verstanden. Darüber
hinaus wird das Publikum seit rund 1750 sprachlich eigenständig gefasst und bezeichnet (vgl. Hölscher 1997, S.
24ff.; vgl. auch Hölscher 1979, S. 88).
77 Vgl. zum Folgenden Habermas 1990, S. 97f.
78 Sennett (1986, S. 113) spricht mit Blick auf die frühe Öffentlichkeit entsprechend von der „Fiktion […], daß die
gesellschaftlichen Unterschiede nicht existent waren“.
1 Die Idee der Öffentlichkeit 111
• Mit Literatur- und Kunstkritik nahmen sich die Zirkel solcher Bereiche an, die bislang
unter dem Deutungsmonopol von Klerus oder Adel standen. Sie begannen Zusammen-
hänge zu problematisieren, die bislang nicht hinterfragt wurden.
• Das Publikum, die Mitgliedschaft in den Diskussionsgruppen, war prinzipiell unabge-
schlossen.
Zugangsvoraussetzungen zu bürgerlichen Diskussionszirkeln waren Besitz und Bildung – beide
Kriterien erfüllte nur ein kleiner Teil der Bevölkerung. Dadurch sollten Partikularinteressen
ausgeklammert werden, damit das ‚unbelastete‘ rationale Räsonnement zu einer vermeintlich
vernünftigen und legitimen ‚öffentlichen Meinung‘ führen konnte, die ausschließlich auf Basis
der besten Argumente zustande kommen sollte. Im Sinne liberaler Grundideen schlossen die
Diskussionszirkel niemanden a priori aus – schließlich, so die Unterstellung, sei jeder in der
Lage, Bildung und Besitz – und damit die Teilnahmeberechtigung – zu erwerben. Faktisch aber
wurde der Status des politisch aktiven ‚citoyen‘ an den des besitzenden ‚bourgeois‘ gekoppelt.79
Die Spannung zwischen dem umfassenden Geltungsanspruch bürgerlicher Öffentlichkeit
und ihrer faktischen Begrenztheit ist somit greifbar: Es kann historisch nicht davon ausgegan-
gen werden, dass die Idee der zugangsfreien Öffentlichkeit in den Kaffeehäusern, Salons oder
literarischen Gesellschaften faktisch realisiert worden wäre; „[…] wohl aber ist sie mit ihnen als
Idee institutionalisiert, damit als objektiver Anspruch gesetzt und insofern, wenn nicht wirk-
lich, so doch wirksam gewesen“.80 Hölscher zufolge hat dieses Spannungsverhältnis zwischen
Anspruch und Realität zur Ausprägung des neuen Verständnisses von Öffentlichkeit beigetragen,
indem es bereits im 18. Jahrhundert in den bürgerlichen Diskussionszirkeln selbst zum Ge-
genstand des diskursiven Verkehrs geworden ist. Daraufhin setzte ein Selbstvergewisserungs-
prozess ein; die programmatischen Diskussionen hatten sich selbst zum Gegenstand und
verdichteten sich in dem Begriff der Öffentlichkeit. Die neue Form der Öffentlichkeit reflek-
tierte ihre Prinzipien auf sich selbst, um an institutioneller Stärke zu gewinnen.81 Die in politik-
theoretischer Perspektive bestechende Pointe dieser bürgerlichen Selbstvergewisserung im
Räsonnement ist, dass sie letztlich nicht nur auf Veränderung, sondern auf Abschaffung
klassischer Strukturen der Herrschaft zielt, da Entscheidungen nicht mehr durch Macht,
sondern durch Vernunft herbeigeführt werden sollen.82 Innerhalb eines Verfassungsrahmens
79 Habermas (1990, S. 121) konstatiert: „Die entfaltete bürgerliche Öffentlichkeit beruht auf der fiktiven Identität
der zum Publikum versammelten Privatleute in ihren beiden Rollen als Eigentümer und als Menschen
schlechthin.“ Damit wurde ein Klasseninteresse ideologisch zum Allgemeinwohl erhoben – gerechtfertigt
durch die Idee, dass nur der bourgeois Interesse an einer geschützten Privatsphäre haben könnte. (vgl. ebd., S.
159; vgl. auch kritisch Negt/Kluge 1972). Allerdings beruht die bürgerliche Gesellschaft laut Sozialhistorikern
weniger auf Geburtsprivilegien (Adel) oder sozialökonomischen Parametern (Proletariat) als vielmehr auf kultu-
rell-bürgerlichen Mustern. Diese werden von anderen gesellschaftlichen Gruppen adaptiert und charakterisieren
daher nicht mehr eine soziale Schicht respektive ein ‚Milieu‘, sondern zunehmend ‚Gesellschaft‘ in ihrer ge-
dachten Einheit (vgl. Blöbaum 1994, S. 119). Dieser Umstand ist bei der Analyse des bisweilen als zu empha-
tisch gescholtenen Habermasschen Öffentlichkeitsbegriffs zu berücksichtigen.
80 Habermas 1990, S. 97; vgl. auch Baum 1994, S. 92f.
81 Vgl. Hölscher 1997, S. 31: „Die Öffentlichkeit, so könnte man diesen Vorgang metaphorisch umschreiben,
begegnete sich selbst in der bewußten sprachlichen Ausgestaltung sozialer Kommunikationsformen […].“
82 Vgl. Habermas 1990, S. 153: „Die ‚Herrschaft‘ der Öffentlichkeit ist ihrer eigenen Idee zufolge eine Ordnung,
in der sich Herrschaft überhaupt auflöst […]. Pouvoir als solche wird durch eine politisch funktionierende Öf-
fentlichkeit in Frage gestellt. Diese soll voluntas in eine ratio überführen, die sich in der öffentlichen Konkur-
renz der privaten Argumente als der Konsensus über das im allgemeinen Interesse praktisch Notwendige her-
stellt.“
112 III Die Idee der Öffentlichkeit – Historische Grundlagen des Journalismus
sollten die kommunikativ rationale Debatte der Bürger und das zweckrationale freie Spiel der
marktwirtschaftlichen Kräfte zu Konsens oder mindestens zu gerechtem Ausgleich führen.83
In einem grundlegend demokratietheoretischen Verständnis lässt sich die normative Idee
der Öffentlichkeit als der Versuch begreifen, die vernunftrechtliche Tradition aufklärerischer
Rationalitätspostulate mit der republikanisch-demokratischen Idee der Volkssouveränität zu
verbinden. Durch öffentliches Räsonnement der Bürger sollen die vernünftigsten Lösungen
für das Gemeinwesen gefunden werden. Ein vormals als dichotomisch unterstelltes Verhältnis
von Vernunft und Volkswillen scheint im öffentlichen Diskurs überwindbar.
„[D]ie Vernunft brauchte der kollektiven Willensbildung nicht mehr vor- oder übergeordnet zu werden, weil
sich in der Öffentlichkeit, gestützt und getragen von einer Infrastruktur freier Assoziationen und vermittelt in
Argumentation, Interesse und Moral, eine aufs Allgemeine gerichtete Vernunft und individuelle Partikularität,
also ‚bourgeois‘ und ‚citoyen‘ einander durchdringen konnten.“84
Zu einer Zeit, in der die Bereiche des Öffentlichen und des Privaten noch strikt von einander
geschieden waren, bildete sich so innerhalb der Sphäre des Privaten ein Bereich heraus, der
geprägt war von der regulativen Idee, dass öffentliche Belange nach den kommunikativen Maßga-
ben lebensweltlicher Rationalität unter ‚Gleichen‘ diskutiert und publiziert werden können. Der
durch solche Verständigungsbemühungen konstituierte soziale Bereich erbringt Vermittlungs-
leistungen zunächst zwischen dem öffentlichen Staat und dem Privatbereich der Gesellschaft85,
später auch in Bezug auf wirtschaftliche, soziale und kulturelle Belange.
Öffentlichkeit erfährt angesichts sich differenzierender Gesellschaften wachsende Bedeu-
tung, die sie letztlich in ihrer orientierenden Funktion nicht nur für die Gesellschaft als Ganzes,
sondern auch für die einzelnen Individuen notwendig macht.86 In Öffentlichkeit manifestiert
sich „Gesellschaft als Gesellschaft“, da sie aus Sicht der Individuen das ist, „[…] von dem
gewusst wird oder gewusst werden kann, dass die anderen es wissen oder wissen können“.87
Individuen wären sogar dann auf Öffentlichkeit angewiesen, wenn sie nur in Bezug auf sich
selbst und nicht in gesellschaftlichen Kontexten handelten. Erst durch Öffentlichkeit ist es
ihnen möglich, den „kulturell bereitstehenden Reichtum an Erfahrung und Erkenntnis“ zu
nutzen.88 In einem solchen Verständnis wird Öffentlichkeit auf die symbolische Gesellschafts-
integration in der Lebenswelt nicht nur rückbezogen, sondern gleichsam als ein zentraler
Modus dieser Integration ausgezeichnet und normativ aufgeladen.
Öffentlichkeit meint vor diesem Hintergrund „[…] kategorial die Gesamtheit aller Ver-
ständigungsprozesse, die sich auf kollektive Problemlagen sowie normative und praktische
Fragen gesellschaftlicher Handlungskoordination beziehen“.89 Sie vertritt einen gesellschafts-
weiten Allgemeinanspruch, der sich aus ihrer Kopplung an die Verwendung der Umgangsspra-
che speist.90 In Öffentlichkeit können potenziell alle Themen von allen Mitgliedern der Gesell-
schaft ‚zur Sprache‘ gebracht und somit auf den Prüfstand eines rationalen Verständigungspro-
zesses gestellt werden. In der Formulierung dieses idealtypischen Modells (bürgerlicher)
Öffentlichkeit kann, so Calhoun, der zentrale theoretische Beitrag und Ertrag der Habermas-
schen Studie gesehen werden.91 Die immense Bedeutung des Idealtypus der bürgerlichen
Öffentlichkeit für das Verständnis der Moderne hebt auch Baum hervor: In den Vorstellungen
von Öffentlichkeit kristallisieren sich die normativen Fundamente moderner Demokratien –
vor allem hinsichtlich der Teilhabe mündiger Staatsbürger – heraus.92 Mit der bürgerlichen
Öffentlichkeit wird historisch idealtypisch eine soziale Sphäre beschrieben, in der Beteiligungs-
rechte aufgeklärter Bürger eingelöst zu werden schienen, die in den Gesellschaftsvertragstheo-
rien nur abstrakt formuliert wurden. Jeder Bürger hatte in der Öffentlichkeit das Recht, sich zu
allen Belangen des Gemeinwesens zu äußern; die öffentliche Debatte über die Gestaltung des
Zusammenlebens bildete einen wesentlichen Fokus dieser Zeit. In ihr etablierte sich – freilich
mehr als literarisch beschworenes Ideal, denn als historische ‚Wirklichkeit‘ – die regulative Idee
einer inklusiven, sich politisch selbst steuernden Gesellschaft, deren Kommunikation auch den
Geltungsbereich politischer und ökonomischer Macht einzuhegen versprach. Schon die
Öffentlichkeit eines Gedankens selbst galt den Aufklärern als Beleg seiner Gerechtigkeit.93 In
der Etablierung einer bürgerlichen Öffentlichkeit ist der Gedanke ihrer radikalen Verwirkli-
chung – der kommunikativen Verflüssigung von Macht- und Herrschaftsansprüchen, der
argumentationsgestützten Revision gesellschaftlicher und politischer Entscheidungen, der
rationalen Begründung gesellschaftlicher Prinzipien des Zusammenlebens, der Bewährung von
Traditionen auf dem Prüfstand des Räsonnements – immer schon angelegt. Das daraus er-
wachsende Verständnis von kommunikativer Macht, die sich der bis dahin ‚unbegründeten‘
Gewalt staatlicher Herrschaft entgegenstellt, ist entlehnt bei Hannah Arendt, die in ihrem
Konzept des Politischen normativ die Verständigungspraxis aller Gesellschaftsglieder be-
schreibt.94 Arendt verortet Macht im Miteinander:
„[…] Macht aber besitzt eigentlich niemand, sie entsteht zwischen den Menschen, wenn sie zusammen han-
deln, und sie verschwindet, sobald sie sich wieder zerstreuen.“95
Habermas arbeitet heraus, inwieweit sich Arendts emphatischer Praxisbegriff auf Strukturen
von Öffentlichkeit bezieht, die einen unverstellt kommunikativen Verständigungsprozess
ermöglichen, aus dessen Lebensweltlichkeit heraus kommunikative Macht erwachsen kann.96
Vor dem Hintergrund eines solchen Primats des spontanen öffentlichen Miteinanders wird
jede Form der Abschottung oder Eingrenzung, jeder Versuch des Arkanums, öffentlich
begründungsbedürftig, sofern nicht der sich von kommunikativer Macht unterscheidende,
institutionalisierte und sozial legitimierte Gebrauch funktionalistisch verstandener politischer
oder sozialer Macht die Grundlage bildet. Die Idee der Öffentlichkeit dringt regulativ auf ihre
91 Vgl. Calhoun 1992b, S. 10: „Though the book has perhaps been more often read for its account of the
degeneration of the public sphere, the earlier argument about its constitution is both more original and more
interesting.”
92 Vgl. Baum 1994, S. 88f.: „Jeder sollte öffentlich sprechen können. Und derjenige, der über Fragen des Gemein-
wesens, der Gesellschaft sowie der Staatsordnung diskutierte, tat dies als Bürger, der sich in den politischen
Meinungsstreit einbrachte. Während der Angehörige des Bürgertums ‚bourgeois‘ und ‚citoyen‘ in einem ver-
körperte, kristallisierte sich in der Sphäre der Öffentlichkeit vor allem jene Rolle des Staatsbürgers heraus, die –
qua Rede – jedermann einnehmen konnte.“
93 Vgl. Kant 1968 [1783]
94 Vgl. Arendt 1993, S. 39ff.
95 Arendt 1981 [1958], S. 252
96 Vgl. Habermas 1978 [1976], Bischoff (1999) markiert als entscheidenden Unterschied, dass Arendt Öffentlich-
keit ambivalent sehe, weil kommunikative Macht durch Meinungskonformität auch problematisch werden kön-
ne, während Habermas die öffentlich entfaltete kommunikative Macht durchweg positiv konnotiere.
114 III Die Idee der Öffentlichkeit – Historische Grundlagen des Journalismus
Schon Robert E. Prutz hat in seiner Fragment gebliebenen ‚Geschichte des deutschen Journa-
lismus‘ auf die Bedeutung eines selbstbewussten Journalismus hingewiesen, der sich nicht mehr
auf das unveränderte Vervielfältigen einlaufender Nachrichten beschränkt, sondern sich selbst
ein Publikum sucht und den Nachrichtenstoff entsprechend bearbeitet, einordnet und bewer-
tet: Erst durch den Journalismus sei die „theoretische Betheiligung des Publikums an den
Ereignissen der Geschichte, diese Neugier für die Geheimnisse des Staates, dieses Interesse für
alle politischen Zustände und Begebenheiten“ entstanden, durch das sich erstmals ein „Publi-
kum“ in Deutschland habe bilden können.99 Presse erscheint so als ein Mittel der Teilnahme
am Gesellschaftlichen. Groth sieht in Prutz daher einen Vordenker der demokratischen
Aufgaben einer freien Presse: Das „Maß aller journalistischen Dinge“ sei für Prutz „der Nut-
zen für das Volk, für dessen gesamte Höherentwicklung, für die Demokratie“, schreibt Groth
in seiner ‚Geschichte der deutschen Zeitungswissenschaft‘.100
„Stimme des Volkes soll der Journalismus sein, aber nicht mit einer mechanischen Wiedergabe des Gehörten,
Empfangenen. Der Journalismus ist für Prutz nicht ein passives, neutrales Mitteilen der Ereignisse und Zu-
stände, der Wünsche und Hoffnungen, nicht bloß ein Widerspiegeln dessen, was sich im Volke begibt und
regt, sondern ist Lebendiges, Bewegendes, Aktives. Er ist der Wortführer der Zeit und ihrer Stimmungen, das
‚Orakel der Unzähligen, die zu keiner eigenen Einsicht in den Verlauf der Dinge gelangen können‘, und so
wird er zum Schöpfer der öffentlichen Meinung, zum Schöpfer eines allgemeinen Geistes des Publikums. Das
Interesse am politischen Geschehen ist erst durch den Journalismus, speziell durch das Zeitungswesen, über-
haupt zu Wege gebracht worden.“101
Prutz beschreibt damit als einer der ersten zeitungskundlichen Autoren die Bedeutung des
Journalismus für die Etablierung einer modernen Öffentlichkeit. Diese Bedeutung erstreckt
sich sowohl auf Öffentlichkeit als Zeitgespräch der Gesellschaft (1) als auch auf die Öffent-
lichkeit beigemessenen Vernunfts- und Rationalisierungsorientierung (2).
Grundlage einer modernen Öffentlichkeit sind die öffentlichen Gespräche der Bürger –
zunächst wie dargestellt über Fragen von Kunst und Literatur und im historischen Verlauf
auch über politische, wirtschaftliche und soziale Belange. In der durch diese Gespräche ge-
währleisteten sprachlichen Koordination des gemeinsamen Handelns sieht Habermas den
Schlüssel zur Integration moderner Gesellschaften. Die Presse zeichnet er als eine der zentra-
len Institutionen dieser neuzeitlichen ‚Gesprächsöffentlichkeit‘ aus.102 Neben den Briefkorres-
pondenzen der ‚Gelehrten Republik und den Diskussionen der Vereine bildete sie die dritte
Diskussionsebene der Aufklärungsgesellschaft, wie auch Wehler betont.103
Journalismus schuf somit – keineswegs nur in technischer Hinsicht – die Voraussetzungen
dafür, dass das Gespräch der Zeitgenossen räumliche und auch zeitliche Restriktionen spren-
gen konnte und sich damit aus face-to-face-Situationen heraushob. Folgt man dem idealtypi-
schen Verständnis der am Gespräch orientierten Öffentlichkeit, dann bot die Zeitung (im alten
Verständnis als ‚Nachricht‘104), wie Engelsing anmerkt, nicht nur „Stoff für das Gespräch,
sondern war Ursache des Gesprächs“, dann war sie „[…] nicht nur Gesellschafterin, sondern
sie schuf Gesellschaft“.105 Hinweise auf die besondere Rolle der Presse in der Gesprächsöf-
fentlichkeit treten im historischen Rückblick am auffälligsten in dem Aspekt zutage, dass viele
der räsonierenden Zeitschriften des Bürgertums sich aus Gesprächszirkeln heraus entwickelt
haben, um deren Räsonnement weiter zu verbreiten. Aber auch der Nachrichtenjournalismus
kann entweder als Bestandteil eines gesellschaftlichen Gesprächs oder aber als dieses Gespräch
selber beschrieben werden. Die Presse ist mit der integrierenden Funktion der Öffentlichkeit
eng verknüpft. Sehr allgemein formuliert bedeutet dies: Dadurch dass Journalismus in der Lage
ist, durch Informationsvermittlung für Orientierung in einer komplexen Welt zu sorgen,
schafft er auch die Voraussetzungen dafür, dass sich Menschen in der Gesellschaft zurechtfin-
den.
„Die Zeitung wird durch ihre Universalität ein hervorragendes sozifizierendes Instrument, trotz mancherlei späte-
ren Erfindungen immer noch das wirksamste, den Menschen in seine Gesamtheiten einzugliedern und in ih-
nen zu erhalten. Die Zeitung unterrichtet beständig nicht nur über unsere ‚Umwelt‘, sondern in erster Linie
über unsere ‚Mitwelt‘. So ist sie die nie ruhende Gegenspielerin sozialer Verbindung gegen die Abschließung
der einzelnen, gegen die Atomisierung unserer Gesellschaft, dies um so mehr, weil das, was sie bringt, ja be-
reits irgendwie sozifiziert, bereits unter irgendwelchen sozialen Gesichtspunkten und Einflüssen ausgewählt
und vorgeformt ist. Die Universalität gibt uns Kunde von den zahllosen Beziehungen, in denen wir bewußt
oder unbewußt zu unseren Mitmenschen stehen […].“106
Journalismus ist somit eine wesentliche Grundlage der öffentlichen Sphäre, in der vergesell-
schaftete Individuen versuchen, sich über Themen von allgemeinem Interesse oder spezifi-
scher über Fragen des Gemeinwohls zu informieren, zu orientieren und gegebenenfalls zu
verständigen. Journalistische Angebote erbringen grundlegende Leistungen, die den Individuen
Orientierung überhaupt erst ermöglichen. Sie schaffen gesellschaftliche Kommunikationszu-
sammenhänge, welche die Aufgabe und Funktionalität interpersonaler Kommunikation zur
Orientierung auf einem meso- und makrosozialen Level nachbilden. Eine vergleichbare Be-
trachtungsweise hat früh Eingang in die zeitungswissenschaftliche Literatur gefunden: Die
Gesprächsmetapher lässt sich beispielsweise bereits 1845 bei Prutz nachweisen, der schreibt:
„Der Journalismus überhaupt, in seinen vielfachen Verzweigungen und der ergänzenden Mannigfaltigkeit sei-
ner Organe, stellt sich als das Selbstgespräch dar, welches die Zeit über sich selber führt. Er ist die tägliche
Selbstkritik, welcher die Zeit ihren eigenen Inhalt unterwirft; das Tagebuch gleichsam, in welches sie ihre lau-
fende Geschichte in unmittelbaren, augenblicklichen Notizen einträgt.“107
Hier wird Journalismus als das Gespräch selber begriffen, wobei Prutz sich im weiteren Ver-
lauf seiner Argumentation vor allem die Position des Historikers zu eigen macht, der in den
journalistischen Produkten vergangener Tage die wesentlichen Debatten ihrer Zeit konserviert
sieht. Er lässt offen, inwiefern diese professionell bearbeitet und gestaltet worden sind. Im 20.
Jahrhundert ist das Konzept des Journalismus als Institut des gesellschaftlichen Gesprächs in
Teilen der Zeitungswissenschaft wieder aufgegriffen worden: Für Groth ist das Periodikum ein
„Sprechsaal, in dem sich die Partner treffen, ihre Ansichten, Kenntnisse und Erfahrungen
austauschen und sich durch Aussprache über ihre Stellungnahme zu einigen versuchen“108.
Auch Aswerus schließt an das von Prutz artikulierte Verständnis an, wenn er gesellschaftliche
Kommunikation – die ‚Zeitung‘ im klassischen Sinne der Nachricht oder Mitteilung – als
„Zeitgespräch der Gesellschaft“ konzipiert.109
„Bei dem Phänomen der gesellschaftlichen Kommunikation handelt es sich (1.) um ein gesellschaftliches Mit-
einander, das sich (2.) in einem Gespräch befindet. Insofern dieses Gespräch (3.) auf die zeitliche Gegenwart der
Gesprächsteilnehmer bezogen ist und so ein Zeitgespräch darstellt, gewinnt diese Kommunikation zeitungswis-
senschaftliches Interesse.“110
tung bekam er den gesellschaftlichen Zusammenhang zu fühlen und sah sich selbst als Glied und Repräsentant
zugleich.“ Rager (1999b, S. 137) merkt aktuell an, dass der Zeitung ihr universeller Charakter angesichts zu-
nehmender gesellschaftlicher Individualisierung mittlerweile im Wege stehen könnte.
107 Prutz 1971 [1845], S. 7 [Herv. von mir, -cb-]
108 Groth 1960, S. 566 [Herv. von mir, -cb-]
109 Aswerus 1961, S. 86
110 Ebd., S. 88 [Herv. von mir, -cb-]
111 Engelsing 1966, S. 23
112 Vgl. ebd., S. 277f.
113 Prakke 1960a, S. 208
1 Die Idee der Öffentlichkeit 117
Während das Verständnis von Öffentlichkeit als Zeitgespräch der Gesellschaft Journalismus
eine vorwiegend vermittelnde Aufgabe zuweist, markieren Habermas’ frühe öffentlichkeitsthe-
oretische Annahmen einen Ansatzpunkt für die Formulierung eines aktiveren Journalismusver-
ständnisses.115 In ihnen ist die Idee eines gesellschaftlichen Gesprächs über Zeitbelange imma-
nent mit einer räsonierenden Kommunikatorrolle verknüpft und explizit in einer zunächst
makrosozialen Analyse der öffentlichen Sphäre und ihrer Transformationsprozesse angelegt.
Von der konkreten historischen Sozial- und Medienanalyse ausgehend hat Habermas ein
grundlegendes gesellschaftstheoretisches und -philosophisches Modell entwickelt, das in
handlungstheoretischer Absicht auf einen kommunikativ verstandenen Handlungsmodus als
koordinierendes Muster der Vergesellschaftung rekurriert. Es steht in einem direkten Zusam-
menhang zu den Annahmen hinsichtlich des historisch relevanten Räsonnements der Bürger in
der frühen Neuzeit. Indem Habermas nämlich die vernünftige Handlungskoordinierung in den
alltagsweltlichen Gesprächen der Bürger verortet, knüpft er in seiner soziologischen Gesell-
schaftskonzeption an eine liberale Aufklärungstradition an, die ihrerseits große Auswirkungen
auf die Entwicklung der Presse selbst hatte, wie vor allem die einschlägigen Debatten zur
Pressefreiheit zeigen.116
Fasst man die Grundideen bürgerlicher Öffentlichkeit zusammen, dann entwirft Habermas
seinen Typus von Öffentlichkeit als ein Produkt des Räsonnements und des Emanzipations-
strebens des neuzeitlichen Bürgertums, die sich auch in den Bemühungen um eine räsonieren-
de Verwendung der Pressestruktur wiederfinden. Er versteht die bürgerliche Öffentlichkeit in
dieser historischen wie ideengeschichtlichen Rückschau
„[…] als die Sphäre der zum Publikum versammelten Privatleute […]; diese beanspruchen die obrigkeitlich
reglementierte Öffentlichkeit alsbald gegen die öffentliche Gewalt selbst, um sich mit dieser über die allge-
meinen Regeln des Verkehrs in der grundsätzlich privatisierten, aber öffentlich relevanten Sphäre des Waren-
verkehrs und der gesellschaftlichen Arbeit auseinanderzusetzen.“117
Neben das praktische Interesse der Information und der Orientierung in der gemeinsamen
gesellschaftlichen Lebenswelt tritt mit dem Räsonnement auch ein emanzipatorisch-kritisches
114 Vgl. z.B. Wagner 1978; insbesondere darin Starkulla/Wagner 1978; kritisch Schreiber 1980.
115 Vgl. Baum 1994, S. 88ff
116 Vgl. Schneider 1966, der sein Buch explizit auch als geschichtswissenschaftliche Ergänzung zu ‚Strukturwandel
der Öffentlichkeit‘ kennzeichnet, indem er einige der Lücken schließt, die Habermas in seiner Skizze der deut-
schen Entwicklung offenlässt.
117 Habermas 1990, S. 86
118 III Die Idee der Öffentlichkeit – Historische Grundlagen des Journalismus
Element der Kommunikation, das implizit auf den Abbau von Verständigungsbarrieren und
die Prüfung von Machtstrukturen hinsichtlich ihrer Begründbarkeit zielte. Auf diesem Nähr-
boden konnte sich eine Publizistik herausbilden, deren Zugang zunächst nur durch die in der
individuellen Sozialisation erworbene sprachliche Kompetenz geregelt schien.118 Baum versteht
den räsonierenden schriftstellernden Journalismus daher auch als die flüchtige, aber faktische
Verwirklichung kommunikativer Möglichkeiten in einem kurzen geschichtlichen Augenblick
des Umbruchs:
„Denn die im alltäglichen Sprachgebrauch zumeist stillschweigend geübte Unterstellung, wir könnten jeden
Sachverhalt problematisieren, das heißt aus dem Gesprächsfluß isolieren und einem Diskurs zuführen, der
schließlich eine Verständigung in Aussicht stellt, wird – wenigstens vorübergehend – im Journalismus praktisch
wahr.“119
Diese Feststellung verweist darauf, dass die Etablierung der Idee bürgerlicher Öffentlichkeit
durchaus historische Faktizität besitzt und sich nicht im Status einer regulativen Idee der sich
liberalisierenden Gesellschaft erschöpft. Sie ist vielmehr Bestandteil „eines großartigen sozio-
kulturellen Mobilisierungsprozesses“, der vor allem durch die „Verdichtung von Kommunika-
tion“ gekennzeichnet ist, die sich aus der rasanten Entwicklung ergibt, der die Medien des 18
Jahrhunderts unterworfen sind.120 Vordergründig wird zunächst allein dem publizistischen
Meinungsaustausch der Privatleute eine zentrale gesellschaftsbildende Funktion während der
Umbrüche des Spätabsolutismus zugewiesen, in deren Verlauf zum Beispiel auch die (politi-
schen) Zeitschriften des 18. Jahrhunderts „geradezu Kristallisationspunkte des geselligen
Lebens unter den Privatleuten“ werden.121 Der in öffentlicher Kommunikation maßgeblich
auch durch journalistisches Räsonnement entfaltete gesellschaftliche Praxiszusammenhang
gewinnt gegenüber dem Staat an Bedeutung. Diese Idee der Öffentlichkeit etabliert sich als
Prototyp des öffentlichen Vernunftgebrauchs, der ‚Freiheit‘ und ‚Gleichheit‘ als regulative
Ideen sozial wirksam und lebendig bleiben ließ.122
Habermas begreift das Räsonnement des frühen Bürgertums keineswegs als historische
Ausnahmesituation, sondern im Gegenteil als prototypischen Gebrauch der menschlichen
Vernunftbegabung zu dem Zeitpunkt, zu dem dieses angesichts äußerer Umstände (Demokra-
tisierung, Kapitalisierung, Individualisierung etc.) erstmals seit Jahrhunderten in gesellschaftlich
relevanter Reichweite möglich war. Das vernünftige öffentliche Gespräch und sein journalisti-
sches Substitut in der Öffentlichkeit können daran anknüpfend als zentrale Mechanismen der
Vergesellschaftung und der sozialen Orientierung verstanden werden. Die Habermassche
Studie nährt damit auf den ersten Blick die theoretische Hoffnung, dass sich im Rückbezug auf
diesen Idealtypus auf der Grundlage einer kritischen Gesellschaftstheorie weiterreichende
Annahmen zu Journalismus und Medien formulieren lassen. Journalismus könnte demnach
vorsichtig als eine, ja vielleicht die zentrale Form eines öffentlichen Handelns verstanden
werden, das auf Vernunftgebrauch und Verständigung durch Kommunikation ausgerichtet ist.
In der Erörterung sind voreilige Schlüsse zu vermeiden. Die Herausbildung der bürgerli-
chen und räsonierenden Öffentlichkeit korrelierte zwar zeitlich mit der Periode des schriftstel-
lernden und räsonierenden Meinungs-Journalismus, aber sie bedurfte andererseits als Vorbe-
118 Vgl. Baum 1994, S. 91: „Wer erst einmal öffentlich redete, folgte in erster Linie den Regeln der Sprache, deren
Gebrauch allenfalls durch die Gewalt staatlicher Zensur beschränkt war.“
119 Ebd., S. 92
120 Wehler 1987, S. 303f.
121 Habermas 1990, S. 140
122 Vgl. ebd., S. 119f.
2 Historische Grundlagen des Journalismus 119
Betrachtet man Öffentlichkeit und Journalismus als eng miteinander verwandt, dann ist zu
erwarten, dass auch die Rahmenbedingungen ihres Aufkommens und ihrer Durchsetzung in
Beziehung zueinanderstehen. Etablierung und Institutionalisierung von Journalismus und
Medien, die sich bis ins 20. Jahrhundert hinein erstrecken, werden durch Faktoren bestimmt,
die weitgehend auch für die Bildung bürgerlicher Öffentlichkeit relevant sind.124
• In wirtschaftlicher Hinsicht erhöht die Durchsetzung des Kapitalismus den Informationsbe-
darf und ermöglicht den profitablen privatwirtschaftlichen ‚Handel‘ mit Informationen.
• In politischer Hinsicht wirken der Nationalstaat und die staatliche Bürokratie auf Journalis-
mus zurück. Die abstrakten sozialen Gebilde moderner Staaten benötigen eine Vermitt-
lungsinstanz zur Bevölkerung, da sie nicht an die Person eines Herrschers gebunden sind.
• In kultureller Hinsicht weicht mit dem Buchdruck die mündliche Kultur des Mittelalters
einer Schriftkultur. Doch weit darüber hinaus werden in der Neuzeit die traditionellen
Wertemuster brüchig; kirchliche oder monarchische Interpretationen der Welt verlieren an
Legitimation. Säkularisierung und Fortschrittsdenken begründen ein dynamisches Gesell-
schaftsverständnis, das die Welt grundsätzlich als veränderbar erachtet. Dadurch werden
Reflexion und Diskurs wichtiger. Journalismus kann dazu beitragen, den Bedarf an Orien-
tierung durch Vermittlung von Information und Meinung zu decken.
• Durch Veränderungen in den Bereichen Verkehr und Technik werden Grundlagen zur
Durchsetzung journalistischen Handelns geschaffen. Das Nachrichtenwesen wird durch
Post und später durch Telegraphie und Telephonie schneller und differenzierter. Die Re-
produktionsbedingungen verbessern sich durch den Buchdruck im 16. Jahrhundert und
später durch die Einführung neuer Drucktechniken und Papierherstellungsverfahren.
Das Entstehen des Journalismus kann somit als eine Reaktion auf den neuzeitlichen Wandel
verstanden werden, mit der die gestiegenen Informationsbedürfnisse eines bürgerlichen
Publikums befriedigt werden sollten. Zugleich aber ist Journalismus auch ein Katalysator dieser
Veränderungen, da er in seiner Fokussierung auf die Nachricht, die Neuigkeit, beinahe aus-
schließlich den gesellschaftlichen Wandel darstellt, dessen Produkt er ist.125 Journalistisches
Handeln bestätigt und verstärkt so performativ die Grundlagen seiner Existenz. Auch Groth
betont in seinen Annahmen zu den Ursprüngen des Journalismus – respektive der ‚Zeitung‘ als
seiner ersten materiellen Form in der frühen Neuzeit – den Wandel und die zunehmende
Segmentierung und Differenzierung von Gesellschaft:
„Die Zeitung ist ein Kind der Neuzeit, Sie entsteht auf jener Stufe gesellschaftlicher Entwicklung, in der mit
der Erweiterung und Komplizierung der Beziehungen die persönlichen Verkehrsmittel gegenüber den Anfor-
derungen der Gesellschaft zu gering oder zu schwach werden und ihre Kraft, das gesellschaftliche Leben zu
erhalten und zu tragen, verlieren, in der also die Glieder eines Ersatzes bedürfen, um ihre Verbindung auf-
recht zu erhalten.“126
Die Entstehung des Journalismus wird von Groth an ein als anthropologische Grundkonstante
interpretiertes Informations- und Orientierungsbedürfnis der Menschen gekoppelt, das in einer
historisch kontingenten Situation mit den bis dahin genutzten Instrumenten nicht mehr
befriedigt werden konnte. Diese Perspektive kann Plausibilität beanspruchen, wenn man die
Entstehung erster journalistischer Formen auf das späte Mittelalter und den Übergang zur
Neuzeit datiert. Damals wuchs aufgrund der „Verdichtung des Handels“ und der „Zunahme
politischer Ereignisse von weitreichenden Konsequenzen“ das Informationsbedürfnis vieler
Bürger stark an.127 Die ersten journalistischen Produkte können als Reaktionen auf diesen
veränderten gesellschaftlichen Informations- und Orientierungsbedarf verstanden werden.128
Es gibt bislang keine hinreichend formulierte Berufsgeschichte des Journalismus129, allen-
falls erste Systematisierungen130 oder Teil-Erhebungen131. Insbesondere für eine normative und
handlungstheoretische Näherung an Journalismus ist das ein Manko: Ohne einen informierten
Blick zurück auf die Anfänge des Journalismus lässt sich kaum nachvollziehen, warum dieser
Handlungsmodus sich in seiner heute konkreten Form ausdifferenziert hat und wie er auf die
regulative Idee einer räsonierenden Öffentlichkeit gerichtet ist. Zwischen den venezianischen
‚scrittori d‘avvisi‘ (Avisenschreiber) der frühen Neuzeit, die in der Literatur als Vertreter der
ersten ‚Journalisten‘ gesehen werden132, und Online-Nachrichtenredakteuren133 bestehen zwar
zunächst keine augenscheinlichen Überschneidungen – und doch kann angenommen werden,
dass beide Aufgaben erfüllen, die auch über mehrere Jahrhunderte hinweg zumindest rudimen-
täre soziale Gemeinsamkeiten besitzen.
Nach gängiger Lehrmeinung bildet sich das, was heutzutage als ‚Journalismus‘ bezeichnet wird,
im Laufe der zweiten Hälfte des 18. und der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts aus134; in dem
Jahrhundert davor kam die periodische Presse ohne Redaktionen oder Selektionsprogramme
aus. Postmeister und Drucker erledigten das Zeitungsgeschäft nebenberuflich, indem sie
eingehende Nachrichten chronologisch bündelten und unbearbeitet vervielfältigten. In diesen
Tätigkeiten lassen sich sowohl präjournalistische als auch teiljournalistische Handlungsmuster
und Organisationszusammenhänge erkennen, die bis heute Relevanz besitzen. Als systematisie-
rendes Schema einer Journalismusgeschichte kann noch immer die Arbeit von Baumert
herangezogen werden, der bereits 1928 vier Phasen der journalistischen Entwicklung in
Deutschland unterschieden hatte. In diesem Schema wird die Entwicklung des Journalismus
anhand jeweils vorwiegend prägender Funktionen gegliedert.135 Dabei handelt es sich – auch
wenn eine Einteilung in Phasen anderes suggeriert – nicht um einander ausschließende Charak-
teristika, sondern nur um tendenzielle Dominanzen, die zudem produktspezifisch sehr unter-
schiedlich verwirklicht sind:
(1) „Die präjournalistische Periode, die das Mittelalter und die beginnende Neuzeit umfaßt und im wesentli-
chen charakterisiert wird durch eine sporadische, grundsätzlich nicht berufsmäßige Nachrichtenbe-
darfs-Befriedigung des ‚großen Publikums‘ (im Sinne F. Toennies) einerseits und eine planmäßige, auf
Fürsten- und Standesgruppen beschränkte, infolge technischer Leistungsspezialisierung (Nachrichten-
transport, Schreibarbeit) oder charismatisch bedingter Geistesarbeit berufsmäßige Bedarfsbefriedigung
andererseits.
(2) Die Periode des korrespondierenden Journalismus, die der Zeit des 16. bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts
das Gepräge gibt und durch die relatorische Berichterstattung des außerhalb der Zeitungsunterneh-
mung stehenden Korrespondenten gekennzeichnet ist.
(3) Die Periode des schriftstellernden Journalismus, die in die Blütezeit der Aufklärung fällt, den Niedergang
der Avisenzeitung und die politische und berufliche Orientierung des Schriftstellerstandes in sich
schließt.
(4) Die Periode des redaktionellen Journalismus, die in der nachmärzlichen Zeit einsetzt, den journalistischen
Berufsbildungsprozeß vollendet und den Redakteur zum geistigen und beruflichen Hauptfunktionär
im Journalismus werden läßt.“136
132 Vgl. Groth 1928, S. 10; Donsbach 1994, S. 66; Koszyk/Pruys 1969, S. 169
133 Vgl. Löffelholz u.a. 2003; Neuberger 2002a; 2000a
134 Vgl. Blöbaum 1994, S. 86ff.
135 Vgl. Baumert 1928. Er setzt sich damit auch von Prutz (1971 [1845]; S. 72) ab, der 1845 in seiner Fragment
gebliebenen ‚Geschichte des deutschen Journalismus‘ eine ganz andere Systematik verfochten hat, die sich an
der geistesgeschichtlichen Formation der jeweils betrachteten Zeit orientierte und zwischen einer abstrakt-
religiösen, einer ideell-ästhetischen und eine praktisch-politischen Phase differenzierte. Prutz weist darauf hin,
dass Journalismus nicht isoliert von der geistesgeschichtlichen Verfassung einer Gesellschaft betrachtet werden
kann, sondern dass diese vielmehr starke formative Einflüsse auf die öffentliche Kommunikation hat.
136 Baumert 1928, S. 17. Schmolke (1987, S. 739) sieht im bis heute häufigen Rückgriff auf Baumerts Schema einen
„[…] Indikator für den Bedarf nach dem, was wir als Kommunikationsgeschichte anstreben“. Auch jüngere
122 III Die Idee der Öffentlichkeit – Historische Grundlagen des Journalismus
Die ersten journalistischen Produkte beruhten demnach auf Vorläuferformen, die bereits in
mittelalterlichen Kontexten zu finden sind.137 Erste teiljournalistische Muster prägten sich in
der anschließenden Phase aus138, in der zunächst die Informationsbeschaffung durch die
Korrespondenten im Mittelpunkt stand, während sich das Gewicht später auf die schriftstel-
lernde und räsonierende Einkleidung und Ergänzung der ‚reinen Nachricht‘ durch die eigen-
ständigen Gedanken und Meinungen des Autors verschob. Erst in der zweiten Hälfte des 19.
Jahrhunderts, so Baumert, schlossen sich diese beiden Funktionen, ergänzt um die prononcier-
tere Akzentuierung der (auch zuvor schon relevanten) Selektion von Nachrichten, in ausdiffe-
renzierten Redaktionen zusammen zu einem redaktionellen Journalismus.139 In dieser Phase
geht es um eine Weiterentwicklung der korrespondierenden Aufgaben angesichts komplexer
werdender Vermittlungsumstände und um die Integration der beiden verschiedenen idealtypi-
schen Aufgaben in neue organisatorische Zusammenhänge. Von idealtypischer Bedeutung sind
insbesondere die beiden teiljournalistischen Handlungsmuster: Bereits der Avisenjournalismus
führte zu einem redaktionell-technischen Aufgabenprofil, bevor der schriftstellernde Journa-
lismus eine geistig-politische Seite zur Entfaltung brachte.140
Darstellungen berufen sich auf diese Systematik (vgl. Wilke 2000, S. 291ff.; Pürer/Raabe 1994, S. 32ff.; Fabris
1975; Schmolke 1987). Stöber (2000, S. 195f.) merkt an, dass die Bezeichnungen unglücklich und missverständ-
lich gewählt sind. Auch Phase zwei und drei müssten noch als vorjournalistisch gelten. Erst in der vierten Phase
kann von einer nennenswerten „Eigenproduktion publizistischer Inhalte durch Redaktionen“ ausgegangenen
werden. Auch nach Baumerts (1928, S. 8) eigener Definition, der zufolge Journalismus der „Inbegriff der zur
allgemeinen und aktuellen Nachrichtenbefriedigung erforderlichen geistigen Faktoren [ist], die in Ausübung
von Korrespondenz, schriftstellerischen und redaktionellen Funktionen vornehmlich in der Tagespresse zu-
sammenwirken“, müssen Phase zwei und drei defizitär erscheinen. Dennoch sollen hier Baumerts Bezeichnun-
gen übernommen werden. Korrekter wären aber in der Tat Bezeichnungen wie „Periode der korrespondieren-
den Funktion des späteren Journalismus“ und „Periode der schriftstellernden Funktion des späteren Journalis-
mus“. Um derartige Wortungetüme zu umgehen, wird die begriffliche Ungenauigkeit in Kauf genommen.
137 Dabei kann zwischen zwei sozial getrennten präjournalistischen Formen, der populären Mundpublizistik auf
Märkten und Volksfesten – vor allem der Bänkelgesang der Barden und fahrenden Leute – sowie den geschrie-
benen internen Korrespondenzen des Adels und der handeltreibenden bürgerlichen Stände unterschieden wer-
den (vgl. Koszyk/Pruys 1969, S. 169; Baumert 1928, S. 21). Beide erfüllten Aufgaben, die auch für den heutigen
Journalismus als konstitutiv angesehen werden, ohne aber schon eigenständig als journalistische Formen gelten
zu können. Die Mundpublizisten waren in der Regel Ausgangspartner bzw. Quelle, Berichterstatter und Me-
dium in einer einzigen Person. Nimmt man ihre Erzählungen als Ausgangspunkt der journalistischen Berufsge-
schichte, dann lässt sich diese auch als Geschichte der Ausdifferenzierung dieser verschiedenen Rollen schrei-
ben, regt Hömberg (1987, S. 625) an.
138 Vgl. zur Frühgeschichte des Journalismus auch: Kieslich 1966.
139 Pürer und Raabe (1994, S. 32ff.) ergänzen die Abfolge um eine fünfte Phase, deren Beginn sie etwa Mitte der
1970er Jahre verankern: eine Phase des redaktionstechnischen Journalismus, die sich angesichts der Verände-
rungen in der technischen Ausgestaltung abgrenzen lässt. Auf diese aktuelle fünfte Phase soll in den histori-
schen Betrachtungen zum Strukturwandel der Öffentlichkeit zunächst nicht weiter eingegangen werden. Die
Implikationen einer Weiterentwicklung des Journalismus werden allerdings im Untersuchungskapitel zu den
systemischen Bedingungen journalistischen Handelns noch eine Rolle spielen. Ob eine solche fünfte Phase in-
nerhalb der Systematik Baumerts überhaupt Sinn hat, sei an dieser Stelle dahin gestellt. Zweifel ergeben sich
zumindest aus dem Umstand, dass Baumert die verschiedenen Phasen formal nach den erfüllten Funktionen
des Journalismus voneinander abgrenzt und nicht nach den technischen Umständen ihrer Durchführung. Zum
aktuellen Wandel des Journalismus vgl. allgemein die Beiträge in Behmer u.a. 2005 oder Hohl-
feld/Meier/Neuberger 2002.
140 Vgl. Baumert 1928, S. 83f.
2 Historische Grundlagen des Journalismus 123
Für die historische Herausbildung einer bürgerlichen Öffentlichkeit ist Habermas zufolge
maßgeblich die Durchsetzung einer sachlich informierenden Presse in der Periode des korres-
pondierenden Journalismus verantwortlich.141 Eine „Presse im strengen Sinne“ war dabei für
Habermas erst gegeben,
„[…] seitdem die regelmäßige Berichterstattung öffentlich, wiederum: dem Publikum allgemein zugänglich,
wird. Das aber geschieht erst Ende des 17. Jahrhunderts. Bis dahin ist der alte Kommunikationsbereich der
repräsentativen Öffentlichkeit durch den neuen einer publizistisch bestimmten Öffentlichkeit nicht grund-
sätzlich bedroht. Die gewerbsmäßig vertriebenen Nachrichten werden noch nicht publiziert; die unregelmäßig
publizierten Neuigkeiten sind noch nicht zu Nachrichten versachlicht.“142
Die heutzutage verfügbaren historischen Daten jedoch zeigen, dass sich ein derartig informie-
rendes Zeitungswesen bereits zur Mitte des 17. Jahrhunderts voll entfaltet hatte und weitrei-
chende Publizität des Politischen zu diesem Zeitpunkt als gegeben unterstellt werden konn-
te.143 Dass die Idee bürgerlicher Öffentlichkeit dennoch erst gegen Ende des 17. Jahrhunderts
aufkam, kann daraus erklärt werden, dass für diese Form der Öffentlichkeit die Nachrichten-
presse eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung ist. Die rein referierenden Medien-
angebote, die seit Beginn des 17. Jahrhunderts erhältlich waren, stellten für sich genommen
kaum eine ernsthafte Anfechtung der etablierten repräsentativen Öffentlichkeit dar.144
In den gedruckten Nachrichtenblättern des 17. Jahrhunderts wurden einlaufende Korres-
pondenzen „unsortiert, unredigiert, unkommentiert“ aneinandergereiht.145 Gedruckt wurde,
was seit der letzten Ausgabe an Neuigkeiten eingegangen war146; es gab von wenigen Ausnah-
men abgesehen „keine Schlagzeilen, keinen typographischen oder illustrativen Blickfang, keine
räsonierende oder an die Instinkte der Leser appellierende Berichterstattung, kaum unterhal-
tende Elemente“147. Die frühen Zeitungen konzentrierten sich auf die Übermittlung von
Neuigkeiten, während der Streit der Meinungen eher über die nichtperiodische Publizistik der
Flugschriften ausgetragen wurde.148 Kommentare wurden noch bis zum Ende des 17. Jahr-
hunderts von zeitgenössischen Autoren als nicht statthaft erachtet. So schreibt zum Beispiel
Kaspar von Stieler 1695:
141 Habermas kritisiert den zuvor beherrschenden Sensationalismus der Einblattdrucke scharf. Diese Form der
Berichterstattung hätte verhindert, dass Ereignisse rational behandelt werden könnten. Vielmehr seien sie in
metaphysische Kontexte überhöht worden: „Damit wird die Neuigkeit der historischen Sphäre der ‚Nachricht‘
enthoben und, als Zeichen und Wunder, in jene Sphäre der Repräsentation zurückgenommen, in der eine ritua-
lisierte und zeremonialisierte Teilnahme des Volkes an der Öffentlichkeit bloße, einer selbständigen Interpreta-
tion unfähige Zustimmung gestattet.“ (Habermas 1990, S. 73, Fußnote 35)
142 Habermas 1990, S. 72
143 Vgl. Weber 2002a, S. 17f. Ukena (1977, S. 45) geht davon aus, „[…] daß seit Anfang des 17. Jahrhunderts eine
‚breite Öffentlichkeit‘ regelmäßig über aktuelles Geschehen informiert worden ist“.
144 Vgl. Weber 1997b, S. 142f. Er vermutet, dass „die fehlende journalistische Aufbereitung der Nachrichten in
den frühen Blättern“ ein wichtiger Grund dafür sein dürfte (Weber 2002a, S. 18). Insofern ist davon auszuge-
hen, dass nicht die nachrichtliche Presse, sondern erst das Aufkommen räsonierender Journale die Veränderung
öffentlicher Strukturen anzeigen, die sich dann in der Durchsetzung einer kritisch-aufklärerischen, bisweilen
auch unterhaltenden (Volks-)Publizistik entfalteten (vgl. ebd.; Böning 1997; Pöttker 2002a).
145 Weber 1999, S. 23
146 Vgl. Stöber 2000, S. 63
147 Böning 2000, S. 188. Durch die Art der Aufmachung in diesen frühen gedruckten Zeitungen blieb die „elitäre
Struktur“ (Weber 1994, S. 51), die bereits die älteren handgeschriebenen Zeitungen gekennzeichnet hatte, weit-
gehend erhalten.
148 Vgl. Weber 1999, S. 44
124 III Die Idee der Öffentlichkeit – Historische Grundlagen des Journalismus
„Denn man lieset die Zeitungen darüm nicht / daß man daraus gelehrt und in beurteilung der Sachen ge-
schickt werden / sondern das man allein wissen wolle / was sich hier und da begiebet“149
149 von Stieler, Kaspar (1695): Zeitungs Lust und Nutz. o.O., Buch 1, Kap. 1. zit.n. Weber 1997a, S. 44f.
150 Weber 2002a, S. 18
151 Die ursprüngliche Motivation zur Herausgabe der gedruckten Zeitungen war oft ökonomisch. Johann Carolus
zum Beispiel führte in der Supplik an den Rat der Stadt Straßburg, in der er 1605 um Erlaubnis für die Heraus-
gabe der heute als älteste Zeitung geltenden Publikation bat, ausschließlich betriebswirtschaftliche Gründe für
sein Vorhaben an. Weber (2002a, S. 16) betont in seiner Auseinandersetzung mit der Supplik: „Das heißt aber
zugleich: Nicht der Hauch eines journalistischen Gedankens steht am Anfang der gedruckten periodischen
Nachrichtenpresse! Es handelt sich, wie bei der Avisenschreiberei, immer noch um ein reines Dienstleistungs-
gewerbe im Horizont vordemokratischen Herrschaftsinstrumentariums.“
152 Das entsprach zwar der Rezeptionsweise, die die Mitglieder akademischer Kreise anhand der handschriftlichen
Avisen eingeübt hatten, ging damit aber weitgehend an den Kapazitäten der ‚einfachen‘ Bevölkerung vorbei, die
bislang ausschließlich mit Einblattdrucken oder ‚Newen Zeitungen‘ in Kontakt gekommen war.
153 Vgl. Weber 1997a, S. 13
154 Vgl. Weber 1999, S. 23
155 Vgl. Wilke 2000, S. 39
156 Wilke 1984a, S. 218. Mit den ersten periodischen Druckerzeugnissen wurde die Publizität, die öffentliche
Verbreitung politischer Information so weit standardisiert und verstetigt, dass rückblickend eine eigenständige
gesellschaftliche kommunikative und informatorische Infrastruktur rekonstruierbar ist Aufs Ganze betrachtet
hatte die Etablierung des Zeitungsdrucks weitreichende Folgen auf den gesellschaftlichen Umgang mit Nach-
richten, die sich in folgenden Entwicklungen niederschlagen:
• „Institutionalisierung der Nachrichtenbeschaffung
• Verselbständigung der Nachrichtenbeschaffung
• Verstetigung der Nachrichtenübermittlung
• Beschleunigung der Nachrichtenübermittlung
• Verstetigung der Produktion
2 Historische Grundlagen des Journalismus 125
Erst in dem Moment aber, in dem sich auf Basis des informierenden Pressewesens ein Journa-
lismus entwickelt, der für Verbindungslinien zwischen den versprengten Einzelnachrichten
sorgt, sich auch um Fragen der Rezeptionsfreundlichkeit und der (literarischen) Aufbereitung
kümmert, selbst dem Räsonnement verpflichtet ist und somit in eine Vorbildfunktion für die
bürgerlichen Zirkel eintritt, entsteht eine publizistisch bestimmte bürgerliche Öffentlichkeit.162
Das geschieht, als Ende des 17. Jahrhunderts neben den korrespondierenden der schriftstellernde
Journalismus trat, der nicht mehr nur der rein relatorischen Korrespondenzberichterstattung
dienen sollte, sondern vor allem Aufgaben der Kommentierung und der rezipientengerechten
Aufbereitung leistete.163 Viele seiner Protagonisten folgten den Idealen der Aufklärung und
versuchten diese Ideale in dem Kreis derjenigen zu verbreiten, die für politische Veränderun-
gen und Demokratisierung eintraten.164 Für Engelsing markiert dieser Übergang den Ursprung
des Journalismus, den er geistesgeschichtlich im Publikationshandeln von Humanisten veran-
kert, die nicht mehr nur für ein Gönnerpublikum schrieben, sondern sich an ein weiteres und
allgemeines Publikum, an eine Öffentlichkeit, richteten.165 In der schriftstellernden Funktion
liegt der Kern eines Journalismus-Ideals, das bis ins 20. und 21. Jahrhundert hinein große
Bedeutung besitzt.166
Zunächst setzte sich das Räsonnement in den neu entstehenden Zeitschriften durch.167 Bis
der schriftstellernde Journalismus auch den Referatsbereich der Zeitung maßgeblich prägen
konnte, sollten noch mehr als 100 Jahre vergehen.168 Ziele des Räsonnements in kommentie-
renden und schriftstellernden Formate sind, Orientierung für die Leser zu gewährleisten und
als ein Sprachrohr für gesellschaftliche Gruppen zu fungieren, die selbst keinen Zugang zur
zungsreichen Zeitungstexte lieferten. Das waren zunächst die historisch-politischen Journale, die seit den 70er
Jahren des 17. Jahrhunderts herausgegeben wurden.
163 Vgl. Baumert 1928, S. 35ff.
164 Die Publizistik und der Journalismus der Aufklärungsepoche verbreiteten die neuen Ideen rasant. Akademiker
begannen zunehmend selbst Zeitungen und vor allem Zeitschriften zu publizieren, mit denen sie in den Aufklä-
rungsdiskurs einzugreifen gedachten (vgl. Greiling 2000, S. 83). Das Ergebnis war nicht selten eine soziale Ex-
klusivität, durch die Zeitungen lange Zeit auch aufgrund ihrer Akademisierung gekennzeichnet waren. Blöbaum
(1994, S. 164) pointiert diesen Umstand: „Bildungsbürger machen Zeitung für Bildungsbürger.“ Wie exklusiv
ein derartiger Journalismus gewesen ist – darüber lassen sich allerdings sehr wohl divergierende Urteile finden.
Während Blöbaum die aufklärerische Wirkung auf eine kleine Bevölkerungsschicht begrenzt sieht, beschreibt
Engelsing (1966, S. 275) die inklusive und sich sukzessive selbst erweiternde Wirkung dieses Aufklärungshan-
delns.
165 Vgl. Engelsing 1966, S. 46. Durch eine Akademisierung der Zeitungsschreiber wurde auch die Grenze zu
‚Publizisten‘ fließend, die nicht Nachrichten vermittelten, sondern Meinungen publizierten, um öffentliche De-
batten zu beeinflussen (vgl. Weischenberg 1981a, S. 97; Koszyk/Pruys 1969, S. 170).
166 Vgl. von Studnitz 1983, S. 186ff.
167 In der nichtperiodischen politisch-räsonierenden Publizistik und in der regelmäßigen Zeitungsberichterstattung
sind die Wurzeln der ersten deutschen politischen Zeitschrift zu finden (vgl. Weber 1994, S. 148ff.). Böning
(1997, S. 155f.) verweist auf die Nachrichtenpresse, auf gelehrte Gesellschaften und gelehrte Briefwechsel als
Wurzeln des Zeitschriftenwesens. Zeitschriften entlehnen ihre materielle Form der Zeitung und ihren inhaltli-
chen Stil des Diskurses der Gesellschaften. Vereinfacht formuliert: „politische Zeitschrift = (monatlicher) Zei-
tungsextrakt + Räsonnement“ (Weber 1994, S. 109). 1674/75 entstand mit dem ‚Verkleideten Götter=Bothen Mer-
curius‘ in Nürnberg ein eigenständiger Typus des historisch-politischen Journals; er kann als das erste „politisch
diskursive Periodikum“ auf deutschem Boden, als „Urgestalt der politischen Zeitschrift“ begriffen werden
(Weber 1994, S. 52). Neben den historisch-politischen Journalen entstanden auch die unterhaltsamen und er-
zieherisch wirkenden ‚moralische Wochenschriften‘, die über kulturelle Entwicklungen informierenden und kri-
tisierenden ‚Rezensionszeitschriften‘ und die aufklärerischen und kritischen Gelehrten-Zeitschriften (vgl. Lin-
demann 1969, S. 182ff.; Wilke 2000, S. 76f.).
168 Vgl. Groth 1948, S. 55ff. Insgesamt ist während des 18. Jahrhunderts zu beobachten, dass auch die bislang
nachrichtlich orientierte Zeitung unter Veränderungsdruck geriet. Hatte sie sich bislang dem Räsonnement bis
auf wenige Ausnahmen fast vollständig verschlossen, so bildete nun der so genannte ‚gelehrte Artikel‘ gleich-
sam das ‚Einfallstor‘, über das Kommentar und Meinung auch in die Nachrichtenblätter eindrangen (vgl. Bö-
ning 1997, S. 155). Diese Texte boten weiterführende geschichtliche, geographische oder auch biographische
Informationen zu den meist kaum kontextualisierten und daher schwer verständlichen aktuellen Meldungen.
Zum ersten Mal sind solche Anmerkungen als Textannotationen im Jahre 1700 in einer Leipziger Tageszeitung
nachzuweisen (vgl. Weber 2002b, S. 131). Gegen Mitte des 18. Jahrhunderts hatten sich solche räsonierende
Kommentare, die die Nachrichten begleiteten, in den Zeitungen etabliert (vgl. Böning 2000, S. 202).
2 Historische Grundlagen des Journalismus 127
Die Zeitschriften waren der Ort, an dem im 18. Jahrhundert so intensiv wie nirgends sonst die
künftige Entwicklung des Gemeinwesens diskutiert wurde. Sie boten nicht nur Informationen
über gesellschaftliche Zustände, sondern Möglichkeiten des Austausches und der zunehmen-
den aufklärerischen Popularisierung intellektueller Debatten.176 Natürlich beruhte dieses
öffentliche Gespräch auf dem Schein einer Gleichheit von Besitz und Bildung, die es faktisch
nie gegeben hat, aber in seiner Logik folgte es vornehmlich den Regeln der Sprache, zu der die
kommunikative Kompetenz des Individuums das einzige Zugangskriterium bildete.177
Im 19. Jahrhundert veränderte sich das Profil des Journalismus erneut: Nachrichtensammlung
und -verarbeitung waren nicht mehr nebenberuflich zu bewältigen, so dass neben die bisher
zum Teil erfolgte Trennung zwischen Zeitungsverlegern und korrespondierenden oder schrift-
stellernden Journalisten178 eine deutlich weitergehende Ausdifferenzierung redaktioneller
Arbeit tratt.179 Nicht mehr Korrespondenz oder Schriftstellerei, sondern die Redaktion bildet
seitdem den „geistigen Schwerpunkt des Journalismus“, wie Baumert betont.180 Angesichts des
stets anwachsenden Nachrichtenflusses in einer industrialisierten Welt, und angesichts der
Verbesserungen des Nachrichtenwesens durch die neuen Korrespondenzbüros, sind es vor
allem die Redakteure, die durch Auswahl und Bearbeitung des eingehenden Stoffes für Orien-
tierung zu sorgen haben. Im redaktionellen Journalismus werden die beiden bislang weitgehend
getrennten Journalismusfunktionen in neu entstehenden Redaktionen zusammengeführt und
um eine weitere ergänzt. Der redaktionelle Journalismus integriert:
• die korrespondierende Leistung in der nachrichtlichen Berichterstattung (Vermittlung, Referat),
• die schriftstellernde Leistung in Kommentaren und Feuilletons (Räsonnement),
• die redigierende Leistung in der Auswahl und Bearbeitung eingehender Nachrichten.181
Zum Hauptmerkmal der Redakteurstätigkeit wird vor allem die redigierende Leistung, das
Auswählen und Bearbeiten fremder Texte:
„Mit Selektion beginnt Journalismus. Jeder Selektion, sei es Kürzen einer Nachricht, sei es die Bevorzugung
einer Meldung vor anderen, liegt ein Entscheidungsprogramm zugrunde. In dem Maße, wie sich ein Hand-
lungsprogramm herausbildet und verfestigt, entsteht moderner Journalismus. Die organisatorische Form, in
der diese Programme realisiert werden, wird die Redaktion.“182
Das vom frühen redaktionellen Journalismus verarbeitete Textmaterial stammte wie bisher
meist entweder aus ausländischen Zeitungen oder von Korrespondenten. Dass mit dieser
stärkeren Bearbeitung des vermittelten Materials auch Veränderungen in der Form einhergin-
gen, lässt sich exemplarisch daran nachweisen, dass die Nachrichten in den Zeitungen ab Mitte
des 19. Jahrhunderts zunehmend an der angenommenen Wichtigkeit der Fakten orientiert
wurden und weniger am chronologischen Referat. Vor allem in den neu entstehenden Tages-
zeitungen fanden sich journalistisch-redaktionelle Leistungen – mehr oder weniger stark
ausgeprägt – wieder. Die redaktionelle Betreuung eines Blattes war ab Mitte des 19. Jahrhun-
derts schon deshalb notwendig, um sich durch die Gewährleistung entsprechender Qualität in
der Berichterstattung am Markt behaupten zu können.183
Der redaktionelle Journalismus ist ein Kennzeichen der Verberuflichung des Handelns in
der ökonomisch zunehmend attraktiven Massenpresse.184 Tätigkeiten im korrespondierenden
oder schriftstellernden Journalismus waren in der Regel noch keine eigenständigen Berufe,
sondern bildeten oftmals nur Durchgangsstationen oder Nebengleise zu anderen akademi-
schen Tätigkeiten.185 Im Laufe des 19. Jahrhunderts aber verdrängten hauptberufliche Redak-
teure zunehmend die nebenberuflichen; der Beruf wurde direkter angestrebt, in jüngerem Alter
ergriffen und oft als Lebensberuf ausgeübt.186 Die Durchsetzung der ‚Massenpresse‘ machte es
notwendig, Redakteure zu festen Angestellten eines Verlegers zu machen. Sie gewannen so
materielle Sicherheit, verloren aber zum Teil ihre Selbstständigkeit.187
Zeitungen wurden zu einem lukrativen Geschäft, weil technische Neuerungen hohe Aufla-
gen ermöglichten188 und dadurch die Querfinanzierung der Vertriebsausgaben durch steigende
Anzeigeneinnahmen möglich wurde.189 Ein Umstand, der Bücher Anfang des 20. Jahrhunderts
zu seinem ebenso berühmten wie sarkastischen Diktum veranlasste, „[…] daß durch die ganze
Presse hin die Zeitung den Charakter einer Unternehmung hat, welche Anzeigenraum als Ware
produziert, die nur durch einen redaktionellen Teil absetzbar wird“.190 Das Ökonomische, das schon zur
Entstehung der Zeitung geführt hat, wird nach dem Zwischenspiel der meist nur geringfügig
marktgängigen Aufklärungszeitschriften wieder bedeutender für die Presse. In dem Moment,
in dem das Presse- und Medienwesen angesichts weiter fortgeschrittener Demokratisierungs-
tendenzen von der Aufgabe der aktiven Durchsetzung politischer Ziele (wie der Pressefreiheit)
zunehmend freigestellt ist, kann es sich im Zuge seiner Kapitalisierung stärker auf die profit-
orientierte Produktion von Angeboten für ein konsumierendes Publikum konzentrieren.191 An
diese Entwicklung knüpft das Gros der damaligen zeitgenössischen und auch der nachfolgen-
den Pressekritik an.192 Auch Habermas steht in dieser Tradition, wenn er den ‚Verfall‘ der
räsonierenden Öffentlichkeit zum kulturkonsumierenden Publikum vorwiegend der Entwick-
lung der Massenpresse anlastet.193 Geiger wiederum beklagt einen ‚Verrat‘ der Presse an ihrem
‚Beruf‘.194 Aus einem aufklärerischen Instrument sei im Zuge der Ausweitung der Leserschaft
ein Agitationsinstrument geworden:
„Es ist von untergeordneter Bedeutung, ob die journalistische Nebelbildung parteipolitischen Zwecken oder
den Interessen einer das Blatt kontrollierenden Kapitalmacht dient oder endlich den Wünschen gewisser
Großannonceure entgegenkommt. So oder so ist die wirklich unabhängige Tageszeitung zur seltenen Aus-
nahme geworden. Redakteure und besoldete Journalisten befinden sich in einer wenig beneidenswerten Lage.
Zwischen dem, was ihr Publikum gerne lesen und dem, was ihre Brotgeber gerne gedruckt sehen wollen,
bleibt ihnen wenig Spielraum.“195
Engelsing weist darauf hin, dass der Journalismus in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts
nicht nur seinen Rezipientenkreis erweiterte, sondern zugleich seinem Publikum „über den
Kopf wuchs“.196 In dem Maße, in dem sich ein eigenständiger journalistischer Beruf in Abhän-
gigkeit kommerzieller Medienbetriebe herausprägte, endete auch die enge Zusammenarbeit mit
dem Publikum, das lange Zeit weite Teile der Zeitungen und Journale selbst bestritten hatte.
Die Zeitungsdrucker richteten sich in ihren Interessen an den Anzeigen der Wirtschaft oder
aber an den Abonnenten der Parteien aus, um ihre Blätter am Markt erfolgreich zu platzieren.
Die gewachsene Partnerschaft mit dem Journalisten wich einem dauerhaften Abhängigkeits-
verhältnis des Journalisten.197 Die kommunikative Aufgabe des Journalismus gerät an diesem
Punkt gegenüber der ökonomischen Profitlogik des sich entfaltenden Mediensystems ins
Hintertreffen. Im Zuge dieser Entwicklung wurde die Einlösung des kommunikativen Ver-
sprechens des Journalismus der Aufklärungsepoche zunehmend durch instrumentelle techni-
sche wie ökonomische Imperative erschwert. Hinzu kam, dass die Fortsetzung eines unbe-
schränkten journalistischen Diskurses auch die vom Bürgertum neu errichtete Ordnung zu
gefährden drohte und somit nicht mehr im Interesse seiner eigenen Trägerschicht liegen
konnte. Auch der Journalismus wurde nach der Durchsetzung der bürgerlichen Ordnung den
Mechanismen einer Rationalisierung und Modernisierung unterworfen, die, den Imperativen
einer instrumentellen Logik folgend, die kommunikative Solidarität von Gesellschaftlichkeit
aus dem Blick verloren hatte. Die Entfaltung und Etablierung des redaktionellen Journalismus
scheint also zunächst einherzugehen mit einem vielfältig politisch und sozial verursachten
neuerlichen Strukturwandel, in dessen Folge Öffentlichkeit nicht mehr das Ergebnis des
191 Vgl. zu den Auswirkungen auf die Presse ausführlich: Baum 1994, S. 88ff.
192 Vgl. z.B. Bücher 1926 oder Dovifat 1927. Anhand dieser beiden Autoren lässt sich auch exemplarisch zeigen,
dass die Kritik an der Ökonomisierung der Presse keine Frage der politischen oder ideologischen Einstellung
sein musste. Der Sozialdemokrat Bücher und der konservative Katholik Dovifat sind sich einig in der Verurtei-
lung der Generalanzeigerpresse und ihrer vermeintlichen ‚Gesinnungslosigkeit‘.
193 Vgl. Habermas 1990, S. 248ff.
194 Vgl. Geiger 1949, S. 59ff.
195 Ebd., S. 61
196 Engelsing 1966, S. 270
197 Vgl. ebd., S. 51
2 Historische Grundlagen des Journalismus 131
privaten und autonomen Räsonnements freier Bürger ist, sondern demonstrativ und manipula-
tiv durch große soziale oder politische Machtapparate hergestellt wird.198
Im Hinblick auf die historische Etablierung idealtypischer Journalismus-Verständnisse ist
diese Zerfallsanalyse weniger von Bedeutung. Zentral verknüpft mit der Annahme positiver
gesellschaftlicher Effekte durch Öffentlichkeit sind vielmehr die journalistischen Teilaufgaben
Vermittlung (Referat) und Räsonnement, die auch in Zeiten des redaktionellen Journalismus
als Orientierungspunkte in jeweils einseitiger Überspitzung als ‚Generalanzeigerpresse‘ und
‚Gesinnungspresse‘ in normative Journalismuskonzepte und damit einhergehende mediale
Institutionalisierung übersetzt worden sind. Die sog. ‚Gesinnungspresse‘ oder ‚Parteipresse‘
trat die Nachfolge der politischen Zeitschriften an, während die ‚Generalanzeigerpresse‘ dem
Weg der frühen Nachrichtenblätter und der Intelligenzzeitungen folgte.199 In diesen Typen
wird jeweils eine der historischen Wurzeln des Journalismus zum zentralen Gestaltungsprinzip
erhoben, während die je andere in ihrer Bedeutung herabgesetzt wird.
Diese apodiktische Differenzierung liegt auf der Linie einer auch in der Journalismusfor-
schung auszumachenden folgenschweren idealtypischen Dichotomie, die sich nicht zuletzt
auch aus der Verknüpfung des Journalismus mit unterschiedlichen Vorstellungen von öffentli-
cher Kommunikation herleiten lässt.
Der Versuch, idealtypisch makrosoziale Aufgaben und Leistungen des Journalismus und
mikrosoziale Grundzüge des Handlungsmodus, der das Fundament des journalistischen
Handelns bildet, zu identifizieren, muss formal bleiben. Es geht dabei schließlich nicht um das
„Unwandelbare im Journalismus“200, sondern um das Gemeinsame verschiedener Stadien
journalistischer Entwicklung, um Grundlagen öffentlicher Kommunikation und Vermitt-
lung.201 Langenbucher hat derartige Beobachtungen im Blick, wenn er idealtypische Journalis-
musvorstellungen identifiziert, die bis heute als Teilkonstitutiva von Journalismus Gültigkeit
beanspruchen können: die Erkundung der ‚Wahrheit‘, die Aufklärung der ‚Wahrheit‘ und die
Verantwortung der ‚Wahrheit‘.202 In diesen ‚Metaphern‘ offenbaren sich vermeintliche Grund-
konstanten, die über historische Kontingenzen hinweg regulativ ideale Wirksamkeit für sich
beanspruchen können und Rudimente einer Ethik des Journalismus in sich tragen. Die Begriff-
lichkeiten Langenbuchers deuten eine formale Systematik an, der zufolge Journalismus wie jede
Kommunikation auch der faktischen ‚Wahrheit‘ ihrer Realitätsbehauptungen (Erkundung), der
198 Vgl. Habermas 1990, S. 275. Dass dies zu apodiktisch ist, hat Habermas mittlerweile eingeräumt (ebd., S. 11ff.).
199 Vgl. Pürer/Raabe 1994, S. 36; Dovifat (1990b [1932], S. 32f.) konstatiert für diese Zeit eine weitgehende
Politisierung der Massenpresse; vgl. zu den Intelligenzblättern Petrat 1987.
200 Wagner 1998
201 Wie im Fall des Idealtypus bürgerlicher Öffentlichkeit kann auch hier davon ausgegangen werden, dass sich die
Idealtypen übersetzt als normative Ideale empirisch auffinden lassen. Es geht darum, möglichst abstrakt die
Aufgaben beschreiben zu können, zu deren Erfüllung sich journalistisches Handeln etabliert und sozial ausdif-
ferenziert hat.
202 Vgl. Langenbucher 1993a, S. 312ff.; vgl. auch Pöttker 1998b; 2002b. Diese von Langenbucher bei Daniel Dafoe
(Erkundung), den deutschen Jakobinern (Aufklärung) und dem („investigativen“) Reportagejournalismus des
beginnenden 20. Jahrhunderts (Verantwortung) aufgefundenen Grundideen des Journalismus korrelieren in ih-
rem zeitlichen Verlauf mit der Entwicklung von der referierenden Korrespondenz über das schriftstellernde
Räsonnement hin zu einem spezialisierten redaktionellen Journalismus. Im historischen Verlauf wechselten die-
se Tätigkeiten, so zumindest Baumerts Systematik, einander als Zentralkategorien des Journalismus ab.
132 III Die Idee der Öffentlichkeit – Historische Grundlagen des Journalismus
Prüfung ihrer intersubjektiven Richtigkeit (Aufklärung) und der subjektiven Wahrhaftigkeit des
Berichts (Verantwortung) verpflichtet ist.
Vor dem Hintergrund solcher geschichtlicher Betrachtungen kann es ein Ziel der Journa-
lismusforschung sein, einen historisch herleitbaren Aufgaben- und Ideenrahmen des Journa-
lismus auch systematisch auf der Basis soziologischer Theorie begründbar zu machen und so
einem handlungstheoretischen Konzept näher zu kommen, das die Grundzüge der „kultur-
schöpferischen Leistung“203, die Journalismus darstellt, sozialwissenschaftlich systematisch und
historisch informiert zu beschreiben vermag. Dazu lohnt im Rahmen der historischen Betrach-
tungen ein summarischer und die systematische Analyse vorbereitender Blick auf die idealtypi-
sche Frage nach der ‚Aufgabe‘ journalistischen Handelns. Letztlich ergibt sich aus der Entwick-
lung früher Journalismus-Konzeptionen eine Unterscheidung zwischen zwei unterschiedlichen
Journalismus-Verständnissen auf der Ebene geringer massenmedialer Ausdifferenzierung, die
unterhalb eines sich im späteren Verlauf entwickelnden redaktionellen Journalismus liegen und
die in Grafik 2 dargestellt werden.
Das Ergebnis der im Verlauf dieses Kapitels bislang skizzierten Veränderungen des Journalis-
mus ist die Etablierung einer idealtypischen Dichotomie zwischen den beiden historisch different
gebildeten Journalismustypen: zwischen Vermittlung (Referat) und Räsonnement oder –
modern – zwischen Nachrichten- und Kommentarjournalismus. Sedimente des korrespondie-
renden und des schriftstellernden Journalismus lassen sich jedenfalls als Idealtypen in der
normativ argumentierenden Literatur immer wieder auffinden: sei es in der klassischen Tren-
nung von Nachricht und Kommentar204, sei es im Selbstverständnis der Journalisten als
Vermittler bzw. Aufklärer205, sei es in der Differenzierung zwischen ‚Tatsachenbehauptungen‘
und ‚Meinungsäußerungen‘ in der medienrechtlichen Würdigung.
• Idealtypus I – Vermittelnder Journalismus: In diesem Verständnis wird die Frage nach der Aufgabe
journalistischer Kommunikationsangebote auf eine Konstante zurückgeführt: die Befriedigung eines Infor-
mationsbedürfnisses von Bürgern durch journalistische Produkte. Journalistische Kommunikation ver-
schafft Überblick in einer zunehmend unübersichtlicher werdenden Welt und stellt somit Information zur
Verfügung, die dem Einzelnen in seinem sozialen Nahbereich nicht zugänglich wäre. Diese Begründung
des Journalismus geht davon aus, dass journalistische Leistungen zur Koordinierung des eigenen Lebens in
Gesellschaft notwendig sind und von den einzelnen Gesellschaftsmitgliedern gesucht und nachgefragt wer-
den.
Es entbehrt nicht einer gewissen Plausibilität, wenn man das Referat, die faktengestützte Nach-
richtenvermittlung (oder nach Langenbucher die Erkundung der ‚Wahrheit‘) als eine ursprüng-
lich dem Journalistischen zugrunde liegende Idee und damit als einen ersten journalistischen
Idealtypus betrachtet. Viele auf frühe zeitungskundliche und zeitungswissenschaftliche Modelle
zurückgehende Erörterungen setzen hier an und konstatieren „den Primat der Nachrichten-
publizistik des Verlegers vor der journalistischen Meinungspublizistik“206 auf der Grundlage
historischer Erörterungen. Die durch journalistische Vermittlung ‚hergestellte‘ Öffentlichkeit
hinsichtlich bestimmter Themen oder Ereignisse erfüllt demnach vor allem die bereits be-
schriebenen Aufgaben der Orientierung über das Geschehen, das in einer hochkomplexen
Gesellschaft der individuellen Wahrnehmung u.U. verschlossen bleibt. Kommunikation wird
durch diese Vermittlungsleistungen auch über Institutions-, Milieu- oder gar Systemgrenzen
hinweg zumindest möglich. Journalismus hat sich in diesem idealtypischen Verständnis als ein
Kommunikation ermöglichendes Vermittlungshandeln eigener Kommunikativität weitgehend
zu enthalten.207 Im Rahmen der von Baumert erarbeiteten Funktions-Systematik lässt sich auch
204 Vgl. zur Auseinandersetzung damit:Schönbach 1977; Pöttker 1999b oder Erbring 1989.
205 Langenbucher (1974/1975, S. 258) hat diese idealtypische Grundunterscheidung als Differenz zwischen
journalistisch vermittelndem ‚Mediator‘ und publizistisch räsonierenden ‚Kommunikator‘ thematisiert und dafür
plädiert, die Vermittlung ins Zentrum des Journalismus zu rücken. Auch Wagner (1998, S. 99) sieht „eine Streit-
frage von unmittelbar praktischer Relevanz“ in der Entscheidung darüber, ob Journalismus „Kommunikation
als Beruf“ oder aber „Vermittlung von Kommunikation als Beruf“ ist und verweist damit auf die beiden Ideal-
typen Räsonnement und Referat zurück. Er entscheidet sich für Vermittlung von Kommunikation und weist
Kommunikation dem Publizisten als Aufgabe zu. Eine solche Entscheidung ist nicht haltbar; sie betrachtet
nicht ausreichend, dass die Vermittlung von Kommunikation bereits wieder Kommunikation ist.
206 Schöne 1928, S. 56; vgl. d’Ester 1928, S. 109: „Das eigentliche Lebenselement der Zeitung ist die Nachricht. Es
hat Zeiten gegeben, in denen es die Leser geradezu als Beleidigung auffaßten, wenn ein Zeitungsschreiber sich
einfallen ließ, seine Meldungen zu kommentieren. Aber auch das Räsonnement ist oft von der Nachricht ab-
hängig, wenn es auf dem Boden der Tatsachen bleiben will. Bevor der Politiker Leitartikel etwa über eine
Reichstagsauflösung schreiben kann, müssen ihm die Meldungen von diesen Tatsachen vorliegen.“
207 Schon früh wurden entsprechende Postulate, sich in der Zeitung auf die unhinterfragte und unkommentierte
Wiedergabe andernorts produzierten Inhalts zu konzentrieren, als Dogmen erhoben (vgl. Groth 1948, S. 14ff.).
Eine der Hauptschriften ist Stielers ‚Zeitungs Lust und Nutz‘ von 1695. Vor allem der Druck der Zensur, die
134 III Die Idee der Öffentlichkeit – Historische Grundlagen des Journalismus
die redigierende Funktion des Journalismus, mithin die Selektion und Bearbeitung des fakti-
schen Nachrichtenstoffes, als professionelle Verfeinerung des referierenden Journalismus
begreifen, die durch wachsenden Nachrichtenstoff nötig und durch die technisch-organisatori-
sche Bildung von Redaktionen möglich wurde.
• Idealtypus 2 – Räsonierender Journalismus: In diesem Verständnis wird Journalismus entweder als
(aufklärerisches) Gesinnungshandeln moralisch motivierter Kommunikatoren oder aber als allgemeine öf-
fentliche Inanspruchnahme kommunikativer Vernunft im Rahmen einer bürgerlichen Öffentlichkeit beg-
riffen. Das kritische Räsonnement, die Absicht der „Aufklärung der Wahrheit“ (Langenbucher), hat we-
sentlich zur Etablierung des allgemeinen (Selbst-)Verständnisses des Journalismus beigetragen. Darüber
hinaus reklamiert es gesellschaftliche und demokratische Relevanz insbesondere durch die enge Anlehnung
an die Idee einer räsonierenden Öffentlichkeit als Konstituens eines demokratischen Gemeinwesens.
In normativer Sicht kristallisierten sich aus den Kämpfen um diese Form des Journalismus die
verfassungsrechtlich normierten Grundlagen journalistischen Handelns heraus.208 Der schrift-
stellernde Journalismus betont die emanzipatorisch-kritische Aufgabe des Journalismus und
sucht in seinem aufklärerischen Impetus nach neuen, innovativen Vermittlungs- und Diskurs-
formen. Die Umfunktionierung der bereits bestehenden vermittelnden Presse zu einem Fun-
dament des Räsonnements markiert die zentrale Veränderung, die zu den gesellschaftstrans-
formierenden Umbrüchen und zur Herausbildung der Idee einer bürgerlichen Öffentlichkeit
führt.209 Journalistische Meinungsäußerungen sind aus dieser Perspektive Beiträge zum gesell-
schaftlichen Gespräch, ohne dass sie selbst dialogisch angelegt sein müssen.210
Dabei ist das Räsonnement der Presse historisch nicht mit dem heutigen Pressekommentar
gleichzusetzen211; es ist weit umfassender zu begreifen und bezeichnete nach Schäffle „alle
Seiten der Geistestätigkeit: Beobachtung, Berichterstattung über die beobachteten Tatsachen,
logische Verarbeitung, Würdigung, Akte des Lobes und des Tadels, Willensbekundungen und
Willenseinrichtungen, Aufforderungen und Warnungen“212. Das Räsonnement trennt nicht
zwischen verschiedenen Darstellungsformen, sondern etabliert im Idealfall eine unverstellte
und reflektierte Subjektivität des Autors, die sich in ihrem Streben nach Begründung der
einzelnen Aussagen aber durchaus als ein Beitrag zu einer höherstufigen – argumentativ
gestützten – Objektivität, zu einer aufgeklärten ‚Wahrheit‘, verstanden wissen will. Der Einzug
des Räsonnements in die Zeitung markiert aus dieser Sicht für Groth
ökonomische Unsinnigkeit einer teuren Bearbeitung und die schlechte Ausbildung der frühen ‚Zeitunger‘ dürf-
ten dafür gesorgt haben, dass sich in den Anfangszeiten des Journalismus viele an derartige Postulate hielten.
208 Dabei allerdings ist die materielle Seite zunächst vollkommen ausgeblendet worden, weil die Pressefreiheit als
ein idealistisches Jedermannsrecht der Meinungsfreiheit konzipiert wurde (vgl. Kopper 1982, S. 64).
209 Vgl. Habermas 1990, S. 83
210 Vgl. Groth 1960, S. 550: „Zunächst steht der ganze Nachrichtendienst der Zeitungen und Zeitschriften
außerhalb des Gedankenaustausches, und auch im Räsonnement läßt sich für gewöhnlich nicht von einem ‚Ge-
dankenaustausch‘ sprechen: Der Produzent des geistigen Gutes gibt ‚Gedanken‘ her, tauscht jedoch dafür nicht
wieder Gedanken ein, sondern empfängt Geld, Anerkennung oder sonst ein anderes Gut, und sein Partner, der
die Gedanken aufnimmt, gibt nicht wieder Gedanken her, sondern bezahlt den, der ihm die Kenntnis der Ge-
danken des anderen verschafft hat.“ Groth verweist auf die ungleichen Tauschverhältnisse, die sich aufgrund
der prekären Stellung zwischen kommunikativer Freiheit und beruflicher Eingebundenheit ergeben.
211 Vgl. zur Funktion des Pressekommentars: Eilders/Neidhardt/Pfetsch 2004; 1997.
212 Schäffle zit.n. Groth 1928, S. 693
2 Historische Grundlagen des Journalismus 135
„[…] den Höhepunkt journalistischer Entwicklung, der den Kern der journalistischen Betätigung bildet, in
dessen Durchsetzung sich der Sieg der Presse vollendet hat und in dem ihre größte Macht liegt. […] In ihm
vereinigen sich am vollkommensten alle Funktionen der Presse.“213
Damit soll aber schon in den klassischen Journalismusstudien weder präjudiziert werden, dass
im Räsonnement die Essenz des Journalismus liege, noch, dass mit seiner Durchsetzung ein
Endpunkt der gesellschaftlichen Ausdifferenzierung festzustellen sei. Allerdings wird anknüp-
fend an solche Beurteilungen die geschichtliche Entwicklung der Presse von manchen Autoren
als Reifeprozess beschrieben, der ausgehend von einem wenig entwickelten Journalismus der
Faktenvermittlung zu einem vermeintlich weitaus komplexeren Meinungsjournalismus geführt
haben soll.214 Aus dieser Perspektive – die nicht notwendiger Weise ein inneres evolutionäres
Prinzip unterstellt, sondern durchaus auch auf äußere Faktoren rekurriert – wird der Fokus
nicht mehr auf das vermeintlich ‚Ursprüngliche‘ des journalistischen Referats, sondern auf den
vermeintlichen ‚Höhepunkt‘ des journalistischen Räsonnements gelegt.
Ausfluss der Dichotomie zwischen Vermittlung und Räsonnement sind heutzutage nicht
zuletzt fest im journalistischen Berufsethos verankerte Trennungsgebote, zu denen auch das
Gebot der Trennung zwischen Information und Meinung zählt.215 Auch kritische Kommuni-
kationswissenschaftler argumentieren zu Recht gegen die Annahme solch klarer Unterschei-
dungen zwischen ‚objektiver‘ Berichterstattung und ‚subjektiver‘ Kommentierung: Die schein-
bare Neutralität der nachrichtlichen Berichterstattung laufe nicht selten immanent darauf
hinaus, den Status Quo zu stützen, „[…] indem sie die Macht des Faktischen anerkennt und
eine Verurteilung dessen, was passiert, vermeidet“.216 Hinter dem Schleier der ‚neutralen
Nachricht‘, die vorgebe, die geistige Autonomie des ‚mündigen Bürgers‘ bedingungslos zu
respektieren, verberge sich die implizite Stärkung bestehender Strukturen. Abgelehnt wird vor
allem die Idee der Ausgewogenheit, die manchem Vermittlungskonzept unterliegt und durch
die Journalismus auf eine passive Verlautbarungsrolle reduziert werde, die sich an der Vertei-
lung öffentlicher Aussagen, nicht aber an der Erkundung und Aufklärung sozialer ‚Wirklich-
keit‘ orientiere.217 Viele Journalismuskonzepte rekurrieren erkenntnistheoretisch bis heute
individualistisch auf die Einstellung, die der Journalist seinem Berichterstattungsgegenstand
gegenüber einnimmt und einnehmen soll. Historische Journalismus-Vorstellungen finden auf
diese Weise noch immer Eingang in normative journalistische Rollenbilder.
3 Journalistische Rollenmuster
Die skizzierten Idealtypen bilden die Grundlage für journalistische Rollenmuster218, die von
der historisch argumentierenden normativen Journalismusforschung bis in die 1970er Jahre
hinein formuliert wurden und von fortdauernder Bedeutung sind. Diese Rollenmuster lassen
sich empirisch aus der Praxis ableiten, bisweilen sind sie neben dieser deskriptiven Perspektive
aber auch als Ideale in Journalismus-Studien und -Ethiken formuliert worden. Sie können auch
als spezifische journalistische Einstellungen verstanden werden, die sich auf das Verhältnis des
Journalisten zum Berichterstattungsanlass sowie zu den Rezipienten beziehen.219 Im Kern geht
es der auf diese Fragen zielenden klassischen publizistik- oder zeitungswissenschaftlichen
Literatur darum, präskriptive Muster journalistischen Handelns zu formulieren, die als Leitli-
nien in der Praxis Gültigkeit beanspruchen sollen. Sie basieren auf einer idealtypischen Dicho-
tomie zwischen einem eher reaktiv reportierenden und einem eher aktiv meinungsorientierten
Verständnis journalistischen Handelns, die bis zum Ende der Weimarer Republik auch faktisch
als „ausgeprägte Dichotomie zwischen ‚Meinungspresse‘ und ‚Nachrichtenpresse‘, die durch
den Anteil des Räsonnements am Zeitungsinhalt definiert wurde“, die Medienlandschaft in
Deutschland kennzeichnete.220
Der Niederschlag, den das Erbe der Idealtypen in präskriptiven Rollen-Konzepten findet,
die in der Praxis Relevanz entfalten, lässt sich exemplarisch in den unterschiedlichen Stand-
punkten in einem Disput zwischen Egon Erwin Kisch und Kurt Tucholsky nachlesen. Die
angeschnittenen Fragen sind – je nach eingenommenem Standpunkt und akzeptierten Rollen-
218 Soziale Rollen im hier verwendeten Sinn bezeichnen sozial vorgegebene Verhaltenskomplexe, die auf stabilisier-
ten Werten beruhen, die ihrerseits zu Verhaltensnormen geronnen sind. Im Sinne der strukturell-funktionalen
Soziologie, die ein entsprechendes Konzept weit entwickelt hat, werden Rollenerwartungen von den individuel-
len Akteuren als anzueignende Faktizität ihrer gesellschaftlichen Umgebung begriffen und internalisiert. Sie er-
leichtern Interaktionen dadurch, dass sie in einer potenziell multioptionalen Welt Handlungsalternativen kanali-
sieren und Interaktion für die Partner erwartbar machen (vgl. Peuckert 1995, S. 262). Rollen können dabei so-
wohl als zu internalisierender Zwang (vgl. Dahrendorf 1974) wie als externalisierende Eigen- und Situationsde-
finition (vgl. Goffman 1983 [1959]) gesehen werden. Makrosozial sind Rollen systemisch definierte, starre und
sanktionsbewährte Handlungsanforderungen, während sie mikrosozial als zwar vorfestgelegte, aber flexibel zu
handhabende Darstellungsoptionen des individuellen Akteurs in der Interaktion betrachtet werden (können).
Beide Perspektiven sollen im Blick behalten werden, um eine Vorfestlegung auf die Betrachtung von entweder
Externalisierungs- oder Internalisierungsprozessen zu vermeiden. Der Weg über die Rollenverständnisse wird als
eine viel versprechende Möglichkeit der Beschreibung journalistischen Handelns betrachtet, wie Rühl (1980, S.
65) ausführt: „Soziale Rollen sind […] Vorzeichnungen journalistischen Handelns. Sie verfügen über konstante,
aber vor allem über variable Komponenten. Journalistische Rollen sind nicht in präzisen, unzweideutigen und
unveränderlichen Festlegungen des Handelns zu reifizieren. Sie werden vielmehr von einem konstanten Kern
selektiver Standards für das journalistische Handeln bestimmt. An der Gemeinsamkeit der Merkmale, die dieser
Rollenkern aufweist, läßt sich erst journalistisches Handeln spezifizieren.“ Rühl weist darauf hin, dass der theo-
retische Fortschritt, der in einer Rollenanalyse liegen kann, keineswegs zu einem vollständigen Journalismusbild
führen muss, da durch derartige Theoreme wichtige weitere Strukturbedingungen des Journalismus nicht in den
Blick zu bekommen sind. Zwar erlaubt die Identifikation von Rollenkernen einen Abschied von Spekulationen
über einen vermeintlichen Wesenskern des Journalismus, aber auch das bedeutet noch keine Sicherheit darüber,
dass diese Rollenkerne auch den tatsächlich in der Empirie aufzufindenden Rollen(verständnissen) entsprechen
(vgl. ebd., S. 67f.). Zwischen Selbstdefinition, Fremddefinition und empirischem Handlungsrahmen können In-
kongruenzen bestehen; dargestellte Rollenverständnisse können zum Beispiel der ‚Verschleierung‘ beschränkter
Handlungsoptionen dienen wie im normativen Individualismus Dovifats, genauso können sie aber auch der
Besetzung von Handlungsspielräumen oder der Selbstbeschränkung dienen.
219 Vgl. für eine Systematisierung von Berufsauffassungen auch Haas/Pürer 1996, S. 355ff. oder Kunczik 1988, S.
78ff.
220 Schönbach 1977, S. 17
3 Journalistische Rollenmuster 137
bild – wenn auch unter anderen Vorzeichen und in moderneren Begrifflichkeiten nach wie vor
virulent. 1925 stellt sich der Sozialreporter Kisch im Vorwort zu seiner Sammlung ‚Der Rasen-
de Reporter‘ mit emphatischen Worten auf den Standpunkt des neutral-vermittelnden Referats
der Nachrichtenpresse und fordert die Erfüllung der Rolle des unbeteiligten Reporters als
genuine Aufgabe des Journalismus:
„Der Reporter hat keine Tendenz, hat nichts zu rechtfertigen und hat keinen Standpunkt. Er hat unbefangen
Zeuge zu sein und unbefangene Zeugenschaft zu liefern, so verlässlich, wie sich eine Aussage geben lässt –
jedenfalls ist sie (für die Klarstellung) wichtiger als die geniale Rede des Staatsanwalts.
Selbst der schlechte Reporter – der, der übertreibt oder unverläßlich ist – leistet werktätige Arbeit, denn er ist
von den Tatsachen abhängig, er hat sich Kenntnis von ihnen zu verschaffen, durch Augenschein, durch ein
Gespräch, durch eine Beobachtung, eine Auskunft.
Der gute Reporter braucht Erlebnisfähigkeit zu seinem Gewerbe, das er liebt. Er würde auch erleben, wenn
er nicht darüber berichten müsste. Aber er würde nicht schreiben, ohne zu erleben. Er ist kein Künstler, er ist
kein Politiker, er ist kein Gelehrter, – er ist vielleicht jener ‚platte Mensch‘ Schopenhauers, und doch ist sein
Werk, ‚vermöge des Stoffes sehr wichtig‘.
Die Orte und Erscheinungen, die er beschreibt, die Versuche, die er anstellt, die Geschichte, deren Zeuge er
ist, und die Quellen, die er aufsucht, müssen gar nicht so fern, gar nicht so selten und gar nicht so mühselig
erreichbar sein, wenn er in einer Welt, die von der Lüge unermesslich überschwemmt ist, wenn er in einer
Welt, die sich vergessen will und darum bloß auf Unwahrheit ausgeht, die Hingabe an sein Objekt hat. Nichts
ist verblüffender als die einfache Wahrheit, nichts exotischer als unsere Umwelt, nichts phantasievoller als die
Sachlichkeit.
Und nicht Sensationelleres gibt es in der Welt als die Zeit, in der man lebt!“221
Gegen diese Stilisierung der eigenen Reportagetätigkeit protestiert der politische Publizist und
Autor der Weltbühne Kurt Tucholsky in einer Rezension aufs Schärfste. „Das gibt es nicht“,
schreibt er in der Würdigung des Buches. „Es gibt keinen Menschen, der nicht einen Stand-
punkt hätte. Auch Kisch hat einen […]“ – manchmal sei das der des Schriftstellers, den Tu-
cholsky tadelt; sehr oft der des Mannes, „der einfach berichtet“, den Tucholsky lobt.222 Gene-
rell aber gelte, dass sich auch der ‚nur‘ berichtende Journalist selbst durch eine noch so sachli-
che Berichterstattung nicht frei machen könne von subjektiven Einflüssen:
„Aber wie ‚sachlich‘ man auch oder wie weit weg vom Thema man auch schreiben mag: es hilft alles nichts.
Jeder Bericht, jeder noch so unpersönliche Bericht enthüllt immer zunächst den Schreiber, und in Tropen-
nächten, Schiffskabinen, pariser Tandelmärkten und londoner Elendsquartieren, die man alle durch tausend
Brillen sehen kann – auch wenn man keine aufhat –, schreibt man ja immer nur sich selbst.“223
Kisch und Tucholsky berühren hier epistemologische Fragen, mit denen sich die Journalismus-
theorie auseinandersetzen muss, und die sie daher stets in ihren Themenkatalog aufgenommen
hat, wie Debatten um Realismus, Rekonstruktivismus und Konstruktivismus bis heute bele-
gen.224 Darüber hinaus ist in der historischen Rückschau deutlich geworden, dass neben
erkenntnistheoretischen Prämissen die Frage des Verhältnisses von vermeintlich ‚objektivem‘
Referat und vermeintlich ‚subjektivem‘ Räsonnement, die Kisch und Tucholsky debattiert
haben, nicht nur, ja oftmals nicht einmal primär eine individuelle Entscheidung ist, sondern
vorwiegend von politischen und sozialen Rahmenbedingungen abhängig ist. So waren viele der
frühen Zeitungen vom reinen Weitervermitteln einlaufender Nachrichten gekennzeichnet,
während auf dem Höhepunkt des Kampfes um Pressefreiheit und Demokratie beinahe jede
3. 1 Journalistische Kommunikatorrolle
228 Vgl. v.a. Dovifat 1962b; 1962c; 1968; 1990a; Hagemann 1947; 1950; Haacke 1970. Einen kritischen Überblick
gibt Hachmeister 1987. Mit dem Werk Dovifats setzen sich die Beiträge in Sösemann 1998 auseinander.
229 Vgl. kritisch Glotz/Langenbucher 1969, S. 35.
230 Vgl. beispielhaft Haacke 1970, S. 455; Dovifat 1968; kritisch: Prakke u.a. (1968, S. 57), die von einer „vertikalen
Zielpublizistik“ sprechen. Die Annahmen der frühen Publizistikwissenschaft beruhen auf der klassischen Mas-
senpsychologie (vgl. Le Bon 1964; Ortega y Gasset 1956 [1930]; kritisch: Hofstätter 1957).
231 Stattdessen fordert Dovifat (1990d [1956], S. 138) die Konservierung eines „ständischen Sendungsbewußt-
seins“, durch das Probleme des medialen Alltags kompensiert werden sollen. Vgl. auch Hagemann 1957, S. 76.
232 Raabe 2005, S. 29
140 III Die Idee der Öffentlichkeit – Historische Grundlagen des Journalismus
fat an diesem Ideal zu messen oder sind nicht mehr als Hilfspersonal zur Erfüllung dieser
großen Aufgaben.233 Dagegen hat sich im späteren Verlauf eine funktionale Publizistikwissen-
schaft gestellt, die allerdings weniger den Journalismus als vielmehr Modelle gesellschaftlicher
Kommunikationsprozesse untersucht hat.234
233 Viele Angestellte in Medienbetrieben sind für ihn zwar „sehr achtenswerte Arbeiter […], aber der Natur der
Sache nach oft ohne öffentlichen Ruf und publizistisch-individuelle Wirkung“. (Dovifat 1990d [1956], S. 138)
Erst in einem deutlich späteren Aufsatz unter demselben Titel ‚Die publizistische Persönlichkeit‘ ändert Dovi-
fat (1990e [1963], S. 167) diese Grundauffassung und gesteht der kumulativen Leistung einzelner Journalisten in
einem Medienbetrieb einen eigenständigen Rang zu.
234 Vgl. Prakke u.a. 1968; Dröge/Lerg 1965
235 Vgl. grundlegend Aswerus 1993; Wagner 1978; Starkulla 1993; 1963; Roegele 1966. Eine scharfe Kritik findet
sich bei Schreiber 1980.
236 Vgl. Kepplinger 1979a; 1979b; Donsbach 1982
237 Die Zeitungswissenschaft kritisiert die unidirektionalen Wirkungsmodelle, die den frühen Publizistik-Modellen
zugrunde gelegt werden. Sie begreift Kommunikation stattdessen als reziproken Austausch, in dem Rollenwechsel,
für die in der klassischen Publizistik kein Platz ist, prinzipiell möglich sind (vgl. Wagner 1965a; 1965b). Dröge
und Lerg (1965, S. 253) weisen darauf hin, dass die funktionale Publizistikwissenschaft vergleichbare konzepti-
onelle Veränderungen gegenüber ihrer klassischen Vorläuferin vorgenommen hat.
238 Aswerus zit.n. Braun 1960, S. 5. Aswerus (1960, S. 11) operiert wiederholt mit der Gesprächsmetapher (auch:
„Zeitgesprächskonvente“), wenn er versucht, das Formalobjekt ‚Zeitung‘ und damit letztlich den Journalismus,
definitorisch zu fassen.
239 Vgl. auch aktuell Wagner 1998, S. 107: „Der ‚Publizist‘ betreibt Kommunikation als Beruf, der ‚Journalist‘ die
Vermittlung von Kommunikation als Beruf.“
240 Der „ursprüngliche Journalist“ ist aus dieser Perspektive „ein Mann der etwas empfing und es weitergab: Nachrich-
ten zuallererst“ (Braun 1958, S. 4).
241 Vgl. Braun 1958, S. 13
3 Journalistische Rollenmuster 141
Um eine Antwort bemühen sich die Arbeiten von Noelle-Neumann sowie die ihrer Schüler
Kepplinger und Donsbach, welche die Entfaltung journalistischer Macht thematisieren und als
„Legitimitätsproblem“250 bearbeiten. Durch wissenschaftliche Kritik wollen sie gesellschaftli-
che Kontrolle journalistischen Handelns ermöglichen.251 Ihre ‚Journalismustheorie‘ basiert auf
normativ-juristischen Konzeptionen252, einem restriktiven sozialpsychologischen Öffentlich-
253 Maßgeblich ist die Öffentlichkeits-Konzeption der ‚Theorie der Schweigespirale‘, welche Noelle-Neumann
(1977; 1980; 1991) in mehreren Einzelschritten entwickelt und die sich grundlegend von der in der vorliegen-
den Arbeit verwendeten Konzeption unterscheidet. Öffentlichkeit erscheint in diesem Modell als sozial indu-
zierte, irrationale Bedrohung, der das Individuum ausgesetzt ist, und weniger als Chance sozialer Verständigung
in einem kommunikativ fundierten sozialen Raum. „Es geht Noelle-Neumann eben nicht um eine ‚Theorie der
öffentlichen Meinung‘, sondern eher um eine Art Supervision der Massenstimmung und ihrer Pathologien.“
(Baum 1994, S. 227; vgl. ebenfalls kritisch: Pöttker 1993; Gerhards 1996)
254 In diesem Modell weisen Kepplinger und Vohl (1976) den Verzicht auf eine eigenständige Kommunikativität
als Grundbedingung journalistischer Professionalisierung aus. Da Journalismus in ihrer terminologischen Inter-
pretation durch eine tief greifende Wertrationalität ausgezeichnet sei, Professionen aber auf Zweckrationalität
aufgebaut seien, könne auch eine Professionalisierung nicht erreicht werden.
255 Vgl. Donsbach 1981, S. 171. Andere Befragungen kommen zu weit weniger dramatisch anmutenden Ergebnis-
sen, was diese Diskrepanz angeht (vgl. z.B. Scholl/Weischenberg 1998; Weischenberg/Malik/Scholl 2006a).
256 Vgl. Noelle-Neumann 1979; 1982a
257 Donsbach 1982, S. 156
258 Vgl. ebd., S. 141
259 Vgl. Noelle-Neumann/Kepplinger 1978; Donsbach 1981; Kepplinger 1993; Mathes/Czaplicki 1993
260 Vgl. Donsbach 1982, S. 213f. Auf methodischer Ebene wird die Unterstellung, dass sich ein von der Bevölke-
rungsmeinung unterscheidbares Meinungsspektrum – und sei es in einer durch Kollegenorientierung verfestig-
ten Form – auch in der Berichterstattung niederschlage, zurückgewiesen. Es bleibe unklar, welche Vorausset-
zungen und Mechanismen diese angebliche soziale Strukturation bewirken, kritisiert Weischenberg (1989, S.
228). Der Nachweis dieses Zusammenhangs steht bislang aus, und es ist theoretisch auch nicht ersichtlich, in-
wiefern er strukturell begründbar ist angesichts eines Mediensystems, das zunehmend nicht mehr politisch-
publizistischen, sondern ökonomischen Interessen verpflichtet ist (vgl. z.B. Baum 1996; Münch 1993; Saxer
1993a). Da aber der argumentative Durchgriff vom Individuum auf die Organisation und umgekehrt bis zum
Verzicht auf jede Form der Differenzierung in legitimistischen Studien gewahrt bleibt, stellen sich Fragen nach
dem Zusammenhang von Einstellungen und Berichterstattung oft nicht. Kepplinger konzediert mittlerweile,
dass es keinen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Einstellungen und öffentlich geäußerten Meinungen
gebe, sondern dass weitere, institutionelle Faktoren maßgeblich seien (vgl. Kepplinger/Ehmig 1997, S. 289f.).
261 Vgl. Kepplinger/Weissbecker 1991
262 Vgl. Kepplinger 1989. Traub (1928, S. 71) hat diese journalistische Vorgehensweise bereits in den 20er Jahren
beschrieben. Kepplinger (1998) beklagt auch später in dramatischem Gestus, dass sich aus der Melange all die-
ser Vermittlungsspezifika eine „Demontage der Politik in der Informationsgesellschaft“ ergebe.
3 Journalistische Rollenmuster 143
Das Rollenbild der legitimistischen Journalistik fungiert somit weniger als ein theoretisches
Konzept, sondern vielmehr als eine Grundlage der Journalismuskritik.263 Dazu nimmt sie –
zum Beispiel in der Erörterung der Beziehung von politischen Einstellungen und beruflichem
Handeln – verkürzte Kausalketten in Kauf.264
In der erkenntnistheoretischen Dimension kritisieren insbesondere die auf Autonomie des
Journalismus abstellenden konstruktivistischen Ansätze den ‚Objektivismus‘ solch einer
Journalismuskritik, die sich dagegen wendet, dass Journalismus eigene Selektions- und Rele-
vanzkriterien entwickelt und diese nicht den beobachteten Systemen entnimmt.265 Eine solche
„Ausrichtung des Journalismus an journalismusexternen Wirkungsabsichten“ verzichte auf die
Möglichkeit, „[…] den Journalismus als einen autonomen gesellschaftlichen Kommunikations-
bzw. Handlungsbereich mit eigener Rationalität zu betrachten“, kritisiert Kohring.266 Das
Ergebnis, so Görke, ist eine „Journalismustheorie ohne Journalismus“.267 Die Eigenständigkeit
des Journalismus sei auf ihrer Basis nicht mehr darstellbar. Gleiches gilt aus der Perspektive
einer entsprechend komplexen Handlungstheorie. Vor dem Hintergrund ihrer Prämissen muss
konstatiert werden, dass legitimistische Publizistikwissenschaft eine kommunikativ rationale
Mündigkeit nicht nur nicht zu fassen bekommt, sondern diese entlang der Argumentationsli-
nien einer konservativen Gesellschaftskritik268 diskreditiert und anstrebt, sie durch eine sozial
kontrollierte Zweckrationalität zu ersetzen. Der verberuflichte Journalismus gerät somit in der
Argumentation vollends unter die Kuratel einer einseitig als zweckrational verstandenen
Vernunft einer vermeintlichen Moderne.269
263 Donsbach (1987, S. 108f.) selbst räumt ein, dass gar nicht der journalistische Beruf, sondern lediglich seine
Wirkungen auf Öffentlichkeit im Interesse seiner Forschung liege.
264 Vgl. für ein komplexeres Alternativmodell: Weischenberg/von Bassewitz/Scholl 1989.
265 Vgl. Görke 1999, S. 61ff.
266 Kohring 1997, S. 196f.
267 Görke 1999, S. 152
268 Vgl. Schelsky 1983
269 Vgl. Baum 1994, S. 208ff.
144 III Die Idee der Öffentlichkeit – Historische Grundlagen des Journalismus
menz eindeutig für das Rollenmuster des neutralen Vermittlers einzusetzen.270 Beiden Ansät-
zen ist gemein, dass sie aus der Perspektive des einen journalistischen Idealtypus den anderen
zwangsläufig abwerten.
• Entweder wird ausgehend von einem weitgehend auf ‚neutrale‘ Vermittlung abstellenden
Verständnis von Journalismus jede Form des Meinungs- oder Kommentarjournalismus
zumindest unter den Verdacht der ungerechtfertigten Ausnutzung kommunikativer Privi-
legien gestellt.
• Oder aber ein als demokratiekonstitutiv erachteter kritischer Meinungsjournalismus wird
mit einem vermeintlich defizitären, weil passiv-unkritischen Verlautbarungsjournalismus
verglichen, um in seiner notwendigen Funktion für die Meinungs- und Willensbildung be-
stätigt zu werden.
Das führt zu unnötigen Vorfestlegungen und ideologischen Verhärtungen, die in den aktuellen
Debatten über Gesinnungs- bzw. Service-Journalismus nichts von ihrer Virulenz verloren
haben.271 Der latent schwelende Streit über das ‚richtige‘ journalistische Rollenbild ist nicht
entschieden. Der normative Diskurs über die gesellschaftlichen Aufgaben des Journalismus ist
– abgesehen von seiner bisweiligen Thematisierung in medienethischen Debatten272 – unaufge-
löst liegen geblieben, seit sich die Journalismusforschung der empirischen Betrachtung des
Gegenwartsjournalismus geöffnet hat. Aber auch empirisch kann scheinbar kein Einverneh-
men über die journalistische Rolle hergestellt werden.273 In vielen empirischen Journalismus-
Studien lassen sich bis heute – neben weiteren Modellen wie dem serviceorientierten Unterhal-
ter und dem kritischen Kontrolleur274 – die beiden klassischen Rollenselbstdefinitionen identi-
fizieren. 2002 werden in einem Einführungsband genannt:
• „der kritisch-advokatorische Journalist (‚Kritiker an Missständen‘; „Wächter der Demokratie‘; ‚Anwalt
der Benachteiligten‘; ‚Pädagoge‘; ‚Politiker mit anderen Mitteln‘)
• der vermittelnde Informationsjournalist (‚Neutraler Berichterstatter‘; ‚Vermittler neuer Ideen‘; ‚Sprach-
rohr der Bevölkerung‘)“275
Ihre Angemessenheit wird nach wie vor nicht selten streitig verhandelt. Der Rückblick auf die
Unterschiede zwischen der Lehre des publizistischen Kommunikators und der Lehre des
270 Sie unterscheidet sich allerdings von der Münchner Variante der Zeitungswissenschaft nicht nur darin, dass sie
weniger explizit und individualistisch an charakterliche Eigenschaften appelliert („ehrlicher Makler“), sondern
vor allem darin, dass sie keine hinreichende Differenzierung zwischen medialem Rahmen und journalistischem
Handeln vornimmt und statt dessen Journalismus an Postulaten, die das Mediensystem betreffen, misst. Dass
die Zeitungswissenschaft dieser zusätzlichen Konfusion normativer Ebenen entgeht, dürfte vorwiegend an der
historischen Begründung des Rollenmusters liegen, die einen Rückgriff auf externe rechtliche oder politische
Normierungen nicht zwingend erscheinen lässt, sondern stattdessen versucht genealogische Traditionslinien
aufzuzeichnen, die bewahrt und gepflegt werden sollen. Gemeinsam ist der Mainzer und der Münchner Schule
der starke Fokus auf Journalismus als neutrale und repräsentative Widergabe fremder Inhalte. Konvergenzen in
der Argumentation lassen sich auch durchaus feststellen, wenn man jüngere Arbeiten Wagners (2002) betrach-
tet, wenngleich sich Wagner weiterhin um die Entwicklung einer ‚Journalismustheorie‘ bemüht und diesem
Handlungsmodus so einen Wert beimisst.
271 In einer interessanten Brechung lassen sich die tradierten Konflikte heute zum Beispiel in Überlegungen zur
Informations- und Unterhaltungsorientierung des Journalismus wieder finden (vgl. z.B. Leif 2005; Klaus 1996).
272 Vgl. Brosda/Schicha 2000
273 Vgl. z.B. die Beiträge von Weischenberg/Malik/Scholl 2006a; Scholl/Weischenberg 1998, S. 153ff. oder
Schneider/Schönbach/Stürzebecher 1993 in Abgrenzung zu Kepplinger 1979a; Donsbach 1982; 1987; 1993.
274 Vgl. Scholl/Weischenberg 1998; siehe auch die Typologie von Donsbach (1982, 47ff.), der Journalisten in
Themen-‚Pfadfinder‘, ‚Pädagogen‘, ‚Interessenvertreter‘ und ‚Vermittler‘ unterteilt.
275 Esser/Weßler 2002, S. 191; vgl. auch Rühl 1980, S. 62ff.
4 Jenseits der Dichotomie: Otto Groths integratives Konzept 145
Bereits Ende der 1920er Jahre hatte Groth versucht, historisierende Darlegungen der Entwick-
lung einer modernen Presse mit der Entwicklung einer zeitungswissenschaftlichen Terminolo-
gie im Rahmen der Grundlegung einer Journalistik zu verbinden. Dass dieser Versuch der zu
dieser Zeit üblichen „Sehnsucht nach dem eigenen zeitungswissenschaftlichen Gegenstand und
der eigenen zeitungswissenschaftlichen Methode“279 verhaftet blieb, darf aus der Rückschau
nicht verwundern – und schmälert nicht den konzeptionellen Ertrag. Das gilt in noch weit
größerem Maße erst recht für die Untersuchungskonzeption der siebenbändigen ‚Unerkannten
Kulturmacht‘, die trotz ihres Erscheinens in den 1960er Jahren weitgehend auf der vor dem
Zweiten Weltkrieg erschienenen Literatur beruht.280 Dieses umfassende Werk kam allerdings
zu einem ungünstigen Zeitpunkt auf den Buchmarkt: Während sich Kommunikationsfor-
schung und Publizistik als Sozialwissenschaften etablierten, schien Groths Analyseansatz
vordergründig „bei seinem Erscheinen wissenschaftsgeschichtlich vollkommen obsolet“281 zu
sein:
„Während die etablierten Publizistik- und Kommunikationswissenschaftler sich soziologisierend in funktiona-
listischer und systemtheoretischer Terminologie übten, ging Groth deskriptiv kulturwissenschaftlich, histori-
sierend, vergleichend und typologisierend zu Werke. Während erstere Strukturen und Interdependenzen de-
klinierten, sprach Groth von ‚Ideen‘ und vom ‚Wesen‘ der Dinge, kurzum: Groth lag nicht im Modetrend des
Faches, als er auf den Theoriemarkt trat.“282
Es liegt wohl auch daran, dass Groths Modellvorstellungen bis heute weitgehend ohne ein auf
systematische Beschäftigung deutendes Echo in der zeitgenössischen Fachentwicklung geblie-
auf den Lehrstuhl des Berliner Instituts berufen. An seiner Stelle trat der damalige Verbandsfunktionär Dovifat
in den Universitätsdienst ein. Groth pflegte sein Leben lang enge Kontakte zum zeitungswissenschaftlichen In-
stitut in München. Dort arbeitete er auch während der NS-Diktatur privat an seinen Forschungen weiter (vgl.
Langenbucher 1995). 1948 publizierte er mit ‚Die Geschichte der deutschen Zeitungswissenschaft‘ einen bis
heute gültigen wissenschaftshistorischen Überblick (vgl. Groth 1948). Sein siebenbändiges opus magnum ‚Die
unerkannte Kulturmacht‘ erschien in den Jahren 1960 bis 1972; in ihm unternahm er raumgreifend den Ver-
such, die Theorie einer „Periodik“ zu formulieren, in der ‚Zeitung‘ – verstanden als ein formales Untersu-
chungsobjekt, nicht als konkrete Manifestation – umfassend in ihren historischen, sozialen, politischen, wirt-
schaftlichen und journalistischen Grundzügen beschrieben werden sollte (vgl. Groth 1960-1972). Langenbu-
cher (1995) hat das Werk Groths einführend gewürdigt.
279 Bohrmann 1977, S. 149f.
280 Hier versucht Groth, die Grundzüge einer kulturwissenschaftlich verstandenen Periodik zu skizzieren, die die
Arbeit der bisherigen Zeitungswissenschaft fortführen und ausbauen, und gleichzeitig der paradigmatischen
Publizistikwissenschaft in der Erforschung öffentlicher bzw. gesellschaftlicher Kommunikation den Rang strei-
tig machen sollte. Allerdings gibt es Zweifel daran, dass es durch die Betonung des Qualitativen bei Groth und
seinen Nachfolgern wirklich zu einer weitgehenden Veränderung des Forschungsansatzes gekommen ist (vgl.
Bohrmann 1977, S. 150f. oder auch die systematisch vergleichende Studie von Boguschewsky-Kube 1990).
Dieses Potenzial soll im Folgenden kursorisch geprüft werden.
281 Lerg 1977, S. 10
282 Wagner 1995, S. 209. Doch wer gegenüber Groth den Vorwurf essentialistischen Formulierens erhebt – und es
ließen sich leicht entsprechende Stellen auf den mehreren tausend Seiten seines Werkes finden, die von einer
„Kombinationen von definitorischen Festsetzungen und vorausgesetzten Wertungen“ (Topitsch 1965b, S. 30)
gekennzeichnet sind – der übersieht den logischen Charakter der Grothschen Studien. Für Langenbucher
(1995, S. 167f.) jedenfalls steht fest, dass Groth mit seiner Begriffswahl keinesfalls Aussagen über das (meta-
physische) Wesen der benannten Phänomene machen will. Tatsächlich fällt es bei der heutigen Lektüre schwer,
dieser Argumentation bis ins Detail der Grothschen Arbeiten zu folgen. Allerdings soll dieser Frage nach den
Intentionen des Autors an dieser Stelle nicht weiter nachgegangen werden; dazu wäre eine eigenständige – und
weit umfassendere – Rezeption und Analyse des Grothschen Werkes vonnöten, als sie hier angestrengt werden
soll. Groths Werk soll hier lediglich selektiv und heuristisch herangezogen werden.
4 Jenseits der Dichotomie: Otto Groths integratives Konzept 147
ben sind.283 Dabei belegen sie die Fruchtbarkeit einer makrotheoretischen und systematischen
Gesamtanalyse284 und sind in hohem Maße anschlussfähig für eine kulturwissenschaftlich orien-
tierte Journalismusanalyse.285 Auch ihre Bedeutung für das Selbstverständnis des Journalisten-
berufs ist kaum zu überschätzen.286 Die Rezeption hat aber eher vereinzelt stattgefunden, am
wirksamsten noch in der Streitschrift ‚Der mißachtete Leser‘ von Glotz und Langenbucher287
sowie – wenn auch in einseitiger Vereinnahmung – bei Wagner.288 In den meisten Facheinfüh-
rungen dagegen finden sich lediglich knappe Verweise auf Groths Arbeiten; immerhin ist 1995
eine von Langenbucher editierte Textcollage erschienen.289 Aber noch wartet Groths Werk auf
seine umfassende Wiederentdeckung durch die Journalistik. Sie wird auch in der vorliegenden
Studie nicht zu leisten sein. Im Folgenden wird es vielmehr darum gehen, die Vorstellungen
Groths zur gesellschaftlichen Aufgabe des Journalismus und zu den Charakteristika journalisti-
schen Handelns zu skizzieren und auf ihre Tragfähigkeit hinsichtlich der zu entwickelnden
Journalismuskonzeption zu prüfen.
• Auf makrosozialer Ebene beschreibt Groth Journalismus als eine umfassende Vermitt-
lungsaufgabe zwischen den gesellschaftlichen Gesprächspartnern; eher beiläufig kenn-
zeichnet er auf dieser Ebene auch die Möglichkeit eigenständiger Beiträge des Journalis-
mus zum Zeitgespräch.290 Gesellschaftlich notwendige Aufgabe des Journalismus ist für
Groth, Aussagen zwischen Ausgangs- und Zielpartnern im gesellschaftlichen Zeitgespräch
zugänglich zu machen. Eigenständige journalistische Beiträge zu diesem Gespräch hinge-
gen sieht er als optional.
• Die Wertigkeit dieser Unterscheidung zwischen Vermittlung fremder und Produktion
eigener Gesprächsbeiträge verändert sich beim Perspektivwechsel zur Analyse journalisti-
schen Handelns. Hier führt er systematisch gleichberechtigt neben dem informationsba-
sierten Rollenverständnis des Vermittlers ein zweites, räsonnementbasiertes des Kommu-
nikators (‚produzierender Journalismus‘) ein. Groth hebt auch hier die Vermittlungsaufga-
be in ihrem Bezug zum Charakter des journalistischen Werks hervor, verweist aber nach-
drücklich darauf, dass Vermittlung ohne Kommunikation und damit ohne die als ‚proto-
schöpferisch‘ charakterisierte ‚Produktion‘, nicht konzipierbar ist. Die Trennung zwischen
referats- und räsonnementbasiertem Verständnis, die auf der funktionalen Ebene des
283 „Außer einer Rezension in der in Leipzig erscheinenden ‚Zeitschrift für Journalistik‘ und kurzen Anzeigen zum
jeweiligen Erscheinen der verschiedenen Bände in der Zeitschrift ‚Rundfunk und Fernsehen‘ läßt sich bislang
keine eingehende fachwissenschaftliche Beschäftigung mit dem Werk ‚Die unerkannte Kulturmacht‘ finden.“
(Langenbucher 1995, S. 154) In der genannten Leipziger Rezension wird Groth aus der Perspektive der sozia-
listischen Journalistik vorgehalten, aus spätliberaler Sicht apologetisch das Wesen der kapitalistischen Presse zu
rechtfertigen (vgl. Raabe 1962).
284 Vgl. Langenbucher 1995, S. 185
285 Ausschlaggebend für diese Annahme sind Feststellungen bei Groth (1960, S. 5) wie die folgende: „Zeitungen
und Zeitschriften sind Kulturwerke – Kultur hier umfassend gemeint als das ständig wachsende und sich ver-
ändernde Ganze menschlicher Sinnschöpfungen.“ Angesichts solcher Aussagen ist zum Beispiel Pätzold (2002,
S. 33) aus kulturwissenschaftlicher Sicht auf die Journalistik zu Recht der Auffassung, dass Groth „[…] für un-
ser Fach ungleich mehr geleistet hat, als z.B. Emil Dovifat“.
286 Vgl. Pöttker 2001
287 Glotz/Langenbucher 1969
288 Vgl. Wagner 1977; 1978; 1995
289 Vgl. Groth 1995
290 Vgl. Groth 1960, S. 584ff.; z.B.: „Die Geschichte der periodischen Presse liefert uns aber auf jedem ihrer
Blätter in der Tat zahlreiche Beispiele für die niemals rastende schöpferische Initiative und Originalität der
Journalisten und Verleger, man möchte fast sagen: Gerade ihre gewaltige Entwicklung ist ein einziger großer
Beweis dafür.“ (ebd., S. 591)
148 III Die Idee der Öffentlichkeit – Historische Grundlagen des Journalismus
journalistischen Werks ihren Sinn hat, verliert auf der Ebene des journalistischen Han-
delns einen guten Teil ihrer Notwendigkeit und letztlich ihrer Begründbarkeit.
Groths Werk kann als Beleg für die Fruchtbarkeit einer Analyseperspektive jenseits der tradier-
ten Dualismen gelesen werden. Ob im voll entwickelten Journalismus moderner Gesellschaften
Vermittlung (Referat) oder Räsonnement überwiegen, ist für ihn letztlich eine empirisch
kontingente, keine theoretisch prinzipielle Frage, da das Verhältnis zwischen Bericht und
Kommentar von wirtschaftlichen, politischen, kulturellen oder sozialen Rahmenbedingungen
abhängig ist.291 Während die Figuren des gesellschaftlichen Zeitgesprächs und der bürgerlichen
Öffentlichkeit historische Andeutungen gesellschaftstheoretischer Rahmenkonzepte bilden, ist
Groths Journalismustheorie in engem Bezug zu ihnen als eine analoge historisch informierte
Darstellung journalistischer Handlungsoptionen zu sehen.
291 Die Hochphase des Räsonnements in der Presse zum Beispiel, die Habermas (1990) als bürgerliche Öffentlich-
keit beschreibt, ist durch solch einen externen Faktor ausgezeichnet: den Kampf um die Pressefreiheit, der aus
jedem Kommentar gleichsam performativ ein politisches Statement macht.
292 Groth 1972, S. 357. In Groths Werk ‚Die unerkannte Kulturmacht‘ erfährt die Vermittlungs-Kategorie „[…]
erstmals eine theoretische Würdigung ihrer eminenten praktischen Bedeutung, die so weder vorher noch nach-
her von anderen Wissenschaften geleistet wurde“ (Langenbucher 1995, S. 184).
293 Groth 1960, S. 543
294 Ebd., S. 567f.
295 Vgl. Groth 1928, S. 19
296 Vgl. Groth 1960, S. 60
4 Jenseits der Dichotomie: Otto Groths integratives Konzept 149
zu erhalten. Ihm wird eine zwar vorwiegend ‚dienende‘ aber zugleich gesellschaftlich zentrale
Aufgabe zugewiesen, die darin besteht, die kommunikative Integration des zwischenmenschli-
chen Gesprächs auf Gesellschaftsebene komplementär zu gewährleisten. Durch die journalisti-
schen Vermittlungsleistungen haben Menschen die Möglichkeit, sich über ihr soziales, politi-
sches und kulturelles Umfeld zu informieren, zu orientieren und in Kommunikation mit
räumlich entlegenen gesellschaftlichen Partnern zu treten.297 In vergleichbarer Stoßrichtung
wird auch in der aktuellen Journalismusforschung Vermittlung als ein zentrales Qualitätskrite-
rium gesehen. Für Rager bedeutet der Begriff zum Beispiel: „[g]egenseitige Bezüge herstellen
zwischen KommunikatorInnen und Publikum, im Rückgriff auf gegenseitige ‚Erwartungs-
Erwartungen‘“.298 Auch hier wird Vermittlung als eine Leistung innerhalb eines sozialen
Austauschprozesses beschrieben, der durch die Möglichkeit der Vermittlungsleistung über-
haupt zustande kommt. Groth geht davon aus, dass am Anfang der Entwicklung des Journa-
lismus die Darstellung von ‚Tatsachen‘ das „Fundament und Zentrum der Zeitung“ sei – ohne
dass sie darauf festgelegt sei:
„Das Speziell [sic!] ‚Journalistische‘ ist immer mit dem Tatsächlich-Stofflichen engstens verbunden, mit dem,
was die Gegenwart an Fakta Tag für Tag bringt und zu dem der Mensch Tag für Tag Stellung nehmen muß.
Je weiter sich davon die Darbietungen des Periodikums entfernen, desto mehr verlieren sie den speziell jour-
nalistischen Geist und so gesehen ist der ‚Reporter‘ der Urtypus des Journalisten, ist er der Protagonist, der erste Reprä-
sentant der Zeitung. Die Nachricht, das Referat war geschichtlich das Erste, war das früheste Idealgut der Zei-
tung […]. Aber das heißt nicht, daß sie sich ihrem Wesen nach auf das Referat beschränken müsse, im Ge-
genteil, gerade von dem Referat aus – und das bestätigt die ganze Geschichte der Zeitung – führen ihre Wege
unweigerlich darüber hinaus, führen zum Räsonnement, führen zur Dichtung. In ihrem Wesen war die Zei-
tung niemals von vornherein festgelegt, sie ließ sich auch nie festlegen […].“299
‚Zielpartner‘ des Gesprächs können sowohl einzelne Akteure als auch Gruppen sein, die Teile
einer sich in ständiger Kommunikation befindenden Gesellschaft sind.304 Ihre Aussagen
werden durch den Vermittler an Dritte oder untereinander weitervermittelt. Die Unterschei-
dung zwischen den Ausgangspartnern und den von ihnen angesprochenen Zielpartnern legt
Groth explizit als eine „formal-methodische“ an.305
„Vermitteln bezeichnet nicht nur eine ‚soziale Funktion‘, sondern bringt auch konzis die intrikate Wechselsei-
tigkeit der Beziehungen zwischen Produzenten, Periodikum und Konsumenten, die gegenseitige Abhängig-
keit, die geistige Gebundenheit aneinander, sogar das Hin und Her zwischen den dreien zum Ausdruck und
schließt damit den ‚Gedankenaustausch‘ ein, den Wechsel der Positionen, durch den der Konsument zum
Produzenten, der Produzent zum Konsumenten wird. Und wenn trotzdem das Vermitteln die Richtung vom
Schöpfer über das Werk zum Empfänger noch stark akzentuiert, so entspricht das den tatsächlichen Verhält-
nissen im Periodikum.“306
Der Unterschied zwischen den Partnern wird durch eine Wissensdifferenz konstituiert, nicht
durch soziale Stratifikation oder vergleichbare Machtverhältnisse.307 Der angenommene
Unterschied wird durch das journalistische Werk ausgeglichen; es vermittelt im weitesten Sinne
Wissen und stellt so eine Verbindung zwischen den gesellschaftlichen Kommunikationspart-
nern her.308 Angesichts dieser Differenz konstatiert Groth, dass vor allem Sozialgebilde als
Ausgangspartner aktiv werden, während individuelle Rezipienten vorwiegend Zielpartner
sind.309 Aber auch diese theoretische Vermutung beansprucht keine Allgemeingültigkeit. Der
Anstoß zu einem Vermittlungsvorgang kann also von allen Beteiligten ausgehen310; die Rollen
von Ausgangs- und Zielpartnern können wechseln.311
Durch die periodische, aktuelle, universale und öffentliche Vermittlung des Faktischen aus
den Gegenwelten ermöglicht Journalismus, so eine der Kernprämissen des Grothschen Mo-
dells, den Menschen das Handeln.312 Aus dem Wissen um das Andere, um das nicht selbst
Erlebte, um ‚das Sich-in-der-Welt-Zutragende‘, erwächst überhaupt erst die Möglichkeit zum
Räsonnement; aus der ersten Aufgabe des Journalismus entwickeln sich – das hat der Rück-
blick auf die historische Entwicklung gezeigt – alle weiteren Aufgaben.313 Ohne die Vermitt-
lung des Journalismus würden Teile des Gesellschaftslebens der Moderne brachliegen.314
Der journalistische Beruf verdanke seine Entwicklung nicht zuletzt dem Streben nach Unab-
hängigkeit, das er seit der Etablierung des Räsonnements im schriftstellerischen Journalismus
zur Grundlage seines Selbstverständnisses gemacht hat. Die Auszeichnung eines produzieren-
den Journalismustyps, die Groth bereits zur Klassifizierung unterschiedlicher Funktionen des
journalistischen Werks anlegt317, entfaltet ihre heuristische Wirkung damit erst im Zusammen-
hang mit der Erörterung journalistischer Handlungsmodi. Auf der abstrakten Funktionsebene
des Werkes, auf der Groths Erörterungen sich überwiegend bewegen, dient sie dazu, schöpfe-
rische und kreative Leistungen des Journalismus als sozialer Institution kenntlich zu machen.
Sie verhindert, dass Journalismus zum passiven Vermittlungskanal herabgesetzt wird, verbleibt
aber trotzdem sekundär im Vergleich zur angenommenen Primäraufgabe der Vermittlung und
Konstitution des gesellschaftlichen Zeitgesprächs. Weitaus differenzierter kann die Frage der
Produktivität des Journalismus auf der Handlungsebene behandelt werden.
Während Groth dem journalistischen Werk primär eine Vermittlungsfunktion zuweist, betrachtet
er das journalistische Handeln, das an der Entfaltung dieser Funktion maßgeblich beteiligt ist, auf
henden und lebenserweiternden Zwecken dienen, die erst dem von dem Journalismus Vermitteltem Wert ge-
ben.“ (Groth 1960, S. 20) Dass der soziale ‚Wert‘ des Journalismus trotz dieser Einschränkungen hoch ist, liegt
daran, dass der von ihm zu gewährleistenden Vermittlung zentrale Leistungen zugeschrieben werden, die als
konstitutiv für Religion, Wissenschaft und Kunst und sogar als überlebensnotwendig für Staatsapparat und
Wirtschaftssystem begriffen werden (vgl. ebd., S. 597).
315 Darauf stellt Aswerus (1961, S. 88) ab: „Im Fortschritt der Rationalisierung manifestiert der Bote oder Redak-
teur nicht mehr das Gespräch einer vorgegebenen Gesprächsgesellschaft, sondern er produziert die Manifesta-
tion eines Zeitgesprächssurrogates und sucht dafür Kommunikationsverbraucher. Diese wählen sich den ihnen
zusagenden Anteil als den ihrigen aus und gliedern sich in das Gesprächsmiteinander ein, dem es nach wie vor
um die ‚Neuigkeiten‘ geht.“
316 Groth 1928, S. 742
317 Vgl. Groth 1960, S. 584ff.
152 III Die Idee der Öffentlichkeit – Historische Grundlagen des Journalismus
einer davon getrennten Ebene. Diese Differenzierung erlaubt nicht nur die gleichberechtigte
Behandlung unterschiedlicher Rollenverständnisse journalistischen Handelns, sondern beinhal-
tet außerdem den immanenten und impliziten Hinweis auf eine übergreifende Kommunikativi-
tät journalistischen Handelns, welche eine normativ begründete konzeptionelle Entscheidung
zwischen den beiden Rollentypen diskreditiert.
Groth definiert journalistisches Handeln zunächst formal und deskriptiv als berufliches
Schreiben für Zeitschriften bzw. Journale. Im weiten Sinn sind Journalisten für ihn die „an der
Gestaltung des textlichen Inhalts der Periodika berufsmäßig Mitwirkenden“ und in einem
engeren Sinne diejenigen, „die an der Gestaltung des Textes von Zeitungen oder auch zei-
tungsnahen Zeitschriften, sei es unmittelbar, sei es mittelbar – durch Arbeiten für Hilfseinrich-
tungen zur Textgestaltung – berufsmäßig tätig sind“.318
Auch wenn diese definitorischen Näherungen aus heutiger Sicht vor allem hinsichtlich der
subsumierten Tätigkeiten zu kurz greifen, können Groths Ausführungen doch als der Versuch
betrachtet werden, nicht durch hohe normative Hürden weite Bereiche des professionellen,
mindestens aber des beruflichen öffentlichen Kommunikationshandelns aus dem Journalismus heraus
zu definieren, wie das publizistikwissenschaftliche Gesinnungskonzepte nahe legen. Vielmehr
sieht Groth für journalistisches Handeln die Kriterien der Periodizität, der Universalität, der
Aktualität und der Publizität als Unterscheidungsmerkmale gegeben an, durch die auch das
journalistische Werk, dem seine Aufmerksamkeit gilt, geprägt ist.319 Formal haben Journalisten
in ihrem Handeln drei Aufgaben zu bewältigen, damit die Vermittlung gemäß dieser Kriterien
gewährleistet ist:
(1) die Materialbearbeitung (Selektion, Redigat, Satz/Umbruch),
(2) den Umgang mit den Ausgangspartnern (Materialbeschaffung) und
(3) den Umgang den Zielpartnern (Publikumspflege).320
Da das Periodikum eine Vermittlungsaufgabe zu erfüllen hat, müssen journalistische Handlun-
gen aus Groths Sicht auf diese Aufgabe ausgerichtet sein. Daraus lassen sich ethische Implika-
tionen für die Produzenten des vermittelnden Periodikums wie „Wahrheit der Tatsachen und
Aufrichtigkeit der Gesinnung, der gewissenhaften Prüfung des Zuvermittelnden und der
Verantwortung vor der Allgemeinheit“ ableiten.321
Aus dem skizzierten Konzept des vermittelnden Journalismus, das Groth als ‚reinen Jour-
nalismus‘ kennzeichnet, lässt sich zunächst ein explizit nicht negativ verstandener ‚Verlautbarungsjour-
nalismus‘322 ableiten, als dessen journalistische Kerntätigkeiten die Auswahl und die Aufberei-
tung der Agenda des gesellschaftlichen Gesprächs verstanden werden können. Für dieses
vermittelnde journalistische Handeln postuliert Groth, ähnlich wie im Rollenbild des referierenden
Reporters „Neutralität und Objektivität des Journalisten gegenüber seinem Stoff“323. Diese
Haltung wird als Voraussetzung einer angemessenen Behandlung der kommunikativen Äuße-
rungen der Ausgangspartner im gesellschaftlichen Zeitgespräch gekennzeichnet. Daraus ergibt
sich ein sehr eingeschränktes Verständnis des journalistischen Handelns, das den Journalismus
darauf verpflichtet, sich eigenständiger schöpferischer, v.a. wertender, Beiträge vollständig zu
enthalten.324 Auch wenn Groth diese Haltung für die Vermittlung kommunikativer Äußerun-
gen anderer zunächst dezidiert einfordert, begrenzt er Journalismus nicht auf ein Handeln
gemäß dieser Haltung. Zwar sieht er Reportage und Referat als „journalistische Form der
Unterrichtung im engeren Sinne“325, aber er weitet sukzessive den analytischen Fokus, um auch
andere journalistische Aufgaben in den Blick nehmen zu können und damit die konzeptionel-
len Möglichkeiten seines Vermittlungsmodells weiter auszuschöpfen.326
Dies gilt in besonderem Maße für die Einführung des produzierenden Journalismus in Ergän-
zung zum vermittelnden Journalismus. Zunächst lassen sich unter diesen produzierenden
Journalismus die Formen publizistischen und journalistischen Räsonnements fassen; weiterge-
hend aber nennt Groth auch die Recherchetätigkeit als Beispiel produzierenden journalisti-
schen Handelns. Produzierender Journalismus umfasst allgemein Formen journalistischen
Handelns, die über das Vermitteln der von den Kommunikationspartnern bereitgestellten
Informationen und Argumente hinausgehen.327 Da im Journalismus Ideen formuliert und
vertreten würden, so Groth, könne journalistisches Handeln nicht ausschließlich als das
Vermitteln fremder schöpferischer Leistungen betrachtet werden; es generiere auch selbst
geistige Produkte, die weiter vermittelt würden.328 Groth weist dem Journalismus deshalb nicht
nur die Hauptaufgabe der „Unterrichtung im engeren Sinne oder Information“ zu, sondern
benennt darüber hinaus auch „Führung und Werbung (Propaganda)“, „theoretische und
praktische Belehrung und Beratung“ sowie „Erholung und Unterhaltung, Erhebung und
Erbauung“ als weitere Aufgaben des Journalismus.329 Erst in der Vielfalt dieser unterschiedli-
chen Leistungen entfalte sich die Rolle des Journalismus als vermittelnder Instanz im gesell-
schaftlichen Zeitgespräch.
324 Aus dem „instrumentalen Charakter des Periodikums“ ergebe sich, so Groth (1960, S. 577) sehr apodiktisch,
das Ziel, „[…] dem Publikum das für das Publikum, das stofflich und deshalb praktisch für dessen Zwecke Be-
deutsame zu vermitteln, nicht ihm selbst persönlich am Herzen Liegendes aufzudrängen, nicht das Publikum in
seine, des Journalisten, Anschauung und Überzeugung hineinzuzwingen. Immer ist der Journalismus als solcher
Diener, nicht Herr des Publikums, er sieht die Dinge lediglich unter dem Gesichtspunkt der praktischen Be-
deutsamkeit und Brauchbarkeit für das Publikum, und so verstanden ist er gleichsam persönlich ganz desinter-
essiert.“ Mit derartigen Betrachtungen fällt Groth bisweilen zurück in dichotomische Perspektivierungen, die
im damaligen Fachdiskurs weit verbreitet waren.
325 Groth 1962, S. 296; ähnlich auch Groth 1961a, S. 343.
326 Manche der anfänglich stark einschränkenden Äußerungen scheinen auch daher zu rühren, dass Groth,
entgegen seiner erklärten Absichten, Aussagen über die Vermittlungs-Aufgabe des journalistischen Werks auf
das journalistische Handeln überträgt, ohne vorher zu prüfen, inwiefern dieser Transfer mit seinen epistemolo-
gischen Prämissen und seinen normativen Vorgaben harmoniert. Diese Übertragungen lassen sich in der Kon-
zeption journalistischen Handelns im Spannungsfeld von Vermittlung und Produktion nicht aufrechterhalten.
327 Vgl. Groth 1960, S. 603
328 Vgl. ebd., S. 584ff.
329 Groth 1962, S. 296. Hinzu kommt als Zweck des Periodikums noch der Profit als „weitaus die verbreitetste
und stärkste Triebfeder der Vermittlung“, die Groth (1961a, S. 364) ausfindig macht. Obwohl Groth (1948, S.
335) bereits 1948 die Publizistikwissenschaft des „Opinionismus“ geziehen hatte, geht er davon aus, dass Jour-
nalismus geistige Führung entfalten kann, nicht muss. Groth (1962, S. 300ff.) spricht Journalisten das Potenzial
zu, vor allem hinsichtlich der Durchsetzung geistiger Ideen als ‚Führer‘ zu agieren. Es handele sich dabei nicht
um eine „Wesensaufgabe“ des Journalisten, aber praktisch ergebe sich diese Funktion aus dem periodikalischen
Wirken (Groth 1961a, S. 418). Groth integriert damit Charakteristika, die oftmals vermeintlich eindeutig dem
Typus des sog. Publizisten zugeschrieben wurden, der sich vom Journalisten signifikant in seiner ‚Gesinnungs-
festigkeit‘ und seiner Verantwortung für das gesellschaftliche Räsonnement unterscheide. Auch Groth (1962, S.
198) macht diese Unterscheidung, verknüpft sie aber nicht mit der Frage der ungehinderten Meinungsäuße-
rung, die er beiden zugesteht, da die „Grenze zwischen Journalist und Publizist […] innerhalb des räsonieren-
den Journalismus“ verlaufe. Die Unterschiede zwischen den öffentlichen Kommunikationsmodi Journalismus
und Publizistik lassen sich Groth zufolge eher in der Frage der Periodizität und Kontinuität der Arbeit ausfin-
dig machen.
154 III Die Idee der Öffentlichkeit – Historische Grundlagen des Journalismus
Groth gleitet schon in der Funktionsbestimmung des Werkes immer wieder auf die Hand-
lungsebene, wenn er das produktive Element kennzeichnen will. Produzierender Journalismus
ist für ihn letztlich nur im Zusammenhang mit tätigen Personen konzipierbar. Die Differenzie-
rung zwischen den beiden Handlungsmodi ist dabei eine Frage der ‚inneren Haltung‘ und der
Zielsetzung des Journalisten. Groth befindet sich damit noch in der erkenntnistheoretisch als
naiv zu kennzeichnenden Tradition der frühen normativen Ansätze: Für ihn gilt, dass der
Journalist vermittelnd tätig ist, wenn er Aussagen der Ausgangspartner ‚neutral‘ und ‚objektiv‘
weiter gibt; sobald sich aber ein Journalist selbst zum ‚Sprachrohr des Publikums‘ macht oder
gar selbst Ideen hervorbringt, muss er als produzierender Journalist verstanden werden.330
Dadurch, dass hier die Begründungszusammenhänge bereits bei Groth selbst erkennbar
unscharf werden, gerät die Aufrechterhaltung einer Dichotomie zwischen Vermittlung und
Produktion auf der Ebene der Handlungsmodi unter Druck.
Geigers vergleichbare Ausführungen zum Status einer so genannten ‚vermittelnden Intelli-
genz‘ des Journalismus legen nahe, dass die „Popularisierung“ von Kulturbeständen eine
Tätigkeit der Intelligenz – und somit ‚produzierend‘, wenn nicht gar in einem angelehnten
Sinne ‚schöpferisch‘ – ist.331 Journalisten zählen Geiger zufolge dann zur gesellschaftlichen
Intelligenz, zu der Elite der „Schöpfer von Beständen der repräsentativen Kultur“332, wenn sie
die Vermittlung als eigenständige produzierende Leistung anlegen, zum Beispiel durch räsonie-
rende Elemente oder besondere Darstellungsbemühungen:
„Der Journalist gehört zur Intelligenz, sofern seine Beiträge selbständige Gedanken enthalten – ungeachtet
des Wertes dieser Gedanken. Außerhalb steht der Journalist, der nicht mit Hirn und Feder, sondern mit Sche-
re und Kleister arbeitet, der Gerichts- oder Parlamentsreporter, der ohne eigenen Kommentar den Verhand-
lungsverlauf berichtet, der Lokalreporter, der kleine Tagesereignisse und Sensationen registriert – es sei denn,
er knüpfe daran gesellschaftskritische Betrachtungen oder gieße sie in echt literäre Form.“333
Auch Max Weber kritisiert in einer viel zitierten Passage in ‚Politik als Beruf‘ die vor einem
Jahrhundert weit verbreitete Ablehnung der journalistischen Leistungen als zu kurz gegriffen:
„Daß eine wirklich gute journalistische Leistung mindestens soviel ‚Geist‘ beansprucht wie irgendeine Gelehr-
tenleistung – vor allem infolge der Notwendigkeit, sofort, auf Kommando, hervorgebracht zu werden und:
sofort wirken zu sollen, bei freilich ganz anderen Bedingungen der Schöpfung, ist nicht jedermann gegenwär-
tig.“334
Derartige Ansprüche sieht Geiger besonders in der Presse zur Zeit des schriftstellerischen
Journalismus der französischen Revolution erfüllt, die ein ‚Organ der Information und Aufklä-
rung‘ gewesen sei, damit beide Aufgaben vereinte und sie noch nicht in ‚Vulgarisierung‘ oder
‚Agitation‘ ad absurdum geführt habe, wie Teile der modernen Presse.335 Legt man diesen
Maßstab an, dann erfüllt sich die Bestimmung des Journalismus erst in der Einheit von vermit-
telnden und produzierenden Tätigkeiten, dann ist ‚angemessene‘ Vermittlung von Kulturleis-
tungen, von Orientierungswissen, nur möglich, wenn Journalisten ihr Handeln als eine eigen-
ständige intellektuelle Tätigkeit anlegen. Auch Groth vermutet einen produzierenden Journalis-
ten dort, „[…] wo nicht bloß stilistische Abfassung, die Formulierung des Inhalts, sondern wo
der Gedankeninhalt, Wesentliches des Gedankeninhalts, von ihm stammt“.336 Journalistisches
Räsonnement, mithin produzierender Journalismus, ist demnach ohne eine angenommene
geistige Eigenständigkeit der Redakteure nicht denkbar.337 Groth konzipiert die produzierende
bzw. im weiteren Sinne schriftstellerische Tätigkeit des Journalisten so, dass sie sowohl vermit-
telnd als auch räsonierend angelegt werden kann.338 Dabei fasst er die Bedeutung des produzie-
renden, schriftstellerischen Journalismus bisweilen sogar so weit, dass eine eigenständige
Abgrenzung eines vermittelnden Typus gar nicht mehr möglich oder sinnvoll scheint, wenn er
zum Beispiel – weitergehend als Geiger – auch die Tätigkeit des sonst oft gering geschätzten
Lokalreporters zum produzierenden Journalismus rechnet.
„Die Schriftsteller sind also die Ausgangspartner, deren Erzeugnisse der Öffentlichkeit durch das Periodikum
vermittelt werden. Zu ihnen gehören der Lokalreporter, der den dürren Bericht über einen Unglücksfall ab-
faßt, ebenso wie der Leitartikler, der seine leidenschaftlichen Anklagen gegen die Regierung schleudert, gehört
der Feuilletonist, der in einer geistreich-subjektiven Betrachtung ein Vorkommnis des täglichen Lebens unter
den Aspekt allgemeinmenschlicher Tragik stellt, ebenso wie der Gelehrte, der in einem sachlich-gründlichen
Aufsatz eine neue wissenschaftliche Erkenntnis vorträgt.“339
In letzter Konsequenz fällt angesichts dieser Überlegungen auf der Handlungsebene jeder
Journalist unter die Kategorie des produzierenden Journalismus, der nicht bloß vorgefertigte
Agenturmeldungen oder Korrespondentenberichte unverändert weiterleitet, sondern der den
Inhalt des Periodikums gestaltet. Damit unterläuft Groth die bis zu seiner Studie in der For-
schung vorwiegend diskutierten Idealtypen und Rollenmuster frontal in einer mit anderen
Unterscheidungen operierenden Konzeption. Aus der Dichotomie von Referat und Räsonne-
ment wird letztlich ein graduelles Kontinuum, in dem die Eigenleistung des journalistischen
Vermittlers im Hinblick auf die Entstehung seines kommunikativen Aktes beschrieben werden
soll. Es muss daher als fraglich erscheinen, ob eine Grenze zwischen produzierendem und
vermittelndem Journalismus auf der Ebene des journalistischen Handelns überhaupt gezogen
werden kann.
Heutzutage ist jedenfalls davon auszugehen, dass – ebenso wie Öffentlichkeit hergestellt werden
muss – auch die Vermittlungsleistung des Journalismus produziert werden muss und dass
insofern eine idealtypische Trennung auf der Ebene journalistischer Handlungsmodi wenig
aussagekräftig ist. In seinen handlungstheoretischen Implikationen, auf der Ebene der Rollen-
Modelle, transzendiert bereits Groths Vermittlungsmodell tendenziell die tradierten Idealtypen
und weist ihnen – fokussiert auf die Frage der schöpferischen (bzw. produzierenden) Anteile
des Journalismus am gesellschaftlichen Zeitgespräch – eine veränderte Bedeutung zu. Sein
Journalismuskonzept verweist implizit auf die Notwendigkeit, bereits den grundlegenden
Handlungsmodus, auf dem aufbauend Journalismus bestimmt werden soll, einheitlich anzule-
gen. Wenn sowohl Referat als auch Räsonnement produziert werden müssen, dann kann die
Unterscheidung zwischen Produktion und Vermittlung auf der individuellen Entscheidungs-
ebene des journalistischen Handelns keinen besonderen Wert mehr beanspruchen. Journalisten
können, das suggerieren Groths Überlegungen, letztlich gar nicht anders, als ‚produzierend‘ auf
die kommunikativen Akte, mit denen sie Vermittlung gewährleisten sollen, einzuwirken.
Anders ist die makrosoziale Unterscheidung journalistischer Aufgaben im gesellschaftlichen
Zeitgespräch zu bewerten. Auf dieser Ebene (bei Groth die Ebene des journalistischen Wer-
kes) ist die Unterscheidung zwischen der Vermittlung fremder Aussagen durch den Journalis-
mus und der Produktion eigener journalistischer Gesprächsbeiträge durchaus von heuristi-
schem Wert. Der einzelne Journalist ist hier in der Lage zwischen der Rolle als Vermittler und
der Rolle als Produzent zu wechseln. Im letzteren Fall wird der Journalist selbst zum Aus-
gangspartner, der zum Beispiel an ein Publikum appelliert oder aber als Sprachrohr eines
Publikums fungiert und seine Stimme nicht nur stellvertretend erhebt, sondern selbstständig
eine Position mitentwickelt.340 In Groths Konzeption wird Journalismus nicht dogmatisch auf
ein Handlungsmuster verhaftet, sondern zunächst mit empirischem Bezug in seinen verschie-
denen Facetten beschrieben, die in einer historischen Rückschau als unterschiedlich ‚wesens-
immanent‘ bewertet werden. Auch wenn heutzutage niemand mehr von Wesensimmanenz
sprechen würde, so bietet das Gerüst der Grothschen Theorie gerade auch in der Trennung
zwischen Funktionen des journalistischen Werks und Optionen des journalistischen Handelns
wertvolle Hinweise auf ein Journalismusverständnis jenseits der verhärteten Fronten der
Idealtypen-Dichotomie.341
Dass auch vermittelnder Journalismus produziert werden muss, dass journalistisches Han-
deln kommunikative Barrieren durchbrechen muss, um gesellschaftliche Gespräche in Gang zu
bringen, und dass es deshalb auch als Vermittlungshandeln auf Eigenleistungen beruht342, steht
340 Vgl. Groth 1960, S. 600. Wagner (1995, S. 221) bekräftigt: „Wer den journalistischen Vermittler auf einen
Nachrichtentransporteur zurückstutzen will, findet dafür bei Groth jedenfalls weder Argumente noch Beifall.“
341 Immerhin lassen sich auch im Münchner Umfeld Groths Weiterentwicklungen seiner Theorie finden, die als
heuristische Instrumente durchaus brauchbar erscheinen. So skizziert Wagner (1977) ein Modell der „Vermitt-
lungsverfassung in der Massenkommunikation“, demzufolge journalistische Vermittlungsleistungen nach den
repräsentierten Sprechern eingeräumten Darstellungsumfängen, nach dem Grad der journalistischen Bearbei-
tung und Reformulierung sowie nach dem Grad, in dem eigene Meinungsäußerungen in die Vermittlung ein-
fließen, zu trennen seien. Journalistische Vermittlungsleistungen begründeten einen „dreifachen Prozeß der
Kommunikationsrationalisierung“, der gleichbedeutend ist mit einer Konzentration der Kommunikation auf
wenige Medien, wenige Sprecher und wenige Inhalte (ebd., S. 176f.). Durch diese Reduktion von Komplexität
bleibe die Überschaubarkeit der gesellschaftlichen Zusammenhänge für den einzelnen gewahrt.
342 Aus der Sicht einer sich gesellschaftskritisch wendenden Publizistikwissenschaft, die auf die Analyse von
Machtverhältnissen in öffentlichen Kommunikationszusammenhängen abzielt, schränkt Pross das Grothsche
Vermittlungs-Modell auf so genannte ‚primäre Medien‘ ein, deren Produktion und Rezeption ohne technische
Hilfsmittel möglich sei, während komplexere ‚sekundäre‘ und ‚tertiäre Medien‘ stattdessen weniger der Vermitt-
lung als vielmehr der ‚Verteilung‘ symbolischer Formen dienten. „‚Vermitteln‘ wird allgemein gebraucht im Sinne
von mitteilen, verbinden; im besonderen Gebrauch steht ‚vermitteln‘ für zweiseitige Mitteilungssysteme, wie sie
im Bereich der primären Medien zu beobachten sind, dem ‚verteilen‘ in sekundären und tertiären Medienberei-
chen gegenüber (Zweiweg- und Einwegkommunikation).“ (Pross 1976, S. 115) Damit sieht Pross (1976, S. 116) so
genannte ‚reine‘ Vermittlung nur im menschlichen ‚Elementarkontakt‘ gegeben, während er die journalistische
Weiterentwicklung als „Verteilung von Vermitteltem“ klassifiziert und Journalismus als einen Beruf bezeichnet,
„der Interpretiertes interpretiert und es so formuliert, daß es den bloß vorgestellten oder statistisch ermittelten
Interpretanten zugänglich wird“. Diese Reformulierung der Grothschen Terminologie richtet sich vorwiegend
gegen die Annahme, dass Journalismus die Beziehungen zwischen gleichberechtigten Partnern strukturiert, und
knonstatiert, dass es eben doch vorwiegend ‚Sender‘ und ‚Empfänger‘ gibt, dass also die Rollen in der öffentli-
chen Kommunikation weitgehend präfiguriert sind (vgl. zu unterschiedlichen Rollen in der Öffentlichkeit aus-
4 Jenseits der Dichotomie: Otto Groths integratives Konzept 157
Groths Ausführungen selbst geben nur wenig Aufschluss darüber, auf welcher Grundlage das
Verständnis von Journalismus als produzierter, mithin als kommunikativer Vermittlung fun-
diert werden kann. Seine konzeptionellen Erwägungen sind daher in erster Linie von heuristi-
schem Wert, müssen aber konzeptionell auf einer im Lichte heutiger Erkenntnis tragfähigen
Basis reformuliert werden. Problematisch ist vor allem der erkenntnistheoretisch ‚naive‘
Realismus Groths, der sich insbesondere in dem Postulat ausdrückt, dass eine Vermittlung aus
den Gegenwelten faktisch ungebrochen möglich ist.344 Dadurch wird der Anschein erweckt,
Journalisten könnten Geschehnisse in den Gegenwelten, ‚so wie sie sind‘, wahrnehmen und
‚widerspiegeln‘. Aufgrund dieser Fehleinschätzung der Möglichkeiten des menschlichen
Erkenntnisapparats und der wissenschaftlichen Diagnostik werden Journalisten normativen
Anforderungen ausgesetzt, deren Erfüllung unmöglich ist.345 Groth räumt erkenntnistheoreti-
sche Probleme ein: Er gesteht Journalisten zu, ‚Wirklichkeit‘ nicht in ihrer Tatsächlichkeit
erkennen zu können, und fordert weniger Wahrheit als Wahrhaftigkeit von ihnen ein:
„Während die sachliche Wahrheit durch das Wesen des Periodikums eine Abschwächung, eine Durchlöche-
rung erfahren kann, verlangt das Wesen des Periodikums eine Verstärkung, eine größere Konsequenz der sitt-
lichen Wahrhaftigkeitshaltung.“346
führlich Peters 1994). Sie nimmt damit allerdings a priori eine vollständig erfolgte Kolonialisierung des reflexi-
ven journalistischen Handelns durch mediale Imperative an, die als problematisch bewertet werden kann.
343 Ein Beispiel ist die Entwicklung des räsonierenden Idealtypus zu einem normativ-individualistischen Rollenver-
ständnis, das sich sich gegenüber den Veränderungen in Redaktionen und Medienbetrieben verschließt.
344 Vgl. z.B. dazu kritisch Haller 1993.
345 Vgl. zu dieser Debatte bereits klassisch die Beiträge in Bentele/Ruoff 1982.
346 Groth 1961a, S. 420
158 III Die Idee der Öffentlichkeit – Historische Grundlagen des Journalismus
Probleme ergeben sich immer dann, wenn das Vermittlungskonzept in seinem Anspruch
überdehnt wird und die grundsätzliche Kontingenz journalistischer (bzw. je nach Standpunkt
auch: menschlicher) Erkenntnis nicht berücksichtigt wird.347 Derartige Versuche verstoßen
gegen den weitgehend erreichten kommunikationswissenschaftlichen Fachkonsens, dass eine
‚objektive‘ und ‚neutrale‘ Vermittlung erkenntnistheoretisch nicht haltbar ist.348 Das Vermitt-
lungskonzept ist angreifbar. Das zeigt Hallers Frage nach „Vermittlung oder Konstruktion von
Wirklichkeit?“349 ebenso deutlich wie Weischenbergs programmatische Forderung:
„Wir müssen uns verabschieden von einem (naiven) journalistischen Vermittlungsbegriff und Produktion
(wie Rezeption) als (autonome) Konstruktion begreifen. Journalisten sind keine Transporteure und sollten
nicht als Begleitpersonal von Containern beurteilt werden.“350
Bei näherer Betrachtung aber relativieren beide Autoren die angerissenen Konflikte schnell
wieder: Haller favorisiert mit guten Gründen ein sozial-konstruktivistisches Modell, das an die
Stelle des naiven objektivistischen Realitätsbegriffs treten soll und das die Bestimmung von
‚Wahrheit‘ und ‚Objektivität‘ an Konsens knüpft.351 Eine solche Perspektive schließt eine naive
abbildrealistische Vermittlungstätigkeit konzeptionell aus und beschreibt präzise die Anforde-
rungen an eine angemessen reflektierte Recherche, deren Ergebnisse dann sehr wohl – und
unter dem Vorbehalt ihrer Widerlegung als nicht zutreffende Konstruktion – vermittelbar sind.
Und auch Weischenberg schränkt ein, dass eine „ausgearbeitete konstruktivistische Medien-
oder gar Journalismustheorie“ nicht in Sicht und u.U. auch gar nicht möglich sei; er meldet
darüber hinaus Zweifel daran an, ob durch die Anwendung der Modelle und Heuristiken des
Radikalen Konstruktivismus überhaupt ein „kommunikationswissenschaftlicher Paradigmen-
wechsel“ eingeleitet worden ist.352
Tatsächlich wäre eine Überwindung des naiven Realismus mit den Mitteln des Radikalen
Konstruktivismus ein Pyrrhus-Sieg. Da der Radikale Konstruktivismus, wie in Kapitel II
diskutiert, die problematische Implikation besitzt, dass sich journalistisches Handeln vollstän-
347 Beispielhaft dafür ist Schönhagens (1998; 1999) historische Studie zur Norm der Unparteilichkeit, in der
anknüpfend an das Grothsche Konzept – wenn auch in der sehr engen Interpretation Wagners (vgl. z.B. 1977;
1995) – skizziert wird, wie sich journalistische Vermittlungsleistungen historisch entwickelt und entfaltet haben.
Dabei verweist Schönhagen einerseits zutreffend auf die schon früh festzustellenden Tendenzen eines ‚neutra-
len‘ und wertungsabstinenten Nachrichtenjournalismus, auf die auch Pressehistoriker aufmerksam machen (vgl.
z.B. Stöber 2000; Weber 1997a; Willke 1984a; Koszyk 1968; 1972b; Lindemann 1969), versucht aber anderer-
seits, das Bild eines unbeteiligt beobachtenden Journalismus festzuzurren. Dort heißt es: „Auch der Journalist
muss sich im Rahmen seiner vermittelnden Tätigkeiten, von der Wirkwelt der Alltagswirklichkeit und seinem
diesbezüglichen Relevanzsystem lösen, um gewissermaßen aus der Vogel-Perspektive das Wirken der Handeln-
den in der gemeinsamen (im Alltagsleben auch von ihm geteilten) kommunikativen Umwelt erfassen zu kön-
nen.“ (Schönhagen 1999, S. 280) Grundlagen für eine solche Interpretation finden sich bei Groth nicht, der
selbst eingeräumt hat, dass eine reine Beobachtung aufgrund der Eingebundenheit des vermeintlichen Beob-
achters nicht möglich ist (vgl. Groth 1960, S. 199f.). Auch Journalismus als Vermitteln kann sich – bei allem
unterstelltem Neutralitätswillen – nicht über die Begrenztheit menschlicher Wahrnehmungsmöglichkeiten hin-
wegsetzen, die reliable Vollständigkeit der Vermittlung von vornherein ausschließt. Unbestreitbar ist die Kon-
zeption Schönhagens daher mit erkenntnistheoretischen Problemen belastet, die zumindest in Teilen bereits im
Vermittlungs-Begriff selbst angelegt sind und dessen Gebrauch zumindest erklärungsbedürftig machen. Glei-
ches gilt für die Überlegungen Schröters (1988) zu einer „Mitteilungs-Adäquanz“.
348 Vgl. Schulz 1989; Schmidt 1993
349 Haller 1993
350 Weischenberg 1993, S. 133
351 Vgl. Haller 1993, S. 141ff.
352 Weischenberg 1993, S. 130f. Auch ein systemtheoretisch argumentierender Autor wie Blöbaum (2001, S. 74)
sieht Journalismus weiterhin als „die aktuelle Vermittlung von Informationen“.
4 Jenseits der Dichotomie: Otto Groths integratives Konzept 159
dig beobachterabhängig und damit gleichzeitig vollständig unabhängig von einer vermeintlich
außerhalb des Beobachters liegenden realen Welt vollzieht353, hat er keine konzeptionelle
Handhabe, einer journalistischen Beliebigkeit entgegen zu wirken. Neuberger, der diesen
Umstand scharf kritisiert, plädiert daher für eine an den kritischen Rationalismus angelehnte
Erkenntnistheorie, die jede Vorfestlegung hinsichtlich der Erkennbarkeit der Welt (‚naiver
Realismus‘) oder der Nicht-Erkennbarkeit der Welt (‚radikaler Konstruktivismus‘) vermeidet,
weder Erkenntnis noch Irrtum ausschließt, sondern statt dessen nur vorläufige und korrigier-
bare Annahmen akzeptiert.354 Die bereits benannten jüngeren konstruktivistischen Ansätze
zeichnen deshalb soziale Referenzpunkte als Korrekturinstanzen aus.355
Einen weiteren möglichen Ausweg weist das rekonstruktive Konzept der kommunikativ
erhobenen Geltungsansprüche eines Sprechaktes, das ebenfalls weit zurückhaltender mit
Vorfestlegungen hinsichtlich des Status‘ der als gegeben unterstellten Welt umgeht und die
Akzeptanz von Wirklichkeitsbehauptungen an ihre Begründbarkeit koppelt. Die rekonstrukti-
ven Ansätze, an denen sich die vorliegende Studie orientiert, versuchen einen Brückenschlag
zwischen realistischen und konstruktivistischen (nicht radikal-konstruktivistischen) Prämissen
auch in der praktischen Absicht, journalistisches Handelns nicht einer normativen Richtschnur
zu berauben. Ein rekonstruktives Modell verfällt nicht zurück in die vereinfachenden Spiege-
lungs-Annahmen, die der ‚Vermittlungstheorie‘ zugrunde liegen, geht aber davon aus, dass es
eine ‚objektive Realität‘ gibt, die zumindest weitgehend unabhängig ist von den individuell
verschiedenen Erkenntnisstrukturen einzelner Subjekte und die deshalb dem Erkennen min-
destens von Fall zu Fall und in Teilen sowie unter dem grundsätzlichen Vorbehalt des Irrtums
und der Korrekturbedürftigkeit zugänglich ist. Dass ein Erkennen der Realität sui generis zur
Gänze nicht möglich ist und dass das Individuum in seinen Erkenntnisversuchen auch Irrtü-
mern unterliegen kann, ist diesem Ansatz zufolge in den subjektiven Erkenntnisleistungen der
Perspektivität, der Selektivität und der Konstruktivität begründet, die sich in allen Wahrneh-
mungsprozessen und Erkenntnisvorgängen – auch in journalistischen – auffinden lassen.356
Berichterstattung ist daher weder eine reine Konstruktion noch ein naives Abbild, sondern
vielmehr „[…] nur durch das Wechselspiel von subjektiven Strukturen der Berichterstattung
und des Berichterstatters einerseits und objektiven Wirklichkeitsstrukturen andererseits be-
schreib- und erklärbar“.357 Journalistische Nachrichten sind deshalb adäquat als ‚Rekonstruktio-
nen von Wirklichkeit‘ aufzufassen, die in eben diesem Wechselspiel entstehen. Ein Teil der zu
rekonstruierenden Wirklichkeit ist dabei bereits sozial und teilweise medial konstruiert.
„Medienwirklichkeit ist (in ihrem Informationsteil) Rekonstruktion anderer Wirklichkeiten, Rekonstruktion rea-
ler Ereignisse für die Leser, Hörer und Zuschauer. Dies ist nicht nur eine Beschreibung einer Medienfunk-
tion, dies muss gleichzeitig normative Vorgabe und Zielsetzung für die Medien sein, ohne die die Abweichung von
den Realitäten vermutlich größer wäre.“358
353 Vgl. beispielhaft für diese konstruktivistische Sicht Schmidt 1993, S. 116: „Medienberichterstattung ist nicht
deshalb ein Konstrukt, weil sie perspektivisch, selektiv und komplexitätsreduzierend sein muß; sondern sie ist
ein Konstrukt, weil sie – ganz abgesehen von journalistischen Aufrichtigkeitsintentionen – als Bericht ein Wirk-
lichkeitsangebot präsentiert, bei dem nicht die Perspektive vom Gegenstand abgezogen werden kann.“
354 Vgl. Neuberger 1996, S. 137ff.
355 Vgl. Pörksen 2006
356 Vgl. Bentele 1993
357 Ebd., S. 167
358 Ebd., S. 171. Donsbach (1990, S. 27) wiederum plädiert für ein methodisches Verständnis von Objektivität,
wenn er auf Basis eines „Regelwerks von Techniken“ eine „möglichst große Intersubjektivität der Realitätsbe-
schreibungen“ gewährleistet sehen will.
160 III Die Idee der Öffentlichkeit – Historische Grundlagen des Journalismus
Aus dieser Perspektive heraus ist es dem Journalismus also durchaus möglich, vermittelnde
Aufgaben im gesellschaftlichen Diskurs zu erbringen. Genauso aber wird deutlich, dass diese
Vermittlung nicht folgenlos für das zu Vermittelnde sein kann, sondern durch Perspektivität,
Selektivität und Konstruktivität zu Veränderungen führt. In diesen drei Komponenten lassen
sich Eigenleistungen des vermittelnden Journalismus finden.359 Vor allem hinsichtlich des
Umgangs mit dem Material spricht Groth die aus rekonstruktiver Perspektive genannten
Erkenntnisleistungen des Subjekts implizit und teilweise explizit (Selektivität) an. Eine Neuin-
terpretation des Grothschen Vermittlungskonzepts aus rekonstruktivistischem Blickwinkel ist
angesichts solcher Anschlussstellen durchaus möglich. Es wird Aufgabe des zu entfaltenden
Konzepts journalistischen Handelns sein müssen, sich auch dieser Frage des epistemologi-
schen Status‘ der Vermittlung zuzuwenden. Aus der Sicht einer ‚Theorie des kommunikativen
Handelns‘ werden dabei die Konsenstheorie der Wahrheit und die an sie anknüpfende Dis-
kurstheorie ausschlaggebende Referenzpunkte sein, anhand derer der erkenntnistheoretische
Status kommunikativer Vermittlung kommunikationstheoretisch näher bestimmt werden kann.
359 Groth (1960, S. 571f.) benennt Materialbeschaffung, Materialbearbeitung und Publikumspflege als die drei
journalistischen Aufgabenkreise und verweist damit ebenfalls auf die Probleme der Wahrnehmung von ‚Wirk-
lichkeit‘, der Auswahl und Bearbeitung sowie der Perspektivierung auf das Publikum, die in aktuellen Entwür-
fen debattiert werden.
360 Den Begriff „Diskurs-Anwalt“ hat Burkart (1998b) für ein journalistisches Rollenmodell auf Basis einer
Zusammenführung von Zeitungswissenschaft und ‚Theorie des kommunikativen Handelns‘ vorgeschlagen.
5 Zwischenfazit: Journalisten als Diskursanwälte 161
Kommunikation weiterentwickelt werden. Angestrebt wird die Grundlegung eines Konzepts des
Journalisten als Diskursanwalt, das Vermittlung und Räsonnement, Neutralität und Parteinahme
zusammenbringen soll. Hier liegt das Potenzial, die beschriebenen Dichotomien zu überwin-
den und einen Maßstab der Kritik auszuweisen, der die legitimistischen Einwände gegen einen
sich politisch und sozial engagierenden Journalismus entkräftet.
Dass eine solche Reformulierung nicht auf der Grundlage des Grothschen Konzepts selbst
möglich ist, zeigen die Schwierigkeiten, in die Glotz und Langenbucher bei dem Versuch
geraten, Groths Modell zum Ausgangspunkt eines emanzipativen Journalismusverständnisses
zu machen und an die Verfasstheit des Mediensystems der Bundesrepublik anzupassen.361 Im
Visier ihrer Kritik haben sie vor allen Dingen eine Meinungspublizistik, die aus vielerlei Grün-
den – genannt werden „pseudodemokratische, bürgerlich-liberal-elitäre, anti-aufklärerische
Elemente“362 – nicht die öffentliche Gesprächspflege als Aufgabe wählt, sondern stattdessen
anscheinend vorwiegend bis ausschließlich erzieherisch tätig sein will und dadurch bevormun-
dend wirkt. Ausdrücklich stellen die Autoren ihre Kritik unter ein emanzipatorisches Pro-
gramm, ihr Ziel ist die Demokratisierung öffentlicher Kommunikation.363 Sie betonen die
journalistische Aufgabe, die vielen unterschiedlichen Stimmen innerhalb der Gesellschaft
öffentlich zu Gehör zu bringen. Der eigenständig geführte öffentliche und kritische Diskurs
des Journalismus gegenüber der politischen Führung habe dagegen zurückzustehen.
„Die ‚öffentliche Aufgabe‘ des Journalisten – wenn man diesen ominösen Begriff schon verwenden will – be-
steht nicht in der öffentlichen Kundgabe seiner privaten ‚Gesinnung‘, sondern sie liegt in der Betreuung, För-
derung und Beförderung gesellschaftlicher Zeit-Kommunikation. In der demokratischen Gesellschaft werden
Regierung und Verwaltung nicht von einer zufällig zusammengesetzten Gruppe von Privatleuten – den Jour-
nalisten – ‚kontrolliert‘, vielmehr kontrolliert die gesamte organisierte und nichtorganisierte Gesellschaft in ei-
nem offenen Meinungsbildungsprozeß. Diesen Prozeß hat der Journalist anwaltschaftlich zu betreuen. Er soll
diese Diskussion fördern, kann selbst als gleichberechtigter Gesprächspartner mitsprechen, verfehlt aber sei-
ne ‚öffentliche Aufgabe‘, wenn er gemäß seiner Gesinnung das Gespräch zu reglementieren beginnt.“364
363 Vgl. ebd., S. 13: „Anpassung – das ist auch Einstellung auf den Leser, Eingehen auf seine Probleme, Berück-
sichtigung seiner Bedürfnisse als ein Moment journalistischer Arbeit. Gerade wer die bestehenden Verhältnisse
verändern will, muß diese Anpassung leisten, um überhaupt gehört zu werden.“ Die Abgrenzung zwischen der
gesellschaftlich sinnvollen Anforderung an journalistische Vermittlung, umfassend und rezipientenfreundlich
zu berichten einerseits, und der Gefahr, sich dem Lesergeschmack allzu schnell und vorauseilend ‚anzupassen‘
andererseits, ist augenscheinlich schwierig – und die Gratwanderung gelingt nicht immer. Zunächst aber ist die
Streitschrift ein Plädoyer für einen Journalismus, der seinen Rezipienten in Augenhöhe begegnet.
364 Ebd., S. 41f.
365 Ebd., S. 34
366 Gegen diese Tendenz wendet sich zu Recht auch Pätzold (1975, S. 52ff.), der darüber hinaus darauf hinweist,
dass die Autoren vor allem die interessengebundene Struktur des massenmedialen Systems vernachlässigten, die
erheblichen Einfluss auf Art und Möglichkeit journalistischer Vermittlung habe. Pätzold setzt sich ausführlich
und kritisch mit den impliziten und expliziten Idealisierungen der Autoren auseinander und kritisiert deren Fo-
kus auf Fragen der journalistischen Legitimation ebenso wie die individualethische Überlastung des einzelnen
Journalisten in dieser Kritik. Auch wenn man seiner materialistisch motivierten Kritik der Kommunikations-
verhältnisse nicht bis in alle Einzelheiten folgen mag, so ist doch der Hinweis darauf richtig, dass mediale
Strukturen von ökonomischen Interessen geprägt sind und dass Journalisten als kommunikativ kompetente Ak-
teure nicht frei von politischen und sozialen Meinungen sein sollten, da sie auch in ihrem Beruf als rationale
und mündige Bürger handeln. Anstatt eine ‚Kritik der deutschen Presse‘ vorzulegen, formulieren sie eine Kritik
der in der Presse tätigen Journalisten, die Pätzold (1975, S. 56f.) polemisch aufspießt: „Im Grunde müßte der
Journalist auch ein vom Staat eingesetzter Funktionär sein können, gewissermaßen ein Kommunikationsbeam-
ter, nur dem Recht und den Verordnungen verantwortlich, nach denen er angestellt wird.“
5 Zwischenfazit: Journalisten als Diskursanwälte 163
gelten. Ganz offensichtlich führen diese Dichotomien selbst Autoren, die explizit von einem
emanzipatorischen Programm ausgehen wie Glotz und Langenbucher, dazu, sich legitimisti-
scher Grundprämissen bedienen zu müssen, um den Journalismus auf ein nur vermeintlich
rezipientenfreundliches Vermittlungshandeln zurückzubinden. Anstatt die ambivalente Stellung
des Journalisten zwischen Professionalität und Alltagskommunikation zu thematisieren, wird
das journalistische Handlungsspektrum ohne erkennbaren Begründungsaufwand auf Vermitt-
lung verkürzt. Hätten die Autoren Groths Erwägungen einer Ambivalenz von Vermittlung und
Produktion im journalistischen Handeln weiter verfolgt und diese von seinen Vermittlungsan-
nahmen auf der Ebene des journalistischen Werkes differenziert, hätte es ihnen unter Umstän-
den gelingen können, die anschlussfähige Figur einer formalen anwaltschaftlichen Rolle des
Journalismus konzeptionell in den Griff zu bekommen und nicht in der Sackgasse der Idealty-
pen-Dichotomien zu landen. Groths Konzeption legt nämlich auch ein Journalismus-
Verständnis nahe, das Journalisten auf die Verteidigung prozeduraler Mechanismen des gesell-
schaftlichen Zeitgesprächs verpflichtet.
Der Versuch der Begründung einer journalistischen Rolle als Diskursanwalt bedarf somit
einer handlungs- und kommunikationstheoretischen Fundierung. Diese soll im Anschluss an
die bereits eingeführten öffentlichkeitstheoretischen Erwägungen von Habermas in der ‚Theo-
rie des kommunikativen Handelns‘ gesucht werden.367 Mit einer kritischen und rekonstruktiven
Gesellschaftstheorie geht ein Verständnis der öffentlichen Aufgabe des Journalismus als der
Herstellung von Öffentlichkeit einher, durch die Staatsbürgern alle Themen und Sachverhalte
zugänglich sind, die der gesellschaftlichen Bearbeitung bedürfen. In diesem Sinne ist die
journalistische Aufgabe auch als eine vermittelnde zu verstehen. Allerdings kann sie sich nicht
darin erschöpfen, weil sie vom Journalismus eigene Aktivität sowohl hinsichtlich der Beschaf-
fung von Informationen als auch ihrer einordnenden Bewertung verlangt. Habermas formuliert
ein mit diesen Einsichten kompatibles anwaltschaftliches Verständnis des Journalismus, indem
er aus den journalistischen Berufskodizes, dem berufsethischen Selbstverständnis sowie
medienrechtlichen Vorgaben eine regulative Idee deduziert, die er zwar explizit an die ‚Mas-
senmedien‘ (in einem nicht weiter spezifizierten Sinne368) anlegt, die sich aber letztlich auf
journalistisches Handeln bezieht. Die ‚Massenmedien‘, so heißt es dort,
„[…] sollen sich als Mandatar eines aufgeklärten Publikums verstehen, dessen Lernbereitschaft und Kritikfähigkeit
sie zugleich voraussetzen, beanspruchen und bestärken; sie sollen, ähnlich wie die Justiz, ihre Unabhängigkeit
von politischen und gesellschaftlichen Aktoren bewahren; sie sollen unparteilich die Anliegen und Anregun-
gen des Publikums annehmen und den politischen Prozeß im Lichte dieser Themen und Beiträge einem Legi-
timationszwang und verstärkter Kritik aussetzen“.369
Ebenso wie Glotz und Langenbucher bezieht sich Habermas damit auf das Publikum und die
Handlungsfähigkeit des Publikums in der Demokratie als relevante Referenzgrößen, allerdings
unterscheidet sich sein Postulat dadurch, dass es die vom Idealtypus Referat (Vermittlung)
ausgehend geforderte Neutralität des Journalismus (‚unparteilich‘) mit der Idee der Kritik von
Beiträgen im gesellschaftlichen Gespräch verbindet und beide als gleichrangige Aufgaben
367 Vgl. auch Burkart (1998b), der ebenfalls vorschlägt, das von Glotz und Langenbucher konturierte Konzept des
‚Gesprächsanwalts‘ durch Verbindung mit den öffentlichkeitstheoretischen Überlegungen von Habermas zu ei-
nem auch normativ begründeten Rollenverständnis des Journalisten als „‚Diskurs-Anwalt‘ der Gesellschaft“
weiter zu entwickeln, es in seiner Skizze dann aber bei knappen Anmerkungen belässt.
368 Habermas bezieht den Begriff allgemein auf den massenkommunikativen Gesamtrahmen. Insofern lassen sich
die Anmerkungen auf journalistisches Handeln und mediales System hin präzisieren.
369 Habermas 1992, S. 457 [Hervorhebung von mir, -cb-]
164 III Die Idee der Öffentlichkeit – Historische Grundlagen des Journalismus
journalistischen Handelns betrachtet.370 Mit der Theorie von Habermas wird es möglich, die
Intuition des Grothschen Vermittlungskonzeptes neu zu füllen. Die Positionierung des Journa-
listen als Anwalt der Regeln des öffentlichen Diskurses in modernen Gesellschaften kann so zu einem
eigenständigen Konzept eines diskursiven Journalismus weiterentwickelt werden. Zusammenge-
nommen versprechen Groths Vermittlungskonzept und die ‚Theorie des kommunikativen
Handelns‘ ein belastbares Fundament für eine verständigungsorientierte Theorie des Journa-
lismus zu bilden.371 Im umgreifenden Rahmen einer Theorie kommunikativen Handelns
können die handlungspraktischen Überlegungen von Groth oder Glotz und Langenbucher neu
interpretiert und für die Journalismustheorie anschlussfähig gemacht werden, indem die
journalistische Gewährleistung eines kommunikativen Austausches zwischen gesellschaftlich
repräsentativen Gesprächspartnern vor Publikum konzeptionell als argumentative Diskurs-
vermittlung gefasst wird.372 So wird verhindert, dass journalistische Kritik doch nur wieder
entlang der alten Konfliktlinien als „ein Zusatz, eine Art interpretatorische Ornamentik der
Artikulation und Information“373 verstanden wird. Das Ziel einer Konzeption des diskursiven
Journalismus ist es, die journalistische Aufgabe des Räsonnements und der Kritik immanent in
die Vermittlungsprozesse hineinzutragen, welche wiederum Teile einer räsonierenden Gesamt-
struktur von Öffentlichkeit sind.
„Diskursiver Journalismus verweist somit auf ein journalistisches Rollenverständnis für entwickelte Demokra-
tien: Neben der Kompensation des (unumgänglichen) Mangels an direkt-kommunikativen Kontakten etwa
zwischen Staatsbürgern und (entscheidungsmächtigen) Volksvertretern kommt den einzelnen Journalisten
auch die Aufgabe zu, eben diesen kommunikativen Kontakten – die sie gleichsam stellvertretend für ihre Le-
ser/Hörer/Seher eingehen – mit einer reflexiven Einstellung zu begegnen und allfällige Zweifel an kommuni-
kativen Geltungsansprüchen öffentlich zu thematisieren.“374
370 Allerdings bleiben diese Ansätze bei Habermas – abgesehen von wenigen Ausnahmen – weitgehend implizit.
Habermas nimmt in seinem Werk durchweg das journalistische Handeln nicht weiter systematisch in den Blick,
sondern konzentriert sich auf die demokratiekonstitutive Aufgabe von Öffentlichkeit.
371 Vgl. Burkart 1998b, S. 169. Auch Lorenz (2002, S. 129) stellt – wenn auch ohne Diskussion – eine Verbindung
zwischen Habermas‘ Öffentlichkeitstheorie und dem Journalisten als Gesprächsanwalt her.
372 Dazu wären dann auch diskurstheoretische Erörterungen medienethischer Konzepte heranzuziehen. (vgl. dazu
vorläufig Loretan 1999; 2002 sowie auch Brosda 2000a).
373 Pätzold 1975, S. 55
374 Burkart 1998b, S. 170
5 Zwischenfazit: Journalisten als Diskursanwälte 165
noch als Fragen der ‚Wahrheit‘ von Weltwahrnehmung und der ‚Wahrhaftigkeit‘ subjektiver
Expressionen – den kritischen Verfahren diskursiver Überprüfung standhalten müssen.
Journalismus prüft also zunächst gar nicht die ‚Wahrheit‘ der Realitätsunterstellungen der
Kommunikationspartner, sondern vermittelt sie untereinander. Dabei kommt zwangsläufig ein
eigenständiges, aus der Sprachtheorie heraus zu begründendes Kritikpotenzial ins Spiel –
zwangsläufig, weil ein Verstehen kommunikativer Akte voraussetzt, dass der Verstehende zu
den erhobenen Geltungsansprüchen Stellung bezieht und sie folgerichtig mindestens implizit
einer diskursiven Prüfung unterzieht. Diesem Umstand kann sich auch ein vermeintlich noch
so neutral vermittelnder journalistischer Akteur im gesellschaftlichen Gespräch nicht entzie-
hen. Kuhlmann spricht in diesem Zusammenhang von einer Erweiterung des demokratischen
Repräsentationsgedankens auf ein Verständnis einer „diskursiven Repräsentanz“, in der sich
journalistisch Handelnde gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern befänden.375
Doch die Implikationen eines journalistischen Ethos, das die eigene Rolle als die eines Dis-
kursanwaltes beschreibt, reichen darüber noch weit hinaus. Sie betreffen auch die Stellung des
Journalisten zur Lebenswelt der Gesellschaft und damit zu den individuellen, kulturellen und
sozialen Reproduktionsbedingungen, soweit sie sich auf interaktionistisch und symbolisch
strukturierte Bereiche von Gesellschaft beziehen. Ein qualitativ zufriedenstellender Vermitt-
lungsprozess ist ohne die Etablierung entsprechender kommunikativer Beziehungen nicht
denkbar, da sich die „Qualität eines Vermittlungs-Prozesses“ letztlich am erfolgreichen Aufbau
kommunikativer Beziehungen zwischen Journalismus und Publikum bemessen lässt.376
Über die Qualitätsmaßstäbe und die Qualität des Journalismus kann nur Journalismus
selbst entscheiden. Er hat die Autonomie, über seine professionellen Handlungsprogramme
zur Gewährleistung dieser Qualitätsziele zu verfügen.377 Mit dieser Autonomie sind unweiger-
lich Prozesse der Selbstvergewisserung des Journalismus verknüpft, die ein Maß an Reflexivität
voraussetzen, das in den bislang skizzierten handlungstheoretischen Modellen kaum zu finden
ist, das aber in einem Modell eines diskursiven Journalismus grundlegend verankert sein muss.
Auf diesem Wege erscheint es möglich, eine journalistische „Selbstregulation“378 nicht nur
systemtheoretisch, sondern auch handlungstheoretisch und damit in Ethik übersetzbar fundie-
ren zu können. Im Folgenden soll daher auch der begründeten Vermutung nachgegangen
werden, dass die für diese Selbstregulation notwendige Autonomie im Falle des Journalismus
nicht in dessen systemischer Differenzierung, sondern im Gegenteil in der diskursiven Kom-
munikativität des Handelns journalistischer Akteure begründet liegt.
Wie Langenbucher betont, hat Journalismus „[…] zu tun mit Demokratie, mit Humanität,
mit Pazifismus, und nicht zuletzt: er ist ein Teil des – bis heute – unvollendeten Projektes der
Aufklärung“.379 Und auch Pöttker verweist auf die Verankerung des Journalismus in dieser
intellektuellen Tradition, die sich vor allem in entsprechenden ethischen Postulaten ausdrückt:
„Journalisten sollen ihr Publikum an den Problemen der Zeit teilhaben lassen, die Leser und Hörer helle ma-
chen und Anwälte des offenen Gesprächs zwischen Gruppen und Milieus sein, auf dass die Gesellschaft bes-
ser zusammenhalte. Wenn es um die Aufgaben des Berufs geht […] fallen häufig die Stichwörter Öffentlichkeit,
Aufklärung und Integration.“380
381 Vgl. auch Pöttker 1998b. Hier wird die Relevanz der Verbindung zwischen Aufklärung und Journalismus
hinsichtlich der Formulierung eines journalistischen Ethos am Beispiel des Wirkens von Daniel Defoe themati-
siert. Systematisch auf Gegenwartsgesellschaften gemünzt finden sich ähnliche Gedanken in Pöttker 1996.
382 Vgl. Bentele 1997, S. 23f. Diese Unterscheidung ist grob, wie der Autor selbst einräumt, verdeutlicht aber
idealtypisch die mögliche Differenzierung zwischen den beiden Handlungsmodi. Siehe dazu auch die konzepti-
onelle Begründung auf Basis der Universalpragmatik in Abschnitt IV.2.2.2 der vorliegenden Arbeit.
383 Röttger 2005b, S. 369. Die kommunikationswissenschaftliche Diskussion über Public Relations oder Propagan-
da kann an dieser Stelle nicht vertieft werden. Vgl. zu PR grundlegend den Überblick in Röttger 2000 und zu
Propaganda die Studie von Bussemer 2005.
384 Vgl. für ein Beispiel diskursiver PR Burkart/Probst 1991.
385 Vgl. Habermas 1995 [1981] (2 Bde.); 1995a [1984]
IV Aspekte der kommunikativen Rationalität
des Journalismus
In diesem Kapitel soll das bislang historisch eingeführte integrative Journalismusverständnis systematisch weiter
entfaltet werden. Die Modellierung eines journalistisch kommunikativen Handlungsmodus knüpft an die
‚Theorie des kommunikativen Handelns‘ an, die im Kern eine grundlegende konzeptionelle Weiterentwicklung
und mikrosoziologische Fundierung der Überlegungen zum Räsonnement in der bürgerlichen Öffentlichkeit
darstellt. Es wird dazu keine umfassende Auseinandersetzung mit der Habermasschen Theorie angestrebt,
sondern ihre selektive Adaption. Sie bietet Anschlussstellen für öffentlichkeits- und journalismustheoretische
Überlegungen. Journalistisches Handeln, so die zu begründende Grundthese, ist kommunikatives Handeln in
der Lebenswelt (1).
Kommunikativ basierter Journalismus beruht auf einer in die Grundstrukturen von Sprache eingelassenen
Rationalität. In den Dimensionen Arbeit und Interaktion, Orientierung durch reflexive Vermittlung, Ver-
ständigungsorientierung sowie Teilhabe und kommunikative Kompetenz lassen sich unhintergehbare Annahmen
sprachlicher Interaktion darstellen, die auch im journalistisch vermittelten gesellschaftlichen Zeitgespräch nicht
vollends suspendiert werden können. In Auseinandersetzung mit bereits formulierten kommunikativen Journa-
lismusmodellen und mit den Annahmen der ‚Theorie des kommunikativen Handelns‘ selbst, sollen die daran
anschließenden aufklärerisch-emanzipatorischen Züge journalistischen Handelns näher konturiert werden (2).
Über die immanente Verknüpfung kommunikativen Handelns mit der Reproduktion der kulturellen, so-
zialen und individuellen Ressourcen der Lebenswelt ist es zudem möglich, makrosoziale Leistungen journalisti-
schen Handelns zu beschreiben. Als kommunikatives Handeln beruht Journalismus wie jede andere Kommu-
nikation auf den zur Gänze unbewussten und ungewussten Ressourcen der Lebenswelt, trägt aber durch seine
Kommunikationsleistungen auch zur Reproduktion und Rationalisierung dieser Ressourcen bei, die in den
gesellschaftlichen Diskursen der Moderne sukzessive von der Legitimation über Tradition auf rationale
Begründung umgestellt werden. Diese journalistischen Beiträge zur ‚Aufklärung‘ von Gesellschaft lassen sich vor
dem Hintergrund des Lebenswelt-Konzeptes zumindest ansatzweise skizzieren. Hilfreich ist dabei auch die
Hinzunahme von Analysen der Cultural Studies, die Journalismus ebenfalls unter dem Gesichtspunkt der
Reproduktion sozialer und vor allem kultureller Ressourcen betrachten (3).
Resümierend werden die Charakteristika eines lebensweltlich orientierten kommunikativen Journalismus‘
zusammengefasst. Das hier zu entfaltende Verständnis bezieht sich auf mikrosozialer Ebene auf das journalis-
tische Handeln selbst und auf der makrosozialen Ebene auf dessen Leistungen für die Reproduktion der
Lebenswelt (4)
Für den gesamten Verlauf dieses Analyseschrittes gilt, dass im Zuge der notwendigen Abstraktion zu-
nächst ein nur einseitiges handlungstheoretisches Konzept des Journalismus gezeichnet wird. Journalismus als
Handlungstypus wird dabei in seinen Potenzialen dargestellt, ohne seine Rahmenbedingungen und Umsetzungs-
chancen zu thematisieren. Dieser Schritt wird im anschließenden Kapitel V vollzogen, in dem es um soziale
Strukturierungs- und Systembildungsprozesse insbesondere in Form einer allgemein zu beobachtenden Ökono-
misierung der Massenmedien gehen wird.
168 IV Aspekte der kommunikativen Rationalität des Journalismus
1 Diese wird von der normativen Publizistik und einigen Medienethikern (vgl. Boventer 1984a; 1984b) vertreten.
2 Dies legt z.B. Spinner (1985; 1988) in seinem Modell des Journalisten als Agenten der Gelegenheitsvernunft
zugrunde; vgl. auch grundlegend aus ökonomischer Sicht: Heinrich 2002.
3 Eine solche rational einseitig verkürzte Journalismus-Konzeption haben Fengler und Ruß-Mohl (2003; 2005a)
vorgelegt, indem sie den journalistischen Akteur strikt mit dem Instrumentarium der Ökonomik beschreiben
und so ausschließlich zweckrationale Kosten-Nutzen-Kriterien als rationalen Handlungsrahmen zulassen.
4 Gottschlich 1999d, S. 314; vgl. auch Gottschlich 1980; Fabris 1979; Burkart 1998a.
1 Grundlagen eines kommunikativen Journalismus 169
„Kommunikation liegt […] erst dann vor, wenn (mindestens zwei) Individuen ihre kommunikativen Hand-
lungen nicht nur wechselseitig aufeinander richten, sondern darüber hinaus auch die […] allgemeine Intention
ihrer Handlungen (= Bedeutungsinhalte miteinander teilen wollen) verwirklichen können und damit das kon-
stante Ziel (= Verständigung) jeder kommunikativen Aktivität erreichen.“5
Kommunikation kann demnach nicht einseitig verlaufen, sondern bedarf der reziproken
Bedeutungsvermittlung im Austauschprozess der Interaktionspartner. Eine kommunikative
Beziehung wird durch Symbole konstituiert, durch die Interaktionspartner Bedeutungen
miteinander teilen.6 Die entscheidende Symbolstruktur, durch die zwischenmenschliche
Verständigung möglich wird, ist Sprache.7 Im Rahmen journalistischer Kommunikation
werden derartige Postulate in Massenkommunikation8 übersetzt. Dieser Prozess ist bei Groth
bereits als gesellschaftliches Zeitgespräch beschrieben worden, in dem Journalismus als ‚Medi-
um‘ in einem Kommunikationsprozess zwischen gesellschaftlichen Ausgangs- und Zielpart-
nern eingesetzt wird. Gleichermaßen aber sind Journalisten eben nicht nur ‚Medium‘, sondern
werden im Vermittlungsprozess selbst kommunikativ tätig, indem sie die sprachliche Manifes-
tation des kommunikativen Inhalts bearbeiten und verändern.9 Journalistische Kommunikation
ist demnach in ihrer sprachlichen und kommunikationsrationalen Struktur ein grundlegend –
wenngleich spezifisch eingeschränkt – kommunikatives Geschehen.
Massenkommunikation kommt als Substitut ehemals zwischenmenschlich gewährleisteter
Koordination in den Blick; sie stellt Teile der sozialen Beziehungen wieder her, die in ausdiffe-
renzierten Gesellschaften zerrissen sind. Sie wird dort entfaltet, wo technisch unvermittelte
interpersonale Interaktion nicht möglich ist.10 Koordinationsleistungen kann medial vermittelte
Massenkommunikation nur vollbringen, wenn die sie bedingenden medialen Strukturen
5 Burkart 1998a, S. 32. Andere, konkurrierende Kommunikationsmetaphern beschreibt Krippendorf (1994), der
das Konzept der ‚Verständigung‘ in der Kommunikation aus konstruktivistischer Sicht kritisiert.
6 Das ist ein Grundgedanke des Symbolischen Interaktionismus (vgl. Mead 1973 [1934]).
7 Modellhaft abstrahiert, so Burkart (1998a, S. 60), setzt sich ein Kommunikationsprozess aus vier Komponenten
zusammen:
• Ein Kommunikator will etwas mitteilen
• Ein Rezipient wird vom Kommunikator angesprochen.
• Eine Aussage oder Botschaft im Sinne eines mitzuteilenden Bedeutungsinhaltes ist Gegenstand des Kom-
munikationsprozesses.
• Ein Medium transportiert die Aussage.
In zwischenmenschlicher Kommunikation übernimmt der Kommunikator einen aktiven Part, bleibt aber
gleichermaßen auf den Rezipienten als Partner angewiesen. Erst wenn dieser auch rezipieren will, kann Kom-
munikation zustande kommen. In systemtheoretischer Überspitzung spricht Luhmann (1981b) davon, dass
Kommunikation unwahrscheinlich sei, weil weder Verstehen, noch Erreichen des Empfängers, noch Erfolg
gemäß der Intention des Kommunikators gewährleistet seien. Diese Unwahrscheinlichkeit, so Luhmann, gelte
in besonderem Maße auch für journalistische Massenmedien, wenngleich diese so operierten, als wären die
Probleme der Kommunikation bereits gelöst. Luhmann fragt damit nach dem Erfolg von Kommunikation –
eine Perspektive, die dem Sprache innewohnenden Potenzial nicht ausreichend gerecht wird, da dieses nicht in
strategischen Dimensionen alleine zu fassen ist.
8 Hier zunächst deskriptiv verstanden als jener Prozess, „[…] bei dem Aussagen öffentlich (d.h. ohne begrenzte
oder personell definierte Empfängerschaft), indirekt (d.h. bei räumlicher oder zeitlicher oder raum-zeitlicher
Distanz zwischen den Kommunikationspartnern) und einseitig (d.h. ohne Rollenwechsel zwischen Aussagen-
dem und Aufnehmendem), durch technische Verbreitungsmittel (sog. ‚Massenmedien‘) an ein disperses Publi-
kum […] vermittelt werden“ (Burkart 1998a, S. 168). Ob ein Rollenwechsel wirklich so kategorisch ausge-
schlossen werden kann, ist mit guten Gründen anzuzweifeln.
9 Darauf verweisen auch die semantischen Grundpostulate der Nichtidentität (das Wort ist nicht die Sache, die es
bezeichnet) und der Unvollständigkeit (das Wort repräsentiert die Sache nicht zur Gänze). (vgl. Burkart 1998a,
S. 92) Sprache kann Realität nicht eins zu eins reflektieren, sondern immer nur rekonstruieren.
10 Fabris (1979, S. 156f.) spricht von Massenkommunikation als „Kommunikationsersatz“.
170 IV Aspekte der kommunikativen Rationalität des Journalismus
kommunikative Öffentlichkeit nicht behindern. Fragen der Verfügung über öffentliche Kom-
munikationsmittel, des (privilegierten) beruflichen oder nicht-beruflichen Zugangs zur Öffent-
lichkeit sowie der Teilhabe ermöglichenden Mechanismen journalistischen Arbeitens sind
ausgehend von diesem Postulat zu bewerten, das journalistisches Handeln darauf verpflichtet,
Möglichkeiten öffentlicher Verständigung zu gewährleisten.
Ein Konzept kommunikativen Handelns ermöglicht eine differenzierte Beschreibung der
Vernunft jener Verständigungsprozesse, in die Individuen eingebunden sind und innerhalb
derer Journalismus zumindest dann eine wichtige Rolle spielt, wenn solche Prozesse in einer
komplexer strukturierten Gesellschaft ‚öffentlich‘ statt finden. Auf seinem Fundament lassen
sich Hinweise darauf formulieren, wie Journalismus auch verstanden werden kann – jenseits
von normativem Idealismus und systemischem Funktionalismus als ein Handlungsmodus, der
gesellschaftliche Verständigung immanent zum Ziel hat und auf Vernunft orientiert ist. Aus dieser
Perspektive steht „Aufklärung durch Vernunft“ im Zentrum; kommunikative Auseinanderset-
zung und Dialog ermöglichen „Sinnorientierung, historische Vergewisserung, Prüfung alterna-
tiver Herangehensweisen sowie die Suche nach Verstehen und Verständigung“.11
Diese Verständigung in komplexen gesellschaftlichen Verhältnissen auch über räumliche,
zeitliche und systemische Grenzen hinweg öffentlich zu ermöglichen, ist eine zentrale Aufgabe
des kommunikativen Handelns eines journalistischen Diskursanwaltes. Grundlegend fundiert
werden kann sie in der Annahme von Habermas, „[…] daß in sprachliche Kommunikation ein
Telos von gegenseitiger Verständigung eingebaut ist“12, durch dessen (kontrafaktisches)
Wirken kommunikative Interaktion eine eigenständige Rationalität entfaltet. Verständigung
wird dabei als „Prozeß der Herbeiführung eines Einverständnisses auf der vorausgesetzten
Basis gemeinsam anerkannter Geltungsansprüche“ interpretiert.13 Kommunikatives Handeln
bezeichnet den Handlungsmodus, durch den Akteure verständigungsorientiert handeln kön-
nen.14 Dabei wird im kommunikativen Handlungsmodell die Handlung explizit nicht mit
‚Kommunikation‘ gleichgesetzt15, sondern das kommunikative Handeln dient vorwiegend der
Koordinierung der Handlungen teilnehmender Akteure, die jeweils bestimmte Ziele verfolgen. Im
kommunikativen Handlungsmodus abstrahieren sie von ihren individuellen Zielen zugunsten
einer Perspektive weitgehend voraussetzungsloser Verständigungsorientierung; ihr Handeln ist
gerichtet auf Verstehen und Verständigung, auf die Reproduktion sozialer Bindungskräfte
durch gemeinsamen Sprachgebrauch.
Das Potenzial der Verständigung ist in der Grundstruktur der menschlichen Sprache selbst
verankert, die darauf angelegt ist, dass Menschen, wenn sie miteinander reden, nicht nur
propositionale Sachverhalte austauschen, sondern zugleich immer auch performativ zu einan-
11 Haas 1999, S. 52
12 Habermas 1985a, S. 171; ähnlich bereits Habermas 1995 [1981], Bd. 1, S. 387.
13 Habermas 1995b [1984], S. 355
14 Habermas hat in seiner soziologischen und philosophischen Konzeption dieses Handlungstypus eine der
„elaboriertesten Theorien über das Zustandekommen verständigungsorientierter Kommunikation“ formuliert
(Burkart/Probst 1991, S. 58).
15 Auch Burkart (1998a, S. 29) bekräftigt: „Allein: kommunikatives Handeln ist noch nicht Kommunikation (!). Kommu-
nikatives Handeln ist zwar eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für das Entstehen bzw. Ablau-
fen eines Kommunikationsprozesses. M.a.W. eine kommunikative Handlung ist ‚lediglich‘ ein (notwendiger)
Anstoß, der Kommunikation entstehen lassen kann – aber nicht muß. ” Allerdings verwendet er den Begriff
kommunikatives Handeln weit weniger spezifisch als Habermas eher im Sinne derjenigen Handlungen, die auf
‚erfolgreiche‘ Kommunikation, auf Interessenrealisierung, zielen. Das Habermassche Modell beinhaltet demge-
genüber noch weitaus mehr qualitative Bedingungen jenseits dieser strategischen Komponenten.
1 Grundlagen eines kommunikativen Journalismus 171
der in Beziehung treten.16 Gemäß dieser ‚Doppelstruktur‘ der Rede kommt Verständigung nur
dann zustande, wenn die Kommunikationspartner nicht nur die geäußerten sprachlichen
Symbole, sondern auch die damit verbundenen Handlungen einverständlich interpretieren.17
Der Vollzug sprachlicher Kommunikation ist nicht nur auf den Austausch von Informationen,
sondern auch auf die Etablierung von Gemeinsamkeit angelegt – ein immanentes Ziel, dass
einen bestimmten Modus sprachlicher Kommunikation darauf ausrichtet, vergesellschaftend zu wirken.
Verständigung findet daher immer auf der „Ebene der Gegenstände“ und auf der „Ebene der
Intersubjektivität“ statt.18 Da Journalismus sich in seinem Vermittlungs- und Kommentarhan-
deln der Sprache bedient, kommt auch er nicht hinter diese Struktur zurück.19 Journalisten
müssen Sprache als ihr „wichtigstes Werkzeug“ daher in allen ihren Dimensionen so gut wie
möglich beherrschen.20
Der Analyse zugänglich wird die Struktur der kommunikativen Vernunft durch die Ent-
wicklung einer Universalpragmatik, die aus der sprachpragmatischen Analyse heraus allgemein-
gültige Bedingungen potenzieller Verständigung identifizieren und nachzeichnen soll.21 Sie ist
das zentrale programmatische Anliegen der ‚Theorie des kommunikativen Handelns‘ und soll
die allgemeinen Strukturen der Rede aufzeigen, die jeder Sprechsituation inhärent sind, die im
Vollzug von spezifischen Typen sprachlicher Äußerungen produziert werden und die dazu
dienen, die vom linguistisch kompetenten Sprecher verwendeten Ausdrücke pragmatisch im
Kommunikationskontext zu situieren.22 Die Ausformulierung des Verständigungskonzepts
richtet sich daher auf
„[…] das vortheoretische Wissen kompetenter Sprecher, die selber intuitiv unterscheiden können, wann sie
auf andere einwirken und wann sie sich mit ihnen verständigen; und die zudem wissen, wann Verständi-
gungsversuche fehlschlagen.“23
So wie die Linguistik für die Sprachfähigkeit soll die Universalpragmatik für die Kommunikati-
onsfähigkeit allgemeine Regeln formulieren, in denen das Konzept der Verständigung enthal-
ten ist.24 Nach Habermas lassen sich nicht nur phonetische, syntaktische und semantische
Merkmale von Sätzen, sondern auch bestimmte pragmatische Kennzeichen von Äußerungen
in einem allgemeingültigen Rahmen rekonstruieren, anhand derer neben der linguistischen
auch eine kommunikative Kompetenz identifiziert werden kann.25 Diese Regeln werden im
kommunikativen Handeln eingelöst, in dem alle Beteiligten oder advokatorisch auch ihre
Vertreter vorbehaltlos eine Verständigung über die gemeinsame Situation anstreben.26
Die ‚Theorie des kommunikativen Handelns‘ ist damit auch eine immanente Kritik einer
funktionalistischen Vernunft27 – und kann entsprechend eine geeignete Grundlage für eine
Kritik des Funktionalismus in der Journalismustheorie bilden.28 Zweckrationalität und indivi-
duelle Nutzenmaximierung allein sind schließlich keine hinreichenden Maßstäbe zur Erklärung
und zum Verständnis menschlichen Handelns. Auch wenn der systemische Funktionalismus
seine Vorzüge, v.a. bei der Analyse der materiellen Reproduktion von Gesellschaft hat, so kann
er doch soziale Zusammenhänge immer nur begrenzt erfassen, da er die sprachbasierten
Verständigungsprozesse, welche die symbolische Reproduktion von Gesellschaft gewährleis-
ten, analytisch in ihrem kommunikativen Eigensinn nicht zu konzipieren vermag.
Ein Journalismusverständnis, das journalistisches Handeln als bloßes Erfüllen einer (pro-
grammierten) Funktion (z.B. Information oder Unterhaltung) begreift, benennt zwar wichtige
Aspekte von Journalismus (in der Regel die systemisch strukturierten Vermittlungsfunktionen),
bekommt ihn aber in seiner ganzen Breite und Phänomenologie nicht zu fassen. Journalismus
ist vielmehr zwischen zweckrationalen und kommunikationsrationalen Einflussfaktoren hin-
und hergerissen.29 Wenn er a priori durch die Wahl einer funktionalistischen Theorie auf die
Rationalität von Zweck-Mittel-Entscheidungen reduziert wird, dann ist es nicht einmal mehr
möglich, das Verständigungspotenzial journalistischen Handelns überhaupt zu beschreiben. In
umgekehrter Stoßrichtung gilt das Gleiche für etwaige Versuche, mit einer Reanimation des
normativen Individualismus zu einer Suspendierung systemisch-funktionalistischer Erwägun-
gen zu gelangen. Ein solcher Entwurf wäre ebenfalls unterkomplex.
Vielmehr ist journalistisches Handeln explizit als ein zentraler Modus eines gesellschaftskonstituti-
ven öffentlichen kommunikativen Handelns zu verstehen: Es kann Anlass für Gespräche bieten und
katalysierend den Gesprächszusammenhang zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen
Gruppen aufrechterhalten. Nicht zuletzt bietet sich in journalistischen Medien die Möglichkeit,
selbst an gesellschaftlichen Gesprächen teilzunehmen. Der Journalist als Diskursanwalt handelt
bei der Erfüllung seiner Vermittlungsaufgabe kommunikativ und mit Bezug zu einer gemein-
sam mit seinen Ausgangspartnern, Zielpartnern und Rezipienten geteilten Lebenswelt.
einandersetzung mit ihnen ist lohnenswert, weil sie in der Besinnung auf kommunikative
Grundprinzipien zugleich Grundlagen eines verständigungsorientierten Journalismus ins
Bewusstsein rufen.34 Im Folgenden soll daher die einleitend zitierte Prämisse Baums, dass „[…]
der Originalmodus journalistischen Handelns verständigungsorientiert ist“35 und den Grund-
zügen kommunikativen Handelns entspricht, aufrechterhalten und ausformuliert werden.
Die Konsequenzen eines Modells von Journalismus als kommunikativem Handeln betref-
fen sowohl die Konzeption eines Modus journalistischen Handelns als auch die Frage nach
den Leistungen, die Journalismus für Gesellschaft erbringt. Beide Aspekte lassen sich kaum
voneinander trennen, wenn mikrosoziale und humankommunikative Überlegungen zugleich
auch Ausgangspunkt gesellschaftstheoretischer Konzeptionen sind. In der Habermasschen
Theorie ist genau dies aufgrund der engen Verzahnung von interpersonaler kommunikativer
Verständigung und Gesellschaftlichkeit der Fall. Auch deshalb sind einige der prominenteren
kommunikationswissenschaftlichen Versuche, die Ideen kommunikativen Handelns theore-
tisch auf Journalismus anzuwenden, mit Erörterungen gesellschaftlicher Leistungen ver-
knüpft.36 In diesem Kapitel wird es zunächst darum gehen, verschiedene der bereits angespro-
chenen grundlegenden mikrosozialen Annahmen zu einem kommunikativen journalistischen
Handeln theoretisch zu fundieren:
(1) Journalistisches Handeln lässt sich nicht ausschließlich mit den Kategorien beruflicher
Zweckrationalität als Arbeit beschreiben, sondern beruht als Handlungsmodus auf einer le-
bensweltlich-kommunikativen Rationalität, die sich in sozialer Interaktion ausdrückt.
(2) Journalistisches Handeln als kommunikatives Handeln beruht auf dem Aufbau einer – wie
auch immer vermittelten – verständigungsorientierten Beziehung zwischen kommunikativ kompeten-
ten Interaktionspartnern, zu denen neben gesellschaftlichen Kommunikatoren auch journalis-
tisch Handelnde zählen. Journalistisches Handeln wirkt daher vergesellschaftend.
(3) Journalistisches Handeln als kommunikatives Handeln ermöglicht Orientierung im gesellschaft-
lichen Zeitgespräch, indem es Sachverhalte reflexiv vermittelt. Die Reflexivität ist ihm in Form
einer performativen Prüfung erhobener Geltungsansprüche immanent.
(4) Journalistisches Handeln bezieht sich in einer normativen Interpretation des Konzepts
kommunikativen Handelns auf demokratische Werte. Es schafft durch Inanspruchnahme
der kommunikativen Kompetenz Voraussetzungen der Teilhabe am gesellschaftlichen Zeitge-
spräch.
retische Verurteilung des Habermasschen Versuchs gesehen werden, eine gesellschaftlich übergeordnete Ratio-
nalität zu beschreiben, von der aus normative Urteile und Sinnzuschreibungen weiterhin möglich sind.
34 Vgl. Burkart 1998b, S. 168
35 Baum 1994, S. 395
36 Während Gottschlich (1980) journalistische Antworten auf einen drohenden gesellschaftlichen Orientierungs-
verlust thematisiert, skizziert Fabris (1979) ein Journalismusmodell, in dem Fragen der kommunikativen Teil-
habe im Zentrum stehen. Geißler (1973, S. 173) wiederum, der immerhin Motive der Öffentlichkeitskonzeption
von Habermas aufnimmt, erörtert aus demokratietheoretischer Sicht unterschiedliche Modelle von Massenme-
dien und Basiskommunikation („Kommunikation der Staatsbürger (Basis) mit dem politischen Bereich“) und
setzt diese zu Teilhabeerwägungen in Beziehung. Diese Versuche sollen näher betrachtet werden, da sie in der
Verknüpfung von journalistischer Handlungstheorie und Leistungs-Analyse Aufschlüsse darüber versprechen,
wozu Journalismus in der Lage sein kann. Sie geben damit potenziell Einblick in eine immanente Normativität
journalistischen Handelns, die in seiner Kommunikativität begründet ist. Zugleich ist allerdings zu beachten,
dass diese noch heute als für ihr Feld paradigmatisch anzusehenden Entwürfe vor der umfassenden Präsentati-
on der ‚Theorie des kommunikativen Handelns‘ erschienen sind und die Autoren insofern nur auf deren Vor-
arbeiten zurückgreifen konnten. Erst die Arbeiten von Baum (1994), Burkart (1998a; 1998b) und Kuhlmann
(1999), der allerdings journalistisches Handeln nur am Rande explizit analysiert, konnten auf die voll entfaltete
‚Theorie des kommunikativen Handelns‘ zurückgreifen.
2 Implikationen eines kommunikativen Handlungskonzepts 175
Journalistisches Handeln oszilliert zwischen den beiden Polen von Arbeit und Interaktion, da die
journalistische Verberuflichung ihren Akteuren einen Spagat zwischen den Imperativen der
formalen Organisation ihres Handelns als Arbeit und seiner materiellen Qualität als Kommu-
nikation samt der entsprechenden Rationalitätsanforderungen abverlangt.37 Regelmäßig wird in
der Journalismusforschung darauf verwiesen, dass der Idealtypus des Räsonnements auf die
kommunikative Rationalität bürgerlicher Meinungsfreiheit abstellt, während der Idealtypus der
Vermittlung vorwiegend auf eine berufliche Rolle hinzielt, die – zumindest auch – mit entspre-
chend zweckrationalen Erwägungen einhergeht.38 Diese Differenzierung korrespondiert mit
einer soziologischen Unterscheidung zwischen Handlungsmodi und -rationalitäten:39
(1) Arbeit oder auch zweckrationales Handeln kann in den Dimensionen instrumentales Handeln
(bezogen auf empirisch gestützte technische Regeln) und rationale Wahl (bezogen auf
durch analytisches Wissen gestützte Strategien) konzipiert werden; es dient der Erreichung
vorab definierter Ziele. Während technisch angeleitetes, instrumentales Handeln an der
angemessenen Organisation der Mittel gemessen werden kann, ist der Erfolg strategischen
Handelns abhängig von der prognostischen Leistung, das Verhalten der jeweiligen Partner
auf der Basis von Werten und Maximen richtig einzuschätzen.
(2) Kommunikatives Handeln kann – einem frühen Verständnis von Habermas folgend – als
symbolisch vermittelte Interaktion begriffen werden, deren ‚Erfolg‘ nicht wie die Arbeit von
empirisch überprüfbaren Kriterien abhängig ist, sondern in deren Verlauf allenfalls erho-
40 Der Unterschied zwischen den beiden Handlungstypen lässt sich vor allem an den Folgen des jeweiligen
Handelns verdeutlichen: Während die Sanktionsmechanismen bei misslungenen zweckrationalen Handlungen
immanent aus einem direkten Bezug zum erklärten Handlungsziel abgeleitet werden können, zieht ein ‚inkom-
petentes‘ kommunikatives Handeln nur mittelbar, nämlich durch von außen an den Handlungszusammenhang
herangetragene Normsanktionen Folgen nach sich (wenn man von dem Extremfall des Kommunikationsab-
bruchs einmal absieht).
41 Vgl. Habermas 1995 [1981], Bd. 2, S. 573
42 Vgl. u.a. Altmeppen 1999; Rager/Werner 1992; Hienzsch 1990; Weischenberg 1981b; klassisch: Rühl 1979;
Dygutsch-Lorenz 1971; 1973
43 Vgl. z.B. Prokop 1981; 1995; Schütt 1981. Auch Pross (1967; 1970; 1976) zielt in diese Richtung.
44 Vgl. Langenbucher 1974/75
45 Vgl. Weischenberg/Malik/Scholl 2006a; Scholl/Weischenberg 1998; Schneider/Schönbach/Stürzebecher 1993
46 Langenbucher/Neufeldt 1988, S. 270
2 Implikationen eines kommunikativen Handlungskonzepts 177
bar allgemeinen Alltagserfahrungen, für das Publikum aufzeichnet. Seine eigene Meinung hat keine Bedeu-
tung für die Apperzeption von Umwelt-Ereignissen. Wichtiger werden die Beherrschung technischer Fertig-
keiten, das ‚Schreibenkönnen‘ und die Fähigkeit der Umsetzung komplexer Berichtereignisse in eine einfache
Sprache.“47
Aus dieser Perspektive wird die Medienentwicklung seit der Aufklärung als ein Verfallsprozess
einer vormals bedeutsamen kommunikativen journalistischen Aufgabe interpretiert, die sich
aus dem Räsonnement herleitet. Die zunehmende Verberuflichung der journalistischen Arbeit
führe, so die Argumentation, zu einer „wachsenden Entfremdung vom Publikum“, die kom-
munikative Komponenten journalistischer Tätigkeiten behindere und kommunikative Partizi-
pation der Rezipienten erschwere.48 Eine solche Kritik ist aber nur dann begründet, wenn
plausibel gemacht werden kann, dass Journalismus tatsächlich eine Form kommunikativer
Interaktion ist und nicht von vornherein lediglich als ein beruflich-strategischer Umgang mit
Kommunikation verstanden wird.
„Mit der Stärkung partizipatorisch-demokratischer Entwicklungen im Journalismus und der gleichzeitigen
Schaffung struktureller Voraussetzungen für mehr Mitbestimmung in den Kommunikationsunternehmen so-
wie verbesserter Chancen für die gleichmäßigere Entfaltung kommunikativer Kompetenz von möglichst gro-
ßen Teilen der Bevölkerung verbindet sich somit die Hoffnung auf eine dynamische Weiterentwicklung de-
mokratischer Verhältnisse in allen Lebensbereichen. Diese Hoffnung knüpft an die reiche historische Traditi-
on eines den Idealen der Demokratie verschriebenen Journalismus und an die Erwartungen der Menschen in
die befreiende Macht der Öffentlichkeit an.“49
Eine solche Perspektive nimmt die allgemeine handlungstheoretische Feststellung ernst, dass
eine sprachlich koordinierte Interaktion rational unverkürzt nur im Modus des kommunikati-
ven Handelns möglich ist, während alle strategisch ausgerichteten und damit viele in erster Linie
beruflich orientierten und koordinierten Handlungsweisen demgegenüber defizitär bleiben. Im
Hintergrund derartiger Überlegungen steht der Typus des kommunikativen Handelns, den
Habermas weiter ausdifferenziert, indem er die zunächst scheinbar gleichberechtigt konzipierte
Dichotomie zur Arbeit sowohl hinsichtlich der Anzahl von Typen als auch hinsichtlich der
wechselseitigen Stellung auflöst und nunmehr teleologisches (zweckrationales), normenregu-
liertes und dramaturgisches Handeln als letztlich defizitäre „Grenzfälle“ eines kommunikativen
Typus des Handelns kennzeichnet:50 Im teleologischen Handeln wählt der Akteur als einsam
Handelnder Erfolg versprechende Mittel, um das Eintreten eines angestrebten Zustands zu
bewirken. Versucht der Handelnde mit seiner Mittelwahl, Entscheidungen anderer Handelnder
zu beeinflussen, ist von strategischem Handeln zu sprechen. Im normenregulierten Handeln richtet
der Akteur als Mitglied einer sozialen Gruppe sein Handeln primär nach der Gültigkeit von in
der Situation wirksamen Normen aus. Im dramaturgischen Handeln offenbart der Akteur vor
anderen Interaktionsteilnehmern mehr oder minder gezielt subjektive Empfindungen, um bei
diesem Publikum einen bestimmten Eindruck seiner Selbst zu erzielen. Erst im kommunikativen
Handeln treten sprach- und handlungsfähige Subjekte einander gegenüber, um eine interperso-
nale Beziehung einzugehen, in der sie eine Verständigung über ihre Situation zum Zwecke der
Handlungskoordinierung suchen und dabei von einander zu trennende Beziehungen zu ihrer
materialen und sozialen Umwelt sowie zu sich selbst herstellen. Das langfristige Ziel der
Journalistik kann vor diesem Hintergrund die Entwicklung einer Theorie des Journalismus
47 Fabris 1979, S. 69
48 Ebd., S. 50
49 Ebd., S. 14
50 Vgl. Habermas 1995 [1981], Bd. 1, S. 126ff.
178 IV Aspekte der kommunikativen Rationalität des Journalismus
sein, „[…] in der das journalistische Handeln eine Möglichkeit des kommunikativen Handelns
vernünftiger und kommunikativ kompetenter Personen darstellt“.51 Habermas spricht dann
von kommunikativen Handlungen,
„[…] wenn die Handlungspläne der beteiligten Akteure nicht über egozentrische Erfolgskalküle, sondern
über Akte der Verständigung koordiniert werden. Im kommunikativen Handeln sind die Beteiligten nicht
primär am eigenen Erfolg orientiert; sie verfolgen ihre individuellen Ziele unter der Bedingung, daß sie ihre
Handlungspläne auf der Grundlage gemeinsamer Situationsdefinitionen aufeinander abstimmen können.“52
In den anderen Handlungsmodi hingegen bauen die Handelnden keine reziproken Beziehun-
gen zu anderen Interaktionsteilnehmern auf und kontextuieren ihr Handeln nur selektiv. In
den drei Grenztypen kommt Sprache zwar zum Einsatz, allerdings nur in jeweils spezifischen
und verkürzten Kontexten: Im zweckrationalen Handeln ist Sprache eines der Medien, mit
denen die erfolgsorientierten Sprecher Wirkungen zu erzielen versuchen; im normregulierten
Handeln fungiert Sprache als Träger kultureller Werte und konsensueller Überzeugungen, die
mit jedem Sprechakt lediglich reproduziert werden; im dramaturgischen Handeln erscheint
Sprache schließlich als ein Medium der Selbstinszenierung. Diese jeweils spezifischen Verkür-
zungen werden im kommunikativen Handeln aufgehoben:
„Allein das kommunikative Handlungsmodell setzt Sprache als ein Medium unverkürzter Verständigung vor-
aus, wobei sich Sprecher und Hörer aus dem Horizont ihrer vorinterpretierten Lebenswelt gleichzeitig auf
etwas in der objektiven, sozialen und subjektiven Welt beziehen, um gemeinsame Situationsdefinitionen aus-
zuhandeln.“53
In keinem der vier Handlungsmodelle wird die zielgerichtete Grundstruktur des Handelns
suspendiert. Doch während sie im teleologischen Modell der alleinige Koordinierungsmecha-
nismus ist, wird sie in den anderen Modellen durch andere und rational weitergehende Bedin-
gungsfaktoren überformt. Auch kommunikatives Handeln enthält zielgerichtete Elemente,
allerdings ist der entscheidende Koordinierungsmechanismus der Verständigungswunsch
innerhalb der Handlungssituation und nicht primär die individuelle Zielerreichung.54 Diese
Differenzierung unterschiedlicher Handlungsbegriffe ist umfassender als die Gegenüberstel-
lung von instrumentellem und kommunikativem Handeln, zudem kommt als dritter Modus der
Handlungskoordinierung ein ästhetisch-expressiver hinzu, der auf die Spezifika der subjektiven
Welt der Sprecher und die damit verbundenen Geltungsansprüche besonders abstellt.
Trotz der Erweiterung und Präzisierung bleibt dieser Katalog unterschiedlicher Handlungsbeg-
riffe auf die Kategorie der kommunikativen Rationalität zugeschnitten. Er beabsichtigt keine
umfassende soziologische Klärung verschiedener Handlungstypen, sondern ist von der Frage-
stellung nach den immanenten sozialen Bindungskräften des bestimmten Typus des kommuni-
51 Haas 1999, S. 78
52 Habermas 1995 [1981], Bd. 1, S. 385
53 Ebd., S. 142
54 Vgl. ebd., S. 150f. In letzter Konsequenz ist die Rationalität des Handelns erfolgsorientiert und die kommunika-
tive Rationalität der Sprache verständigungsorientiert – beide Perspektiven werden im Begriff des kommunika-
tiven Handelns zusammengebracht.
2 Implikationen eines kommunikativen Handlungskonzepts 179
kativen Handelns geleitet.55 Die ‚Theorie des kommunikativen Handelns‘ versucht, in sprachli-
chen Verständigungsprozessen den Grundmodus sozialintegrativer Vergesellschaftung zu
identifizieren, um der in der Moderne weitgehend entfesselten Kraft instrumenteller Rationali-
tät ein theoretisch fundiertes Gegengewicht entgegenzusetzen. Sie geht davon aus, dass in
sprachlichen Grundstrukturen eine eigenständige Rationalität angelegt ist, die sich (auch
normativ) am Gelingen von Verständigungsprozessen zwischen vernunftfähigen Akteuren
bemisst, die in der Lage sind, ihr Handeln in einer Kommunikationsgemeinschaft an intersub-
jektiv anerkannten Geltungsansprüchen auszurichten und die von ihnen erhobenen Ansprüche
zu begründen, wenn diese in Zweifel gezogen werden.56 Auf diesem Wege stellen kommunizie-
rende Akteure Einvernehmen über die Situation her, in der sie sich befinden:
„Ein Geltungsanspruch kann von einem Sprecher gegenüber (mindestens) einem Hörer erhoben werden.
Normalerweise geschieht das implizit. Indem der Sprecher einen Satz äußert, erhebt er einen Anspruch, der,
wenn er ihn explizit machen würde, die Form annehmen könnte ‚es ist wahr, daß >p<‘ oder‚ es ist richtig,
daß >h<‘, oder auch ‚ich meine, was ich sage, wenn ich hier und jetzt >s< äußere‘, wobei >p< für eine Aus-
sage, >h< für die Beschreibung einer Handlung und >s< für einen Erlebnissatz stehen mögen. Ein Geltungs-
anspruch ist äquivalent der Behauptung, daß die Bedingungen für die Gültigkeit einer Äußerung erfüllt sind.
Gleichviel ob der Sprecher einen Geltungsanspruch implizit oder explizit erhebt, der Hörer hat nur die Wahl,
den Geltungsanspruch anzunehmen, zurückzuweisen oder einstweilen dahingestellt sein zu lassen. Die zuläs-
sigen Reaktionen sind Ja/Nein-Stellungnahmen oder Enthaltungen.“57
55 Habermas versucht in seinem Theorieentwurf eben nicht, wie Joas (1986, S. 149) aus einer streng handlungs-
theoretischen Perspektive kritisiert, eine letztgültige Differenzierung von Handlungstypen vorzulegen, sondern
entlässt lediglich die Kommunikation „aus der Verbannung in die prallgefüllte Residualkategorie des nicht-
instrumentalen Handelns“. Weitergehende Typologisierungen von Handlungskategorien liegen nicht in der Ab-
sicht der Theorie kommunikativen Handelns, da sie kein generelles Modell menschlicher Handlungen entwirft.
56 Vgl. Habermas 1995 [1981], Bd. 1, S. 34ff.
57 Ebd., S. 65
58 Vgl. ebd., S. 148ff.
59 Habermas 1995b [1984], S. 354
180 IV Aspekte der kommunikativen Rationalität des Journalismus
Sprache wird in diesem universalpragmatischen Modell aus einer spezifischen Perspektive nur
in Bezug auf ihre Fähigkeit, den Sprechern bei der Herstellung von Weltbezügen zu nutzen,
betrachtet. Das kommunikative Handeln zeichnet sich im Vergleich zu anderen Handlungsty-
pen dadurch aus, dass Handelnde sich nur in ihm der Sprache pragmatisch bedienen, um
jeweils alle drei Geltungsansprüche zu erheben und damit gleichzeitig reflexive Bezüge zu allen drei
Welten herzustellen. Kommunikativ Handelnde müssen damit rechnen, dass die von ihnen
erhobenen Geltungsansprüche stets in Zweifel gezogen werden können. Sie nehmen daher
nicht mehr direkt auf etwas in der objektiven, sozialen oder subjektiven Welt Bezug, sondern
relativieren ihre Aussagen, indem sie schon während der Handlung die Einspruchsmöglichkei-
ten ihrer Interaktionspartner reflexiv berücksichtigen.60 Handlungskoordinierung zwischen
kommunikativ Handelnden ergibt sich aus der Einigung über die wechselseitige Gültigkeit der
erhobenen Ansprüche.
Journalistische Kommunikation wird dann genuin als ein in einen symbolischen Kontext
eingebetteter Austauschprozess, als kommunikatives Handeln, verstanden, in dessen Vollzug
durch Verstehen der Aussagen des Anderen Verständigung und Sinnrealisierung – und damit
letztlich Orientierung – möglich werden. Auch bei Klassikern der kritischen Medien- und
Journalismusanalyse wie Enzensberger und Prokop wird journalistisches Handeln innerhalb
der Massenmedien als eine Chance gesehen, der systemischen Formiertheit betrieblicher Ziele
60 In dieser Modellfigur wird deutlich, dass sich Habermas neben der Sprachphilosophie Austins und Searles auch
stark auf den Symbolischen Interaktionismus Meads (1973 [1934]) bezieht.
61 Vgl. Langenbucher 1993a
62 Gottschlich 1980, S. 49
2 Implikationen eines kommunikativen Handlungskonzepts 181
eine eigenständige Rationalität entgegenzusetzen.63 Insbesondere Prokop weist darauf hin, dass
Journalisten Inhalte produzieren können, die nicht den Verwertungsabsichten der Konzerne –
und damit der beruflichen Rolle im Sinne der Arbeit –, sondern der Sinnsuche mancher
Teilpublika entsprechen. Er kennzeichnet hier ein kommunikatives Potenzial der „Kooperati-
on der lebendigen Fähigkeiten und Talente“, das durch den systemisch auf Tauschabstraktio-
nen wie die Unterhaltung gerichteten Rahmen des Mediensystems und seine Versuche der
‚Publikumsfixierung‘ zwar deutlich eingeschränkt, nicht aber vollkommen obsolet wird.64
Kommunikatives journalistisches Handeln hat die professionelle Aufgabe, „[…] die freie
gesellschaftliche Kommunikation als Voraussetzung individueller wie gesellschaftlicher Entfal-
tung zu ermöglichen“ und dafür zu sorgen, dass die Mitglieder einer Gesellschaft Einblicke in
ihnen gemeinsame soziale Entwicklungen erhalten.65 Die ‚Mitteilung‘ ist die ureigene journalis-
tische Aufgabe, durch die kommunikative Interaktion mit dem Ziel der Verständigung möglich
wird. „Herstellung von Sinn durch Mitteilung“ ist demnach für Gottschlich die genuine
Leistung des Journalismus.66
„Mitteilung selbst ist Ergebnis situativ gebundener Interpretationsprozesse journalistischer Akteure und
zugleich Bestandteil der symbolischen Umwelt des Rezipienten, auf der dieser seinerseits mit Interpretationspro-
zessen re-agiert. Aus der Möglichkeit der Entsprechung dieser wechselseitigen, auf das Thema bezogenen und
in Akten der Antizipation von Erwartungshaltungen aneinander orientierten Interpretationsprozesse leitet
sich die Chance auf Verständigung von Sinn ab.“67
Dieser Rückbezug auf die Kategorie der Verständigung ist auf der theoretischen Grundlage
fundiert, auf der auch das Konzept des kommunikativen Handelns in der Lebenswelt beruht.
Im Journalismus lassen sich anknüpfend an diese Vorstellungen Verstehens- und Verständi-
gungsprozesse auf zwei Ebenen identifizieren:
• Journalisten streben durch alltagssprachliche Aussagen Verständigung mit den Rezipienten
– in der konzeptionell und ‚pragmatisch‘ reduzierten Form der Verstehbarkeit journalisti-
scher Aussagen – an;
• Journalisten ermöglichen dadurch, dass sie Themen öffentlich und zugänglich machen,
dass Rezipienten sich mit ihrer (und über ihre) Umwelt verständigen.68
Hinter dieser doppelten Denkfigur lässt sich eine abgewandelte Vorstellung des klassischen
Modells ausmachen, welches den Journalisten als Vermittler zwischen Ausgangs- und Zielpart-
ner im gesellschaftlichen Zeitgespräch betrachtet.69 In dieser Ausgangsinterpretation Gott-
schlichs stehen allerdings nicht die lebensweltlichen oder beruflichen Ausgestaltungsoptionen
dieser Aufgabe im Zentrum, sondern die kommunikativen Universalien, auf denen Journalis-
mus beruht. Journalisten handeln kommunikativ, wenn sie gesellschaftliche Vermittungspro-
63 Vgl. Prokop 1974; Enzensberger 1974 [1970]. Bei Enzensberger steht hier die Radiotheorie Brechts (1972)
Pate.
64 Prokop 1974, S. 166
65 Gottschlich 1999c, S. 175. Dabei geht Gottschlich (1980, S. 16) zunächst von der – schnell als utopisch
identifizierten – Zielvorstellung aus, „[…] daß mit der Verfügbarkeit über die Kommunikationstechnologien
auch die Verfügbarkeit über jenes instrumentelle Wissen wächst, das die Basis schafft, sich an der Mitgestaltung
der Welt schöpferisch, d.h. nicht in bedrückendem, sondern in befreiendem Bewußtsein der Vielfalt des Mögli-
chen zu beteiligen.“ Zu gewährleisten, dass Massenmedien in diesem Sinne genutzt würden, sei Aufgabe eines
professionell betriebenen Journalismus.
66 Gottschlich 1980, S. 119
67 Ebd., S. 45
68 Vgl. ebd., S. 46
69 Dieses Modell kennzeichnet Gottschlich zwar als nicht mehr zeitgemäß, greift aber darauf zurück, um es zu
modifizieren und um zeitgemäße Rollenanforderungen zu ergänzen.
182 IV Aspekte der kommunikativen Rationalität des Journalismus
zesse in Gang setzen. Diese Kommunikativität ist in der Regel beruflich verfasst, um ihre
Gewährleistung zu garantieren. Daraus ergibt sich ein dialektisches Spannungsverhältnis, das
journalistische Akteure im Vollzug ihrer Tätigkeiten aushalten müssen. In den Regeln der
Habermasschen Universalpragmatik lassen sich Ankerpunkte für ein konkretes journalistisches
Ethos identifizieren, mit dem Arbeit und Kommunikation des journalistisch Handelnden auf
eine grundlegende und vernünftige Verständigungsabsicht verpflichtet werden.
Oft werden Möglichkeiten der Verwirklichung einer umfassenderen Vernunft in der öffent-
lichen Kommunikation gar nicht mehr im etablierten massenmedialen Journalismus, sondern
vorwiegend in gegenöffentlichen und alternativen Strukturen gesucht.70 Beruf und Kommuni-
kativität werden dann – entlang der Kategorien Arbeit und Interaktion – als strukturierende
Referenzen in scharfem Gegensatz betrachtet. Mit eindeutigen und einseitigen Sympathien:
Besonders in der kritischen Auseinandersetzung mit Journalismus und Massenmedien der
1970er Jahre lässt sich ein – mit dem Aufkommen der Neuen Sozialen Bewegungen maßgeb-
lich korrelierender – Optimismus im Hinblick auf die kommunikative Qualität alternativer,
nicht beruflich produzierter Medienprodukte ausmachen71, der angesichts der Reichweite und
der Qualität dieser Angebote kaum aufrechterhalten werden kann.72 Vorbild für einem kom-
munikativen Journalismus sind aus dieser Perspektive die Angebote eines alternativen Journa-
lismus (wie von Bürgern getragene Stadt(teil)-Magazine; Szene-Blätter oder auch journalistisch
anspruchsvolle Produkte des ‚New Journalism‘), der mit begrenzter Reichweite außerhalb der
Grenzen des privatwirtschaftlichen oder öffentlich-rechtlichen Mediensystems operiert. Die
ehemals ‚neuen‘ Journalismusformen setzten sich auch inhaltlich von etablierten Vermittlungs-
formen ab:
„An die Stelle einer ohnehin fiktiven Objektivität und einer abzulehnenden Haltung als scheinbar unbeteilig-
ter neutraler Beobachter setzen die alternativen Journalisten die Forderung nach Fairneß und Offenheit sowie
die aktive Teilnahme. Das Publikum – auf dessen Unterstützung als Informanten und Kritiker die alternati-
ven Journalisten ebenso angewiesen sind wie als Käufer ihrer Produkte – hat ihrer Meinung nach das Recht
zu erfahren, welchen politischen Standpunkt ein Journalist einnimmt. Professionelle journalistische Standards
werden in der Befolgung dieser ungeschriebenen Regeln intellektueller Redlichkeit und nicht im Streben nach
einer unmöglich erscheinenden Objektivität erblickt.“73
Es wurde erwartet, dass die Erfahrungen von Journalisten aus solchen alternativen Medien
auch in die Arbeit der etablierten journalistischen Angebote einfließen und so Potenziale
journalistischen Handelns reanimiert werden.74 Ein Beispiel dafür kann die Wiederentdeckung
der Subjektivität des Reporters im so genannten ‚New Journalism‘ sein, der in den USA seinen
Ausgang genommen hat, aber auch im deutschsprachigen Raum Nachahmer bis in die etablier-
ten Medien hinein gefunden hat.75 Die Veränderungen im journalistischen Rollenverständnis,
die sich bei den Protagonisten dieser journalistischen Bewegung feststellen lassen, korrespon-
dieren offensichtlich mit Anforderungen eines kommunikativen Journalismus. Aber die Erfah-
70 Vgl. beispielhaft die Überlegungen von Oy (2005) zum Potenzial von Alternativmedien.
71 Vgl. z.B. Fabris 1979; Enzensberger 1974 [1970]; Eurich 1980a; 1980b; für einen Überblick; Oy 2001, S. 18ff.
72 In einigen damaligen Studien, die in den Laien-Angeboten Ausdrücke unverstellter Kommunikativität entde-
cken konnten, werden erstaunlich zuversichtliche Szenarien entwickelt: „Sollte sich die Bewegung des ‚Laien-
Journalismus‘ weiter ausbreiten, läßt sich als zukünftige Perspektive für das System der öffentlichen Kommuni-
kation ein Kontinuum von Kommunikator-Tätigkeiten konturieren, das von verschiedenartigsten Formen des
‚Laien-Journalismus‘ über teilberufliche Funktionen eines ‚anwaltschaftlichen‘ Journalismus bis zu den derzeit
dominierenden Erscheinungsformen des Medienjournalismus reicht.“ (Fabris 1979, S. 251)
73 Fabris 1979, S. 241
74 Vgl. ebd., S. 197
75 Vgl. Haas/Wallisch 1991 und die Beiträge in Bleicher/Pörksen 2004.
2 Implikationen eines kommunikativen Handlungskonzepts 183
rung hat gezeigt, dass sich diese alternativen Formen des Journalismus in der Regel nicht bis in
die Kernstrukturen des verberuflichten, massenmedialen Journalismus durchsetzen, sondern
eher wichtige Grundzüge einer alternativen Öffentlichkeit bilden. Sie können das vermeintliche
Monopol der Massenmedien in Frage stellen, um kritischen und emanzipatorischen Angeboten
den notwendigen Raum zu geben76, aber sie können das Monopol anscheinend weder brechen
noch waren sie bislang erfolgreich in Versuchen der inneren Restrukturierung. Die Kritiker des
etablierten Journalismus kaprizieren ihre Hoffnungen daher auf eine ‚dual market‘-Struktur, die
sich aus einem großen etablierten Medienmarkt mit konventionell arbeitsteiligen Produktions-
mustern und einem deutlich kleineren, zweiten Markt zusammensetzt, der weit weniger effi-
zienzorientiert ist und stattdessen eher auf individuellen Produkten basiert.77 Ihr kommunikati-
onspolitisches Ziel ist das „Nebeneinander von ‚Gegenöffentlichkeit‘ und Präsenz in den
Massenmedien“.78
Dabei ist es viel versprechender, die Potenziale journalistischer Kommunikativität analy-
tisch in den bestehenden systemischen Rahmen hineinzutragen und nach ihren dortigen
Grundlagen und Spielräumen zu fragen. Schließlich verläuft schon der beklagte Verfall öffent-
licher Kommunikation, nicht einsinnig und einseitig, sondern ist vielmehr die Kehrseite einer
öffentlichen Kommunikation, die zugleich durch niedrigere Zugangsschwellen, ein deutlich
erhöhtes Informationsaufkommen und entgrenzte Gesprächszusammenhänge charakterisiert
werden kann. Wer auf alternative Medien zur Durchsetzung der Kommunikativität setzt, der
erhöht kommunikative Qualität oftmals nur um den Preis einer neuerlichen sozialen oder
kulturellen Exklusivität. Während also die klassische Suche nach einem alternativen Journalis-
mus sich der Explikation alternativer Kommunikationsformen widmet, die den Journalismus
als Beruf in einer zentralen Dimension ersetzen sollen, ihn aber nicht ersetzen können, wird in
der vorliegenden Arbeit danach gefragt, welches kommunikative Potenzial der etablierte,
berufliche Journalismus besitzt und wie es aktiviert werden kann. Oder wie Baum formuliert:
Ziel ist es, „[…] die verständigungsorientierte Vernunft im Journalismus ausfindig zu machen,
zu verstehen, was die kommunikative Kompetenz der JournalistInnen auszeichnet, wie auto-
nom sie damit umgehen können, kurz: wie frei der Journalismus ist“.79 Ein solches Programm
nimmt zur Kenntnis, dass sprachliche Vernunft in letzter Konsequenz unhintergehbar ist und
deswegen auch nicht in Randbereiche delegiert werden kann, während die zentralen Institutio-
nen gesellschaftlicher Öffentlichkeit zweckrationaler Vernunft überlassen werden.
„Wenn sprachliche Kommunikation nicht per se auf Verständigung ausgerichtet wäre und wenn die Begrün-
dung von Geltungsansprüchen nicht der ursprüngliche Weg zur Verständigung wäre, wäre soziale Interaktion
weitgehend unmöglich.“81
Sprache orientiert und reguliert soziale Interaktion. Die Disposition der gewählten Sprechakte
bestimmt die Einstellung des Kommunizierenden bzw. Handelnden gegenüber seinen Interak-
tionspartnern. Verständigung beruht auf einer rational motivierten und begründbaren Zustim-
mung zu den von den Sprechern erhobenen Geltungsansprüchen; sie unterscheidet sich von
einer faktisch bestehenden Übereinstimmung dadurch, dass sie nicht durch strategische Ein-
flussnahme oktroyiert werden kann, sondern nur aus dem kommunikativen Koordinierungs-
prozess und den in ihm gebildeten gemeinsamen Überzeugungen (wie implizit auch immer)
erwächst. Die idealisierten, kontrafaktischen Argumentationsvoraussetzungen verlangen von
den Teilnehmern an diskursiven Prozessen, dass sie im Sinne des Meadschen ‚role-taking‘ die
Perspektive anderer Teilnehmer übernehmen und deren Interessen berücksichtigen. Dieser
Gedanke des symbolischen Interaktionismus bildet eine Voraussetzung, auf die sich Beteiligte
einlassen müssen, wenn ihre Bemühungen nicht ihren kognitiven Sinn verlieren sollen.83
„Weil vergesellschaftete Individuen im täglichen Umgang miteinander ebenso auf ein naiv für gültig gehalte-
nes ‚Wissen‘ von Werten angewiesen sind wie kooperativ handelnde Subjekte auf Tatsachenwissen im Um-
gang mit der Realität, sind sie gehalten, den moralischen Kerngehalt des entglittenen Traditionswissens aus
eigener Kraft und Einsicht zu rekonstruieren. Sobald sie aber ohne weltanschauliche Rückendeckung ein uni-
versell verbindliches System von Regeln auszeichnen wollen, das aus intrinsischen Gründen verbindlich ist
und eine sanktionsbewährte Durchsetzung erübrigt, bietet sich ihnen nur der Weg zum diskursiv herbeige-
führten Einverständnis. Die Fortsetzung des kommunikativen Handelns mit diskursiven Mitteln gehört zur
kommunikativen Lebensform, in der wir uns alternativenlos vorfinden.“84
81 Kuhlmann 1999, S. 46
82 Vgl. Burkart 1998a, S. 519
83 Vgl. Habermas 1999, S. 306f.
84 Ebd., S. 317
2 Implikationen eines kommunikativen Handlungskonzepts 185
Der diskursive Ansatz beruht auf einer idealisierenden Darstellung der Beziehung zwischen
Sprecher und Hörer und der damit verbundenen Suspendierung strategischer Gehalte aus dem
Interaktionszusammenhang. Seine Prämissen können daher auch nicht eins zu eins auf die
Analyse journalistischer Kommunikations- und Handlungszusammenhänge übertragen wer-
den, sondern bilden im besten Sinne eine regulative Idee. Diese ist angelehnt an die Unterstel-
lung der idealen Sprechsituation85 und deshalb immer wieder der Kritik aus vermeintlich
‚realistischer Perspektive‘ ausgesetzt; gerade an dieser Stelle setzt auch die gängige, zumeist
systemtheoretisch fundierte Kritik an, die aufgrund der hohen Normativität formalpragmati-
scher Annahmen deren Verwendbarkeit zur Analyse von Journalismus bezweifelt.86
Dabei führt allerdings die tief liegende Verankerung kommunikativen Handelns in den
Grundannahmen des Sprachgebrauchs dazu, dass jedes Abweichen – das es zweifellos zahl-
reich gibt – als defizitär und letztlich als parasitär zu einer immanenten Normativität, von
deren Geltung es zehrt, betrachtet werden muss.87 Viele vermeintlich ‚realistische‘ Einwände
gegen solche ‚erhöhten‘ Anforderungen an die kommunikative Qualität der journalistischen
Produkte unterliegen einem naturalistischen Fehlschluss, indem sie ein normatives Postulat
aufgrund seiner Nicht-Einlösung verwerfen wollen.88 Oder aber sie ignorieren, dass Habermas
selbst seinen Überlegungen den letztlich paradoxen Status zuweist, als in ihrem Realitätsgehalt
zunächst nicht prüfbare Unterstellungen für Handeln trotzdem unerlässlich zu sein. Gerade in
der ‚Theorie kommunikativen Handelns‘ wird normativen Forderungen der Verständigungs-
orientierung ein kontrafaktischer Status zugewiesen, der zugleich auf ihre Nichteinlösung und
auf ihre dennoch begründbare Wirkung im kommunikativen Prozess verweist. Habermas hält
eine ‚ideale Sprechsituation‘ dann für gegeben, wenn „[…] Kommunikationen nicht nur nicht
durch äußere kontingente Einwirkungen, sondern auch nicht durch Zwänge behindert werden,
die sich aus der Struktur der Kommunikation selbst ergeben“89. In derartigen Situationen sind
Verzerrungen von Kommunikation ausgeschlossen, Machstrukturen werden in ihrer Gültigkeit
suspendiert. Eine ideale Sprechsituation beruht somit auf der formal unbegrenzten Möglich-
keit, an Diskursen durch das Aufstellen von Sprachakten und das Kritisieren erhobener Gel-
tungsansprüche teilzunehmen, sowie auf den weitergehenden Bedingungen der Suspendierung
von Handlungszwängen im Diskurs durch Wahrhaftigkeit der Teilnehmer und durch das
Ausklammern sozialer Macht, um so der Kraft des besseren Arguments jenseits zweckrationa-
ler oder strategischer Überlegungen den Raum zu geben, rationale Ergebnisse zu befördern.90
Habermas selbst verweist darauf, dass die Realisierungsmöglichkeiten einer solchen idealen
Sprechsituation prekär sind, da empirisch vorfindbare Redesituationen Einflüssen und Limitie-
rungen zum Beispiel durch Raum oder Zeit unterworfen ist und dementsprechend eine ideal-
typische ‚Reinheit‘ der geschilderten Bedingungen nicht gegeben sein kann. Allerdings ist eine
‚hinreichende Realisierung‘ der Bedingungen nicht ausgeschlossen, da etwaige Restriktionen
z.B. durch institutionalisierte Verfahren aufgewogen oder mindestens neutralisiert werden
können. Ob wir allerdings einen Diskurs führen oder nur unter Handlungszwängen einen
(Schein-)Diskurs vorführen, können wir in der konkreten Situation nicht erkennen, sondern
erst rückblickend bewerten. Das Konzept der idealen Sprechsituation kann deshalb wie folgt
verstanden werden:
„Die ideale Sprechsituation ist weder ein empirisches Phänomen noch bloßes Konstrukt, sondern eine in
Diskursen unvermeidliche, reziprok vorgenommene Unterstellung. Diese Unterstellung kann, sie muß nicht
kontrafaktisch sein; aber auch wenn sie kontrafaktisch gemacht wird, ist sie eine im Kommunikationsvorgang
operativ wirksame Fiktion. Ich spreche deshalb lieber von einer Antizipation, von einem Vorgriff auf eine
ideale Sprechsituation. Dieser Vorgriff allein ist Gewähr dafür, daß wir mit einem faktisch erzielten Konsens
den Anspruch eines vernünftigen Konsenses verbinden dürfen; zugleich ist er ein kritischer Maßstab, an dem
jeder faktisch erzielte Konsensus auch in Frage gestellt und daraufhin überprüft werden kann, ob er ein hin-
reichender Indikator für einen begründeten Konsens ist.“91
Diese „Idealisierungsleistung“92 stellt für Habermas die einzig denkbare Möglichkeit dar, das
empirische Gelingen der kommunikativen Koordination des Handelns auch zu gewährleisten,
indem die Interaktionspartner kontrafaktisch unterstellen, dass ideale Bedingungen des Erhe-
bens und Einlösens von Geltungsansprüchen gegeben sind – das gilt letztlich auch für journa-
listisch vermittelte oder hergestellte Kommunikation. Ein solch ‚idealistisches Kommunikati-
onsmodell‘ kann daher durchaus als potenzieller „Bezugsrahmen zur Entwicklung system-
unabhängiger, wie auch systemabhängiger Theorien“ der Massenmedien und des Journalismus
herangezogen werden.93
„Zur Verwirklichung des vollkommenen Öffentlichkeitsmodells ist der Idealfall der Kommunikation, d.h.
uneingeschränkte herrschaftsfreie Diskussion, unabdingbar. Massenkommunikation ist also ein Phänomen
der Veröffentlichung zur Herstellung von Öffentlichkeit.“94
Würden die Kommunikationspartner nicht dieser Annahme folgen, dann gäbe es keine Moti-
vation, rationale Verständigung überhaupt anzustreben, weil diese nicht erreichbar schiene.
Daran ändert auch eine faktische Uneinlösbarkeit dieser Idealisierungen nichts. Die Tatsache,
dass Sprecher erkennen können, dass ihre ‚reale‘ Kommunikationssituation durch Manipula-
tionsversuche oder Machtansprüche verzerrt wird, spricht im Gegenteil eher dafür, dass sie ein
intuitives Verständnis für einen auf rational motivierter Zustimmung basierenden Verständi-
gungszusammenhang besitzen, ohne das sie nicht in der Lage wären, diese Deformationen und
den durch sie verursachten ‚heimlichen Zwang‘ sozialer Umstände wahrzunehmen.95
Journalistisches Handeln als kommunikatives Handeln impliziert folglich, dass die gesell-
schaftliche Verständigung solidarisch verlaufen kann und nicht macht- oder geldgesteuert sein
muss. Besonders in dem regulativ idealen Bezug auf ein idealisiertes Öffentlichkeitsmodell liegt
die Verpflichtung journalistischen Handelns auf die genannten kommunikativen Ideale, die
91 Ebd., S. 180
92 Holzer 1994, S. 95
93 Boguschewsky-Kube 1990, S. 124f.
94 Ebd., S. 126
95 Vgl. Dubiel 2001, S. 105
2 Implikationen eines kommunikativen Handlungskonzepts 187
nicht deshalb an Gültigkeit verlieren, weil sie empirisch nicht eingelöst sind, sondern letztlich
als – mindestens ethische – Anforderungen an Journalismus gerade aus ihrer Prekarität heraus
an Relevanz gewinnen. Ein Journalismus, der sich auf die strategische Herstellung von Kom-
munikation verlegt, die unter dem Deckmantel der Kommunikativität dritte Ziele, seien sie nun
politisch oder ökonomisch, verfolgt, unterminiert dagegen letztlich seine eigenen Geltungs-
grundlagen.
In diesem Zusammenhang wird deutlich, warum die Forderung nach einer Trennung von
journalistischer Vermittlung und journalistischer ‚Produktion‘, von Vermittlung und Eigenleis-
tung ihren Sinn verlieren muss: Als sprachliches oder sprachanalog zu verstehendes Handeln
bedient sich Journalismus der kommunikativen Ressourcen sprachlicher Verständigung. Eine
Trennung von deren kommunikativem, interaktivem Grundgerüst, wäre nur um den Preis
einer strategischen Kommunikationshaltung möglich, welche die kontrafaktischen Rationali-
täts- und Verständigungsunterstellungen suspendieren und damit zu einem erheblichen
Glaubwürdigkeitsverlust beitragen würde. Sie würde Journalismus unterschiedslos machen zu
Propaganda oder Public Relations, die sich in der Regel dieser strategischen Modi bedienen.
Während Journalismus in der Verständigungsorientierung von Sprache fest verankert ist,
nutzen Public Relations Sprache als ein Werkzeug um externe, meist wirtschaftliche oder
politische Zwecke zu erreichen. Sie sind in der Regel nicht ergebnisoffen und diskursiv, son-
dern explizit auf persuasive Effekte gerichtet. Betrachtet man dagegen Journalismus als Anwalt
des gesellschaftlichen Diskurses, dann ist diese Rolle primär auf der Basis diskursiver Kommu-
nikationsmuster auszufüllen. Die Prüfung der Geltungsansprüche ist sowohl notwendiges
Element kommunikativer Handlungskoordinierung als auch gesellschaftlich wünschenswerte,
im weitesten Sinne ‚advokatorisch‘ oder ‚diskursrepräsentativ‘ zu verstehende Leistung eines
journalistischen Handelns, das zwar auch eigene Interessen besitzt, diese aber nicht primär
verfolgen kann, ohne seinen Bestand zu gefährden.
Journalismus wird – in demokratischen Verfassungen auch rechtlich – dafür verantwortlich
gemacht, dass eine Öffentlichkeit hergestellt wird, die den gesellschaftlich für notwendig
erachteten Partizipationsanforderungen und Teilhabechancen gerecht wird. Diese Öffentlich-
keit ist als Ideal nicht nur in top-down-Richtung zu verstehen, sondern – in Einklang mit der
Idee eines ‚Zeitgesprächs der Gesellschaft‘ – als ein Kommunikationszusammenhang, in dem
die Rollen der Ausgangs- und Zielpartner, der Kommunikatoren und Rezipienten, wechseln
können. In dieser Öffentlichkeit soll idealtypisch jede Meinung buchstäblich ‚zur Sprache‘
kommen. Die gängigen Einwände gegen solche Forderungen – die Teilnahme aller sei nicht
möglich, eine hinreichend rationale Verarbeitung der gesellschaftlichen Diskussionen empi-
risch nicht feststellbar – greifen in ihren pauschalen Fassungen zu kurz. Gerade weil eine
Beteiligung aller in demokratischen Öffentlichkeiten faktisch nicht möglich ist, gewinnt
schließlich die Idee, professionelle Journalisten damit zu beauftragen, gesellschaftliche Kom-
munikation vermittelnd und stellvertretend zu ermöglichen an Relevanz. Journalismus gewähr-
leistet die allgemeine Zugänglichkeit, indem durch Publikation Information und Interessen
transparent und ‚zugänglich‘ gemacht werden.96 Die angemessene Erfüllung dieser Erwartun-
gen setzt die Einhaltung kommunikativer Standards in der Vermittlung voraus.
Allerdings sind die Aussagen über entsprechende Wirkungen meist eher Prämissen als empiri-
sche Ergebnisse.99 Das Modell kommunikativen Handelns macht es möglich, diese Prämissen
zumindest mikrosozial zu begründen, da in den Fundamenten des kommunikativen Sprach-
gebrauchs Bindungskräfte angelegt sind, die sich vor allem in den illokutionären Bestandteilen
des Sprechaktes sowie in den kontrafaktischen Unterstellungen der Verständigungsbereitschaft
finden. Habermas begründet die sozial integrative Kraft der Verständigung mit einer hierarchi-
sierten Typologie unterschiedlicher Sprechakt-Formen, welche ausgehend von einer spezifi-
schen Sprecher-Intuition die soziale Interaktion durch je verschiedene Verwendungsweisen
von Sprache in einer kommunikativen Handlung prägen:100
(1) Mit lokutionären Akten drückt ein Sprecher einen propositionalen Sachverhalt aus. Sie
beziehen sich auf den Gehalt von Aussagesätzen oder von nominalisierten Aussagesätzen
(„etwas sagen“).
(2) Mit illokutionären Akten vollzieht ein Sprecher eine Handlung, indem er etwas sagt. Sie
beziehen auf den durch Behauptungen, Versprechungen, Befehle, Geständnisse u.ä. fest-
gelegten Modus des verwendeten Satzes („handeln, indem man etwas sagt“).
(3) Mit perlokutionären Akten erzielt ein Sprecher eine bestimmte Wirkung beim Hörer. Durch
das Ausführen einer Sprechhandlung bewirkt er etwas in der Welt („etwas bewirken, da-
durch daß man handelt, indem man etwas sagt“).
Setzt sich eine Sprechhandlung aus einem propositionalen (d.h. lokutionären) und einem
illokutionären Bestandteil zusammen, dann besteht das performative Ziel des Sprechers darin,
zu handeln, indem er etwas sagt. Perlokutionäre Effekte hingegen werden erst in einem strate-
gischen Handlungsmodus erzielt, in dem der Sprecher darauf zielt, bestimmte Wirkungen zu
erreichen. In diesem Sinne kann Habermas perlokutionäre Effekte als von außen an die
Sprechhandlung herangetragen verstehen, während ihr illokutionäre Effekte innewohnen, weil
sie sich aus dem Vollzug einer von Sprache getragenen Handlung ergeben.101 Deshalb kann die
97 Fragen der Integrationsfunktion spielen in der Medien- und Journalismusforschung nach wie vor eine wichtige
Rolle. Vgl. z.B. Vlasic 2004; Jarren 2000; Maletzke 1980b. Vgl. grundlegend zu sozialer Integration: Peters 1993.
98 Vlasic 2004, S. 67
99 Vgl. ebd., S. 62
100 Vgl. Habermas 1995 [1981], Bd. 1, S. 388ff.
101 Die illokutionären Satzteile eines Sprechakts sind anhand performativer Verben erkennbar. Aus propositiona-
len und illokutionären Bestandteilen zusammengesetzte Sprechhandlungen bestehen aus einem performativen
Satzteil (Illokution) und einer daran anschließenden Sachaussage (Proposition): z.B.: ‚Ich verspreche dir, mor-
gen zu kommen.‘ (vgl. Burkart/Lang 1995, S. 45) Sie sind als ‚selbstgenügsam‘ zu beschreiben, da sich in ihnen
der Modus des kommunikativen Handelns identifizieren lässt, für den der Wunsch, ein bestimmtes Ziel zu er-
reichen, keinesfalls notwendig ist.
2 Implikationen eines kommunikativen Handlungskonzepts 189
102 Allerdings mit Einschränkungen, da auch Perlokutionen unter bestimmten Umständen als explikationsfähig
betrachtet werden können. Vgl. dazu Kopperschmidt 1985, S. 105.
103 Die Abgrenzung von Journalismus und PR auf Basis der Universalpragmatik wäre ein lohnenswertes For-
schungsprojekt, das an dieser Stelle nicht weiter verfolgt werden kann. Zur Nutzbarkeit der Habermasschen
Überlegungen für die PR-Konzeption vgl. auch Burkart/Probst 1991, zu einer auch handlungstheoretischen
Perspektive auf PR allgemeiner: Zerfaß 1996.
104 Habermas 1995 [1981], Bd. 1, S. 376
105 Ebd., S. 406
106 Ebd., S. 398
190 IV Aspekte der kommunikativen Rationalität des Journalismus
als Ganzes dann wiederum die Proposition eines mit weiteren illokutionären Bestandteilen
angereicherten Kommunikationsangebotes des journalistisch Handelnden wird.
Ob der Aufbau einer illokutionär geprägten Kommunikationsbeziehung auch im Rahmen
medial-journalistischer Kommunikation möglich ist, dürfte umstritten sein. Tatsächlich ist
nicht davon auszugehen, dass in räumlich und zeitlich entzerrten sowie durch technische
Medien vermittelten und potenziell einseitigen Kommunikationssituationen ein der Human-
kommunikation vergleichbarer Interaktionszusammenhang generiert wird. Allerdings kann auf
eine Differenzierung von Habermas selbst zurückgegriffen werden, mit der er zwischen einem
schwachen und einen starken Gebrauch kommunikativen Handelns unterscheidet, der sich
danach bemisst, ob die Interaktionspartner ein tatsächliches Einverständnis über die erhobe-
nen Geltungsansprüche erzielen, d.h. der Hörer die Argumente des Sprecher übernimmt, oder
ob sie sich lediglich verständigen, d.h. der Hörer anerkennt, dass der andere im Lichte seiner
Präferenzen gute Gründe hat, ohne diese gleich auch für sich selbst zu übernehmen. Diese
Unterscheidung setzt an den Akzeptabilitätsbedingungen von Geltungsansprüchen an, die im
kommunikativen Handeln erhoben werden, berührt aber nicht dessen prinzipielle Grundkon-
struktion, die von illokutionär bestimmten Zielen geprägt ist:109
(1) Kommunikatives Handeln im schwachen Sinne (verständigungsorientierter Sprachgebrauch) ist für
Habermas dann gegeben, wenn sich die Verständigung auf Tatsachen und akteursrelevan-
te Gründe für einseitige Willensäußerungen wie einfache Imperative oder Ankündigungen
bezieht. Die Akteure beziehen sich in diesem Fall auf Wahrheits- und Wahrhaftigkeitsan-
sprüche. Verständigung bedeutet hier, dass der Hörer die Wahrheit der Aussage, deren
Aufrichtigkeit und Durchführbarkeit nicht anzweifelt.
(2) Kommunikatives Handeln im starken Sinne (einverständnisorientierter Sprachgebrauch) ist geprägt
davon, dass sich die Verständigung auch auf die normativen Gründe für die Wahl der Ver-
ständigungsziele selbst erstreckt. Die Akteure beziehen sich entsprechend auch auf inter-
subjektiv anerkannte Geltungsansprüche der Richtigkeit. Einverständnis bedeutet in die-
sem Fall auch, dass Sprecher und Hörer sich an gemeinsamen Werten orientieren und ge-
genseitige Verpflichtungen eingehen. Die Akteure gehen auch von einer gemeinsam unter-
stellten sozialen Welt aus. Erst in diesen Äußerungen bedienen sich die Interaktionspart-
ner vollständiger illokutionärer Akte, die eine konstative, eine normative und eine expres-
sive Geltungsdimension umfassen.
Neu an dieser nachträglichen Differenzierung ist die Einführung eines normativ weniger
anspruchsvollen Begriffs der schwachen kommunikativen Verständigung, die zwar ebenfalls
handlungskoordinierend auf der Basis illokutionärer Effekte wirksam wird, dabei aber nicht
von der Unterstellung gemeinsamer Werte ausgeht. Eine solche Verständigung im schwäche-
ren Sinne ist in journalistisch vermittelter Kommunikation sogar einseitig zu erzielen, wenn
Rezipienten die vom Ausgangspartner und/oder Journalisten erhobenen Geltungsansprüche
anerkennen. Nach Vlasic ist das die Grundlage einer gemeinsamen Situationsdefinition:
„Die übereinstimmende Definition von Situationen äußert sich in der gelungenen Koordination von sozialen
Interaktionen in einer Gesellschaft. Diese basiert auf einer sozialisierenden Funktion der Massenmedien: Ak-
teure erhalten durch die Rezeption von Medien das Wissen über allgemein anerkannte Werte und Normen.
Darüber hinaus lernen sie Rollen und Handlungsmuster kennen, die in bestimmten Situationen erwartet wer-
den, sowie die Codes, die solche Situationen anzeigen bzw. definieren.“110
109 Vgl. Habermas 1999, S. 116ff.. In der ‚Theorie des kommunikativen Handelns‘ beziehen sich die Habermas-
schen Äußerungen zum kommunikativen Handeln weitgehend auf den kommunikativ starken Modus.
110 Vlasic 2004, S. 178
192 IV Aspekte der kommunikativen Rationalität des Journalismus
Auf diese Wirkung journalistischer Medien spielt ein Praktiker wie der ehemalige Zeit-
Herausgeber Sommer an, wenn er deren Rolle als „Sinnvermittler in einer entgrenzten Welt“
verstanden wissen will.111 Eine über Vermittlung und Rezeption hinausgehende grundsätzlich
diskursive Auseinandersetzung mit Wertestrukturen ist dabei nicht gefordert und kann wohl
auch nicht konzipiert werden, ohne journalistisches Handeln normativ zu überfordern und
Rezeptionsverhalten empirisch unhaltbar zu idealisieren. In Einzelfällen mag dies vorkommen,
so dass auch ein stärkeres Einverständnis durch journalistische Kommunikation erzielt werden
kann. Als Regelfall soll diese Annahme hier aber nicht zugrunde gelegt werden.
„[…Z]u übersetzen sind vor allem abstrakte Daten über komplexe, öffentliche Tatbestände in anwendbare In-
formationen, die der einzelne in seine alltagsweltlichen Orientierungsmuster integrieren kann, die es ihm also
ermöglichen, Sachverhalte nicht nur zur Kenntnis zu nehmen, sondern sie auch zu bewerten und in ihrer Re-
levanz einzuschätzen.
Damit aber ändern sich grundlegend die Maßstäbe: es geht dann nicht mehr nur darum, sinnstörende Effekte
zu vermeiden, sondern – positiv gewendet – darum, jeweils nach den möglichen sach- und publikumsgerech-
ten sinn-konstituierenden Faktoren zu suchen, mit deren Hilfe an journalistische Transformationsprozesse von
Wirklichkeit auch publikumsspezifische Entdeckungsprozesse anknüpfen können.“112
Diese Variante des Vermittlungskonzepts lässt sich demnach als Kronzeugin für die Annahme
anführen, dass journalistisches Handeln notwendige kommunikative Modifikation und auch
Einordnung des Vermittelten bedeutet. In letzter Konsequenz wird hier die Prüfung kommu-
nikativ erhobener Geltungsansprüche durch Journalisten gefordert, da diese einen potenziell
unverstellteren Zugang zu den für eine solche Prüfung relevanten Informationen haben. Nicht
allein die Wiedergabe einer Äußerung oder eines Sachverhaltes, sondern auch die Darstellung
der ihnen zugrunde liegenden Handlungsziele und Handlungsmaximen macht journalistisches
Vermittlungshandeln aus. Aus dieser Sicht ist es die Aufgabe von Journalisten, stellvertretend
für die Rezipienten die Frage nach dem ‚Warum?‘ eines berichteten Vorgangs zu stellen, damit
diese ihn bewerten können, um so Betroffenheit und damit Teilhabe erlangen zu können.113
Journalistische Aufgabe ist demnach, nicht nur für die politisch gewählten Verfahrensweisen
und Entscheidungsergebnisse Aufmerksamkeit herzustellen, sondern auch für die dahinter
stehenden Motive und Denkprämissen sowie für die prognostizierten Folgen.114 Referenz-
punkt ist die einordnende Interpretation als Erweiterung klassischer Übermittlung von ‚Fakten‘
und Aussagen. Journalistische Aussagen werden verstanden als „Interpretationen von Wirklich-
keit“ (Geltungsanspruch der Wahrheit) und damit als „Ergebnis der – wenn auch nach Regeln,
also konsentierter Bedeutungszuschreibung geführten – Auseinandersetzung der Journalisten
mit der Umwelt im Rahmen und unter den Bedingungen subjektiv-individueller, wie auch
objektiv-institutionalisierter Handlungsprämissen“.115
Problematisch verbleibt in diesen Überlegungen, dass der Begriff der Übersetzung – wie
auch der der Vermittlung – in positivistischem Sinne das Vorhandenseins eines ursprünglich zu
Vermittelnden zumindest suggeriert, das vom journalistisch Handelnden lediglich bearbeitet
werden muss. Zu Recht ist kritisiert worden, dass eine solche Annahme Verständigung nicht
an Kommunikation, sondern an einen funktionalen Informationsaustausch koppelt und damit
zumindest potenziell zu einem ‚strategischen Ziel‘ journalistischen Handelns reduziert.116 Die
Idee der sozialen Konstruktivität des Berichteten fällt ebenso aus dem Blick wie der Gedanke
der kritischen Prüfung des ‚Übersetzten‘. Da Gottschlich sein Modell letztlich eben nicht
kommunikationstheoretisch oder anhand der von ihm eingeführten Prämissen des Symboli-
schen Interaktionismus fundiert, sondern eine erkenntnistheoretische Perspektive einnimmt,
aus der heraus journalistische Nachrichten wie ‚Fakten‘ erscheinen, die vorwiegend der Kon-
Mit dieser Forderung reagiert Merten auf den theoretischen Befund, dass Kommunikation –
auch publizistisch vermittelte – notwendigerweise auf einer reflexiven Strukturierung im
Rahmen relationaler Beziehungen zwischen den Kommunikationspartnern beruht. Anders als
in der face-to-face-Kommunikation allerdings muss diese reflexive Strukturierung, das heißt
das In-Beziehung-Setzen der kommunikativen Aussage zu ihren sachlichen, sozialen und
zeitlichen Rahmenbedingungen, in der journalistischen Medienkommunikation durch einen
Vermittler geleistet werden.
Dabei ist – anschließend an Mertens Überlegungen – zu unterscheiden zwischen der medial-
technischen Infrastruktur, welche die materiale Grundlage für die Entgrenzung sozialräumlich
gebundener Kommunikation bereitstellt und einem journalistischen Vermittlungshandeln, das sich
auch auf symbolisch-interaktionistischer Ebene um das Zustandekommen der Kommunikation
bemüht und entsprechend in die Verständigungsprozesse aktiv eingreift.120 Dazu bieten sich
117 Gottschlich (1980, S. 152) erkennt zwar dem Prinzip nach an, dass Journalismus als sozial verändernde Kraft
wirksam werden kann, wenn er „Negation des handlungsdeterminierenden Bestehenden und Projektion (bzw.
Antizipation) des Möglichen und Aufgegebenen“ als „konstitutive Merkmale“ eines verantwortungsbewussten
journalistischen Handelns identifiziert. Aber der Rückbezug auf vermeintlich prekäre Legitimationsfragen hin-
dert ihn daran, das weiter auszuformulieren, um Grundlagen für journalistische Berufskonzeptionen entweder
in der Gesellschaftstheorie oder aber in der Empirie zu finden. Journalismus soll vorwiegend die Kritik von
Gesellschaftsmitgliedern über die gesellschaftliche Wahrnehmbarkeitsschwelle heben. Obwohl eine journalisti-
sche Kritikfunktion zunächst als logisch-zwangsläufiger Ausfluss eines symbolisch-interaktionistischen Journa-
lismusmodells erscheint, bezweifelt Gottschlich (1980, S. 96) ihre Zulässigkeit, da sie keine eigenständige Kom-
petenz aufweise. Statt den mit dem Konzept des symbolischen Interaktionismus eingeschlagenen Pfad weiter
zu verfolgen, verbleibt Gottschlich in einfachen hermeneutischen Figuren, wenn er konstatiert, dass Sinn im-
mer nur „Sinn für jemanden“ sei (ebd., S. 176), bzw. dass die Verstehbarkeit journalistischer Mitteilungen an ih-
re „Verwendbarkeit durch die Rezipienten“ und damit an eine kooperative Beziehung zwischen Kommunikator
und Rezipient geknüpft sei. (ebd., S. 175) Baum (1994, S. 284) kritisiert: „Indem er Verständigung – qua journa-
listischer ‚Übersetzungsleistung‘ – zum strategischen ‚Ziel‘ journalistischen Handelns degradiert, verkommt die
kommunikationstheoretisch begründete Vokabel zur Floskel.“
118 Vgl. Merten 1976, S. 174
119 Ebd., S. 175
120 Auch abstrakt systemtheoretisch lässt sich mit Blick auf die erwartete journalistische Reflexivität konstatieren,
dass Journalismus „eine relativ stark vereinfachte Simulation anderer Systemperspektiven“ vornimmt; auch in-
dem er seine Relevanz und Neuigkeitskriterien denjenigen Systemen entnimmt, die er der Umwelt des von ihm
beobachteten Systems zuordnet (vgl. Kohring 1997, S. 256f.). Dies bedeutet z.B., dass Journalismus in der Be-
richterstattung über das Wirtschaftssystem nicht wirtschaftliche Kriterien zugrunde legt, sondern zum Beispiel
gesellschaftliche oder politische, um seine eigenen Relevanzentscheidungen zu treffen. Dies begründet eine ei-
genständige Vermittlungsleistung. Für den Journalismus als gesellschaftlichen Funktionsbereich mag daher gel-
2 Implikationen eines kommunikativen Handlungskonzepts 195
verschiedene Möglichkeiten an, die von der Bewertung anhand erwarteter Reaktionen Dritter
bis zur Negation der Äußerung reichen können.121 Der Vermittler hat die Gelegenheit, zwi-
schen diesen reflexiven Strukturierungsmöglichkeiten zu wählen, und gewinnt dadurch zusätz-
lich Einfluss auf den Kommunikationsprozess.
Anschlussfähig sind in dieser Hinsicht Überlegungen, die Langenbucher in der Forderung
nach journalistischer „Quellenkritik“ gebündelt hat.122 In diesem Modell, das dem Journalismus
das historisch-praktische Erkenntnisinteresse geisteswissenschaftlicher Hermeneutik zu-
spricht123, verbindet er den Gedanken des Ausfindigmachens der Quelle mit dem ihrer ange-
messenen Einordnung und Vermittlung sowie einer Prüfung ihrer Geltungsansprüche. Journa-
lismus prüft in diesem Verständnis die Gründe einer öffentlichen oder öffentlich relevanten
Aussage.124 Dies bedarf keiner zusätzlichen Mandatierung oder Legitimierung, sondern ist ein
konsequenter Ausfluss der Reflexivität kommunikativen Handelns, von der auch kommunika-
tive Vermittlung geprägt ist. Journalistisches Handeln setzt – wenn es mehr sein soll als das
simple Durchleiten fremder Information – auch vom vermittelnden Akteur das Verstehen der
vermittelten Sachverhalte voraus und verlangt deshalb vom journalistisch Handelnden eine
kommunikative Aneignungsleistung, die in der Prüfung der erhobenen Geltungsansprüche und
im Beziehen einer Stellung zum Vermittelten zum Ausdruck kommt.125
Der Gedanke der reflexiven Vermittlung weist – auch terminologisch anschlussfähiger als
metaphorische Begriffe wie ‚Übersetzen‘ – darauf hin, dass Vermittlung von Kommunikation
selbst kommunikativ ist und sich damit zum Vermittelten in Beziehung setzen muss. Diese
Reflexivität ist jedem kommunikativen Handeln, auch dem journalistischen, inhärent. Sie
ermöglicht erst die Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen und kulturellen Deutungskon-
texten. Geißler warnt drastisch davor, Vermittlung ohne diese Eigenständigkeit journalistischer
Kommunikation zu konzipieren:
„Es wäre falsch, die Vermittlung bzw. Verstärkung von Interessen als eine ‚objektive‘, ‚unparteiische‘, ‚wert-
neutrale‘ Wiedergabe von Realität aufzufassen, wie es häufig getan wird, und dieser ‚objektiven‘ Berichterstat-
tung die ‚subjektive‘, ‚parteiische‘ Kritik, Kommentierung oder Standortbestimmung gegenüberzustellen. Eine
solche Etikettierung der Vermittler- bzw. Sprecherrolle mit erkenntnistheoretischen Kategorien verkennt
(oder verschleiert), daß Realität nur – meist mehrfach – ‚subjektiv‘ gebrochen in den Massenmedien widerge-
spiegelt werden kann.“126
ten, dass er „sachlich-sozial kommunikativ getaktet“ arbeitet, wie Görke (1999, S. 304) schreibt; dass er also re-
flexiv gegenüber den ihn umgebenden Rationalitäten bleibt.
121 Vgl. zu den verschiedenen Einordnungsoptionen – aus allerdings systemischer Sicht – Merten 1976, S. 175.
122 Langenbucher 1986, S. 176. Der Autor richtet diese Forderung zunächst vornehmlich gegen einen sich als
Verlautbarungsinstanz verstehenden Wissenschaftsjournalismus, verweist aber darauf, dass diese Kritikforde-
rung auch an den politischen Journalismus gerichtet wird. Baum (1994, S. 295f.) greift diese Forderung in seiner
Studie wieder auf.
123 Vgl. dazu auch Pöttker 2004.
124 Vgl. Kunczik 1988, S. 257
125 Werden diese kommunikativen Konstitutiva auf theoretischer Ebene suspendiert, wird Journalismus – wie in
der legitimistischen Publizistik – seines kommunikativen Kerns entledigt. Übrig bleibt ein zweckrational beruf-
liches Handeln, das sich im Befüllen von Zeitungsseiten, Programmplätzen oder Websites, in dem, was Neu-
deutsch ‚content production‘ genannt wird, erschöpft und jede Verbindung zu gesellschaftlichen Aufgaben
längst gekappt hat. Beiträge zur sozialen Orientierung, geschweige denn zur kommunikativen Koordination
von Gesellschaftlichkeit, sind von derartigen ‚Leistungen‘ nur noch höchst mittelbar über latente Folgen einer
zufälligen kommunikativen Rezeption zu erwarten. Dass diese – angesichts der diesem Rezeptionsakt zugrunde
liegenden Täuschung – zumindest potenziell in die Irre führen können, dürfte außer Frage stehen.
126 Geißler 1979, S. 176. Bentele (1982, S. 131) spricht davon, dass Objektivität nur durch subjektive Akte
hindurch möglich sei.
196 IV Aspekte der kommunikativen Rationalität des Journalismus
Auch in der Debatte über die Möglichkeit journalistischer Objektivität wird einer schlichten
‚Ausgewogenheit‘ der Berichterstattung eine Absage erteilt. Vielmehr entfalte sich aus dem
Streben nach Objektivität ein kritisches Potenzial, das unter anderem zur Thematisierung von
Strukturen und zur Erhöhung der Transparenz gesellschaftlicher Beziehungen führe.127
127 Vgl. zu dieser Annahme Bentele 1982, S. 148; auch Aufermann 1982.
128 Eurich 1980b, S. 135f; vgl. z.B. auch Haller 2002, S. 46; Burkart 1998a, S. 372; Bonfadelli 2001, S. 39
129 Stuiber 1983, S. 71f.
130 Vgl. für diese Sicht Ronneberger 1964, S. 295: „Dem Publikum, d.h. den Konsumenten der Informationen,
dienen die hergestellte Öffentlichkeit und die sich in ihr aussprechenden Interessen zur Orientierung in einem
Spiel, das sie selbst zwar nicht mitspielen, dessen Bedeutung für ihre Existenz sie aber immerhin vermuten.“
131 Auch das Bundesverfassungsgericht spricht die Aufgabe einer derartigen Orientierung explizit an: „Soll der
Bürger politische Entscheidungen treffen, muß er umfassend informiert sein, aber auch die Meinungen kennen
und gegeneinander abwägen können, die andere sich gebildet haben. Die Presse hält diese ständige Diskussion
in Gang; sie beschafft die Informationen, nimmt selbst dazu Stellung und wirkt damit als orientierende Kraft in
der öffentlichen Auseinandersetzung.“ (BVerfGE 20, S. 174f. [„Spiegel-Verlag“]). In dem Urteil vom 5. Januar
1966 befasst sich das BVerfG mit der Verfassungsmäßigkeit von Durchsuchungen in Presseräumen.
2 Implikationen eines kommunikativen Handlungskonzepts 197
„Aufklärende Tradition im Journalismus bedeutet, alle Informationen öffentlich zur Verfügung zu stellen, die
Orientierung, Verhalten und Handeln ermöglichen, das gemeinschaftsbezogen ist. Umgekehrt ist alles Wis-
sen, ist alles Handeln daran zu messen, welchen Stellenwert es für die Gesellschaft hat. Interessenpluralität
deutlich zu machen wie auch die pluralen Interessengruppen immer wieder mit Informationen zu konfrontie-
ren, ist die politische und kulturelle Leistung der Publizistik, gleichsam ihr Sollwert, ihr Maßstab, an dem sie
empirisch zu messen ist.“132
Als im Zuge der neuzeitlichen Gesellschaftsentwicklung die Umwelt der Menschen komplexer
und differenzierter geworden war, gewannen Zeitungen und Zeitschriften als „Informations-
und Orientierungsmittel“ an Relevanz, wie Groth hervorhebt.134 Maßgeblich die Herausbil-
dung des schriftstellerischen Journalismus hat die Orientierungsaufgabe von Medien und
Journalismus akzentuiert. Angesichts der wenig rezipientenfreundlichen Form der nachrichtli-
chen Berichterstattung früher Zeitungen, die allenfalls als „Medium defensiver Orientierung“
taugte135, erwuchs in breiten Teilen des potenziellen Publikums ein Defizit an Orientierungs-
und Deutungsangeboten für alle diejenigen, die auch Nachrichten rezipieren wollten, denen
aber das Vorwissen zum Verständnis der voraussetzungsreichen Texte fehlte; ‚newe Zeitungen‘
oder Flugschriften konnten diese Aufgabe nicht adäquat erfüllen. Das Räsonnement der
bürgerlichen Öffentlichkeit trachtete daher auch danach, die öffentliche Kommunikation zu
einem Forum für Meinungs- und Willensbildungsprozesse zu weiten, in denen der Einzelne
Orientierung finden konnte. Neue journalistische Angebote sollten die „Nachfrage nach
weiterführender politischer Orientierung“ stillen.136
„Die unkommentierte sachliche Meldung der früheren Zeit galt jetzt als fade, ja sogar als Zeichen dafür, daß
der Journalist die ihm gewährte Pressefreiheit nicht für seine ‚erzieherische‘ und kritische Aufgabe nutze.
Journalisten stellten den Anspruch an sich selbst, Nachrichten nicht nur weiterzugeben, sondern auch einzu-
ordnen und zu bewerten. Die Vermischung von Nachricht und Kommentar wurde selbstverständlich, ja sie
galt sogar als Ideal des journalistischen Stils.“137
Gründe dafür sind aus der Sicht heutiger Medienhistoriker zum einen das Erfüllen einer
Orientierungsfunktion für die Leser und zum anderen das Erfüllen einer Sprachrohrfunktion
für diejenigen gesellschaftlichen Gruppen, die selbst keinen Zugang zur öffentlichen Kommu-
nikation haben, mit dem Ziel der Journalisten, ‚öffentliche Meinung‘ zu artikulieren.138 Der
Gedanke, dass Journalismus für Orientierung sorgen könnte, ist damit an ein aktives Element
der kommentierenden Einordnung gebunden. Journalismus schafft Orientierung entsprechend
durch die Übermittlung und Vermittlung als relevant erachteter Informationen sowie durch die
kompetente Bearbeitung und Bewertung dieser Informationen. Auch die kommentierende
Einordnung dient letztlich der Vermittlung und Bearbeitung relevanter Informationen im
Sinne einer grundlegenden Thematisierungsleistung.139
Die Erfüllung der Orientierungsaufgabe hängt von der Qualität der journalistischen Be-
richterstattung ab. Diese kann nach Rager anhand der fünf Maßstäbe Aktualität, Relevanz,
Richtigkeit, Vermittlung und Ethik bewertet werden, für die Journalismus spezifische Entschei-
dungsprogramme entwickelt hat, nach denen diese Kriterien im Alltag ‚klein gearbeitet‘ werden
können.140 In der Vermittlungsdimension geht es um Fragen der Gestaltung von Information,
um Verständlichkeit ebenso wie um Formatwahl und Stil. Die Vermittlungskompetenz des
Journalismus umfasst das Reportieren des Ereignisses ebenso wie das Einordnen und Nach-
fragen. Journalismus thematisiert nicht nur, sondern stellt auch Anknüpfungspunkte für die
weitere gesellschaftliche Befassung mit dem berichteten Ereignis oder Thema bereit oder zeigt
diese auf. Das kann auch dadurch geschehen, dass der Journalist selbstbewusst eigene Überle-
gungen und Interpretationen in der Vermittlung kenntlich macht, statt vermeintlich neutral das
Geschehen zu rekonstruieren.141 Genauso sollten, so Rager, Vermittlungsformen erprobt
werden, welche zum Beispiel durch unterhaltende Elemente die Rezeptionsschwelle senken
und komplexe Inhalte durch angemessene Vermittlung auch denjenigen Rezipientengruppen
nahe bringen, die solchen Inhalten eher fern stehen.142 Auch Lünenborg betont in ihrer Cultu-
ral Studies basierten Studie, dass die spezifische Leistung des Journalismus „nicht in der
Vollständigkeit und Systematik der Datensammlung, sondern in der spezifischen Kontextuie-
rung, der Herstellung von Deutungs- und Interpretationszusammenhängen“ liege.143
Dass eine angemessene Orientierung über gesellschaftliche Sachverhalte gerade jenseits der
rein informatorischen Nachrichtenangebote geschieht, lässt sich auch Journalismuskonzepten
entnehmen, die sich – in Abgrenzung zu den Routinen des Nachrichtenjournalismus – auf
literarische und subjektivische Elemente der Berichterstattung beziehen.144 Haas sieht ein
wesentliches qualitatives Merkmal dieser bisweilen unter dem Begriff ‚New Journalism‘ zu-
sammengefassten Angebote darin, dass sie versuchen, die Herstellung von Kontexten für die
Rezipienten zu gewährleisten und sich damit bewusst von den Angeboten der Mainstream-
Medien absetzen. Der zunehmenden Orientierungslosigkeit in der informatorischen und
kommunikativen Inflation differenzierter Gesellschaften versucht der New Journalismus mit
dem Nachrichtenwert ‚Zusammenhang‘ zu begegnen.145
Die Angebote eines besonders auf solche Aspekte zielenden ‚neuen‘ oder literarischen
Journalismus beziehen sich auf ein Objektivitätsverständnis, das die Authentizität der persönli-
chen Erfahrung gegenüber den abstrakten und repräsentativen Berichten klassischer journalis-
tischer Texte hervorhebt. Durch den Verzicht auf die gängigen professionellen Abstraktionen
sollen Rezeptionsbarrieren eingerissen werden, um ein Verstehen der berichteten ‚Zusammen-
hänge‘ aus der Perspektive des ‚betroffenen Individuums‘ zu erleichtern. Die Subjektivität der
Erzählperspektive muss dabei nicht in einem Widerspruch zur ‚Objektivität‘ (bzw. zur subjek-
tiven Wahrhaftigkeit) der berichteten Ereignisse oder ‚Fakten‘ stehen. Der häufig diskutierte
vermeintliche Widerspruch von Subjektivität und ‚Objektivität‘ verliert an Schärfe, wenn er
vornehmlich als Kennzeichnung unterschiedlicher Geltungsansprüche behandelt wird, die
einmal die Wahrheit ‚objektiver‘ oder die Richtigkeit sozialer ‚Tatsachen‘ (Objektivität) und ein
anderes Mal die Wahrhaftigkeit subjektiver Expressionen (Subjektivität) meint. Beides ist
jedem kommunikativen Handeln stets inhärent. Subjektiv und objektiv zu berichten ist kein
Widerspruch:
„Objektivität läßt sich […] auch durch Offenlegung der Subjektivität, durch die Integration des Reporters in
die Berichterstattung erreichen. Dadurch verlieren komplexere Themen ihre Abstraktheit, Zusammenhänge
werden leichter nachvollziehbar.“146
Der nur scheinbare Gegensatz zwischen der Objektivität des Berichteten und der Subjektivität
der Perspektive des Berichterstatters wird in solch einem Journalismusansatz überwunden.
Durch die persönliche Identifizierbarkeit des Autors oder auch durch die Literarisierung der
Berichterstattung werden Leseanreize geschaffen, die eine (verstehende) Rezeption erleichtern
sollen.147 Lesern werden so kommunikative Angebote unterbreitet, die sich nicht zwangläufig
in der oft als schematisch kritisierten Sprache der Nachrichten bewegen und gerade deshalb
lebensweltliche Nähe und Orientierung bieten sollen. Dass unter dem Gesichtspunkt einer
lebensweltnahen journalistischen Vermittlung und Kritik ein subjektiver und meinungsfreudi-
ger Journalismus zur sozialen Orientierung beitragen kann, hat bereits Groth hervorgehoben:
„Es ist also durchaus nicht so, daß die Beschränkung der Zeitung auf das Referat die Wirkungskraft der Pres-
se ausschließt, dem Leser die Selbständigkeit der Urteilsbildung sichert; es kann im Gegenteil gerade das Re-
ferat oder die Form des Referats ein Mittel werden, ein unkritisches, das Gebotene nicht prüfendes Publikum
zu leiten und irre zu leiten, während das Räsonnement den politisch geschulten Lesern, die sich selbst ein Ur-
teil bilden wollen, die Möglichkeit einer gründlichen Orientierung gibt und deshalb von ihnen gesucht und ge-
fordert wird.“148
Historisch gilt das nicht nur für das Räsonnement, sondern für eine Vielzahl populärer journa-
listischer Vermittlungsformen. Für die Journalistik müsste dies bedeuten, dass eben nicht nur
die Angebote des vermeintlich seriösen Informationsjournalismus allein ausschlaggebend sind
für die Orientierungsleistung des Journalismus, sondern im gleichen Maße auch „unterhaltsa-
me, beratende, ironisierende, marktschreierische, erzählerische, boulevardeske, populäre
Formen der Herstellung und Bereitstellung von Themen zur öffentlichen Kommunikation“149,
die bereits zu Aufklärungszeiten wichtige Bestandteile der Popularisierung von Wissensvermitt-
lung150 und der Ausbreitung gesellschaftlicher Selbstverständigungsprozesse waren.
Letztlich lassen sich auch aus solchen historischen Beispielen Anforderungen an eine Ori-
entierungsleistung des Journalismus deduzieren, die durch unreflektiertes Weiterleiten proposi-
tionaler Aussagen kaum zu erbringen ist. Sowohl der Metapher des Übersetzens als auch dem
Konzept der reflexiven Vermittlung lässt sich die Idee der kommunikativen Prüfung von
Aussagen entnehmen, aus der heraus – auf zunächst noch sehr einfachem Niveau – erste
heuristische Ansätze eines Konzepts diskursiver Repräsentanz durch Journalismus als einer Facette
der Rolle als Diskursanwalt entwickelt werden.
Inwieweit Orientierungsleistungen durch Journalismus erbracht werden können, ist auch
davon abhängig, inwieweit ein kommunikativer Journalismus innerhalb der Massenmedien zur
Entfaltung gelangen kann. Nicht die Rückbindung an extern gesetzte moralische oder rechtli-
che Normen kann adäquate soziale Orientierung durch Journalismus gewährleisten, sondern
die radikale Selbstprüfung kommunikativen Handelns und die argumentative Begründung der
selbst erhobenen Geltungsansprüche. Eine solche Perspektive nimmt Journalismus nicht nur
ernst, sondern erinnert ihn an seine immanente ‚Verpflichtung‘ auf Kommunikativität und
Diskursivität.151 Es ist davon auszugehen, dass sich in der Analyse journalistischer Kommuni-
kation Rationalisierungs- und damit Aufklärungseffekte beschreiben lassen, wenn man Journa-
lismus als ein reflexives kommunikatives Handeln versteht, das sich selbst und anderen über
seine eigenen Geltungsgrundlagen Auskunft zu geben vermag. Auch journalistisches Vermitt-
lungshandeln beruht letztlich auf einer kommunikativen Reflexivität, die sich auch darin
ausdrückt, dass – in Form von Übersetzungsleistungen oder gar von ‚Quellenkritik‘ – auch die
vermittelte Kommunikation geprüft und sprachlich eingeordnet wird.152
Diese Vorstellungen von Orientierung durch journalistische Bereitstellung und durch Rezepti-
on unterschiedlich kommunikativer journalistischer Angebote lassen sich durch ein vollständig
anderes Verständnis ergänzen, das der mikrosozialen Vorstellung der Orientierung durch
149 Klaus/Lünenborg 2000a, S. 204; vgl. auch Rager/Müller-Gerbes/Weber 1993; Brosda 2000c. Prakke (1960b)
spricht diesbezüglich von der „Soziusfunktion der Presse“.
150 Vgl. Pöttker 2002a
151 Vgl. zu dieser Immanenz grundsätzlich Kopperschmidt 1985, S. 100: „Argumentationen sichern die kommuni-
kativen Existenzbedingungen gesellschaftlich lebender und daher kooperationsbedürftiger Subjekte unter Be-
dingungen, die traditionsverbürgten Koordinationsmechanismen ihre Wirksamkeit genommen haben, die aber
eine totale Umstellung auf außerargumentative Koordinationsmechanismen (wie Macht, Autorität, Geld, Tradi-
tion usw.) (noch) nicht zulassen.“ Journalismus konstituiert solch einen gesellschaftlichen Handlungsbereich.
152 Von dieser Orientierung in einem tieferen Sinne ermöglichenden Reflexivität journalistischen kommunikativen
Handelns nochmals zu unterscheiden ist die Frage, ob Orientierungsleistungen auf Partizipation zielen, ob sie
also in einem offenen Diskurs gemeinsam oder aber vor einem weitgehend passiv rezipierenden Publikum in
repräsentativen Expertendiskursen erbracht werden.
2 Implikationen eines kommunikativen Handlungskonzepts 201
Rezeption eine makrosoziale Perspektive der Orientierung durch Diskurs zur Seite stellt. Während
vor allem in der Kommunikationswissenschaft klassisch davon ausgegangen wird, dass durch
journalistische Information den Rezipienten Orientierung ermöglicht wird, so rückt aus der
Perspektive des Zusammenhangs von kommunikativem Handeln und lebensweltlicher Einge-
bundenheit Orientierung als das Ergebnis eines (gesellschaftlichen) kommunikativen Prozesses
in den Blick. Medien und Journalismus tragen aus dieser Perspektive nicht mehr nur zur
Vermittlung von Orientierungswissen bei, sondern sie werden als eine soziale Struktur betrach-
tet, die einen gesellschaftlichen Selbstverständigungsdiskurs gewährleistet, in dem sich die
Akteure über ihre soziale Situation in der Gesellschaft kommunikativ selbst orientieren. Diese
zweite Perspektive, welche die ‚klassische‘ keinesfalls ersetzen, sondern um einen sozialwissen-
schaftlich makrosozialen Blickwinkel ergänzen soll, verweist in letzter Konsequenz auf die
kommunikative Bedingtheit kultureller Verweissysteme und damit auf die Möglichkeit, sie
diskursiv zu (re)produzieren und sich auf diesem Wege verstehend in ihnen zu orientieren. Sie
bildet einen Rahmen, innerhalb dessen die orientierenden Aushandlungsprozesse in journalis-
tisch-medialer Produktion und Rezeption beschrieben und verstanden werden können.153
Journalistisches Handeln trägt in erheblichem Maße dazu bei, dass sich Gesellschaft dar-
über verständigen kann, in welcher Situation sie sich befindet und welchen ethisch-politischen
Zielen sie folgt. Damit ist vor allem die Aufgabe der Vermittlung des Zeitgesprächs angespro-
chen, in dem eine solche gesellschaftliche Situationsdefinitionen kommunikativ hervorge-
bracht, sowie Ziele und Mittel diskutiert werden. Zu gewährleisten, dass vergleichbare Verein-
barungen auch in ausdifferenzierten, sozial wie räumlich weit ausgedehnten Gesellschaften
möglich bleiben, ist eine Aufgabe des Journalismus. In Modellen der Integrationsleistungen
medialer oder journalistischer Kommunikation „[…] wird der integrierende Einfluss der
Medien als Herstellung bzw. Ermöglichung übereinstimmender Definitionen von Situationen
konzipiert“.154 Diese wird vor allem dann virulent, wenn bisherige Gewissheiten prekär werden
und der erneuten Klärung bedürfen. Journalismus richtet sich – das zeigt die einschlägige
Forschung zur Auswahl von Nachrichten mehr als deutlich – aus seiner eigenen aktualitäts-
und relevanzbezogenen Selektionslogik heraus eher auf Dissens, oder allgemeiner auf Verände-
rungen, mithin auf prekäre Geltungsansprüche.155 Dieser Umstand ist bereits historisch ange-
legt.156 Geltungsansprüche werden in kommunikativen Verständigungsprozessen dann prekär,
wenn ein Interaktionspartner einen Einwand gegen einen erhobenen ‚objektiven‘, subjektiven
oder sozialen Geltungsanspruch formuliert und den Partner somit dazu zwingt, die entspre-
chende Behauptung durch Argumente zu stützen. Dies geschieht in Form von Diskursen, in
denen die Geltungsansprüche streng ausgerichtet an der Kraft des besseren Arguments einer
Prüfung hinsichtlich ihrer Gültigkeit und Verallgemeinerbarkeit unterzogen werden.
In der Theorie werden unterschiedliche Diskurse für die Bearbeitung der jeweils prekären
Geltungsansprüche konzipiert: Geltungsansprüche der Wahrheit werden im theoretischen Dis-
kurs, Geltungsansprüche der Richtigkeit im praktischen Diskurs expliziert und geprüft. Für
153 Diese Orientierungsleistung des Journalismus ist anschlussfähig an zeitungswissenschaftliche Konzeptionen des
Zeitgesprächs der Gesellschaft, welches durch Journalismus zu gewährleisten ist und der Orientierung einer
größeren sozialen Gruppe über ihre gemeinsame Situation zu dienen hat.
154 Vlasic 2004, S. 148
155 Vgl. Weischenberg 2001, S. 23ff.; Wilke 1984a; Schulz 1976
156 Darauf verweist Wilke (1984a, S. 224f.), der in seiner historischen Studie zum Nachrichtenjournalismus
konstatiert: „Massenmedien wurden sozial institutionalisiert zur periodischen Verbreitung von Neuigkeiten.
Daß sich Neuigkeit als ein ebenso zentraler wie invarianter Nachrichtenwert darstellt, deutet darauf hin, daß es
sich hier um eine anthropologische Konstante handelt.“
202 IV Aspekte der kommunikativen Rationalität des Journalismus
Geltungsansprüche der Wahrhaftigkeit gibt es – abgesehen von den Sonderformen des therapeu-
tischen Diskurses (z.B. in der Psychiatrie) und des ästhetischen Diskurses (z.B. in der Kunst) – keine
übergreifende Diskursform, da Wahrhaftigkeitsansprüche im strengen Sinne nicht argumenta-
tiv begründet, sondern nur durch Handlungskonsistenz belegt werden können.157
Die Geltungsansprüche der Wahrheit und der Richtigkeit aber hält Habermas, trotz der
Differenzen in ihrer Konstitution, für prinzipiell miteinander vergleichbar; er billigt damit auch
der Moral einen kognitiven Gehalt zu, dessen Unbedingtheit sich im weitesten Sinne aus der
Unhintergehbarkeit lebensweltlicher Annahmen im Ganzen herleiten lässt.158 Die Annahme,
dass Geltungsansprüche in rationalen Diskursen geklärt werden können, in denen potenzielle
Einwände gegen den Anspruch des Sprechers erhoben werden, bindet sowohl die kognitive
Wahrheit als auch eine kognitiv verstandene moralische Richtigkeit zurück an die argumentativ
gestützte Rechtfertigung der auf sie bezogenen Äußerungen. Sie rekurriert damit auf einen
internen Zusammenhang zwischen dem Geltungsanspruch und seiner Rechtfertigung, der eine
Einlösung des Anspruchs für den Fall nahe legt, dass alle möglichen Einwände hinreichend zu
entkräften sind. In diesem Fall können der problematisierte Gegenstand oder die problemati-
sierte Norm aus Teilnehmerperspektive wieder in den Modus lebensweltlicher Selbstverständ-
lichkeit zurückfallen. Beide bleiben aber potenziell fallibel, da nicht ausgeschlossen werden
kann, dass nicht doch in einer späteren Situation erneuter Problematisierung weitere Einwände
erhoben werden können, die die zunächst akzeptierte Ursprungsaussage entkräften können; in
diesem Sinne ist eine letztgültig ‚wahre‘ Aussage nicht möglich. Allerdings übersetzen die
Teilnehmer in lebensweltlichen Verständigungsprozessen zunächst eingelöste Geltungsansprü-
che in als ‚wahr‘ oder ‚richtig‘ unterstellte Handlungsgewissheiten zurück, da Handeln ohne ein
für die Situation als gesichert angesehenes Wissen kaum möglich wäre. Journalismus kann dazu
beitragen, diese lebensweltlichen Fundamente gesellschaftsweit zu diffundieren.
Während aber Geltungsansprüche der Wahrheit bezogen sind auf eine der Sprache zugäng-
liche ‚objektive Welt‘, deren Eigensinnigkeit den Rechtfertigungen von Existenzannahmen
widersprechen kann, konstituiert sich die ‚soziale Welt‘ intersubjektiv geteilter moralischer
Normen ausschließlich im Diskurs. Geltungsansprüche der Richtigkeit bewähren sich nicht in
einer vom Diskurs zu unterscheidenden Handlungspraxis, in der sich Unterstellungen bezogen
auf die objektive Welt aufgrund von deren Eigensinnigkeit als unwahr erweisen können,
sondern nur im Diskurs selbst. Ihnen fehlt ein genuin rechtfertigungstranszendenter Bezugs-
punkt, der „[…] über den Diskurs herausragt und die einsichtige Selbstbildung des Willens der
Beteiligten transzendiert“.159 Der Entwurf eines gemeinsamen ‚moralischen Universums‘
fungiert somit als funktionales Äquivalent zur Transzendenz einer als gemeinsam unterstellten
‚objektiven Welt‘. Sobald wir in eine Argumentation eintreten, stehen die normativ anspruchs-
vollen Grundlagen dieser idealen inklusiven Gemeinschaft nicht mehr zur Disposition, auch sie
greifen somit, wenn auch auf andere Weise als die ‚objektive Welt‘, über den Rahmen des
kommunikativen oder diskursiven Verständigungsprozesses hinaus. Die Beschränkungen der
Diskurspraxis werden allerdings durch das Aufgehen der ‚sozialen Welt‘ in ihrer sprachlichen
Konstitution aus sich selbst heraus erzeugt.
Richtigkeit lässt sich daher nicht an Wahrheit assimilieren, sondern nur als wahrheitsanalog
verstehen. Durch diese Analogisierung kann auch in nachmetaphysischen Lebenswelt-
157 Vgl. Habermas 1995 [1981], Bd. 1, S. 39ff.; siehe auch Kuhlmann 1999, S. 38ff.; Brosda 2002a
158 Vgl. zum Folgenden: Habermas 1999, S. 271ff.; abweichend: Kuhlmann (1999), der nur Geltungsansprüche der
Richtigkeit, nicht aber solche der Wahrheit für diskursfähig und damit für kommunikativ belegbar hält.
159 Habermas 1999, S. 297
2 Implikationen eines kommunikativen Handlungskonzepts 203
Zusammenhängen eine binäre Kodierung von Richtigkeitsansprüchen, die zunächst nicht mehr
denkbar scheint, aufrechterhalten werden, um so den normativ gestützten Zusammenhalt zu
bewahren. Dass die Richtigkeit moralischer Normen in einem kognitiven Sinne als analog zur
Wahrheit vermeintlich objektiver Tatsachenbehauptungen verstanden werden kann, lässt sich
nach Habermas aus der Universalität des Geltungsbereichs erklären, den die Kommunikations-
teilnehmer in praktischen Diskursen herstellen. Dieser auf Inklusion aller Betroffenen und
Prüfung aller möglichen moralischen Argumente hin ausgerichtete Bereich bildet in seiner –
wenn auch konstruktiven – Beschaffenheit, ein funktionales Äquivalent zu den potenziell
manifesten Beschränkungen, die die ‚objektive‘ Welt den Geltungsansprüchen der Wahrheit
auferlegt. In der intersubjektiven Konstitution einer Wir-Perspektive aller Beteiligten liegt der
Schlüssel zum Moralverständnis einer sozialen Welt, die zwar nicht wie die ‚objektive‘ für die
Teilnehmer unverfügbar ist, die aber einen ähnlichen Status dadurch erlangt, dass sie von allen
geteilt wird, und damit für das Individuum ebenfalls nicht als Ganzes zur Disposition steht.
Ein kommunikativer Journalismus trägt wesentlich dazu bei, dass diese ‚soziale Welt‘ auf
gesellschaftlicher Ebene in Kommunikation geschaffen wird.
Insofern ergibt sich eine erhöhte Notwendigkeit, von journalistischem Handeln den Bezug
zu einer Diskursivität zu erwarten, die es erlaubt, kommunikative Konflikte auch kommunika-
tiv zu be- und verarbeiten. Nur so kann journalistisches Handeln als ein Beitrag zum gesell-
schaftlichen Aushandeln von makrosozialen ‚Situationsdefinitionen‘ begriffen werden. Journa-
lismus ist damit in erster Linie auf Situationen bezogen, in denen sich der verständigungsorien-
tierte Grundcharakter von Sprache besonders prominent zeigt, weil kommunikative Alltags-
routinen nicht mehr ausreichen und miteinander kommunizierende Gesellschaftsmitglieder
einen kritisch gewordenen Geltungsanspruch im Falle eines Dissenses auf einem anderen Weg
der Kommunikation, dem Diskurs, zu begründen und zu klären versuchen.
Augenscheinlich sind die journalistischen Nachrichtenfaktoren auch eine Reaktion auf das
individuelle wie gesellschaftliche Bedürfnis, ungeklärte Situationen zu erkennen, zu strukturie-
ren und einer Klärung zuzuführen. Rager verweist darauf, dass es nicht der Neuigkeitswert
eines Ereignisses allein ist, der journalistisches Handeln bei der Selektion leitet, sondern dass
Entscheidungen hinsichtlich der Relevanz eines Berichterstattungsgegenstandes hinzutreten
müssen. Diese sind Schlüsselkriterien, wenn es darum geht zu beurteilen, von welcher Qualität
journalistische Selektionsentscheidungen sind, die mit dem Blick auf die vermittlungsnotwen-
dige Reduktion von Komplexität getroffen werden. Generell gilt daher, dass die Informationen
weiter verarbeitet werden, die als „neu und wichtig“ eingestuft werden.160 Es kann davon
ausgegangen werden, dass Vorgänge, in denen gesellschaftliche Konsense brüchig werden oder
aber Ereignisse gegen Normen verstoßen und diskutiert werden müssen, zu genau diesen
Informationen zählen. Wobei gleichzeitig anzunehmen ist, dass durch öffentliche Kommunika-
tion weniger Konsense wieder hergestellt, als Korridore für Dissense definiert und grundle-
gende Verfahrensregeln der Konfliktregelung bekräftigt werden.161
Journalistisches Handeln hat das Potenzial, Bürgern Orientierung durch Informationsre-
zeption zu ermöglichen und Plattform bzw. Katalysator eines orientierenden gesellschaftlichen
Selbstverständigungsdiskurses sein zu können.162 In den Denkfiguren des symbolischen
Interaktionismus ist jene Reflexivität des intersubjektiven Austausches angelegt, aus der sich
Orientierung in der Handlungskoordinierung durch Kommunikation ergeben kann und die in
Beziehung zu setzen wäre zu den Überlegungen hinsichtlich eines durch Journalismus auf
Gesellschaftsebene konstituierten ‚kulturellen Diskurses‘, den zum Beispiel auch die Cultural
Studies thematisieren.163
Leistet die traditionelle nachrichtliche Vermittlung von Informationen vorwiegend die en-
ger begriffene Orientierung durch Information auf einer eingeschränkten propositional-
kognitiven Ebene für ‚Eingeweihte‘, die über ausreichendes Vor- und Kontextualisierungswis-
sen verfügen, so kann Journalismus in seiner ganzen Breite kommunikativer Möglichkeiten
selbst als eine Quelle bzw. ein Forum der Orientierung im Gespräch verstanden. In den angesproche-
nen Angeboten lassen sich eben auch jene aktiveren Kommunikationsangebote finden, durch
deren kritische Prüfung gemeinsame Situationsdefinitionen durch die Diskursteilnehmer
‚erarbeitet‘ werden. Der medial gewonnene Überblick ist eine zentrale Voraussetzung dafür,
sozial im größeren Rahmen handlungsfähig zu sein.164 Aus der Perspektive einer lebensweltlich
rückgebundenen Theorie kommunikativen Handelns lässt sich folglich die Erwartung formu-
lieren, dass die Orientierungsaufgabe diskursiv erbracht wird, indem die Situationsdefinition
kommunikativ rational von den Beteiligten erarbeitet wird. Journalistische Massenmedien
werden so als Resonanzboden gesamtgesellschaftlicher Selbstverständigungsprozesse, mithin
des klassischen ‚Zeitgesprächs der Gesellschaft‘, das Orientierung individuell durch Informati-
on verschafft und zudem sozial durch Diskurs generieren kann, betrachtet.165
Journalistisches Handeln ist demnach ausdrücklich als Teil der gesellschaftlichen kommu-
nikativen Interaktionsprozesse zu verstehen, die sich allesamt auf die Verortung des Einzelnen
und der Gesellschaft in der Welt beziehen – und zwar sowohl in ‚objektiver‘ wie in sozialer
und normativer Hinsicht. In modernen Gesellschaften steht Journalismus vor der Aufgabe, die
Orientierung in Gesellschaftlichkeit durch das Vermitteln und Stimulieren von Diskursen sowie die
Orientierung in diesen Diskursen selbst zu gewährleisten. Journalistisches Handeln ist somit
ein Beitrag zu einer kommunikativen Infrastruktur, durch die komplexe, ausdifferenzierte
Gesellschaften beschreibbar und regulierbar bleiben.166
zu sehr verstellte eine auf Medienkommunikation und Journalismus adaptierte Systemtheorie die Sicht auf Fra-
gen kommunikativer Sinnstiftung und Sinnfindung“ (Gottschlich 1999b, S. 11). Unter Umständen erleben
symbolisch-interaktionistische Ansätze in Verbindung mit Cultural Studies-Ansätzen (vgl. Krotz 1997), eine
Renaissance, indem sie als handlungstheoretische Ergänzung kulturtheoretischer Überlegungen fungieren.
163 Vgl. Klaus/Lünenborg 2000a, S. 208
164 Vgl. Pöttker 1996, der darauf hinweist, dass Journalismus seine Orientierungsaufgabe auch dadurch zu erfüllen
hat, dass er Folgentransparenz herstellt, indem er den Einzelnen darüber aufklärt, dass sein individuelles sozia-
les Handeln Folgen hat – auch wenn diese angesichts der Komplexität moderner Gesellschaften nicht unbe-
dingt sofort sichtbar werden, sondern erst mit erheblicher Verzögerung und in vielleicht nicht direkt wahr-
nehmbarer Weise: „Aus gesellschaftstheoretischer Sicht verlangt das Gebot zu Wahrheit und Wirklichkeitsnähe
dem Journalismus die Orientierungsleistung ab, die Deplaziertheit von subjektiver Rezeptivität (als Entfrem-
dung) und interaktionsgemäßem Handeln (als Illusion) zurechtzurücken, indem in komplexen Strukturen
schwer wahrnehmbare Handlungsfolgen transparent gemacht werden.“ (ebd., S. 113; vgl. auch Pöttker 1997)
165 Allerdings geraten sie in der Erfüllung dieser Funktion auch zunehmend unter Druck und engen systemisch die
Möglichkeiten eines orientierenden, reflexiven Journalismus ein: „In der Mediengesellschaft befindet sich der
Journalismus in dem Dilemma, dass seine Informations- und Thematisierungsarbeit einer Dynamik unterwor-
fen ist, die er nicht steuern kann, deren Verlaufsmuster er indessen kennen (lernen) sollte. Andernfalls wird er
die ihm zugeschriebene Orientierungsfunktion nicht mehr erbringen können.“ (Haller 2002, S. 48) Zur Reflexi-
vität von Journalismus gehört somit auch, dass er sich selbst über seine eigenen Handlungsspielräume aufklärt,
um diese offen zu halten. Er muss Räume kommunikativer Partizipation an Gesellschaftlichkeit thematisieren,
die journalistischem Handeln offen stehen.
166 Vgl. Weßler 1999a, S. 219
2 Implikationen eines kommunikativen Handlungskonzepts 205
Auf Basis der skizzierten kommunikativen Rationalität journalistischen Handelns und ihrer
Argumentativitäts- und Reziprozitätsanforderungen können spezifische qualitative Anforde-
rungen an journalistische Leistungen für die Verfassung einer demokratischen Kommunika-
tionsstruktur begründet werden, die sich nicht zuletzt daraus erklären, dass journalistisches
Handeln als kommunikatives Handeln auf die kommunikative Kompetenz der gesellschaftlichen
Ausgangs- und Zielpartner bezogen ist. Es muss diese Kompetenz bei Rezipienten voraussetzen;
zugleich begründet diese (kontrafaktische) Unterstellung die Möglichkeit zur Entwicklung,
Bewahrung und Erweiterung dieser Kompetenz. Um das zu gewährleisten bedarf journalisti-
sches Handeln selbst spezifischer Kompetenzen wie
• Fachkompetenz (instrumentelle Fähigkeiten und journalistisches Fachwissen),
• Vermittlungskompetenz (Artikulationsfähigkeit, Präsentation und Darstellungsformen),
• Sachkompetenz (Ressort-/Spezialwissen und Orientierungswissen).167
Ihre Gewährleistung ist eine notwendige, wenngleich noch nicht hinreichende Voraussetzung
dafür, dass ein Vermittlungshandeln als kompetent gemäß der Maßstäbe kommunikativer
Rationalität angesehen werden kann. Insbesondere die Vermittlungskompetenz kann entlang
der formalpragmatischen Regeln normativ gehaltvoll reformuliert werden. Allerdings zielt
kommunikative Kompetenz darüber hinaus auf Wechselseitigkeit und auf Verständigung über
die gemeinsame Situation. Im Ergebnis trägt kommunikativ gehandhabter Journalismus auch
zur Erweiterung von Teilhabemöglichkeiten bei. Journalismus kann Ungleichgewichte im Hinblick
auf Information und Orientierung sowie kommunikativer und sozialer Teilhabe derart kom-
pensieren, dass Bürger in komplexen Gesellschaften informiert, orientiert und damit letztlich
handlungsfähig bleiben.168
Eine Voraussetzung von gesellschaftlicher Partizipation ist die Fähigkeit zur reflexiven Hand-
habung kommunikativer Interaktion. Diese Fähigkeit beschreibt Baacke mit dem Begriff der
‚kommunikativen Kompetenz‘.169 Er unterscheidet zwischen einer allgemeinen kommunikati-
ven Kompetenz von Akteuren, die eine sprachlich und verhaltensmäßig fundierte Verständi-
gungsfähigkeit erlangt haben, und einer situativen kommunikativen Performanz, die eine
Aktualisierung dieser allgemeinen Kompetenz unter kontigenten Umständen beschreibt. In der
Habermasschen Konzeption ist kommunikative Kompetenz in Abgrenzung zur linguistischen
Kompetenz auf die sprachliche Rede und ihre rationale Struktur erhobener Geltungsansprüche
bezogen; sie bezeichnet „[…] die Fähigkeit des verständigungsbereiten Sprechers, einen
wohlgeformten Satz in Realitätsbezüge einzubetten“170. Mit dem Konzept der kommunikativen
Kompetenz soll erklärt werden, welche Bedingungen gegeben sein müssen, damit ein gramma-
tikalisch korrekter Satz auch eine soziale Äußerung wird.171 Die Entwicklung dieser Umset-
zungsfähigkeit ist das Ergebnis sozialisatorischer Prozesse. Deswegen plädieren Medienfor-
drei Fällen ist Vertrauen notwendig, um journalistische Kommunikation zu ermöglichen. Der Vertrauensbegriff
kann dabei noch einmal differenziert werden in „Vertrauen als Einstellung (Vertrauensbereitschaft) und Ver-
trauen als Handlung (Vertrauenserklärung)“ (Kohring 2002b, S. 95 FN 2). Er ist damit umfassender und um-
greifender als der meistens verwendete Glaubwürdigkeitsbegriff. Vertrauen kennzeichnet grundlegend eine so-
ziale Ressource, die für erfolgreiche Kommunikation unter Bedingungen der Unsicherheit relevant ist.
179 Maletzke 1980a, S. 21; vgl. auch ausführlich Maletzke 1963, S. 24ff.
180 Vgl. Fabris 1979, S. 34
181 Pelinka 1974, S. 103
182 Vgl. den Überblick bei Bussemer 2005, S. 353ff.
183 Zoll/Hennig 1970, S. 30f.
184 Vgl. Rager/Oestmann/Werner 2000
185 Burkart 1998a, S. 151; vgl. Fabris 1979, S. 161: „Kommunikatives Verhalten, kommunikative Kompetenz und
Artikulationsfähigkeit sind das Ergebnis spezifischer Sozialisationsprozesse, die von der frühkindlichen Soziali-
sation bis über die Erwachsenen-Sozialisation hinaus wirksam sind.“.
208 IV Aspekte der kommunikativen Rationalität des Journalismus
tiven Auseinandersetzung, zur Stellungnahme und zur Reaktion heraus. Kommunikativ kom-
petente Akteure sind in der Lage, in kommunikativ rationale Verständigungsprozesse unmit-
telbar einzutreten und auch vermittelte Aussagen hinsichtlich ihrer Kommunikativität einzu-
schätzen. Die derart geförderte kommunikative Kompetenz ist zugleich eine wichtige Voraus-
setzung zur als auch eine wichtige Folge der Entwicklung partizipativer und emanzipativer
Handlungsmuster.186
Kommunikativer Journalismus erfüllt damit – wenn auch nur potenziell und gegenüber di-
rekten Formen der Kommunikation sehr restringiert – eine Sozialisationsfunktion, die genuin
auf Teilhabe an gesellschaftlichen Prozessen zielt. Die Verständigungsangebote ermöglichen –
anders als vermeintlich rein bzw. dominant propositionale oder persuasive, perlokutionäre
Sprechakte – eigene Stellungnahmen und Reaktionen. Selbst wenn in der Regel kein genuiner
Dialog mit dem journalistischen Kommunikator zustande kommen kann, so sind vergleichbare
kommunikative Angebote doch immerhin anschlussfähig an lebensweltliche Kommunikation
im Rezipientenkreis und damit an eine weitere Prüfung und Verarbeitung der erhobenen
Geltungsansprüche. Neben der sozialisatorischen Wirkung durch die Vermittlung kultureller
Deutungssysteme leistet kommunikativer Journalismus somit potenziell auch einen Anstoß zur
Inanspruchnahme kommunikativer Handlungsmuster. Die Erwartungen an einen kommunika-
tiv kompetenten Journalismus lassen sich mit Loretan in konkrete Forderungen an kommuni-
kativ kompetente journalistische Akteure fassen:
„(1) Sie sollten in der Lage sein, normative Konflikte, die sich entweder im Rahmen ihrer spezifisch berufli-
chen Verfahren oder über die zu bearbeitenden Themen ergeben, auf einem postkonventionellen Niveau
wahrnehmen und beurteilen zu können; (2) Ihre reflexiven Standards moralischer Selbstverpflichtung sollten
sie auch unter Stress aufrechterhalten können; (3) Bezogen auf ihre Profession sollten sie über die Fähigkeit
verfügen, die journalistischen Funktionen im demokratischen Gesellschaftssystem bestimmen und begründen
zu können, um so die Maximen öffentlicher Kommunikation zum handlungsleitenden Motiv zu machen und
ihre Geltung in ökonomischen, politischen und organisatorischen Strukturen mit innerer Überzeugung und
Zivilcourage zu vertreten.“ 187
Skepsis hinsichtlich der Folgen der Integration dieser Daten in den journalistischen Kommunikationsprozess.
Diese Skepsis speist sich aus den unterschiedlichsten Quellen: Die Methoden werden angezweifelt, die Instru-
mentalisierung der Ergebnisse als Herrschaftswissen kritisiert, die vermeintliche Ausrichtung der Forschung auf
Absatzoptimierung kritisiert und ganz generell die Gefahr eines angepassten Journalismus gesehen (vgl. Hohl-
feld 2003, S. 376).
196 Eurich 1980b, S. 257
197 Vgl. Geißler 1979, S. 173, demzufolge die Frage der Teilhabeorientierung einer öffentlichen Kommunikations-
sphäre eng mit der Form der Verbindung von journalistischen Massenmedien und demokratischer Basiskom-
munikation zusammen hängt, d.h. mit der Verbindung der „Kommunikation der Staatsbürger (Basis) mit dem
politischen Bereich“, durch die Partizipationschancen definiert werden. Dabei beschreibt der demokratietheo-
retische Diskurs über Medien und Journalismus die journalistischen Aufgaben mit Blick auf die Ermöglichung
eines unterstellten demokratischen Idealtypus und gelangt auf Grund differierender normativer Prämissen zu
unterschiedlichen Rationalitätserwartungen (vgl. Geißler 1973, S. 47).
198 Diese weitreichenden Anforderungen würden sich nicht ergeben, wenn eher ‚realistische‘ demokratietheoreti-
sche Konzepte zugrunde gelegt werden (vgl. Sartori 1997, S. 46ff.). Grundsätzlich kann aber gelten, dass De-
mokratie als politisches Konzept, ganz gleich in welcher konkreten Ausformulierung, eine normative Zieldi-
mension beinhaltet, die auch in deskriptiven Analysen nicht aus dem Blick geraten sollte (vgl. ebd. 15ff.).
199 Vgl. Kuhlmann 1985, S. 90, der davon spricht, dass wir „[…] immer schon unhintergehbar den Willen zur
vernünftigen Argumentation haben“. Auf der Basis dieser fundamentalen Annahme unterscheidet sich ein
kommunikativ fundiertes Demokratieverständnis von weniger anspruchsvollen Modellen des ‚Wettbewerbs un-
ter Verzicht auf Rationalität‘, des ‚Vertrauens in die Person‘ oder der ‚öffentlichen Expertendiskussion, Ziel-
kontrolle und Ideologiekritik‘ (vgl. Geißler 1973, S. 32ff.). Gemeinsam ist diesen Modellen, dass sie auf rudi-
mentäre Informations- und Orientierungsleistungen von Journalismus und Massenmedien nicht verzichten.
Immerhin kommen dem Journalismus aber auch im Modell einer öffentlichen Expertendiskussion, in der Bürger die
2 Implikationen eines kommunikativen Handlungskonzepts 211
Journalismus vermittelt in diesem Modell nicht nur orientierende Information, sondern stellt
Orientierung in den öffentlich geführten Diskussionen in dem beschriebenen makrosozialen
Sinn bisweilen überhaupt erst her. Orientierung ist das Ergebnis eines kommunikativen Pro-
zesses, an dem potenziell alle Bürger teilhaben können (müssen). Dieses Modell hat – trotz
begründeter empirischer Einwände – Sinn als regulative Idee mit Blick auf einen Journalismus,
der zumindest danach streben sollte, Diskussionen nicht nur zwischen Experten und vor
Publikum zu vermitteln, sondern so inklusiv, kommunikativ und interaktiv zu gestalten, dass
potenzielle Beteiligung aller als gewährleistet betrachtet werden kann.
Es wird daher normativ erwartet, dass gravierende Unterschiede in der gesellschaftlichen
Verteilung von Kommunikationschancen in der Öffentlichkeit korrigiert werden, um gleich-
mäßige Teilhabemöglichkeiten und damit gesellschaftlichen Pluralismus zu gewährleisten.201
Innerhalb der kritischen Medienforschung gehen die Meinungen darüber auseinander, ob dies
innerhalb des massenmedialen Systemrahmens geschehen kann oder externe Kommunikati-
onsformen vorzuziehen sind. Die Alternativen bewegen sich zwischen einem „Konkurrenz-
modell der Aussagenproduktion“ und dem „Bauplan einer Gegenöffentlichkeit“ und beruhen
auf unsicheren Voraussetzungen.202 Mehrere Optionen sind – auch komplementär – denkbar:
(1) Vermittlung partizipationsrelevanter Information: In Konzepten, die auf einen teilhabeorien-
tierten Journalismus innerhalb der etablierten Strukturen abstellen, wird zunächst auf Möglich-
keiten verwiesen, durch journalistische Berichterstattung Grenzen von Öffentlichkeit aufzuhe-
ben und so die Borniertheit teilsystemischer Abgeschlossenheit mit entdifferenzierenden
Informationen zu schwächen.203 Ein Beispiel dafür sind proaktive Vermittlungsstrategien
hinsichtlich partizipationsrelevanter Informationen, die auf die Veröffentlichung relevanter
Sachverhalte vor der politischen Entscheidung abzielen.204 Es ist als eine Professionalitätsregel
journalistischer Kompetenz anzusehen, dass auf Partizipation gerichtete Aspekte einer Nach-
richt im Vordergrund stehen, um Rezipienten als handlungsfähige Subjekte der Öffentlichkeit
Möglichkeiten der ‚Zielkontrolle‘ und der ‚Ideologiekritik‘ besitzen, weitreichende Aufgaben zu (vgl. ebd., S.
39). Geißler entnimmt dieses Modell den Schriften Geigers (1963); es ist zudem anschlussfähig an die Überle-
gungen Groths (1972, S. 114). Orientierung durch Medien und Journalismus impliziert hier Möglichkeiten, öf-
fentliche Kommunikation zu regulieren, bei Fehlsteuerungen einzugreifen und das Erreichen vereinbarter Ziele
zu kontrollieren. Aber die Verknüpfung von Orientierung und Teilhabe bleibt restringiert: Die „Trennung in
rationale Mittelwahl und dezisionistische Zielsetzung“ ist konstitutiv für dieses Modell öffentlicher Experten-
diskussionen, das professionelles Handeln über demokratische Partzipation stellt (Geißler 1973, S. 40).
200 Geißler 1973, S. 47
201 Vgl. Geißler 1979, S. 178; Fabris 1979, S. 261
202 Baum 1994, S. 268
203 Vgl. Pöttker 1998a
204 Vgl. Rombach 1983
212 IV Aspekte der kommunikativen Rationalität des Journalismus
An die Stelle des Prinzips der Distanz zum Berichterstattungsgegenstand tritt in diesem an-
waltschaftlichen Journalismus das Prinzip der Teilnahme und der Ermöglichung von Teilha-
be.213 Dadurch sollen in Reaktion auf moderne Veränderungen der kommunikativen Infra-
struktur die sozialen Folgekosten von Prozessen der Ausdifferenzierung, der Konzentration
und der Standardisierung kompensiert werden. Journalisten wird zugestanden, als „Anwälte
des offenen Gesprächs zwischen Gruppen und Milieus“ einem kommunikativen Ausgleich
verpflichtet zu sein, der das Ziel hat, ein öffentliches Gespräch überhaupt zu ermöglichen.214
(4) Journalistische Anleitung der Laien zur eigenständigen Produktion: Noch über das anwaltschaft-
liche Modell hinausgreifend, wird in manchen Modellen quasi eine Selbstabschaffung des
Journalismus zugunsten lebensweltlicher Kommunikation verlangt. Journalisten werden hier
vorwiegend als ‚Ermöglicher‘ gesehen, die den selbstständigen Produktionsprozess der Laien
nur noch begleiten. Diese Rolle ist in der Regel nur in nicht kommerziell organisierten Kom-
munikationssystemen denkbar, weil nur diese die notwendige programmstrukturelle Flexibilität
und Unabhängigkeit von Kapitalverwertungsinteressen besitzen215, und sie bedarf darüber
hinaus einer ihr entgegenkommenden demokratischen Partizipationskultur, durch die kommu-
nikative Tätigkeiten der Bürger gewährleistet werden.216 Insbesondere mit Blick auf das Fern-
sehen sind in den 1970er Jahren entsprechende Modelle entwickelt worden, die in einem
breiten Angebot so genannter offener Kanäle mündeten.217 Partizipationsorientierte Journalis-
ten sollen diesem Konzept zufolge ihre Arbeit weniger als Informationsvermittlung, und mehr
als Gemeinwesenarbeit begreifen, um Zuschauer aus ihrer passiven Konsumentenrolle heraus-
zuholen und ihre kommunikative Kompetenz im Umgang mit medialen Kommunikationssub-
stituten sowie ihre Partizipationsmöglichkeiten im gesellschaftlichen Meinungs- und Willens-
bildungsprozess zu steigern.218 Damit verlässt diese Konzeption die Grundlage journalistischen
Handelns und verweist auf medienpädagogische Konzepte, die in Kooperation mit Journalis-
mus, aber kaum an dessen Stelle stattfinden können. Sie erscheinen sinnvoll im Hinblick auf
eine Erhöhung der konstruktiven Medienkompetenz der Bürger, können aber – das haben die
empirischen Erfahrungen nur zu deutlich gezeigt – die Leistungen eines massenmedial verfass-
ten Journalismus nicht ersetzen. Das gilt bislang auch für die sich seit wenigen Jahren etablie-
ren so genannten ‚Blogs‘, Online-Tagebücher von Laien oder Journalisten, die sich jenseits
etablierter Medienstrukturen bewegen.219
den. Systemimmanent beruht dieser Weg auf der Hoffnung, dass veränderte Formen journalis-
tischer Ausbildung, partizipationsfördernde Handlungsoptionen stärken können. Der anwalt-
schaftliche Journalismus kann so als „ein neues, noch in Entwicklung begriffenes Professiona-
lisierungs-Konzept“ verstanden werden, das sich an lebensweltlichen Kommunikationsmus-
tern orientiert und auf dieser Weise massenmedial induzierte Verkürzungen konterkariert.224
Merkmale dieses alternativen Professionalisierungskonzeptes, das in vielen Aspekten idealty-
pisch verstanden werden muss, um normative Überanstrengungen zu vermeiden, sind laut
Fabris das
„[…] aktive Eintreten für die Interessen unterprivilegierter Minderheitsgruppen, das persönliche ‚Betroffen-
sein‘ als Kriterium für die Legitimierung einer authentischen journalistischen Berichterstattung, die möglichst
intime Kenntnis des Berichterstattungsgegenstandes, der Verzicht auf den Anspruch allgemeiner – im Sinne
von ‚objektiver‘ – Gültigkeit […] formulierter Aussagen, die offene Begründung der eigenen Parteinahme, die
diese transparent und überprüfbar machen soll, die gemeinsam mit den Berichts-Betroffenen zu organisieren-
de Medienarbeit, die Absage gegen eine strikt hierarchische und arbeitsteilige Organisation journalistischer
Produktion“.225
Durch einen solcherart verstandenen Journalismus können die Grundzüge einer teilhabe- und
verständigungsorientierten gesellschaftlichen Öffentlichkeit gewährleistet werden. Diese
Potenziale dürfen aber nicht durch eine schon konzeptionelle Fokussierung auf Laien-
Journalismus in Randbereiche öffentlicher Kommunikation expediert werden. Verallgemeine-
rungsbedürftige Interessen können letztlich nur in einer gesamtgesellschaftlichen Öffentlich-
keit verhandelt werden, weltanschaulich vorgeprägte Teil- oder Alternativöffentlichkeiten allein
sind dazu kaum in der Lage. Sie müssen zu einer umfassenderen öffentlichen Sphäre vernetzt
werden, bzw. von einer solchen – professionell journalistisch gewährleisteten – Öffentlichkeit
umgriffen werden. In gegenöffentlichen Strukturen und Massenmedien gleichermaßen sind
kommunikative Gegentendenzen notwendig, um Partizipationschancen zu erhalten, die durch
journalistischen Elitismus und medialen Funktionalismus bedroht sind.226 Die Aufgabe der
Verständigungs- und Teilhabeorientierung stellt sich in erster Linie einem etablierten Journa-
lismus, dessen kommunikative Wurzeln noch nicht ausgetrocknet sind.
Die Diskussion über ‚anwaltschaftlichen‘ Journalismus, die vor allem in den 1970er Jahren in
Deutschland geführt worden ist, besitzt ein Pendant in der hierzulande nur wenig rezipierten
224 Fabris 1979, S. 248f. Ob diese Hoffnungen allerdings realistisch sind, muss als offen betrachtet werden, wie
Rust (1982, S. 522) einwendet : „Der Gedanke, daß Journalismus auf diesem Weg [der akademischen Ausbil-
dung, -cb-] weniger anfällig für die Deformation durch eine konkrete Praxis und ihre Weltdeutung wird, daß
umgekehrt die verallgemeinerten Fähigkeiten sogar zu einer Neustrukturierung der Praxis führen könnten, ist
theoretisch plausibel, praktisch allerdings noch irrelevant. Denn die Frage bleibt offen, ob durch das akademi-
sche Planspiel auch der öffentliche Kredit wächst, der sich auf genau jene kompensatorischen oder emanzipa-
torischen Fähigkeiten bezieht, die in der Theorie der kommunikativen Kompetenz angelegt sind.“
225 Fabris 1979, S. 209
226 Vgl. Baum 1994, S. 267. Rust (1982, S. 525) weist in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hin, dass es nicht
ausreichen kann, lediglich den etablierten Journalismus durch Ausbildung zu verbessern, wenn man auch dem
alternativen Journalismus eine gesellschaftlich zunehmend zentrale Funktion hinsichtlich der Eröffnung kom-
munikativer Partizipationschancen zuweist. In diesem Falle müsse es darum gehen, den Journalismus in seiner
ganzen Breite – und das bedeutet auch den alternativen Journalismus – durch Steigerung der kommunikativen
Kompetenz seiner Akteure zu verbessern.
216 IV Aspekte der kommunikativen Rationalität des Journalismus
aktuellen US-Debatte über die demokratische Aufgabe des Journalismus.227 Dabei geht es um
Konzepte von „Public Journalism“228, „Civic Journalism“229 oder „Participatory Journalism“230.
Kern der Bewegung ist das Ziel, Rezipienten nicht als passive Konsumenten anzusprechen,
sondern als aktive Bürger in ihren Teilhaberechten ernst zu nehmen.231 Entstanden sind die
ersten diesbezüglichen Versuche in Form einer ‚experimentellen Bewegung‘, die durch enge
Kooperation zwischen Theorie und Praxis geprägt ist. Es geht darum, einen ‚anderen‘ Journa-
lismus zu betreiben und ihn zugleich auch konzeptionell so zu fassen, dass er als eine Alterna-
tive angesehen werden kann.232
Das partizipatorische Anliegen des ‚Public Journalism‘ ist die Erweiterung des klassischen
Nachrichtenjournalismus zu einem Journalismus, der diskursive gesellschaftliche Kommunika-
tion nicht nur darstellt oder vermittelt, sondern aktiv ermöglicht. Die ‚reine‘ Nachrichtenbe-
richterstattung des etablierten ‚objective journalism‘ wird als nicht ausreichend betrachtet:
„There’s also a job of improving the community’s capacity to act on the news, of caring for the quality of
public dialogue, of helping people engage in a search for solutions, of showing how a community might grap-
ple with – and not only read about – its problems.”233
Um diese Ziele zu erreichen, wendet sich der ‚Public Journalism‘ neben der Veränderung
klassischer Berichterstattungsmuster (weg von den oftmals konfliktorientierten Nachrichten-
faktoren, hin zu verständigungsorientierten Formen des Ausgleichs) auch Vermittlungsformen
zu, die klassisch außerhalb des Journalismus liegen und eher sozialarbeiterische Züge tragen.
Schaffer spricht in diesem Zusammenhang von einer „guide-dog role“, die Journalismus für
ein Gemeinwesen einnehmen könne.234
Rosen benennt „civic participation, deliberative dialogue, cooperative problem-solving, ta-
king responsibility for the place where you live, make democracy work“ als Ziele, auf die ein
teilhabeorientierter Journalismus hinarbeiten kann.235 Dabei lassen er und andere Theoretiker
keine Zweifel daran, dass diese Ziele innerhalb des privatwirtschaftlichen Mediensystems
erreicht werden sollen, schließlich sei ‚Public Journalism‘ auch eine Strategie für Verlagshäuser,
um durch mehr Lesernähe die eigene Marktposition zu stärken.236 Besserer Journalismus, so
die klare Rechnung, ist auch gut fürs Geschäft. Und besserer Journalismus erschöpft sich nicht
in besser geschriebenen Geschichten, sondern bedarf darüber hinaus einer offeneren und
partizipationsfördernden Organisation öffentlicher Diskurse durch Journalismus.237
Dabei begreifen sich Journalisten, die sich dem ‚Public Journalism‘-Konzept verpflichtet
fühlen, als Anwälte des gesellschaftlichen Gesprächs und der Deliberation, nicht aber als
Vertreter einer bestimmten Meinung oder Richtung; sie sehen sich weiterhin als neutrale
Wegbereiter öffentlicher Verständigung und weniger als Vorkämpfer einer bestimmten Idee.238
Deutlich umreißt Schaffer, was ‚Civic Journalism‘ nicht ist:
„It’s not boosterism. It is not about editors sitting on community boards. It is not abandoning objectivity.
And it’s not imposing a newspaper’s agenda on a community.”239
Stattdessen ist es die Aufgabe des ‚Civic Journalism‘, in Interaktion mit Lesern zu gelangen, um
deren Fähigkeiten, als Bürger zu agieren, zu verbessern und damit gesellschaftliche und demo-
kratische Strukturen zu stärken.240
Diese jüngeren Konzepte eines partizipationsorientierten Journalismus, die seit Anfang der
1990er Jahre in den USA diskutiert werden, sind als moderne Adaptionen älterer Konzepte wie
‚New Journalism‘ oder anderer alternativer Vermittlungsformen anzusehen, auf deren Diskurse
v.a. hinsichtlich einer praktikablen Fassung des Objektivitätsbegriffs sie auch durchaus verwei-
sen.241 Darüber hinaus sind sie von Interesse, weil sie die Möglichkeiten der Orientierung und
der Partizipationssteigerung durch einen aktivierenden Journalismus in die bestehende Medien-
struktur hineinverlagern und mit ökonomischen Gewinninteressen koppeln. Sie sind daher in
kommunikationspolitischer Hinsicht weit pragmatischer als mancher bundesdeutsche Entwurf
aus den 1970ern.
Viele Autoren des stark praxisorientierten Diskurses des ‚Public Journalism‘ bemühen sich
allerdings nicht um eine eigenständige journalismustheoretische Begründung ihrer Ansätze,
sondern bedienen sich – soweit sie eine theoretische Grundlegung überhaupt anstreben – aus
dem Fundus des US-amerikanischen Pragmatismus bzw. jüngerer kommunitaristischer Kon-
zepte, die eine Stärkung des Lokalen auch normativ zu fassen suchen.242 Eine Ausnahme ist
Rosen, der sich einer systematischen Grundlegung eines veränderten Journalismusverständnis-
ses widmet, in dem er die Prämisse formuliert, dass Journalismus zwar stets als politisch
anzusehen ist, dass er aber nicht das Volk repräsentiere, sondern der Idee der Öffentlichkeit
verpflichtet sei.243 Ein Unterschied ums Ganze, der letztlich auf die Rolle des Diskursanwaltes
zielt:
„[…] while journalists do not represent the people, they do represent the public, and that is not the same
thing. The people can settle matters by voting in and recalling their leaders. But the public never settles any-
thing; it talks some more, it marches on, it joins in debate and hopefully it learns. […] The press is […] sup-
posed to feed and sustain the public.”244
Auch wenn die Annahme, dass Journalisten Öffentlichkeit repräsentieren weder bedeuten darf,
dass Journalisten hier einen Alleinvertretungsanspruch besitzen, noch dass sie in der Lage
seien, Öffentlichkeit in ihrer Komplexität zu überblicken, so weist diese Konzeption doch
immerhin darauf hin, dass Journalisten in Verantwortung für das Zustandekommen und
Gelingen öffentlicher Kommunikation stehen. Daher stellt sich Rosen gegen Versuche, journa-
listische Parteinahme zu diskreditieren. Neutralität sei nicht möglich, da sich Journalisten nicht
außerhalb der öffentlich diskutierten Themen und Ereignisse befänden, sondern mitten
darin.245 Verhindert werden müsse eine übermäßige Politisierung des Journalismus, die Forde-
rung nach einer unpolitischen Berichterstattung über Politik hingegen sei ‚absurd‘.246 Von
derartigen Bemerkungen lässt sich eine Brücke zum Konzept eines diskursiven Journalismus
schlagen, das im gesellschaftlichen Dialog (im Sinne eines ‚Public Journalism‘) explizit auf
journalistische Wertungen setzt und zugleich darum bemüht ist, der einem solchen Journalis-
mus zugrunde liegenden kommunikativen Rationalität den Raum zu geben, den sie benötigt.247
Für die US-amerikanischen Kommunikationswissenschaftler, die den ‚Public Journalism‘
als Konzept vertreten, bleibt damit trotz aller konkreten Reformvorschläge ein journalistisches
Handeln, das in die Kommunikation potenziell entgrenzende Infrastruktur der Massenmedien
eingebunden ist, unverzichtbar, um eine ausreichende Reichweite und die damit verbundene
soziale Orientierung zu gewährleisten. Folgt dieses journalistische Handeln den normativen
Mustern des gegenüber der Öffentlichkeit und dem gesellschaftlichen Gespräch anwaltschaft-
lich verpflichteten Journalismus, dann nutzt es zwar die systemisch-technische Infrastruktur
der Massenmedien, versucht aber zugleich die Aporien der Verberuflichung des Mediatorhan-
delns durch Bewahren einer eigenständigen kommunikativen Kompetenz zu vermeiden.
Charakteristika eines teilhabeorientierten journalistischen Handlungsmodus – auch jenseits des
‚Public Journalism‘, der letztlich mehr eine Wiederbelebung und Neuakzentuierung des anwalt-
schaftlichen Journalismus, denn ein ‚neues‘ Konzept darstellt248 – sind das Bemühen um
Authentizität der Information, um Parteinahme für Unterprivilegierte und darum, die Bezie-
hung zwischen Berichterstatter und Betroffenen als eine Beziehung zwischen Subjekten zu
gestalten.249 Ziel eines so verstandenen Journalismus ist es, die kommunikative Kompetenz der
Gesellschaftsmitglieder gleichermaßen vorauszusetzen und zu entwickeln und somit kommu-
nikative Verständigung in komplexen ausdifferenzierten Gesellschaften zu ermöglichen.
245 Public Journalism „[…] challenges the fiction of the journalist as someone without a political life“, konstatiert
Rosen (1996, S. 76). Diese Betrachtungsweise steht frontal gegen eine systemtheoretische Perspektive, die in
Journalismus explizit nichts anderes als einen Beobachter gesellschaftlicher Vorgänge zu sehen vermag (vgl.
Hug 1997, S. 361).
246 Vgl. Rosen 2003
247 Hoffnungen hinsichtlich der Entwicklung eines teilhabeorientierten Journalismus setzen Protagonisten des
Public Journalismus in die so genannten ‚Weblogs‘. Diese würden aus den Public Journalism einen „Public‘s
Journalism“ machen (Witt 2004) bzw. einem neuen „Participatory Journalism“ Auftrieb geben (Lasica 2003).
248 Vgl. Lünenborg 2005b, S. 155f.
249 Vgl. Fabris 1979, S. 259 Darüber hinaus ist wird vor diesem Hintergrund die Bedeutung der materiellen
Verfügbarkeit medialer Produktionsmittel für alle Mitglieder einer Gesellschaft besonders hervorgehoben,
durch deren Gewährleistung für wechselseitige Kommunikationsprozesse notwendig ist.
3 Implikationen einer lebensweltlichen Verankerung 219
250 Auf diesen Zusammenhang verweist Burkart (1998a, S. 517) in seiner Auseinandersetzung mit Habermas.
251 Habermas 1995 [1981], Bd. 2, S. 182
252 Vgl. dazu Balkenhol 1991, S. 136. Matthiesen (1983, S. 45) identifiziert in seiner Studie über den Lebenswelt-
begriff bei Habermas sogar vier Konzepte (LW I - LW IV), indem er die hier auch vorgenommene Teilnehmer-
Beobachter Differenzierung noch einmal danach differenziert, ob die Einstellung zur Lebenswelt „quasi-
transzendental/formalpragmatisch“ oder „mundan“ ist. Auf derartige Differenzierungen soll hier verzichtet
werden, da es hier nicht in erster Linie um eine theoretische Auseinandersetzung mit der Habermasschen The-
orie geht, sondern um deren modifizierte Anwendung zur Beschreibung eines spezifischen gesellschaftlichen
Handlungsmodus und seines systemischen Rahmens. Die Unterscheidung zwischen einem formalpragmati-
schen Teilnehmer-Begriff und einem sozialwissenschaftlichen Beobachter-Begriff erscheint dazu ausreichend.
253 McCarthy 1989, S. 535
254 Diese Verklammerung ist sowohl von soziologischer wie von philosophischer Seite der Kritik ausgesetzt, die an
dieser Stelle nur angerissen werden kann. Joas (1986, S. 166f.) bemängelt, dass Habermas den Status der unter-
schiedlichen Verwendungen von Lebenswelt als ordnungstheoretischer Typus und als erkenntnistheoretische
Position nicht hinreichend voneinander unterscheidet. Schnädelbach (1986, S. 28) kritisiert in ähnlicher Stoß-
richtung die seiner Ansicht nach mangelhafte Verknüpfung der Beobachter- und der Teilnehmer-Perspektive:
220 IV Aspekte der kommunikativen Rationalität des Journalismus
Aus dem Bezug kommunikativen Handelns auf das Lebenswelt-Konzept lassen sich journalis-
tische Aufgaben und Funktionen ableiten, die auf diese Wirkungen bezogen sind.258 Dazu ist
an den erwarteten oder vermuteten Konsequenzen, Zielen und Leistungen des Journalismus
anzusetzen, um zu Rückschlüssen darüber zu gelangen, welche qualitativen Merkmale ein
Auf der einen Seite versuche Habermas, Lebenswelt von ihrem „ursprünglichen phänomenologisch-
bewußtseinsphilosophischen Einführungskontext“ abzulösen, um Raum für eine gesellschaftstheoretische
Verwendungsweise zu gewinnen, andererseits aber wolle er die Teilnehmerperspektive beibehalten, aus der her-
aus Gesellschaft als Lebenswelt einer sozialen Gruppe gesehen wird.
255 Das Lebensweltkonzept weist darin auch Überschneidungen zu einem sozialen Konstruktivismus auf, wie ihn
Berger und Luckmann (1980) vertreten.
256 Diesen Umstand hebt Dietz (1993) kritisch hervor.
257 Vlasic 2004, S. 225
258 Begreift man journalistische Kommunikation als kommunikatives Handeln, dann wird aus dieser Perspektive
das Publikum zu eben dem Gesprächspartner, der letztlich über die Bedeutung des kommunikativen Angebots
entscheidet. Nicht mehr eine passive Informationsübertragung, sondern ein aktiver Vermittlungsprozess rückt
ins Zentrum der Betrachtung. Die Perspektive ähnelt der, die auch von kulturwissenschaftlichen Annäherungen
favorisiert wird (vgl. Pätzold 2002, S. 38). Weder die Unverbindlichkeit des radikalen Konstruktivismus noch
der rigide Essentialismus klassischer normativer Setzungen á là Dovifat sind ausschlaggebend, sondern die
kommunikative Beziehung, die durch journalistisches Handeln hergestellt wird und in deren Verlauf über die
Bedeutung der Situation und des Kommunikationsvorgangs ein gemeinsames Verständnis erlangt werden kann.
3 Implikationen einer lebensweltlichen Verankerung 221
Journalismus besitzen muss, der diesen Erwartungen gerecht wird. Es geht nicht um eine
erschöpfende Formulierung eines Kriterienkatalogs journalistischer Funktionen259, sondern um
vorläufige und heuristische Überlegungen zu den Konsequenzen, die eine Umstellung journa-
lismustheoretischer Erörterungen auf ein kommunikatives Modell nach sich ziehen könnten.260
Neben den bereits skizzierten Grundbegriffen Interaktion, Orientierung, Verständigung
und Teilhabe handelt es sich bei den makrosozialen Leistungen des Journalismus primär um
die Gewährleistung der gesellschaftsweiten Zugänglichkeit und Reproduktion symbolischer Ressourcen der
Lebenswelt. Durch dieses Verfügbarmachen eines gemeinsamen kommunikativen Hintergrundes
für das gesellschaftliche Zeitgespräch trägt journalistisches Handeln in modernen differenzier-
ten Gesellschaften auch zur kulturellen Formierung, zur sozialen Integration sowie zur individuellen
Sozialisation bei.261 Diese Leistungen können im Abgleich mit der Verschränkung von kommu-
nikativem Handeln und Lebenswelt sozialwissenschaftlich beschrieben werden.
Die Lebenswelt bildet in einem solchen Verständnis den Hintergrund, vor dem Kommunikati-
onsteilnehmer in konkreten Interaktionen in Aushandlungsprozesse der Situationsdefinition
treten. In einem solchen Verweisungszusammenhang werden die Situationsbestandteile unter-
einander und die Situation als Ganzes mit der Lebenswelt verknüpft, um den konkret relevan-
ten Ausschnitt durch Kommunikation zu aktualisieren, während die Lebenswelt als Ganzes
weiterhin als „Selbstverständlichkeit“263 im Hintergrund das ungewusste Fundament des themati-
sierten Kontextes bildet. Die Lebenswelt ist daher im eigentlichen Sinne nicht reflexiv, sondern
wird unhinterfragt als Rahmen und Basis der Handlungen herangezogen.
Lebenswelt fungiert nicht nur als Kontext der Handlungssituation, sondern als Ressource
für die Handelnden selbst. Sie ist ein „[…] Reservoir von Selbstverständlichkeiten oder uner-
schütterten Überzeugungen, welche die Kommunikationsteilnehmer für kooperative Deu-
259 Derartige Versuche reichen von kommunikationspolitischen oder legitimistischen Anforderungsprofilen bis hin
zu abstrakten systemtheoretischen Funktionsbestimmungen.
260 Rust (1982, S. 525) weist darauf hin, dass es viele unterschiedliche kulturelle Bezugsrahmen mit unter-
schiedlichen Rationalitäten gibt, in die ein Individuum eingespannt ist: „Die oft beschworene Rationalität wäre
die Fähigkeit, diese widerstreitenden Aspekte in eine sinnhafte Beziehung zueinander zu bringen, die nicht nur
die Vordergründigkeit der Alltagsgeschäfte, sondern auch deren Konsequenzen berücksichtigt.“
261 Vgl. grundsätzlich Vlasic 2004, S. 173: „Die individuell-sozialisierende Funktion der Medien schlägt sich als
aggregiertes, kollektives Phänomen allgemein gesprochen in gemeinsamen Orientierungen nieder.“
262 Habermas 1995 [1981], Bd. 2, S. 192
263 Ebd., S. 189
222 IV Aspekte der kommunikativen Rationalität des Journalismus
„Selbstaufklärung der Beteiligten“, beides hat indirekt auch eine „Rationalisierung aktueller
politischer Entscheidungen“ zur Folge.273 Die Bedingungen für rationales Handeln in der
Lebenswelt jedenfalls werden durch eine fortschreitende Umstellung lebensweltlicher Ressour-
cen auf kommunikative Übereinkunft zunächst verbessert.
Auf gesellschaftlicher Ebene können Massenmedien und Journalismus als zentrale Leistungs-
träger für das kulturelle Verweissystem verstanden werden. Populärkultur in modernen Gesell-
schaften zum Beispiel ist weitgehend mediale Populärkultur; und Medien gewinnen „zusehends
eine die Welt erschließende Funktion“.274 Sozialwissenschaftlich betrachtet strukturiert Journa-
lismus den kulturellen Wissensvorrat einer Gesellschaft mit. Die Gewissheiten, die wir formal-
pragmatisch ungewusst und unbewusst unseren kommunikativen Handlungen unterlegen, sind
somit zu einem nicht geringen Teil als medial und journalistisch gewährleistet zu verstehen.
Journalistisches Handeln ist auf Gesellschaft bezogen, kompensiert durch seine Vermittlungs-
leistungen in einer öffentlichen Sphäre partiell Folgen sozialer Differenzierung und trägt damit
neben der kulturellen Reproduktion auch zur sozialen Integration und zur individuellen
Sozialisation bei.
Um diese Leistungen des Journalismus angemessen beschreiben zu können, ist ein nicht
nur formalpragmatisches, sondern auch gesellschaftsbezogenes Verständnis der Lebenswelt zu
formulieren. Innerhalb eines solchen Rahmens wird beschreibbar, inwiefern Lebenswelt
gleichermaßen die Grundlage für das journalistische Handeln und für die Idee der politisch
wirksamen verständigungsorientierten und partizipativen Öffentlichkeit bildet.275 Ein sozial-
wissenschaftlich gefasstes Verständnis von Lebenswelt erfordert einen analytischen Perspek-
tivwechsel, der die Ermöglichungsbedingungen der Ressourcen der Lebenswelt für den Teil-
nehmer aus der Beobachterperspektive ebenso beschreibbar macht wie die Reproduktionswir-
kungen seiner Handlungen für den Bestand der Lebenswelt.276 Aus dieser soziologischen
Perspektive kann der Prozess der Differenzierung und Rationalisierung von Lebenswelt in den
Kategorien Kultur, Persönlichkeit und Gesellschaft gefasst werden. Dazu allerdings müssen
Lebenswelt und ihre Bestandteile analytisch ‚objektiviert‘ werden, d.h. ein wissenschaftlich
beobachtbares und analysierbares ‚Objekt‘ muss definiert werden, um dessen Wechselbezie-
hungen zum kommunikativen Handeln aufgeklärter Akteure als Reproduktionsbedingungen
beschreiben zu können. Dieser Perspektivenwechsel ist explizit als ein methodisch-analytischer
zu verstehen, da der thematisierte Teil der Lebenswelt nicht mehr deren Bestandteil ist, son-
dern sich der Raum der Lebenswelt immer aus dem unbewussten Hintergrundwissen der
Teilnehmer konstituiert.277 Es ist nicht vorstellbar, dass der Sozialwissenschaftler sich über
diese Beschränkung hinwegsetzen und in einem vergegenständlichenden Verständnis die
Lebenswelt als Ganzes beschreiben kann.278 Lebenswelt als Bereich symbolisch reproduzierter
Gegenstände kann aufgrund dieser erkenntnistheoretischen Grenzen nur in rekonstruktiver
Näherung, nicht aber erschöpfender Beschreibung gefasst werden. Die als akteursabhängige
zumindest potenziell gelegt werden und deren Verteilung relevant für gesellschaftliche Integra-
tion ist, kann ein Bezug zwischen medialer, journalistischer Kommunikation und sozialer
Integration auch empirisch vermutet werden.283 Allerdings sind diese gegenüber den „materiell-
strukturellen Bedingungen“ gesellschaftlicher Situationen, die über die Ressourcenverteilung
zentral entscheiden, für die gesellschaftliche Integration eher sekundär.284
„Der wesentliche Einfluss der Massenmedien [und des Journalismus, -cb-] liegt darin, dass sie die Wahrneh-
mung und Beurteilung verschiedener Handlungsoptionen beeinflussen können.“285
Aus der Ausrichtung des Journalismus auf Öffentlichkeit heraus können orientierende, und
damit mittelbar sozial integrierende Wirkungen journalistischen Handelns beschrieben wer-
den286: Die Komplementarität von Journalismus und Öffentlichkeit ist als ein Spezifikum der
Komplementarität von kommunikativem Handeln und Lebenswelt anzusehen. Der Gedanke
einer kommunikativen Rationalisierung von Lebenswelt weist Öffentlichkeit als einem Raum
sozialer Kommunikation einen zentralen Rang zu.
Die hier statt findenden Kommunikationsprozesse zur Weitergabe und Erneuerung kultu-
rellen Wissens tragen nicht nur zur sozialen Integration, sondern auch zur Sozialisation und
damit zur Ausbildung personaler Identitäten bei.
„Indem sich die Interaktionsteilnehmer miteinander über ihre Situation verständigen, stehen sie in einer kul-
turellen Überlieferung, die sie gleichzeitig benützen und erneuern; indem die Interaktionsteilnehmer ihre
Handlungen über die intersubjektive Anerkennung kritisierbarer Geltungsansprüche koordinieren, stützen sie
sich auf Zugehörigkeiten zu sozialen Gruppen und bekräftigen gleichzeitig deren Integration; indem die He-
ranwachsenden an Interaktionen mit kompetent handelnden Bezugspersonen teilnehmen, internalisieren sie
die Wertorientierungen ihrer sozialen Gruppe und erwerben generalisierte Handlungsfähigkeiten.“287
Rational motivierte sprachliche Verständigung bildet den zentralen Modus, über den sich eine
Lebenswelt verändert oder erhält, deren Strukturmomente Kultur, Gesellschaft und Persön-
lichkeit sich zunehmend voneinander entfernen. Traditionelle Bindungen lösen sich zugunsten
funktionaler Differenzierungen auf, verschwinden aber nicht zur Gänze.288 Das Konzept
lebensweltlicher Rationalisierung vernachlässigt daher nicht die Kraft irrationaler kultureller
Traditionen289, sondern verweist vielmehr darauf, dass solche – im kommunikativen Sinne –
irrationalen Begründungsmuster nur noch als Sedimente in ungewusster Form tradiert werden
können. Nur wenn sie vorreflexiv verbleiben, können sie weiterhin faktische Kraft entfalten.
Sobald sie selbst zum Gegenstand des Diskurses werden – und das ist potenziell jederzeit
möglich –, bedürfen sie der reflexiven und kommunikativen Überprüfung.
Auch die grundlegenden Konstitutionsmechanismen von Institutionen als aus dem Akteurs-
handeln über lange Zeiträume aufstrukturierten Mechanismen der Handlungsermöglichung
283 Vgl. ebd., S. 109ff. Klaus und Lünenborg (2004) schlagen vor, diesen Zusammenhang zwischen Medienrezep-
tion und vor allem kultureller Teilhabe anhand des Konzepts der ‚cultural citizenship‘ zu konturieren.
284 Vlasic 2004, S. 224
285 Ebd., S. 225
286 Die Annahme steht auch hinter Rühls (1985c) – in Abgrenzung von Ronnebergers substantiellem Integrations-
begriff erhobener – Forderung nach einem funktionalen Verständnis ‚kommunikativer Integration‘, zu der
Massenkommunikation und Journalismus durch Her- und Bereitstellen öffentlicher Themen Beiträge leisten.
287 Habermas 1995 [1981], Bd. 2, S. 208
288 Vgl. ebd., S. 219f. Darauf, dass insbesondere religiöse Bindungen nach wie vor Relevanz besitzen, verweist
Habermas in seinen jüngeren Werken; vgl. Habermas 2005; 2001 sowie Habermas/Ratzinger 2005.
289 Diesen Vorwurf erhebt z.B. Alexander 1986.
3 Implikationen einer lebensweltlichen Verankerung 227
und des Zwangs gleichermaßen290 bleiben von der Rationalisierung der Lebenswelt zunächst
weitgehend unberührt. Institutionen lagen auch in vormodernen Epochen nicht außerhalb des
menschlichen Handelns, sondern konstituierten sich erst aus diesem heraus. Allerdings weist
Habermas darauf hin, dass die zur Begründung der Institutionen zur Verfügung stehenden
sinnstiftenden Zusammenhänge sich gewandelt haben. Nicht mehr ein gelebter Verweis auf
metaphysische oder traditionell überlieferte Erzählungen wird zur normativen Begründung von
Institutionen bemüht, sondern formale Verfahren der kommunikativen Verständigung, die
jede Normsetzung von Tradition und Metaphysik entschlacken, werden als Referenz herange-
zogen, wenn es um die Aktualisierung und Reproduktion oder auch um die Veränderung
institutioneller Mechanismen durch das Akteurshandeln geht.
Entsprechend sieht auch Dubiel das „genuin Habermassche“ am skizzierten Lebenswelt-
konzept in der Tatsache, dass die gemeinschaftssichernde Hintergrunderfahrung zunehmend
weniger in kulturell tradierten Elementen verbürgt werde, sondern die „Qual und zugleich die
Chance der soziokulturellen Lebenswelt“ sich darin äußern, dass kulturelle Normen im Prozess
wechselseitiger Verständigung von den Kommunikationsteilnehmern in der Lebenswelt immer
mehr selbst erzeugt werden müssen.291 Ein kulturkritisch oftmals beklagter Zerfall kann so
auch zu einer Chance für ein Mehr an Rationalität in einem bestimmten Teil der Gesellschaft
werden. Gesellschaftliche Rationalisierung bedeutet entsprechend, die Bedingungen für die
kommunikative Herstellung von Verständigung zu verbessern, indem Faktoren eliminiert
werden, die eine vernünftige Lösung von Konflikten verhindern.292 Mit dieser Erkenntnis
erweitert Habermas das enge instrumentelle Rationalisierungsverständnis, das der Weberschen
und vielen an sie anschließenden Gesellschaftsanalysen zugrunde liegt293, um einen weiteren
Aspekt der Rationalisierung. Diese erscheint nun nicht mehr als die einseitige Ausweitung
zweckrationaler Geltungsbereiche strategischen und instrumentellen Effizienzhandelns,
sondern in einer gesonderten Dimension auch als die verbesserte Ausgestaltung der Möglich-
keiten kommunikativer Verständigung.
Die dazu notwendigen rationalen Diskurse über allgemeine lebensweltliche Belange finden
öffentlich statt. In der Öffentlichkeit vollzieht sich die Sozialintegration, in ihr bilden die
Lebensweltangehörigen solidarische Strukturen der Gemeinschaft.294 Idealiter stellt Öffentlich-
keit jene gesellschaftliche Sphäre dar, in der sich die Bürger über allgemeine Belange verständi-
gen und durch deren Medien sie Einfluss auf das politische System nehmen können. Den
institutionellen Kern der lebensweltlichen Öffentlichkeit in der Lebenswelt bilden
„[…] jene durch Kulturbetrieb, Presse und später Massenmedien verstärkten Kommunikationsnetze, die die
Teilnahme eines Publikums der kunstgenießenden Privatleute an der Reproduktion der Kultur und die Teil-
nahme des Staatsbürgerpublikums an der durch öffentliche Meinung vermittelten sozialen Integration ermög-
lichen“.295
Als ‚Umwelt‘ des politischen Systems markiert Öffentlichkeit jenen Bereich der Lebenswelt, in
dem die Bürger durch Zustimmung staatliches Handeln legitimieren und durch Kritik Verän-
derungen erwirken sollen.
In seiner entdifferenzierenden Kraft zur Herstellung von Öffentlichkeit kann Journalismus
als ein Gegengewicht zur weit verbreiteten funktionalistischen und instrumentellen Rationalität
ausdifferenzierter Systeme verstanden werden. Journalismus wirkt insofern integrierend, als er
in der Lage ist, zumindest thematisch gebunden und zeitlich episodisch auch zwischen entlege-
nen gesellschaftlichen Bereichen und Akteuren zu ‚vermitteln‘. Soll diese journalistische
Kommunikation als (Selbst-)Verständigungsprozess der Gesellschaft ‚erfolgreich‘ sein, so kann
sie ohne einen gemeinsamen lebensweltlichen Hintergrund der Beteiligten, zu dem sie selbst
wiederum performativ beiträgt, nicht auskommen. Dieser Umstand kann als eine nicht sub-
stantielle Integration beschrieben werden, die durch Kommunikation prozeduralistisch getra-
gen wird: Indem Massenmedien „[…] gemeinsam geteiltes (Hintergrund-) Wissen bereitstellen,
an den gemeinsam geteilten Wertekanon anschließen, Themen Relevanz verleihen etc. und
damit soziale Beziehungen sichtbar und eben möglich werden lassen […]“, fungieren sie selbst
in systemtheoretischer Terminologie als eine Art ‚Gedächtnis der Gesellschaft‘.296 Von dieser
Leistung lassen sich Integrationswirkungen erwarten, die nicht mehr auf die ehemals unterstell-
te gesellschaftliche Einheit hinauslaufen können. Vielmehr wird beschrieben, dass Medien und
Journalismus durch die Herstellung von Öffentlichkeit und die darin verfügbaren lebensweltli-
chen Ressourcen Anschlüsse zwischen unterschiedlichen Systemen herstellen können297 – oder
in handlungstheoretischer Wendung: dass journalistisches Handeln, durch die kommunikative
Vermittlung innerhalb einer allgemein (öffentlich) zugänglichen Sphäre, handelnden Akteuren
Orientierung über ihre Situiertheit innerhalb eines gesellschaftlichen Zusammenhangs ermög-
licht. (Journalistische) Medienkommunikation erzeugt die „Imagination von Einheit“ und sorgt
zugleich dafür, dass gesellschaftliche Einheit zumindest in einem schwachen Sinne gewährleis-
tet ist, indem mögliche Bezüge zwischen „sich autonomisierenden Teilbereichen der Gesell-
schaft“ beschreibbar bleiben.298
Journalismus kann als Teil der intermediären Infrastruktur verstanden werden, die moderne
ausdifferenzierte Gesellschaften integriert und – so weit möglich – überschaubar und steuerbar
hält. Diese Funktion kann nicht als ein explizites Ziel journalistischen Handelns beschrieben
werden, sondern ist zu verstehen als eine latente Folge des Orientierung schaffenden reflexiven
Vermittlungshandelns. Journalismus und Medien können Integration dabei sowohl durch
Vereinheitlichung als auch durch das Herstellen von Verbindungen zwischen heterogenen
gesellschaftlichen Teilen, deren Verschiedenartigkeit nicht infrage gestellt wird, leisten.299
Auch in dieser engen Verknüpfung von journalistischer Handlungsqualität (reflexive Ver-
mittlung) und gesellschaftlicher Leistung (Orientierung / Integration) wird deutlich, dass die
formalpragmatische und die gesellschaftstheoretische Perspektive auf Lebenswelt erst zusam-
mengenommen die Möglichkeit eröffnen, den Komplex kommunikativen Handelns in lebens-
weltlichen Kontexten hinreichend in seinen verzweigten Dimensionen zu beschreiben.
„Somit korrespondieren den unterschiedlichen Bestandteilen der Lebenswelt (Kultur, Gesellschaft, Persön-
lichkeit) entsprechende Reproduktionsprozesse (kulturelle Reproduktion, soziale Integration, Sozialisation),
die an verschiedene Aspekte des kommunikativen Handelns anknüpfen (Verständigung, Koordinierung, Ver-
gesellschaftung), welche selbst wiederum in den strukturellen Bestandteilen der Sprechakte (propositionale,
illokutionäre, expressive) verwurzelt sind. Diese strukturellen Entsprechungen erlauben dem kommunikativen
Handeln, seine verschiedenen Funktionen auszuüben und als passendes Medium für die symbolische Repro-
duktion der Lebenswelt zu dienen.“300
Das soziokulturelle Verständnis der Lebenswelt ist daher als ein aus dem formalpragmatischen
Konzept des Kommunikationshintergrundes abgeleitetes zu verstehen. Die rekonstruktive und
objektivierende Beobachterperspektive eines soziologischen Lebensweltverständnisses nimmt
die Gesamtheit der unterschiedlichen Handlungs-, Handlungskoordinations- und Integra-
tionsmechanismen innerhalb eines erweiterten Lebensweltverständnisses in den Blick. Ihre
Erklärungskraft ist daher nicht im Bezug auf kommunikative Akte erschöpft, sondern der
soziologische Lebensweltbegriff bildet eine gleichermaßen zur deskriptiven Gesellschaftsanaly-
se wie zur kritisch normativen Bewertung einzusetzende Folie.
Die theoretische Prämisse eines immanenten Zusammenhangs zwischen kommunikativen
Handlungen und der Reproduktion einer gemeinsamen Lebenswelt der Kommunizierenden
verweist zudem auf den Zusammenhang zwischen der Differenzierung von Gesellschaft und
der Genese journalistischer Vermittlungsangebote. Letztere ermöglichen jene räumlich, zeitlich
und thematisch komplexer strukturierte Kommunikation des gesellschaftlichen Zeitgesprächs,
die moderne Gesellschaften zur Lebenswelt-Reproduktion benötigen. Massenmedien können
daher funktionalistisch als Institutionen sozialer „Adaption, Integration und Sozialisation“301
betrachtet und journalistisches Handeln in dieser massenmedialen Infrastruktur als ein wesent-
licher Träger dieser Funktionen verstanden werden. Journalismus als kommunikativer Hand-
lungsmodus ist auf die Reproduktion und diskursive Verflüssigung der symbolischen Grundla-
gen von Akkulturation, Vergesellschaftung und Sozialisation gerichtet. Diese Leistungen sind
weniger als intendierte Folge einzelner journalistischer Handlungen zu betrachten, sondern
lassen sich als Leistungen des Journalismus für Gesellschaft aus der Perspektive sozialwissen-
schaftlicher ‚Objektivation‘ beschreiben.302 Journalismus erscheint vor dem Hintergrund des
Lebenswelt-Konzeptes als Teil der gesellschaftlichen Erzählung:
„Habermas [beschreibt] das Erzählen von Geschichten, die Produktion von Narrativität als eine Urform der
Verständigung. Wir bestimmen unsere Position in der Welt, indem wir Erzählungen über diese Welt herstel-
len. Diese Erzählungen wiederum bilden das Material zur Vergewisserung unserer Selbst innerhalb der Funk-
tionen und Strukturen der uns umgebenden Umwelt.“303
Wird journalistisches Handeln als kommunikatives Handeln verstanden, dann werden auch
seine Beiträge zur diskursiven Reproduktion und Rationalisierung der Lebenswelt in ihren
Dimensionen Kultur, Sozialisation und Person beschreibbar. Genau deshalb ist das Lebens-
weltkonzept für der Entwicklung eines diskursiven Journalismusbegriffs von eminenter Bedeu-
tung – zum einen in seiner formalpragmatischen Fassung als Handlungshintergrund des
Journalisten, zum anderen in seiner sozialwissenschaftlichen Fassung zur Analyse und vor
allem Begründung der Aufgaben, die Gesellschaft vom Journalismus erwarten kann. Schließ-
lich fungiert der Journalist als Anwalt des gesellschaftlichen Diskurses immer auch als ein
Anwalt der Lebenswelt.
Die Implikationen der Verschränktheit von kommunikativem Handeln und Lebenswelt haben
– aus dieser Perspektive – in der Kommunikationswissenschaft bislang kaum systematisch
Eingang gefunden.304 Allerdings lassen sie sich mit Überlegungen der Cultural Studies305
rückkoppeln, die sich auf die (Re-)Produktion kultureller Ressourcen beziehen und dabei nicht
nur den Umgang der Rezipienten mit den medial zur Verfügung gestellten Ressourcen anders
fassen, sondern zugleich den Blick freimachen für die makrosoziale Frage der Reproduktion
lebensweltlicher Ressourcen durch Medien und Journalismus.
„Unter der Perspektive der Cultural Studies ist Journalismus ein wesentlicher Bereich gesellschaftlicher Be-
deutungsproduktion und -zirkulation. Er trägt zur Selbstverständigung der Gesellschaft bei, indem er das ak-
tuelle Zeitgespräch initiiert und organisiert. Journalismus ist somit eine zentrale Instanz des kulturellen Dis-
kurses mittels nonfiktionaler Medienangebote.“306
An diesem ersten Näherungsversuch fällt schon terminologisch die Nähe zu den bislang
diskutierten Überlegungen auf. Auch hier ist von einem ‚aktuellen Zeitgespräch‘ die Rede, in
dessen Verlauf kulturelle Ressourcen einer Gesellschaft produziert oder reproduziert werden
können. Als Institution dieses Zeitgesprächs gerät Journalismus weniger in einer zweckrational
dienstleisterischen Funktion in den Blick, als vielmehr in seiner kommunikativen Bedeutsam-
keit für lebensweltliche Ressourcen. Journalismus hat als zentrale Funktion nicht der Wissens-
vermittlung zu dienen, sondern der „narrativen Herstellung eines gemeinsamen kulturellen
Verständnisses“307 in entsprechender kommunikativer Interaktion. Dieser ‚cultural approach‘
vertritt in kommunikationstheoretischer Hinsicht einen ‚ritual view‘,
„[…] der Kommunikation mit Ausdrücken wie ‚teilnehmen‘, ‚Gemeinsamkeit‘, ‚Bezug auf einen gemeinsa-
men Glauben‘ in Zusammenhang bringe und so auf die gemeinsamen Wurzeln des Konzepts Kommunika-
tion mit ‚commonness‘ und ‚community‘ Bezug nehme. Dies ist nicht so zu verstehen, daß es um das (Mit-)
Teilen von Informationen geht, über die dann Kommunikator und Rezipient verfügen, sondern daß Teilhabe
an Kommunikation primär als Herstellung einer Verständigungsgemeinschaft gesehen wird und sich die Teil-
nehmer gegenseitig darin bestätigen, daß sie fundamentale und kulturell basierte Übereinstimmungen tei-
len.“308
304 Sie sind selbstverständlich auf anderer theoretischer Grundlage fester Bestandteil kommunikationswissen-
schaftlicher Diskurse. Aber erst die Perspektive der Verknüpfung kommunikativen Handelns mit lebensweltli-
chen Strukturen ermöglicht es, sie auch als Ergebnisse sozialer Kommunikationsprozesse zu begreifen.
305 Bislang steht diese Bezeichnung weniger für einen einheitlichen Forschungszweig als vielmehr für eine Vielzahl
unterschiedlicher Theorie- und Forschungsansätze.
306 Klaus/Lünenborg 2000b, S. 414f.; siehe auch: Klaus/Lünenborg 2000a; zur Kritik siehe Scholl 2000.
307 Klaus/Lünenborg 2002, S. 155; vgl. zur Kritik an dieser Kommunikationsmetapher Krippendorf 1994.
308 Krotz 1992, S. 413
3 Implikationen einer lebensweltlichen Verankerung 231
Die Cultural Studies thematisieren in ihren Forschungen primär die Komplexe Kultur, Medien
und Macht und ihr Verhältnis untereinander309 und zielen damit auch auf „wesentliche Kon-
texte des Journalismus“310. Medienanalysen betreiben sie „im Rahmen umfassender interpreta-
tiver Kulturstudien“, da ohne Berücksichtigung des Bedeutung generierenden kulturellen
Gesamtrahmens Aussagen über die Rolle der Medien, die vielfach in diesen Zusammenhang
eingebunden sind, kaum zu treffen sind.311 Im Ergebnis streben Cultural Studies „ein kritisch-
konstruktivistisches, nicht rein erkenntnistheoretisch begründetes Paradigma einer Kulturso-
ziologie und Kommunikationswissenschaft“ an.312
Angesichts der Enttraditionalisierung moderner Gesellschaften und des Verlustes eingeleb-
ter Gewissheiten und Identitätsangebote begreifen die Cultural Studies kulturelle Zusammen-
hänge nicht als fixen Bedeutungsrahmen, sondern als heterogenes Reservoir symbolischer
Ressourcen, dem ein „nie zu beendender Konflikt über Sinn und Wert von kulturellen Traditi-
onen, Praktiken und Erfahrungen“ zugrunde liegt.313 Damit werden Prozesse angesprochen,
die auch unter der Perspektive einer Rationalisierung von Lebenswelt thematisiert werden
können: Alte, traditionell begründete Bedeutungs- und Begründungsmuster werden brüchig,
neue müssen entwickelt und – so wäre hinzuzufügen: argumentativ – durchgesetzt werden.
Der Prozess dieser Rationalisierung verläuft auf dem Weg diskursiver Situationsdefinitionen in
kommunikativer Interaktion, durch die Teilnehmer und Beobachter Aufschlüsse über ihre
soziale Situiertheit erlangen können. Lünenborg verweist in ihrem kulturtheoretischen Journa-
lismus-Konzept nicht nur auf die Nähe zwischen Cultural Studies und Habermasschem
Lebenswelt-Konzept, sondern auch auf das Potenzial des Letzteren, normative Maßstäbe
auszuweisen, die einer kulturalistischen Verkürzung der Analyse vorbeugen können.314
Gemeinsam ist den beiden Analyseperspektiven der Cultural Studies und des lebenswelt-
lich-kommunikativen Handelns, dass sie in modernen Gesellschaften die Produktion und
Reproduktion des Vorrats an symbolischen Ressourcen, an Deutungsmöglichkeiten und
Bedeutungsangeboten in permanenten kommunikativen Aushandlungsprozessen verorten.
Ebenfalls gemeinsam ist ihnen, dass sie versuchen, diese Prozesse nicht nur zu analysieren,
sondern bezogen auf sie ein kritisch-theoretisches Potenzial zu entfalten.315
„Ausgehend von Überlegungen aus dem Marxismus, der Kritischen Theorie, der Semiotik, der Linguistik und
den Handlungstheorien geht es ihnen um die kontextuelle Erforschung – und Veränderung (!) – des Verhält-
nisses von Kultur, Medien und Macht.“316
Die Cultural Studies unterscheiden sich aber von dem Konzept einer kommunikativ integrier-
ten Lebenswelt in erheblichem Maße dadurch, dass sie alltagssprachliche Kommunikationspro-
zesse nur teilweise unter der Prämisse kommunikativer Rationalität und vielmehr unter Maß-
gabe existierender Macht- und Bedeutungsstrukturen analysieren. Ihre Perspektive ist weniger
die der rationalen Integration von Gesellschaft, als vielmehr die des Umgangs mit einem
gegebenen, wenngleich veränderbaren Bedeutungszusammenhang. Aber auch hier gilt: Kom-
munikation und kultureller, lebensweltlicher Hintergrund sind aufeinander bezogen. In Kom-
munikation wird Kultur geschaffen, ohne Kultur wäre Kommunikation nicht vorstellbar.317
Medien und Journalismus können sich von dieser Verschränkung nicht frei machen, sondern
sind an der kommunikativen Produktion und Reproduktion kultureller Ressourcen beteiligt
und können so für Orientierung sorgen:
„Die Medien schaffen symbolische Karten der Welt, sie versuchen, den Bereich des ‚Wahren‘ zu definieren
und üben Macht über diejenigen aus, die diese Bedeutungsrahmen anwenden, um mit ihrem alltäglichen Le-
ben zurechtzukommen.“318
Aus der Perspektive der Cultural Studies wird betont, dass sich der lebensweltliche Deutungs-
horizont aus einer Vielzahl von Quellen speist, unter denen der mediale nur einer (wenn auch
ein prominenter) ist, innerhalb dessen wiederum Journalismus neben anderen Medienangebo-
ten (fiktionale Filme, Shows etc.) nur einen Bestandteil darstellt. Neben nichtjournalistischen
Medienangeboten gehören journalistische Kommunikate aber in jedem Fall zu den Bedeu-
tungsangeboten, die angesichts der Inanspruchnahme massenmedialer Verbreitungsmöglich-
keiten die Chance auf eine höhere Reichweite haben. In der Terminologie der Cultural Studies
kann man Journalismus daher als „bedeutungsproduzierendes Textsystem“319 oder gar als „das
wichtigste textuelle System der Gesellschaft“320 verstehen.
Die Überlegungen der Cultural Studies-Forschung werden in der Kommunikationswissen-
schaft besonders in der Wirkungsforschung und in der Medientheorie als anschlussfähig
erachtet, da sie nicht nur auf die Eigenleistungen der Medien als ein „kulturelles Forum“321 für
die Produktion und Reproduktion eben dieses Deutungs- und Bedeutungsvorrats einer Gesell-
schaft fokussieren, sondern auch auf ihre eigensinnige Inanspruchnahme durch Rezipienten.322
Das Verhältnis zwischen medialer ‚Kultur‘ und Rezipienten ist somit ein Kernthema des
Cultural Studies-Forschungsansatzes, während die Produzenten der Medieninhalte bislang eher
am Rand des Analyse-Ausschnitts stehen.323 Weniger die Encodierung von Bedeutung in
Medienbotschaften (also die Kommunikatorforschung) als vielmehr die Prozesse der Decodie-
rung dieser Botschaften stehen im Zentrum der Forschung.324 Kommunikation erscheint so
tendenziell als „Bezugnahme und Einordnung und damit Rekonstruktion von strukturellen
gesellschaftlichen und kulturellen Bedingungen durch das gesellschaftlich positionierte Sub-
jekt“.325 Ein meistens passiv interpretierter Akt wie das Lesen einer Zeitung werde, so Krotz,
aus der Sicht von Cultural Studies-Ansätzen
„[…] als ritueller und dramatischer Akt begriffen, über den der Leser in Bezug zu den gestaltenden und wi-
derstreitenden Kräften der Gesellschaft trete und sich in verschiedenen gesellschaftlich wichtigen Rollen en-
gagiere. Zeitunglesen sei dementsprechend eine in der und für die Mediengesellschaft typische, kulturell fun-
dierte, die Gesellschaft reproduzierende und an ihr partizipierende Tätigkeit […].“326
Die zentrale Erklärkraft des Cultural Studies-Ansatzes mit Blick auf die Orientierungsleistun-
gen journalistischer Kommunikation erschöpft sich nicht nur in Fragen nach Möglichkeiten
der individuellen Rezeption journalistischer Angebote, sondern sie thematisieren zugleich
besonders auch aktive und partizipative Aspekte gesellschaftlicher Kommunikation. Sie erlau-
ben zumindest partiell, die journalistische Konstitution des Selbstgesprächs der Gesellschaft
begrifflich auf eine Weise zu fassen, die viel grundlegendere Orientierungschancen eröffnet,
auch wenn diese dann nicht zwangsläufig eingelöst werden. Journalismus wird in jüngeren
Cultural Studies-Ansätzen, die sich von der Rezeptionsforschung partiell gelöst haben, nicht
mehr nur als Generator eines bedeutungsgeladenen Textes verstanden, sondern in Anlehnung
an die Foucaultsche Terminologie als ein ‚kultureller Diskurs‘, als ein Rahmen zur gesellschaft-
lichen Aushandlung von Bedeutungen. Journalismus wird aus dieser Perspektive als gesell-
schaftlicher (Struktur-)Zusammenhang begriffen, der mit kultureller (Re-)Produktion durch
Kommunikation eng verbunden ist. Im Zentrum dieser jüngeren Journalismus-Ansätze der
Cultural Studies stehen dabei nicht die Handlungen von Rezipienten oder Produzenten,
sondern ein makrosozialer gesellschaftlicher Zusammenhang.327
Aus dieser Perspektive geht es bei der Frage der Orientierung durch Journalismus nicht um
die Übermittlung einzelner Informationen, die in einen Zusammenhang gebracht werden,
sondern in einem umfassenderen Sinne um Beiträge zur Organisation eines permanenten ge-
sellschaftlichen Verständigungsprozesses. Dies involviert das Vermitteln von Informationen,
aber auch das Herstellen von Zusammenhangswissen und das Eröffnen kommunikativer Teil-
habemöglichkeiten, um durch Partizipation an kommunikativen Austauschprozessen Struktu-
ren verstehen und verändern zu können. Das Publikum erhält in diesem Prozess der gesell-
schaftlichen Selbstverständigung eine prominente Rolle: Der Rezipient wird nach dem „Kon-
zept der diskursiven Verhandlung“ als eigensinniger kommunikativer Akteur gesehen, der über
Bedeutungszuweisungen unabhängig von den Intentionen des Journalisten bzw. Medienprodu-
zenten entscheiden kann.328 Dies hat Auswirkungen auf das Verständnis der Handlungsmög-
lichkeiten des Journalisten; er wird „vom Macher zum Anbieter“, wie Pätzold ausführt:
„Nicht der Journalist entscheidet über die Bedeutung seiner Texte, seines Produkts. Er kann für ein Thema
kämpfen, kann durch Recherche und Engagement Intentionen der Aussage festlegen und kann durch die An-
lage der Aussage in dem von ihm gewählten oder ihm zugewiesenen Genre den Interpretationsrahmen für die
Bedeutungszuweisung des Rezipienten vorgeben. Er verfügt also über Mittel, im intermedialen Wettbewerb
Aufmerksamkeit auf sein Thema oder seine Person zu lenken. Doch die Bedeutung, die sein Text, seine Aus-
325 Krotz 1997, S. 119. Die Orientierungsfunktion von Medien bezieht sich damit auch aus der Sicht der Cultural
Studies darauf, aus dem kommunikativen Angebot einen Teil herauszuheben und als symbolische Ressource
zugänglich zu machen. Dabei geht es nicht um Übersetzungs- oder Vermittlungsleistungen, sondern um ein
weitgehend subjektives Encodieren und Decodieren medialer Botschaften, das von verschiedenen Einflüssen
bestimmt und im Anschluss an Modelle der Zeichenübertragung analysiert wird (vgl. Hall 1980).
326 Krotz 1992, S. 413
327 Vgl. Löffelholz 2003a, S. 40. Beschrieben wird Medienkonsum als Teilhabevoraussetzung an Gesellschaftlich-
keit; vgl. dazu auch Klaus/Lünenborg 2004, S. 196ff..
328 Renger 2000b, S. 480; vgl. Renger 2000c, S. 222
234 IV Aspekte der kommunikativen Rationalität des Journalismus
sage erlangen, wird über das Genre und über das Format als Medientext in letzter Instanz durch den Rezi-
pienten festgelegt. Die Bedeutungskonstruktion ist das Ergebnis der Texteigenschaften des Mediums und de-
ren kontextueller Einbindung durch das Publikum.“329
In diesem Fokus auf das Publikum liegt aber zugleich auch das Problem des Cultural Studies-
Ansatzes für die Journalismusforschung: Die Leistungen des Journalismus für die Herstellung
derjenigen kommunikativen Angebote, die vom Publikum rezipiert werden, werden oft nur
peripher erfasst, da die ungesteuerte Bedeutungszuweisung im Rezeptionsprozess untersucht
wird, während der Produktionsprozess und die journalistischen Akteure eine geringere Rolle
spielen. Insofern lässt sich auf der Basis der zur Verfügung stehenden Ergebnisse der Cultural
Studies-Forschung kaum bestimmen, wie journalistisch zu handeln wäre, um Orientierungsleis-
tungen für Rezipienten zu erbringen. Immerhin konstatieren Klaus und Lünenborg, dass es um
die Analyse des Zusammenwirkens von journalistischen Produzenten und Rezipienten gehen
müsse und beschreiben qualitative Eigenschaften journalistischen Handelns, die dieses Zu-
sammenwirken erleichtern sollen:
„Nur wenn Medientexte ‚erfolgreich‘, also sinnverstehend rezipiert werden, nur dann können gesellschaftliche
Übereinkünfte erzielt werden. Nur wenn die aktuelle journalistische Textproduktion an diese sinnhafte De-
kodierung verfügbarer Textangebote anschließt, auf widerständige Deutungen Bezug nimmt und diese zum
Gegenstand der Auseinandersetzungen macht, kann Journalismus erfolgreich zur gesellschaftlichen Orientie-
rung beitragen.“330
Die Autorinnen weisen hier indirekt auch darauf hin, dass journalistische Kommunikation mit
lebensweltlichen Ressourcen eng verschränkt ist und entsprechende Bezüge zu berücksichtigen
hat. Doch auch diese Beschreibung, die sich eher auf Fragen journalistischer Selektionsent-
scheidungen bezieht, kann nicht darüber hinweg sehen lassen, dass die Cultural Studies, wie
Krotz zurecht anmerkt, keine Vorstellung davon besitzen, „[…] wie der konkrete Kommunika-
tionsprozeß in konkreten Situationen verläuft“.331 Will man aber die wohl kaum zureichend
beantwortbare Frage nach dem ‚Wie‘ der kommunikativen Beziehung zwischen Journalismus
und Publikum immerhin nicht ganz suspendieren, sondern zumindest theoretisch weiter
vorantreiben, so kommt man nicht umhin, neben den kulturellen Ressourcen selbst auch die
handlungstheoretisch zu fassenden Modi ihrer Inanspruchnahme zu thematisieren. Die Produ-
zenten dieser Ressourcen rücken dann in den Blick, gemeinsam mit der Frage, ob es nicht
spezifische und beschreibbare Möglichkeiten der Encodierung des Kommunikats gibt, die
bestimmte rationale Rezeptions- und Verarbeitungsweisen nahe legen. Dass dies möglich ist,
argumentieren zum Beispiel kommunikative oder interaktionistische Handlungsmodelle, die
sich mit der Produktion und Reproduktion symbolischer kultureller Ressourcen beschäftigen.
Krotz schlägt daher vor, die handlungstheoretische „Leerstelle“ der Cultural Studies durch das
komplementäre Konzept des symbolischen Interaktionismus zu schließen.332
„Symbolischer Interaktionismus und Cultural Studies berühren sich – wenn auch nicht explizit – im Begriff
der Bedeutung als zentrales Konzept dafür, was für das Individuum handlungsleitend ist. Dabei ist unter ‚Be-
deutung‘ nicht ein Zusatz, eine Art von außen hinzugefügtes ‚surplus‘ etwa eines Objektes zu verstehen, son-
dern eine Wahrnehmungsweise, in der sich dieses Objekt überhaupt erst als eigenständiges Phänomen, als
329 Pätzold 2002, S. 38. Journalistisches Handeln erscheint hier „als regelhaftes Herstellen medialer Texte, in denen
aktuelle Informationen periodisch und formatiert mit optimalen Publikumserwartungen vorgegeben werden,
die dann im Rezeptionsprozess ihre unterschiedlichen Bedeutungszuweisungen erhalten.“ (ebd., S. 38)
330 Klaus/Lünenborg 2000a, S. 204f.
331 Krotz 1997, S. 122
332 Ebd., S. 122; vgl. dazu ausführlich Krotz 2001b.
3 Implikationen einer lebensweltlichen Verankerung 235
‚faktum‘ konstituiert. […] Menschen leben dementsprechend in einer Welt aus gedeuteten Symbolen, die sie
als Gesellschaftswesen, aber zugleich auch im Hinblick auf die ihnen eigentümliche Identität in ihren Interak-
tionen konstruieren, und sie zeichnen sich durch die Fähigkeit zu symbolisch vermittelter Interaktion aus.
Weil soziales Geschehen und soziale Strukturen aus dem sozialen Handeln der Menschen und damit aus
ihren Interaktionen entstehen, wird damit das Bild einer durch und durch sozialen Welt unterstellt.“333
Der Bereich des kommunikativen journalistischen Handelns umspannt und integriert dabei
weitgehend die Rollenmodelle, die klassisch entfaltet werden. Wird Journalismus in seinen
kommunikativen Grundlagen ernst genommen und nicht zu einem zweckrationalen Trans-
porthandeln reduziert, dann beschreiben die unter den Überschriften Interaktion, reflexive
Vermittlung, Verständigungsorientierung sowie kommunikative Kompetenz behandelten
Zusammenhänge, inwiefern journalistisches Handeln performativ gesellschaftliche Leistungen
durch Kommunikation erbringt. In der Regel beruht Journalismus dabei auf dem Umgang mit
Sprache und der in sie eingelassenen Rationalität. Aber die Ausführungen der ‚Theorie des
kommunikativen Handelns‘ lassen sich ihrem Anspruch gemäß auf andere Kommunikations-
modi ausweiten – und damit als Leitfaden journalistischer Äußerungen auch jenseits linearer,
schriftlicher Propositionalität heranziehen342:
„Sprache ist für Habermas das humanspezifische Medium der Verständigung schlechthin, er geht davon aus,
dass auch die Bedeutung nichtsprachlicher Ausdrucksformen (Gestik, Mimik etc.) stets sprachlicher Natur ist
und damit alle Formen nonverbaler Kommunikation ihrerseits wieder auf Sprache verweisen.“343
Die qualitativen Veränderung, die diese theoretische Fundierung gegenüber anderen Journa-
lismusverständnissen begründet, ist vor allem die stärkere Betonung der interaktionistischen
Struktur der Kommunikation und der Rationalität erhobener Geltungsansprüche. Die daraus
folgenden Annahmen sind in der folgenden Tabelle zusammengefasst.
Journalistisches Handeln
Aus der Konzeption journalistischen Handelns als kommunikativem Handeln lässt sich in
erster Linie eine Kritik der bisherigen Journalismusforschung und -theorie ableiten, die sich
gegen die Verkürzungen richtet, die sich aus Versuchen ergeben, Journalismus als professionel-
les oder berufliches Handeln unter den Imperativen zweckrationaler Vernunft zu beschreiben.
Derartige Versuche, Journalismus als Erfüllung fremd gesetzter Vermittlungszwecke zu konzi-
pieren, geraten, solange sie handlungstheoretisch ausgerichtet sind, früher oder später in die
problematische Situation, die Subjektivismen journalistischen Handelns und Kommunizierens
als nicht rollengerecht kritisieren zu müssen, und das obwohl diese doch kommunikativ durch
die Eigensinnigkeit der Sprache, epistemologisch angesichts der Kontingenz subjektiver
Erkenntnis und auch verfassungsrechtlich auf Basis des Gebots der Meinungsfreiheit akzep-
tiert werden müssten. Die Nicht-Berücksichtigung der kommunikativen Verständigungslogik
des Journalismus führt dazu, dass jede Form des journalistischen Handelns, die einen Kern
Subjektivität bewahrt, unter Rechtfertigungszwang gestellt wird. Im Ergebnis bedeutet das die
bereits erwähnte kommunikative Entkernung des Journalismus auf konzeptioneller Ebene.344
In normativ handlungstheoretischer Fassung bleibt solchen Näherungen an Journalismus
nichts anderes übrig, als die Frage nach der Legitimität journalistischer Handlungsspielräume
zu stellen, ohne aber einen zureichenden Beurteilungsrahmen begründen zu können, der auf
eine Auflösung der problematisierten Rollenkonflikte hinwirken könnte.345 Die ‚Theorie des
kommunikativen Handelns‘ dagegen lässt sich auch als ein Appell lesen, weitergehende kommuni-
kative Aspekte öffentlichen – journalistischen – Handelns, die in vielen Analysen moderner Gesell-
schaften aufgrund ihrer Fokussierung auf Funktionalismen und Zweckrationalität vernachläs-
sigt werden, wieder mit in den Blick zu nehmen, nicht anstelle, sondern im Verbund mit den
gängigen Kategorien, in denen Modernisierungsprozesse als instrumentelle Rationali-
tätssteigerungen beschrieben werden.346 Wenn journalistisch handelnde Akteure als Anwälte
des gesellschaftlichen Diskurses betrachtet werden, dann werden Legitimationsfragen ange-
sichts ihrer kommunikativen Reflexivität unnötig. Kommunikatives Handeln legitimiert sich
durch die Offenheit und Debattierbarkeit seiner Geltungsansprüche performativ.347
Der Bezug zum Konzept kommunikativen Handelns verdeutlicht in letzter Konsequenz,
dass journalistisches Handeln nicht scheitern kann. Nur wenn davon ausgegangen wird, dass
ein direkter Zusammenhang zwischen persönlichen Haltungen und professionellen journalisti-
schen Handlungen besteht und dass es wissenschaftlich möglich ist, direkt auf die Haltungen
und Intentionen der Journalisten zugreifen und deren Richtigkeit anzweifeln zu können, lässt
sich ein Scheitern technisch verstandener, vermittelnder Aufgaben konstruieren. Wenn man
allerdings journalistisches Handeln als kommunikatives Handeln, betrachtet und davon ausgeht
„[…] daß journalistisches Handeln den Imperativen sprachlicher Verständigung gehorcht, deren ‚Wirkung‘ im
günstigsten Fall darin besteht, soziales Handeln zwanglos zu koordinieren, kann die Arbeit des Journalismus
im Prinzip nicht scheitern, sondern unter dem Aspekt der Gültigkeit der jeweiligen Aussagen ‚nur‘ bestritten wer-
den: das heißt immer: die Geltungsansprüche journalistischer Aussagen auf ihre Verallgemeinerungsfähigkeit
zu prüfen, sie also den Bedingungen des moralisch-praktischen Diskurses zu unterziehen.“348
dafür, dass es Menschen sind, die handeln und die für eine Wissenschaft, die Handeln untersu-
chen und verbessern will, ansprechbar sein müssen. Zugleich aber umgeht sie die Probleme
eines normativen Individualismus, von dem die frühe Publizistikwissenschaft genauso geprägt
ist wie legitimistische Versuche. Die ‚Theorie des kommunikativen Handelns‘ eröffnet auf-
grund ihrer Verklammerung mikro- und makrosozialer Annahmen die Möglichkeit, sowohl das
Handeln journalistischer Akteure zu rekonstruieren, als auch die gesamtgesellschaftlichen und
demokratiekonstitutiven Aufgaben zu begründen, die Journalismus seit Aufklärungszeiten
zugeschrieben werden. Das bedeutet nicht, dass jede journalistische Handlung diesen normati-
ven Anforderungen auch genügt, sondern dass die kommunikative Rationalität der Sprache
dem Journalismus nicht nur zugänglich ist, sondern seine genuine Grundlage bildet.
Mit dem Konzept eines verständigungsorientierten Journalismus sollen keine empirischen
All-Aussagen über Journalismus und seine Bindung an einen bestimmten Handlungsmodus
getroffen werden. Schließlich ist schon aus einer streng akteurstheoretischen Perspektive
offensichtlich, dass Journalisten in ihren Kommunikationsakten sehr wohl auch strategisch,
dramaturgisch oder normenreguliert vorgehen können und dass sie somit in der Lage sind, ihr
Handeln an unterschiedlichen Rationalitätsmaßstäben und Funktionserfordernissen auszurich-
ten. Ein primär zweckrationaler Journalismus aber entfernt sich – aus grundsätzlich normativer
Perspektive – von dem beschriebenen kommunikativen Fundament und wird defizitär. Dem
kann durch entsprechende Ausbildungsleistungen entgegengewirkt werden, zum Beispiel
indem Journalisten Grundkenntnisse der Wissenssoziologie und der Soziologie vermittelt
bekommen, um sie in die Lage zu versetzen, die ihrer Berichterstattung zugrunde gelegten
Annahmen über soziale ‚Realität‘ entsprechend zu relativieren und so auch umfassendere,
orientierende Bezüge in ihrer Berichterstattung herzustellen.351 Vielfach eingeschränkt werden
muss der Verständigungsspielraum journalistisch Handelnder allerdings, wenn auch die institu-
tionellen und systemischen Restriktionen berücksichtigt werden, denen Journalismus heutzuta-
ge unterworfen ist.352 Prozesse der Verberuflichung können daher, durch die Induktion einer
anderen Logik, die Verständigungsorientierung modernen journalistischen Handelns bedrohen.
Im Spannungsfeld von sprachlicher Kommunikationsrationalität und beruflicher Zweckratio-
nalität muss ein auf Verständigung gerichteter diskursiver Journalismus sich täglich neu bewäh-
ren.353 Dass er dazu zunächst prinzipiell in der Lage ist, liegt in der kommunikativ fundierten
Autonomie lebensweltlicher Akteure begründet, die auch Journalisten zuzubilligen ist:
„In kommunikativ strukturierten lebensweltlichen Kontexten sind bzw. bleiben die in modernen und damit
notwendig komplexen Gesellschaften sozialisierten Individuen grundsätzlich in der Lage, die persönlichen
und sozialen Entwicklungen zu verstehen , für die Folgen ihres Handelns Verantwortung zu übernehmen und
sich mit Beteiligten über Lösungen anstehender normativer Konflikte zu verständigen (Sozialintegration be-
wusster, kommunikativ kompetenter Individuen).“354
Aus den komplexen Annahmen der ‚Theorie des kommunikativen Handelns‘ kann eine nor-
mative Vorstellung von dem, was Journalismus sein soll, destilliert werden. Entsprechend
weiterentwickelt könnte ein Verständnis eines diskursiven Journalismus über die Beschreibung
des kommunikativen Handlungsmodus in der Lage sein, Journalisten als Subjekte einer Theo-
rie und einer daraus abzuleitenden Ethik des Journalismus anzusprechen.
355 Diese haben ihre Kritik der instrumentellen Vernunft in der ‚Dialektik der Aufklärung (Horkheimer/Adorno
1988 [1944]) und in ‚Der eindimensionale Mensch‘ (Marcuse 1970 [1964]) formuliert. Vgl. zur Abgrenzung der
geschichtsphilosophischen älteren Entwürfe von der Habermasschen Theorie Dubiel 2001; Honneth 1982.
356 Vgl. die dezidierte Kritik in Habermas 1995 [1981], Bd. 1, S. 489ff.
357 Das gilt gleichermaßen für eine konservative wie für eine reformerisch-emanzipatorische Vernunftkritik.
358 Pias (2003) interpretiert die poststrukturalistischen Medientheorien zu Recht eher als eine „Kritik der Theorie“ denn
als eigenständige Theorie. Aus dieser Perspektive sind zwar seit den 1970er Jahren ebenso gewichtige wie sper-
rige Beiträge für die Medientheorie formuliert worden, die sich aber in der Regel nur schwer in Forschung ope-
rationalisieren lassen. Ihre Leitthemen sind die Auflösung und das Verschwinden des Bestehenden und der
Gewissheiten. Folgerichtig offeriert der Poststrukturalismus „keine Anwendungen, sondern allenfalls Anregun-
gen, produziert keine Einführungen, sondern allenfalls Versuche von Auslassungen […]. Vor allem aber ver-
fasst er keine Methodologie.“ (ebd., S. 286f.)
359 Vgl. Habermas 1995 [1981], Bd. 2, S. 225f.
242 IV Aspekte der kommunikativen Rationalität des Journalismus
Objektivität als über das Wie von Transparenzgeboten zu diskutieren.360 Wichtig werden in der
Folge einer solchen Entscheidung Rahmenbedingungen des journalistischen Handelns wie
• Werthaltungen und -überzeugungen,
• Sozialisation und sozialer Status,
• äußere Bedingungen, journalistische Handlungsspielräume,
• rechtliche, politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen,
• journalistische Arbeitsbedingungen in der Redaktion,
• Verwertungsbedingungen für journalistische Produkte auf dem Medienmarkt.
Um diese Rahmenbedingungen angemessen thematisieren zu können, ist die Zweistufigkeit des
Aufbaus moderner ausdifferenzierter Gesellschaften zu berücksichtigen, der sich aus der
Ausdifferenzierung spezialisierter Teilsysteme ergibt, die von subjektiv unkoordinierten Ein-
zelentscheidungen gesteuert werden. Angesichts der daraus erwachsenden, zumindest partiell
systemischen Steuerung moderner Gesellschaften ist auch die alleinige Rezeption des hand-
lungstheoretischen Strangs der ‚Theorie des kommunikativen Handelns‘ nicht ausreichend, um
journalistisches Handeln praxisorientiert modellhaft in den Griff zu bekommen.361 Es wird im
folgenden Kapitel zu diskutieren sein, inwiefern die Entfaltung der im journalistischen Han-
deln angelegten Kommunikativität durch die gesellschaftlichen und insbesondere medialen
Rahmenbedingungen geformt wird.
1 Die Systemperspektive
Die institutionellen politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen des journalistischen
Handelns sind im bisherigen Argumentationsverlauf zwar nicht ausgeblendet, wohl aber
bewusst unterbelichtet worden, um zunächst ein einseitig idealisiertes Bild der konzeptionellen
Basis eines kommunikativen journalistischen Handlungsmodus zu skizzieren – ohne dabei die
Grenzen seiner kommunikativen Rationalität sowie deren Wechselspiel mit anderen Vergesell-
schaftungs- und Koordinierungsmechanismen systematisch zu thematisieren. Die handlungs-
theoretische Perspektive zielt zwangsläufig stärker auf einzelne Akteure als auf soziale Zusam-
menhänge. Das Akteurshandeln muss aber zu strukturellen und systemischen Bedingungen in
Beziehung gesetzt werden, um die empirischen Entfaltungsmöglichkeiten des idealtypisch
isolierten Potenzials skizzieren zu können.1 Eine Analyse des Journalismus ist nicht vollständig
ohne eine Auseinandersetzung mit den Wandlungsprozessen in Medienstruktur und -kultur.2
Die kommerzielle Nutzung der Presse macht es spätestens seit dem Strukturwandel im 19.
Jahrhundert notwendig, die Versorgung mit ausreichend veröffentlichungsfähigem Material so
zu organisieren, dass der ‚kommunikative Gebrauchswert‘ der Zeitung jeden Tag neu produ-
ziert werden kann, um gewinnbringenden Absatz zu gewährleisten. Die Produktion bedarf
daher aus Verlegersicht nicht nur in den Bereichen Druck und Vertrieb, sondern auch in der
Erstellung und Verarbeitung von Texten der Standardisierung. Der Einkauf fertiger Texte
externer Schriftsteller reicht nicht mehr aus, sondern Medienbetriebe holen zu diesem Zeit-
punkt die journalistische Arbeitskraft in den kapitalgesteuerten Produktionsprozess hinein.3
Durch „die industrielle Produktionsweise, verbunden mit zunehmender Arbeitsteilung und
Produktstandardisierung“ hat sich, so Fabris, „eine massive Einschränkung für die journalisti-
sche Arbeit“ ergeben.4 Journalismus steht in der Gefahr, durch die Veränderung seiner Entfal-
tungsbedingungen „[…] endgültig auf den Zwischenhandel mit der Ware Information redu-
ziert zu sein“.5 Dieser Trend weicht in letzter Zeit durch den vermehrten Einsatz von freien
Journalissten und das gezielte Outsourcing ganzer Redaktionsbereiche wieder auf. Das Ergeb-
nis dieser Entwicklungen ist allerdings nicht eine steigende Zahl publizistisch unabhängigerer
freier Journalisten, sondern die Entwicklung einer ökonomischen in Bedrängnis geratenden
Gruppe von Content-Zulieferern, die neben journalistischen produkten auch PR-Arbeiten
erledingen, um ein genügendes Auskommen zu haben.6 Daher stellt die Entwicklung keine
Revitalisierung eines kommunikativen, von Medienzwängeren unbelasteteren Journalismus’
dar, sondern ist ein weiteres Indiz für die Stärke ökonomischer Prämissen in den Medien.
1 Um nur zwei klassische Beispiele zu nennen: Fabris (1979, S. 166) fordert notwendige kommunikationspoliti-
sche Konsequenzen, um einen teilhabeorientierten Journalismus wahrscheinlicher zu machen. Bentele (1982, S.
148) wiederum verweist aus der Objektivitätsdebatte heraus nachdrücklich darauf, dass aus Forderungen nach
‚objektiver Berichterstattung“ auch die „Forderung nach der Herstellung adäquater sozialer, redaktioneller, in-
stitutioneller Bedingungen“ ableiten läßt. In beiden Fällen bestehen die Autoren darauf, dass journalistische
Leistungen empirisch angemessen nur zu fordern und zu bewerten sind, wenn ihnen entgegenkommende so-
ziale Strukturen etabliert sind.
2 Vgl. Jarren 1998a, S. 84
3 Vgl. Schütt 1981, S. 92 Was Schütt als einseitigen Prozess der Unterordnung unter verlegerisches Kapitalver-
wertungsinteresse beschreibt, lässt sich auch als Herausbildung einer eigenständigen journalistischen Rolle ver-
stehen, die es zuvor gar nicht gegeben hat. So sieht Requate (1995, S. 399f.) in den Entwicklungen des 19. Jahr-
hunderts Veränderungen, die dazu führten, dass sich Journalismus als berufliche Tätigkeit von den publizisti-
schen Äußerungen von Politikern oder Schriftstellern überhaupt erst differenzierte.
4 Fabris 1979, S. 248
5 Baum 1996, S. 238
6 Vgl. Weischenberg/Malik/Scholl 2006b, S. 350
1 Die Systemperspektive 245
Baum stellt ganz grundsätzlich eine „Paradoxie journalistischen Handelns“ fest, die er in
dem Widerspruch zwischen der Realität des Mediensystems und der normativen Dimension
des Journalismus ausmacht.7 Er verweist damit auf den Umstand, dass Journalismus heutzuta-
ge eines Vermittlungsumfeldes bedarf, das journalistisch-kommunikativer Rationalität entge-
gensteht und ihre Entfaltung erheblich erschwert. Die Spielräume journalistischer Akteure
werden deutlich verengt, indem sie auf ein vermeintlich professionelles Berufshandeln festge-
legt werden, das den zweckrationalen Verwertungsimperativen der Medienbetriebe gehorchen
soll.8 Genau diese Entwicklung der Unterordnung des Journalismus unter mediale Imperative
kann aber nicht bis zur Aufgabe des Journalismus getrieben werden, da die kulturwirtschaftli-
che Produktion immer nur bedingt organisierbar ist. Journalismus bewahrt sich – wie alles
lebensweltliche Handeln – eine Eigensinnigkeit, die zu weitreichende systemische Übergriffe
abzuwehren versucht und damit letztlich ihre eigenen kommunikativen Geltungsgrundlagen
stärkt. Wäre er dazu nicht mehr in der Lage, wäre er von strategisch orientierten Public Relati-
ons nicht mehr zu unterscheiden. Die Aufrechterhaltung dieser bereits beschriebenen Abgren-
zung wird für einen unter Medienbedungungen agierenden Journalismus zunehmend bedeut-
samer, da er – anders als die PR – nicht ohne bestandsgefährdende Folgen der systemischen
Zweckorientierung subsumiert werden kann.
Die damit verbundenen, vergleichsweise komplexen und ökonomische Entwicklungen ein-
beziehenden Analysen des ‚Strukturwandels der Öffentlichkeit‘ konnten von der klassischen
Zeitungs- und Publizistikwissenschaft kaum nachvollzogen werden, weil diese in der Regel
nicht das dafür notwendige Instrumentarium besaß.9 Die kommunikationswissenschaftliche
Forschung hat den Fragen der Beziehung von Journalismus und Medien daher lange Zeit nicht
genügend Aufmerksamkeit geschenkt, aber
„[…] immerhin soviel, dass immer klarer wird, wie irreführend es ist, (tagesaktuelle) Medien und Journalismus
einfach in eins zu setzen. Zumal die Journalistik als publizistikwissenschaftliche Teildisziplin bezieht denn
auch systematisch den Journalismus auf den Strukturkontext der Medieninstitution. Langfristig mag so eine
integrale Theorie der publizistischen Produktion Umrisse gewinnen. Gegenwärtig hat man allerdings den
Eindruck, als würde auch dort das Verhältnis von Journalismus und Medien nicht grundsätzlich problemati-
siert und daher auch nicht systematisch diskutiert. Einer vergleichsweise gut entwickelten journalistischen Be-
rufsforschung steht eben keine entsprechend intensive Analyse der Medienorganisation gegenüber, so dass
die letztere in ihrer Eigenmacht und -rationalität als potentielle Stütze oder Gegenspielerin zum Journalismus
in der Forschung wenig Profil gewinnt.“10
Die Analyse dieser medialen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, welche einen kom-
munikativen Journalismus fördern oder behindern, erfordert einen Perspektivwechsel, der die
Beschreibung sowohl der kommunikativen Möglichkeiten als auch der gesellschaftlichen oder
ökonomischen Restriktionen des Journalismus erlaubt. Es geht im Folgenden um den Zustand
des Journalismus unter den Bedingungen der massenmedialen Infrastruktur, die sich in moder-
nen Gesellschaften ausdifferenziert hat und zurückwirkt auf journalistisches Handeln und die
Verfasstheit bürgerlicher Öffentlichkeit. Auf welcher Rationalität basieren die Massenmedien?
7 Ebd., S. 240
8 Für Saxer (1993a, S. 293) ist es gar ein mögliches Szenario medialen und journalistischen Wandels, dass die
Zukunft des Journalismus in Frage steht, sollten die Medien die „totale Einvernahmung oder Austreibung des
Journalismus“ betreiben und so das „Ende seiner Geschichte“ markieren.
9 Vgl. Bohrmann 2003, S. 173f. In der Regel steht bis heute dem „einheitlichen, untrennbaren Prozess des
Wirtschaftens und Veröffentlichens in den Medienunternehmen […] eine analytisch-wissenschaftlich getrennte
Reflektion gegenüber“, beklagen Altmeppen und Karmasin (2003c, S. 25) angesichts der nur geringen Berück-
sichtigung der Medienökonomie in der Kommunikationswissenschaft.
10 Saxer 1993a, S. 292f.
246 V Strukturwandel der Öffentlichkeit – Ausdifferenzierung der Massenmedien
Wie sind sie gesellschaftlich verankert? Auf diese Fragen sollen unter Zuhilfenahme der
Systemperspektive vorläufige Antworten formuliert werden, um den materiellen Bedingungs-
rahmen journalistischen Handelns und seine ermöglichenden wie einschränkenden Wirkungen
angemessen beurteilen zu können.
Systemische Analysen haben sich als ein wichtiges Instrument der Medien- und Journalismus-
forschung erwiesen: Insbesondere aus einer gesellschaftstheoretischen Perspektive können
Massenmedien als ein systemischer, zweckrational gesteuerter Zusammenhang betrachtet
werden. Mit ihnen wird eine (nicht nur technische) Infrastruktur institutionalisiert, die notwen-
dig ist, um die kommunikative Integration komplexer Gesellschaften über Öffentlichkeit zu
ermöglichen11 – Dröge und Kopper sprechen von dem „zentralen gesamtgesellschaftlichen
Vermittlungszusammenhang“12, Jarren von der „zentralen Infrastruktur der modernen Gesell-
schaft“13. Diese Infrastruktur bildet sich in einem sozialen Differenzierungsprozess, in dessen
Verlauf sich Routinen der medialen Vermittlung und Kommunikation nicht nur institutionali-
sieren, sondern gegenüber anderen gesellschaftlichen Bereichen verselbstständigen, um die
ihnen zugewiesene oder von ihnen angenommene soziale Funktion effizient zu erfüllen:
Einzelne Medieninstitutionen differenzieren sich als mediale Teilsysteme aus (zum Beispiel
Fernsehen) und bilden in ihrer Interaktion ein gesellschaftliches (Gesamt-)Mediensystem auf
der Basis einer eigenständigen Operationslogik. Die Medienstrukturen entziehen sich immer
mehr der gesellschaftlichen Steuerung, da die verschiedenen Medienteilsysteme ein hohes Maß
an interner Autonomie besitzen und die Ergebnisse ihrer Interaktion nicht als Ergebnisse
geplanter Gestaltung sozialer Entwicklungen verstanden werden können.14 Umgekehrt präfigu-
riert das (Gesamt-)Mediensystem eigenlogisch die Entfaltungsmöglichkeiten seiner medialen
Teilsysteme.15
Systemtheoretiker sehen einen entscheidenden Vorteil dieser theoretischen Perspektive
darin, dass sie schon „vom Ansatz her über eine isolierte Sicht auf Medien als bloße Techniken
hinaus auf den komplexen gesellschaftlichen Zusammenhang, in dem solche Techniken
funktionieren und wirken“, verweise.16 Tatsächlich macht diese Theorieperspektive auch die
Imperative beschreibbar, nach denen die materiellen Ressourcen reproduziert werden, die
journalistische Akteure in ihrem Handeln in Anspruch nehmen. Die zunehmende Ausdifferen-
zierung und Selbststeuerung des Mediensystems zeigt sich in der Verfeinerung einer eigenen
Selektionslogik und Präsentationsoptik17 sowie in zunehmender Selbstreferentialität medialer
Thematisierungsleistungen.18 Daraus erwächst eine abstrakt zu fassende Funktionslogik des
11 Luhmann (1981b, S. 29) sieht in Massenmedien die Möglichkeit, unwahrscheinliche Kommunikation dennoch
zu ermöglichen und in sozialen Systemen zu stabilisieren.
12 Dröge/Kopper 1991, S. 130
13 Jarren 1998a, S. 74
14 Vgl. Schmidt 1990, S. 77; Jarren/Meier 2002, S. 130
15 Das zeigt sich zum Beispiel darin, dass mediale Selektions- oder Darstellungslogiken unterschiedlich entfaltet
sind, je nach dem, ob ein Mediensystem noch vorwiegend auf Schrift ausgerichtet ist, oder sich visuelle Medien
bereits flächendeckend durchgesetzt haben.
16 Schmidt 1990, S. 77
17 Vgl. Meyer/Ontrup/Schicha 2000; Meyer 1997, S. 67
18 Ein konkretes Beispiel der Selbstreferentialität ist die journalistische Berichterstattung über medial induzierte
Ereignisse (vgl. Brosda 2002b).
1 Die Systemperspektive 247
Mediensystems, welche die Funktionserbringung der Medien für die Gesellschaft steuert. Diese
Logik beeinflusst die medial zur Verfügung gestellten Informationsangebote, das ‚agenda
setting‘ in gesellschaftlicher Kommunikation sowie die sozialen und individuellen Wirklich-
keitskonstruktionen in einer Gesellschaft.19 Medien sind der zentrale Faktor in der Strukturie-
rung öffentlicher Wahrnehmung geworden und besitzen in ihren Selektions- und Präsentati-
onsroutinen erheblichen Einfluss auf die Konstitution von Öffentlichkeit. Luhmann nennt
Massenmedien folglich „ein Instrument der Sofort-Integration, der Herstellung gemeinsamer
Aktualität“, durch die eine gemeinsame Unterstellung von sozialer ‚Realität‘ erzeugt werde.20
Allerdings folgen die dazu entwickelten Routinen nicht nur einer eigenständig ausdifferenzier-
ten medialen Logik, sondern werden im Gefolge weiterer historischer Umbrüche maßgeblich
von einer umfassenden ökonomischen Logik in den Dienst genommen.
Die Implikationen, die mit Begriffen wie massenmediales System oder Mediensystem verbunden
werden, sind jedenfalls so unterschiedlich, dass von einer einheitlichen systemtheoretischen
Perspektive weder in Bezug auf die Massenmedien, noch auf einen anderen Aspekt öffentlicher
Kommunikation gesprochen werden kann.21 Schließlich ist nicht nur der ‚Medienbegriff‘ durch
erhebliche Unschärfen geprägt, die vom ‚Aussagenträger‘ bis zur ‚voll entfalteten Kommunika-
tionsinfrastruktur‘ reichen22, sondern auch der ‚Systembegriff‘ ist umgangssprachlich wie
sozialwissenschaftlich nicht eindeutig definiert. Selbst innerhalb der systemtheoretischen Debatte
ist kein einheitliches Verständnis des Systemcharakters der Medien auszumachen.23 Bisweilen
impliziert die Verwendung des Systembegriffs überhaupt keine systemtheoretische Grundlegung
der Betrachtungen24, sondern bezeichnet lediglich einen technisch-institutionell identifizierba-
ren sozialen Komplex – wie die ‚Medienbranche‘ oder diejenigen Vermittlungsinstitutionen, die
sich um den ‚Kommunikationskanal‘ eines Verbreitungsmediums ansiedeln.25
Zu diesen definitorischen Unschärfen kommen weiterhin empirische Differenzen: Nicht alle
Autoren, die sich systemtheoretischer Terminologie bedienen, gelangen zu dem Schluss, dass
es sich bei dem, was sie ‚Mediensystem‘ oder ‚gesellschaftliches Subsystem der Massenkom-
munikation‘ nennen, um ein System handelt, das in seinem Organisationsgrad mit dem wirt-
schaftlichen oder politischen System vergleichbar wäre. Für Habermas zum Beispiel sind die
modernen Massenmedien zunächst lediglich eine generalisierte Form der Kommunikation, die
sprachliche Verständigung zwar kondensiert, aber lebensweltlichen Kontexten verhaftet
19 Vgl. Schmidt 1990, S. 78. Wobei Systemtheoretiker nicht davon ausgehen, dass das sich verselbstständigende
Mediensystem seinerseits steuernd in Führung geht; aber es strukturiert das Spektrum gesellschaftlicher Kom-
munikation vor, mit dem sich auch andere Teilsysteme zumindest als Umweltirritation auseinandersetzen müs-
sen. Die steigende Wichtigkeit der Medien drückt sich – systemtheoretisch betrachtet – auch darin aus, dass
andere gesellschaftliche Teilsysteme in Form von Public-Relations-Institutionen Grenzstellen schaffen, um
strukturelle Kopplungen zum Mediensystem zu bearbeiten (vgl. Brosda/Schicha 2002; Saxer 1999; Schwe-
da/Opherden 1995; Faulstich 1992).
20 Luhmann 1981d, S. 319
21 Vgl. Hohlfeld 2003, S. 99ff.
22 Siehe Kapitel I.3.1 der vorliegenden Arbeit.
23 Vgl. Jarren/Meier 2002, S. 130
24 Darauf hat Rühl (1969) früh hingewiesen.
25 Vgl. Siegert 2001, S. 169; Decker/Langenbucher/Nahr 1976, S. 5. Auch Böckelmann (1975, S. 37) konstatiert,
dass das massenkommunikative System als ein Subsystem von Wirtschaft und Politik angesehen werden könn-
te; dafür spräche, dass Massenkommunikation „keine festen Sinngrenzen und relativ geringe Autonomie“ besit-
ze. Im Ergebnis werden die Massenmedien dann in einem sehr allgemeinen Verständnis des Begriffs als ein
System gesehen, das sich vor allem in organisatorischer und struktureller Hinsicht ausdifferenziert hat und so-
mit Leistungen und Funktionen für Gesellschaft erbringt.
248 V Strukturwandel der Öffentlichkeit – Ausdifferenzierung der Massenmedien
bleibt.26 Massenmedien lösen ihm zufolge sprachliche Konsensbildung nicht ab, sondern
spezialisieren und spezifizieren diese kontextabhängig. Auf diese Weise seien Massenmedien in
der Lage, die Beschränkungen einer raumzeitlich gebundenen Kommunikationssituation durch
Abstraktion ihrer Bedingungen zu überwinden:
„Sie […] lassen Öffentlichkeiten entstehen, indem sie die abstrakte Gleichzeitigkeit eines virtuell gehaltenen
Netzes von räumlich und zeitlich weit entfernten Kommunikationsinhalten herstellen und Botschaften für
vielfältige Kontexte verfügbar halten.“27
Habermas schreibt den Massenmedien daher, wie eingangs bereits konstatiert wurde, ein
„ambivalentes Potential“ zu.29 Weder laufe die Medienentwicklung linear auf eine Zentralisierung
zu, noch dürfe die Widerständigkeit einer eigensinnigen kommunikativen Alltagspraxis gegen-
über den Medienangeboten unterschätzt werden. Besonders letztere wirke auf die Medieninhal-
te und ihre Präsentationsformen zurück und verhindere so eine simple Inanspruchnahme der
Medien zur Verbreitung ideologischer Aussagen. Diese Aussagen über Massenmedien bei
Habermas sind so allgemein gehalten, dass sie konzeptionell für alle Leistungen heranzuziehen
sind, die eine mediale Infrastruktur und ein mit ihr verbundener Journalismus gemeinsam erbrin-
gen. Auf dieses allgemeine Phänomen der Massenkommunikation kann die Feststellung eines
ambivalenten Potenzials gemünzt werden. Die Gründe für deren ambivalente Stellung zwischen
Entschränkung und Vermachtung kommunikativer Zusammenhänge liegen dagegen aber in der von Habermas
nicht weiter thematisierten Binnenstruktur massenkommunikativer Produktion und Kommunikation – genauer
in der Binnenstruktur von Massenmedien und journalistischem Handeln. Um diese zu analysieren ist
zwischen Massenmedien und Journalismus zu differenzieren: Massenmedien bilden eine
ökonomische und technische Infrastruktur für das kommunikative Handeln von Journalisten,
mithin eine materielle Ressource. Sie lassen sich daher als zweckrational gesteuerter, systemi-
scher Rahmen von der kommunikativen Rationalität journalistischen Handelns abgrenzen.30
Bevor auf diesen systemischen Charakter der Massenmedien eingegangen werden kann, ist der
zugrunde liegende Systembegriff zu klären.
Ausgangspunkt systemisch basierter Analysen auch der Massenmedien ist die Diagnose, dass
eine gesellschaftliche Logik an Relevanz und Dynamik gewinnt, die auf der Ausdifferenzierung
zweckrational gesteuerter sozialer Bereiche (Systeme) beruht: Die Etablierung eines Mediensys-
tems dient primär nicht lebensweltlichen Verständigungsabsichten, sondern folgt einer Zweck-
rationalität, die durch Machterwägungen persuasiver Kommunikation oder durch Profiterwä-
gungen kommerzieller Anbieter geprägt ist. Zugleich kann sie aber die infrastrukturellen
(vorwiegend materiellen) Grundlagen effektiver und effizienter gewährleisten, derer Journalis-
mus grundsätzlich bedarf. Dies geschieht durch die Rationalisierung und Professionalisierung
medialer Produktionsroutinen, durch die Entfaltung eigener Bewertungsmaßstäbe für medien-
systemische Operationen und durch die Entwicklung neuer Organisations- und Kooperations-
formen.31 Medien können ohne Journalismus existieren, aber Journalismus letztlich nicht ohne
Medien.32
Die Ausdifferenzierung eines Mediensystems ist Teil eines umfassenderen Prozesses der
sozialen Differenzierung moderner Gesellschaften entlang unterschiedlicher steuernder Logi-
ken, die sich von der kommunikativ reproduzierten bzw. integrierten Lebenswelt lösen und
gesellschaftstheoretisch komplementär zu ihr betrachtet werden können. Voraussetzung der
Bildung solcher systemischer Funktionszusammenhänge ist eine weitgehende Rationalisierung
der Lebenswelt, d.h. ihre Umstellung von traditionellen Mustern auf kommunikative Repro-
duktionsmechanismen und formal verrechtlichte soziale Beziehungen.
„Die Lebenswelt muß so weit rationalisiert sein, daß sittlich neutralisierte Handlungsbereiche mit Hilfe for-
maler Verfahren der Normsetzung und -begründung legitim geregelt werden können. Die kulturelle Überlie-
ferung muß schon so weit verflüssigt sein, daß legitime Ordnungen traditionsfester dogmatischer Grundlagen
entbehren können. Und Personen müssen innerhalb des Kontingenzspielraums abstrakt und allgemein nor-
mierter Handlungsbereiche schon so weit autonom handeln können, daß sie ohne Gefährdung der eigenen
Identität von moralisch definierten Zusammenhängen verständigungsorientierten Handelns auf rechtlich or-
ganisierte Handlungsbereiche umschalten können.“33
30 Vgl. auch Altmeppen (2006, S. 263), der prägnant darauf hinweist, dass „[…] Journalismus im Orientierungsho-
rizont der Öffentlichkeit operiert, die Medien dagegen im Orientierungshorzont der Wirtschaft“.
31 Dadurch erhöht sich nicht zuletzt die eigenlogische Steuerung der Massenmedien in einem Wechselspiel von
Leistungs- und Publikumsrollen (vgl. Jarren 1998a, S. 84). Der Systembegriff steht hier in enger Verwandtschaft
zum Strukturbegriff nach Giddens (1995), demzufolge sich auch dem Handeln der Akteure soziale Strukturen
bilden, die künftiges Handeln präfigurieren zugleich aber offen für Veränderung durch Handeln sind. Daraus
ergibt sich zwangsläufig eine graduelle Nähe zwischen den Begriffen Organisation und System: „Vielfach wird,
vor allem alltagssprachlich, nicht zwischen Organisationen und Systemen unterschieden. Organisationen kön-
nen dann als soziale Systeme aufgefasst werden, wenn sich dauerhafte Rollen- und Interaktionsstrukturen in ih-
nen ausprägen und sie über einen bestimmten Grad an Eigenkomplexität verfügen. Von Organisationsautono-
mie spricht man, wenn Organisationen relativ unabhängig von Einflüssen aus unterschiedlichen Umwelten,
bspw. bei der Zielfindung oder Personalauswahl, entscheiden können.“ (Jarren/Meier 2002, S. 141)
32 Vgl. Weber 2005, der darauf hinweist, dass die erste Zeitung 1605 ohne Journalisten entstanden ist.
33 Habermas 1995 [1981], Bd. 2, S. 470
250 V Strukturwandel der Öffentlichkeit – Ausdifferenzierung der Massenmedien
Erst wenn die Lebenswelt in dem beschriebenen Sinne rationalisiert ist, haben sich ihre einzel-
nen Bestandteile so weit in reflexive und formale Mechanismen verwandelt, dass es möglich ist,
einzelne Handlungsbereiche vom integrierenden Modus des konsensstiftenden Sprach-
gebrauchs zu entkoppeln und aufgrund ihrer eher zweckrationalen, zielbestimmten Ausrich-
tung gemäß entsprachlichter Steuerungsmodi zu koordinieren.
Diese Steuerungsmedien bilden sich demnach in einem sozial-evolutionären Prozess her-
aus. Bestimmte gesellschaftliche Bereiche der Zwecktätigkeit werden von Kommunikations-
aufwand und Dissensrisiko entlastet, indem sie der Maßgabe der kommunikativen Vernunft
entzogen werden. An ihre Stelle treten symbolisch generalisierte Steuerungsmedien, die sich
auf empirisch motivierte Bindungen beziehen, einen zweckrationalen Umgang mit kalkulierba-
ren Wertmengen beschreiben und eine generalisierte strategische Einflussnahme auf die
Entscheidungen anderer ermöglichen, ohne dafür sprachlich gestützte Konsensbildungspro-
zesse in Anspruch zu nehmen.34 Diese Steuerungsmedien können klar umrissene Bereiche
materieller Reproduktion „gegenüber der Alternative von Einverständnis und fehlgeschlagener
Verständigung neutralisieren“.35 Sie ersetzen in diesen Bereichen die integrative Kraft der
Sprache und koppeln damit die Interaktion in ihrem konkreten Vollzug von der Lebenswelt ab.
Diese Steuerungsmedien selbst allerdings bedürfen der förmlichen Rückkopplung an die
Lebenswelt, d.h., ihre Konstitution muss in lebensweltlichen Kontexten z.B. durch rechtsför-
mige Fundamente begründbar sein.36
Die primären Ausdifferenzierungen nach diesem Muster betreffen das über das Steue-
rungsmedium Geld strukturierte Wirtschaftssystem und das über das Steuerungsmedium
Macht strukturierte politisch-administrative System.37 Sie treten über ihre Grenzen hinweg
mittels ihrer Steuerungsmedien mit ihren Umwelten in Kontakt. Diese Prozesse lassen sich
bezogen auf das Wirtschaftssystem und seine Interaktionen mit Arbeitskräften und Konsu-
menten genauso beobachten wie bezogen auf das politisch-administrative System und seine
Kontakte mit Staatsbürgern und Klienten. Dabei normiert das System im Verlauf seiner
Ausdifferenzierung auch die Rollenmuster, nach denen Lebensweltakteure mit ihm in Kontakt
treten können und konditioniert so deren Entscheidungsoptionen. Journalistische Berufsrollen
sind dafür ein gutes Beispiel: Durch die mediale Verfasstheit des journalistischen Handelns
werden seine Grundzüge zunehmend nicht mehr aus seiner Kommunikativität heraus be-
stimmt, sondern als ‚constraints‘ oder als Ermöglichungsstrukturen durch das Mediensystem
gesetzt. Kommunikation wird als Arbeit funktionalisiert und gerät in den systemischen Gestal-
tungsspielraum.
In diesem Zusammenhang ist bisweilen – im Gegensatz zu einer ‚machtfreien‘ Lebenswelt
– irreführend von den Systemen als einer „normfreien Realität“ die Rede.38 Präziser ist es
allerdings von ‚sittlich neutralisierten systemischen Handlungsbereichen‘ zu sprechen, da sich
in den von Habermas als systemisch integriert beschriebenen Gesellschaftsbereichen nicht die
34 Vgl. ebd., S. 273. Dieser Medienbegriff ist nicht kompatibel mit dem in der Analyse der Massenmedien
zugrunde gelegten. Er bezeichnet im Anschluss an Parsons Austauschmöglichkeiten, die an Stelle sprachlicher
Koordinierung treten. Wenn vom Medium Geld oder Macht die Rede ist, dann ist dieser Medienbegriff (Steue-
rungsmedium) gemeint. Ansonsten wird der weniger spezifische Begriff des Mediums verwendet, der einfüh-
rend umrissen worden ist. Luhmann (1981b, S. 28f. u. 1997, Bd. 1, S. 190ff.) differenziert verschiedene „Kom-
munikationsmedien“ in „Verbreitungsmedien“ und „symbolisch generalisierten Medien“.
35 Habermas 1995 [1981], Bd. 2, S. 393
36 Vgl. ebd., S. 398
37 Vgl. Habermas 1986a, S. 386; grundsätzlich: Habermas 1995 [1981], Bd. 2, S. 173ff.
38 Habermas 1995 [1981], Bd. 2, S. 483; vgl. auch kritisch dazu: Honneth 1989, S. 328.
1 Die Systemperspektive 251
moralische Gültigkeit von Normen, sondern die Einstellung ihnen gegenüber verändert, indem
ihre faktisch sanktionierte Geltung suspendiert wird.39
Auch für die Moderne ist an einem Primat der Lebenswelt festzuhalten, der aus der for-
malpragmatisch und evolutionstheoretisch begründeten Feststellung hergeleitet werden kann,
dass die Entkoppelung der Systeme nur ‚weitgehend‘, nicht aber vollständig sein kann. Die
Subsysteme sind ohne die sozialintegrative Kraft der Lebenswelt nicht denkbar, sondern
bedürfen der institutionalisierten Verankerung in deren Strukturen. Das führt zu einer Situati-
on, in der sich bestimmte gesellschaftliche Funktionsbereiche einerseits von der grundlegenden
Logik der sozialen Integration einer Gesellschaft abkoppeln, andererseits aber die Systeminteg-
ration, die in den ausdifferenzierten Bereichen tendenziell die Führung übernimmt, wiederum
auf die kommunikative Verständigung zumindest in Form eines legitimatorischen Unterbaus
angewiesen bleibt. Einer dieser legitimationsbeschaffenden Gesellschaftsbereiche ist die (auch
durch journalistisches Handeln konstituierte) Öffentlichkeit.
Kritiker befürchten, dass eine empirisch konkretisierte Verwendung dieses zweistufigen
Gesellschaftsmodells dazu verleitet, Gesellschaft nicht mehr als Ganzes zu betrachten, sondern
sie in Einzelteile zu zerlegen, die weitgehend bezuglos verbleiben und nur mit größten theore-
tischen Anstrengungen und mit von außen an das Modell herangetragenen Annahmen doch
noch zu einer Einheit zusammenzubinden sind.40 Ginge man makrotheoretisch von einem
solchen absoluten Schnitt durch die Gesellschaft aus, dann bliebe der Journalismusanalyse
tatsächlich nur die Möglichkeit, eine einseitige Unterwerfung des Journalismus unter kapitalisti-
sche Wirtschaftsimperative zu beschreiben, wie es Autoren mit polit-ökonomischem Hinter-
grund tun41 – allerdings ohne ein Instrumentarium der Kritik zu besitzen, dass die problemati-
schen Konsequenzen des Primats systemischer Zwänge gegenüber lebensweltlichen Ansprü-
chen bearbeitbar machte.
Grundlage der soziologischen Kritik an diesem Gesellschaftsbild ist vielfach der Eindruck,
dass die Unterscheidung zwischen System und Lebenswelt unnötig stark reifizierend und
konkretistisch getroffen wird.42 Während Habermas in der theoretischen Herleitung Systeme
allgemein als einen „analytische[n] Aspekt des gesellschaftlichen Handlungszusammenhangs“
beschreibt, objektiviert er diese unhandliche Annahme für die konkrete Gesellschaftsanalyse,
indem er Systeme hier als einen „verselbständigte[n] Handlungsbereich moderner Gesellschaf-
ten“ begreift.43 Der Systembegriff wird folglich unterschiedlich verwendet: In einer allgemeinen
Perspektive werden Systeme als theoretische Modellfigur eingeführt, um Prozesse der Systemintegra-
tion zu beschreiben. Aus einer spezielleren, historisch kontingenten Perspektive werden empirisch
identifizierte, gesellschaftliche Systembereiche materieller Reproduktion modelliert, um die Auswirkungen
der konkreten Systembildung zu einem konkreten historischen Zeitpunkt zu beschreiben. Erst
der spezielle Systembegriff und die mit ihm verbundene analytische Betrachtung der Umstel-
lung der materiellen Reproduktion auf durch Steuerungsmedien integrierte Systembereiche
ermöglicht die Beschreibung eines zweistufigen Gesellschaftsaufbaus. Diese Konkretisierung
ist als Ausarbeitung eines für die Moderne gültigen, historisch kontingenten Modells systemi-
scher Koordinierungsmechanismen zu sehen.
In ihm bleibt – trotz anders lautender Kritik – die Gesellschaft und ihre Integration als
Ganzes das Untersuchungsobjekt. System- und Sozialintegration existieren nicht nur in ihrer
jeweiligen analytisch konkretisierten Ausprägung von System und Lebenswelt nebeneinander,
sondern sind auch in einem übergreifenden Gesamtblick auf Gesellschaft in allen Bereichen zu
finden. Weder sind Systeme frei von kommunikativen Handlungen; noch ist die Lebenswelt
freigestellt von schwächeren systemischen Mechanismen.44 Allerdings sind weder strategische
Handlungen noch systemintegrative Mechanismen konstitutiv für die Reproduktion lebens-
weltlicher Zusammenhänge. Die Unterscheidung zwischen Lebenswelt und System als unter-
schiedlichen gesellschaftlichen Bereichen ist zunächst lediglich die eines sozialwissenschaftli-
chen Analytikers und beruht auf der jeweiligen dominierenden Gültigkeit eines Integrations-
mechanismus und seiner analytischen Zugänglichkeit.
Dies bedeutet nicht, dass alle systemintegrativen Mechanismen innerhalb der ausdifferen-
zierten und sich entkoppelnden Systeme zusammengefasst sind, sondern lediglich die über
Steuerungsmedien konkretisierten Funktionsbezüge. In diesen Bereichen ist primär nicht die
kommunikative Verständigung, sondern die koordinierende Funktion des Steuerungsmediums
ausschlaggebend für die Integration. In diesem Sinne kann von systemisch integrierten Berei-
chen gesprochen werden. Diese Form der zweckrationalen Handlungskoordinierung ist nach
Habermas nur in den Bereichen der materiellen Reproduktion denkbar. Das schließt nicht aus,
dass auch die Lebenswelt nach systemischen Kriterien untersucht werden kann, allerdings wäre
dieser Versuch wohl weit weniger fruchtbar als die von Habermas präferierte Perspektive der
Handlungstheorie45 – eine zentrale Differenz zu den Annahmen der Systemtheorie Luhmanns,
die alle gesellschaftlichen Bereiche analytisch der Logik systemischer Ordnung unterwirft.46
Umfassende Systemfunktionalisierung betrifft nach Habermas somit nur Teile von Gesell-
schaft.47 Eine Entlastung der Lebenswelt und ihres kommunikativen Handlungsmodus ist
aufgrund der eingeschränkten Funktionalität von Steuerungsmedien nur in den eng geschnitte-
nen Bereichen der materiellen Reproduktion denkbar. Eine konsequente Verdichtung und
Aufstufung von Vereinfachungs- und Entlastungsmechanismen hin zu einem vollständigen
Ersatz von Sprache in den Bereichen symbolischer Reproduktion würde dagegen die Mecha-
nismen der Sozialintegration gefährden: Kulturelle Reproduktion und individuelle Sozialisation
lassen sich nicht auf Systemmechanismen umstellen, da Leistungen sprachlicher Koordination
nicht vollständig durch andere Steuerungsmedien ersetzt werden können. Die Vorschläge, die
sich diesbezüglich in systemtheoretischen Entwürfen finden lassen (z.B. Reputation etc.)
wirken zwar unter Umständen handlungs- und kommunikationsentlastend, aber sie begründen
keine Rationalitätssteigerung und minimieren daher nicht in letzter Konsequenz das Dissensri-
siko, sondern haben allenfalls Wirkung, wenn sich die beteiligten Interaktionspartner zuvor auf
ihre fallweise Geltung in der Situation geeinigt haben.48
Diese Beispiele zeigen aber immerhin – ebenso wie die konzeptionelle Behandlung der
Massenmedien bei Habermas –, dass die vermeintlich klare Grenze zwischen der ‚reinen‘
spontanen Kommunikativität von Lebenswelt und der ‚reinen‘ systemischen Zweckrationalität
nicht eindeutig definierbar ist, sondern dass es fließende Übergänge und Interpenetrationen
zwischen den unterschiedlichen Koordinierungsmechanismen geben kann. Darauf verweisen
insbesondere strukturierungstheoretisch fundierte Gesellschaftstheorien nach Giddens, die
zweckrationale Institutionen nicht per se in den Systembereich abschieben.49 Ihnen zufolge
bestimmen Institutionen einerseits aufgrund der durch ihre faktische Existenz vorhandenen
Zwänge (‚constraints‘) den Handlungsspielraum gesellschaftlicher oder individueller Akteure,
konstituieren sich aber andererseits durch die Aktionen der Beteiligten und Betroffenen.50
Raabe konstatiert entsprechend, „[…] dass Strukturen stets zugleich sowohl ermöglichenden
(enabling) als auch restringierenden (constraining) Charakter haben“.51 Solche institutionentheore-
tischen Ansätze, wie sie zum Beispiel von Giddens vorgelegt worden sind, werden zunehmend
auch in der Kommunikationswissenschaft diskutiert.52 Mit der Habermasschen Gesellschafts-
theorie sind diese Überlegungen kombinierbar, wenn man sie auf lebensweltliche Institutionen
bezieht, deren Etablierung sich mit dem Modell der Strukturierung gut nachvollziehen lässt.
Der Zusammenhang von Struktur (Institution) und Handeln wird von Giddens weder
funktional noch kausal gefasst. Er betrachtet ihn vielmehr als rekursiv dahingehend, dass
Handeln Strukturen produziert und reproduziert, die wiederum Handeln ermöglichen und
begrenzen. Während diese Strukturen außerhalb ihrer Anwendung im Handeln nur virtuell
existieren und sich im Handeln rekursiv aktualisieren und verändern, sieht die Strukturierungs-
theorie Systeme als verfestigte Interaktionsmuster, die empirisch auffindbar sind.53 Giddens
versteht sie als „[r]eproduzierte Beziehungen zwischen Akteuren oder Kollektiven, organisiert
als regelmäßige soziale Praktiken“.54 Soziale Strukturen sind nicht als vom menschlichen
Handeln losgelöste abstrakte Zwangs-Mechanismen zu verstehen, sondern als aus dem Han-
deln aufstrukturierte und dynamische gesellschaftliche Zusammenhänge, deren normierende,
sozialregulierende Wirkung sich aus der Generalisierung von Prinzipien und Geltungsansprü-
chen in symbolischen Ordnungen herleiten lässt.55 Sie sind daher ebenso als „Synthesen
zwischen personellen und sozialstrukturellen Voraussetzungen eines Ordnungsarrangements“
wie als „Vermittlungsinstanzen kultureller Sinnproduktionen, durch welche Wertungs- und
Normierungs-Stilisierungen verbindlich gemacht werden“, zu betrachten.56 Ein solches Ver-
ständnis lässt Institutionen als gesellschaftliche Bereiche erscheinen, die in kommunikative wie
systemische Bezüge eingespannt sind und in denen sich externalisierende wie internalisierende
Prozesse identifizieren lassen.57 So verstanden können Institutionen auch als Bestandteile
lebensweltlicher Vergesellschaftungsprozesse begriffen werden, da sie als symbolische Ord-
nungsleistungen stets an kommunikative Reproduktion rückgebunden sind.58
Anders als die Systemtheorie, die klare Rationalitätsgrenzen postuliert, thematisiert Gid-
dens interne Verknüpfungen und damit auch Möglichkeiten der Veränderungen durch indivi-
duelles Handeln.59 Raabe beschreibt das beispielhaft für den Journalismus:
„Zwar müssen sich auch neu heranwachsende Journalistengenerationen den Regeln des Journalismus
‚beugen‘. Aber sie werden bei der Konfrontation mit ihnen diese Regeln und die Art ihrer Einhaltung anders
wahrnehmen und deuten – und dadurch auch zu einer entsprechend veränderten Handlungspraxis gelangen.“60
Für eine Analyse des Medienbetriebs bietet sich diese Perspektive an. Um aber die Durchset-
zungschancen des kommunikativen Handelns in einem primär ökonomisch geprägten Umfeld
zu beschreiben, verspricht die ‚Theorie des kommunikativen Handelns‘ das normativ angemes-
senere analytische Raster zu sein. In ihrem Rahmen könnten Giddens’ Überlegungen vor allem
54 Giddens 1995, S. 77
55 Vgl. Rehberg 1994, S. 56
56 Ebd., S. 56f. Der dynamische Charakter von Institutionen oder auch institutionellen Mechanismen zeigt sich
auch in den Schlüsselbegriffen, die Rehberg (1994, S. 57ff. ) für eine Analyse von Institutionen anbietet:
• Symbolizität: Institutionen erwachsen aus der symbolischen Verkörperung ihrer Geltungsansprüche.
• Transzendenzen: Institutionen ermöglichen über die Zwischenstufen Entsituationierung und Generalisie-
rung eine Transzendenz von Normen, die dazu führt, dass werthaltige Geltungsansprüche nicht mehr nur
an ihre ursprünglichen Entstehungszusammenhänge gebunden sind, sondern einen weitergehenden nor-
mativen Anspruch erheben können.
• Leitideen: Institutionen sind gekennzeichnet durch ein Set von Ordnungsleistungen, die sich im Instituti-
onalisierungsprozess herausbilden und in zentralen Leitideen formuliert werden können.
57 Vgl. die Beiträge in Göhler 1994a.
58 Nicht ausgeschlossen ist aber auch, dass solche Institutionen vorwiegend systemisch gesteuert werden oder gar
ganz in den Bereich des Systems ‚abwandern‘. In seinen späteren Publikationen, gerade in der Rechtsphiloso-
phie und -soziologie von „Faktizität und Geltung“ und in der dort vorgenommen Neuakzentuierung des
Rechtsverständnisses als einem zentralen institutionellen Mechanismus kommt Habermas (1992) auf ein ver-
gleichbares – lebensweltlich fundiertes – Institutionenverständnis zurück, das besonders auf die kommunikative
Dynamik symbolischer Vergesellschaftungszusammenhänge rekurriert. In dieser Studie verändert Habermas
vor allem seine bislang zugrunde gelegten rechtstheoretischen Annahmen, um eine politiktheoretisch fruchtba-
re Analyseperspektive zu gewinnen, die dem ambivalenten Status von Institutionen besser gerecht wird als die
Annahmen der Kolonialisierungsthese. Das Recht erscheint hier als der zentrale Modus, über den die Lebens-
welt die Rückbindung der Systeme an ihre eigene Rationalität gewährleisten kann. Recht steht dann nicht kon-
trär zu diskursiven Prozessen, sondern ist – in seiner Institutionalisierung – vielmehr deren direktes Ergebnis.
59 Vgl. Giddens 1995, S. 281ff.; vgl. auch Pöttker 1997 aus der Perspektive einer modernen Weber-Analyse.
60 Raabe 2005, S. 192
2 Ausdifferenzierung der Massenmedien 255
Massenmedien sind daher kein gefestigtes Teilsystem wie das politisch-administrative oder das
ökonomische System, sondern orientieren sich gleichzeitig auf mehrere und unterschiedliche
teilsystemische Logiken. Darüber hinaus sind sie kaum in der Lage, ihre gesellschaftliche
Leistung gegenüber anderen gesellschaftlichen Akteuren als exklusiv durchzusetzen.
Die Etablierung eines Mediensystems ist verbunden mit einem sich über Jahrhunderte erstre-
ckenden Strukturwandel von Medien und Öffentlichkeit, für den am Anfang die gestiegene
formale Relevanz von Öffentlichkeit als Legitimationsressource im demokratisch-politischen Prozess
ausschlaggebend ist: Die intendierte Sicherung der formalen Funktionsfähigkeit von Öffent-
lichkeit entleert diese materiell ihres politischen Gehalts und trocknet ihre verständigungsorien-
tierte Kommunikativität aus. Bereiche vormals sprachlicher Integration werden umgestellt auf
die Funktionslogiken von Macht (Recht) und Geld und damit dem kommunikativen Zugriff
der privaten Bürger entzogen. Anstatt als praktische Bedingung eines politischen Prozesses
rückt Öffentlichkeit als positiv formuliertes staatsbürgerliches Partizipationsrecht in den Blick.
Sie wird „eine durch institutionelle und verfassungsrechtliche Garantien zu gewährleistende
öffentliche Aufgabe“.64 Damit einher geht nach Auffassung von Habermas eine soziale Dyna-
mik, die zu einer inhaltlichen Entwertung öffentlicher Debatten führt. Ausschlaggebend dafür sind die
Aufweichung der einst dichotomischen Grenze von öffentlich und privat aufgrund staatlicher
und wirtschaftlicher Interventionen, die Zurückdrängung der patriarchalischen Kleinfamilie
sowie das Verschwinden eines bürgerlichen Bewusstseins gesellschaftlicher Verantwortung.65
In der neu entstehenden Sphäre des Sozialen verschränken sich die vormals getrennten Berei-
che des Öffentlichen und des Privaten so stark miteinander, dass sie einer selbstvergewissern-
den Vermittlung der bürgerlichen Öffentlichkeit offensichtlich nicht mehr in gleicher Weise
bedürfen. Öffentlichkeit gerät stattdessen in den Status einer zwischen den staatlichen und
gesellschaftlichen Institutionen vermittelnden Institution im Zentrum des demokratischen
Prozesses. Der dazu nötigen Verrechtlichung von Öffentlichkeit folgt ihre Ökonomisierung.
Das ehemals konstitutive Räsonnement verwandelt sich zum freizeitlichen Konsum.66 Die
64 Heming 1997, S. 66. Dadurch wird der Einbruch administrativer Macht (Recht und Bürokratie) sowie sozialer
Macht (Wirtschaft) in die vormals rein auf kommunikativer Macht ruhende bürgerliche Öffentlichkeit möglich. Da
Habermas in seiner vorangegangenen Rekonstruktion eine klar geschiedene ökonomische Ordnung von klein-
warenproduzierender Gesellschaft und Staat als quasi ‚natürlich‘ gesetzt hatte, kann er die Veränderungen, die
der gesellschaftliche Wandel für die Öffentlichkeit mit sich bringt, nur noch als Zerfall einer ‚besseren‘ Ord-
nung beschreiben (vgl. ebd., S. 38ff.). Sobald soziale Konflikte und Gruppenbedürfnisse aufgrund der verän-
derten gesellschaftlichen und ökonomischen Rahmenbedingungen in die öffentlichen Auseinandersetzungen
eindringen, verliert die unterstellte Neutralisierung von Einzelinteressen im bürgerlichen Räsonnement ihre his-
torische Plausibilität, die sie auch vorher allenfalls im Sinne einer Idealisierung besessen hatte.
65 Vgl. Habermas 1990, S. 229ff.; vgl. auch Geiger 1963, S. 324ff. oder Sennett 1986, S. 252ff., der vor allem die
sozialpsychologischen Folgen der Veränderungen von Öffentlichkeit im 19. Jahrhundert, mithin den vermeint-
lichen Verfall der öffentlichen Rolle der Bürger, im Blick hat.
66 Vgl. Habermas 1990, S. 248ff. Diese Tendenz macht Habermas besonders am Leseverhalten fest, das nicht
mehr auf kulturelle und politische Information, sondern auf belletristische Unterhaltung abzielte. Diese neuen
Rezeptionsbedürfnisse korrespondierten mit einem Wandel im Medienbereich, in dem zunehmend nicht mehr
publizistische, sondern ökonomische Kriterien ins Zentrum rückten. Im Bereich des Journalismus setzte sich
das boulevardeske Prinzip der ‚yellow press‘ Ende des 19. Jahrhunderts durch, das auf eine Maximierung der
Auflagenzahlen durch Fokussierung auf ‚human interest‘-Themen ausgerichtet war (vgl. ebd., S. 258f.). Adorno
(1963a; 1963b) konstatiert eine Verstärkung dieser Transformation der Mediennutzung vom staatsbürgerlichen
Akt zum freizeitlichen Konsum durch die Etablierung des Fernsehen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhun-
derts (vgl. auch vor anderem gesellschaftstheoretischem Hintergrund Anders 1988 [1956]; 1988 [1980] und En-
zensbergers (1991 [1988]) Klage über das „Nullmedium“ Fernsehen). Rust (1977, S. 133ff.) sucht angesichts
dieser Zerfallsszenarien nach Möglichkeiten sozialwissenschaftlicher Planung im Interesse der Aufrechterhal-
tung öffentlicher Kommunikationsstrukturen – eine Frage, die auch Habermas (2007) ähnlich aufgegriffen hat.
2 Ausdifferenzierung der Massenmedien 257
Partizipation der Bürger wird weitgehend auf eine passive Publikumsrolle reduziert, für die
lediglich akklamatorische Aufgaben wichtig sind.67
Hier klingen zentrale Annahmen der Habermasschen Theorie der Moderne an: Die
Zweckorientierung subsystemischer Rationalitäten, die nicht kommunikativ, sondern über
symbolisch generalisierte Steuerungsmedien konstituiert werden, geht gegenüber ursprüngli-
cher Lebensweltlichkeit in Führung. Zwischen Staat und Gesellschaft verkehrt sich das Prinzip
der Publizität. Öffentlichkeit wird nicht mehr lebensweltlich konstituiert, sondern von der
Systemseite begehbar und gestaltbar: Dies geschieht politisch durch die Verrechtlichung ihrer
Rahmenbedingungen und ökonomisch durch die Kapitalisierung eines Presse- und Medienwe-
sens, das sich – von politischen Aufgaben zunehmend freigestellt – stärker auf die profitorien-
tierte Produktion von Angeboten für ein konsumierendes Publikum konzentrieren kann.68 Aus
der Presse, die „Organ der Aufklärung“ gewesen ist, wird, wie Geiger beschreibt, ein Medien-
wesen, dass entweder Meinungen ‚macht‘ oder sich Massenmeinungen strategisch unterwirft,
um den eigenen Absatz zu verbessern.69 Öffentlichkeit konstituiert sich oftmals nicht aus sich
selbst heraus, sondern wird durch Parteien, Verbände und kommerzielle Massenmedien
inszeniert und geschaffen. Das Ergebnis:
„[…] aus einem Prinzip der (von seiten des Publikums gehandhabten) Kritik ist Publizität zu einem Prinzip
der (von seiten demonstrierender Instanzen – der Verwaltung und der Verbände, vor allem der Parteien) ge-
steuerten Integration umfunktioniert worden“.70
67 Ähnlich setzt auch Prokops kritische Medientheorie an dem Befund an, dass Massenmedien einen passiven
Rezipientenstatus fördern, durch den produktive Spontaneität in regressive Phantasie umgepolt wird (vgl. Pro-
kop 1974, S. 80). Er unterscheidet im Anschluss daran eine Öffentlichkeit der Verbände, Parteien und Unter-
nehmen von einer nicht organisierten Öffentlichkeit des Publikums (vgl. Prokop 1981, S. 46ff.). Während die
erste Form der neu entstandenen Öffentlichkeit auf der Basis der Tauschabstraktion ‚Unterhaltung‘ gesell-
schaftlich dominierend ist, bildet die nicht organisierte, spontane Gegenöffentlichkeit ein widerständiges Po-
tenzial, das gleichsam in besonderen Situationen als Korrektiv der Formiertheit bürgerlicher Öffentlichkeit fun-
gieren kann. Sie kann den generalisierten und fixierten Angeboten der Medienbetriebe qualitative Alternativen
entgegensetzen – an die Stelle von formal ausgewogener Repräsentanz treten dann freie Artikulation und Ver-
arbeitung von Erfahrungen, an die Stelle von Legitimationsbedürfnissen lebendige Produktion (vgl. Prokop
1974, S. 157f.).
68 Vgl. zu den Auswirkungen des Strukturwandels auf die Presse ausführlich: Baum 1994, S. 88ff.
69 Geiger 1963, S. 329ff.
70 Habermas 1990, S. 307. Diesen Befund scheint auch Baerns (1985) in ihrer Studie über die PR-Steuerung des
Journalismus zunächst vollständig zu bestätigen. Vor dem Hintergrund späterer empirischer Überprüfungen
(vgl. Schantel 2000; Bentele/Liebert/Seeling 1997; Schweda/Opherden 1995; Saffarnia 1993; Barth/Donsbach
1992; Fröhlich 1992) muss allerdings von differenzierteren Wechselverhältnissen ausgegangen werden (vgl.
Brosda/Schicha 2002).
71 Vgl. Habermas 1990, S. 289. Hoffnung auf eine Veränderung dieser Refeudalisierung von Öffentlichkeit knüpft
Habermas nicht an die Leistungen von Journalismus oder Massenmedien, sondern lediglich an die Wirkungen
einer kritischen Publizität, die notwendig zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen Kommunikationsbe-
reichen vermitteln muss. Diese kritische Publizität ist darauf angewiesen, dass sich in den die Öffentlichkeit
dominierenden Organisationen interne Öffentlichkeiten bilden, aus denen heraus informelle Meinungen auch
über die Organisation hinaus in Umlauf geraten können (vgl. ebd., S. 357ff.).
258 V Strukturwandel der Öffentlichkeit – Ausdifferenzierung der Massenmedien
tisch erkämpften Veränderungen der sozialen Ordnung nicht gerecht.72 Vor allem die Aus-
blendung jeglicher anderer Formen von Öffentlichkeit (proletarische Öffentlichkeit; Gegenöf-
fentlichkeiten etc.) wurde früh kritisiert.73
Eine gleichberechtigte Einführung des Systembegriffs in eine handlungstheoretisch fun-
dierte Gesellschaftstheorie macht es möglich, die Ausdifferenzierung eines zweckrational
organisierten Gesellschaftsbereichs ‚Massenmedien‘ nicht mehr nur als Zerfall einer einstmals
‚heilen Welt‘ kommunikativer und zwischenmenschlicher Gemeinsamkeit zu sehen, wie es der
‚Strukturwandel der Öffentlichkeit‘ impliziert, sondern sie als ein legitimes Verfahren gesell-
schaftlicher Komplexitäts- und Leistungssteigerung zu beschreiben. Massenmedien können
zugleich als Treiber und als Getriebene des Strukturwandels der Öffentlichkeit betrachtet
werden. Ihre gesellschaftliche Etablierung ist eines der zentralen institutionellen Ergebnisse der
Veränderung rechtlicher und ökonomischer Grundlagen öffentlicher Kommunikation – in
mehrerlei Hinsicht:
• Aus gesellschaftlicher Sicht kann die Institutionalisierung der Massenmedien als Antwort auf
die zunehmende Ausdifferenzierung moderner Gesellschaften verstanden werden. Mas-
senmedien bilden einen „Knotenpunkt gesellschaftlicher Informations- und Vermittlungs-
leistungen“.74 Sie ermöglichen dadurch in sozialen Gemeinschaften, die nicht mehr allein
auf direkter Interaktion ihrer Mitglieder beruhen, trotzdem kommunikativ fundierte ge-
sellschaftliche Meinungs- und Willensbildungsprozesse. Sie bilden die materielle Grundla-
ge des Journalismus und lassen sich damit auch als eine institutionelle Gewährleistung von
Öffentlichkeit verstehen, die – in optimistischer Lesart – dem Zerfall öffentlicher Kom-
munikationsstrukturen entgegenwirken soll.75
• Aus politischer Sicht können Massenmedien als Bestandteil des intermediären Systems einer
Gesellschaft betrachtet werden, gemeinsam mit Parteien, Verbänden und anderen gesell-
schaftlichen Organisationen. Verglichen mit diesen haben sie aber dahingehend eine „Son-
derstellung“ inne, dass sie als Organisationen in der Regel keine eigene politisch-
ideologische Programmatik verfolgen, sondern als „Resonanzboden für externe Themen,
Informationen oder Meinungen“ fungieren.76
• Aus volkswirtschaftlicher Sicht besitzen Massenmedien eine Schlüsselstellung, „[…] weil sie als
Träger aktueller Informationsangebote das Schwungrad einer hochgradig differenzierten
und anpassungsfähigen Wirtschaft in Gang halten“77. Genauso wenig wie auf eine Ver-
kehrsinfrastruktur zum Transport von Waren und Dienstleistungen können moderne
Volkswirtschaften zweckrational auf eine massenmediale Infrastruktur zur Gewährleistung
von ‚Informationstransport‘ aller Art verzichten.
Damit ist der infrastrukturelle Bereich umrissen, der als die materielle Ressourcenbasis journa-
listischen Handelns angesehen werden kann. Diese Infrastruktur soll das Zustandekommen
von Öffentlichkeit gewährleisten, um Demokratie zu ermöglichen, fungiert aber zugleich als
72 Daran anschließend bleiben auch soziale Konflikte als Motor öffentlicher Strukturbildung zu wenig beachtet.
Die Bildung des Sozialstaates ist auch als Folge öffentlicher Auseinandersetzung zu betrachten. Dass auf mate-
rielle Sicherheit zielende staatliche Eingriffe in einem dialektischen Verhältnis dazu die konstitutiven Bedingun-
gen einer liberalen Öffentlichkeit auszuhöhlen drohen, ist analytisch erst vor der Folie der Revisionen nachzu-
vollziehen, die Habermas in der ‚Theorie des kommunikativen Handelns‘ formuliert.
73 Vgl. klassisch: Negt/Kluge 1972.
74 Altmeppen 1996a, S. 12
75 Vgl. dazu die Argumentation in Decker/Langenbucher/Nahr 1976, 376f.
76 Jarren 1998a, S. 85
77 Prott 1994, S. 481
2 Ausdifferenzierung der Massenmedien 259
„Die Umfunktionierung des Prinzips der Öffentlichkeit basiert auf einer Umstrukturierung der Öffentlichkeit
als Sphäre, die am Wandel ihrer vorzüglichsten Institution, der Presse, dingfest zu machen ist. Einerseits wird
im Maße ihrer Kommerzialisierung die Schwelle zwischen Warenzirkulation und Publikumsverkehr eingeeb-
net; innerhalb des privaten Bereichs verwischt sich die klare Abgrenzung zwischen Öffentlichkeit und Privat-
sphäre. Andererseits hört aber Öffentlichkeit in dem Maße, in dem die Unabhängigkeit ihrer Institutionen nur
mehr durch gewisse politische Garantien gesichert werden kann, überhaupt auf, ausschließlich ein Teil des
privaten Bereichs zu sein.“81
Die Entwicklung der Presse (und der ihr nachfolgenden Medien) ist vor der analytischen Folie
des ‚Strukturwandels der Öffentlichkeit‘ als eine sukzessive, politisch gestützte Eingliederung
in das Wirtschaftssystem zu beschreiben.82 Aus einer kleinbetrieblichen Struktur, die sich zwar
78 Innerhalb der ‚Theorie kommunikativen Handelns‘ ist es möglich, diese systemischen Steuerungsmechanismen
zu skizzieren und zu handlungstheoretischen Annahmen in Beziehung zu setzen. Verfolgt man diese Option,
„[…] dann können die jeweiligen ausdifferenzierten Teilsysteme als systemische ‚constraints‘ von Akteurshand-
lungen konzipiert werden, die sowohl abstrakte substanzielle Ziele vorgeben als auch Mittel, um diese Ziele zu
erreichen“ (Siegert 2001, S. 171): Die Perspektive, Medien als ‚constraints‘ für Akteure zu verstehen, die an öf-
fentlicher Kommunikation teilnehmen wollen (vgl. Jarren/Meier 2002, S. 134), richtet den Blick auch auf die
unterschiedlichen Rationalitäten von Kommunikation und Medienhandeln.
79 Vgl. Habermas 1990, S. 49f. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund dieser Modifikationen steht die Analyse eines
‚Strukturwandels der Öffentlichkeit‘ paradigmatisch für Veränderungsprozesse in der öffentlichen Kommuni-
kation und wird als Rahmen für Transformations-Analysen immer wieder herangezogen (vgl. zum Beispiel: Jar-
ren/Imhof/Blum 2000). Mitte der 1990er Jahre hatte eine Kommission beim Bundespräsidenten in einem „Be-
richt zur Lage des Fernsehen“ die These von der Refeudalisierung der Öffentlichkeit aufgegriffen. Dort neh-
men die Autoren Bezug zu den modernen Ausprägungen symbolischer Politikinszenierungen und resümieren:
„Diese vom Fernsehen provozierte Entwicklung entspricht einer Rückkehr der höfischen Öffentlichkeit, weil
sich die politische Repräsentation von der Vertretung des Volkes zur Darstellung des eigenen Amtes entwi-
ckelt.“ (Groebel u.a. 1995, S. 147) Als ein zentraler Bestandteil des Strukturwandels der Öffentlichkeit wird da-
bei der verdinglichende Einfluss wirtschaftlicher Profitlogik betrachtet, der sich – vermeintlich alles andere er-
stickend – über die kommunikativen Austauschprozesse lege (vgl. auch kritisch Jarren/Vowe 1995).
80 Vgl. Habermas 1995 [1981], Bd. 2, S. 571ff.
81 Habermas 1990, S. 275
82 Vgl. grundlegend zur Medienökonomie Heinrich 1994 sowie Altmeppen/Karmasin 2003a; 2003b.
260 V Strukturwandel der Öffentlichkeit – Ausdifferenzierung der Massenmedien
auch wirtschaftlich erhalten musste, in der aber publizistische und politische Motive eine starke
Rolle spielten und in der die verlegerische Tätigkeit oft eine Hilfsfunktion der journalistischen
war, erwachsen große Betriebe, in denen (ökonomische) Verlegerinteressen immer offener die
Inhalte bestimmen. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts lief die Geschäfts- und Massen-
presse der an den Idealen der Aufklärung orientierten Gesinnungspresse weitgehend den Rang
ab und etablierte wirtschaftliche Interessen als einen wesentlichen Faktor in den Medien.83
Natürlich ist die Entwicklung der Medien schon „spätestens seit der Einführung der
Tausch- und Geldwirtschaft“ auch mit wirtschaftlichen Profitinteressen verbunden.84 Die
These vom Strukturwandel lässt sich sogar dahingehend interpretieren, „[…] dass die kommer-
zielle Ausrichtung des Verlagswesens mit der Entstehung der bürgerlichen Presse seit Ende des
17. Jahrhunderts publizistisch unterlaufen wurde“.85 Eine durchgreifende Kommerzialisierung
der Presse war nach den vernunftorientierten öffentlichen Auseinandersetzungen der Aufklä-
rung demnach erst in dem Moment wieder möglich, in dem sich das Bürgertum als herrschen-
de Klasse etabliert hatte und seine Forderungen (darunter auch die Pressefreiheit) weitgehend
umgesetzt waren. Die Presse musste dann nicht mehr als „Kampfinstrument“86 eingesetzt
werden, sondern konnte unter kommerziellen Gesichtspunkten genutzt werden.
Aber wer deswegen die Kommerzialisierung der Presse im 19. Jahrhundert als eine Rück-
kehr zu einer noch viel älteren „Osmose zwischen Kommerz und Publizistik“ interpretiert87,
die nur im Zeitalter der Aufklärung kurzzeitig durch emanzipatorische Forderungen nach
Trennung der beiden Medienfunktionen unterbrochen wurde, der übersieht, dass im Zuge
dieser Osmose spätestens seit der Kommerzialisierung der Medienbetriebe im 19. Jahrhundert
einseitig vorwiegend die Profitlogik in den Journalismus einsickert. Während in der bürgerli-
chen Öffentlichkeit journalistisches Handeln eine Steigerung seiner Rationalität erlebt hat,
begibt sich mit dem Erstarken kommerzieller Interessen in den Medienbetrieben die Presse auf
einen weiterreichenden Ausdifferenzierungspfad. Dies ist keine schlichte Rückkehr zu einem
bereits am Beginn der Zeitung stehenden Profitinteresse der Verleger, sondern fundiert einen
potenziell weit schrofferen Gegensatz zwischen journalistischen und kommerziellen Medien-
aspekten als zu den Zeiten nur schwacher funktionaler Differenzierung in der Frühphase der
Presseentwicklung.88 Rentabilitätsorientierungen werden zur konstitutiven Grundlage der
83 Vgl. dazu Roß 1999, S. 262; Meier 1999, S. 62. Dieser Hinweis ist von Bedeutung, weil er verdeutlicht, dass die
seit Anfang der 1980er Jahre in der Bundesrepublik diskutierten Konsequenzen der Einführung des privat-
kommerziellen Rundfunks keinen historisch einmaligen Vorgang betreffen, sondern einen zweiten Ökonomi-
sierungsschub. Es hat auch früher starke Brüche in der Medienentwicklung gegeben, in denen trotz weitgehend
identischer Form die funktionale Identität bestimmter Medienbereiche verloren geht oder sich stark verschiebt
– so z.B. von der bürgerlich-fraktionellen Gesinnungspresse zur Massenpresse im 20. Jahrhundert (vgl. Drö-
ge/Kopper 1991, S. 136f.). Melischek/Seethaler (2000, S. 112) stellen fest, dass die Printmedien zu Beginn des
20. Jahrhunderts eine Entwicklung durchgemacht haben, die der Entkoppelung audiovisueller Medien von ge-
sellschaftlichen Belangen ähnlich war und die erst durch NS-Diktatur gewaltsam abgebrochen wurde.
84 Heinrich 2001, S. 159; vgl. Knoche 2001, S. 177
85 Winter/Karmasin 2001, S. 211
86 Schütt 1981, S. 88. Folgerichtig hat die Medienkritik der 1970er Jahre behauptet, dass die Pressefreiheit seit
Entstehen der Massenpresse faktisch nichts anderes bedeute als „[…] Pressegewerbefreiheit für profitorientier-
te Verleger, deren Weisungen für die redaktionelle Arbeit sich der Journalist bei Strafe der Entlassung zu fügen
hat“ (Zeuner 1973, S. 14). Auch wenn diese Einlassung als überpointiert angesehen werden kann, ist unbestrit-
ten, dass die Gewerbefreiheit der Pressefreiheit stets vorausging (vgl. Kopper 1982, S. 77). Darüber hinaus ist
die Kommerzialisierung der Presse selbstverständlich ein zentraler Einflussfaktor der historischen Entwicklung
des Journalismus gewesen (vgl. Requate 1995, S. 243).
87 Winter/Karmasin 2001, S. 211
88 Stern-Rubarth (1960) spricht klassisch vom „Konflikt zwischen der Zeitung als moralischer Anstalt und als
Wirtschaftsunternehmen“.
2 Ausdifferenzierung der Massenmedien 261
89 Dröge/Kopper 1991, S. 41
90 Vgl. ähnlich auch Winter/Karmasin 2001, S. 208: „Ökonomisierung ist als einer neben anderen Rationalisie-
rungsprozessen zu verstehen, in denen Handeln unter die Bedingungen symbolisch generalisierter Kommunika-
tion gerät – wo also Handeln zunehmend durch den Einsatz symbolisch generalisierter Medien wie Geld,
Macht oder Recht usf. organisiert wird.“
91 Vgl. Meier/Jarren 2001, S. 156f.
92 Jarren und Meier (2002, S. 112) verstehen unter Ökonomisierung „[…] die Ausweitung der ökonomischen
Logik auf Strukturen und Prozesse […], die bisher einer anderen Logik folgten“.
93 Vgl. Fabris 1979, S. 40f.
94 Altmeppen 2001, S. 196. Karmasin und Winter plädieren angesichts dieser Differenzierung und der ihrer
Meinung nach wenig konkreten Kategorie der Ökonomisierung dafür, den von ihnen auf Unternehmensebene
angesiedelten Begriff der Kommerzialisierung zu verwenden. Sie sehen in Ökonomisierung eine sozialwissenschaftli-
che Kategorie „zur Bezeichnung eines Prozesses, in dem ökonomische (Zweck-)Rationalität als eine gesellschaft-
lich legitime und ethisch legitimierte Form der Begründung und der Koordination von Handlungen an Bedeu-
tung gewinnt“, während Kommerzialisierung als wirtschaftswissenschaftliche Kategorie „zur Beschreibung und zum Ver-
ständnis oder zur Erklärung von Veränderungen in der Medienindustrie“ besser geeignet sei (Winter/Karmasin
2001, S. 208). In der Regel wird die Bezeichnung Kommerzialisierung analog zum Ökonomisierungsbegriff
verwendet (vgl. Saxer 1998c, S. 10; Altmeppen 1996b, S. 257f.). Heinrich (2001, S. 159) hält es sogar explizit
nicht für sinnvoll, zwischen beiden Begriffen Ökonomisierung und Kommerzialisierung zu differenzieren, son-
dern sieht in dem Begriff Kommerzialisierung lediglich eine eher abwertende Bezeichnung von Ökonomisie-
rungsprozessen.
95 Vgl. zur folgenden Differenzierung Heinrich 2001, S. 161ff.
96 Fengler/Ruß-Mohl (2005b) sprechen von einer „Ökonomik des Journalismus“. Unter dieser Überschrift
spreizen sie die unweigerlichen zweckrationalen Anteile journalistischen Handelns zu einer ökonomisch-
rationalen Kosten-Nutzen-Orientiertheit jedes journalistischen Handelns auf. Sie überhöhen damit eine empi-
risch zutreffende Beobachtung zu einem theoretisch problematischen Handlungskonzept (vgl. auch
Fengler/Ruß-Mohl 2005a).
262 V Strukturwandel der Öffentlichkeit – Ausdifferenzierung der Massenmedien
• Auf der Ebene der Unternehmung befindet sich der Kern von Ökonomisierungsprozessen.
Grund dafür ist in erster Linie die immer striktere Anwendung von betriebswirtschaftli-
chen Kosten-Nutzen-Analysen mit dem Ziel der Gewinnmaximierung bzw. Steigerung
des Shareholder-Values.
• Auf der Ebene des Marktes ist es in erster Linie der zweckrationaler Wirtschaftslogik ver-
pflichtete Wettbewerbsmechanismus, durch den Unternehmen zur konsequenten Öko-
nomisierung gezwungen werden, wenn sie erfolgreich bleiben wollen.
• Auf der Ebene der Politik lassen sich Ökonomisierungsprozesse eher allgemein darin finden,
dass gerade der Medienbereich mit dem Blick auf eine Steigerung von Wettbewerbsmög-
lichkeiten weitgehend dereguliert wird und politische Akteure auf staatliche oder gesell-
schaftliche Steuerungs- und Regelungsversuche jenseits des Marktes verzichten.
Ökonomisierung der Medien, das zeigt diese Systematisierung, ist nicht nur auf der Makroebe-
ne der Systembildung zu untersuchen, sondern vor allem auf der Meso-Ebene der Medienor-
ganisationen, der Medienunternehmen, die durch die Bereitstellung materieller Leistungen und
durch die Bündelung der Produktionsschritte dem journalistischen Handeln ein Fundament
gibt97, durch die sich aber zugleich eine systemische Logik des Ökonomischen aus der Sicht
handelnder Journalisten manifestieren kann. Medienbetriebe sind „erwerbswirtschaftliche
Einheiten mit Profitstreben“98, deren institutioneller Betriebsablauf sich nach privatwirtschaft-
lichen Zwecken richtet.99 In Medienunternehmen sind die Aufgaben der Produktion und
Zusammenstellung von Informationen, des Marketings, des Vertriebs, des Bereithaltens der
Produktionstechnik sowie der Organisation und Verwaltung zusammengefasst und unter
ökonomischen Gesichtspunkten organisiert.100 Dabei rücken vor allem die kaufmännisch-
verlegerischen Aufgaben der Vermarktung und des Vertriebs stärker in den Mittelpunkt,
während die klassischen journalistisch-publizistischen Bereiche der Produktion und Zusam-
menstellung von Information zunehmend an Gewicht für interne Entscheidungen verlieren.101
Profitorientierung und Wirtschaftslogik bestimmen – wenig überraschend – die Organisations-
formen von Medienunternehmen.102 Systemtheoretisch gesprochen:
„Medienunternehmen sind Leistungsorganisationen des Wirtschaftssystems und agieren dementsprechend
nach wirtschaftlichen Kriterien. Als Wirtschaftsunternehmen handeln sie nach der Devise von Zah-
lung/Nichtzahlung, nicht nach dem Code von öffentlich/nicht-öffentlich, der für den Journalismus die zent-
rale Handlungsanleitung ist. Nicht die Veröffentlichungen, sondern die über Markthandlungen erfolgenden
Zahlungen entscheiden über den Fortbestand und die künftige Entwicklung der Medienunternehmen.“103
wachsende Autonomie, andererseits aber auch eine ‚Entdifferenzierung der Medien vom
Wirtschaftssystem‘ ausmachen.113 Staatliche Medienpolitik beschränkt sich mittlerweile darauf,
gemäß eines wirtschaftsliberal verstandenen Vielfaltspostulats ein außenplurales Angebot im
Mediensektor zu gewährleisten, in dem der Wettbewerb für auch kommunikationspolitisch
angemessene Bedingungen zu sorgen habe.114 Eine ordnungspolitische Regulation des Medien-
systems oder eine zureichende Medienaufsicht hingegen werden von dieser Politik als „über-
holte Relikte einer übrigens eher kurzen Phase gesellschaftlicher Medienkontrolle […], die von
der Medienwirklichkeit überrundet werden“, betrachtet.115
Insbesondere die Einführung des privat-kommerziellen Rundfunks kann als ein politisch
herbeigeführter Ökonomisierungsschub diskutiert werden, basierend auf der medienpolitischen
Entscheidung, Rundfunk und Fernsehen gegenüber privatwirtschaftlichen Akteuren zu öffnen
und auf gesellschaftliche Regulierung in Teilen zu verzichten.116 Zum ersten Mal sind in
Deutschland damit (auch journalistisch tätige) Medieninstitutionen etabliert worden, die
weitgehend unabhängig von gesellschaftlichen und kulturellen Gruppen ausschließlich Kapital-
interessen verpflichtet sind und „keine publizistischen Traditionen“ besitzen.117 Neben die
politischen, kulturellen oder publizistischen Leitbilder im öffentlich-rechtlichen Rundfunk tritt
im privat-kommerziellen Rundfunk eine alles umspannende wirtschaftliche Orientierung, die
vor allem von den neuen Unternehmens- und Eignerstrukturen induziert wird.118 Die Kom-
merzialisierung des Rundfunks durch den Zutritt und den Wettbewerb kommerzieller Akteure
manifestiert sich in mehreren miteinander verzahnten Entwicklungen, die denen in der Presse-
branche stark ähneln:119 Im Rundfunkbereich etablieren sich neben den öffentlich-rechtlichen
Sendeanstalten auch Verlegerkapital und neue mittelständische Unternehmen, die Profitinte-
ressen verfolgen. Hinzu kommt, dass die immer komplexer werdenden Wertschöpfungsketten
der Produktion im audiovisuellen Medienbereich auch für branchenfremde Unternehmen –
meist Misch- oder Telekommunikationsunternehmen – attraktive Investitionsbereiche darstel-
len können. Im Ganzen betrachtet könnte dies mittelfristig dazu führen, dass die mittelständi-
sche Struktur auch aus den Bereichen der Medienbranche verschwindet, in denen sie sich
zurzeit noch zu behaupten vermag, und sich kapitalstarke, global agierende Unternehmen
weiterer Teile des Medienmarktes bemächtigen.120 Dadurch ist eine Forcierung der Integration
der Massenmedien in das ökonomische System zu erwarten.121
113 Vgl. Imhof/Jarren/Blum 1999b, S. 11. Einer empirischen Untersuchung zufolge allerdings, bejahen zumindest
befragte österreichische Journalisten zwar die wachsende Abhängigkeit von ökonomischen Parametern, vernei-
nen aber eine wachsende Distanz zur Politik (vgl. Weber 2000).
114 Vgl. Kopper/Rager u.a. 1994, S. 62ff.
115 Roß 1999, S. 261. Stattdessen dominiert der Glaube an den Markt – ein Steuerungsinstrument, das im Medien-
sektor keineswegs verlässlich ist (vgl. Kopper/Rager u.a. 1994, S. 77).
116 Vgl. für diesen Befund u.a. Branahl 1999a, S. 325; Meier/Jarren 2001, S. 155; Kopper/Rager u.a. 1994.
117 Jarren 1998a, S. 77; vgl. Prott 1994, S. 503
118 Vgl. Jarren 1998a, S. 79
119 Vgl. zum Folgenden: Meier 1999, S. 66.
120 Vgl. Knoche 2001, S. 182; Jarren/Meier 2002, S. 131. Hinzu kommt die Werbeabhängigkeit der Medienbetrie-
be, die Winter (2001, S. 41) konstatiert: „Es gibt kaum mehr eine materiale Basis für die Konstitution von Öf-
fentlichkeit, die meist medial konstituierte Öffentlichkeit ist, die nicht zumindest auch über Werbung finanziert
wäre.
121 Diese Entwicklung verstärkt einen ökonomischen Kostenwettbewerb und erschwert einen Qualitätswettbe-
werb (vgl. Heinrich 1996) zwischen kommerziellen und öffentlich-rechtlichen Anbietern, der ein Ausgangs-
punkt der politischen Deregulierungsbemühungen gewesen ist. Stattdessen stehen Kostensenkungen durch In-
tegrations- und Rationalisierungsprozesse – vor allem Bemühungen um horizontale Integration zur Markter-
weiterung und um vertikale Integration zur Reduktion von Transaktionskosten (vgl. Meier 1999, S. 69) – auf
dem Plan, um ein erfolgreiches Agieren im ökonomischen Wettbewerb zu ermöglichen. Auch Konzentrations-
2 Ausdifferenzierung der Massenmedien 265
Während die beschriebenen Ökonomisierungstendenzen sich vor allem auf der spezielleren,
historisch kontingenten Ebene eines sozialwissenschaftlich ‚objektivierten‘ Systembegriffs
bewegen, heben andere systemtheoretische Analysen abstrakter und modellhafter auf die
Vorstellung eines eigenständigen massenmedialen Systems ab. Diese Studien adaptieren die
bereits diskutierten Überlegungen einer autopoietischen Systemkonzeption, die auf die operati-
ve Schließung und eigenlogische Selbstreproduktion gesellschaftlicher Systeme nach leitdiffe-
rentiellen Codes im Dienste der Reduktion gesellschaftlicher Komplexität ausgerichtet ist.122
Sie machen die Etablierung eines massenmedialen bzw. publizistischen Systems nicht an einer
Entwicklung technischer oder medialer Infrastrukturen fest, sondern an spezifischen Leistun-
gen, die durch Reduktion gesellschaftlicher Komplexität zur Möglichkeit gesellschaftlicher
Ordnung beitragen.123 Ausschlaggebend ist die funktionalistische Steuerungsunterscheidung
entlang des binären System-Codes innerhalb des Mediensystems. Darauf aufbauend skizziert
Luhmann beispielsweise die Massenmedien als ein System, das nach dem Code von Informati-
on und Nichtinformation eigenständig operiert124; während Marcinkowski ein System Publizis-
tik konstruiert, dem er die Leitdifferenz öffentlich/nicht öffentlich nicht in einem normativ
aufgeladenen Sinn, sondern als binären Code zuschreibt, und dessen zentrale Leistung das
Veröffentlichen ist, so dass Publizität als generalisiertes Kommunikationsmedium fungiert.125
Dominierende Perspektive dieser und vergleichbarer Analysen ist die Frage nach der ‚Funk-
tionalität‘ der Massenmedien (wahlweise: der Publizistik, der Öffentlichkeit, des Journalismus
etc.) für die Gesellschaft. Genannt werden zum Beispiel die „Ermöglichung der Selbstbeo-
bachtung moderner Gesellschaften“126 oder das „Dirigieren der Selbstbeobachtung des Gesell-
schaftssystems“127. Durch die Veröffentlichung von Themen werden Sachverhalte in Kommu-
nikation übersetzt und damit der Gesellschaft überhaupt erst zur Verfügung gestellt.128 Indem
diese Funktionen beschrieben werden, thematisieren systemische Analysen zunächst die
makrosozialen Funktionen massenmedial gestützten journalistischen Handelns, die vor dem
Hintergrund der Lebensweltperspektive mit dem begrifflichen Instrumentarium der kommuni-
kationstheoretischen Gesellschaftsanalyse als ‚Leistungen‘ bereits thematisiert wurden. Für
Luhmann zeichnen sich Massenmedien dadurch aus, dass sie „[…] ein Hintergrundwissen
prozesse schreiten unter dieser Zielsetzung voran (vgl. Heinrich 1994, S. 115ff.). Für die Presselandschaft sind
diese Prozesse bereits vor gut drei Jahrzehnten eindringlich beschrieben worden (vgl. Aufer-
mann/Lange/Zerdick 1973). Seit über einem Jahrzehnt lassen sich die Perspektiven der Angebotsvielfalt im
Medienmarkt als „düster“ bezeichnen (Röper 1994, S. 542).
122 Vgl. zur grundlegenden theoretischen Konzeption: Luhmann 1984.
123 Vgl. Marcinkowski 1993, S. 36f.
124 Vgl. Luhmann 1996, S. 36f.; diverse Vorstudien finden sich in Luhmann 1981a.
125 Vgl. Marcinkowski 1993, S. 46ff. Der Autor begründet seine Kritik an der Vorstellung der Thematisierung als
zentraler publizistischer Leistung mit der allgemeinen systemtheoretischen Feststellung, dass jedes soziale
System spezifische Thematisierungsleistungen erbringen müsse und daher diese Differenzierung zu unspezi-
fisch zur Identifikation eines Systems sei. In diesem Zusammenhang soll nicht auf Systemkonzeptionen einge-
gangen werden, die sich direkt auf Journalismus richten, wie sie zum Beispiel von Rühl (1980) oder Blöbaum
(1994) vorgelegt worden sind. In diesem Abschnitt geht es ausschließlich darum, ob Massenmedien als ein auto-
poietisches System konzipiert werden können. Zur weitergehenden Beschäftigung mit dem Systembegriff in
der Medienforschung siehe Abschnitt II.2.1 der vorliegenden Arbeit.
126 Marcinkowski 1993, S. 118
127 Luhmann 1996, S. 173
128 Diese Perspektive adaptiert Rühl (1980) als ‚Thematisierungsfunktion‘ für das von ihm konstruierte soziale
System Journalismus.
266 V Strukturwandel der Öffentlichkeit – Ausdifferenzierung der Massenmedien
bereitstellen und jeweils fortschreiben, von dem man in der Kommunikation ausgehen
kann“.129 Auch wird anerkannt, dass durch Massenkommunikation ein lebensweltlicher Hin-
tergrund generiert wird – allerdings verbleibt die Erklärung dieses Prozesses funktionalistisch,
ohne die kommunikative Teilhabe lebensweltlicher Akteure konzeptionell zu berücksichti-
gen.130
Gemeinsam ist den meisten dieser Konzeptionen außerdem, dass sie von einer zunehmen-
den Binnendifferenzierung des Systems ausgehen, die durch Steigerung der Eigenkomplexität
zu erhöhter Leistungsfähigkeit im Umgang mit Umweltkomplexität führen soll. Darin werden
„Ansätze einer autopoietischen Selbstreproduktion“ gesehen.131 Durch ihre Operationen
stimuliere massenmediale Publizistik ständig neue Publizitätsinteressen in anderen Teilsyste-
men, die von ihm verarbeitet werden können; das publizistische System generiere seine eigenen
Bestandsgrundlagen.132 Dieser Autopoiesis-Ansatz markiert den konzeptionellen Kontrapunkt
zur Ökonomisierungsanalyse, indem er bedingungslos auf der Prämisse beharrt, dass Massen-
medien einer genuin eigenständigen Logik folgen. So richtet sich auch Marcinkowski explizit
gegen alle Auffassungen, „[…] die die publizistischen Medien in umfassende Entdifferenzie-
rungsvorgänge im Sinne der Allopoiesis verwickelt sehen, etwa durch hierarchische Unterord-
nung gegenüber Politik oder Ökonomie“.133 Zwar weist er darauf hin, dass die Entwicklung
der technischen Verbreitungsmedien der Publizistik extern induziert ist und nicht der Kontrol-
le des publizistischen Systems unterliegt. Aber auch hier sieht er keine Auswirkungen auf die
Funktionsweise des Codes öffentlich/nicht-öffentlich.134
Diese Konzeptionen haben einen Erklärungswert, wenn sie als sozialwissenschaftliche Ob-
jektivationen makrostruktureller Sozialzusammenhänge angewendet werden. Aus der Perspek-
tive der Luhmannschen Systemtheorie lassen sich auf der analytischen Ebene sozialwissen-
schaftlicher Objektivation wichtige Erkenntnisse für die Erforschung und das Verständnis der
Massenmedien ziehen. So verdeutlicht sie besonders eindringlich die Schwierigkeiten des
steuernden und regulierenden Eingriffs in bereits existierende Medienstrukturen. Die System-
theorie hat zudem ihre unbestreitbaren Stärken, wenn es um die Beschreibung der Leistungen
der Massenmedien für andere gesellschaftliche Bereiche (oder Systeme) oder der Funktionen
für die Gesellschaft als Ganzes geht. Sie erleichtert die makrosoziale Beschreibung und Analyse
der Austauschbeziehungen zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen in einer
ausdifferenzierten Gesellschaft. Aus ihrem hohen Abstraktionsgrad und in dem Versuch,
Komplexität stark auf jeweils eine dominierende Steuerungslogik zu reduzieren, folgen aller-
dings auch Probleme, welche die Erklärungsmöglichkeiten autopoietischer Systemkonzeptio-
nen für andere Fragen einschränken:
• Bestimmte Spielarten der Systemtheorie totalisieren – wie bereits einleitend thematisiert – eine zweckratio-
nal-funktionalistische Vernunft, ohne Spielräume für kommunikative Verständigung markieren zu kön-
nen. Sie sind angesichts ihres oft formulierten Alleinvertretungsanspruchs kaum mit einem
135 Vgl. Meier/Jarren 2001, S. 148. Für Siegert (2001, S. 169), die damit deutlich weiter geht als zum Beispiel
Marcinkowski, wäre eine Ökonomisierung entsprechend dann feststellbar, wenn eine Zuordnung aller Hand-
lungen, die zum Mediensystem gehörige Akteure vollbringen, zu den ihnen zu Grunde liegenden Rationalitäten
bzw. Codes erfolgte und dabei eine Überproportionalität zugunsten des Wirtschaftssystems feststellbar sei. Das
Medienunternehmen ist dann der Bereich, in dem die unterschiedlichen Funktionen des Mediensystems und
des Wirtschaftssystems miteinander in Berührung kommen und in denen durchaus feststellbar sei, „[…] dass
Geld als Handlungsorientierung für Veröffentlichungsakte an Bedeutung gewinnt“ (Siegert 2001, S. 170).
136 Marcinkowski 1993, S. 183
137 Vgl. Grothe/Schulz 1993. Marcinkowski (1993, S. 183f.) versucht die Annahme der systemischen Selbststän-
digkeit zum Beispiel zu belegen, indem er beschreibt, dass selbst hohe Investitionen keine Garantie für publizis-
tischen Erfolg geben können. Daraus zieht er den Schluss, dass es eine eigenständige publizistische Logik jen-
seits des Ökonomischen gibt, obwohl sich dieser Vorgang auch daraus erklären kann, dass – wie in fast jeder
anderen Produktion – Produktqualität (und damit Markterfolg) niemals nur eine Folge des eingesetzten Kapi-
tals ist, sondern das Ergebnis eines komplexen Prozesses, in dem viele Faktoren eine Rolle spielen können.
268 V Strukturwandel der Öffentlichkeit – Ausdifferenzierung der Massenmedien
Für die weitere konzeptionelle Analyse der Spielräume eines kommunikativen Journalismus
kann festgehalten werden: Massenmedien können als eine institutionelle Struktur konzipiert
werden, auf die Journalismus angewiesen ist und die den Steuerungsimperativen des ökonomi-
schen Systems unterworfen ist. Es existiert zweifelsohne eine „enge Verknüpfung mit dem
ökonomischen System“.141 Medieninstitutionen entfalten darüber hinaus eine spezifische
Eigenrationalität, indem sie politische, ökonomische, kulturelle u.a. Vorgänge gemäß einer
ihnen eigenen Selektionslogik aufgreifen und bestimmten Präsentationsroutinen folgend in
‚Medienrealität‘ umwandeln.142 Diese Eigenrationalität geht allerdings gegenüber ökonomi-
schen Imperativen nicht dergestalt in Führung, dass eine eigenständige, autopoietische System-
differenzierung der Massenmedien angenommen werden kann. Plausibel ist vielmehr, insbe-
sondere die innere Organisation eines Medienbetriebes als Ergebnis einer rekursiven Struktu-
rierung zu begreifen, die journalistisches Handeln durch entsprechende Arbeits- und Organisa-
tionsprogramme sowie Rollenvorgaben zugleich ermöglicht und einschränkt.143 Hier – in
diesem Wechselspiel – lässt sich auch eine publizistisch-journalistische Logik verorten, ohne
dass sie absolut gesetzt werden müsste, wie in der funktional-strukturellen Systemtheorie.
Gesellschaftlich betrachtet sind Massenmedien weitgehend Bestandteil des ökonomischen
Systems und folgen einem Marktmodell. Selbst die durch gesellschaftliche Akteure gesteuerten
öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten (Integrationsmodell) können sich der Logik des
Marktes im Vergleich mit kommerziellen Anbietern kaum mehr entziehen. Mit dem hier
angelegten Systembegriff lassen auch sie sich als ausdifferenzierte Organisationen beschreiben,
die in erster Linie nicht sprachlich kommunikativ, sondern ökonomisch funktional über das
Steuerungsmedium Geld integriert werden.144 Dabei handelt es sich nicht um fundamentale
‚Umpolungen‘, sondern um graduelle Veränderungen, die Entscheidungsprämissen und -pro-
gramme genauso betreffen wie die Ressourcenallokation und das produzierte mediale Ange-
bot.145 Diese lassen sich anhand der in der folgenden Tabelle zusammengefassten Charakteris-
tika beschreiben.
Massenmedien
Dabei sind die Systeme nicht vollständig dem lebensweltlichen Zugriff entzogen, sondern
bleiben prinzipiell, wenngleich faktisch oft nur noch eingeschränkt gestaltbar. Medienunter-
nehmen richten ihre Abläufe und Strukturen aber in erster Linie so ein, dass sie insbesondere
die erwünschte Gewinnmehrung gewährleisten können. Sie formulieren Erwartungen an das
journalistische Handeln ihrer Organisationsmitglieder, das sie durch entsprechende Ressour-
cenallokation ermöglichen und durch Ablauf- und Strukturvorgaben einschränken.
Vor dem Hintergrund eines differenzierteren zweistufigen Interpretationsschemas, wie es
die ‚Theorie des kommunikativen Handelns‘ bereitstellt, ist die systemische Steuerung medialer
Institutionen im Sinne der funktionalen Differenzierung im Hinblick auf materielle Reproduk-
tion zunächst rational. Allerdings erscheint eine umfassende Marktsteuerung der Medien nach
ökonomischen Effizienzmaßstäben nicht befriedigend: Aufgrund der intransparenten Kon-
struktion des Medienmarktes ist eine erfolgreiche Regulierung allein durch Rezipienten-
nachfrage kaum zu erwarten.146 (Meritorische) Medienprodukte sind sowohl aufgrund ihres
intransigenten Charakters als ‚Erfahrungsgüter‘147, als auch aufgrund ihres dualen ökonomi-
schen und publizistischen Wertes148 als nur bedingt marktfähig zu erachten. Allenfalls langfris-
tige Investitionen in ein durch Qualitätsprodukte aufgebautes „Vertrauenskapital“ können sich
hier auszahlen.149 Hinzu kommt, dass Marktsteuerung auf einem Anbietermarkt dazu zwingt,
Produkte aktiv an Konsumenten zu verkaufen. Dieser Umstand kann dazu führen, dass – so
eine ‚klassische‘ medienkritische Position – das Publikum aus Verkaufsgründen in „stetiger
Bedürfnis-Spannung“ gehalten wird, indem Informationen stückweise geliefert und Zusam-
menhänge vernachlässigt werden.150
Durch die zunehmende Dominanz wirtschaftlicher Profitinteressen verändern sich die me-
dialen Produkte, indem sie ihren vormals gegebenen meritorischen Charakter verlieren und die
„Nachricht als Ware“ nunmehr „ähnlichen ökonomischen Bedingungen wie jedes Industrie-
produkt“ unterliegt, wie Zoll und Hennig schon 1970 konstatierten.151 Zudem ist eine „zumin-
dest tendenzielle Unterwerfung der Medieninhalte unter die Werbeträger-Funktion“ festzustel-
len.152 Auch dieser Befund ist nunmehr über ein Vierteljahrhundert alt und dürfte an Relevanz
eher gewonnen haben. Schließlich wird es heutzutage immer schwieriger, „[…] privatwirt-
schaftlich agierende Unternehmen auf gesellschaftliche Ziele zu verpflichten […]“.153 Das
Ergebnis ist eine „Entmeritorisierung von Medienleistungen“154, die als Waren und damit als
Wirtschaftsgüter verstanden werden, während ihre gesellschaftliche Bedingtheit und Notwen-
digkeit letztlich nicht endgültig suspendiert, wohl aber weitest möglich zurückgedrängt wird.
Diese Entwicklungen haben Auswirkungen auf die Reproduktionsbedingungen der le-
bensweltlichen Ressourcen einer Gesellschaft.155 Sie führen außerdem zu weitreichenden
Veränderungen der Arbeits- und Lebenswelt der Journalisten, da die „Zweckrationalität einer
kommerzialisierten Publizistik“ auf die Logik des journalistischen Handelns durchgreift.156 Der
ökonomisch vorangetriebene Strukturwandel der Öffentlichkeit geht einher mit einem Struk-
turwandel der Presse und des Journalismus.157
zeptanzen. Diese Rückkopplung fehlt bei Medienprodukten mehr oder weniger stark, da die Medienakzeptanz
über die Zuwendungshäufigkeit und -dauer der Konsumenten ermittelt wird und die Verfügbarkeit von Geld,
üblicherweise grundlegend für die Teilhabe an ökonomischen Prozessen, bei Medienprodukten nicht oder nur
eingeschränkt nötig ist. Wenn aber die Preis-/Leistungssteuerung entfällt, wird den Nachfragern die Orientie-
rungsfunktion entzogen, sie können keinen Zusammenhang zwischen angebotener Leistung und Zahlung her-
stellen. Konsumentensouveränität existiert unter diesen Bedingungen kaum […].“
147 Vgl. Kiefer 2001, 183ff. Der Nutzen von Erfahrungsgütern kann sowohl von Produzenten wie von Rezipienten
erst nach dem Konsum beurteilt werden.
148 Die Dualität von Medien und ihren Produkten ist in den Kategorien wirtschaftlicher Logik nur bedingt
angemessen zu erfassen. Dies zeigt sich in den Versuchen, die publizistischen Aspekte medialer Angebote als
externalisierende Effekte wirtschaftlichen Handelns zu begreifen – eine ökonomistische Verkürzung, die apore-
tisch enden muss, da die gesellschaftlich wünschenswerten Funktionen den Medienprodukten inhärent sind
und keinen zusätzlichen Effekt darstellen (vgl. Altmeppen 1996b, S. 265).
149 Heinrich 1994, S. 103; vgl. ausführlich auch Heinrich/Lobigs 2003.
150 Schütt 1981, S. 206
151 Zoll/Hennig 1970, S. 21
152 Fabris 1979, S. 39
153 Jarren 1998a, S. 80
154 Meier/Jarren 2001, S. 146
155 Krotz (2001a, S. 198) findet dafür apodiktische Worte: „Wir erleben heute die durchgängige Ökonomisierung
von Werten und Normen, Begriffen und Bildern, Mythen und Ritualen, Ausdrucks- und Sprechweisen und
zugleich eine Enteignung innovativer kultureller Kollektive; solange sie mehr als drei Menschen und dann auch
positiv konnotiert benutzen, werden sie ihnen durch neue Bedeutungsgehalte, die auf Ökonomie und Konsum
verweisen, weggenommen. Daran haben die Medien einen wesentlichen Anteil.“
156 Baum 1996, S. 247
157 Vgl. Dröge/Kopper 1991, S. 164; Blöbaum 2000
2 Ausdifferenzierung der Massenmedien 271
„Im Kern wird die Zurechnung von Handlungsfolgen in Geld ausgedrückt immer konsequenter; der Infor-
mationshandel wird mit den zunehmend differenzierten Abrechnungssystemen und den zunehmend diffe-
renzierten Lieferanten-Kunden-Beziehungen immer ökonomischer, d.h.: er wird immer mehr ein über Märkte
vermittelter Austausch von individuell zurechenbaren Leistungen und individuell gezahlten Entgelten. Damit
werden die klassischen Steuerungsmechanismen marktgerechter Produktion, nämlich Präferenzen und Preise,
auch für den Informationshandel verstärkt zur Anwendung kommen. Im Kern schwinden damit die Freiräu-
me für nicht auf den Shareholder-Value ausgerichtete Medienproduktionen, es schwinden also die Freiräume
für intrinsisch motivierte Journalisten und Verleger.“158
ten“.162 Heutzutage kann die politische Ökonomie zur medienökonomischen und kommunika-
tionswissenschaftlichen Forschung den nicht bloß moralischen oder philosophischen, sondern
gleichermaßen auch ökonomisch informierten Bezug zum Ziel der „Demokratisierung der
öffentlichen Kommunikation“ beitragen.163 Ökonomisierung oder Kommerzialisierung der
Massenmedien werden demnach problematisch, wenn sie in eine Dominanz wirtschaftlicher
Logik münden, die journalistisches Handeln aus eigenem Recht erschwert.164 Die Frage, der
sich die empirische Journalismusforschung angesichts dieses Befundes stellen muss, ist die
nach den verbliebenen Möglichkeiten journalistischen Handelns in den Medienbetrieben, die in
modernen Gesellschaften als Mediensystem die institutionelle Infrastruktur gesellschaftlicher
Kommunikation konstituieren.
162 Habermas 1995 [1981], Bd. 1, S. 19; vgl. Meier 2003, S. 216: „Politische Ökonomie […] fragt sich, auf welche
Weise Gesellschaften sich organisieren, um das zu produzieren, was sie zur unmittelbaren Weiterexistenz benö-
tigen. Gleichzeitig will sie herausfinden, was eine Gesellschaft ordnungspolitisch unternimmt, um die Errei-
chung ihrer politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Ziele sicherzustellen.“
163 Meier 2003, S. 241
164 Vgl. Meier/Jarren 2001, S. 147
165 Vgl. Saxer 1993a, S. 300
166 Vgl. Rühl 1989, S. 262f.
167 Blöbaum 1994, S. 49
168 Rühl 1989, S. 261
169 Holzer 1994, S. 210
3 Ausdehnung systemischer Zweckrationalität 273
Systems hineingeholt – aus einer demokratietheoretisch normativen Sicht, die in den Verstän-
digungsprozessen der Lebenswelt die Basis einer demokratischen Steuerung moderner Gesell-
schaften sieht, wird ein erkennbar problematischer Prozess (1). Davon bleiben auch Massen-
medien und Journalismus nicht unberührt. Journalistisches Handeln findet fast immer auch
unter den beschriebenen Systembedingungen statt, die sich in organisatorischen Maßgaben,
technischen Entwicklungen und Rollenerwartungen zeigen. Dies führt im Binnenverhältnis
von Journalismus und Massenmedien zu einem potenziellen Rationalitätskonflikt, der als
Strukturierung, Mediatisierung oder Kolonialisierung zu fassen ist (2). Dieser Konflikt soll hier
mit Blick auf die verbleibenden Entfaltungsräume eines verständigungsorientierten Journalis-
mus bewertet werden (3).
In modernen Gesellschaften ist zu beobachten, wie gegenüber der Lebenswelt und ihren
Konstituenten Kultur, Gesellschaft und Persönlichkeit weitgehend indifferente Systemzusam-
menhänge materieller Gesellschaftsreproduktion mittels ihrer generalisierten Steuerungsmedien
in die Lebenswelt eindringen. Einfallstore für diese „Mediatisierung“175 bzw. „Kolonialisie-
rung“176 sind die regelhaften Austauschbeziehungen lebensweltlicher Akteure mit den Syste-
men. Zwischen Wirtschaftssystem und Privatsphäre werden Arbeitskraft gegen Arbeitsein-
kommen und Güter oder Dienste gegen Nachfrage getauscht; zwischen Verwaltungssystem
und Öffentlichkeit Steuern gegen Organisationsleistungen und politische Entscheidungen
gegen Massenloyalität.177 Mitglieder der Lebenswelt interagieren hier in unterschiedlichen
Rollenkontexten: Sie treten mit dem Wirtschaftssystem entweder als Arbeitnehmer oder als
Konsumenten und mit dem staatlichen Verwaltungssystem entweder als Klienten oder als
Staatsbürger in Kontakt.178 Sie begeben sich so – insbesondere als Arbeitnehmer und als
Staatsklienten – in eine fremdbestimmte Interaktion mit formal organisierten Handlungsberei-
chen, auf die sie sich in ihren eigenen Handlungen einstellen müssen. Die kognitiv-
instrumentelle Logik der Systeme verdrängt so tendenziell moralisch-praktische Elemente der
Lebensführung. Durch diesen Einfluss fremder Steuerungsmedien wird die kommunikative
Alltagspraxis überformt und einseitig auf Zwecktätigkeit ausgerichtet rationalisiert, während die
Verständigungsorientierung an Wert und vor allem an normierender Kraft verliert.
Diese Veränderungen sind vor allem dann zu beobachten, wenn die Systeme aus ihrer ei-
genen Bestandsrationalität heraus die eigensinnigen Austauschleistungen der Lebenswelt
instrumentalisieren, um ihren eigenen Fortbestand im Dienste der materiellen Reproduktion zu
sichern. Dabei nehmen sie aufgrund ihrer Indifferenz gegenüber der symbolischen Reproduk-
tion keine ‚Rücksicht‘ auf die Integrität lebensweltlich konstitutiver Prozesse, sondern berüh-
175 Habermas 1995 [1981], Bd. 2, S. 277. Hier greifen systemintegrative Mechanismen ‚subjektiv unauffällig‘ durch
die Handlungsorientierungen der Lebensweltteilnehmer hindurch.
176 Ebd., S. 471. Hier ersetzen systemintegrative Mechanismen auch in der Lebenswelt die sozialintegrative Kraft
kommunikativer Handlungsorientierungen. Kolonialisierung hebt nicht das prinzipielle Primat der Lebenswelt
auf, sondern schwächt die Möglichkeiten der Lebenswelt-Handelnden, von der ‚Überlegenheit‘ ihrer kommuni-
kativen Vernunft, im Sinne der beschriebenen umfassenderen Rationalität, Gebrauch zu machen.
177 Vgl. auch Cohen/Arato 1994, S. 431. Sie weisen darauf hin, dass ein solches Gesellschaftsverständnis die
klassische Unterscheidung des dualistischen Gesellschaftsbildes sprengt: Die Trennlinie zwischen öffentlich
und privat verläuft nicht mehr horizontal zwischen Staat und Gesellschaft, wie in den dualistischen Modellen
der liberalen Theorie, sondern vertikal.
178 Vgl. Habermas 1995 [1981], Bd. 2, S. 472ff.
3 Ausdehnung systemischer Zweckrationalität 275
spruch bearbeiten.184 Der dialektische Prozess eines Vernunftgewinns bei gleichzeitig tenden-
ziellem Verlust der Ganzheitlichkeit des Vernunftgebrauchs geht damit einher, dass die In-
dienstnahme der versprengten Ergebnisse der einzelnen Expertenkulturen für die kulturelle
Alltagspraxis erschwert wird. Dem einzelnen Lebenswelt-Akteur ist der Zugriff auf die Leis-
tungen von Wissenschaft, Moral und Kunst nicht zuletzt deshalb kaum mehr direkt möglich,
weil seine weiterhin teilweise von einer naturwüchsigen Tradition bestimmte Alltagswelt und
die zunehmend elitistischen Expertenkulturen weiter auseinander treten. Die Folge ist das
„fragmentierte Bewusstsein, das der Aufklärung über den Mechanismus der Verdinglichung
vorbeugt“185: Die Lebenswelt verarmt auch aus sich selbst heraus zunehmend und verliert
nicht nur durch das wachsende Abhängigkeitsverhältnis zu den Systemen, sondern auch in
ihrem innersten Kern die Kraft zur sozialen Integration von Gesellschaft. Kommunikatives
Handeln wird, wenn auch nicht normativ, so doch faktisch geschwächt.
Diese wechselseitige Verschränkung von eigener Schwäche der Lebenswelt und expansiver
Kraft der Systeme verweist darauf, dass das Verhältnis des Primats der Lebenswelt zur Koloni-
alisierung der Lebenswelt durch systemische Zusammenhänge nicht hinreichend bestimmt –
oder bestimmbar – ist186: Ordnete Habermas die Systeme von vornherein eindeutig einem
Primat der Lebenswelt unter, dann würden diese lediglich zweckrationale Derivate kommuni-
kativer Vernunft bleiben und keinen eigenständigen Steuerungszusammenhang konstituieren.
Aus der Perspektive einer weitgehend lebensweltabhängigen Systemausdifferenzierung heraus
wäre Habermas nicht mehr in der Lage, wie Dietz anmerkt, die Verdinglichungsprozesse zu
beschreiben, die er in seiner Gesellschaftsanalyse im Blick hat.187 Umgekehrt aber ist die These
einer Kolonialisierung der Lebenswelt durch ein System nicht ohne weiteres mit der beschrie-
benen Prämisse vom genuinen Primat der Lebenswelt in Einklang zu bringen.
Einen Ausweg aus diesem theoretischen Dilemma bietet die Unterscheidung zwischen ei-
ner generellen, abstrakten Theorieperspektive und einer konkreteren, empirisch orientierten,
gesellschaftsanalytischen Vorgehensweise: Auf ihrer Basis kann die heuristische Differenzie-
rung zwischen Entkoppelung und Kolonialisierung beibehalten werden. Während die Entkop-
pelung sich im Zuge gesellschaftlicher Ausdifferenzierungsprozesse zur Steigerung der Steue-
rungsfähigkeit komplexer Sozialsysteme beinahe zwangsläufig vollzieht, stellt die Kolonialisie-
rung einen empirisch zu beobachtenden Unterfall dar, der zeitlich an die Gegenwartsanalyse
gebunden ist, und nicht in gleichem Maße universellen Charakter beanspruchen kann. Diese
Differenzierung bildet eine der zentralen Modifikationen gegenüber der traditionellen Kriti-
schen Theorie: Es wird nicht mehr davon ausgegangen, dass jeder Ausdifferenzierungsprozess
zwangsläufig negative ‚verdinglichende‘ Folgen nach sich zieht, sondern dass dafür spezifische
weitere Bedingungen erfüllt sein müssen.188
Für eine zunächst provisorische Klärung des Verhältnisses der beiden System-Lebenswelt-
Beziehungen muss die Kolonialisierungsthese – ähnlich wie bereits der konkretistische Sys-
tembegriff – also als Beschreibung eines historisch-empirischen Vorgangs gekennzeichnet
werden, der kommunikative Rationalität zwar bedrohen, nicht aber ausschalten kann – auch
wenn Habermas seine resümierenden empirischen Aussagen in pessimistische Melancholie
kleidet und ein düsteres Zukunftsbild zeichnet:
„Die Lebenswelt wird an verrechtlichte, formal organisierte Handlungsbereiche assimiliert und gleichzeitig
vom Zufluß einer ungebrochenen kulturellen Überlieferung abgeschnitten. So verbinden sich in den Defor-
mationen der Alltagspraxis die Erstarrungs- mit den Verödungssymptomen. Das eine Moment, die einseitige
Rationalisierung, geht auf die Verselbständigung von mediengesteuerten Subsystemen zurück, die sich nicht
nur jenseits des Horizonts der Lebenswelt zu einer normfreien Realität versachlichen, sondern mit ihren Im-
perativen in die Kernbereiche der Lebenswelt eindringen. Das andere Moment, das Absterben vitaler Überlie-
ferungen, geht auf eine Ausdifferenzierung von Wissenschaft, Moral und Kunst zurück, die nicht nur das
Autonomwerden von spezifistisch bearbeiteten Sektoren bedeutet, sondern auch die Abspaltung von den un-
glaubwürdig gewordenen Traditionen, die sich auf dem Boden der Alltagshermeneutik in entmächtigter Na-
turwüchsigkeit fortbilden.“189
Dieses Fazit erscheint angesichts der skizzierten theoretischen Grundannahmen als zu stark
zugespitzt, und deswegen warnt Habermas auch grundsätzlich vor einer kulturkritischen und
kulturpessimistischen Perspektive, die sowohl die Systemausdifferenzierung als auch die
funktionale Spezialisierung der kulturellen Reproduktion in der Lebenswelt an sich als Ursachen
der Bestandsgefährdung der Lebenswelt identifiziert. Nicht die Tatsache, dass Bereiche der
materiellen Reproduktion systemisch integriert sind, gefährdet die Lebenswelt, sondern dass
diese Bereiche zunehmend in die Kerne der Lebenswelt vordringen. Ebenso lassen nicht die
Expertenkulturen aufgrund ihrer bloßen Existenz die Lebenswelt kulturell verarmen, sondern
es sind ihr elitistischer Anspruch, ihre esoterische Ferne von der naturwüchsigen Traditionali-
tät der Alltagskultur, die für das zunehmende Auseinandertreten von Moral, Wissenschaft und
Kunst auf der einen und individueller Alltagserfahrung des Einzelnen auf der anderen Seite
sorgen – eine Tendenz, die eingangs auch mit Blick auf die Praxisferne der Journalistik festge-
stellt wurde.
Erst das Zusammenspiel von Verdinglichung durch Systemeingriffe und fragmentiertem
Bewusstsein innerhalb der Lebenswelt lässt die Kolonialisierung der Lebenswelt zu: Die
Systemimperative können die Assimilation kommunikativer Prozesse an ihre eigene zweck-
rationale Logik nur deshalb erreichen, weil das eigene fragmentierte Bewusstsein es den Mit-
gliedern der Lebenswelt nicht ermöglicht, diesen Einbruch einer fremden Logik in für Gesell-
schaft konstitutive Bereiche auch tatsächlich (als eine Gefährdung) zu erkennen.
Für die Produkte eines eigensinnigen und lebensweltlich verhafteten Journalismus wird es
schwieriger, in einer zunehmend kolonialisierten Öffentlichkeit gehört zu werden. Dabei
gehört gerade ein diskursiver Journalismus zu eben jenen lebensweltlichen Widerstandsreser-
ven, die eine vollständige Umstellung von Öffentlichkeit auf Systemrationalität verhindern
können. Der kolonialisierende Eingriff stößt nämlich zwangsläufig an die eigensinnigen Gren-
zen der symbolischen Reproduktion, auf deren Erfüllung die Strukturen der Lebenswelt
beharren. Die Erzeugung von Sinn ist durch zweckrationale Eingriffe nicht zu leisten. Auch
deshalb müssen sich Public Relations und Propaganda der Logik kommunikativen Handelns
zumindest dem Schein nach bedienen. Sie unterlaufen dadurch zwar perlokutionär deren
grundlegende Rationalität, erkennen aber zugleich deren kontrafaktische Gültigkeit mit dieser
strategischen Indienstnahme an. Sobald durchschaubar wird, dass die entsprechenden Bemü-
hungen aus systemischen Kontexten heraus der gezielten Beschaffung von Legitimation gelten,
sind sie weitgehend erfolglos und aus systemischer Sicht bisweilen sogar dysfunktional.190 Die
Kolonialisierung lebensweltlicher Strukturen ist nicht zur Gänze möglich, sie stößt auf Wider-
stand. Dieses Widerstandspotenzial ist lebensweltlich in kommunikative Institutionen wie
Journalismus eingelassen.
Allerdings erschwert das Habermassche Modell die Darstellung dieser ‚Institutionen des
Widerstands‘. Obwohl es in der theoretischen Modellierung der Lebenswelt selbst von deren
symbolischer Integration durch Institutionen ausgeht191, tendiert es in der Kolonialisierungsana-
lyse bisweilen dazu, lebensweltliche Institutionalisierungsprozesse gleichsam ausschließlich als
ein Einfallstor systemischer Logik in die Lebenswelt zu beschreiben, weil sie sich in ihren
Strukturierungsleistungen dem systemischen Vergesellschaftungsmodus immer mehr anglei-
chen und in den Systembereich abwandern. Ihre Internalisierungswirkungen scheinen dann
zunehmend den Spielraum der gestalterischen Externalisierung des Handelns zu dominieren.
Der politischen oder sozialen Institutionenanalyse bleibt im Anschluss daran meist nur noch
die Möglichkeit, jede rechtsförmige Institutionalisierung als einen kolonialisierenden Akt
gegenüber der Lebenswelt zu beschreiben.
Rehberg kritisiert, dass dadurch der Eindruck entstehe, dass Habermas die Lebenswelt ten-
denziell als vor- bzw. außerinstitutionell verstehe und ihr damit einseitig die Zwanglosigkeit
kommunikativer Interaktion zuschreibe, während dem (institutionellen) System hingegen
Entfremdung und Verdinglichung unterstellt würden. Der Institutionenbegriff werde so auf
ein weitgehend konservatives Verständnis der Repression eingeengt.192 Die theoretischen
Annahmen der ‚Theorie kommunikativen Handelns‘ würden so letztlich in der empirischen
Analyse unnötig konterkariert, indem die Dimension institutionellen Zwangs überakzentuiert
und ihre kommunikative Ausgestaltung zu wenig beachtet werde. McCarthy betont sehr
deutlich, dass im Rahmen des zweistufigen Gesellschaftsmodells gerade lebensweltliche Instituti-
onen Träger des Widerstandes gegen systemische Kolonialisierung sind; er hat dabei insbeson-
dere die Institutionen im Blick, „[…] die eine wirksam funktionierende Öffentlichkeit sicher-
stellen, in der praktische Fragen des allgemeinen Interesses der öffentlichen Diskussion unter-
zogen und auf der Grundlage diskursiv erzielten Einverständnisses entschieden werden kön-
nen“.193 Dazu zählt auch ein diskursiv verstandener und gehandhabter Journalismus.
Überträgt man die theoretischen Prämissen des zweistufigen Gesellschaftsmodells auf journa-
listisches Handelns im Systemzusammenhang, ergeben sich differenzierte Interpretationsmög-
lichkeiten: Die organisatorischen Imperative, denen journalistisches Handeln ausgesetzt ist,
können
• lebensweltlichen Institutionalisierungen im Sinne einer Strukturierung,
• rationalitätssteigernden systemischen Ausdifferenzierungen von Bereichen materieller Reproduktion
im Sinne einer Mediatisierung (u.U. mit subjektiv unauffälligen Folgen für lebensweltliche
Handlungsmuster, die sich daran orientieren) oder
• dysfunktionalen Übergriffen systemischer Logik auf Lebenswelt im Sinne einer Kolonialisierung
geschuldet sein. Vor diesem differenzierten Hintergrund können Rationalitätskonflikte unter-
sucht werden, die in der Gegenüberstellung von Zweckrationalität (System) und kommunikati-
ver Rationalität (Lebenswelt) begründet sind. Damit wird ein Maßstab zur Unterscheidung
191 Vgl. Habermas 1973a, S. 14: „Von sozialer Integration sprechen wir im Hinblick auf Institutionensysteme, in denen
sprechende und handelnde Subjekte vergesellschaftet sind; Gesellschaftssysteme erscheinen hier unter dem As-
pekt einer Lebenswelt, die symbolisch strukturiert ist.“
192 Vgl. Rehberg 1994, S. 64
193 McCarthy 1989, S. 546
3 Ausdehnung systemischer Zweckrationalität 279
Journalistische Leistungen werden heutzutage in den seltensten Fällen von allein handelnden
Individuen erbracht, sondern sind in der Regel das Ergebnis ‚organisierter Kommunikation‘
journalistischer Redaktionen.195 Zu diesem Phänomen des ‚organisatorischen Journalismus‘196
liegen ausführliche Studien vor, die sich mit der Etablierung von Redaktionen und der weiteren
organisatorischen Ausdifferenzierung des Journalismus beschäftigen.197 Als Kennzeichen
derartiger Prozesse werden schon früh „die arbeitsteilige Differenzierung, die Ressortbildung,
die thematische Spezialisierung und die Auslagerung der Nachrichtenproduktion“ genannt.198
Auf der Makroebene kann vor allem die Ressortbildung als die ‚Spiegelung‘ einer bestimmten
Differenzierung von Welt durch das Medium analysiert werden, während auf der Mikroebene
die konkreten Strukturen der Arbeitsteilung und -organisation in der Redaktion untersucht
werden. Ressortbildung ist damit sowohl ein Modus der Generierung von so genannter ‚Me-
dienrealität‘199, als auch ein Modell medialer Betriebe, das beschreibt „[…] welche Rahmenbe-
dingungen durch die Organisation gesetzt werden“200 und wie Mitgliedsrollen geregelt sind.
In der Redaktionsforschung haben sich vorwiegend empirisch-deskriptive bzw. empirisch-
analytische Ansätze durchgesetzt, die auf abstrakten und komplexen (oft systemtheoretischen)
Erörterungen beruhen.201 Sie sehen in der Redaktion die charakteristische Organisationsform
des Journalismus, die sie als ein „soziales System“ interpretieren, welches sich „durch eine
spezifische Binnenstruktur und durch Austauschbeziehungen zur Umwelt“ auszeichnet.202
Systemkonzeptionen thematisieren in der Regel nicht die Genese der Redaktion, sondern
nehmen sie als Faktum der Gegenwart hin.203 Die für die vorliegende Analyse zentrale Frage ist
allerdings die nach der Orientierung des redaktionellen Programms: Je nachdem, ob seine
Imperative primär journalistisch oder aber ökonomisch-kommerziell bestimmt sind, ergeben
sich Konsequenzen für die Handlungsspielräume journalistischer Akteure. Die systemischen
bzw. institutionellen ‚constraints‘ sind entsprechend unterschiedlich zu bewerten. Drei Inter-
pretationsstränge sind parallel zu den theoretischen Überlegungen – Strukturierung, Mediatisie-
rung oder Kolonialisierung – konzipierbar:
(1) Die Redaktion stellt eine lebensweltlich fundierte Institution dar, die journalistisches Handeln durch
Strukturierung ermöglicht.
Der in Redaktionen verfasste organisatorische Journalismus kann als die Etablierung von
organisatorischen und institutionellen Strukturen betrachtet werden, welche die Erbringung
journalistischer Leistungen in modernen Gesellschaften gewährleisten sollen. Er wäre dann ein
Kommunikation ermöglichender struktureller Rahmen innerhalb lebensweltlicher Logik.
Besonders aus historisch orientierten Arbeiten lassen sich Aufschlüsse über Prozesse der
journalistischen Ausdifferenzierung von Redaktionen ziehen. Die Gründung von Redaktionen,
für manche Autoren zugleich der Beginn des modernen Journalismus, fällt zusammen mit der
im 19. Jahrhundert aufkommenden Notwendigkeit, aus einem Stoffangebot auszuwählen, das
die Vermittlungskapazitäten des Mediums übersteigt. Erst dann wird es notwendig, Entschei-
dungsprogramme zu etablieren, mit denen die komplexer gewordene Umwelt bearbeitet
werden kann.204 Durch die Einrichtung von thematischen Sparten und von daran angelehnten
organisatorischen Ressorts werden Routineprogramme etabliert, nach denen die komplexe
Welt in bearbeitbare Sinnzusammenhänge zerlegt wird und durch die Journalisten zugleich von
Kommunikationsrisiken entlastet werden.205
Der Gliederung bislang ungegliederter Zeitungen folgt im Laufe des 19. Jahrhunderts die
Bildung entsprechender redaktioneller Strukturen – auch dies ist zunächst zu betrachten als
eine Möglichkeit, die Leistungsfähigkeit journalistischen Handelns durch Etablierung von
veränderbaren, lebensweltlich verankerten Strukturen zu erhöhen. Passend zu den Sparten
wurden Fachleute mit entsprechenden Vorkenntnissen in die Redaktionen hineingeholt, die
ihre Themenbereiche kompetent bedienen sollten.206 In diesem Prozess bildeten sich die
klassischen Ressorts Politik, Wirtschaft, Kultur und Sport sowie Lokales heraus, die aber schon
bald vielfältig ergänzt bzw. durchbrochen worden sind, um gesellschaftlichen Veränderungen
Während die normative Publizistikwissenschaft heute kaum mehr eine Rolle spielt, offerieren die ebenfalls
umstrittenen Ansätze kritischer (oder materialistischer) Forschung nach wie vor wichtige Aufschlüsse über die
Verfasstheit moderner Medienproduktion und damit journalistischen Handelns. Darauf weisen z.B. Scholl
1997a, S. 130f. und Weischenberg 1992a, S. 293 ausdrücklich hin.
202 Blöbaum 1994, S. 51; vgl. Weischenberg 1992a, S. 294
203 Derartige historische Fragen stünden nicht im Zentrum einer funktional-strukturellen Systemauffassung,
kritisiert Hienzsch (1990, S. 70).
204 Vgl. Blöbaum 1994, S. 136; Meier 2002a, S. 119
205 Vgl. Blöbaum 1994, S. 205. Diese ‚Verspartung‘ des Zeitungsinhalts lässt sich im 18. Jahrhundert zunächst in
Form des Gelehrten Artikels und des Feuilletons feststellen. Im 19. Jahrhundert setzte sich dann zunehmend
die thematische Bündelung auch in Bezug auf andere Felder wie Wirtschaft durch. Erst als die Stofffülle es her-
gab, konnte die Zeitung durchgängig in Sparten unterteilt werden (vgl. Meier 2002a, S. 112ff.).
206 Allerdings waren die Sparten und sich bildenden Ressorts in ihrer Präsenz noch nicht so etabliert wie heutzuta-
ge, sondern schwankten in Form, Umfang und Inhalt manchmal gar täglich in ganz erheblichen Ausmaß (vgl.
Meier 2002a, S. 134).
3 Ausdehnung systemischer Zweckrationalität 281
gerecht zu werden – entweder indem die fünf Hauptressorts sich intern differenzierten, indem
weitere Ressorts gegründet oder indem neue Organisationsmodelle quer zu den klassischen
Ressorts eingeführt wurden.207 Einmal etabliert, verselbstständigen sich die Redaktionen und
differenzieren sich in den Dimensionen Organisationen, Rollen und Programme weiter aus –
sowohl hinsichtlich ihrer Größe als auch hinsichtlich ihrer Binnendifferenzierung.208 Auch die
Bildung externer Nachrichtenagenturen als einer vorgeschalteten Selektionsinstanz ist als
Bestandteil der Differenzierung zu betrachten.209
(2) Die Redaktion ist eine notwendige, effizienzsteigernde Ausdifferenzierung derjenigen Bereiche journalisti-
scher Prozesse, die materieller Reproduktion dienen.
Es kann davon ausgegangen werden, dass Redaktionen nur höchst selten ausschließlich ‚Er-
leichterungen‘ journalistischer Tätigkeiten durch Kooperation sind, sondern zumindest auch,
wenn nicht vorwiegend, ein Mittel ökonomischer Effizienzsteigerung, mit dem die materiellen
Ressourcen des Journalismus, auch zu seinem eigenen Vorteil, gewinnträchtiger gewährleistet
werden können. Die Notwendigkeit der Zusammenarbeit mehrerer Journalisten bei der
Produktion journalistischer Leistungen ist dann eine Folge der systemischen Programmierung
ökonomisch ausgerichteter Medienunternehmungen. Beide Logiken existieren in dieser Sicht-
weise in den Redaktionen parallel zueinander und strukturieren spezifische Bereiche. Wei-
schenberg unterscheidet entsprechend zwei Schritte im Arbeitsprozess der Redaktion: Wäh-
rend bei der Recherche, bei Nachrichtenbeschaffung und Vorauswahl, inhaltliche Gesichts-
punkte des ‚Veröffentlichungswertes‘ im Mittelpunkt stehen, entscheidet sich die Veröffentli-
chung und Aufbereitung nach organisatorischen, technischen und ökonomischen Faktoren,
nach „Prinzipien der Präsentation“.210 Folgt man dieser Differenzierung, dann kann die Selek-
tionslogik der Medien – zumindest in Teilen – noch als journalistisch fundiert betrachtet
werden, während die Präsentationslogik der Medien weitgehend kommerziellen und techni-
schen Imperativen unterlegen ist.
In ihrer reinsten Form wird die These der rationalitätssteigernden Ausdifferenzierung in
Systemkonzeptionen vertreten, die Rühls Pionierstudie der empirischen Redaktionsforschung
von 1969 nachfolgen.211 Rühl betrachtet die Redaktion als soziales, umweltorientiertes System,
das aus Bündeln von Erwartungen und Erwartungserwartungen sowie daran anschließenden
Handlungen besteht. Die Redaktion steht unter dem Druck, auf nicht überschaubare und nicht
vorhersehbare Vorgänge in ihrer Umwelt so zu reagieren, dass sie ihrer Bestimmung gerecht
wird und zu fixen Zeitpunkten eine fixe Menge reproduzierbarer Aussagen selektiert, verarbei-
tet und zur Vervielfältigung bereit stellt.212 Handelnde Personen geraten aus dieser Analyseper-
spektive nicht in den Blick, sondern ausschließlich Rollenträger. Die Redaktionsforschung wird
damit zu einem demonstrativen Abschied vom normativen Individualismus der klassischen
Journalismusforschung:
207 Vgl. Meier 2002a, S. 135. Die ursprüngliche spartenspezifische Binnendifferenzierung der Redaktionen ist
input-orientiert bestimmt worden von ausdifferenzierten Teilsystemen wie Politik, Wirtschaft, Sport oder Kul-
tur. Von den späteren Ressortneugründungen können nur noch Wissenschaft und Medien als vergleichbar an-
gesehen werden, während die Mehrzahl der hinzugekommenen Ressorts output-orientiert ist und auf die geziel-
te Ansprache von Zielgruppen setzt, ohne sich dabei der Beobachtung eines spezifischen Teilsystems zu wid-
men. Beispiele für derartige auf Ratgeber- und Unterhaltungsfunktion gerichtete Ressorts sind laut Meier: Reise,
Auto, Mode, Service etc. (vgl. ebd., S. 141ff.).
208 Vgl. Blöbaum 1994, S. 181
209 Vgl. Weischenberg 1992a, S. 316; Blöbaum 1994, S. 219
210 Weischenberg 1992a, S. 322
211 Im vorliegenden Text wird die erweiterte zweite Auflage der Studie Rühls, die 1979 erschienen ist, zitiert.
212 Vgl. Rühl 1979, S. 67
282 V Strukturwandel der Öffentlichkeit – Ausdifferenzierung der Massenmedien
„Als Handlungssystem ‚besteht‘ die Zeitungsredaktion grundsätzlich aus Handlungen und nicht aus Men-
schen schlechthin. Menschliche Handlungen werden durch Rollen in das Sozialsystem Zeitungsredaktion ein-
bezogen. Aber nicht alle Handlungen, derer Menschen fähig sind, werden Redaktionsbestand. Vor allem als
Personen bleiben Menschen eigenständige, relativ autonome Handlungssysteme, die neben ihren Bindungen
und Verbindungen zur Zeitungsredaktion noch in eine Vielzahl sehr unterschiedlicher Handlungssysteme
(Familie, Verein, Kirche, Partei usf.) über Rollen eingebunden sind. Durch verschiedene sinnvolle Hand-
lungszusammenhänge können sie Mitglieder einer Zeitungsredaktion werden; als Person, genauer: als (psychi-
sches) Personalsystem stellen sie für die Zeitungsredaktion eines der vielen Systeme ihrer Umwelt dar, mit ei-
gener Struktur, eigenen Interessen, Orientierungen, usf.“213
Kern dieser Prozesse ist ein zweckorientiertes und konditionales Entscheidungsprogramm, mit
dem die systeminternen Operationen gesteuert werden.214 Das redaktionelle Entscheidungs-
handeln lässt sich nach Rühl zumindest analytisch in die Phasen der ‚Kollektion‘, ‚Selektion‘
und ‚Kondensation‘ unterteilen, in denen Redaktionen mit unvollständigen und ungewissen
Informationen umgehen.215 Redaktioneller Journalismus schafft demnach keine neuen sinnhaf-
ten Inhalte und transportiert auch keine Informationen, sondern erschließt und transformiert
die Informationsangebote sozialer Systeme gemäß regelhafter Routinen und etablierter Ent-
scheidungsprogramme – mit dem Ziel, (durch Reduktion von Komplexität) die Zusammen-
hänge herzustellen, die im Vollzug gesellschaftlicher Differenzierung verloren gegangen sind.216
Dieses Redaktionsverständnis nähert sich kybernetischen Vorstellungen, denen zufolge die
Redaktion eine unpersönliche „Meß- und Regelinstanz innerhalb eines Fließgleichgewichts
[ist], die permanente Austauschbeziehungen zur Umwelt unterhält“.217
(3) Die Redaktion fungiert als Einfallstor für eine (ökonomische) Kolonialisierung des Journalismus, indem
systemische Imperative den kommunikativen Prozess des Journalismus verdrängen.
Eine dritte Interpretation legt nahe, den organisatorischen Journalismus als das Ergebnis eines
Prozesses zu sehen, in dessen Vollzug sich sukzessive eine (ökonomisch) zweckrationale
Effizienz- und Organisationslogik gegen die kommunikative Rationalität journalistischen
Handelns durchgesetzt hat und immer noch mit ihr im Widerstreit steht.218 Für die These, dass
redaktionelle Abläufe weitgehend den Gesetzen von Ökonomie und Technik unterstehen,
lassen sich Belege in der Analyse ihrer Konstitutionsbedingungen219 oder auch der Dynamik
ihrer Strukturen220 auffinden.
In der Redaktionsforschung ist von Weischenberg bereits vor geraumer Zeit apodiktisch
festgestellt worden, dass sich das industrielle Prinzip der ‚Taylorisierung‘ zunehmend auch im
Journalismus durchsetzt, indem der Arbeitsprozess in bestimmte objektivierte Tätigkeiten
zergliedert wird, deren angemessene Erfüllung von austauschbaren Arbeitskräften auf der Basis
betrieblicher Anlernprozesse gewährleistet wird. Dies geschieht durch „die Programmierung
redaktioneller Arbeitsanforderungen, die Quantifizierung von Arbeitsleistungen, den Verzicht
auf systematische Ausbildung und auf Kreativität und im Extrem die Zerlegung der redaktio-
nellen Produktion in automatisierbare Teilbereiche“ und mündet in der weitgehenden Aus-
tausch- und Steuerbarkeit der Rollenträger.221 Hienzsch spricht in diesem Zusammenhang von
einer ‚Kybernetisierung‘ der Redaktionsarbeit, durch die Journalismus zu einer „Restgröße“ im
medialen Prozess schrumpfe.222 Diesen Analysen zufolge geht das Potenzial, journalistische
Leistungen zu produzieren, in redaktionellen Strukturen zunehmend verloren.223
Die Einflüsse zweckrationaler Effizienzlogik schlagen sich aus dieser Sicht insbesondere
dadurch nieder, dass Organisationsabläufe im Hinblick auf unternehmerische Gewinnabsichten
optimiert werden. Insbesondere aus der Sicht einer polit-ökonomischen Analyse der Journa-
lismusgeschichte ist die Entstehung von Redaktionen nicht nur eine Entwicklung kooperativer
Kommunikationsstrukturen, sondern „augenscheinlichstes Resultat der formellen Subsumtion“
des Journalismus unter das verlegerische Kapital224 – oder in anderen Worten: der Kolonialisie-
rung der Kommunikativität journalistischen Handelns durch mediale Systemstrukturen. Der
„Widerspruch zwischen den erweiterten Möglichkeiten des Arbeitsprozesses bei gleichzeitigem
Zwang zur Verwertung immer größer werdender Kapitale“225 ist das organisatorische Pendant
zur gesellschaftlichen Ambivalenz massenmedialer Kommunikation, die nicht nur die sozial-
räumliche Entschränkung, sondern eben auch die politische, soziale oder ökonomische Ver-
machtung gesellschaftlicher Kommunikationsvorgänge nach sich ziehen kann.226
rationalität und systemischer Logik: Journalismus und Medien sind ohne die Verbreitungsmög-
lichkeiten der Technik, verstanden als die „Verwendung bestimmter Werkzeuge durch den
Menschen“227, genauso wenig denkbar wie ohne redaktionelle Organisation. Neu hinzuge-
kommen ist allerdings, dass auch die redaktionelle – und damit die journalistische – Arbeit
selbst zunehmend technisch geprägt ist – und zwar unabhängig vom jeweiligen Medium.
Relevant ist dies auch deshalb, weil technischer Wandel mit organisatorischem und institutio-
nellem Wandel eng verknüpft ist.228
Bis in die 1970er Jahre hinein waren zumindest in bundesdeutschen Verlagshäusern die re-
daktionelle und die technische Arbeit in getrennten Bereichen organisiert: Redakteure sorgten
für die Medieninhalte, während Setzer, Drucker u.a. das Produkt technisch herstellten. In den
Redaktionen der audiovisuellen Medien sind derartige Grenzen bereits vorher verschwommen,
wenngleich auch hier ein neuerlicher Entdifferenzierungsschub zwischen journalistischen und
technischen Tätigkeiten festzustellen ist, der wie in den Printmedien mit der Einführung
elektronischer Redaktionssysteme in den journalistischen Arbeitsprozess zusammenhängt.
Pürer und Raabe sprechen angesichts der Veränderungen gar davon, dass dadurch der etablier-
te redaktionelle Journalismus von einer fünften Phase der Journalismusentwicklung abgelöst
worden sei, die als Phase des redaktionstechnischen Journalismus bezeichnet werden könne und sich
durch die Hineinnahme technischer Aufgaben – letztlich bis einschließlich der Druckvorstufe
– in den redaktionellen Arbeitsprozess auszeichne.229 Unabhängig davon, ob diese Entwick-
lung ein eigenes Journalismusverständnis begründet, ist doch empirisch zutreffend, dass es
Journalisten jedenfalls kaum möglich ist, den Einfluss der Medientechnik auf ihre eigene
Tätigkeit zu verdrängen.230
Technische Rahmenbedingungen besitzen hohen Einfluss auf die Ausgestaltung des Jour-
nalismus, und es ist zu erwarten, dass dieser Einfluss eher zu- als abnehmen wird231 – nicht
zuletzt auch, weil das „Prinzip der Pfadabhängigkeit technischen Wandels“ natürlich auch für
den Technikeinsatz in Redaktionen und Medienbetrieben gilt.232 Technische Fähigkeiten
werden im Zuge der Implementierung komplexer informations- und wissensverarbeitender
Systeme in den Redaktionen in immer stärkerem Maße zu den Anforderungen an Journalisten
hinzutreten und dabei quer zu den bekannten Kompetenzanforderungen Fachwissen, Sachwis-
sen und Vermittlungswissen liegen.233 Dies gilt in besonderem Maße auch für Redaktionen des
Online-Journalismus.234
Die Konsequenzen des Einsatzes der Technik sind allerdings nicht eindeutig abzusehen.
Während aus mediensystemischer Sicht der Journalismus als ein in die technischen Neuerun-
gen einzupassendes Steuerungsproblem begriffen werden kann, fordern abwägendere Analysen
„Resistenz gegen die Kybernetisierung der Arbeitszusammenhänge“ – auch auf Kosten des
Missverständnisses, man wolle die Rückkehr zu einer normativ-ontologischen Journalismus-
konzeption.235 Praktiker erwarten im Zuge der Veränderungen des Journalismus sowohl eine
„neue Arbeitsteilung“ als auch eine „neue Ganzheitlichkeit“.236 Auch im Fall der Technisierung
von Redaktionen sind also unterschiedliche Interpretationen aufzufinden, die sich entlang der
bereits bei den Redaktionen skizzierten Entwicklungen bewegen:
(1) Die Technisierung der Redaktion dient der Ermöglichung journalistischen Handelns, insbesondere im
Hinblick auf Verbreitung und Vervielfältigung.
Der Einsatz technischer Hilfsmittel kann zunächst als eine fundamentale Grundlage dafür
interpretiert werden, dass Journalismus überhaupt seiner Vermittlungsaufgabe nachkommen
kann. Journalismus ist in seiner Vermittlungstätigkeit auf die technischen Kommunikations-
und Verbreitungsmöglichkeiten der Medien angewiesen, um die „massenhafte Reproduktion
von Aussagen“ zu meistern.237 Die Leistungen der Medien in modernen Gesellschaften sind
daher nicht nur von den Wirtschaftsverhältnissen der Gesellschaft und von den organisatori-
schen Bedingungen ihrer Herstellung geprägt, sondern auch von den technischen Möglichkei-
ten, die zur Verfügung stehen.238 So ermöglichen die audiovisuellen Darstellungskapazitäten
von „Echtzeitmassenmedien“ wie dem Fernsehen eine ganz andere Form der Berichterstat-
tung als zum Beispiel die Bedingungen der gedruckten Zeitung und können weitreichende
gesellschaftliche Veränderungen nach sich ziehen.239 Mit Blick auf diese Komponenten der
Vervielfältigung und des Vertriebs hat Technik im journalistischen Arbeitsprozess immer eine
Rolle gespielt, wenngleich das zunächst bedeutete, dass sie den Rahmen und die Formatbedin-
gungen vorgegeben hat.
(2) Die Technisierung stellt eine notwendige, effizienzsteigernde systemische Ausdifferenzierung der Bereiche
materieller Reproduktion dar.
Mit der Technisierung des Medienbetriebs können systemische Mechanismen in den redaktio-
nellen Prozess eingeführt werden, die zunächst der Effizienzsteigerung materieller Reprodukti-
on dienen, aber auch die Induktion zweckrationaler Erwägungen in kommunikative journalisti-
sche Prozesse nach sich ziehen können. Die Arbeitsbedingungen journalistischer Akteure sind
zunächst auch unabhängig von deren eigenem Zutun durch ökonomische und technische
Imperative vorbestimmt. Zu inhaltlichen Veränderungen der journalistischen Arbeit führen
neue Technologien vor allem dann, wenn sie vor dem Hintergrund der Gewinnerwartungen
des Medienbetriebes implementiert und entsprechend genutzt werden. Je enger sie also an die
Organisationsziele geknüpft sind, desto weniger können sie als rein zweckrational vernünftige
Ausdifferenzierung begriffen werden. Altmeppen, Donges und Engels weisen daher zu recht
darauf hin, dass die zu befürchtende, weil latent permanent drohende Gefährdung der journa-
listischen Arbeit, nicht in der Anwendung von Technik per se liege, sondern in der „Verknüp-
fung von technologischen Innovationen und ökonomischer Rationalität der Medienunterneh-
men“.240
(3) Die Technisierung führt zu einer problematischen Kolonialisierung journalistischen Handelns, indem
redaktionelle Spielräume nicht mehr kommunikativ und kooperativ gestaltbar sind, sondern technisch vor-
geprägt werden.
237 Hienzsch 1990, S. 84. Vgl. für einen Überblick über die Entwicklung der Medientechnik: Hörisch 2001;
Weischenberg/Hienzsch 1994
238 Vgl. Weischenberg/Hienzsch 1994, S. 455
239 Wenzel 2001; vgl. auch klassisch Meyrowitz 1990a; 1990b
240 Altmeppen/Donges/Engels 1999, S. 36. Die allgemeinen Klagen darüber, dass durch die Einführung der
Redaktionstechnik die „geistig-schöpferischen Momente journalistischer Tätigkeit […] mit technischen Opera-
tionen verknüpft“ werden (Schütt 1981, S. 277), sind mittlerweile weitgehend verstummt. Neben den Befürch-
tungen, dass sich die Inhalte journalistischer Arbeit verschieben könnten, war ein Hintergrund der Kritik an der
Technisierung der Redaktionen auch, dass sich diese vorwiegend an Kapitallogik orientiere und die Verände-
rung journalistischer Arbeitsprozesse entsprechend an ökonomischen Bedürfnissen orientiert vorantreibe.
286 V Strukturwandel der Öffentlichkeit – Ausdifferenzierung der Massenmedien
Heutzutage wird grob vereinfacht deutlich, dass sich Berufe im Bereich des Journalismus
weiter entlang spezifischer Tätigkeitsmuster ausdifferenzieren, während zugleich die überge-
ordneten Konturen eines ‚journalistischen Berufs‘ schwächer werden.250 Historisch betrachtet
lässt sich konstatieren, dass sich der Journalistenberuf in Differenzierung zu den Tätigkeiten
des Drucks und Vertriebs entwickelte, als die redaktionelle Auswahl und Bearbeitung fremder
Texte wichtiger wurde.251 Motive und Folgen dieser Entwicklung können ebenfalls vor der
Folie eines zweistufigen Gesellschaftsmodells unterschiedlich bewertet werden und sind erst
empirisch zu klären.
(1) Die Verberuflichung des Journalismus dient der Verbesserung der kommunikativen Qualität und
Kapazität journalistischer Produkte.
Die Verberuflichung des Journalismus kann zunächst als ein Weg zur Steigerung der Leistungs-
fähigkeit des Journalismus für demokratische Öffentlichkeit mit Blick auf die Vermittlungstä-
tigkeit journalistischer Akteure verstanden werden. Verberuflichung journalistischer Tätigkeit
ist demnach eine Reaktion auf „die ständig wachsende Bedeutung von Informations- und
Kommunikationsprozessen für die gesellschaftliche Entwicklung angesichts der zunehmenden
arbeitsteiligen Organisation des gesellschaftlichen Produktions- wie Reproduktionsprozes-
ses“252, die journalistische Aufgabenerfüllung gewährleisten soll. Auch Langenbucher verweist
darauf, dass eine demokratische Öffentlichkeit einer spezifischen und verberuflichten journalis-
tischen Leistungserfüllung bedarf, um den Anforderungen an eine demokratisch organisierte
gesellschaftliche Kommunikation nachzukommen. Das daraus abzuleitende Berufsbild beruht
auf bestimmten Mindestanforderungen, die sich vor allem auf die Gewährleistung individueller
Meinungsfreiheit durch journalistische Vermittlungsleistungen beziehen und auf einen durch
Medien hergestellten demokratischen Meinungs- und Willensbildungsprozesses zielen.253
Standpunkt: „Das journalistische Rollenbild des Vermittlers, für das selbst Anwälte des anwaltschaftlichen
Journalismus aus demokratietheoretischen Erwägungen plädieren […], hat dabei Priorität, da es der Primärfunk-
tion der Massenmedien in den pluralistischen Demokratien entspricht. Unter dem Aspekt der Relevanz ist der
Transport von Informationen die journalistische Primärrolle; alle anderen Rollenbilder spielen – jedenfalls für
den etablierten Medientyp – nur eine komplementäre, sekundäre Rolle […].“ Die Problematik dieser einseitigen
Betrachungen ist bereits ausgiebig diskutiert worden.
254 Vgl. Fabris 1979, S. 39f.
255 Saxer 1993a, S. 297
256 So aus materialistischer Perspektive Zeuner 1973, S. 26.
257 So aus historisch-soziologischer Perspektive Geiger 1949.
258 Vgl. die Befunde bei Requate 1995, S. 238
259 Vgl. dazu grundlegend Rühl 1979, S. 241: „Bei der Mitgliedsrolle handelt es sich um einen Komplex spezifi-
scher, von allen anderen deutlich herausgehobener Erwartungen. Die Anerkennung der Erwartungen der Mit-
gliederrolle ist für alle diejenigen verpflichtend, die Mitglied der Redaktion werden wollen bzw. deren bereits
bestehende Mitgliedschaft aufrechterhalten werden soll. Die Mitgliedschaftsrolle enthält mithin als Extremori-
entierung die Entscheidung über Eintritt und Austritt und bildet dergestalt die Voraussetzungen für die Über-
nahme anderer Rollen in der Redaktion.“ Das allgemeinere Konzept der Berufsrolle dagegen definiert die über-
geordneten Erwartungen an alle Journalisten, während das spezifischere Konzept der Arbeitsrolle die Anforde-
rungen an konkrete Posten in der Redaktion (z.B. Chef vom Dienst oder Volontär) beschreibt (vgl. Altmeppen
1999, S. 44f.).
260 Vgl. Rühl 1979, S. 246ff.
3 Ausdehnung systemischer Zweckrationalität 289
261 Dröge/Kopper 1991, S. 160; vgl. auch Prott 1976, S. 374: „Der Nachrichtenjournalismus siegt über den
Meinungsjournalismus, der Redakteur wandelt sich auch im öffentlichen Erscheinungsbild mehr und mehr vom
autonom-kritischen Zeitbeobachter zum relativ passiven Verbindungsglied im kommunikativen Feld, der das
Geschehen für die Rezipienten lediglich aufzubereiten hat. Das alles aber verträgt sich schlecht mit unbeholfe-
nen ‚Professionalisierungs‘-Versuchen.“
262 Weischenberg 1983, S. 357
263 Prott 1994, S. 493
264 Prott 1976, S. 128f. Angesichts dieser notwendigen und auch funktionalen Freiräume journalistischen Handelns
lassen sich Forderungen nach Veränderungen im Journalismus erheben. Diese betreffen die Vermehrung der
Ressourcen, um einen aktiven und recherchierenden Journalismus zu stärken, die bessere Nutzung der Medien-
komplementarität, die Offenheit in der Journalistenrekrutierung, die Verbesserung der Journalistenqualifizie-
rung und die Gestaltung der Medienorganisation mit Blick auf kreative und produktive Freiräume. Insbesonde-
re die letztere Forderung, die darauf zielt, journalistische Initiative nicht durch Überorganisation zu blockieren,
ist im Hinblick auf die Verhinderung systemischer Kolonialisierung von Interesse: Dezentrale Organisations-
formen oder flexible Redaktionsstrukturen können als Wege angesehen werden, den Journalismus so zu organi-
sieren, dass er mit den Tendenzen eines beschleunigten sozialen Wandels mitzuhalten vermag (vgl. Saxer 1993a,
S. 301ff.).
265 Weischenberg 1985, S. 194
266 Vgl. Weischenberg 1995, S. 17; vgl. zu einem autonomen Journalismus die Beiträge in Langenbucher 1980.
267 Vgl. Siegert 2001, S. 171
290 V Strukturwandel der Öffentlichkeit – Ausdifferenzierung der Massenmedien
(3) Die Verberuflichung ist das Einfallstor für eine problematische Kolonialisierung journalistischen Han-
delns, indem durch die funktionalisierten Austauschbeziehungen hindurch systemische Imperative in Füh-
rung gehen.
Diese Interpretation zielt darauf ab, dass die ökonomische Rationalität der Medienbetriebe
durch das Berufsverhältnis weitreichend auf das Handeln des Journalisten durchschlagen kann.
Das journalistische Berufsbild verändert sich dadurch gravierend: Aus der Sicht eines Medien-
betriebes werden sie vorwiegend bis ausschließlich als ‚Verlagsangestellte‘268 angesehen, wäh-
rend ihre Rolle als kommunikativ handelnde Akteure auf lebensweltlichem Fundament zu-
nehmend vernachlässigt wird. Das führt zu einer schmerzlichen „Entzauberung des Berufs“269,
die nicht zuletzt im Verlust der Möglichkeit begründet ist, den kommunikativen Grundzügen
journalistischen Handelns unter den Bedingungen mediensystemischen Zwangs überhaupt
noch gerecht zu werden.
Der Journalismus, der heutzutage als Informationsjournalismus bezeichnet wird, kann in
der Tendenz als ökonomisch kolonialisierte Variante des vermittelnden Journalismus betrach-
tet werden, weil dessen beschriebene kommunikative Reflexivität im Zuge der Formulierung
einer medienbetrieblich umzusetzenden Berufsrolle durch ökonomische Verwertungsinteres-
sen überlagert wird. Der Informationsjournalismus liefert die Beiträge, die die Medien benöti-
gen, um sich in einer gesellschaftlichen Kommunikation behaupten zu können, die, wie Münch
sie beschreibt, von kommunikativer Inflation geprägt ist.270 Demzufolge markieren die Medien
die Bühne eines permanenten gesellschaftlichen Diskurses, der sich nicht mehr vordringlich
durch die Logik sprachlicher Verständigung auszeichnet, sondern Routinen dramatischer und
theatralischer Selbstinszenierung folgt. Ein sich wechselseitig verstärkender Kommunikations-
prozess, in dem Kommunikation stets neue Kommunikation herausfordert, durchdringt dabei
zunehmend alle Lebensbereiche der Gesellschaft. Im Ergebnis lassen sich eine „quantitative
Steigerung der Kommunikation“, eine „enorme Beschleunigung der Kommunikation“ und
eine „zunehmende Globalisierung der Kommunikation“ feststellen271 – jeweils angeheizt auch
durch die Verwertungsnotwendigkeiten eines umfassenden Systems von Massenmedien, das
die Spielräume journalistischer Akteure bestimmt. Diese ‚Kommunikation‘ allerdings besteht
weniger in dem abwägenden Herstellen von Zusammenhängen im kommunikativen Diskurs,
sondern im macht- und geldgesteuerten Beschleunigen der Zirkulation von Informationshap-
pen. Die Handlungsautonomie beruflicher Journalisten beschränkt sich dann weitgehend nur
noch auf Themenselektion und geringen Rechercheaufwand.
„Gemessen daran, daß die öffentliche Kommunikation – ihrem demokratischen Anspruch nach – keine
Grenzen kennt, die nicht in ihrem Namen bezweifelbar oder zu verschieben wären, bildet diese ‚Autonomie‘
nur den ausgesprochen traurigen Rest einer kommunikativen Mündigkeit, die auch dem journalistischen
Handeln zu unterstellen ist […]. Ließ sich diese Ambivalenz bislang noch als paradoxe Gleichzeitigkeit von
‚Beschäftigungs-‘ und ‚Kommunikationsverhältnissen‘ im Journalismus verstehen, so greift die Kommerziali-
sierung des Mediensystems mittlerweile nicht allein auf die Folgen journalistischer Arbeit, sondern ebenso auf
die verständigungsrationalen Orientierungen journalistischen Handelns durch. Denn der Druck eines hy-
pertrophierenden Mediensystems wirkt sich auf den Journalismus inzwischen als Zwang zur Kommunikation aus,
wie die ‚Gladbecker Geiselaffäre‘ und viele andere Beispiele zeigen können.“272
Diese Beobachtungen sind Beispiel dafür, wie sich die Veränderung der Rahmenbedingungen
journalistischen Handelns direkt auf die in Berufsrollen eingelassenen Anforderungen an
journalistisches Handeln auswirken kann. In der Ausrichtung des Journalismus auf das Ergeb-
nis, auf die Produktion verkaufbarer kommunikativer Angebote, lassen sich auf der Hand-
lungsebene kolonialisierende Effekte festmachen. Diese werden – ab einem gewissen Grad des
Verlusts journalistischer Handlungsautonomie und Kommunikativität – auch auf gesellschaftli-
cher Ebene hinsichtlich der Leistungen des Journalismus für Öffentlichkeit sichtbar. In der
Regel ist der vermittelnde Journalismus in funktionalistischer Radikalisierung der erörterten
Dichotomie als Informationsjournalismus beruflich institutionalisiert worden, der nicht darauf
ausgerichtet ist aufzuklären, sondern vorwiegend der kommerziell motivierten Auswahl und
Verbreitung von Nachrichten dient, während die – bewusste und reflexive – kommunikative
Prüfung von Geltungsansprüchen oftmals suspendiert wird.
Es ist bereits darauf hingewiesen worden, dass sich die organisatorischen Strukturen des
Journalismus seit einigen Jahren in einer Umbruchphase befinden.273 Mehrere Gründe für den
Druck zur Umgestaltung von Redaktionen lassen sich feststellen:
• Durch die weitgehende Verschmelzung von redaktioneller Produktion und technischer
Reproduktion in computergestützt arbeitenden Redaktionen sind ehemals geradlinige Or-
ganisationsstrukturen hinfällig geworden.274
• Thematisch stoßen die herkömmlichen Ressortstrukturen zunehmend an ihre Grenzen, da
im Alltag immer mehr Themen auftauchen, die von verschiedenen Ressorts/Redaktionen
behandelt werden können.
• Aus ökonomischen Gründen wächst der Druck, alte Strukturen zu verändern, um Effek-
tivität und Effizienz im redaktionellen Handeln zu erhöhen.
• Und nicht zuletzt erhoffen sich manche von strukturellen und organisatorischen Verände-
rungen auch eine Stärkung des Journalistischen im Medienbetrieb.
Mit den neuen Strategien des Redaktionsmanagements wird angesichts sich verändernder
Bedingungen versucht, übergreifende ökonomische und journalistische Ziele zu formulieren
und sie in eine Strategie umzusetzen. Redaktionsmanagement beschäftigt sich folglich mit der
„gezielten und strukturierten Neuorientierung der Redaktion in einem gewandelten Mediensys-
tem”.275 Im Kern geht es dabei um das Aufbrechen und Verändern der bisherigen redaktionel-
len Organisationsstrukturen, die sich v.a. in Zeitungen zu Hindernissen einer effektiven Zu-
sammenarbeit verfestigt haben. Manche überkommenen Organisationen funktionieren oft nur
deshalb, weil „unter der Oberfläche vermeintlicher Ordnung informale Kommunikationen,
Kooperationen und Verhaltensmuster“ entstanden sind und die dysfunktionalen Folgen einer
zu starren redaktionellen Organisation kompensieren.276
Innovative Zeitungsredaktionen gehen vor allem von der traditionellen Gleichung ‚Ressort
= Sparte‘ zunehmend ab und versuchen durch die Etablierung von Teamstrukturen zu effekti-
veren und angemesseneren Organisationsabläufen zu gelangen.277 Darüber hinaus gelangen die
Redaktionen damit zu Strukturen, die einer Umwelt, die durch Differenzierung und Vernetzung
sozialer Bereiche und Themen zugleich gekennzeichnet ist, potenziell wieder gerecht zu
werden versprechen und weniger die Fiktion isoliert zu behandelnder Themenfelder tradie-
ren.278 Auch dies ist ein Beispiel dafür, wie organisatorische Entscheidungen die Qualität
journalistischen Handelns beeinflussen können.
Altmeppen weist anhand der Untersuchung redaktioneller Strukturen in privat-
kommerziellen Rundfunksendern darauf hin, dass redaktionelles Handeln nicht nur Entschei-
dungshandeln ist, sondern in erheblichem Umfang von Koordinationsnotwendigkeiten geprägt
wird. Weil gerade im privat-kommerziellen Rundfunk die Routineprogrammierung nur
schwach ausgeprägt ist, werden permanent Koordinierungsleistungen mit Blick auf den Zweck
des Unternehmens notwendig, die etwa ein Drittel und teilweise mehr als die Hälfte der
Arbeitszeit in Anspruch nehmen können, um Arbeitsprozesse auf das Organisationsziel hin zu
„ordnen, strukturieren und stabilisieren“.279 Dieser Koordinationsbedarf, steigt, wenn die
Strukturierung der journalistischen Programme sinkt oder wenn der Personalbestand groß ist.
In der Regel aber ist er nicht umfangreich formell institutionalisiert; Absprachen über The-
menauswahl und -präsentation oder auch über Arbeitsverteilung etc. sind oftmals nicht nur in
den klassischen hierarchischen Beziehungen der Redaktionsorganisation angesiedelt, sondern
verlaufen nicht selten zudem auch informell quer zu den Strukturen der Organisation.280
Positiv betrachtet kann dieser Koordinierungsbedarf als Möglichkeit kommunikativer Steu-
erung von Redaktionsstrukturen gewertet werden. Altmeppen selbst setzt sein Modell auf der
rekursiven Strukturierungstheorie auf und sieht dadurch eine Wechselbeziehung zwischen
institutionalisierten organisatorischen Abläufen und dem Handeln der Redaktionsmitglieder,
das diese Strukturen entweder durch Wiederholung bestätigt oder durch Abweichung verän-
dert.281 Mit koordinierenden Handlungen reagieren Journalisten in Redaktionen auf die wenig
vorhersehbaren Ereignisse der Umwelt, die Anschlusshandeln in der Redaktion nach sich
ziehen können, wenn die Mitglieder der Redaktion angesichts bereits bestehender Routinen
oder auf der Basis von Verständigung zu dem Ergebnis kommen, dass sie der Berichterstat-
tung wert sind. Der Koordinierungsbedarf in den Redaktionen wächst noch einmal erheblich
an, wenn die Arbeitsstrukturen weiter flexibilisiert werden und sich Redakteure dadurch
beinahe permanent in neue Arbeitszusammenhänge und technische Gegebenheiten einarbeiten
müssen.282 In vielen Redaktionen sind für diese Fälle keine Verfahren implementiert, sondern
allenfalls ist die Erwartung eingelassen, dass sich die Journalisten selbständig koordinieren und
eigenverantwortlich organisieren.283
Die nur vage Formulierung der Organisationsziele, die einen erheblichen Teil des Koordi-
nationsbedarfs in einer Redaktion begründet, rührt auch daher, dass sie ursprünglich „auf einer
Mischung aus Gewinnerwartung und normativen Funktionen“ beruhen.284 Im privat-
kommerziellen Rundfunk lässt sich dagegen zunehmend der Trend feststellen, dass die inhaltli-
chen Erwartungen im Organisationsziel wegfallen, weil sich der einzige „Organisationszweck
Programmproduktion“ gegen publizistische Konzepte wie die Informationsfunktion auf
ganzer Linie durchsetzt, wie Rager, Werner und Weber konstatieren.285
Die ganze Ambivalenz redaktioneller Organisationsmuster hinsichtlich der Frage, inwiefern
sie nun Journalismus ermöglichen oder aber beschränken, zeigt sich in jüngeren Entwicklun-
gen in den Redaktionen und in den Differenzen zwischen unterschiedlichen Medienbetrieben.
Nur ein Beispiel: Hienzsch fordert als Gegengift zur dysfunktionalen Kybernetisierung der
Zeitungsredaktionen vornehmlich eine Enthierarchisierung der Redaktionsarbeit, eine stärkere
Vielfalt in den Arbeitsrollen und mehr Flexibilität im Arbeitsverlauf.286 Davon erhofft er sich
eine Stärkung journalistischer Handlungslogik, die wieder die Spielräume bekommen könnte,
die sie benötige. Genau diese Veränderungen journalistischer Produktionsprozesse lassen sich
allesamt in den Redaktionen privat-kommerzieller Rundfunksender finden – ohne dort zu den
erhofften Revitalisierungseffekten hinsichtlich der publizistischen Qualität zu führen.287 Hier
zeigt sich eine weitreichende Entdifferenzierung des redaktionellen Arbeitens mit dem Ziel,
dass jeder alles macht und journalistische Arbeitskraft dadurch aus ökonomischer Sicht flexib-
ler und profitabler einsetzbar ist.
„Privat-kommerzieller Rundfunk wird aufgrund eines knappen, aber präzisen Drehbuchs verfaßt – der wirt-
schaftlichen Rentabilität. Sie entscheidet über Existenz, Erhalt und je aktuelle Ausprägung der Sender und ih-
rer publizistischen Programme. Der ‚Kunstfehler‘ des Drehbuches liegt darin, daß die Rentabilität über ein
publizistisches Produkt mit all seinen Implikationen hergestellt werden muß. So unterliegen Medienunter-
nehmen den Bedingungen von wirtschaftlicher Effizienz, großbetrieblicher Produktionsweise und rationeller
Technik, sie werden also mit den Kriterien von Industriebranchen verglichen. Journalistische Produkte sind
aber eben nicht industriell zu fertigende Waren, da ihnen normativ konstituierende Bedeutungen für den ge-
sellschaftlichen Zusammenhalt zugeschrieben werden.“288
283 Vgl. Altmeppen 1999, S. 181. Werden diese Verfahren bei der Umstrukturierung der redaktionellen Organisati-
on integriert, dann lässt sich festhalten, dass die Konferenzen zwar häufiger und länger werden, dass aber an-
sonsten der Zeitanteil für Koordination und Themenabstimmung in den Teams sinkt (vgl. Meier 2002a, S. 325).
284 Altmeppen 1999, S. 43
285 Rager/Werner/Weber 1992, S. 19; vgl. Altmeppen 2001, S. 200
286 Vgl. Hienzsch 1990, S. 296
287 Vgl. Altmeppen 1999, S. 183
288 Ebd., S. 186
294 V Strukturwandel der Öffentlichkeit – Ausdifferenzierung der Massenmedien
len gravierend negativen qualitativen Konsequenzen dieser Veränderungen aber lassen Alt-
meppen zu der – noch vorsichtig aufgestellten – These gelangen, dass journalistische Organisa-
tionen mit der Themenstrukturierung durch Ressorts, Spezialisierung oder Arbeitsteilung auch
ein wesentliches journalistisches Strukturelement und damit eine wesentliche Ressource journalis-
tischer Arbeit und journalistischen Handelns verlieren.289 Den Extremfall markiert sicherlich
ein Redaktionsmanagement, in dem die Entdifferenzierung sich auch gegenüber anderen
Verlagsabteilungen wie Anzeigen oder Vertrieb fortsetzt. Empirische Untersuchungen zeigen
allerdings, dass die Entgrenzungspotenziale, die Journalismus diesbezüglich theoretisch besitzt,
längst nicht vollständig realisiert werden, sondern „viele punktuelle Einflüsse“ festzustellen
sind, die „[…] durch Strategien der Autonomiebewahrung des beeinflussten Systems mögli-
cherweise leicht kompensiert werden […]“ können, wie Loosen und Scholl konstatieren.290
Das gilt auch für die angesichts neuer Medienformen zunehmend geforderten crossmedialen
Arbeitsweisen, die an sich zwar eine Entgrenzung journalistischer Routinen bedeuten können,
diese aber keinesfalls zwangsläufig nach sich ziehen müssen.291 Ungeachtet dessen sind die
Veränderungen im strukturellen und systemischen Umfeld des Journalismus durch die neuen
Medientechniken, vor allem im Bereich des Internets, erheblich.292 Hier betritt die Journalis-
musforschung Neuland – auch indem neue theoretische Ansätze zur Beschreibung und Erklä-
rung herangezogen werden.293
Hinzu kommt noch ein weiterer gravierender Umbruch in der organisatorischen Gestal-
tung journalistischer Arbeit, der eng mit dem angedeuteten Bedeutungsverlust der Redaktionen
als differenzierter journalistischer Leistungseinheiten einher geht: Journalistische Tätigkeiten
werden aus der Redaktion hinaus auf Zulieferer verlagert.294 Die Folge ist allerdings auch hier
eine weitere Ökonomisierung des Journalismus, da Kosten-Nutzen-Verhältnisse noch einfa-
cher kontrolliert und effizienter gestaltet werden können, wenn das unternehmerische Risiko
an Sub-Unternehmer ausgelagert wird, und der Medienbetrieb selbst nur mehr fertige Produkte
einkauft. Altmeppen, Donges und Engels warnen daher davor, dass auch hinsichtlich der
beruflichen Ausübung des Journalismus gravierende Veränderungen bevorstehen, durch
welche die derzeitige Dominanz der Lohnarbeit als maßgeblicher Institution journalistischer
Tätigkeit erheblich an Bedeutung verlieren werde. Maßgeblich sind dafür insbesondere neue
Arbeitsformen und -routinen der Informationsgesellschaft, die sich von denen der Industriege-
sellschaft weitgehend unterscheiden.295
In der Konsequenz kann davon ausgegangen werden, dass auch eine Restrukturierung re-
daktioneller Arbeitsroutinen ambivalente Folgen nach sich ziehen kann. Während Befürworter
mehr Flexibilität und damit eine Rückkehr journalistischer Kommunikativität erwarten, sehen
Kritiker nicht selten in den neuen Strukturen nur eine weitere Stufe der Unterwerfung des
journalistischen Produktionsprozesses unter ökonomisches Kalkül. Die flexible Teamarbeit
soll, im Gegensatz zu den starren Mustern der an Fließbandarbeit orientierten arbeitsteiligen
Taylorisierung, für eine noch bessere Ausschöpfung der Arbeitskapazitäten sorgen. Und was in
den Outsorcing-Modellen auf den ersten Blick euphemistisch als Re-Etablierung journalisti-
scher Eigenständigkeit interpretiert werden könnte, entpuppt sich de facto nicht selten als
noch vollständigere Kontaminierung journalistischer Kommunikativität mit ökonomischen
Imperativen, da der Zwang zur Vermarktung jedem journalistischen Handlungsakt unterlegt ist
und die materiellen Freiräume des sozial abgesicherten Arbeitsverhältnisses entfallen, ohne
dass die – theoretisch denkbaren – symbolisch sinnhaften Freiräume des zwanglosen Kommu-
nizierens jenseits der beruflichen Rolle wirklich zugänglich wären.
Der Blick auf die praktischen Rahmenbedingungen journalistischen Handelns und ihre media-
len Imperative hat noch einmal verdeutlicht, dass nicht die Einführung zweckrationaler oder
systemfunktionalistischer Elemente per se zu einer Beeinträchtigung journalistischer Hand-
lungsspielräume führt, sondern dass es darauf ankommt, ob die strukturellen Bedingungen wie
Organisationen, Technik und Rollen medial vorgeprägt werden oder journalistisch gestaltbar
bleiben. Die Frage, ob Journalismus eine Phase der Strukturierung, der Mediatisierung oder gar
der Kolonialisierung durchläuft, kann entsprechend nur jeweils kontingent beantwortet werden
– ein Umstand, der generell für die Abgrenzung des Verhältnisses zweckrationaler und kom-
munikativer Rationalitäten gilt, wie Habermas konstatiert.
„Wohl ist innerhalb der formal organisierten Handlungsbereiche der Koordinationsmechanismus der Ver-
ständigung partiell entmächtigt; aber die relative Gewichtung zwischen Sozial- und Systemintegration ist eine
schwierige, und allein empirisch zu entscheidende Frage.“296
publizistischen Zielsetzungen stehen, ist empirisch offen. Das Spannungsfeld lässt sich markie-
ren und die Systemdynamiken lassen Kolonialisierungseffekte vermuten – theoretisch ent-
scheidbar aber ist diese Frage nicht.
Auch technische Innovationen im Redaktionsalltag, wie die Einführung moderner compu-
tergestützter Medientechnik, können sowohl zu einer Hierarchisierung als auch zu einer
Dezentralisierung führen; sie können die weitere Standardisierung von Arbeitsabläufen voran-
treiben oder für deren Individualisierung sorgen; sie können integrierend oder differenzierend
auf den Produktionsprozess wirken; und sie können die Bildung neuer spezifischerer journalis-
tischer Rollen befördern oder aber die Zusammenlegung vormals getrennter Produktions-
schritte forcieren.302 Technik hat sowohl das Potenzial Arbeitsprozesse zu entlasten, als auch
sie soweit zu verdichten, dass zweckrationale Zwänge die Räume der Verständigung besetzen.
Aber selbst wenn letzteres geschieht, verbleibt ein Widerstandspotenzial.
In den neu entstehenden Onlineredaktionen, deren Einrichtung maßgeblich vom stattfin-
denden Technisierungsschub getrieben wird, zeigt sich, dass es keineswegs neue Rollenmuster
sind, die sich mit dieser Entwicklung herausprägen, sondern dass bislang „nur geringe Unter-
schiede zum traditionellen Journalismus“ festzustellen sind.303 Auch die erkennbaren Verände-
rungen – wie der weiter zunehmende Schwerpunkt auf Selektions- und Redaktionsaufgaben –
liegen auf der Linie der bereits generell im Journalismus beschriebenen Verschiebungen und
konstituieren kein neues Journalismusverständnis; maßgeblich für die Arbeit bleiben die Ideale
des Informationsjournalismus.304 Tatsächliche Neuerungen dagegen, wie die ‚Weblogs‘ oder
interaktive Formate, sind oftmals eher in einer „Grauzone um den Journalismus“ angesiedelt,
die sich in Onlineformaten gebildet hat und in der para- und pseudojournalistische Formate
eine wichtige Rolle spielen.305 Durch deren wachsende Bedeutung verschwimmen zugleich die
Konturen der Online-Berichterstattung jenseits des relativ klar definierten Informationsjourna-
lismus.306
Mit Blick auf die Institutionalisierung beruflicher Rollen hat sich die Literatur lange an idea-
lisierten Modellen abgearbeitet. Aus einer solchen Perspektive kommt man beinahe zwangsläu-
fig zu der Feststellung, dass die Rede vom Journalismus als Selbstverwirklichung derzeit wie
ein „theatralische[r] Selbstbetrug“ erscheinen muss.307 Für die „Diskrepanz zwischen berufli-
cher Realität und beruflichem Bewußtsein der Journalisten“ sei mangelnde Selbstreflexion
verantwortlich konstatiert Weischenberg308 und weist damit auch auf eine nachhaltige Schwä-
chung lebensweltlicher Regenerationsmöglichkeiten des Journalismus hin. Andere Autoren
erklären sich die ‚Illusion‘ einer schöpferischen und selbstbestimmten journalistischen Tätigkeit
mit der Internalisierung mediensystemischer Zwänge, die von den Journalisten selbst nach
vollzogener Anpassung als journalistische Normen ausgewiesen werden.309 In solchen Fällen
wäre eine Kolonialisierung des journalistischen Handelns weit gediehen, würde doch die
diskursive Begründungsnotwendigkeit des Handelns, wenn überhaupt, nur vordergründig
aufrechterhalten, während eine systemische Verwertungslogik journalistische Verständigungs-
absichten frontal unterläuft. Dröge und Kopper stellen fest, dass „[…] – nicht zuletzt durch
die Einschränkungen des journalistischen Arbeitsmarkts im Gefolge der Konzentrationsbewe-
gung bestimmt – die Anpassungen des Berufsverständnisses an die ökonomischen Distributi-
onsbedingungen des Mediums inzwischen offensichtlich zum reibungslos funktionierenden
professionellen Selbstbewußtsein“ gehören.310
Aber auch hier gilt, dass es Reservate relativer journalistischer Handlungsautonomie selbst
unter den Bedingungen eines elektronischen Informationsjournalismus geben kann, wenn
„[…] aus der journalistischen Berufskultur gewissermaßen eine Gegenkraft gegen die Prozesse
der Entindividualisierung des Journalismus heranwächst“311. Auf ein derartiges kommunikati-
ves Potenzial vor allem an den Rändern des Mediensystems haben auch Fabris und Gott-
schlich bereits in ihren Studien verwiesen.312 Diese Kommunikativität auch in der Mitte des
professionalisierten oder zumindest verberuflichten Journalismus wieder zu aktivieren, und
damit auch den Einfluss ‚klassischer Formen‘ des Journalismus gegenüber der Informationsky-
bernetik redaktioneller ‚Fakten‘-Auslese in beruflich institutioneller Hinsicht zu stärken, wäre
ein lohnenswertes Projekt für die Journalistik, um Journalismus auch als Berufsarbeit mit seiner
kommunikativen Grundlage diesseits einer mittelfristig dysfunktionalen Kolonialisierung zu
versöhnen.313
Einige der lebensweltlich und extra-journalistisch vorgeprägten Aspekte journalistischen
Handelns, die Raabe aufgrund ihrer nur geringen Kontrollierbarkeit im redaktionellen Produk-
tionsprozess als „Kontingenzen in der journalistischen Beschreibung der Wirklichkeit“314
problematisiert, sind tatsächlich eher als Ausdruck einer genuinen, unhintergehbaren und für
journalistisches Handeln konstitutiven Kommunikativität zu betrachten. Forderungen nach
ihrer Standardisierung oder Kontrolle führen zu den beschriebenen Mediatisierungen und
Kolonialisierungen. Notwendig wäre stattdessen, diese Kommunikativität bewusst zu entwi-
ckeln, sie aber durch verbesserte Leistungen mit Blick auf die journalistische Ausbildung auch
entsprechend zu den Bestandsnotwendigkeiten medialer und redaktioneller Organisations-
strukturen in Verbindung zu setzen. Das wäre eine Alternative zu Konzeptionen für ein
‚medienethisch reflektiertes News-Management‘ als Antwort auf den Verlust des Journalisti-
schen in Nachrichtenredaktionen.315
Differenzierungstendenzen in Redaktionen sind keineswegs allumfassend, sondern be-
schränken sich in deutschen Medienbetrieben in erster Linie auf thematische Untergliederun-
gen, während die Arbeitsteilung zwischen den verschiedenen Arbeitsschritten ‚Recherche‘,
‚Schreiben‘ und ‚Redigieren‘ innerhalb der Ressorts so gering ausgeprägt ist, dass eine „formali-
sierte Rollendifferenzierung auf funktionaler Ebene“ vor allem in kleinen und mittleren Zei-
Probleme des einzelnen Journalisten reduziere und die Organisiertheit des journalistischen Produktionsprozes-
ses nicht zur Kenntnis nehme. Der Arbeitsprozess erscheine ausschließlich als ein individueller Schöpfungs-
prozess, der vom Produkt her zu beurteilen sei, während die Arbeitsbedingungen, die durch die Redaktionshie-
rarchien bestimmt würden, keine wesentliche Rolle spielten (vgl. ebd., S. 23).
310 Dröge/Kopper 1991, S. 131
311 Saxer 1993a, S. 296
312 Vgl. Gottschlich 1980; Fabris 1979
313 Vorschläge dagegen, die ihre Hoffnung in alternative journalistische Rollenbilder und Berichterstattungsmuster
konzentrieren, erscheinen Weischenberg (1983, S. 366) nicht ganz zu unrecht als „Rückzug aus der Realität“.
314 Raabe 2005, S. 207
315 Für ein solches Nachrichten-Management plädiert Haller 1996, S. 40ff.
298 V Strukturwandel der Öffentlichkeit – Ausdifferenzierung der Massenmedien
tungen, aber auch in den privat-kommerziellen Rundfunksendern, nach wie vor die Ausnahme
ist.316 In der Entwicklung von Redaktionen wird anknüpfend daran in den zurückliegenden
Jahren ein zunehmender Trend zur Entdifferenzierung festgestellt.317 Jüngere theoretisch
ambitionierte Arbeiten der Redaktionsforschung verabschieden sich – wie gesehen – nicht
zuletzt auch deshalb von den starren Systemkonzeptionen und betonen stattdessen die Flexibi-
lität redaktioneller Organisationsstrukturen. Sie gehen davon aus, dass redaktionelle Strukturen
und Programme zwar Vorgaben machen, aber das individuelle und kooperative Handeln nicht
letztgültig determinieren können, sondern die Beziehung zwischen beiden als ein wechselseiti-
ger Strukturierungsprozess zu sehen ist. In den Blick geraten dadurch journalistische Hand-
lungsspielräume, die in systemtheoretischen Konzeptionen nicht beschreibbar sind, weil dort
nur systemisch determinierte Rollenträger konzeptionell denkbar sind. Die Strukturen, in
denen journalistisches Handeln stattfindet, erscheinen dann als ein sich öffnender „Korridor
möglicher Handlungsweisen“, der sowohl von journalistischen als auch von ökonomischen
Erwartungen geprägt wird, innerhalb dessen journalistische Akteure „eigenverantwortlich und
selbständig“ handeln und der von den Akteuren (zumindest zum Teil) selbst bestimmt und
verändert werden kann.318 Pätzold beschreibt, inwiefern zum Beispiel eine Reportage Ergebnis
der Verschränkung individuellen Handelns und redaktioneller Vorgaben ist:
„In der Vorarbeit werden durch redaktionelle Verfahren die Weichen gestellt und der Weg abgesteckt. In der
Nacharbeit wird kontrolliert, ob der Autor mit seinem Produkt den richtigen Zielort erreicht hat. Die redakti-
onelle Leistung umschließt das Einzelprodukt, dessen schöpferische Mitte die individuelle Einzelleistung
ist.“319
Diese Feststellung bedarf allerdings der Präzisierung, um nicht in der aporetischen Sackgasse
eines melancholisch-resignativen Zerfallsszenarios zu münden: Journalismus bedarf materieller
Ressourcen, die effizient nach ökonomischen Kriterien bereitgestellt werden. Diese unumgäng-
liche und in ihrer Spannung auszuhaltende Abhängigkeit des Journalismus von medialen
Imperativen kann dann in eine Kolonialisierung des Journalismus durch die Medien umschla-
gen, wenn es der Systemseite gelingt, sich den kommunikativen journalistischen Handlungs-
modus prinzipiell unterzuordnen. In diesem Fall leistet die systemische Ausdifferenzierung
nicht mehr die Reproduktion der zur Aufrechterhaltung gesellschaftlicher Kommunikation
notwendigen materiellen Ressourcen, sondern sie gefährdet darüber hinaus auch die Repro-
duktion ideeller und symbolischer Güter durch diese Kommunikation (und damit auch durch
Journalismus) selbst.
Die ökonomische Indienstnahme der Massenmedien führt, so Krotz, zu einer „ökonomischen
Funktionalisierung kommunikativen Handelns“.335 Dadurch verändern sich die kommunikative
Innenausstattung einer Gesellschaft und damit auch ihr Journalismus. Vor allem geraten
wichtige Fragen der Organisation des Gemeinwesens, wie die Verfasstheit des Mediensystems,
zunehmend aus dem Blick der Öffentlichkeit und der politisch-demokratischen Gestaltbar-
keit.336 Dieser Prozess – Krotz nennt ihn, abweichend zum Begriffsgebrauch der vorliegenden
Studie, ‚Mediatisierung‘ – schlägt darüber hinaus potenziell durch auf die Möglichkeiten der
Etablierung einer rationalen öffentlichen Kommunikationssphäre. Eine Folge ist das
„[…] abzusehende Ende eines Journalismus, der in einer klassischen Gemeinwohlperspektive die Informiert-
heit aller im Blick hat, zugunsten einer Funktionalisierung gesellschafts- und demokratierelevanter Informa-
tionen für definierte Zielgruppen, die auch über ihr Informationsinteresse der Werbeindustrie zugeführt wer-
den sollen. Dies berührt die Demokratie in ihrem Kern.“337
Ergebnis ist der zu beobachtende Trend zu einem mit dem Gewinnstreben kompatiblen
„Unterhaltungs-, Nutzwert-, Werbeumfeld-, Grenzgewinn-, Kauf-, Konzern- und Kaskaden-
journalismus“.338 In der Rezipientenansprache rückt an die Stelle des politischen Bürgers der
Kunde als Konsument.339 Münch merkt zu Recht an, dass ein solcherart vollständig kommer-
zialisiertes Kommunikationssystem unter Umständen zwar die Bedingungen der Produktion
materiellen Wohlstands verbessert, dass diese Tendenz aber der gesellschaftlichen Etablierung
einer öffentlichen Kommunikation entgegensteht, die Verständigung herbeiführen soll.340
Notwendig ist daher eben auch, dass die Finanzierung eines zunächst wirtschaftlich weniger
bedeutsamen Qualitätsjournalismus gewährleistet ist341, dass Journalisten ausgebildet werden,
die in der Lage sind, auf Basis eines soliden Hintergrundwissens und mit entsprechender
Analysekompetenz Zusammenhänge in einer komplexen und differenzierten Welt verständlich
zu machen, und dass Journalismus in der Lage bleibt, Spartengrenzen ebenso zu überschreiten
wie er Bezüge zwischen lokalen, nationalen und globalen Ereignissen herzustellen vermag.
Münch schreibt den Journalisten weitreichende Aufgaben im Hinblick auf ihren Beitrag zur
„globale(n) Verständigung, Konsensbildung und Handlungskoordination“342 zu. Nur wenn
dies alles gewährleistet sei, so Münch werde der Journalismus in der „Kommunikationsflut der
335 Krotz 2001a, S. 206 (Herv. von mir, -cb-). Letztlich hält er es für offen, welche Konsequenzen die „Abhängig-
keit von ökonomischen Motiven und ökonomischen Zwängen“ nach sich ziehen wird (vgl. ebd., S. 214).
336 Vgl. ebd., S. 209
337 Ebd., S. 207
338 Heinrich 2001, S. 165
339 Vgl. Blöbaum 2000, S. 139
340 Vgl. Münch 1993, S. 278
341 Wenngleich mit Heinrich (1996) vermutet werden kann, dass in der Differenzierung über Qualität durchaus
Erfolgsmöglichkeiten auch in ökonomischer Hinsicht zu finden sind; vgl. auch Brosda 2005.
342 Münch 1993, S. 276
302 V Strukturwandel der Öffentlichkeit – Ausdifferenzierung der Massenmedien
tiv rationalen Integration von Gesellschaft beizutragen. Sowohl die beschriebene Aufgabe der
Orientierung durch reflexive Vermittlung, als auch das Ziel der Steigerung von Partizipations-
möglichkeiten durch Inanspruchnahme kommunikativer Kompetenz weichen dann den
zweckrational begründeten Produktionsroutinen eines Nachrichtenjournalismus, bei dem das
Verkaufen auf einem sich beschleunigenden Nachrichtenmarkt im Zentrum der Aktivitäten
steht.350 Dadurch, dass sich Journalismus in seinen Handlungen den ökonomischen Imperati-
ven unterordnet, verliert er auch seine gesellschaftliche Relevanz, weil er Gesellschaft als
Objekt, über das berichtet wird, ansieht und nicht als dynamischen Zusammenhang, an dem er
teil hat und für dessen Gestaltung er mit verantwortlich ist. Die Perspektive einer diskursiven
Anwaltschaft droht im ökonomischen Partikularinteresse weitgehend verloren zu gehen.351
350 Diese Erkenntnisse lassen sich der US-amerikanischen ‚gatekeeper‘-Forschung entnehmen. Diese Studien,
deren Übertragbarkeit auf den deutschen Journalismus natürlich einzuschränken ist, kommen u.a. zu folgenden
Ergebnissen, die Weischenberg (1992a, S. 308f.) nennt: Journalisten benennen hier die hohe Bedeutung me-
chanischer Arbeitszwänge, internalisieren hierarchische Vorgaben, akzeptieren die Blattlinie als Teil der büro-
kratischen Struktur und besitzen kaum ausgeprägte Vorstellungen über ihr Publikum.
351 Vgl. zu dieser Beobachtung Schütt 1981, S. 279. Hier kopiert Journalismus u.U. nur die vermeintlich beobach-
tende, objektivierende Perspektive, auf die sich eine empirisch-analytische Sozialwissenschaft oft zurückzieht.
304 V Strukturwandel der Öffentlichkeit – Ausdifferenzierung der Massenmedien
In Konsequenz ist damit die Gefahr der strukturellen Verunmöglichung von Diskurs oder
Deliberation über ethisch-politische Ziele eines Gemeinwesens beschrieben. Der zu Beginn
eingeforderte Maßstab, anhand dessen sich die dysfunktionalen Folgen einer vollständigen Ökonomisierung der
Medien messen ließen, ist der Maßstab der Bedingungen der Möglichkeit kommunikativen Handelns auch
innerhalb des Organisationsrahmens eines Medienunternehmens. In dem Moment, in dem Bereiche, die
über die Leistungen kommunikativen Handelns zu symbolischen Ressourcen reproduziert
werden, auf die zweckrationale Logik des Ökonomischen umgestellt werden, geraten sie unter
eine Rationalität, die ihrer nicht entspricht, die eine Beantwortung notwendig zu bearbeitender
Sinnfragen ausschließt und deren Gültigkeit in solchen Bereichen letztlich negative Folgen für
das Gesellschaftssystem als Ganzes nach sich ziehen kann. Dann droht, was Habermas in
einem aktuellen Einwurf drastisch und polemisch überspitzt beschreibt:
„Es stimmt, die politische Öffentlichkeit ist Teil einer weiteren kulturellen Öffentlichkeit, und beide sind
heute an die verschmutzten Kanäle des Privatfernsehens angeschlossen. In einem run to the bottom konkur-
riert auch noch das öffentlich-rechtliche Fernsehen mit den heruntergekommensten Programminhalten und
Präsentationsformen des Kommerzfernsehens. Die öffentlich-rechtliche Organisationsform, die gewiss auch
ihre Probleme hat, war immerhin von dem richtigen Gedanken inspiriert, dass sich nicht alle gesellschaftli-
chen Funktionsbereiche schadlos auf den Markt umpolen lassen. Kultur, Information, Kritik sind auf eine ei-
gene, eigensinnige Form der Kommunikation angewiesen. Jedenfalls sollten die Imperative der Einschaltquo-
ten nicht in die Poren der kulturellen Kommunikation eindringen.“352
Die Kritik an der Dominanz des Ökonomischen in den Medien macht regulierende Eingriffe
notwendig, die darauf zielen, die vom Mediensystem eben auch produzierten meritorischen
Güter, auf die moderne Demokratien konstitutiv angewiesen sind, zu erhalten. Die medienpo-
litische Hoffnung auf eine Steuerung der Medien durch den freien Markt hingegen birgt stets
die Gefahr, „[…] daß das Konzept des Wirtschaftsliberalismus im Pressebereich seine eigene
Fiktion für Realität ausgibt“353, dass der Markt im Medienbereich weitreichend versagt, dies
aber aufgrund der spezifischen Beschaffenheit medialer Güter als „Erfahrungsgüter“ nicht
rechtzeitig bemerkt wird.354 Ein zureichender medienpolitischer Steuerungs- und Regulierungsrahmen für
die Medien ist daher in jedem Fall unverzichtbar.355 Journalismus wiederum kann sein Wider-
standspotenzial gegenüber ökonomisierten Massenmedien vorwiegend aus einer Steigerung
seiner eigenen Rationalität ziehen. Er hat nur dann eine Chance, seine Eigenständigkeit gegen-
über medialen Imperativen zu bewahren, wenn er darauf beharrt, eben keine medial vordefi-
nierbare Form beruflichen Handelns zu sein, sondern eine eigenständige lebensweltliche
Handlungslogik zu besitzen, die beruflich überformt wird und deren gesellschaftliche Leis-
tungsfähigkeit hinsichtlich sozialer Orientierung und Partizipation gefährdet ist, wenn sie zu
sehr unter das Profitprimat systemischer Medieninstitutionen gerät. Eine derart normative
Herangehensweise an journalistisches Handeln steht in der Gefahr, diskreditiert zu werden:
„Der Versuch, sich von der Zweckorientierung einer ökonomischen Rationalität zu emanzipieren, muß ihn
[den Journalisten, -cb-] – zumindest im Licht der Medienökonomie – geradezu als unzurechnungsfähig er-
scheinen lassen.“356
Das darf aber nicht bedeuten, dass dieser Versuch nicht unternommen werden kann. Langen-
bucher hat in diesem Zusammenhang zu recht darauf hingewiesen, dass sich Journalismus
nicht in Tätigkeiten des organisatorischen – also weitgehend redaktionellen – Journalismus
erschöpft, sondern andere Rollenmuster, auch andere Berufsrollenmuster umfasst:
„Der organisatorische Journalismus – wenn wir denn diese Art von redaktioneller und sonstiger Tätigkeit
überhaupt so nennen wollen! – ist eine Dienstleistung, der autonome Journalismus eine Kulturleistung. Beide
haben – extrem formuliert – nur das Transportmittel gemeinsam. Methodisch ähnlich ist auf den Einwand zu
reagieren, hier sei gar nicht von Journalismus, sondern von Intellektualismus die Rede. Dies ist eine richtige
Bemerkung, aber doch kein gewichtiger Einwand. Intellektualismus ist eine Leistung von prinzipiell nicht-
beruflichen Jedermannsrollen. Ihre Verberuflichung aber wird unvermeidlich, wenn entsprechende Leis-
tungsanforderungen Dauerkonjunktur haben. Das ist in allen demokratischen Industriegesellschaften seit En-
de des 19. Jahrhunderts der Fall. Deshalb gilt: ‚Autonomer Journalismus‘ ist die Verberuflichung intellektuel-
ler Leistungen.“357
Nur ein derart selbstbewusster Journalismus, der Legitimation aus sich selbst zu ziehen vermag
und nicht darauf angewiesen ist, durch Medienlogik legitimiert zu werden, kann auch die Kraft
finden, sich entsprechend effizient selbst zu regulieren und damit der Starrheit einer rechtli-
chen Regulierung so weit wie möglich zuvor zu kommen.358 Journalismus – das wird dabei
auch deutlich – ist mehr als das, was heutzutage überwiegend als redaktionelles Handeln mit
Journalismus gleichgesetzt wird. Zugleich mag daher aber auch weniger Handeln tatsächlich
genuin journalistisch sein, als heute gemeinhin angenommen und deklariert wird.359
Die angemessene Selbstregulierung des Journalismus verspricht, dass kommunikative Leis-
tungen auch mit den Maßstäben kommunikativen Handelns bearbeitet werden. Auf diese
Weise werden auch die Gefahren einer weitergehenden Kolonialisierung durch andere gesell-
schaftliche Funktionsbereiche, sei es der Markt, sei es das Recht, eingedämmt. Journalismus
setzt sich mit dem Anerkenntnis seiner Selbstregulierung allerdings auch einer alltagssprachli-
chen Laienkritik aus, da er sich letztlich keiner Spezialsemantik bedient, sondern öffentlich
kritisierbar verbleibt, wenn er sich nicht einer anderen Logik unterwirft. Dieser Mangel an
Immunität gegenüber öffentlicher Kritik ist allerdings nicht als Problem zu betrachten, son-
dern als demokratisch gewünschte Kommunikationsoffenheit einer gesellschaftlichen Instituti-
on, für die Öffentlichkeit und Kritik ohnehin komplementäre Anforderungen darstellen.
Die Maßstäbe der Kritik und der Selbstregulierung eines kommunikativen Journalismus
unter den Bedingungen und Zwängen moderner Medienbetriebe sollen im abschließenden
Kapitel unter der Prämisse einer verfahrensorientierten Diskursethik, die ihre Normen aus den
Fundamenten sprachlicher Verständigung deduziert, behandelt werden. Die Formulierung
eines solchen diskurstheoretischen Fundaments des Journalismus kann auch verstanden
werden als Beitrag zur Steigerung der Rationalität des lebensweltlichen Journalismus, der
dadurch gegenüber der systemischen Rationalität der Massenmedien an Selbstbehauptungs-
kraft gewinnt. Es ist eine offene Frage, inwieweit Journalismus sich als eine der Institutionen
behauptet, die eine kommunikativ rationalisierte Lebenswelt aus sich heraus entwickeln müss-
te, um den Kolonialisierungstendenzen Einhalt zu gebieten und das eigene Primat behaupten
zu können.
In diesem abschließenden Kapitel soll versucht werden, die bislang getrennt behandelten Komplexe des journalis-
tischen kommunikativen Handelns und der massenmedialen Systemlogik miteinander zu verbinden. Dabei
steht das Interesse im Zentrum, die Potenziale eines diskursiven Journalismus unter massenmedialen Bedingun-
gen beschreibbar zu machen, seinen notwendigen Kontext zu qualifizieren und die zur Sicherung seiner Aufga-
ben notwendigen Steuerungsmechanismen zu skizzieren.
Dazu wird zunächst die Kategorie der Öffentlichkeit noch einmal aufgegriffen und als Gegengewicht zu
gesellschaftlicher Differenzierung sowie als gesellschaftlicher Resonanzboden kommunikativer Rationalität
erörtert. Empirisch ist eine systemische Funktionalisierung von Öffentlichkeit festzustellen, während zugleich die
– auch für Journalismus zentrale – normative Perspektive der demokratischen Relevanz ungebrochen aufrecht-
erhalten und mikrosozial in diskurstheoretische und diskursethische Postulate übersetzt wird (1).
Die theoretischen Überlegungen lassen sich in einem Prozessmodell demokratischer Meinungsbildung skiz-
zieren, in dessen begrifflichem Rahmen sowohl einer diskursiven Öffentlichkeit als auch einem diskursiven
Journalismus als ihrer institutionellen Vorkehrung ein zentraler Ort zugewiesen wird. Diskursiver Journalis-
mus kann so als integraler Bestandteil demokratischer Verhältnisse angesehen werden (2).
Diese theoretischen Annahmen sind abzugleichen an den empirischen Bedingungen von Öffentlichkeit, die
sich insbesondere in ihrer massenmedialen ‚Überformung‘ ausdrücken. Es ist daher zu diskutieren, ob im
Lichte empirischer Erkenntnisse ein normativ abgespeckteres Modell von ‚Medienöffentlichkeit‘ konzeptionelle
Vorzüge gegenüber dem anspruchsvolleren Modell der diskursiven oder deliberativen Öffentlichkeit bietet (3).
Daran anschließend lassen sich Kernüberlegungen zu einer Diskursethik des Journalismus formulieren, die
sich sowohl für journalistische Diskurse über Ethik, d.h. für die diskursethische Formulierung journalistischer
Normen, als auch für eine Ethik journalistischer Diskurse, d.h. für die journalistische Anwendung diskurs-
ethischer Prämissen, von Relevanz ist. Journalisten, so wird zu argumentieren sein, stehen als Diskursanwälte
in besonderer Verantwortung. Ihre Aufgaben sind das Veröffentlichen, Vermitteln und Stimulieren des
gesellschaftlichen Diskurses. Insbesondere haben sie die kritische Prüfung der im öffentlichen Diskurs erhobenen
Geltungsansprüche zu leisten. Dieses zu begründende Anforderungsprofil bezieht sich nicht normativ-ontologisch
auf gedachte idealtypische ‚journalistische Persönlichkeiten‘, sondern ist als normative Erwartung an den
journalistischen Handlungsmodus geknüpft (4).
Solch ein diskursiver Journalismus muss durch entsprechende mediale Rahmenbedingungen kommunika-
tions- und medienpolitisch gewährleistet werden. Plädiert wird daher für eine ‚Media Governance‘-Struktur, in
der eine Vielzahl unterschiedlicher Mechanismen unter Einbeziehung zivilgesellschaftlicher Interessen zumindest
auch diskursiv integriert werden (5).
Eine heterarchische und kommunikative Steuerung durch Diskurse ist sowohl in der Selbstregulierung
ethisch-journalistischer Diskurse als auch in der Fremdregulierung des Mediensystems durch politische, gesell-
schaftliche und wirtschaftliche Akteure konzipierbar – im Fall des Journalismus als dominierender Mechanis-
mus, im Fall des Mediensystems als einer neben Macht und Geld (6).
1 Grundlagen einer diskursiv verstandenen Öffentlichkeit 307
Öffentlichkeit ist im Verlauf der vorliegenden Studie zunächst als regulative Idee kommunika-
tiver politischer Machtentfaltung eingeführt worden, in der sich die demokratische Normativi-
tät gesellschaftlicher Kommunikationsprozesse ebenso manifestiert wie die Notwendigkeit der
Entdifferenzierung in Kommunikation mit dem Ziel der sozialen Orientierung. Um diese
politisch und gesellschaftlich zentrale öffentliche Sphäre in ihrem Bestand zu garantieren, ist
308 VI Diskursive Öffentlichkeit – diskursiver Journalismus
sie institutionalisiert, verrechtlicht und ökonomisiert worden – mit dem Ergebnis, dass ihre
ursprüngliche kommunikative Rationalität unter Druck gerät.1 Tendenziell sind auch die
Reservate kommunikativer Verständigung in lebensweltlich-öffentlichen Zusammenhängen
unmittelbar durch subsystemische Imperative bedroht und führen überwiegend Rückzugsge-
fechte, ohne dynamisch oder regulierend auf die Systeme zurückwirken zu können. Öffentlich-
keit ist dadurch zunehmend, wenn auch nicht deterministisch, dem Zugriff der Systeme und
ihrer Steuerungsmedien ausgesetzt.2
Die meisten kommunikationswissenschaftlichen Konzepte beschränken sich folgerichtig
darauf, Öffentlichkeit als einen gesellschaftlichen Raum zu konturieren, der systemischen
Austauschprozessen dient, ohne daran qualitative Anforderungen zu knüpfen. Für Gerhards
und Neidhardt zum Beispiel ist Öffentlichkeit „ein intermediäres System […], das zwischen
dem politischen System einerseits und den Bürgern und den Ansprüchen anderer Teilsysteme
der Gesellschaft vermitteln soll“, mithin ein „Kommunikationssystem, in dem die Erzeugung
einer bestimmten Art von Wissen stattfindet“, die Erzeugung öffentlicher Meinung.3 Aus einer
solchen systemtheoretischen Sicht bleibt zwar unbestritten, dass Öffentlichkeit eine Schwä-
chung systemischer Determinierung bedeutet4, allerdings wird bezweifelt, dass daraus – ange-
sichts der Fragmentierung moderner Gesellschaften – noch ein gesellschaftsumfassender,
alltagssprachlich koordinierter Kommunikationszusammenhang entstehen könne. Lebenswelt-
liche Zusammenhänge konstituieren aus dieser Sicht nicht mehr das zentrale Fundament.5
Denkbar sei daher lediglich, dass gesellschaftliche Teilsysteme einzelne ihrer spezifischen
Themen unter der Maßgabe der Neutralisierung der Rollenanforderungen aller Teilnehmer als
öffentliche Themen behandeln lassen. Öffentlichkeit ist demnach nichts weiter als „die Un-
terstellbarkeit der Akzeptiertheit von Themen“.6 Eine derart funktionalisierte Öffentlichkeit
konstituiert sich aus Systemleistungen heraus und unterliegt damit der zweckrationalen instru-
mentellen Vernunft systemischer Vergesellschaftung.
Dieser Systemanalyse ist zu entnehmen, dass Öffentlichkeit im Zuge ihres Strukturwandels
auch von Systemseite aus begehbar geworden ist und dass gesellschaftliche Systeme zunehmend
konstitutive Leistungen für Öffentlichkeit erbringen. Die Tatsache, dass die Bereitstellung von
1 Imhof (2003) zeichnet nach, wie diese Veränderungen der öffentlichen Kommunikationssphäre auch das
sozialwissenschaftliche Verständnis von Öffentlichkeit verändern. Vgl. zur grundsätzlichen Debatte um Öffent-
lichkeit in der Moderne vor allem die Beiträge in Neidhardt 1994a und Göhler 1995a.
2 Diese fortschreitende Kolonialisierung führt innerhalb der Öffentlichkeit zu grundbegrifflichen Konflikten, die
Habermas (1995 [1981], Bd. 2, S. 508f.) anhand eines Beispiels illustriert: „Die ‚öffentliche Meinung‘, die sich in
ihr [der Öffentlichkeit, -cb-] artikuliert, bedeutet aus der Perspektive der Lebenswelt etwas anderes als aus der
Systemperspektive des Staatsapparates. […] So gilt einerseits die demoskopisch erfaßte öffentliche Meinung
oder der Wille von Wählern, Parteien und Verbänden als pluralistischer Ausdruck eines Allgemeininteresses,
wobei der gesellschaftliche Konsens als erstes Glied in der Kette der politischen Willensbildung und als Grund-
lage der Legitimation betrachtet wird. Auf der anderen Seite gilt derselbe Konsens als Ergebnis der Legitima-
tionsbeschaffung – er wird als das letzte Glied in der Kette der Produktion von Massenloyalität betrachtet, mit
der sich das politische System ausstattet, um sich von lebensweltlichen Restriktionen unabhängig zu machen.“
3 Gerhards/Neidhardt 1990, S. 12
4 Selbst Luhmann (1979 [1970], S. 45) betont diese Wirkung von Öffentlichkeit: „Ins Soziologische übersetzt,
besagt Öffentlichkeit soviel wie Neutralisierung von Rollenanforderungen, die aus engeren Teilsystemen der
Gesellschaft stammen, damit auch eine Lockerung, wenn nicht Aufhebung der Selbstbindungen, die der einzel-
ne durch Verhalten in engeren Systemen eingegangen ist.“
5 Gerhards und Neidhardt (1990, S. 15ff.) z.B. erkennen zwar an, dass allgemeinverständliche sprachliche
Kommunikation die Basis von Öffentlichkeit bildet und sie dementsprechend ‚unabgeschlossen‘ ist. Aber sie
versuchen, Öffentlichkeit differenzierungstheoretisch als ein Sozialsystem zu konzipieren. Dadurch geraten
bisweilen entdifferenzierende Wirkungen von Öffentlichkeit aus dem Blick.
6 Luhmann 1979 [1970], S. 46
1 Grundlagen einer diskursiv verstandenen Öffentlichkeit 309
7 Weßler 1999a, S. 39
8 Derartige Betrachtungen tendieren allerdings dazu, die komplexen Mischungsverhältnisse von kommunikati-
vem Diskurs und Machthandeln unnötig auf systemische Funktionalismen zu reduzieren. Das gilt auch für die
gesellschaftskritischen Passagen der ‚Theorie des kommunikativen Handelns‘: Durch ihren starken Fokus auf
ein systemtheoretisches Politikverständnis geraten kommunikativ fundierte politische Anstrengungen zumin-
dest im Willensbildungsprozess tendenziell aus dem Blick. In der Beschäftigung mit dem Öffentlichkeitsbegriff,
der als genuin politisch ausgewiesen wird, werden außerdem die politisch relevanten gesellschaftlichen Thema-
tisierungs-, Orientierungs- und Integrationsfunktionen nur marginal thematisiert.
9 Dubiel 2001, S. 116
10 Ebd., S. 117
11 Vgl. ebd., S. 116
12 Habermas 1986a, S. 392f.
310 VI Diskursive Öffentlichkeit – diskursiver Journalismus
Die Aufgabe theoretischer Überlegungen ist es, entsprechende Mechanismen dieser radikalen
und durchgreifenden Demokratisierung zu identifizieren und deren Potenziale zu erörtern. Auf
diese Weise kann in den Annahmen kommunikativer Rationalität ein Maßstab der Kritik
erhalten werden, der immanent an die gesellschaftliche Organisationsform herangeführt
werden kann. Ein theoretisches Rekonstruktionsvorhaben auf der Basis der ‚Theorie des
kommunikativen Handelns‘ ist damit zugleich immer auch ein gesellschaftskritisches Projekt.
Öffentlichkeit, so eine gesellschaftskritisch-praktische Konsequenz, muss von der verding-
lichenden systemischen Beschreibung gelöst werden, um als fragiles, nicht-vermachtetes
Netzwerk autonomer Teilöffentlichkeiten kritikfähig zu sein und in ihrer nicht-institutionellen
Verfasstheit als Sensor für Probleme zu fungieren, die sich nicht in systemische Steuerungs-
probleme übersetzen lassen.13 Hier steht ein kommunikativ basierter Journalismus in der
lebensweltlich-gesellschaftlichen Pflicht. Habermas verweist in seinen jüngeren Arbeiten
durchaus auf Spielräume in Journalismus und Medien, die eine lebensweltliche ‚Rückgewin-
nung‘ von Öffentlichkeit möglich erscheinen lassen. Diese Hinweise werden insbesondere in
der rechts- und demokratietheoretischen Schrift ‚Faktizität und Geltung‘ im konzeptionellen
Kontext eines Kreislauf-Modells öffentlichen Machtgebrauchs exemplarisch ausgearbeitet und
führen zu einer differenzierten Neubewertung der Rolle massenmedialer Kommunikation.14
Öffentlichkeit werden vor diesem Hintergrund Aufgaben und Leistungen zugeschrieben, die
stärker auf Vermittlungsaspekte zwischen Privatsphäre und Staatssystem fokussieren und somit
bereits von vornherein auf den beiderseitigen Zugriff dieser Bereiche auf die öffentliche
Kommunikationssphäre zugeschnitten sind.15 Öffentlichkeit kann daher in modernen differen-
zierten Gesellschaften als „[…] eine intermediäre Struktur, die zwischen dem politischen
System einerseits, den privaten Sektoren der Lebenswelt und funktional spezifizierten Hand-
lungssystemen andererseits vermittelt“16 und gleichzeitig als ein „Netzwerk für die Kommuni-
kation von Inhalten und Stellungnahmen, also von Meinungen“17 konzipiert werden. Je nach
theoretischer Perspektive lassen sich damit entweder die Austauschfunktion zwischen System
und Lebenswelt (‚intermediäre Struktur‘) oder die Lebensweltverhaftung (‚Netzwerk für die
Kommunikation‘) von Öffentlichkeit betonen. Auf diese Weise bleibt eine demokratierelevante
epistemische Dimension öffentlicher Kommunikation weiterhin konzipierbar.18
13 Vgl. Heming 1997, S. 153. Die Segmentierungsprozesse moderner Gesellschaften führen dazu, dass sich –
meist analog zu den gesellschaftlichen Subsystemen aber auch themenspezifisch – Teilöffentlichkeiten bilden.
‚Öffentlichkeit‘ differenziert sich entlang der Dimensionen Reichweite, Thematik und struktureller Zusammen-
hang in verschiedene Segmente aus (vgl. Habermas 1992, S. 451f.). Diese werden in der Öffentlichkeitssoziolo-
gie in Anlehnung an Gerhards/Neidhardt (1990, S. 12) als „Arenen“ bezeichnet, die keine abgeschlossenen,
permanenten Veranstaltungen bilden, sondern sich vielmehr situativ zusammensetzen.
14 Vgl. Habermas 1992. Schon bei der Neuauflage von ‚Strukturwandel der Öffentlichkeit‘ hat Habermas (1990, S.
49f.) darauf hingewiesen, dass er bei der Beurteilung von Demokratisierungschancen in komplexen Gesell-
schaften, in Bezug auf die Beschreibung einer Entwicklung vom politisch aktiven zum privatistischen, kultur-
konsumierenden Publikum und mit Blick auf die ambivalente Einschätzung einer liberalen Öffentlichkeit heute
zu differenzierteren und weniger apodiktischen Ergebnisse käme: „Vieles spricht dafür, daß das demokratische
Potential einer Öffentlichkeit, deren Infrastruktur von den wachsenden Selektionszwängen der elektronischen
Massenkommunikation geprägt ist, ambivalent ist.“ (vgl. auch Bermbach 1995, S. 25) Wichtig ist dafür das in
der ‚Theorie des kommunikativen Handelns‘ formulierte Verständnis von Massenmedien, die sowohl die Be-
grenzungen öffentlicher Kommunikation entschränken und damit emanzipierend wirken können, als auch
durch ihre formalisierte Struktur und die Herausbildung eines eigenen Typus so genannter „Medienmacht“ öf-
fentliche Kommunikation hierarchisieren und für den Einzelnen unzugänglich gestalten können.
15 Vgl. Habermas 1989
16 Habermas 1992, S. 451
17 Ebd., S. 436
18 Vgl. Habermas 2006
1 Grundlagen einer diskursiv verstandenen Öffentlichkeit 311
Öffentlichkeit ist zwischen den beiden jeweils zu ihr geöffneten gesellschaftlichen Berei-
chen (politisches) System und Lebenswelt positioniert, auch wenn sie grundsätzlich an den
lebensweltlichen Modus der sprachlichen Integration gekoppelt ist, der im verständigungsori-
entierten Vernunftgebrauch begründet liegt: In der Öffentlichkeit hat sich bis heute keine
ausdifferenzierte Spezialsemantik entwickelt, sondern sie ist in ihrer gesellschaftsintegrativen
Funktion weiterhin der Allgemeinverständlichkeit der Umgangssprache verpflichtet und bindet
durch ihre Vermittlungsleistungen Funktionssysteme wie Recht und Politik an diesen wenig
differenzierten, dem Anspruch nach allgemeingültigen Verständigungsmodus des lebensweltli-
chen kommunikativen Handelns zurück.19
Für ein normativ fundiertes Modell deliberativer Politik bildet Öffentlichkeit den Raum
innerhalb der (staatlich verfassten) Gesellschaft, in dem letztlich die Legitimation politischer
Handlungsoptionen genauso debattiert wird wie grundlegende gesellschaftliche Wertekonflikte
(praktische bzw. ethisch-politische Diskurse).20 Öffentlichkeit ist diesem Anspruch zufolge
eine zentrale Instanz des lebensweltlichen Modus’ der symbolischen Integration sozial ausdif-
ferenzierter und hochkomplexer Gesellschaften, indem sie wie bereits eingangs beschrieben
eine – zwar schwache, aber immerhin vorhandene und aktivierbare – Struktur bereit stellt, die
nicht an einzelne Subsysteme gekoppelt ist, sondern aus ihrem lebensweltlichen Anspruch
heraus nach wie vor die gesamte Gesellschaft zu umspannen verspricht. Dabei ist davon
auszugehen, dass sich spezifizierte Teilräume innerhalb der öffentlichen Sphäre bilden, in
denen lebensweltliche Probleme ebenso wie die Folgen der System-Lebenswelt-Interaktionen
in spezifischen Bereichen verhandelt werden. Öffentlichkeit ist somit als eine Möglichkeit zu
verstehen, deren Realisierung zwar von spezifischen Rahmenbedingungen abhängig ist, deren
Potenzial aber nicht außer Kraft gesetzt werden kann, ohne dass Bestand und Selbstverständnis
einer demokratischen und pluralistisch offenen Gesellschaft in Gefahr geraten. Dabei umfasst
diese Möglichkeit der öffentlichen Sphäre gleichermaßen alle drei fundamentalen Dimensio-
nen, die Schmalz-Bruns identifiziert: Öffentlichkeit kann ihm zufolge verstanden werden
• „als Medium kultureller Reproduktion und Produktion […],
• als reflexive politische Praxis […],
• als Form der Erschließung auch von kognitiven Rationalitätspotentialen zur Verbesserung
der Qualität politischer Entscheidungen“.21
Diese Differenzierungen verweisen weniger auf gänzlich unterschiedliche Öffentlichkeitsbeg-
riffe als vielmehr auf unterschiedliche perspektivische Zugriffe auf die Leistungsfähigkeiten
eines öffentlichen Raumes bezogen auf je spezifische Fragestellungen. Punkt (1) verweist auf
die soziologisch relevante Entdifferenzierungswirkung einer umgangssprachlich verstandenen
und an die Lebenswelt angeschlossenen öffentlichen Sphäre; (2) bezieht sich auf die auch
politikwissenschaftlich interessante Konstitution öffentlicher Diskurszusammenhänge, in
denen Kollektive sich über ihre ethisch-politischen Ziele vergewissern und (3) bezieht sich
vornehmlich auf die demokratietheoretisch inspirierte Aufhebung der Dichotomie zwischen
Volkssouveränität und Rationalität in einem normativ fundierten Begriff von Öffentlichkeit.
19 Vgl. ebd., S. 427. Aufgrund der Orientierung auf das politische System entsteht der falsche Eindruck, dass
Habermas Öffentlichkeit auf politische Fragen limitiert. Doch aufgrund ihrer Lebensweltverhaftung ist Öffent-
lichkeit thematisch nicht beschränkt, sondern gegenüber allen allgemeinen Themen offen.
20 Die Konfliktorientierung von Öffentlichkeit ist auch systemtheoretisch beschreibbar, allerdings nur unter
Abzug jeglicher Erwartung an Journalismus, zur Lösung von Konflikten aktiv beizutragen (vgl. Hug 1997).
21 Schmalz-Bruns 1995, S. 44f.
312 VI Diskursive Öffentlichkeit – diskursiver Journalismus
Die im Begriff der ‚Sphäre‘ zugrunde gelegte Permanenz einer gesellschaftlichen Öffent-
lichkeit trägt der Tatsache Rechnung, dass der systemische Input – neben der Gefahr der
Kolonialisierung – auch eine Festigung und Kontinuität öffentlicher Zusammenhänge bewirkt.
Öffentlichkeit ist in diesem Verständnis weder ein System22 noch ausschließlich ein beliebiger
beinahe ubiquitärer Zustand, der durch jede Kommunikation zwischen zwei oder mehr Indivi-
duen zustande kommt23. Eher kann man in komplexen, in ihrem Aufbau durch das Recht
gesteuerten Gesellschaften24 davon ausgehen, dass Öffentlichkeit einen juristisch abgesicherten
sowie politisch und sozial gestaltbaren Raum der zwanglosen Kommunikation bildet.25 Zwang-
los vor allem deshalb, weil a priori keine Zugangs- oder Themenbeschränkungen existieren
oder zumindest deren Fehlen kontrafaktisch unterstellt wird.
Öffentlichkeit konstituiert demnach einen Raum, in dem in umgangssprachlichen und da-
mit grundsätzlich laienorientiert formierten Meinungsbildungsprozessen alle gesellschaftlich
relevanten Themen behandelt und an das politische System zur Behandlung und Entscheidung
herangetragen werden können.26 Ihre Durchlässigkeit ermöglicht es den Privatbürgern, in ihrer
Rolle als Staatsbürger aktiv in den politischen Prozess einzutreten, sich zu Handlungspro-
grammen zu äußern und gleichzeitig eigene Thematisierungsversuche zu unternehmen. ‚Herge-
stellt‘ wird diese Öffentlichkeit maßgeblich durch journalistische Kommunikation und mediale
Angebote, die in der beschriebenen Weise den gesellschaftlichen Themenhaushalt prägen.
Vollständig institutionalisiert werden kann Öffentlichkeit nicht, wie Habermas regelmäßig
betont, da sie dann ihre Sensibilität und potenzielle Offenheit gegenüber lebensweltlichen
Problemlagen durch die zwangsläufig auch ‚repressiven‘ Institutionalisierungswirkungen
verlieren könnte. Wohl aber wirken in ihr – neben der rechtlichen Absicherung durch Mei-
nungs- und Pressefreiheit – zivilgesellschaftliche Institutionen, die der Lebenswelt verhaftet
sind. Dazu können auch journalistische Organisationen und Institutionen gehören, wie anhand
historischer Belege bereits im „Strukturwandel der Öffentlichkeit“ aufgezeigt wurde:
„Eine Presse, die sich aus dem Räsonnement des Publikums entwickelt und dessen Diskussionen bloß ver-
längert hatte, blieb durchaus Institution dieses Publikums selbst: wirksam in der Art eines Vermittlers und
Verstärkers, nicht mehr bloßes Organ des Informationstransportes und noch kein Medium der Konsumen-
tenkultur.“27
Diese stärker institutionalisierte Öffentlichkeit bildet in ihrer Struktur insgesamt einen ‚Rechtfer-
tigungszusammenhang‘, da sie darauf angelegt ist, für die anstehenden und entschiedenen Proble-
me und Handlungsprogramme Legitimation zu erlangen, während die nicht-vermachteten
öffentlichen Strukturen als ‚Entdeckungszusammenhang‘ fungieren, in dem Probleme identifiziert
werden, die dann in den verfahrensregulierten Diskursen parlamentarischer Körperschaften
bearbeitet werden.32 In diesem Wechselspiel allerdings ergänzt die deutlich fragilere zweite
Ebene nicht bloß qualitativ die institutionalisierten demokratischen Verfahren, sondern sie ist
vielmehr darüber hinaus für die Erzeugung von Legitimation mitentscheidend. In besonderen
Krisensituationen steigt die Resonanz, die nicht vermachtete Öffentlichkeit im Kernbereich
des politischen Systems erfährt.33
In einem Modell diskursiver Öffentlichkeit wird die gesellschaftliche Relevanz des kommuni-
kativen Handelns Einzelner beschreibbar34, da anerkannt wird, dass das fragile Netzwerk
lebensweltlicher Äußerungen auf humankommunikativer Ebene in unhintergehbaren Bedin-
gungen kommunikativen Handelns verankert ist.
„Mit der Entdeckung der dem Medium Sprache inhärenten Spannung zwischen Faktizität und Geltung ge-
lingt es Habermas, den Gegensatz aufzuheben zwischen den normativistischen Ansätzen der praktischen Phi-
losophie einerseits, die Gefahr laufen, den Kontakt mit der gesellschaftlichen Wirklichkeit zu verlieren, und
den objektivistischen Ansätzen der Sozialwissenschaft andererseits, die alle normativen Aspekte ausblen-
den.“35
Die kommunikative Vernunft, auf die dieses deliberative Modell abstellt, ist als eine „prozedu-
rale Vernunft […] in das verständigungsorientierte Handeln der Beteiligten eingelassen“.36 Es
geht um eine Praxis gesellschaftlicher Kommunikation, in der sich die Beteiligten untereinan-
der darüber verständigen, was sie für wahr, richtig und im Einzelfall für wahrhaftig halten.
Diese intersubjektiven Klärungsprozesse finden in verschiedenen Diskursformen statt, die
bereits diskutiert worden sind: Wahrheitsfragen sind Gegenstand theoretischer Diskurse,
Richtigkeitsfragen werden in praktischen Diskursen diskutiert, während Wahrhaftigkeitsfragen
nur in den Sonderfällen des ästhetischen bzw. des therapeutischen Diskurses diskursfähig sind,
in der Regel aber als nicht begründungsfähig erscheinen müssen.37 Besonders der praktische
Diskurs, in dem es um die Rechtfertigung von normativen Ansprüchen der Richtigkeit geht, ist
für eine gesellschaftstheoretisch ambitionierte Diskurskonzeption von Interesse.38 Mit einer
moralischen Argumentation versuchen die Beteiligten, einen durch einen gestörten Konsens
hervorgerufenen Handlungskonflikt in reflexiver Einstellung durch die Formulierung eines
neuerlichen Konsenses beizulegen.39 Ein solcher praktischer Diskurs bezieht sich grundsätzlich
auf eine gemeinsam unterstellte Lebenswelt. Praktische Diskurse unterscheiden sich von
theoretischen Diskursen, die sich (im erfahrungswissenschaftlichen Sinne) in Form vielfältiger
Induktionen vor allem mit einer Kluft zwischen singulären Beobachtungen und allgemeinen
Hypothesen auseinandersetzen40, dadurch, dass sie letztlich nicht handlungsentlastet geführt
werden können, „[…] weil mit strittigen Normen das Gleichgewicht intersubjektiver Anerken-
nungsverhältnisse berührt wird“.41
Im praktischen Diskurs sollen zum einen die individuellen Interessen jedes Teilnehmers
zur Geltung kommen, ohne dass aber zum anderen die Solidarität der in Kommunikation
vereinten Gemeinschaft dadurch gefährdet wird. Dies ist möglich aufgrund der eigenwilligen
Mechanismen des Diskurses: Einerseits müssen alle Diskursteilnehmer davon ausgehen, dass
sie als Freie und Gleiche an der Suche nach einer gemeinsam unterstellten Wahrheit oder
Richtigkeit teilnehmen und dass entsprechend nur der Zwang des besseren Arguments zu
richtigen und fairen Entscheidungen führt. Andererseits aber hält der kommunikative Aus-
tausch im Diskurs alle Teilnehmer zur gemeinsamen Rollenübernahme an und sorgt so dafür,
dass der Diskurs als intersubjektive, gemeinsam erzeugte öffentliche Veranstaltung letzten
Endes eben doch mehr ist als ein liberal verstandener Marktplatz des Ideenaustausches.42
„Im Diskurs reißt das soziale Band der Zusammengehörigkeit nicht, obwohl die Übereinkunft, die allen ab-
verlangt wird, die Grenzen jeder konkreten Gemeinschaft transzendiert. Das diskursiv erzielte Einverständnis
hängt gleichzeitig ab von dem nicht-substituierbaren ‚Ja‘ oder ‚Nein‘ eines jeden Einzelnen wie auch von der
Überwindung seiner egozentrischen Perspektive. Ohne die uneingeschränkte individuelle Freiheit seiner Stel-
lungnahme zu kritisierbaren Geltungsansprüchen kann eine faktisch erzielte Zustimmung nicht wahrhaft all-
gemein sein; ohne die solidarische Einfühlung eines jeden in die Lage aller anderen wird es zu einer Lösung,
die allgemeine Zustimmung verdient, gar nicht erst kommen können. Das Verfahren diskursiver Willensbil-
dung trägt dem inneren Zusammenhang beider Aspekte Rechnung – der Autonomie unvertretbarer Indivi-
duen und ihrer Einbettung in intersubjektiv geteilte Lebensformen.“43
Die Diskurstheorie impliziert mit Blick auf diese Diskurse auch einen eigenständigen und
spezifischen ethischen Ansatz. Diese Diskursethik ist explizit als eine Ethik kommunikativer
Verständigungsorientierung und Rationalität angelegt. Zunächst ist sie zu verstehen als eine
Auseinandersetzung mit den notwendigen Bedingungen praktischer Diskurse, in denen ver-
bindliche Normen vereinbart werden. In einem erweiterten Sinne kann sie als ein Maßstab
adaptiert werden, anhand dessen Anforderungen an kommunikative Handlungen (in Öffent-
lichkeit) und damit potenziell auch an journalistische Handlungen formuliert und bewertet
werden können. Journalistische Ethik kann als „angewandte Teildisziplin einer allgemeinen
Diskursethik öffentlicher bzw. zivilgesellschaftlicher Kommunikation“ konzipiert werden.44
Als Vorausbedingungen der Gültigkeit einer Diskursethik können die „postkonventionelle
Moralbegründung als Antwort auf die Pluralisierung der Lebensformen“ und die „funktionale
Differenzierung als ein Kennzeichen moderner Rationalität“ betrachtet werden.45 Die Diskurs-
ethik nach Habermas ist typischerweise deontologisch, kognitivistisch, formalistisch und
universalistisch.46 Sie selbst macht keine inhaltlichen Vorgaben, sondern ist zunächst als eine
prozedurale Moraltheorie zu verstehen, welche diejenigen Verfahren beschreibt, mit denen
moralische und rechtliche Normen universell begründet werden können, und die inhaltliche
Klärung den praktischen Diskursen belässt, die von Beteiligten und Betroffenen geführt
40 Vgl. ebd., S. 73
41 Ebd., S. 115f.
42 Vgl. Habermas 1991, S. 13f.
43 Ebd., S. 19
44 Loretan 1999, S. 157
45 Loretan 2002, S. 266
46 Vgl. Habermas 1991, S. 11f.; Arens 1996, S. 80; Loretan 1999, S. 159f.
316 VI Diskursive Öffentlichkeit – diskursiver Journalismus
werden.47 Ihre Grundlage ist die „[…] transzendental- bzw. universalpragmatische Reflexion
selbst, d.h. die methodische Bewusstmachung der Bedingungen, die immer schon ratifiziert
haben muss, wer argumentieren will“.48
Sie bezieht dabei – anders als viele andere ausschließlich auf Individuen gerichtete Ethiken
– in einem erweiterten Sinn die funktionale Differenzierung moderner Gesellschaften mit ein,
indem sie ausgehend vom zweistufigen Gesellschaftsmodell ihren eigenen Geltungsbereich
nicht von vornherein als uneingeschränkt betrachtet, sondern für Bereiche systemischer
Koordinierung nur mittelbar Regulierungskompetenz beansprucht. Hier können dysfunktiona-
le Folgen systemischer Aktionen in der Lebenswelt und die Legitimation der Ausdifferenzie-
rung diskutiert werden; die Begründung einer einzelnen Systemoperation dagegen gehorcht
nicht diskursiven, sondern funktionalistischen Gesichtspunkten. Die Geltung von Ethik oder
Sittlichkeit ist in diesen Bereichen aus Effizienzgründen restringiert. Die Diskursethik ist ein
überzeugendes Modell-Angebot für die Begründung normativer Anforderungen in ausdiffe-
renzierten Gesellschaften, da sie aufzeigt, in welchen Dimensionen soziale Rollenträger ethi-
sche Verantwortung für ihr Handeln tragen.49 Begründungen für Meinungen oder Handlungen
einzufordern, wie es ein diskursives Kommunikationsmodell tut, bedeutet schließlich, die
Meinenden oder Handelnden nicht nur als rationale, sondern auch als verantwortungsfähige
Personen anzusehen und anzusprechen.50
„Für die Diskursethik stellt sich die Frage nach dem Subjekt, das Verantwortung für sein Handeln und dessen
Folgen übernehmen kann. In Auseinandersetzung mit den philosophischen Ansätzen der Moderne, kann die
Diskursethik als eine kritische Theorie des Subjekts […] gelesen werden.“51
Eine diskursethische Perspektive geht davon aus, dass Individuen auf der Basis ihrer lebens-
weltlichen Sozialisation auch in komplexen Gesellschaften in der Lage sind, persönliche und
soziale Entwicklungen zu erfassen und zu verstehen, für ihr eigenes Handeln im Rahmen
dieser Entwicklungen Verantwortung zu übernehmen und ihr Handeln mit dem anderer
Beteiligter kommunikativ zu koordinieren und sich gemeinsam über Lösungen zu verständi-
gen. Grundlage einer solchen diskursiven Übereinkunft ist die nicht hintergehbare Faktizität
spezifischer Argumentationsvoraussetzungen. Deren erste Formulierung findet sich in den
bereits skizzierten Überlegungen zu einer idealen Sprechsituation.52 Diese sind weder als
empirische Beschreibung noch als normative Forderung zu sehen, sondern als eine kontrafak-
tische Unterstellung, als eine Fiktion, die realiter Wirkungen entfaltet und die für Kommunika-
tion letztlich unabdingbar ist:
„Jeder, der ernsthaft den Versuch unternimmt, an einer Argumentation teilzunehmen, läßt sich implizit auf
allgemeine pragmatische Voraussetzungen ein, die einen normativen Gehalt haben; das Moralprinzip läßt sich
dann aus dem Gehalt dieser Argumentationsvoraussetzungen ableiten, sofern man nur weiß, was es heißt, ei-
ne Handlungsnorm zu rechtfertigen.“53
54 Ebd., S. 17
55 Vgl. Alexy 1978; 1983
56 Vgl. Habermas 19997 [1983], S. 97ff.:
„(1.1) Kein Sprecher darf sich widersprechen.
(1.2) Jeder Sprecher, der ein Prädikat F auf einen Gegenstand a anwendet, muß bereit sein, F auf jeden anderen
Gegenstand, der a in allen relevanten Hinsichten gleicht, anzuwenden.
(1.3) Verschiedene Sprecher dürfen den gleichen Ausdruck nicht mit verschiedenen Bedeutungen benutzen.
[…]
(2.1) Jeder Sprecher darf nur das behaupten, was er selbst glaubt.
(2.2) Wer eine Aussage oder Norm, die nicht Gegenstand der Diskussion ist, angreift, muß hierfür einen Grund
angeben. […]
(3.1) Jedes sprach- und handlungsfähige Subjekt darf an Diskursen teilnehmen.
a. Jeder darf jede Behauptung problematisieren.
b. Jeder darf jede Behauptung in den Diskurs einführen.
c. Jeder darf seine Einstellungen, Wünsche und Bedürfnisse äußern.
(3.2) Kein Sprecher darf durch innerhalb oder außerhalb des Diskurses herrschenden Zwang daran gehindert
werden, seine in (3.1) und (3.2) festgelegten Rechte wahrzunehmen.“
Leider setzt Habermas diesen Katalog – aufgrund seines anders gelagerten Interesses – nicht in Bezug zu
massenmedialen Diskursen.
57 Vgl. Habermas 19997 [1983], S. 86ff.
58 Vgl. Apel 1988
59 Vgl. Habermas 19997 [1983], S. 105ff.
60 Habermas (19997 [1983], S. 103) sieht im „Grundsatz der Verallgemeinerung, der als Argumentationsregel gilt
und zur Logik des praktischen Diskurses gehört“, das einzig notwendige Moralprinzip.
318 VI Diskursive Öffentlichkeit – diskursiver Journalismus
[…] wenn die Folgen und Nebenwirkungen, die sich aus einer allgemeinen Befolgung der strittigen Norm für
die Befriedigung der Interessen eines jeden Einzelnen voraussichtlich ergeben, von allen zwanglos akzeptiert
werden können.“61
Das anspruchsvolle Programm der Diskursethik lässt sich im Anschluss an diese Verallgemei-
nerungsregel auf den Grundsatz ‚D‘ bringen, der besagt,
„[…] daß nur die Normen Geltung beanspruchen dürfen, die die Zustimmung aller Betroffenen als Teilneh-
mer eines praktischen Diskurses finden (oder finden könnten)“.62
Dieser ethische Grundsatz ‚D‘ ist damit Ausfluss des als Moralprinzip fungierenden Universali-
sierungsgrundsatzes. Er impliziert keine inhaltlich-materiellen Regelungen, sondern kennzeich-
net formal die Bedingungen, denen Kommunikationsstrukturen genügen müssen, wenn sie
ethisch-normativ akzeptable Diskursergebnisse produzieren sollen. Alle inhaltlichen Regelun-
gen sind dagegen von realen (oder ersatzweise advokatorisch geführten) Diskursen abhängig;
der Moraltheoretiker ist in ihnen nur ein Teilnehmer unter Gleichen.63
Die Diskursethik bleibt also formal: Die Inhalte werden erst durch die Akteure in Diskur-
sen bestimmt. Dabei werden im Diskurs keine Normen erzeugt, sondern in Frage gezogene
Ansprüche überprüft. Auf der idealen Ebene werden Symmetriebedingungen und Reziprozi-
tätsbedingungen sowie die Gewährung egalitärer und zwangfreier Teilnahmechancen erwartet.
Es sollen spezifische Bedingungen geschaffen werden, unter denen die am Diskurs beteiligten
Akteure begründete Positionen und Interessen in den Diskurs einbringen können.
In einem praktischen Diskurs werden immer zugleich die Bedingungen seiner eigenen
Möglichkeit debattiert. Wohl auch deshalb gleichen „[…] praktische Diskurse, wie alle Argu-
mentationen, den von Überschwemmung bedrohten Inseln im Meer einer Praxis, in dem das
Muster der konsensuellen Beilegung von Handlungskonflikten keineswegs dominiert“.64 Zu
verhindern, dass diese Inseln untergehen, ist nicht zuletzt Aufgabe institutioneller Vorkehrun-
gen, welche die Diskurse empirisch überhaupt erst möglich machen.65 Sie sind scharf zu
unterscheiden von Diskursregeln, die zunächst einmal „nur eine Form der Darstellung von
stillschweigend vorgenommenen und intuitiv gewußten pragmatischen Voraussetzungen einer
ausgezeichneten Redepraxis“ sind.66 Institutionelle Vorkehrungen – also: intersubjektiv verein-
barte Institutionen oder Konventionen zum Beispiel in Form von Geschäftsordnungen und
Verfahrensregeln – dagegen lassen sich von unhintergehbaren Unterstellungen kommunikati-
ven oder diskursiven Handelns dahingehend unterscheiden, dass sie darauf zielen, kommunika-
tive Austauschprozesse so zu organisieren, dass die Erfüllung der Diskursregeln als wahr-
scheinlich(er) erachtet werden kann.67 In dieser Differenzierung kann auch die Unterscheidung
zwischen einer unhintergehbaren Kommunikativität journalistischen Handelns und seiner auch
bewusst kommunikativen und damit diskursiven Handhabung verankert werden.
Empirisch auffindbare Annäherungen an praktische Diskurse setzen „einen minimalen
institutionellen Rahmen“ voraus, der sowohl nach innen als auch nach außen gewährleistet,
61 Ebd., S. 103
62 Ebd., S. 103
63 Vgl. ebd., S. 104f. Habermas konstatiert: „Nur ein intersubjektiver Verständigungsprozeß kann zu einem
Einverständnis führen, das reflexiver Natur ist; nur dann können die Beteiligten wissen, daß sie sich gemeinsam
von etwas überzeugt haben.“ (ebd., S. 77)
64 Ebd., S. 116
65 Vgl. dazu auch Habermas 1986b, S. 30.
66 Habermas 19997 [1983], S. 101
67 Vgl. ebd., S. 102
1 Grundlagen einer diskursiv verstandenen Öffentlichkeit 319
dass ein Diskurs unter vielen Menschen überhaupt stattfinden kann.68 Diese Überlegung führt
direkt hinein in die Kernüberlegungen des deliberativen Öffentlichkeitsmodells, demzufolge
ein mediengestützter gesellschaftlicher Kommunikationszusammenhang und eine freiheit-
sichernde Rechtsverfassung im Zusammenspiel eine vernünftige Meinungs- und Willensbil-
dung gewährleisten sollen.69 In Bezug auf die Formulierung dieser institutionellen Vorkehrun-
gen ist das ‚Prinzip der Angemessenheit‘ von besonderer Bedeutung, das in Anwendungsdis-
kursen an die Stelle des in Begründungsdiskursen zentralen Universalisierungsgrundsatzes
tritt.70 Die der Sprache inhärenten Diskursregeln werden in solchen institutionellen Vorkeh-
rungen nach Angemessenheitserwägungen operationalisiert, zum Beispiel auch, um die Diskur-
sivität von öffentlichen Meinungs- und Willensbildungsprozessen zu gewährleisten. In dieser
Übersetzungsleistung, der eine Verknüpfung zur sprachlichen Fundierung der ethischen
Forderungen erhalten bleibt, liegt die Möglichkeit der Übertragung diskursethischer Überle-
gungen auf medienkommunikative Zusammenhänge im Allgemeinen und auf journalistisches
Handeln im Speziellen.
„Zusammenfassend kann man die in der Aufklärung der Presse zugeschriebene Aufgabe in der politischen
Basiskommunikation wie folgt formulieren: durch Information und Räsonnement über die politisch relevan-
ten Fragen, dabei insbesondere durch die kritische Überwachung der staatlichen Aktivitäten soll die Presse die
rationale Diskussion der bürgerlichen Öffentlichkeit anregen, Forum dieser Diskussion sein und gleichzeitig
die Diskussionsergebnisse als politische Meinung des Volkes artikulieren, um sie für die Regierung sichtbar zu
machen. Dadurch soll sie die kommunikative Verbindung zwischen Spitze und Basis […] herstellen und eine
Entfremdung verhindern.“71
Die anspruchsvollen Annahmen der Diskurstheorie und der Diskursethik, die Präzisierungen
des sprechakttheoretischen Konzepts kommunikativen Handelns darstellen, werden im Modell
einer deliberativen Öffentlichkeit, die Prozesse rationaler kommunikativer Verständigung
ermöglichen soll, mit den stärker empirisch fundierten Annahmen der gesellschaftstheoreti-
schen Lebenswelt-System-Analyse zusammengeführt.72 Unter öffentlicher Deliberation wird
eine „frei zugängliche argumentative Auseinandersetzung über Fragen des kollektiven Lebens“
verstanden.73 Das an den Freiheitsbegriff gekoppelte Konzept der Deliberation kennzeichnet
öffentlichen Vernunftgebrauch als Grundlage persönlicher Mündigkeit und markiert damit
letztlich ein „Freiheits- und Vernunfthandeln“, das in öffentlichen Prozessen intersubjektiver
Überlegung und Beratung zu rationalen Urteilen führen soll.74 Es bedeutet eine moderne
Revitalisierung aufklärerischer Räsonnement-Gedanken, die auf die problematischen ge-
schichtsphilosophischen Annahmen absoluter Vernunft und Tugenden verzichtet.75
68 Müller 1992, S. 39. Habermas und Apel sprechen in diesem Fall von ‚Chairmanship‘, Müller spricht angesichts
der damit implizierten weitreichenden Machtbefugnisse etwas unglücklich von ‚Diskurspolizei‘.
69 Vgl. Loretan 1996, S. 39
70 Vgl. Habermas 1991, S. 140
71 Geißler 1973, S. 20
72 Vgl. zum Konzept der deliberativen Politik grundsätzlich: Habermas 1992, S. 349ff.
73 Peters 2001, S. 656. Diese Öffentlichkeit muss bestimmte Merkmale und Leistungen besitzen, die wiederum
normativ aufgeladen sind.
74 Imhof 2003, S. 27f.
75 Vgl. ebd., S. 48. Dass diese Perspektive so alt wie die Demokratie selbst ist, konstatiert Elster (1998b) in einem
Überblick über die Geschichte der deliberativen Idee seit dem 5. Jahrhundert v. Chr.
320 VI Diskursive Öffentlichkeit – diskursiver Journalismus
Diese moderne Übersetzung der Diskurstheorie in ein bestimmtes Politik- und Öffentlich-
keitsmodell ist nicht bruchlos möglich76: Während sich die Diskustheorie für sich genommen
in partizipationsorientierte Prämissen übersetzen lässt, ist aus den Grundannahmen der Sys-
tem-Lebenswelt-Dichotomie und des Kolonialisierungsprozesses heraus zunächst nur schwer
vorstellbar, wie Lebensweltangehörige dennoch als kommunikative Akteure an den systemischen
Entscheidungsprozessen des politischen Systems teilhaben sollen.77 Dies gelingt nur wenn die
Bipolarität zwischen Lebenswelt und System, die in der ‚Theorie des kommunikativen Han-
delns‘ noch als beinahe unüberwindbar scheint, weitgehend zugunsten der Annahme eher
wechselseitiger Vermittlungsprozesse zwischen kommunikativer und administrativer oder
ökonomischer Macht aufgelöst wird.
Nicht nur die Entkopplungs- und Kolonialisierungsthese erfahren im Zuge dieser argu-
mentativen Verschiebung eine Modifikation, sondern auch die zugrunde liegenden diskurs-
theoretischen Annahmen müssen angepasst werden. Komplexe moderne Gesellschaften
benötigen – neben den beschriebenen systemischen Mechanismen der Kommunikationsentlas-
tung – Verfahren, welche die pragmatische Umsetzung des Ideals „kommunikativ verflüssigter
Souveränität“78 zu leisten vermögen. Aus der Perspektive eines partizipatorisch und emanzipa-
torisch inspirierten diskursiven Demokratiebegriffs fällt Öffentlichkeit damit die Rolle einer
zentralen Instanz zu, indem sie zum Grundstein eines deliberativen Politikverständnisses wird,
das die Legitimation politischer Handlungsvorschläge von der rationalen Zustimmung der
Betroffenen abhängig macht und sie als Produkt ihrer Diskurse sieht. Vor dem Hintergrund
diskurstheoretischer Annahmen bezeichnet Öffentlichkeit den „Inbegriff derjenigen Kommu-
nikationsbedingungen, unter denen eine diskursive Meinungs- und Willensbildung eines
Publikums von Staatsbürgern zustande kommen kann“ und markiert daher einen zentralen
„Grundbegriff einer normativ angelegten Demokratietheorie“, wie Habermas betont.79 Dabei
darf den deliberativ-diskursiven Öffentlichkeitsstrukturen aber nicht idealistisch die Last
aufgebürdet werden, allein für Integration und Steuerung komplexer Gesellschaften zuständig
zu sein. Eine solche holistische Annahme wäre angesichts der Ausdifferenzierung von System
und Lebenswelt nicht begründbar. Ein Vergesellschaftungsmodell rein auf der Basis diskursi-
ver Kommunikationsabläufe ist kaum konzipierbar, da die entsprechenden Informations- und
Entscheidungskosten für alle Beteiligten zu hoch wären.80
Die deliberative Demokratietheorie reagiert darauf, indem sie Öffentlichkeit in ein Modell
integriert, das den institutionalisierten Routinemodus einer systemisch hergestellten Öffent-
lichkeit beschreibt, die allerdings auf die Vitalität darüber hinaus reichender diskursiver Struk-
turen legitimatorisch angewiesen ist. Dieses Modell ist in seinen wesentlichen Grundzügen
prozeduralistisch ausgelegt; es setzt darauf, dass durch die Einrichtung bestimmter Verfahren
das übergeordnete Ziel der Vernünftigkeit politischer Entscheidungen gewährleistet wird.81
Dieser Prozeduralismus vermag Diskurse der Macht und ihre impliziten Themenkataloge zu
entzaubern, indem er den diskursethischen Grundsatz demokratietheoretisch auflädt.82
„Das Diskursprinzip macht allgemein die Gültigkeit jeder Art von Handlungsnormen abhängig von der Zu-
stimmung derer, die als Betroffene, an rationalen Diskursen‘ teilnehmen.“83
Ausgehend von einem solchen Verständnis kann Demokratie nicht auf die statische Fest-
schreibung eines normativen Wertekonsenses reduziert werden, sondern muss sich und die ihr
zugrundeliegenden Normen permanent bestätigen oder revidieren. Einzig die Verfahren, die
die möglichst große Rationalität der kommunikativen Auseinandersetzungen gewährleisten
können, vermag die Diskurstheorie an diesen Befund anknüpfend zu beschreiben, nicht aber
bereits vermeintlich richtige Ergebnisse. Diese ergeben sich als a posteriori-Gemeinwohl
immer erst am Ende eines Diskurses.
Das deliberative Öffentlichkeitsmodell setzt damit trotz seines dezidierten Formalismus
normative Standards84, die sich vorwiegend auf die Form öffentlicher Kommunikation bezie-
hen. Über die alltagssprachliche Verankerung in lebensweltlichen Strukturen ist Öffentlichkeit
an das Grundmuster kommunikativer Rationalität gebunden. Die normativen Konsequenzen
eines solchen diskursiven Öffentlichkeitsbegriffs lassen sich in Bezug auf die Öffentlichkeits-
funktionen der Transparenz, der Validierung und der Orientierung zeigen:85
(1) Die Transparenzfunktion beschreibt die weitgehende Offenheit der öffentlichen Kommuni-
kationssphäre zumindest für relevante Themen, je nach Öffentlichkeitsbegriff aber auch
für eine wachsende Zahl von Akteuren. Das Modell diskursiver Öffentlichkeit fordert Of-
fenheit für alle gesellschaftlichen Gruppen sowie für Themen und Meinungen unter-
schiedlichsten Ursprungs. Öffentlichkeit ist demnach nicht nur der Repräsentation der
verschiedenen Akteursmeinungen verpflichtet, sie soll in einem weitergehenden Sinn auch
die Partizipation zivilgesellschaftlicher Akteure am öffentlichen Räsonnement ermögli-
chen. Auf diese Weise erlangt das Publikum (zumindest mittelbar) selbst Akteurstatus.
(2) Die Validierungsfunktion beschreibt die Aufgabe der Öffentlichkeit, verschiedene auch
konträre Standpunkte nebeneinander zuzulassen und einer Prüfung zu unterziehen. In der
diskursiven Öffentlichkeit werden an die öffentlichen Äußerungen normative Maßstäbe
angelegt, die auf Basis diskurstheoretischer Annahmen den Grad ihrer Rationalität betref-
fen: Sie sollen einen diskursiven Charakter haben, der sich durch den Gebrauch von Be-
gründungen, durch das respektvolle und diskursive Beziehen auf die Äußerungen anderer
Sprecher und durch eine angemessene Komplexität der Aussage ausdrückt. Die Akteure in
der Öffentlichkeit sollen dazu bereit sein, unter dem zwanglosen Zwang des besseren Ar-
guments ihre Position auch zu ändern.
dernen Bedingungen raschen gesellschaftlichen Wandels, der alles objektiv ‚Gegebene‘ und damit letzte Gewiß-
heiten über Normen verflüssigt, können nicht mehr Normen unmittelbar, sondern nur noch die formalen oder
prozeduralen Prämissen der je neuen Verständigung und Konsensbildung über Normen auf Dauer gestellt und
selber normativ ausgezeichnet werden.“ Der Prozeduralismus der Diskurstheorie, die gesellschaftliche Wertere-
gulierung in Diskursen verankert, denen sie lediglich einen formalen Rahmen zu geben vermag, ist gerade in
seinem radikalen Verzicht auf substantielle Normen als ‚kritisch‘ zu betrachten, da er jeder Festschreibung in-
haltlicher Verhaltensregeln zugunsten derer demokratischer Regelung entsagt. In traditionalen oder metaphysi-
schen ‚Begründungen‘ normativer Strukturen überlieferte Sittlichkeit verliert dadurch ihre Geltungsgrundlage.
83 Habermas 1992, S. 196
84 Diese sind in der Diskurstheorie wiederum nur in formale Begründungszusammenhänge eingespannt, da
Habermas sich dezidiert von der Geltungskraft einer tradierten Sittlichkeit zur Normbegründung verabschiedet
hat und stattdessen Gründe für Normierungen in weiteren Erörterungen der bereits skizzierten sprachpragma-
tischen Annahmen fundiert (vgl. Habermas 19997 [1983]; 1991).
85 Vgl. Gerhards/Neidhardt/Rucht 1998, S. 35ff.; auch Neidhardt 1994b, S. 8f.. Peters (1994, S. 51ff.) nennt
Gleichheit, Offenheit und Diskursivität als die zentralen normativen Parameter von Öffentlichkeit.
322 VI Diskursive Öffentlichkeit – diskursiver Journalismus
(3) Die Orientierungsfunktion bezieht sich darauf, dass das Ergebnis öffentlicher Prozesse
Mehrheitsmeinungen oder Konsense sind, die für die Gesellschaft orientierenden Charak-
ter haben können. In einer diskursiv verstandenen Öffentlichkeit liegt das Ziel öffentlicher
Kommunikation in der Herausbildung eines Konsenses oder zumindest einer rational be-
gründeten Mehrheitsmeinung. Politische Entscheidungen sollen in öffentlichen Diskursen
ihre Legitimation auch kommunikativ von Seiten lebensweltlich verankerter Akteure erhal-
ten und so der reinen Zweckrationalität der Entscheidungssysteme entrissen werden. Eine
diskursiv verstandene Öffentlichkeit konstituiert öffentliche Meinungen, die vom Publi-
kum als überzeugend wahrgenommen werden und so politische Autorität auf der Basis
kommunikativ erzeugter Macht erlangen können.86
Entscheidend für eine deliberative Demokratietheorie ist die Frage nach den Merkmalen,
Leistungen und normativen Bewertungen, aus denen sich eine solche deliberative Öffentlich-
keit speist, die eine entsprechende Politik überhaupt erst möglich macht. Peters nennt in
diesem Zusammenhang als Merkmale die Gleichheit der Teilnahmebedingungen und Artikulati-
onsmöglichkeiten und ihren grundsätzlichen Bezug auf reziproke Argumentativität in den
Beiträgen.87 Dadurch erbringt eine deliberative Öffentlichkeit die Leistung der Rationalitätsstei-
gerung; diese bezieht sich vor allem auf den öffentlichen Argumentationshaushalt und damit
auch auf eine ‚Selbstaufklärung der Beteiligten‘. Die positive normative Bewertung dieser Merkma-
le und Leistungen, die deliberative Demokratietheorien vornehmen, beruht entweder prinzi-
piell auf der Wertschätzung rationaler Argumentationsverfahren oder aber auf der Erwartung
eines rationaleren Outputs bzw. einer höheren Stabilität des politischen Prozesses durch eine
bestimmte Form der Partizipation.
Öffentliche Diskurse, so ist empirisch begründet zu behaupten, genügen in ausdifferenzier-
ten und massenmedial geprägten Gesellschaften aufgrund der notwendigen symbolischen
Kondensation und Komplexitätsreduktion nicht zwangsläufig den hohen Rationalitätsanforde-
rungen eines herrschaftsfreien Diskursmodells: In einer quantitativen Dimension wird dies
deutlich, weil nicht alle potenziell Betroffenen (gleichermaßen ausführlich) zu Wort kommen
können; qualitativ betrachtet wird es zudem schwieriger, innerhalb dieser repräsentativen
Verfahren die abstrakten und anspruchsvollen Normen der Diskurstheorie aufrechtzuerhal-
ten.88 Dieses allerdings der Theorie zum Vorwurf zu machen, hieße, ihren rekonstruktiven
86 Liberale Öffentlichkeitsmodelle dagegen stehen zum einen Autopoiesis-Konzepten der Systemtheorie, zum anderen
liberalen Demokratietheorien nahe (vgl. Gerhards/Neidhardt/Rucht 1998, S. 28). Im Kern beziehen sie sich
auf ein Marktverständnis öffentlicher Kommunikation, dem das Prinzip eines freien Gedanken- und Meinungs-
austauschs in der öffentlichen Arena zugrunde liegt. Die zentrale Anforderung an Öffentlichkeit ist aus dieser
theoretischen Sicht ihre Zugangsoffenheit. Dabei basieren sie auf folgenden Grundannahmen, zu den oben skiz-
zierten drei Funktionen von Öffentlichkeit (vgl. zum Folgenden ebd., S. 29ff.; siehe auch: Gerhards 1997):
• Transparenz: Im Sinne demokratischer Repräsentation müssen alle Positionen zu normativen, auf das Ge-
meinwohl bezogenen Fragen öffentlich transparent gemacht werden. Die Vielfalt der Meinungen soll in
größtmöglicher Breite und Vollständigkeit wieder zu finden sein.
• Validierung: Das „Wie“ der öffentlichen Äußerungen spielt in liberalen Modellen keine Rolle. Einzig das
Gebot des wechselseitigen Respekts der Kommunikationsteilnehmer normiert deren Spielraum.
• Orientierung: Die Öffentlichkeit erfüllt in der Regel eine Informationsfunktion für die Bürger. Eine Ver-
pflichtung von Öffentlichkeit auf Konsens wird in manchen liberalen Modellierungen als dysfunktional
angesehen, weil die Gefahr besteht, dass Wertkonflikte ergebnislos diskutiert werden und im Gegenzug
für die pragmatische Lösung kompromissfähiger Fragen kaum Ressourcen bleiben.
87 Vgl. Peters 2001, S. 656f.
88 Vgl. Franz 2000, S. 10f.
1 Grundlagen einer diskursiv verstandenen Öffentlichkeit 323
Charakter zu verkennen.89 Habermas hält daher mit guten Gründen an den Prämissen der
Diskurstheorie grundsätzlich fest, betont aber deren prozeduralistischen Charakter, indem er
ein normativ reduziertes Modell deliberativer Öffentlichkeit vor der Folie eines Konzepts
deliberativer Politik entwickelt, das die doppelte Zugänglichkeit der Öffentlichkeit von syste-
mischer wie lebensweltlicher Seite beschreibt und damit nicht von einer nur rein kommunika-
tiv zu leistenden öffentlichen Vergesellschaftung ausgeht. Dieses Modell trägt sowohl dem
systemübergreifenden Charakter von Öffentlichkeit Rechnung als auch der gesellschaftlichen
Differenzierung zwischen systemischen und lebensweltlichen Vergesellschaftungsmodi.
Ein deliberatives Politikverständnis verbindet die republikanische Betonung des öffentli-
chen Meinungs- und Willensbildungsprozesses mit dem liberalen Verständnis einer rechtsstaat-
lichen Verfassung des Gemeinwesens und begreift letztere als den adäquaten Weg, die Bedin-
gung des ersteren zu gewährleisten und im Sinne erhöhter kommunikativer Rationalität zu
optimieren.90 Vernünftige politische Entscheidungen sind somit in erster Linie nicht von einer
handlungsfähigen und vernunftbereiten Bürgerschaft abhängig, sondern „von der Institutiona-
lisierung von Verfahren und Kommunikationsvoraussetzungen sowie vom Zusammenspiel der
institutionalisierten Beratungen mit informell gebildeten öffentlichen Meinungen“.91 Delibera-
tive Politik gewinnt ihre Legitimation durch die Erwartung, dass das diskursive Niveau der
öffentlichen Debatten vernünftige Ergebnisse produziert. Die demokratietheoretische Inter-
pretation der Diskurstheorie geht somit von einer „höherstufigen Intersubjektivität“ von
Verständigungsprozessen aus, die sich sowohl in institutionalisierten demokratischen Verfah-
ren als auch in den Meinungsbildungsprozessen informeller Öffentlichkeiten abbildet.92 In
einem solchen theoretischen Design sind auch Kompromisse und verhandlungsbasierte
Interessenausgleichsverfahren abbildbar, denn obwohl diese selbst nicht der Diskursrationalität
verständigungsorientierter Kommunikation genügen, ist ihre Fairness an Verfahren und
Voraussetzungen zu messen, die ihrerseits unter dem normativen Gesichtspunkt der Gerech-
tigkeit begründet werden müssen.93
89 Es hat daher wenig Sinn, das Öffentlichkeitsmodell vermeintlich zu entschlacken und zum Beispiel auf eine
„Vereinbarungswelt“ (Nullmeier 1995, S. 106) zuzuschneiden. Die Loslösung von kommunikativer Vernunft
führt vor allem dazu, dass die einzelnen Teilnehmer ethisch überlastet werden durch hohe Anforderungen an
ihre ‚Tugendhaftigkeit‘ und durch die illusorische Erwartung einer permanenten Vergesellschaftung.
90 Habermas (1992; 1996) entwickelt dieses Konzept in Auseinandersetzung mit liberalen Demokratiemodellen,
die den Rechtsstaatsgedanken betonen, und republikanischen Demokratiemodellen, die ihren Schwerpunkt auf
Volkssouveränität legen. Das deliberative Modell beschreibt einen Mittelweg, der zwar normativ anspruchsvol-
ler ist als das liberale Modell, aber nicht den ethischen Idealisierungen des republikanischen Modells folgt: „Die
Diskurstheorie nimmt Elemente von beiden Seiten auf und integriert sie im Begriff einer idealen Prozedur für
Beratung und Beschlussfassung. Dieses demokratische Verfahren stellt einen internen Zusammenhang zwi-
schen pragmatischen Überlegungen, Kompromissen, Selbstverständigungs- und Gerechtigkeitsdiskursen her
und begründet die Vermutung, daß unter Bedingungen eines problembezogenen Kommunikationsflusses und
sachgerechter Informationsverarbeitung vernünftige bzw. faire Ergebnisse erzielt werden. Nach dieser Vorstel-
lung zieht sich die praktische Vernunft aus den Menschenrechten oder aus der konkreten Sittlichkeit einer be-
stimmten Gemeinschaft in jene Diskursregeln und Argumentationsformen zurück, die ihren normativen Gehalt
der Geltungsbasis verständigungsorientierten Handelns, letztlich der Struktur sprachlicher Kommunikation und
der nichtsubstituierbaren Ordnung kommunikativer Vergesellschaftung entlehnen.“ (Habermas 1992, S. 359f.)
91 Habermas 1992, S. 362
92 Ebd., S. 362
93 Vgl. Habermas 1996, S. 284. Für Fragen des Interessenausgleichs, so räumt Habermas (1985b, S. 243) selbst
ein, mache es keinen Sinn, auf den Diskurs zurückzugreifen, sondern es müssten Verfahren der Vereinbarung
und des Kompromisses gelten. Diese Differenzierung wird von Kritikern nicht hinreichend gewürdigt, die das
Diskursmodell aufgrund vermeintlicher Interessenblindheit kritisieren (vgl. z.B. Hug 1997, S. 263ff.).
324 VI Diskursive Öffentlichkeit – diskursiver Journalismus
Eine Diskurstheorie der Öffentlichkeit sollte daher in ihrer normativen Orientierung vorwie-
gend die Kommunikativität journalistischen Handelns als zu bewahrenden Maßstab anspre-
chen, während die Massenmedien als die Infrastruktur zu betrachten sind, die dieses Handeln
zugleich ermöglicht und beschränkt.98 Angesichts des zentralen Charakters von Öffentlichkeit
sowohl in einem engeren demokratietheoretischen Sinne für die politische Übereinkunft in
einem Staatswesen als auch in einem weiteren soziologischen Sinne für die Integration von
Gesellschaft durch partielle Entdifferenzierung ist ein umso schärferer Blick auf die zentrale
Akteursgruppe der Öffentlichkeit, die Journalisten, beinahe zwangsläufig geboten. In den
Ausführungen von Habermas kommen diese aufgrund des anders gelagerten Erkenntnisinte-
resses nur am Rande vor. Dabei sind Journalisten bis heute die Berufsgruppe, welche sui
generis in ihrem professionellen Handeln darauf verpflichtet ist, die Kommunikationssphäre
Öffentlichkeit aufrechtzuerhalten und weiterzuentwickeln.
Beispielhaft lässt sich die gesellschaftliche Relevanz journalistischen Handelns anhand seiner
Stellung im politischen Prozess verdeutlichen. Mit den darauf fokussierten Erörterungen soll
explizit nicht der Eindruck erweckt werden, Journalismus oder Öffentlichkeit beschränkten
sich auf politische Aufgaben; ihre Bandbreite ist erheblich weiter gefasst und potenziell unab-
geschlossen. Aber anhand dieses Beispiels lässt sich insbesondere die demokratische Relevanz
journalistischen Handelns vor allem für die Aufrechterhaltung entsprechender öffentlicher
Kommunikationsmöglichkeiten klar begründen. Es ist weitgehend Konsens, dass „Journalis-
mus […] aktuell die ausgewählten oder selbst generierten Themen für die politische Debatte“
bereitstellt und so dazu beiträgt, „[…] die Komplexität der gesellschaftlichen Systeme zu
reduzieren“.99 Auf diesen oder vergleichbaren Überlegungen gründen die Ansprüche delibera-
tiver Demokratiemodelle an Journalismus.
Die Fundierung normativer Anforderungen an das gesellschaftliche Zeitgespräch in den
skizzierten diskursethischen Annahmen intersubjektiver Kommunikation und in einem daran
anknüpfenden Modell deliberativer Politik hat Konsequenzen für das theoretische und das
praktische Verständnis der öffentlichen Sphäre und damit auch für das Verständnis des sie
gewährleistenden Journalismus. Während die Teilnahme an Öffentlichkeit unzweideutig mit
der Befolgung der diskutierten Diskursregeln und den aus ihnen abgeleiteten demokratietheo-
retischen Prämissen zusammenhängt, ist der scharfe Kontrast zwischen diesen vermeintlichen
Idealisierungen und dem Zustand öffentlicher Kommunikation in vielen modernen Gesell-
schaften nicht zu übersehen. Aber auch wenn das Modell deliberativer Öffentlichkeit sich
empirisch nicht entsprechend seiner Modellannahmen auffinden lässt, so beansprucht es doch
Gültigkeit als regulative Idee öffentlicher Kommunikation und als idealtypische Konstruktion,
an der empirische Beobachtungen abgeglichen werden können. Eine analytische Konkretisie-
rung von Öffentlichkeit ist ihre Verortung in einem Prozess-Modell politischer Handlungsvoll-
züge, in dem die verschiedenen Akteursgruppen entlang einer Unterscheidung zwischen
Zentrum und Peripherie des politischen Systems sortiert werden. 100
• Das Zentrum des politischen Systems besteht dem zufolge im Kernbereich aus den formalen
Institutionen der Staatsgewalt und in einem weiteren Sinne aus den Institutionen mit
Selbstverwaltungsrechten oder staatlich delegierten Kontroll- und Hoheitsfunktionen.
Die das Zentrum umgebende Peripherie des politischen Systems differenziert sich in eine
Input- und eine Output-Peripherie:
• Die Output-Seite der Peripherie konstituiert sich aus jenen (vorwiegend klassisch korporatisti-
schen) Spitzenverbänden, mit denen sich das Zentrum bei der Durchsetzung seiner politi-
schen Vorhaben auseinandersetzen muss und die bisweilen genügend soziale und kom-
99 Rager/Rinsdorf 2002a, S. 48
100 Vgl. zum Folgenden: Habermas 1992, S. 430ff.; siehe auch Peters 1993, S. 322ff.
326 VI Diskursive Öffentlichkeit – diskursiver Journalismus
munikative Macht auf sich vereinen, um die Durchsetzung eines politischen Programms
zu beeinflussen oder auch zu verhindern.
• Die Input-Seite der Peripherie hingegen besteht aus den zivilgesellschaftlichen Akteursgrup-
pen, die (nur) versuchen können, Interessen und Themen zu definieren und in den politi-
schen Kreislauf einzuspeisen. Dazu sind ressourcenschwache partikulare Interessenvertre-
tungen ebenso zu zählen wie Gruppen, die Kollektivgüter-Interessen vertreten.101
Diese Input-Seite der Peripherie, die ihren Einfluss vorwiegend durch die Entfaltung kommu-
nikativer Macht geltend machen kann, trägt durch Thematisierungs- und Meinungsbildungs-
leistungen zur Konstituierung lebensweltlicher Öffentlichkeit bei.102 Daraus ergibt sich
„[…] das Bild eines Prozeßmodells öffentlicher Regulierung, in dem die Mechanismen und Wirkungsweisen
einer deliberativen Demokratie von den Voraussetzungen zehren, daß zum einen sich der politisch-
administrative Komplex, aus legitimations- sowie rationalitätsbedingten Notwendigkeiten, als hinreichend
durchlässig für externe, lebensweltliche Anstöße erweist und zum zweiten, dass sich eine ‚Öffentlichkeit‘ kraft
zivilgesellschaftlicher Strukturen zu konstituieren vermag, die nicht vom politischen System zu Legitimations-
zwecken ausgehalten werden kann […].“103
dezentrale Organisation, die der Artikulation von Positionen in Abhängigkeit von Ressourcen
ein allgemein zugängliches Forum bietet“107; insbesondere einem mediengestützten, kommuni-
kativen und diskursiven Journalismus kommt in ihrem Rahmen die Rolle eines institutionali-
sierten Transmissionsriemens zwischen Öffentlichkeit und politischen Institutionen, zwischen
informellen lebensweltlichen Gesprächen und formal organisierten Kommunikationsprozessen
zu.108 Journalismus, als zentrale Institution der Herstellung von Öffentlichkeit, wird in moder-
nen Gesellschaften empirisch mehrheitlich von Systemseite aus eingespannt. Aus der Perspek-
tive eines vermittelnden Verlautbarungsjournalismus ergibt sich daraus zunächst kein Problem,
erscheint doch lediglich ein bestimmtes gesellschaftliches Segment aktiver als andere. Haber-
mas konfrontiert Journalismus allerdings mit normativen Postulaten, die aus dem deliberativen
Charakter von Öffentlichkeit erwachsen. Er weist Journalisten eine Rolle zu, die in Teilen über
die eines Mediators hinausgeht: Sie sollen als Kommentatoren öffentlicher Vorgänge selbst in
die Rolle von Kommunikatoren, von Sprechern in öffentlichen Arenen, schlüpfen.109 Auch die
regulative Idee journalistischer Tätigkeit, die Habermas aus Berufskodizes deduziert, geht von
einem erweiterten Journalismusverständnis aus, das sich deutlich auf die früheren Annahmen
zur publizistischen Tätigkeit in ‚Strukturwandel der Öffentlichkeit‘ bezieht – wenn auch in
einem modifizierten, den Bedingungen moderner Medienkommunikation angepassten Sinn.
Ein sich auch der eigenständigen Kommunikativität und Recherche verpflichtet fühlender
Journalismus hat außerdem darauf zu achten, dass auch lebensweltliche Peripherieinteressen
gesellschaftlich ausreichend Gehör finden. Er fungiert als Anwalt gesellschaftlicher Diskurse
und mithin als ein Korrektiv in Fällen ungleicher Verteilung kommunikativer Artikulations-
chancen in der Öffentlichkeit.110 Einem diskursiven Journalismus kommt es weniger darauf an,
die Vertreter unterschiedlicher Positionen in der Öffentlichkeit proportional zu repräsentieren,
sondern darauf, den „Austausch von Argumenten mit dem Ziel rationaler Problemlösung“
auch durch journalistisches Handeln zu befördern.111 Das bedeutet, dass alle relevanten Positi-
onen gleichermaßen zu beachten sind – nicht in erster Linie gemäß der Häufigkeit oder Laut-
stärke ihrer Artikulation, sondern vor allem auch hinsichtlich der Qualität ihrer Begründungen.
Weil letztlich der Zwang zur Begründung auch von den mächtigsten Akteuren nicht vollstän-
dig außer Kraft gesetzt werden kann, ist eine vollständige Kolonialisierung von Öffentlichkeit
nicht möglich – und kann durch einen kommunikativ kompetenten Journalismus zusätzlich
erschwert werden: Schließlich können die Eliten die Ressourcen der Öffentlichkeit allenfalls
„[…] zu monopolisieren suchen, ohne die Logik des Feldes kontrollieren zu können“.112
Habermas fordert – mit Blick auf die Massenmedien, aber im Rahmen der Terminologie
der vorliegenden Studie müssten diese Forderungen eher an den Journalismus gestellt werden,
da sie als Funktion eines systemischen Rahmens kaum umsetzbar scheinen – Anwälte eines
aufgeklärten Publikums, die in der Selektion unparteilich vorgehen und in der Bearbeitung
ihrer Themen die Geltungs- und Legitimationsansprüche des von ihnen zur Vermittlung
Aufgegriffenen kritisieren.113 Damit bindet er journalistische Leistungen zurück an eine advo-
Somit kann auch Journalismus jenseits der reflexiven Vermittlung des gesellschaftlichen
Gesprächs in besonderen Situationen zu einem Instrument der lebensweltlichen Belagerung
des politisch-administrativen Systems werden, um auf diese Weise soziale und solidarische
Aspekte von Gesellschaftlichkeit zu vertreten.118
Die Begrenzung der Einflussmöglichkeiten kommunikativ erzeugter Macht, d.h. der Macht
spontaner nicht-institutionalisierter und nicht-vermachteter Öffentlichkeit, auf eine weitgehend
passive Rolle, die nur in Ausnahmesituationen aktiviert wird, ist einer der Hauptgegenstände
der republikanisch motivierten Kritik an diesem Öffentlichkeitsmodell. Es gebe vorschnell eine
partizipatorische Interpretation preis, indem es der nicht-vermachteten Öffentlichkeit zwar
einen konstitutiven Anteil an der gesellschaftlichen Meinungsbildung zuschreibe, ihr aber
gleichzeitig jede ‚wirkliche‘ Beteiligung an gesellschaftlich verbindlicher Entscheidungsfindung
konzeptionell versage.119 Kritisiert wird die Vorstellung, dass die politisch sich vollziehende
Willensbildung zur Gänze innerhalb des institutionellen Kerns des politischen Systems, vor
allem in den parlamentarischen Körperschaften, stattfinde, während die Peripherie-Akteure
und die durch sie konstituierten nicht-vermachteten Öffentlichkeitsstrukturen lediglich an einer
zwar notwendigen, aber nicht hinreichenden Meinungsbildung partizipierten.120
Habermas rechtfertigt den Unterschied zwischen diesen beiden Gleisen deliberativer Poli-
tik ausdrücklich121 und identifiziert das manifeste politische Handeln der Policy-Umsetzung in
politische Verfahrensrichtlinien und Gesetze mit den Handlungen des politischen Systems,
während zivilgesellschaftliche Öffentlichkeitsakteure an den der Entscheidung vor- und
nachgelagerten Diskursen und Aushandlungsprozessen partizipieren. Journalismustheoretisch
entspricht dies der Selbstverständlichkeit, dass Journalismus als öffentliche Instanz keine
eigenständige politische Kapazität hat, sondern vielmehr das Vorfeld politischer Entscheidun-
gen bestellt und als kommunikativer Transmissionsriemen zwischen Politik und Gesellschaft
fungiert. Und auch demokratietheoretisch ist eine solche Sichtweise der ‚realistischen‘ Wen-
dung des deliberativen Politikverständnisses angemessen, der zufolge nur das politische System
‚handeln‘ könne:
„Es ist ein auf kollektiv bindende Entscheidungen spezialisiertes Teilsystem, während die Kommunikations-
strukturen der Öffentlichkeit ein weitgespanntes Netz von Sensoren bilden, die auf den Druck gesamtgesell-
schaftlicher Problemlagen reagieren und einflußreiche Meinungen stimulieren. Die nach demokratischen Ver-
fahren zu kommunikativer Macht verarbeitete öffentliche Meinung kann nicht selber ‚herrschen‘, sondern nur
den Gebrauch der administrativen Macht in bestimmte Kanäle lenken.“122
Allerdings bleibt in der Konzeption von Habermas die Frage offen, auf welcher Ebene es der
informellen öffentlichen Meinung gelingen soll, den Gebrauch der administrativen Macht
tatsächlich entscheidend zu lenken und so über kommunikatives Handeln Einfluss und Macht
zu entfalten. Zwar wird die zentrale Bedeutung der Kommunikationsflüsse zwischen Öffent-
118 Dass ein Ausnutzen dieser Belagerungsoption dabei aus politischen wie ökonomischen Motiven strategisch
möglich ist, steht dabei außer Frage.
119 So zum Beispiel: Scheyli 2000; Heming 1997; Schmalz-Bruns 1995; Nullmeier 1995.
120 Vgl. Scheyli 2000, S. 85; Thumfart/Waschkuhn 1995, S. 205f.
121 Vgl. dazu ausführlich Scheyli 2000.
122 Habermas 1996, S. 290
330 VI Diskursive Öffentlichkeit – diskursiver Journalismus
lichkeit und politischem Kernbereich betont123, aber zugleich werden kaum institutionelle
Mechanismen benannt, durch die sich der demokratiekonstitutive Austausch auch im Routi-
nemodus vollziehen und dadurch Stabilität und Partizipation sichern kann.124
Die an anderer Stelle in Bezug auf Diskurse erwähnte Figur der institutionellen Vorkehrung
zieht Habermas dazu offensichtlich nicht in Betracht. Zwar verweist er darauf, dass sich
dialogische und instrumentelle Politik in Deliberation verschränken können, wenn die entspre-
chenden Verfahren institutionalisiert worden sind125, aber er beschreibt lediglich die Vorgänge
des Durchdringens zivilgesellschaftlicher Thematisierungsbemühungen in den Kernbereich des
politischen Systems für den seltenen Fall des außerordentlichen Politikverarbeitungsmodus in
krisenhaften Situationen. Der Routinemodus scheint weitgehend ohne den konkreten Input
der Öffentlichkeit auszukommen. In dem Konzept bleiben die alltäglichen Leistungen des
Journalismus und der Medien in der Öffentlichkeit weitgehend eine Leerstelle, weil zunächst
lediglich dem Recht der „Status einer systemisch-lebensweltlichen Transferstelle“126 zugewie-
sen wird. Diese Entscheidung kann als „juridische Politikverkürzung“ kritisiert werden, weil sie
nicht diejenigen Themen und Meinungen zu erfassen vermag, die in den subpolitischen Berei-
chen zivilgesellschaftlicher Arenen verbleiben, und daher ohne Chance sind, an das politische
System herangetragen zu werden.127 Vor allem die Entscheidung, das Recht als den Kanal und
Mechanismus auszuzeichnen, der die diskursive Meinungsbildung mit der institutionalisierten
Willensbildung koppelt, resultiert in einem defensiven Verständnis von Öffentlichkeit, das
tendenziell im Widerspruch zu dem Anspruch steht, Öffentlichkeit als Zentralkategorie einer
deliberativen Demokratie zu begreifen.128
In der zweigleisigen Öffentlichkeitskonzeption von Habermas tragen die zivilgesellschaftli-
chen Akteure aufgrund des konzeptuellen Fehlens von stabilen Institutionen, die die Ergebnis-
se ihrer spontanen Verständigungsprozesse an die politischen Entscheidungsinstanzen vermit-
teln, eine schwer zu bürdende Last. Es fehlt ausgerechnet an diesem neuralgischen Punkt eines
als prozeduralistisch konzipierten Öffentlichkeits- und Demokratiemodells bereits in der
theoretischen Konzeption die Benennung derjenigen Prozeduren, die das für das Gesamtmo-
dell zentrale Austauschverhältnis zwischen informellen Meinungs- und institutionalisierten
Willensbildungsprozessen gewährleisten können.129 Um diese zu entwickeln, müsste man die
von Schmalz-Bruns kritisierte Modellierung „einer intransigenten politisch-administrativen
Entscheidungspraxis“130, die aus der System-Lebenswelt-Dichotomie heraus folgt, weiter
abschwächen und der Lebenswelt entgegenkommende aktivierbare Demokratisierungspotenzi-
ale auch auf Seiten des institutionalisierten Teils des politischen Systems suchen. Gleiches gilt
analog für andere Lebenswelt-System-Austauschprozesse.
Einen diesbezüglich viel versprechenden Vorschlag machen Cohen und Arato in ihrer Zi-
vilgesellschafts-Theorie:131 Sie bekräftigen die zivilgesellschaftliche Aufgabe, abgestufte Ver-
bindungen zu den ausdifferenzierten Systemen zu unterhalten und durch diese Vermittlung
den Einfluss der Lebenswelt auf die zweckrationalen Gesellschaftsbereiche aufrecht zu erhal-
ten, ohne damit einer dysfunktionalen Entdifferenzierung Vorschub zu leisten. Sie sehen den
Einfluss der zivilgesellschaftlichen Akteure daher weniger direkt auf die Systeme, als vielmehr
auf eine jeweilige so genannte ‚politische‘ und eine ‚ökonomische Gesellschaft‘, die als kom-
munikationsoffene Vorhöfe das entsprechende System umgeben. Es ist nicht zu erwarten –
und aus dem Blickwinkel der funktionalen Modernisierung der Gesellschaft auch gar nicht
wünschenswert –, dass einmal vollzogene Differenzierungsprozesse rückgängig zu machen
sind. Allerdings verweist die von Cohen und Arato angenommene Existenz politischer und
ökonomischer Gesellschaften, die in Teilbereichen mancher Institutionen des intermediären
Sektors zu finden sind, auf eine Möglichkeit für lebensweltliche Akteure, in bestimmten
Situationen ihre eigenen Anliegen an die ausdifferenzierten Systeme herantragen zu können.
Der Öffentlichkeit kommt auch hier die Aufgabe zu, zwischen Zivilgesellschaft und den
jeweiligen ‚Gesellschaften‘ zu vermitteln.132 Dazu ist es notwendig, in den systemischen Um-
welten Strukturen und Institutionen zu schaffen, die sensibel sind für die Probleme der Zivil-
gesellschaft.133 Das Modell von politischer und ökonomischer Gesellschaft eröffnet so die
Möglichkeit, den Einfluss kommunikativer Macht über den Modus der Belagerung hinaus auch
in Formen konstruktiverer und stabilerer Austauschbeziehungen zwischen Zivilgesellschaft
und systemischen Gesellschaftsvorhöfen zu denken und zu konzipieren. Solche, die Systeme
umgebenden, kommunikativen Resonanzböden wären insbesondere durch aktive Zivilgesell-
schaftsakteure sowie durch einen diskursiven Journalismus aktivierbar. Journalismus selbst
wird im Rahmen dieser Vorstellung als eine institutionelle Vorkehrung gesellschaftlicher Diskurse
beschreibbar. Seine Vermittlungsleistungen zwischen Zivilgesellschaft auf der einen und
politischen oder ökonomischen Gesellschaften auf der anderen Seite können als eine konstitu-
tive Grundlage dafür verstanden werden, dass zwischen diesen unterschiedlichen Bereichen
kommunikativer Austausch und Diskurs überhaupt möglich werden.
Die Erweiterung um kommunikationsoffene politische und ökonomische Instanzen würde
in diesem Zusammenhang auch den Einwand abschwächen, dass es angesichts der systemi-
schen Austrocknung lebensweltlicher Strukturen nur schwer einzusehen ist, dass spontane
Assoziierung in der Zivilgesellschaft per se mit rationalen Entscheidungen konvergiert.134 Auch
wenn die ‚Bewirtschaftung des Pools an guten Gründen‘ für politische Entscheidungen biswei-
len die einzige Möglichkeit zivilgesellschaftlicher Akteure ist, um kommunikative Macht zu
entfalten, so kann doch nicht davon ausgegangen werden, dass es diskurstheoretisch geboten
ist, andere Öffentlichkeitsakteure von der gestaltenden Einflussnahme aus diesen Zusammen-
hang ausschließen zu können. Geht man von prinzipiell kommunikationsoffenen Systemzu-
sammenhängen aus, dann verbietet sich eine derart apodiktische Aussage gleichsam von selbst.
Es kann nur darum gehen, die diskursive Auseinandersetzung mit den lebensweltlichen Be-
gründungszusammenhängen ihrer strategischen Indienstnahme vorzuziehen. Jede andere, nicht
immanente Beschränkung würde gegen das Offenheitspostulat der Öffentlichkeit verstoßen.
Empirische Analysen scheinen allerdings zu belegen, dass bei zivilgesellschaftlichen Akteu-
ren keineswegs a priori von einer höheren Rationalität ihrer kommunikativen Einlassungen in
öffentlichen Diskursen ausgegangen werden kann.135 Dies ist nicht zuletzt auch dem Umstand
geschuldet, dass Zivilgesellschaftsakteure die öffentliche Aufmerksamkeitsschwelle mit drama-
tisierenden Überformungen des Sachverhalts erst strategisch überspringen müssen, weil ihnen
nur wenig Sensibilität von Seiten der Politik und des medial eingespannten Journalismus
entgegengebracht wird. Sie sind vermutlich oftmals gar nicht in der Lage, sich auf ihre Kom-
munikativität zu beziehen, da sie sich zunächst auf die Spielregeln der darstellungsorientierten
Öffentlichkeit einlassen müssen, wenn sie Gehör finden wollen. Empirische Befunde, die für
solche Situationen ein geringes Diskursniveau aufzeigen, können insofern auch als ein Beleg
dafür gelesen werden, dass Journalismus in seiner derzeitigen Form nur noch geringe Sensibili-
tät für die Belange der Peripherie besitzt und seine ihm eigene Kommunikativität aufgrund der
Imperative eines ‚news‘-orientierten Mediensystems kaum zur Geltung kommen kann. Peri-
pherieakteure werden entsprechend zu vorauseilendem Gehorsam genötigt, wenn sie dennoch
öffentlich wahrgenommen – und das heißt medial-journalistisch ‚behandelt‘ – werden wollen.
Daraus kann das normative Postulat gefolgert werden, dass Journalisten ihre alltagssprachliche
Rationalität auch im beruflichen Handeln wach halten müssen. Und für den ‚Routine-Modus‘
gilt: Die Leistung der Meinungsbildung nicht-vermachteter Öffentlichkeitsstrukturen besteht in
der „diskursiven Schaffung eines (alltags-)argumentativen Raumes akzeptierbarer moralischer
Deutungen, […] auf die politisches Handeln rekurriert, um sich zu legitimieren“.136
Das flexiblere und differenziertere Modell deliberativer Öffentlichkeit markiert eine ent-
scheidende und fällige Revision im Vergleich zu früheren Ausführungen, die noch von einer
einseitigen Vermachtung (Kolonialisierung) des öffentlichen Raumes durch Akteure mit großer
administrativer oder sozialer Macht ausgingen. Dadurch dass Öffentlichkeit ein ambivalentes
Potenzial attestiert wird, ist die Möglichkeit eines aufklärerischen und diskursiven Wirkens
darstellbar. Öffentlichkeit wird nicht nur deskriptiv als ein kommunikativer Raum oder eine
Sphäre quer zur gesellschaftlichen Differenzierung konzipiert, sondern ihr werden gleicherma-
ßen auch emanzipatorische Aufgaben zugeschrieben. Anknüpfend daran wäre es allerdings nur
konsequent, wenn die beiden Konzepte vermachteter und nicht-vermachteter Öffentlichkeit
nicht nur lose miteinander verbunden wären, sondern bereits in der Modellierung verschie-
denste Mischungs- und Durchdringungsverhältnisse der beiden Modi berücksichtigen würden.
Es ist daher lohnenswert, nach schwächeren, aber kommunikativ fundierten institutionellen
Vorkehrungen für die Austauschprozesse zwischen dem politischen Systemkernbereich und
den peripheren Öffentlichkeitsakteuren aus zivilgesellschaftlichen Zusammenhängen zu
suchen, die nicht den Charakter von Öffentlichkeit als kommunikativen und diskursiven
Entdeckungszusammenhang gefährden.137 Hier kommt ein kommunikativ verstandener
Journalismus ins Spiel, der in lebensweltlicher Rationalität verankert und sensibel für die
Probleme zivilgesellschaftlicher Peripherie geblieben ist. Er kann als die Institutionalisierungs-
chance kommunikativer Vernunft in einem politischen Prozess verstandenen werden, der
ansonsten weitgehend durch Macht- und Profitkategorien überformt worden ist. Ein zwischen
verschiedenen Ausgangspartnern im Sinne Groths vermittelnder Journalismus, der sich nicht
135 Vgl. Gerhards/Neidhardt/Rucht 1998, S. 186f. Allerdings betrifft diese Beobachtung das Diskursverhalten in
einer hoch emotionalisierten Debatte über den Abtreibungsparagraphen § 218. Die Autoren gelangen zu dem
Fazit, dass die zivilgesellschaftlichen Akteure bezüglich des Diskursniveaus ihrer Äußerungen „relativ schlecht“
abschneiden. Sie treten in der Öffentlichkeit dadurch hervor, dass sie vernachlässigte Themen oder Meinungen
durch einseitige Überspitzungen auf die Agenda des politischen Prozesses zu setzen versuchen.
136 Franz 2000, S. 43
137 Ein Beispiel wäre die von Nullmeier (1995, S. 92) vorgeschlagene Implementierung einer „diskursiven Ord-
nungspolitik“ für die Öffentlichkeit.
3 Journalismus in der medial geprägten Öffentlichkeit 333
nur als Relaisstation des politischen Diskurses, sondern mindestens als Katalysator begreift,
besitzt das Potenzial, lebensweltlichen Stimmen eine angemessen belastbare Chance auf Gehör
in der öffentlichen Deliberation zu geben. Allerdings ist ebenso offensichtlich, dass die Ge-
währleistung der Möglichkeit eines solchen Journalismus entsprechender Systembedingungen
ausdifferenzierter in der Regel ökonomisch determinierter Massenmedien bedarf. Ein ange-
messen diskursives öffentliches Zeitgespräch ist ohne einen entsprechend ausgestatteten
Journalismus nicht denkbar. Der Fokus liegt damit auf der prozeduralen Ausgestaltung öffent-
licher Kommunikationswege durch die direkte institutionelle Stärkung und Gestaltung der
vermittelnden Instanz. Beschreibbar wäre eine solche gesellschaftliche Instanz ‚Journalismus‘
aus der Makroperspektive zum Beispiel auch als ein soziales Feld, mithin als eine distinkte
Sinnprovinz, die von spezifischen, distinkten Charakteristika geprägt ist, zugleich aber nicht
eine Geschlossenheit besitzt, wie sie von der Systemtheorie unterstellt wird.138 Denn meist, so
Raabe zu Recht, „[…] erweisen sich die Grenzen des journalistischen Feldes als weniger
eindeutig, als es die Journalismustheorie oft glauben machen will“.139
Eine weitergehende, direkte Institutionalisierung von Diskurspartnern hingegen ist als
problematisch anzusehen: Jede Auflösung der atomistischen Struktur lebensweltlicher Öffent-
lichkeit in dauerhafte ‚Diskurs-Parteien‘ oder ‚Diskurs-Organisationen‘ würde trotz aller
stabilisierenden Auswirkungen auch eine Oligopolisierung nach sich ziehen, die den Kern einer
prozeduralisierten Volkssouveränität unweigerlich zerstören würde.140 Der Bereich lebenswelt-
lich öffentlicher Meinungsbildung entzieht sich weitgehend jeder Planung und Institutionalisie-
rung und beruht lediglich auf den vagen Prämissen einer entgegenkommenden politischen
(oder allgemeiner kommunikativen) Kultur, deren Vorhandensein institutionell nicht zu
gewährleisten ist.141 Andererseits kann es auch nicht darum gehen, dem Kernbereich des
politischen Systems seine unzweifelhafte Funktion der „Synthese der Meinungsbildung“142
theoretisch abzusprechen. Aufgrund ihrer Machtorientierung und der daraus resultierenden
Zweckrationalität ist Politik wohl auch nicht in der Lage, in jedem Fall und auf sich selbst
gestellt eine eigene kommunikativ begründete inhaltliche Legitimation ihrer Handlungen
beizubringen.143 Eine Berücksichtigung der institutionellen Absicherung kommunikativer
Austauschprozesse könnte dagegen – ohne die Fragilität lebensweltlicher Zusammenhänge und
die institutionelle Ausdifferenzierung des politischen Systems zu gefährden – den normativ
geforderten Einfluss der außerinstitutionell erzeugten Einigungen auf die politische Willensbil-
dung erhöhen und stabilisieren und auf diese Weise zu einer weitergehenden Demokratisierung
des politischen Kommunikationsprozesses als Ganzes beitragen.
werden, sind daher eindeutig: Journalistische Massenmedien sollen eine Infrastruktur bereitstel-
len, die in differenzierten Gesellschaften das öffentliche Gespräch über gemeinsame Angele-
genheiten ermöglicht.144
144 Vgl. Hügli 1992, S. 70. Je enger die gesellschaftliche Meinungs- und Willensbildung mit dem Postulat der
Rationalität gesellschaftlicher Verständigungs- und Entscheidungsprozesse verknüpft wird, desto anspruchsvol-
ler müssen die Rationalitätsannahmen werden, die sich auf diese Meinungs- und Willensbildung beziehen (vgl.
Schmalz-Bruns 1995, S. 50).
145 Habermas (1992, S. 453 ff.) unterscheidet zwischen Akteuren aus spezifischen Funktionsbereichen, Akteuren
aus der Zivilgesellschaft und Publizisten. Peters (1994, S. 57 ff.) differenziert weiter zwischen Repräsentanten von
Kollektivakteuren, Experten mit eigener Sachautorität, Advokaten nicht artikulationsfähiger Anspruchsgruppen
oder Sachprobleme, öffentlichen Intellektuellen und Journalisten, die auch als Kommentatoren in eine Sprecherrolle
wechseln können (vgl. auch Neidhardt 1994b, S. 14; Gerhards/Neidhardt/Rucht 1998, S. 39).
146 Vgl. Meyer/Schicha/Brosda 2001; Franz 2000; Kuhlmann 1999; Gerhards/Neidhardt/Rucht 1998
147 Vgl. Habermas 1995 [1981], Bd. 2, S. 571
3 Journalismus in der medial geprägten Öffentlichkeit 335
• daß die Sendungen keineswegs nur oder auch nur überwiegend den Standards der Massenkultur entspre-
chen, und selbst dann, wenn sie die trivialen Formen populärer Unterhaltung annehmen, sehr wohl kriti-
sche Botschaften enthalten können […];
• daß ideologische Botschaften ihre Adressaten verfehlen, weil die intendierte Bedeutung unter Rezep-
tionsbedingungen eines bestimmten subkulturellen Hintergrundes in ihr Gegenteil verkehrt wird;
• daß sich der Eigensinn der kommunikativen Alltagspraxis gegen einen unvermittelten manipulativen
Zugriff der Massenmedien zur Wehr setzt; und daß
• die technische Entwicklung der elektronischen Medien nicht notwendig in Richtung einer Zentralisierung
der Netzwerke verläuft, wenn auch ‚video-pluralism‘ und ‚television democracy‘ vorerst nicht viel mehr
als anarchistische Visionen sind.“148
Im Kern verweist diese heutzutage sicher ergänzungsbedürftige Liste noch einmal auf die
doppelte Struktur der Medienbetriebe, auf die Kommunikativität journalistischen Handelns,
auf die Eigensinnigkeit eines lebensweltlich basierten Rezeptionsverhaltens und auf die zumin-
dest eingeschränkt mögliche Steuerung technischer Entwicklungen. Sie alle weisen zumindest
auf Potenziale dafür hin, dass kommunikatives Handeln in Massenmedien und damit in Öf-
fentlichkeit auch heutzutage noch möglich ist. Eine vollständige massenmediale Systembildung
oder auch nur ein vollständiges Abwandern in den Bereich ökonomischer Steuerung ist ange-
sichts dieser immanenten Widerstände kaum möglich. Stattdessen bleiben mindestens Restbe-
stände kommunikativer Sozialintegration zum Beispiel in journalistischen Redaktionen erhal-
ten, die Massenmedien wiederum in ihrer Rolle als Institutionen der Gewährleistung von
Öffentlichkeit rechtfertigen.
Allerdings sind starke Einschränkungen hinsichtlich der faktischen Umsetzbarkeit des
emanzipatorischen Potenzials der Massenmedien zu formulieren. Die bereits in Kapitel V
diskutierte Kernfrage ist, ob massenmediale ‚constraints‘ einen kommunikativ-diskursiven
Journalismus noch erlauben, oder ob sie ihn funktionalistisch so weit überformt haben, dass er
nicht mehr möglich ist. Besonders in Bezug auf die entdifferenzierende und gesellschaftsinteg-
rierende Kernfunktion von Öffentlichkeit ist Skepsis geboten, inwieweit massenmediale
Kommunikationszusammenhänge tatsächlich in der Lage sind, die vorhandene Segmentierung
der Gesellschaft in ausdifferenzierte unabhängige Teilsysteme mit je eigenen Spezialsemantiken
durch den Gebrauch der Alltagssprache zu überwinden. Habermas formuliert apodiktisch:
„Die Spezialsprachen laugen die Umgangssprache – so wie die Funktionssysteme die Lebenswelt – derart aus,
daß weder die eine noch die andere einen Resonanzboden darstellt, der für die Thematisierung und Behand-
lung gesamtgesellschaftlicher Probleme hinreichend komplex wäre. Die politische Öffentlichkeit kann unter
dieser Prämisse einen solchen Resonanzboden schon deshalb nicht bilden, weil sie zusammen mit dem Publi-
kum der Staatsbürger an den Machtkode angeschlossen ist und mit symbolischer Politik abgespeist wird.“149
Tatsächlich lässt sich weniger dramatisch feststellen, dass die Frage der Vergleichbarkeit von
interpersonaler und medialer Kommunikation die entscheidende Prämisse für die Übertragung
diskurstheorethischer Postulate auf medienkommunikative Zusammenhänge ist. In der vorlie-
genden Arbeit wird durchgängig davon ausgegangen, dass humankommunikative Interaktion
und journalistische Medienkommunikation zwar nicht in eins zu setzen, aber aufgrund ihrer
immanenten Verknüpfung immerhin prinzipiell vergleichbar sind.150 Auf dieser Basis wird das
kommunikativ fundierte Konzept der Öffentlichkeit zu Medien in Beziehung gesetzt.
Die entscheidende strukturelle Frage ist aber zunächst, wie die von Öffentlichkeit erwarteten
Leistungen in politischer oder sozialer Hinsicht in eben diesen medialen Kontexten erfüllt
werden153, die nicht ausschließlich am Maßstab lebensweltlicher Kommunikationsrationalität
gemessen werden können.154 Eine Möglichkeit hat Weßler beschrieben, indem er in Abgren-
zung zu liberalen und diskursiven Modellen von Öffentlichkeit ein zwar an die bislang erörter-
ten Spezifika anschließendes, aber nichtsdestotrotz vom Anspruch her eigenständiges Modell
von Medienöffentlichkeit zu entwickeln versucht, das sich gleichermaßen auf strukturelle,
funktionale und prozessuale Aspekte von Öffentlichkeit bezieht:155
höchst problematisch ist“ (Hütig 2003, S. 114). Der Medienkommunikation fehle die Spontaneität und Kreati-
vität humankommunikativer Interaktion; Objektivitäts- und Seriösitätsansprüche würden durch Konventionen
gestützt, so dass die in der Transzendental- oder Universalpragmatik auf argumentativen Figuren angelegten
normativen Strukturen gar keinen Bezug mehr zur medial vermittelten Kommunikation hätten (vgl. ebd., S.
117). Eine solche Position geht davon aus, dass Medien nach den Dimensionen der Zweckrationalität und der
Instrumentalität zu betrachten sind, während kommunikative Handlungskoordinierung in ihnen keine Rolle
mehr spielt. In der vorliegenden Arbeit hingegen ist deutlich geworden, dass diese Unterstellung im Hinblick
auf individuelle Annahmen journalistischer Akteure im kommunikativen Vermittlungshandeln nicht haltbar ist.
151 Müller 1992, S. 43: „Die Frage nach der Medienmoral „[…] kann nicht nur individualethisch beantwortet
werden, sondern hat immer auch ihren institutionellen Bezug: Der beste Wille einzelner Journalisten sichert die
ethisch unverzichtbare Gemeinwohlfunktion eines Mediums nicht, wenn es insgesamt unter nacktem Zwang
von Einschaltquote oder Auflageziffer steht. Der ethische Journalist braucht ein ‚moralisches‘ System, in dem
er wirksam werden kann.“
152 Vgl. Teichert 1996, S. 767
153 Vgl. zur Bedeutung der Medien für den politischen Prozess z.B. Jarren/Donges 2002a; 2002b; Mey-
er/Schicha/Brosda 2001, S. 22ff.; Meyer 2001; Jarren/Sarcinelli/Saxer 1998; Jarren/Schatz/Weßler 1996.
154 Habermas (2004, S. 47) sieht in massenmedialer Öffentlichkeit Prominenz dominierend, während in politischer
Öffentlichkeit „die Verständigung über ein Thema […] an die Stelle persönlicher Selbstdarstellung“ trete.
155 Vgl. zum Folgenden Weßler 1999a, S. 44; auch die Beiträge in der Einführung von Jarren/Weßler 2002.
3 Journalismus in der medial geprägten Öffentlichkeit 337
156 Inwiefern zum Beispiel auch emotionale Kommunikation diskursiv sein kann, wird diskutiert in Brosda 2002a.
157 Diese Ausrichtung auf persuasive Elemente lässt sich auch in den Selbstdarstellungsstrategien öffentlicher
Akteure ausfindig machen (vgl. Brosda/Schicha 2003).
158 Vgl. Weßler 1999a, S. 229; ein Befund der auch von Gerhards/Neidhardt/Rucht (1998) gestützt wird.
159 Vgl. Schicha 2007
160 Vgl. Münch 1991, S. 95
338 VI Diskursive Öffentlichkeit – diskursiver Journalismus
„Es ist bei weitem nicht so, daß allein das bessere Argument zählt und daß das Wort eines jeden gehört wer-
den würde und das gleiche Gewicht habe. Die Szene wird von Aktoren beherrscht, die über eine gute Dar-
stellungskunst verfügen und durch die Wahl der richtigen Worte am richtigen Platz überzeugen können. Die
Konkurrenz auf diesem Markt der öffentlichen Darstellung von Politik zwingt zu einer ständigen Präsenz in
der öffentlichen Debatte. Es zählt nur, was öffentliche Aufmerksamkeit erlangt. Dadurch findet eine ständige
Überflutung der öffentlichen Debatte mit Darstellungen statt.“161
Angesichts dieser Beobachtungen ist es möglich, breite Teile medial vermittelter Öffentlichkeit
als darstellungsorientierte Öffentlichkeit zu beschreiben, in der Fragen der Präsentation von
Inhalten aufgrund struktureller Rahmenbedingungen wie der kommerziellen Kopplung der
Medienbetriebe an das ökonomische System an Bedeutung gewinnen.162 Unstrittig scheint
dabei zu sein, dass die Medienöffentlichkeit in den visuell geprägten elektronischen Massen-
medien sich nicht ohne weiteres empirisch an Rationalitätsanforderungen messen lassen kann,
die unter historisch gänzlich anderen Umständen in der Zeit der Aufklärung als regulative Idee
entwickelt worden sind.163 Vielmehr kann man mit Neidhardt konstatieren, dass in modernen
Gesellschaften nicht nur Wahrheit durch Konsens, sondern auch Konsens durch Kompromiss
und in letzter Konsequenz bisweilen sogar rationale Übereinkunft durch pure Konsonanz
ersetzt wird.164 Diese Konsonanz ist vielfach die Folge massenmedialer Meinungsbildung, die
in ihren abstrahierenden und symbolischen Reduktionen der thematisierten Sachverhalte
entsprechend zu konsumierende und zu akzeptierende Deutungsangebote unterbreitet.
Trotz all dieser Einschränkungen, die auf erschwerte Durchsetzungsbedingungen für einen
an diskursiver Öffentlichkeit orientierten Journalismus hinweisen, gilt, dass – mindestens in der
Form normativ reduzierter Anforderungen – die Macht der Öffentlichkeit auch in massenme-
dialer (Über)Formung erhalten bleibt und spätestens in Krisensituationen aktivierbar ist:
„Sicherlich ist quantitativ der größere Teil öffentlicher Kommunikation ‚Erlebniskommunikation‘. Dies ist
der Normalzustand öffentlicher Kommunikation, was auch alltäglich in Form von Zuschauerquoten gemes-
sen und vermessen wird. Doch sind solche Normalzustände prekär, wenn sie politisch mobilisiert werden.
Was die Zuschauerquoten politisch macht, ist die Macht, die in ihrer Mobilisierbarkeit begründet ist. Politi-
sche Öffentlichkeit ist ein realer Machtfaktor mit der Option, politisches Handeln unter Legitimationsdruck
zu setzen und damit unter Argumentationszwang zu stellen. Das konsumierende Publikum kann sich empö-
ren; das ist die Macht öffentlicher Meinung.“165
Vor dem Hintergrund dieser empirischen Entwicklungen löst Weßler zwar nicht die Bindung
der Medienöffentlichkeit an lebensweltliche Rationalitätskriterien auf, allerdings lockert er sie
und ergänzt sie zudem um systemische Vermachtungstendenzen. Er will mit seinem Modell
den Blick explizit auf das richten, „[…] was zwischen Vermachtung und Diskurs an Kommu-
nikationsweisen und Prozessen in der Medienöffentlichkeit existiert“.166 Das Ziel ist die
Entwicklung operationalisierbarer Praxismaßstäbe, die einerseits über das liberale Öffentlich-
keitsmodell hinausgehen, andererseits aber ‚realistischer‘ sind als die regulativen Ideen des
diskursiven Modells, das sich zur Bestimmung von Mängeln in der medialen Kommunikation
Weßlers Ansicht nach aufgrund seiner hohen normativen Standards kaum eignet. Zu diesem
Zweck muss er sein Modell der Medienöffentlichkeit in weit stärkerem Maße an eine konkrete
161 Ebd., S. 96
162 Vgl. Rucht 1994. Umstritten ist allerdings, ob in dieser Form von Öffentlichkeit ein substantieller Verlust an
Rationalität zu beobachten ist, oder vorwiegend eine Transformation, wie Dörner (2000, S. 176) nahe legt.
163 Vgl. Meyer/Ontrup/Schicha 2000
164 Vgl. Neidhardt 1994c, S. 21
165 Eder 1996, S. 148
166 Weßler 1999a, S. 235
3 Journalismus in der medial geprägten Öffentlichkeit 339
In seinem Fazit spricht Weßler damit an, dass das Mediensystem zur Erfüllung seines normati-
ven Auftrages sowohl der medienpolitischen Strukturierung als auch eines kompetenten
journalistischen Handelns bedarf, das sich an spezifischen qualitativen und ethischen Standards
messen lassen muss. Mit dem Modell der Medienöffentlichkeit allein lässt sich allerdings nicht
erklären oder verstehen, wie Journalismus in seiner gesellschaftlichen Repräsentanzfunktion die
von ihm erwarteten infrastrukturellen Leistungen erbringen kann, die auch der Steigerung des
öffentlichen Diskursniveaus dienen und auf diese Weise Informations- und Partizipationsmög-
lichkeiten verbessern. Zwar werden die Anforderungen an den Output des Mediensystems
‚realistisch‘ nach unten korrigiert und in konkrete Anforderungen an mediale Strukturen
übersetzt, aber regulative Idealnormen für journalistisches Handeln lassen sich einem solchen
empirischen Analyse-Modell nur zum Teil entnehmen. Ein Öffentlichkeitsmodell, das norma-
tive Ansprüche an die journalistische Praxis aufrechterhalten soll, wie es Weßler zu Recht
einfordert, muss ein eigenständiges Verständnis journalistischen Handeln entwickeln und
dieses in Bezug setzen können zu den Strukturen des massenmedialen Systems, die seine
Verwirklichung befördern oder ihr entgegenstehen. Für eine solche eben auch ethische Frage
bildet – auch von Weßler unbestritten171 – das deliberative Öffentlichkeitsmodell nach wie vor
eine ergiebige Grundlage, da gleichermaßen die Sprecher (und damit die Journalisten) wie die
systemische Struktur verantwortlich adressiert werden.
Auch wenn die als ein weitgehend kommerziell ausgerichtetes System verfassten Massenme-
dien vor allem auf Profitmaximierung ausgerichtet sind, können journalistische Akteure als
kommunikativ Handelnde empirische Spielräume diskursiver Verständigung einfordern und
schaffen. Empirische Studien bestätigen weitgehend die kontrafaktische Geltung der auf einen
Diskurs bezogenen Normen des deliberativen Öffentlichkeitsmodells: Sie werden regelmäßig
vor allem von journalistischen Akteuren als qualitative Bezugsgröße herangezogen, um die
Debatte metakommunikativ einzuordnen. Journalisten (zumindest der Qualitätszeitungen)
legen als Kommentatoren in Diskursen durchaus ein ‚pragmatisches Diskursmodell‘ zugrunde
und erwarten von den anderen Sprechern die Einhaltung bestimmter, diskursiver Öffentlich-
keit nahe stehender Kriterien.172 Dazu gehört, dass in einer öffentlichen Debatte relevante
Gesichtspunkte des Themas rational behandelt und Chancen für eine Kompromissbildung
aufgezeigt werden. Doch während die Journalisten den anderen Sprechern diese Anforderun-
gen kontrafaktisch entgegenhalten, entwickeln sie gleichermaßen ein ökonomisches Verständ-
nis des Diskurses und fordern bei abnehmenden Grenzerträgen diskursiver Auseinander-
setzungen auch das Ende einer Debatte und den Abschluss der Meinungsbildung. (Kommuni-
kativ handelnde) Journalisten erfüllen somit in ihren metakommunikativen Äußerungen die
Rolle einer Selbstkontrollinstanz der Öffentlichkeit, die das Einhalten kommunikativer und
normativer Standards überwacht, die an Öffentlichkeit pragmatisch angelegt werden.
Es wäre daher voreilig, die hohen normativen Kriterien eines diskursiven Öffentlichkeits-
konzepts beiseite zu legen und sich mit dem scheinbaren Verlust der Steuerungsfunktion
ethischer Handlungsprämissen einfach abzufinden. Denn auch wenn zum Beispiel die öffentli-
che Auseinandersetzung zwischen den verschiedenen Interessengruppen oder die Abwägungen
journalistisch-redaktionellen Handelns immer häufiger zweckrational und strategisch bestimmt
sind, so bleibt doch die Figur des Gesprächs zwischen gleichberechtigten Beteiligten als
kontrafaktische Unterstellung selbst in diesen Situationen wirksam. Sprecher in Öffentlichkeit
müssen Verständigungsbereitschaft signalisieren, selbst wenn sie tatsächlich versuchen, mit
persuasiver Kommunikation ihre Absichten strategisch durchzusetzen. Und auch der Journa-
lismus lebt nicht zuletzt von der ihm unterstellten Orientierung auf rationale Verständigung.
Selbst wenn gegen die Grundlagen des öffentlichen Gesprächs verstoßen wird, kann der Bezug
171 Vgl. ebd., S. 234f. Zugleich aber, so Weßler, sei das Modell zur empirischen Analyse nur begrenzt geeignet.
172 Vgl. Gerhards/Neidhardt/Rucht 1998, S. 174ff.
3 Journalismus in der medial geprägten Öffentlichkeit 341
zu ihnen nicht gelöst werden, ohne dass dies gravierende Nachteile für die Beteiligten nach
sich ziehen würde.
Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass es in ausdifferenzierten und zunehmend poly-
archischen Gesellschaften keinen archimedischen Punkt mehr geben kann, von dem aus
gesellschaftliche Selbstverständigungsprozesse bestimmt oder gesteuert werden können,
sondern dass sich Vernunft nur als Vernunft des Gespräches aktualisieren kann.173 Sind die
sittlichen Grundgerüste einer Gesellschaft erst einmal kommunikativ verflüssigt, dann ist keine
endgültige Gewissheit mehr herzustellen, dann sind selbst erreichte Konsense stets prekär. In
Zeiten des Wertepluralismus kann Öffentlichkeit nicht zur Ruhe kommen, sondern allenfalls
eine Auseinandersetzung zu einem für alle im Moment akzeptablen Ergebnis führen.174
Um das tatsächliche Unterstützungspotenzial des Journalismus für innovative und dynami-
sche Diskurse in der Öffentlichkeit benennen zu können, ist es sinnvoll, weiterhin auf die
Ambivalenzannahme von Habermas zurückzugreifen, die sich im Widerstreit von lebenswelt-
lich verhaftetem Journalismus und systemisch organisierten Massenmedien analytisch fassen
und interpretieren lässt. Vereinfacht ließe sich sagen: Wann immer sich der massenmedial-systemische
Rahmen durchsetzt, sind Hierarchisierungen und Beschränkungen der sozialkommunikativen Zusammenhänge
zu beobachten, während eine Dominanz des journalistischen Handlungsmodus die Chance für eine Entschrän-
kung des Kommunikationszusammenhangs und damit für das Einbeziehen anderer in den Diskurs erhöht.
An den weiterreichenden normativen Annahmen von Habermas so dezidiert festzuhalten,
widerspricht grundsätzlich nicht den Ausführungen Weßlers, sondern ist Ausfluss eines
unterschiedlichen Analyseinteresses. Während es Weßler um eine empirische Operationalisie-
rung eines Modells von Medienöffentlichkeit geht, stehen in dieser Studie theoretisch-
normative Fragen im Mittelpunkt. In diesem Rahmen dienen die gesellschaftstheoretischen
Annahmen von Habermas der Verortung von Journalismus und Massenmedien, während die
diskurstheoretischen Annahmen – aus der Objektivation kontrafaktischer Unterstellungen
deduzierte – Idealnormen darstellen, welche dann wiederum mit Weßler in Praxisnormen
übersetzt werden können. Habermas selbst verweist auf die hohe Abstraktheit und damit auch
Unwahrscheinlichkeit der Umsetzung, die seinem normativen Modell von Öffentlichkeit
innewohnt.
„Die Idee eines Willensbildungsprozesses, an dem alle Betroffenen als Freie und Gleiche teilnehmen, ist eins,
die Organisation von meinungs- und willensbildenden Diskursen und Verhandlungen, die unter gegebenen
Umständen dieser Idee möglichst nahe kommen, ein anderes.“175
Gleichwohl lohnt es, die Idee diskursiver Prozesse zu bewahren, um einen normativ fundierten
Maßstab nicht aus der Hand zu geben, dessen regulative Funktion als Idealnorm bei der
gesellschaftstheoretischen Verortung journalistischer Aufgaben hilfreich sein kann. Mit ihr
kann der (makrosoziale) Rahmen umrissen werden, in dem die Rollen- und Funktionsbestim-
mung des journalistischen Handelns in modernen und segmentierten Gesellschaften erfolgt.
Um es zusammenzufassen: Journalisten schöpfen die Grundlagen ihres Handelns aus der
lebensweltlichen Verankerung des journalistischen Handlungsmodus, der nicht nur in seiner
historischen Genese, sondern auch in der umgangssprachlichen und entdifferenzierenden
Qualität der Öffentlichkeit im kommunikativen Handeln der Lebenswelt begründet ist. Ande-
rerseits aber sind Journalisten eingebunden in einen massenmedial geprägten systemischen
173 Habermas (1988b) spricht von der „Einheit der Vernunft […] in der Vielheit ihrer Stimmen“.
174 Vgl. Haller/Holzhey 1992b, S. 15
175 Habermas 1985b, S. 254
342 VI Diskursive Öffentlichkeit – diskursiver Journalismus
Rahmen, der weitgehend den Imperativen des administrativen bzw. des ökonomischen Sys-
tems unterworfen ist und ihrem genuinen Handlungsmodus der Kommunikation mindestens
in Teilen zuwider läuft. Auch unter diesen ambivalenten Bedingungen bleibt es die zentrale
gesellschaftliche Aufgabe des Journalismus, Möglichkeiten öffentlicher Information und
Deliberation zu gewährleisten. Dazu muss ein kommunikativer Journalismus seine diskursiven
Möglichkeiten auch unter den systemischen Bedingungen seiner Verberuflichung in Massen-
medien erhalten. Wie solche Spielräume aus der Selbstregulierung journalistischen Handelns
und aus der Fremdregulation medialer Infrastruktur heraus zu gewährleisten sind, ist Gegens-
tand der abschließenden Erörterungen.
„Auf der gesellschaftspolitischen Ebene rekonstruiert die Diskursethik die emphatischen Ansprüche intentio-
naler Vergesellschaftung und sozialer Verständigung in modernen Gesellschaften (Ideengeschichte der Auf-
klärung, Begründung von emanzipatorischen Lebensentwürfen und demokratischer Politik, von Privatheit
und Öffentlichkeit).“178
Auf der Grundlage der Diskursethik und mit ihrer Beratung lässt sich eine Ethik des journalis-
tischen Handelns formulieren, die weder individualistisch noch institutionalistisch verkürzt ist,
sondern versucht, beide Perspektiven fruchtbar zu verbinden.179 Übernimmt man diese Prä-
missen, dann ist es möglich, eine einseitige und überzogene Zuweisung von Verantwortung an
journalistisch Handelnde zu verhindern. Eine Ethik des Journalismus hat die Bedingungen
praktischen Handelns zu berücksichtigen, ohne dabei aber dem essentialistischen Fehlschluss
der Unterwerfung normativer Anforderungen unter empirische Einlösbarkeit zu folgen. Es
geht vielmehr darum, das Spannungsfeld von Ideal- und Praxisnormen im Journalismus mit
den Mitteln der Diskursethik zu durchmessen.180 Eine solche Adaption der Diskursethik
eröffnet konzeptionell den Weg zu einem Modell eines diskursiven Journalismus unter den systemischen
Medienbedingungen in einer demokratisch relevanten deliberativen Öffentlichkeit.
„Habermas’ Theorie kommunikativen Handelns bietet für die Medienethik das Gerüst einer gehaltvollen Ak-
teurstheorie, welche die Leistungen systemisch ausdifferenzierter Problemlösungen für moderne Gesellschaf-
ten ausdrücklich anerkennt (Vernunft funktionaler Differenzierung) und sie dennoch aus der Perspektive von
Beteiligten kritisch zu werten vermag.“181
senkonflikten). Auch Debatin (1997) plädiert dafür, individualistische und organisatorische Betrachtungsweisen
zueinander in Beziehung zu setzen, wenn ein medienethisches Konzept praxistauglich formuliert werden soll.
178 Loretan 2002, S. 281
179 Die Diskursethik steht quer zu der Systematik von Pürer (1992, S. 314), die zwischen journalistischer Individu-
alethik, Ethik des Medien-Systems und Publikumsethik unterscheidet. Sie kann, je nach analytischem Interesse,
auf jede dieser Dimensionen bezogen werden.
180 Vgl. Brosda/Schicha 2000; Birnbacher 2000
181 Loretan 2002, S. 281
344 VI Diskursive Öffentlichkeit – diskursiver Journalismus
Die Diskursethik, aus der heraus Normen eines diskursiven Journalismus zu begründen sind,
ist zunächst auf die Begründungsdiskurse einer Theorie der Moral beschränkt. Sie ist nicht
selbst Moral, sondern gibt Hinweise, welchen Regeln die Formulierung von Normen folgen
muss, um akzeptable Ergebnisse berechtigt erwarten zu können. Dadurch zeigt sie auf, wie
moralisches Handeln möglich ist und wie seine Voraussetzungen zu beschreiben sind. Die
Diskursethik zielt in ihrer Geltung auf jede Form von kommunikativer Interaktion und nimmt
dabei zugleich den (institutionellen) Kontext dieser Interaktion mit in den Blick. Sie beschränkt
sich darauf, prozedurale Normen zu identifizieren und im Hinblick auf die von diesen Normen
betroffenen Verfahren der Normfindung gegenüber der Praxis beratend tätig zu werden.
Materielle Hinweise auf das Gute und Gerechte selbst sind von ihr zunächst nicht zu erwarten,
sondern können nur in Kommunikation nach den diskurstheoretisch bereits ausgezeichneten
Verfahren von den Beteiligten in gemeinsamer Kommunikation eruiert werden. In dieser
Selbstbeschränkung liegt die Kraft der Diskursethik, da gerade ihre normative Bescheidenheit
es ihr ermöglicht, die Praxis dazu anzuleiten, in den eigenen Anwendungsdiskursen den von ihr
formulierten Hinweisen zu folgen.
Eine diskurstheoretisch begründete Medienethik benennt die Unhintergehbarkeit bestimm-
ter prozeduraler Standards kommunikativer Interaktion, aber sie nimmt den Beteiligten nicht
die Aufgabe ab, diese Standards bezogen auf Situation und Kontext ihres eigenen Handelns zu
deuten und in entsprechende Praxisnormen zu transformieren.
„Die Diskursethik kann die Beteiligten praktischer Diskurse beraten, ihre kommunikativen Regeln zu über-
prüfen und im Hinblick auf die unvermeidlichen Idealisierungen des Diskurses zu transzendieren. Entspre-
chend rekonstruiert sie universalpragmatische Prinzipien der Verständigung wie Öffentlichkeit des Zugangs,
gleichberechtigte Teilnahme, Wahrhaftigkeit der Teilnehmer, Zwanglosigkeit der Stellungnahme. In prakti-
schen Diskursen bringt sie diese als normativ gehaltvolle Argumentationsregeln zur Geltung und macht Vor-
schläge, wie die zu verhandelnden Probleme nach Reichweite ihrer Geltungsansprüche (Gerechtigkeit, gutes
Leben, Zweckmäßigkeit) zu sortieren wären […].“183
Die Diskursethik ist damit attraktiv für Theorien der Ethik des Journalismus, in denen die
Begründbarkeit von Normen und die Reichweite ihrer Geltung im Zentrum stehen. Mehr noch
als den Normen selbst wird dem Prozess der Formulierung von und der Einigung auf Normen
eine besondere Relevanz zugeschrieben. Es geht, wie Thomaß anmerkt, immer weniger um die
Frage „Was soll ich tun?“ und immer mehr um die Frage „Wie können wir uns darüber einig
werden, was wir tun sollten?‘“.184 Journalismusethik kann dabei keine privilegierte Erkenntnis
beanspruchen, sondern allenfalls die Berücksichtigung der angemessenen kommunikativen
Prozeduren erleichtern. Ebenso wie der diskursethisch argumentierende Philosoph hat auch
der Medienethiker darauf zu verzichten, für stellvertretende praktische Diskurse zur Beantwor-
tung moralischer Fragen eine hervorgehobene Rolle zu beanspruchen, da sich seine Kompe-
tenz auf die Verfahren beschränkt, während er im Hinblick auf praktische Fragen selbst auf die
gleiche alltagssprachlich verankerte Vernunft zurückgeworfen ist, der sich alle Beteiligten
bedienen. Er verfügt „über keinen privilegierten Zugang zu moralischen Wahrheiten oder
inhaltlichen Orientierungen“.185 Für das Verhältnis von Medien und Wissenschaften bedeutet
dies, dass beide die gleichen Geltungsansprüche behandeln und von einer Hierarchisierung
ihrer Diskurse daher Abstand zu nehmen ist. Diese Feststellungen knüpfen an die eingangs
formulierten Gedanken zur Stellung des sozialwissenschaftlichen Beobachters zur Praxis an.
Als Teilnehmer an sozialen Prozessen – und als solche sind auch journalistische Diskurse zu
verstehen – kann der Sozialwissenschaftler die Strukturen sozialer Interaktion zunächst nicht
transzendieren, sondern ist im Gegenteil, darauf angewiesen, zu Geltungsansprüchen Stellung
zu nehmen, deren Prüfung ihm nur durch alltagssprachliche Teilnahme überhaupt ermöglicht
werden kann. Der wissenschaftliche Diskursteilnehmer mag besser informiert, methodisch
versierter oder auch argumentativ redlicher sein, einen qualitativ anderen, privilegierten Er-
kenntnisstatus hat er hingegen nicht.
Trotzdem darf sich auch die diskursiv gehandhabte Medienethik nicht abdrängen lassen in
eine Position, in der ihr nur der schmaler werdende Geltungsbereich zwischen Recht und
Markt bleibt: Weder soll sie die klassische Berufsideologie duplizieren, noch schlicht Publi-
kumserwartungen wiederholen. Ihre Aufgabe ist es vielmehr, diese auf ihre Leistungsfähigkeit
hinsichtlich der gesellschaftlichen und demokratischen Erwartungen an journalistische Kom-
munikation zu überprüfen. Sie kann zwischen deliberativen Anforderungen zivilgesellschaftli-
cher Öffentlichkeit und den Bedingungen institutionalisierten Medienhandelns vermitteln und
damit zugleich für die Folgen journalistischen Handelns sensibilisieren. Ihr Ziel ist es, dass ein
diskursethisch sensibilisierter Journalismus seine Ausrichtung auf eine kompetente öffentliche
Meinungsbildung stärker betont und damit „[…] das Mediensystem in seiner strukturellen
Verfasstheit auf diesen immanenten Zielwert offener demokratisch verfasster Gesellschaften
hin [ausrichtet]“.186 In dem Verzicht der Diskursethik auf materielle Denkvorgaben und der
daraus sich ergebenden Verständigung der Betroffenen über die formalen Maßstäbe ihres
Handelns sieht Rager einen wesentlichen Vorteil gegenüber traditionellen Fixierungen:
„Viel mehr als eine präskriptive Ethik mit Absolutheitsanspruch oder normativen Leitsätzen ist die Diskurs-
ethik geeignete Grundlage der Fragestellung, welches journalistische Handeln mehrheitlich erwünscht sein
könnte und den Interessen vieler Menschen gerecht wird. Das Verfahren ähnelt zudem der journalistischen
Praxis, in der der Konsens darüber, was (ethisch) richtig ist, oft auch nur in der Diskussion unterschiedlicher
ethischer Argumente und nach Kompromissen auf allen Seiten zustande kommt.“187
Die Einhaltung beruflicher oder professioneller Qualitätsstandards kann die Bearbeitung dieser
grundlegenden Fragen erleichtern, so Debatin, indem sie eine „verantwortungsethisch moti-
vierte Innensteuerung der Medienschaffenden“ gewährleistet.191 Eine freiwillige journalistische
Selbstkontrolle kann in diesem Zusammenhang dazu beitragen, eine publizistische Ethik nicht
nur durchzusetzen, sondern auch diskursiv durch ethische Argumentation weiterzuentwi-
ckeln.192 Eine solcherart auf sanfte ‚Steuerung‘ zielende Diskursethik trägt außerdem dem
Umstand Rechnung, dass ethische Standards im Journalismus stetig weiterentwickelt werden
müssen, da sie genauso wie Qualitätsvorstellungen ständigen Veränderungen unterliegen. Nicht
zuletzt deshalb liegt es nahe, die Urteile des Publikums in die Qualitäts- und auch in die Ethik-
debatte des Journalismus einzubeziehen.193
Die Etablierung von Mechanismen der Selbstkontrolle und Selbstregulation kann auch eine
Antwort auf die Feststellung sein, dass die Diskursethik ohne eine Lehre der Diskursinstitutio-
nen „weitgehend irrelevant“ wäre, weil ihr die Mechanismen der Umsetzung ihrer prozedura-
len Normen fehlen.194 Rezipiert man die Diskursethik allein, kann man zu dem Befund kom-
men, dass an diesen Institutionen noch mangelt, nimmt man aber die deliberativ-
demokratietheoretischen Überlegungen mit in Betracht, dann lassen sich erste Ansatzpunkte
einer solchen institutionell fokussierten Erörterung finden. Die zum Beispiel auf verfahrensre-
Wird die Diskursethik auf die journalistische Praxis übertragen, dann verlangt sie vorwiegend
nach Bewertungen der ‚Angemessenheit‘ kommunikativer Handlungen.199 Sie richtet sich auf
die Einhaltung der skizzierten Diskursregeln und verlangt von kommunikativen Akteuren die
prinzipielle Akzeptanz grundlegender Verständigungsregeln. Der Terminus ‚Angemessenheit‘
verdeutlicht in diesem Zusammenhang, dass die Diskursethik durchaus aus dem Bereich der
Idealnormen in Praxisnormen übersetzbar ist, die Gegenstand von Anwendungsdiskursen sein
können. Eine diskursethisch fundierte Medienethik hat daher das Potenzial, Maßstäbe zu
liefern, anhand derer die Verfasstheit gesellschaftlicher Kommunikation mit Blick auf die
normativen Anforderungen, einer demokratischen Öffentlichkeit empirisch untersucht und
qualitativ bewertet werden könnte. Fördert journalistisches Handeln Partizipation und Eman-
zipation? Nimmt es sich der Aufgabe der advokatorischen Vertretung der vom gesellschaftli-
chen Zeitgespräch ausgeschlossenen Stimmen an? Diese Fragen lassen sich auf der Basis der
Diskursethik an Journalismus stellen; und sie lassen sich mit empirischer Journalismus- und
Medienforschung bearbeiten.200 Aus dem Dialog zwischen einer diskursiven Medienethik und
einer empirischen Forschung, die sich praktischen Fragen nicht verschließt, können Vorschlä-
ge für die Verbesserung des Journalismus erwachsen.201 Diesen Weg zu beschreiten, wäre für
die Journalistik mehr als nur nahe liegend. Im Kern geht es darum, aus der Diskursethik
Hinweise auf eine ‚Ethik für Diskurse‘ zu gewinnen, um von den Begründungsdiskursen der
philosophischen Ethikformulierung zu den Anwendungsdiskursen einer an ‚wahren‘, richtigen
und gerechten Ergebnissen orientierten Praxis zu gelangen.202 In dieser Ethik lägen Hand-
lungsimperative auch für einen kommunikativen, besser: für einen diskursiven Journalismus.
„Die angewandte Ethik wird als Disziplin verstanden, die sich bei moralischen Entscheidungsproblemen mit
Normen, Werten und Grundorientierungen des Menschen auseinandersetzt. Als Theorie des richtigen Han-
delns entwickelt sie Kriterien und vermittelt eine Handlungsorientierung in moralisch relevanten Ent-
scheidungssituationen und dient letztlich der Handlungskoordination im Umgang mit anderen Menschen.“203
Die idealen Voraussetzungen abstrakter Modelle gelten zunächst als Resultat normativ-
ethischer Überlegungen, die jedoch in dieser Form noch keine praktische Hilfe bei konkreten
Handlungsentscheidungen liefern können. Es ist außerdem problematisch, wenn in einer
Normendiskussion lediglich Begründungsverfahren behandelt werden und das Problem der
Durchsetzung von Entscheidungen nicht berücksichtigt wird. Die Anwendung solcher Durch-
setzungsverfahren hat auf der Basis eines Normenbegründungsverfahrens für die Praxis zu
erfolgen. Während im theoretisch-idealen Begründungsdiskurs ‚reale‘ Sachzwänge ‚kontrafak-
tisch‘ ausgeschaltet werden, sind Anwendungsdiskurse oftmals von Beschränkungen gekenn-
zeichnet, zu denen Knappheit der Zeit, Herrschafts- oder Gewaltverhältnisse und das Informa-
tionsgefälle zu rechnen sind, die institutionelle Vorkehrungen (Geschäftsordnungen etc.)
erforderlich machen, um durch Übereinkunft eine Annäherung an die Bedingungen des idealen
Diskurses zu gewährleisten.
Die Beziehung zwischen den theoretischen und den praktischen Fragen der Ethik, also
zwischen Normbegründung und Normanwendung, ist als ein Kontinuum zu begreifen: Die
von der normativen Ethik formulierten Prinzipien, die sich auf moralisch bzw. sittlich gutes
und richtiges Handeln und Unterlassen beziehen, sind aus der Sicht der Diskursethik schließ-
lich keine ‚objektiven‘ Werte. Metaphysische Deduktionen und Verweise sind im Zuge der
Rationalisierungsprozesse der Moderne durch intersubjektive Vereinbarungen ersetzt worden,
die zunächst nur Gültigkeit für eine zeitlich und kulturell kontingente Situation beanspruchen
können. Der jeweils eingenommene moralische Standpunkt ist begründungspflichtig gewor-
den. Diese Begründungspflicht ist zurückgebunden an ein ‚framework‘ akzeptabler Begrün-
dungsweisen und Argumente, das in theoretischen Ethik-Konzepten wie der Diskursethik
identifiziert wird, um in der Praxis besser zur Anwendung zu gelangen. Die Diskursethik kann
daher vermittels ihrer Übersetzung in eine angewandte Ethik der Medienkommunikation auch
unter den schwierigen empirischen Bedingungen massenmedial vermittelter Kommunikation
für kommunikative Möglichkeiten in Interaktion sensibilisieren. Will man diese Ethik mit Blick
auf die journalistische Kommunikation unter Medienbedingungen explizieren, dann erfordert
das angesichts der Verhältnisse zunächst eine größere medienethische Akzeptanz auch gegen-
über systemtheoretischen Überlegungen. Dies ist mit der Diskurstheorie nach Habermas zu
gewährleisten, da diese sich auf ein Gesellschaftsmodell bezieht, das kommunikative und
systemische Integrationsmechanismen nebeneinander beschreibt
„Denn selbstverständlich sind die medialen Strukturen der Kommunikation systemisch organisiert und in
verschiedene, partiell vernetzte Subsysteme eingebunden. Die normative Pointe besteht für Habermas jedoch
darin, daß der intersubjektiv geteilte Raum der Öffentlichkeit an die einfachen Interaktionen der Lebenswelt
zurückgebunden ist. Diese grundlegende Dialektik von kommunikativer Vernunft und Systemrationalität ist
auch bei der Konzeption einer diskursethisch inspirierten Medienethik zu berücksichtigen.“204
Kern einer Operationalisierung der Diskursethik als Medien- und Journalismusethik ist die
immanente Verknüpfung des diskursiven Handelns in kommunikativer Interaktion mit der
Herstellung einer öffentlichen Sphäre, deren demokratisch-normative Idee nicht zuletzt von
dieser Diskursivität geprägt ist. Öffentlichkeit und Deliberation sind im Rahmen des skizzier-
ten Demokratiemodells zwei eng auf einander bezogene Konzepte205: Wie ausgeführt, gewähr-
leistet Öffentlichkeit durch den von ihr bereitgestellten Kommunikationsraum die Rationalität
moderner Lebenswelten und schließt diese kommunikativ an die ausdifferenzierten Subsyste-
me (v.a. an das politisch-administrative System) an. Sie erfüllt einerseits eine Transmissions-
funktion zwischen Lebenswelt und System, ist aber andererseits letztlich an Lebenswelt,
Kommunikativität und Diskursivität rückgekoppelt. Im öffentlichen Austausch generieren
kommunikativ Handelnde – anders als strategische Akteure, die einander als Objekte betrach-
ten – mit ihren gemeinsam ausgehandelten Deutungs- und Bedeutungsangeboten einen ge-
meinsamen sozialen Raum. Die Entwicklung von Solidarität und Vertrauen als Grundlagen der
Öffentlichkeit ist damit der kommunikativen Interaktion immanent.206
Moral kommt in öffentlichen Diskursen damit nicht nur auf der prozeduralen Ebene der
Form des kommunikativen Austausches, sondern auch auf inhaltlicher Ebene hinsichtlich der
Auswahl der öffentlichen Themen ins Spiel.207 Ohne ein gewisses ‚moralisches Pathos‘, so
mutmaßt Lesch, hätte demokratische Öffentlichkeit keine Zukunft; sie bedürfe derjenigen
Bürger, die bereit sind, Themen, die sie als Unrecht empfinden, unter dieser Maßgabe in das
gesellschaftliche Gespräch einzuführen; und sie bedürfe der Medienmacher, die sich moralisch
Werten wie Transparenz und demokratisch-öffentlicher Kontrolle verpflichtet fühlen.208 Diese
Moral des Öffentlichen ist auch nach dem Strukturwandel der Öffentlichkeit aufzufinden.
Selbst unter rein kommerziellen Gesichtspunkten produzierte Medieninhalte können sich ihren
Anforderungen nicht entziehen.209
Deduziert man aus der Diskurstheorie konkrete medienethische Maßstäbe, dann gerät
prominent die Prüfung der Akzeptabilitätsbedingungen von Geltungsansprüchen in den
Blick.210 Folgt man der Interpretation von Arens, dann implizieren die Prozeduren der Dis-
kursethik vornehmlich drei ethische Universalien, die im Hinblick auf eine Ethik der Medien-
kommunikation herauszuarbeiten sind.211
• Wahrheit: Hiermit ist gemeint, dass Kommunikationsteilnehmer die ‚Wahrheit‘ sagen,
Wahrheitsansprüche anderer anerkennen und eine gemeinsame ‚Wahrheit‘ anstreben. Für
journalistische Kommunikation ist von besonderer Bedeutung, dass genügend Informati-
onen vermittelt werden, um auch als Rezipient die vermittelten Wahrheitsansprüche in ih-
rer Diskursivität erkennen und beurteilen zu können.
• Wahrhaftigkeit: Hiermit ist gemeint, dass die Kommunikationsteilnehmer, nicht nur für
‚wahr‘ gehaltene Informationen mitteilen, sondern auch weder sich selbst noch andere
über die eigenen Interessen, Absichten und Erwartungen täuschen.212
• Gerechtigkeit: Hiermit ist gemeint, dass Kommunikationsteilnehmer gerechte Kommunika-
tionsbeziehungen schaffen und erhalten. Zentralbegriffe in dieser Dimension, die beson-
ders mit Blick auf journalistisches Handeln Bedeutung besitzen, sind (a) Partizipation im
Sinne von Teilnahmechancen am Diskurs, (b) Emanzipation durch eine Gewährleistung ei-
ner ‚idealen Kommunikationsgemeinschaft‘ (Apel) bzw. eines ‚herrschaftsfreien Diskurses‘
(Habermas) und (c) Advokation im Sinne der Artikulation von Interessen, Ansprüchen und
Bedürfnissen derjenigen, die dazu selbst nicht in der Lage sind.
Diese ethischen Anforderungen korrespondieren weitgehend mit den Grundstrukturen der
Sprache und den in einem Sprechakt erhobenen Geltungsansprüchen. Auf deren Prüfung
verlegt sich die Diskursethik zunächst, in dem sie – in einem sehr bescheidenen Selbstver-
ständnis – immanent ansetzt, um entsprechende Argumentationsvorgänge der Prüfung erho-
bener Geltungsansprüche zu ermöglichen.
man verschweigt, Insofern sind bei der Öffentlichkeitsarbeit der Medien Normverstöße als Verletzungen von
Identität und Sozialität gleichsam vorprogrammiert. Um so mehr gilt: die publizistische Pflicht, das Verborgene
aufzudecken, das Verschwiegene zur Sprache zu bringen, muss ein diskursiver Prozess auf der Grundlage
wechselseitiger Anerkennung sein. Wie ist zu gewährleisten, dass er als solcher Prozess, der zugleich offensiv
hinter die Fassaden des Scheins dringt, im Einklang steht mit den diskursethischen Prinzipien der Gerechtigkeit
und Solidarität?“ (Müller-Doohm 1999, S. 227f.)
208 Vgl. Lesch 1994, S. 52. Hügli (1992, S. 73) geht sogar so weit, dass er den Journalist als „Moralist vom Dienst“,
sieht, der sich seiner öffentlichen Aufgabe bewusst sei und entsprechend moralisch kompetent handele.
Manchmal vollzieht sich eine solche moralische Kritik auch vor dem Hintergrund eines medial-journalistischen
strategischen Abgrenzungsinteresses, wie die Inszenierungskritik der Medien bei großen politischen Ereignissen
zeigt, mit der die Berichterstatter ihre Souveränität betonen (vgl. Brosda 1999).
209 Vgl. Habermas 1995 [1981], Bd. 2, S. 574f.
210 Vgl. dazu theoretisch Wellmer 1989.
211 Vgl. zum Folgenden Arens 1996, S. 90ff.
212 Vgl. zur Begründung des Konzepts der Wahrhaftigkeit Mieth 1996.
4 Handlungsbedarf I: Die ethische Herausforderung des diskursiven Journalismus 351
„Was wahr ist, kann nicht ein Autor oder eine Redaktion entscheiden. Es kann sich nur im Laufe einer öf-
fentlichen Diskussion herausstellen, zu der – gemäß den Diskursregeln – im Prinzip alle Diskutanten, Infor-
mationen und Argumente (einschließlich provokativer Mutmaßungen) zugelassen sind. Für diese Offenheit
zu sorgen, wenn nötig gegen kontroverse Interessen, ist die konstitutive Aufgabe des Journalistenberufs.“213
Die Diskursethik zielt darauf, dass sich kommunikative Rationalität entfalten kann, insofern
soll eine an sie anschließende Journalismusethik daran mitwirken, in Medien und Journalismus
Bedingungen herzustellen, in denen die Unterstellung von Verständigungsorientierung ebenso
wenig a priori ausgeschlossen ist wie die Möglichkeit der Prüfung der Akzeptabilität von
Geltungsansprüchen. Sie thematisiert die „Bedingungen der Möglichkeit verständigungsorien-
tierter Kommunikation“, gleicht sie an den Strukturen des Mediensystems ab und strebt an, sie
in diesen Strukturen zur Geltung zu bringen.214 Etliche bereits etablierte Verfahren der journa-
listischen Diskursvermittlung und -teilnahme lassen sich als Institutionalisierung dieser Mög-
lichkeiten verstehen. Es lohnt sich daher, die Ergebnisse von Praxisdiskursen zu berücksichti-
gen, in denen sich normative Näherungen an ein Selbstverständnis journalistischen Handelns
finden lassen, das implizit auch auf kommunikative und diskursive Grundzüge verweist. In
dem detaillierten „Berufsbild Journalistin/Journalist“, das der Deutsche Journalisten-Verband
erarbeitet hat, heißt es zum Beispiel mit Blick auf die hier diskutierten gesellschaftlichen
Aufgaben des Journalismus:
„Journalistinnen und Journalisten haben die Aufgabe, Sachverhalte und Vorgänge öffentlich zu machen, de-
ren Kenntnis für die Gesellschaft von allgemeiner, politischer, wirtschaftlicher oder kultureller Bedeutung ist.
Durch ein umfassendes Informationsangebot in allen publizistischen Medien schaffen Journalistinnen und
Journalisten die Grundlage dafür, dass jede Bürgerin und jeder Bürger die in der Gesellschaft wirkenden
Kräfte erkennen und am Prozess der politischen Meinungs- und Willensbildung teilnehmen kann.“215
213 Pöttker 2000c, S. 129f.; zum Verhältnis zwischen universeller Moral und Berufsethos vgl. auch Pöttker 1999a.
214 Loretan 2002, S. 275
215 So der Beginn des „Berufsbilds Journalistin/Journalist“, das der DJV-Verbandstag 1996 beschlossen hat. Auf
der DJV-Homepage abrufbar unter http://www.djv.de/downloads/berufsbild1.pdf (29.9.2005).
216 So der erste Punkt der Publizistischen Grundsätze (Pressekodex), die vom Deutschen Presserat beschlossen
und dem Bundespräsidenten Gustav W. Heinemann am 12. Dezember 1973 in Bonn überreicht wurden [hier
zitiert in der Fassung vom 13. September 2006]. Vgl. auch umfassend die Beiträge in Baum u.a. 2005.
352 VI Diskursive Öffentlichkeit – diskursiver Journalismus
verhalten selbst. Eine diskursethisch informierte Anforderung würde sich darauf beziehen,
nicht nur den propositionalen Aussagenteil, sondern auch die Argumente der Aussage weiter
zu vermitteln und so eine Prüfung enthaltener Geltungsansprüche anhand vermittelter Be-
gründungen zu ermöglichen.217 Auf den prominenten Status dieser (stellvertretend vorgenom-
menen) Prüfung durch Journalisten ist bereits im Rahmen der Begründung eines kommunika-
tiven Journalismus-Konzepts hingewiesen worden. Der Schwerpunkt der Argumentation lag
dort allerdings auf dem Umstand, dass journalistisch Handelnde nicht umhin kommen, zu den
Geltungsansprüchen einer von ihnen vermittelten Aussage Stellung zu beziehen, wenn davon
ausgegangen wird, dass zu einer erfolgreichen Vermittlung auch das Verstehen dieser Aussage
gehört. Daneben gilt, dass diese reflexive Vermittlung auch dazu beiträgt, orientierende Leis-
tungen für Rezipienten zu erbringen, denen selbst der Überblick fehlt (fehlen muss), um
vergleichbare Bewertungen eigenständig zu leisten. Hier kommt die immanente Kommunikati-
vität des Journalismus zum Ausdruck, die in der Journalismustheorie bisweilen als Störfaktor
der reibungslosen Nachrichtenmaschinerie gesehen wird.
Das geschieht vorwiegend dann, wenn wie in den Konzepten eines sehr reduzierten Infor-
mationsjournalismus nicht ausreichend berücksichtigt wird, dass journalistisches Handeln wie
jede Kommunikation prinzipiell der Doppelstruktur der Rede unterliegt und damit sowohl eine
propositionale wie auch eine illokutionäre Dimension besitzt. Informationsjournalistische
Konzepte wie die legitimistische Publizistik zum Beispiel reduzieren Journalismus vorwiegend
auf seine kognitiv-instrumentelle, mithin propositional relevante Dimension und thematisieren
daher ausschließlich Fragen seiner Objektivität sowie damit verbundene Ausgewogenheits- und
Neutralitätspostulate.218 Betrachtet man die journalistische Kommunikativität dagegen mit
einem diskursiven Journalismusmodell als einen zentralen Bestandteil des Geflechts von
Kommunikation, Öffentlichkeit, Medien, Journalismus und Demokratie, dann richtet sich der
Blick weniger auf Fragen der Objektivität von Information, als vielmehr auf Fragen ihrer
Richtigkeit, ihrer angemessenen Begründungstiefe sowie der Transparenz ihrer Argumentation.
Wenn es um diese, nicht mehr nur propositionalen, sondern eben vor allem performativen
Aspekte journalistischen Handelns und Kommunizierens geht, werden die Fragen journalisti-
scher Ethik komplex.219
Aber auch mit Blick auf diese performativen Aspekte hat Journalismus Routinen ausgebil-
det: Sie lassen sich zumindest an intersubjektiver Nachprüfbarkeit, an der Begründetheit der
Argumente sowie an der Darstellung unterschiedlicher Positionen – oder übersetzt in journalis-
tische Postulate: an gründlicher Recherche, Quellentransparenz und -vielfalt – messen, wie
Rager ausführt.220 Mit der Anwendung dieser Verfahren versetzt Journalismus sein Publikum
in die Lage, die erhobenen Geltungsansprüche zu prüfen und abzugleichen.221 Da diese Prü-
fung aber zugleich nur begrenzt möglich ist, weil das Publikum nicht in jedem Fall Zeit und
Ressourcen zu einer umfangreichen argumentativen, diskursiven Prüfung hat222, ist zugleich
Vertrauen in die journalistischen Kommunikationsleistungen notwendig, wie Kohring betont:
„Als Rezipient delegiert man die Beobachtung von Gesellschaft an den Journalismus und muss sich nun auf
die journalistische Berichterstattung verlassen, ohne sie im Moment der Rezeption überprüfen zu können […]
Da diese Rezipienten ja gerade nicht über durch eigene Beobachtungen gewonnenes Prüfwissen verfügen, um
die Angemessenheit der journalistischen Selektivität und Faktendarstellung bewerten zu können, sind sie statt
dessen auf Vertrauen angewiesen.“223
Dieses Vertrauen kann nicht unbedingt sein, sondern bleibt immer „eine riskante Vorleis-
tung“224 und bedarf daher wo möglich der Überprüfung durch Beurteilung der Vermittlungs-
qualität und der Vorerfahrungen mit dem spezifischen Medienangebot oder dem Journalismus
allgemein. Dazu noch einmal Kohring, der das Problem systemtheoretisch umkreist:
„Vertrauen durch Journalismus trägt zwar zur Lösung des Komplexitätsproblems bei, in dem sich jeder sozia-
le Akteur befindet. Gleichzeitig wird aber nun auch das Problem des Vertrauens in Journalismus akut. Es
geht, anders gesagt, um die Beobachtung (und Kontrolle) des Vertrauens in den Beobachter (und Kontrol-
leur) von Vertrauen.“225
Reformuliert man diese Überlegungen, dann geht es um die Akzeptabilität der Geltungsan-
sprüche, die durch Journalismus vermittelt werden und die Journalismus selbst erhebt, vor dem
Hintergrund eines nur unzureichenden Prüfwissens, das durch Vertrauen und Vorerfahrungen
kompensiert werden muss.226 Journalistische Akteure übernehmen hier als Anwälte gesell-
schaftlicher Diskurse auch die Verantwortung, das für ihre Vermittlungsleistungen notwendige
Vertrauen nicht zu zerstören, sondern durch entsprechende Diskursivität eine Prüfung ihrer
kommunikativen Angebote zu ermöglichen.
Während propositionale Fragen wahrheitsorientierter Geltungsansprüche von der Journa-
lismusforschung in erkenntnistheoretischen Debatten behandelt werden und performative
Fragen wahrhaftigkeitsorientierter Ansprüche in letzter Konsequenz nicht diskursiv zu behan-
deln sind, rücken vor allem Geltungsansprüche der Richtigkeit und der Umgang mit ihnen in
den Blick einer Ethik journalistischer Diskurse. Wie bereits ausgeführt unterliegen diese in
besonderem Maße einer Begründungspflicht. Es erscheint geboten, von journalistischer
Vermittlung im Interesse öffentlicher Diskurse zu verlangen, dass die Begründungen für
ethisch-politische Behauptungen, die vorwiegend auf Richtigkeitsansprüche zielen, transparent
gemacht werden. Explizite Begründungen sind zu referieren, implizite Begründungen aufzuzei-
gen.227 Journalisten als Anwälte gesellschaftlicher Diskurse haben dadurch eine besondere
die diskursive Ungewissheit seiner Kritik in diesen Bereichen zu verringern imstande sind, kann bezweifelt
werden. Stattdessen setzt sich Journalismus mit derartigen ästhetischen oder therapeutischen ‚Übergriffen‘ stets
der Gefahr aus, seinen vermeintlichen Kompetenzbereich zu überschreiten und nun seinerseits zwar nicht in
Legitimationsprobleme, wohl aber in Begründungsschwierigkeiten in Bereichen zu kommen, die einer Begrün-
dung kaum bis gar nicht zugänglich sind.
222 Vgl. Rager/Rinsdorf 2002a, S. 50
223 Kohring 2002a, S. 96
224 Ebd., S. 98
225 Kohring 2002b, S. 103
226 Heinrich und Lobigs (2003, S. 259) sehen als Grundlage dieses Vertrauens die „Institution des funktionsfähigen
journalistischen Wettbewerbs“, die dann vorliegt, „[…] wenn die Institutionen der Wettbewerbsordnung und
der journalistischen Kultur gemeinsam in einem Reputationsgleichgewicht wirksam werden“.
227 Diskursregeln sind dazu als Kriterienkatalog notwendig, allerdings offensichtlich nicht hinreichend. Sie
verpflichten Diskursteilnehmer vor allem auf Widerspruchsfreiheit, Fairness und subjektive Wahrhaftigkeit. Ei-
354 VI Diskursive Öffentlichkeit – diskursiver Journalismus
Verantwortung, die in der Bewahrung kommunikativer Potenziale durch eine reflexive und an
den Maßstäben kommunikativer Rationalität orientierte Vermittlung liegt:
„Nur sie [die politischen und medialen Akteure, -cb-] haben die Möglichkeit, stellvertretend für die Bevölke-
rung Begründungen für strittige Geltungsansprüche einzufordern und zu kritisieren, insofern wäre der Reprä-
sentationsgedanke auch im Sinne einer ‚diskursiven Repräsentanz‘ zu verstehen.“228
Wenn die gesellschaftlich und politisch Handelnden Begründungen liefern, dann sollte der
Journalist sie vermitteln, tun sie dies nicht, ist er dazu angehalten, sie durch Recherche hinzu-
zufügen. Auch eine aufmerksame Interpretation einer Pressemitteilung oder einer öffentlichen
Äußerung sowie deren Einordnung in den Gesamtzusammenhang können Aufschluss über
Begründungen und Motive geben. Hier greift die bereits angesprochene Forderung Langenbu-
chers nach einem Journalismus als „Quellenkritik“.229 Sie bietet, wie Baum bekräftigt,
„[…] den kommunikationstheoretischen Weg für eine ‚epochenadäquate Journalismustheorie‘ an, die sich zu-
dem als Diskursethik aller normativistischen Engpässe entledigen könnte […]. Denn vom Journalismus ‚Quel-
lenkritik‘ zu fordern, heißt ja nichts anderes, als ihm die Suche nach Gründen für öffentliche Aussagen, Hand-
lungen und Entscheidungen zuzutrauen.“230
Auch Pätzold fordert solch eine eigenständige interpretative Rolle im Sinne verstehender
Berichterstattung, wenn er die journalistische Relativierung politischer Symbolsysteme für
wünschenswert erachtet. Damit spricht er direkt und explizit die kommunikative Kompetenz
journalistischer Akteure an, die eben auch darin zum Ausdruck kommt, dass sie politische
Symbole auf alltagssprachliche Verständigungsstrukturen hin relativieren und damit der Kritik
der Bürger zugänglich machen.231 Vor dem Hintergrund der Diskurstheorie wird hier noch
einmal deutlich, dass es von der Art journalistischer Vermittlung abhängt, ob eine diskursive
Öffentlichkeit in ausdifferenzierten Gesellschaften gegenüber systemischer Logik überhaupt
eine Chance der demokratischen Koordinierung gesellschaftlicher Entwicklung entfalten kann.
Journalismus soll auch darauf zielen, das Selbstbewusstsein von Bürgern gegenüber der
„scheinbaren Zwangsläufigkeit moderner Institutionen“ zu stärken, indem deren Abhängigkeit
vom Handeln ihrer Klienten transparent gemacht wird; einen solchen Journalismus nennt
Pöttker „Aufklärungsjournalismus“: Während der klassische Informationsjournalismus politi-
sche Vorgänge in seiner Vermittlung oftmals institutionell verkürzt und der Boulevardjourna-
lismus sich aus Gründen ökonomisch motivierter Publikumsmaximierung beinahe ausschließ-
lich an den Bedürfnissen der Rezipienten ausrichtet, vermag dieser Aufklärungsjournalismus,
die „tatsächlich vorhandenen, aber durch die funktionale Differenzierung auch zwischen ihren
bewußtseinsbildenden Institutionen verborgenen Verbindungsfäden zwischen ‚System‘ und
‚Lebenswelt‘“ sichtbar zu machen.232 Journalismus ermöglicht damit Teilhabe durch Orientie-
rung; Journalisten werden zu den „Zusammenhangsexperten“, die Langenbucher fordert.233
ne Begründungspflicht hingegen postulieren sie nur für das Angreifen einer Aussage oder Norm, die nicht Ge-
genstand der Diskussion ist (vgl. Habermas 19997 [1983], S. 98). Sie umfassen nicht die Begründungspflicht für
Handlungsabsichten, die in der allgemeinen Argumentationstheorie herausgearbeitet wird (vgl. Kopperschmidt
2000; Kuhlmann 1999). Die Formulierung von journalistischen Entscheidungshilfen zur Identifizierung be-
gründeter Aussagen ist bislang ein Desiderat. Eine allgemeine Übersicht gibt Kuhlmann 1999, S. 61ff.
228 Kuhlmann 1999, S. 132
229 Vgl. Langenbucher 1986; siehe auch IV.2.3.1.
230 Baum 1994, S. 296
231 Vgl. Pätzold 1980, S. 31f.
232 Pöttker 1996, S. 114ff.
233 Langenbucher 1987b, S. 148
4 Handlungsbedarf I: Die ethische Herausforderung des diskursiven Journalismus 355
An diesen Beispielen wird abschließend noch einmal deutlich, dass die in klassischen Entwür-
fen getrennten Rollenvorstellungen der Vermittlung und der kommunikativen Teilnahme kaum
mehr zu trennen sind, sondern fließend in einander übergehen und sich vorwiegend anhand
des Grades kommunikativer Eigenleistung differenzieren. Journalisten haben eine „Doppelrol-
le im Diskurs“ inne: Sie sind nicht nur Vermittler von Diskursen, sondern auch deren Teil-
nehmer.234 Sie bewegen sich keineswegs nur auf einer metadiskursiven Ebene, sondern produ-
zieren in ihren Texten, Bildern oder Statements selbst begründungspflichtige Aussagen, die
ihrerseits von Dritten diskursiv in Zweifel gezogen werden können.235
Die von Journalisten im Interesse der sozialen Orientierung geforderte interpretative Ein-
ordnung eines Vorgangs in Diskurszusammenhänge geht weit über eine (hypothetische) reine
Vermittlungsfunktion des Journalismus hinaus. Die Herstellung einer verständigungsorientier-
ten Öffentlichkeit in diesem Sinne erfordert vom Journalisten vor allen Dingen auch Eigenini-
tiative und Eigenleistung, die in den Dogmen des nur vermeintlich neutralen Informations-
vermittlers nicht zu fassen sind.236 Das Freilegen von Begründungen und Motiven für politi-
sches und gesellschaftliches Handeln ist eine der zentralen Aufgaben, die eine journalistische
Diskursethik einfordert. Wallisch sieht darin ein Kriterium für journalistische Qualität:
„Die Qualität des Journalismus darf demnach nicht länger darin liegen, bloß ein Transportmittel für die Über-
legungen anderer zu sein. Der Journalist muß sich emanzipieren, sich und seine Überlegungen stärker in den
Mittelpunkt stellen, letztlich soll Journalismus Kommunikation auf einer Ebene ermöglichen und nicht bloß
Verlautbarungsjournalismus ausüben.”237
Journalisten sind also durchaus zur aktiven Teilnahme an gesellschaftlichen und politischen
Diskursen aufgefordert – indem sie einerseits selbst ihre Stimme erheben und andererseits in
einer Art der ‚Quelleninterpretation‘ auf die Suche nach Begründungen und Motiven für
Absichten und Handlungen anderer gehen.238 Dazu gehört unter Umständen auch die bewuss-
te Inszenierung von öffentlichen Diskursen für diejenigen Publika, die ansonsten durch
234 Brosda 2000a. Am deutlichsten wird das sicherlich in der Darstellungsform Interview (vgl. Friedrichs/Schwinges
1999): Hier interagiert ein Journalist direkt mit einer anderen Person. Zunächst gelten hier die üblichen Dis-
kursregeln, allerdings müssen die meisten Interviews, v.a. in Talkshows, als inszenierte Diskurse gesehen wer-
den, die einer strategischen Kommunikationshaltung verpflichtet sind (vgl. die Beiträge in Tenscher/Schicha
2002). Ein anderes Beispiel für diskursives Handelns im Journalismus ist der Kommentar, in dem Journalisten ein
„ausdrückliches Mandat zu öffentlicher Meinungsäußerung“ erhalten (Eilders/Neidhardt/Pfetsch 1997, S.
179). Sie präsentieren sich in der expliziten Darstellung ihrer eigenen Einschätzung des Handelns anderer als
eigenständige Akteure im öffentlichen Diskurs. Während der Journalist im Interview in erster Linie in Mikrozu-
sammenhängen an einem direkten interpersonalen Diskurs teilnimmt, partizipiert der Kommentator direkt und
explizit in einem größeren, bisweilen gesellschaftsweiten Diskurszusammenhang (vgl. Eil-
ders/Neidhardt/Pfetsch 2004). Viele weitere diskursive Anschlussmöglichkeiten sind alltäglich: Bei der Recher-
che sind Journalisten z.B. auf interpersonale Gespräche angewiesen. Und Rezipienten ziehen journalistische Be-
richte als Grundlage für Anschlussdiskurse in der Lebenswelt heran.
235 Diese Erschütterung der Annahme eines privilegierten journalistischen Kommunikationsstatus ist eine der
konstitutiven Annahmen einer integrativen Sicht auf Journalismus (vgl. Lünenborg 2005a, S. 216ff.).
236 Solche Entwicklungen werden durch äußere Ereignisse befördert. So beobachten Ludes/Staab/Schütte (1997,
S. 143) in den USA nach Vietnam-Krieg und Watergate-Skandal, dass „[…] das Ideal der neutralen Informati-
onsvermittlung durch das Konzept des kritisch-interpretativen Nachrichtenjournalismus ersetzt worden” ist.
237 Wallisch 1995, S. 180
238 Eine Tendenz zu einem solchen Journalismus lässt sich heutzutage in dem sich politisierenden Kulturjourna-
lismus finden, der dezidiert seine kommunikativen Spielräume auch in der Analyse politischer Vorgänge nutzt
(vgl. Reus/Harden 2005; Haller 2003).
356 VI Diskursive Öffentlichkeit – diskursiver Journalismus
klassische Berichterstattung nicht erreichbar wären.239 Rager und Rinsdorf konstatieren, dass
Journalismus durch entsprechende wirkungskalkulierte Aufbereitungen, die dazu dienen, die
Vermittlungs- und Rezeptionschancen kommunikativ rationaler Auseinandersetzungen zu
erhöhen, als „eine Art Katalysator“ für gesellschaftliche Debatten wirken kann.240 Eine rein
‚faktenorientierte‘ Berichterstattung gehe oftmals an den Bedürfnissen des Publikums vorbei,
während kommunikativere (auch unterhaltendere Formate) die Verständnis- und damit auch
die Verständigungshürden absenken und so gesellschaftliche Anschlussdiskurse stimulieren
können.241 Eine strategische Komponente tritt hier neben die journalistische Kommunikativi-
tät – nicht an ihre Stelle –, um die für das Zustandekommen eines journalistischen, kommuni-
kativen Verständigungsprozesses notwendige Formatangemessenheit zu gewährleisten.242
Diese verschiedenen Facetten kann eine diskursiv fundierte Medien- und Journalismusethik
behandeln: Da die Diskursethik ihren Fokus weniger auf den Vorgang des Einklagens von
Rechten als vielmehr auf das Procedere ihrer gemeinschaftlichen Entwicklung durch die
Betroffenen legt, ist sie schließlich auch der Versuch einer Antwort auf das Problem, „[…] daß
in einer fragmentierten und sich enorm beschleunigt verändernden Medienwelt Werte immer
aufs neue in einem Konsensprinzip entwickelt werden müssen“, wie Thomaß schreibt.243 Für
eine Medien- bzw. Journalismusethik ist diese Erweiterung des ethischen Fokus bei gleichzeiti-
ger Spezifizierung der Perspektive eine besondere Chance, wenngleich die Diskursethik inner-
halb der Kommunikationswissenschaft eine „durchaus widersprüchliche Aufnahme“ hat
erfahren müssen244:
„Eine diskurstheoretisch begründete Medienethik lässt sich von der normativen Programmatik öffentlicher Kommu-
nikation leiten. In kritischer Auseinandersetzung mit den Sozialwissenschaften rekonstruiert sie Gefährdungen
und Bedingungen für die Möglichkeiten verständigungsorientierter Kommunikation in modernen Gesell-
schaften.“245
Dabei, so Loretan weiter, besteht sie – auch gegen die Dominanz wirtschaftlicher Erwägungen
in Medien und Medienpolitik – auf dem „Zielwert verständigungsorientierter öffentlicher
Kommunikation“246; schließlich hängt die weitere Entwicklung der Möglichkeiten einer durch
Journalismus symbolisch und durch Massenmedien materiell getragenen deliberativen Öffent-
lichkeit wesentlich davon ab, wie sich die Rollenträger in Politik, Medienunternehmen und
journalistischen Redaktionen verhalten. Besonders Journalisten und Politiker tragen als die
„Professionellen der kommunikativen Macht“247 in ihrem Handeln Verantwortung dafür, dass
sich kommunikative Rationalität gegenüber zweckrationalen Erwägungen behaupten kann.
Neben thematischer Sach- und journalistisch-methodischer Fachkompetenz ist in diesem
Zusammenhang vor allem die bereits in Kapitel IV beschriebene allgemeine kommunikative
Kompetenz der Journalisten gefragt.
239 Vgl. entsprechende Ergebnisse zur Rezeptionswirkung unterschiedlicher Vermittlungsformate in der Studie
von Rager/Rinsdorf 2002c.
240 Rager/Rinsdorf 2002a, S. 50
241 Ähnlich auch Pätzold (1999, S. 158) mit Blick auf die Reportage: „Die Ästhetik der Reportage stärkt die
Information. Das ist ihre Leistung in einer Zeit unbegrenzter Beliebigkeiten medialer Vermittlungen.“
242 Vgl. Rager/Rinsdorf 2002a, S. 56
243 Thomaß 2000, S. 359f.
244 Ebd., S. 361
245 Loretan 1999, S. 157
246 Ebd., S. 179
247 Loretan 1996, S. 39
5 Handlungsbedarf II: Die politische Herausforderung der systemischen Massenmedien 357
Eine diskursethisch fundierte Journalismusethik wird somit nicht von außen durch das
Mediensystem hindurch appliziert, sondern in die systemisch gerahmten journalistischen
Handlungsprozesse hineingetragen, indem sie direkt an der Vitalisierung der originären Kom-
munikativität des journalistischen Handelns ansetzt. Die Diskursethik leistet diese Aufgabe,
indem sie auf die der kommunikativen Interaktion immanenten kontrafaktischen Rationalitäts-
unterstellungen setzt, die für das Gelingen von Verständigung unabdingbar sind und deshalb
auch als ethische Maßstäbe begriffen werden können.248
„Indem Medienethik Dimensionen ethischer Verantwortung der beteiligten Rollenträgerinnen und -träger
herausstellt, leistet sie einen Beitrag zur Sensibilisierung der normativen und kommunikativen Kompetenz der
Betroffenen. Gegen überfordernde Moralisierungen nimmt sie umgekehrt Journalistinnen und Journalisten in
Schutz, wenn diese aus strukturellen Gründen nicht ethisch handeln können. Konflikte publizistischen Han-
delns werden im Horizont einer diskursethischen Argumentation als komplexe Situationen verstanden, in de-
ren Strukturen bereits widersprüchliche normative Erwartungen eingegangen sind.“249
248 Baum und Scholl (2000, S. 98) haben darauf aufmerksam gemacht, dass sich diesbezüglich zwischen der
diskurstheoretischen und der konstruktivistischen Begründung einer journalistischen Ethik – trotz aller Unter-
schiede in den theoretischen Ausgangspunkten – deutliche Gemeinsamkeiten feststellen lassen: Beide versu-
chen, Maßstäbe für einen guten Journalismus im Journalismus selbst anzusiedeln. Während der Konstruktivis-
mus dazu vornehmlich auf reflexive Selbststeuerung kognitiv autonomer individueller Beobachter setzt, geht
die Diskurstheorie vom formalpragmatisch bestimmten, intersubjektiv-kommunikativen Austausch, vom Dis-
kurs, aus: „Im Unterschied zu den externen Steuerungsabsichten von Politikern oder wissenschaftlich (und po-
litisch) unterstützten Media Watch Institutionen setzen der Konstruktivismus auf die ethisch-reflexive Selbst-
steuerung des Systems und die Diskurstheorie auf den moralisch-praktischen Diskurs der Beteiligten und Be-
troffenen. Beide Theorieangebote eint die Skepsis gegenüber Ansätzen, die ethische Verstöße durch Sanktionen
verhindern wollen, obwohl sie unterschiedlich optimistisch sind, was die sanktionsfreie Durchsetzung des ethi-
schen Reflexionspotenzials angeht.“ (ebd., S. 106)
249 Loretan 2002, S. 287
250 Baum/Scholl 2000, S. 98
358 VI Diskursive Öffentlichkeit – diskursiver Journalismus
tion nicht erfüllt.251 Eine erfolgreiche Steuerung durch medienethische Reflexion basiert auf
„Freiwilligkeit, entgegenkommenden sozialen Strukturen und langfristigen Stabilisierungspro-
zessen“, wie Debatin betont.252 Der sich aus diesem Voraussetzungsreichtum ergebende
interne und indirekte Charakter medienethischer Steuerung reicht u.U. zur Koordination
journalistischer Berufsnormen aus, ist aber zu schwach, um allein auch gegenüber den organi-
satorischen oder systemischen Rahmenbedingungen der Massenmedien wirksam zu sein.
Ein Massenmediensystem stellt ein „festgefügtes Ensemble eigener Strukturgesetzlichkei-
ten“253 dar, das politisch, wirtschaftlich oder auch gesellschaftlich geprägt wird. Seine Entwick-
lung ist pfadabhängig, so dass einmal getroffene Grundsatzentscheidungen nicht einfach
rückgängig zu machen sind, sondern Folgeprozesse und -institutionalisierungen bestimmen.254
Es bedarf institutioneller Vorkehrungen, zum Beispiel in Form eines angemessenen Regula-
tionsrahmens, damit die Massenmedien im Sinne ihrer gesellschaftlich relevanten Aufgaben –
wie Information oder Orientierung – funktionieren.255 Diese Vorkehrungen können auch dazu
dienen, das stets prekäre Verhältnis zwischen öffentlichen und privaten Interessen im Medien-
bereich, das zunehmend in Richtung ökonomischer Imperative zu kippen droht, in Balance zu
halten.256
„Die Funktion der Medien, und damit auch die Ausdifferenzierung des Mediensystems, müssen durch politi-
sche Steuerung gesichert bzw. erst geschaffen werden […].“257
Die Idee der Steuerung der Massenmedien geht davon aus, dass in einem arbeitsteiligen
Prozess die institutionellen Rahmenbedingungen, unter denen Journalisten und Medien operie-
ren, beeinflussbar sind, auch wenn zugleich funktionale Teilsysteme als Orientierungshorizonte
diese Möglichkeiten sozial begrenzen.258 ‚Kommunikationspolitik‘ kann daher nach Ronneber-
ger als „die mehr oder minder verbindliche Regelung von Kommunikationsverhältnissen,
vornehmlich im Bereich der öffentlichen Kommunikation“ verstanden werden.259 Sie ist ein
„geplantes und zielorientiertes Handeln zur Durchsetzung oder zur Schaffung oder Einhaltung
von Normen im Bereich der Information und Kommunikation im öffentlichen oder im
eigenen Interesse“.260 Dabei gewährleistet sie politischen Einfluss auf die Massenmedien und
begrenzt diesen zugleich.261
251 Glotz 1965, S. 23. Wie früh das der Fall ist, zeigen die von Roegele (1965) und Lerg/Steininger (1975) zusam-
mengetragenen kommunikationspolitischen Dokumente.
252 Debatin 1997, S. 301
253 Kopper 1992, S. 71
254 Vgl. Jarren 2002
255 Vgl. Branahl 1992, S. 86. Bezogen auf das Rundfunksystem konstatiert Donges (2002, S. 278), „[…] dass
Publizistik als teilsystemischer Orientierungshorizont […] zu ‚schwach‘ ist, um gegenüber den anderen Hand-
lungsorientierungen zu bestehen und daher erhalten, abgesichert und ggf. ausgebaut werden muss. Ziel politi-
scher Steuerung ist daher mit anderen Worten die Absicherung der funktionalen Differenzierung des Rund-
funksystems, die in akteurtheoretischer Sicht ja auf das Handeln von Akteuren (und nicht auf evolutionäre Pro-
zesse wie in der systemtheoretischen Argumentation) zurückgeführt wird.“
256 So im öffentlich sehr kontrovers diskutierten Fall Berliner Zeitung vs. Montgomery aus 2005 (vgl. Roether
2005 sowie die Dokumentationen und Beiträge in epd medien, Nr. 83 vom 22.10.2005).
257 Jarren/Donges 2004, S. 47f.; vgl. zur Einführung in die Steuerungs- und Regulierungsdebatte: Donges 2002, S.
65ff.
258 Vgl. Donges 2002, S. 111
259 Ronneberger 1978b, S. 93
260 Tonnemacher 2003, S. 21
261 Vgl. Vowe 2003b, S. 112
5 Handlungsbedarf II: Die politische Herausforderung der systemischen Massenmedien 359
Mit der Schaffung einer positiven, rechtlich gesicherten Ordnung, der staatlich-politischen
Intervention bei Marktversagen, dem ökonomischen Marktmodell und dem Modell der unter-
nehmerischen (Selbst-)Verantwortung können klassisch vier grundlegende kommunikationspo-
litische Ordnungsmodelle unterschieden werden.265
(1) Rechtliche Steuerung: Klassische kommunikationspolitische Modelle betonen die ord-
nungspolitisch fokussierte und auf rechtlicher Normierung basierende Gestaltung der Medien-
ordnung, in der das formale Recht und die Rechtssprechung eine erhebliche Bedeutung
besitzen.266 In einzelnen Steuerungsbereichen ist eine „Verrechtlichung der Kommunikations-
politik“267 zu konstatieren, die Ausdruck einer weitgehend demokratischen Zielen folgenden
Ausgestaltung des Mediensystems ist.268 Das Recht erfüllt die Aufgabe, einen grundlegenden
kommunikationspolitischen Ordnungsbedarf zu befriedigen. Diese wird erbracht durch
„Vorgaben für die inhaltliche Gestaltung der Massenmedien (Inhaltsnormen), ihre Organisati-
on (Organisationsnormen) und die Regelung der Rahmenbedingungen […], unter denen sie
arbeiten“.269 Abgesehen von grundsätzlichen Entscheidungen über die Verfassung der Kom-
munikationsordnung fungieren rechtliche Normen in der Regel als Schrankennormen für die
Medienfreiheit, indem sie „in erster Linie dem Schutz der Allgemeinheit (Staatsschutz, Jugend-
schutz, Schutz des inneren Friedens) und der Wahrung der Rechte Dritter (Ehrenschutz,
Relevanz ist.290 Insbesondere das Postulat medialer Vielfalt ist bis heute eine der zentralen
Leitideen kommunikationspolitischer Überlegungen.291
„Publizistische Vielfalt ist kein Selbstzweck. Sie hat eine ‚dienende‘ Funktion: Sie dient dem Prozeß der de-
mokratischen Meinungs- und Willensbildung. Das theoretische Konzept, das den Forderungen nach publizis-
tischer Vielfalt zugrunde liegt, ist der Pluralismus […].“292
Vielfalt dient laut Rager und Weber der demokratischen Meinungs- und Willensbildung; sie
bedeutet, dass die im gesellschaftlichen Gespräch vertretenen Meinungen und Informationen
in möglichst großer Bandbreite weiter vermittelt werden, und kann sowohl durch die (markt-
wirtschaftliche) Gestaltung einer breiten Medienkonkurrenz (Außenpluralität) als auch durch
Programmvorgaben (Binnenpluralität) politisch gesichert werden.293 Die Durchsetzung dieser
Norm wird nicht zuletzt dadurch kompliziert, dass sie kaum präzise formulierbar ist, sondern
meist nur relativ konkretisiert werden kann – zum Beispiel als „ein Angebot, das in unter-
schiedlichen Marktsegmenten der Massenmedien größtmögliche Vielzahl und Unterschiedlich-
keit von Informationen und Meinungen repräsentiert“.294
Generell sind Kommunikations- und medienpolitische Konzeptionen in Demokratien, die
Medienfreiheit als Unabhängigkeit vom Staat konzipieren, mit einem „Legitimationsdefizit“295
oder zumindest mit „knappen Legitimationsressourcen“296 belastet. Staatliche Medienpolitik
befindet sich in der paradoxen Situation, durch staatliche Eingriffe in das Mediensystem eben
dessen Freiheit auch von staatlichen Eingriffen zu gewährleisten. Ein Umstand, der zu dem
Diktum „Die beste Medienpolitik ist gar keine Medienpolitik“297 geführt hat und der sich
regelmäßig in der nur beschränkten Umsetzbarkeit von Steuerungsversuchen ausdrückt –
umso mehr seit die Vorstellung eines steuernden Staates als politisches Leitbild unter Druck
geraten ist und viele ehemals staatlich oder gesellschaftlich regulierte Bereiche privatisiert
werden. Im Gegenzug ist von medienkritischer Seite schon früh eine ‚Medienpolitik von unten‘
gefordert worden, die Aussicht auf Erfolg besitze, weil ihre Diskussionen außerhalb der
Massenmedien stattfänden.298 Richtig daran ist, dass medienpolitische Interventionsversuche
heutzutage ohne gesellschaftliche Zustimmung kaum Aussicht auf Erfolg besitzen, weil Staat
290 Schon Siebert, Peterson und Schramm (1963) haben darauf hingewiesen, dass die Ausgestaltung des Mediensys-
tems eng mit gesellschaftlichen Leitbildern verwoben ist und autoritäre, libertäre, soziale und kommunistische
Gesellschaften deshalb je eigene Medienverfassungen ausgeprägt haben.
291 Vgl. dazu Rager 1982, S. 3ff. Kopper (1992, S. 50) kritisiert, dass das „Vielfalts-Paradigma“ nicht nur als
„Fundament der kommunikationspolitischen Auseinandersetzungen“ fungiere, sondern „im Kern eine Art Er-
satz- oder auch Pseudotheorie für die operative Seite der öffentlichen Kommunikation“ bilde. Vgl. zum Viel-
faltsbegriff aus ökonomischer Sicht auch Heinrich 1994, S. 105ff.
292 Rager/Weber 1992b, S. 8
293 Vgl. Rager/Weber 1992b, S. 8ff.. Das außenplurale Vielfaltspostulat geht davon aus, dass Vielfalt am besten
durch „freie Marktkonkurrenz“ garantiert werden kann (Saxer 1992, S. 111). Das binnenplurale Vielfaltspostu-
lat ist in der Bundesrepublik vor allem rechtlich durch die Rundfunkurteile des Bundesverfassungsgerichts aus-
formuliert worden (vgl. Branahl 1992, S. 91).
294 Rager/Weber 1992b, S. 10. Empirisch lässt sich feststellen, dass Medienpolitik hinsichtlich der Vielfaltssiche-
rung wenig erfolgreich gewesen ist (vgl. Jarren 1996b). Saxer (1998a, S. 44) nennt die chronische Schwäche der
Linkspresse und die Pressekonzentration als maßgebliche Probleme bei der Etablierung eines pluralistischen
Medienmarktes. Rager/Weber (1992b, S. 14ff.) regen daher an, die auf Binnenpluralismus zielenden Konzepte
des Rundfunks teilweise auf den Printsektor zu übertragen.
295 Saxer 1993c, S. 6. Auch Ronneberger (1978b, S. 89) spricht „Legitimationsprobleme der K-Pol“ an.
296 Saxer 1992, S. 114
297 Johannes Groß: Medienpolitik. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 8.12.1971, S. 1, zit.n. Rühl 1985a, S.
305
298 Vgl. Fabris 1976, S. 44
5 Handlungsbedarf II: Die politische Herausforderung der systemischen Massenmedien 363
299 Jarren 1996b, S. 207. Die Möglichkeit der Kontrolle der Marktkräfte nimmt zunehmend ab (vgl. Meier 2004, S.
4). Ein „politischer Steuerungsverlust“ (Jarren/Donges 2004, S. 52) ist empirisch feststellbar.
300 Jarren/Donges 2004, S. 55. Jarren (1994, S. 115) beklagt das Fehlen von „theoretisch begründeten Leitbildern
oder Leitideen für die Entwicklung des Mediensystems“. Ein Grund dafür ist, dass eine wissenschaftliche
Kommunikationspolitik, von der diesbezügliche Anregungen zu erwarten gewesen wären, lange Zeit als emer-
gierendes eigenständiges Fachfeld nicht vollständig etabliert war, sondern sich zwischen verschiedenen ideolo-
gischen Polen bewegte (vgl. Rühl 1985a). Schon 1973 forderte Rühl eine systemisch begründete wissenschaftli-
che Kommunikationspolitik, die effektiv der Entwicklung angemessener kommunikativer Rahmenbedingungen
der öffentlichen Kommunikation dient und Probleme weder schlicht auf Gewinnstreben reduziert, noch sie
durch rhetorische Besänftigungen verharmlost. Er beklagte damals vor allem „Umgangssprache und Rechts-
normativismus“ als zentrale Probleme der frühen Fachentwürfe (Rühl 1973, S. 6).
301 Vgl. Jarren 1994, S. 116
302 Vgl. Jarren 1996b, S. 212f. Die „strukturelle Garantierung publizistischer Vielfalt“ (Saxer 1992, S. 126) ist in
dieser Hinsicht viel versprechender als zum Beispiel inhaltliche Vorgaben.
303 Medienpolitisch werden zahlreiche Instrumente ausprobiert, um dem Steuerungsbedarf gerecht zu werden.
Dazu zählen Pilotprojekte ebenso wie zeitlich befristete Regelungen, prinzipielle Grundsatzentscheidungen
oder die Einrichtungen von Kommissionen zur Verhandlung oder Evaluation (vgl. Jarren 1994, S. 116).
304 Vgl. Donges 2002, S. 184f. u. 278
305 Vgl. Heinrich 1999, S. 258f.
364 VI Diskursive Öffentlichkeit – diskursiver Journalismus
Mit der Herausnahme der meritorischen und öffentlichen Medieninformation aus der reinen
Marktsteuerung würde nicht zuletzt der Einsicht Rechnung getragen, dass sich die in moder-
nen Demokratien für Meinungs- und Willensbildungsprozesse zentralen publizistische Viel-
faltspostulate in einer von ökonomischen Codes geprägten Umwelt nur schwer durchsetzen.
Durch die für solch ein Vorhaben konstitutiven prozeduralen Maßnahmen werden „neue
Wege der Verbindung von Selbständigkeit und Fremdverpflichtetheit“ beschreibbar, die Saxer
bereits vor einem Vierteljahrhundert von den Steuerungsversuchen der Kommunikations- und
Medienpolitik gefordert hat.306
• die Fundierung von Steuerung und Koordination auf einer institutionalisierten Kombina-
tion unterschiedlicher Regelsysteme wie Markt, Hierarchie, Mehrheitsregel, Verhandlungs-
regeln u.ä.;
• die Etablierung von Interaktionsmustern und Modi kollektiven Handelns im Rahmen von
Institutionen wie politischen Netzwerken, Vertragsbeziehungen oder wettbewerbsbeding-
ter Anpassung;
• das Überschreiten von Organisationsgrenzen durch die verschiedenen ‚Governance‘-
Mechanismen mit dem Ziel eines kooperativen Zusammenwirkens von ‚Insidern‘ und
‚Outsidern‘ in der politisch-gesellschaftlichen Steuerung.
Kern von ‚Governance‘ im kooperativen Staat ist die Etablierung so genannter „Politiknetz-
werke“, in denen der Staat zwar Erster unter Gleichen ist, aber in Verhandlungen zwischen
den Repräsentanten unterschiedlichster staatlicher, politischer, gesellschaftlicher oder privater
Akteure kein alleiniges Steuerungsprimat mehr besitzt.314 ‚Governance‘-Konzepte betonen
insbesondere „die gewachsene Bedeutung von Verhandlungen und Verhandlungssystemen für
die Entwicklung und Implementation von Politik im kollektiven Interesse“.315 Staat muss dabei
nicht notwendigerweise an Macht verlieren, sondern kann durch die Umstellung von Hierar-
chie auf Heterarchie sogar neue Gestaltungsmöglichkeiten gewinnen.316
Zunehmend werden auch in medienpolitischen Konzepten die Möglichkeiten einer Steue-
rung der Massenmedien auf der Grundlage von ‚Governance‘-Konzeptionen diskutiert. Vor
allem Jarren und Donges haben Vorschläge unterbreitet, die auf verhandlungsbasierte Steue-
rungsmodelle abstellen.317 Ihnen geht es um einen Regulierungsansatz, der vor allem auf eine
„Regulation der Verfahren“ sowie auf „flexible Netzwerkstrukturen“ setzt, in denen medien-
politische Entscheidungen getroffen und umgesetzt werden.318 Dazu ist der Ausbau jener
intermediären Organisationen notwendig, die das Zentrum des politisch-administrativen
Systems mit seiner zivilgesellschaftlichen Peripherie verbinden, da zivilgesellschaftliche Akteure
an den Massenmedien und ihrer Ausgestaltung nach wie vor nicht ausreichend partizipieren.
Es müssen Akteure etabliert und gefördert werden, die in der Lage sind, mögliche Steuerungs-
bedarfe zu artikulieren, um auf dieser Basis dem politisch-administrativen System – sei es in
Verhandlungen, sei es administrativ – zu ermöglichen, Steuerungsprozesse anzustoßen, ohne
dadurch die verfassungsrechtlich garantierte Medienfreiheit zu gefährden. Zu derartigen
Akteuren gehören vor allem solche Organisationen, welche die Interessen des Medienpubli-
kums, das aus sich selbst heraus keinen eigenständigen Status als Kollektivakteur entwickeln
kann, eine Stimme geben können.319 Jarren und Donges schlagen ein „Mehrebenen-Akteur-
Modell“ vor, in dem die vorhandenen Aspekte einer ‚Media Governance‘ nach Akteuren,
Regelungsbereichen und -mechanismen differenziert werden:320
• Handlungsebene 1: Steuerung durch staatliche Instanzen und politische Akteure, die
ordnungspolitische und medienstrukturelle Probleme behandeln;
Diese Aushandlungs- oder Diskursprozesse lassen sich kaum inhaltlich im Sinne einer leistungsbe-
zogenen Steuerung normieren: Erstens kann heutzutage kaum mehr davon ausgegangen werden,
dass alle Anforderungen an das Mediensystem tatsächlich erfassbar sind; zweitens sind die
bereits bekannten Anforderungen in der Regel so widersprüchlich, dass sie sich kaum in
qualitative Gebote übersetzen lassen, und drittens können die Sanktionsnotwendigkeiten für
den Fall der Nichteinhaltung solcher Gebote ein prekäres Einfallstor für parteipolitische
Machtinteressen darstellen.324 Formale Vorgaben im Sinne einer prozessorientierten Steuerung
müssen daher genügen, damit die beteiligten Akteure auf fairen Wegen zu gemeinsamen
Ergebnissen gelangen können, ohne dass soziale oder politische Macht jede Verhandlung a
priori überflüssig machen. Dazu können Verfahrensrichtlinien genauso wie Partizipationsvor-
schriften oder Evaluationsprozesse beitragen.325 Solche prozessorientierte Steuerung ist – wie
ein deliberatives Demokratiemodell verdeutlicht – nicht gleichzusetzen mit schwacher Steue-
rung, sondern kann sehr wohl auch weitreichende, aber dabei formale Vorgaben bedeuten, die
auf indirekte Verhaltensregeln statt auf direkte Qualitätsvorschriften zielen.326 Diese prozedu-
ralen Regeln betreffen die Beziehungen zwischen politischen Organisationen und Medienorga-
nisationen in der allgemeinen Öffentlichkeit, die Austauschverhältnisse auf medienwirtschaftli-
chen Märkten und die Beziehungen innerhalb der jeweiligen Medienorganisationen.327 Jarren
unterscheidet konkret vier Verhandlungszonen, in denen kommunikationspolitisch relevante
Steuerungsfragen behandelt werden, die der prozeduralen Regelung bedürfen:328
321 Hierzu schlagen Jarren und Donges (2000, S. 248ff.) die Etablierung einer unabhängigen „Stiftung Media
Watch“ für die systematische Analyse der Medienentwicklung und die Einrichtung eines Medienrates als allge-
meines Sachverständigengremium vor, um die gesellschaftliche Diskussion mit Informationen zu versorgen
und zugleich eine Instanz zu etablieren, die den Diskurs als institutionelle Vorkehrung stabilisieren und lenken
könnte. In eine ähnliche Richtung gehen Vorschläge für eine „Stiftung Medientest“ (vgl. Krotz 1996). Auch im
‚Bericht zur Lage des Fernsehens für den Präsidenten der Bundesrepublik Deutschland‘ (Groebel u.a. 1995) las-
sen sich Überlegungen finden, die auf die Etablierung entsprechender Diskursvorkehrungen zielen.
322 Vgl. Jarren/Donges 2000, S. 250ff.
323 Jarren 1996b, S. 219
324 Vgl. Donges 2002, S. 284
325 Vgl. ebd., S. 279ff. Die Gestaltung solcher Verhandlungsprozesse ist u.a. Gegenstand entscheidungstheoreti-
scher Modelle, die auf strategische Tauschbeziehungen zwischen den einzelnen Akteuren abstellen (vgl. Vowe
2003a, S 212ff.).
326 Vgl. Donges 2002, S. 279
327 Vgl. Vowe 2003a, S. 216
328 Vgl. Jarren 2002
5 Handlungsbedarf II: Die politische Herausforderung der systemischen Massenmedien 367
Die Trennung von grundsätzlichen, prozeduralen Entscheidungen erster Ordnung und situati-
ven, leistungsbezogenen Entscheidungen zweiter Ordnung trägt der zunächst formalistischen
Ausgestaltung demokratischer politischer Prozesse Rechnung. Sie gewährleistet den Konsens
über die Verfahren, in denen inhaltliche Dissense ausgetragen werden können, und stabilisiert
so selbst bei fundamental unterschiedlichen medien- und kommunikationspolitischen Zielen
den Raum gemeinsamen Handelns.330 Auf diese Differenz stellt Saxer in seiner Unterscheidung
zwischen kommunikationspolitischer Strategie und kommunikationspolitischer Taktik ab, in
der er grundlegende „Entscheidungen über kommunikationspolitische Entscheidungsprämis-
sen“ zur Gestaltung medialer Innovationen (Strategie) von situativen und selektiven „Ent-
scheidungsaktivitäten“ zur Ermöglichung von Intervention (Taktik) trennt.331 Das Primat der
prozeduralen Regulierung gegenüber einer substantiellen Klärung konkreter Problemfragen ist
grundsätzlich die Voraussetzung dafür, „kooperative Entscheidungsformen und -strategien“
mit dem Instrumentarium medienpolitischer Gestaltung zu ermöglichen.332
Damit ist nicht gesagt, dass es nicht auch weiterhin Medienbereiche gibt, die der ordnungs-
und strukturpolitischen Steuerung durch das politisch-administrative System bedürfen. Insbe-
sondere dort, wo Kernfragen ökonomischer Profitorientierung berührt sind, wäre ein allein auf
öffentliche Deliberation abstellendes Konzept diskursiver Steuerung sicherlich zu schwach, um
systemische Macht einzudämmen.333 Aber auch hier gilt, dass sich die Medienstrukturpolitik,
die den Ordnungsrahmen des Mediensystems bestimmt, der öffentlichen Diskussion – und
damit auch zivilgesellschaftlichen Stakeholdern – stellen muss, und im Zweifelsfall dem zwang-
losen Zwang des besseren, im öffentlichen Diskurs dargebrachten Arguments zu folgen hat; so
wie es in Fragen der Medieninhalte schon jetzt üblich ist.334
„Der Diskussion, Begründung und Etablierung von Ordnungsmodellen und Leitbildern kommt unter den
Bedingungen eines raschen Wandels im Informations- und Kommunikationssektor eine gleichsam stabilisie-
rende Funktion zu: politische und ökonomische Akteure wie auch die Gesellschaft werden auf Entwicklungs-
pfade hin orientiert – so indem Normen verhandelt, Ziele partiell vorgegeben und Verhandlungsgegenstände
festgelegt werden.“335
Medienpolitik folgt damit der Einsicht, dass die Gestaltung gesellschaftlicher Kommunikation
niemals nur rechtlich oder wirtschaftlich geschehen kann, sondern allgemeineren, gesellschaft-
lichen und kulturellen Grundsätzen zu folgen hat.336 Die vor dem Hintergrund dieser Feststel-
lung zu klärende Frage ist allerdings, wie die Interessen, die an die Ausgestaltung der Massen-
medien herangetragen werden, in ein vernünftiges und demokratisch legitimierbares Zusam-
menspiel gebracht werden, das in letzter Konsequenz bereits den normativen Anforderungen
an deliberative Öffentlichkeit zu folgen hat, die es selbst gewährleisten soll.
Steuerungsversuche im Sinne einer ‚Media Governance‘ bedürfen somit gesellschaftlicher
Diskurse über Medien und die Qualität ihrer Angebote, zum Beispiel auch in Form eines
etablierten Medienjournalismus337, wenn sie rückgekoppelt sein sollen an die diskursiven
Verfahren einer deliberativen Politik, in die auch zivilgesellschaftliche Akteure eingebunden
sind. Eine medienkritische Öffentlichkeit und Transparenz von Medienstrukturen und -pro-
duktionsbedingungen sind daher unerlässliche Voraussetzungen für Diskurse über die Ver-
fasstheit des Medienangebotes und den daraus folgenden Steuerungsbedarf. Auch Wissen-
schaft kann als ein Akteur wesentliche Beiträge zu dieser ‚Governance‘-Struktur leisten.338
Jarren und Donges schlagen gleich eine ganze Reihe von Modifikationen der bisherigen
medienpolitischen Prozesse vor, die alle in Richtung der Etablierung einer ‚Media Governan-
ce‘-Struktur weisen, ohne diesen Begriff zu verwenden. Sie fordern
• die Etablierung von Verhandlungssystemen mit konkreten Aufträgen,
• die Transparenz von Teilnehmern, Zielen und Ergebnissen dieser Verhandlungssysteme,
Steuerung im Sinne einer ‚Media Governance‘ wird daher nur erfolgreich sein können, wenn
sie auch auf die Resonanz eines diskursiven Journalismus stößt, dessen Handlungsspielräume
sie von außen zu erweitern versucht. Sie korrespondiert daher mit den Instanzen journalisti-
scher Selbstregulierung, ohne formell mit ihnen zu konvergieren. Journalistische Selbstkon-
trollinstanzen sollten nicht mit politischen, ökonomischen oder gesellschaftlichen Akteuren
vermischt werden, sondern zunächst allein die kommunikative Rationalität des Journalismus
zur Geltung kommen lassen.343 Sie sind als kollektive Akteure einzubinden in die beschriebe-
nen Verhandlungsnetzwerke einer modernen ‚Media Governance‘, die der Durchsetzung
gesellschaftlicher Anforderungen an das mediale System Rechnung tragen soll.
Die immanente Reflexivität einer zu entwickelnden Struktur von ‚Media Governance‘ er-
gibt sich also daraus, dass sie letztlich die durch sie herzustellenden Bedingungen bei der
339 Vgl. Jarren/Donges 2000, S. 258. Bereits an anderer Stelle fordert Jarren (1996b, S. 216) eine Optimierung und
Erweiterung der Steuerungsinstrumente in Richtung von Anreizen, Angeboten, Überzeugungen, Information
und Verhandlungen. Und Donges (2002, S. 286) betont: „Neben Recht und Geld kann sich Steuerung auch
stärker als bisher auf Information und Wissen als Medium politischer Steuerung stützen“, z.B. in Form von
Transparenzvorschriften, professioneller Expertise, Forschungsförderung oder Institutionen der Wissensaufbe-
reitung bzw. -vermittlung.
340 Vgl. Mayntz 2004, S. 72
341 Zugleich beinhaltet die Orientierung auf Verhandlungen, an denen die Betroffenen potenziell beteiligt sind,
aber auch eine potenzielle Gefährdung schneller und pragmatischer Regelungserfolge, da durch die Inklusion
Konflikte bereits in den Entscheidungsfindungsprozess hineingeholt werden, die vorher erst in der Implemen-
tationsphase relevant wurden (vgl. Mayntz 2004, S. 73). Die Entscheidungen dürften im Gegenzug stabiler sein.
342 Jarren/Donges 2000, S. 240
343 Vgl. für eine entsprechende Forderung Jarren/Donges 2000, S. 247.
370 VI Diskursive Öffentlichkeit – diskursiver Journalismus
Für die Entwicklung eines diskursiven Journalismusverständnisses ist dabei die immanente
Normativität des deliberativen Modells von entscheidender Bedeutung, weil es Maßstäbe
beschreibt, an denen sich öffentliche Kommunikationsleistungen in ihrer demokratischen
Qualität ausrichten können und die folglich auch eine Richtschnur für die praktische Verbesse-
rung des Journalismus durch eine ausbildende Journalistik bereitstellen.
Die Qualität öffentlicher Kommunikation muss ein gesellschaftliches Anliegen sein. Als
konstitutive Voraussetzungen demokratischer Politik unterliegen Journalismus und Massen-
medien daher auch entweder indirekt (Journalismus) oder direkt (Massenmedien) dem steuern-
den Einfluss politischer Initiativen. Je nachdem ob ein gesellschaftlicher Bereich systemisch
oder lebensweltlich koordiniert wird, dominieren unterschiedliche Regulations- und Steue-
rungsmechanismen und verändern sich die Zutrittsbedingungen zu Öffentlichkeit.
Journalistische Akteure schaffen einen sich selbst regulierenden Kommunikationszusam-
menhang, der lebensweltlicher Kommunikativität und Diskursivität folgt und aus dem profes-
sionelle Berufsnormen erwachsen können, deren Befolgung wiederum die (ethische und
kommunikative) Qualität journalistischer Produkte gewährleisten kann. Die Rahmenbedingun-
gen dieses journalistischen Diskurses können politisch geschaffen werden, eine direkte Inter-
vention systemischer Logik hingegen wäre – auch unter Verweis auf ein höheres Gemeinwohl
schen Prozesses steht auch hier die Etablierung von Verfahren im Vordergrund, in deren
Vollzug die konkrete Ausgestaltung des Mediensystems behandelt werden kann.
Das Diskursprinzip ist somit sowohl in der Selbstregulierung journalistischer Akteure als
auch im breiteren gesellschaftlichen Diskurs der Kommunikations- und Medienpolitik die
letztlich ausschlaggebende formale Norm. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass
die politische Gestaltung der Bedingungen von Öffentlichkeit immer auch an die Grundlagen
von Politik selbst rührt und daher keiner der beteiligten Akteure (auch nicht das politisch-
administrative System) über ein Letztentscheidungsrecht in grundsätzlichen Fragen der journa-
listisch-medialen Verfassung verfügen kann. Wie von Habermas beschrieben, fungiert auch
hier das Recht als Transmissionsriemen für lebensweltliche Anforderungen an gesellschaftliche
Konstitutionsbedingungen. Diskursiver Journalismus ist selbst ein Teilnehmer an den Diskur-
sen über seine systemisch-materiellen Grundlagen. Wahrnehmen können wird er diese Chance
aber nur dann, wenn er sich selbst seine kommunikativen Grundlagen erhält. Ein diskursiver
Journalismus ist Voraussetzung und Resultat einer diskursiven Öffentlichkeit, da seine institu-
tionellen Rahmenbedingungen wiederum in deliberativen politischen Prozessen einer umfas-
senden ‚Media Governance‘ bestimmt werden, für die eine diskursive Ausgestaltung von
Öffentlichkeit und eine freiheitliche Deliberation konstitutiv sind. Es ist letztlich auch eine
Aufgabe zivilgesellschaftlicher Akteure, einem diskursiven Journalismus die Breschen ins
Mediensystem zu schlagen, die er benötigt, damit er gesellschaftlich nutzbringend sein kann.
Die Etablierung einer universitären Journalistik gehört zu solch einem Programm dazu.
VII Fazit und Ausblick
1 Zusammenfassung
Als praxisbezogene Wissenschaft steht die Journalistik vor der Aufgabe, ein Verständnis ihres
Untersuchungsgegenstandes zu formulieren, das einen Dialog mit der Praxis ebenso ermög-
licht wie die Verwirklichung kritisch-emanzipatorischer Potenziale. Der Blick auf die derzeit im
Fach diskutierten journalismustheoretischen Entwürfe offenbart allerdings bisweilen ein derart
hohes Abstraktionsniveau und eine derart weitreichende Abstinenz gegenüber der Begründung
normativer Anforderungen, dass die der Journalistik zunächst immanenten Versprechen nur
mehr selten eingelöst werden können. Mittlerweile wird daher versucht, die Kluft zwischen den
„zwei Kulturen“ (Haller) ‚praktischer Journalismus‘ und ‚wissenschaftliche Journalistik‘ da-
durch zu verkleinern, dass integrativ akteurs- und systemtheoretische Überlegungen zusam-
mengeführt werden, um sowohl den Anforderungen praktischer Verwertbarkeit als auch
wissenschaftlicher Theoriefortbildung zu genügen. Dabei überwiegen mal systemtheoretische
Argumentationsfiguren, die den journalistischen Akteur in systemischen Zwängen buchstäblich
eingeschlossen sehen, und mal strukturierungstheoretische Annahmen, die einen rekursiven
Prozess zwischen Akteurshandeln und sozialer Strukturierung bzw. Systembildung beschrei-
ben. Mit der vorliegenden Arbeit soll ein Journalismus-Verständnis begründet werden, das
anschlussfähig ist
• an die handlungsorientierten Annahmen journalistischer Praktiker,
• an die systemtheoretischen Überlegungen der kommunikationswissenschaftlichen Journa-
lismusforschung,
• an die normativ-praktischen und kritisch-emanzipatorischen Potenziale der Journalistik
und nicht zuletzt auch
• an die gesellschafts- und demokratietheoretisch relevanten Überlegungen einer kommuni-
kationstheoretisch fundierten ‚kritischen‘ Gesellschaftstheorie.
Zunächst sind dazu vorbereitend mögliche alternative wissenschaftstheoretische Fundamente
der universitären Journalistik besichtigt worden, die sich als Wissenschaft des Journalismus
sowohl der Erforschung des Journalismus als auch der Ausbildung künftiger journalistischer
Praktiker verpflichtet sieht. Hier ist die Möglichkeit einer produktiven Auseinandersetzung
zwischen Wissenschaft und Praxis und die theoretische Unhintergehbarkeit eines von beiden
geteilten lebensweltlichen Raumes betont worden. Sozialwissenschaftler, auch Journalistikfor-
scher, sind immer schon in die sozialen Zusammenhänge eingebunden, die sie untersuchen.
Diese Annahme macht einen reinen Beobachterstatus, wie er epistemologisch bisweilen
angenommen wird, konzeptionell nicht mehr möglich, sondern zwingt zum Abbau künstlich
errichteter Barrieren zwischen Wissenschaft und Journalismus. Eine privilegierte wissenschaft-
liche Erkenntnisposition ist nicht mehr konzipierbar und damit auch keine gegenüber der
Praxis hervorgehobene Stellung wissenschaftlich-theoretischer Befunde. Eingebunden in
374 VII Fazit und Ausblick
Geltungsansprüchen, das oft von Journalisten selbst vorgenommen wird, wieder prekär
werden kann.
Die Handlungsräume eines solchen diskursiven Journalismus müssen medial ermöglicht
werden. Dazu ist es notwendig, dass Medien – anders als Journalismus – einem gesellschaftli-
chen Steuerungsprozess unterworfen werden. Es ist dargestellt worden, dass diese ‚Media
Governance‘ in ausdifferenzierten Gesellschaften weder allein ökonomisch noch politisch-
administrativ geleistet werden, sondern ebenfalls diskursiven Maßstäben folgt, weil sonst
systemische Kolonialisierungsfolgen auf Journalismus durchgreifen würden. Notwendig ist
heutzutage – auch jenseits der öffentlich-rechtlichen Organisationsform – eine ebenso kom-
plexe wie spezifisch ausdifferenzierte Steuerungs- und Regelungsstruktur, in der auch gesell-
schaftliche und zivilgesellschaftliche Akteure beteiligt sind, um die ‚Interessen‘ einer deliberati-
ven Öffentlichkeit angemessen zu vertreten. Auch ein diskursiver Journalismus selbst ist im
Rahmen einer solchen reflexiven Struktur, zum Beispiel in Form eines redaktionell etablierten
Medienjournalismus, an der Ausgestaltung seiner eigenen Rahmenbedingungen beteiligt.
Während Journalismus also – abgesehen von den üblichen rechtlichen Grenzen, die aus dem
Konflikt mit anderen Rechtsgütern erwachsen – der Selbststeuerung durch radikalisierte
Kommunikativität in Selbstkontrollorganen, Berufsverbänden, Redaktionen etc. überlassen
bleiben sollte, stehen Gesellschaften vor der Aufgabe, die Verfasstheit von Rahmenbedingun-
gen und Inhalten ihrer Mediensysteme aktiv zu gestalten, um den Journalismus, den sie zur
Aufrechterhaltung deliberativer Demokratie benötigen, weiter zu ermöglichen. Die grundsätz-
lich unterschiedlichen Charakteristika des journalistischen Handelns und der systemischen
Massenmedien sind in der folgenden Tabelle noch einmal summarisch zusammengefasst.
gesellschaftstheoretische
Lebenswelt System
Verortung
maßgeblicher Handlungstypus soziale Interaktion Arbeit
Rationalitätsmodus kommunikativ instrumentell / zweckrational
Zielorientierung verständigungsorientiert zweckorientiert
Reproduktion Reproduktion
gesellschaftliche Leistung
symbolischer Ressourcen materieller Ressourcen
Generierung von
kommunikative Koordinierung Berichterstattung unter
Aufgabe / Funktion gesamtgesellschaftlichen Maßgabe kommerzieller
Handelns Verwertungs- und Profitinte-
ressen
symbolisch generalisierte
Koordinierungsmechanismus (ethische) Diskurse
Steuerungsmedien
Legitimationsgrundlage Konsens Effizienz
2 Merkmale eines diskursiven Journalismus 377
ration in einem zweifachen Sinne: Zum einen können Journalisten stellvertretend für ihr
Publikum die Akzeptabilität erhobener Geltungsansprüche prüfen bzw. die Informationen
herbeiholen, die eine solche Prüfung durch das Publikum ermöglichen. Zum anderen haben sie
die Möglichkeit, auch diejenigen Stimmen in einen zumindest partiell vermachteten Diskurs
einzuführen, denen aus eigener Kraft die Ressourcen für eine Teilnahme fehlen. Wenn von
einer advokatorischen Komponente des kommunikativen bzw. diskursiven Journalismus
gesprochen wird, dann ist damit zunächst nicht gemeint, dass sich Journalisten zu Anwälten
bestimmter Standpunkte machen, sondern dass sie als Anwälte den Bedingungen der Möglich-
keit öffentlicher Diskurse verpflichtet sind.
Dies bedeutet allerdings nicht, dass Journalisten nicht auch selbst Stellung bezögen. Ganz
im Gegenteil: Im Zusammenhang mit der kommunikativen Grundstruktur des Journalismus ist
erörtert worden, dass Involviertheit notwendige Voraussetzung journalistischen Verstehens ist.
Dies kann bis zu einem gewissen Grad virtuell und handlungsentlastet geschehen, wie in der
wissenschaftlichen Diskursteilnahme auch, – vollständig entkoppeln aber können sich journa-
listisch Handelnde nicht. Die Annahme, oder auch nur die wissenschaftliche Suggestion, sie
könnten es, wäre insofern dysfunktional, als dass sie eine Reduktion von Verantwortlichkeit
impliziert, die faktisch nicht begründbar ist.
Die Unhintergehbarkeit kommunikativer Verantwortung begründet zugleich auch den Um-
stand, dass journalistisches Handeln keiner weitergehenden eigenständigen Legitimation
bedarf, sondern immer schon aus seiner eigenen Kommunikativität heraus abgesichert ist,
sofern es sich nicht unter der Dominanz perlokutionärer Absichten strategisch in Dienst
nehmen lässt. Zugleich kann kommunikatives journalistisches Handeln letztendlich nicht
scheitern, sondern allenfalls in seinen erhobenen Geltungsansprüchen bestritten werden.
Einzige Ausnahme wäre ein journalistisches Handeln, das nicht in der Lage wäre, einen gesell-
schaftlichen Vermittlungsprozess oder Diskurs in angemessener Weise herzustellen. Auch in
diesem Falle aber wäre es kaum die einzelne journalistische Aktion, der ein Scheitern zu
attestieren wäre, sondern es müsste die Gesamtverfassung journalistischer und medialer
Vermittlungsstrukturen kritisch im Hinblick auf ihre Leistungsfähigkeit hinterfragt werden.
Die weitergehende Ausformulierung einer Diskursethik journalistischen Handelns erscheint
als ein lohnenswertes, eigenständiges Projekt, mit dem diese Perspektive auf Journalismus
‚realistisch‘ vertieft werden könnte. Ausgehend von einer kritischen Theorie der Öffentlichkeit
und gemeinsam mit einer ‚Media Governance‘-Konzeption geht sie in ihrem normativen
Anspruch einerseits über die empirisch-analytischen Fragen der Angemessenheit hinaus und
reduziert andererseits ethische Fragen nicht auf Individualentscheidungen. Basierend auf einem
handlungstheoretischen Fundament, in das in den letzten Jahren zunehmend auch systemische
Ansätze integriert worden sind, nimmt sie in einer stereoskopen Optik vielmehr beide Aspekte
gleichermaßen in den Blick. Die Kopplung der Normgeltung an rationale Begründungen
erscheint als ein unserer Zeit angemessenes Konzept journalistischer Ethik. Da die Diskurs-
ethik übergreifend alle Entscheidungen an das Rationalitätsprinzip knüpft, hat sie für den
Journalismus eine zweiwertige Bedeutung: Zum einen kann sie zur Begründung journalistischer
Normen und Handlungsroutinen herangezogen werden, zum anderen müssen aber auch die
berichteten Inhalte, sofern sie gesellschaftliche oder politische Zusammenhänge betreffen,
diskursiven Charakter haben. Die normative Basis journalistischen Handelns ist damit in dem
Kompetenzbereich verankert, mit dem sich Journalisten gegenüber ‚einfachen Bürgern‘ nicht
abgrenzen können: der kommunikativen Kompetenz. Sie wird allenfalls in der Vermittlungs-
kompetenz spezifiziert, bezieht sich aber zurück auf die Grundlagen humankommunikativer
Verständigung, auf Reflexivität, Argumentativität und wechselseitige solidarische Anerken-
2 Merkmale eines diskursiven Journalismus 379
nung. Auch wenn diese Aspekte in der oftmals unidirektionalen und anonymen Kommunikati-
onssituation massenmedialer Programm- oder Produktgestaltung kaum einlösbar sind, unterle-
gen sie doch als kontrafaktische Unterstellung einen zwar nicht reziproken aber vermittelt
kommunikativen Prozess (fiktiver) Interaktion.
Die vorgenommene Analyse lenkt den Blick auch auf die empirisch verbliebenen Potenzia-
le eines diskursiven Journalismus und damit auf die Frage, inwiefern diese normativen Anfor-
derungen – ganz gleich ob sie theoretisch unhintergehbar sind oder nicht – jenseits eines Status
als regulative Idee praktische Relevanz entfalten. Wenn empirische Hinweise auf einen solchen
diskursiven Journalismus auffindbar sind, dann lassen sich aus der Analyse seiner medialen
Ermöglichungsbedingungen auch Hinweise für den Steuerungsprozess der ‚Media Gover-
nance‘ finden. Hier liegt, neben der Praxis-Vermittlung, eine der Hauptaufgaben der wissen-
schaftlichen Journalistik. Während die Systemtheorie und ihre funktionalistisch reduzierten
Annahmen in den letzten Jahren und Jahrzehnten zum Paradigma der Medienwissenschaften
geworden sind, liegt der reiche Fundus einer Kommunikationstheorie der Diskursethik auch
hinsichtlich der Operationalisierung in der empirischen Forschung brach. Er böte allerdings
die Chance, ein in Theorie und Praxis ‚realistisches‘ und dennoch normativ gehaltvolles Jour-
nalismus-Bild zu zeichnen, das deutliche ethische Implikationen beinhaltet. Dieses würde nicht
mehr überholte Kriterien wie „Objektivität“ und „Neutralität“ in den Mittelpunkt rücken,
sondern zum einen die Frage nach der Richtigkeit der vorgeschlagenen Handlungsoptionen
und zum anderen Aspekte der handwerklichen Voraussetzungen und der Angemessenheit
eines journalistischen Handelns, das sich explizit als kritisch und interpretierend versteht.
Es lassen sich Reservate eines entsprechend anspruchsvollen Qualitätsjournalismus aufzei-
gen, dem eine den Diskurs ordnende und regulierende Leistung zugeschrieben werden kann:
Ein diskursiv verfasster Qualitätsjournalismus rationalisiert, versachlicht und integriert die in
zahllose räumlich, zeitlich und thematisch gegliederte Teilöffentlichkeiten zerfallene gesell-
schaftliche Kommunikation und ermöglicht so die notwendige Orientierung über den Zustand
des gesellschaftlichen Diskurses. Vermittelt über Leitmedien im Printbereich bzw. Leitsendun-
gen im Fernsehen hat er auch Effekte auf die Berichterstattung anderer Medien, die sich an
seinen Inhalten und Thesen ausrichten1, zugleich aber u.U. in stärkerem Maße auch von
profitorientierten Imperativen getrieben werden. Im Konzept des Qualitätsjournalismus wird
somit das diskursive Potenzial journalistischen Handelns sichtbar, das sich unter entsprechen-
den massenmedialen Rahmenbedingungen entfalten kann. Münch schlägt vor, Qualitätsjourna-
lismus eine regulierende Aufgabe zuzuweisen: Wie Notenbanken durch Zinspolitik die Geld-
menge und damit den Wirtschaftskreislauf steuerten, so könne auch ein selbstbewusster
Qualitätsjournalismus durch eine analytische, auf Zusammenhänge gerichtete, erklärende und
reflektierende Berichterstattung und Kommentierung die Verfasstheit des gesellschaftlichen
Zeitgesprächs regulieren.2 Er stelle damit „das wichtigste Bollwerk gegen die inflationären,
deflationären und rezessiven Tendenzen der unkontrollierten Kommunikationsflut“ dar.3 Auch
für Habermas bilden journalistische Qualitätsangebote wie die überregionalen Tageszeitungen
1 Vgl. de Weck (1999, S. 1), ehemals Chefredakteur der Wochenzeitung „Die Zeit“, der 1999 noch eine „Blüte“
der Qualitätspresse konstatierte: „Deutschland hat eine Vielfalt guter nationaler und regionaler Blätter wie kein
anderes Land; ihr Kapital sind die Leser, die sich mit Schlechtem nicht zufrieden geben.“ Nur fünf Jahre später
allerdings weisen Perger/Hamann (2004, S. 3) daraufhin, dass sich die Funktion des Leitmediums zu der Bou-
levardzeitung „Bild“ verschoben hätte, die mittlerweile sehr wirkungsmächtig das Tableau der öffentlich zu de-
battierenden Themen, ihr Framing bestimme und damit eine „Art medialer Leitfunktion“ ausübe.
2 Vgl. Münch 1993, S. 276f.
3 Ebd., S. 277
380 VII Fazit und Ausblick
„das Rückgrat für die diskursive Innenausstattung einer freien politischen Meinungs- und
Willensbildung“, eine
„[…] argumentative Substanz, die weder die regionale Tagespresse ersetzen noch ein durch Privatisierung be-
drängtes Fernsehen wettmachen kann […] Die überregionale Tagespresse ist lebenswichtig für eine politische
Kommunikation, die ihren Eigensinn behält“.4
Sie bedarf – wie andere qualitativ hochwertige Mediensegmente auch – der gesellschaftlichen
Stärkung. In dieser Hinsicht steht auch die universitäre Journalistik in der Pflicht.
• Sie kann als eine zentrale Instanz der Ausbildung des journalistischen Nachwuchses nicht
nur Sach- und Vermittlungskompetenz journalistischer Akteure stärken, sondern sie dar-
über hinaus auch für ihre allgemeine kommunikative Kompetenz sensibilisieren.
Um diese praktischen Leistungen erbringen zu können, steht die Journalistik als junge Diszi-
plin vor der Aufgabe, ihre wissenschaftstheoretischen Grundlagen und ihr Verständnis von
Journalismus entsprechend in theoretischen Diskursen zu klären und gemäß gesellschaftlicher
Erwartungen anschlussfähig zu fundieren. Die Journalistik kann Journalisten dabei anleiten, in
der Anwendung ihrer Vermittlungskompetenz auch den Anforderungen an allgemeine kom-
munikative Kompetenz gerecht zu werden. Im Erfolgsfall steigert dies die Leistungen des
Journalismus für soziale Orientierung durch reflexive Vermittlung und für Teilhabemöglichkei-
ten an Öffentlichkeit durch Inanspruchnahme kommunikativer Kompetenz. Eine Journalistik,
die sich darauf ausrichtet, Qualität und Leistungsfähigkeit des Journalismus zu steigern, kommt
nicht umhin, journalistisch Handelnde immer wieder auf diese Grundierung ihres Handelns
aufmerksam zu machen und ihnen Wege aufzuzeigen, wie sie ihre Kompetenzen gesellschaft-
lich gewinnbringend einsetzen können.
Die Journalistik verschafft sich so nicht nur Interaktionsmöglichkeiten mit Journalismus in
praktischen Diskursen, sondern sie schärft auch ihr Profil als Demokratiewissenschaft, die
darauf zielt, dass die Grundlagen organisierter gesellschaftlicher Kommunikation in modernen
Demokratien vom Typ der Bundesrepublik den deliberativen Leitlinien kommunikativer
Vernunft verpflichtet bleiben. Sie kann daran mitwirken, indem sie mit Nachdruck auf die
kommunikativen Wurzeln journalistischen Handelns verweist und so journalistisch Handelnde
in die Lage versetzt, auch unter den Imperativen eines weitgehend ökonomisierten Mediensys-
tems die Kommunikativität und Diskursivität ihres Handelns zu behaupten. Dazu ist es zum
einen notwendig, die kommunikative Kompetenz durch Sensibilisierung für die Argumentati-
ons- oder Diskursregeln zu stärken. Zum anderen ist an institutionellen Rahmenbedingungen
zu arbeiten, die kommunikativen Journalismus möglich machen.
Um das zu erreichen, ist der Unterschied zwischen systemisch verfassten Massenmedien
und kommunikativem journalistischen Handeln klar zu markieren. Eine Verschleierung des
zumindest potenziell dialektischen Verhältnisses von Journalismus und Massenmedien wäre
kontraproduktiv, da sie den von Kolonialisierung bedrohten Journalismus in seiner Eigenratio-
nalität schwächen würde. Umgekehrt sind romantische Forderungen nach einer Entdifferen-
zierung öffentlicher Kommunikationsstrukturen angesichts der Pfadabhängigkeit der Entwick-
lungen unrealistisch und würden überdies auf eine Kommunikationsverfassung zielen, die in
ihrer Leistungsfähigkeit den differenzierten Bedürfnissen moderner Gesellschaften nicht
gerecht werden könnte und höhere Diskursqualität mit dem (zu hohen) Preis sozialer Exklusi-
vität bezahlen müsste. Notwendig ist es daher, journalistische Potenziale innerhalb der beste-
henden ausdifferenzierten mediensystemischen Strukturen zu stärken. Die Journalistik kann
das emanzipatorische Potenzial des Journalismus gegenüber diesen systemischen Imperativen
anzusprechen. Dazu muss sie sich der kommunikativen Eigenlogik des Journalismus nicht nur
verpflichtet fühlen, sondern sich selbst dieser Rationalität bedienen.
Um diesen Weg weiter zu beschreiten, wären noch etliche Desiderate zu diskutieren, die in
dieser ersten Näherung an die Perspektive zwangsläufig unterbelichtet bleiben mussten.
Abschließend sollen einige dieser Anknüpfungspunkte genannt werden:
• Auf theoretischer Ebene, wäre es von heuristischem Wert, die Integrationsmöglichkeiten von
Strukturierungstheorie und ‚Theorie des kommunikativen Handelns‘ zu prüfen, um zu dif-
ferenzierteren Darstellungsmöglichkeiten hinsichtlich lebensweltlicher Institutionalisierun-
382 VII Fazit und Ausblick
gen und Strukturierungen zu kommen. Damit einher ginge auch die weitere Ausformulie-
rung, Präzisierung und Operationalisierung eines gegenüber (insbesondere kommunikati-
vem) Handeln offenen Systembegriffs, der hier noch recht vage verbleiben musste.
• In konzeptioneller Hinsicht sind vor allem der Publikumsbegriff und damit einhergehend die
Beschaffenheit der kommunikativen (Interaktions-)Beziehung zwischen journalistisch
Handelnden und Rezipierenden diskussionswürdig. Auch Spezifizierungen der Annahmen
im Hinblick auf verschiedene Genres und Formate sind abgesehen von wenigen kultur-
wissenschaftlich orientierten Arbeiten noch selten. In diesem Zusammenhang muss auch
der investigative Recherche-Journalismus noch einmal gesondert thematisiert werden, da
er im Besonderen auf eine aktivische Informationsbeschaffung durch Journalismus ver-
weist, die hier nicht spezifisch behandelt worden ist. Dabei geht es um absehbare Modifi-
kationen und Präzisierungen hinsichtlich auch strategischer Kommunikationsmotive mit
Blick auf eine höherrangige Kommunikativität in deliberativer Öffentlichkeit.
• In praktischer Hinsicht von Interesse wäre die Operationalisierung der vor allem diskurs-
ethisch grundierten Überlegungen in journalistikwissenschaftliche Curricula und in institu-
tionalisierte Anwendungsdiskurse in der Praxis. Gleiches gilt für die Institutionalisierung
einer journalististikwissenschaftlichen Medienkritik, die zum Ziel hat, kommunikative Po-
tenziale anzusprechen und zu stärken
Ebenso wie die hier vorgelegten Überlegungen wären auch alle diese Präzisierungen nicht
werturteilsfrei, sondern der Idee eines Journalismus verpflichtet, der mehr sein soll als ‚content
production‘ oder ‚content management‘. Es geht um einen Journalismus, der sich seiner
kommunikativen Grundlagen versichert und diese selbstbewusst im Interesse des öffentlichen
Diskurses einsetzt. Forderungen nach einem Ende der Kolonialisierung des Journalismus
durch ökonomische Imperative haben nur dann Sinn, wenn sie mit einer Revitalisierung eines
diskursiven Journalismus einhergehen. Hierzu kann die Journalistik wertvolle Dienste jenseits
der in der Praxis gängigen Mischung aus ideologischer Selbstüberhöhung und Defaitismus
leisten, indem sie kommunikative Potenziale identifiziert und bekräftigt. Journalistik und
Journalismus können den Weg zu einer solchen Stärkung journalistischer Eigenrationalität und
damit letztlich zur Stärkung demokratischer Möglichkeiten als Beteiligte an einem gesell-
schaftsweiten Aufklärungsprozess nur gemeinsam gehen. Sie können sich die Wegstrecke
überdies wechselseitig erleichtern, wenn sie einander auch als Weggefährten anerkennen und
miteinander im Gespräch bleiben.
Literatur
Altmeppen, Klaus-Dieter (2000): Entscheidungen und Koordinationen. Dimensionen journalistischen Handelns. In:
Löffelholz, Martin (Hrsg.): Theorien des Journalismus. Ein diskursives Handbuch. Wiesbaden, S. 293-310.
Altmeppen, Klaus-Dieter (2001): Ökonomisierung aus organisationssoziologischer Perspektive. Der Beitrag der
Medienunternehmung zur Ökonomisierung. In: Medien & Kommunikationswissenschaft, Heft 2/2001, 49.
Jg., S. 195-205.
Altmeppen, Klaus-Dieter (2006): Journalismus und Medien als Organisationen. Leistungen, Strukturen und Manage-
ment. Wiesbaden.
Altmeppen, Klaus-Dieter / Donges, Patrick / Engels, Kerstin (1999): Transformationen im Journalismus. Journalisti-
sche Qualifikationen im privaten Rundfunk am Beispiel norddeutscher Sender. Hamburg.
Altmeppen, Klaus-Dieter / Hanitzsch, Thomas / Schlüter, Carsten (Hrsg.) (2007): Journalismustheorie: Next Genera-
tion. Soziologische Grundlegung und theoretische Innovation. Wiesbaden.
Altmeppen, Klaus-Dieter / Karmasin, Matthias (Hrsg.) (2003a): Medien und Ökonomie. Band 1/1: Grundlagen der
Medienökonomie: Kommunikations- und Medienwissenschaft, Wirtschaftswissenschaft. Wiesbaden.
Altmeppen, Klaus-Dieter / Karmasin, Matthias (Hrsg.) (2003b): Medien und Ökonomie. Band 1/2: Grundlagen der
Medienökonomie: Soziologie, Kultur, Politik, Philosophie, International, Geschichte, Technik, Journalistik.
Wiesbaden.
Altmeppen, Klaus-Dieter / Karmasin, Matthias (2003c): Medienökonomie als transdisziplinäres Lehr- und For-
schungsprogramm. In: dies. (Hrsg.): Medien und Ökonomie. Band 1/1: Grundlagen der Medienökonomie:
Kommunikations- und Medienwissenschaft, Wirtschaftswissenschaft. Wiesbaden, S. 19-51,
Altmeppen, Klaus / Quandt, Thorsten (2002): Wer informiert uns, wer unterhält uns? Die Organisation öffentlicher
Kommunikation und die Folgen für die Kommunikations- und Medienberufe. In: Medien & Kommunika-
tionswissenschaft, Heft 1/2002. 50. Jg., S. 45-62.
Anders, Günther (1988 [1956]): Die Antiquiertheit des Menschen. Band 1. Über die Seele im Zeitalter der zweiten
industriellen Revolution. München.
Anders, Günther (1988 [1980]): Die Antiquiertheit des Menschen. Band 2. Über die Zerstörung des Lebens im
Zeitalter der dritten industriellen Revolution. München.
Apel, Karl-Otto (1988). Diskurs und Verantwortung. Das Problem des Übergangs zur postkonventionellen Moral.
Frankfurt am Main.
Apel, Karl-Otto (1989): Normative Begründung der ‚Kritischen Theorie‘ durch Rekurs auf lebensweltliche Sittlichkeit?
Ein transzendentalpragmatisch orientierter Versuch, mit Habermas gegen Habermas zu denken. In: Hon-
neth, Axel (Hrsg.): Zwischenbemerkungen. Im Prozeß der Aufklärung. Jürgen Habermas zum 60. Ge-
burtstag. Frankfurt am Main, S. 15-65.
Arendt, Hannah (1981 [1958]): Vita activa oder Vom tätigen Leben. München.
Arendt, Hannah (1993): Was ist Politik? Fragmente aus dem Nachlaß. München; Zürich.
Arens, Edmund (1996): Die Bedeutung der Diskursethik für die Kommunikations- und Medienethik. In: Funiok,
Rüdiger (Hrsg.): Grundfragen der Kommunikationsethik. Konstanz, S. 73-96.
Arlt, Hans-Jürgen (1998): Kommunikation, Öffentlichkeit, Öffentlichkeitsarbeit. PR von gestern, PR für morgen – das
Beispiel Gewerkschaft. Opladen.
Aswerus, Bernd Maria (1960): Typische Phasen gesellschaftlicher Kommunikation. In: Publizistik, Heft 1/1960, 5. Jg.,
S. 5-13.
Aswerus, Bernd Maria (1961): Zur Logik des Bezugsmodells der als Wissenschaft von der gesellschaftlichen Kommu-
nikation betriebenen Zeitungswissenschaft. In: Publizistik, Heft 2/1961, 6. Jg., S. 85-94.
Aswerus, Bernd Maria (1993): Vom Zeitgespräch der Gesellschaft. Zusammengestellt und eingeführt von Hans
Wagner. München.
Atteslander, Peter (1995): Methoden der empirischen Sozialforschung. 8., bearb. Auflage. Berlin; New York.
Literatur 385
Aufermann, Jörg (1976): Aufgaben, Konzepte und Analyseprobleme der Publizistik- und Kommunikationswissen-
schaft. In: Publizistik, Heft 2/1976, 21. Jg., S. 157-170.
Aufermann, Jörg (1982): Journalistische Objektivität und Programmausgewogenheit. In: Bentele, Günter / Ruoff,
Robert (Hrsg.): Wie objektiv sind unsere Medien? Frankfurt am Main, S. 78-110.
Aufermann, Jörg / Bohrmann, Hans / Sülzer, Rolf (Hrsg.) (1973): Gesellschaftliche Kommunikation und Information.
Forschungsrichtungen und Problemstellungen. Ein Arbeitsbuch zur Massenkommunikation. Frankfurt am
Main. [zwei Bände]
Aufermann, Jörg / Lange, Bernd-Peter / Zerdick, Axel (1973): Pressekonzentration in der BRD: Untersuchungsprob-
leme, Ursachen und Erscheinungsformen. In: Aufermann, Jörg / Bohrmann, Hans / Sülzer, Rolf (Hrsg.):
Gesellschaftliche Kommunikation und Information. Forschungsrichtungen und Problemstellungen. Ein
Arbeitsbuch zur Massenkommunikation. Band 1. Frankfurt am Main, S. 242-302.
Averbeck, Stefanie (1999): Kommunikation als Prozeß. Soziologische Perspektiven in der Zeitungswissenschaft 1927-
1934. Münster.
Averbeck, Stefanie (2001): Die Emigration der Zeitungswissenschaft nach 1933 und der Verlust sozialwissenschaftli-
cher Perspektiven in Deutschland. In: Publizistik, Heft 1/2001, 46. Jg., S. 1-19.
Baacke, Dieter (1973): Kommunikation und Kompetenz. Grundlegung einer Didaktik der Kommunikation und ihrer
Medien. München.
Baacke, Dieter (Hrsg.) (1974a): Kritische Medientheorien. Konzepte und Kommentare. München.
Baacke, Dieter (1974b): Theorie, Praxis, Strategie: Zur Einführung in die Diskussion. In: ders. (Hrsg.): Kritische
Medientheorien. Konzepte und Kommentare. München, S. 7-19.
Baacke, Dieter (1996): Medienkompetenz als Netzwerk. Reichweite und Fokussierung eines Begriffs, der Konjunktur
hat. In: medien praktisch, Heft 2/1996, 20. Jg., S. 4-10.
Baerns, Barbara (1985): Öffentlichkeitsarbeit oder Journalismus? Zum Einfluß im Mediensystem. Köln.
Balkenhol, Nicola (1991): „Kommunikative Rationalität“ und politische Institutionen in der kritischen Gesellschafts-
theorie von Jürgen Habermas. Hamburg.
Barth, Henrike / Donsbach, Wolfgang (1992): Aktivität und Passivität von Journalisten gegenüber Public Relations.
Fallstudie am Beispiel von Pressekonferenzen zu Umweltthemen. In: Publizistik, Heft 2/1992, 37. Jg., S.
151-165.
Baum, Achim (1994): Journalistisches Handeln. Eine Kritik der Journalismusforschung. Opladen.
Baum, Achim (1996): Inflationäre Publizistik und mißlingender Journalismus. Über das journalistische Handeln in
einer entfesselten Medienwirtschaft. In: Altmeppen, Rüdiger (Hrsg.): Ökonomie der Medien und des Me-
diensystems. Grundlagen, Ergebnisse und Perspektiven medienökonomischer Forschung. Opladen, S. 237-
249.
Baum, Achim (2005a): Handlungstheorien. In: Weischenberg, Siegfried / Kleinsteuber, Hans J. / Pörksen, Bernhard
(Hrsg.): Handbuch Journalismus und Medien. Konstanz, S. 97-101.
Baum, Achim (2005b): Welchen Journalismus will die Kommunikationswissenschaft? In: Zeitschrift für Kommunika-
tionsökologie und Medienethik. Heft 1/2005, 7. Jg., S. 6-10.
Baum, Achim (2005c): Lernprozess und Interessenkonflikt. Die freiwillige Selbstkontrolle der Presse dient der ganzen
Gesellschaft. In: ders. u.a. (Hrsg.): Handbuch Medienselbstkontrolle. Wiesbaden, S. 112-124.
Baum, Achim / Hachmeister, Lutz (1982): Zur Soziologie der Kommunikationswissenschaft. In: Rundfunk und
Fernsehen Heft 2/1982, 30. Jg., S. 204-215.
386 Literatur
Baum, Achim / Scholl, Armin (2000): Wahrheit und Wirklichkeit. Was kann die Journalismusforschung zur journalisti-
schen Ethik beitragen? In: Schicha, Christian / Brosda, Carsten (Hrsg.): Medienethik zwischen Theorie und
Praxis. Normen für die Kommunikationsgesellschaft. Münster, S. 90-108.
Baum, Achim u.a. (Hrsg.) (2005): Handbuch Medienselbstkontrolle. Wiesbaden.
Baumert, Dieter Paul (1928): Die Entstehung des deutschen Journalismus. Eine sozialgeschichtliche Studie. München;
Leipzig.
Becker, Robert / Erlemann, Hans-Peter (1997): Den Wandel gestalten. Neue Strukturen und Prozesse in Tageszei-
tungsverlagen. Bonn.
Behmer, Markus u.a. (Hrsg.) (2005): Journalismus und Wandel. Analysen, Konzepte, Fallstudien. Wiesbaden.
Benhabib, Seyla (1991): Modelle des öffentlichen Raums: Hannah Arendt, die liberale Tradition und Jürgen Habermas.
In: Soziale Welt, Heft 2/1991, 42. Jg., S. 147-165.
Bentele, Günter (1982): Objektivität in den Massenmedien – Versuch einer historischen und systematischen Begriffs-
klärung. In: Bentele, Günter / Ruoff, Robert (Hrsg.): Wie objektiv sind unsere Medien? Frankfurt am Main,
S. 111-155.
Bentele, Günter (1988): Der Faktor Glaubwürdigkeit. Forschungsergebnisse und Fragen für die Sozialisationsperspek-
tive. In: Publizistik, Heft 2-3/1988, 33. Jg., S. 406-426.
Bentele, Günter (1993): Wie wirklich ist die Medienwirklichkeit? Einige Anmerkungen zum Konstruktivismus und
Realismus in der Kommunikationswissenschaft. In: ders. / Rühl, Manfred (Hrsg.): Theorien öffentlicher
Kommunikation. Problemfelder, Positionen, Perspektiven. Konstanz, S. 152-171.
Bentele, Günter (1997): Grundlagen der Public Relations. Positionsbestimmung und einige Thesen. In: Donsbach,
Wolfgang (Hrsg.). Public Relations in Theorie und Praxis. München, S. 21-36.
Bentele, Günter / Haller, Michael (Hrsg.) (1997): Aktuelle Entstehung von Öffentlichkeit. Akteure, Strukturen,
Veränderungen. Konstanz.
Bentele, Günter / Hesse, Kurt R. (Hrsg.) (1994): Publizistik in der Gesellschaft. Festschrift für Manfred Rühl.
Konstanz.
Bentele, Günter / Liebert, Thomas / Seeling, Stefan (1997): Von der Determination zur Intereffikation. Ein integrier-
tes Modell zum Verhältnis von Public Relations und Journalismus. In: Bentele, Günter / Haller, Michael
(Hrsg.): Aktuelle Entstehung von Öffentlichkeit. Konstanz, S. 225-250.
Bentele, Günter / Rühl, Manfred (Hrsg.) (1993): Theorien öffentlicher Kommunikation. Problemfelder, Positionen,
Perspektiven. Konstanz.
Bentele, Günter / Ruoff, Robert (Hrsg.) (1982): Wie objektiv sind unsere Medien? Frankfurt am Main.
Benz, Arthur (Hrsg.) (2004a): Governance – Regieren in komplexen Regelsystemen. Eine Einführung. Wiesbaden.
Benz, Arthur (2004b): Einleitung: Governance – Modebegriff oder nützliches sozialwissenschaftliches Konzept? In:
ders. (Hrsg.): Governance – Regieren in komplexen Regelsystemen. Eine Einführung. Wiesbaden, S. 11-28.
Berger, Johannes (1986): Die Versprachlichung des Sakralen und die Entsprachlichung der Ökonomie. In: Honneth,
Axel / Joas, Hans (Hrsg.): Kommunikatives Handeln. Frankfurt am Main, S. 255-277.
Berger, Peter L. / Luckmann, Thomas (1980): Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Eine Theorie der
Wissenssoziologie. Frankfurt am Main.
Berliner Autorenkollektiv Presse (1972): Wie links können Journalisten sein? Pressefreiheit und Profit. Mit einem
Vorwort von Heinrich Böll. Reinbek bei Hamburg.
Bermbach, Udo (1995): Plädoyer für eine ungeteilte Öffentlichkeit. Anmerkungen zum ‚normativen Begriff der
Öffentlichkeit‘ von Jürgen Habermas. In: Göhler, Gerhard (Hrsg.): Macht der Öffentlichkeit – Öffentlich-
keit der Macht. Baden-Baden, S. 25-37.
Beth, Hanno / Pross, Harry (1976): Einführung in die Kommunikationswissenschaft. Stuttgart u.a.
Literatur 387
Bialowons, Günter (1969): Geschichte der deutschen Presse von den Anfängen bis 1789. Leipzig.
Binkowski, Johannes (1966): Kommunikations-Ideologie. In: Publizistik, Heft 1/1966, 11. Jg., S. 3-12.
Birnbacher, Dieter (2000): Medienethik – ideale Forderungen oder praktische Verhaltensregeln? In: Schicha, Christian
/ Brosda, Carsten (Hrsg.): Medienethik zwischen Theorie und Praxis. Normen für die Kommunikationsge-
sellschaft. Münster, S. 33-42.
Bischof, Sascha (1999): Öffentliche Macht und ihre Grenzen. Hannah Arendts Begriff des öffentlichen Raumes. In:
Holderegger, Adrian (Hrsg.): Kommunikations- und Medienethik. Interdisziplinäre Perspektiven. Freiburg
i. Ue. (Schweiz); Freiburg i. Br., S. 115-134.
Blaum, Verena (1985): Ideologie und Fachkompetenz. Das journalistische Berufsbild in der DDR. Köln.
Bleicher, Joan Kristin / Pörksen, Bernhard (Hrsg.) (2004): Grenzgänger. Formen des New Journalism. Wiesbaden.
Blöbaum, Bernd (1994): Journalismus als soziales System. Geschichte, Ausdifferenzierung und Verselbständigung.
Opladen.
Blöbaum, Bernd (1999): Ein Medienbetrieb als Labor. Die Dortmunder Campus-Zeitung INDOPENDENT als Beispiel
für die Integration von Theorie und Praxis in der Journalistenausbildung. In: Schäfer, Ulrich P. / Schiller,
Thomas / Schütte, Georg (Hrsg.): Journalismus in Theorie und Praxis. Beiträge zur universitären Journalis-
tenausbildung. Konstanz, S. 213-225.
Blöbaum, Bernd (2000): Strukturwandel des Journalismus – Strukturwandel von Öffentlichkeit. In: Jarren, Otfried /
Imhof, Kurt / Blum, Roger (Hrsg.): Zerfall der Öffentlichkeit? Wiesbaden, S. 135-147.
Blöbaum, Bernd (2001): Autonom und unabhängig. Zur Autopoiesis des Journalismus. In: Communicatio Socialis,
Heft 1/2001, 34. Jg., S. 66-76.
Blome, Astrid (Hrsg.) (2000): Zeitung, Zeitschrift, Intelligenzblatt und Kalender. Beiträge zur historischen Pressefor-
schung. Bremen.
Blühm, Elger (1977): Fragen zum Thema Zeitung und Gesellschaft im 17. Jahrhundert. In: Presse und Geschichte.
Beiträge zur historischen Kommunikationsforschung. München, S. 54-70.
Blühm, Elger / Engelsing, Rolf (Hrsg.) (1967): Die Zeitung. Deutsche Urteile und Dokumente von den Anfängen bis
zur Gegenwart. Bremen.
Bobrowsky, Manfred / Duchkowitsch, Wolfgang / Haas, Hannes (Hrsg.) (1987): Medien- und Kommunikationsge-
schichte. Ein Textbuch zur Einführung. Wien.
Bobrowsky, Manfred / Langenbucher, Wolfgang R. (Hrsg.) (1987): Wege zur Kommunikationsgeschichte. München.
Böckelmann, Frank (1975): Theorie der Massenkommunikation. Das System hergestellter Öffentlichkeit, Wirkungsfor-
schung und gesellschaftliche Kommunikationsverhältnisse. Frankfurt am Main.
Böckelmann, Frank (1993): Journalismus als Beruf. Bilanz der Kommunikatorforschung im deutschsprachigen Raum
von 1945 bis 1990. Konstanz.
Böning, Holger (1997); Aufklärung und Presse im 18. Jahrhundert. In: Jäger, Hans-Wolf (Hrsg.): „Öffentlichkeit“ im
18. Jahrhundert. Göttingen, S. 151-163.
Böning, Holger (2000): Der „gemeine Zeitungsleser“ und die Veränderungen der Pressestruktur im 18. Jahrhundert.
Hamburg und die umliegenden Orte als Vorreiter. In: Blome, Astrid (Hrsg.): Zeitung, Zeitschrift, Intelli-
genzblatt und Kalender. Beiträge zur historischen Presseforschung. Bremen, S. 177-210.
Böning, Holger / Kutsch, Arnulf / Stöber, Rudolf (Hrsg.) (1999): Jahrbuch für Kommunikationsgeschichte. 1.
Jahrgang 1999. Stuttgart.
Boguschewsky-Kube, Sigrid (1990): Der Theorienstreit zwischen Publizistik und Zeitungswissenschaft. Ein Paradig-
menproblem. München.
388 Literatur
Bohrmann, Hans (1977): Vorüberlegungen zum Problem der Wirksamkeit gedruckter Periodika, dargestellt anhand der
deutschen Studentenzeitungen. In: Presse und Geschichte. Beiträge zur historischen Kommunikationsfor-
schung. München, S. 149-156.
Bohrmann, Hans (1981): Kommunikationswissenschaft, -forschung. In: Koszyk, Kurt / Pruys, Karl Hugo (Hrsg.):
Handbuch der Massenkommunikation. München, S. 132-137.
Bohrmann, Hans (1999): Das Verschwinden der Publizistik. Ein persönlicher Kommentar mit durchaus auch polemi-
schen Absichten. In: Schäfer, Ulrich P. / Schiller, Thomas / Schütte, Georg (Hrsg.): Journalismus in Theo-
rie und Praxis. Beiträge zur universitären Journalistenausbildung. Konstanz, S. 99-114.
Bohrmann, Hans (2003): Fachgeschichtliche Bemerkungen zur Medienökonomie. In: Altmeppen, Klaus-Dieter /
Karmasin, Matthias (Hrsg.): Medien und Ökonomie. Band 1/2: Grundlagen der Medienökonomie: Sozio-
logie, Kultur, Politik, Philosophie, International, Geschichte, Technik, Journalistik. Wiesbaden, S. 169-179.
Bohrmann, Hans / Sülzer, Rolf (1973): Massenkommunikationsforschung in der BRD. Deutschsprachige Veröffentli-
chungen nach 1960. Kommentar und Bibliographie. In: Aufermann, Jörg / dies. (Hrsg.): Gesellschaftliche
Kommunikation und Information. Forschungsrichtungen und Problemstellungen. Ein Arbeitsbuch zur
Massenkommunikation I. Frankfurt am Main, S. 83-120.
Bonfadelli, Heinz (2001): Was ist (Massen-)Kommunikation? Grundbegriffe und Modelle. In: ders. / Jarren, Otfried
(Hrsg.): Einführung in die Publizistikwissenschaft. Bern; Stuttgart; Wien, S. 17-45.
Bonfadelli, Heinz / Jarren, Otfried (2001): Publizistik- und Kommunikationswissenschaft – ein transdisziplinäres Fach.
In: Jarren, Otfried / Bonfadelli (Hrsg.): Einführung in die Publizistikwissenschaft. Bern; Stuttgart; Wien, S.
3-14.
Boventer, Hermann (1984a): Ethik des Journalismus. Zur Philosophie der Medienkultur. Konstanz.
Boventer, Hermann (1984b): Ethik und System im Journalismus. Der Steuerungsbedarf moderner Mediensysteme.
Kritische Anmerkungen zu einem Aufsatz von Manfred Rühl und Ulrich Saxer. In: Publizistik, Heft
1/1984, 29. Jg., S. 34-48.
Branahl, Udo (1992): Publizistische Vielfalt als Rechtsgebot. In: Rager, Günther / Weber, Bernd (Hrsg.): Publizistische
Vielfalt zwischen Markt und Politik. Mehr Medien – mehr Inhalte? Düsseldorf, S. 85-109.
Branahl, Udo (1996): Medienrecht. Eine Einführung. 2., überarbeitete Auflage. Opladen.
Branahl, Udo (1999a): Der Beitrag des Rechts zur Steuerung und Regelung des Mediensystems. In: Imhof, Kurt /
Jarren, Otfried / Blum, Roger (Hrsg.): Steuerungs- und Regelungsprobleme in der Informationsgesell-
schaft. Opladen; Wiesbaden, S. 317-330.
Branahl, Udo (1999b): Der Beitrag des Medienrechts zur Qualitätssicherung im Journalismus. In: Schäfer, Ulrich P. /
Schiller, Thomas / Schütte, Georg (Hrsg:): Journalismus in Theorie und Praxis. Beiträge zur universitären
Journalistenausbildung. Konstanz, S. 173-195.
Branahl, Udo (2002): Steuerung des Mediensystems durch Recht? In: Eurich, Claus (Hrsg.): Gesellschaftstheorie und
Mediensystem. Interdisziplinäre Zugänge zur Beziehung von Medien, Journalismus und Gesellschaft.
Münster; Hamburg; London, S. 73-84.
Brandes, Helga (1987): Zwischen Opposition und Resignation: Die Zeitschriften des Jungen Deutschland (1830-1840).
In: Presse und Geschichte II. Neue Beiträge zur historischen Kommunikationsforschung. München u.a., S.
307-327.
Braun, Hanns (1958): Journalismus im Miteinander der Gesellschaft. In: Publizistik, Heft 1/1958, 3. Jg., S. 3-14.
Braun, Hanns (1960): Die Münchener Zeitungswissenschaft bei den Straßburger Diskussionen. In: Publizistik, Heft
1/1960, 5. Jg., S. 3-13.
Brecht, Bertolt (1972): Der Rundfunk als Kommunikationsapparat. In: Prokop, Dieter (Hrsg.): Massenkommunika-
tionsforschung. 1: Produktion. Frankfurt am Main, S. 31-35.
Literatur 389
Brosda, Carsten (1999): Aufstand nach der „Krönungsmesse“. Der SPD-Parteitag 1998 in Leipzig: Zur Inszenierung
journalistischer Inszenierungskritik. In: Schicha, Christian / Ontrup, Rüdiger (Hrsg.): Medieninszenierun-
gen im Wandel. Münster; Hamburg; London, S. 199-213.
Brosda, Carsten (2000a): Doppelrolle im Diskurs. Journalisten als Diskursvermittler und -teilnehmer – Ethische
Implikationen. In: Schicha, Christian / Brosda, Carsten (Hrsg.): Medienethik zwischen Theorie und Praxis.
Münster; Hamburg; London, S. 109-123.
Brosda, Carsten (2000b): „Viel Lärm um nichts“: Big Brother – Anmerkungen zur Selbstreferentialität medialer
Pseudo-Ereignisse. In: Weber, Frank (Red.): Big Brother: Inszenierte Banalität zur Prime Time. Münster, S.
95-107.
Brosda, Carsten (2000c): Medien dürfen Spaß machen. Zur Unterhaltung als journalistisches Qualitätskriterium im
Kontext der Politikvermittlung. In: Nieland, Jörg-Uwe / Schicha, Christian (Hrsg.): Infotainment und
Aspekte medialer Wahrnehmung. RISP-Arbeitspapier 1/2000. Duisburg, S. 90-98.
Brosda, Carsten (2000d): Öffentlichkeit als Sphäre. Anmerkungen zu einem machtvollen aber fragilen Begriff. In:
Zeitschrift für Kommunikationsökologie, Heft 4/2000, 2. Jg., S. 6-11.
Brosda, Carsten (2001): Verständigung in virtualisierten Kommunikationsnetzen. Thesen zum Verhältnis von neuen
Medien und kommunikativem Handeln. In: Zeitschrift für Kommunikationsökologie 1/2001, 3. Jg., S. 14-
21.
Brosda, Carsten (2002a): ‚Emotionalisierung‘ als Merkmal medialer Politikvermittlung. Zur Diskursivität emotionaler
Äußerungen und Auftritte von Politikern im Fernsehen. In: Schicha, Christian / ders. (Hrsg.): Politikver-
mittlung in Unterhaltungsformaten. Münster, S. 111-134.
Brosda, Carsten (2002b): Sprachlos im Angesicht des Bildes. Überlegungen zum journalistischen Umgang mit
bildmächtigen Ereignissen am Beispiel der Terroranschläge vom 11. September 2001. In: Schicha, Christian
/ ders. (Hrsg.): Medien und Terrorismus. Reaktionen auf den 11. September 2001. Münster, S. 94-113.
Brosda, Carsten (2005): Kommunikative Qualität als Grundlage journalistischer Autonomie. Alternativen zur Kolonia-
lisierung des Journalismus durch die Massenmedien. In: Vorgänge, Heft 1/2005, 44. Jg., S. 20-29.
Brosda, Carsten / Schicha, Christian (2000): Medienethik im Spannungsfeld zwischen Ideal- und Praxisnormen – Eine
Einführung. In: Schicha, Christian / Brosda, Carsten (Hrsg.): Medienethik zwischen Theorie und Praxis.
Münster; Hamburg; London, S. 7-32.
Brosda, Carsten / Schicha, Christian (2002): Interaktion von Politik, Public Relations und Journalismus. In: Schatz,
Heribert / Rössler, Patrick / Nieland, Jörg-Uwe (Hrsg.): Politische Akteure in der Mediengesellschaft.
Wiesbaden, S. 41-64.
Brosda, Carsten / Schicha, Christian (2003): Politikvermittlung als „Event-Marketing“. Zur Performativität politischer
Inszenierungen am Beispiel von Parteitagen und Protestaktionen neuer sozialer Bewegungen. In: Fischer-
Lichte, Erika u.a. (Hrsg.): Performativität und Ereignis. Tübingen; Basel, S. 319-338.
Brosda, Carsten u.a. (2004): Leitlinien für einen seriösen Journalismus. In: Frankfurter Rundschau vom 21. April 2004,
S. 9. [auch in: epd-medien, Nr. 30/2004, S. 25-27]
Brosius, Hans-Bernd (1994a): Agenda-Setting nach einem Vierteljahrhundert Forschung: Methodischer und theoreti-
scher Schluß. In: Publizistik, Heft 3/1994, 39. Jg., S. 269-288.
Brosius, Hans-Bernd (1994b): Integrations- oder Einheitsfach? Die Publikationsaktivitäten von Autoren der Zeitschrif-
ten „Publizistik“ und „Rundfunk und Fernsehen“ 1983-1992. In: Publizistik, Heft 1/1994, 39. Jg., S. 73-90.
Brosius, Hans-Bernd (1998a): Publizistik und Kommunikationswissenschaft im Profil. Wer publiziert in ‚Publizistik‘
und ‚Rundfunk und Fernsehen‘? In: Rundfunk und Fernsehen, Heft 2-3/1998, 46. Jg., S. 333-347.
Brosius, Hans-Bernd (1998b): Visualisierung von Fernsehnachrichten. Text-Bild-Beziehungen und ihre Bedeutung für
die Informationsleistung. In: Kamps, Klaus / Meckel, Miriam (Hrsg.): Fernsehnachrichten. Prozesse, Struk-
turen, Funktionen. Opladen; Wiesbaden, S. 213-224.
Brosius, Hans-Bernd (2000): Zum Fachverständnis der Kommunikationswissenschaft in Deutschland. In: Medien
Journal, Heft 2/2000, 24. Jg., S. 8-9.
390 Literatur
vom Bruch, Rüdiger (1980): Zeitungswissenschaft zwischen Historie und Nationalökonomie. Ein Beitrag zur Vorge-
schichte der Publizistik als Wissenschaft im späten deutschen Kaiserreich. In: Publizistik, Heft 4/1980, 25.
Jg., S. 579-607.
vom Bruch, Rüdiger / Roegele, Otto B. (Hrsg.) (1986): Von der Zeitungskunde zur Publizistik. Biographisch-
institutionelle Stationen der deutschen Zeitungswissenschaft in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Frankfurt am Main.
Brumlik, Micha (1986): Über die Ansprüche Ungeborener und Unmündiger. Wie advokatorisch ist die diskursive
Ethik? In: Kuhlmann, Wolfgang (Hrsg.): Moralität und Sittlichkeit. Das Problem Hegels und die Diskurs-
ethik. Frankfurt am Main, S. 265-300.
Bucher, Hans-Jürgen (2000): Journalismus als kommunikatives Handeln. Grundlagen einer handlungstheoretischen
Journalismustheorie. In: Löffelholz, Martin (Hrsg.): Theorien des Journalismus. Wiesbaden, S. 245-274.
Bucher, Hans-Hürgen / Altmeppen, Klaus-Dieter (Hrsg.) (2003): Qualität im Journalismus. Grundlagen – Dimensio-
nen – Praxismodelle. Wiesbaden.
Bucher, Hans-Jürgen / Büffel, Steffen (2005): Vom Gatekeeper-Journalismus zum Netzwerk-Journalismus. Weblogs
als Beispiel journalistischen Wandels unter den Bedingungen globaler Medienkommunikation. In: Behmer,
Markus u.a. (Hrsg.) (2005): Journalismus und Wandel. Analysedimensionen, Konzepte, Fallstudien. Wies-
baden, S. 85-121.
Budzislawski, Hermann (1962): Über die Journalistik als Wissenschaft. In: Zeitschrift für Journalistik, Heft 2/1962, 3.
Jg., S. 43-49.
Budzislawski, Hermann (1966): Sozialistische Journalistik. Eine wissenschaftliche Einführung. Leipzig.
Burkart, Roland (1985): Zur Zukunft der Kommunikationsgeschichte. In: Duchkowitsch, Wolfgang (Hrsg.): Medien-
geschichte. Forschung und Praxis. Wien; Köln; Graz, S. 51-59.
Bücher, Karl (1926): Gesammelte Aufsätze zur Zeitungskunde. Tübingen.
Burkart, Roland (1993): Verständigungsorientierte Öffentlichkeitsarbeit – Ein Transformationsversuch der Theorie des
kommunikativen Handelns. In: Bentele, Günter / Rühl, Manfred (Hrsg.): Theorien öffentlicher Kommuni-
kation. Konstanz, S. 218-227.
Burkart, Roland (1997): Alter Wein in neuen Schläuchen? Anmerkungen zur Konstruktivismus-Debatte in der
Publizistik- und Kommunikationswissenschaft. In: Rusch, Gebhard / Schmidt, Siegfried J. (Hrsg.): Kon-
struktivismus in der Medien- und Kommunikationswissenschaft. Delfin 1997. Frankfurt am Main, S. 55-72.
Burkart, Roland (1998a): Kommunikationswissenschaft. Grundlagen und Problemfelder. Umrisse einer interdis-
ziplinären Sozialwissenschaft. 3., aktualisierte Ausgabe. Wien; Köln; Weimar.
Burkart, Roland (1998b): Von verständigungsorientierter Öffentlichkeitsarbeit zum diskursiven Journalismus. In:
Duchkowitsch, Wolfgang u.a. (Hrsg.): Journalismus als Kultur. Analysen und Essays. Opladen; Wiesbaden,
S. 163-172.
Burkart, Roland / Hömberg, Walter (Hrsg.) (1995): Kommunikationstheorien. Ein Textbuch zur Einführung. 2.,
aktualisierte Auflage. Wien.
Burkart, Roland / Lang, Alfred (1995): Die Theorie des kommunikativen Handelns von Jürgen Habermas – Eine
kommentierte Textcollage. In: Burkart, Roland / Hömberg, Walter: Kommunikationstheorien. Ein Text-
buch zur Einführung. 2., aktualisierte Auflage. Wien, S. 40-68.
Burkart, Roland / Probst, Sabine (1991): Verständigungsorientierte Öffentlichkeitsarbeit: eine kommunikationstheore-
tisch begründete Perspektive. In: Publizistik, Heft 1/1991, 36. Jg., S. 56-76.
Bussemer, Thymian (2005): Propaganda. Konzepte und Theorien. Wiesbaden.
Bussemer, Thymian (2007): Paul Felix Lazarsfeld und die Etablierung der Kommunikationsforschung als empirische
Sozialwissenschaft. In: Medien & Kommunikationswissenschaft, Heft 1/2007, 55. Jg., S. 80-101.
Literatur 391
Calhoun, Craig (Hrsg.) (1992a): Habermas and the Public Sphere. Cambridge, Mass.; London, England.
Calhoun, Craig (1992b): Introduction: Habermas and the Public Sphere. In: ders. (Hrsg.): Habermas and the Public
Sphere. Cambridge, Mass.; London, England, S. 1-48.
Charity, Arthur (1995): Doing Public Journalism. New York; London.
Clement, Wolfgang (2005): Im Teufelskreis. Zur Kontrolle von Pressefusionen. In: Süddeutsche Zeitung vom
8.11.2005, S. 35.
Cohen, Jean L. / Arato, Andrew (1994): Civil Society and Political Theory. Cambridge, Mass.; London, England.
van den Daele, Wolfgang / Neidhardt, Friedhelm (Hrsg.) (1996a): Kommunikation und Entscheidung – Politische
Funktionen öffentlicher Meinungsbildung und diskursiver Verfahren. Berlin.
van den Daele, Wolfgang / Neidhardt, Friedhelm (1996b): „Regierung durch Diskussion“ – Über Versuche, mit
Argumenten Politik zu machen. In: dies. (Hrsg.): Kommunikation und Entscheidung – Politische Funktio-
nen öffentlicher Meinungsbildung und diskursiver Verfahren. Berlin, S. 9-52.
Dahrendorf, Ralf (1974): Homo Sociologicus. Ein Versuch zur Geschichte, Bedeutung und Kritik der Kategorie der
sozialen Rolle. 13. Auflage. Opladen.
Debatin, Bernhard (1997): Medienethik als Steuerungsinstrument? Zum Verhältnis von individueller und korporativer
Verantwortung in der Massenkommunikation. In: Weßler, Hartmut u.a. (Hrsg.): Perspektiven der Medien-
kritik. Die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit öffentlicher Kommunikation in der Mediengesell-
schaft. Opladen, S. 287-303.
Debatin, Bernhard (1998): Verantwortung im Medienhandeln. Medienethische und handlungstheoretische Überlegun-
gen zum Verhältnis von Freiheit und Verantwortung in der Massenkommunikation. In: Wunden, Wolfgang
(Hrsg.): Freiheit und Medien. Beiträge zur Medienethik. Band 4. Frankfurt am Main, S. 113-130.
Debatin, Bernhard / Funiok, Rüdiger (Hrsg.) (2003): Kommunikations- und Medienethik. Konstanz.
Decker, Horst / Langenbucher, Wolfgang R. / Nahr, Günter (1976): Die Massenmedien in der postindustriellen
Gesellschaft. Konsequenzen neuer technischer und wirtschaftlicher Entwicklungen für Aufgaben und
Strukturen der Massenmedien in der Bundesrepublik Deutschland. Göttingen.
d’Ester, Karl (1928): Zeitungswesen. Breslau.
Deutsches Institut für Fernstudien an der Universität Tübingen (Hrsg.) (1990): Funkkolleg Medien und Kommunika-
tion. Konstruktion von Wirklichkeit. 12 Bände. Weinheim; Basel.
DGPuK (2001): Die Mediengesellschaft und ihre Wissenschaft. Herausforderungen für die Kommunikations- und
Medienwissenschaft als akademische Disziplin. Selbstverständnispapier der Deutschen Gesellschaft für
Publizistik- und Kommunikationswissenschaft (DGPuK) vom Januar 2001. Erarbeitet vom Selbstverständ-
nisausschuß der DGPuK unter der Leitung von Anna M. Theis-Berglmair und Günter Bentele in Zusam-
menarbeit mit dem Vorstand der DGPuK Hans-Bernd Brosius, Romy Fröhlich und Helmut Scherer.
[http://www.dgpuk.de]
Dichanz, Horst (1998): Medienforschung, Medienerziehung, Medienkompetenz. In: ders. (Hrsg.): Handbuch Medien:
Medienforschung. Konzepte, Themen, Ergebnisse. Bonn, S. 10-17.
Dietz, Simone (1993): Lebenswelt und System. Widerstreitende Ansätze in der Gesellschaftstheorie von Jürgen
Habermas. Würzburg.
392 Literatur
Dietz, Simone (1995): Die Legitimationsmacht der Öffentlichkeit: Die öffentliche Meinung der Mediendemokratie. In:
Göhler, Gerhard (Hrsg.): Macht der Öffentlichkeit – Öffentlichkeit der Macht. Baden-Baden, S. 115-131.
Dillon, Mike (o.J.): The Historical and Philosophical Roots of Civic Journalism. [http://www.pewcenter.org/
doingcj/speeches/a_dillon.html; abgerufen am 3.8.2004]
Dilthey, Wilhelm (1922): Einleitung in die Geisteswissenschaften. Versuch einer Grundlegung für das Studium der
Gesellschaft und der Geschichte. Erster Band. Leipzig; Berlin.
Dörner, Andreas (2000): Politische Kultur und Medienunterhaltung. Zur Inszenierung politischer Identitäten in der
amerikanischen Film- und Fernsehwelt. Konstanz.
Dörner, Andreas (2001): Politainment. Politik in der medialen Erlebnisgesellschaft. Frankfurt am Main.
Donges, Patrick (2002): Rundfunkpolitik zwischen Sollen, Wollen und Können. Eine theoretische und komparative
Analyse der politischen Steuerung des Rundfunks. Wiesbaden.
Donges, Patrick (Hrsg.) (2007): Von der Medienpolitik zur Media Governance? Köln.
Donsbach, Wolfgang (1977): Ausbildungs- und Legitimationsdefizite im Journalismus. In: Rundfunk und Fernsehen,
Heft 3/1977, 25. Jg., S. 231-243.
Donsbach, Wolfgang (1979a): Aus eigenem Recht. Legitimitätsbewußtsein und Legitimationsgründe von Journalisten.
In: Kepplinger, Hans Mathias (Hrsg.): Angepaßte Außenseiter. Was Journalisten denken und wie sie arbei-
ten. Freiburg; München, S. 29-48.
Donsbach, Wolfgang (1979b): Kommunikationswissenschaftler ante portas. Journalisten-Einstellungen zur Journalis-
ten-Ausbildung. In: Kepplinger, Hans Mathias (Hrsg.): Angepaßte Außenseiter. Was Journalisten denken
und wie sie arbeiten. Freiburg; München, S. 210-222.
Donsbach, Wolfgang (1981): Journalisten zwischen Publikum und Kollegen. Forschungsergebnisse zum Publikums-
bild und zum in-group-Verhalten. In: Rundfunk und Fernsehen, Heft 2-3/1981, 29. Jg., S. 168-184.
Donsbach, Wolfgang (1982): Legitimationsprobleme des Journalismus. Gesellschaftliche Rolle der Massenmedien und
berufliche Einstellung von Journalisten. Freiburg i.Br.; München.
Donsbach, Wolfgang (1987): Journalismusforschung in der Bundesrepublik: Offene Fragen trotz ‚Forschungsboom‘.
In: Wilke, Jürgen (Hrsg.): Zwischenbilanz der Journalistenausbildung. München, S. 105-142.
Donsbach, Wolfgang (1990): Objektivitätsmaßstäbe in der Publizistikwissenschaft. In: Publizistik, Heft 1/1990, 35. Jg.,
S. 18-29.
Donsbach, Wolfgang (1993): Redaktionelle Kontrolle im Journalismus: Ein internationaler Vergleich. In: Mahle,
Walter (Hrsg.): Journalisten in Deutschland. Nationale und internationale Vergleiche und Perspektiven.
München, S. 143-160.
Donsbach, Wolfgang (1994): Journalist. In: Noelle-Neumann, Elisabeth / Schulz, Winfried / Wilke, Jürgen (Hrsg.):
Fischer Lexikon. Publizistik Massenkommunikation. Frankfurt am Main, S. 64-91.
Dorsch, Petra E. (1982): Verlautbarungsjournalismus – eine notwendige Medienfunktion. In: Publizistik, Heft 4/1982,
27. Jg., S. 530-540.
Dorschel, Andreas u.a. (Hrsg.) (1993): Transzendentalpragmatik. Ein Symposion für Karl-Otto Apel. Frankfurt am
Main.
Dovifat, Emil (1927): Der amerikanische Journalismus. Mit einer Darstellung der journalistischen Berufsbildung.
Berlin; Leipzig.
Dovifat, Emil (1934): Die Erweiterung der zeitungskundlichen zur allgemein-publizistischen Lehre und Forschung. In:
Zeitungswissenschaft, Heft 1/1934, 9. Jg., S. 12-20.
Dovifat, Emil (1956): Publizistik als Wissenschaft. Herkunft – Wesen – Aufgabe. In: Publizistik, Heft 1/1956, 1. Jg., S.
3-10.
Dovifat, Emil (1962a): Ergebnisse der Publizistikwissenschaft. In: Publizistik, Heft 2/1962, 7. Jg., S. 78-81.
Literatur 393
Dovifat, Emil (1962b): Zeitungslehre. Band 1. Theoretische und rechtliche Grundlagen – Nachricht und Meinung –
Sprache und Form. 4., neubearbeitete Auflage. Berlin.
Dovifat, Emil (1962c): Zeitungslehre. Band 2. Redaktion – Die Sparten – Verlag und Vertrieb – Wirtschaft und
Technik – Sicherung der öffentlichen Aufgabe. 4., neubearbeitete Auflage. Berlin.
Dovifat, Emil (1964): Die Aufgaben der Publizistikwissenschaft. In: Publizistik, Heft 4/1964, 9. Jg., S. 347-348.
Dovifat, Emil (1968): Handbuch der Publizistik. Band 1. Allgemeine Publizistik. Berlin.
Dovifat, Emil (1990a): Die publizistische Persönlichkeit. Berlin; New York. (hrsg. von Dorothee von Dadelsen)
Dovifat, Emil (1990b [1932]): Neue Aufgaben der deutschen Publizistik. In: ders.: Die publizistische Persönlichkeit.
Berlin; New York, S. 30-38. [zuerst in: Krisis. Ein politisches Manifest. Mit Beiträgen von Heinrich Brü-
ning, Ricarda Huch, Leo Wolff u.a. Weimar 1932, S. 256-263]
Dovifat, Emil (1990c [1956]): Die persönlichen Voraussetzungen der journalistischen Arbeit. In: ders.: Die publizisti-
sche Persönlichkeit. Berlin; New York, S. 64-74. [nachgelassenes Manuskript ohne Datierung]
Dovifat, Emil (1990d [1963]): Die publizistische Persönlichkeit. Charakter, Begabung, Schicksal. In: ders.: Die
publizistische Persönlichkeit. Berlin; New York, S. 120-139. [zuerst in: Gazette. International Journal für
Mass Communications Studies, No. 3/1956, 2. Jg., S. 157-171]
Dovifat, Emil (1990e): Die publizistische Persönlichkeit. In: ders.: Die publizistische Persönlichkeit. Berlin; New York,
S. 140-177. [zuerst in: Festschrift für Anton Betz zum 23. Februar 1963. Düsseldorf 1963, S. 23-51]
Dröge, Franz (1966): Regel und Regelung. Ansätze der Publizistikwissenschaft. In: Publizistik, Heft 2/1966, 11. Jg., S.
145-152.
Dröge, Franz (1967): Theorie und Erkenntnistheorie in der Publizistikwissenschaft. In: Publizistik, Heft 4/1967, 12.
Jg., S. 219-231.
Dröge, Franz (1973): Wissen ohne Bewußtsein. Materialen zur Medienanalyse der Bundesrepublik Deutschland unter
Mitarbeit von Ilse Modelmog. Frankfurt am Main.
Dröge, Franz (1974): Medien und gesellschaftliches Bewußtsein. In: Baacke, Dieter (Hrsg.): Kritische Medientheorien.
Konzepte und Kommentare. München, S. 74-106.
Dröge, Franz (1992): Kommunikationsgeschichte als Konstitutionslogik kommunikativen Handelns. In: Medien &
Zeit, Heft 2/1992, S. 11-14.
Dröge, Franz / Kopper, Gerd G. (1991): Der Medien-Prozeß. Zur Struktur innerer Errungenschaften der bürgerlichen
Gesellschaft. Opladen.
Dröge, Franz W. / Lerg, Winfried B. (1965): Kritik der Kommunikationswissenschaft. In: Publizistik, Heft 3/1965, 10.
Jg., S. 251-284.
Dubiel, Helmut (2001): Kritische Theorie der Gesellschaft. Eine einführende Rekonstruktion von den Anfängen im
Horkheimer-Kreis bis Habermas. 3. Auflage. Weinheim; München.
Duchkowitsch, Wolfgang (Hrsg.) (1985): Mediengeschichte. Forschung und Praxis. Festgabe für Marianne Lunzer-
Lindhausen zum 65. Geburtstag. Wien; Köln; Graz.
Duchkowitsch, Wolfgang u.a. (Hrsg.) (1998): Journalismus als Kultur. Analysen und Essays. Opladen; Wiesbaden.
Dusiska, Emil u.a. (1979): Wörterbuch der sozialistischen Journalistik. Leipzig.
Dygutsch-Lorenz, Ilse (1971): Die Rundfunkanstalt als Organisationsproblem. Ausgewählte Organisationseinheiten in
Beschreibung und Analyse. Düsseldorf.
Dygutsch-Lorenz, Ilse (1973): Journalisten und Rundfunk. Empirische Kommunikationsforschung am Beispiel einer
Rundfunkanstalt. Düsseldorf.
394 Literatur
Eberhard, Fritz (1961): Thesen zur Publizistikwissenschaft. In: Publizistik, Heft 5-6/1961, 6. Jg., S. 259-266.
Eberhard, Fritz (1964): Grenzen der Publizistikwissenschaft. In: Publizistik, Heft 4/1964, 9. Jg., S. 348-350.
Eberhard, Fritz (1965a): Macht durch Massenmedien? In: Publizistik, Heft 4/1965, 10. Jg., S. 477-494.
Eberhard, Fritz (1965b): Würdigung nach fünfzig Jahren. Otto Groths Dissertation „Die politische Presse Württem-
bergs“. In: Publizistik, Heft 3/1965, 10. Jg., S. 196-205.
Eder, Klaus (1996): Politische Öffentlichkeit oder politische Meinung? Eine Theorie des öffentlichen Diskurses. In:
Wunden, Wolfgang (Hrsg.): Wahrheit als Medienqualität. Beiträge zur Medienethik. Band 3. Frankfurt am
Main, S. 143-154.
Eilders, Christiane (1997a): Nachrichtenfaktoren und Rezeption. Eine empirische Analyse zur Auswahl und Verarbei-
tung politischer Information. Opladen; Wiesbaden.
Eilders, Christiane / Neidhardt, Friedhelm / Pfetsch, Barbara (1997): Pressekommentare und öffentliche Meinung.
Fragestellungen zu einem vernachlässigten Genre. In: Schatz, Heribert / Jarren, Otfried / Knaup, Bettina
(Hrsg.): Machtkonzentration in der Multimediagesellschaft. Beiträge zu einer Neubestimmung des Verhält-
nisses von politischer und medialer Macht. Opladen, S. 176-187.
Eilders, Christiane / Neidhardt, Friedhelm / Pfetsch, Barbara (2004): Die Stimme der Medien. Pressekommentare und
politische Öffentlichkeit in der Bundesrepublik. Wiesbaden.
Elster, Jon (Hrsg.) (1998a): Deliberative Democracy. Cambridge.
Elster, Jon (1998b): Introduction. In: ders. (Hrsg.): Deliberative Democracy. Cambridge, S. 1-18.
Engels, Kerstin (2002): Kommunikationsberufe im sozialen Wandel. Theoretische Überlegungen zur Veränderung
institutioneller Strukturen erwerbsorientierter Kommunikationsarbeit. In: Medien & Kommunikationswis-
senschaft, Heft 1/2002, 50. Jg., S. 7-25.
Engelsing, Rolf (1966): Massenpublikum und Journalistentum in Nordwestdeutschland. Berlin.
Enzensberger, Hans Magnus (1962): Einzelheiten I. Bewußtseins-Industrie. Frankfurt am Main.
Enzensberger, Hans Magnus (1974 [1970]): Baukasten zu einer Theorie der Medien. In: ders.: Palaver. Politische
Überlegungen (1967-1973). Frankfurt am Main, S. 91-129. [erstmals gedruckt in: Kursbuch, Heft 20, März
1970, S. 159-186]
Enzensberger, Hans Magnus (1991 [1988]): Das Nullmedium oder Warum alle Klagen über das Fernsehen gegen-
standslos sind. In: ders.: Mittelmaß und Wahn. Gesammelte Zerstreuungen. Frankfurt am Main, S. 89-103.
[erstmals gedruckt in: Der Spiegel, Heft 20, 1988]
Erbring, Lutz (Hrsg.) (1988): Medien ohne Moral. Variationen über Journalismus und Ethik. Berlin.
Erbring, Lutz (1989): Nachrichten zwischen Professionalität und Manipulation. Journalistische Berufsnormen und
politische Kultur. In: Kaase, Max / Schulz, Winfried (Hrsg.): Massenkommunikation. Theorien, Methoden,
Befunde. Opladen, S. 301-313.
Esser, Frank / Weßler, Hartmut (2002): Journalisten als Rollenträger: redaktionelle Organisation und berufliches
Selbstverständnis. In: Jarren, Otfried / Weßler, Hartmut (Hrsg.): Journalismus – Medien – Öffentlichkeit.
Eine Einführung. Wiesbaden, S. 165-240.
Etzioni, Amitai (1993): The Spirit of Community. Rights, Responsibilities, and the Communitarian Agenda. New York.
Eurich, Claus (1977): Kritik der empirischen Kommunikationsforschung. In: Rundfunk und Fernsehen, Heft 4/1977,
25. Jg., S. 341-354.
Eurich, Claus (Hrsg.) (1980a): Lokales Bürgerfernsehen und die Erforschung seiner Wirkungen. München.
Literatur 395
Fabris, Hans Heinz (1971): Das Selbstbild des Kommunikators bei Tageszeitungen. In: Publizistik, Heft 4/1971, 16.
Jg., S. 357-368.
Fabris, Hans Heinz (1975): Der Journalist. Eine berufskundliche Studie. Schriftenreihe des Bundesministeriums für
soziale Verwaltung 2/75. Wien.
Fabris, Hans Heinz (1976): Helfen den Massenmedien neue Gesetze? Staatliche Kommunikationspolitik am Beispiel
der österreichischen Mediengesetzgebung. In: Publizistik, Heft 1/1976, 21. Jg., S. 31-46.
Fabris, Hans Heinz (1979): Journalismus und bürgernahe Medienarbeit. Formen und Bedingungen der Teilhabe an
gesellschaftlicher Kommunikation. Salzburg.
Fabris, Hans Heinz (1981a): Medienjournalismus und Bürgerkommunikation. Tendenzen und Alternativen der
journalistischen Arbeit. In: Rundfunk und Fernsehen, Heft 2-3/1981, 29. Jg., S. 200-210.
Fabris, Hans Heinz (1981b) : Objektivität und Parteilichkeit in den Sozialwissenschaften und im Journalismus. In:
Publizistik, Heft 1/1981, 26. Jg., S. 16-24.
Fabris, Hans Heinz (1985): Der Mythos der Massenkommunikation oder das Dilemma der Kommunikationswissen-
schaft. Plädoyer für die Entwicklung der Medien- zur allgemeinen Kommunikationswissenschaft. In: Öster-
reichisches Jahrbuch für Kommunikationswissenschaft 1985. Zukunft der Kommunikation – Zukunft der
Kommunikationswissenschaft. Wien; Köln; Graz, S. 125-137.
Fabris, Hans Heinz (1992): Wozu Journalismusgeschichte? In: Medien & Zeit, Heft 2/1992, S. 15-16.
Fasel, Christoph (Hrsg.) (2005): Qualität und Erfolg im Journalismus. Konstanz.
Faulstich, Werner (1992): Grundwissen Öffentlichkeitsarbeit. Kritische Einführung in Problemfelder der Public
Relations. Bardowick.
Faulstich, Werner (1995): Medium. In: ders. (Hrsg.): Grundwissen Medien. 2. Auflage. München, S. 17-100.
Fengler, Susanne / Ruß-Mohl, Stephan (2003): Der Journalist als aufgeklärter Homo oeconomicus. In: Altmeppen,
Klaus-Dieter / Karmasin, Matthias (Hrsg.): Medien und Ökonomie. Band 1/2: Grundlagen der Medien-
ökonomie: Soziologie, Kultur, Politik, Philosophie, International, Geschichte, Technik, Journalistik. Wies-
baden, S. 209-234.
Fengler, Susanne / Ruß-Mohl, Stephan (2005a): Der Journalist als „homo oeconomicus“. Konstanz.
Fengler, Susanne / Ruß-Mohl, Stephan (2005b): Journalisten-Mythen – und ihr Ende in der Mediengesellschaft: Zur
Ökonomik des Journalismus. In: Rössler, Patrick / Krotz, Friedrich (Hrsg.): Mythen der Mediengesell-
schaft – The Media Society and its Myths. Konstanz, S. 245-265.
396 Literatur
von Ferber, Christian (1965): Der Werturteilsstreit 1909/1959. Versuch einer wissenschaftsgeschichtlichen Interpreta-
tion. In: Topitsch, Ernst (Hrsg.): Logik der Sozialwissenschaften. Köln; Berlin, S. 165-180. [zuerst veröf-
fentlicht in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Heft 1/1959, 11. Jg., S. 21-37]
Fink, Sonja (2001): „Public Journalism“ – ein neues journalistisches Konzept und seine Umsetzung in Lokalredaktio-
nen der USA. In: Communicatio Socialis, Heft 2/2001, 34. Jg., S. 196-218.
Fiske, John (1987): Television Culture. London; New York.
Foucault, Michel (1971): Die Ordnung der Dinge. Eine Archäologie der Humanwissenschaften. Frankfurt am Main.
Foucault, Michel (1977): Der Wille zum Wissen. Sexualität und Wahrheit 1. Frankfurt am Main.
Frankenfeld, Alfred (1965): Die Verantwortung des modernen Journalisten. Gesetzliche Vorschriften – moralische
Postulate. In: Publizistik, Heft 3/1965, 10. Jg., S. 337-347.
Franz, Barbara (2000): Öffentlichkeitsrhetorik. Massenmedialer Diskurs und Bedeutungswandel. Wiesbaden.
Friedrichs, Jürgen / Schwinges, Ulrich (1999): Das journalistische Interview. Opladen; Wiesbaden.
Fröhlich, Romy (1992): Qualitativer Einfluß von Pressearbeit auf die Berichterstattung. Die „geheime Verführung” der
Presse? In: Publizistik, Heft 1/1992, 37. Jg., S. 37-49.
Früh, Werner (1991): Medienwirkungen: Das dynamisch-transaktionale Modell. Theorie und empirische Forschung.
Opladen.
Fuchs, Dieter (1997): Kriterien demokratischer Performanz. Discussion Paper FS-III97-203. Wissenschaftszentrum
Berlin. [abgerufen am 17.1.2005 unter: http://bibliothek.wz-berlin.de/pdf/1997/iii97-203.pdf]
Funiok, Rüdiger (Hrsg.) (1996a): Grundfragen der Kommunikationsethik. Konstanz.
Funiok, Rüdiger (1996b): Grundfragen einer Publikumsethik. In: ders. (Hrsg.): Grundfragen der Kommunikations-
ethik. Konstanz, S. 107-122.
Funiok, Rüdiger / Schmälzle, Udo F. / Werth, Christoph H. (Hrsg.) (1999): Medienethik – die Frage der Verantwor-
tung. Bonn.
Geiger, Theodor (1949): Aufgaben und Stellung der Intelligenz in der Gesellschaft. Stuttgart.
Geiger, Theodor (1963): Demokratie ohne Dogma. Die Gesellschaft zwischen Pathos und Nüchternheit. München.
Geißler, Rainer (1973): Massenmedien, Basiskommunikation und Demokratie. Ansätze zu einer normativ-empirischen
Theorie. Tübingen.
Geißler, Rainer (1979): Partizipatorisch-pluralistische Demokratie und Medieninhalte. Ein Bezugsrahmen zur Analyse
politischer Massenkommunikationsaussagen. In: Publizistik, Heft 2/1979, 24. Jg., S. 171-187.
Gerhards, Jürgen (1994): Politische Öffentlichkeit. Ein system- und akteurstheoretischer Bestimmungsversuch. In:
Neidhardt, Friedhelm (Hrsg.): Öffentlichkeit, öffentliche Meinung, soziale Bewegungen. Opladen, S. 77-
105.
Gerhards, Jürgen (1996): Reder, Schweiger, Anpasser und Missionare: Eine Typologie öffentlicher Kommunikations-
bereitschaft und ein Beitrag zur Theorie der Schweigespirale. In: Publizistik, Heft 1/1996, 41. Jg., S. 1-14.
Gerhards, Jürgen (1997): Diskursive versus liberale Öffentlichkeit. Eine empirische Auseinandersetzung mit Jürgen
Habermas. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Heft 1/1997, 49. Jg., S. 1-34.
Gerhards, Jürgen / Neidhardt, Friedhelm (1990): Strukturen und Funktionen moderner Öffentlichkeit. Fragestellun-
gen und Ansätze. Discussion Paper FS III 90-101. Wissenschaftszentrum Berlin.
Literatur 397
Gerhards, Jürgen / Neidhardt, Friedhelm / Rucht, Dieter (1998): Zwischen Palaver und Diskurs. Strukturen und
öffentliche Meinungsbildung am Beispiel der deutschen Diskussion zur Abtreibung. Opladen; Wiesbaden.
Gerhardt, Uta (2001): Idealtypus. Zur methodologischen Begründung der modernen Soziologie. Frankfurt am Main.
Giddens, Anthony (1995): Die Konstitution der Gesellschaft. Grundzüge einer Theorie der Strukturierung. Frankfurt;
New York.
Glotz, Peter (1965): Problemgeschichtliche Einleitung. In: Roegele, Otto B. (Hrsg.): Presse-Reform und Fernseh-Streit.
Texte zur Kommunikationspolitik 1832 bis heute. Gütersloh, S. 9-34.
Glotz, Peter (1990): Von der Zeitungs- über die Publizistik- zur Kommunikationswissenschaft. In: Publizistik, Heft
3/1990, 35. Jg., S. 249-256.
Glotz, Peter / Langenbucher, Wolfgang R. (1968): Monopol und Kommunikation. In: Publizistik, Heft 2-3-4/1968,
13. Jg., S. 137-179.
Glotz, Peter / Langenbucher, Wolfgang R. (1969): Der mißachtete Leser. Zur Kritik der deutschen Presse. Köln;
Berlin.
Göhler, Gerhard (Hrsg.) (1994a): Die Eigenart der Institutionen. Zum Profil politischer Institutionentheorie. Baden-
Baden.
Göhler, Gerhard (1994b): Politische Institutionen und ihr Kontext. Begriffliche und konzeptionelle Überlegungen zur
Theorie politischer Institutionen. In: ders. (Hrsg.): Die Eigenart der Institutionen. Zum Profil politischer
Institutionentheorie. Baden-Baden, S. 19-46.
Göhler, Gerhard (Hrsg.) (1995a): Macht der Öffentlichkeit – Öffentlichkeit der Macht. Baden-Baden.
Göhler, Gerhard (1995b): Einleitung. In: ders. (Hrsg.): Macht der Öffentlichkeit – Öffentlichkeit der Macht. Baden-
Baden, S. 7-21.
Görke, Alexander (1999): Risikojournalismus und Risikogesellschaft. Sondierung und Theorieentwurf. Opladen;
Wiesbaden.
Görke, Alexander / Kohring, Matthias (1996): Unterschiede, die Unterschiede machen: Neuere Theorieentwürfe zu
Publizistik, Massenmedien und Journalismus. In: Publizistik, Heft 1/1996, 41. Jg., S. 15-31.
Görke, Alexander / Kohring, Matthias (1997): Worüber reden wir? Vom Nutzen systemtheoretischen Denkens für die
Publizistikwissenschaft. In: Medien Journal, Heft 1/1997, 21. Jg., S. 3-14.
Göttlich, Udo / Winter, Rainer (2000): Die Politik des Vergnügens. Aspekte der Populärkulturanalyse in den Cultural
Studies. In: dies. (Hrsg.): Politik des Vergnügens. Zur Diskussion der Populärkultur in den Cultural Studies.
Köln, S. 7-19.
Goffman, Erving (1983 [1959]): Wir alle spielen Theater. Die Selbstdarstellung im Alltag. München.
Gottschlich, Maximilian (1980): Journalismus und Orientierungsverlust. Grundprobleme öffentlich-kommunikativen
Handelns. Wien; Köln; Graz.
Gottschlich, Maximilian (1999a): Die Welt ist, wie wir sie denken. Zur Kulturkritik der Mediengesellschaft. Analysen
und Essays 1980-1999. Wien; New York.
Gottschlich, Maximilian (1999b): Einleitung. Überzeugung und Wahrnehmung. In: ders.: Die Welt ist, wie wir sie
denken. Zur Kulturkritik der Mediengesellschaft. Analysen und Essays 1980-1999. Wien; New York, S. 1-
22.
Gottschlich, Maximilian (1999c): Der Anspruch der Freiheit. In: ders.: Die Welt ist, wie wir sie denken. Zur Kulturkri-
tik der Mediengesellschaft. Analysen und Essays 1980-1999. Wien; New York, S. 166-175. [zuerst erschie-
nen unter dem Titel „Journalismus zwischen Macht und Verantwortung“. In: Pürer, Heinz (Hrsg.) (1984):
Praktischer Journalismus in Zeitung, Radio und Fernsehen. Mit einer Berufs- und Medienkunde für Journa-
listen in Österreich. Salzburg, S. 347-355]
Gottschlich, Maximilian (1999d): Der Sinn liegt im Ganzen. Ein Dialog. In: ders.: Die Welt ist, wie wir sie denken. Zur
Kulturkritik der Mediengesellschaft. Analysen und Essays 1980-1999. Wien; New York, S. 307-337.
398 Literatur
Greiling, Werner (2000): Die historische Presselandschaft Thüringen. In: Blome, Astrid (Hrsg.): Zeitung, Zeitschrift,
Intelligenzblatt und Kalender. Beiträge zur historischen Presseforschung. Bremen, S. 67-84.
Grieger, Astrid (1997): Kunst und Öffentlichkeit in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. In: Jäger, Hans-Wolf
(Hrsg.): „Öffentlichkeit“ im 18. Jahrhundert. Göttingen, S. 117-135.
Gripp, Helga (1984): Jürgen Habermas. Und es gibt sie doch – Zur kommunikationstheoretischen Begründung von
Vernunft bei Jürgen Habermas. Paderborn u.a..
Groebel, Jo u.a. (1995): Bericht zur Lage des Fernsehens für den Präsidenten der Bundesrepublik Deutschland.
Gütersloh.
Groth, Otto (1928): Die Zeitung. Ein System der Zeitungskunde (Journalistik). Erster Band. Mannheim; Berlin;
Leipzig.
Groth, Otto (1929): Die Zeitung. Ein System der Zeitungskunde (Journalistik). Zweiter Band. Mannheim; Berlin;
Leipzig.
Groth, Otto (1930a): Die Zeitung. Ein System der Zeitungskunde (Journalistik). Dritter Band. Mannheim; Berlin;
Leipzig.
Groth, Otto (1930b): Die Zeitung. Ein System der Zeitungskunde (Journalistik). Vierter Band. Mannheim; Berlin;
Leipzig.
Groth, Otto (1948): Die Geschichte der deutschen Zeitungswissenschaft. Probleme und Methoden. München.
Groth, Otto (1960): Die unerkannte Kulturmacht. Grundlegung der Zeitungswissenschaft (Periodik). Band 1. Das
Wesen des Werkes. Berlin.
Groth, Otto (1961a): Die unerkannte Kulturmacht. Grundlegung der Zeitungswissenschaft (Periodik). Band 2. Das
Sein des Werkes. Berlin.
Groth, Otto (1961b): Die unerkannte Kulturmacht. Grundlegung der Zeitungswissenschaft (Periodik). Band 3. Das
Werden des Werkes/1. Berlin.
Groth, Otto (1962): Die unerkannte Kulturmacht. Grundlegung der Zeitungswissenschaft (Periodik). Band 4. Das
Werden des Werkes/2. Berlin.
Groth, Otto (1963): Die unerkannte Kulturmacht. Grundlegung der Zeitungswissenschaft (Periodik). Band 5. Das
Wirken des Werkes/1. Berlin.
Groth, Otto (1966): Die unerkannte Kulturmacht. Grundlegung der Zeitungswissenschaft (Periodik). Band 6. Das
Wirken des Werkes/2. Berlin.
Groth, Otto (1972): Die unerkannte Kulturmacht. Grundlegung der Zeitungswissenschaft (Periodik). Band 7. Das
Wirken des Werkes/3. Das Werk im Ganzen der Kulturgesellschaft. Berlin.
Groth, Otto (1995): Vermittelte Mitteilung. Ein journalistisches Modell der Massenkommunikation. Herausgegeben
von Wolfgang Langenbucher. München.
Grothe, Thorsten / Schulz, Wolfgang (1993): Politik und Medien in systemtheoretischer Perspektive, oder: Was sieht
die Wissenschaft, wenn die Politik sieht, wie die Medien die Gesellschaft sehen? Eine Auseinandersetzung
mit Frank Marcinkowskis „Publizistik als autopoietisches System“. In: Rundfunk und Fernsehen, Heft
4/1993, 41. Jg., S. 563-576.
Haacke, Wilmont u.a. (1980): Fünfundzwanzig Jahre „Publizistik“. Rückblick – Bilanz – Programm. In: Publizistik,
Heft 4/1980, 25. Jg., S. 473-483.
Haas, Hannes (1990): Journalismus und Sozialforschung: Zwillinge oder ungleiche Brüder? In: Langenbucher,
Wolfgang R. (Hrsg.): Paul F. Lazarsfeld. Die Wiener Tradition der empirischen Sozial- und Kommunikati-
onsforschung. München, S. 213-222.
Haas, Hannes (1999): Empirischer Journalismus. Verfahren zur Erkundung gesellschaftlicher Wirklichkeit. Wien;
Köln; Weimar.
Haas, Hannes / Pürer, Heinz (1996): Berufsauffassungen im Journalismus. In: Pürer, Heinz (Hrsg.): Praktischer
Journalismus in Zeitung, Radio und Fernsehen. Mit einer Berufs- und Medienkunde für Journalisten in
Österreich, Deutschland und der Schweiz. 4., überarbeitete und erweiterte Auflage. Salzburg, S. 355-365.
Haas, Hannes / Wallisch, Gianluca (1991): Literarischer Journalismus oder journalistische Literatur. Ein Beitrag zu
Konzept, Vertretern und Philosophie des „New Journalism“. In: Publizistik, Heft 3/1991, 36. Jg., S. 298-
314.
Habermas, Jürgen (1973 [1964]): Öffentlichkeit (ein Lexikonartikel). In: ders. (1973): Kultur und Kritik. Verstreute
Aufsätze. Frankfurt am Main, S. 61-69. [zuerst veröffentlicht in: Fischer Lexikon Staat und Politik. Neuaus-
gabe. Frankfurt am Main 1964, S. 220-226]
Habermas, Jürgen (1969): Technik und Wissenschaft als „Ideologie”. Frankfurt am Main.
Habermas, Jürgen (19714): Theorie und Praxis. Sozialphilosophische Studien. Frankfurt am Main.
Habermas, Jürgen (1972a): Analytische Wissenschaftstheorie und Dialektik. Ein Nachtrag zur Kontroverse zwischen
Popper und Adorno. In: Adorno, Theodor W. u.a.: Der Positivismusstreit in der deutschen Soziologie.
Neuwied; Berlin, S. 155-191. [zuerst veröffentlicht in: Horkheimer, Max (Hrsg.) (1963): Zeugnisse. Theo-
dor W. Adorno zum sechzigsten Geburtstag. Frankfurt am Main, S. 473-501]
Habermas, Jürgen (1972b): Gegen einen positivistisch halbierten Rationalismus. Erwiderung eines Pamphlets. In:
Adorno, Theodor W. u.a.: Der Positivismusstreit in der deutschen Soziologie. Neuwied; Berlin, S. 235-266.
[zuerst veröffentlicht in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, 1964, 16. Jg., S. 225-256]
Habermas, Jürgen (1973a): Legitimationsprobleme im Spätkapitalismus. Frankfurt am Main.
Habermas, Jürgen (1973b): Erkenntnis und Interesse. (mit einem neuen Nachwort). Frankfurt am Main.
Habermas, Jürgen (1976): Zur Rekonstruktion des Historischen Materialismus. Frankfurt am Main.
Habermas, Jürgen (1978 [1976]): Hannah Arendts Begriff der Macht. In: ders.: Politik, Kunst, Religion. Essays über
zeitgenössische Philosophen. Stuttgart, S. 103-126. [zuerst veröffentlicht in: Merkur, Heft 10/1976, S. 946-
960]
Habermas, Jürgen (1995 [1981]): Theorie des kommunikativen Handelns. 2 Bände. Frankfurt am Main.
Habermas, Jürgen (1982): Zur Logik der Sozialwissenschaften. Erweiterte Ausgabe. Frankfurt am Main.
Habermas, Jürgen (1982 [1970]): Der Universalitätsanspruch der Hermeneutik. In: ders.: Zur Logik der Sozialwissen-
schaften. Erweiterte Ausgabe. Frankfurt am Main, S. 331-366. [zuerst veröffentlicht in: Bubner, Richard
u.a. (Hrsg.) (1970): Hermeneutik und Dialektik. Bd. II. Tübingen, S. 73-104]
Habermas, Jürgen (19997 [1983]): Moralbewußtsein und kommunikatives Handeln. Frankfurt am Main.
Habermas, Jürgen (1995a [1984]): Vorstudien und Ergänzungen zur Theorie des kommunikativen Handelns. Frankfurt
am Main.
Habermas, Jürgen (1995b [1984]): Was heißt Universalpragmatik? In: ders.: Vorstudien und Ergänzungen zur Theorie
des kommunikativen Handelns. Frankfurt am Main, S. 353-440.
Habermas, Jürgen (1995c [1984]): Wahrheitstheorien. In: ders.: Vorstudien und Ergänzungen zur Theorie des
kommunikativen Handelns. Frankfurt am Main, S. 127-186.
400 Literatur
Habermas, Jürgen (1995d [1984]): Erläuterungen zum Begriff des kommunikativen Handelns. In: ders.: Vorstudien
und Ergänzungen zur Theorie des kommunikativen Handelns. Frankfurt am Main, S. 571-606.
Habermas, Jürgen (1985a): Dialektik der Rationalisierung. In: ders.: Die neue Unübersichtlichkeit. Kleine politische
Schriften V. Frankfurt am Main, S. 167-208.
Habermas, Jürgen (1985b): Ein Interview mit der New Left Review. In: ders.: Die Neue Unübersichtlichkeit. Kleine
Politische Schriften V. Frankfurt am Main, S. 213-257.
Habermas, Jürgen (1985c): Der philosophische Diskurs der Moderne. Zwölf Vorlesungen. Frankfurt am Main.
Habermas, Jürgen (1986a): Entgegnung. In: Honneth, Axel / Joas, Hans (Hrsg.): Kommunikatives Handeln. Frankfurt
am Main, S. 327-405.
Habermas, Jürgen (1986b): Moralität und Sittlichkeit. Treffen Hegels Einwände gegen Kant auch auf die Diskursethik
zu? In: Kuhlmann, Wolfgang (Hrsg.): Moralität und Sittlichkeit. Das Problem Hegels und die Diskursethik.
Frankfurt am Main, S. 16-37.
Habermas, Jürgen (1988a): Nachmetaphysisches Denken. Philosophische Aufsätze. Frankfurt am Main.
Habermas, Jürgen (1988b): Die Einheit der Vernunft liegt in der Vielheit ihrer Stimmen. In: Merkur, Heft 1/1988, 42.
Jg., S. 1-14.
Habermas, Jürgen (1989): Volkssouveränität als Verfahren. Ein normativer Begriff von Öffentlichkeit. In: Merkur,
Heft 6/1989, 43. Jg., S. 465-477.
Habermas, Jürgen (1990): Strukturwandel der Öffentlichkeit. Untersuchung zu einer Kategorie der bürgerlichen
Gesellschaft. (Neuauflage mit aktualisierendem Vorwort). Frankfurt am Main.
Habermas, Jürgen (1991): Erläuterungen zur Diskursethik. Frankfurt am Main.
Habermas, Jürgen (1992): Faktizität und Geltung. Beiträge zur Diskurstheorie des Rechts und des demokratischen
Rechtsstaats. Frankfurt am Main.
Habermas, Jürgen (1996): Die Einbeziehung des Anderen. Studien zur politischen Theorie. Frankfurt am Main.
Habermas, Jürgen (1999): Wahrheit und Rechtfertigung. Philosophische Aufsätze. Frankfurt am Main.
Habermas, Jürgen (2000): Nach dreißig Jahren: Bemerkungen zu Erkenntnis und Interesse. In: Müller-Doohm, Stefan
(Hrsg.): Das Interesse der Vernunft. Rückblicke auf das Werk von Jürgen Habermas seit „Erkenntnis und
Interesse“. Frankfurt am Main, S. 12-20.
Habermas, Jürgen (2001 [1998]): Es gibt doch Alternativen! In: ders.: Zeit der Übergänge. Kleine Politische Schriften
IX. Frankfurt am Main, S. 11-24. [zuerst veröffentlicht in: Die Zeit vom 8. Oktober 1998].
Habermas, Jürgen (2001): Glauben und Wissen. Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Frankfurt am Main.
Habermas, Jürgen (2003): Elixier der Demokratie. Das sagen andere über die Bedeutung von Qualitätszeitungen. In:
Süddeutsche Zeitung vom 18.3.2003, S. 20.
Habermas, Jürgen (2004): Öffentlicher Raum und politische Öffentlichkeit. Lebensgeschichtliche Wurzeln zweier
Gedankenmuster. In: Neue Zürcher Zeitung, Internationale Ausgabe vom 11./12.12.2004, S. 47-48.
Habermas, Jürgen (2005): Zwischen Naturalismus und Religion. Philosophische Aufsätze. Frankfurt am Main.
Habermas, Jürgen (2006): Political Communication in Media Society – Does Democracy still enjoy an epistemic
dimension? The impact of normative theory on empirical research. Keynote Speech bei der ICA-
Jahrestagung am 20.6.2006 in Dresden. Manuskript. [http://www.icahdq.org/Speech_by_Habermas.pdf;
abgerufen am 27.11.2006]
Habermas, Jürgen (2007): Medien, Märkte und Konsumenten. „Die besondere Natur der Waren Bildung und Informa-
tion“ – Die seriöse Presse als Rückgrat der politischen Öffentlichkeit. In: Süddeutsche Zeitung vom
16.5.2007, S. 13.
Habermas, Jürgen / Luhmann, Niklas (1971): Theorie der Gesellschaft oder Sozialtechnologie – Was leistet die
Systemforschung? Frankfurt am Main.
Literatur 401
Habermas, Jürgen / Joseph Ratzinger (2005): Dialektik der Säkularisierung. Über Vernunft und Religion. Freiburg;
Basel; Wien.
Hachmeister, Lutz (1987): Theoretische Publizistik. Studien zur Geschichte der Kommunikationswissenschaft in
Deutschland. Berlin.
Hachmeister, Lutz (1992): Das Gespenst des Radikalen Konstruktivismus. Zur Analyse des Funkkollegs „Medien und
Kommunikation“. In: Rundfunk und Fernsehen, Heft 1/1992, 40. Jg., S. 5-21.
Hachmeister, Lutz / Baum, Achim / Schuppe, Matthias (1983): Praktizismus und kommunikationswissenschaftliches
Studium. Eine explorative Studie zur Theorie/Praxis-Vermittlung. In: Publizistik, Heft 2/1983, 28. Jg., S.
187-203.
Hagemann, Walter (1947): Grundzüge der Publizistik. Regensburg; Münster.
Hagemann, Walter (1950): Die Zeitung als Organismus. Ein Leitfaden. Heidelberg.
Hagemann, Walter (1956): Begriffe und Methoden publizistischer Forschung. In: Publizistik, Heft 1/1956, 1. Jg., S. 11-
25.
Hagemann, Walter (1957): Dankt die Presse ab? München.
Hall, Stuart (1980): Encoding/decoding. In: Hall, Stuart u.a. (Hrsg.): Culture, Media, Language. Working Papers in
Cultural Studies, 1972-1979. London u.a., S. 128-138.
Haller, Michael (1992): Die Journalisten und der Ethikbedarf. In: Haller, Michael / Holzhey, Helmut (Hrsg.): Medien-
Ethik. Beschreibungen, Analysen, Konzepte für den deutschsprachigen Journalismus. Opladen, S. 196-211.
Haller, Michael (1993): Journalistisches Handeln: Vermittlung oder Konstruktion von Wirklichkeit? In: Bentele,
Günter / Rühl, Manfred (Hrsg.): Theorien öffentlicher Kommunikation. Konstanz, S. 138-151.
Haller, Michael (1996): Das allmähliche Verschwinden des journalistischen Subjekts. Die Bedeutung der redaktionellen
Organisation für die Informationsproduktion. In: Wunden, Wolfgang (Hrsg.): Wahrheit als Medienqualität.
Beiträge zur Medienethik. Band 3. Frankfurt am Main, S. 37-46.
Haller, Michael (2000a): Die zwei Kulturen. Journalismustheorie und journalistische Praxis. In: Löffelholz, Martin
(Hrsg.): Theorien des Journalismus. Ein diskursives Handbuch. Wiesbaden, S. 101-122.
Haller, Michael (2000b): Prüfen mit System. In: Journalist, Heft 11/2000, S. 16-19.
Haller, Michael (2002): Der Journalismus im Medientheater. In: Schicha, Christian / Brosda, Carsten (Hrsg.): Medien
und Terrorismus. Reaktionen auf den 11. September 2001. Münster, S. 46-52.
Haller, Michael (2003): Politisierung des Kulturellen? Zum Funktionswandel des Kulturjournalismus in der Medienge-
sellschaft. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 12/2003, S. 3-5.
Haller, Michael (2005): Jenseits der Nachrichtenwerte: Journalismus in der Mediengesellschaft. In: Fasel, Christoph
(Hrsg.): Qualität und Erfolg im Journalismus. Konstanz, S. 289-316.
Haller, Michael / Holzhey, Helmut (Hrsg.) (1992a): Medien-Ethik. Beschreibungen, Analysen, Konzepte für den
deutschsprachigen Journalismus. Opladen.
Haller, Michael / Holzhey, Helmut (1992b): Einleitung. Die Frage nach einer Medienethik. In: dies. (Hrsg.): Medien-
Ethik. Beschreibungen, Analysen, Konzepte für den deutschsprachigen Journalismus. Opladen, S. 11-19.
Hardt, Hanno (1992): Kommunikationsgeschichte als Gesellschaftliche Kritik: Anmerkungen zur U.S. Medienge-
schichte. In: Medien & Zeit, Heft 2/1992, S. 17-19.
Hartwich-Reick, Ricarda / Rager, Günther (1998): Es ist nicht alles Gold, was glänzt. Theatralität und Qualität im
Journalismus. In: Göttlich, Udo / Nieland, Jörg-Uwe / Schatz, Heribert (Hrsg.): Kommunikation im Wan-
del. Köln, S. 96-115.
Heinelt, Peer (2002): Porträt eines Schreibtischtäters. Franz Ronneberger (1913-1999). In: Medien & Zeit, Heft 2-
3/2002, S. 92-111.
Heinrich, Jürgen (1994): Medienökonomie. Band 1: Mediensystem, Zeitung, Zeitschrift, Anzeigenblatt. Opladen.
402 Literatur
Heinrich, Jürgen (1996): Qualitätswettbewerb und/oder Kostenwettbewerb im Mediensektor? In: Rundfunk und
Fernsehen, Heft 2/1996, 44. Jg., S. 165-184.
Heinrich, Jürgen (1999): Ökonomik der Steuerungs- und Regelungsmöglichkeiten des Mediensystems – Rezipienten-
orientierung der Kontrolle. In: Imhof, Kurt / Jarren, Otfried / Blum, Roger (Hrsg.): Steuerungs- und Rege-
lungsprobleme in der Informationsgesellschaft. Opladen; Wiesbaden, S. 249-259.
Heinrich, Jürgen (2000): Medienunternehmen und Öffentlichkeit. In: Jarren, Otfried / Imhof, Kurt / Blum, Roger
(Hrsg.): Zerfall der Öffentlichkeit? Wiesbaden, S. 148-159.
Heinrich, Jürgen (2001): Ökonomisierung aus wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive. In: Medien & Kommunikati-
onswissenschaft, Heft 2/2001, 49. Jg., S. 159-166.
Heinrich, Jürgen (2002): Ökonomie der Medien – Grundlage einer Medientheorie. In: Eurich, Claus (Hrsg.): Gesell-
schaftstheorie und Mediensystem. Interdisziplinäre Zugänge zur Beziehung von Medien, Journalismus und
Gesellschaft. Münster; Hamburg; London, S. 58-72.
Heinrich, Jürgen / Lobigs, Frank (2003): Neue Institutionenökonomik. In: Altmeppen, Klaus-Dieter / Karmasin,
Matthias (Hrsg.): Medien und Ökonomie. Band 1/1: Grundlagen der Medienökonomie: Kommunikations-
und Medienwissenschaft, Wirtschaftswissenschaft. Wiesbaden, S. 245-268.
Heming, Ralf (1997): Öffentlichkeit, Diskurs und Gesellschaft. Zum analytischen Potential und zur Kritik des Begriff
der Öffentlichkeit bei Habermas. Wiesbaden.
Hempel, Carl G. (1965): Typologische Methoden in den Sozialwissenschaften. In: Topitsch, Ernst (Hrsg.): Logik der
Sozialwissenschaften. Köln; Berlin, S. 85-103.
Hienzsch, Ulrich (1990): Journalismus als Restgröße. Redaktionelle Rationalisierung und publizistischer Leistungsver-
lust. Wiesbaden.
Hölscher, Lucian (1979): Öffentlichkeit und Geheimnis. Eine begriffsgeschichtliche Untersuchung zur Entstehung der
Öffentlichkeit in der frühen Neuzeit. Stuttgart.
Hölscher, Lucian (1997): Die Öffentlichkeit begegnet sich selbst. Zur Struktur öffentlichen Redens im 18. Jahrhundert
zwischen Diskurs- und Sozialgeschichte. In: Jäger, Hans-Wolf (Hrsg.): „Öffentlichkeit“ im 18. Jahrhundert.
Göttingen, S. 11-31.
Hömberg, Walter (1987): Von Kärrnern und Königen. Zur Geschichte journalistischer Berufe. In: Bobrowsky,
Manfred / Langenbucher, Wolfgang R. (Hrsg.): Wege zur Kommunikationsgeschichte. München, S. 619-
629.
Hörisch, Jochen (2001): Der Sinn und die Sinne. Eine Geschichte der Medien. Frankfurt am Main.
Hofstätter, Peter R. (1957): Gruppendynamik. Kritik der Massenpsychologie. Hamburg.
Hohlfeld, Ralf (2002): Journalismus für das Publikum? Zur Bedeutung angewandter Medienforschung für die Praxis.
In: ders. / Meier, Klaus / Neuberger, Christoph (Hrsg.): Innovationen im Journalismus. Forschung für die
Praxis. Münster, S. 155-201.
Hohlfeld, Ralf (2003): Journalismus und Medienforschung. Theorie, Empirie, Transfer. Konstanz.
Hohlfeld, Ralf / Neuberger, Christoph (1998): Profil, Grenzen und Standards der Kommunikationswissenschaft. Eine
Inhaltsanalyse wissenschaftlicher Fachzeitschriften. In: Rundfunk und Fernsehen, Heft 3/1998, 46. Jg., S.
313-332.
Hohlfeld, Ralf / Meier, Klaus / Neuberger, Christoph (Hrsg.) (2002): Innovationen im Journalismus. Forschung für
die Praxis. Münster.
Holderegger, Adrian (Hrsg.) (1999): Kommunikations- und Medienethik. Interdisziplinäre Perspektiven. Freiburg
(CH); Freiburg i. Br..
Holzer, Horst (1971): Gescheiterte Aufklärung? Politik, Ökonomie und Kommunikation in der Bundesrepublik
Deutschland. München.
Holzer, Horst (1973): Kommunikationssoziologie. Reinbek bei Hamburg.
Literatur 403
Imhof, Kurt (2003): Der normative Horizont der Freiheit. „Deliberation“ und „Öffentlichkeit“: zwei zentrale Begriffe
der Kommunikationswissenschaft. In: Langenbucher, Wolfgang R. (Hrsg.): Die Kommunikationsfreiheit
der Gesellschaft. Die demokratischen Funktionen eines Grundrechts. Wiesbaden. [Publizistik Sonderheft
4/2003], S. 25-57.
Imhof, Kurt / Jarren, Otfried / Blum, Roger (Hrsg.) (1999a): Steuerungs- und Regelungsprobleme in der Informa-
tionsgesellschaft. Opladen; Wiesbaden.
Imhof, Kurt / Jarren, Otfried / Blum, Roger (1999b): Einleitung. Steuerungs- und Regelungsprobleme in der Informa-
tionsgesellschaft. In: dies. (Hrsg.): Steuerungs- und Regelungsprobleme in der Informationsgesellschaft.
Opladen; Wiesbaden, S. 11-17.
Jäger, Karl (1926a): Von der Zeitungskunde zur publizistischen Wissenschaft. Jena.
Jäger, Karl (1926b): Zeitungswissenschaft (Journalistik). Dessau.
Jäger, Wieland / Baltes-Schmitt, Marion (2003): Jürgen Habermas. Einführung in die Theorie der Gesellschaft.
Wiesbaden.
Jäger, Wolfgang (1973): Öffentlichkeit und Parlamentarismus. Eine Kritik an Jürgen Habermas. Stuttgart u.a.
Jagschitz, Gerhard (1987): Moderne Entwicklung der Zeitgeschichte – Impulse für die Kommunikationsgeschichte. In:
Bobrowsky, Manfred / Langenbucher, Wolfgang R. (Hrsg.): Wege zur Kommunikationsgeschichte. Mün-
chen, S. 722-736.
Jarren, Otfried (1994): Medien- und Kommunikationspolitik in Deutschland. Eine Einführung anhand ausgewählter
Problembereiche. In: ders. (Hrsg.): Medien und Journalismus 1. Eine Einführung. Opladen, S. 107-143.
Jarren, Otfried (1996a): Auf dem Weg in die „Mediengesellschaft“? Medien als Akteure und institutionalisierter
Handlungskontext. Theoretische Anmerkungen zum Wandel des intermediären Systems. In: Imhof, Kurt /
Schulz, Peter (Hrsg.): Politisches Raisonnement in der Informationsgesellschaft. Zürich, S. 79-96.
Jarren, Otfried (1996b): Publizistische Märkte und Kommunikationspolitik. Öffentliche Regulierung statt politisch-
administrativer Steuerung? In: Altmeppen, Klaus-Dieter (Hrsg.): Ökonomie der Medien und des Medien-
systems. Grundlagen, Ergebnisse und Perspektiven medienökonomischer Forschung. Opladen, S. 203-219.
Jarren, Otfried (1998a): Medien, Mediensystem und politische Öffentlichkeit im Wandel. In: Sarcinelli, Ulrich (Hrsg.):
Politikvermittlung und Demokratie in der Mediengesellschaft. Bonn, S. 74-94.
Jarren, Otfried (1998b): Sache der ganzen Gesellschaft. In: Zoom K&M, Nr. 11, Juli 1998, S. 23-28.
Jarren, Otfried (1999): Medienregulierung in der Informationsgesellschaft? Über die Möglichkeiten zur Ausgestaltung
der zukünftigen Medienordnung. In: Publizistik, Heft 2/1999, 44. Jg., S. 149-164.
Jarren, Otfried (2000): Gesellschaftliche Integration durch Medien? Zur Begründung normativer Anforderungen an
Medien. In: Langenbucher, Wolfgang R. (Hrsg.): Elektronische Medien, Gesellschaft und Demokratie.
Wien, S. 234-253. [zuerst veröffentlicht in: Medien & Kommunikationswissenschaft, Heft 1/2000, 48. Jg.,
S. 22-41.]
Jarren, Otfried (2002): Medienregulierung zwischen Pfadabhängigkeit und Innovationsmöglichkeit. Ein Beitrag zur
kommunikationswissenschaftlichen Innovationsforschung. In: Medienwissenschaft Schweiz, Nr. 1/2002, S.
12-24.
Jarren, Otfried (2003): Institutionelle Rahmenbedingungen und Organisationen der öffentlichen Kommunikation. In:
Bentele, Günter / Brosius, Hans-Bernd / ders. (Hrsg.): Öffentliche Kommunikation. Handbuch Kommu-
nikations- und Medienwissenschaft. Wiesbaden, S. 13-27.
Jarren, Otfried / Bonfadelli, Heinz (Hrsg.) (2001): Einführung in die Publizistikwissenschaft. Bern; Stuttgart; Wien.
Jarren, Otfried / Donges, Patrick (2000): Medienregulierung durch die Gesellschaft? Eine steuerungstheoretische und
komparative Studie mit Schwerpunkt Schweiz. Wiesbaden.
Jarren, Otfried / Donges, Patrick (2002a): Politische Kommunikation in der Mediengesellschaft. Eine Einführung.
Band 1: Verständnis, Rahmen und Strukturen. Wiesbaden.
Jarren, Otfried / Donges, Patrick (2002b): Politische Kommunikation in der Mediengesellschaft. Eine Einführung.
Band 2: Akteure, Prozesse und Inhalte. Wiesbaden.
Jarren, Otfried / Donges, Patrick (2004): Staatliche Medienpolitik und die Politik der Massenmedien: Institutionelle
und symbolische Steuerung im Mediensystem. In: Lange, Stefan / Schimank, Uwe (Hrsg.): Governance
und gesellschaftliche Integration. Wiesbaden, S. 47-63.
Jarren, Otfried / Imhof, Kurt / Blum, Roger (Hrsg.) (2000): Zerfall der Öffentlichkeit? Wiesbaden.
Jarren, Otfried / Meier, Werner A. (2002): Mediensysteme und Medienorganisationen als Rahmenbedingungen für den
Journalismus. In: Jarren, Otfried / Weßler, Hartmut (Hrsg.): Journalismus – Medien – Öffentlichkeit. Eine
Einführung. Wiesbaden, S. 99-163.
Literatur 405
Jarren, Otfried / Sarcinelli, Ulrich / Saxer, Ulrich (Hrsg.) (1998): Politische Kommunikation in der demokratischen
Gesellschaft. Ein Handbuch. Opladen; Wiesbaden.
Jarren, Otfried / Schatz, Heribert / Weßler, Hartmut (Hrsg.) (1996): Medien und politischer Prozeß. Politische
Öffentlichkeit und massenmediale Politikvermittlung im Wandel. Opladen.
Jarren, Otfried / Vowe, Gerhard (1995): Medienkritische Öffentlichkeit als rundfunkpolitischer Akteur? Analyse und
Bewertung der ‚Weizsäcker-Kommission‘. In: Rundfunk und Fernsehen, Heft 1/1995, 43. Jg., S. 5-25.
Jarren, Otfried / Weßler, Hartmut (Hrsg.) (2002): Journalismus – Medien – Öffentlichkeit. Eine Einführung. Wiesba-
den.
Joas, Hans (1986): Die unglückliche Ehe von Hermeneutik und Funktionalismus. In: Honneth, Axel / ders. (Hrsg.):
Kommunikatives Handeln. Frankfurt am Main, S. 144-176.
Jonscher, Norbert (1995): Lokale Publizistik. Theorie und Praxis der örtlichen Berichterstattung. Ein Lehrbuch.
Opladen.
Junker, G. Carlheinz (1915): Grundriß der Journalistik. München.
Kepplinger, Hans Mathias (1998): Die Demontage der Politik in der Informationsgesellschaft. Freiburg (Breisgau);
München.
Kepplinger, Hans Mathias (2000): Problemdimensionen des Journalismus. Theoretischer Anspruch und empirischer
Ertrag. In: Löffelholz, Martin (Hrsg.): Theorien des Journalismus. Ein diskursives Handbuch. Wiesbaden,
S. 81-99.
Kepplinger, Hans Mathias / Ehmig, Simone Christine (1997): Der Einfluß politischer Einstellungen von Journalisten
auf die Beurteilung aktueller Kontroversen. In: Medienpsychologie, Heft 4/1997, 9. Jg., S. 271-292.
Kepplinger, Hans Mathias / Vohl, Inge (1976): Professionalisierung des Journalismus? Theoretische Probleme und
empirische Befunde. In: Rundfunk und Fernsehen, Heft 4/1976, 24. Jg., S. 309-343.
Kepplinger, Hans Mathias / Weissbecker, Helga (1991): Negativität als Nachrichtenideologie. In: Publizistik, Heft
3/1991, 36. Jg., S. 330-342.
Kiefer, Marie Luise (2001): Fernsehprogrammforschung – medienökonomisch betrachtet. In: Marcinkowski, Frank
(Hrsg.): Die Politik der Massenmedien. Heribert Schatz zum 65. Geburtstag. Köln, S. 181-204.
Kiefer, Marie-Luise (2003): Medienökonomie und Medientechnik. In: Altmeppen, Klaus-Dieter / Karmasin, Matthias
(Hrsg.): Medien und Ökonomie. Band 1/2: Grundlagen der Medienökonomie: Soziologie, Kultur, Politik,
Philosophie, International, Geschichte, Technik, Journalistik. Wiesbaden, S. 181-208.
Kieslich, Günter (1966): Berufsbilder im frühen Zeitungswesen. Vorstudien zu einer Soziologe des Journalismus
zwischen 1609 und 1650. In: Publizistik, Heft 3-4/1966, 11. Jg., S. 253-263.
Kieslich, Günter (1970): Ein Beruf ohne Berufsbild. Gedanken zur Ausbildung von Journalisten. In: Hufen, Fritz
(Hrsg.): Politik und Massenmedien. Mainz, S. 303-321.
Kieslich, Günter (1972): Zum Selbstverständnis der Publizistikwissenschaft. In: Publizistik, Heft 1/1972, 17. Jg., S. 68-
78.
Kieslich, Günter (1973): Anmerkungen über die Anfänge des journalistischen Berufs. In: Koschwitz, Hansjürgen /
Pötter, Günter (Hrsg.): Publizistik als Gesellschaftswissenschaft. Internationale Beiträge. Konstanz, S. 119-
130.
Kisch, Egon Erwin (1996 [1925]): Der rasende Reporter. Berlin.
Kiss, Gábor (1987): Paradigmenwechsel in der Kritischen Theorie: Jürgen Habermas’ intersubjektiver Ansatz.
Stuttgart.
Klaus, Elisabeth (1996): Der Gegensatz von Information ist Desinformation, der Gegensatz von Unterhaltung ist
Langeweile. In: Rundfunk und Fernsehen, Heft 3/1996, 44. Jg., S. 402-417.
Klaus, Elisabeth / Lünenborg, Margreth (2000a): Der Wandel des Medienangebots als Herausforderung an die
Journalismusforschung: Plädoyer für eine kulturorientierte Annäherung. In: Medien & Kommunikations-
wissenschaft, Heft 2/2000, 48. Jg., S. 188-211.
Klaus, Elisabeth / Lünenborg, Margreth (2000b): Münsteraner Wiedertäufer Revivals, Teil 2. Eine Antwort auf Armin
Scholl. In: Medien & Kommunikationswissenschaft, Heft 3/2000, 48. Jg., S. 413-415.
Klaus, Elisabeth / Lünenborg, Margreth (2002): Journalismus: Fakten, die unterhalten – Fiktionen, die Wirklichkeiten
schaffen. Anforderungen an eine Journalistik, die dem Wandel des Journalismus Rechnung trägt. In: Baum,
Achim / Schmidt, Siegfried J. (Hrsg.): Fakten und Fiktionen. Über den Umgang mit Medienwirklichkeiten.
Konstanz, S. 152-164.
Klaus, Elisabeth / Lünenborg, Margreth (2004): Cultural Citizenship. Ein kommunikationswissenschaftliches Konzept
zur Bestimmung kultureller Teilhabe in der Mediengesellschaft. In: Medien & Kommunikationswissen-
schaft, Heft 2/2004, 52. Jg., S. 193-213.
Knoche, Manfred (2001): Kapitalisierung der Medienindustrie aus politökonomischer Perspektive. In: Medien &
Kommunikationswissenschaft, Heft 2/2001, 49. Jg., S. 177-194.
Literatur 407
Knoll, Joachim H. (1974/75): Publizistikwissenschaft im Spannungsfeld von Theorie und Praxis. Bemerkungen zur
Notwendigkeit wissenschaftlicher Vorbildung und Ausbildung von Kommunikationspraktikern. In: Publi-
zistik, Heft 3-4/1-2 1974/1975, 19./20. Jg., S. 241-255.
Körber, Esther-Beate (1998): Öffentlichkeiten der frühen Neuzeit. Teilnehmer, Formen, Institutionen und Entschei-
dungen öffentlicher Kommunikation im Herzogtum Preußen von 1525 bis 1618. Berlin; New York.
Körber, Esther-Beate / Stöber, Rudolf (1994): Geschichte des journalistischen Berufs. In: Jarren, Otfried (Hrsg.):
Medien und Journalismus 1. Eine Einführung. Opladen, S. 213-225.
Kohring, Matthias (1997): Die Funktion des Wissenschaftsjournalismus. Ein systemtheoretischer Entwurf. Opladen.
Kohring, Matthias (1998): Der Zeitung die Gesetze der Wissenschaft vorschreiben? Wissenschaftsjournalismus und
Journalismus-Wissenschaft. In: Rundfunk und Fernsehen, Heft 2-3/1998, 46. Jg., S. 175-192.
Kohring, Matthias (2001): Autopoiesis und Autonomie des Journalismus. Zur notwendigen Unterscheidung von zwei
Begriffen. In: Communicatio Socialis, Heft 1/2001, 34. Jg., S. 77-89.
Kohring, Matthias (2002a): Fakten ins Töpfchen, Fiktionen ins Kröpfchen? Warum Vertrauen in Journalismus mehr
ist als Glaubwürdigkeit. In: Baum, Achim / Schmidt, Siegfried J. (Hrsg.): Fakten und Fiktionen: über den
Umgang mit Medienwirklichkeiten. Konstanz, S. 90-100.
Kohring, Matthias (2002b): Vertrauen in Journalismus. In: Scholl, Armin (Hrsg.): Systemtheorie und Konstruktivismus
in der Kommunikationswissenschaft. Konstanz, S. 91-110.
Kohring, Matthias / Hug, Detlef Matthias (1997): Öffentlichkeit und Journalismus. Zur Notwendigkeit der Beobach-
tung gesellschaftlicher Interdependenz – Ein systemtheoretischer Entwurf. In: Medien Journal, Heft
1/1997, 21. Jg., S. 15-33.
Kolb, Ingrid (2004): Gefragt. In: Die Zeit, Nr. 12, 11.3.2004, S. 72
Kopper, Gerd G. (1982): Gesetzliche Transparenzgebote für die Presse. In: Koszyk, Kurt / Schulze, Volker (Hrsg.):
Die Zeitung als Persönlichkeit. Konstanz, S. 63-85.
Kopper, Gerd G. (1986): Wirtschaftliche Grundlagen und Strukturen der Massenmedien. In: Langenbucher, Wolfgang
R. (Hrsg.): Publizistik- und Kommunikationswissenschaft. Ein Textbuch zur Einführung in ihre Teildiszip-
linen. Wien, S. 164-175.
Kopper, Gerd G. (1992): Medien- und Kommunikationspolitik der Bundesrepublik Deutschland. Ein chronologisches
Handbuch 1944-1988. München u.a.
Kopper, Gerd G. / Rager, Günther u.a. (1994): Steuerungs- und Wirkungsmodelle. In: Bruck, Peter (Hrsg.): Medien-
manager Staat. Von den Versuchen des Staates, Medienvielfalt zu ermöglichen. Medienpolitik im interna-
tionalen Vergleich. München, S. 35-181.
Kopperschmidt, Josef (1985): Müssen wir Verständigung wollen? Zu Jürgen Habermas’ „Theorie des kommunikativen
Handelns“ und ihrer Bedeutung für die Konzeptualisierung einer allgemeinen Argumentationstheorie. In:
ders. / Schanze, Helmut (Hrsg.): Argumente – Argumentation. Interdisziplinäre Problemzugänge. Mün-
chen, S. 96-109.
Kopperschmidt, Josef (2000): Argumentationstheorie zur Einführung. Hamburg.
Koszyk, Kurt (1966): Deutsche Presse im 19. Jahrhundert. Geschichte der deutschen Presse. Teil II. Berlin.
Koszyk, Kurt (1968): Zur Funktion und Struktur der Publizistik. Zwei Beiträge. Berlin.
Koszyk, Kurt (1972a): Deutsche Presse 1914 – 1945. Geschichte der deutschen Presse. Teil III. Berlin.
Koszyk, Kurt (1972b): Vorläufer der Massenpresse. Ökonomie und Publizistik zwischen Reformation und Französi-
scher Revolution. Öffentliche Kommunikation im Zeitalter des Feudalismus. München.
Koszyk, Kurt (1977): Probleme einer Sozialgeschichte der öffentlichen Kommunikation. In: Presse und Geschichte.
Beiträge zur historischen Kommunikationsforschung. Referate einer internationalen Fachkonferenz der
Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Deutschen Presseforschung/Universität Bremen, 5.-8. Okto-
ber 1976 in Bremen. München, S. 25-34.
408 Literatur
Koszyk, Kurt / Pruys, Karl Hugo (1969): Journalismus. In: dies.: dtv-Wörterbuch zur Publizistik. München, S. 169-
171.
Kreidel, Hannelore (1967): Kommunikationspolitisch relevante Urteile des Bundesverfassungsgerichtes. In: Publizistik,
Heft 2/1967, 12. Jg., S. 122-139.
Krippendorf, Klaus (1993): Schritte zu einer konstruktivistischen Erkenntnistheorie der Massenkommunikation. In:
Bentele, Günter / Rühl, Manfred (Hrsg.): Theorien öffentlicher Kommunikation. Problemfelder, Positio-
nen, Perspektiven. München, S. 19-51.
Krippendorf, Klaus (1994): Der verschwundene Bote Metaphern und Modelle der Kommunikation. In: Merten, Klaus
/ Schmidt, Siegfried J. / Weischenberg, Siegfried (Hrsg.): Die Wirklichkeit der Medien. Eine Einführung in
die Kommunikationswissenschaft. Opladen, s. 79-113.
Krippendorf, Klaus (1995): Undoing Power. In: Critical Studies in Mass Communication, Nr. 2, 12. Jg., S. 101-132.
Krippendorf, Klaus (1996): A Second-order Cybernetics of Otherness. In: Systems Research, Nr. 3, 13. Jg., S. 311-328.
Krotz, Friedrich (1992): Kommunikation als Teilhabe. Der ‚Cultural Studies Approach‘. In: Rundfunk und Fernsehen,
Heft 3/1992, 40. Jg., S. 412-431.
Krotz, Friedrich (1996): Zur Idee einer Stiftung Medientest – was soll und was kann eine solche Einrichtung leisten?
In: Mast, Claudia (Hrsg.): Markt – Macht – Medien. Publizistik zwischen gesellschaftlicher Verantwortung
und ökonomischen Zielen. Konstanz, S. 325-335.
Krotz, Friedrich (1997): Gesellschaftliches Subjekt und kommunikative Identität. Zum Menschenbild der Cultural
Studies. In: Hepp, Andreas / Winter, Rainer (Hrsg.): Kultur – Medien – Macht. Cultural Studies und Me-
dienanalyse. Opladen, S. 117-126.
Krotz, Friedrich (2001a): Die Übernahme öffentlicher und individueller Kommunikation durch die Privatwirtschaft.
Über den Zusammenhang zwischen Mediatisierung und Ökonomisierung. In: Karmasin, Mathias / Kno-
che, Manfred / Winter, Carsten (Hrsg.) (2001): Medienwirtschaft und Gesellschaft I. Medienunternehmen
und die Kommerzialisierung von Öffentlichkeit. Münster, S. 197-217.
Krotz, Friedrich (2001b): Die Mediatisierung kommunikativen Handelns. Der Wandel von Alltag und sozialen
Beziehungen, Kultur und Gesellschaft durch die Medien. Wiesbaden.
Kübler, Hans-Dieter (1996): Kompetenz der Kompetenz der Kompetenz … Anmerkung zur Lieblingsmetapher der
Medienpädagogik. In: medien praktisch, Heft 2/1996, 20. Jg., S. 11-15.
Kuhlmann, Christoph (1999): Die öffentliche Begründung politischen Handelns. Zur Argumentationsrationalität in der
politischen Massenkommunikation. Opladen; Wiesbaden.
Kuhlmann, Christoph (2002): Habermas: Theorie des kommunikativen Handelns. In: Holtz-Bacha, Christina /
Kutsch, Arnulf (Hrsg.): Schlüsselwerke für die Kommunikationswissenschaft. Wiesbaden, S. 182-184.
Kuhlmann, Wolfgang (1985): Ethik und Argumentation. In: Kopperschmidt, Josef. / Schanze, Helmut (Hrsg.):
Argumente – Argumentation. Interdisziplinäre Problemzugänge. München, S. 81-95.
Kuhlmann, Wolfgang / Böhler, Dietrich (1982): Kommunikation und Reflexion. Zur Diskussion der Transzendental-
pragmatik. Antworten auf Karl-Otto Apel. Frankfurt am Main.
Kuhn, Thomas S. (1976): Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen. Zweite revidierte und um das Postskriptum
von 1969 ergänzte Auflage. Frankfurt am Main.
Kunczik, Michael (1988): Journalismus als Beruf. Köln; Wien.
Kunisch, Johannes (1997): Absolutismus und Öffentlichkeit. In: Jäger, Hans-Wolf (Hrsg.): „Öffentlichkeit“ im 18.
Jahrhundert. Göttingen, S. 33-49.
Kurz, Josef u.a. (2000): Stilistik für Journalisten. Wiesbaden.
Kutsch, Arnulf (1988): Max Webers Anregung zur empirischen Journalismusforschung. Die ‚Zeitungs-Enquete‘ und
eine Redakteurs-Umfrage. In: Publizistik, Heft 1/1988, 33. Jg., S. 5-31.
Literatur 409
Lang, Alfred (1993): Jürgen Habermas’ Verständigungsparadigma als theoretischer und forschungsleitender Rahmen in
der Kommunikationswissenschaft. In: Bentele, Günter / Rühl, Manfred (Hrsg.): Theorien öffentlicher
Kommunikation. Problemfelder, Positionen, Perspektiven. Konstanz, S. 214-217.
Lang, Helmut W. (1985): Weg vom Funktionalismus! Zur Problematik der Medien- und Kommunikationsgeschichte.
In: Duchkowitsch, Wolfgang (Hrsg.): Mediengeschichte. Forschung und Praxis. Wien; Köln; Graz, S. 107-
111.
Lange, Stefan /Schimank, Uwe (2004): Governance und gesellschaftliche Integration. In: dies. (Hrsg.): Governance
und gesellschaftliche Integration. Wiesbaden, S. 9-44.
Langenbucher, Wolfgang R. (1974/1975): Kommunikation als Beruf. Ansätze und Konsequenzen kommunikations-
wissenschaftlicher Berufsforschung. In: Publizistik, Heft 3-4/1974 / 1-2/1975, 19. u. 20. Jg., S. 256-277.
Langenbucher, Wolfgang R. (Hrsg.) (1980): Journalismus & Journalismus. Plädoyers für Recherche und Zivilcourage.
München.
Langenbucher, Wolfgang (1986): Ethik und Wissenschaftsjournalismus. In: Ruß-Mohl, Stephan: Wissenschaftsjourna-
lismus. Ein Handbuch für Ausbildung und Praxis. München, S. 174-185.
Langenbucher, Wolfgang R. (1987a): Vorwort. In: Bobrowsky, Manfred / ders. (Hrsg.): Wege zur Kommunikationsge-
schichte. München, S. 13-17.
Langenbucher, Wolfgang R. (1987b): Verantwortbarer ‚Katastrophenjournalismus‘? Fragen zum Ergebnis der Tagung.
In: Flöhl, Rainer / Fricke, Jürgen (Hrsg.): Moral und Vermittlung in der Wissenschaftsvermittlung. Die
Aufgabe von Wissenschaftler und Journalist. Mainz, S. 145-148.
Langenbucher, Wolfgang R. (Hrsg.) (1990): Paul F. Lazarsfeld. Die Wiener Tradition der empirischen Sozial- und
Kommunikationsforschung. München.
Langenbucher, Wolfgang R. (Hrsg.) (1992a): Sensationen des Alltags. Meisterwerke des modernen Journalismus.
München.
Langenbucher, Wolfgang R. (1992b): Vorwort. In: ders. (Hrsg.): Sensationen des Alltags. Meisterwerke des modernen
Journalismus. München, S. 9-20.
Langenbucher, Wolfgang R. (1993a): Wahrheit – Aufklärung – Verantwortung. Thesen zu einer historischen Theorie
des modernen Journalismus. In: Publizistik, Heft 3, 38. Jg., S. 311-321.
Langenbucher, Wolfgang R. (1993b): Autonomer Journalismus. Unvorsichtige Annäherungen an ein (Un-)Thema
heutiger Publizistik- und Kommunikationswissenschaft. In: Mahle, Walter (Hrsg.): Journalisten in Deutsch-
land. Nationale und internationale Vergleiche und Perspektiven. München, S. 127-135.
Langenbucher, Wolfgang R. (1995): Einführung – Zu Leben und Werk. In: Groth, Otto: Vermittelte Mitteilung. Ein
journalistisches Modell der Massenkommunikation. München, S. 151-186.
Langenbucher, Wolfgang R. (1996): Das Bewußtsein steigern. Publizisten und Reporter im Dienst der gesellschaftli-
chen Entwicklung. In: Wunden, Wolfgang (Hrsg.): Wahrheit als Medienqualität. Beiträge zur Medienethik.
Band 3. Frankfurt am Main, S. 155-171.
Langenbucher, Wolfgang R. (Hrsg.) (2003): Die Kommunikationsfreiheit der Gesellschaft. Die demokratischen
Funktionen eines Grundrechts. Wiesbaden. [Publizistik Sonderheft 4/2003]
Langenbucher, Wolfgang R. / Neufeldt, Günther (1988): Journalistische Berufsvorstellungen im Wandel von drei
Jahrzehnten. In: Wagner, Hans (Hrsg.): Idee und Wirklichkeit des Journalismus. München, S. 257-272.
von LaRoche, Walther (1995): Einführung in den praktischen Journalismus. Mit genauer Beschreibung aller Ausbil-
dungswege. 14., neubearbeitete Auflage. München; Leipzig.
Lasica, J.D. (2003): What is participatory journalism. In: Online Journalism Review, 07.08.2003.
[http://www.ojr.org/ojr/workplace/1060217106.php; abgerufen am 09.06.2004]
410 Literatur
Lazarsfeld, Paul F. (1973): Bemerkungen über administrative und kritische Kommunikationsforschung. In: Prokop,
Dieter (Hrsg.): Kritische Kommunikationsforschung. Aufsätze aus der Zeitschrift für Sozialforschung. Mit
einer Einleitung von Oskar Negt. München, S. 7-27.
Le Bon, Gustave (1964): Psychologie der Massen. Stuttgart.
Leif, Thomas (2005): Dienstleister oder Aufklärer? Nivellierung, Inszenierung und Public Relations als Gefahr für die
„Vierte Gewalt“. In: Vorgänge, Heft 1/2005, 44. Jg., S. 34-48.
Lepenies, Wolf (1981): Einleitung. Studien zur kognitiven, sozialen und historischen Identität der Soziologie. In: ders.
(Hrsg.): Geschichte der Soziologie. Studien zur kognitiven, sozialen und historischen Identität einer Diszi–
plin. Band 1. Frankfurt am Main, S. I-XXXV.
Lepsius, M. Rainer (1964): Kritik als Beruf. Zur Soziologie der Intellektuellen. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und
Sozialpsychologie, 16. Jg., S. 75-91.
Lerg, Winfried B. (1977): Pressegeschichte oder Kommunikationsgeschichte? In: Presse und Geschichte. Beiträge zur
historischen Kommunikationsforschung. München, S. 9-24.
Lerg, Winfried B. / Steininger, Rolf (Hrsg.) (1975): Rundfunk und Politik 1923 bis 1973. Beiträge zur Rundfunkfor-
schung. Berlin.
Lesch, Walter (1994): Moral auf dem Markt der Meinungen. In: Zoom K&M, Heft 4, Oktober 1994, S. 49-55.
Lesch, Walter (1996): Diskursethik als Basis der Medienkommunikation? In: Funiok, Rüdiger (Hrsg.): Grundfragen der
Kommunikationsethik. Konstanz, S. 97-105.
Liesegang, Torsten (2004): Öffentlichkeit und öffentliche Meinung. Theorien von Kant bis Marx (1780-1850).
Würzburg.
Lindemann, Margot (1969): Deutsche Presse bis 1815. Geschichte der deutschen Presse. Teil 1. Berlin.
Lindenau, Kirsten (1995): Die Öffentlichkeit in der deliberativen Bürgergesellschaft – ratlos? In: perspektiven ds, Heft
3, 12. Jg., S. 208-212.
Löffelholz, Martin (1990): Vom Markt zum Staat. Politische Planung der Journalistik als „Problemverschiebung“. In:
Weischenberg, Siegfried (Hrsg.): Journalismus & Kompetenz. Qualifizierung und Rekrutierung für Me-
dienberufe. Opladen, S. 167-193.
Löffelholz, Martin (Hrsg.) (2000a): Theorien des Journalismus. Ein diskursives Handbuch. Wiesbaden.
Löffelholz, Martin (2000b): Theorien des Journalismus. Entwicklungen, Erkenntnisse, Erfindungen – eine metatheore-
tische und historische Orientierung. In: ders. (Hrsg.): Theorien des Journalismus. Ein diskursives Hand-
buch. Wiesbaden, S. 15-60.
Löffelholz, Martin (2003a): Kommunikatorforschung: Journalistik. In: Bentele, Günter / Brosius, Hans-Bernd /
Jarren, Otfried (Hrsg.): Öffentliche Kommunikation. Handbuch Kommunikations- und Medienwissen-
schaft. Wiesbaden, S. 28-53.
Löffelholz, Martin (2003b): Von ‚neuen Medien‘ zu ‚dynamischen Systemen‘. Eine Bestandsaufnahme zentraler
Metaphern zur Beschreibung der Emergenz öffentlicher Kommunikation. In: Altmeppen, Klaus-Dieter /
Karmasin, Matthias (Hrsg.): Medien und Ökonomie. Band 1/1: Grundlagen der Medienökonomie: Kom-
munikations- und Medienwissenschaft, Wirtschaftswissenschaft. Wiesbaden, S. 53-90.
Löffelholz, Martin (Hrsg.) (2004): Theorien des Journalismus. Ein diskursives Handbuch. 2. Auflage. Wiesbaden.
Löffelholz, Martin u.a. (2003): Onlinejournalisten in Deutschland. Zentrale Befunde der ersten Repräsentativbefragung
deutscher Onlinejournalisten. In: Media Perspektiven, Heft 10/2003, S. 477-486.
Loosen, Wiebke (2005): Zur „medialen Entgrenzungsfähigkeit“ journalistischer Arbeitsprozesse: Synergien zwischen
Print-, TV- und Online-Redaktionen. In: Publizistik, Heft 3/2005, 50. Jg., S. 304-319.
Loosen, Wiebke / Scholl, Armin (2002): Entgrenzungsphänomene im Journalismus. Entwurf einer theoretischen
Konzeption und empirischer Fallstudien. In: Baum, Achim / Schmidt, Siegfried J. (Hrsg.): Fakten und Fik-
tionen. Über den Umgang mit Medienwirklichkeiten. Konstanz, S. 139-151.
Literatur 411
Loosen, Wiebke / Scholl, Armin / Woelke, Jens (2002): Systemtheoretische und konstruktivistische Methodologie. In:
Scholl, Armin (Hrsg.): Systemtheorie und Konstruktivismus in der Kommunikationswissenschaft. Kon-
stanz, S. 37-65.
Loosen, Wiebke / Weischenberg, Siegfried (2002): Das Drehkreuz der Redaktion. Kompetenz-Dimensionen des
„Datenbank-Journalismus“. In: Medien & Kommunikationswissenschaft, Heft 1/2002. 50. Jg., S. 93-101.
Lorenz, Dagmar (2002): Journalismus. Stuttgart; Weimar.
Loretan, Matthias (1994): Grundrisse der Medienethik. Eine „Ethik des Öffentlichen“ als Theorie kommunikativen
Handelns. In: Zoom K&M, Heft 4, Oktober 1994, S. 56-62.
Loretan, Matthias (1996): Publikumsethik. In: Zoom K&M, Heft 8, Oktober 1996, S. 38-47.
Loretan, Matthias (1999): Ethik des Öffentlichen. Grundrisse eine Medienethik als Theorie kommunikativen Han-
delns. In: Holderegger, Adrian (Hrsg.): Kommunikations- und Medienethik. Interdisziplinäre Perspektiven.
Freiburg i. Ue.; Freiburg i. Br., S. 153-183.
Loretan, Matthias (2002): Diskursethisches Programm zur kognitiven Begründung der Medienethik. In: Communicatio
Socialis, Heft 3/2002, 35. Jg., S. 265-297.
Ludes, Peter / Staab, Joachim Friedrich / Schütte, Georg (1997): Nachrichtenausblendung und Nachrichtenaufklä-
rung. In: Schatz, Heribert / Jarren, Otfried / Knaup, Bettina (Hrsg.): Machtkonzentration in der Multime-
diagesellschaft. Beiträge zu einer Neubestimmung des Verhältnisses von politischer und medialer Macht.
Opladen, S. 139-156.
Lünenborg, Margreth (2005a): Journalismus als kultureller Prozess. Zur Bedeutung von Journalismus in der Medienge-
sellschaft. Ein Entwurf. Wiesbaden.
Lünenborg, Margreth (2005b): Public Journalism. Konzept – Entstehung – gesellschaftliche Relevanz. In: Behmer,
Markus u.a. (Hrsg.): Journalismus und Wandel. Analysen, Konzepte, Fallstudien. Wiesbaden, S. 143-159.
Luhmann, Niklas (1979 [1970]): Öffentliche Meinung. In: Langenbucher, Wolfgang B. (Hrsg.): Politik und Kommuni-
kation. München; Zürich, S. 29-61. [zuerst veröffentlicht in: Politische Vierteljahresschrift, Heft 1/1970, 11.
Jg., S. 2-28.]
Luhmann, Niklas (1981a): Soziologische Aufklärung 3. Soziales System, Gesellschaft, Organisation. Opladen.
Luhmann, Niklas (1981b): Die Unwahrscheinlichkeit der Kommunikation. In: ders.: Soziologische Aufklärung 3.
Soziales System, Gesellschaft, Organisation. Opladen, S. 25-34.
Luhmann, Niklas (1981c): Theoretische und praktische Probleme der anwendungsbezogenen Sozialwissenschaften. In:
ders.: Soziologische Aufklärung 3. Soziales System, Gesellschaft, Organisation. Opladen, S. 321-334.
Luhmann, Niklas (1981d): Veränderungen im System gesellschaftlicher Kommunikation und die Massenmedien.
Soziologische Aufklärung 3. Soziales System, Gesellschaft, Organisation. Opladen, S. 309-320.
Luhmann, Niklas (1984): Soziale Systeme. Grundriß einer allgemeinen Theorie. Frankfurt am Main.
Luhmann, Niklas (1996): Die Realität der Massenmedien. 2., erweiterte Auflage. Opladen
Luhmann, Niklas (1997): Die Gesellschaft der Gesellschaft. 2 Bände. Frankfurt am Main.
Machill, Marcel (2005): Journalistik in Zeiten des Wandels. Qualitätsdiskussion über die hochschulgebundene Journa-
listenausbildung unter Berücksichtigung des Bologna-Prozesses. In: Fasel, Christoph (Hrsg.): Qualität und
Erfolg im Journalismus. Konstanz, S. 203-225.
Maletzke, Gerhard (1963): Psychologie der Massenkommunikation. Theorie und Systematik. Hamburg.
412 Literatur
Maletzke, Gerhard (1980a): Kommunikationsforschung als empirische Sozialwissenschaft. Anmerkungen zur Situation
und Problematik. Berlin.
Maletzke, Gerhard (1980b): Integration – eine gesellschaftliche Funktion der Massenkommunikation. In: Publizistik,
Heft 2-3/1980, 25. Jg., S. 199-206.
Maletzke, Gerhard (1998): Kommunikationswissenschaft im Überblick. Grundlagen, Probleme, Perspektiven.
Opladen; Wiesbaden.
Malik, Maja (2002): Selbstthematisierung des Journalismus: Eine journalistische und theoretische Grenzerfahrung. In:
Scholl, Armin (Hrsg.): Systemtheorie und Konstruktivismus in der Kommunikationswissenschaft. Kon-
stanz, S. 111-128.
Marcinkowski, Frank (1993): Publizistik als autopoietisches System. Politik und Massenmedien. Eine systemtheoreti-
sche Analyse. Opladen.
Marcuse, Herbert (1970 [1964]): Der eindimensionale Mensch. Studien zur Ideologie der fortgeschrittenen Industriege-
sellschaft. Neuwied; Berlin.
Marschall, Stefan (1999): Öffentlichkeit und Volksvertretung. Theorie und Praxis der Public Relations von Parlamen-
ten. Opladen; Wiesbaden.
Mast, Claudia (Hrsg.) (1994): ABC des Journalismus. Ein Leitfaden für die Redaktionsarbeit. 7., völlig neue Ausgabe.
Konstanz.
Mathes, Rainer / Czaplicki, Andreas (1993): Meinungsführer im Mediensystem: „Top-down“- und „Bottom-up“-
Prozesse. In: Publizistik, Heft 2/1993, 38. Jg., S. 153-166.
Matthiesen, Ulf (1983): Das Dickicht der Lebenswelt und die Theorie des kommunikativen Handelns. München.
Maus, Ingeborg (1999): Habermas – Zur Rezeption von Theorie. In: Blätter für deutsche und internationale Politik,
Heft 6/1999, 44. Jg., S. 727-730.
Mayntz, Renate (2004): Governance im modernen Staat. In: Benz, Artur (Hrsg.): Governance – Regieren in komplexen
Regelsystemen. Eine Einführung. Wiesbaden, S. 65-76.
McCarthy, Thomas (1986): Komplexität und Demokratie – die Versuchungen der Systemtheorie. In: Honneth, Axel /
Joas, Hans (Hrsg.): Kommunikatives Handeln. Frankfurt am Main, S. 177-215.
McCarthy, Thomas (1989): Kritik der Verständigungsverhältnisse. Zur Theorie von Jürgen Habermas. Frankfurt am
Main.
Mead, George H. (1973 [1934]): Geist, Identität und Gesellschaft. Aus der Sicht des Sozialbehaviorismus. Frankfurt
am Main.
Meckel, Miriam (1999): Redaktionsmanagement. Ansätze aus Theorie und Praxis. Opladen; Wiesbaden.
Meier, Klaus (2002a): Ressort. Sparte. Team. Wahrnehmungsstrukturen und Redaktionsorganisation im Zeitungsjour-
nalismus. Konstanz.
Meier, Klaus (2002b): Kritik und Innovation. Die Doppelrolle anwendungsorientierter Journalistik. In: Aviso, Nr. 30,
Mai 2002, S. 4-5.
Meier, Werner A. (1999): Wandel durch Kommerzialisierung: Transnational operierende Medienkonzerne strukturie-
ren Öffentlichkeit und Märkte. In: Imhof, Kurt / Jarren, Otfried / Blum, Roger (Hrsg.): Steuerungs- und
Regelungsprobleme in der Informationsgesellschaft. Opladen; Wiesbaden, S. 61-74.
Meier, Werner A. (2003): Politische Ökonomie. In: Altmeppen, Klaus-Dieter / Karmasin, Matthias (Hrsg.): Medien
und Ökonomie. Band 1/1: Grundlagen der Medienökonomie: Kommunikations- und Medienwissenschaft,
Wirtschaftswissenschaft. Wiesbaden, S. 215-243.
Meier, Werner A. (2004): Gesellschaftliche Folgen der Medienkonzentration. In: Aus Politik und Zeitgeschichte, B12-
13/2004, S. 3-6.
Literatur 413
Meier, Werner A. / Jarren, Otfried (2001): Ökonomisierung und Kommerzialisierung von Medien und Mediensystem.
Einleitende Bemerkungen zu einer (notwendigen) Debatte. In: Medien & Kommunikationswissenschaft,
Heft 2/2001, 49. Jg., S. 145-158.
Melischek, Gabriele / Seethaler, Josef (2000): Zerfall der Öffentlichkeit vs. Re-Integration: Zu möglichen Folgen des
Ausdifferenzierungsprozesses des Mediensystems in der Weimarer Republik. In: Jarren, Otfried / Imhof,
Kurt / Blum, Roger (Hrsg.): Zerfall der Öffentlichkeit? Wiesbaden, S. 112-134.
Merritt, David „Buzz” (1997): Public Journalism: Where It Has Been; Where It Is Headed.
[http://www.imdp.org/artman/publish/article_14.shtml; abgerufen am 3.8.2004]
Merten, Klaus (1976): Reflexivität als Grundbegriff der Kommunikationsforschung. In: Publizistik, Heft 2/1976, 21.
Jg., S. 171-179.
Merten, Klaus (1993): Die Entbehrlichkeit des Kommunikationsbegriffs – Oder: Systemische Konstruktion von
Kommunikation. In: Bentele, Günter / Rühl, Manfred (Hrsg.): Theorien öffentlicher Kommunikation.
Problemfelder, Positionen, Perspektiven. München, S. 188-201.
Merten, Klaus (1999): Einführung in die Kommunikationswissenschaft. Bd. 1/1: Grundlagen der Kommunikations-
wissenschaft. Münster.
Merten, Klaus / Schmidt, Siegfried J. / Weischenberg, Siegfried (Hrsg.) (1994): Die Wirklichkeit der Medien. Eine
Einführung in die Kommunikationswissenschaft. Opladen.
Meyen, Michael / Löblich, Maria (2006): Klassiker der Kommunikationswissenschaft. Fach und Theoriegeschichte in
Deutschland. Konstanz.
Meyer, Philip (1973): Precision journalism. A reporter’s introduction to social science methods. Bloomington; London.
Meyer, Thomas (1994): Die Transformation des Politischen. Frankfurt am Main.
Meyer, Thomas (1997): Verfügungsmacht, Wettbewerb und Präsentationslogik. Einflußfaktoren auf den politischen
Diskurs in den elektronischen Massenmedien. In: Schatz, Heribert / Jarren, Otfried / Knaup, Bettina
(Hrsg.): Machtkonzentration in der Multimediagesellschaft? Opladen, S. 65-77.
Meyer, Thomas (2001): Mediokratie. Die Kolonialisierung der Politik durch das Mediensystem. Frankfurt am Main.
Meyer, Thomas / Ontrup, Rüdiger / Schicha, Christian (2000): Die Inszenierung des Politischen. Zur Theatralität von
Mediendiskursen. Opladen; Wiesbaden.
Meyer, Thomas / Schicha, Christian / Brosda, Carsten (2001): Diskurs-Inszenierungen. Zur Struktur politischer
Vermittlungsprozesse am Beispiel der Debatte zur „Ökologischen Steuerreform“. Wiesbaden.
Meyer, Thomas / Schicha, Christian / Brosda, Carsten (2002): Die Theatralität des Wahlkampfs. Politische Kampag-
nen und sozialwissenschaftlicher Theatralitätsbegriff. In: Vorgänge, Heft 2/02, 41. Jg., S. 23-31.
Meyer, Werner / Frohner, Jürgen (1992): Zur Einführung: Ein bißchen Zorn war auch dabei. In: Meyer, Werner /
Boele, Klaus (Hrsg.): Journalismus von heute. Starnberg-Percha, S. 1-2.
Meyrowitz, Joshua (1990a): Überall und nirgends dabei. Die Fernsehgesellschaft I. Weinheim; Basel.
Meyrowitz, Joshua (1990b): Wie Medien unsere Welt verändern. Die Fernsehgesellschaft II. Weinheim; Basel.
Mieth, Dietmar (1996): Die Grundnorm der Wahrhaftigkeit, ihre ethische Begründbarkeit und ihre Universalität. In:
Funiok, Rüdiger (Hrsg.): Grundfragen der Kommunikationsethik. Konstanz, S. 15-40.
Moss, Christoph (1998): Die Organisation der Zeitungsredaktion. Wie sich journalistische Arbeit effizient koordinieren
läßt. Opladen; Wiesbaden.
Müller, Jörg Paul (1992): Gründe für die Nachfrage nach Medienmoral in der Schweiz. In: Haller, Michael / Holzhey,
Helmut (Hrsg.): Medien-Ethik. Beschreibungen, Analysen, Konzepte für den deutschsprachigen Journalis-
mus. Opladen, S. 37-43.
414 Literatur
Müller-Doohm, Stefan (1999): Mediale Öffentlichkeit im Lichte von Ethik und Moral. In: Imhof, Kurt / Jarren,
Otfried / Blum, Roger (Hrsg.): Steuerungs- und Regelungsprobleme in der Informationsgesellschaft. Opla-
den; Wiesbaden, S. 224-231.
Müller-Doohm, Stefan (Hrsg.) (2000): Das Interesse der Vernunft. Rückblicke auf das Werk von Jürgen Habermas seit
„Erkenntnis und Interesse“. Frankfurt am Main.
Müller-Doohm, Stefan / Neumann-Braun, Klaus (Hrsg.) (1991a): Öffentlichkeit, Kultur, Massenkommunikation.
Beiträge zur Medien- und Kommunikationssoziologie. Oldenburg.
Müller-Doohm, Stefan / Neumann-Braun, Klaus (1991b): Öffentlichkeit, Kultur, Massenkommunikation – Bezugs-
punkte für die Aktualisierung der Medien- und Kommunikationssoziologie. In: dies (Hrsg.): Öffentlichkeit,
Kultur, Massenkommunikation. Beiträge zur Medien- und Kommunikationssoziologie. Oldenburg, S. 7-30.
Münch, Richard (1991): Dialektik der Kommunikationsgesellschaft. Frankfurt am Main.
Münch, Richard (1993): Journalismus in der Kommunikationsgesellschaft. In: Publizistik, Heft 3/1993, 38. Jg., S. 261-
279.
Münch, Richard (1995): Dynamik der Kommunikationsgesellschaft. Frankfurt am Main.
Münster, Hans Amadus (1935): Zeitung und Politik. Eine Einführung in die Zeitungswissenschaft. Leipzig.
Negt, Oskar / Kluge, Alexander (1972): Erfahrung und Öffentlichkeit. Zur Organisationsanalyse bürgerlicher und
proletarischer Öffentlichkeit. Frankfurt am Main.
Neidhardt, Friedhelm (Hrsg.) (1994a): Öffentlichkeit, öffentliche Meinungen, soziale Bewegungen. Sonderheft 34 der
Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie. Opladen.
Neidhardt, Friedhelm (1994b): Öffentlichkeit, öffentliche Meinung, soziale Bewegungen. In: ders. (Hrsg.): Öffentlich-
keit, öffentliche Meinung, soziale Bewegungen. Opladen, S. 7-41.
Neidhardt, Friedhelm (1994c): Jenseits des Palavers. Funktionen politischer Öffentlichkeit. In: Wunden, Wolfgang
(Hrsg.): Öffentlichkeit und Kommunikationskultur. Hamburg; Stuttgart, S. 19-30.
Neuberger, Christoph (1996): Journalismus als Problembearbeitung. Objektivität und Relevanz in der öffentlichen
Kommunikation. Konstanz.
Neuberger, Christoph (2000a): Journalismus im Internet: Auf dem Weg zur Eigenständigkeit? Ergebnisse einer
Redaktionsbefragung bei Presse, Rundfunk und Nur-Onlineanbietern. In: Media Perspektiven, Heft
7/2000, S. 310-318.
Neuberger, Christoph (2000b): Journalismus als systembezogene Akteurkonstellation. Vorschläge für die Verbindung
von Akteur-, Institutionen- und Systemtheorie. In: Löffelholz, Martin (Hrsg.): Theorien des Journalismus.
Ein diskursives Handbuch. Wiesbaden, S. 275-291.
Neuberger, Christoph (2002a): Online-Journalismus: Akteure, redaktionelle Strukturen und Berufskontext. In: Medien
& Kommunikationswissenschaft, Heft 1/2002, 50. Jg., S. 102-114.
Neuberger, Christoph (2002b): Alles Content, oder was? Vom Unsichtbarwerden des Journalismus im Internet. In:
Hohlfeld, Ralf / Meier, Klaus / ders. (Hrsg.): Innovationen im Journalismus. Forschung für die Praxis.
Münster, S. 25-69.
Neuberger, Christoph (2003): Onlinejournalismus: Veränderungen – Glaubwürdigkeit – Technisierung. Eine Sekun-
däranalyse bisheriger Forschungsergebnisse und wissenschaftlicher Analysen. In: Media Perspektiven, Heft
3/2003, S. 131-138.
Neuberger, Christoph (2005): Die Journalistik verkauft sich unter Wert. Über das gestörte Verhältnis zum Journalis-
tenberuf. In: Journalistik Journal, Heft 2/2005, 8. Jg., S. 8-9.
Literatur 415
Neveling, Ulrich (1973): Journalistische Arbeit und Kommunikationsforschung. In: Paetzold, Ulrich / Schmidt,
Hendrik (Hrsg.): Solidarität gegen Abhängigkeit – Auf dem Weg zur Mediengewerkschaft. Darmstadt;
Neuwied, S. 197-207.
Neverla, Irene (1998): Die verspätete Profession. Journalismus zwischen Berufskultur und Digitalisierung. In: Duch-
kowitsch, Wolfgang u.a. (Hrsg.): Journalismus als Kultur. Analysen und Essays. Opladen; Wiesbaden, S. 53-
62.
Neverla, Irene (2002): Einleitung: Theoretische Grundlagen der Journalistik. In: dies. / Grittmann, Elke / Pater,
Monika (Hrsg.): Grundlagentexte zur Journalistik. Konstanz, S. 23-34.
Neverla, Irene / Grittmann, Elke / Pater, Monika (Hrsg.) (2002a): Grundlagentexte zur Journalistik. Konstanz.
Neverla, Irene / Grittmann, Elke / Pater, Monika (2002b): Einleitung: Grundlagentexte zur Journalistik. In: dies.
(Hrsg.): Grundlagentexte zur Journalistik. Konstanz, S. 11-19.
Newcomb, Horace M. / Hirsch, Paul M. (1986): Fernsehen als kulturelles Forum. Neue Perspektiven für die Medien-
forschung. In: Rundfunk und Fernsehen, Heft 2/1986, 34. Jg., S. 177-190.
Nickl, M. Michael (1987): Journalistik ist professionelle Medienrhetorik. Ein Charakterisierungsversuch. In: Publizistik,
Heft 4/1987, 32. Jg., S. 449-467.
Noelle-Neumann, Elisabeth (1975): Publizistik- und Kommunikationswissenschaft: ein Wissenschaftsbereich oder ein
Themenkatalog? In: Publizistik, Heft 3/1975, 20. Jg., S. 743-748.
Noelle-Neumann, Elisabeth (1977): Öffentlichkeit als Bedrohung. Beiträge zur empirischen Kommunikationsfor-
schung. Freiburg i.Br.; München.
Noelle-Neumann, Elisabeth (1979): Die Entfremdung. Brief an die Zeitschrift „Journalist“. In: Kepplinger, Hans
Mathias (Hrsg): Angepaßte Außenseiter. Was Journalisten denken und wie sie arbeiten. Freiburg; München,
S. 260-280.
Noelle-Neumann, Elisabeth (1980): Die Schweigespirale. Öffentliche Meinung – unsere soziale Haut. München;
Zürich.
Noelle-Neumann, Elisabeth (1982a): Gesinnung und Verantwortung. In: Koszyk, Kurt / Schulze, Volker (Hrsg.): Die
Zeitung als Persönlichkeit. Konstanz, S. 23-28.
Noelle-Neumann, Elisabeth (1982b): Der Konflikt zwischen Wirkungsforschung und Journalisten. Ein wissenschafts-
geschichtliches Kapitel. In: Publizistik, Heft 1-2/1982, 27. Jg., S. 114-128.
Noelle-Neumann, Elisabeth (1991): Öffentliche Meinung. Die Entdeckung der Schweigespirale. Erweiterte Ausgabe.
Frankfurt am Main; Berlin.
Noelle-Neumann, Elisabeth (1993): „Wer sagt Ihnen, dass die Journalisten nicht recht haben?“ Die Kommunikations-
forschung und die Ethik des Journalismus. In: Mahle, Walter (Hrsg.): Journalisten in Deutschland. Nationa-
le und internationale Vergleiche und Perspektiven. München, S. 195-199.
Noelle-Neumann, Elisabeth / Kepplinger, Hans Mathias (1978): Journalistenmeinungen, Medieninhalte und Medien-
wirkungen. Eine empirische Untersuchung zum Einfluß der Journalisten auf die Wahrnehmung sozialer
Probleme durch Arbeiter und Elite. In: Steindl, Gertrude (Hrsg.): Publizistik aus Profession. Festschrift für
Johannes Binkowski aus Anlaß der Vollendung seines 70. Lebensjahres. Düsseldorf, S. 41-68.
Nullmeier, Frank (1995): Diskursive Öffentlichkeit. Möglichkeiten der Radikalisierung und Kritik. In: Göhler, Gerhard
(Hrsg.): Macht der Öffentlichkeit – Öffentlichkeit der Macht. Baden-Baden, S. 85-112.
Ortega y Gasset, José (1956 [1930]): Der Aufstand der Massen. Hamburg.
416 Literatur
Oy, Gottfried (2001): Die Gemeinschaft der Lüge. Medien- und Öffentlichkeitskritik sozialer Bewegungen in der
Bundesrepublik. Münster.
Oy, Gottfried (2005): Neuer Hunger nach vertiefenden Texten. Gegenöffentlichkeit als Qualitätssicherung der
Qualitätsmedien? In: Vorgänge, Heft 1/2005, 44. Jg., S. 49-57.
Padrutt, Christian (1972): Publizistik als Wissenschaft. In: Maletzke, Gerhard (Hrsg.): Einführung in die Massenkom-
munikationsforschung. Berlin, S. 19-29.
Paetzold, Ulrich / Schmidt, Hendrik (Hrsg.) (1973): Solidarität gegen Abhängigkeit – Auf dem Weg zur Medienge-
werkschaft. Darmstadt; Neuwied.
Pätzold, Ulrich (o.J.): Journalismus zwischen Trivialisierung und Aufklärung: Neue Anforderungen an die Ausbildung
am Institut für Journalistik. In: Klaus, Elisabeth (Hrsg.): Rückblick und Ausblick. Erfahrungen mit der
hochschulgebundenen Journalistenausbildung am Institut für Journalistik der Universität Dortmund.
Dortmund, S. 13-21.
Pätzold, Ulrich (1975): Warum Ausbildung für Journalisten? Ein kommunikationspolitisches Problem der Publizistik-
wissenschaft. Frankfurt am Main; Bern.
Pätzold, Ulrich (1980): Hofberichterstattung oder Recherchenjournalismus – Zur Philosophie journalistischer Arbeit.
In: Langenbucher, Wolfgang R. (Hrsg.): Journalismus & Journalismus. Plädoyers für Recherche und Zivil-
courage. München, S. 21-33.
Pätzold, Ulrich (1999): Die Reportage als Beispiel der Genreforschung in der Journalistik. In: Schäfer, Ulrich P. /
Schiller, Thomas / Schütte, Georg (Hrsg:): Journalismus in Theorie und Praxis. Beiträge zur universitären
Journalistenausbildung. Konstanz, S. 145-171.
Pätzold, Ulrich (2000): Journalismus und Journalistik. Definitionsproblem und theoretische Perspektive. In: Löffelholz,
Martin (Hrsg.): Theorien des Journalismus. Ein diskursives Handbuch. Wiesbaden, S. 417-428.
Pätzold, Ulrich (2002): Die Journalistik in kulturwissenschaftlicher Perspektive. Kulturbezogene Ansätze von Medien-
theorien. In: Eurich, Claus (Hrsg.): Gesellschaftstheorie und Mediensystem. Interdisziplinäre Zugänge zur
Beziehung von Medien, Journalismus und Gesellschaft. Münster; Hamburg; London, S. 31-42.
Pätzold, Ulrich (2005): Der Beruf prägt die Forschungsfelder. Journalistik: Klassisches Ausbildungsfach wie Medizin.
In: Journalistik Journal, Heft 2/2005, 8. Jg., S. 17.
Pätzold, Ulrich / Röper, Horst (1995): Lokale Medien in NRW. Anbieterstrukturen und Angebotsvielfalt. Opladen.
Pelinka, Anton (1974): Dynamische Demokratie. Zur konkreten Utopie gesellschaftlicher Gleichheit. Stuttgart u.a.
Perger, Werner A. / Hamann, Götz (2004): Die Angst-Macher. In: Die Zeit vom 19. Februar 2004, S. 3.
Peters, Bernhard (1993): Die Integration moderner Gesellschaften. Frankfurt am Main.
Peters, Bernhard (1994): Der Sinn von Öffentlichkeit. In: Neidhardt, Friedhelm (Hrsg.): Öffentlichkeit, öffentliche
Meinung, soziale Bewegungen. Opladen, S. 42-76.
Peters, Bernhard (2000): Normative Theorien und soziale Empirie. In: Müller-Doohm, Stefan (Hrsg.): Das Interesse
der Vernunft. Rückblicke auf das Werk von Jürgen Habermas seit „Erkenntnis und Interesse“. Frankfurt
am Main, S. 274-298.
Peters, Bernhard (2001): Deliberative Öffentlichkeit. In: Wingert, Lutz / Günther, Klaus (Hrsg.): Die Öffentlichkeit
der Vernunft und die Vernunft der Öffentlichkeit. Festschrift für Jürgen Habermas. Frankfurt am Main, S.
655-677.
Petrat, Gerhardt (1987): Das Intelligenzblatt - eine Forschungslücke. In: Presse und Geschichte II. Neue Beiträge zur
historischen Kommunikationsforschung. München u.a., S. 207-231.
Literatur 417
Peuckert, Rüdiger (1995): Rolle, soziale. In: Schäfers, Bernhard (Hrsg.): Grundbegriffe der Soziologie. 4. verbesserte
und erweiterte Auflage. Opladen, S. 262-266.
Pias, Claus (2003): Poststrukturalistische Medientheorien. In: Weber, Stefan (Hrsg.): Theorien der Medien. Von der
Kulturkritik bis zum Konstruktivismus. Konstanz, S. 277-293.
Pörksen, Bernhard (2001): Ist der Journalismus autopoietisch? Thesen und Anregungen zur Debatte über die Art der
Steuerung und die Eigengesetzlichkeit eines sozialen Systems. In: Communicatio Socialis, Heft 1/2001, 34.
Jg., S. 59-65.
Pörksen, Bernhard (2006): Die Beobachtung des Beobachters. Eine Erkenntnistheorie der Journalistik. Konstanz.
Pöttker, Horst (1985): Das Fernsehen und die Krise der Parteien. Inhaltsanalysen als Beiträge zur politischen Soziolo-
gie. In: Publizistik, Heft 4/1985, 30. Jg., S. 330-345.
Pöttker, Horst (1993): Ferdinand Tönnies und die Schweigespirale. Zur Mutation einer Theorie über die öffentliche
Meinung. In: Bentele, Günter / Rühl, Manfred (Hrsg.): Theorien öffentlicher Kommunikation. Problem-
felder, Positionen, Perspektiven. München, S. 202-213.
Pöttker, Horst (1995): Erkenntnisinteressen – Öffentlichkeit – Modernität. Wissenssoziologische Konzepte bei
Theodor Geiger und Jürgen Habermas. In: Bachmann, Siegfried (Hrsg.): Soziologe in einer Zeit „zwischen
Pathos und Nüchternheit“. Beiträge zu Leben und Werk. Berlin, S. 117-143.
Pöttker, Horst (1996): Prinzip Folgentransparenz. Über die Orientierungsaufgabe von Journalisten. In: Wunden,
Wolfgang (Hrsg.): Wahrheit als Medienqualität. Beiträge zur Medienethik. Band 3. Frankfurt am Main, S.
103-118.
Pöttker, Horst (1997): Entfremdung und Illusion. Soziales Handeln in der Moderne. Tübingen.
Pöttker, Horst (1998a): Öffentlichkeit durch Wissenschaft. Zum Programm der Journalistik. In: Publizistik, Heft
3/1998, 43. Jg., S. 229-249.
Pöttker, Horst (1998b): Von Nutzen und Grenze der Medienfreiheit. Daniel Defoe und die Anfänge eines Ethos der
Öffentlichkeitsberufe. In: Wunden, Wolfgang (Hrsg.): Freiheit und Medien. Beiträge zur Medienethik.
Band 4. Frankfurt am Main, S. 207-226.
Pöttker, Horst (1999a): Öffentlichkeit als gesellschaftlicher Auftrag. Zum Verhältnis von Berufsethos und universaler
Moral im Journalismus. In: Funiok, Rüdiger / Schmälzle, Udo F. / Werth, Christoph H. (Hrsg.): Medien-
ethik – die Frage der Verantwortung. Bonn, S. 216-232.
Pöttker, Horst (1999b): Berufsethik für Journalisten? Professionelle Trennungsgrundsätze auf dem Prüfstand. In:
Holderegger, Adrian (Hrsg.): Kommunikations- und Medienethik. Interdisziplinäre Perspektiven. Freiburg
i. Ue. (Schweiz); Freiburg i. Br., S. 299-327.
Pöttker, Horst (Hrsg.) (2000a): Öffentlichkeit als gesellschaftlicher Auftrag. Klassiker der Sozialwissenschaft über
Journalismus und Medien. Konstanz.
Pöttker, Horst (2000b): Öffentlichkeit als gesellschaftlicher Auftrag. Einleitung. In: ders. (Hrsg.): Öffentlichkeit als
gesellschaftlicher Auftrag. Konstanz, S. 9-31.
Pöttker, Horst (2000c): Sloterdijk, Assheuer, Brumlik. Was die Diskursethik in deutschen Debatten wirklich zählt. In:
Schicha, Christian / Brosda, Carsten (Hrsg.): Medienethik zwischen Theorie und Praxis. Normen für die
Kommunikationsgesellschaft. Münster, S. 124-132.
Pöttker, Horst (2000d): Kompensation von Komplexität. Journalismustheorie als Begründung journalistischer
Qualitätsmaßstäbe. In: Löffelholz, Martin (Hrsg.): Theorien des Journalismus. Ein diskursives Handbuch.
Wiesbaden, S. 375-390.
Pöttker, Horst (2001): Mitgemacht, weitergemacht, zugemacht. Zum NS- Erbe der Kommunikationswissenschaft in
Deutschland. In: Aviso, Nr. 28, Januar 2001, S. 4-7.
Pöttker, Horst (2002a): Unterhaltsame Politikvermittlung. Was von der deutschen Volksaufklärung des 18. Jahrhun-
derts zu lernen ist. In: Schicha, Christian / Brosda, Carsten (Hrsg.): Politikvermittlung in Unterhaltungs-
formaten. Medieninszenierungen zwischen Popularität und Populismus. Münster, S. 61-72.
418 Literatur
Pöttker, Horst (2002b): Öffentlichkeit – Aufklärung – Integration. Drei Schlüsselbegriffe gesellschaftlicher Kommuni-
kation in historischer Perspektive. In: Eurich, Claus (Hrsg.): Gesellschaftstheorie und Mediensystem. Inter-
disziplinäre Zugänge zur Beziehung von Medien, Journalismus und Gesellschaft. Münster; Hamburg; Lon-
don, S. 12-30.
Pöttker, Horst (2004): Journalistik als Kulturwissenschaft? Episoden einer Annäherung. In: Zeitschrift für Literatur-
wissenschaft und Linguistik (LiLi), Heft 134, 33. Jg., S. 66-90.
Pöttker, Horst (2005): Gegen die Ideologie vom „Begabungsberuf“. Zehn Thesen zur Perspektive der Journalistik. In:
Journalistik Journal, Heft 2/2005, 8. Jg., S. 10-11.
Popper, Karl R. (1965): Was ist Dialektik? In: Topitsch, Ernst (Hrsg.): Logik der Sozialwissenschaften. Köln; Berlin, S.
262-290. [zuerst veröffentlich in: Mind, N.S., Bd. 49, 1949]
Popper, Karl R. (1969): Logik der Forschung. Dritte, vermehrte Auflage. Tübingen.
Popper, Karl R. (1972): Die Logik der Sozialwissenschaften. In: Adorno, Theodor W. u.a. (1972): Der Positivismus-
streit in der deutschen Soziologie. Neuwied; Berlin, S. 103-123. [zuerst veröffentlicht in: Kölner Zeitschrift
für Soziologie und Sozialpsychologie, 1962, 14. Jg., S. 233-248.]
Prakke, Hendricus Johannes (1960a): Alle Publizistik ist Zwiegespräch. In: Publizistik, Heft 4/1960, 5. Jg., S. 208-210.
Prakke, Hendricus Johannes (1960b): Die Soziusfunktion der Presse. In: Publizistik, Heft 6/1960, 5. Jg., S. 556-560.
Prakke, Henk (1963): Zur Frage der Ur-Publizistik. In: Publizistik, Heft 5-6/1963, 8. Jg., S. 541-548.
Prakke, Henk (1964): Das Selbstverständnis der Publizistik- und Zeitungswissenschaft. In: Publizistik, Heft 4/1964, 9.
Jg., S. 350-353.
Prakke, Henk u.a. (1968): Kommunikation der Gesellschaft. Einführung in die funktionale Publizistik. Münster.
Prokop, Dieter (Hrsg.) (1972): Massenkommunikationsforschung. 1: Produktion. Frankfurt am Main.
Prokop, Dieter (Hrsg.) (1973a): Massenkommunikationsforschung. 2: Konsumtion. Frankfurt am Main.
Prokop, Dieter (Hrsg.) (1973b): Kritische Kommunikationsforschung. Aufsätze aus der Zeitschrift für Sozialfor-
schung. Mit einer Einleitung von Oskar Negt. München.
Prokop, Dieter (1974): Massenkultur und Spontaneität. Zur veränderten Warenform der Massenkommunikation im
Spätkapitalismus. Frankfurt am Main.
Prokop, Dieter (Hrsg.) (1977): Massenkommunikationsforschung. 3: Produktanalysen. Frankfurt am Main.
Prokop, Dieter (1981): Medien-Wirkungen. Frankfurt am Main.
Prokop, Dieter (1995): Medien-Macht und Massen-Wirkung. Ein geschichtlicher Überblick. Freiburg im Breisgau.
Pross, Harry (1967): Moral der Massenmedien. Prolegomena zu einer Theorie der Publizistik. Köln; Berlin.
Pross, Harry (1970): Publizistik. Thesen zu einem Grundkolloquium. Neuwied; Berlin.
Pross, Harry (1976): Der Kommunikationsprozeß. In: Beth, Hanno / ders.: Einführung in die Kommunikationswis-
senschaft. Stuttgart u.a., S. 70-123.
Prott, Jürgen (1976): Bewußtsein von Journalisten. Standesdenken oder gewerkschaftliche Solidarisierung. Frankfurt
am Main; Köln.
Prott, Jürgen (1994): Ökonomie und Organisation der Medien. In: Merten, Klaus / Schmidt, Siegfried J. / Weischen-
berg, Siegfried (Hrsg.): Die Wirklichkeit der Medien. Eine Einführung in die Kommunikationswissenschaft.
Opladen, S. 481-505.
Prutz, Robert E. (1971 [1845]): Geschichte des deutschen Journalismus. Zum ersten Male vollständig aus den Quellen
gearbeitet. Erster Teil. Göttingen. [Faksimiliedruck nach der 1. Auflage von 1845]
Literatur 419
Public Journalism Network (2003): A Declaration for Public Journalism. A Declaration written by the Charter
Members of the Public Journalism Network. Kennesaw, Georgia. [http://www.pjnet.org/charter.shtml;
abgerufen am 3.8.2004]
Pürer, Heinz (1992): Ethik in Journalismus und Massenkommunikation. Versuch einer Theorien-Synopse. In:
Publizistik, Heft 3/1992, 37. Jg., S. 304-321.
Pürer, Heinz (1993): Einführung in die Publizistikwissenschaft. Systematik, Fragestellungen, Theorieansätze, For-
schungstechniken. 5., überarbeitete Auflage. Konstanz.
Pürer, Heinz (Hrsg.) (1996): Praktischer Journalismus in Zeitung, Radio und Fernsehen. Mit einer Berufs- und
Medienkunde für Journalisten in Österreich, Deutschland und der Schweiz. 4., überarbeitete und erweiterte
Auflage. Salzburg.
Pürer, Heinz / Raabe, Johannes (1994): Medien in Deutschland. Bd. 1. Presse. Konstanz.
Puppis, Manuel u.a. (2004): Selbstregulierung und Selbstorganisation. Unveröffentlichter Schlussbericht zuhanden des
Bundesamtes für Kommunikation (BAKOM). Zürich.
Quandt, Sebastian (2002) : Virtueller Journalismus im Netz ? Eine strukturationstheoretische Annäherung an das
Handeln in Online-Redaktionen. In: Baum, Achim / Schmidt, Siegfried J. (Hrsg.): Fakten und Fiktionen.
Über den Umgang mit Medienwirklichkeiten. Konstanz, S. 233-253.
Quandt, Sebastian (2005): (R)Evolution des Journalismus? Online-Journalismus zwischen Tradition und Innovation.
In: Behmer, Markus u.a. (Hrsg.) (2005): Journalismus und Wandel. Analysedimensionen, Konzepte, Fall-
studien. Wiesbaden, S. 161-194.
Raabe, Jochen (1962): Otto Groth: Die unerkannte Kulturmacht. Band I: Das Wesen des Werkes, Band II: Das Sein
des Werkes. In: Zeitschrift für Journalistik, Heft 1/1962, 3. Jg. S. 66-71.
Raabe, Johannes (2005): Die Beobachtung journalistischer Akteure. Optionen einer empirisch-kritischen Journalismus-
forschung. Wiesbaden.
Rager, Günther (1973): Das Problem der Objektivität in politischen Nachrichten. In: Goth, Joachim u.a. (Hrsg.):
Rhetorik, Ästhetik, Ideologie. Aspekte einer kritischen Kulturwissenschaft. Stuttgart, S. 237-257.
Rager, Günther (1978): Journalisten-Aus- und -Weiterbildung am Beispiel des Stuttgart-Hohenheimer Modells. In:
Steindl, Gertrude (Hrsg.): Publizistik aus Profession. Festschrift für Johannes Binkowski aus Anlaß der
Vollendung seines 70. Lebensjahres. Düsseldorf, S. 29-39.
Rager, Günther (1982): Publizistische Vielfalt im Lokalen. Eine empirische Analyse. Tübingen.
Rager, Günther (1993): Unterhaltung – Mißachtete Produktstrategie? In: ders. u.a. (Hrsg.): Leselust statt Pflichtlektüre.
Die unterhaltsame Tageszeitung. Münster; Hamburg, S. 7-19.
Rager, Günther (1994): Dimensionen der Qualität. Weg aus den allseitig offenen Richter-Skalen? In: Bentele, Günter /
Hesse, Kurt R. (Hrsg.): Publizistik in der Gesellschaft. Konstanz, S. 189-209.
Rager, Günther (1999a): Inszenierungspotential als Auswahlkriterium. In: Ludes, Peter / Schanze, Helmut (Hrsg.):
Medienwissenschaften und Medienwirkung. Opladen; Wiesbaden, S. 139-145.
Rager, Günther (1999b): Wie verändern die neuen Techniken die Tageszeitungen? Skizze einer Entwicklung – Ein
Gruß von Zeitungsliebhaber zu Zeitungsliebhaber. In: Schäfer, Ulrich P. / Schiller, Thomas / Schütte, Ge-
420 Literatur
org (Hrsg.): Journalismus in Theorie und Praxis. Beiträge zur universitären Journalistenausbildung. Kon-
stanz, S. 135-144.
Rager, Günther (2000): Ethik – eine Dimension von Qualität? In: Schicha, Christian / Brosda, Carsten (Hrsg.):
Medienethik zwischen Theorie und Praxis. Münster; Hamburg; London, S. 76-89.
Rager, Günther (2003): Jugendliche als Zeitungsleser: Lesehürden und Lösungsansätze. Ergebnisse aus dem Langzeit-
projekt „Lesesozialisation bei Informationsmedien“. In: Media Perspektiven, Heft 4/2003, S. 180-186.
Rager, Günther / Haase, Helga / Weber, Bernd (Hrsg.) (1994): Zeile für Zeile – Qualität in der Zeitung. Münster;
Hamburg.
Rager, Günther / Hartwich-Reick, Ricarda / Pfeiffer, Thomas (1998): „Schumi, du Regengott”. Themeninszenierun-
gen in Tageszeitungen. In: Willems, Herbert / Jurga, Martin (Hrsg.): Inszenierungsgesellschaft. Opladen;
Wiesbaden, S. 489-505.
Rager, Günther / Müller-Gerbes, Sigrun / Weber, Bernd (Hrsg.) (1993): Leselust statt Pflichtlektüre. Die unterhaltsa-
me Tageszeitung. Hamburg; Münster.
Rager, Günther / Oestmann, Inken / Werner, Petra (2000): Zeitunglesen lernen – wie Jugendliche zu Lesern oder
Nicht-Lesern von Tageszeitungen werden. In: Brosius, Hans-Bernd (Hrsg.): Kommunikation über Grenzen
und Kulturen. Konstanz, S. 327-340.
Rager, Günther / Rinsdorf, Lars (1999a): Wer führt Regie auf den medialen Bühnen? Zur Inszenierungsleistung des
Printjournalismus. In: Schicha, Christian / Ontrup, Rüdiger (Hrsg.): Medieninszenierungen im Wandel.
Münster; Hamburg; London, S. 131-137.
Rager, Günther / Rinsdorf, Lars (1999b): Medien als Bühne. Journalistische Inszenierungen. Modelle, Methoden und
Befunde aus dem DFG-Projekt „Theatralität und Argumentativität in der Mediengesellschaft”. Dortmund.
(Manuskript)
Rager, Günther / Rinsdorf, Lars (2002a): Gesellschaftlicher Diskurs und journalistisches Handeln. In: Eurich, Claus
(Hrsg.): Gesellschaftstheorie und Mediensystem. Interdisziplinäre Zugänge zur Beziehung von Medien,
Journalismus und Gesellschaft. Münster; Hamburg; London, S. 43-57.
Rager, Günther / Rinsdorf, Lars (2002b): Kommunikatoren im nichtkommerziellen lokalen Hörfunk in Niedersach-
sen. Eine Organisationsanalyse. Berlin.
Rager, Günther / Rinsdorf, Lars (2002c): Wieviel Spaß muss sein? Unterhaltsame Politikberichterstattung im Feldver-
such. In: Schicha, Christian / Brosda, Carsten (Hrsg.): Politikvermittlung in Unterhaltungsformaten. Me-
dieninszenierungen zwischen Popularität und Populismus. Münster, S. 233-248.
Rager, Günther / Rinsdorf, Lars / Bodin, Michael (1999): Theatralität und Argumentativität in der Mediengesellschaft.
Endbericht eines Forschungsprojekts im DFG-Schwerpunktprogramm Theatralität. Dortmund. (unveröf-
fentlichtes Manuskript)
Rager, Günther / Weber, Bernd (Hrsg.) (1992a): Publizistische Vielfalt zwischen Markt und Politik. Mehr Medien -
mehr Inhalte? Düsseldorf u.a..
Rager, Günther / Weber, Bernd (1992b): Publizistische Vielfalt zwischen Markt und Politik. Eine Einführung. In: dies.
(Hrsg.): Publizistische Vielfalt zwischen Markt und Politik. Mehr Medien – Mehr Inhalte? Düsseldorf u.a.,
S. 7-26.
Rager, Günther / Weber, Bernd / Begemann, Marianne (1996): Jugend im Umbruch. Ergebnisse, Ideen und Beispiele
für die jugendnahe Tageszeitung. Bonn.
Rager, Günther / Werner, Petra (Hrsg.) (1992): Die tägliche Neuerscheinung. Untersuchungen zur Zukunft der
Zeitung. Münster; Hamburg.
Rager, Günther / Werner, Petra (2004): Entwicklung und Struktur der Mediengesellschaft. In: Groeben, Norbert /
Hurrelmann, Bettina (Hrsg.): Lesesozialisation in der Mediengesellschaft. Ein Forschungsüberblick. Wein-
heim; München, S. 351-374.
Literatur 421
Rager, Günther / Werner, Petra / Weber, Bernd (1992): Arbeitsplatz Lokalradio. Journalisten im lokalen Hörfunk in
Nordrhein-Westfalen. Opladen.
Rath, Matthias (Hrsg.) (2000): Medienethik und Medienwirkungsforschung. Opladen; Wiesbaden.
Redaktionskollegium (1961): Zum Geleit. In: Zeitschrift für Journalistik, Heft 1/1960, 1. Jg., S. 3-5.
Reemtsma, Jan Philipp (2001): Laudatio. In: Habermas, Jürgen: Glaube und Wissen. Friedenspreis des Deutschen
Buchhandels 2001. Frankfurt am Main, S. 33-57.
Reese-Schäfer, Walter (2001): Jürgen Habermas. Hamburg; New York.
Rehberg, Karl-Siegbert (1994): Institutionen als symbolische Ordnungen. Leitfragen und Grundkategorien zur Theorie
und Analyse institutioneller Mechanismen. In: Göhler, Gerhard (Hrsg.): Die Eigenart der Institutionen.
Zum Profil politischer Institutionentheorie. Baden-Baden, S. 47-84.
van Reijen, Willem (1986): Philosophie als Kritik. Einführung in die Kritische Theorie. Königstein/Ts..
Renger, Rudi (2000a): Populärer Journalismus. Nachrichten zwischen Fakten und Fiktion. Innsbruck; Wien; München.
Renger, Rudi (2000b): Journalismus als kultureller Diskurs. Cultural Studies als Herausforderung für die Journalismus-
theorie. In: Löffelholz, Martin (Hrsg.): Theorien des Journalismus. Ein diskursives Handbuch. Wiesbaden,
S. 467-481.
Renger, Rudi (2000c): Eine Theorie vom nächsten Donnerstag? Zum Journalismus in der Populärkultur. In: Göttlich,
Udo / Winter, Rainer (Hrsg.): Politik des Vergnügens. Zur Diskussion der Populärkultur in den Cultural
Studies. Köln, S. 215-232.
Renger, Rudi (2002): Politikentwürfe im Boulevard. Zur Ideologie von ‚Tabloid-Formaten‘. In: Schicha, Christian /
Brosda, Carsten (Hrsg.): Politikvermittlung in Unterhaltungsformaten. Münster, S. 223-232.
Requate, Jörg (1995): Journalismus als Beruf. Entstehung und Entwicklung des Journalistenberufs im 19. Jahrhundert.
Deutschland im internationalen Vergleich. Göttingen.
Reus, Gunter (1998): Herr Fuchs im Hühnerhaus. Journalistik als Sozialwissenschaft mit kulturellem Gewissen. In:
Publizistik, Heft 3/1998, 43. Jg., S. 250-259.
Reus, Gunter / Harden, Lars (2005): Politische „Kultur“. Eine Längsschnittanalyse des Zeitungsfeuilletons von 1983
bis 2003. In: Publizistik, Heft 2/2005, 50. Jg., S. 153-172.
Ricker, Reinhart (1976): Kommunikationspolitisch relevante Urteile des Bundesverfassungsgerichtes seit 1967. In:
Publizistik, Heft 3/1976, 21. Jg., S. 411-434.
Rinsdorf, Lars / Rager, Günther / Charlton, Michael (2001): Agenda Setting bei der Ausstellung ‚Körperwelten‘. In:
Publizistik, Heft 3/2001, 46. Jg., S. 277-294.
Robinson, Gertrude Joch (1973): 25 Jahre „Gatekeeper“-Forschung: Eine kritische Rückschau und Bewertung. In:
Aufermann, Jörg / Bohrmann, Hans / Sülzer, Rolf (Hrsg.): Gesellschaftliche Kommunikation und Infor-
mation. Forschungsrichtungen und Problemstellungen. Ein Arbeitsbuch zur Massenkommunikation. Band
1. Frankfurt am Main, S. 344-355.
Roegele, Otto B. (Hrsg.) (1965): Presse-Reform und Fernseh-Streit. Texte zur Kommunikationspolitik 1832 bis heute.
Gütersloh.
Roegele, Otto B. (1966): Die Zeitungswissenschaft im Streite der Fakultäten. In: Publizistik, Heft 3-4/1966, 11. Jg., S.
390-398.
Roegele, Otto B. (1974/1975): Hochschule, Praxis und Journalistenausbildung. Zur Geschichte des Münchner Instituts
für Zeitungswissenschaft. In: Publizistik, Heft 3-4/1974 / 1-2/1975, 19./20. Jg, S. 316-323.
Roegele, Otto B. (1978): Anmerkungen zum Thema „Kommunikationsberufe“. In: Steindl, Gertrude (Hrsg.): Publizis-
tik aus Profession. Festschrift für Johannes Binkowski aus Anlaß der Vollendung seines 70. Lebensjahres.
Düsseldorf, S. 21-28.
422 Literatur
Roegele, Otto B. (2000): Plädoyer für publizistische Verantwortung. Beiträge zu Journalismus, Medien und Kommuni-
kation. Konstanz.
Röper, Horst (1994): Das Mediensystem der Bundesrepublik Deutschland. In: Merten, Klaus / Schmidt, Siegfried J. /
Weischenberg, Siegfried (Hrsg.): Die Wirklichkeit der Medien. Eine Einführung in die Kommunikations-
wissenschaft. Opladen, S. 506-543.
Röper, Horst (2004): Zeitungsmarkt in der Krise – ein Fall für die Medienregulierung? In: Aus Politik und Zeitge-
schichte, B 12-13/2004, S. 7-13.
Roether, Diemut (2005): Heuschrecken vor der Tür. Der Berliner Verlag kämpft gegen Montgomery. In: epd medien,
Nr. 83, 22.10.2005, S. 3-5.
Röttger, Ulrike (2000): Public Relations – Organisation und Profession. Öffentlichkeitsarbeit als Organisationsfunk-
tion: Eine Berufsfeldstudie. Wiesbaden.
Röttger, Ulrike (2005a): Große Schnittmengen und fließende Übergänge. Journalistik als Teil der Kommunikationswis-
senschaft. In: Journalistik Journal, Heft 2/2005, 8. Jg., S. 16.
Röttger, Ulrike (2005b): Public Relations. In: Weischenberg, Siegfried / Kleinsteuber, Hans J. / Pörksen, Bernhard
(Hrsg.): Handbuch Journalismus und Medien. Konstanz, S. 369-374.
Rollka, Bodo (1987): Perspektiven einer vergleichenden historischen Kommunikationswissenschaft und ihre Lokalisie-
rung im Rahmen der Publizistikwissenschaft. In: Presse und Geschichte II. Neue Beiträge zur historischen
Kommunikationsforschung. München u.a., S. 413-425.
Rombach, Theo (1983): Lokalzeitung und Partizipation am Gemeindeleben. Eine empirische Untersuchung. Berlin.
Ronneberger, Franz (1964): Die politischen Funktionen der Massenkommunikationsmittel. In: Publizistik, Heft
4/1964, 9. Jg., S. 291-304.
Ronneberger, Franz (1966): Ziele und Formen der Kommunikationspolitik. In: Publizistik, Heft 3-4/1966, 11. Jg., S.
399-406.
Ronneberger, Franz (1973): Leistungen und Fehlleistungen der Massenkommunikation. In: Publizistik, Heft 3/1973,
18. Jg., S. 204-215.
Ronneberger, Franz (1977): Ausgewogenheit publizistischer Aussagen. In: Publizistik, Heft 2/1977, 22. Jg., S. 138-149.
Ronneberger, Franz (1978a): Zur Lage der Publizistikwissenschaft. Ein Essay. In: Steindl, Gertrude (Hrsg.): Publizistik
aus Profession. Festschrift für Johannes Binkowski aus Anlaß der Vollendung seines 70. Lebensjahres.
Düsseldorf, S. 11-19.
Ronneberger, Franz (1978b): Kommunikationspolitik. Teil I. Institutionen, Prozesse, Ziele. Mainz.
Ronneberger, Franz (1983): Publizistik und politische Macht. In: Rundfunk und Fernsehen, Heft 3-4/1983, S. 260-270.
Ronneberger, Franz (1985): Integration durch Massenkommunikation. In: Saxer, Ulrich (Hrsg.): Gleichheit oder
Ungleichheit durch Massenmedien? Homogenisierung – Differenzierung der Gesellschaft durch Massen-
kommunikation. München, S. 3-18.
Ronneberger, Franz (1988): Sozialisation der Journalisten-Elite. In: Publizistik, Heft 2-3/1988, 33. Jg., S. 395-405.
Ronneberger, Franz (1995): Theorie der Kommunikationspolitik. In: Burkart, Roland / Hömberg, Walter (Hrsg.):
Kommunikationstheorien. Ein Textbuch zur Einführung. 2. aktualisierte Auflage. Wien, S. 191-203.
Rosen, Jay (1996): Getting The Connections Right. Public Journalism and the Troubles in the Press. New York.
Rosen, Jay (1997): Public Journalism as a Democratic Art. [http://www.imdp.org/artman/publish/article_23.
shtml; abgerufen am 3.8.2004]
Rosen, Jay (1999): What Are Journalists for? New Haven; London.
Rosen, Jay (2003): Maybe Media Bias Has Become a Dumb Debate, part two. In: PressThink. [http://journalism
.nyu.edu/pubzone/weblogs/pressthink/2003/10/25/bias_answers.html; abgerufen am 3.8.2004]
Literatur 423
Roß, Dieter (1999): Der Markt als sozialverträglicher Regelungsmechanismus. Historische Anmerkungen zum
Steuerungs- und Regelungsproblem in der Informationsgesellschaft. In: Imhof, Kurt / Jarren, Otfried /
Blum, Roger (Hrsg.): Steuerungs- und Regelungsprobleme in der Informationsgesellschaft. Opladen; Wies-
baden, S. 260-266.
Rucht, Dieter (1994): Politische Öffentlichkeit und Massenkommunikation. In: Jarren, Otfried (Hrsg.): Medienwandel
– Gesellschaftswandel? 10 Jahre dualer Rundfunk in Deutschland. Berlin, S. 162-177.
Rühl, Manfred (1969): Systemdenken und Kommunikationswissenschaft. In: Publizistik, Heft 2/1969, 14. Jg., S. 185-
206.
Rühl, Manfred (1973): Politik und öffentliche Kommunikation. Auf dem Wege zu einer Theorie der Kommunikati-
onspolitik. Franz Ronneberger zum 60. Geburtstag. In: Publizistik, Heft 1/1973, 18. Jg. S. 5-25.
Rühl, Manfred (1979): Die Zeitungsredaktion als organisiertes soziales System. Überarbeitete und erweiterte zweite
Auflage. Freiburg/Schweiz.
Rühl, Manfred (1980): Journalismus und Gesellschaft. Bestandsaufnahme und Theorieentwurf. Mainz.
Rühl, Manfred (1981): Journalismus und Wissenschaft – Anmerkungen zu ihrem Wirklichkeitsverständnis. In:
Rundfunk und Fernsehen, Heft 2-3/1981, 29. Jg., S. 211-222.
Rühl, Manfred (1982): Journalistik – mehr als eine Kunstlehre für Journalismus? In: Koszyk, Kurt / Schulze, Volker
(Hrsg.): Die Zeitung als Persönlichkeit. Konstanz, S. 365-373.
Rühl, Manfred (1985a): Kommunikationspolitik in der Entwicklung zu einem wissenschaftlichen Spezialgebiet. In:
Schreiber, Erhard / Langenbucher, Wolfgang R. / Hömberg, Walter (Hrsg.): Kommunikation im Wandel
der Gesellschaft. Konstanz, S. 303-312.
Rühl, Manfred (1985b): Kommunikationswissenschaft zwischen Wunsch und Machbarkeit. Einige Betrachtungen zu
ihrer Identität heute. In: Publizistik, Heft 2-3/1985, 30. Jg., S. 229-246.
Rühl, Manfred (1985c): Integration durch Massenkommunikation? Kritische Anmerkungen zum klassischen Integra-
tionsbegriff. In: Saxer, Ulrich (Hrsg.): Gleichheit oder Ungleichheit durch Massenmedien? Homogenisie-
rung – Differenzierung der Gesellschaft durch Massenkommunikation. München, S. 19-32.
Rühl, Manfred (1989): Organisatorischer Journalismus. Tendenzen der Redaktionsforschung. In: Kaase, Max / Schulz,
Winfried (Hrsg.): Massenkommunikation. Theorien, Methoden, Befunde. Opladen, S. 253-269.
Rühl, Manfred (1993a): Marktpublizistik. Oder: Wie alle – reihum – Presse und Rundfunk bezahlen. In: Publizistik,
Heft 2/1993, 38. Jg., S. 125-152.
Rühl, Manfred (1993b): Kommunikation und Öffentlichkeit. Schlüsselbegriffe zur kommunikationswissenschaftlichen
Rekonstruktion der Publizistik. In: Bentele, Günter / ders. (Hrsg.): Theorien öffentlicher Kommunikation.
Problemfelder, Positionen, Perspektiven. München, S. 77-102.
Rühl, Manfred (2000): Des Journalismus vergangene Zukunft. Zur Theoriegeschichte einer künftigen Journalismusfor-
schung. In: Löffelholz, Martin (Hrsg.): Theorien des Journalismus. Ein diskursives Handbuch. Wiesbaden,
S. 65-79.
Rühl, Manfred / Saxer, Ulrich (1981): 25 Jahre Deutscher Presserat. Ein Anlaß für Überlegungen zu einer kommunika-
tionswissenschaftlich fundierten Ethik des Journalismus und der Massenkommunikation. In: Publizistik,
Heft 4/1981, 26. Jg., S. 471-507.
Ruhrmann, Georg u.a. (2000): Im Osten was Neues? Ein Beitrag zur Standortbestimmung der Kommunikations- und
Medienwissenschaft. In: Publizistik, Heft 3/2000, 45. Jg., S. 283-309.
Rusch, Gebhard (2005): Medienwissenschaften gibt es nur im Plural. Journalistik erforscht Informationsmedien. In:
Journalistik Journal, Heft 2/2005, 8. Jg., S. 14-15.
Ruß-Mohl, Stephan (1985): Journalistik-‚Wissenschaft‘ und Wissenschafts-Journalistik. Anmerkungen zu Theorie und
Praxis des Wissenschaftsjournalismus. In: Publizistik, 2-3/1985, 30. Jg., S. 265-279.
Ruß-Mohl, Stephan (1987): Hochschulgebundene Journalistenausbildung. Von der Problemverstaatlichung zur
Problemlösung. In: Publizistik, Heft 1/1987, 23. Jg., S. 5-22.
424 Literatur
Ruß-Mohl, Stephan (1994): Der I-Faktor. Qualitätssicherung im amerikanischen Journalismus. Modell für Europa?
Zürich; Osnabrück.
Ruß-Mohl, Stephan (2003): Journalismus. Das Hand- und Lehrbuch. Frankfurt am Main.
Rust, Holger (1977): Massenmedien und Öffentlichkeit. Eine soziologische Analyse. Berlin.
Rust, Holger (1982): Geteilte Öffentlichkeit: Alltagskommunikation und Massenpublizistik. In: Publizistik, Heft
4/1982, 27. Jg., S. 513-529.
Ruzas, Stefan (2002): …und immer an den Leser denken! Die Produktion von Herrschaftswissen durch Nachvollzugs-
gehilfen. In: Hohlfeld, Ralf / Meier, Klaus / Neuberger, Christoph (Hrsg.): Innovationen im Journalismus.
Forschung für die Praxis. Münster, S. 207-209.
Saffarnia, Pierre A. (1993): Determiniert Öffentlichkeitsarbeit tatsächlich den Journalismus? Empirische Belege und
theoretische Überlegungen gegen die Determinierungsannahme. In: Publizistik, Heft 4/1993, 38. Jg., S.
412-425,
Sandbothe, Mike (2003): Vorwort. In: Schmidt, Siegfried J.: Gesichten & Diskurse. Abschied vom Konstruktivismus.
Reinbek bei Hamburg, S. 7-22.
Sarcinelli, Ulrich (1998): Politikvermittlung und Demokratie: Zum Wandel der politischen Kommunikationskultur. In:
ders. (Hrsg.): Politikvermittlung und Demokratie in der Mediengesellschaft. Bonn, S. 11-23.
Sartori, Giovanni (1997): Demokratietheorie. Darmstadt.
Saxer, Ulrich (1974/1975): Dysfunktionale Folgen unzulänglicher Journalistenaus- und -fortbildung. In: Publizistik,
Heft 3-4/1974 / 1-2/1975, 19./20.Jg., S. 278-315.
Saxer, Ulrich (1980): Grenzen der Publizistikwissenschaft. Wissenschaftswissenschaftliche Reflexionen zur Zeitungs-
/Publizistik-/Kommunikationswissenschaft seit 1945. In: Publizistik, Heft 4/1980, 25. Jg., S. 525-543.
Saxer, Ulrich (2002 [1981]): Medienpolitik zwischen Selbständigkeit und Überfremdung. In: Haas, Hannes / Langen-
bucher, Wolfgang R. (Hrsg.): Medien- und Kommunikationspolitik. Ein Textbuch zur Einführung. Wien,
S. 68-81. [zuerst veröffentlicht in: Media Perspektiven, Heft 2/1981, S. 77-90]
Saxer, Ulrich (1992): Staatliche Förderung und publizistische Vielfalt. In: Rager, Günther / Weber, Bernd (Hrsg.):
Publizistische Vielfalt zwischen Markt und Politik. Mehr Medien – mehr Inhalte? Düsseldorf u.a., S. 110-
134.
Saxer, Ulrich (1993a): Medienwandel – Journalismuswandel. In: Publizistik, Heft 3/1993, 38. Jg., S. 292-304.
Saxer, Ulrich (1993b): Basistheorien und Theorienbasis in der Kommunikationswissenschaft: Theorienchaos und
Chaostheorie. In: Bentele, Günter / Rühl, Manfred (Hrsg.): Theorien öffentlicher Kommunikation. Prob-
lemfelder, Positionen, Perspektiven. München, S. 175-187.
Saxer, Ulrich (1993c): Die Medien-Gesamtkonzeption als Steinbruch? Zur rechtlichen Steuerbarkeit von Mediensyste-
men. In: Zoom K&M, Nr. 1, Januar 1993, S. 5-9.
Saxer, Ulrich (1994): Journalisten in der Medienkonkurrenz. Thesen aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht. In:
Publizistik, Heft 1/1994, 39. Jg., S. 4-12.
Saxer, Ulrich (1998a): System, Systemwandel und politische Kommunikation. In: Jarren, Otfried / Sarcinelli, Ulrich /
ders. (Hrsg.): Politische Kommunikation in der demokratischen Gesellschaft. Opladen; Wiesbaden, S. 21-
64.
Saxer, Ulrich (1998b): Mediengesellschaft: Verständnisse und Mißverständnisse. In: Sarcinelli, Ulrich (Hrsg.): Politik-
vermittlung und Demokratie in der Mediengesellschaft. Bonn, S. 52-73.
Literatur 425
Saxer, Ulrich (1998c): Was heißt Kommerzialisierung? In: Zoom K&M, Nr. 9, Juli 1997, S. 10-17.
Saxer; Ulrich (1998d): Medium. In: Jarren, Otfried / Sarcinelli, Ulrich / ders. (Hrsg.): Politische Kommunikation in der
demokratischen Gesellschaft. Opladen; Wiesbaden, S. 687.
Saxer, Ulrich (1999): Organisationskommunikation aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht. Eine Standortbe-
stimmung. In: Szyszka, Peter (Hrsg.): Öffentlichkeit. Opladen; Wiesbaden, S. 21-36.
Schäfer, Ulrich P. / Schiller, Thomas / Schütte, Georg (Hrsg.) (1999): Journalismus in Theorie und Praxis. Beiträge zur
universitären Journalistenausbildung. Konstanz
Schaffer, Jan (1997): Civic Journalism: The Idea, The Evolution, The Impact. Rede vor The Wisemen Club, Harvard
Club, New York City, November 20, 1997. [http://www.pewcenter.org/doingcj/speeches/s_
wisemen.html; abgerufen am 3.8.2004]
Schaffer, Jan (1998): Civic Journalism:Redefining News, Engaging Readers, Making a Difference. Rede vor dem World
Editors Forum, Kobe, Japan, June 3, 1998. [http://www.pewcenter.org/doingcj/speeches/s_
kobe.html; abgerufen am 3.8.2004]
Schaffer, Jan (2002): Civic Journalism: A Decade of Civic Innovation. Headline Presentation auf der National
Convention der Society of Professional Journalists in Fort Worth, TX, September 13, 2002.
[http://www.pewcenter.org/doingcj/speeches/s_spjheadline.html; abgerufen am 3.8.2004]
Schanne, Michael (2001): Mediengeschichte. In: Jarren, Otfried / Bonfadelli, Heinz (Hrsg.): Einführung in die
Publizistikwissenschaft. Bern; Stuttgart; Wien, S. 47-68.
Schantel, Alexandra (2000): Determination oder Intereffikation? Eine Metaanalyse der Hypothesen zur PR-
Journalismus-Beziehung. In: Publizistik, Heft 1/2000, 45. Jg., S. 70-88.
Schatz, Heribert / Jarren, Otfried / Knaup, Bettina (Hrsg.) (1997): Machtkonzentration in der Multimediagesellschaft?
Beiträge zu einer Neubestimmung des Verhältnisses von politischer und medialer Macht. Opladen.
Schelsky, Helmut (1983): Politik und Publizität. Stuttgart-Degerloch.
Scheyli, Martin (2000): Politische Öffentlichkeit und deliberative Demokratie nach Habermas. Institutionelle Gestal-
tung durch direktdemokratische Beteiligungsformen? Baden-Baden.
Schicha, Christian (2007): Legitimes Theater? Inszenierte Politikvermittlung für die Medienöffentlichkeit am Beispiel
der „Zuwanderungsdebatte“. Berlin.
Schicha, Christian / Brosda, Carsten (Hrsg.) (2000): Medienethik zwischen Theorie und Praxis. Normen für die
Kommunikationsgesellschaft. Münster; Hamburg; London.
Schicha, Christian / Brosda, Carsten (Hrsg.) (2002): Politikvermittlung in Unterhaltungsformaten. Medieninszenierun-
gen zwischen Popularität und Populismus. Münster.
Schimank, Uwe (2000): Theorien gesellschaftlicher Differenzierung. 2. Auflage. Opladen.
Schischkoff, Georgi (1991): Philosophisches Wörterbuch. 22. Auflage. Stuttgart.
Schmalz-Bruns, Rainer (1995): Selbstorganisation, Selbstregierung, Selbstverwirklichung: Die Idee der Öffentlichkeit
im Spiegel moderner Demokratietheorie. In: Göhler, Gerhard (Hrsg.): Macht der Öffentlichkeit – Öffent-
lichkeit der Macht. Baden-Baden, S. 39-74.
Schmidt, Heinrich (1931): Philosophisches Wörterbuch. Achte, völlig neubearbeitete und erweiterte Auflage. Leipzig.
Schmidt, Siegfried J. (1990): Wir verstehen uns doch? Von der Unwahrscheinlichkeit gelingender Kommunikation. In:
Deutsches Institut für Fernstudien an der Universität Tübingen (Hrsg.): Funkkolleg Medien und Kommu-
nikation. Konstruktion von Wirklichkeit Studienbrief 1. Weinheim; Basel, S. 50-78.
Schmidt, Siegfried J. (1993): Kommunikation – Kognition – Wirklichkeit. In: Bentele, Günter / Rühl, Manfred (Hrsg.):
Theorien öffentlicher Kommunikation. Problemfelder, Positionen, Perspektiven. Konstanz, S. 105-117.
Schmidt, Siegfried J. (2003): Geschichten & Diskurse. Abschied vom Konstruktivismus. Reinbek bei Hamburg.
426 Literatur
Schmidt, Siegfried J. / Zurstiege, Guido (2000): Orientierung Kommunikationswissenschaft. Was sie kann, was sie will.
Reinbek bei Hamburg.
Schmolke, Michael (1982): Nachdenken über den eigenen Beruf. In: Österreichisches Jahrbuch für Kommunikations-
wissenschaft 1982. Salzburg, S. 43-51.
Schmolke, Michael (1987): Wege der Kommunikationsgeschichte: Eine Zwischenbilanz. In: Bobrowsky, Manfred /
Langenbucher, Wolfgang R. (Hrsg.): Wege zur Kommunikationsgeschichte. München, S. 737-747.
Schnädelbach, Herbert (1986): Transformationen der Kritischen Theorie. In: Honneth, Axel / Joas, Hans (Hrsg.):
Kommunikatives Handeln. Frankfurt am Main, S. 15-34.
Schneider, Beate / Schönbach, Klaus / Stürzebecher, Dieter (1993): Westdeutsche Journalisten im Vergleich: jung,
professionell und mit Spaß an der Arbeit. In: Publizistik, Heft 1/1993, 38. Jg., S. 5-30.
Schneider, Falko (1992): Öffentlichkeit und Diskurs. Studien zu Entstehung, Struktur und Form der Öffentlichkeit im
18. Jahrhundert. Bielefeld.
Schneider, Franz (1966): Pressefreiheit und politische Öffentlichkeit. Studien zur politischen Geschichte Deutschlands
bis 1848. Neuwied am Rhein; Berlin.
Schneider, Wolf / Raue, Paul-Josef (1998): Handbuch des Journalismus. Reinbek bei Hamburg.
Schönbach, Klaus (1977): Trennung von Nachricht und Meinung. Empirische Untersuchung eines journalistischen
Qualitätskriteriums. Freiburg; München.
Schöne, Walter (1928): Die Zeitung und ihre Wissenschaft. Leipzig.
Schönhagen, Philomen (1998): Unparteilichkeit im Journalismus. Tradition einer Qualitätsnorm. Tübingen.
Schönhagen, Philomen (1999): Der Journalist als unbeteiligter Beobachter. In: Publizistik, Heft 3/1999, 44. Jg., S. 271-
287.
Scholl, Armin (1997a): Autonomie und Information(sverhalten) im Journalismus. In: Bentele, Günter / Haller, Michael
(Hrsg.) Aktuelle Entstehung von Öffentlichkeit. Konstanz, S. 127-139.
Scholl, Armin (1997b): Journalismus als Gegenstand empirischer Forschung: Ein Definitionsvorschlag. In: Publizistik,
Heft 4/1997, 42. Jg., S. 468-486.
Scholl, Armin (2000): Hat die Journalismusforschung alles falsch gemacht? Eine Erwiderung auf die Kritik an der
Journalismusforschung durch Elisabeth Klaus und Margret Lünenborg. In: Medien & Kommunikations-
wissenschaft, Heft 3/2000, 48. Jg., S. 405-412.
Scholl, Armin (Hrsg.) (2002a): Systemtheorie und Konstruktivismus in der Kommunikationswissenschaft. Konstanz.
Scholl, Armin (2002b): Einleitung. In: ders. (Hrsg.): Systemtheorie und Konstruktivismus in der Kommunikationswis-
senschaft. Konstanz, S. 7-18.
Scholl, Armin / Weischenberg, Siegfried (1998): Journalismus in der Gesellschaft. Theorie, Methodologie und
Empirie. Opladen; Wiesbaden.
Schramm, Wilbur (Hrsg.) (1968): Grundfragen der Kommunikationsforschung. München.
Schreiber, Eberhard (1980): Münchner Scholastik. Rekonstitutionsprobleme der Zeitungswissenschaft. In: Publizistik,
Heft 2-3/1980, 25. Jg., S. 207-229.
Schröter, Detlef (1988): Mitteilungs-Adäquanz. Studien zum Fundament eines realitätsgerechten journalistischen
Handelns. In: Wagner, Hans (Hrsg.): Idee und Wirklichkeit des Journalismus. München, S. 175-216.
Schütt, Bernd (1981): Vom Tagesschriftsteller zum technischen Redakteur? Versuch einer logisch-historischen und
empirischen Analyse journalistischer Tätigkeit. Frankfurt am Main.
Schulz, Winfried (1976): Die Konstruktion von Realität in den Nachrichtenmedien. Analyse der aktuellen Berichter-
stattung. Freiburg/Breisgau; München.
Literatur 427
Schulz, Winfried (1989): Massenmedien und Realität. Die „ptolemäische“ und die „kopernikanische“ Auffassung. In:
Kaase, Max / Schulz, Winfried (Hrsg.): Massenkommunikation. Opladen, S. 135-149.
Schulz, Winfried (1997): Politische Kommunikation. Theoretische Ansätze und Ergebnisse empirischer Forschung.
Opladen.
Schulz, Wolfgang (1996): Recht im Widerstreit. Regulierung der Medienwirtschaft durch Recht. In: Altmeppen, Klaus-
Dieter (Hrsg.): Ökonomie der Medien und des Mediensystems. Grundlagen, Ergebnisse und Perspektiven
medienökonomischer Forschung. Opladen, S. 221-236.
Schumacher, Birgit (1987): Kommunikationspolitisch relevante Urteile des Bundesverfassungsgerichtes seit 1976. In:
Publizistik, Heft 3/1987, 32. Jg., S. 405-421.
Schuon, Karl Theodor (1995): Diskurstheoretisch fundierte Demokratietheorie. Zur Begründung deliberativer Politik.
In: perspektiven dsm Heft 3/1995, 12. Jg., S. 186-197.
Schwarz, Mathias (1999): Überblick über die seit 1987 vom Bundesverfassungsgericht erlassenen kommunikationspoli-
tisch bedeutsamen Entscheidungen. In: Publizistik, Heft 1/1999, 44. Jg., S. 1-34.
Schweda, Claudia / Opherden, Rainer (1995): Journalismus und Public Relations. Grenzbeziehungen im System
lokaler politischer Kommunikation. Wiesbaden.
Sennett, Richard (1986): Verfall und Ende des öffentlichen Lebens. Die Tyrannei der Intimität. Frankfurt am Main.
Shannon, Claude E. / Warren Weaver (1949): The mathematical theory of communication. Urbana.
Siebert, Fred S. / Peterson, Theodore / Schramm, Wilbur (1963): Four theories of the press. The authoritarian,
libertarian, social responsibility and soviet communist concepts of what the press be and do. Urbana.
Siegert, Gabriele (2001): Ökonomisierung aus systemtheoretischer Perspektive. In: Medien & Kommunikationswissen-
schaft, Heft 2/2001, 49. Jg., S. 167-176.
Silbermann, Alphons / Krüger, Udo Michael (1973): Soziologie der Massenkommunikation. Stuttgart u.a.
Sösemann, Bernd (Hrsg.) (1998): Emil Dovifat. Studien und Dokumente zu Leben und Werk. Berlin; New York.
Sommer, Theo (2005): Sinnvermittler in einer entgrenzten Welt. Für die Schaffung eines tragfähigen gesellschaftlichen
Wertefundaments ist der Beitrag der Medien unverzichtbar. In: Fasel, Christoph (Hrsg.): Qualität und Er-
folg im Journalismus. Konstanz, S. 143-152.
Spinner, Helmut F. (1985): Das ‚wissenschaftliche Ethos‘ als Sonderethik des Wissens. Über das Zusammenwirken
von Wissenschaft und Journalismus im gesellschaftlichen Problemlösungsprozeß. Tübingen.
Spinner, Helmut F. (1988): Wissensorientierter Journalismus: Der Journalist als Agent der Gelegenheitsvernunft. In:
Erbring, Lutz u.a. (Hrsg.): Medien ohne Moral. Variationen über Journalismus und Ethik. Berlin, S. 238-
266.
Starkulla, Heinz (1963): Publizistik und Kommunikation. Ein Beitrag zur wissenschaftlichen Erkenntnis der kommu-
nikativen Wirklichkeit. In: Publizistik, Heft 5-6/1963, 8. Jg., S. 562-571.
Starkulla, Heinz (1965): Presse, Fernsehen und Demokratie. Der ‚Wettbewerb‘ der Medien als kommunikationspoliti-
sches Problem. In: Publizistik, Heft 3/1965, 10. Jg., S. 382-390.
Starkulla, Heinz (1993): Marktplätze sozialer Kommunikation. Bausteine einer Medientheorie. München.
Starkulla, Heinz / Wagner, Hans (1978): Betrifft: ‚Zeitungswissenschaft‘. In: Wagner, Hans: Kommunikation und
Gesellschaft. Band 1: Einführung in die Zeitungswissenschaft. München, S. 149-154.
Starkulla, Heinz jr. (1988): „Alternativmedien“ in der Bundesrepublik Deutschland. In: Wagner, Hans (Hrsg.): Idee
und Wirklichkeit des Journalismus. München, S. 217-255.
Steinmüller, Wilhelm (1994): Gesellschaftliche Kommunikation und individuelle Entscheidung. In: Nickel, Egbert /
Roßnagel, Alexander / Schlink, Bernhard (Hrsg.): Die Freiheit und die Macht – Wissenschaft im Ernstfall.
Festschrift für Adalbert Podlech. Baden-Baden, S. 263-275.
428 Literatur
Stern-Rubarth, Edgar (1960): Der Konflikt zwischen der Zeitung als moralischer Anstalt und als Wirtschaftsunter-
nehmen. In: Publizistik, Heft 6/1960, 5. Jg., S: 561-570.
Stern-Rubarth, Edgar (1965): Ist die Disziplin der Publizistik richtig? In: Publizistik, Heft 3/1965, 10. Jg., S. 213-216.
Stöber, Rudolf (2000): Deutsche Pressegeschichte. Einführung, Systematik, Glossar. Konstanz.
von Studnitz, Cecilia (1983): Kritik des Journalisten. Ein Berufsbild in Fiktion und Realität. München u.a.
Stuiber, Heinz-Werner (1983): Zur Rolle des Journalismus in der Gesellschaft. In: Rühl, Werner / ders. (Hrsg.):
Kommunikationspolitik in Forschung und Anwendung. Festschrift für Franz Ronneberger. Düsseldorf, S.
65-75.
Teichert, Will (1996): Journalistische Verantwortung. Medienethik als Qualitätsproblem. In: Nida-Rümelin, Julian
(Hrsg.): Angewandte Ethik. Die Bereichsethiken und ihre theoretische Fundierung. Ein Handbuch. Stutt-
gart, S. 750-776.
Teichert, Will / Renckstorf, Karsten (1974): Zur Zukunft von Massenkommunikation und Massenmedien aus
sozialwissenschaftlicher Perspektive. In: Publizistik, Heft 2/1974, 19. Jg., S. 133-147.
Tenscher, Jens / Schicha, Christian (Hrsg.) (2002): Talk auf allen Kanälen. Angebote, Akteure und Nutzer von
Fernsehgesprächssendungen. Wiesbaden.
Theis-Berglmair, Anna Maria / Kohring, Matthias (2000): Gesellschaftliche Relevanz, Situation und Perspektiven.
Kommunikations- & Medienwissenschaft in Deutschland. In: Medien Journal, Heft 2/2000, 24. Jg., S. 28-
35.
Thomaß, Barbara (2000): Von Aristoteles zu Habermas. Theorien zur Ethik des Journalismus. In: Löffelholz, Martin
(Hrsg.): Theorien des Journalismus. Ein diskursives Handbuch. Wiesbaden, S. 351-362.
Thomaß, Barbara (2003): Fünf ethische Prinzipien journalistischer Praxis. In: Debatin, Bernhard / Funiok, Rüdiger
(Hrsg.): Kommunikations- und Medienethik. Konstanz, S. 159-168.
Thum, Bernd (1990): Öffentlichkeit und Kommunikation im Mittelalter. Zur Herstellung von Öffentlichkeit im
Bezugsfeld elementarer Kommunikationsformen im 13. Jahrhundert. In: Ragotzky, Hedda / Wenzel, Horst
(Hrsg.): Höfische Repräsentation. Das Zeremoniell und die Zeichen. Tübingen, S. 65-87.
Thumfart, Alexander / Waschkuhn, Arno (1995): Die Zivilgesellschaft als Substrat und Surrogat in der deliberativen
Demokratieauffassung von Jürgen Habermas. In: perspektiven ds, Heft 3, 12. Jg., S. 197-207.
Tonnemacher, Jan (2003): Kommunikationspolitik in Deutschland. Eine Einführung. 2., überarbeitete Auflage.
Konstanz.
Topitsch, Ernst (Hrsg.) (1965a): Logik der Sozialwissenschaften. Köln; Berlin.
Topitsch, Ernst (1965b): Sprachlogische Probleme der sozialwissenschaftlichen Theoriebildung. In: ders. (Hrsg.):
Logik der Sozialwissenschaften. Köln; Berlin, S. 17-36.
Traub, Hans (1928): Vom Zeitungswesen und Zeitunglesen. Dessau.
Tucholsky, Kurt (1975 [1925]): Der rasende Reporter. In: ders.: Gesammelte Werke. Band 4. 1925-1926. Herausgege-
ben von Mary Gerold-Tucholsky und Fritz J. Raddatz. Reinbek bei Hamburg, S. 48-49.
Literatur 429
Ukena, Peter (1977): Tagesschrifttum und Öffentlichkeit im 17. Jahrhundert. In: Presse und Geschichte. Beiträge zur
historischen Kommunikationsforschung. Referate einer internationalen Fachkonferenz der Deutschen For-
schungsgemeinschaft und der Deutschen Presseforschung/Universität Bremen, 5.-8. Oktober 1976 in
Bremen. München, S. 35-53.
Vlasic, Andreas (2004): Die Integrationsfunktion der Massenmedien. Begriffsgeschichte, Modelle, Operationalisierung.
Wiesbaden.
Vowe, Gerhard (2003a): Medienpolitik – Regulierung der medialen öffentlichen Kommunikation. In: Bentele, Günter
/ Brosius, Hans-Bernd / Jarren, Otfried (Hrsg.): Öffentliche Kommunikation. Handbuch Kommunikati-
ons- und Medienwissenschaft. Wiesbaden, S. 210-227.
Vowe, Gerhard (2003b): Medienpolitik – Regulierung der öffentlichen Kommunikation. In: Altmeppen, Klaus-Dieter
/ Karmasin, Matthias (Hrsg.): Medien und Ökonomie. Band 1/2: Grundlagen der Medienökonomie: Sozio-
logie, Kultur, Politik, Philosophie, International, Geschichte, Technik, Journalistik. Wiesbaden, S. 97-123.
Wagner, Hans (1965a): Ansätze zur Zeitungswissenschaft. Faktoren und Theorien. In: Publizistik, Heft 3/1965, 10. Jg.,
S. 217-238.
Wagner, Hans (1965b): Die faktische Ordnung der sozialen Kommunikation. Versuch einer Systematisierung der
Zeitungswissenschaft. München.
Wagner, Hans (1977): Vermittlungsverfassung in der Massenkommunikation. Zeitungswissenschaftliche Theorie der
journalistischen und publizistischen Darstellungsformen. In: Publizistik, Heft 1/1977, 22. Jg., S. 5-13.
Wagner, Hans (1978): Kommunikation und Gesellschaft. Band 1: Einführung in die Zeitungswissenschaft. München.
Wagner, Hans (1993): Das Fach-Stichwort: Zeitungswissenschaft – eine Wissenschaft vom Menschen. In: Aswerus,
Bernd Maria: Vom Zeitgespräch der Gesellschaft. Zusammengestellt und eingeführt von Hans Wagner.
München, S. 121-197.
Wagner, Hans (1995): Das Fachstichwort: Massenkommunikation. In: Groth, Otto: Vermittelte Mitteilung. Ein
journalistisches Modell der Massenkommunikation. München, S. 187-240.
Wagner, Hans (1997): Erfolgreich Kommunikationswissenschaft (Zeitungswissenschaft) studieren. Eine Einführung in
das Fach und das Studium. München.
Wagner, Hans (1998): Das Unwandelbare im Journalismus. In: Duchkowitsch, Wolfgang u.a. (Hrsg.): Journalismus als
Kultur. Analysen und Essays. Opladen; Wiesbaden, S. 95-111.
Wagner, Hans (2002): Plädoyer für eine „rücksichtslose“ Journalismuskritik. In: ders.: Journalismus mit beschränkter
Haftung? Gesammelte Beiträge zur Journalismus- und Medienkritik. München, S. 1-6.
Wallisch, Gianluca (1995): Journalistische Qualität. Definitionen – Modelle – Kritik. Konstanz.
Walther, Willy (1968): Journalistik und Philosophie. Methodologische und erkenntnistheoretische Probleme der
Journalistik. Leipzig.
430 Literatur
Weber, Bernd / Rager, Günther (1994): Zeile für Zeile Qualität. Was Journalisten über die Qualität in der Zeitung
denken. In: Rager, Günther / Haase, Helga / Weber, Bernd (Hrsg.): Zeile für Zeile – Qualität in der Zei-
tung. Münster, S. 1-15.
Weber, Johannes (1994): Götter-Both Mercurius. Die Urgeschichte der politischen Zeitschrift in Deutschland.
Bremen.
Weber, Johannes (1997a): Avisen, Relationen, Gazetten. Der Beginn des europäischen Zeitungswesens. Oldenburg.
Weber, Johannes (1997b): Deutsche Presse im Zeitalter des Barock. Zur Vorgeschichte öffentlichen politischen
Räsonnements. In: Jäger, Hans-Wolf (Hrsg.): „Öffentlichkeit“ im 18. Jahrhundert. Göttingen, S. 137-149.
Weber, Johannes (1999): Der große Krieg und die frühe Zeitung. Gestalt und Entwicklung der deutschen Nachrich-
tenpresse in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. In: Böning, Holger / Kutsch, Arnulf / Stöber, Rudolf
(Hrsg.): Jahrbuch für Kommunikationsgeschichte. 1. Jahrgang 1999. Stuttgart, S. 23-61.
Weber, Johannes (2002a): Zum 350. Geburtstag der Tageszeitung am 1. Juli 2000. In: Kutsch, Arnulf / ders. (Hrsg.):
350 Jahre Tageszeitung. Forschungen und Dokumente. Bremen, S. 9-22.
Weber, Johannes (2002b): Galerie der Zeitungspresse im 17. Jahrhundert mit dem Schwerpunkt: Geschichte der
frühen Leipziger Zeitungen. In: Kutsch, Arnulf / ders. (Hrsg.): 350 Jahre Tageszeitung. Forschungen und
Dokumente. Bremen, S. 23-136.
Weber, Johannes (2005): Wie 1605 in Straßburg die moderne Zeitung entstand. „Unscheinbar und ohne jede journalis-
tische Idee“. In: Journalistik Journal, Heft 1/2005, 8. Jg., S. 6-8.
Weber, Max (1980 [1921]): Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriss der verstehenden Soziologie. Fünfte, revidierte
Ausgabe. Studienausgabe. Tübingen.
Weber, Max (1986 [1911]): Zu einer Soziologie des Zeitungswesens. In: Langenbucher, Wolfgang R. (Hrsg.): Publizis-
tik- und Kommunikationswissenschaft. Ein Textbuch zur Einführung in ihre Teildisziplinen. Wien, S. 18-
24. [zuerst veröffentlicht in: Schriften der Deutschen Gesellschaft für Soziologie. Serie I. Band I. Tübingen
1911, S. 39-62. (Verhandlungen des Ersten Deutschen Soziologentages in Frankfurt 1910)]
Weber, Max (19887 [1922]): Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre. Tübingen.
Weber, Max (19887 [1904]): Die Objektivität sozialwissenschaftlicher und sozialpolitischer Erkenntnis. In: ders.:
Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre. Tübingen, S. 146-214.
Weber, Max (1993 [1919]): Politik als Beruf. Berlin.
Weber, Stefan (1997c): Doppelte Differenz. Schritte zu einer ‚konstruktivistischen Systemtheorie der Medienkommu-
nikation‘. In: Medien Journal, Heft 1/1997, 21. Jg., S. 34-43.
Weber, Stefan (2000): Was steuert Journalismus? Ein System zwischen Selbstreferenz und Fremdreferenz. Konstanz.
Weber, Stefan (Hrsg.) (2003): Theorien der Medien. Von der Kulturkritik bis zum Konstruktivismus. Konstanz.
de Weck, Roger (1999): Die Gier der Medien. Zur Feier des Tages: Ein paar Fragen an uns Journalisten. In: Die Zeit
vom 29. Dezember 1999, S. 1.
Wehler, Hans-Ulrich (1987): Deutsche Gesellschaftsgeschichte. Erster Band. Vom Feudalismus des Alten Reiches bis
zur Defensiven Modernisierung der Reformära. 1700-1815. München.
Weingarten, Rüdiger (1988): Typisierungen technisierter Kommunikation. In: ders. / Fiehler, Reinhard (Hrsg.):
Technisierte Kommunikation. Opladen, S. 57-74.
Weischenberg, Siegfried (1977a): Berufliche Autonomie und journalistisches Selbstverständnis. Eine Problematisierung
der Professionalisierungstheorie am Beispiel der Sportpresseverbände als Standesorganisationen. In: Publi-
zistik, Heft 2/1977, 22. Jg., S. 150-158.
Weischenberg, Siegfried (1977b): Neue Technik und publizistische Leistung. Ansätze für die Erforschung des
Einflusses elektronischer Redaktionssysteme auf die journalistische Arbeit. In: Rundfunk und Fernsehen,
Heft 3/1977, 25. Jg., S. 245-253.
Literatur 431
Weischenberg, Siegfried (1981a): Journalismus. In: Koszyk, Kurt / Pruys, Karl Hugo (Hrsg.): Handbuch der Massen-
kommunikation. München, S. 96-99.
Weischenberg, Siegfried (1981b): Zwischen Taylorisierung und professioneller Orientierung. Perspektiven künftigen
Kommunikatorhandelns. In: Rundfunk und Fernsehen, Heft 2-3/1981, 29. Jg., S. 151-167.
Weischenberg, Siegfried (1983): Investigativer Journalismus und „kapitalistischer Realismus“. Zu den Strukturbedin-
gungen eines anderen Paradigmas der Berichterstattung. In: Rundfunk und Fernsehen, Heft 3-4/1983, 31.
Jg., S. 349-369.
Weischenberg, Siegfried (1985): Die Unberechenbarkeit des Gatekeepers. Zur Zukunft professioneller Informations-
vermittlung im Prozeß technisch-ökonomischen Wandels. In: Rundfunk und Fernsehen, Heft 2/1985, S.
187-201.
Weischenberg, Siegfried (1989): Der enttarnte Elefant. Journalismus in der Bundesrepublik – und die Forschung, die
sich ihm widmet. In: Media Perspektiven, Heft 4/1989, S. 227-239.
Weischenberg, Siegfried (1990a): Das ‚Paradigma‘ Journalistik. Zur kommunikationswissenschaftlichen Identifizierung
einer hochschulgebundenen Journalistenausbildung. In: Publizistik, Heft 1/1990, 35. Jg., S. 45-61.
Weischenberg, Siegfried (Hrsg.) (1990b): Journalismus & Kompetenz. Qualifizierung und Rekrutierung für Medienbe-
rufe. Opladen.
Weischenberg, Siegfried (1990c): Das „Prinzip Echternach“. Zur Einführung in das Thema „Journalismus und
Kompetenz“. In: ders. (Hrsg.): Journalismus & Kompetenz. Qualifizierung und Rekrutierung für Medien-
berufe. Opladen, S- 11-41.
Weischenberg, Siegfried (1992a): Journalistik. Band 1: Mediensysteme, Medienethik, Medieninstitutionen. Opladen.
Weischenberg, Siegfried (1992b): Die Verantwortung des Beobachters. Moderne Medienethik aus der Perspektive einer
konstruktivistischen Systemtheorie (1). In: Rundfunk und Fernsehen, Heft 4/1992, 40. Jg., S. 507-527.
Weischenberg, Siegfried (1993): Die Medien und die Köpfe. Perspektiven und Probleme konstruktivistischer Journa-
lismusforschung. In: Bentele, Günter / Rühl, Manfred (Hrsg.): Theorien öffentlicher Kommunikation.
Problemfelder, Positionen, Perspektiven. Konstanz, S. 126-135.
Weischenberg, Siegfried (1994): Journalismus als soziales System. In: Merten, Klaus / Schmidt, Siegfried J. / ders.
(Hrsg.): Die Wirklichkeit der Medien. Eine Einführung in die Kommunikationswissenschaft. Opladen, S.
427-454.
Weischenberg, Siegfried (1995): Journalistik. Band 2: Medientechnik, Medienfunktionen, Medienakteure. Opladen.
Weischenberg, Siegfried (1999): Die Macht und die Worte. Gerhard Schröders politische Kommunikation – eine
Presseschau. In: PR-Magazin, Heft 11/1999, S. 35-44.
Weischenberg, Siegfried (2001): Nachrichten-Journalismus. Anleitungen und Qualitäts-Standards für die Medienpraxis.
Wiesbaden.
Weischenberg, Siegfried (2005): Der Gärtner und der Botaniker. Impressionen, Reflexionen und Informationen zur
Situation des Journalismus und seiner Beobachtung durch die Wissenschaft. In: Fasel, Christoph (Hrsg.):
Qualität und Erfolg im Journalismus. Konstanz, S. 271-288.
Weischenberg, Siegfried / Altmeppen, Klaus-Dieter / Löffelholz, Martin (1994): Die Zukunft des Journalismus.
Technologische, ökonomische und redaktionelle Trends. Opladen.
Weischenberg, Siegfried / von Bassewitz, Susanne / Scholl, Armin (1989): Konstellation der Aussagenentstehung. Zur
Handlungs- und Wirkungsrelevanz journalistischer Kommunikationsabsichten. In: Kaase, Max / Schulz,
Winfried (Hrsg.): Massenkommunikation. Theorien, Methoden, Befunde. Opladen, S. 280-300.
Weischenberg, Siegfried / Hienzsch, Ulrich (1994): Die Entwicklung der Medientechnik. In: Merten, Klaus / Schmidt,
Siegfried J. / Weischenberg, Siegfried (Hrsg.): Die Wirklichkeit der Medien. Eine Einführung in die Kom-
munikationswissenschaft. Opladen 1994, S. 455-480.
Weischenberg, Siegfried / Malik, Maja / Scholl, Armin (2006a): Die Souffleure der Mediengesellschaft. Report über die
Journalisten in Deutschland. Konstanz.
432 Literatur
Weischenberg, Siegfried / Malik, Maja / Scholl, Armin (2006b): Journalismus in Deutschland 2005. Zentrale Befunde
der aktuellen Repräsentativbefragung deutscher Journalisten. In: Media Perspektiven, Heft 7/2006, S. 346-
361.
Weischenberg, Siegfried / Scholl, Armin (1995): Konstruktivismus und Ethik im Journalismus. In: Rusch, Hebhard /
Schmidt, Siegfried J. (Hrsg.): Konstruktivismus und Ethik. Delfin 1995. Frankfurt am Main, S. 214-240.
Weischenberg, Siegfried / Weischenberg, Sibylle (1980): Vom Wert von Journalismus-Lehrbüchern für die redaktionel-
le Arbeit. In: Rundfunk und Fernsehen, Heft 2/1980, S. 253-260.
Wellmer, Albrecht (1989): Was ist eine pragmatische Bedeutungstheorie. Variationen über den Satz „Wir verstehen
einen Sprechakt, wenn wir wissen, was ihn akzeptabel macht“. In: Honneth, Axel (Hrsg.): Zwischenbemer-
kungen. Im Prozeß der Aufklärung. Jürgen Habermas zum 60. Geburtstag. Frankfurt am Main, S. 318-370.
Wenzel, Harald (2001): Die Abenteuer der Kommunikation. Echtzeitmassenmedien und der Handlungsraum der
Hochmoderne. Weilerswist.
Weßler, Hartmut (1999a): Öffentlichkeit als Prozeß. Deutungsstrukturen und Deutungswandel in der deutschen
Drogenberichterstattung. Opladen; Wiesbaden.
Weßler, Hartmut (1999b): Die Öffentlichkeit der Public Relations. Plädoyer für ein normatives Basiskonzept. In:
Szyszka, Peter (Hrsg.): Öffentlichkeit. Opladen; Wiesbaden, S. 165-182.
Westerbarkey, Joachim (1980): Daten zur Lage des Faches: eine bestürzende Bilanz. In: Publizistik, Heft 4/1980, 25.
Jg., S. 484-491.
Westerbarkey, Joachim (1999): Öffentlichkeit und Nicht-Öffentlichkeit. Thesen, Paradoxien und Folgerungen. In:
Szyszka, Peter (Hrsg.): Öffentlichkeit. Opladen; Wiesbaden, S. 147-155.
Wiegerling, Klaus (1998): Medienethik. Stuttgart; Weimar.
Wiggershaus, Rolf (1988): Die Frankfurter Schule. Geschichte – Theoretische Entwicklung – Politische Bedeutung.
Frankfurt am Main.
Wiggershaus, Rolf (2004): Jürgen Habermas. Reinbek bei Hamburg.
Wilke, Jürgen (1984a): Nachrichtenauswahl und Medienrealität in vier Jahrhunderten. Eine Modellstudie zur empiri-
schen Verbindung von historischer und empirischer Publizistikwissenschaft. Berlin; New York.
Wilke, Jürgen (Hrsg.) (1984b): Pressefreiheit. Darmstadt.
Wilke, Jürgen (1987): Massenmedien als Quelle und Forschungsgegenstand der Kommunikationsgeschichte. In:
Bobrowsky, Manfred / Langenbucher, Wolfgang R. (Hrsg.): Wege zur Kommunikationsgeschichte. Mün-
chen, S. 697-711.
Wilke, Jürgen (2000): Grundzüge der Medien- und Kommunikationsgeschichte. Von den Anfängen bis ins 20.
Jahrhundert. Köln; Weimar; Wien.
Wingert, Lutz / Günther, Klaus (Hrsg.) (2001): Die Öffentlichkeit der Vernunft und die Vernunft der Öffentlichkeit.
Festschrift für Jürgen Habermas. Frankfurt am Main.
Winter, Carsten (2001): Globale Kommerzialisierung von Öffentlichkeit? Perspektiven für eine mediensoziologische
Erforschung der Rolle von Medienunternehmen und Medienproduktion im Kontext von Gesellschafts-
und Kulturwandel. In: Karmasin, Matthias / Knoche, Manfred / ders. (Hrsg.): Medienwirtschaft und Ge-
sellschaft I. Medienunternehmen und die Kommerzialisierung von Öffentlichkeit. Münster, S. 41-68.
Winter, Carsten / Karmasin, Matthias (2001): Ökonomisierung aus unternehmensstrategischer Perspektive. Ursachen,
Formen und Folgen der globalen Kommerzialisierung medialer Wertschöpfungsprozesse. In: Medien &
Kommunikationswissenschaft, Heft 2/2001, 49. Jg., S. 206-217.
Winter, Rainer (1997): Cultural Studies als kritische Medienanalyse: Vom „encoding/decoding“-Modell zur Diskurs-
analyse. In: Hepp, Andreas / ders. (Hrsg.): Kultur – Medien – Macht. Cultural Studies und Medienanalyse.
Opladen, S. 47-63.
Literatur 433
Wirth, Werner (2000): Wachstum bei zunehmender Unübersichtlichkeit. Institutionelle Strukturen und Ausbildungssi-
tuation in der Kommunikations- und Medienwissenschaft in Deutschland. In: Medien Journal, Heft
2/2000, 24. Jg., S. 36-46.
Witt, Leonard (2004): Is Public Journalism Morphing into the Public’s Journalism? [http://www.pjnet.org/
documents/Morphing.pdf; abgerufen am 3.8.2004]
Wittkämper, Gerhard W. (Hrsg.) (1992): Medien und Politik. Darmstadt.
Wrede, Richard (Hrsg.) (1906a): Handbuch der Journalistik. Zweite, neubearbeitete Auflage. Berlin.
Wrede, Richard (1906b): Aus dem Vorwort zur ersten Auflage. In: ders. (Hrsg.): Handbuch der Journalistik. Zweite,
neubearbeitete Auflage. Berlin, o.S.
Wrede, Richard (1906c): Grundbegriffe. In: ders. (Hrsg.): Handbuch der Journalistik. Zweite, neubearbeitete Auflage.
Berlin, S. 3-6.
Wrede, Richard (1906d): Die Vorbildung der Journalisten und Redakteure. In: ders. (Hrsg.): Handbuch der Journalis-
tik. Zweite, neubearbeitete Auflage. Berlin, S. 7-20.
Wunden, Wolfgang (Hrsg.) (1989): Medien zwischen Markt und Moral. Beiträge zur Medienethik. Bd. 1. Stuttgart.
Wunden, Wolfgang (Hrsg.) (1994): Öffentlichkeit und Kommunikationskultur. Beiträge zur Medienethik. Bd. 2.
Hamburg. Stuttgart.
Wunden, Wolfgang (Hrsg.) (1996): Wahrheit als Medienqualität. Beiträge zur Medienethik. Bd. 3. Frankfurt am Main.
Wunden, Wolfgang (Hrsg.) (1998): Freiheit und Medien. Beiträge zur Medienethik. Bd. 4. Frankfurt am Main.
Zerfaß, Ansgar (1996): Unternehmensführung und Öffentlichkeitsarbeit. Grundlegung einer Theorie der Unterneh-
menskommunikation und Public Relations. Opladen.
Zeuner, Bodo (1973): Zur Standesideologie der Journalisten. In: Paetzold, Ulrich / Schmidt, Hendrik (Hrsg.): Solidari-
tät gegen Abhängigkeit – Auf dem Weg zur Mediengewerkschaft. Darmstadt; Neuwied, S. 13-36.
Zoll, Ralf / Hennig, Eike (1970): Massenmedien und Meinungsbildung. Angebot, Reichweite, Nutzung und Inhalt der
Medien in der BRD. München.
Index
Interaktion 13, 16f., 27, 49, 67, 157, 167, Kommunikatorrolle 117, 138f., 176
169f., 174ff., 180ff., 188, 205, 208ff.,
Konsenstheorie der Wahrheit 75, 89
217, 219, 221f., 230f., 235, 237f., 246,
250, 258, 274, 278, 286, 289, 295, 335, Konstruktivismus 35, 56f., 59ff., 69f., 86,
343ff., 349, 357, 374, 376, 379 90f., 93, 137, 158, 214
Journalismusforschung 20f., 40, 42, 47f., korrespondierender Journalismus 98, 121,
52, 58, 63f., 69, 71, 77f., 90, 93, 95, 98, 123, 125
100, 102f., 119, 131f., 136, 138, 141,
144, 149, 160, 173, 175, 190, 197, 209, Kritische Theorie 13, 15f., 19, 57, 79ff.,
214, 234, 236, 238, 246, 272, 281, 294, 84f., 92ff., 207, 231, 239, 241, 276, 309
300, 353, 373 kritischer Rationalismus 40, 82, 84, 159
Journalistenausbildung 44, 47ff., 64, 68, Lebenswelt 16ff., 26, 28f., 33f., 75, 87, 89,
95, 347, 380 96f., 106, 112, 117, 165, 167, 172f., 178,
Journalistik 12ff., 21f., 29f., 32, 34ff., 41, 181, 188, 202, 219ff., 236, 238, 241,
43ff., 60ff., 68ff., 80, 83, 90, 92ff., 143, 249ff., 263, 270f., 273ff., 305, 309ff.,
146f., 177, 200, 239, 245, 277, 297, 314, 316, 319f., 324, 326, 328, 330, 333,
347f., 360, 370, 372f., 379ff. 335, 341, 349, 354, 375ff., 380
Kolonialisierung 96, 173, 243, 274ff., 280, mass communication research 46, 77
282f., 285, 290, 295, 297f., 301, 305, Massenmedien 14f., 21, 23, 25f., 28, 33,
312, 327, 332, 339, 342, 377, 381f. 37, 47, 49, 53, 61, 76, 96, 140, 163,
Kommunikationspolitik 34, 358f., 361, 166f., 176, 180, 182f., 186, 191, 195f.,
364 200, 204, 207, 211, 215, 218, 220, 224,
226ff., 243, 245ff., 253, 255ff., 261,
Kommunikationstheorie 15, 21, 58ff., 85, 264ff., 268f., 271f., 274, 290, 299ff.,
91, 219, 239, 379 304f., 312, 324, 326ff., 333ff., 356ff.,
362f., 365, 368ff., 375ff., 381
Kommunikationswissenschaft 14, 21, 23,
32, 35ff., 45, 47ff., 52ff., 59f., 62, 70, Media Governance 34, 306, 364f., 368ff.,
75ff., 81ff., 86, 90f., 94f., 99, 104, 201, 376ff.
230ff., 239, 253, 356
Mediatisierung 243, 274, 278, 280, 295,
kommunikative Kompetenz 33, 93, 128, 301
167, 172, 174, 177, 183, 205ff., 213f.,
218, 237, 303, 307, 354, 356f., 377, 378, Mediator 176, 236, 344
381 Medienöffentlichkeit 306, 336ff.
kommunikative Macht 113, 212, 248, 326, Medienpolitik 264, 336, 356f., 359, 362ff.,
328f., 331, 356 368, 372
kommunikative Vernunft 16, 28, 134, Mediensystem 20, 55, 69, 246f., 250, 255,
171, 239, 243, 250, 273, 276, 314, 319, 267, 272f., 289, 291, 299, 302, 304, 313,
332, 349, 381 339, 345, 357, 360, 362, 366, 369, 372
Kommunikator 116, 139f., 142, 162, 176, Nachrichtenfaktoren 203, 216, 351, 369
208, 230, 236
436 Index
Nachrichtenjournalismus 115, 198, 216, 320ff., 327f., 334f., 338, 346, 352, 356,
302f. 363, 369, 378
Objektivität 70, 86, 89, 134, 138, 152, 158, Publizistikwissenschaft 12, 32, 36, 39, 46,
182, 196, 199, 214, 242, 352, 379 63, 76, 82, 92, 99, 139ff., 143, 160, 240,
245
Öffentlichkeit
als Sphäre 19, 28, 30, 33, 103, 105ff., Qualitätsjournalismus 301, 379
110, 113, 116f., 166, 215, 224, 227f.,
Quellenkritik 195, 200, 354
259, 275, 301, 307, 310ff., 321, 324f.,
332, 334, 337, 339, 342, 349 Räsonnement 32, 98, 108ff., 115, 117ff.,
bürgerliche 98, 101ff., 107, 109, 113f., 125f., 128, 131, 133ff., 139f., 143, 145,
117ff., 123, 125, 127, 134, 148, 167, 148ff., 153, 155f., 161, 164, 167f., 173,
197, 256f., 260, 307, 319 175ff., 180, 197, 199f., 212, 236, 256,
deliberative 22, 29, 33, 103, 306, 319, 307, 312, 319, 321, 374
322f., 325, 343, 356, 368, 370, 376f.,
382 Rationalität
diskursive 33, 306, 314, 321, 324, 329, instrumentelle 16, 19, 179, 228, 239
338, 354, 372 kommunikative 16, 18ff., 32, 66, 75, 98,
Strukturwandel der 14, 21, 98, 107, 166, 106, 166, 168, 174f., 178, 205, 210,
243, 256, 258, 270, 312, 327, 350 218, 232, 236, 240, 244f., 249, 257,
259, 276, 278, 282, 306, 308ff., 321,
Ökonomisierung 25, 28, 167, 176, 256, 323, 337, 351, 354, 356, 369, 371, 380
259, 261ff., 267, 272, 294, 299, 304
Redaktion 44, 58, 121, 128f., 242, 272,
Orientierungsaufgabe 196ff., 204, 210 279ff., 285, 288, 291ff., 351
Orientierungsleistung 197, 200, 233ff. redaktioneller Journalismus 98, 121f.,
128ff., 282, 284
Partizipation 177, 205, 208ff., 220, 233,
257, 304, 321f., 328, 330, 348, 350 Reduktion von Komplexität 57, 203, 282
politische Ökonomie 46, 272 Referat 32, 119, 128f., 131, 133, 137, 143,
148f., 153, 155ff., 163, 199, 374
Positivismus 78, 81f.
reflexive Vermittlung 33, 167, 192, 194f.,
Positivismusstreit 80, 82
200, 228, 236f., 303, 307, 329, 336, 344,
Pressefreiheit 40, 49, 117, 130, 137, 197, 352, 377, 381
260, 312, 360
Regulierung 263f., 269, 305, 326, 361,
Propaganda 82, 153, 166, 187, 277 367, 369
Prozeduralismus 320 Rekonstruktivismus 35, 89, 137
Public Journalism 215ff., 374 Ressorts 280, 291, 294, 297
Public Relations 166, 187, 189, 245, 275, Rezipienten 29, 75, 136, 150, 172, 177,
277 181, 187, 190f., 193f., 198, 201, 205,
207f., 211f., 214, 216, 230, 232ff., 263,
Publikum 28, 48, 62, 104, 110f., 114, 117,
352ff., 377
119ff., 123, 126, 130, 139, 142, 149, 154,
156, 163, 165, 177, 182, 197, 199, 206, Rollenerwartungen 98, 176, 274
209, 211, 227, 233f., 257, 259, 270, 312,
Index 437
Rollenmuster 32, 136, 144, 155, 168, 250, Verberuflichung 129, 175ff., 218, 240,
296, 305 272, 286ff., 300, 302, 305, 307, 342
schriftstellernder Journalismus 98, 118, Vermittlerrolle 138, 140
121f., 125ff., 129, 133f.
Vermittlung 23f., 32, 34, 48, 51, 72, 93,
soziale Integration 16ff., 188, 220f., 119, 131, 133, 135, 144f., 147ff., 160ff.,
224ff., 227, 229, 240, 251ff., 275f., 335 173, 175, 187f., 192ff., 198f., 201, 204,
208, 211f., 214, 228, 236, 246, 256, 327,
Sozialisation 52, 118, 206f., 220f., 224ff.,
330, 339, 343f., 351ff., 370, 374, 377,
229, 242, 253, 275, 316
379
Steuerungsmedien 16, 19, 26, 33, 250ff.,
Verständigung 11, 15, 18ff., 29, 34, 43, 66,
257, 269, 274, 300, 308, 376
69, 74, 77, 85, 87, 92f., 95, 118, 166,
Strukturierung 14, 62, 164, 194, 243, 247, 168ff., 173f., 177ff., 183f., 186ff., 191,
253, 268, 272, 278, 280, 292, 295, 339, 193, 205ff., 217f., 220f., 226f., 229, 237,
373 239ff., 247, 250ff., 266, 287, 290, 292,
295f., 300ff., 305, 307ff., 313, 319, 328,
Subjektivität 134, 138, 182, 199, 238 337, 340, 342ff., 357, 370, 374f., 377f.
symbolischer Interaktionismus 184, 192, Verständigungsorientierung 16, 26f., 29f.,
234f. 167, 170, 183ff., 189, 223, 236f., 240,
Systemtheorie 17, 22, 35, 50, 56, 57, 59ff., 267, 274, 315, 337, 351
65ff., 90, 93, 96, 104, 214, 239, 252, 254, Vertrauen 197, 270, 349, 353
266ff., 333, 379
virtuelle Teilnahme 35, 87, 91, 378
Teilhabe 113, 167, 170, 174, 190, 193,
205, 208ff., 212f., 221, 230, 266, 342, Werturteilsstreit 81f.
354, 366, 374, 377
Zeitgespräch der Gesellschaft Siehe
Theorie des kommunikativen Handelns gesellschaftliches Zeitgespräch
15f., 18, 20ff., 26, 90, 160, 163f., 166f.,
Zeitungswissenschaft 32, 36, 39, 42, 45,
171ff., 179, 190, 235, 237f., 240, 242,
110, 114, 116f., 140, 141, 143, 168
254, 269, 307, 310, 320, 374, 381
Zivilgesellschaft 326, 331, 334, 369
Theorie und Praxis 11, 13, 39, 42, 44,
49ff., 53, 55, 64, 75, 92, 216 zivilgesellschaftliche Akteure 326, 328,
330f., 365, 367f., 376
Universalpragmatik 30, 166, 171, 179,
182, 220