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Carsten Brosda

Diskursiver Journalismus
Carsten Brosda

Diskursiver
Journalismus
Journalistisches Handeln
zwischen kommunikativer Vernunft
und mediensystemischem Zwang
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über
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Zugl.: Dortmund, Univ., Diss., 2007

1. Auflage 2008

Alle Rechte vorbehalten


© VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2008

Lektorat: Monika Mülhausen

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Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg


Druck und buchbinderische Verarbeitung: Krips b.v., Meppel
Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier
Printed in the Netherlands

ISBN 978-3-531-15627-9
Inhaltsverzeichnis

Vorwort ............................................................................................................................. 9

I Einleitung ................................................................................................................11
1 Die Kluft zwischen Wissenschaft und Journalismus .........................................................11
2 Theoretischer Rahmen: Kommunikatives Handeln in der Moderne ..............................13
3 Theoretische Perspektive: Journalismus zwischen Lebenswelt und System...................20
3.1 Massenmedien und System .................................................................................................23
3.2 Journalismus und Lebenswelt .............................................................................................26
3.3 Auf dem Weg zu einem kommunikativ verstandenen Journalismus .....................................29
4 Zum Aufbau der Arbeit.........................................................................................................31
II Zur Verortung der Journalistik............................................................................... 35
1 Wissenschaft zur Verbesserung des Journalismus .............................................................36
1.1 Die Loslösung (von) der Praxis..........................................................................................39
1.2 Wurzeln der Journalistik ...................................................................................................44
1.3 Programm der Journalistik.................................................................................................50
2 Theoretische Optionen..........................................................................................................54
2.1 Systemtheorie und Konstruktivismus...................................................................................57
2.1.1 Systemtheoretische Grundlegung der Journalistik ......................................61
2.1.2 Kritik: Der Verlust des Akteurs.....................................................................65
2.2 Handlungstheoretische Optionen .........................................................................................70
3 Wissenschaftstheoretische Fundamente..............................................................................75
3.1 Die Möglichkeiten sozialwissenschaftlicher Kritik................................................................78
3.2 Die Stellung des Sozialwissenschaftlers zur Praxis..............................................................85
3.3 Sozialwissenschaftliche Teilnahme in der Journalistik..........................................................90
4 Zwischenfazit: Praxisorientierung und Kritik.....................................................................93
III Die Idee der Öffentlichkeit – Historische Grundlagen des Journalismus ........... 98
1 Die Idee der Öffentlichkeit ...................................................................................................99
1.1 Öffentlichkeit als ‚Sphäre‘................................................................................................103
1.2 ‚Bürgerliche Öffentlichkeit‘ als gesellschaftliches Strukturprinzip ........................................107
1.3 Journalismus und Öffentlichkeit .......................................................................................114
1.3.1 Journalismus und öffentliches Zeitgespräch..............................................114
1.3.2 Journalismus und die (kritische) Vernunft der Öffentlichkeit.................117
6 Inhaltsverzeichnis

2 Historische Grundlagen des Journalismus ........................................................................119


2.1 Historische Entwicklungsphasen ......................................................................................121
2.1.1 Korrespondierender Journalismus ..............................................................123
2.1.2 Schriftstellernder Journalismus ....................................................................125
2.1.3 Redaktioneller Journalismus.........................................................................128
2.2 Dichotomie journalistischer Idealtypen...............................................................................131
3 Journalistische Rollenmuster...............................................................................................136
3. 1 Journalistische Kommunikatorrolle ...................................................................................139
3.2 Journalistische Vermittlerrolle ..........................................................................................140
3.3 Überdehnung der Rollenmodelle........................................................................................143
4 Jenseits der Dichotomie: Otto Groths integratives Konzept.........................................145
4.1 Das journalistische Werk als Vermittler ..........................................................................148
4.2 Die Aufgaben des journalistischen Handelns: Vermittlung und Produktion.......................151
4.3 Journalistische Produktion von Vermittlung......................................................................155
4.4 Epistemologische Einwände: Vermittlung und (Re-)Konstruktion .....................................157
5 Zwischenfazit: Journalisten als Diskursanwälte................................................................160
IV Aspekte der kommunikativen Rationalität des Journalismus ..............................167
1 Grundlagen eines kommunikativen Journalismus............................................................168
2 Implikationen eines kommunikativen Handlungskonzepts............................................173
2.1 Arbeit und Interaktion ....................................................................................................175
2.1.1 Journalismus im Spannungsfeld
unterschiedlicher Handlungsrationalitäten.................................................175
2.1.2 Kerngehalte kommunikativer Rationalität..................................................178
2.1.3 Interaktive Bezüge des Journalismus ..........................................................180
2.2 Verständigung durch journalistische Kommunikation ........................................................183
2.2.1 Kontrafaktische Idealisierungen ..................................................................184
2.2.2 Illokutionäre Bindungskräfte........................................................................188
2.3 Orientierung durch reflexive Vermittlung..........................................................................192
2.3.1 Verstehen und Reflexivität im Journalismus..............................................192
2.3.2 Orientierung in Gesellschaftlichkeit............................................................196
2.3.3 Orientierung durch Diskurs .........................................................................200
2.4 Teilhabe durch kommunikative Kompetenz.......................................................................205
2.4.1 Journalismus und kommunikative Kompetenz .........................................205
2.4.2 Partizipation an öffentlicher Kommunikation...........................................210
2.4.3 Exkurs: Die US-amerikanische Perspektive des ‚Public Journalism‘......215
3 Implikationen einer lebensweltlichen Verankerung .........................................................218
3.1 Teilnehmerperspektive: Formalpragmatisches Verständnis von Lebenswelt .........................221
3.2 Beobachterperspektive: Sozialwissenschaftliches Verständnis von Lebenswelt ......................224
3.3 Exkurs: Die konzeptionelle Herausforderung durch die Cultural Studies ..........................230
4 Zwischenfazit: Kommunikatives journalistisches Handeln ............................................236
V Strukturwandel der Öffentlichkeit – Ausdifferenzierung der Massenmedien ... 243
1 Die Systemperspektive.........................................................................................................244
1.1 Massenmedien als System.................................................................................................246
1.2 System und Struktur .......................................................................................................249
Inhaltsverzeichnis 7

2 Ausdifferenzierung der Massenmedien .............................................................................255


2.1 Strukturwandel der Öffentlichkeit und der Massenmedien .................................................256
2.2 Ökonomisierung der Massenmedien..................................................................................259
2.3 Zur Annahme massenmedialer Autopoiesis ......................................................................265
2.4 Konsequenzen der systemischen Ökonomie der Massenmedien ............................................268
3 Ausdehnung systemischer Zweckrationalität....................................................................272
3.1 Kolonialisierung der Lebenswelt ........................................................................................274
3.2 Journalistisches Handeln unter Systembedingungen............................................................278
3.2.1 Ausdifferenzierung von Redaktionen .........................................................279
3.2.2 Technisierung der Redaktion .......................................................................283
3.2.3 Zwänge der Verberuflichung .......................................................................286
3.2.4 Exkurs: Chancen und Risiken der Entdifferenzierung.............................291
3.3 Strukturierung, Mediatisierung oder Kolonialisierung des Journalismus..............................295
4 Zwischenfazit: Selbstbehauptung journalistischer Potenziale ........................................299
VI Diskursive Öffentlichkeit – diskursiver Journalismus ......................................... 306
1 Grundlagen einer diskursiv verstandenen Öffentlichkeit................................................307
1.1 Öffentlichkeit zwischen Systemfunktionalisierung und demokratischer Relevanz .................307
1.2 Diskurse und Diskursethik: Kommunikative Vernunft in der Öffentlichkeit ....................314
1.3 Deliberative Demokratie: Öffentliche Bedingungen kommunikativer Vernunft...................319
2 Journalismus in der diskursiven Öffentlichkeit ................................................................324
2.1 Journalismus im demokratischen Prozess ..........................................................................325
2.2 Journalismus als institutionelle Vorkehrung diskursiver Öffentlichkeit...............................329
3 Journalismus in der medial geprägten Öffentlichkeit ......................................................333
3.1 Das öffentliche Potenzial der Massenmedien......................................................................334
3.2 Das Konzept der Medienöffentlichkeit ..............................................................................336
3.3 Journalistische Kommunikativität in der Medienöffentlichkeit ............................................340
4 Handlungsbedarf I: Die ethische Herausforderung des diskursiven Journalismus .....342
4.1 Diskurse über Ethik: Diskursethische Formulierung journalistischer Normen ...................344
4.2 Ethik für Diskurse: Journalistische Anwendung diskursethischer Prämissen .....................348
4.3 Diskursvermittlung und Diskursteilnahme .......................................................................355
5 Handlungsbedarf II: Die politische Herausforderung der systemischen
Massenmedien.......................................................................................................................357
5.1 Instrumente und Leitideen der Kommunikations- und Medienpolitik.................................359
5.2 ‚Media Governance‘ als Steuerungsalternative ...................................................................364
6 Zwischenfazit: Diskursivität in Journalismusethik und ‚Media Governance‘...............370
VII Fazit und Ausblick................................................................................................ 373
1 Zusammenfassung................................................................................................................373
2 Merkmale eines diskursiven Journalismus.........................................................................377
3 Aufgaben und Perspektiven einer kritischen Journalistik ...............................................380
Literatur ........................................................................................................................ 383

Index ............................................................................................................................. 434


8 Inhaltsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Tab. 1: Untersuchungsdimensionen des vorgeschlagenen Journalistik-Verständnisses ............. 96


Tab. 2: Charakteristika kommunikativen journalistischen Handelns .......................................... 238
Tab. 3: Charakteristika systemisch verfasster Massenmedien ...................................................... 269
Tab. 4: Unterscheidung zwischen journalistischem Handeln und Massenmedien.................... 376

Abbildungsverzeichnis

Grafik 1: Verortung eines diskursiven Journalismus ....................................................................... 31


Grafik 2: Historisch-empirisch fundierte Idealtypen des Journalismus ...................................... 132
Grafik 3: Der Geltungsbereich des ‚produzierenden Journalismus‘............................................ 161
Grafik 4: Kommunikatives journalistisches Handeln.................................................................... 237
Grafik 5: Der ‚gatekeeper‘-Journalismus ausdifferenzierter Mediensysteme.............................. 303
Grafik 6: Diskursiver Journalismus.................................................................................................. 371
Vorwort

In den sieben Jahren, die es gedauert hat, dieses Buch zu schreiben, habe ich bei vielen Gele-
genheiten die Kraft verständigungsorientierter Gespräche erfahren dürfen. Es gibt die oft
beschworenen Inseln der Diskurse – im akademischen Raum genauso wie außerhalb. Ohne
diese Erlebnisse wäre es mir sicherlich ungleich schwerer gefallen, diese Arbeit neben einer
beruflichen Tätigkeit zu einem Abschluss zu bringen. Sie wurde im Januar 2007 von der
Universität Dortmund als Dissertation angenommen.
Ich danke insbesondere den beiden Gutachtern der Arbeit, Prof. Dr. Günther Rager und
Prof. Dr. Horst Pöttker, für die Zeit und Energie und guten Ideen, die sie in unsere Gespräche
investiert haben. Sie haben mir auch dabei geholfen, den Argumentationsgang trotz aller Breite
auf sein Ziel – ein praxisorientiertes und emanzipatorisches Verständnis von Journalismus –
hin zu orientieren. Prof. Dr. Achim Baum hat an entscheidender Stelle dafür gesorgt, dass ich
zumindest einige verweht romantisierende Passagen aus der Arbeit herausgelüftet habe. Prof.
Dr. Thomas Meyer wiederum hat früh meine Lust auf Wissenschaft geweckt und mir den
Zugang zu den Werken von Jürgen Habermas geöffnet. Auch ihnen bin ich sehr verbunden.
Die beständigsten Gesprächspartner – nicht bloß im Hinblick auf diese Arbeit – waren
meine Freunde Dr. Thymian Bussemer und PD Dr. habil. Christian Schicha. Sie haben unaus-
gereifte Ideen wegargumentiert, anderes unterstützt und wertvolle Anregungen gegeben.
Beiden habe ich es außerdem zugemutet, eine frühe Fassung dieser Arbeit komplett zu lesen.
Ich weiß nicht, ob ich ihnen dafür danken, oder ob ich mich entschuldigen soll. Mein Freund
Hannes Schwarz hat darüber hinaus – bisweilen ohne dass er es gemerkt hat – in unseren
zahlreichen, meist ganz praktisch politischen Debatten auch so manche wissenschaftliche
Prämisse dieser Arbeit korrigiert und damit bewiesen, dass Wissenschaft aus ihrer distanzierten
Position heraus keineswegs immer einen Erkenntnisvorsprung haben muss. Weitere wesentli-
che Anstöße und Hinweise verdanke ich Mareike Dittmer und Nadine Bilke. Von Herzen
verbunden bin ich meiner Frau Ulrike Ehling, die mit kritischem Auge und konstruktivem
Geist die Entstehung dieser Arbeit begleitet und vorangetrieben hat. Wenn die Ehe ein andau-
erndes Gespräch ist, dann haben wir das unsere in den vergangenen Jahren oft und gerne um
die vielleicht etwas ungewöhnlichen Themen kommunikatives Handeln, Öffentlichkeit und
Journalismus erweitert und bereichert.
Der Prozess der Entstehung dieser Arbeit ist verschlungen. Ihr Argumentationsgang
manchmal auch. Aber ich hoffe, dass der Text, für dessen Fehler ich allein verantwortlich bin,
dazu einlädt, über Aufgaben und Potenziale des Journalismus nicht nur nachzudenken, son-
dern auch zu sprechen und zu streiten. Wer guten Journalismus will, darf nicht in der Analyse
eines unzureichenden Status Quo verharren, sondern muss mit Leidenschaft das Gespräch
über Alternativen und Grundsätzliches suchen – mit und zwischen Wissenschaft und Praxis.
Zu diesem Gespräch will dieses Buch einen Beitrag leisten.

Carsten Brosda
Berlin, im Juli 2007
I Einleitung

1 Die Kluft zwischen Wissenschaft und Journalismus


Wenn es zur Beschäftigung miteinander kommt, zeigen sich Journalisten und Kommunika-
tionswissenschaftler1 im besten Fall oftmals unbeholfen, im schlimmsten offen feindselig.2
Haller spricht von „zwei Kulturen“, zwischen denen Verständigung derzeit nur sehr einge-
schränkt möglich erscheine.3 Zu unterschiedlich seien die Prämissen der eigenen Arbeit, zu
unterschiedlich auch die Vorstellungen von dem, was Journalismus eigentlich sei und was das
Medienhandeln in modernen Gesellschaften ausmache.
„Wenn Medienpraktiker und Medienwissenschaftler über Theorie reden, macht sich Unverständnis, oftmals
auch nur ein Klima der Ignoranz breit. Die Frage: ‚Worüber reden die überhaupt?‘ scheint in der Luft zu hän-
gen, wenn die einen über die anderen reden. Forschungsbefunde der Wissenschaftler halten die Praktiker
meist für irrelevant; umgekehrt werden aktuelle Probleme des praktischen Journalismus in der Welt der Me-
dienwissenschaft nur ausnahmsweise […] aufgegriffen.“4

Nun muss diese Kluft zwischen Praxis und Theorie einen Medien- und Kommunikationswis-
senschaftler nicht zwangsläufig stören, der sich seinem Beobachtungsgegenstand mit nachge-
rade ethnologischer Indifferenz und Distanz wie einer fremden Kultur nähert, um dessen
Kommunizieren, Handeln und Verhalten lediglich empirisch-analytisch zu beschreiben. Doch
abgesehen von aller noch aufzuzeigenden wissenschaftstheoretischen Problematik einer
solchen Haltung – von der letztlich auch der in fremden Kategorien beschriebene Gegenstand

1 Ausschließlich um den Lesefluss zu erleichtern, wird in der vorliegenden Arbeit die männliche Form verwendet
– wissend, dass damit einer traditionellen Routine Vorrang vor semantischer Korrektheit eingeräumt wird.
2 Blöbaum (1999, S. 217f.) hat eine ganze Liste unterschiedlichster Differenzverständnisse zwischen Theorie und
Praxis zusammengetragen. Er zählt – in Abgrenzung zum Integrationsanspruch der Journalistik – auf:
• „Gegenüber von Hochschule und Medienunternehmen“
• „Gegenüber von Nachdenken über Journalismus und Handeln im Journalismus“
• „Gegenüber von Journalismustheorie und Journalismus“
• „Gegenüber von dem, was in Lehrbüchern steht, und der Anwendung des Lehrbuchwissens“
• „Gegenüber von Anleitung und Ausführung“
• „unterschiedliche Lerninhalte“
• „unterschiedliche Lernformen“
• „Gegenüber von wissenschaftlicher Arbeit und journalistischer Arbeit“
• „unterschiedliche Bereiche des Journalistik-Studiums“
3 Haller 2000a
4 Ebd., S. 101. Fast jeder Kontakt zwischen beiden Kulturen, so könnte man ergänzen, führt zu einem ‚Kampf
der Kulturen‘. Reißfeste transkulturelle Netze dagegen, die weniger das Trennende als das Vereinende betonen,
scheinen nur selten gewoben zu werden. Kieslich (1972, S. 75) hat bereits vor über 30 Jahren konstatiert, dass
die Zeiten vorbei seien, in denen die journalistische Praxis aktiv eine wissenschaftliche Journalistik fordere und
unterstütze. Die meisten Praktiker, so auch Roegele (1978, S. 24), goutierten lediglich eine bedingungslos auf
praxisbezogene Fertigkeiten gerichtete Ausbildung. Aktuell bekräftigt Ruß-Mohl (2003, S. 20) diese Analyse.
12 I Einleitung

nicht unberührt bleibt5 –, kann die Sprachlosigkeit eine Disziplin wie die Journalistik nicht
zufrieden stellen, die sich einen eindeutigen emanzipatorischen Auftrag zu eigen gemacht hat,
den sie durch die Bildung und Ausbildung künftiger Journalisten einzulösen gedenkt.6
Journalistik zielt nicht nur auf die Erforschung des Journalismus, sondern auch auf ‚besse-
ren‘ Journalismus. Diese Perspektive des Faches bedarf einer entsprechenden theoretischen
Absicherung, um nicht auf einem unreflektierten Normativismus zu basieren.7 Wie ‚guter‘
Journalismus beschaffen sein soll, kann die Journalistik letztlich nur immanent aus einer theore-
tisch wie praktisch relevanten Idee des Journalismus heraus erklären. Erst vor dem Hintergrund
einer solchen Idee vermag eine anwendungsorientierte Journalistik der – auch systemtheore-
tisch erhobenen – Forderung zu genügen, als „kritischer Widerpart des Journalismus“ Defizite
der Praxis ebenso zu beschreiben wie Wege der Verbesserung aufzuzeigen.8
Wohl auch deshalb gewinnen handlungstheoretische Journalismus-Analysen nach Jahren
systemtheoretischer Dominanz wieder an Boden.9 Neverla merkt zu Recht an, dass eine
„intensivere theoretische und empirische Ausleuchtung des individuellen Berufshandelns“
notwendig sei, um Journalismus in seinen Möglichkeiten ausreichend verstehen zu können.10
Die systemtheoretische Perspektive darf in diesem Rahmen nicht aufgegeben werden, sondern
sie ist zu ergänzen um die Auseinandersetzung mit den handlungstheoretischen Verstehensop-
tionen, die in der Zeitungs- und Publizistikwissenschaft durchaus eine Tradition besitzen.11
Dazu ist auch die Entwicklung neuer integrativer Ansätze von Bedeutung. Beispielhaft ist hier
der Entwurf von Raabe, der Journalismus strukturierungstheoretisch als das Handeln sozialer
Akteure in einem sozialen Feld beschreibt, um dadurch sowohl die ermöglichenden als auch
die begrenzenden Strukturen in den Blick zu bekommen als auch das Verhältnis zwischen
Journalismus und journalistischen Akteuren wissenschaftlich zugänglich zu machen.12 Diese
Perspektive kann journalistisches Handeln und journalistische Akteure für die Journalistik
beschreiben und erklären, sie bleibt allerdings distanziert gegenüber Versuchen des Dialogs
zwischen Wissenschaft und Journalismus.
Der vorliegende Versuch nimmt das praxisorientierte Selbstverständnis der Journalistik
beim Wort und extrapoliert es, indem erste Vorüberlegungen für ein noch zu entwickelndes
Journalismus-Konzept formuliert werden sollen, das gleichermaßen die strengen wissenschaft-
lichen Kriterien genügende empirisch-analytische Beschreibung des Journalismus ermöglicht,
wie es immanent auf Maßstäbe rekurriert, anhand derer sich eine Aufgabe des Journalismus als

5 Vgl. zu diesem Umstand Peters 2000, S. 297.


6 Vgl. zum Ausbildungsanspruch z.B. Pöttker 1998a oder die Beiträge in Weischenberg 1990b.
7 Der scheinbar einfache Weg, dem Journalismus ein normatives Gebäude im Rückgriff auf allgemeine Ethiken
oder rechtliche Ordnungen überzustülpen, kann der Journalistik als der Wissenschaft vom Journalismus nicht
genügen. Dafür lassen sich zwei Gründe anführen:
• Wissenschaftstheoretisch kann (z. B. aus der Sicht von Ansätzen der sog. Kritischen Theorie) der Stand-
punkt eingenommen werden, dass Sozialwissenschaften eine gesellschaftliche Aufgabe besitzen. Sie un-
tersuchen soziale Prozesse nicht wertfrei, sondern unter der Prämisse emanzipatorischer Konsequenzen
ihrer eigenen Arbeit.
• Darüber hinaus ist eine auf Ausbildung und Praxis gerichtete Disziplin wie die Journalistik per Definition
und Selbstverständnis darauf ausgerichtet, der Praxis relevante Verbesserungsvorschläge zu unterbreiten
und diese im Zuge der universitären Ausbildung auch Berufseinsteigern zu vermitteln.
8 Meier 2002b, S. 5
9 So fordert zum Beispiel Reus (1998) die Öffnung der Zwiebelmetapher, mit der Weischenberg (1990a; 1992a)
Dimensionen des Journalismus systematisiert, um Handlungsspielräume besser darzustellen.
10 Neverla 1998, S. 60
11 Vgl. beispielhaft die Zusammenstellung der Beiträge von Roegele 2000.
12 Vgl. Raabe 2005, S. 137ff.
2 Theoretischer Rahmen: Kommunikatives Handeln in der Moderne 13

kritische Referenz benennen lassen kann. Ein solches Vorhaben hat nur dann Aussicht auf
Erfolg, wenn es sich auf eine gesellschaftstheoretische Einordnung verlassen kann, die eben-
falls den Spagat zwischen strengen analytischen Ansprüchen und kritischer Perspektive auszu-
halten imstande ist. Dagegen ist eine Rückkehr zu der Perspektive kritischer Kommunikations-
forschung allein, so wie sie in den 1970er Jahren im Anschluss an die Thesen zur ‚Kulturin-
dustrie‘ betrieben worden ist13, kaum möglich, weil diese zu den relevanten Ergebnissen der
empirischen Kommunikationsforschung nicht anschlussfähig wäre. Zudem sind die der
Kritischen Theorie zugrunde liegenden Totalitäts- und Dialektik-Vorstellungen nicht mit dem
heutigen Stand wissenschaftstheoretischer Erkenntnis in Einklang zu bringen.14 Darauf verwei-
sen insbesondere Studien, die im Umfeld der Cultural Studies angesiedelt sind.15
Lässt man sich aber auf die Prämissen einer kommunikativ gewendeten, kritischen Gesell-
schaftstheorie ein, die ihre kritischen Maßstäbe immanent aus den Konstitutiva sprachlicher
Humankommunikation zieht, kann es gelingen, erste Hinweise auf einen kritischen und
praxisrelevanten Bezugsrahmen für die sozialwissenschaftliche Analyse auch des Journalismus
zu entwerfen. Dies kann gelingen, wenn humankommunikative Interaktion und journalistische
Medienkommunikation als immanent verknüpft und damit prinzipiell vergleichbar betrachtet
werden. Dass dies möglich ist, soll in der vorliegenden Arbeit argumentiert werden.
Dabei soll allerdings nicht der Eindruck erweckt werden, die Lösung für alle Probleme des
Faches sei aus einer einzigen soziologischen ‚Supertheorie‘ zu deduzieren. Möglich sind viel-
mehr Hinweise auf Potenziale der fallweisen Erweiterung oder Fokussierung der theoretischen
Perspektive der Journalistik. Diese Hinweise sind geleitet von dem Anliegen, die Journalistik
durch eine tragfähige theoretische Fundierung in die Lage zu versetzen, in einen praktischen
Diskurs mit dem Journalismus zu treten.

2 Theoretischer Rahmen: Kommunikatives Handeln in der Moderne


Die Annahme eines immanenten Bezugs zwischen Theorie und Praxis, die Kritik gesellschaft-
licher Verhältnisse und ein wissenschaftlich fundiertes Programm zur Stärkung emanzipatori-
scher Potenziale in Gesellschaft sind zentrale Kennzeichen Kritischer Theorie.16 Die Journalis-
tik kann von den diesbezüglichen Überlegungen profitieren, da sie zum Teil mit ähnlich
gelagerten Problemfeldern konfrontiert ist. Darüber hinaus hat sich die Kritische Theorie in
ihrer Entstehung und Weiterentwicklung oft mit Fragen von Journalismus und Massenkom-
munikation auseinandergesetzt.17 Dies gilt gleichermaßen für den klassischen Text der Kriti-
schen Theorie, Horkheimers und Adornos ‚Dialektik der Aufklärung‘18, wie für die Arbeiten

13 Vgl. für einen Überblick Oy 2001.


14 Die vorliegende Arbeit macht sich in ihrem Anspruch, Überlegungen der Kritischen Theorie (vgl. für einen
Überblick: Dubiel 2001; Honneth 1987) in spezifischer Perspektive für die Journalismustheorie aufzuschließen,
durchaus angreifbar, da die in diesem Rahmen zu verhandelnden Prämissen heutzutage kaum der herrschenden
Meinung in den Sozialwissenschaften entsprechen. Daher wird eingangs einige Mühe auf die sorgfältige Be-
gründung dieser Entscheidung zu verwenden sein.
15 Vgl. Dörner 2000, S. 61ff.
16 Vgl. die Grundlegung der Kritischen Theorie in Horkheimer 1992a [1937]; summierend: Dubiel 2001; Wig-
gershaus 1988; Honneth 1987; van Reijen 1986; für eine kritische Medientheorie: Baacke 1974a; Prokop 1973b.
17 Vgl. Oy 2001; Kausch 1988
18 Vgl. Horkheimer/Adorno 1988 [1944]. In ihrem Kapitel über die Kulturindustrie beschreiben Horkheimer und
Adorno kulturelle und soziale Regression als Folgen einer industrialisierten Kulturproduktion, die gesellschaftli-
che Gegensätze und Orientierungslosigkeiten unter dem Deckmantel eines totalisierten Amüsements nur ver-
14 I Einleitung

des derzeit prominentesten Vertreters Jürgen Habermas.19 In Habermas’ theoretischen Ent-


würfen – angefangen bei ‚Strukturwandel der Öffentlichkeit‘20 – wird die Möglichkeit der
Entwicklung emanzipatorisch-demokratischer Gesellschaftsverhältnisse stets auch unter dem
Blickwinkel gesellschaftlicher Kommunikationsverhältnisse betrachtet. Dabei rücken Journa-
lismus und Massenmedien aus einer soziologischen Perspektive in den Blick, die in der Kom-
munikationswissenschaft und verwandten Disziplinen lange unterbelichtet war.21
Habermas’ Theorie der Gesellschaft kann als eine der zentralen Zugriffsmöglichkeiten auf
ein grundlegendes Theoriefundament der Kommunikationswissenschaften gesehen werden.22
In ihr wird versucht, ein Modell zu entwickeln, in dem Vergesellschaftung auf der Basis der
kommunikativen Koordinierung gemeinschaftlichen Handelns beschrieben wird. Ausgehend
von einer mikrosozialen Analyse der Interaktionsverhältnisse auf der Ebene der face-to-face-
Kommunikation kommen dabei auch Fragen der gesellschaftlichen Strukturierung umfassen-
derer Kommunikationsvorgänge in den Blick.23 Der Entwurf legt damit einen Schwerpunkt auf
die Gestaltung von Gesellschaftlichkeit durch die Koordination individuellen Handelns in makroso-
zialen Zusammenhängen. Diese Perspektive ist für die Analyse journalistischen Handelns viel
versprechend, weil sie es ermöglicht, das Handeln journalistischer Akteure zu thematisieren
und es gleichzeitig in Beziehung zu institutionellen Rahmenbedingungen und gesellschaftlichen
Erwartungen zu setzen. In den konzeptionellen Annahmen zu einem kommunikativen Hand-
lungsmodus lassen sich auch – im Unterschied zu ähnlich gelagerten strukturierungstheorethi-
schen Annahmen24 – ethische Überlegungen zu journalistischem Handeln fundieren.
Mit einer Adaption der Habermasschen Thesen könnten Kommunikationswissenschaft
und Journalistik einen normativ gehaltvollen Theorierahmen gewinnen, der nicht auf Massen-

meintlich verschwinden lässt. Den Massen werden surrogathaft standardisierte Vergnügungen verabreicht, um
deren Zufriedenheit innerhalb eines ausbeuterischen Systemzusammenhangs zu gewährleisten. Die der Waren-
industrie angeglichene Kulturproduktion erzeugt so affirmative und strategisch legitimierende Wirkungen; sie
hält das Publikum ‚dumm‘, da mit Massenproduktion und Standardisierung zwangsläufig eine Nivellierung der
angebotenen Inhalte einhergeht. Der Untertitel spitzt die These pointiert zu: „Aufklärung als Massenbetrug“
(Horkheimer/Adorno 1988 [1944], S. 128; vgl. auch Enzensbergers (1962) anschließende Analyse der „Bewußt-
seinsindustrie“). Allerdings ist der „ideologische Totalverdacht“ (Dörner 2000, S. 73), den Adorno und Hork-
heimer formulieren, zu undifferenziert, um das Gerüst einer Medientheorie bilden zu können. Sie weisen auf
zutreffende Manipulationstendenzen hin, übersehen aber, dass Rezeption von Medieninhalten autonomer er-
folgt, als von ihnen angenommen. Auch mangelt es an empirischer Stützung für ihre geschichtsphilosophisch
deduzierten Thesen. Adorno (1969) ist später vom Totalitätsanspruch der Thesen abgerückt. Notwendig ist da-
her ein neuer Anlauf der theoretischen wie empirischen Verankerung einer kritischen Forschungsperspektive.
19 Vgl. insbesondere Habermas 1990; 1992. Zu Leben und Werk von Jürgen Habermas vgl. die Einführungsbände
von Wiggershaus 2004; Reese-Schäfer 2001 oder Horster 19953.
20 Vgl. Habermas 1990
21 Vgl. dazu Müller-Doohm/Neumann-Braun 1991b
22 Vgl. Fabris 1985, S. 130f.; Burkart/Lang 1995
23 Vgl. Habermas 1995 [1981], 2 Bde. Kopperschmidt (1985, S. 107) sieht in dieser Theorie den „subtilsten und
grundbegrifflich konsistentesten konzeptionellen Ansatz einer kommunikationstheoretisch orientierten Gesell-
schaftstheorie“. Seine Aktualität belegen die Debatten in Müller-Doohm 2000 oder Wingert/Günther 2001.
24 Vgl. z.B. Giddens 1995. In etliche Facetten verfolgt Habermas allerdings ein ähnliches Programm wie Giddens
(1995), der in seinen strukturationstheoretischen Überlegungen ebenfalls versucht, die Dichotomie von Ak-
teurs- und Systemtheorie in einem durchlässigeren Modell internalisierender und externalisierender Effekte in
der Interaktion individueller und struktureller Handlungszusammenhänge aufzulösen. Dieser alternative gesell-
schaftstheoretische Entwurf, der in der Kommunikationswissenschaft zunehmend rezipiert wird (vgl. z.B. Raa-
be 2005; Jarren/Donges 2002a; 2002b; Röttger 2000), soll in der vorliegenden Arbeit nicht systematisch ver-
folgt werden. Er kann aber besonders in der Erörterung institutioneller Zusammenhänge auch als eine wertvol-
le Ergänzung zur Habermasschen Theorie betrachtet werden. Darauf wird insbesondere in Kapitel V dieser
Arbeit zurückzukommen sein.
2 Theoretischer Rahmen: Kommunikatives Handeln in der Moderne 15

kommunikation beschränkt bleibt, sondern auf der Basis einer Gesellschaftstheorie individuelle
und massenmedial vermittelte Kommunikation grundbegrifflich verzahnt, und es so ermög-
licht, Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den beiden aufzuzeigen.25 Habermas selbst
ruft im Schlussteil der ‚Theorie des kommunikativen Handelns‘ zu einer entsprechenden
Nutzung seiner theoretischen Anstrengungen in teildisziplinären Projekten ausdrücklich auf
und benennt die Massenmedien als einen gesellschaftlichen Bereich, in dem eine derart inspi-
rierte Forschung ansetzen könnte.26
Viel versprechend ist dies auch deshalb, weil Habermas die einseitig überspitzende Sicht-
weise der älteren Kritischen Theorie für die Gesellschaftstheorie dadurch modifiziert und
revidiert, dass er sich vom bewusstseinsphilosophischen Paradigma der negativen Geschichts-
philosophie Horkheimers und Adornos abwendet und statt dessen die Kritische Theorie
ausdrücklich auf das paradigmatisch neue Fundament der Analyse von Sprachgebrauch und
Rede stellt.27 In seiner allgemeinen ‚Theorie des kommunikativen Handelns‘ rekonstruiert
Habermas den kategorialen Rahmen und die normativen Grundlagen einer kritischen Gesell-
schaftstheorie, die ihre grundbegrifflichen Fundamente in Form eines anspruchsvollen Kon-
zepts der Rationalität ausweisen kann, die die Engpässe einer bewusstseinsphilosophischen
Grundlegung überwindet und die nicht mehr auf das marxistische Produktionsparadigma
rekurrieren muss:
„Der motivbildende Gedanke ist die Versöhnung der mit sich selber zerfallenen Moderne, die Vorstellung al-
so, daß man ohne Preisgabe der Differenzierungen, die die Moderne sowohl im kulturellen wie im sozialen
und ökonomischen Bereich möglich gemacht haben, Formen des Zusammenlebens findet, in der wirklich
Autonomie und Abhängigkeit in ein befriedetes Verhältnis treten; daß man aufrecht gehen kann in einer Ge-
meinsamkeit, die nicht die Fragwürdigkeit rückwärtsgewandter substantieller Gemeinschaftlichkeiten an sich
hat.“28

Eine kommunikationstheoretische Fundierung kritischer Gesellschaftstheorie soll den Weg


ebnen für eine umfassende Bearbeitung philosophischer und soziologischer Spezifika der
Moderne. Dabei ist die ‚Theorie des kommunikativen Handelns‘ keine Metatheorie, sondern
ausdrücklich der Beginn eines gesellschaftstheoretischen Projekts, das sich bemüht, die ihm
zugrunde liegenden kritischen Maßstäbe explizit auszuweisen.29 Der zentrale Begriff für dieses
in einer Kommunikationstheorie fußende Vorhaben ist der der Verständigung.
In einem weit verzweigten, rekonstruktiven Rahmen, in dem sprachphilosophische, sozio-
logische und entwicklungspsychologische Annahmen miteinander verknüpft werden, verfolgt
Habermas nach eigenen Angaben vier Ziele:30

25 Damit können Voraussetzungen dafür geschaffen werden, die oft schwache soziologische Fundierung der
Medien- und Journalismusanalyse, die v.a. in Müller-Doohm/Neumann-Braun 1991a beklagt wird, zu verstär-
ken. Gleiches gilt für eine politökonomische Perspektive: In einer Liste relevanter Autoren einer politökonomi-
schen Medienanalyse nennt Meier (2003, S. 228) als einzigen deutschen Vertreter Jürgen Habermas.
26 Vgl. Habermas 1995 [1981], Bd. 2, S. 571ff.. Lang (1993, S. 216f.) verweist zugleich darauf, dass die Kommuni-
kationswissenschaft den Habermasschen Arbeiten nur Grundbegrifflichkeiten entnehmen kann, um vor ihrer
Folie ein in Teiltheorien zu entfaltendes Instrumentarium für die Analyse zu entwickeln.
27 Vgl. Dubiel 2001. Die Habermassche Theorie verabschiedet sich damit von früheren Totalitätsvorstellungen
ohne den aufklärerischen Impetus eines theoretisch identifizierten gesellschaftlichen Idealzustandes auf-
zugeben. Sie erlaubt es, Maßstäbe der Kritik immanent in einem bestimmten Modus der Sprachverwendung zu
verankern und entgeht jenen Aporien, die in den 1960er Jahren in die geschichtsphilosophische Sackgasse ge-
führt haben.
28 Habermas 1985a, S. 202
29 Vgl. Habermas 1995 [1981], Bd. 1, S. 7
30 Vgl. Habermas 1985a, S. 178
16 I Einleitung

(1) Er entwirft eine Theorie der Rationalität, die den Begriff über ein instrumentelles Ver-
ständnis hinaus auf symbolische Interaktion zwischen Kommunikationspartnern aus-
dehnt.
(2) Er entwickelt auf der Basis dieser kommunikativen Rationalität eine Theorie des kommu-
nikativen Handelns, die unterschiedliche Modi der Handlungskoordinierung differenziert.
(3) In einer evolutionstheoretisch angelegten Rekonstruktion sozialer Entwicklung beschreibt
er die Dialektik der gesellschaftlichen Rationalisierung, die sich aus dem breiteren und
dennoch zugleich schärfer geschnittenen Rationalitätsbegriff ergibt, der zwischen instru-
menteller und kommunikativer Vernunft zu unterscheiden vermag und so differenziertere
Betrachtungen gesellschaftlicher Wandlungsprozesse ermöglicht.
(4) Und er entwirft eine Theorie der Moderne, die auf einem Gesellschaftsbegriff beruht, der
System- und Handlungstheorie zusammenführt.
Habermas begreift Gesellschaften als Zusammenspiel von kommunikativ strukturierter Lebenswelt und
ausdifferenzierten Handlungssystemen.31
• Die Lebenswelt umfasst (teilweise unbewusst) konsentierte, vorinterpretierte Ressourcen der
Sozialintegration, auf deren Basis kommunikatives Handeln stattfinden kann und die
durch dessen Vollzug gebildet und bekräftigt werden. Sie bildet daher den Komplemen-
tärbegriff zum kommunikativen Handeln, das in seiner rationalen Verständigungsorientie-
rung ein durch die Aufklärung entwertetes vorsprachlich mythisches Weltverständnis er-
setzt.
• Unter Systemen wiederum versteht Habermas ausdifferenzierte soziale Funktionsbereiche,
die nicht mehr kommunikativ, sondern funktional über entsprachlichte Steuerungsmedien
integriert werden. Die beiden primären Ausdifferenzierungen dieser Art betreffen das pri-
vate Wirtschafts- und das staatliche Verwaltungshandeln. Diese Komplexe sind in sich
nicht mehr an kommunikative Legitimation gebunden, sondern konstituieren sich über die
entsprachlichten Medien Geld (Wirtschaft) und Macht (Staat). Allerdings behält die über
verständigungsorientiertes Handeln integrierte Lebenswelt das potenzielle Primat über die
Systeme.
Habermas stellt sich in seinem Gesellschaftsentwurf damit sowohl gegen soziologische Model-
le, die ausdifferenzierte Gegenwartsgesellschaften (bisweilen affirmativ) in systemisch unab-
hängige und für einander undurchsichtige Funktionszusammenhänge gliedern, als auch gegen
eine kritische Perspektive, aus der heraus die Entwicklung moderner Gesellschaften als zu-
nehmender Verfallsprozess einer vormals umfassenden Vernunft betrachtet wird. Er setzt die
systemische Ausdifferenzierung und die damit verbundene Entfesselung einer technisch
verstandenen instrumentellen Rationalität in Beziehung zu den kommunikativen Vernunftpo-
tenzialen, die in lebensweltlichen Verständigungsprozessen angelegt sind. Öffentlichkeit – und
damit auch Journalismus – erhält innerhalb dieses Modells als Bestandteil der Lebenswelt eine
vor allem politisch, kulturell und sozialisatorisch wichtige Bedeutung. Im Konzept der Le-
benswelt und in ihrer begrifflichen Verklammerung mit einer Theorie der kommunikativen
Rationalität entwirft Habermas einen abgrenzbaren gesellschaftlichen Bereich, der der kom-
munikativ rationalen Selbstbestimmung der Individuen bedarf. Für Dubiel ist dieser Schritt
„[…] die eigentliche Innovation, die Habermas an der Tradition kritischer Gesellschaftstheorie
vornimmt“.32

31 Vgl. zum Folgenden Habermas 1995 [1981], Bd. 2, S. 171ff.


32 Dubiel 2001, S. 109
2 Theoretischer Rahmen: Kommunikatives Handeln in der Moderne 17

Die Betonung der Lebensweltperspektive ist das Ergebnis einer bereits früh einsetzenden
Kritik an der Einseitigkeit, in der kritische Soziologen die Entwicklung und Ausdifferenzierung
moderner Gesellschaften beschreiben. Habermas zielt dabei auf eine Erweiterung der Rationa-
lisierungsanalyse in modernen Gesellschaften über eine eindimensionale Kritik der instrumen-
tellen Vernunft hinaus. Er begreift moderne Gesellschaften – in einer grundbegrifflichen
Verknüpfung von System- und Handlungstheorie – als „systemisch stabilisierte Handlungszu-
sammenhänge sozial integrierter Gruppen“ und versteht diese als vorläufig charakterisierte
Definition als stellvertretend für den Vorschlag,
„[…] die Gesellschaft als eine Entität zu betrachten, die sich im Verlaufe der Evolution sowohl als System
wie als Lebenswelt ausdifferenziert. Die Systemevolution bemißt sich an der Steigerung der Steuerungskapazi-
täten einer Gesellschaft, während das Auseinandertreten von Kultur, Gesellschaft und Persönlichkeit den
Entwicklungsstand einer symbolisch strukturierten Lebenswelt anzeigt“.33

Bereits Ende der 1960er Jahre versucht Habermas, der Diagnose der Unterwerfung des Men-
schen unter eine rein technisch verstandene Rationalität ein ideologiekritisches Modell entge-
genzustellen, das weiterhin rationale Verständigungspotenziale ausfindig machen kann.34 In
diesem Modell sind zweckrationales und kommunikatives Handeln und die mit ihnen verbun-
denen unterschiedlichen Formen der Rationalisierung nicht nur theoretisch aufeinander
bezogen, sondern kennzeichnen darüber hinaus auch unterschiedliche gesellschaftliche Berei-
che, die entsprechend unterschiedlich koordiniert werden:
„Der institutionelle Rahmen einer Gesellschaft besteht aus Normen, die sprachlich vermittelte Interaktionen lei-
ten. Aber es gibt Sub-Systeme, wie, um bei Max Webers Beispielen zu bleiben, das Wirtschaftssystem oder
der Staatsapparat, in denen hauptsächlich Sätze von zweckrationalen Handlungen institutionalisiert sind. Auf
der Gegenseite stehen Sub-Systeme, wie Familie und Verwandtschaft, die gewiß mit einer Fülle von Aufgaben
und Fertigkeiten verknüpft sind, aber hauptsächlich auf moralischen Regeln der Interaktion beruhen. So
möchte ich auf analytischer Ebene allgemein unterscheiden zwischen 1. dem institutionellen Rahmen einer Ge-
sellschaft oder der soziokulturellen Lebenswelt und 2. den Sub-Systemen zweckrationalen Handelns, die darin ‚ein-
gebettet“ sind.“35

Habermas nimmt diesen Faden in seiner Analyse der ‚Legitimationsprobleme im Spätkapita-


lismus‘ wieder auf und erweitert ihn um die Unterscheidung zwischen Sozialintegration und
Systemintegration von Gesellschaft.36 Mit Sozialintegration bezeichnet er die Leistungen der
Institutionen, innerhalb derer sprechende und handelnde Subjekte vergesellschaftet sind, mit
Systemintegration die Steuerungsleistungen selbstgeregelter Systeme. Im ersten Fall erscheint
Gesellschaft als symbolisch strukturierte Lebenswelt, im zweiten als systemisch verfasster
Zusammenhang der sich dadurch auszeichnet, seinen Bestand durch Bewältigung der wach-
senden Umweltkomplexität zu erhalten. Beiden Betrachtungsweisen, die in Form von Hand-
lungstheorie und Systemtheorie oftmals miteinander konkurrieren, spricht Habermas ein
eigenständiges analytisches Gewicht zu, erkennt aber das Problem, diese beiden Perspektiven
sinnhaft miteinander zu verknüpfen.37 Habermas weist schon in dieser frühen Studie der Logik
der Lebenswelt in ihren durch sprachliche Intersubjektivität erzeugten und auf kritisierbaren
Geltungsansprüchen beruhenden Strukturen die Fähigkeit zu, letztlich Verlauf und Grenzen

33 Vgl. Habermas 1995 [1981], Bd. 2, S. 228


34 Vgl. Honneth 1989, S. 274ff.
35 Habermas 1969, S. 63ff. Sofern nicht anders in der entsprechenden Fußnote vermerkt, sind alle Hervorhebun-
gen in Zitaten aus der Originalquelle übernommen.
36 Vgl. Habermas 1973a
37 Vgl. ebd., S. 14
18 I Einleitung

der Entwicklung von Gesellschaften bestimmen zu können.38 Diese Rangfolge betont er auch
in der ‚Theorie des kommunikativen Handelns‘:
„[D]ie Lebenswelt [bleibt] das Subsystem, das den Bestand des Gesellschaftssystems im ganzen definiert. Da-
her bedürfen die systemischen Mechanismen einer Verankerung in der Lebenswelt – sie müssen institutionali-
siert werden.“39

Die Systeme können sich erst aus einer weitgehend rationalisierten Lebenswelt ausdifferenzie-
ren. Vor allem die symbolische Reproduktion von Gesellschaft verbleibt in kommunikativ
strukturierten Bereichen; so zieht auch Öffentlichkeit als Idealtypus gemeinschaftlicher Diskur-
sivität ihre normative Kraft aus der kommunikativen Rationalität lebensweltlicher Verständi-
gung. Versuche, auch diese Bereiche auf Systemmechanismen umzustellen, begegnen meist
beharrlichen Widerständen, die in der Struktur der Lebenswelt selbst angelegt sind.
In der ‚Theorie des kommunikativen Handelns‘ beschreibt Habermas einen sozialen Evolu-
tionsprozess, in dem die Rationalisierung der Lebenswelt durch das Auseinandertreten von
Geltungsaspekten und Wertsphären sowie durch die Ablösung des kommunikativen Handelns
die zentrale Voraussetzung für die Entkoppelung von Systemen bildet.40 Die Folge ist die
beschriebene Zweistufigkeit von gesellschaftlicher System- und Sozialintegration, die für die
Herausbildung komplexerer moderner Gesellschaften notwendig ist, allerdings Gefährdungs-
potenziale für die lebensweltliche Dimension der Sozialintegration birgt. Die Anstöße für eine
derartige Differenzierung der Gesellschaft gehen vom Bereich der materiellen Reproduktion
aus41, der im Zuge der Modernisierung vor allem in den Dimensionen politisch-administrativen
und wirtschaftlichen Handelns auf systemintegrierte Mechanismen umgestellt wird. Beide
Komplexe sind, so Habermas, in sich nicht mehr an kommunikative Legitimation gebunden,
sondern konstituieren sich über die entsprachlichten Medien Geld (Wirtschaft) und Macht
(Staat).42 Entwicklung von Gesellschaft inkorporiert für Habermas immer gleichermaßen die
Weiterentwicklung von Systemen und Lebenswelt, so dass Rationalitätsgewinne sowohl in „der

38 Vgl. ebd., S. 27
39 Habermas 1995 [1981], Bd. 2, S. 230. Hier sind auch die Weiterentwicklungen der Theorie des kommunikativen
Handelns, die Cohen und Arato (1994) vorgelegt haben, von Bedeutung.
40 Diese Ausdifferenzierung systemischer Mechanismen vollzieht sich nach Habermas im historischen Verlauf in
mehreren Stufen: Egalitäre Stammesgesellschaften sind allenfalls durch eine segmentäre Differenzierung ge-
prägt, System- und Sozialintegration fallen in engen Verwandtschaftsbeziehungen noch weitgehend zusammen.
In hierarchisierten Stammesgesellschaften bilden sich erste stratifizierte Sozialbeziehungen. In weitgehend poli-
tisch stratifizierten Klassengesellschaften führen weitere Ausdifferenzierungsprozesse schließlich zur staatlichen
Organisation, durch die auf Macht basierende Systemintegration aus dem Netz verwandtschaftlicher Beziehun-
gen herauswächst (vgl. Gripp 1984, S. 95ff.; siehe ausführlich: Habermas 1995 [1981], Bd. 2, S. 232ff.) Vorar-
beiten dazu finden sich in Habermas’ (1976, S. 129ff.) Auseinandersetzung mit dem Marxschen Geschichtsmo-
dell des historischen Materialismus. Jede dieser vormodernen Entwicklungsstufen ist mit einem Zuwachs an
systemischer Zweckrationalität verbunden. Doch erst in den ökonomisch konstituierten Klassengesellschaften
der Moderne differenzieren sich systemisch stabilisierte Handlungszusammenhänge aus den sozialintegrativen
Institutionen der Lebenswelt aus und gewinnen durch die Umstellung von sprachlicher Verständigung auf ge-
neralisierte Steuerungsmedien weitgehende, wenn auch nicht vollständige, Unabhängigkeit.
41 Vgl. Habermas 1995 [1981], Bd. 2, S. 251
42 Neben der Ermöglichung dieser sozialevolutionären Perspektive, die den Grundstein zu einer Theorie der
Moderne legt, leistet die Differenzierung zwischen Lebenswelt und System methodisch eine Differenzierung
zwischen Teilnehmer- und Beobachterperspektive, indem formalpragmatische und sozialwissenschaftlich ob-
jektivierende Betrachtungen gleichermaßen einfließen. Darüber hinaus dient das zweistufige Gesellschaftsmo-
dell der grundbegrifflichen Zusammenführung von Handlungs- und Systemtheorie, indem es erlaubt, sozial-
und systemintegrative Mechanismen einerseits getrennt, andererseits aber in einem Modell aufeinander bezogen
zu analysieren (vgl. Dietz 1993, S. 70f.).
2 Theoretischer Rahmen: Kommunikatives Handeln in der Moderne 19

für die Produktivkraftentfaltung entscheidenden Dimension des technisch verwertbaren


Wissens“ (System) als auch in „der für die Interaktionsstrukturen ausschlaggebenden Dimensi-
on des moralisch-praktischen Bewußtseins“ (Lebenswelt) aufzufinden sind.43 Die Lebenswelt
rationalisiert sich durch die Institutionalisierung und Ausdifferenzierung kommunikativer
Rationalität und Kompetenz, während Systemrationalisierung die Steigerung von Komplexität
und Steuerungsfähigkeit sowie die zunehmende Effektivierung des zweckrationalen Handelns
bedeutet.44 Gesellschaftliche Entwicklung ist nur in diesen beiden Dimensionen gemeinsam zu
beschreiben, die sich zum einen auf die verbesserte Anwendbarkeit kommunikativer Rationali-
tät und zum anderen auf die Zunahme instrumenteller Rationalität beziehen.
Vor einer solchen analytischen Folie sind nicht mehr alle Ausdifferenzierungs- und Ratio-
nalisierungsprozesse a priori in ihrer verdinglichenden Wirkung zu beschreiben, sondern nur
noch diejenigen Übergriffe zweckrational-systemischen Handelns, die die Kernbereiche
lebensweltlicher Kommunikationstätigkeiten betreffen und die Relevanz von Sprache als
Interaktionsmedium entwerten.45 Systeme und Lebenswelt geraten in ihren Interaktionen
immer wieder in Situationen, in denen aufgrund steigender Rationalisierung der instrumentel-
len Rationalität der Systeme und der Ausweitung ihres Geltungsbereichs die Umstellung
vormals kommunikativ strukturierter Bereiche auf die Steuerungsmedien droht. Die Folge sind
Kolonialisierungseffekte in der Lebenswelt, die deren kommunikatives Potenzial bedrohen.46
Habermas folgt damit nicht dem hermetischen Kulturpessimismus der älteren Kritischen
Theorie, sondern sieht in der grundsätzlichen Legitimation durch sprachliche Verständigung
eine Regenerationsmöglichkeit, da sich die Systeme nicht vollständig von der Lebenswelt lösen
können.
Innerhalb des Habermasschen Gesellschaftsmodells ist der Begriff der Öffentlichkeit von be-
sonderer Bedeutung für die Rückkopplung der Systeme an die Lebenswelt, da in öffentlichen
Zusammenhängen Entdifferenzierungen vorgenommen werden können, die für den Zusam-
menhalt von Gesellschaft als Ganzem zentral sind. Zur Beschreibung dieser spezifischen
Aufgabe kann ein Modell von Öffentlichkeit als Sphäre zugrunde gelegt werden, d.h. als ein
schwach strukturierter, allerdings nicht systemisch geschlossener Raum, der zwar durch kon-
krete Sinnbezüge, Rationalitätsvorstellungen und gesellschaftlichen Funktionen abgegrenzt
werden kann, in dem aber verschiedene Personen oder Systeme agieren können und der
deshalb innovativer Gestaltung tendenziell offen steht. Mit einer Konzeption von Öffentlich-
keit als ‚Sphäre‘ ließe sich auch begrifflich an die Habermassche Terminologie anknüpfen.47
Dabei sollten in der theoretischen Überlegung die Strukturbedingungen der Öffentlichkeit
moderner Mediengesellschaften48 mit in den Blick genommen werden, die sich an der Ambiva-

43 Habermas 1976, S. 162


44 Vgl. Holzer 1994, S. 101
45 Eine vergleichbare Kolonisierung macht Meyer (2001) in den Beziehungen zwischen Mediensystem und Politik
aus. Die Logik der Massenmedien greife, so seine zentrale These, in den systemischen Bereich der Politik hin-
ein und erzwinge eine Unterwerfung der Politik unter diese Selektions- und Präsentationslogik. Dadurch ver-
schwinde die politische Logik nicht, aber sie werde weitreichend transformiert.
46 Habermas beschreibt zwar prominent die dysfunktionalen Auswirkungen systemischer Übergriffe auf die
Lebenswelt, untersucht aber im Gegenzug kaum, welche Folgen lebensweltliche Eingriffe in systemische Zu-
sammenhänge haben können (vgl. Berger 1986).
47 Vgl. Habermas 1973 [1964]
48 Dieser Begriff bezieht sich auf die gesellschaftlich dominante Stellung der Massenmedien, die sich sowohl in
einer veränderten Medienlandschaft, als auch in einer wachsenden gesellschaftlichen, politischen und ökonomi-
schen Bedeutung von Medien ausdrückt (vgl. Haller 2005; Rager/Werner 2004; Löffelholz 2003b, S. 67ff.). Sar-
cinelli (1998, S. 11) konstatiert: „Der Tatbestand, daß Medien in den Vermittlungsprozessen moderner Gesell-
schaften inzwischen eine Schlüsselrolle einnehmen, rechtfertigt es, von einer ‚Mediengesellschaft‘ zu sprechen.“
20 I Einleitung

lenz des öffentlichen Handelns zwischen Systemrationalität und lebensweltlich-kommunikati-


ver Rationalität zeigen lassen.49 Haller verweist unter Rückgriff auf Habermas darauf, dass die
Allgegenwart medialer Kommunikation dazu führe, dass die Thematisierung medialer und
journalistischer Prozesse – und erst recht eine diesbezügliche Einigung – nur aus dem Kontext
der durch sie gewährleisteten öffentlichen Kommunikation heraus möglich sei.50
Wird die Herstellung und Aufrechterhaltung von Öffentlichkeit als die zentrale Aufgabe
des Journalismus betrachtet, dann stellt eine Journalismus-Analyse vor dem Hintergrund eines
normativ anspruchsvollen Öffentlichkeitsmodells eine Ergänzung zu normativ-ontologischen
und systemfunktionalistischen Arbeiten dar. Um eine solche öffentlichkeitstheoretisch fundier-
te Perspektive für die Journalismusforschung fruchtbar zu machen, ist es notwendig, die
allgemeinen gesellschaftstheoretischen Prämissen des Habermasschen Modells auf journalisti-
sches Handeln zu übertragen. Dies soll mikrosozial dadurch geschehen, dass journalistisches
Handeln als kommunikatives Handeln konzipiert wird, während makrosozial die Annahme
einer gesellschaftlichen Zweistufigkeit von Lebenswelt und System auf das Verhältnis zwischen
journalistischer Kommunikation und massenmedialem System übertragen wird. Diesen Trans-
fer zu beschreiben und zu begründen, ist das Kernanliegen der vorliegenden Studie.

3 Theoretische Perspektive: Journalismus zwischen Lebenswelt und


System
Der theoretische Entwurf, den Habermas nach der sprachpragmatischen Wende seiner Arbeit
vorgelegt hat, stellt einen geeigneten Rahmen für ein praxisorientiertes Journalismusverständ-
nis dar. Auch Haas verweist auf das Potenzial dieses Ansatzes für eine aufgeklärte Wissen-
schaft, speziell für die Journalismusforschung:
„Eine Gesellschaftswissenschaft, die sich auf die Kommunikation mit den Subjekten ihres Gegenstandberei-
ches bewußt einläßt, die also Verständigung zum Programm erhebt und sich methodisch auf das Verstehen
orientiert, läßt sie die emanzipatorische Kraft in Erkenntnisinteresse und in Gesellschaftstheorie zurückge-
winnen. Zentral ist diesem Denken die Hoffnung auf eine aufgeklärte Vernunft. Die Theorie des verständi-
gungsorientierten, kommunikativen Handelns verlangt nach einer neuen Sicht in der Journalismusforschung.
Denn die aufgeklärte Vernunft muß sich letztlich auch im Mediensystem finden lassen […]. Ein solches prin-
zipielles dialogisches Interesse verspricht weitreichende und lohnende Zugänge.“51

Um die Habermassche ‚Theorie des kommunikativen Handelns‘ und die auf ihr basierende
Diskurstheorie für die Analyse journalistischen Handelns nutzbar zu machen, sind deren
Implikationen allerdings in Bezüge mittlerer Reichweite ‚herunter zu brechen‘, um sie explizit
auf den journalistischen Handlungsmodus und das massenmediale System zu beziehen.52 Auf
dem Weg zu einem diskurstheoretischen Journalismus-Modell, auf dem hier erste Schritte
gemacht werden sollen, sind viele Forschungslücken zu schließen53:

49 Vgl. Habermas 1992, S. 435ff.


50 Vgl. Haller 2005, S. 307
51 Haas 1999, S. 53
52 Vergleichbare Versuche sind bislang in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der medial vermittelten
Massenkommunikation und einem in kommerzielle Bezüge eingespannten Journalismus kaum auszumachen.
Ausnahmen bilden die Arbeiten von Burkart zu PR (1993) und zu Journalismus (1998b).
53 Vgl. Thomaß 2000; zur Frage der Diskursinstitutionen auch Weischenberg 1992a, S. 197.
3 Theoretische Perspektive: Journalismus zwischen Lebenswelt und System 21

• Es fehlen Theorieansätze, die die Diskurstheorie systematisch mit der ‚Realität‘ journalisti-
schen Handelns in Verbindung setzen und dabei auch die zunehmenden Tendenzen der
Visualisierung und die aus ihnen erwachsenden Formen visueller Diskurse berücksichti-
gen.54
• Es fehlt eine hinreichende Auseinandersetzung mit ‚institutionellen‘ Voraussetzungen
gesellschaftlicher Diskurse, zu denen auch Journalismus selbst gerechnet werden muss.
• Es fehlt eine eingehende diskurstheoretische Auseinandersetzung mit den Handlungsmög-
lichkeiten des Individuums, wenn es in Systemzusammenhänge eingebunden ist und Ent-
scheidungen zu treffen hat.
• Es fehlt eine Übersetzung der idealen Sprechakt-Situation auf gesamtgesellschaftliche und
besonders auf massenmediale Kommunikations-Zusammenhänge.
Journalistik, Publizistik und Kommunikationswissenschaft haben die Habermassche Wende
hin zur Kommunikationstheorie nur in seltenen Fällen nachvollzogen und diesen auch auf
ihren Gegenstandsbereich bezogenen Entwurf kaum systematisch zur Kenntnis genommen –
obwohl er dem Paradigma der Kommunikation und damit dem grundlegenden Gegenstand
der Kommunikationswissenschaft zentralen Stellenwert zuweist. Fabris schreibt vor über 20
Jahren:
„Die Konzentration auf die Beschäftigung mit Phänomenen der Massenmedien, genährt vom ‚Mythos der
Massenkommunikation‘ ging und geht in der herrschenden Praxis wie Theorie der Zeitungs-, Publizistik- und
Kommunikationswissenschaft auf Kosten und zu Lasten der Befassung mit nicht-massenmedial vermittelter
Information und Kommunikation; bis hin in die Grundbegriffe – wie zuletzt ‚Massenkommunikation‘ selbst
–, die Theoriebildung und Methodik. So ist es sicherlich kein Zufall, daß ein für die Analyse der gesellschaftli-
chen Entwicklung und die aktuelle sozialwissenschaftliche Diskussion so gewichtiges und folgenreiches Werk,
wie die von Jürgen Habermas vorgelegte ‚Theorie des kommunikativen Handelns‘ […] neben und außerhalb
des engeren Faches entstanden ist und innerhalb der Disziplin bisher nur von einigen ‚Außenseitern‘ über-
haupt zur Kenntnis genommen wurde.“55

Neben den eher allgemeinen kommunikationswissenschaftlichen Arbeiten von Burkart56 fällt


konkret in der Journalismusforschung immerhin die Arbeit von Baum ins Gewicht, der in
seiner Kritik der bisherigen Journalismusforschung eine umfassende Auseinandersetzung mit
den aktuell gängigen Paradigmen der journalistischen Theorie liefert.57 Er zeigt die deskriptiven
wie analytischen Defizite systemtheoretischer und publizistikwissenschaftlicher Beschreibungs-
ansätze auf und arbeitet dabei insbesondere heraus, dass die Journalismusforschung dem
kommunikativen Potenzial des Journalismus konzeptionell nicht gerecht geworden ist. Baum
selbst verortet journalistisches Handeln an der Grenze zwischen Lebenswelt und System und
knüpft auf diese Weise an die Annahmen an, die Habermas bereits im ‚Strukturwandel der
Öffentlichkeit‘ und in der ‚Theorie des kommunikativen Handelns‘ zur Rolle des Journalismus
in modernen Gesellschaften ausgeführt hat. Baum spricht grundlegend davon, dass „[…] der
Originalmodus journalistischen Handelns verständigungsorientiert ist“.58

54 Vgl. Brosius 1998b. Mittlerweile bearbeitet eine eigene Fachgruppe für „Visuelle Kommunikation“ unter dem
Dach der DGPuK diese zentrale Fragestellung.
55 Fabris 1985, S. 127
56 Vgl. insbesondere Burkart 1998a. In dieser umfassenden kommunikationswissenschaftlichen Einführung setzt
sich der Autor intensiv mit einem interaktionistischen und kommunikativen Handlungsmodell auseinander.
57 Vgl. Baum 1994. An den Grundlinien dieser Arbeit orientiert sich auch die vorliegende Studie. Eine zweite
relevante Untersuchung hat Kuhlmann (1999) vorgelegt, der sich intensiv mit den Postulaten auseinander setzt,
die die Diskurstheorie an Massenkommunikation richtet.
58 Baum 1994, S. 395
22 I Einleitung

Diese Prämisse aufgreifend ist es das Ziel der vorliegenden Studie, ein Verständnis des
Journalismus in spätmodernen ausdifferenzierten Gesellschaften vom Typ der Bundesrepublik
Deutschland zu skizzieren, das einerseits der gesellschaftlichen Komplexität zu entsprechen
vermag, aber andererseits auch notwendige normative Postulate theorieimmanent und operati-
onalisierbar aufrecht erhält, indem es sich eng an gesellschafts- und diskurstheoretische An-
nahmen, insbesondere an das Modell einer deliberativen Öffentlichkeit, anlehnt. Journalismus
wird hier vor allem in seinen Bezügen auf politische und soziale Kommunikation verstanden.
Ausgehend vom Habermasschen Gesellschaftsmodell, das lebensweltlich-kommunikative und
systemisch-funktionalistische Perspektiven zueinander in Beziehung setzt, soll hier ein Ver-
ständnis entwickelt werden, das der Darstellung der gegensätzlichen Ansprüche des journalisti-
schen Handelns und des massenmedialen Systems nicht ausweicht59 – weder durch eine rein
normative Handlungstheorie, noch durch ein subjektloses systemfunktionalistisches Denken.
Vielmehr geht es um eine grundsätzlich integrierende Betrachtung, die Gesellschaft gleicher-
maßen als „anzueignende Faktizität“ und als „im Lichte besserer Möglichkeiten auszugestal-
tende Vorläufigkeit“ begreift und so keinen künstlichen Gegensatz zwischen Internalisierung
(Systemtheorie) und Externalisierung (Handlungstheorie) mehr aufbaut.60 Es geht um beides:
Journalistisches Handeln und seinen massenmedialen Rahmen adäquat, für die Empirie an-
schlussfähig zu beschreiben und gleichzeitig normative Postulate immanent aus dem demokra-
tie- und gesellschaftstheoretisch inspirierten Gesamtzusammenhang heraus zu entwickeln.
Das von Habermas entwickelte Modell von System und Lebenswelt bezieht sich genuin auf
die Darstellung der Differenzierungen moderner Gesellschaften und der mit ihnen verbunde-
nen Schwierigkeiten hinsichtlich partizipativer Integration und Reproduktion. Die ‚Theorie des
kommunikativen Handelns‘ versucht durch diese theoriestrategische Entscheidung der übli-
chen Verabsolutierung je einer Perspektive bei der Beschreibung gesellschaftlicher Phänomene
zu entgehen und stattdessen beide Ansätze analytisch differenziert zu benutzen, um moderne
Gesellschaften zu beschreiben.61 Dieser theoretische Ansatz wird daher in der vorliegenden
Arbeit als Analysefolie für die Darstellung des journalistischen Handelns herangezogen. Für
eine an kritisch-theoretischen Ansätzen anschließende Journalistik ergibt sich daraus die
Möglichkeit, die Akteursebene weiter im Blick zu behalten und gleichzeitig auch systemtheore-
tische Ansätze und ihre spezifische Erklärungskraft62 fruchtbar in das Theoriegebäude zu
integrieren, ohne sie unter zwangsläufigen Verlusten an Präzision und Erklärungskraft in eine
fundamental andere Theoriesprache übersetzen zu müssen. Bevor dieses theoretische Unter-
fangen begonnen wird, sind weitere begriffliche Klärungen notwendig.

59 Diese Unterschiede hat Altmeppen (2006) in einer organisationssoziologischen Studie ebenfalls umfassend
beschrieben. Er begreift Journalismus und Medien als ‚Systeme organisierten Handelns‘, die einer je verschie-
denen Logik folgen und in Ko-Orientierung zueinander stehen.
60 Pöttker 1985, S. 334. Gerhards (1994, S. 79f.) formuliert ganz ähnlich Lösungsvorschläge für eine Integration
von System- und Akteursperspektive, die das Erklärungsdefizit einer nur beschreibenden Systemtheorie und
das Beschreibungsdefizit einer rationalen Handlungstheorie aufzulösen versprechen. In seinen öffentlichkeits-
theoretischen Betrachtungen geht er davon aus, dass individuelle Akteure innerhalb eines systemischen Rah-
mens handeln; sie sind nicht vollständig autonom, gleichzeitig ist aber auch der systemische Zusammenhang
nicht als autopoietisch geschlossen zu konzipieren.
61 Allerdings ist das Habermassche Gesellschaftsmodell gerade an diesem Punkt der Kombination von Hand-
lungs- und Systemtheorie scharfer Kritik ausgesetzt (vgl. zum Beispiel die Beiträge in Honneth/Joas 1986 oder
auch die Studie von Dietz 1993) und bedarf im Rahmen dieser Arbeit operationalisierender Modifizierungen –
auch Vergröberungen –, um als analytisch brauchbare Folie zur gesellschaftstheoretischen Verortung von Jour-
nalismus und Massenmedien zu dienen.
62 Zum Beispiel wäre eine Auseinandersetzung mit ökonomischen Steuerungskrisen ohne ein systemtheoretisches
Instrumentarium gar nicht denkbar (vgl. Habermas 1985a, S. 190).
3 Theoretische Perspektive: Journalismus zwischen Lebenswelt und System 23

3.1 Massenmedien und System

Der Fokus vieler kommunikationswissenschaftlicher Analysen liegt weniger auf Journalismus,


als auf einem Phänomen, das ‚Massenmedien‘ genannt wird. Massenmedien können als eine
gesellschaftlich institutionalisierte Infrastruktur verstanden werden, die gesellschaftliche
Kommunikation zu gleich ermöglicht und verändert.63 Dass Journalismus auf mediale Verbrei-
tungsleistungen nicht verzichten kann, ist offensichtlich. So wie jede Kommunikation eine
materiale Basis als Medium benötigt, bedürfen auch die journalistischen Kommunikate einer
solchen Basis zur Verbreitung.64 In modernen Gesellschaften sind es vorwiegend die sog.
‚Massenmedien‘, welche die materiellen Ressourcen stellen, die notwendig sind, um journalisti-
sche Vermittlung ökonomisch und technisch überhaupt zu ermöglichen.65
In der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft ebenso wie in der alltäglichen Um-
gangssprache wird der Begriff Medien oft nur unklar definiert.66 Je nach Verwendungsweise,
Erkenntnisperspektive und theoretischem Abstraktionsniveau kann er unterschiedliche Berei-
che oder Gegenstände beschreiben.67 Etymologisch ist ‚Medium‘ das substantivierte Neutrum
des lateinischen Adjektivs ‚medius‘ (‚in der Mitte befindlich‘, ‚mittlerer‘). Der Begriff ist daher
von Beginn mit der ‚Idee der Vermittlung‘, der ‚Idee des Zentrierens‘ und der ‚Idee eines
Trägersystems geistigen Ausdrucks‘ verbunden.68 In einer ganz grundlegenden ersten kommu-
nikationswissenschaftlichen Näherung können Medien als „Mittel der Kommunikation“
verstanden werden, die von der Sprache bis hin zu komplexen technischen Vermittlungshilfen
unserer Zeit reichen können.69 Dieses Spektrum lässt sich weiter danach differenzieren, ob
technische Hilfsmittel zur Produktion oder Rezeption nötig sind:70

63 Dabei sind es nicht in erster Linie die technologischen Rahmenbedingungen der Medien, sondern andere
Kontextvariablen, die darüber entscheiden, ob Medien zu Zwängen für journalistisch Handelnde werden, in-
dem sie zum Beispiel die Auswahl von Themen beeinflussen oder Änderungen im Produktionsablauf erzwin-
gen. (vgl. Böckelmann 1975, S. 33). Dazu sind zunächst die unterschiedlichen Dimensionen des Medienbegriffs
zu sortieren, wobei sowohl auf kulturwissenschaftliche Annäherungen (besonders angelsächsischer Provenienz,
wie z.B. Meyrowitz’ (1990a; 1990b) elaborierte Theorie des Fernsehens.) als auch auf die Beiträge der poststruk-
turalistischen Medientheorie (vgl. für einen Überblick: Pias 2003), die sich jeweils eher medienphilosophisch
mit diffizilen Wirkungsfragen auseinandersetzen, an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden kann.
64 Vgl. Wiegerling 1998, S. 8. Als ‚Verbreitungsmedien‘ dienen Massenmedien der Übermittlung von Kommuni-
kation, sie sind zu unterscheiden von den systemtheoretisch beschriebenen ‚symbolisch generalisierten Medien‘
(wie Macht oder Geld), die durch ihre Steuerungsfunktion die Bildung eigenständiger Systeme ermöglichen.
Vgl. dazu Luhmann 1981b, S. 28f. u. 1997, Bd. 1, S. 190ff.
65 Dass Massenmedien als zentrale Institutionen moderner Industriegesellschaften anzusehen sind – darin waren
sich so unterschiedliche Autoren wie Böckelmann (1975, S. 34) oder Silbermann/Krüger (1973, S. 9f.) schon
vor 30 Jahren einig.
66 Vgl. dazu Jarren/Meier 2002, S. 138.
67 Vgl. Faulstich 1995, S. 19: „Einmal heißt Medium ‚Zeichenvorrat‘ (Informationstheorie und Kybernetik), dann
‚technischer Kanal‘ (Kommunikationssoziologie und Massenkommunikationsforschung/Publizistik), dann wie-
derum ‚ästhetisches Kommunikationsmittel‘ (Einzelmedientheorie und Medienwissenschaft) oder schließlich
‚gesellschaftliche Interaktion‘ (Soziologie, speziell die Systemtheorie).“ Eine aktuelle Einführung in Medienthe-
orien differenziert zwischen elf theoretischen Zugängen auf den Medienbegriff, die sich sowohl hinsichtlich der
makrotheoretischen Herangehensweise als auch hinsichtlich des behandelten Gegenstandes erheblich vonein-
ander unterscheiden (vgl. Weber 2003). Die elf Basis-Theorien sind: Techniktheorien der Medien, ökonomische
Theorien der Medien, kritische Medientheorien, Zeichentheorien der Medien, Kulturtheorien der Medien, kon-
struktivistische Medientheorien, Systemtheorien der Medien, feministische Medientheorien, psychoanalytische
Medientheorien, poststrukturalistische Medientheorien und medienphilosophische Theorien.
68 Vgl. Wiegerling 1998, S. 7
69 Schmidt 1990, S. 54
70 Vgl. Pross 1976, S. 109ff.
24 I Einleitung

• Als primäre Medien sind die Medien zu verstehen, die ohne technische Hilfsmittel auskom-
men (z.B. menschliche Sprache).
• Als sekundäre Medien sind die Medien zu verstehen, welche technische Hilfsmittel bei der
Produktion benötigen (z.B. Zeitungen und Flugblätter).
• Als tertiäre Medien sind die Medien zu verstehen, die technische Hilfsmittel bei Produktion
und Rezeption benötigen (z.B. Rundfunk und Fernsehen).
Wenn im weiteren Verlauf der Studie der Begriff Medien verwendet wird, dann sind damit –
soweit nicht anders hervorgehoben – die so genannten sekundären und tertiären Medien
gemeint, die technischer Hilfsmittel zur Produktion bzw. zur Produktion und Rezeption
bedürfen. Diese technischen Medien sind in der Lage, die menschlichen Ausdrucksmöglichkei-
ten zu erweitern und Kommunikation zumindest teilweise von ihrer Kontingenz zu befreien;
sie erweitern den Gestaltungsraum menschlicher Ausdruckskraft, beschränken ihn aber
zugleich auch wieder.71
Für die Analyse der Medien als Rahmen des Journalismus sind ihre definitorische Eingren-
zung als Mittel der Kommunikation und die daran anschließende Differenzierung anhand der
Technizität der Medien allerdings noch zu grob. Einen weiteren Näherungsschritt bietet das
Medienverständnis Saxers, demzufolge ein Medium als ein komplexes institutionalisiertes System
verstanden werden kann, das sich um einen organisierten Kommunikationskanal mit spezifischem
Leistungsvermögen bildet.72 Diese Systeme (nach Saxer ist explizit ein Plural von medialen (Teil-)
Systemen denkbar) haben vor allem im Hinblick auf semiotische bzw. technische Vermitt-
lungsfragen, auf organisatorische Spezifika oder auf gesellschaftliche Institutionalisierungen
Einfluss auf öffentliche Kommunikation:73
• Als Kommunikationskanäle stellen Medien ein Transportsystem für Zeichensysteme bereit.
• Als mehr oder weniger komplexe Organisationen ermöglichen Medien die arbeitsteilig
organisierte Produktion und Distribution von Kommunikation.
• Als Institutionen einer spezifischen Informations- und Kommunikationspraxis errichten
Medien ein Normen- und Regelsystem zur Stabilisierung moderner Gesellschaften.
Das Medium Fernsehen zum Beispiel kann somit als technische und semiotische Infrastruktur,
als Sendeanstalt und als gesellschaftlich relevantes System der Vermittlung von Information,
Unterhaltung und Werbung medientheoretisch in den Blick genommen werden. Mit Bezug auf
die Medienleistungen und -qualitäten bedeutet diese Mehrdimensionalität, dass diese als
konkreter Output von einer ganzen Reihe institutioneller und organisatorischer Fragen abhän-
gig sind, zu denen insbesondere die Medieninstitutionalisierung auf der Systemebene, die
rechtliche Verfasstheit der Medien als private Unternehmen oder öffentlich-rechtliche Anstal-
ten, die ökonomische Ausrichtung von Medienunternehmen sowie von redaktionellen Organi-
sationsformen und den damit verbundenen publizistischen Entscheidungsprogrammen zu
zählen sind.74

71 Vgl. Wiegerling 1998, S. 234f. Mittlerweile wird eine Weiterentwicklung dieser Medientypologie gefordert, um
auch den ‚interaktiven‘ neuen Medien (v.a. Internet) gerecht zu werden, die zumindest das Versprechen formu-
lieren, die beschränkenden Wirkungen aufzuheben. Allerdings ist derzeit noch davon auszugehen, dass Online-
Journalismus eher eine Weiterentwicklung bekannter journalistischer Vermittlungsformen darstellt (vgl. Quandt
2005). Eine erste Ausnahme zeichnet sich in der Etablierung sog. „Blogs“ ab, die wechselseitige Interaktion
ermöglichen (vgl. Bucher/Büffel 2005).
72 Vgl. Saxer 1998d, S. 687
73 Vgl. ebd., S. 687
74 Vgl. Jarren 2003, S. 13
3 Theoretische Perspektive: Journalismus zwischen Lebenswelt und System 25

Medieninstitutionen folgen – das ist angesichts der genannten Umfeldfaktoren bereits er-
kennbar – vorwiegend einer instrumentellen und strategischen Zweckrationalität, wobei je
nach epistemologischem oder medienpolitischem Standpunkt diese ‚Massenmedien‘ entweder
als eigenständiges System samt eigener Logik betrachtet werden, oder aber als ein institutionel-
ler Zusammenhang, der in weiten Teilen unter der Logik des Wirtschaftlichen gesteuert wird.
In jedem Fall setzt die massenmediale Produktion einen hohen Grad der Arbeitsteilung und
einen erheblichen Kostenaufwand voraus75, die Rückwirkungen auf journalistische Handlungs-
spielräume besitzen. Folgt man zunächst der Prämisse der zunehmenden Ökonomisierung der
Massenmedien, dann lässt sich eine „Verquickung von ökonomischer Profitorientierung der
Medienunternehmen und gesellschaftlichem Auftrag der Medienkommunikation“76 konstatie-
ren, die Grundlage der Befürchtung ist, dass die zunehmende Kommerzialisierung der Medien
die angemessene Erfüllung des publizistischen Auftrages gefährden könnte.77 Altmeppen und
Karmasin sprechen daher vom „Janusgesicht“ der Massenmedien.78
Systemtheoretische Studien haben sich auf theoretischer Ebene lange Zeit am differenzier-
testen mit dem Gegenstand Massenmedien – und davon abgeleitet auch Journalismus –
auseinandergesetzt.79 Diese Rekonstruktionen der Massenmedien als eigenständiges Subsystem
unterscheiden allerdings weitgehend nicht zwischen journalistischem Handeln und massenme-
dialen Funktionen, sondern beschränken sich in der Regel auf Beschreibungen der Funktions-
weisen des Systems, meistens auf die Bereitstellung von Themen für die öffentliche Kommu-
nikation.80 Luhmann zufolge garantiert das massenmediale System allen anderen Funktionssys-
temen eine „gesellschaftsweit akzeptierte, auch den Individuen bekannte Gegenwart“.81 Es
konstruiert demnach eine gemeinsame Wahrnehmungs- und Handlungsbasis aller gesellschaft-
lichen Akteure. Luhmann verweist hier in seiner Funktionsbestimmung in erster Linie auf ein
Potenzial, für das es kein funktionales Äquivalent zu geben scheint. Aus systemtheoretischer
Perspektive scheinen die Massenmedien in ihrem genuinen Bezug zur Öffentlichkeit das
System zu sein, das aufgrund struktureller Kopplungen zu anderen Systemen ein „Dirigieren
des Selbstbeobachtens des Gesellschaftssystems“82 leisten kann. Massenmedien repräsentieren
Luhmann zufolge Öffentlichkeit, sie produzieren sie nicht, lassen aber andere Sozial- und
Personalsysteme an der Repräsentation teilhaben.83 Dabei operieren Massenmedien anhand der
Unterscheidung von Information und Nichtinformation.84

75 Vgl. Böckelmann 1975, S. 33


76 Altmeppen 1996b, S. 254
77 Dieser Zusammenhang wird ausführlich in Kapitel V der vorliegenden Studie diskutiert. Altmeppen (1996b, S.
251f.) kritisiert, dass sich viele kommunikationswissenschaftliche Autoren in ihrem Umgang mit dieser Ent-
wicklung in eine paradoxe Position begeben: „Mehrheitlich plädieren die Autoren als Anwälte des Journalis-
mus; ihr Anliegen ist es, gesellschaftliche Medienfunktionen und qualifizierten Journalismus trotz der offen-
sichtlich unabwendbaren Ökonomisierung zu erhalten. Das führt zwangsläufig zu einer paradoxen Argumenta-
tion: einerseits die zunehmende Kommerzialisierung des Medienbereichs mit all ihren Konsequenzen anerken-
nen zu müssen, andererseits einer kommerziellen Determinierung des Journalismus durch die Ökonomie aber
zugleich widersprechen zu wollen.“
78 Altmeppen/Karmasin 2003c, S. 22
79 Beispiele für solche Studien sind Marcinkowski 1993; Blöbaum 1994; Luhmann 1996; Kohring 1997; Hug 1997;
Görke 1999; Weber 2000; Löffelholz 2000a.
80 Vgl. Rühl 1980; Weischenberg 1994
81 Luhmann 1996, S. 176
82 Ebd., S. 173
83 Vgl. ebd., S. 188
84 Vgl. ebd., S. 36f. Diese Code-Definition öffentlichkeitsbezogener Systeme ist nicht unumstritten. Während
Blöbaum (1994) ebenfalls zwischen Information und Nicht-Information differenziert, entscheidet sich z.B.
Gerhards (1994) für die Leitdifferenz Aufmerksamkeit und Nicht-Aufmerksamkeit (vgl. Görke/Kohring 1996).
26 I Einleitung

Man muss den systemtheoretischen Annahmen Luhmanns und anderer Autoren nicht in
allen Einzelheiten folgen, um grundsätzlich die Feststellung zu teilen, dass sich in modernen
Gesellschaften ein massenmediales System ausdifferenziert hat, das aufgrund einer spezifischen
eigenen oder aber ökonomischen Logik operiert, indem es Berichterstattung generiert, für die
kommerzielle Verwertungs- und Profitinteressen vor allem in den privatwirtschaftlich organi-
sierten Bereichen der Printmedien und der privaten Rundfunk- und Fernsehsender eine
wichtige Rolle spielen.85 Die Systemperspektive kann in einer Analyse des modernen Journa-
lismus daher nicht außer Acht gelassen werden, sondern ist als empirische Analysefolie an-
schlussfähig für andere theoretische Überlegungen zu gestalten. Auch systemtheoretische
Entwürfe kritisieren aber die mangelnde Unterscheidung zwischen Massenmedien (technischen
Verbreitungsmedien) und Journalismus.86 Kohring schreibt:
„Die Gleichsetzung von Journalismus mit Massenmedien impliziert die Vorstellung von Journalismus als blo-
ßem Informationsvermittler. An ihre Stelle tritt die strikte Unterscheidung von journalistischer Kommunika-
tion als spezifischer Sinnkonstruktion und technischen Verbreitungsmedien als genereller Voraussetzung für
interaktionsfreie Kommunikation.“87

Aus makrosozialer Perspektive werden hier sowohl Journalismus als auch Massenmedien als
um je unterschiedliche Steuerungsmedien zentrierte Systeme beschrieben. Diese getrennte
Betrachtung ist gerade dann aufrechtzuerhalten, wenn davon ausgegangen wird, dass das
Steuerungsmedium des Journalismus, die Sprache, nicht soweit differenzierungsfähig ist, dass
sie eine eigenständige Systembildung begründeten könnte. Die Annahme der Eigenständigkeit
der beiden gesellschaftlichen Bereiche Massenmedien und Journalismus bleibt davon zunächst
unberührt.

3.2 Journalismus und Lebenswelt

Die etablierte Systemperspektive ist im Lichte der ‚Theorie des kommunikativen Handelns‘ um
den Begriff der Lebenswelt zu ergänzen, in dem die sozialintegrativen Ressourcen verständi-
gungsorientierten Vernunft- und Sprachgebrauchs fundiert sind. Dementsprechend ist eine
Journalismusanalyse nicht nur systemisch, sondern auch lebensweltlich begrifflich zu fassen.
Zumal journalistisches Handeln wenigstens in seinen Ursprüngen als ein Derivat des lebens-
weltlich kommunikativen Handelns verstanden werden kann, in dem Sprache eine universale,
nicht vorher eingeengte Bedeutung erhält. Journalisten sind als handelnde Akteure auf Sprache
angewiesen.88 In Anbetracht der Orientierung von Journalismus auf die Herstellung von
Öffentlichkeit ist davon auszugehen, dass im journalistischen Sprachgebrauch kommunikative
Verständigungsorientierung zumindest als kontrafaktische Unterstellung von Bedeutung ist.
Selbst als berufliche Akteure, die auch systemischen Zwängen unterworfen sind, bedienen sich
Journalisten somit lebensweltlicher Handlungsmuster.

85 Vgl. Karmasin 2000


86 Vgl. Görke 1999, S. 332
87 Kohring 1997, S. 263
88 Auch Bucher (2000) konzipiert „Journalismus als kommunikatives Handeln“, fasst dieses Konzept aber in
erster Linie linguistisch und ohne direkten Bezug zur Habermasschen Theorie. Er beschreibt ein radikal mikro-
soziologisches Handlungskonzept, dass institutionalisierenden und strukturierenden Handlungsfolgen gegen-
über offen ist und sich als komplementär zu systemtheoretischen Ansätzen begreift.
3 Theoretische Perspektive: Journalismus zwischen Lebenswelt und System 27

Journalistisches Handeln ist entsprechend Handeln durch Kommunikation. Es ist nicht


zweckrational auf die Erreichung eines vorab definierten Zieles ausgerichtet, sondern basiert
idealtypisch auf der Verständigungsorientierung, die einem unverkürzten Sprachgebrauch
inhärent ist. Diese nehmen Journalisten unweigerlich in Anspruch, wenn sie sich jenseits
systemischer Spezialsemantiken entdifferenzierend der Alltagssprache bedienen, um Öffent-
lichkeit herzustellen. Das ist gemeint, wenn Baum Journalismus an einen verständigungsorien-
tierten Handlungsmodus knüpft.
Ebenso wie im Gebrauch der Alltagssprache ist auch hier eine Vielzahl von zielgerichteten
Nutzungsmöglichkeiten denkbar und empirisch auffindbar. In einem idealtypischen Verständ-
nis allerdings rückt für eine Konzeption des Journalismus die aus der Orientierung auf Öffent-
lichkeit erwachsende Verständigungsorientierung in den Mittelpunkt. Traub hat schon 1928
das „Doppelwesen als Nachrichtenträger und Verständigungsmittel“, beschrieben, das die
Zeitung charakterisiere.89 Mit Habermas lässt sich feststellen, dass Journalismus tatsächlich
nicht umhin kommt, sich auf den Gebrauch von Sprache einzulassen und damit auf einem
Kommunikationsmodus beruht, der nicht nur
„[…] der Übertragung und Aktualisierung von vorsprachlich garantierten, sondern zunehmend auch der Her-
beiführung von rational-motivierten Einverständnissen [dient] – und dies in moralisch-praktischen und in ex-
pressiven Erfahrungsbereichen nicht weniger als im eigentlich kognitiven Bereich des Umgangs mit einer ob-
jektiven Realität.“90

Der Ausgang der sprachlich und kommunikativ koordinierten Interaktion ist davon abhängig,
ob sich die Beteiligten untereinander auf eine intersubjektiv gültige Beurteilung ihrer Weltbe-
züge einigen können.91 Auf Basis des kommunikativ geteilten Weltverständnisses erarbeiten
Menschen intersubjektiv geteilte Normen, indem sie Geltungsansprüche auf Wahrheit, Wahr-
haftigkeit und Richtigkeit erheben, diskutieren und kritisieren.92 Aus einer Handlungsperspek-
tive heraus ist Journalismus plausibel als kommunikatives Handeln zu konzipieren, das Be-
standteil dieses gesellschaftlichen Prozesses zu sehen ist und die „kommunikative Koordinie-
rung gesamtgesellschaftlichen Handelns“ durch Herstellung öffentlicher Kommunikations-
strukturen gewährleisten soll.93
Die Ausdifferenzierung von formal organisierten, entsprachlichten Handlungssystemen be-
grenzt die Reichweite des kommunikativen Handelns. Das zeigt sich zum Beispiel in der
Ausweitung des technisch-zielorientierten Handlungsmodus, der sich vor allem in ökonomi-
schen und machtorientierten Imperativen begründet. Er erhält zunehmend, allerdings keines-
falls zwangsläufig oder irreversibel, ein Übergewicht, das die Möglichkeiten kommunikativer
Übereinkunft bedrängt.94 Baum differenziert in diesem Zusammenhang zwischen einem
journalistischen und einem massenmedialen, d.h. technisch und noch mehr ökonomisch

89 Traub 1928, S. 46
90 Habermas 1995 [1981], Bd. 1, S. 163 f.
91 Vgl. ebd., S. 157
92 Vgl. ebd., S. 148
93 Baum 1994, S. 161
94 Pointiert zeigt sich diese Kritik in dem Diskurs über die Technisierung von Kommunikation. So schreibt
Weingarten (1988, S. 61): „Kennzeichnend für die jüngere historische Entwicklung ist nun die Ausweitung der
Geltungsbereiche zweckrationalen Handelns. Diese Ausweitung kulminiert in der aktuellen Technisierung wei-
ter Bereiche kommunikativen Handelns.“ Das bedeute, dass weite Bereiche dem Zugriff kommunikativen Han-
delns entzogen werden: „Besonders problematisch wird diese Entwicklung, wenn technische Systeme auch
praktisch soziales Handeln ersetzen und soziales Handeln nach der Rationalität technischen Handelns beurteilt
wird.“ (ebd., S. 73) Journalistisches Handeln steht in Spannung zu dieser technischen Rationalität.
28 I Einleitung

steuerbaren, Zugriff auf die Sphäre Öffentlichkeit.95 Diese Unterscheidung greift zurück auf
die Analyse des ‚Strukturwandels der Öffentlichkeit‘ und stellt die dort beobachtete zuneh-
mende Vermachtung öffentlicher Strukturen durch die Imperative ausdifferenzierter Sozialsys-
teme in Rechnung. Ein massenmedialer Zugriff auf Öffentlichkeit erfolgt nicht mehr – wie
idealtypisch das journalistische Handeln – aus lebensweltlichen Strukturen, sondern wird von
den Kapitalverwertungsinteressen des Wirtschaftssystems bestimmt, dessen Akteure mit ihren
Medienangeboten in erster Linie Geld verdienen wollen.
Habermas weist den Massenmedien (genauer wäre zu sagen: der Massenkommunikation) –
in Entsprechung zu dieser Differenzierung – ein „ambivalentes Potential“ zu:96 Einerseits
können sie den Horizont möglicher Kommunikation entschränken und gegenüber Systemen
ein emanzipatorisches Potenzial entfalten; andererseits tendieren sie dazu, Kommunikations-
flüsse zu hierarchisieren, zu kanalisieren und autoritär zu wirken. Habermas rekurriert hier auf
die lebensweltliche Verankerung der Massenmedien und auf ihr Potenzial, Kommunikation aus
räumlich und zeitlich begrenzten Kontexten herauszulösen und so Öffentlichkeit entstehen zu
lassen, die Resonanzboden für eine Vielzahl von Themen sein kann. Gleichzeitig verweist er
auf Vermachtungstendenzen des ‚Strukturwandels der Öffentlichkeit‘97, die entgegen der
Koppelung der Medien und der Öffentlichkeit eine zunehmende Systemdominanz vor allem
aufgrund von Verrechtlichung und Ökonomisierung zur Folge haben. Das emanzipatorische
Potenzial bleibt erhalten, bedarf aber besonderer Umstände, um sich in gesellschaftlichen
Diskursen entfalten zu können.98
Baum gelangt in seiner Vorarbeit zu einer gesellschaftstheoretisch fundierten Theorie des
journalistischen Handelns zu einem Zwischenfazit, das der Stellung des Journalismus in einem
Gesellschaftsmodell von zweckrationalen Systemen und kommunikativ-rationaler Lebenswelt
und den daraus erwachsenden unterschiedlichen Ansprüchen Rechnung trägt:
„Die Arbeit von JournalistInnen ist gesellschaftliche Kommunikation. Als professionelle ‚Kommunikatoren‘
befinden sie sich also seit jeher an der konfliktbeladenen Schnittstelle zwischen kommunikativer Vernunft auf
der einen und einem an Zweck und Mittel orientierten Rationalisierungszwang auf der anderen Seite, der ge-
rade jenes Verhalten strategisch notwendig macht, das ihrem eigentlichen ‚journalistischen Auftrag‘ nicht ent-
spricht: Kommunikation eben als Konvention zu funktionalisieren, das heißt auch: mit ‚listigem Bewußtsein‘
zu handhaben, was ursprünglich mit emanzipatorischen Intentionen verknüpft ist.“99

Baum beobachtet allerdings auch eine von ihm aus der Perspektive kommunikativen Handelns
als bedenklich gewertete zunehmende Reduktion des journalistischen Handelns
„[…] auf jene politisch zweckgerichtete Informationsleistung […], die zwischen den Imperativen der sich ver-
selbständigenden Subsysteme sowie den Bedürfnissen des bürgerlichen Privatlebens vermitteln kann“.100

Eine entsprachlichte Zweckrationalität, so das ernüchterte Urteil, dominiere das öffentliche


Handeln der Journalisten101, die zwischen den Zieldimensionen Rezeptionsbedürfnisse des
Publikums, Ökonomie der Medienbetriebe und normative Vorgaben der Politik hin- und

95 Vgl. Baum 1994, S. 99


96 Habermas 1995 [1981], Bd. 2, S. 573
97 Vgl. Habermas 1990
98 Vgl. Habermas 1992, S. 461
99 Baum 1994, S. 67. Diese doppelte Perspektive, so Baums berechtigte Kritik an der gängigen Journalismusfor-
schung, werde aus den funktionalistischen Theorie-Konstrukten in der Regel ebenso systematisch ausgeblendet
wie aus den Prämissen der Mainzer Schule der Publizistikwissenschaft.
100 Ebd., S. 109
101 Vgl. ebd., S. 111
3 Theoretische Perspektive: Journalismus zwischen Lebenswelt und System 29

hergerissen werden. Die Konflikte zwischen den daraus erwachsenden Ansprüchen haben sich
kontinuierlich verschärft. Jarren beobachtet eine Bewegung der Medien hin zu den Interessen
der Rezipienten, die gerade unter ökonomischen Gesichtspunkten als Kunden ein wichtiger
Bezugspunkt werden, hinter dem die Ansprache als Staatsbürger weiter zurücktrete.102
Münch warnt angesichts der vorherrschenden Inszenierungs- und Dramatisierungsstrate-
gien in öffentlichen Auseinandersetzungen vor einer kommunikativen Inflation, die ihren
Ausdruck in diversen Diskurs-Mischformen bereits zeige.103 Er betont vor allem die Notwen-
digkeit der Anschlussfähigkeit der medialen Diskurse in der lebensweltlichen Kommunikation
der Rezipienten. In dieser Fähigkeit medialer Diskurse liegt heute am ehesten das Potenzial des
journalistischen Handelns im Spannungsverhältnis zwischen System und Lebenswelt – auch
wenn zurzeit die Systemeinflüsse das reale Handeln (und die theoretische Modellierung104)
dominieren.
Es stellt sich daher die – auch normativ zu behandelnde – Frage, wie Journalisten die Spiel-
räume, die ihnen die lebensweltliche Verankerung ihres Handelns potenziell lässt, nutzen
können. Um dieser Frage nachzugehen, bietet es sich an, die Annahmen der Diskurstheorie
heranzuziehen, die versucht, die kommunikativen Standards zu eruieren, nach denen Verstän-
digung in den vielfältigen sozialen und politischen Aushandlungsprozessen gewährleistet
werden kann und wird. Weitergehend wird zu klären sein, wie Journalismus darauf zu reagieren
hat, dass die gesellschaftlichen Arenen politischer und sozialer Auseinandersetzungen sich im
Zuge eines fortschreitenden Medienwandels zunehmend verschieben und Diskurse nicht mehr
a priori mit Informationsangeboten verknüpft werden können. Hier ist analytisch zu prüfen,
inwieweit ein diskursiv verstandener Journalismus, der seine Wurzeln in der Verständigungs-
orientierung menschlicher Kommunikation hat und sich zumindest regulativ an den Normen
einer deliberativer Öffentlichkeit orientiert, in seinen bisherigen Routinen angesichts neuer
Medienangebote, neuer Inszenierungsmöglichkeiten und veränderter Rezeptionsbedürfnisse
überdacht und gegebenenfalls verändert werden muss, um seine Leistungsfähigkeit für hoch-
komplexe moderne Gesellschaften wahren zu können. Diese beiden theoretischen Anliegen
richten sich – ganz im Sinne der Ambitionen der Journalistik – auch darauf, Kriterien für einen
‚besseren‘ respektive angemessenen Journalismus zu begründen.

3.3 Auf dem Weg zu einem kommunikativ verstandenen Journalismus

Mit den bisherigen Ausführungen ist der Rahmen der Erörterungen eines kritischen und
diskursiven Journalismus-Konzepts vorläufig umrissen. Aus mehreren Gründen scheint die
Gesellschaftstheorie von Habermas als heuristische Interpretationsfolie viel versprechend.
(1) Der immanente Praxisbezug der folgenden Analysen wird sich darin wiederfinden, dass
sowohl theoretische Arbeiten als auch – zumindest partiell – historische Entwicklungen in
den Blick genommen werden. Damit soll nicht eine rein genealogische Entwicklung des
Journalismus unterstellt werden, wohl aber geht der vorliegende Entwurf davon aus, dass

102 Vgl. Jarren 1996a, S. 81. Dazu passt die Beobachtung Weischenbergs (1999, S. 41), dass US-Medien und – Jour-
nalisten keine Informationsbedürfnisse mehr bedienen, sondern sie wie bei Verbrauchsgütern gezielt wecken.
103 Vgl. Münch 1991 und 1995. Das Inszenierungskonzept ist kommunikations- und politikwissenschaftlich vor
dem Hintergrund des Theatralitätskonzepts zu einer aussagefähigen Analysekategorie weiterentwickelt worden.
Vgl. dazu Meyer/Schicha/Brosda 2002; Meyer/Ontrup/Schicha 2000.
104 Zur Ambivalenz apodiktischer theoretischer Äußerungen vgl. die Auseinandersetzung mit dem Autopoiesis-
Konzept bei Weber 2000.
30 I Einleitung

sich nicht nur Gesellschaft, sondern auch Journalismus als Bestandteil von Gesellschaft
evolutionär weiterentwickelt und verändert.105 Ein Konstitutionsimpuls, der zur Ausbil-
dung eines Konzepts journalistischen Handelns oder zur Bildung medialer Systemzusam-
menhänge geführt hat, ist keineswegs als fixer Bezugspunkt zu sehen, sondern als eine his-
torisch kontingente Antwort auf gesellschaftliche Entwicklungen. Diese Berücksichtigung
historischer Bezüge ist der Grund für eine theoretische Selbstbescheidung der folgenden
Analysen, die Gültigkeit lediglich hinsichtlich der Rahmenbedingungen des Journalismus
an einem historisch und sozial kontingenten Ort beanspruchen können. Nicht nur auf-
grund der Entscheidung, die Gesellschaftstheorie von Habermas zur Reflexionsfolie der
Arbeit zu machen, sondern vor allem aufgrund der Konstitution des Untersuchungsge-
genstandes als eines genuin öffentlichen Handlungsmodus sind es die Veränderungen in
jener fragilen gesellschaftlichen Sphäre Öffentlichkeit, die Einfluss auf Journalismus ha-
ben. Die Darstellung des Journalismus ist daher immer auch eine empirische Darstellung
der Beschaffenheit von Öffentlichkeit.
(2) Die ‚kritische‘ Perspektive der Arbeit gründet in einem an der Habermasschen Universal-
pragmatik geschulten Verständnis, das die Verständigungsorientierung als der sprachlichen
Kommunikation immanent erachtet. Daraus lassen sich Hinweise auf die Einordnung
journalistischen kommunikativen Handelns erwarten. Auch in diesem Zusammenhang ist
Öffentlichkeit im diskurstheoretischen Sinne eine zentrale gesellschaftstheoretische Kate-
gorie, da sie die Normen inkorporiert, deren gesellschaftliche Einlösung sie in demokratie-
theoretischer Wendung fordert. Erst in diesem Rahmen erscheint es möglich, abstrakt den
gesellschaftstheoretischen Stellenwert des Journalismus zu klären und die Grundzüge
journalistischen Handelns zu beschreiben. Bereits jetzt ist zu erkennen, dass Journalismus
im Lichte dieser Prämissen Emanzipation und Demokratie als zentralen Kategorien ver-
pflichtet ist.
(3) Darüber hinaus verspricht der Ansatz die Integration handlungs- und systemtheoretischer Annah-
men: Durch die doppelte Perspektive, die lebensweltliche und systemische Aspekte journa-
listischen Handelns in den Blick zu nehmen trachtet, können die Beschreibungsdefizite
handlungstheoretischer Ansätze und die Erklärungsdefizite systemischer Ansätze in einer
kombinatorischen Rekonstruktion kompensiert werden. Dadurch ist es möglich, die bis-
herigen Forschungsergebnisse der Journalistik in toto heranzuziehen und sich nicht durch
eine Theorieentscheidung auf einen Forschungszweig zu beschränken.
Innerhalb des entwickelten begrifflichen Rahmens soll anhand der bisherigen Ergebnisse der
Journalismustheorie und -forschung ein Verständnis von Journalismus entworfen werden, das
einen ersten Schritt hin zu einer Theorie eines kommunikativ verstandenen Journalismus
darstellen soll. Dieses Verständnis wird immanent normative Annahmen beinhalten, aber
zugleich anschlussfähig sein für empirische Forschung. Es soll dabei helfen, journalistisches
Handeln systematisch zu beschreiben und zu analysieren. Es soll aber darüber hinaus aufgrund
seiner gesellschaftstheoretischen Grundlegung auch medienethische Implikationen besitzen
und so Handlungsoptionen für die praktische Anwendung aufzeigen können.

105 Der gesellschaftliche Prozess ist beschrieben in Habermas 1976.


4 Zum Aufbau der Arbeit 31

4 Zum Aufbau der Arbeit


Die vorliegende Arbeit geht von der Prämisse aus, dass ein lebensweltlicher Journalismus in
seiner Differenzierung zunehmend in ein System massenmedialer Kommunikation eingespannt
wird. Zum einen sollen daher die Veränderungen beschrieben werden, denen Öffentlichkeit
und Journalismus seit ihrer modernen Entstehung unterworfen sind, und zum anderen sollen
die theoretischen Journalismuskonzepte auf ihren Gehalt geprüft werden.106 Dazu werden
theoretische wie empirische Arbeiten herangezogen, die entweder auf Journalismus als Hand-
lungsmodus fokussieren oder systemische Mechanismen in den Mittelpunkt stellen. Damit ver-
bunden sind perspektivische und normative Veränderungen hinsichtlich der Journalismus-
Konzepte, die – so eine Ausgangsvermutung – mit unterschiedlichen Facetten historischer
Journalismus-Verständnisse korrespondieren. Die Beziehungen zu systematisieren und einen
Schritt über übliche Dichotomien hinaus zu gelangen, soll in dieser Arbeit versucht werden.

Grafik 1: Verortung eines diskursiven Journalismus

[eigene Grafik, -cb-]

106 Mit dieser Vorgehensweise wird weder eine Geschichte des Journalismus noch eine Theoriegeschichte
öffentlicher Kommunikation angestrebt. Vielmehr sollen historisch begründete Typologien abgeleitet und de-
ren Sedimente in aktuellen Konzepten aufgezeigt und weiterentwickelt werden.
32 I Einleitung

Im Ergebnis geht es um die Beschreibung eines diskursiven Journalismus, der sich unter Bedin-
gungen eines hohen Grades mediensystemischer Ausdifferenzierung eine große journalistisch-
kommunikative Eigenständigkeit bewahrt und eine gesellschaftliche Rolle als Anwalt gesell-
schaftlicher Diskurse annimmt und erfüllt. Dieser diskursive Journalismus ist vor dem Hinter-
grund der Annahme zu beschreiben, dass jedem journalistischen Handeln als kommunikativem
Handeln ein Bezug zu kommunikativer Rationalität innewohnt und dass dieser Bezug in einem
kommunikativ gehandhabten Journalismus auch aktiv genutzt werden kann. Erst im diskursiven
Journalismus allerdings wird er reflexiv auch zu gesellschaftlichen und demokratischen Erwar-
tungen in Beziehung gesetzt und zur journalistischen Selbststeuerung genutzt.107
Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit ist die Erörterung der Möglichkeiten einer auf Pra-
xisfragen bezogenen, emanzipatorisch ausgerichteten Journalismustheorie. Dazu ist es zu-
nächst notwendig, den Selbstanspruch der Journalistik genauer zu fassen, um ihn an den
sozialwissenschaftlich begrenzten Möglichkeiten der Kommunikationswissenschaft als umgrei-
fender Disziplin abzugleichen. Deren theoretische und systematische Grundprämissen er-
schweren bis zu einem gewissen Grad die Entwicklung eines theoretisch eigenständig zu
fassenden Fachverständnisses der Journalistik. Diesem Desiderat kann hier nur vorläufig
dadurch begegnet werden, dass ein formalpragmatisches Verständnis sozialwissenschaftlicher
Forschung eingeführt wird, in dessen Kategorien die Fiktionen der Unabhängigkeit des Beob-
achters und der daran anschließend vermeintlich möglichen Objektivation beobachteter
sozialer Zusammenhänge nicht aufrecht erhalten werden können, sondern ersetzt werden
durch ein sozialwissenschaftliches Selbstverständnis als Teilnehmer und damit auch als prinzi-
piell in den Untersuchungszusammenhang Einbezogener. Aus dieser Perspektive wird die
Möglichkeit, letztlich die Notwendigkeit, der (gleichberechtigten) Teilnahme an praktischen
Diskursen deutlich hervorgehoben, aus der heraus auch ein in einem ‚kritischen‘ Wissen-
schaftsverständnis fußendes Journalistik- und Journalismusmodell begründbar ist. (Kapitel II)
Anschließend soll dargestellt werden, wie aus dem historisch zu identifizierenden Idealty-
pus Öffentlichkeit journalistische Idealtypen abgeleitet werden, die entweder auf die Befriedi-
gung von Informationsinteressen durch referierende Vermittlung oder auf das politische und
kulturelle Räsonnement abstellen. Während die normative Publizistikwissenschaft aus dem
Idealtypus des Räsonnements das Rollenmuster des publizistischen Kommunikators als
normatives Erwartungsmuster ableitet, knüpfen die klassische Zeitungswissenschaft und – in
spezifischer Form auch die legitimistische Publizistikwissenschaft – an dem Idealtypus der
Vermittlung (Referat) an, um daraus eine sehr reduzierte Vermittlungstätigkeit zu deduzieren,
die journalistisches Handeln weitgehend seiner Eigenständigkeit entkleidet. Das Ergebnis ist
eine normativ scharf begründete Dichotomie journalistischer Idealtypen, die unvereinbar
scheinen, obwohl sie doch – so die hier zu begründende Annahme – je nur Facetten journalis-
tischen Handelns beschreiben. Anknüpfungspunkte für diese Annahmen lassen sich in dem
eher integrativen Entwurf von Otto Groth identifizieren, der darauf hinweist, dass journalisti-

107 Die Darstellung folgt dem Habermasschen Konzept vom „Strukturwandel der Öffentlichkeit“ über die
Erörterung der „Legitimationsprobleme im Spätkapitalismus“ bis zu den demokratietheoretischen Ausführun-
gen in „Faktizität und Geltung“, so dass sich zu den beiden bereits benannten Strängen, die diese Arbeit orga-
nisieren, im Hintergrund als ein drittes ordnendes Prinzip immer auch die Entfaltung und Entwicklung einer
kommunikationspragmatischen Kritischen Theorie gesellschaftlicher Kommunikation gesellt. Anhand dieser
theoretischen Entwicklung können die Prämissen der Arbeit systematisiert und parallel zu ihr entwickelt wer-
den. Gerade in den Revisionen, die Habermas an seinem idealtypischen Ursprungskonzept der Öffentlichkeit
vornimmt, liegen wertvolle Heuristiken begründet, die in ihren Perspektivverschiebungen auch die Journalis-
mustheorie voranbringen können.
4 Zum Aufbau der Arbeit 33

sches Handeln – von wenigen Ausnahmen abgesehen – stets sowohl vermittelnd als auch
produzierend ist. Journalismus ist demnach die öffentliche Vermittlung gesellschaftlicher
Diskurse, eine kommunikative, vermittelnde und strukturierende Tätigkeit, die kommunikati-
ves Handeln auch in komplexen Gesellschaften ermöglicht. Journalisten können somit, um
einen Begriff von Otto Groth zu modifizieren, als ‚Diskursanwälte‘ moderner Gesellschaften
betrachtet werden. (Kapitel III)
Die weitere Erörterung eines historisch fundierten Verständnisses von Journalismus erfor-
dert neben diesen klassischen Anregungen die systematische Entfaltung der bereits eingeführ-
ten Begriffe des kommunikativen Handelns und der Lebenswelt sowie ihres Bezugs zur
öffentlichen Sphäre einer Gesellschaft. Auf diesem Weg soll ein erweitertes theoretisches
Fundament entwickelt werden, auf dem die unterschiedlichen Journalismuskonzeptionen
zusammengeführt werden können, deren je einzelne konzeptionelle Begründungen sich
oftmals als nicht tragfähig erweisen. Die Vertiefung der Heuristik durch einen veränderten
gesellschaftstheoretischen Rahmenbezug erlaubt es, Journalismus begründet sowohl historisch
wie strukturell als kommunikativen Handlungsmodus in der Lebenswelt zu verorten und ihn
eng in Beziehung zum Konzept einer bürgerlichen oder deliberativen Öffentlichkeit zu setzen.
Er gewährleistet soziale Orientierung durch reflexive Vermittlung und entfaltet emanzipatori-
sches Potenzial, indem er soziale Teilhabemöglichkeiten durch Inanspruchnahme kommunika-
tiver Kompetenz eröffnet. Dadurch dient er auch der sozialen Integration. (Kapitel IV)
Anschließend werden die Prozesse des neuerlichen ‚Strukturwandels der Öffentlichkeit‘
und der Ausdifferenzierung der Massenmedien als System behandelt. Hier geht es vorwiegend
um die Auseinandersetzung mit der Feststellung, dass die idealtypischen Ideen von Journalis-
mus und Öffentlichkeit in ihrer bis dahin entfalteten Fassung nicht der empirischen ‚Realität‘
in modernen Demokratien vom Typ der Bundesrepublik entsprechen, sondern dass sich ein
massenmediales System herausbildet, dessen Logik signifikant anderen Steuerungsparametern
folgt. Diese Entwicklung geht einher mit der von Habermas beschriebenen Herausbildung
eines zweistufigen Gesellschaftsaufbaus, in dem neben die kommunikativ integrierte Lebens-
welt auch systemisch integrierte Bereiche der Ökonomie und der politischen Administration
treten, welche die Reproduktion materieller Ressourcen auf Basis generalisierter Steuerungs-
medien leisten. In diesen Prozess ist auch die Systemfunktionalisierung der Massenmedien als
der materiellen Basis journalistischen Handelns eingespannt. Massenmedien, so wird argumen-
tiert, können als eine systemische (ökonomische) Struktur verstanden werden, die Journalismus
in modernen Gesellschaften ermöglicht. Ein Ergebnis des ‚Strukturwandels der Öffentlichkeit‘
ist, dass journalistische Aussagen im Wechselspiel von lebensweltlich-komunikativem Journa-
lismus und systemisch-funktionalistischen Massenmedien entstehen. Journalistisches Handeln
ist zwischen lebensweltlich-kommunikativen Ansprüchen und systemischen ‚constraints‘108 ein-
gespannt. (Kapitel V)
Diese Annahmen führen zu dem abschließenden Versuch, das Verhältnis systemischer
Massenmedien und lebensweltlichen journalistischen Handelns in den Rahmen eines demokra-
tietheoretisch begründeten und ethisch-politisch operationalisierbaren Konzepts diskursiver
Öffentlichkeit und diskursiven Journalismus‘ zu stellen. Aus der Perspektive einer Theorie

108 Der Begriff ‚constraints‘ setzt sich in der Debatte über die Verzahnung von Handlungs- und Systemtheorie
zunehmend durch, um die Effekte systemischer Zusammenhänge auf individuelle Akteure zu benennen (vgl.
Schimank 2000; Giddens 1995; Gerhards 1994). Jarren und Donges (2002a, S. 76) verstehen unter ‚constraints‘
„[…] die Funktionserfordernisse handlungsprägender Sozialsysteme, in denen sich Akteure als handlungsfähige
Sozialsysteme bewegen“. Raabe (2005, S. 165) weist daraufhin, dass nicht nur beschränkende (‚constraining‘),
sondern auch ermöglichende (‚enabling‘) Sozialstrukturen beachtet werden müssen.
34 I Einleitung

deliberativer Demokratie wirkt Öffentlichkeit zwischen System und Lebenswelt der Parzellie-
rung gesellschaftlicher Kommunikation und gesellschaftlichen Wissens entgegen, indem sie als
kommunikativ rationales Korrektiv zu systemischen Entscheidungen fungiert. Massenmedien
können, obwohl sie zu den systemisch integrierten gesellschaftlichen Bereichen gehören, aus
der Perspektive eines solchen Modells Öffentlichkeit und öffentliche Kommunikation gewähr-
leisten – allerdings nur, wenn sie in ihren Darstellungsformen offen bleiben für Anschluss-
kommunikation in der Lebenswelt und wenn sie der kommunikativen Handhabung von
Journalismus ausreichende Handlungsspielräume gewährleisten. Diese Spielräume lassen sich
zum einen auf der Basis eines diskursiven Journalismus-Begriffs beschreiben, der journalisti-
sches Handeln nach den Prämissen sinnorientierten Verständigungshandelns konzipiert und an
eine anspruchvolle Diskursethik koppelt, die in handlungsleitende Qualitätsmaßstäbe übersetzt
werden muss, um die argumentative Angemessenheit der Vermittlung zu gewährleisten. Zum
anderen bedarf es einer reflexiven gesellschaftlichen Kommunikationspolitik in Form einer
‚Media Governance‘, die unter Einbeziehung gesellschaftlicher und privater Akteure die
Steuerung des Massenmediensystems leistet und dessen Verpflichtung auf Diskursivität des
Journalismus’ in den Mittelpunkt rückt. Beides zusammengenommen – die immanente Stär-
kung journalistischer Diskursivität und Selbstregulierung sowie die gesellschaftliche Bereitstel-
lung mit ihr korrespondierender institutioneller Vorkehrungen – kann gesellschaftliche Diskur-
se auch in komplexen Gesellschaften ermöglichen. (Kapitel VI)
Eine Journalistik, die sich an der Formulierung, Vermittlung und praktischen Durchsetzung
dieser ethischen Maßstäbe beteiligt, kann ihr Potenzial als Demokratiewissenschaft entfalten.
In diesen diskurstheoretischen Anforderungen liegen letztlich die immanenten Maßstäbe, derer
sich eine als kritische Wissenschaft verstandene Journalistik in der Untersuchung und Bewer-
tung journalistischen Handelns sowie in der Formulierung inhaltlicher Ausbildungsziele
bedienen kann. In diesen diskurstheoretischen Implikationen liegt ein aus dem journalistischen
Handeln heraus begründbarer normativer Kriterienkatalog, der den Weg zu einem ‚besseren‘
Journalismus weisen kann. Dieser würde die Basis für eine als „binnenkulturelle Wissenschaft“
verstandene Journalistik legen können, die sich ihrer immanenten Beziehung zu ihrem Gegens-
tand versichert.109 Ein solches Verständnis eröffnete der Journalistik neue Erkenntnisoptionen,
wie Haller in pointiert-kritischer Abgrenzung zur Systemtheorie ausführt:
„Sie [die Journalistik, -cb-] bräuchte nur einen kleinen Schritt zu unternehmen, um mit ihrem Objekt, dem
Journalismus, ein Sinnsystem zu bilden – in diesem Punkt nicht anders, als es die Medizin und die Rechtswis-
senschaft vor rund zwei Jahrhunderten getan haben. Dann könnte ein auf Verstehen und Verständigung gerich-
teter Kommunikationsbegriff entwickelt werden, der das Mediensystem als Bedingungsgefüge zu seiner Vor-
aussetzung nimmt – und der ein bisschen mehr leistet als die redundante Feststellung der Luhmann-
Gemeinde, Gesellschaft sei Kommunikation und sonst nichts.“110

Die vorliegende Arbeit wird daher einen weiten, aber notwendigen Umweg gehen, um sich
einen Schritt auf einen diskursethisch begründeten normativen Kriterienkatalog hin zu bewe-
gen, dessen Ziel es eben genau ist, Verstehen und Verständigung durch journalistisch-
kommunikatives Handeln innerhalb eines (zum Teil systemtheoretisch zu fassenden) medialen
Bedingungsgefüges darstellbar und wiederum verstehbar werden zu lassen.

109 Haller 2000a, S. 122


110 Ebd., S. 122
II Zur Verortung der Journalistik

Die Überlegungen zum Konzept des diskursiven Journalismus finden vor dem spezifischen wissenschaftstheoreti-
schen und fachkontextuellen Hintergrund der Journalistik statt. Dieser soll im nachfolgenden Kapitel in Form
von Vorbemerkungen behandelt werden, die sich in erster Linie an den fachwissenschaftlich interessierten Leser
wenden. Das Ziel ist, dem in den weiteren Kapiteln zu entfaltenden Journalismusverständnis Ort und Richtung
im Diskurs der Journalistik zuzuweisen. Dieses Vorgehen scheint geboten, weil die Konzeption des diskursiven
Journalismus in ihren praktischen Konsequenzen maßgeblich auch auf eine universitäre Journalistik als
Transmissionsriemen in die Praxis hinein setzt. Zunächst soll daher der praktische Erkenntnisanspruch der
Journalistik als einer Wissenschaft zur Verbesserung des Journalismus thematisiert werden. Dieser Anspruch
lässt sich sowohl anhand der Fachgenese als auch anhand der programmatischen Selbstverortung der Disziplin
rekonstruieren (1).
Daran anschließend werden die theoretischen Optionen der Journalistik diskutiert. Als derzeit paradigma-
tisch erweisen sich – wie in weiten Teilen der Kommunikationswissenschaft – in gesellschaftstheoretischer
Hinsicht die Systemtheorie und in erkenntnistheoretischer Hinsicht der Konstruktivismus. Auf Potenziale und
Limitierungen der beiden Perspektiven wird näher einzugehen sein. Das gilt auch für handlungstheoretische
Optionen, die allerdings innerhalb der Journalistik bislang in weit weniger paradigmatischer Form vertreten
werden (2).
Um handlungstheoretisch zumindest anschlussfähige Perspektiven zu stärken wird im weiteren Verlauf für
eine veränderte wissenschaftstheoretische Grundlegung des Faches plädiert: Erkenntnistheoretisch wird der
Sozialwissenschaftler zugleich als Beobachter und als Teilnehmer der von ihm untersuchten sozialen Prozesse
verstanden, der sich in seinen Rekonstruktionsleistungen als ‚virtueller Teilnehmer‘ immanent auf in der Praxis
erhobene Geltungsansprüche einlassen muss, wenn er Verstehen anstrebt. Gesellschaftstheoretisch wird die
Kombination einer kommunikationstheoretisch fundierten Handlungstheorie mit einer bescheideneren System-
theorie favorisiert, um individuelle Sinnfragen ebenso behandeln zu können wie soziale Strukturbildung.
Rekonstruktivismus anstelle von Konstruktivismus, Diskurstheorie anstelle von Systemtheorie lauten daher die
Vorschläge, die im weiteren Argumentationsgang weiter ausformuliert werden sollen (3).
In diesem Kontext ist es möglich, eine praxisbezogene und zugleich kritische wissenschaftliche Perspektive
auf den Journalismus zu beschreiben. Diese normativ verstandene Journalistik ist in der Lage, Maßstäbe zu
begründen, anhand derer sie für eine Verbesserung des Journalismus antritt. Auf ihren Zuschnitt sollen
abschließend Hinweise formuliert werden (4).
36 II Zur Verortung des Journalismus

1 Wissenschaft zur Verbesserung des Journalismus


Etliche Wissenschaften beschäftigen sich mehr oder weniger direkt mit dem Journalismus:
Neben der Journalistik, die trotz ihrer kurzen Tradition als genuine Wissenschaft vom Journa-
lismus betrachtet werden kann, tragen auch die Publizistik, die Kommunikationswissenschaft,
die Medienwissenschaft und ehemals die Zeitungswissenschaft zu Forschung und Theoriebil-
dung bei. Darüber hinaus wird der Journalismus von weiteren Sozialwissenschaften wie der
Politologie oder der Soziologie als Gegenstand herangezogen. Das Ergebnis ist ein erheblicher
Theoriepluralismus. In den unterschiedlichen Disziplinen haben sich unterschiedliche Para-
digmen herausgebildet, die Erkenntnisse variieren zudem je nach dem – meist nur leicht
verschobenen – Ausschnitt, der analysiert und betrachtet wird. Die derart präfigurierte Anlage
des Forschungsinteresses führt zu sehr unterschiedlichen Perspektiven.1
Dieser Theoriepluralismus ist zunächst fachhistorisch bedingt: In Deutschland hat sich der
Gegenstand der Forschung sukzessive erweitert: von der Zeitungskunde und -wissenschaft
über die Publizistik hin zur Medien- und Kommunikationswissenschaft.2 Bisweilen erschienen
die Fächer und ihr Kanon ebenso flüchtig wie ihr Gegenstand. Ständig wurde die Perspektive
gewechselt, wurden neue Phänomene mit in den Blick genommen, veränderten sich dabei aber
auch die Prämissen der Forschung. Und: Neue Disziplinen traten zu den bereits bestehenden
hinzu, ohne sie abzulösen:
• Die erste Ausweitung zur Publizistikwissenschaft sollte dem Zweck dienen, auch andere
„publizistische Führungsmittel“ (Dovifat) wie den Rundfunk und das Fernsehen mit be-
trachten zu können. Journalistische Kommunikation wurde als Meinungsführung vor al-
lem unter dem Gesichtspunkt der Persuasion und ihrer Wirkungen betrachtet.
• Die neuerliche Ausweitung zur Kommunikationswissenschaft sollte den Anschluss an die
empirisch orientierte ‚communication science‘ der angelsächsischen Forschung gewährleis-
ten, entgrenzte aber gleichermaßen erneut den Forschungsgegenstand. Mehr noch als in
der Publizistik gerieten Kommunikationsformen und Medien in den Blick, die über das
Betätigungsfeld des Journalismus hinausragen.
Die Rückbesinnung auf die Journalistik markiert demgegenüber eine Selbstbeschränkung,
dadurch dass der Journalistenberuf als eindeutiger „Fluchtpunkt“ der Perspektive ausgewiesen
wird.3 Ein gängiges Problem der Kommunikationswissenschaft existiert für die Journalistik
damit zunächst nicht: Während andere kommunikationswissenschaftlichen Disziplinen entwe-
der an spezifischen Merkmalen öffentlicher Kommunikation ansetzen (Publizistik) oder aber
versuchen, alle gesellschaftlich relevanten Kommunikationsprozesse zu beschreiben, kann sich
die Journalistik auf ein klares Distinktions- und Konstitutionsmerkmal beziehen, da in ihrem
Zentrum „Modelle des öffentlichen Kommunikationsprozesses, soweit er im Wesentlichen
vom Journalismus getragen wird“, stehen.4 Ihr überschaubarer Gegenstand ist der Journalis-
mus, der zum Beispiel anhand der Berufsgruppe5 oder aber wie in der vorliegenden Arbeit

1 Selbst in Teilwissenschaften kann die Kluft tief sein: vgl. die normativ-legitimistische Publizistik (Kepplinger
1979a; Donsbach 1982) mit der systemtheoretisch-konstruktivistischen (Merten/Schmidt/Weischenberg 1994).
2 Vgl. Glotz 1990; Hachmeister 1987
3 Pöttker 1998a, S. 231. Vgl. zur nicht unproblematischen Genese des Fachs in Westdeutschland zwischen
politischen und ökonomischen Interessen: Löffelholz 1990; Machill 2005.
4 Neverla 2002, S. 25
5 Vgl. Pöttker 1998a. Die vorliegende Arbeit allerdings plädiert dafür, nicht von einer beruflich abzugrenzenden
Akteursgruppe auszugehen, sondern den Modus journalistischen Handelns sowie seine Aufgaben und Leistun-
gen zu charakterisieren, aus denen heraus sich das Selbstverständnis von Journalisten im Verberuflichungs- und
1 Wissenschaft zur Verbesserung des Journalismus 37

anhand eines spezifischen öffentlichen Handelns identifiziert werden kann. Sie erhebt den
Anspruch, für die Praxis des Journalismus Ausbildungsleistungen zu erbringen.6
Häufig wird die Journalistik als eine Teildisziplin innerhalb einer integrierten Medien- oder
Kommunikationswissenschaft konzipiert.7 Aus einer solchen Perspektive heraus ‚erbt‘ sie die
disziplinären und theoretischen Probleme der Mutterdisziplin und lässt eine eigenständige
Kontur vermissen. Für Ronneberger war die Kommunikationswissenschaft schon in ihrer
Frühphase lediglich eine „Sammelsuriums- oder bestenfalls Dachwissenschaft für ein ziemlich
großes Gebäude, in dem sich die Mieter untereinander nicht kennen“.8 Positiver formulieren
Jarren und Bonfadelli, dass sie sich um ein Nebeneinander von sozial- und kulturwissenschaft-
lichen Ansätzen bemühe, die in integrationswissenschaftlicher Perspektive zusammengeführt
werden, um Theorie- und Methodenpluralismus zu erhalten.9 In ihrem Selbstverständnispapier,
das den aktuellen Stand der Debatten um die Fachverortung umfassend darstellt und kommen-
tiert, hat die Deutsche Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft
(DGPuK) Gegenstand und Methode des Faches im Jahr 2001 wie folgt beschrieben:
„Im Zentrum des Fachs steht die indirekte, durch Massenmedien vermittelte, öffentliche Kommunikation.
Die damit verbundenen Produktions-, Verarbeitungs- und Rezeptionsprozesse bilden den Mittelpunkt des
Fachinteresses. […] Die Kommunikationswissenschaft versteht sich heute im Kern als eine theoretisch und
empirisch arbeitende Sozialwissenschaft mit interdisziplinären Bezügen.“10

Im Rahmen einer so verstandenen Kommunikationswissenschaft stellt die Journalistik für die


DGPuK eine aufgrund einer klaren Berufsfeldorientierung vorgenommene Ausdifferenzierung
dar.11 Als solche greift sie bislang extensiv auf unterschiedliche kommunikationswissenschaft-
lich entwickelte Begriffsgebäude zurück12 und hat in der Breite noch keinen intensiven Diskurs
über eigenständige theoretische Modelle ihres Gegenstandes begonnen.13 Dies mag auch an der
ausgeprägten Praxisbezogenheit ihrer universitären Ausrichtung liegen14, bedeutet aber in
letzter Konsequenz, dass zur theoretischen Beschreibung des Gegenstandes ‚Journalismus‘
häufig Axiome anderer Disziplinen importiert werden müssen, ohne dass deren Validierung im

Professionalisierungsprozess speist. Journalistik untersucht aus diesem Verständnis heraus zunächst einen
kommunikativen Handlungsmodus, darf sich aber dessen systemischer massenmedialer Ausprägung nicht ver-
schließen. Allerdings sind diese Ebenen theoretisch-analytisch voneinander zu trennen.
6 Vgl. Pätzold 2000, S. 426
7 Vgl. jüngst Rusch 2005; Röttger 2005a.
8 Ronneberger 1978a, S. 17; vgl. auch Wirth 2000, S. 45; Noelle-Neumann 1975; Westerbarkey 1980
9 Vgl. Bonfadelli/Jarren 2001, S. 10; ähnlich auch Ruhrmann u.a. 2000. Wenn eine inhaltliche Gemeinsamkeit
dieser Bemühungen zu identifizieren ist, dann ist es die Fokussierung auf „mediengebundene Kommunikati-
on“, wobei mit Medien vor allem sekundäre und tertiäre Medien gemeint sind, während andere Aspekte von
Kommunikation in Disziplinen wie der Soziologie, der Linguistik oder der Psychologie behandelt werden
(Bohrmann 1981, S. 132). Diese Engführung wird allerdings von Kommunikationswissenschaftlern wie Burkart
(1998a, S. 401ff.) kritisiert, die ein interdisziplinäres Fach Kommunikationswissenschaft fordern. Diese Veror-
tungsschwierigkeiten sind regelmäßig Gegenstand von Selbstvergewisserungsdebatten, die innerhalb des Faches
geführt werden (vgl. z.B. die Beiträge von Ruhrmann u.a. 2000; Theis-Berglmair/Kohring 2000; Brosius 2000;
1998a; 1994b; Rühl 1993b; Merten 1993; Baum/Hachmeister 1982; Saxer 1980. Auch in zahlreichen Lehrbü-
chern finden sich Überblicke über die Diskussion: vgl. Jarren/Bonfadelli 2001; Schmidt/Zurstiege 2000; Mer-
ten 1999; Burkart 1998a; Pürer 1993)
10 DGPuK 2001, o.S.
11 Vgl. ebd., o.S.; vgl. Neverla/Grittmann/Pater 2002a
12 Vgl. zum Überblick den Sammelband von Burkart/Hömberg 1995.
13 Eine erwähnenswerte Ausnahme ist der Sammelband von Löffelholz 2000a, dessen Neuauflage (Löffelholz
2004) den Pluralismus des Diskurses leider gleich wieder einschränkt.
14 Das konstatieren Ruhrmann u.a. (2000), die gerade auch in dem Versprechen auf eine berufsbezogene Ausbil-
dung an Journalistik-Instituten einen Grund für das Ausbleiben theoretischer Arbeit vermuten.
38 II Zur Verortung des Journalismus

eigenen Fachkontext in ausreichendem Maße stattfindet. Die jeweils verschiedenen sozialwis-


senschaftlich-gesellschaftstheoretischen Rahmungen, in die das journalistische Handeln bzw.
das journalistische System eingeordnet werden, präjudizieren vielmehr die Deduktion je
unterschiedlicher normativer Setzungen, die Selbstverständnis und Ethik prägen sollen.15
Dabei bedarf die grundlegende, selbstreflexive Frage „Welchen Journalismus will die Kommu-
nikationswissenschaft?“16 einer eigenständigen Beantwortung durch die Journalistik.
Die Journalistik wird in ihrer weiteren Etablierung daran zu messen sein, ob sie in der Lage
ist, ihre theoretischen und praktischen Bezüge eigenständig und fundiert auszuweisen. Ihre
Position innerhalb des kommunikationswissenschaftlichen Disziplinen-Kanons hängt auch
davon ab, ob es ihr gelingt, eine eigene theoretische Perspektive auf den Journalismus zu
entwickeln und aus dieser Theorie möglichst immanent ethisch-praktische Anweisungen für
die Ausbildung abzuleiten. Auch um diesen Prozess zu forcieren plädieren Journalistikwissen-
schaftler dezidiert für eine eigenständige Konturierung des Fachs entlang der spezifischen
Bezüge zum Berufshandeln, zur kommunikativen Praxis und zu den Sachwissenanteilen der
Studiengänge.17 Nachfolgend soll versucht werden, die Journalistik in Bezug zur Kommunika-
tionswissenschaft zu verorten und ihre wissenschaftstheoretischen Grundlagen dahin gehend
zu prüfen, ob und inwieweit sie die Erkenntnisinteressen und Ausbildungsansprüche einer
praxisorientierten und kritischen Journalistik hinreichend fundieren können.
Das Feld der Journalistik lässt sich dabei empirisch wie theoretisch entlang der von Neverla
formulierten Kernfragen gliedern, die nach beschreibenden, erklärenden und verstehenden
Antworten verlangen:
„Was eigentlich ist Journalismus? Was tun Journalistinnen und Journalisten? Wie handeln sie, für welchen
Zweck und nach welchen Regeln und mit welchem Sinn?“18

Erkennbar sind nicht alle diese Fragen durch die bloße Aggregation empirischer Daten nach
den Routinen einer professionell betriebenen ‚communications research‘ hinreichend zu
beantworten, sondern bedürfen einer (gesellschafts-)theoretischen Einbettung. Die theoreti-
sche Beschäftigung mit Journalismus kommt letztlich nicht umhin, auch voraussetzungsvolle –
und zum Teil auf einem kritischen Wissenschaftsverständnis fußende – Überlegungen einzu-
schließen, die sich zentral auf die demokratiekonstitutive Aufgabe des Journalismus beziehen.
Doch derzeit werden solche normativen Annahmen zwar immer noch lebhaft in der Praxis
verhandelt, finden aber nur noch selten Niederschlag in den wissenschaftlichen Diskursen. Die
Wissenschaft, die sich der Integration von Theorie und Praxis verschrieben hat, steht derzeit
nicht selten in gehöriger Entfernung zur Praxis und ihren Problemen.

15 Zur journalistischen Ethik-Debatte sind zahlreiche Sammelbände erschienen, in denen sich die einschlägigen
Diskursstränge nachvollziehen lassen: vgl. z.B. Debatin/Funiok 2003; Schicha/Brosda 2000; Funi-
ok/Schmälzle/Werth 1999; Holderegger 1999; Funiok 1996a; Haller/Holzhey 1992a; Wunden 1998; 1996;
1994; 1989; Erbring 1988
16 Baum 2005b
17 Vgl. Pöttker 2005; Pätzold 2005. Beide regen konsequenterweise die Gründung einer eigenen Fachgesellschaft
der Journalistik analog zur DGPuK an. Noch in den 1980er Jahren ist dagegen die Abkoppelung der Journalis-
tik als eigene ‚scientific peer group‘ von den wissenschaftsgeschichtlichen und -theoretischen Problemen der
Kommunikationswissenschaft als dysfunktionale Folge einer mangelhaften Verknüpfung von Forschung und
Lehre in den Fächern beschrieben worden (vgl. Hachmeister/Baum/Schuppe 1983).
18 Neverla 2002, S. 26
1 Wissenschaft zur Verbesserung des Journalismus 39

1.1 Die Loslösung (von) der Praxis

Wenn man Praxishandbücher konsultiert, um Näheres über den Journalismus herauszufinden,


dann stößt man nicht selten auf pathetische und diffus antiquiert wirkende Formulierungen,
die den individuellen Journalisten in den Rang einer gesellschaftskonstitutiven Macht erheben,
ohne die ein freiheitlich-demokratisches Zusammenleben nicht mehr möglich erscheint. Aus
der Perspektive der ‚Praktikerliteratur‘19 sind es offenbar einzelne Journalisten, die die Geschi-
cke der Gesellschaft in der Hand haben, wie das folgende Beispiel eindringlich zeigt:
„Wenn die demokratische Gesellschaft funktionieren soll, dann ist sie auf Journalisten angewiesen, die viel
können, die viel wissen und ein waches und nobles Bewußtsein für ihre Verantwortung besitzen. Nur dann
können sie ihrer zweifachen königlichen Aufgabe gerecht werden: durch den Dschungel der irdischen Ver-
hältnisse eine Schneise der Information zu schlagen – und den Inhabern der Macht auf die Finger zu se-
hen.“20

In Formulierung und Emphase derartiger Feststellungen schimmert eine Vorstellung journalis-


tisch-publizistischer Persönlichkeiten durch, deren Grundsteine vor über einem halben Jahr-
hundert in der Zeitungswissenschaft und in der normativen Publizistikwissenschaft von in die
Wissenschaft gewechselten Praktikern gelegt worden sind.21 Das Fach ist in der Bundesrepu-
blik nach dem Zweiten Weltkrieg als eine normative Wissenschaft etabliert worden, mit deren
Mitteln der publizistische Prozess nicht nur untersucht werden sollte, sondern die gleichsam
ein begriffliches Instrumentarium bereit zu stellen gewillt war, an dem sich publizistische
Leistungen zu messen hatten und auch gemessen werden sollten.22 Eine immanente Verknüp-
fung von ‚Beruf‘ und ‚Berufung‘ wurde vor dem Hintergrund der angenommenen ‚öffentlichen
Aufgabe‘ vorausgesetzt.23 Die frühe Publizistikwissenschaft strukturiert ihren Gegenstand
definitorisch; ihre Systematiken dienen der Aufgabe, implizite normative Ordnungen zu
stabilisieren und der Betrachtung publizistischer Äußerungen und Prozesse zugrunde zu legen.
Aus dieser Perspektive bestimmen der „Journalist als Persönlichkeit“, oder gar als „der Mann,
der diesen Beruf verkörpert“, das zentrale Forschungsinteresse.24
Bereits Mitte der 1960er Jahre aber entledigen sich zunächst die funktionale Publizistikwis-
senschaft und dann auch die junge Kommunikationswissenschaft weitgehend eines solchen
normativen Individualismus.25 Ein Verständnis von Journalismus, das von wenigen begabten,
autonomen und nur ihrem Gewissen verpflichteten publizistischen Persönlichkeiten ausgeht,
passt nicht zu den Bedingungen komplexer Medienbetriebe, in denen die vermeintliche Unab-
hängigkeit des Einzelnen vielfach verschränkten und abstrahierten Entscheidungsprozessen
gewichen ist, die oftmals außerhalb des Steuerungsvermögens einzelner Personen liegen.26

19 Diese Kategorie ist nicht trennscharf, sondern bezeichnet im Folgenden Bücher über Journalismus, die
entweder aus der Praxis heraus Praxis reflektieren oder aber sich als Handreichungen für die Praxis verstehen,
ohne primär wissenschaftlich fundiert zu sein.
20 Schneider/Raue 1998, S. 14
21 Vgl. für den Ansatz paradigmatisch: Dovifat 1962b und 1962c; Dovifat 1990a
22 Vgl. Dovifat 1964
23 Vgl. Dovifat 1990c, S. 65
24 Frankenfeld 1965, S. 337
25 Vgl. Prakke u.a. 1968; Dröge/Lerg 1965
26 Sogar Dovifat musste konstatieren, dass „Organisation […] der erste Schlüssel [ist], an die Massen heranzu-
kommen, ihr Wollen und Handeln zu bestimmen“ (Dovifat 1990e, S. 167) – ohne daraus aber Konsequenzen
für die Stellung des Individuums im publizistisch-journalistischen Prozess zu ziehen. Die hier bereits erkannte
Zäsur auch theoretisch wie analytisch tatsächlich auszuformulieren, blieb anderen vorbehalten, zunächst vor-
nehmlich den Mitarbeitern des Münsteraner Instituts für Publizistik, die bereits in den 1960er Jahren den
40 II Zur Verortung des Journalismus

Vor allem im Zuge der sozialwissenschaftlichen Weiterentwicklung des Faches beginnt seit
den 1960er Jahren die Kluft zwischen den Journalismus-Modellen in Praxis und Theorie zu
wachsen. Die emergierende Kommunikationswissenschaft setzt neben verstärkten empirischen
Anstrengungen vor allem auf funktionalistische Modellannahmen und Theorien, die zuneh-
mend eigenlogische Operationen unterstellen und in ihrer Abstraktion nur wenig Anschlüsse
für das Selbstverständnis der Praxis bieten.27 Eine Strategie, die in ihrer Fokussierung auf den
Funktionalismus durchaus mit der Entwicklung in der Soziologie der 1950er Jahre zu verglei-
chen ist, als sich vor allem in den USA die funktionalistische Methode etablierte.28 An die Stelle
der Frage nach dem ‚Sinn‘ und ‚Wesen‘ des Journalismus tritt auch in der Journalismusfor-
schung zunehmend das sozialwissenschaftlich geschulte und vom kritischen Rationalismus
angeleitete Streben nach möglichst präzisen Beschreibungen journalistischer ‚Wirklichkeit‘.29
Dagegen konserviert die Praxistheorie der Journalisten die ursprünglichen Annahmen zu
Aufgabe und Auftrag des Journalismus, die sich bis in die Debatten um die Pressefreiheit
zurückverfolgen lassen.30 Es besteht in der Praktiker-Literatur offensichtlich kein Anlass, die
wissenschaftliche Kurskorrektur im Verständnis des Journalismus mit zu vollziehen. Die
entsprechenden Handbücher müssen sich letztlich nicht mit den Beschreibungsdefiziten und
den analytischen Unzulänglichkeiten eines normativen Individualismus herumschlagen, da sie
sich nicht in einem strengen wissenschaftlichen Rahmen bewegen, sondern sie können sich auf
eine unter Journalisten bis heute weitgehend konsentierte Berufsideologie beziehen, die für den
Praxisgebrauch allemal auszureichen scheint. Mit diesem Vorgehen wächst die Kluft zwischen
dem Praktiker-Verständnis journalistischer Aufgaben und der wissenschaftlichen Beschreibung
journalistischen Handelns oder journalistischer Systeme. Zu Abstraktionsleistungen, wie sie
sich in wissenschaftlichen Beschreibungen des Journalismus als komplexes, kaum mehr von
Einzelnen zu steuerndes Gesamtsystem finden lassen, ist die Praktiker-Literatur weder willens
noch in der Lage – sie kann es auch gar nicht sein, wenn sie Handlungsanleitungen geben
will.31 Noch 1980 sahen Weischenberg und Weischenberg die bundesdeutschen Praxishandbü-

Grundstein für einen heute noch populären, und vom Individuum weitgehend abstrahierenden funktionalen
Ansatz gelegt haben, auf den zurückzukommen sein wird. Vgl. dazu ausführlich Hachmeister 1987.
27 Vgl. dazu z.B. Haller 2000a.
28 Vgl. Lepenies 1981, S. IVf.
29 Dieser Schritt zieht Probleme nach sich, auf die noch einzugehen sein wird. Vgl. z.B. die Kritik von Bohr-
mann/Sülzer 1973, Teichert/Renckstorff 1974, Aufermann 1976, Eurich 1977 oder Baum/Hachmeister 1982.
30 Vgl. Kieslich 1970; Wilke 1984b; Schneider 1966.
31 Dennoch hat sich auch in solchen Praxis-Handreichungen die Erkenntnis durchgesetzt, dass es eine ideale
journalistische Gesamt-Persönlichkeit nicht geben kann. Von LaRoche (1995, S. 17) schreibt in seiner viel gele-
senen ‚Einführung in den praktischen Journalismus‘: „Den Journalisten zu beschreiben ist in einer Zeit immer
stärkerer Arbeitsteilung nicht möglich. Wir können nur zusammenzählen, was Journalisten alles tun, damit am
Ende Informationen und Kommentare als fertige Produkte an die Öffentlichkeit gelangen.“ Der Umstand ei-
nes sich verändernden Journalismus wird zur Kenntnis genommen und auch als Problem begriffen – zumin-
dest in der Hinsicht, dass von holistischen Vorstellungen Abstand genommen wird. Zu Abstraktionen oder
auch nur zu Systematisierungen, die denen der wissenschaftlichen Analysen vergleichbar wären, führt diese
Einsicht aber nicht. Stattdessen werden in dem zitierten Praxis-Lehrbuch tatsächlich nur verschiedene Phäno-
mene ‚zusammengezählt‘: So beginnt die Darstellung der persönlichen Hilfsmittel bei „Terminkalender und
Adressenbuch“ (ebd., S. 55), und die praktizistische Anschaulichkeit des Buches gipfelt rund 100 Seiten später
in dem Kapitel „20 Wünsche des Redakteurs an einen neuen Mitarbeiter“ (ebd., S. 159ff.). Nur allzu deutlich
greift diese Form der Literatur in der Praxisbeschreibung zu kurz, indem sie bei konkretistischen Hinweisen
stehen bleibt, deren Repräsentativität und Nützlichkeit auf dem individuellen Erfahrungswissen des Autors be-
ruhen. An die Stelle einer in früheren Jahren konstruierten idealen Gesamtpersönlichkeit des Journalisten tritt
hier ein eklektizistisch zusammengetragenes Sammelsurium verschiedenster Angebote, die alle relevant sein
können, aber nicht näher gewichtet werden, und aus denen sich der einzelne Journalist das zusammensuchen
soll, was ihm in seiner Berufsausübung vermeintlich entgegenkommt.
1 Wissenschaft zur Verbesserung des Journalismus 41

cher für Journalisten auf dem Stand, der in den USA bereits 1910 erreicht worden war, als dort
erste Journalisten-Schulen etabliert waren.32 Abgesehen von wenigen Editionen oder Reihen,
die auf Basis wissenschaftlicher Konzepte entstanden sind33, können von diesem Urteil bis
heute kaum Abstriche gemacht werden.34
Hinsichtlich der Fragen nach ‚Sinn‘ und ‚Wesen‘ des Journalismus pflegt die journalistisch-
praktische Ratgeberliteratur aus der Sicht einer normativ entschlackten, empirisch-analytischen
Kommunikationswissenschaft nach wie vor eine tradiert bis antiquiert emphatische Sicht der
Dinge. Den lauten Klagen über die zunehmende Technisierung der Arbeit und über den
Verlust an individueller Autonomie unter den Journalisten wird hier weiter die Idee einer
öffentlichen Aufgabe des Journalismus entgegengehalten, die zu erfüllen die Bestimmung jedes
Journalisten sein sollte. Grundlage solcher Überlegungen sind zum einen eine simplifizierende
Handlungs-‚Theorie‘, die meistens rein akteursorientierte Prämissen aufstellt, und zum anderen aus
juristischen Urteilen destillierte Aufgabenkataloge.35
Daraus allerdings einseitig auf Defizite der Praktiker-Literatur zu schließen, greift zu kurz.
Deren Beharren auf tradierten, heute beinahe ideologisch wirkenden Einsichten ist schließlich
auch als eine Reaktion auf Entwicklungen in der wissenschaftlichen Literatur zu interpretieren,
die sich seit ihrer Hinwendung zur empirisch-analytischen Zergliederung ihres Forschungsge-
genstandes immer weniger um Verstehen als vielmehr um wertfreie Beschreibung sozialer
Regelmäßigkeiten zu kümmern scheint.36 Der vormals gegebene Zusammenhang eines Diskur-
ses zwischen Wissenschaft und Praxis37 wird auch dadurch zerschnitten, dass sich die wissen-
schaftliche Beschäftigung mit dem Journalismus hinsichtlich ihrer empirischen Methodik zwar
weiterentwickelt, sich aber gleichzeitig hinsichtlich normativ-praktischer Sinnfragen für nicht
mehr zuständig erklärt und diese an die Praxis selbst oder an eine als vorwissenschaftlich
erachtete Philosophie verweist.38
„Schaut man, worüber Journalistik-Dozenten forschen und publizieren, stößt man auf viele Themen, die für
den Journalismus von marginaler Bedeutung sind. Oder aber der Journalismus wird nur als abstraktes System
wahrgenommen.“39

Nur wenige Journalismusforscher verstehen wie Rager ihr Aufgabengebiet explizit „als eine Art
Forschungs- und Entwicklungsabteilung für die redaktionelle Praxis“, aus der heraus aktuelle

32 Vgl. Weischenberg/Weischenberg 1980, S. 253


33 Beispiele sind Pürer 1996, die Bände der Reihe „Praktischer Journalismus“ bei UVK (vgl. Mast 1994) oder
Weischenbergs Lehrbuch (vgl. Weischenberg 2001).
34 Vgl. Neuberger 2005, S. 9
35 Die daraus gezogenen Anmerkungen entsprechen einem Reflexionsniveau, das dem der frühen Zeitungs- und
Publizistikwissenschaft ähnelt. Deren tragende Akteure kamen ja zum großen Teil noch selbst aus der Praxis
und konnten dadurch einen engen Anschluss an das Selbstverständnis der Medienhandelnden bewahren. Dies
war zur Etablierung des Faches nicht unwichtig, entpuppte sich aber schon bald als Hindernis bei der weiteren
wissenschaftlichen Konzeptualisierung der Curricula und Forschungsfelder (vgl. dazu die frühe Kritik von
Stern-Rubarth 1965).
36 Vgl. die umfassende Kritik der Journalismusforschung in Baum 1994.
37 Dieser Zusammenhang zeigt sich z.B. in den Bemühungen von Journalisten- und Verlegerverbänden um die
Errichtung zeitungswissenschaftlicher Institute u.a. in Berlin und München in den 1920er Jahren.
38 Dies geht so weit, dass ein systemtheoretisch argumentierender Forscher wie Weischenberg (2005, S. 271) dem
Handlungstheoretiker Haller – wohlwollend, aber dennoch bezeichnend – attestiert, dieser „[…] denkt und
handelt immer noch und weiterhin wie ein Journalist“. Weischenberg bezieht sich dabei insbesondere kritisch
auf Hallers Appelle an die Theorie, gegenüber der Praxis weiterhin kommunikationsoffen zu sein. Dass eine
solche Perspektive keineswegs nur der Praxis zuzuordnen ist, sondern eine sozialwissenschaftliche Positionie-
rung aus eigenem Recht darstellt, soll hier noch näher erläutert werden.
39 Neuberger 2005, S. 9
42 II Zur Verortung des Journalismus

empirische Erkenntnisse in Ausbildung und Praxis – keinesfalls unkritisch – eingespeist


werden.40 In der Regel aber bleibt der Praxis nur ein überholter Begriffsapparat, dessen letzter
‚Kontakt‘ mit wissenschaftlichen Erörterungen zum Teil Jahrzehnte zurückliegt, um die ihr
überlassenen normativen Fragen zu bearbeiten. Mit der zunehmenden Ausdifferenzierung
einer eigenständigen wissenschaftlichen Betrachtung des Journalismus haben sich die sozial-
wissenschaftlichen Theorien von Common-Sense-Theorien der Laien und Arbeitstheorien der
Praktiker entkoppelt.41 Es sind vor allem die durch Abstraktion erreichten generalisierenden
Hypothesen, die wissenschaftliche Theorien von den nicht verallgemeinerungsfähigen Arbeits-
theorien unterscheiden. Journalismusforscher distanzieren sich daher von den Annahmen, die
Praktiker aus eigener Praxis, Erfahrung und ‚Anschauung‘ gewonnen haben. Journalistische
Praktiker, so Rühl, behandelten spezifische journalistische Einzelfallprobleme „wie ein einheit-
liches gegebenes Ganzes“, reflektierten in der Regel begriffsrealistisch und unterstellten so
ihren Begriffen und Konzeptionen, „unmittelbare Spiegelbilder journalistischer Wirklichkeit“
zu sein; während die die von einem Sozialwissenschaftler beschriebenen Probleme des Journa-
lismus – so der kritisch rational geschulte Hinweis von Vertretern des Forschungs-
Mainstreams – „ausdrücklich hypothetisch“ und vorläufig seien 42 Wissenschaft könne deshalb
auch keine Antworten auf Praxisfragen geben, da sie sich mit ihren Konstruktionen und
Objektivationen sozialer Zusammenhänge in einem ganz anderen Beziehungsgeflecht bewege.
Eine derartige Einstellung zum Wissenschafts-Praxis-Verhältnis muss beinahe zwangsläufig
dazu führen, dass ein Abgleich zwischen wissenschaftlicher Theorie und praktischer Arbeits-
theorie nicht mehr möglich ist. Beide systematisierenden Formen der Realitätsbeschreibung
ko-existieren, scheinbar ohne dass sie aufeinander Bezug nehmen können.43
Ein zusätzliches Verständigungshindernis ist der hypothetische, auf Wahrscheinlichkeits-
annahmen beruhende Charakter wissenschaftlicher Aussagen, der zu Missverständnissen
zwischen Journalismus und Wissenschaft führen kann44: Ignoriert die Praxis den hypotheti-
schen Charakter wissenschaftlicher Aussagen, dann können diese ungerechtfertigt autoritativ
erscheinen. Nimmt sie den hypothetischen Charakter aber zur Kenntnis, dann besteht im
Gegenzug die Gefahr, dass wissenschaftliche Forschungsergebnisse und theoretische Annah-
men als wenig konkret und aufgrund ihrer grundsätzlichen Falsifizierbarkeit kaum brauchbar
erscheinen. Baum und Hachmeister konstatieren, dass Vertreter der deutschen Kommunikati-
onswissenschaft wissenschaftsextern dazu neigen, entweder ihre Ergebnisse weit über Wert zu
verkaufen oder aber die eigenen Aussagen so weit zu relativieren, dass sie dem Außenstehen-
den nur noch als irrelevant erscheinen können.45 Die Kluft zwischen Theorie und Praxis wird
wohl weder durch die eine noch die andere Strategie kleiner.
Darüber hinaus belastet die seit Jahrzehnten gepflegte Distanz der Journalismusforschung
gegenüber den normativen Selbstansprüchen des Journalismus das Verhältnis. Schon die frühe
Zeitungswissenschaft stand einem aufklärerischen Anspruch journalistischer Tätigkeit mindes-
tens skeptisch, wenn nicht ablehnend gegenüber. Diese Position findet sich in der öffentlichen
ebenso wie in der kommunikationswissenschaftlichen Debatte bis heute in dem zum Teil
ideologisierten Dogma, dass Journalisten neutrale Nachrichtenübermittler zu sein hätten –
ohne eigenen Willen oder eigene Absichten. Funktionalistische oder systemtheoretische

40 Rager/Rinsdorf 2002a, S. 44
41 Vgl. zu dieser Unterscheidung zwischen unterschiedlichen Theorieverständnissen Rühl 2000, S. 65.
42 Ebd., S. 66f.
43 Vgl. für ein solches Verständnis der sozialwissenschaftlichen Forschung grundsätzlich: Luhmann 1981c.
44 Vgl. dazu Kepplinger 2000, S. 83
45 Vgl. Baum/Hachmeister 1982, S. 211
1 Wissenschaft zur Verbesserung des Journalismus 43

Entwürfe gehen an einem darüber hinausreichenden Potenzial des Journalismus, das in Kom-
munikation, Verständigung und kommunikativer Handlungskoordinierung begründet werden
könnte, sogar schon auf konzeptioneller Ebene vorbei, indem sie sich auf zweckrational-
instrumentelle Denkfiguren zu seiner Beschreibung stützen. Baum kritisiert in diesem Zusam-
menhang eine „normative Entkernung des Journalismus durch die Wissenschaft“.46
Angesichts der unterschiedlichen Prämissen und des unterschiedlichen Zugriffs auf die
‚Wirklichkeit‘ des Journalismus ist zwischen den Vertretern der Kommunikationswissenschaft
und den journalistischen Praktikern bislang weder ein konstruktiver Dialog über die Situation
des Journalismus geschweige denn über seine Verbesserung zustande gekommen. Immerhin:
In den Bereichen der Redaktionsforschung47, der Qualitätssicherung48 und der Rezeptionsfor-
schung49 werden vereinzelt wissenschaftliche Forschungsergebnisse mit Blick auf praktische
‚Verwertung‘ angeboten und von Praktikern zur Kenntnis genommen.
Doch weitgehend kennzeichnet Sprachlosigkeit in Folge der beschriebenen unterschiedli-
chen Erwartungen und Selbstverständnisse das Verhältnis zwischen den zwei sozialen Grup-
pen, die eigentlich als prädestinierte Kommunikationsexperten zu gelten hätten. In den bereits
erwähnten wissenschaftsfernen Praxis-Handbüchern, die direkte Wege in den Journalismus
bereiten wollen, schlägt sich eine demonstrative Wissenschaftsfeindlichkeit zum Beispiel in
Ratschlägen an Studierende nieder, doch besser Seminare und Vorlesungen regelmäßig für vier
bis acht Wochen im Semester auszulassen, um Praktika zu absolvieren. Ein derart praktizisti-
sches Vademecum, verfasst von einem Journalistenausbilder und einem ehemaligen Chefredak-
teur, gipfelt gar in bedenkenswerten Merksätzen wie dem folgenden:
„Je größer die Distanz zur akademischen Welt auch während des Studiums bleibt, um so höher sind nachher
die Chancen, im Journalismus Karriere zu machen.“50

Die Journalismusforschung muss offensichtlich eine breite Kluft überbrücken, bevor ihr der
explizit angestrebte Dialog mit der journalistischen Praxis gelingen kann. Notwendig dazu ist
ein von der Journalistik zu entwickelndes theoretisches Journalismusverständnis, das Praxis
und Theorie in einen inneren Zusammenhang zueinander setzt und das daher in der Lage ist,
sowohl seine wissenschaftliche als auch seine praktische Relevanz zu explizieren.

46 Baum 2005b, S. 7
47 Vgl. z.B. Rager/Rinsdorf 2002b; Altmeppen 1999; Meckel 1999; Moss 1998; Rager/Werner/Weber 1992.
48 Vgl. die Beiträge in Fasel 2005; Bucher/Altmeppen 2003; sowie u.a. Rager 2000; 1994; Haller 2000b; Wallisch
1995; Ruß-Mohl 1994.
49 Vgl. für eine aktuelle Bestandsaufnahme dieses Spannungsfeldes: Hohlfeld 2002; 2003. Selbst dort sind die
Vorbehalte noch immer groß und kulminieren bisweilen in blanker Ablehnung, wie die folgende Aussage eines
Zeitschriftenredakteurs eindringlich belegt: „Wir testen einfach nicht. Wir testen weder Hefte noch Werbekam-
pagnen. Und das ist auch gut so, weil wir […] einen Chefredakteur haben, der vor allem ein Forschungsinstru-
ment kennt, einen Bauch, auf dessen Gefühl man sich verlassen kann.“ (Ruzas 2002, S. 207) Dass es dann doch
bessere Erhebungsmethoden gibt und dass auch bei weitem nicht alle Journalisten derart ignorant gegenüber
sozialempirischer Hilfestellung bei der Publikumsanalyse sind, ist heutzutage überzeugend darzulegen. Aber
dennoch bleibt das Bild ein zwiespältiges: Ganz offensichtlich sind die Potenziale der Journalismus- und Me-
dienforschung in der Praxis immer noch nicht zur Gänze angekommen. Noch immer nutzen und akzeptieren
Journalisten die Möglichkeiten der wissenschaftlichen Erforschung ihrer Tätigkeit und ihrer Ansprechpartner
nur selektiv, noch immer sind Publikums- und Produktanalyse mit dem vermeintlichen Makel der rein strategi-
schen Absatzoptimierung behaftet.
50 Schneider/Raue 1998, S. 279
44 II Zur Verortung des Journalismus

1.2 Wurzeln der Journalistik

Die Idee der Integration von Theorie und Praxis und der damit einhergehenden Verbesserung
der Praxis durch wissenschaftliche Ausbildung liegt der Journalistik von Anfang an zugrunde.
Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts taucht der Begriff ‚Journalistik‘ im deutschen Sprach-
raum als Bezeichnung einer eigenständigen Wissenschaft auf.51 Den Anfang macht Wrede in
seinem ‚Handbuch der Journalistik‘, dessen erste Auflage 1902 erschienen ist. Nach eigenem
Bekunden strebt der Herausgeber danach, „[…] die Journalistik zu einer Wissenschaft zu
erheben […]“.52 Er unterbreitet gleich eine Reihe möglicher Definitionsvorschläge für den
zwar bereit gestellten, aber noch inhaltlich zu füllenden Begriff. Wahlweise schlägt er vor, unter
Journalistik
• „die Gesamtheit der im Zeitungswesen zur Verwendung kommenden Wissenschaften und
die Kunstlehre, diese in zweckmäßiger Art anzuwenden“ zu verstehen oder aber auch
• „die Lehre von dem Zeitungswesen als einem besonderen Komplex des öffentlichen
Geisteslebens“ oder schließlich
• „eine Lehre von der Grundlage und den Mitteln des Zeitungswesens“.53
Wrede zählt diese Journalistik zu den Geisteswissenschaften oder zu den „Wissenschaften vom
Volksleben“, d.h. zum Komplex der Gesellschafts-, Staats-, Rechts- und Wirtschaftswissen-
schaften, deren Objekte das „menschliche gesellschaftliche Zusammenleben und die dazu
gehörige Einzelerscheinung“ sind.54 Schon in diesem frühen Versuch eines Lehrbuchs steht die
Verbindung von Theorie und Praxis im Mittelpunkt des editorischen Interesses. Wrede plädiert
für eine gründliche Ausbildung künftiger Journalisten an einer eigenen ‚Fachschule für Journa-
listen‘, an der theoretische Seminare mit praktischen Übungen verbunden werden sollten.
Lehrredaktionen sollen seiner Ansicht nach die praktische Ausbildung durch das Volontariat in
der Redaktion ersetzen.55
Nach Wredes Lehrbuch wird zunächst kein vergleichbares Plädoyer für den Begriff ‚Jour-
nalistik‘ publiziert. Der Begriff taucht zwar auf, aber Schriften wie Junkers ‚Grundriß der
Journalistik‘56 boten lediglich frühe praktizistische Beschreibungen und keine wissenschaftliche
Systematisierung. Dennoch setzt sich in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts an
einigen Hochschulen in Deutschland – zunächst in Heidelberg unter Koch und dann vor allem
ab 1916 in Leipzig unter Bücher – die Idee einer hochschulgebundenen Journalistenausbildung
zunehmend durch.57 Auch angesichts der Entwicklungen an den Hochschulen findet sich in

51 Vgl. Weischenberg 1992a, S. 13: „Den Terminus ‚Journalistik‘ gibt es schon wesentlich länger als die Studien-
gänge der hochschulgebundenen Journalistenausbildung in Deutschland, die sich so nennen. Seine Geschichte
im 19. und 20. Jahrhundert gehört zum Teil zur Fachgeschichte der Zeitungs- bzw. Kommunikationswissen-
schaft. Doch erst in den letzten Jahren ist versucht worden, Beiträge zur näheren Identifizierung von ‚Journalis-
tik‘ als wissenschaftlichem System zu leisten: ein ‚Paradigma Journalistik‘ zu beschreiben und somit den wissen-
schaftlichen Orientierungskomplex, den das Fach bildet, über bestimmte Strukturen abzugrenzen. Konsensfä-
hig war ohne größere Probleme, daß es sich dabei um die Wissenschaft vom Journalismus und die Anwendung
ihrer Erkenntnisse auf die journalistische Praxis handelt, und zwar vor allem als Journalistenausbildung.“ Nicht
weiter eingegangen werden soll hier auf den gänzlich anders gelagerten Versuch, ‚Journalistik‘ als professionelle
Medienrhetorik zu definieren (vgl. Nickl 1987).
52 Wrede 1906b, o.S.
53 Wrede 1906c, S. 4
54 Ebd., S. 4f.
55 Vgl. Wrede 1906d, S. 13ff.
56 Junker 1915
57 Vgl. dazu zusammenfassend Meyen/Löblich 2006; vom Bruch 1980; einzelne biographische Studien zu den
Pionieren des Fachs in Deutschland finden sich in vom Bruch/Roegele 1986. Der Anstoß für derartige Initiati-
1 Wissenschaft zur Verbesserung des Journalismus 45

den 1920er Jahren der Begriff der ‚Journalistik‘ im wissenschaftlichen Kontext wieder – wenn
auch nur als ergänzende Fachbezeichnung: in Jägers ‚Zeitungswissenschaft (Journalistik)‘58 und
in Groths ‚Die Zeitung. Ein System der Zeitungskunde (Journalistik)‘59. Jäger ordnet den
Begriff der ‚Journalistik‘ dem der ‚Zeitungswissenschaft‘ zwar nach, ein Blick in die von ihm
entworfenen Lehrpläne für Journalistik zeigt aber deutlich, dass diese die Zeitungswissenschaft
als einen Bestandteil neben verschiedenen Formen der Ausbildung in Fragen des Sachwissens
umfassen.60 Auch Jäger stützt seinen offenbar eher wissenschaftspolitisch motivierten Entwurf
auf ein vehementes Plädoyer für eine systematisierte und wissenschaftlich basierte Ausbildung
künftiger Journalisten. Groth hingegen verwendete den Begriff ‚Journalistik‘ zunächst weitge-
hend synonym mit ‚Journalismus‘.61 Allerdings kann sein vierbändiges Werk als Entwurf einer
Journalistik-Theorie begriffen werden, die eine Geschichte des Zeitungswesens umfasst und
sich systematisch mit dem Begriff der Zeitung als Kulturleistung und ihren sozialen wie
kulturellen Verschränkungen beschäftigt.62 Durchsetzen konnte sich die Bezeichnung Journa-
listik zunächst nicht: Der Begriff ‚Zeitungswissenschaft‘ dominierte während des NS-Regimes63
und wurde in der Nachkriegs-Bundesrepublik zunächst durch die Publizistik- und später durch
die Kommunikationswissenschaft abgelöst.64
Einzig in der ehemaligen DDR fand die Journalisten-Ausbildung zentral an der Sektion
Journalistik der Karl-Marx-Universität Leipzig ihren Platz.65 Als „Zweig der marxistisch-
leninistischen Gesellschaftslehre“ basierte das Fach dort gänzlich auf den Annahmen des
historischen und des dialektischen Materialismus und war als „Wissenschaft von den Gesetz-

ven ging im Übrigen nicht selten von den Berufsverbänden der Presse aus, die durch bessere Ausbildung auch
eine Statusverbesserung erhofften. Gleichzeitig aber sahen sich nicht alle Universitäten in der Lage, eine Zei-
tungskunde oder -wissenschaft auch mit ausbilderischem Praxisbezug in das Lehrangebot zu integrieren, wie
das Beispiel der Münchner Zeitungswissenschaft zeigt (vgl. Roegele 1974/75). Jäger (1926a) nennt in einem
Überblick über universitäre Studienpläne für Journalisten lediglich die Hochschulstandorte Zürich (1902; 1911;
1922), Bern (1903), Heidelberg (1909), Leipzig (1916) und Lille (1924). Hier findet Journalistenausbildung statt,
während sich an anderen Orten in den 1920er Jahren, wie dem Berliner Institut für Zeitungskunde unter Martin
Mohr, lediglich allgemeine zeitungshistorische oder -wissenschaftliche Seminare finden lassen.
58 Jäger 1926b
59 Groth 1928-1930, 4 Bde. Groth (1948) zeichnet auch verantwortlich für die erste umfassende Fachgeschichte.
60 Vgl. Jäger 1926b, S. 23ff.
61 Vgl. Groth 1928, S. 108
62 Vgl. für diese Interpretation des Werks von Groth: Weischenberg 1992a, S. 15. Erst in seinem zwischen 1960
und 1972 publizierten, siebenbändigen opus magnum ‚Die unerkannte Kulturmacht‘ begreift Groth die Journa-
listik durchgängig als eine Teildisziplin im Rahmen der von ihm propagierten Wissenschaft ‚Periodik‘: „Der
Gegenstand der Periodik ist ein Kulturwerk, das der Vermittlung gewisser Idealgüter; sie untersucht die zu
vermittelnden Güter nach den Quantitäten der Universalität und Aktualität und deren Vermittlung nach den
Quantitäten der Periodizität und Publizität. Damit sind die Grenzen der Periodik mit aller notwendigen Deut-
lichkeit abgesteckt, ist ihren Untersuchungen die Richtung vorgeschrieben: Nach jenen vier quantitativen
Merkmalen hat sie zu fragen und sie theoretisch und geschichtlich, dogmatisch und technologisch zu erfor-
schen. Von ihnen aus hat sie alles zu erforschen, was mit ihnen zusammenhängt. Alles, was sie beeinflußt oder
von ihr beeinflußt wird, fällt in das Bereich [sic!] der Periodik, mag es physisch oder psychisch, sozial oder kul-
turell, quantitativ oder qualitativ sein.“ (Groth 1960, S. 631) Groth stellt hier fest, dass eine alleinige Wissen-
schaft ‚Journalistik‘ aufgrund des Bedeutungswandels des ihr zugrunde liegenden Wortes ‚Journal‘ nicht mehr
möglich sei. Auch die Abgrenzung von der Praxis im Alltagssprachlichen sei bislang kaum geglückt. Er schlägt
aber noch 1960 vor, den Namen Journalistik für die „spezielle wissenschaftliche Erforschung der Zeitung“ bei-
zubehalten (vgl. Groth 1960, S. 626). Diese systematische Anregung – über deren Sinn man rückblickend si-
cherlich kritisch diskutieren könnte – sollte sich aber ebenso wenig durchsetzen, wie so viele andere theoreti-
sche und systematische Vorschläge, die Groth hinterlassen hat. (siehe Kapitel III.4)
63 Vgl. Münster 1935
64 Vgl. für einen umfassenden fachgeschichtlichen Überblick Hachmeister 1987.
65 Eine eingehende Analyse der Leipziger Journalistik hat Blaum (1985) vorgelegt.
46 II Zur Verortung des Journalismus

mäßigkeiten der Entstehung und der Entwicklung der Presse (und auch des Rundfunks, des
Fernsehens und der filmischen Publizistik) und ihrer Funktionen und der Gesetzmäßigkeiten
ihrer Wirkungsweise“ konzipiert.66 Im Vergleich zur Situation in der Bundesrepublik erfuhr die
Journalistik damit in der DDR früh institutionelle Anerkennung. Neben den Schriften der in
Leipzig Lehrenden67 erschienen in den 1960er Jahren zwei Jahrgänge einer „Zeitschrift für
Journalistik“, die von der Leipziger Sektion herausgegeben wurde. Hinzu kam ein umfassendes
Angebot an Studienbriefen, die dem Fernstudium dienen sollten. Die relative Konjunktur der
Journalistik in der DDR war auch bedingt durch die Koppelung des Faches an Staatsinteres-
sen. Im ‚Wörterbuch der sozialistischen Journalistik‘ wurde die Disziplin wie folgt beschrieben:
„Marxistisch-leninistische Gesellschaftswissenschaft, die den Journalismus als Erscheinung des ideologischen
Klassenkampfes und als geistig-praktische Tätigkeit untersucht. Ihre besondere Aufmerksamkeit gilt dem so-
zialistischen Journalismus als einem Führungs- und Kampfinstrument der Arbeiterklasse beim Aufbau des
Sozialismus und im ideologischen Kampf gegen den Kapitalismus. Sie liefert die theoretischen Grundlagen
für die Beherrschung und Weiterentwicklung dieses Instruments.“68

Auch der Nestor der DDR-Journalistik, Budzislawski, begründet die enge Anbindung der
Leipziger Journalistik an den ideologischen Überbau des Systems aus der Bedeutung der Presse
im Klassenkampf, in dem sich weder Journalismus noch Gesellschaftswissenschaften neutral
verhalten könnten, sondern sich in den Dienst der Durchsetzung eines objektiv feststellbaren
Klasseninteresses zu stellen hätten.69 Aus dieser Sichtweise war es den Leipziger Forschern
nicht möglich, aus den bereits etablierten Ansätzen der Publizistikwissenschaft und der neuen
US-amerikanischen ‚mass communication research‘ einen eigenen Ansatz weiterzuentwickeln,
wie es im Westen geschehen ist. Sie haben sich vielmehr nach eigenem Verständnis ein Fach-
Fundament erarbeiten müssen, das mit seiner Perspektive tatsächlich einen ganz eigenen Weg
aufzeigt: Die Presse und ihre jüngeren medialen Ergänzungen sind von der sozialistischen
Journalistik als „Erscheinungsformen und Instrumente bestimmter gesellschaftlicher Kräfte
und Bewegungen, Instrumente des Klassenkampfes“ aufgefasst worden.70 Mit den späteren
‚bürgerlichen‘ Entwürfen gemeinsam hatte auch diese Journalistik ihren Bezug zur Praxis –
aufgrund der gesellschaftstheoretischen Ideologisierung war dies allerdings weniger direkt die
Praxis des Journalismus als vielmehr die Rolle des Journalismus in der Praxis des Klassenkampfes:
„Wie das Fach ‚Politische Ökonomie‘ dem wirtschaftlichen Aufbau des Sozialismus dient, dabei aber Teil der
gesamten marxistisch-leninistischen Gesellschaftswissenschaft bleibt, so ist es der Auftrag der Journalistik,
ideologisch zum Sieg des Sozialismus beizutragen, also eine aktive Rolle zu spielen, und dem Journalisten
nicht nur die Funktion des Chronisten oder des historischen Betrachters zuzuweisen.“71

Presse- und Rundfunkanalyse ist in der sozialistischen Journalistik damit nur im Rahmen einer
spezifischen Form der Gesellschaftsanalyse möglich gewesen. Erst die Wechselbeziehungen
journalistischer Arbeit zu den historischen Entwicklungen und den sozioökonomischen
Zuständen der Gegenwart versprachen Aufschlüsse über Rolle und Leistung des Journalismus
in der Durchsetzung der klassenlosen, sozialistischen Gesellschaft. Da dieses Wissen über den
Journalismus durch Ausbildungsleistungen wieder in Praxis umzusetzen war, entstanden enge

66 Redaktionskollegium 1961, S. 3f.


67 Vgl. Dusiska u.a. 1979; Walther 1968; Budzislawski 1966.
68 Dusiska u.a. 1979, S. 116f.
69 Vgl. Budzislawski 1966
70 Ebd., S. 45
71 Ebd., S. 46. Diese Perspektive ist durchaus auch vergleichbar zu der im Westen propagierten Publizistik der
Tat. Vgl. z.B. Haacke 1970, S. 455.
1 Wissenschaft zur Verbesserung des Journalismus 47

Verbindungen der Leipziger Sektion zur journalistischen Praxis. Die Wissenschaft sollte dazu
beitragen, dass sich eine revolutionäre und sozialistische Presse in Einheit und Einklang mit
der marxistisch-leninistischen Arbeiterpartei entwickelt, dass die Partei die Presseentwicklung
steuern kann und dass sich Journalisten als Parteifunktionäre begreifen und entsprechend ihre
Tätigkeit ausfüllen.72
Als in den 1970er Jahren auch in der Bundesrepublik eine hochschulgebundene Journalis-
tenausbildung zum Thema wurde, wurde der Name Journalistik trotz des zeitweiligen Ab-
bruchs der Begriffstradition „wie selbstverständlich“ wieder verwendet.73 Damals kam es zur
Etablierung mehrerer Journalistik-Institute in Westdeutschland.74 Eingebettet waren diese
Fachgründungen in eine Debatte über die Notwendigkeit und die Formen einer wissenschaft-
lich gestützten Ausbildung für Journalisten, die über das von einigen als „technokratisches
Konditionstraining”75 verschmähte ‚learning on the job‘ im Volontariat hinausführen sollte.76
Sätze wie: „Einem, der’s kann, über die Schulter zu blicken – das galt schon immer als die hohe
Schule des Journalismus“77 zeigen exemplarisch, mit welchem ideologischen Ballast auf Prakti-
kerseite die junge Journalistik konfrontiert war. Trotzdem sollte sie als „Brückenkopf zwischen
Kommunikationswissenschaft und journalistischer Praxis“78 wissenschaftliche Journalismus-
forschung mit einem gezielten Einwirken auf eine zu verbessernde Praxis verbinden.
Rager führt die Revitalisierung der in Westdeutschland jahrelang vernachlässigten Ausbil-
dungsdebatte auch darauf zurück, dass bereits zum Ende des vorangegangenen Jahrzehnts
durch die Ideologiekritik der „68er“ der politische Konsens der Bundesrepublik ‚brüchig‘
geworden war und daher auch die Kriterien der Nachrichtenselektion und -präsentation
zunehmend Gegenstand öffentlicher Erörterung wurden.79 Lange Jahre war die empirische
Journalismusforschung nur wenig gepflegt worden; erst in den späten 1960er und frühen
1970er Jahren setzte ein Forschungs-Boom in diesem Feld ein, der ganz offenkundig als Folge
des gewachsenen gesellschaftlichen Interesses am Journalismus sowie seiner Aufgabe und
seiner Funktionsweise zu betrachten ist.80 Aus der Beobachtung der gesellschaftlichen Verän-
derungen erwuchs damals das Bewusstsein, dass eine derart demokratiekonstitutive Aufgabe
wie der Journalismus angemessen ausgeübt werden muss und daher die Protagonisten über
eine hinreichende Ausbildung für ihre Tätigkeit verfügen sollten. Die zentralen Argumente der
damaligen Debatte fasst Rager zusammen:
• „Das Problem der Ausbildung für journalistische Berufe ist ein Problem der Gesamtgesellschaft.
• Der nicht an Ausbildungskriterien gebundene Zugang zu den verschiedenen journalistischen Berufen hat
die berufliche Mobilität und Unabhängigkeit der Journalisten beeinträchtigt. Die uneinheitliche und oft
geringe (schulische und/oder universitäre) Vorbildung und die meist einseitige berufliche Ausbildung
vieler heute im Journalismus Tätigen beeinträchtigen das demokratische Funktionieren der Massenme-
dien.

72 Diese Ziele formuliert Budzislawski (1962, S. 44) in einem programmatischen Aufsatz über die Journalistik als
Essentials eines sozialistischen Journalismus. Der Theorie-Praxis-Bezug ist innerhalb des totalitären Regimes
der DDR niemals streitig gewesen. Ein Blick in die Leipziger Publikationen bis 1989 zeigt deutlich, dass sich
Wissenschaft den politisch-ideologischen Prämissen unterordnete (vgl. Blaum 1985).
73 Weischenberg 1990a, S. 47
74 Vgl. Weischenberg 1992a, S. 20f.; Löffelholz 1990
75 Pätzold 1975, S. 128
76 Diese Debatte ist ausführlich dokumentiert in Heft 3-4/1-2 1974/1975 der Fachzeitschrift Publizistik.
77 Meyer/Frohner 1992, S. 1
78 Ruß-Mohl 1985, S. 265
79 Vgl. Rager 1978; zur Problematik der Nachrichtenobjektivität weitergehend: Rager 1973.
80 Vgl. Böckelmann 1993, S. 37
48 II Zur Verortung des Journalismus

• Die vielfältigen Aufgaben der journalistisch Tätigen machen in der demokratischen Gesellschaft eine
Verbesserung der beruflichen Aus- und Fortbildung notwendig.
• Aus berufspraktischen und gesellschaftspolitischen Gründen ist für Kommunikationsberufe eine wissen-
schaftliche Bildung unerläßlich.
• Ein breiteres Angebot an Bildungsmöglichkeiten und eine weitgehende Akademisierung der Journalis-
tenausbildung sollte den Berufszweig nicht reglementieren.“81

Darüber hinaus machten auch die steigende gesellschaftliche Komplexität und der Ausbau der
Öffentlichkeitsarbeit bei Verbänden und Behörden aus damaliger Sicht eine „Verbesserung“
des Journalismus durch „eine ‚bessere‘ Ausrüstung der Person des Journalisten“ notwendig.82
Journalismus müsse sich kontinuierlich einer komplexer werdenden Umwelt anpassen, um
noch angemessen über politische, wirtschaftliche oder gesellschaftliche Belange berichten zu
können. Diese Anpassungsleistung könne organisatorisch durch zunehmende Binnendifferen-
zierung der Medienproduktion und individuell durch „Steigerung der Leistungsfähigkeit des einzel-
nen Journalisten, also durch mehr und bessere Journalistenausbildung“83 geleistet werden, führt
Ruß-Mohl aus. Zumindest für letzteres reichten Marktmechanismen alleine nicht, sondern war
gesellschaftliche – und im Besonderen universitäre84 – Verantwortungsübernahme notwendig.
Um auf diesen Befund angemessen zu reagieren, musste universitäres Neuland betreten
werden: Während in den USA eine wissenschaftliche Journalistenausbildung schon seit Jahr-
zehnten etabliert war, führten die in Deutschland üblichen Studiengänge der Kommunikati-
onswissenschaft in der Regel nicht systematisch in den Journalismus ein, sondern legten ihr
Hauptaugenmerk auf die sozialwissenschaftlich-empirische Erforschung der Massenkommuni-
kation.85 In Abgrenzung zu diesen Zweigen strebt die Journalistik nicht nur als Wissenschaft
vom Journalismus nach Erkenntnissen über ihren Untersuchungsgegenstand, sondern auch
nach Operationalisierungen dieser Erkenntnisse für die Praxis. Journalistik ist nicht nur empiri-
sche Journalismusforschung und Journalismustheorie, sondern beansprucht – wie bereits
einleitend konstatiert – auch einen Ausbildungsauftrag, durch dessen Erfüllung sich Qualität
und Funktionalität des Journalismus in der Praxis verbessern sollen.
Saxer hat diesen Zusammenhang der Ausbildungsfrage mit der inhaltlichen Informations-
qualität in einer modernen Massendemokratie bereits in den 1970er Jahren in einem viel
zitierten Aufsatz zu Funktionalität und Dysfunktionalität von akademischer Journalisten-
Ausbildung betont und für die konsequente Einbettung der Ausbildungsfrage in einen gesell-
schaftlichen und politischen Gesamtzusammenhang plädiert:
„Angelpunkt der ganzen Betrachtung ist die manifeste Hauptfunktion journalistischer Aus- und Fortbildung.
Als diese kann die Befähigung ihrer Absolventen zur Produktion bzw. Produktionskontrolle systemgerechter
publizistischer Aussagen bezeichnet werden. Systemgerecht ist Publizistik in demokratischen Gesellschaften
dann, wenn sie auf ihre publizistische Institution bzw. auf ihr Medium, ihr Publikum, auf die jeweilige Publi-
kationsmaterie und auf die ideellen Grundvoraussetzungen von Demokratie abgestimmt ist. Für eine so defi-
nierte journalistische Aus- und Fortbildung sind offenbar die Vermittlung und der Erwerb entsprechender
Einstellungen ebenso wichtig wie der Erwerb von Fertigkeiten.“86

81 Rager 1978, S. 29f.


82 Ebd., S. 31
83 Ruß-Mohl 1987, S. 6
84 Bis heute wird vorgeschlagen, „[…] Journalistik mit ihrem relativ hohen Lehr- und Betreuungsbedarf, der stark
handwerklichen Komponente und den erforderlichen vielfältigen technischen Lehrmittel (elektronische Redak-
tionen für Print, Radio und Fernsehen) eher an einer Fachhochschule anzusiedeln“ (Bohrmann 1999, S. 112).
85 Vgl. Knoll 1974/1975, S. 242
86 Saxer 1974/1975, S. 281
1 Wissenschaft zur Verbesserung des Journalismus 49

Einzig zu befriedigen seien diese Ansprüche durch eine Kombination von Volontariat und
Fachstudium, in der sowohl die für die Praxis notwendigen technisch-instrumentellen Fähig-
keiten vermittelt werden, als auch mit akademischen Mitteln eine Reflexion des Berufsbildes
möglich ist.87 Diesen Weg haben die meisten Journalistik-Institute beschritten.88 Strikt wendet
sich Saxer hingegen gegen eine rein verwissenschaftlichte Ausbildung, die seiner Ansicht nach
allzu oft an den berechtigten Erwartungen der Praxis vorbeigehe und statt dessen ideologisch
und interessengerichtet sei; er greift in diesem Zusammenhang vor allem den von kritischen
Ansprüchen getragenen Fachtypus der Kommunikationswissenschaft mit „seinen exorbitanten
Autonomieansprüchen, seiner Verlegerfeindlichkeit oder seiner Praxisferne“89 scharf an. Diese
pointierte und durchaus umstrittene Sichtweise zeigt den latenten internen Konflikt auf, in
dem sich die praxisorientierte Journalistik immer befindet und den Blöbaum wie folgt fasst:
„Ist Integration von Theorie und Praxis das Ziel von Journalistenausbildung an der Hochschule, dann ist die
Journalistik in einem ständigen Zielkonflikt: Sollen Journalisten gut ausgebildet werden, um im Beruf rei-
bungslos bestehen zu können? Oder sollen Journalisten gut ausgebildet werden, damit darüber der Journalis-
mus der Gesellschaft besser werde?“90

Diese Fragen verdeutlichen, dass der Begriff der Praxis allein noch zu unscharf ist, um die
Aufgaben der Journalistik näherungsweise zu beschreiben. Er ist vor allem nicht näher dahin
spezifiziert, ob mit ihm Aspekte der beruflichen Arbeit oder eben auch darüber hinaus gehen-
de Aspekte kommunikativer Interaktion gemeint sind. Je nach dem gewählten Referenzpunkt
kommt eine journalistikwissenschaftliche Journalistenausbildung zu je verschiedenen Praxis-
modellen. Daher lassen sich auch Saxers – explizit auf Systemkonformität zielende – Überle-
gungen zu einem funktionalen Journalismus und der entsprechenden Ausbildung kritisieren:
Dadurch wird dem Journalisten die Rolle eines „Widerspruch-Katalysators“91 zugewiesen, der
zwar sachverständig einen Ausgleich zwischen den gesellschaftlichen Interessen herbeiführen
soll, ohne aber zugleich auch die Produktionsbedingungen seiner Arbeit zu reflektieren.
Dass aber eine nicht nur demokratiepolitische, sondern auch politökonomische Analyse als
Bestandteil der Journalistenausbildung notwendig ist, bekräftigen Vertreter einer gesellschafts-
kritisch orientierten Kommunikationswissenschaft. Sie fordern eine wissenschaftliche Ausbil-
dung nicht nur hinsichtlich der Vermittlungsinhalte, sondern auch hinsichtlich der Analyse von
Produktionsbedingungen und von Verwertungsinteressen.92 Nur dadurch könne der Tendenz
entgegengewirkt werden, dass durch die konkrete Organisationsform der Massenmedien die
Entfaltung von Pressefreiheit einseitig eingeschränkt werde. Folglich müsse die Debatte über
die Journalistenausbildung einhergehen mit einer kommunikationspolitischen Diskussion der
inneren Verfassung von Medienbetrieben, so die klassische Forderung:
„Die kommunikationspolitische Einordnung der Ausbildungsprobleme muß also sowohl die unterschiedli-
chen Professionalisierungstendenzen in den Produktionsbetrieben der gesellschaftlichen Kommunikation be-
rücksichtigen und muß gleichermaßen nach den veränderbaren Strukturen fragen, durch die jene Produkte
ermöglicht oder verhindert werden, die den gesellschaftlichen Bedürfnissen nach Informationen entspre-
chen.“93

87 Vgl. ebd., S. 307


88 Vgl. z.B. den Abschlussbericht (1981) des Dortmunder Modellversuchs.
89 Saxer 1974/1975, S. 301
90 Blöbaum 1999, S. 216
91 Schütt 1981, S. 179
92 Vgl. Pätzold 1975, S. 27
93 Ebd., S. 41
50 II Zur Verortung des Journalismus

Ein solcher Ansatz unterwirft Journalistenausbildung in viel stärkerem Maße einem normati-
ven Anspruch, der sich aus einer gesamtgesellschaftlichen Analyse und aus einem bestimmten
gesellschaftspolitischen Ideal ableiten lässt. Anders als bei Saxer geht es hier nicht um Funktio-
nalitäten hinsichtlich des Status Quo, sondern um das immanente Ziel, Gesellschaft – zumin-
dest aus der Sicht ‚kritischer‘ Wissenschaftler – ‚freier‘ und ‚gerechter‘ zu gestalten. Journalis-
mus wird als zumindest bedingt steuerbare Kraft sozialen Wandels betrachtet.

1.3 Programm der Journalistik

In der Journalistik herrscht – trotz der noch zu erörternden unterschiedlichen theoretischen


Zugänge und über die ideologischen Differenzen hinsichtlich der Einbeziehung der materiellen
Produktionsbasis hinweg – weitgehend Einigkeit darüber, dass Wissenschaft die Praxis des
Journalismus verbessern helfen kann. Zentrale Grundlage dafür ist die Integration von wissen-
schaftlicher Forschungs- und praktischer Ausbildungsarbeit. 94 Obwohl dieses Ziel manchem
immer noch wie eine „Quadratur des Kreises“ anmutet95, dürfte im wissenschaftlichen Diskurs
folgende formale Definition, in der zentrale Charakteristika des Faches gebündelt werden,
weitgehend Konsens beanspruchen können:
„Journalistik ist die Wissenschaft vom Journalismus und ist hochschulgebundene, berufsvorbereitende Aus-
bildung zum Journalismus. Die Journalistik ist eine Teildisziplin der Kommunikationswissenschaft und geht
doch durch ihren intensiven Praxisbezug über die Kommunikationswissenschaft hinaus.“ 96

In diesem Verständnis werden wissenschaftliche Forschung und auf Praxis gerichtete Ausbil-
dungsleistung addiert. Nimmt man den Gründungsimpetus der Journalistik ernst, dann ist
darauf hin zu arbeiten, dass Forschung und Ausbildung sich wechselseitig beeinflussen und
stützen. Die Wissenschaft soll dadurch nicht praktizistischer, wohl aber sensibler und offener
(oder in der Sprache der Systemtheorie: irritierbarer) gegenüber dem Journalismus werden.
Darauf weist Pätzold in einem weiteren aktuellen Definitionsvorschlag hin:
„Die Journalistik stellt die Regelhaftigkeit des Journalismus mittels sozialwissenschaftlicher Methoden dar
und entwickelt aus ihnen Theorien mit dem Ziel, wie Ansprüche an die journalistische Qualität im jeweiligen
medialen Umfeld eingelöst werden können. Durch die Zuordnung unterschiedlicher Perspektiven werden die
Beziehungen erforscht, die das Berufssystem Journalismus prägen. Die Journalistik ist eine praxisbezogene
wissenschaftliche Disziplin und somit ein Ausbildungsfach. Die Integration von Theorie und Praxis ist ihre
Funktion.“97

Auch aktuell wird die Journalistik als „kritischer Impulsgeber“98 gesehen, der eingeschliffene
Routinen des Journalismus durch wissenschaftlichen Rat verändern und verbessern soll. Ruß-
Mohl hat schon 1985 ein Arbeitsprogramm für die Journalistik entworfen, das vor allem aus
der Analyse der Berichterstattung heraus Verbesserungsvorschläge unterbreiten und so als

94 Dieser Ausbildungsanspruch wird von Praktikern bisweilen aggressiv zurückgewiesen. So riet die damalige
Leiterin der Henri-Nannen-Journalistenschule, Ingrid Kolb (2004, S. 72) noch im Jahr 2004 angehenden Jour-
nalisten, von einem Journalistik-Studium dringend ab – mit der ebenso eigenwilligen wie unzutreffenden Be-
gründung: „Dort lernt man nicht, einen Kommentar zu schreiben, sondern einen Kommentar zu analysieren.“
95 Machill 2005, S. 203
96 Neverla/Grittmann/Pater 2002b, S. 11. Pöttker (2005, S. 11) nennt die Journalistik ein „berufsorientiertes Fach
mit journalismusspezifischem Sachwissenanteilen und Praxisorientierung in Lehre und Forschung“.
97 Pätzold 2000, S. 426
98 Neuberger 2002b, S. 59
1 Wissenschaft zur Verbesserung des Journalismus 51

„Pfahl im Fleische des von Zeitknappheit bedrängten (und schon deshalb nur begrenzt
selbstreflektiven) Journalismus“99 wirken soll. Am Dortmunder Journalistik-Institut wiederum
wurde Journalistenausbildung bewusst „[…] von Beginn an nicht primär als Persönlichkeitsbil-
dung der Journalisten gesehen, sondern als Vermittlung von Handwerk, Wissen und Reflexi-
onsfähigkeit für einen gesellschaftlich wichtigen Tätigkeitsbereich“.100 Ein ausreichend belast-
bares und anschlussfähiges theoretisches Fundament ist angesichts solcher Zielvorstellungen
keineswegs überflüssig – im Gegenteil: Journalistik muss in der Lage sein, Auskunft über Idee
und Aufgaben des Journalismus zu geben, wenn sie ihre intendierte Praxisrelevanz auch
tatsächlich entfalten will. Mit anderen Worten: Das Fach muss in der Lage sein, seine inhaltli-
chen Ausbildungsziele zu benennen.101
Das zwingt dazu, ein Bild davon zu entwickeln, wie der Journalismus aussehen soll, der in
der Praxis von den Absolventen erwartet wird – eine Frage, in deren Beantwortung die skiz-
zierten ideologischen Differenzen innerhalb des Faches an die Oberfläche kommen und nicht
nur miteinander, sondern auch mit den ideologischen und ökonomischen Interessen der
Medienbesitzer in Konflikt geraten (können). Schon im Abschlussbericht des Dortmunder
Journalistik-Modellversuches wird Anfang der 1980er Jahre festgestellt, dass Versuche, die
Gegensätze zwischen den Erwartungen von Theorie und Praxis zu entschärfen, solange wenig
fruchtbar bleiben werden, „[…] wie eine theoretisch fundierte und empirisch abgesicherte
Durchdringung des Tätigkeitsfeldes journalistischer Tagesarbeit nicht vorliegt“102. Das Aus-
bleiben eines intensiviert geführten theoretischen Diskurses über den Sinn von Journalistik und vor
allem von Journalismus ist angesichts der administrativen und wissenschaftspolitischen Aufga-
ben, die die Fachgründer in den 1970er Jahren bewältigen mussten, zwar zu verstehen. Letzt-
lich aber hat dieses Desiderat zu einer wissenschaftssystematischen Schwäche beigetragen, die
sich im Selbstverständnis der Journalistik-Institute und -Studiengänge niederschlägt:
„Die Identität der wissenschaftlichen Disziplin ‚Journalistik‘ bestimmte sich nach dem Start der Modelle
durch die (jeweilige) Ausbildungspraxis: Journalistik ist, was in den Studiengängen gleichen Namens gelehrt
wird. Die Institutionen, welche ihre Lernziele durchweg pragmatisch festlegen, standen für die Inhalte.“103

Nicht zuletzt die journalistische Praxis, die auf einen korrespondierenden theoretischen Erklä-
rungsrahmen zu Analyse- und Reflexionszwecken angewiesen wäre, scheint dessen Entwick-
lung durch ihre bereits skizzierte demonstrative Theorieabstinenz lange Jahre verhindert zu
haben. Ein theoretischer Rahmen lag nicht im Interesse derjenigen, die sich aus der Praxis
heraus für wissenschaftliche Ausbildung stark machten, sondern bessere Vorbereitung für die
Praxis. Mithin nicht reflexives Wissen, sondern überwiegend instrumentelle Fertigkeiten, die
auf ‚Funktionstüchtigkeit‘ in der Praxis zielten.104 Und auch die Studierenden sind – bis auf die
Ausnahme einer kleinen ‚specialty‘-Gruppe wissenschaftlich Interessierter – vorwiegend mit
klarer und einseitiger Praxis-Orientierung in die Journalistik-Studiengänge gekommen. Die

99 Ruß-Mohl 1985, S. 265


100 Blöbaum 1999, S. 214
101 Zum Beispiel hat der damalige Dortmunder Modellstudiengang bereits in den 1970er Jahren seine inhaltlichen
Ziele sowohl aus dem konstatierten Ausbildungsdefizit als auch aus den normativ-rechtlichen Anforderungen
an öffentliche Informationsleistungen abgeleitet (Abschlußbericht 1981, S. 12; vgl. auch die Beiträge in Schä-
fer/Schiller/Schütte 1999 und Eurich 2002a).
102 Abschlußbericht 1981, S. 40
103 Weischenberg 1992a, S. 22
104 Journalisten schätzen die Notwendigkeit einer öffentlichen Reflexion ihrer eigenen Berufsrolle Befragungen
zufolge nicht sonderlich hoch ein (vgl. z.B. Schmolke 1982). Das Bewusstsein für Notwendigkeit eines von der
Journalistik bereitgestellten Reflexionswissens kann daher noch wachsen.
52 II Zur Verortung des Journalismus

Journalistik-Studiengänge hätten der normativen Kraft des Praktizismus wenig kritisches


Potenzial entgegenzusetzen, urteilten die Autoren einer Studie nach knapp einem Jahrzehnt
‚Journalistik‘ ernüchtert:
„Die Protagonisten eines Ausbildungsweges ‚Journalismus‘ haben die kompromißlose Sozialisation des redak-
tionellen Alltags, die letztlich jeden kritischen Ansatz vertrocknen läßt, grob fahrlässig unterschätzt. Selbst
wenn in Einzelfällen ein Student kritisch gegenüber dem vorherrschenden Journalismus eingestellt, finanziell
unabhängig und ideell durch seine Umgebung gefestigt in den journalistischen Alltag geht, würde dieser ent-
weder auch ohne akademische Ausbildung in Spitzenpositionen gelangen können oder durch die bekannten
Repressionen psychisch zugrunde gehen, zumindest jedoch angepaßt und systemkonform (mit allen entspre-
chenden Neurosen) seine Karriere verfolgen. Alle übrigen Studenten scheinen ohnehin nicht mehr zu wol-
len.“105

Der ‚Mainstream‘ der wissenschaftlichen Journalismusforschung, der sich – wie überall in der
Kommunikationswissenschaft nach der Abkehr von der normativen Tradition in den 1960er
Jahren – durch Distanz zu theoretischen Modellen, die über eine mittlere Reichweite hinaus-
weisen, ausgezeichnet hat, konnte also auch aus der Praxis heraus keinen Anstoß für eine
Theoriediskussion erwarten. Lange Jahre ist die Journalistik daher nichts weiter als eine Wis-
senschaft gewesen, „[…] die es nur als Hochschulinstitution gibt, deren Konturen als wissen-
schaftliche Disziplin bis heute aber undeutlich geblieben sind“.106 Ihre in dem eindeutigen
Praxisbezug liegende „Chance für die kommunikationswissenschaftliche Lehre, wie sie sonst
keine andere Sozialwissenschaft vorweisen kann“107, haben die Journalistik-Studiengänge
zunächst kaum systematisch – und das heißt auch: zunächst kaum theoriegeleitet – genutzt.
Dabei dürften die Chancen auf ein belastbares gemeinsames Fundament der Journalistik
vor allem im Vergleich zur konventionellen Kommunikationswissenschaft gar nicht so
schlecht stehen, wenn sich die Journalistik auf ihr klar definiertes Untersuchungsobjekt Journa-
lismus konzentriert. In den letzten Jahren hat folgerichtig ein Konsolidierungsprozess des
Faches in theoretischer wie in institutioneller Hinsicht begonnen. Die zunehmende Ausdiffe-
renzierung universitärer Angebote im Bereich der Journalistik hat aber nicht nur zur Kanoni-
sierung, sondern auch zu einer wachsenden Unübersichtlichkeit der verschiedenen Theoriean-
sätze, Forschungsmethoden und Ausbildungsmodelle geführt.108
Es herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass die Journalistik wissenschaftliche Journa-
lismusforschung und praktische Journalistenausbildung zu vereinigen hat, und dass dies in
sozialwissenschaftlichem (bisweilen auch in kulturwissenschaftlichem109) Rahmen geschehen
soll.110 Die Journalistik verfügt dabei nach allgemeiner Auffassung über ein doppeltes Profil,
welches sowohl durch wissenschaftlich-universitäre als auch durch medienpraktisch-
journalistische Referenzen geprägt ist. Dass diese Doppelperspektive konstitutiv für das Fach

105 Hachmeister/Baum/Schuppe 1983, S. 200


106 Weischenberg 1992a, S. 9; ähnlich schon Ruß-Mohl 1985, S. 265
107 Hachmeister/Baum/Schuppe 1983, S. 201
108 Vgl. Neverla/Grittmann/Pater 2002b, S. 11f.
109 Vgl. zu dieser Perspektive für die Journalistik Pätzold 2002; Pöttker 2004.
110 Vgl. Rühl 1985b, S. 239: „Heute lediglich ‚skills‘ im Sinne handwerklicher Techniken des Journalismus zu
lehren würde bedeuten, die Herausforderungen einer zeitgemäßen Ausbildung für Berufskommunikatoren zu
verkennen. Die Kommunikationswissenschaft hat vielmehr die schwierige Aufgabe, eine in der Praxis brauch-
bare Journalistenausbildung eng zu verweben mit einem Studium wissenschaftlicher Erkenntnisse.“ Das
schließt nicht aus, dass journalistische Ausbildung von manchen Fachvertretern doch in erster Linie auf die
Etablierung einer eigenständigen Kompetenz reduziert wird (vgl. Donsbach 1977, S. 239), um so vermeintlich
bestehende Legitimationsdefizite des Berufs auszugleichen (vgl. Donsbach 1979b, S. 221f.)
1 Wissenschaft zur Verbesserung des Journalismus 53

ist, kann als unumstritten angesehen werden.111 Anders sieht es bei der Frage aus, wie diese
Integration von Theorie und Praxis wissenschaftlich geleistet werden soll. Welches Fundament
bietet die Kommunikationswissenschaft dafür? Reicht das weit verbreitete empirisch-
analytische Selbstverständnis sozialwissenschaftlicher Forschung aus, um Brücken in die Praxis
zu schlagen? Es sind Zweifel angebracht, dass die Journalistik von der Kommunikationswis-
senschaft ausreichend ausgestattet worden ist, um ihre Aufgabe zu bewältigen.
Wenn die Journalistik darauf zielt, den Journalismus und damit einen zentralen Bedin-
gungsfaktor der Qualität öffentlicher Kommunikation zu verbessern, dann reicht es angesichts
der gesellschaftlichen Ansprüche an den Journalismus nicht aus, dies im Rahmen rein admi-
nistrativ verstandener Auftrags- und Anwendungsforschung abzuarbeiten. Vielmehr ist es
notwendig, „Journalistik als kritische Wissenschaft“ zu verstehen112, die Widersprüche zwi-
schen normativen und gesellschaftlichen Anforderungen an den Journalismus und seiner
empirisch feststellbaren Umsetzung in den Massenmedien nicht nur registriert, sondern in
anwendungsbezogener Ausbildungspraxis einen Abbau dieser Widersprüche anstrebt. Dieser
Standpunkt, verspricht ein wissenschaftstheoretisches Fundament für eine erfolgreiche Integra-
tion von Theorie und Praxis, die sich nicht in der Kombination von Einführungsvorlesungen
in die Medienwirkungsforschung und Lehrredaktionen erschöpft, sondern das Fach in einen
immanenten Bezug zu der von ihm untersuchten und zu fördernden Praxis bringt.
Dieses Vorhaben ist voraussetzungsreich: Beansprucht die Journalistik eine kritisch-
theoretisch fundierte Perspektive für sich, setzt sie sich auch einer weitreichenden Begrün-
dungspflicht hinsichtlich der normativen Aufgaben aus, die sie dem Journalismus zuschreibt
und die als inhaltliche Ausbildungsziele herangezogen werden. Angesichts der lange Zeit
problematischen wissenschaftstheoretischen Positionierung der kommunikationswissenschaft-
lichen Forschung und angesichts der nur gering ausgeprägten theoretischen Ansätze innerhalb
des Faches ist diesbezüglich noch viel aufzuholen, bevor ein tragfähiges Fundament einer
normativen und kritischen Journalistik auch gegenüber der empirisch-analytischen Selbstbe-
scheidung vieler Fachvertreter erfolgreich verteidigt werden kann.

111 Nur wenige plädieren heutzutage noch für eine einseitige Entscheidung und Auflösung dieses Dualismus. Dazu
gehören Ruhrmann u.a. (2000), die in der dezidierten Ausbildungsabsicht der Kommunikationswissenschaft ei-
nes der Hauptprobleme sehen: Schließlich zwinge Ausbildung dazu, den meist instrumentalistischen Wünschen
der Praxis zu folgen, um situatives Handlungswissen zu schaffen, und darüber die Verpflichtung der universitä-
ren Bildung auf ein Komplexität reduzierendes Reflexions- und Regelwissen zu vernachlässigen. „Die Bedeu-
tung einer solchen Bildungsfunktion liegt angesichts einer Gesellschaft, die wegen ihrer Pluralisierung und ar-
beitsteiligen Spezialisierung zunehmend auf öffentliche Kommunikation und deren mediale Vermittlung ange-
wiesen ist, geradezu auf der Hand. Reflexions- und Regelwissen ermöglicht es dem Handelnden, die überbor-
dende Vielfalt des Phänomens ‚öffentliche Kommunikation‘ auf die Einheit ihrer funktionalen Basismechanis-
men zurückzuführen. Bildung vermittelt aber nicht nur diese Orientierung, sondern versetzt den Gebildeten
darüber hinaus theoretisch und methodisch in die Lage, das erworbene Orientierungswissen immer wieder ei-
genständig auf den neuesten Stand zu bringen. Der Begriff der Bildung beinhaltet somit Orientierung und die
(erlernbare) Fertigkeit zur Selbstorientierung […].“ (ebd., S. 302f.) Während Ausbildung die Spezialisierungen
der Medienberufe nachvollziehen müsse, bleibe Bildung den Generalisierungen weiterhin verpflichtet. Je mehr
die Universität also ausbilde, desto mehr kümmere sie sich um die Spezialisierungen und desto weniger könne
sie bilden. Die Folge ist aus der Sicht der Autoren ein sinkender Gesamtnutzen des Faches für die Gesellschaft.
Sie plädieren dafür, gerade durch Verzicht auf Ausbildung und durch Berufung auf Bildung, den sozialen Wert
der Disziplin wieder kenntlich zu machen. Es ist unschwer zu erkennen, dass ein solches Konzept diametral
dem der vorliegenden Arbeit entgegensteht. Zumal die Autoren den Dualismus von journalistischer Ausbildung
und wissenschaftlicher Bildung ohne Not als Dichotomie konzipieren und sich gar nicht auf den Versuch ein-
lassen, diese beiden gleichrangigen Ziele der Journalistik immanent miteinander zu verzahnen, um szientistische
Betrachtungen ebenso zu verhindern wie instrumentalistisch verkürzte Vermittlung technischer Fertigkeiten.
112 Pätzold o.J., S. 14
54 II Zur Verortung des Journalismus

2 Theoretische Optionen
„Elementarste gesellschaftliche Funktion einer Universitätsdisziplin ist ja immer noch die Produktion von
Theorie als maximal verläßlichem und generalisierbarem Wissen und deren Instruktion, gegebenenfalls auch
deren Einsatz zur Lösung außeruniversitär sich stellender, durch Wissenschaft lösbarer Probleme.“113

Die Journalistik beruht als aus der Kommunikationswissenschaft ausdifferenziertes Fach


weitgehend auf einem nach allgemeineren Kriterien gestalteten Theoriefundus, den sie nicht
selbst erarbeitet hat. Wenn also im Folgenden die theoretischen Optionen der Journalistik
thematisiert werden, so ist es dazu unumgänglich, eine breitere kommunikationswissenschaftli-
che Perspektive mit einzubeziehen, um die relevanten theoretischen Ansätze in den Blick zu
bekommen. Die Journalistik ist angesichts dieser Situation mit dem Problem konfrontiert, dass
für die sozialwissenschaftlich orientierte Kommunikationswissenschaft in erster Linie empi-
risch-analytische Überlegungen eine Rolle spielen, während normativ-praktische sowie kritische
Positionen, die eine stärkere Öffnung zu ethischen Fragen ermöglichen, für sie weniger Rele-
vanz besitzen. Die etablierte Universitätsdisziplin Kommunikationswissenschaft ist oftmals
einzig auf die methodisch zu bewertende Qualität ihrer Forschungsergebnisse orientiert,
während die Journalistik sich in stärkerem Maße auch mit normativen Fragen der Praxis
auseinandersetzt, die auf Basis empirisch-analytischer Modelle nur unzureichend zu beantwor-
ten sind, solange diese nicht mit gegenüber praktischen Fragen sensiblen theoretischen Fundie-
rungen versehen werden.114
Die Folge der empirischen Ausrichtung der Kommunikationswissenschaft ist nicht unbe-
dingt eine Theorielosigkeit der Einzelarbeiten, sondern vielmehr ein importierter Theorie-
Eklektizismus, der in der Gesamtsicht keine übergreifende theoretische Struktur des Faches
erkennen lässt. Zu Recht sieht Burkart das seit langem beklagte Defizit darin, dass die Mög-
lichkeit, „Detailergebnisse nach übergeordneten Gesichtspunkten systematisieren zu können“,
noch nicht entwickelt worden ist.115 Vielmehr, so betonte schon Eurich, müsse die Aggregati-
on von Einzelergebnissen die notwendige Struktur ersetzen, so dass Theorie zum „deskripti-
ven Rahmen der mit empirischen Methoden prüfbaren Zusammenhänge“ verkürzt werde.116
Dabei könnte der vielfach beklagte Empirizismus der kommunikationswissenschaftlichen
Forschung117 durch angemessene theoretische Systematisierungs- und Interpretationsversuche
zu einer fruchtbaren Quelle werden: Das Bild vieler kleiner Studien „[…] verliert in dem
Augenblick seine negative Konnotation, in dem diese Arbeiten in einen größeren theoretischen
Zusammenhang eingebettet werden“.118 Es ist eine Essenz wissenschaftlichen Wissens, aus
erfahrbaren Zusammenhängen auf einen abstrakteren Zusammenhang zu schließen, der die
empirisch beobachtbaren Abläufe erklärbar und prognostizierbar macht, wie Burkart erläutert:

113 Saxer 1980, S. 533


114 Zumindest zu Beginn gilt für die Journalistik damit auch, was Rühl (1985b, S. 236) für die empirische Kommu-
nikationswissenschaft feststellt: „Mit den nunmehr angewandten, meist aus der empirischen Sozialforschung
stammenden Werkzeugen sucht man nach datensicheren Erkenntnissen, während in begrifflich-theoretische
Denkzeuge vergleichsweise wenig investiert wird – was den Forschungsergebnissen unschwer anzumerken ist.“
115 Burkart 1998a, S. 401
116 Eurich 1977, S. 345
117 Vgl. für Beispiele dieser Kritik Ruhrmann u.a. 2000; Burkart 1998a; Saxer 1993b; Rühl 1985b;
Baum/Hachmeister 1982; Saxer 1980; Ronneberger 1978a; Aufermann 1976; Bohrmann/Sülzer 1973.
118 Theis-Berglmair/Kohring 2000, S. 31
2 Theoretische Optionen 55

„Erst der Blick ‚hinter‘ das unmittelbar Beobachtbare führt zu jenen theoretischen Begründungszusammen-
hängen, welche (zumeist mehrere ähnliche) real ablaufende Vorgänge einsehbar und damit verstehbar ma-
chen.“119

Weniger metaphorisch formuliert Rühl den Anspruch, mit kommunikationswissenschaftlichen


Theorien vorwiegend dafür zu sorgen, dass ein Begriffs- und Diagnoseapparat zur Verfügung
steht, der in relationaler Perspektive die Beschreibung und die Bewertung des Gegenstands
erleichtert.120 Anstoß für die Entwicklung von Theorien und theoretischen Ansätzen ist meist
ein Problem, das selbst mit reflektiertem Alltagswissen nicht zu bewältigen ist. Durch wissen-
schaftlichen Wissenserwerb, der Reflexion von Handeln zu seiner Methode macht, besteht in
solchen Situationen die Möglichkeit, durch Rekurs auf deduzierte oder induzierte allgemeingül-
tige Aussagen empirische Abläufe zu erklären, zu verstehen und zu prognostizieren.121
Dabei ist ein langfristig geltendes, einseitig dominierendes Theorie-Paradigma gar nicht un-
bedingt wünschenswert. Aus vielen unterschiedlichen theoretischen Zugriffsmöglichkeiten
lassen sich – wenn sie denn nicht als ausschließend, sondern als einander ergänzend verstanden
werden – Komplexitätsgewinne ziehen. Das flexible Nebeneinander unterschiedlicher theoreti-
scher Konzeptionen kann verstanden werden als Ausweis der „Lebendigkeit der Kommunika-
tionswissenschaft, die immer wieder auf Veränderungen im Mediensystem sowie auf veränder-
te Auffassungen von Medien und Kommunikation reagiert“.122 Problematisch wird dieser
Zustand aber, wenn die Volatilität der unterschiedlichen Erklärungsansätze und der Verschleiß
an nur fallweise herangezogenen theoretischen Grundkonzeptionen so groß werden, dass sie
eine weitergehende Beschäftigung mit Theorie von vornherein diskreditieren.
Neverla attestiert der Journalistik heute „eine sehr spezielle Profilbildung im Vergleich zum
Mainstream akademischer Disziplinen“; die Kernidentität des Faches ist einerseits ausgeprägt,
andererseits aber – wohl nicht zuletzt aufgrund des starken Praxisbezugs – „mit oszillierenden
Rändern“ versehen.123 Vor allem seit Beginn der 1980er Jahre haben sich die fachinternen
Bemühungen um eine theoretische Unterfütterung deutlich verbessert. Journalistikforscher
erarbeiten in zunehmendem Maße Überlegungen zu einer theoretischen Grundlage, die einen
Rahmen für die vielfältigen Forschungsaktivitäten im Fach leisten kann. Von theoretischen
Erkenntnissen der Wissenschaft vermag außerdem auch die Praxis zu profitieren, wenn der
Zusammenhang zwischen Theorie und Praxis der alltagssprachlichen Kommunikation zugäng-
lich bleibt und sich Theorie nicht vollständig mit Spezialsemantiken aus der Praxisrelevanz
zurückzieht. Die Multiperspektive auf den Gegenstand Journalismus, die Löffelholz als Ergeb-
nis der heterogenen und diskontinuierlichen Theorieentwicklung sieht124, hat aber keineswegs
nur positive Seiten. Tatsächlich haben die verschiedenen Theorieentwürfe einander nicht
abgelöst, sondern sind ein komplexes Wechselverhältnis eingegangen, das sich wie in anderen
Fächern auch insbesondere ergibt aus
• „der Komplementarität normativer und empirisch-analytischer Betrachtungsweisen;
• der Komplementarität subjekt- und system-orientierter Theoriebildung;
• der Komplementarität struktur- und prozeß-orientierter Ansätze;

119 Burkart 1998a, S. 407


120 Vgl. Rühl 2000, S. 65: „Theorien sind, allgemein gesagt, die Anweisungen für den Vergleich von Beziehungen.
Gilt es journalistische Produkte zu beschreiben, zu kritisieren, zu verstehen und zu erklären, dann gibt es nichts
besseres als Theorien.“
121 Vgl. Burkart 1998a, S. 410
122 Schmidt/Zurstiege 2000, S. 139
123 Neverla 2002, S. 33
124 Vgl. Löffelholz 2000b, S. 32
56 II Zur Verortung des Journalismus

• der Gegensätzlichkeit realistischer (ontologischer) und konstruktivistischer Erkenntnistheorie;


• dem (bisherigen) Nebeneinander sozial- und kommunikationswissenschaftlicher Perspektiven“.125

Hinzu kommt, dass viele der hier als komplementär charakterisierten Verhältnisse in letzter
Konsequenz noch dichotomisch verstanden werden und daher kaum zur Steigerung der
theoretischen Komplexität beitragen, sondern oftmals Barrieren bilden, die nur schwer über-
windbar scheinen.126 Klassisch wird daher in der Journalismusforschung zwischen dem „Per-
sonenparadigma“ und „Systemparadigma“ unterschieden; daneben finden sich in jüngerer Zeit
integrative Ansätze, die um eine Revitalisierung handlungstheoretischer Vorstellungen im
Einklang mit der Systemperspektive bemüht sind.127 Vielleicht kommt in diese Situation
Bewegung durch neuere innovative Ansätze (gerade auch in der Journalismustheorie) wie die
Distinktionstheorie, nicht akteurstheoretisch verkürzte Handlungstheorien oder die Übernah-
me von Forschungs- und Erklärungsmustern der Cultural Studies, die nicht mehr ausschließ-
lich entlang der tradierten Dichotomien operieren.128
Aus der theoretischen Heterogenität ragt die Systemtheorie heraus, die sich in der Folge
des Funktionalismus „zum expansivsten Paradigma in allen Sozialwissenschaften“ entwickelt
hat, da sie in ihrer Komplexität am besten geeignet scheint, eine hochkomplexe und hochorga-
nisierte Umwelt erfolgreich zu analysieren.129 Auch in der Kommunikationswissenschaft hat sie
in den letzten Jahren, so scheint es, das Primat übernommen. Die DGPuK spricht im Hinblick
auf Funktionalismus, Systemtheorie und Konstruktivismus von der „Existenz verschiedener
Paradigmata“ innerhalb der Disziplin.130 Diese theoretischen Grunddispositionen der Kom-
munikationswissenschaft schlagen auf die Journalistik durch und sind in der Analyse theoreti-
scher Optionen des Fachs mitzubehandeln. Gerade der erklärende und diagnostische Zweig ist
mit diesen Makrotheorien ertragreich, wenngleich ‚einseitig‘ ausdifferenziert worden.
Auch in der Journalistik haben systemtheoretisch und konstruktivistisch argumentierende
Arbeiten erheblichen Anteil an der Theoriefortbildung des Faches. Sie zielen durchaus mit
Erfolg auf eine präzise deskriptiv erklärende Analyse des Journalismus. Diese Spezialisierung
wird aber aufgrund der spezifischen Analyseoptik der Systemtheorie zwangsläufig mit Schwie-

125 Ebd., S. 32f.


126 Wenn keine Einigkeit über den Fachgegenstand erzielt werden kann, dann führt das potenziell dazu, dass der
gut definierte – oftmals pluralistisch strukturierte – Bereich, in dem eine Disziplin so genannte ‚normal science‘
betreiben kann, nicht mehr zureichend identifizierbar ist. Stattdessen kann es zu einer Situation kommen, in der
sich rivalisierende Zweige der Forschung auf der Basis verschiedener epistemologischer und wissenschaftstheo-
retischer Prämissen wechselseitig die Legitimität ihrer Forschungsfragen und Methoden absprechen. Von den
Forschenden werden dann klare Glaubensbekenntnisse erwartet, deren Nicht-Erbringung durchaus mit sozia-
len Strafen sanktionierbar sein kann. Das zeigen in Ansätzen Dispute wie die Kontroverse zwischen
Klaus/Lünenborg (2000a; 2000b) und Scholl (2000) über die Frage der fachlichen Verortung und perspektivi-
schen Konzeption der Journalismusforschung. Auch die augenscheinliche Unterrezeption der Arbeit von Baum
(1994) legt den Verdacht nahe, dass hier gegen fachinterne Katechismen verstoßen worden ist.
127 Raabe 2005, S. 18ff.
128 Vgl. Löffelholz 2000b, S. 56
129 Ebd., S. 55. Aber auch hier stoßen die Versuche, Systemtheorie oder radikalen Konstruktivismus zu den
sozialwissenschaftlichen bzw. erkenntnistheoretischen Leitprämissen des Faches zu erheben, vergleichsweise
früh auf Probleme, die zu Kompromissen führen. Vgl. z.B. die Öffnung des systemtheoretischen Konzepts, die
Scholl/Weischenberg (1998) unternommen haben, um Befragungsergebnisse verarbeiten zu können.
130 DGPuK 2001, o.S. Der Begriff „Paradigma“ ist in diesem Zusammenhang allerdings umstritten. So sehen
Ruhrmann u.a. (2000, S. 295ff.) die theoretischen Grundlagen für eine paradigmatische Struktur noch längst
nicht ausreichend entfaltet. Das gilt sowohl mit Blick auf den anspruchsvollen Paradigmenbegriff Kuhns (1976)
als auch mit Blick auf ein allgemeineres Verständnis von Paradigma im Sinne eines führenden theoretischen
Ansatzes unter anderen.
2 Theoretische Optionen 57

rigkeiten im Praxisbezug ‚erkauft‘ (1). Handlungstheoretische Arbeiten sind dagegen ebenso


wie Ansätze, die versuchen, die Beziehung von Akteur und Struktur theoretisch doppelper-
spektivisch zu verarbeiten, deutlich geringer repräsentiert. Dabei versprechen sie zumindest die
Revitalisierung des Dialogs der Journalistik mit der Praxis und vor allem mit den handelnden
Praktikern. Nicht zuletzt diese Perspektive dürfte verantwortlich dafür sein, dass handlungs-
und akteursbezogene Überlegungen in der Journalistik immer von Relevanz waren und in
jüngster Zeit wieder an Bedeutung zu gewinnen scheinen. Sie sind überdies an das Potenzial
einer auch gesellschaftskritischen Theorie zumindest anschließbar, allerdings bislang ohne
diesen Konnex selbst zu forcieren (2).

2.1 Systemtheorie und Konstruktivismus

Die Strukturierungs- und Ordnungsleistungen der Systemtheorie werden sowohl in der Kom-
munikationswissenschaft als auch speziell in der Journalistik genutzt. Die Systemtheorie sucht
generell nach Antworten darauf, wie eine angesichts der Ausdifferenzierung moderner Gesell-
schaften unwahrscheinlich gewordene soziale Ordnung dennoch möglich ist. Sie offeriert in
ihrer klassischen funktional-strukturellen Formulierung das Konzept der System/Umwelt-
Differenzierung, das zwischen gesellschaftlichen Funktionsbereichen klare Grenzbestimmun-
gen ermöglicht, durch die aus Systemsicht zwischen innen und außen unterschieden wird.
Diese binäre Unterscheidungslogik erleichtert auch die Abgrenzung der Forschungsfelder
Massenkommunikation und Journalismus von ihrer jeweiligen Umwelt.131
Soziale Systeme, so die Annahme, reduzieren die stetig steigende Komplexität von Welt
durch Entscheidungen zwischen ‚innen‘ und ‚außen‘, und versetzen sich dadurch zugleich in
die Lage, systeminterne Komplexität aufzubauen, mit der sie der Erfüllung einer gesellschaftli-
chen Funktion effizienter nachkommen können. Voraussetzung der Ausdifferenzierungspro-
zesse in modernen Gesellschaften ist daher die Entscheidung, ob ein Vorgang anhand der vom
System angewendeten Unterscheidungskategorien bearbeitet werden kann oder nicht, ob er
also zum System gehört oder ob er Bestandteil seiner Umwelt ist. Ein Denken ohne solche
Unterscheidungen ist nicht möglich, betont Luhmann132, dessen systemtheoretisches Gebäude
wenngleich nicht das einzig nutzbare, so doch das in der Kommunikationswissenschaft domi-
nierende ist.133
Die Systemtheorie zielt also auf die Reduktion von Komplexität, indem sie ein Instrumen-
tarium bereitstellt, mit dem soziale Zusammenhänge aus einer sozialwissenschaftlichen ‚Beob-
achterposition‘ heraus in bearbeitbare Teilaspekte strukturiert werden können.134 Dieses
Verfahren, dem sich partiell auch handlungstheoretisch argumentierende Soziologen ange-

131 Vgl. Görke/Kohring 1996, S. 15f. Darüber hinaus verspricht die Systemtheorie den Autoren zufolge einen
Rahmen zu gewährleisten, in den etablierte, nicht nur systemtheoretische Forschungsansätze wie der ‚agenda
setting‘-Ansatz (vgl. Rinsdorf/Rager/Charlton 2001; Brosius 1994a) und die Nachrichten(wert)forschung (vgl.
Eilders 1997a; Schulz 1976) integriert werden können, und in dem Medien nicht mehr als Spiegel der Realität
begriffen werden, sondern als eigenständige und eigenverantwortliche Konstrukteure von Wirklichkeit.
132 Vgl. Luhmann 1997, S 60ff.
133 Vgl. Scholl 2002b, S. 8f.
134 Auch die Systemtheorie bleibt daher – trotz ihres oftmals autoritativen Gestus – in letzter Konsequenz auf die
individuelle Konstruktionsentscheidung desjenigen psychischen Systems bezogen, das sie formuliert. Auch so
lässt sich der blinde Fleck der Unterscheidung interpretieren, den Luhmann erkenntnistheoretisch beschreibt.
Das Individuum selbst steht an diesem blinden Fleck.
58 II Zur Verortung des Journalismus

schlossen haben135, verspricht die Möglichkeit der präziseren Beobachtung und Beschreibung
sozialer Vorgänge und macht insbesondere auch nicht-intendierte und latente Handlungsfolgen
der wissenschaftlichen Darstellung zugänglich.136 Auf seiner Basis soll dargestellt werden,
inwiefern Journalismus gleichermaßen zu einem komplexitätsreduzierenden Umgang mit
seinen Umwelten fähig sein kann.137
Die Verdienste der systemtheoretischen Journalismusanalysen, allen voran Rühls138, sind
der Abschied von Alltagsvorstellungen, die Überwindung der klassisch-normativen Personen-
zentrierung und die Fokussierung auf die organisatorische Komponente des Journalismus in
der Redaktion.139 Es gelingt der systembezogenen Journalismusforschung, wie Raabe zu Recht
anmerkt, „[…] Journalismus als einen sozialen Zusammenhang, als eine Einrichtung der mo-
dernen Gesellschaft zu begreifen […].“140 Zugleich aber verliert sie darüber aufgrund theorie-
architektonischer Grundentscheidungen die journalistischen Akteure aus dem Blick. Dies liegt
vor allem daran, dass sich – folgt man Luhmanns autopoietisch gewendeter Systemkonzeption
– geschlossene, nach einer spezifischen Logik funktionierende Systeme durch Kommunikation
koordinieren und integrieren.141 Diese Kommunikation, und nicht Mensch oder Handlung, ist
somit „Letztelement sozialer Systeme“.142 Die Systemanalyse in der Luhmannschen Fassung
kommt gänzlich ohne die operationalisierte Betrachtung individueller Leistungen aus, da sie die
Integration sozialer Systeme von Handlungen Einzelner abkoppelt und sie statt dessen zu
einem perpetuierten Gesamtzusammenhang stilisiert, der durch Individuen (psychische Syste-
me) nicht erschütterbar, sondern allenfalls irritierbar ist. Durch diesen Verweis auf ‚Kommuni-
kation‘ statt auf ‚Handlung‘ als Letztelement sozialer Systeme „[…] werden die Akteure quasi
aus der Theorie eskamotiert“.143 Das führt dazu, dass in der Gegenüberstellung von Sozialsys-
tem und Personalsystem der Akteur explizit außerhalb des Sozialen positioniert und damit
psychologisiert wird.144 Als ‚psychische Systeme‘ gehören Individuen zur Umwelt des Systems
Gesellschaft. Beide Systeme sind für einander Umwelt, das soziale System damit vom Bewusst-
sein und auch vom Handeln individueller Akteure unabhängig.145 Luhmann konzentriert sich
auch in seiner Kommunikationstheorie
„[…] allein auf Sinnprozesse, die durch Kommunikation aufgebaut werden, und lässt die Aktanten aus seiner
Betrachtung heraus, weil er nur die übergreifenden, sich selbst erzeugenden und ordnenden Sinnzusammen-
hänge und ihre gesellschaftliche Wichtigkeit untersuchen möchte und nicht, was in den Köpfen der Leute
passiert“.146

135 So beschreibt z.B. auch Habermas (1973a) die Bereiche der materiellen Ressourcenreproduktion der Gesell-
schaft als Systeme. Auch akteurtheoretisch fundierte Gesellschaftsentwürfe (vgl. Schimank 2000), verweisen auf
Strukturierungsprozesse, die jenseits des Handelns Einzelner liegen und dieses ermöglichen oder begrenzen.
136 In dieser Arbeit wird daher der von Parsons und Luhmann inspirierte Habermassche Systembegriff verwendet.
137 Vgl. Hug 1997, S. 351ff.
138 Vgl. Rühl 1980
139 Vgl. Raabe 2005, S. 59f.
140 Ebd., S. 75
141 Vgl. Luhmann 1984; 1996; 1997
142 Görke/Kohring 1996, S. 16; vgl. auch Loosen/Scholl/Woelke 2002, S. 37.
143 Raabe 2005, S. 20
144 Vgl. ebd., S. 175
145 Vgl. Görke/Kohring 1996, S. 16f.: „Da soziale Systeme ausschließlich aus Kommunikation bestehen, gehören
Bewußtseinssysteme demnach zu deren Umwelt. Das heißt nicht, daß soziale Systeme ohne Bewußtseinssyste-
me auskommen würden. Gleichwohl kann aufgrund der operationalen Geschlossenheit nicht von Kommunika-
tion auf Bewußtseinsinhalte geschlossen werden und umgekehrt.“
146 Schmidt/Zurstiege 2000, S. 144f.
2 Theoretische Optionen 59

Nicht der Sinn der Erkenntnis individueller Bewusstseinssysteme, sondern ausschließlich der
Sinn übersubjektiver Kommunikation für soziale Systeme steht im Zentrum. Diese Differen-
zierung hat Konsequenzen für das systemische Verständnis von Kommunikation: Nicht
Individuen kommunizieren nach Luhmann, sondern ausschließlich Kommunikation kommu-
niziert und erzeugt Anschlusskommunikation. Begründet wird dies mit der fundamentalen
Differenz von individuellem Bewusstsein und einer davon unabhängigen Gesellschaft.147
Systemtheoretische Kommunikationswissenschaft als konkreter Unterfall einer allgemeinen
Systemtheorie bildet daher primär keine Kommunikationstheorie heraus, sondern untersucht
systembildende und -erhaltende Kommunikationszusammenhänge, denen individuelle Akteure
äußerlich sind. Auch nach der dezidierten Hinwendung Luhmanns zu Fragen der Kommunika-
tion bleibt die Beobachterperspektive in der Systemtheorie erhalten und wird nicht gegenüber
der Perspektive von Teilnehmern geöffnet.148
Dieser Umstand wird von der Kommunikationswissenschaft überwiegend durch die Hin-
zunahme konstruktivistischer Theoreme kompensiert, die sich auf das Individuum und seine
Wahrnehmungskapazitäten beziehen. Dabei greift das konstruktivistische Denken erkenntnis-
theoretisch auf ähnliche Grundlagen zurück wie die neuere soziologische Systemtheorie – sie
sind die „beiden großen antirealistischen und beobachterzentrierten Strömungen aktuellen
Denkens“.149 Beide Theoriestränge inkorporieren das von der Biologie inspirierte Denken in
Systemen, operieren mit Beobachterkategorien und betonen die Kontingenz ihrer Ergebnisse.
„Konstruktivismus und Systemtheorie eint somit einiges: Was im konstruktivistischen Denken Beobachterab-
hängigkeit und -relativität heißt, meint in der Systemtheorie Systemabhängigkeit und -relativität. Beiden Theo-
rien geht es um die Umschreibung der klassischen abendländischen Dualität von Subjekt (Beobachter, Ich)
und Objekt (Beobachtetes, Welt). Schließlich starten beide Theorien ihre Überlegungen mit Differenz […]
und nicht mit Identität.150

Ausschlaggebend für den Konstruktivismus ist – ebenso wie in der Systemtheorie – das an der
Biologie geschulte Denken in binären Unterscheidungskategorien, wobei die Unterscheidung
und ihre Kategorien selbst der Wahrnehmung nicht zugänglich sind, sondern als ‚blinder Fleck‘
verbleiben. Erst durch eine neuerliche Unterscheidung wird dieses Desiderat sichtbar – auf
Kosten eines neuen ‚blinden Flecks‘.151 Insofern kommt auch der Konstruktivismus in all
seiner epistemologischen Kontingenz der radikal in das Gehirn des individuellen Akteurs
verlagerten Erkenntnisprozesse nicht ohne ein Moment des Unhintergehbaren aus. Während
die Systemtheorie als soziologische Grundlagentheorie Modelle der Beschreibung sozialer
Prozesse liefert, präsentiert sich der Konstruktivismus als epistemologisches Modell, das
versucht die Erkenntnisleistungen des Subjekts erklärbar zu machen. Oder wie Scholl schreibt:

147 Vgl. Luhmann 1997, Bd.1, S. 105: „Nicht der Mensch kann kommunizieren, nur die Kommunikation kann
kommunizieren. Ebenso wie Kommunikationssysteme sind auch Bewußstseinssysteme (und auf der anderen
Seite Gehirne, Zellen usw. …) operativ geschlossene Systeme, die keinen Kontakt zueinander unterhalten kön-
nen. Es gibt keine nicht sozial vermittelte Kommunikation von Bewußtsein zu Bewußtsein, und es gibt keine
Kommunikation zwischen Individuum und Gesellschaft.“
148 Vgl. Jäger/Baltes-Schmitt 2003, S. 64f. Plausibel ist die Adaption der Beobachterperspektive zur Beschreibung
des Journalismus dann, wenn sie auf die Unterschiedlichkeit der zugrunde gelegten Relevanzkontexte verweist,
auf welche die Systemtheorie wert legt. Systemtheoretisch gesprochen lässt sich konstatieren: „Journalismus
richtet sich in seiner Selektion prinzipiell nicht an den Relevanzkriterien des gerade beobachteten Systems aus,
sondern immer an den Relevanzkriterien der gesellschaftlichen Umwelt dieses Systems.“ (Kohring 1998, S. 187)
149 Weber 1997c, S. 34
150 Ebd., S. 35
151 Vgl. Schmidt/Zurstiege 2000, S. 151
60 II Zur Verortung des Journalismus

„Der Konstruktivismus beobachtet durch das Nadelöhr Kognition, die rekursiv mit Medien und Kultur ver-
knüpft wird; die Systemtheorie Luhmanns beobachtet dagegen strikt durch das Nadelöhr Kommunikation,
die das Element aller sozialen Systeme bildet […]. Während der Konstruktivismus in dieser Spielart kultur-
wissenschaftlich fundiert ist, steht die Systemtheorie in einer sozialwissenschaftlichen Tradition.“152

Der radikale Subjektivismus des Konstruktivismus steht daher bisweilen nur vordergründig in
einem Gegensatz zur Systemtheorie. Theoriearchitektonisch lassen sich beide in der Kommu-
nikationswissenschaft miteinander verbinden. Auch in der Journalistik geschieht die Verbin-
dung von makro- und mikrosozialer Betrachtungsweise zum gegenwärtigen Zeitpunkt vorwie-
gend durch eine Kombination systemtheoretischer und konstruktivistischer Annahmen.153
Dabei hat allerdings der in den frühen 1990er Jahren populäre radikal-konstruktivistische
Ansatz154 zugunsten weniger hermetischer Konzeptionen wieder an Bedeutung verloren.
Konstruktivisten weisen – obwohl ihr eigenes Theoriegebäude ohne die Systemtheorie im
wahrsten Sinne des Wortes nicht ‚denkbar‘ wäre155 – mittlerweile deutlich auf die Schwierigkei-
ten systemtheoretischen Denkens hin. Sie kritisieren sowohl die ontologischen Prämissen des
vermeintlich realen Charakters der sozialen Systeme nach Luhmann als auch die Exklusion des
Individuums aus der Kommunikationsanalyse selbstreferentieller Systeme.156 Die konstruktivis-
tische Kommunikationstheorie begreift sich mittlerweile explizit als erkenntnistheoretisch
fundierte Handlungstheorie. Kommunikation ist für sie „eine Form von Handeln, die von
außen beobachtet werden kann“.157 Schmidt und Zurstiege begründen diese Eingangsentschei-
dung mit dem erfahrungswissenschaftlichen (empirischen) Charakter der Kommunikationswis-
senschaft, der den Umgang mit einzelnen Akteuren in konkreten Situationen bedingt, mit der
erkenntnistheoretischen Einsicht, dass Kommunikation nicht autopoietisch ist, sondern von

152 Scholl 2002b, S. 9


153 Vgl. Scholl/Weischenberg 1998
154 Der ‚Radikale Konstruktivismus‘ ist über das Funk-Kolleg Medien und Kommunikation in die Kommunikati-
onswissenschaft eingeführt worden (vgl. Deutsches Institut für Fernstudien an der Universität Tübingen 1990)
und stieß bald auf Kritik (vgl. Hachmeister 1992). Zentrales Verdienst war es, darauf hinzuweisen, „[…] dass al-
le Phänomene in der (kognitiven) Wirklichkeit als Produkte, also als Resultate (meist sehr voraussetzungsrei-
cher) Prozesse zu untersuchen, und sie nicht als Gegebenheiten vorauszusetzen“ sind (Schmidt 1993, S. 105).
Diese Sichtweise stieß auf großen Widerstand, wenngleich die maßgeblichen Probleme dieser epistemologi-
schen Position nicht auf der häufig diskutierten ethischen Ebene liegen. Als Probleme radikalkonstruktivisti-
scher Ansätze für die Kommunikationstheorie lassen sich zu Recht benennen:
Unzureichende Selbstbegründung: Im radikal-konstruktivistischen Theorierahmen wird versucht, „[…] die
Richtigkeit der von ihm vertretenen antirealistischen Erkenntnistheorie im Rekurs auf naturwissenschaftliche
Forschungsergebnisse aus Biologie, Neurophysiologie und Kognitionspsychologie belegen zu können“ (Sand-
bothe 2003, S. 8). Zur Aufrechterhaltung der konstruktivistischen Prämissen wird hier willkürlich zwischen
möglichen adäquaten und unmöglichen adäquaten Annahmen über die Umwelt unterschieden (vgl. Burkart
1997; Hachmeister 1992).
Selbstwidersprüche im Hinblick auf die Leistungen von Kommunikation: Er unterstellt in seinem Kommunika-
tionskonzept, dass die Voraussetzungen für Kommunikation, das Vorhandensein materieller Kommunikations-
träger und symbolischer Inhalte, für den Kommunizierenden ‚erkennbar‘ sind. Diese Annahme kollidiert mit
der Prämisse der radikalen Konstruktivität von Erkenntnis, der zufolge auch kommunikative Zeichen subjektiv
konstruiert werden müssten. Im Begründungsprogramm des radikalen Konstruktivismus wird versucht, diesen
Widerspruch zu umgehen, indem das Wissen um die gemeinsam genutzten Zeichen in sozialisatorischen Ler-
nerfahrungen verankert wird. Für diese aber ist wiederum Kommunikation notwendig (vgl. Neuberger 1996, S.
213). Manche Kritiker argumentieren, dass die radikalkonstruktivistische Epistemologie aufgrund ihrer inneren
Widersprüchlichkeit die Entwicklung eigenständiger und anschlussfähiger Kommunikationstheorien sogar be-
hindert hat, indem sie Erkenntnistheorie in den Mittelpunkt der kommunikationswissenschaftlichen Bemühun-
gen gestellt hat. Burkart (1997, S. 70) spricht gar von einem „erkenntnistheoretischen Zufluchtsort“.
155 Vgl. Scholl 1997a, S. 129
156 Vgl. Weber 1997c, S. 35f.
157 Schmidt/Zurstiege 2000, S. 144
2 Theoretische Optionen 61

Akteuren erzeugt werden muss, und mit der Prämisse, dass Handeln in (gesellschaftlichen)
Sinnzusammenhängen erfolgt und auf Sinn ausgerichtet ist.158
Neben den epistemologischen Fragen individueller Welterkenntnis bzw. -konstruktion zei-
gen sich zum Beispiel die jüngeren Arbeiten von Schmidt auch offen für soziale, sprach- und
kulturgesteuerte Prozesse der gemeinsamen Konstruktion eines gesellschaftlichen Weltbil-
des.159 Auch diese Neuentwürfe gehen von einem nicht beobachtbaren ‚blinden Fleck‘ der
Unterscheidung aus, verankern ihn aber nicht mehr in biologistisch-neurophysiologischen
Annahmen, sondern in sprachlichen und kulturellen Sozialisationsprozessen. Anders als in der
Systemtheorie wird so auch ein Zusammenhang zwischen gesellschaftlichen Systemen und
individuellem Bewusstsein darstellbar. Der Konstruktivismus liefert ein Modell dafür, wie die
in sozialen Systemen ausdifferenzierten binären Codes in psychischen Systemen als Vorausset-
zungen individueller Kommunikation als Schemata internalisiert werden: Die Gesamtheit der
Unterscheidungen in einer Gesellschaft ergeben ein Wirklichkeitsmodell; das verbindliche
Programm zur Verwendung dieser Unterscheidungen, dessen individuelle Anwendung über
Mitgliedschaft in Gesellschaft entscheidet, bezeichnen Schmidt und Zurstiege als ‚Kultur‘.160
Medien und Journalismus gelangen aus dieser Perspektive als zentrale Konstruktionsin-
stanzen dieses Wirklichkeitsmodells und seiner Unterscheidungsprogramme in den Blick. Der
Konstruktivismus gewinnt so nicht nur den Blick für die Internalisierung vorhandener Sche-
mata der Unterscheidung, sondern zugleich auch für externalisierende Wirkungen individuellen
(Konstruktions-)Handelns. Gesellschaft erscheint als ein Produkt des Handelns von Individu-
en. Mit dieser jüngeren Weiterentwicklung setzt sich der kommunikationswissenschaftlich
fruchtbar gemachte Konstruktivismus von Schmidt von den systemtheoretischen Konzepten
ab und geht deutlich über sie hinaus. Letztlich kann aus dieser Perspektive ein emanzipatives
Potenzial von Kommunikation auch über das Trennende der individuellen Kognitionsprozesse
hinweg ausgemacht werden. Ob dieses Potenzial in der Journalistik ausgeschöpft werden kann,
ist offen; vielversprechende Ansätze sind mittlerweile vorgelegt worden.161

2.1.1 Systemtheoretische Grundlegung der Journalistik

Die Möglichkeit klarer Unterscheidungen begründet die Attraktivität der Systemtheorie auch in
wissenschaftspolitischer Hinsicht, insofern sie eine begründbare Abgrenzung des Gegenstands
kommunikations- oder journalistikwissenschaftlicher Forschung verspricht. Je nach Betrach-
tungsweise können so Öffentlichkeit162, Publizistik163, Journalismus164 oder Massenmedien165
als soziales System verstanden werden und klar abgegrenzt werden. Die so vorgenommene
Differenzierung basiert auf der Identifikation je unterschiedlich gewählter Unterscheidungskri-
terien (Leitdifferenz/Code) und damit auf einer theoretischen Vorentscheidung, die Ausgangs-

158 Vgl. ebd., S. 145


159 Vgl. Schmidt 2003
160 Vgl. Schmidt/Zurstiege 2000, S. 157ff.
161 Vgl. Pörksen 2006
162 Vgl. Görke 1999; Hug 1997; Kohring 1997
163 Vgl. Marcinkowski 1993
164 Vgl. Blöbaum 1994; Rühl 1980
165 Vgl. Luhmann 1996
62 II Zur Verortung des Journalismus

punkt der weiteren Ausformulierung eines Journalismus- oder Medienmodells ist.166 Die klaren
Unterscheidungen der so generierten Einzelstudien lassen sich aber nicht zu einem kommuni-
kationswissenschaftlich übergreifenden Einverständnis über das empirisch zu beschreibende
und zu untersuchende System aggregieren. Scholl konstatiert vielmehr angesichts der zahlrei-
chen unterschiedlichen Thesen und Theorien innerhalb des systemtheoretischen Paradigmas
eine „Problematik mikrodiverser Subdiskurse“, die er aber durchaus positiv als Ausweis von
„(Binnen-)Komplexität“ gedeutet wissen will.167 Das Versprechen der kohärenten Abgrenzung
des Forschungsgegenstandes ist noch nicht eingelöst, wie auch Systemtheoretiker konzedieren:
„Daß der Forschungsgegenstand der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft Systemcharakter auf-
weist, ist bislang eher Ideal, denn (theoretische) Realität.“168

Das liegt nicht zuletzt daran, dass systemisches Denken oft lediglich eine sozialwissenschaftli-
che Objektivation sozialer Vorgänge ist, die der Strukturierung der Beobachtung entnommen
ist und Analysezwecken dienen soll. Die Systemabgrenzung kann daher – abhängig von
Perspektive und Erkenntnisinteresse – pragmatisch erfolgen; sie dient zunächst der Bestim-
mung des Untersuchungsgegenstandes.169 Insofern haben kommunikationswissenschaftliche
Teildisziplinen wie die Journalistik angesichts eines für sie schon empirisch relativ klar be-
stimmten Untersuchungsgegenstandes noch vergleichsweise wenig Probleme, zu einer fachin-
tern akzeptierten Abgrenzung zu gelangen. Als Minimalkonsens systemtheoretischer Journa-
lismusforschung kann allenfalls ausgemacht werden, dass Journalismus durch gesellschaftliche
Selbstbeobachtung und -beschreibung den thematischen Rahmen gesellschaftsintern möglicher
Kommunikation absteckt170 und dass er dies nach autonomen Regeln tut171. Fast alle ambitio-
nierten Entwürfe der Journalismustheorie orientieren sich letztlich an der Vorstellung, dass
sich Journalismus als ein soziales System durch eine nur von ihm erbrachte Funktion von
seiner Umwelt abgrenzt.172 Differenzen sind auch hier hinsichtlich des Verhältnisses zwischen
journalistischer Produktion und Publikumsrezeption festzustellen. Manche Theoretiker be-
trachten das Publikum als Bestandteil des Systems, andere wiederum siedeln es in der Umwelt

166 Die gewählten Codes unterscheiden sich in den Entwürfen entsprechend ganz erheblich. Görke/Kohring
(1996, S. 17ff.; auch Görke 1999, S. 240ff.) haben die zentralen Arbeiten dahingehend gegeneinander gestellt
und identifizieren die folgenden Leitdifferenzen:
• Luhmann: Information – Nichtinformation (Massenmedien – Beziehungen von Nachrichtenjournalis-
mus, Werbung und Unterhaltung sind unklar)
• Blöbaum: Information – Nichtinformation (Journalismus – nicht abgegrenzt zur Öffentlichkeit)
• Marcinkowski: öffentlich – nicht öffentlich (Publizistik – nicht abgegrenzt zu anderen veröffentlichenden
Systemen, z.B. Wissenschaft)
• Rühl: kein eigener Code, nur: zahlen – nicht zahlen (Marktpublizistik – nicht abgegrenzt zur Ökonomie)
• Spangenberg: aktuell – nicht aktuell
Kohring (1997, S. 236f.) weist darauf hin, dass nur Marcinkowski mit Publizität auch ein symbolisch generali-
siertes Kommunikationsmedium des Systems benennt, während alle anderen Entwürfe nur Codes benennen,
obwohl diese doch laut Theorie lediglich die Funktion haben, das Medium in eine Form zu gießen.
167 Scholl 2002b, S. 9ff.
168 Görke/Kohring 1997, S. 7
169 Vgl. Scholl/Weischenberg 1998, S. 47; Scholl 1997b
170 Vgl. Hohlfeld 2003, S. 95. Luhmann (1997, Bd. 2, S. 1103) selbst weist dazu vergleichbar den Massenmedien –
Journalismus wird von ihm nicht thematisiert – die Funktion der „Absorbtion von Unsicherheit bei der Her-
stellung und Reformulierung von Welt- und Gesellschaftsbeschreibungen“ zu.
171 Vgl. Görke 1999, S. 303
172 Vgl. Hohlfeld 2003, S. 89
2 Theoretische Optionen 63

des journalistischen Systems an.173 Systemtheoretisch ist so die Annahme journalistischer


Autonomie, die in anderen Denkschulen bisweilen diskreditiert wird, relativ leicht darzustellen:
„Journalistische Autonomie ist mithin nicht ‚bloß‘ als eine moralische oder demokratietheoretische Forderung
anzusehen – aus der Sicht einer systemtheoretisch orientierten Journalismustheorie ist sie vielmehr die unver-
zichtbare Voraussetzung für die gesellschaftliche Funktionalität des Systems Öffentlichkeit und seines Leis-
tungssystems Journalismus.“174

Die junge bundesdeutsche Journalistik jedenfalls stellte sich zunächst mehrheitlich unter das
Dach systemtheoretisch begründeter Theorieentwürfe: Zunächst Rühl175 und dann auch
Weischenberg176 legten paradigmatische Näherungen an das zu institutionalisierende Fach vor,
die mit dem Ziel einer systemrationalen Rekonstruktion des Journalismus als Sozialsystem
durch Begriffe funktional-struktureller Differenzierung an die in den 1960er Jahren begründete
Tradition funktionalistischer Analysen in der Publizistikwissenschaft anknüpfen.177 Diese
Entscheidung hat deutliche Spuren in der theoretischen Entwicklung hinterlassen. Aus system-
theoretischer Perspektive wird nicht nur der Untersuchungsgegenstand, sondern auch das Fach
als Produkt sozialer Differenzierungsprozesse systematisiert und eingeordnet:
„Journalistik wäre dann funktional-strukturell als vorrangig am Journalismus orientierter Lehr- und For-
schungsprozeß zu begreifen. Da der Gegenstand der Journalistik erst in hochentwickelten Gesellschaften ent-
steht, in denen die sozialen, politischen, ökonomischen u.a. Prozesse der Differenzierung und Spezialisierung
bereits sehr weit fortgeschritten sind, ist sie zunächst funktional und dann erst strukturell zu identifizieren.“178

Die Primärfunktion der Journalistik ließe sich aus dieser Perspektive heraus definieren „[…] als
jene methodisch gesteuerten Kommunikations- und Entscheidungsprozesse, die der Entwick-
lung und der Diskussion theoretisch-empirischen Wissens über Journalismus dienen“.179
Dieses Wissen über den Gegenstand soll die Journalismusforschung in mehreren Dimensionen
akquirieren:180
• Sie untersucht die normativen Grundlagen des Journalismus als jene strukturierte Dimen-
sion, die Journalismus zeitlich stabilisiert;
• sie untersucht Arbeits- und Berufsstrukturen um Aufschlüsse über die soziale Dimension
des Journalismus zu erlangen; und
• sie richtet sich in einer sachlichen Dimension auf Medien, Genres und Techniken des
Journalismus.
Aus dieser Perspektive wären in der Journalistik auch die Interdependenzen zwischen dem
ausdifferenzierten Funktionssystem Journalismus und dem Ganzen der Gesellschaftsordnung
zu untersuchen, da erst die Verfassung der letzteren das konkrete Gesicht des journalistischen
Systems prägt. Journalismus existiere, so führt Rühl aus, nicht „wie eine Sache der Natur“,
sondern nur als Teil eines sozialen Differenzierungsprozesses.181 Als empirisch-analytische

173 Zum Beispiel sieht Rühl (1980) das Publikum nicht als Teil des Systems, während Marcinkowski (1993) es in
seine Systemvorstellung integriert. Diese Unterschiede stehen auch in Beziehung zu unterschiedlichen Überle-
gungen hinsichtlich des Geltungsbereichs des Systems (Rühl = Journalistik; Marcinkowski = Publizistik).
174 Kohring 1997, S. 265
175 Vgl. Rühl 1982
176 Vgl. Weischenberg 1990a
177 Vgl. Rühl 1982, S. 367
178 Rühl 1982, S. 367
179 Ebd., S. 368
180 Vgl. ebd., S. 368f.
181 Ebd., S. 368
64 II Zur Verortung des Journalismus

Wissenschaft ist die Journalistik aus diesem Verständnis heraus nicht in der Lage, Normen für
den Journalismus zu entwickeln, sondern sie kann allenfalls dessen Normativität untersuchen
„[…] als jene strukturelle Dimension, die Journalismus zeitlich stabilisiert“.182
Legt man ein systemtheoretisches Modell zur Beschreibung der Beziehung von Journalistik
und Journalismus zugrunde, dann folgen beide zwei getrennten Logiken; die Übertragbarkeit
der wissenschaftlichen Erkenntnisse der Journalistik auf die Praxis des Journalismus ist daher
keineswegs zwangsläufig gegeben. Beide Systeme haben ihre eigenen Funktionen und Struktu-
ren und sind nur begrenzt – zum Beispiel aufgrund struktureller Kopplungen – zur Zusam-
menarbeit fähig. Sie sind jeweils Umwelt füreinander – ein Grund für die konstatierte Dicho-
tomie zwischen Wissenschaft und journalistischer Praxis. Weischenberg, der in seinem Lehr-
buch der Journalistik explizit an Rühls systemfunktionalistischen Entwurf anknüpft und ihn
weiterentwickelt, warnt davor, „unrealistische Erwartungen an den Praxisbezug der Journalis-
tik“ zu formulieren.183 Ihren Gegenstand jedenfalls habe die junge Universitäts-Disziplin nicht
als „eine Addition von Journalisten, sondern [als] ein soziales Handlungssystem“ zu konzipie-
ren.184 Stärker als Rühl aber betont Weischenberg auch systemtheoretisch den Praxisbezug, den
die Journalistik zu pflegen habe. Journalistik bewege sich ständig auf zwei Ebenen:
(1) Auf theoretisch-empirischer Ebene dient die Forschung der Journalistik dazu, Wissen über den
Journalismus zu beschaffen und zu reflektieren. Dabei greift sie in besonderem Maße auf
kommunikationswissenschaftliche Methoden, Modelle und Theorien zurück.
(2) Auf praktisch-normativer Ebene zielt die Journalistik darauf ab, Regeln für angemessene und
glaubwürdige journalistische Vermittlungs- und Kommentarleistungen zu formulieren und
diese für die Journalistenausbildung zu operationalisieren.185
Das Fach ist dementsprechend weder ein „Dienstleistungsbetrieb“ für die journalistische
Praxis, noch darf es sich in den wissenschaftlichen Elfenbeinturm zurückziehen; vielmehr ist es
erst die „Integration von Kenntnissen und Erkenntnissen aus Theorie und Praxis des Journa-
lismus“, die das Fach legitimiert.186 Weischenberg zufolge hat die Journalistik dadurch auch die
Grundlagen für einen Kompetenzsprung in der journalistischen Praxis selbst zu legen, der
wiederum zu einer Steigerung der Legitimation des Journalismus führt. Die Analyse der
Regelhaftigkeit handwerklicher und organisatorischer Routinen des Journalismus und die
Reflexion seiner sozialen Leistungen und Wirkungen soll unmittelbar der Verbesserung der
Praxis dienen.187 Die systemtheoretische Journalistik kann zur „Reflexionsanregerin“ der Praxis
weiterentwickelt werden, wenn „eine hinreichend komplexe Vorstellung des Verhältnisses von
Journalismus und Gesellschaft“ entwickelt werde, so Kohring, die sich der Frage stelle, inwie-
fern ein autonomer Journalismus seine gesellschaftlich erwarteten Funktionen erfüllen kön-
ne.188 Er stößt dabei auch an die Grenzen systemtheoretischer Kapazitäten:
„Die Journalismusforschung müsste sich dann darum kümmern, Kriterien für die ‚richtige‘ Balance von
Selbstreferenz und Fremdreferenz zu begründen und zu operationalisieren. Diese Kriterien sollten theore-

182 Ebd., S. 368


183 Weischenberg 1990a, S. 50
184 Ebd., S. 51
185 Vgl. ebd., S. 50; Weischenberg 1992a, S. 27
186 Weischenberg 1990a, S. 59
187 Vgl. ebd., S. 55f. Diese Forschungsleistungen erbringt die Journalistik selbstverständlich nach den Maßgaben
der Logik des Wissenschaftssystems, nicht nach einer medialen oder journalistischen Logik. Daraus erhoffen
sich nicht nur Systemtheoretiker zu Recht eine qualitative Verbesserung der Ergebnisse – vor allem im Ver-
gleich zu einem im Fach gewachsenen Praktizismus.
188 Kohring 2001, S. 87
2 Theoretische Optionen 65

tisch abgeleitet sein, werden aber auch unweigerlich (normativ formulierte) Erwartungen der gesellschaftli-
chen Umwelt des Journalismus (z.B. Beachtung demokratischer Prinzipien oder die Beachtung der Men-
schenwürde) mit aufnehmen müssen – Bewertungen bzw. normative Erwartungen können wissenschaftlich
nicht begründet werden. Auch die systemtheoretischen Funktionsbeschreibungen sind für sich genommen viel zu
allgemein, um daraus konkrete Selektionsprogramme für Journalisten abzuleiten. Je höher aber die Abstrakti-
onsfähigkeit der Journalismustheorie, desto größer ist die Möglichkeit, die Auswirkung solcher Normsetzun-
gen auf die gesellschaftliche Funktion des Journalismus zu überprüfen.“189

Dass die Systemtheorie dabei von Nutzen ist, liegt nicht zuletzt daran, dass sie besser als viele
andere Ansätze die Selbstläufigkeit und die der individuellen Steuerung enthobene Eigenstän-
digkeit sozialer Prozesse erklärt. Kontraproduktiv ist hingegen ein zur Luhmannschen System-
theorie apologetisches Abstrahieren vom Individuum, das dazu führt, dass theoretische Ent-
würfe manche Praxisprobleme gar nicht mehr zu fassen bekommen.190

2.1.2 Kritik: Der Verlust des Akteurs

Schwierigkeiten der Systemtheorie liegen in ihrem einseitigen Kommunikationsverständnis, in


ihrer Abstraktion von Akteuren und in ihrer Annahme rigider Grenzziehungen zwischen
verschiedenen gesellschaftlichen Funktionsbereichen. Dies führt dazu, dass eine systemtheore-
tische Journalistik die kommunikativen Potenziale ihres Untersuchungsgegenstandes begrifflich
kaum zu fassen bekommt, dass sie nicht in der Lage ist, einen Ansprechpartner in der Praxis zu
identifizieren, sondern sich als eigenständiges System begreifen muss, das mit Journalismus
zwar gekoppelt aber dennoch durch fundamentale Logikdifferenzen getrennt ist. Die System-
theorie operiert mit einem weitgehend einseitig auf Zweck-Mittel-Relationen gerichteten
Rationalitätskonzept, in dem die Potenziale einer kommunikativen Rationalität keinen Raum
finden. Steigerung von Systemrationalität bedeutet Steigerung von Effizienz in der Anwendung
der Leitdifferenz und weitergehende Schließung des systemischen Kommunikationszusam-
menhangs.191 Selbst- und Fremdbeobachtungsprozesse abgeschlossener Systeme erbringen die

189 Ebd., S. 87
190 Vgl. in ähnlicher Stoßrichtung Rühl 2000, S. 73: „Gegenwärtig erweckt die Journalismusforschung in Deutsch-
land den Eindruck, Niklas Luhmann könnte ihr Leitautor sein. […] Zu Problemen des Journalismus und der
Publizistik, Werbung, Public Relations und Propaganda eingeschlossen, hat sich Niklas Luhmann nur marginal
geäußert. Insofern liegen keine Gründe der Rechtfertigung vor, Luhmanns weit gespannte sozialwissenschaftli-
che Theoriearbeit als ‚mainstream‘ für die journalistische Theoriebildung zu vereinnahmen. Allerdings kann das
Journalismussystem demokratisch verfaßter Gesellschaften mit entscheidenden Beiträgen aus Luhmanns Theo-
rie autopoietischer Systeme, kombiniert mit sozialwissenschaftlichen Supertheorien (Emergenz-, Kommunika-
tions-, Öffentlichkeits-, Organisations-, Markt- und Entscheidungstheorien), als Kreislauf modelliert, die spezi-
fischen Kommunikationsverhältnisse zwischen Journalismussystem und Gesellschaft heterarchisch vernetzt
darstellen. Die Funktion, deretwegen die Gesellschaft den Journalismus ausdifferenziert, kann dann als organisa-
torische Produktion und schematische Distribution programmierter Programme zur öffentlichen Kommunikation umschrieben
werden.“
191 Damit steht die Rationalität des Systems oft in Nähe zu der Form instrumenteller Rationalität, die zunächst von
Weber (1980 [1921]) und später auch von Horkheimer und Adorno (1988 [1944]) in ihrer Kritik einer auf das
Zweckrationale halbierten Vernunft betrachtet worden ist. Die ‚Dialektik der Aufklärung‘ wird in der System-
theorie in bizarrer Verkehrung zur Grundlage von Unterscheidungen. Dazu Habermas (1985c, S. 443): „Luh-
manns Theorie sehe ich als ingeniöse Fortsetzung einer Tradition, die das Selbstverständnis der europäischen
Neuzeit stark geprägt und dabei ihrerseits das selektive Muster des okzidentalen Rationalismus widergespiegelt
hat. Die kognitiv-instrumentelle Einseitigkeit der kulturellen und gesellschaftlichen Rationalisierung fand auch
Ausdruck in den philosophischen Versuchen, ein objektivistisches Selbstverständnis des Menschen und seiner
Welt zu etablieren – zunächst in mechanistischen, später in materialistischen und physikalistischen Weltbildern,
die mit mehr oder weniger komplexen Theorien Geistiges auf Körperliches zurückführten.“ Die Systemtheorie,
66 II Zur Verortung des Journalismus

notwendigen Koordinierungsleistungen. Sprache hingegen, so Habermas‘ Kritik, ist in der


Systemtheorie
„[…] als Kommunikationsmedium so unterbestimmt, daß sie nicht dazu gemacht ist, den Egozentrismus der
einzelnen Systemperspektiven durch eine höherstufige, über- oder zwischensystemisch gemeinsame Perspek-
tive zu überwinden“.192

Sprache wird systemtheoretisch zu einem Medium reduziert, in dem bereits vorhandener Sinn
allenfalls übersetzt, aber kein neuer Sinn gestiftet werden kann. Kommunikation ist zwar der
zentrale Reproduktionsmechanismus von Systemen und damit auch von Gesellschaft als
System. Individuen allerdings sind an diesem subjektlosen Prozess nicht beteiligt, sondern
gehören zur Umwelt des Systems.193
Die theoretische Entscheidung Luhmanns, Kommunikation und individuelles Handeln zu
trennen, macht es unmöglich, im Rahmen der Systemtheorie ein Modell durch Kommunikati-
on getragener Öffentlichkeit zu etablieren, welches in der Lage ist, eine höherstufige Intersub-
jektivität zu begründen, die als Richtmaß gesellschaftlicher Entwicklung begriffen werden
kann. Auch öffentliche Meinung gelangt nicht sinnhaft oder mindestens kausal, sondern
überwiegend funktional als „Selektionshilfe“ in den Blick.194 Ähnlich ist Gesellschaftlichkeit
dem Willen des Einzelnen nicht ohne weiteres zugänglich, bzw. das soziale System ist durch
das Individuum maximal von außen irritierbar, nicht aber durch kommunikative Verständigung
in Öffentlichkeit gestaltbar. Die Konsequenz ist ein ‚methodischer Antihumanismus‘, der die
Möglichkeit einer öffentlichen Diskussion gesellschaftlicher Anliegen oder gar Krisen diskredi-
tiert.195 Systemtheorie beschreibt zweckrational-instrumentelle Logiken, während sie eine
weitergehende kommunikative Rationalität begrifflich nicht zu fassen bekommt. Sie vermag
nicht zu beschreiben, dass in lebensweltlichen Begründungsmustern eine Rationalität jenseits
technizistischer Effizienz existiert. Gesellschaft erscheint ihr als ein begrenztes System, dass
wie alle Teilsysteme nach strenger Logik operiert. Idiosynkrasien oder auch nur humankom-

so Habermas weiter, setze biologische Argumente ein, um die Metaphysik der Subjektphilosophie durch eine
Metabiologie zu ersetzen, deren Konsequenzen aber gleichfalls eine Vergegenständlichung lebensweltlicher,
durch Kommunikation gesteuerter Prozesse durch eine ihnen fremde Logik bedeuten. Die frühe Auseinander-
setzung zwischen Habermas und Luhmann dokumentiert der Band ‚Theorie der Gesellschaft oder Sozialtech-
nologie – Was leistet die Systemforschung?‘ (Habermas/Luhmann 1971).
192 Habermas 1985c, S. 441
193 Die sich daraus für die Kommunikationswissenschaft ergebende Folge wäre, dass sie keine spezifische
Kommunikationstheorie entwerfen könnte. Eine solche Theorie wäre zwangsläufig eine Theorie der Gesell-
schaft. Die Kommunikationswissenschaft würde dann in der allgemeinen Soziologie der Systeme aufgehen:
„Aus systemtheoretischer Sicht besteht die Gesellschaft selbst aus Kommunikation, die wiederum in voneinan-
der abgegrenzte Sinnsphären ausdifferenziert ist (z.B. Recht, Wissenschaft und eventuell eben auch Publizistik).
Systemtheoretisch betrachtet ist die Wissenschaft von der Kommunikation also gleichbedeutend mit der Wis-
senschaft von der Gesellschaft. Sofern also die Publizistik- und Kommunikationswissenschaft nicht einfach in
der soziologischen Systemtheorie aufgehen will (und hierfür sehen wir keinen Anlaß), muß sie sich nach einem
anderen Abgrenzungskriterium als Kommunikation schlechthin umsehen, um ihren Forschungsgegenstand ge-
genüber anderen gesellschaftlichen Bereichen eindeutig abzugrenzen.“ (Görke/Kohring 1997, S. 12)
194 Luhmann 1979 [1970], S. 30
195 Vgl. Habermas 1985c, S. 436. Luhmann (1997, Bd. 1, S. 35) erkennt den „radikal antihumanistischen“ Charak-
ter seiner Gesellschaftstheorie an, hält ihn methodologisch aber für unabdingbar: „Die These einer Selbstpro-
duktion durch Kommunikation postuliert klare Grenzen zwischen System und Umwelt. Die Reproduktion von
Kommunikationen aus Kommunikationen findet in der Gesellschaft statt. Alle weiteren physikalischen, chemi-
schen, organischen, neurophysiologischen und mentalen Bedingungen sind Umweltbedingungen. Sie können
durch die Gesellschaft in den Grenzen ihrer eigenen Operationsfähigkeit ausgewechselt werden. Kein Mensch
ist gesellschaftlich unentbehrlich. Aber damit ist natürlich nicht behauptet, daß Kommunikation ohne Bewußt-
sein, ohne durchblutete Gehirne, ohne Leben, ohne gemäßigtes Klima möglich wäre.“ (ebd., S. 13f.)
2 Theoretische Optionen 67

munikativ fundierte Ausbruchsversuche erscheinen zwecklos, mindestens aber dysfunktional –


sofern sie überhaupt als relevante Optionen betrachtet werden, die der Beschreibung und
Beurteilung bedürften.
Alleinig angewendet überstrapaziert die Systemtheorie somit die soziologische Idee der In-
ternalisierung von Verhaltensmustern durch gesellschaftliche Institutionen; sie vernachlässigt
die externalisierenden Folgen menschlichen, individuellen Handelns. Dadurch droht sie
angesichts der sozialen Definitionsmacht sozialwissenschaftlicher Theorien zur self-fulfilling-
prophecy zu werden, die die Vergegenständlichung humaner Interaktion durch ihre Beschrei-
bungen überhaupt erst erzeugt.196 Eine Verabsolutierung systemtheoretischen Denkens bein-
haltet zumindest die Gefahr, die Besonderheiten kommunikativer Interaktion zwischen ver-
nunftbegabten Individuen aus dem Blick zu verlieren. Das alleinige Denken in sozialen Syste-
men führt dazu, dass die Behandlung normativ-praktischer Fragen unmöglich erscheinen muss.
Es beinhaltet darüber hinaus die Gefahr des Verlusts hermeneutischen Sinnverstehens, indem
die Unterscheidung (und damit die Frage nach dem konstitutiven Sinn eines systemischen
Zusammenhangs) der Systemanalyse als ‚blinder Fleck‘ dem beobachtbaren Horizont wenn
nicht entzogen, dann mindestens vorgelagert wird.197
Es erscheint für einen als Beobachter zweiter Ordnung klassifizierten Sozialwissenschaftler
kaum möglich, auf Basis eines systemtheoretischen Fachverständnisses sinnverstehende
Analyse lebensweltlicher Strukturen zu gewährleisten und auf dieser Basis in einen auch
normativ-praktischen Dialog mit der Praxis zu gelangen. Die „auf sich selbst angewendete
Systemtheorie der Gesellschaft“ könne, so Habermas, daher gar nicht anders, als sich „[…] auf
die Komplexitätssteigerung moderner Gesellschaften affirmativ einzustellen“.198 Sie hat
Schwierigkeiten, die sozialen Folgekosten dieser Ausdifferenzierung, die in der Soziologie
klassisch als ‚Verdinglichung‘ und ‚Entfremdung‘ beschrieben worden sind199, darzustellen und
einer Analyse zugänglich zu machen. Verabsolutiert man ihr Begriffs- und Gedankengebäude,
dann präsentiert sich die Modellierung hermetischer sozialer Systeme schließlich selbst als ein
Höhepunkt verdinglichenden Denkens, das den Blick auf die Folgen sozialer Entwicklungen
für Individuen theoretisch verstellt. Eine rein systemische Betrachtungsweise führt für sich
allein genommen mindestens zu forschungspraktischen Aporien, da sie nur unter erheblichen
systematischen Anstrengungen dazu in der Lage wäre, das Handeln einzelner Akteure oder
Akteursgruppen zu untersuchen.200 Es würde zunächst unterschiedslos im durch subjektunab-
hängige Kommunikation integrierten Systemzusammenhang verschwinden.

196 Vgl. dazu Habermas 1985c, S. 444: „Man muß berücksichtigen, daß innovative Gesellschaftstheorien in ihren
Paradigmen stets in der Gesellschaft selbst verankert waren und niemals dem Wissenschaftssystem ausschließ-
lich angehört haben. Ein Effekt der Vergegenständlichung kommt jedenfalls in dem Maße zustande, wie die
Systemtheorie in die Lebenswelt eindringt, in diese eine metabiologische Perspektive einführt, aus der sie sich
dann selber als ein System in einer Umwelt-mit-anderen-Systemen-in-einer-Umwelt verstehen lernt – so als
vollziehe sich der Weltprozeß durch nichts als durch System-Umwelt-Differenzen hindurch.“
197 In diesem theoriearchitektonisch notwendigen Schritt, der sich aus den erkenntnistheoretischen Wurzeln ergibt,
liegt die oftmals beklagte Tendenz der Systemtheorie zu konservativen Betrachtungsweisen, die in ihrer funkti-
onalistischen Perspektive zumeist auf die Fixierung eines nicht zu hinterfragenden Status quo gerichtet sind. Da
aber soziologisches Denken stets auf den beobachteten Zusammenhang zurückwirkt, da Soziologen selbst
wenn sie sich beobachtend wähnen, ohne virtuelle Teilnahme am sozialen Prozess nicht zu Ergebnissen kom-
men können, besteht vielmehr die Gefahr der Reifikation systemischer Konstruktionen und damit der ex-post-
Legitimation latenter Ausdifferenzierungsfolgen durch wissenschaftliche Studien.
198 Habermas 1985c, S. 426
199 Vgl. für eine handlungstheoretische Auseinandersetzung mit diesen Tendenzen Pöttker 1997.
200 Vgl. Scholl/Weischenberg1998; Loosen/Scholl/Woelke 2002
68 II Zur Verortung des Journalismus

„Eine Betrachtung, die die Akteure mit ihren Interessen und Motiven, ihren Einstellungen und
Überzeugungen aus dem System verbannt, erschwert die empirische Überprüfung systemtheoretischer Ein-
sichten oder macht sie vielleicht sogar ganz unmöglich. – Wie will man Kommunikation beobachten, ohne
wieder den Bruch mit Niklas Luhmanns Theorieentscheidung zu vollziehen und implizit oder explizit von
Personen und Akteuren – Menschen – zu sprechen. Das heißt: Die Übertragung systemtheoretischer Einsich-
ten auf die empirische Forschung funktioniert womöglich nur über einen Abschied von zentralen Postulaten,
die sich in der Systemtheorie Niklas Luhmanns finden.“201

Die Theorie sozialer Systeme tendiert dazu, ihre Systemkonstruktionen reifizierend als begrif-
fene Wirklichkeit auszugeben, ohne sie gleichzeitig einer empirischen Überprüfung zugänglich
zu machen. Diese Konsequenz der ausschließlichen Verlagerung von Sinn in die Differenzlo-
gik autopoietischer sozialer Systeme vermag eine Wissenschaft, die mit individuellen Personen
als Bezugspunkt im Theorie-Praxis-Dialog umgehen muss, kaum zu befriedigen. Nimmt man
dem Systembegriff schließlich sogar noch seinen Charakter als sozialwissenschaftliche Objekti-
vation, mithin als Konstruktion eines Beobachters, der soziale Zusammenhänge in einer
analytischen Sprache ordnet, und verdinglicht das System im Vermittlungsprozess zur Praxis
statt dessen zu einem sozialen Faktum202, muss sich Wissenschaft in der Konsequenz einseitig
auf die Internalisierungswirkungen eines hermetischen Sozialzusammenhangs konzentrieren,
der der Gestaltung durch Individuen nicht zugänglich ist. Unbeabsichtigt wird durch eine
derartige Überreizung der begrifflichen Chancen einer Theorie sozialer Systeme ihr durchaus
analytisch fruchtbarer ‚methodischer Antihumanismus‘ in den untersuchten sozialen Zusam-
menhang hineingetragen.
In der Journalistik zeigen sich die Probleme einer rein instrumentellen Beschreibung sozia-
ler Sachverhalte auch systemimmanent, indem die Entfernung der Systemtheorie von ihrem
Beobachtungsgegenstand das Fach mittlerweile vor Anwendungsprobleme stellt, die entweder
zu kategorialen Verzerrungen und Kompromissen in der empirischen Darstellung oder aber zu
Modifikationen des Theoriegebäudes zwingen, wie Hohlfeld anmerkt:
„Die Systemtheorie hat als gesellschaftliche Supertheorie eine Abstraktionshöhe gewonnen, von der aus der
Sprung in die Niederungen der empirischen Beschreibung journalistischen Handelns nicht länger ohne offene
Frakturen möglich ist.“203

Denkt man ein systemtheoretisches Konzept der Journalistik konsequent zu Ende, dann
bedeutet es, dass sich Journalismus und Journalistik zwar wie kommunizierende Röhren
beeinflussen und dass davon auch ihr jeweiliger Zustand und ihre jeweilige gesellschaftliche
Legitimation abhängig sein sollen; dass sie aber andererseits durch eine unverrückbare System-
grenze und differierende Logiken oder Codes rigide voneinander getrennt sind. Die zur
Erbringung der intendierten Funktion der Journalistik notwendige Interdependenz der beiden
Systeme wird durch systemisch bedingte Kommunikationshemmnisse gestört. Nimmt sich
Journalistik in ihrer Gründungsabsicht ernst, dann muss sie aber in der Journalistenausbildung
den Brückenschlag zwischen der theoretischen Abstraktion und der pragmatisch-normativen
Konkretion suchen. Sie kann es sich nicht leisten, ihren Gegenstand so sehr zu abstrahieren,
dass sie dadurch selbst den kommunikativen Partner verliert. Deshalb müssen die hochkom-
plexen Systemkonzepte umständlich „auf ein handhabbares Niveau gesundgeschrumpft“
werden.204 Angesichts dieser Feststellung lässt sich plausibel konstatieren, dass die „Bemühun-

201 Pörksen 2001, S. 63f.


202 Worauf Luhmann (1984, S. 30) theoretisch Wert legt.
203 Hohlfeld 2003, S. 106.
204 Ebd., S. 19
2 Theoretische Optionen 69

gen auf der Makroebene der (system-)theoretischen Journalismusforschung“ ins Stocken


geraten sind – „die Möglichkeiten der Supertheorie scheinen vorerst ausgereizt zu sein“.205
Wenn die Kernfragen der Journalistik und der Journalismustheorie nach Regeln, Zweck
und Sinn journalistischen Handelns206 tatsächlich umfassend behandelt werden sollen, dann
werden systemtheoretische Entwürfe für sich genommen dazu nicht ausreichen. Die System-
theorie übersieht, so die handlungstheoretische Kritik, „[…] daß Journalismus in erster Linie
kommunikatives Handeln darstellt, das sich weder aus dem Prozeß sozialer Kommunikation
noch aus dem Kontext interagierender Kommunikationspartner herauslösen ließe“.207 Diffe-
renzierte Beobachtungs- und Beschreibungsmöglichkeiten wiegen nicht das Verstehensdefizit
der Systemtheorie sowie ihren mangelnden Anschluss an das Selbstverständnis der Praktiker
auf. Die Konzentration der Journalismustheorie auf die Systemtheorie führt nach Haller
vielmehr dazu, dass Journalismus
• „[…] aus seinem historisch gewachsenen Sinnzusammenhang herausgerissen ist,
• von der praxisbezogenen Handlungs- auf eine strukturelle Organisationstheorie umgepolt wurde,
• seiner kommunikativen, auf Verständigung (im weiteren auf Verstehen) angelegten Dimensionen ent-
kleidet ist,
• wegen der Theorieprämissen als strukturell geschlossenes System definiert werden muß, mit der Folge,
daß das Mediensystem – wider besseres Praxiswissen – zur Umwelt des Journalismus externalisiert
wird.“208

Hohlfeld regt ein multiperspektivisches Vorgehen an, das von einem „Nebeneinander von
Kommunikation und Handlung, von System und Akteur, von Autonomie und Fremdsteue-
rung“ in seinen Beschreibungsversuchen ausgeht.209 Will die Journalismustheorie auch künftig
anschlussfähig für die mikrosoziale Beobachtung und Beschreibung redaktioneller Handlungs-
verläufe sein, dann ist es sinnvoll, ihre vorwiegend systemtheoretische Perspektive um diese
Faktoren erweitern, ohne aber die Systemtheorie in ihrem derzeitigen Entfaltungsstand zu
ignorieren.210 Dazu sind auch die erkenntnistheoretischen Prämissen des Konstruktivismus, die
zur stärkeren Offenheit und Verbindlichkeit weiterentwickelt worden sind, zu der makrosozia-
len Analyse anschlussfähig zu machen. Die dazu in der Journalistik oftmals gängige Kopplung

205 Ebd., S. 99
206 Vgl. Neverla 2002, S. 26
207 Haller 2000a, S. 114f.: Außerdem übersehe systemtheoretische Forschung,
• „[…] daß für die journalistische Aussagenproduktion einzelner Mediengattungen (Beispiel: Wochenzei-
tungen) und Genres (Beispiel: subjektive Erzählformen) keine Systemstruktur feststellbar ist, vielmehr das
journalistische Subjekt (als Autor und Blattmacher) maßgeblich bleibt,
• daß in anderen Mediengattungen (insbesondere beim Rundfunk) die journalistische Aussagenproduktion
von den medialen Determinanten gar nicht abgelöst werden kann, also Journalismus als System nicht be-
schreibbar ist, […]
• daß redaktionelles Handeln ein Gemenge aus medienspezifischen (externen) und journalistischen (inter-
nen) Prozeduren darstellt – und es sich keineswegs nur auf Routinen der Komplexitätsreduktion, etwa
der Selektion und Präsentation von Information, verkürzen läßt,
• daß redaktionelle Aussagenproduktion strukturell wie funktional den Prozeß des Öffentlichen (mit)trägt
und damit über eine Qualität verfügt, die sich mit Etiketten wie ‚Bereitstellen‘ nicht kennzeichnen läßt,
• daß Journalismus auch eine spezifische Kulturtechnik zur Konstruktion und Vermittlung von Wahrneh-
mungsinhalten darstellt – ein Aspekt, mit dem sich in jüngster Zeit immerhin der Konstruktivismus kon-
struktiv beschäftigt.“
208 Ebd., S. 115; vgl. auch kritisch: Raabe 2005, S. 72.
209 Hohlfeld 2003, S. 107
210 Vgl. ebd., S. 123
70 II Zur Verortung des Journalismus

mit der Systemtheorie erscheint – trotz des ähnlichen Vokabulars – nicht notwendig als die
fruchtbarste.211
Unter Umständen ergeben sich durch die jüngeren Revisionen des Konstruktivismus-
Konzepts Möglichkeiten für eine weniger verhärtete Auseinandersetzung zwischen Konstruk-
tivisten und ‚Realisten‘ in der Kommunikationswissenschaft. Für weniger radikale und nicht
letztlich ontologisch begründete Konstruktionsmodelle lassen sich in der Entwicklung der
Sozial- und Kommunikationswissenschaft Anknüpfungspunkte finden – z.B. das Kommunika-
tionsmodell des Symbolischen Interaktionismus, etliche Annahmen der Medienwirkungsfor-
schung (v.a. im Nutzenansatz) und die Nachrichtenwerttheorie, die Journalisten den Status von
Konstrukteuren der ‚Wirklichkeit‘ zuweist.212 Vor allem im Hinblick auf die Debatte über die
Objektivität journalistischer und medialer Berichterstattung – ein praxisbezogener Kernbereich
der Journalistik – haben konstruktivistische Annahmen Gewicht. Durch die Verknüpfung der
individuellen Unterscheidungen zur Konstruktion mit einem als geteilt unterstellten Wirklich-
keitsmodell zeichnet die jüngere konstruktivistische Theorie jedenfalls eine Instanz aus, der
gegenüber sich Journalisten verantwortlich zeigen müssen und die ihnen den Rückzug auf die
Unhintergehbarkeit individueller Konstruktionen sozial nicht mehr ermöglicht.213
Ein Beispiel dafür ist auch die aktuelle konstruktivistische Begründung der Journalistik
durch Pörksen: Eindringlich skizziert er, das Potenzial der Journalistik, den Journalismus
„informierend zu irritieren“.214 Er legt seiner Argumentation das Konzept eines diskursiven
Konstruktismus zugrunde, in dem eine „Ebene des sozialen Konsensus“215 als Referenz
mitgedacht wird, um nicht nur den Realismus zum Beispiel des kritischen Rationalismus,
sondern auch den epistemologischen Solipsismus anderer Konstruktivismus-Modelle zu
vermeiden. Eine solche kommunikativ und kulturell fundierte Variante des Konstruktivismus
ist durchaus anschlussfähig an eine – aus realistischer Sicht, aber sozialkonstruktivisisch
informiert entwickelte – Konsenstheorie der Wahrheit, wie sie in der ‚Theorie des kommunika-
tiven Handelns’ vorgelegt wird. Auch in solchen Ansätzen – und insbesondere in ihrer Kom-
bination – kann künftig das Fundament für eine Revitalisierung handlungstheoretischer Jour-
nalismus-Konzeptionen gefunden werden.

2.2 Handlungstheoretische Optionen

Die seit den 1980er Jahren festzustellende Tendenz zu einer stärkeren Theoretisierung der
Journalistik wird angesichts der skizzierten Probleme nicht ausschließlich durch die systemthe-
oretischen Entwürfe ausgelöst und abgedeckt. Handlungstheoretische Entwürfe sind in letzter
Zeit wieder vermehrt anzutreffen, auch wenn sie im Vergleich zur breiten Rezeption und
Verarbeitung der Luhmannschen Systemtheorie relativ unterentwickelt erscheinen.216 Mittler-

211 Zumal erhebliche Differenzen feststellbar sind, wenn nur Luhmanns (1984, S. 30) Systemkonzeption betrachtet
wird, die Systemen explizit empirische Evidenz zuspricht und sie im Gegensatz zum Konstruktivismus nicht
bloß als Heuristiken zur Beschreibung sozialer Zusammenhänge begreift.
212 Vgl. Burkart 1997, S. 62ff.
213 Vgl. die konstruktivistische Ethik-Konzeption in Baum/Scholl 2000 und in einer vorläufigen Version in
Weischenberg/Scholl 1995, die jeweils einen spezifischen Verantwortungsbegriff für den Journalismus zu be-
gründen versuchen.
214 Pörksen 2006, S. 336
215 Ebd., S. 184
216 Vgl. für einen Überblick Baum 2005a.
2 Theoretische Optionen 71

weile lassen sich aber undogmatische und innovative Ansätze ausfindig machen, die auf
soziologische Kategorien wie innovatives oder kommunikatives Handeln als Bezugsgrößen
abstellen.217 Vermehrt finden sich Forderungen nach einer Wiederbelebung handlungstheoreti-
scher Analysen – sei es unter Berücksichtigung des schöpferisch tätigen Subjekts218 oder unter
dessen bewusster Ausklammerung durch die Untersuchung abstrakter Handlungsmodi219. In
jüngeren journalismustheoretischen Arbeiten wird das Fehlen theoretischer Vorstellungen vom
Handeln von Journalisten zu Recht beklagt:
„Wenn die Journalismusforschung das Handeln in der sozialen Praxis journalistischer bzw. redaktioneller Zu-
sammenhänge analysieren will, muss sie dazu eine theoretische Vorstellung von den journalistisch Handeln-
den entwickeln.“220

Die unterschiedlichen handlungstheoretischen Ansätze orientieren sich anders als systemtheo-


retische Konzeptionen bislang nur selten stringent an einer soziologischen Großtheorie.221
Viele sind zudem einseitig verkürzt auf zweck- und entscheidungsrationale Überlegungen222
oder fokussieren auf die Analyse von systembezogenen Akteurskonstellationen223:
„Die genuine Rationalität der mit sozialem Handeln verbundenen Integrations- und Lernprozesse, die von
Max Weber über Talcott Parsons und George Herbert Mead bis hin zu Jürgen Habermas den Kern soziologi-
scher Handlungstheorien ausmacht, bleibt unterbelichtet, journalistisches Handeln in seiner Bedeutung für
die gesellschaftliche Kommunikation damit nur halb verstanden. Eine Theorie des Journalismus, die den
handlungstheoretischen Ansatz als gesellschaftstheoretisches Paradigma ernst nimmt, steht also noch aus.“224

Die wenigen Bemühungen, das Programm der Journalistik handlungstheoretisch zu fassen,


richten sich, angesichts dieser theoretischen Mängel225, in erster Linie auf die Identifikation und
Stärkung des normativ-praktischen oder manchmal auch des emanzipatorisch-kritischen
Potenzials, das journalistische Praktiker für ihre Arbeit beanspruchen. Das gilt auch für die
Überlegungen von Pöttker226, der für einen an Weber geschulten Blick auf die Handlungswei-
sen im Journalismus plädiert und diese in Beziehung setzt zu einer elaborierten Handlungsthe-
orie227 und zu einem normativen Verständnis von Öffentlichkeit228, die beide die Folgenrefle-

217 Auf den publizistikwissenschaftlichen Zweig der Journalismusforschung wird an dieser Stelle nicht eingegan-
gen. Zwar vertritt dieser seit Jahrzehnten ein handlungstheoretisches Journalismusmodell, formuliert es aber
explizit nicht im Rahmen der Journalistik (vgl. Kepplinger 1979a; Donsbach 1982).
218 Vgl. Reus 1998
219 Vgl. Bucher 2000
220 Raabe 2005, S. 170
221 Ausnahmen bilden – wenn überhaupt – Arbeiten, die sich an die strukturierungstheoretischen Annahmen von
Giddens (1995) oder Schimank (2000) anlehnen. Nach Fertigstellung des vorliegenden Textes ist zudem der
Band „Journalismustheorie: Next Generation“ erschienen, in dem sich verschiedene Journalismusforscher und
Soziologen einer handlungstheoretischen bzw. integrativen Mikro-Makro-Perspektive nähern (vgl. Altmep-
pen/Hanitzsch/Schlüter 2007), leider allerdings ohne dabei das Instrumentarium der Handlungstheorie auch
nur annähernd umfassend auszuschöpfen und für eine auch normativ relevante Analyse fruchtbar zu machen.
222 Dies gilt insbesondere für die Konzeption von Fengler und Ruß-Mohl (2003; 2005a), die den journalistischen
Akteur verkürzt als individuellen Nutzenmaximierer sehen und behaupten: „Journalistenbilder gibt es viele in
der Kommunikationswissenschaft. Kratzt man ein bisschen an der Oberfläche, so lugt hinter jedem dieser Bil-
der der Journalist als aufgeklärter Homo oeconomicus hervor.“ (Fengler/Ruß-Mohl 2003, S. 233)
223 Vgl. Neuberger 2000b
224 Baum 2005a, S. 101
225 Diese sind auch dem Umstand geschuldet, dass handlungstheoretische Journalismus-Entwürfe wie die von
Fabris (1979), Gottschlich (1980) oder Baum (1994) nach wie vor unterrezipiert sind.
226 Vgl. Pöttker, 1996; 2000d
227 Vgl. Pöttker 1997
228 Vgl. Pöttker 2000a
72 II Zur Verortung des Journalismus

xivität gegenüber dem eigenen Handeln und die gesellschaftlich selbstregulierende Interaktion
zwischen Subjekten und Institutionen historisch-hermeneutisch in den Mittelpunkt rücken.
Nicht selten ziehen solche Ansätze systemtheoretische Modelle als Kontrastfolie heran, um
sich von ihnen zu distanzieren. So geht Reus davon aus, dass die Journalistik sozialwissen-
schaftlich so gefestigt ist, dass sie sich den Entfaltungsmöglichkeiten des Individuums zuwen-
den kann, ohne dabei in die Praktizismen der früheren Publizistik zurückzufallen. Vielmehr
sollte das Fach, „die Entfaltungsmöglichkeiten des Subjekts im System Journalismus“ auslo-
ten.229 Pöttker wiederum plädiert für eine stärkere Fokussierung auf die gesellschaftlichen
Aufgaben, die Journalisten mit der Ausübung ihres Berufs zu erfüllen haben, und sieht die
Journalistik entsprechend als immanent normative Disziplin.230 Und auch Pätzold fordert eine
Konzentration auf den journalistischen Beruf und sieht die Bewährungsprobe der journalistik-
wissenschaftlichen Theorie in ihrer Integration in die Praxis.231 Neverla, Grittmann und Pater
äußern den Wunsch, dass die Journalistik „[…] auf dem neuerdings eingeschlagenen Verbin-
dungsgleis von sachlich-analytischer Argumentation mit gesellschaftspolitischer Verantwortung
weiterfahren möge“.232
Den exemplarisch genannten Ansätzen ist gemein, dass sie sich gegen die einseitige Abs-
traktion von der Praxis und gegen die Annahme einer strengen Systemgrenze zwischen Journa-
lismus und Journalistik stellen – ohne aber andererseits notwendige Differenzierungen zu
untergraben. So konzediert Reus zwar ausdrücklich, dass die Journalistik eine sozialwissen-
schaftliche Grundierung benötige und dass die Abkehr von der praktizistischen Begabungs-
ideologie Dovifats ein richtiger Schritt gewesen sei, zugleich aber formuliert er Zweifel an der
notwendigen Konsequenz dieser Entscheidungen.233 Er fordert, den Journalisten nicht aus der
Verantwortung zu entlassen, indem alles zum System werde und die Abstraktion das Indivi-
duum verschwinden ließe. Dabei plädiert er nicht für eine zur Gänze alternative, sondern für
eine vorwiegend ergänzende Betrachtungsweise, die die systemische Perspektive um die
Analyse der „Leistung von Individuen“ und der „Entfaltungsmöglichkeiten des Subjekts im
System Journalismus“ erweitern könne.234
„Die kulturelle Leistung von Journalismus besteht wohl eher in der Vermittlung, der Übersetzung, der Inter-
pretation von Realität. Diese Interpretation braucht das Subjekt. Dieses Subjekt […] handelt im System Jour-
nalismus. Aber [es] handelt um so schöpferischer, je eigenständiger [es] – korrekt und aktuell informierend –
seinen Spielraum nutzt.“235

Mit diesem analytischen Vorschlag verbindet Reus die normative Absicht, „[…] die Persön-
lichkeit gegen jene Mechanismen des Berufs zu stärken, die Kreativität und Mut behindern“.236
Damit vertritt er eine Position, die Pätzold bereits in den 1980er Jahren formuliert, als er die
Journalistik dezidiert als eine „kritische Wissenschaft“ konzipiert, deren empirisch-analytische
Ergebnisse Aufschlüsse über Handlungsräume und -möglichkeiten der Journalisten gäben und

229 Reus 1998, S. 254


230 Vgl. Pöttker 1998a
231 Vgl. Pätzold 2000
232 Neverla/Grittmann/Pater 2002b, S. 19
233 Vgl. Reus 1998, S. 251: „Möglicherweise sind wir aber bei der Suche sozialer Gesetzmäßigkeiten zu weit
gegangen. Der Verdacht drängt sich auf, daß wir mit dem Begabungsdogma fast jedes Interesse an der journa-
listischen Persönlichkeit und ihrer Leistung verworfen haben.“
234 Ebd., S. 254
235 Ebd., S. 259
236 Ebd., S. 254
2 Theoretische Optionen 73

die damit mehr seien, als nur deskriptiv-systematische Darstellungen.237 Die Journalistik
thematisiere vielmehr permanent Widersprüche zwischen Normen und Realität, genauer:
zwischen dem Bild von Journalismus, das durch die Journalisten selbst oder durch Normkon-
texte wie das Verfassungsrecht und die Demokratietheorie gezeichnet werde, auf der einen
Seite und der Wirklichkeit des aktuellen Medienhandelns, wie es empirisch erfasst werden
könne, auf der anderen Seite.
„Kurz, die Journalistik kommt nicht umhin, vom Widerspruch zwischen Journalismus als Aufklärung und
Medien als gesellschaftlichen Trivialisierungsinstrumenten auszugehen. Für die Aufklärung spricht der empi-
rische Zustand unserer Gesellschaft. Für Trivialisierung spricht der empirische Zustand unseres Massen-
kommunikationssystems. Die aufklärerischen Traditionen zur stärken und zu fördern in einem zunehmend
trivialisierenden Massenkommunikationssystem ist die praktische Aufgabe der Journalistik, von journalisti-
scher Aus- und Weiterbildung.“238

Eine so verstandene Journalistik, ist anschlussfähig an das journalistische Selbstverständnis der


Praktiker, kann aber auf sich gestellt kaum in Einklang gebracht werden mit den elaborierten
systemtheoretischen Entwürfen, deren Augenmerk sich mehr auf die Funktionalität richtet.
Medienübergreifend könnte und müsste eine ‚kritische‘ Journalistik vor allem normative
Aufgaben des Journalismus identifizieren, die nicht nur in der Ausbildung, sondern auch in der
wissenschaftlichen Begleitung des Medienhandelns vermittelt werden sollen. Im Zentrum steht
dabei für Pätzold die journalistische Aufgabe, einen kommunikativen Austausch innerhalb
einer Gesellschaft zu gewährleisten.239 Ein wesentlicher Bestandteil dieser Aufgabe ist die
„Darstellung von Hintergründen und Zusammenhängen“240, durch die es möglich wird, Nach-
richten zu verstehen und Meinungen einzuordnen. Die Journalistik kann durch ihre Leistungen
in Ausbildung und Begleitforschung dazu beitragen, dass Journalismus diese Aufgaben in der
Praxis ‚besser‘ erfüllt. Deshalb kann die Journalistik auch als normative Wissenschaft konzi-
piert werden, die ihr Wertegerüst aus ihrer Praxis- und Berufsorientierung zieht – und aus der
damit einhergehenden Konzentration der Forschungs- und Lehranstrengungen auf Objekte
und Fragen, die mit der jeweiligen professionellen Aufgabe zusammenhängen.241
„Fluchtpunkt der für die Journalistik konstitutiven Perspektive ist der Journalistenberuf. Berufe sind Bündel
spezieller Kenntnisse und Tätigkeiten, die eigens der Erfüllung einer für Individuum oder Gesellschaft wich-
tigen Aufgabe dienen. Die Rede ist von Aufgaben, bewußt nicht von Funktionen. Zwar hat sich die berufliche
Spezialisierung auf Aufgaben im Laufe des gesellschaftlichen Prozesses herausgebildet, der gemeinhin ‚funk-
tionale Differenzierung‘ genannt wird. Aber Aufgabe und tatsächliche Funktionen eines Berufs können im
Laufe dieses Prozesses auch wieder auseinandertreten. Eine professionelle Aufgabe bleibt, auch wenn die
Funktionen der Berufstätigkeit sich wandeln. Eine professionelle Aufgabe bleibt sogar dann, wenn sie prinzi-
piell gar nicht erfüllt werden kann.“242

237 Pätzold o.J., S. 14


238 Ebd., S. 14
239 Vgl. ebd., S. 15: „Aufklärende Tradition im Journalismus bedeutet, alle Informationen öffentlich zur Verfügung
zu stellen, die Orientierung, Verhalten und Handeln ermöglichen, das gemeinschaftsbezogen ist. Umgekehrt ist
alles Wissen, ist alles Handeln daran zu messen, welchen Stellenwert es für die Gesellschaft hat. Interessenplu-
ralität deutlich zu machen wie auch die pluralen Interessengruppen immer wieder mit Informationen zu kon-
frontieren, ist die politische und kulturelle Leistung der Publizistik, gleichsam ihr Sollwert, ihr Maßstab, an dem
sie empirisch zu messen ist.“
240 Ebd., S. 21
241 Vgl. Pöttker 1998a, S. 233
242 Ebd., S. 231f.
74 II Zur Verortung des Journalismus

Für Pöttker liegt die Chance der Journalistik, eine für die Fachidentität bestimmende Perspek-
tive zu finden, in ihrer Konzentration auf die Berufsorientierung, die zwischen Journalistik und
Journalismus ein ähnliches Verhältnis etablieren kann wie es die Medizin zum Arztberuf bereits
seit Jahrhunderten pflegt.243 Aus derartigen Analogien, von denen die Begründungen der
handlungstheoretischen Journalistik-Ansätze durchwirkt sind, lässt sich auf ein spezifisches
Theorie-Praxis-Verhältnis zwischen Wissenschaft und Untersuchungsgegenstand schließen, das
eben ganz bewusst nicht nur von abstrakt empirisch-analytischer Beobachtung des Journalis-
mus ausgeht, sondern die Wissenschaft der Journalistik von vornherein darauf verpflichtet, für
einen besseren Journalismus durch bessere Ausbildung zu sorgen.
Die Journalistik fungiert dann als Instrument „einer zwanglosen, vernunftgeleiteten, also
durch wissenschaftliche Fundierung bewerkstelligten Korrektur“ journalistischer Fehlleistun-
gen.244 Zentral an dieser Annahme ist, dass erst die Wissenschaftlichkeit der Analyse dazu
beitragen kann, dass diese Fehler erfolgreich aus der Welt geschafft werden.
„Die Journalistik kann offenbar nur dann die Berufswirklichkeit beeinflussen, wenn die Praktiker die Erfah-
rung machen, daß sie über nützliche, d.h. innovative und zutreffende Erkenntnisse verfügt. Wie innovativ
und zutreffend ihre Erkenntnisse sind, hängt wiederum davon ab, in welchem Maße die Regeln der systemati-
schen Empirie und der Logik befolgt werden; mit einem Wort: Es hängt ab von der Wissenschaftlichkeit der
Journalistik.“245

Auf diesen Weg haben sich einige der journalistischen Handlungstheoretiker gemacht. Sie
haben aber – anders als die Systemtheoretiker – noch keine geschlossenen Konzeptionen des
Faches oder seines Gegenstandes vorgelegt, die das Potenzial ihres Ansatzes weiter ausschöp-
fen würde. Erkennbar ist allerdings, dass jüngere theoretische Entwürfe in Richtung integrati-
ver Modelle zielen, die system- und handlungstheoretische Aspekte miteinander verknüpfen.246
Diesen Versuchen geht es vornehmlich darum, dass der in der systemtheoretischen Journalistik
weitgehend ignorierte Zusammenhang zwischen dem Journalismus und den journalistisch
Handelnden durch die Entwicklung entsprechender theoretischer Perspektiven wieder in den
Blick genommen werden kann. In dieser Hinsicht soll auch die in der vorliegenden Arbeit
angeregte Adaption des Habermasschen Modells kommunikativen Handelns weiterführen.247
Ein Konzept verständigungsorientierter Humankommunikation soll als Grundlage für eine
Beschäftigung mit massenmedial vermittelter Kommunikation genutzt werden, um darauf
aufmerksam zu machen, dass auch medial vermittelte Kommunikation (gesellschaftlicher)
Verständigung dient.248 Diese letztlich lebensweltlich orientierte Kommunikation steht dabei

243 Vgl. ebd., S. 233. Ganz so wie die wissenschaftliche Medizin neue und effektivere Heilmethoden erforscht, mit
dem Ziel die praktischen Leistungen der Ärzte zu verbessern, soll es demnach Aufgabe der Journalistik sein,
Journalisten zur bestmöglichen Erfüllung ihrer Aufgabe anzuleiten.
244 Ebd., S. 234
245 Ebd., S. 234
246 Beispiele sind die Studien von Raabe 2005; Neuberger 2000b; Altmeppen 2000. Auch Scholl und Weischenberg
(1998, S. 156) bemühen sich anhand des Konzepts der strukturellen Kopplung darum, Journalisten als Akteure
zum journalistischen System in Beziehung zu setzen, wenngleich sie weiterhin theorienotwendig ‚Umwelt‘ des
Systems verbleiben.
247 Deshalb wird an dieser Stelle nicht weiter – wie in der Auseinandersetzung mit der Systemtheorie – auf einzelne
handlungstheoretische Arbeiten und ihre Grundfiguren eingegangen, sondern sie werden im Verlauf der Argu-
mentation jeweils zur Entwicklung eines handlungstheoretischen Verständnisses ausgiebig herangezogen.
248 Vgl. Lang 1993. Burkart regt ebenfalls die stärkere Berücksichtigung der Habermasschen Gesellschaftstheorie
durch die Kommunikationswissenschaft an (vgl. für den Journalismus: Burkart 1998b; für PR: Burkart/Probst
1991) , während Baum (1994) sich in seiner Analyse der Journalismusforschung bereits systematisch auf die Be-
grifflichkeiten und Modelle von Habermas gestützt hat.
3 Wissenschaftstheoretische Fundamente 75

auch in Beziehung zu einem systemischen Vermittlungsrahmen; beide Perspektiven müssen


folglich in der Journalismus-Analyse berücksichtigt werden können. Die Hauptbestandteile des
Habermasschen Entwurfs – eine Theorie kommunikativer Rationalität, ein zweistufiges Gesell-
schaftsmodell von Lebenswelt und System, eine Kritik moderner Entfremdungs- und Verding-
lichungsprozesse und ein elaborierter diskurstheoretischer Ansatz, der erkenntnistheoretische
Fragen in intersubjektive Verständigungsprozesse überführt249 – versprechen, dafür einen
angemessenen Rahmen bilden zu können, der von dem für journalistisches Handeln augen-
scheinlich zentralen Paradigma der Verständigung durch Kommunikation ausgeht, ohne die
Bildung sozialer Systeme theoretisch zu vernachlässigen. Gegenüber einer kommunikations-
theoretisch gewendeten Gesellschaftstheorie ist systemisches Denken durchaus anschlussfä-
hig.250 Auch gegenüber den epistemologischen Annahmen einer konstruktivistischen Erkennt-
nistheorie251 und noch mehr einer sozialkonstruktivistischen Wissenssoziologie252 steht eine
Konsenstheorie der Wahrheit offener gegenüber, als den substanzhaften Annahmen des
Essentialismus. Es ist gerade diese ‚Anschließbarkeit‘ und der Verzicht auf jede Form der
Radikalisierung, die das Habermassche Theoriegebäude gegenüber anderen, formal geschlosse-
neren Entwürfen auszeichnet.253 Darüber hinaus bietet die allgemeine Perspektive Journalis-
mus als kommunikatives Handeln zu fassen eine Chance auf größere Praxisnähe, wie Bucher –
allerdings ohne Bezug auf Habermas – schreibt:
„Insgesamt gesehen bietet eine Betrachtungsweise der Medienkommunikation und des Journalismus als For-
men des kommunikativen Handelns auch die Chance, Medienforschung stärker an die Medienpraxis anzu-
koppeln: Sie muß nämlich die Perspektive der Handelnden, der Journalisten und der Rezipienten ernst neh-
men.“254

Im Rahmen eines kommunikativen Paradigmas nach Habermas lässt sich eine handlungstheo-
retische Journalistik begründen, die zugleich nicht nur normativ-praktischen, sondern darüber
hinaus gehend kritisch-emanzipatorischen Gehalt entfalten kann. Um dies näher zu begründen,
ist ein Rückgriff auf die wissenschaftstheoretische Verortung der Kommunikationswissen-
schaft und der Journalistik notwendig, um zu verdeutlichen, welche Probleme und Potenziale
eine solche kritische Herangehensweise an Fragen journalistischer Kommunikation beinhalten
kann. Ob sich mit Habermas die Theorie der Journalistik in die journalistische Praxis hinein-
tragen lässt und umgekehrt, die Theorie wieder für Praxis, die Journalistik wieder für den
Journalismus relevant wird – das sind zentrale Fragen des vorliegenden Projekts.

3 Wissenschaftstheoretische Fundamente
Die Skizze einiger derzeit von der Journalistik genutzter theoretischer Optionen hat gezeigt,
dass einerseits die Integration von Theorie und Praxis auf der Basis systemtheoretischer
Entwürfe kaum zureichend geleistet werden kann und dass andererseits handlungstheoretische
Entwürfe nicht so weit entwickelt sind, dass sie in normativ-praktischer oder kritisch-emanzi-
patorischer Absicht eine eigene Theorie des Journalismus formuliert hätten. Ursachen für diese

249 Vgl. McCarthy 1989, S. 514


250 Vgl. Habermas 1973a
251 Vgl. Schmidt 1993; 2003; Krippendorf 1993; 1996; sowie die Beiträge in Scholl 2002a.
252 Vgl. Berger/Luckmann 1980
253 Vgl. zur Frage der Anschließbarkeit der Theorie von Habermas auch Reemtsma 2001.
254 Bucher 2000, S. 273
76 II Zur Verortung des Journalismus

Schwierigkeiten in der Selbstdefinition und im Umgang mit dem Untersuchungsfeld können


auch in den wissenschaftstheoretischen Grundlagen der Disziplin vermutet werden. Deshalb
sollen diese Fundamente näher betrachtet werden, um Aufschlüsse über die Möglichkeiten
einer wissenschaftlich-kritischen Perspektive auf den Journalismus und die Massenmedien zu
erlangen.
Wiederum ist davon auszugehen, dass Prädispositionen der Kommunikationswissenschaft
in der Journalistik fortwirken, so dass deren wissenschaftstheoretische Grundierung als empi-
risch-analytische Sozialwissenschaft, die ein vorwiegend abstrakt-instrumentelles Erkenntnisin-
teresse bedient, mitzubehandeln ist. Historisch-hermeneutische oder gar kritisch-
emanzipatorische Grundlegungen spielen eine weit geringere Rolle. Die Konzeption als
Sozialwissenschaft ruht damit auf der klassischen Idee einer Teilung der Wissenschaften in
Naturwissenschaften und Geisteswissenschaften255, aus denen sich dann die Sozialwissenschaf-
ten als Drittes wiederum abgespalten haben, da sie zu den Methoden der Naturwissenschaften
tendieren, freilich ohne deren ohnehin nur vermeintliche Exaktheit näherungsweise erreichen
zu können. Durch diese Ausdifferenzierung wird die angenommene Trennung zwischen
historisch-hermeneutisch und empirisch-analytisch verfahrenden Wissenschaften, die vormals
zwischen Natur- und Geisteswissenschaften als erkenntnistheoretische und methodische
Differenz verhandelt wurde, nun mitten in die ‚Humanwissenschaften‘ hineingetragen.256 Die
Typologien, die den Geisteswissenschaften die Hermeneutik, also die „Erklärungskunst“ oder
„Auslegungslehre“257, und den Sozialwissenschaften die empirisch-analytischen Methoden
zuweisen, können nur als Näherungen betrachtet werden; schließlich sind nicht wenige Sozial-
wissenschaften – darunter gerade die Kommunikationswissenschaft – auch durch historisch-
hermeneutische Verfahren geprägt.
Die sozialwissenschaftliche Grundlegung kommunikationswissenschaftlicher Forschung ist
Bestandteil eines fachgeschichtlichen Bruches in den 1960er Jahren, in denen sich eine neue
Forschergeneration von der bis dahin vorherrschenden geisteswissenschaftlich und historisch-
hermeneutisch ausgerichteten Publizistikwissenschaft abwandte und empirisch-analytische
Methoden einführte.258 Dieser Wechsel wurde in Anlehnung an die US-amerikanische ‚mass

255 Vgl. Dilthey 1922


256 Vgl. Maletzke 1980a, S. 13f.
257 Schmidt 1931, S. 184. Hier wird Hermeneutik präziser verstanden als die „Lehre vom Verstehen, vom
wiss[enschaftlichen] Begreifen geisteswiss[enschaftlicher] Gegenstände“ (Schischkoff 1991, S. 293). Siehe für
eine erweiterte Definition auch Habermas 1982 [1970], S. 331: „Hermeneutik bezieht sich auf ein ‚Vermögen‘,
das wir in dem Maße erwerben, als wir natürliche Sprache ‚beherrschen‘ lernen: auf die Kunst, sprachlich
kommunizierbaren Sinn zu verstehen und, im Falle gestörter Kommunikationen, verständlich zu machen.
Sinnverstehen richtet sich auf die semantischen Gehalte der Rede, aber auch auf die schriftlich fixierten oder in
nicht-sprachlichen Symbolsystemen enthaltenen Bedeutungen, soweit sie prinzipiell in Rede ‚eingeholt“ werden
können.“ Aus diesem Verständnis heraus ist die Hermeneutik in ihren Grundzügen nicht der Interpretation des
Philosophen vorenthalten, sondern Bestandteil auch alltagssprachlicher Kommunikation.
258 Dieser Schritt war in nicht geringem Ausmaß auch wissenschaftspolitisch motiviert, sollte er doch bestehende
Rechtfertigungsprobleme der umstrittenen Disziplin beseitigen (vgl. Baum/Hachmeister 1982, S. 209). Die
neue Perspektive setzte sich schnell durch: In den Fachzeitschriften ist schon bald ein wachsender Anteil empi-
rischer Untersuchungen und standardisierter Methoden festzustellen (vgl. Hohlfeld/Neuberger 1998, S. 332).
Die Herausgeber der Fachzeitschrift „Publizistik“ konstatierten 1976 eine „sozialwissenschaftliche Richtung“
des Faches: „Im Ensemble der modernen empirischen Sozialwissenschaften hat die ältere Publizistik- und Zei-
tungswissenschaft ihren Platz als Wissenschaft von der gesellschaftlichen Kommunikation – abgekürzt Kommunikati-
onswissenschaft – gefunden.“ (Haacke u.a. 1976, S. 6) Und auch fünf Jahre später bekräftigten sie u.a. die „so-
zialwissenschaftliche Orientierung der Kommunikationswissenschaft“ als eine zentrale Tendenz des Faches
(Haacke u.a. 1980, S. 482).
3 Wissenschaftstheoretische Fundamente 77

communication research‘ gestaltet.259 Die in den USA erprobten Methoden und Techniken
schienen den für eine sozialwissenschaftliche Orientierung des Faches eintretenden Wissen-
schaftlern als alternativlose Möglichkeit, den Individualismus, Historizismus und Praktizismus
der älteren Fachvertreter zu überwinden.260 Gleichzeitig und eng mit der Ausrichtung auf
empirisch-analytisch zu bestimmende Regelmäßigkeiten im sozialen Ablauf verbunden beginnt
der Aufstieg systemtheoretischen Denkens – zunächst in der funktionalen Publizistikwissen-
schaft261, kurze Zeit später dann auch in der empirischen Journalismusforschung.262
Mit dieser zunächst als Modernisierung begriffenen Adaption eines empirisch-analytischen
Wissenschaftsverständnisses gerät die sozialwissenschaftliche Kommunikationswissenschaft
allerdings in die Gefahr, ihre Bindung an die Philosophie und an hermeneutisch zu bearbeiten-
de (normative) Fragen des Verstehens zu lösen und so zum Teil auch das Webersche Erbe der
verstehenden Sozialwissenschaft preiszugeben.263 Sie rückt einen Schritt von der Praxis weg,
die sich ebenfalls hermeneutischer Methoden bedient, um im alltagssprachlichen Dialog zu
Verständigung zu gelangen264, und der es in ihrem Handeln um eben jene Sinnbezirke geht, die
durch empirisch-analytische Methoden nur schwerlich zu erreichen sind. So lassen sich die
eingangs bereits beleuchteten Ursachen der konstatierten Verständigungsschwierigkeiten
zwischen Wissenschaft und Kommunikationspraxis begrifflich präziser benennen.265

259 Von besonderer Bedeutung waren Maletzkes (1963) Synopse „Psychologie der Massenkommunikation und der
Sammelband von Schramm (1968) über „Grundfragen der Kommunikationsforschung“. Wenig beachtet wur-
den indes die deutschen Vorläufer einer sozialwissenschaftlichen Orientierung: Eine sozialwissenschaftliche
Konzeption kann bis zu den Vorschlägen Max Webers für eine Presse-Enquete aus dem Jahr 1910 zurückge-
führt werden (vgl. Weber 1986 [1911]; vgl. auch Kutsch 1988). Auch Groth hatte mit seiner Dissertation über
„Die politische Presse Württembergs“ eine Studie vorgelegt, die sich an den Forderungen Webers orientierte
(vgl. zu dieser Arbeit Eberhard 1965b). Und Everth forderte schon 1927 die verstärkte Ausrichtung der Zei-
tungswissenschaft an der Empirie; mithin „eine wirklich wissenschaftliche, das heißt sachliche und nüchterne
Betrachtung“ der Presse: „Bisher leiden wir noch an einem Übermaß von Gefühlsurteilen.“ (Everth 1927, S. 4)
Auch in den Arbeiten von Jäger (1926a) oder Schöne (1928) finden sich Hinweise auf sozialwissenschaftliche
Konzeptionen. Überhaupt bildete sich im Spannungsfeld von Soziologie und Zeitungswissenschaft in den 20er
Jahren ein innovatives sozialwissenschaftliches Forschermilieu, dessen Protagonisten in den 1930er Jahren zur
Emigration gezwungen wurden (vgl. Averbeck 2001; 1999). Vgl. für die Hinwendung der Kommunikationswis-
senschaft zum empirischen Paradigma auch die Ausführungen in Bussemer 2005, S. 249ff.
260 Vgl. Ronneberger 1978a, S. 13
261 Vgl. Dröge 1966; 1967
262 Vgl. Rühl 1969
263 Weber (1980 [1921], S. 7) hatte der Sozialwissenschaft die Aufgabe zugeschrieben, das soziale Handeln und
seinen subjektiven Sinns deutend zu verstehen: „Wir sind ja bei ‚sozialen Gebilden‘ (im Gegensatz zu ‚Orga-
nismen‘) in der Lage: über die bloße Feststellung von funktionalen Zusammenhängen und Regeln (‚Gesetzen‘)
hinaus etwas aller ‚Naturwissenschaft‘ (im Sinn der Aufstellung von Kausalregeln für Geschehnisse und Gebil-
de und der ‚Erklärung‘ der Einzelgeschehnisse daraus) ewig Unzugängliches zu leisten: eben das ‚Verstehen‘ des
Verhaltens der beteiligten Einzelnen, während wir das Verhalten z.B. von Zellen nicht ‚verstehen‘, sondern nur
funktionell erfassen und dann nach Regeln seines Ablaufs feststellen können. Diese Mehrleistung der deutenden
gegenüber der beobachtenden Erklärung ist freilich durch den wesentlich hypothetischeren und fragmentari-
scheren Charakter der durch Deutung zu gewinnenden Ergebnisse erkauft. Aber dennoch: sie ist gerade das
dem soziologischen Erkennen Spezifische.“
264 Vgl. Habermas 1982 [1970], S. 331
265 Insofern kann ein präziser Rückgriff auf Dovifat heute noch Relevanz beanspruchen, da er für den engen
Zusammenhang von Interpretation und Normativität auf der einen und Praxisrelevanz auf der anderen Seite
sensibilisiert. Dovifat (1956, S. 9) verweist auf unmittelbare Gegenwartsaufgaben, denen die Publizistikwissen-
schaft „anhand historischer und phänomenologischer Studien zu genügen sucht“ und mit denen sie „unmittel-
bar in das Tagesgeschehen“ wirkt. Auch in der normativen Journalismusforschung Roegeles (2000) lassen sich
diesbezüglich wichtige Anschlusspunkte finden.
78 II Zur Verortung des Journalismus

Auch sozialwissenschaftlich können diejenigen Sinnstrukturen, die gesellschaftlichen Phä-


nomenen zugrunde liegen, erst durch die Hinzunahme der hermeneutischen Interpretation, die
sich aus der linguistischen Textanalyse und aus der philosophisch grundierten Phänomenologie
speist, erfasst werden. Doch inwiefern hermeneutische Methoden in eine sozialwissenschaftli-
chen Konzeption integriert werden können und wie sie sich mit empirisch-analytischen Ansät-
zen verbinden lassen, hat die Kommunikationswissenschaft bis heute nicht für sich geklärt.
Stattdessen haben sich die Verfechter der jeweiligen wissenschaftlichen Perspektiven und
Methoden jahrzehntelang fachintern scharf voneinander abgegrenzt. Dort wo ein Pluralismus
von beschreibend-verstehenden und beobachtend-erklärenden Methoden fruchtbar gewesen
wäre266, hat sich ein weitgehend ideologisch geprägtes Nebeneinander oder sogar Gegeneinan-
der der verschiedenen Forschungsperspektiven des (empirisch-analytischen) ‚Szientismus‘ und
des (historisch-hermeneutischen) ‚Humanismus‘ herausgebildet.267
„Die Mehrzahl der heutigen Sozialwissenschaftler sieht diesen Dualismus als Konfrontation, als unüber-
brückbaren Gegensatz. Dabei verläuft die Argumentation etwa so: Die Geisteswissenschaften gehen historisch,
idiographisch, hermeneutisch, interpretierend, verstehend vor. Im Zentrum ihrer Terminologie stehen ‚Sinn‘,
‚Intention‘ und vor allem ‚Verstehen‘. Begriffe, deren schillernder Bedeutung wir hier nicht nachgehen kön-
nen. Die positivistischen Sozialwissenschaften dagegen arbeiten empirisch, nomothetisch, kausal-analytisch, er-
klärend. Nicht selten gehen dabei die Differenzen zwischen beiden Standpunkten so weit, daß die eine Seite
der anderen die wissenschaftliche Dignität, wenn nicht gar die Existenzberechtigung abspricht.“268

An die Stelle wechselseitiger Anschuldigungen müsse in der Kommunikationswissenschaft ein


Dialog zwischen den methodischen ‚Lagern‘ treten, fordert Maletzke schon 1980: Der domi-
nierende empirisch-analytische Ansatz müsse aus seiner „positivistischen Selbstbeschränkung“
herausfinden, historisch-hermeneutische Ansätze akzeptieren und mit ihnen kooperieren.269 Im
Zuge einer solchen Öffnung könnte auch gleich ein dritter, ‚kritischer‘ Zweig der Kommunika-
tions- und Journalismusforschung, der fachhistorisch nur kurze Zeit Relevanz beanspruchen
konnte270, auf seine Verwendbarkeit geprüft werden.

3.1 Die Möglichkeiten sozialwissenschaftlicher Kritik

Ein ‚kritischer‘ sozialwissenschaftlicher Ansatz wendet sich sowohl gegen den Positivismus der
empirisch-analytischen Ansätze als auch gegen die Einzelfall-Semantik der Hermeneutik und

266 Vgl. das Plädoyer von Padrutt 1972, S. 27.


267 Vgl. Maletzke 1998, S. 175ff.
268 Maletzke 1980a, S. 14
269 Ebd., S. 85. Eine solche Zusammenarbeit ist in der fachlichen Entwicklung nicht angelegt: Schon in den 1950er
und 1960er Jahren konnte man sich nicht auf die grobe Verortung einigen. Dovifat (1956, S. 9) plädierte für
„Geisteswissenschaft“, Hagemann (1956, S. 11) für „Sozialwissenschaft“ und Groth (1960, S. 5) für „Kultur-
wissenschaft“. Hinter diesen Begriffen verbargen sich in der Operationalisierung kaum zu vereinbarende Kon-
zepte – auf die hinsichtlich ihrer Relevanz für den Journalismusbegriff noch einzugehen sein wird –, dennoch
kann rückblickend konstatiert werden, dass die frühe Publizistikwissenschaft und Zeitungswissenschaft im
Kern historisch-hermeneutisch geprägte Disziplinen gewesen sind. Selbst Hagemanns (1956, S. 11) Verständnis
von einer Sozialwissenschaft ist nicht vergleichbar mit späteren empirisch-analytischen Ansätzen: „Wissen-
schaft im engeren Sinne beginnt dort, wo die Frage nach dem Warum die Frage nach dem Was verdrängt, wo
wir nach den Ursachen hinter den Tatsachen forschen und aus Einzelheiten Zusammenhänge zu gewinnen su-
chen. Erst auf diesem Wege können wir zu den geistigen Quellen, den innewohnenden Gesetzen vorstoßen
[…].“
270 Vgl. Bohrmann/Sülzer 1973, S. 99ff.. Der klassische Fundus kritischer Kommunikationsforschung ist z.B.
zusammengestellt in den Sammelbänden von Prokop 1972; 1973a; 1977.
3 Wissenschaftstheoretische Fundamente 79

ordnet stattdessen beide einer Analyse der gesellschaftlichen Verhältnisse unter. Er erweitert
die ‚klassische‘ sozialwissenschaftliche Forschung um die Dimension der Kritik bestehender
Verhältnisse und des Verweises auf eine ‚jenseits‘ dieser Verhältnisse liegende kontrafaktische
oder gar ‚utopische‘ Dimension. Die einem solchen Konzept zugrunde liegende Kritische
Theorie ist von Horkheimer bereits in den 1920er Jahren maßgeblich formuliert worden. Sie
steht quer zu jedem ‚modernen‘ Verständnis einer ‚wertfreien‘ traditionellen Theorie und
beruht auf einem normativen und emanzipatorischen Programm:
„Wenn das Aufstellen von Theorien im traditionellen Sinn einen gegen andere wissenschaftliche und sonstige
Tätigkeiten abgegrenzten Beruf in der gegebenen Gesellschaft ausmacht und von historischen Zielsetzungen
und Tendenzen, in die ein solches Geschäft verflochten ist, gar nichts zu wissen braucht, folgt die kritische
Theorie in der Bildung ihrer Kategorien und allen Phasen ihres Fortgangs ganz bewußt dem Interesse an der
vernünftigen Organisation der menschlichen Aktivität, das aufzuhellen und zu legitimieren ihr selbst auch
aufgegeben ist. Denn es geht ihr nicht nur um Zwecke, wie sie durch die vorhandenen Lebensformen vorge-
zeichnet sind, sondern um die Menschen mit all ihren Möglichkeiten.“271

Die Verbesserung der Gesellschaft wird aus dieser Perspektive zu einer permanenten Aufgabe
auch des Sozialwissenschaftlers, dem eine Rückzugsmöglichkeit auf das vermeintlich teil-
nahmslose Sammeln und Aggregieren von Daten nicht mehr gelassen wird. Schon 1941 hat
Lazarsfeld in Auseinandersetzung mit Horkheimers Thesen die Kritische Theorie zum Anlass
genommen, der in den USA vor allem von ihm selbst aufgebauten und betriebenen administra-
tiven Kommunikationsforschung ein kritisches Pendant zur Seite zu stellen.272
„Wer heute kritische Analyse der modernen Kommunikationsmedien betreibt, wird Rundfunk, Film und
Presse betrachten und folgende Fragen stellen: Wie sind diese Medien organisiert und wie werden sie kontrol-
liert? Wie stark sind innerhalb ihres institutionellen Gefüges die Tendenzen zu Konzentration, Standardisie-
rung und Druck durch Werbung ausgeprägt? In welcher Form und wie versteckt auch immer bedrohen sie
menschliche Werte? Er wird feststellen, daß es die Hauptaufgabe der Forschung sein muß, die meist unab-
sichtliche und oft sehr subtile Art aufzudecken, in der diese Medien die von ihm als bedauerlich empfunde-
nen sozialen Verhaltensweisen und Lebensgewohnheiten beeinflussen.“273

Im Zusammenspiel von administrativer und kritischer Forschung, so Lazarsfelds Überlegun-


gen, sollten Forschungsfragen und -methoden entwickelt werden, um die Arbeit der Disziplin
zu beleben.274 Er selbst folgte seinen Vorschlägen nicht, hielt es aber abstrakt für sinnvoll,
empirische Methoden und Ergebnisse der Auftragsforschung in einen größeren Kontext zu
stellen und gesellschaftliche Auswirkungen der Kommunikationsmedien zu untersuchen.
Eine solche kritische Forschung wendet sich zwangsläufig gegen das in den Sozialwissen-
schaften weit verbreitete Streben nach vollständiger Loslösung von Werturteilsfragen und gegen den

271 Horkheimer 1992b [1937], S. 262; vgl. zur Einführung: Dubiel 2001; Honneth 1987; van Reijen 1986; Wig-
gerhaus 1988.
272 Vgl. Lazarsfeld 1973. Sein Text ist zunächst 1941 in der Zeitschrift des damals längst emigrierten Instituts für
Sozialforschung in den USA publiziert worden (vgl. zur Bedeutung Lazarsfelds für die Kommunikationswis-
senschaft Bussemer 2007 sowie die Beiträge in Langenbucher 1990). In Deutschland ist der Text übersetzt
erstmals über 30 Jahre später in einer Anthologie von Prokop (1973b) zur kritischen Kommunikationsfor-
schung aufgelegt und einseitig vereinnahmt worden. Vgl. zudem grundlegend Kausch 1988.
273 Lazarsfeld 1973, S. 18
274 Auf Resonanz stießen diese Vorschläge bei den bundesdeutschen Kommunikationsforschern, die rund 25 Jahre
später auf den Plan traten und sich dabei an den US-Vorbildern orientierten, nicht. Sie schotteten sich zunächst
erfolgreich von beinahe jeder kritischen Perspektive ab und legten ihren Forschungen und Prognosen das gän-
gige „sozialtechnologische Verständnis gegebener gesellschaftlicher Bedingungen“ zugrunde (Tei-
chert/Renckstorf 1974, S. 138). Während ökonomische und technische Fragen in zahlreichen Studien themati-
siert wurden, blieben darüber hinaus reichende politische oder soziale Zusammenhänge unberücksichtigt.
80 II Zur Verortung des Journalismus

damit verbundenen Glauben an die Möglichkeit einer vermeintlich ‚neutralen‘, vermeintlich


‚objektiven‘ Position der Forschung: Schließlich, so die Annahme kritischer Sozialwissenschaft-
ler, reduziere sich Wissenschaft selbst zur methodischen Verfügungsmasse anderweitig formu-
lierter praktischer Interessen, wenn sie sich der praktischen Wertung nur aus der Angst heraus
enthalte, ansonsten unzulässig in Anliegen außerhalb ihrer Kompetenz einzugreifen. Praxis
werde für die kritisierte ‚Mainstream‘-Wissenschaft nicht zu einem Dialogpartner, sondern
entweder – in der Auftragsforschung – zu einem Stichwortgeber, dessen Anliegen vermeintlich
wertneutral durchgeprüft würden; oder aber zu einem ‚Objekt‘, dass teilnahmslos empirischer
Beobachtung unterzogen werde. Damit entledigten sich Sozialwissenschaften in letzter Konse-
quenz praktischer Bezüge und beschränkten sich darauf, technisch verwertbares Arbeitswissen
zu liefern, das der Praxis sozialen Handelns in einem weiteren Sinne nur bedingt zugänglich
bleiben müsse.275 Es ist offenkundig, dass ein solches Vorgehen einer praxisorientierten
Wissenschaft wie der Journalistik Schwierigkeiten bei dem Vorhaben bereiten muss, durch
Forschung und Lehre zu einer Verbesserung sozialer Praxis beizutragen.
Kritisch-emanzipatorische Sozialwissenschaft wendet sich gegen das Postulat der Wertur-
teilsfreiheit276 genauso wie gegen den positivistischen Glauben an die erklärende Kraft empi-
risch erhobener Daten277, die sich als tragende Pfeiler empirisch-analytischer Forschung
etabliert haben. Sie hat ihr Profil vor allem in den 1960er Jahren entscheidend in der als
‚Positivismusstreit‘278 überlieferten Auseinandersetzung mit den ‚Neo-Positivisten‘ geschärft. Die
Vertreter Kritischer Theorie (dialektischer Ansatz) wandten sich damals sowohl gegen die
gängige analytische Zergliederung des sozialwissenschaftlichen Forschungsgegenstandes als
auch gegen eine sozialwissenschaftliche Selbstbescheidung, die den Zusammenhang von
Gesellschaftstheorie und Wissenschaftstheorie nicht mehr herstellt.279 Sie insistierten stattdes-
sen darauf, dass die Gesetzmäßigkeit des Denkens nur in Einheit mit ihrer eigenen Anwen-
dung konzipiert werden kann280 und betonten, dass die Welt fundamental von Widersprüchen

275 So die Kritik z.B. von Baum/Hachmeister 1982; Eurich 1977; Teichert/Renckstorf 1974
276 Für dieses Postulat wird immer wieder Weber (19887 [1922]) als Kronzeuge herangezogen. Vgl. dazu kritisch
von Ferber 1965, S. 165ff.; Pöttker 1997, S. 7. Weber meint aber mit seinem berühmten Aufruf, auf ‚Katheder-
wertungen‘ zu verzichten, zunächst, dass Professoren davon Abstand zu nehmen haben, ethisch-politische
Kommentare mit einem wissenschaftlichen Wahrheitsanspruch zu versehen. Er räumt dagegen ausdrücklich
ein, dass die Auswahl des untersuchten Gegenstandes und die Fragestellung Ausfluss von Wertbeziehungen
seien (vgl. Weber 19887 [1922], S. 489ff.). Weber fordert dazu auf, Wertfragen offen zu legen und zu diskutie-
ren. Dadurch bleiben sie in ihrer Revidierbarkeit und Kontingenz erkennbar und können Beobachtungen und
Argumente sinnvoll ergänzen (vgl. Pöttker 1997, S. 7). Eine vergleichbare Position vertritt heutzutage Haber-
mas (1999, S. 321), wenn er der Philosophie nicht mehr die Kompetenz zuspricht, in materieller Hinsicht das
Gute und Gerechte zu bestimmen, sondern sie darauf beschränkt, Verfahren auszuweisen, die in der Lage sind,
in der Praxis zu Entscheidungen zu gelangen, die diesen Kriterien genügen.
277 Unter Positivismus ist allgemein ein Wissenschaftsverständnis zu verstehen, das sich „engstens an das Weltbild
und die Methoden der Naturwissenschaften“ anlehnt und nur durch Erfahrung kontrollierbare Aussagen zu-
lässt (Schischkoff 1991, S. 578). Der Positivismus (zu dem in der Regel, wenngleich nicht unumstritten, auch
der kritische Rationalismus nach Popper (1969; 1972) gezählt wird) unterstellt eine an den theoretischen Na-
turwissenschaften ausgerichtete Einheitswissenschaft als erreichbar, deren Methodiken für alle Disziplinen Gül-
tigkeit besitzen. Die hermeneutische Interpretation des Einzelfalls wird in den Vorhof der Wissenschaft verwie-
sen. Wissenschaft hat sich auf das Testen von Hypothesen anhand empirischen Materials zu beschränken.
278 Vgl. Adorno u.a. 1972
279 Vgl. Baum 1994, S. 25
280 Vgl. Schischkoff 1991, S. 139. Dialektik ist im Hegelschen Sinne „[…] nichts anderes als die Entwicklung der
Begriffe nach eigener innerer Gesetzmäßigkeit (von der Thesis zur Antithesis und weiter zur Synthesis) und, da
in den Begriffen das Sein gegeben ist, die Entwicklung des Seins überhaupt“ (Schmidt 1931, S. 84).
3 Wissenschaftstheoretische Fundamente 81

geprägt sei, die eine eindeutige, mithin ‚positive‘ Erkenntnis nicht ermöglichten.281 Kerngedan-
ke ist die ‚totalitäre Einheit‘ des Gesellschaftlichen und die daraus folgende Unmöglichkeit,
isolierte Einzelphänomene ohne Rückbezug auf das Gesellschaftsganze zu untersuchen.282
Eine solche Dialektik rechnet sich in ihrer Methodik eher der Hermeneutik zu, da sie Fragen
des Sinns nicht als heuristisch betrachtet, sondern als konstitutiv für ihre normativ geleiteten
Interpretationen des gesamtgesellschaftlichen Lebenszusammenhanges annimmt.283 Die
Kritische Theorie stellt damit einer positivistischen Soziologie, die sich als auf Einzelfälle
anwendbare, falsifizierbare Theorie im gedachten Rahmen einer einheitswissenschaftlichen
Methodik versteht, ein Verständnis von Sozialwissenschaft entgegen, das von einer Theorie der
Gesellschaft ausgeht, die eine dialektisch verstandene und geschichtsphilosophisch deduzierte
Totalität zu fassen versucht.284
Aus heutiger Sicht erscheint die Ausschließlichkeit dieser Positionen als ein Übergangsphä-
nomen285; der Streit um die Stellung von Werturteilen kann gar als erledigt gelten.286 Es ist mit
Burkart als plausibel zu unterstellen, dass es sich bei Unterscheidungen zwischen normativer
und empirischer Wissenschaft weitgehend „um analytische Zergliederungen eines in Wirklich-
keit ineinander verschränkt auftretenden Prozesses“287 handelt. Diese Perspektive setzt einer-
seits die Möglichkeit voraus, diese analytische Trennung vorzunehmen, und kommt so den
Positivisten entgegen, geht aber gleichermaßen mit den Dialektikern davon aus, dass Handlun-
gen, auch wissenschaftliche Forschung, wie vermittelt auch immer, mit Werturteilsfragen
verknüpft sind. Möglich ist eine solche vermittelnde Position, nachdem der radikale Totalitäts-
gedanke der Dialektiker angesichts der Komplexität und der Ausdifferenzierung moderner
Gesellschaften aufgeweicht worden ist. Erst dann kann eine kritische Position akzeptieren,
dass der Versuch der analytischen Trennung von empirischer Analyse und kritischer Bewer-
tung keinesfalls in kritiklosem Empirizismus und Positivismus enden muss.288 Letztlich bedeu-
tet diese Trennung, dass die Werturteilsgebundenheit explizit und nachvollziehbar sein muss,
um eine voluntaristische und dezisionistische Normativität zu vermeiden.
In der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft sind derartige Fragen der Komple-
mentarität und Konkurrenz von gegenwartswissenschaftlicher Forschung und empirisch-
sozialwissenschaftlicher Methodik auf der einen und gesellschaftswissenschaftlicher Theorie im
historischen Kontext auf der anderen Seite auf einer weit weniger abstrakten Ebene verhandelt

281 Auch in den Hypothesen, die dem kritischem Rationalismus (vgl. grundlegend Popper 1969) als widerlegt
gelten, steckt folglich noch ein bewahrenswerter Kern, da sie ansonsten ja gar nicht hätten aufgestellt werden
können (vgl. dazu kritisch Popper 1965, S. 264f.)
282 Vgl. Adorno 1972 [1957], S. 82. Für Habermas (1972a, S. 156) bedeutet Dialektik in einem bereits methodisch
entschlackten Sinne, „[…] daß der von Subjekten veranstaltete Forschungsprozeß dem objektiven Zusammen-
hang, der erkannt werden soll, durch die Akte des Erkennens hindurch selbst zugehört. Diese Einsicht setzt
freilich Gesellschaft als Totalität voraus, und Soziologen, die sich aus deren Zusammenhang reflektieren.“
283 Vgl. Habermas 1972a, S. 164
284 Vordergründig standen dabei unterschiedliche Beurteilungen des Beziehungsgeflechts von Empirie, Theorie
und normativen Werturteilen im Mittelpunkt. Darüber hinaus aber scheint die Differenz zwischen den beiden
Hauptkontrahenten Popper und Adorno auf einer mindestens in Teilen ‚politisch‘ motivierten Ebene gelegen
zu haben (vgl. Wiggershaus 1988, S. 633).
285 Vgl. Atteslander 1995, S. 389; zur Distanzierung von dem damaligen Streit vgl. Habermas 1982, S. 9.
286 Vgl. Peters 2000, S. 288f.
287 Burkart 1998a, S. 529
288 Popper geht davon aus, dass Wissenschaft mit der Entdeckung (theoretischer oder praktischer) Probleme
beginnt und sich in ihren Anstrengungen auf die Lösung solcher Probleme konzentriert; dazu schlägt sie Lö-
sungen vor, die sich dann im empirischen Test entweder bewähren oder aber verworfen werden (vgl. Popper
1972; Burkart 1998a, S. 408ff.).
82 II Zur Verortung des Journalismus

worden. Das zeigt beispielhaft der ‚Gehalt‘ des ‚kleinen Positivismusstreits‘ zwischen Eberhard
und Dovifat in den 1960er Jahren289: Eberhard forderte, dass die Publizistikwissenschaft
induktiv über die Empirie zur Theorie gelangen müsse und dass ihr dazu nur der Weg der
Einzeluntersuchungen offen stehe; sie dürfe nicht zu einer „normativen Wissenschaft ausar-
ten“.290 Gegen diesen vereinfachend empiristischen Standpunkt wehrte sich Dovifat, indem er
sich frontal gegen die Werturteilsfreiheit wandte und letztlich Ideologiekritik von der Publizis-
tikwissenschaft forderte, die sich gegen Propaganda und gegen eine ‚skrupellose Psychologie‘
zu richten habe.291
Interessant an dieser frühen Kontroverse in der Publizistikwissenschaft ist die Verschie-
bung der Konfliktlinien im Vergleich zur zeitgleichen Auseinandersetzung in der Soziologie:
Während dort eine sich ‚progressiv‘ orientierende Dialektik gegen den kritischen Rationalismus
anzugehen gedachte, indem sie den wertenden Rückgriff auf eine unterstellte gesellschaftliche
Totalität und eine enge Bindung an die philosophische Hermeneutik gegen die methodologisch
orientierte Einzelfallforschung verteidigte292, verband sich der Ruf nach wissenschaftlicher
Aufklärung gesellschaftlicher Verhältnisse in der Publizistikwissenschaft mit scharfer Kritik an
der historisch-hermeneutischen Methode des Faches und mit der Forderung nach empirisch-
analytischen Studien. Das Seil zu einer als antiquiert verstandenen vorwiegend an Einzelfällen
und Berufsbiographien orientierten Wissenschaft sollte gekappt werden. Hier fand also eher
ein nachgeholter Werturteilsstreit – letztlich eine „klassisch positivistische Wendung“293 – statt,
da sich die Kritik Eberhards an Dovifats freimütigen professoralen ‚Kathederwertungen‘
entzündete, deren wissenschaftliche Begründbarkeit ebenso sehr im Dunkeln blieb, wie sie
andererseits den Anschein höchstmöglicher Autorität in Anspruch nahmen. An deren Stelle
setzte Eberhard jenes normativ entschlackte einheitswissenschaftliche Verständnis, dass die
‚Dialektiker‘ in der Soziologie bereits als positivistisch bekämpften.
Die wissenschaftstheoretische Selbstreflexion der Kommunikationswissenschaften war
somit lange Zeit verkürzt auf die Alternativen eines geisteswissenschaftlich fundierten Norma-
tivismus der herkömmlichen Publizistikwissenschaft und eines sozialwissenschaftlich fundier-
ten Empirizismus der in den 1960er Jahren emergierenden Kommunikationswissenschaft.294
Erst in den 1970er Jahren bringt es eine auf Defizite des Positivismus zielende ‚kritische

289 Vgl. Bohrmann 1977, S. 151


290 Eberhard 1961, S. 264; vgl. auch: ders. 1964. Hachmeister (1987, S. 227) nennt die Thesen Eberhards „ein
nüchternes und pragmatisches Programm zur Sanierung der in den Jahren 1960/61 daniederliegenden und von
der Auflösung bedrohten Disziplin“.
291 Vgl. Dovifat 1962a, S. 80. Er bezog sich auf den Kampf gegen das NS-Regime, der ohne Werturteilsfreiheit
von der deutschen Wissenschaft viel effektiver hätte geführt werden können. Ganz abgesehen von den – auch
in Anbetracht der eigenen Biographie (vgl. Sösemann 1998) – problematischen historischen Unterstellungen,
verweist Dovifats Verständnis einer normativen Wissenschaft auf eine konservative und elitistische Führungs-
lehre, in deren Verständnis wenige die ‚Massen‘ anzuleiten haben. In Anbiederung an die NS-Machthaber ist
1934 auch von dem Fach als „geistige Wehrwissenschaft“ die Rede gewesen (Dovifat 1934, S. 18). Von diesen
kaum wissenschaftlichen Rückständen will Eberhard das Fach befreien, stellt aber jedes kritisches Potenzial in
Frage, wenn er jede Form der Werturteilsgebundenheit von sich weist. Selbst Weber erkannte ja über das brü-
chige Konstrukt der Wertbeziehung an, dass eine vollständige Werturteilsfreiheit in den Sozial- und Kulturwis-
senschaften nicht umsetzbar sei.
292 Vgl. vor allem die Auseinandersetzung zwischen Habermas 1972a; 1972b und Albert 1972a; 1972b.
293 Hachmeister 1987, S. 228
294 Zwar hatte das Fach schon früh „das Syndrom der ‚Nabelbespiegelung‘ internalisiert“ (Baum/Hachmeister
1982, S. 205); zu einer wissenschaftstheoretisch angemessenen Selbstreflexion zeigte es sich angesichts dieser
kurzschlüssigen Alternative aber kaum in der Lage. Daran haben auch die prekären Fragen der kritischen Kom-
munikationsforscher in den 1970er Jahren nur wenig geändert.
3 Wissenschaftstheoretische Fundamente 83

Kommunikationswissenschaft‘ kurzfristig – trotz großer Heterogenität295 – zu einer „gewissen


inneren Relevanz“ und führt dazu, dass sich die Disziplin zumindest pro forma mit ihren
wissenschaftstheoretischen Problemen auseinandersetzen muss.296 Die Kritiker plädieren nicht
gegen die empirische Kommunikationsforschung, sondern fordern, Wissenschaft auch als
„reformerisches Instrument der Artikulation kritisch-emanzipatorischer Interessen“297 zu
begreifen. Ihnen geht es um die soziologisch-theoretische Einbettung der empirischen An-
strengungen; sie wenden sich gegen eine ‚Auftragsforschung‘, die soziale Probleme und die
Entwicklung theoretischer Annahmen vernachlässige und in der technisch verstandene metho-
dische Apriorismen verhandelt würden, während eine systematische Analyse des Theorie-
Praxis-Verhältnis ausgeschaltet bleibe.298
Zum Teil geht diese ‚kritische‘ Forschung mit den Forderungen nach einer verbesserten
Ausbildung von Journalisten und mit der Etablierung einer universitären Journalistik einher.299
Ein Kristallisationspunkt dabei war die Debatte im Möglichkeit und Folgen journalistischer
Objektivität und Ausgewogenheit.300 Der kritische Hinweis darauf, dass Objektivität nicht als
blanke ‚Widerspiegelung’ herrschender Strukturen begriffen werden dürfe, sondern das eigen-
ständige und eigenverantwortliche journalistische Gewichten der Berichtsinhalte beinhalten
müsse301, blieb allerdings fachintern – wohl auch aus politischen Gründen – weitgehend
marginalisiert. Der lebhafte erkenntnistheoretische Diskurs der 1970er Jahre hat auch deshalb
nicht zu einer gehaltvollen Begründung eines handlungstheoretischen Journalismusverständ-
nisses und einer daran anschließenden Fundierung der Journalistenausbildung geführt. Viel-
mehr gingen – abgesehen von solchen Ausnahmen – die sozialwissenschaftlich diskutierten
Probleme des Wirklichkeitsbezugs der Empirie, der Wertfreiheit und der Stellung theoretischer
Aussagen zur Praxis weitgehend an kommunikationswissenschaftlichen Debatten vorbei.
„Umfassender Versuche der Theoriebildung ledig, gerät die Kommunikationswissenschaft also mehr und
mehr in die Lage, zwar als universitär institutionalisiertes Fach etabliert zu sein und damit auch in den Genuß
öffentlicher Förderung und Beachtung zu gelangen. Sie bleibt jedoch in weiten Teilen unfähig, ihren eigenen
Standort im gesellschaftlichen und politischen Umfeld zu reflektieren […]. Als diffus strukturierte scientific
community […] erledigt sie en passant den mehrfach von Habermas […] formulierten Zusammenhang von
wissenschaftlicher Erkenntnis und des ihr vorgelagerten Interesses in ihrem Sinne: als gegenüber den metho-
dentheoretischen Kontroversen sekundär.“302

Baum und Hachmeister verweisen in diesem Zusammenhang auf die konstruktive Überfüh-
rung der verhärteten Positionen des ‚Positivismusstreits‘ in eine Lehre verschiedener Erkennt-
nisinteressen. Dabei geht es um den von Habermas unternommenen Versuch, wissenschaftli-

295 Für die Kommunikationswissenschaft gilt: „Hinter dem Begriff ‚Kritische Theorien‘ verbergen sich verschiede-
ne Gruppierungen, die sich zwar in einer Reihe von Grundfragen einig sind, in Einzelaspekten aber zum Teil
beträchtlich voneinander abweichen und sich nicht selten heftig befehden.“ (Maletzke 1998, S. 131) Vgl. auch
Kausch 1988 zu den theoretischen Vorläufern kritischer Massenmedien-Analyse.
296 Baum/Hachmeister 1982, S. 209; vgl. auch Aufermann/Bohrmann/Sülzer 1973 sowie Oy 2001.
297 Baum/Hachmeister 1982, S. 211; vgl. für eine solche kritische empirische Forschung Holzer 1971; 1973.
298 Doch davon war die Disziplin in ihrer Mehrheit weit entfernt. Stattdessen dominierte ein unkritisch-
instrumentelles Forschungsverständnis: „Der Primat praktisch-administrativer Desiderate und die sich daraus
ergebende Instrumentalisierung des Forschungsprozesses reißt […] Problemgegenstand und Methode ausein-
ander. Die Methode erlangt Vorrang vor der Sache, und es entwickelt sich eine Art Forschungs-Bürokratie mit
einem gestörten Verhältnis zur empirischen Praxis.“ (Eurich 1977, S. 344)
299 Vgl. Pätzold 1975; Rager 1978
300 Vgl. die Beiträge in Bentele/Ruoff 1982; siehe dazu auch Abschnitt III.4.4 der vorliegenden Arbeit.
301 Vgl. Rager 1973
302 Baum/Hachmeister 1982, S. 205
84 II Zur Verortung des Journalismus

chen Forschungsstrategien unterschiedliche Erkenntnisinteressen zuzuordnen und dabei die Unter-


scheidung zwischen empirisch-analytischen und historisch-hermeneutischen Wissenschaften
des Sozialen systematisch um ein drittes – kritisch-emanzipatorisches – Verständnis zu erwei-
tern.303 Habermas differenziert zwischen
• empirisch-analytischen Wissenschaften (technisches Erkenntnisinteresse),
• historisch-hermeneutischen Wissenschaften (praktisches Erkenntnisinteresse) und
• kritisch orientierten Wissenschaften (emanzipatives Erkenntnisinteresse).
Mit diesem Schritt zu einer triadischen Erkenntniskonzeption war es nicht mehr notwendig,
sich aus der Kritischen Theorie heraus frontal gegen den als positivistisch verstandenen
kritischen Rationalismus304 oder gegen den allumfassenden Anspruch der Hermeneutik305 zu
stellen. Vielmehr wird darauf abgezielt, jedem der drei Wissenschaftszugänge einen spezifi-
schen Bearbeitungsbereich samt Perspektive zuzuweisen: Die empirisch-analytischen Wissen-
schaften sind demnach in der Lage, technisch verwertbares Wissen zu produzieren, das in
Arbeitszusammenhängen verwendet werden kann („Informationen, die unsere technische
Verfügungsgewalt erweitern“), während die Hermeneutik in ihren sinnverstehenden Interpreta-
tionen auf eine emphatisch als politisch-ethisches Handeln und Kommunizieren begriffene
Praxis anzuwenden ist („Interpretationen, die eine Orientierung des Handelns unter gemein-
samen Traditionen ermöglichen“); erst die kritische Wissenschaft allerdings, der sich auch
Habermas zugehörig erachtete, vermag den eigentlichen Analysezusammenhang zu transzen-
dieren und auf Veränderungs- und Verbesserungspotenziale aufmerksam zu machen, die auf
eine positive Fortentwicklung der Gesellschaft zielen („Analysen, die das Bewußtsein aus der
Abhängigkeit von hypostasierten Gewalten lösen“).306 Habermas bewahrt damit die Grundidee
einer Kritischen Theorie, die sich im gesamten Forschungsprozess auf die Gesellschaft und die
Potenziale handelnder Menschen bezieht.307 Er verweist auch auf den zentralen Stellenwert der
Kommunikation und der durch sie erzeugten Übereinkünfte, die in den Wissenschaften eine
wichtige Steuerungsressource darstellen:
„Forschung ist eine Institution zusammen handelnder und miteinander sprechender Menschen; als solche be-
stimmt sie durch die Kommunikation der Forscher hindurch das, was theoretisch Geltung beanspruchen
kann. Die Forderung kontrollierter Beobachtung als Basis für Entscheidungen über die empirische Triftigkeit
von Gesetzeshypothesen setzt bereits ein Vorverständnis bestimmter sozialer Normen voraus.“308

Die fundamentalen, vorwissenschaftlichen Interessen, die den Verlauf der Forschung beein-
flussen, sind phänomenologisch im Vorverständnis der Forschenden verankert, das zwar
hermeneutisch explizierbar, gleichwohl aber nicht in den Begrifflichkeiten einer vermeintlich
wertfreien Wissenschaft zu fassen ist. Die spezifischen Erkenntnisinteressen sind – das kann
Habermas angesichts der noch unterstellten Verbindung von gesellschaftstheoretischen und
methodologischen Fragen annehmen – bestimmten Ausformungen wissenschaftlicher Er-

303 Vgl. zum Folgenden Habermas 1969, S. 146ff.; 1973b. Pöttker (1995, S. 126) weist darauf hin, dass sich
Vorläuferüberlegungen zu einer Typologisierung unterschiedlicher Erkenntnisinteressen bereits bei Geiger
(1949) finden lassen.
304 Vgl. dazu Habermas 1972a.
305 Habermas (2000, S. 20) hat jüngst darauf verwiesen, dass die Konzeption der Erkenntnisinteressen auch darauf
gerichtet war, sich nicht nur gegen den Positivismus, sondern auch gegen den Antiszientismus und den Traditi-
onalismus der Hermeneutik abzugrenzen.
306 Habermas 1969, S. 162
307 Vgl. Horkheimer 1992b [1937], S. 262
308 Habermas 1972a, S. 180
3 Wissenschaftstheoretische Fundamente 85

kenntnissuche inhärent. So führt die Entäußerung jeder Form von Wertgebundenheit wissen-
schaftlicher Erkenntnis in den positivistisch verstandenen empirisch-analytischen Wissenschaf-
ten dazu, dass diese lediglich technische Interessen befriedigen können. Weder reichen sie an
das Selbstverständnis handelnder Individuen heran, noch können sie durch Gesellschaftskritik
emanzipative Wirkungen entfalten – diese Beschränkung ist ihren eigenen Methoden und ihrer
wissenschaftstheoretischen Selbstbeschränkung immanent. Insofern können sowohl histo-
risch-hermeneutische als auch kritisch-emanzipatorische Ansätze als Erweiterungen eines
empirisch-analytischen Wissenschaftsverständnisses angesehen werden. Beide berücksichtigen
subjektiven Handlungssinn, wobei ‚kritische‘ Ansätze überdies mit einem emanzipatorischen
Programm auf ‚Verbesserung‘ der Praxis zielen. Auf methodischer Ebene ist deswegen die
Abgrenzung zwischen den beiden Ansätzen nicht unbedingt trennscharf.309 Habermas reagiert
auf dieses Abgrenzungsproblem mit einer kommunikativ basierten Reformulierung epistemo-
logisch behandelter Grundfragen, um aus der idealtypischen Engführung heraus zu finden310 –
ein Vorhaben das zugleich über die Möglichkeiten eines revitalisierten Dialogs zwischen
Wissenschaft und Praxis informieren kann und Grundlage der weiteren Überlegungen sein soll.

3.2 Die Stellung des Sozialwissenschaftlers zur Praxis

„Kommunikationstheorie und Kommunikationspraxis sind nicht einander ausschließende Gegensätze, son-


dern lediglich zwei mögliche Zugangsweisen zu ein und derselben kommunikativen Realität.“311

Habermas entwickelt im Zuge der Abkehr von der Geschichtsphilosophie und der kommuni-
kationstheoretischen Reformulierung der Kritischen Theorie ein Begriffssystem, das die
Stellung des Sozialwissenschaftler sprachpragmatisch und kommunikationstheoretisch be-
stimmt: Im Vordergrund stehen nicht mehr die Erkenntnisinteressen, sondern Fragen der
Verständigung, der unterschiedlichen ‚Weltkonzepte‘, der daran orientierten Geltungsansprü-
che auf Wahrheit, Richtigkeit und Wahrhaftigkeit, die in Sprechakten erhoben werden, der
Identifizierung spezifischer Diskurse zur Prüfung und Klärung solcher Ansprüche sowie der
Erörterung des Verhältnisses von sozialwissenschaftlicher Teilnahme und Beobachtung.312

309 Wenn beide aus diesem Grund im vorliegenden Text häufig komplementär genannt werden, sollen damit aber
nicht die genannten Differenzen nivelliert werden.
310 Habermas (19714, S. 17ff.) grenzt eine kritische Soziologie durch diese kommunikative Fundierung ab vom
„Objektivismus der strengen Verhaltenswissenschaften“, vom „Idealismus der geisteswissenschaftlichen Her-
meneutik“, vom „Universalismus einer umfassend angelegten Systemtheorie“ und vom „dogmatischen Erbe
der Geschichtsphilosophie“. Diese Unterscheidung gehe, so Habermas, aus „von der eigentümlichen Stellung
des erkennenden Subjekts zu einem Gegenstandsbereich, der sich aus den generativen Leistungen sprach- und
handlungsfähiger Subjekte aufbaut und gleichwohl objektive Gewalt auch über diese Subjekte gewonnen hat“
(ebd., S. 17)
311 Burkart 1998a, S. 413
312 Vgl. Peters 2000, S. 295f. Die Perspektivverschiebung führt zu Veränderungen hinsichtlich der noch im
Positivismusstreit verhandelten Probleme: Die Unterscheidung zwischen empirischer und normativer Theorie
wird deutlicher akzentuiert. Darüber hinaus wird die Unterscheidung zwischen ‚Objektivation‘ (Vergegenständ-
lichung zum Zwecke der sozialwissenschaftlichen Untersuchung) und Hermeneutik nicht mehr weitgehend
gleichgesetzt mit der Unterscheidung zwischen Natur- und Sozialwissenschaften auf der einen und Geisteswis-
senschaften auf der anderen Seite. Vielmehr verläuft diese Differenz mitten durch die Sozialwissenschaften ent-
lang der Grenze zwischen hermeneutisch zu erfassender Lebenswelt und empirisch-analytisch zu untersuchen-
den Systemmechanismen. Mit der Annahme einer Unterscheidung von lebensweltlich und systemisch struktu-
rierten gesellschaftlichen ‚Bereichen‘ wird auch die Forderung nach der Zurückführung verdinglichter sozialer
Bereiche unter den Gestaltungsanspruch einer interaktiven Praxis suspendiert. Stattdessen akzeptiert die Kriti-
86 II Zur Verortung des Journalismus

Habermas geht davon aus, dass sich der Sozialwissenschaftler auf die Praxis und damit
auch auf ihre Probleme und Spezifika einlassen muss.313 Daraus folgt:
„[J]ede Wissenschaft, die Bedeutungsobjektivationen als Teil ihres Objektbereichs zuläßt, hat sich mit den
methodologischen Folgen der Teilnehmerrolle eines Interpreten zu befassen, der den beobachteten Dingen
nicht Bedeutung ‚gibt‘, sondern der die ‚gegebene‘ Bedeutung von Objektivationen, die nur aus Kommunika-
tionsprozessen heraus verstanden werden können, explizieren muß. Die Folgen bedrohen gerade jene Kon-
textunabhängigkeit und Wertneutralität, die für die Objektivität des theoretischen Wissens notwendig zu sein
scheint.“314

Diese wissenschaftstheoretische Position verspricht auf theoretisch konzeptioneller Ebene


einen Ausweg aus dem skizzierten derzeitigen Verständnis von nur lose aufeinander bezogenen
Theorie- und Praxis-Bereichen, ohne auf die Beobachterrolle zweiter Ordnung zurückzugrei-
fen, die der Konstruktivismus epistemologisch anbietet.315 In den Objektbereich der Sozialwis-
senschaften – und damit auch der sozialwissenschaftlich betriebenen Kommunikationswissen-
schaft und ihrer einzelnen Fachdisziplinen – fallen symbolisch vorstrukturierte ‚Gegenstände‘,
in die Strukturen eines vortheoretischen Wissens eingraviert sind, das sprach- und handlungs-
fähigen Subjekten bei ihrer ‚Herstellung‘ verwendet haben.316 Diesen ‚Gegenständen‘ sind
spezifische ‚Erzeugungsregeln‘ gemeinsam, nach denen sie von sprach- und handlungsfähigen
Subjekten hervorgebracht werden. Die auf Sinnverstehen angelegte hermeneutische Interpreta-
tion des Sozialwissenschaftlers zielt darauf, diese ‚Erzeugungsregeln‘ zu identifizieren und
nimmt dabei den gleichen Ausgangspunkt wie jede Laienkritik auch – weil der Forscher oder
Theoretiker „[…] als Interaktionsteilnehmer an der Herstellung des Handlungszusammenhan-
ges, den er als Gegenstand analysiert, bereits Anteil hatte“317, und nicht einem von ihm unab-

sche Theorie, dass es gesellschaftliche Bereiche der materiellen Produktion gibt, die aus den vormals spontanen
Lebenszusammenhängen herausgehoben werden. Sie geht nicht mehr davon aus, dass ‚Verdinglichungsprozes-
se‘ durch Reflexion der Totalität von Gesellschaft durchbrochen werden können, gleichwohl verteidigt sie ei-
nen Bereich der symbolischen Reproduktion der Lebenswelt gegen Kolonialisierungsversuche, sprich: gegen
eine weiter fortschreitende ‚Verdinglichung‘. Angesichts dieser Veränderungen ist es nicht mehr Aufgabe des
Sozialwissenschaftlers, ‚Verblendungszusammenhänge‘ aufzulösen. Die Frage der Manipulation, die die Kriti-
sche Theorie lange beherrscht hat (vgl. Oy 2001, S. 21ff.), verliert an Bedeutung. Vielmehr richtet sich ‚kriti-
sche‘ Sozialwissenschaft darauf, systemisch verzerrte Kommunikation zu identifizieren.
313 Vgl. Habermas 19997 [1983], S. 32ff. Eine solche Position widerspricht den Implikationen einer strikten
Trennung zwischen Laien- und Praktiker-Theorien auf der einen und sozialwissenschaftlichen Theorien auf der
anderen Seite, die von einem Teil der Kommunikationswissenschaft vertreten wird, obwohl sie Diskursmög-
lichkeiten zwischen Theorie und Praxis verriegelt. Wenn die Begriffe, Probleme und Theorien der Praxis mehr
oder minder a priori als „Erkenntnishindernisse“ apostrophiert werden, von denen sich der Sozialwissenschaft-
ler zu lösen habe (Rühl 1985b, S. 232), dann werden damit ohne theoretische Not die Dialogmöglichkeiten zwi-
schen Theorie und Praxis wieder eingeschränkt. Statt dessen lohnt es, die plausible Annahme einer notwendi-
gen ‚Dekomposition‘ und ‚Rekonstruktion‘ von Praxiserfahrung durch die Wissenschaft (vgl. Rühl 1993b, S.
87) zu verbinden mit Einsichten, die sich aus der Sicht der kommunikationstheoretisch gewendeten Kritischen
Theorie und damit aus der Sicht einer rekonstruktiv verfahrenden Sozialwissenschaft formulieren lassen.
314 Habermas 19997 [1983], S. 37
315 Vgl. Habermas 1995 [1981], Bd. 1, S. 152ff.
316 Konkreter gehören damit zum Untersuchungsgegenstand der Sozialwissenschaften alle symbolischen Gegen-
stände, die wir sprechend oder handelnd erzeugen. Dies können im Einzelnen sein:
• unmittelbare Äußerungen wie Sprechhandlungen, Zwecktätigkeiten, Kooperationen
• Sedimente dieser Äußerungen wie Texte, Überlieferungen, Dokumente, Kunstwerke, Theorien, Gegen-
stände der materiellen Kultur, Güter, Techniken usw.
• indirekt hervorgebrachte, organisationsfähige und sich selbst stabilisierende Gebilde wie Institutionen, ge-
sellschaftliche Systeme und Persönlichkeitsstrukturen (vgl. Habermas 1995 [1981], Bd. 1, S. 159).
Sie alle bestimmen den Bereich, der von den Sozialwissenschaften analysiert werden kann.
317 Habermas 1995 [1981], Bd. 1, S. 182
3 Wissenschaftstheoretische Fundamente 87

hängigen Gegenstand zur Untersuchung entgegentritt. Wissenschaft ist somit dreifach in Praxis
einbezogen: (1) Sie rekurriert auf die gleiche lebensweltliche Basis; (2) sie erhebt ihre Daten im
kommunikativen Austausch mit sozialen Akteuren; und (3) sie muss zu den kommunikativen
Geltungsansprüchen, mit denen sie konfrontiert ist, Stellung beziehen.
(1) Rekurs auf Lebenswelt: Eine sozialwissenschaftliche Analyse bleibt eng mit dem sozialen
Kontext verbunden, den sie erklären soll, weil sich auch Wissenschaftler nicht von ihrem
Alltagsbewusstsein entfernen können.318
„Der Sozialwissenschaftler hat zur Lebenswelt grundsätzlich keinen anderen Zugang als der sozialwissen-
schaftliche Laie. Er muß der Lebenswelt, deren Bestandteile er beschreiben möchte, in gewisser Weise schon
angehören. Um sie zu beschreiben, muß er grundsätzlich an ihrer Erzeugung teilnehmen können; und Teil-
nahme setzt Zugehörigkeit voraus.“319

Aufgrund dieser prinzipiellen Einbezogenheit ist es dem Interpreten genauso wie den Hand-
lungsteilnehmern nicht möglich, zwischen Bedeutungs- und Geltungsfragen zu unterscheiden
und eigenen Interpretationen dadurch den Anstrich von deskriptiver Neutralität zu geben.
Nicht erst auf der Ebene der Interpretation bedient sich der sozialwissenschaftliche Interpret
des gleichen Symbol- und Bedeutungsvorrats wie der sozialwissenschaftliche Laie, sondern
schon bei der Beschaffung von sprachabhängigen Daten nutzt er die im Objektbereich vorge-
fundene Sprache. Weder Theoriebildung noch empirische Forschung sind ohne Kommunika-
tion und damit auch ohne Sprache denkbar.320 In die Sprache aber, die für diese Kommunika-
tion notwendig ist, kann der Sozialwissenschafter „[…] nicht ‚einsteigen‘, ohne auf das vorthe-
oretische Wissen des Angehörigen einer, und zwar seiner eigenen Lebenswelt zurückzugreifen,
das er als Laie intuitiv beherrscht und unanalysiert in jeden Verständigungsprozeß ein-
bringt“.321 Der Forscher bewegt sich in alltäglichen Sprach-Strukturen, die nicht nur Verstän-
digung ermöglichen, sondern außerdem „die Möglichkeiten einer reflexiven Selbstkontrolle des
Verständigungsvorgangs“322 schaffen, von denen Laien wie sozialwissenschaftliche Interpreten
gleichermaßen Gebrauch machen können.
(2) Einbezogenheit in Kommunikationsprozesse: Ohne Teilnahme an Kommunikationsprozessen
bleibt dem sozialwissenschaftlichen Interpreten der Sinn lebensweltlicher Strukturen verbor-
gen, da diese nur von innen erschlossen werden können.
„Das Handlungssystem, in dem sich der Sozialwissenschaftler als Aktor bewegt, liegt auf einer anderen Ebe-
ne; es ist in der Regel ein Segment des Wissenschaftssystems, deckt sich jedenfalls nicht mit dem beobachte-
ten Handlungssystem. An diesem nimmt der Sozialwissenschaftler gleichsam unter Abzug seiner Aktoreigenschaf-
ten teil, indem er sich als Sprecher und Hörer ausschließlich auf den Prozeß der Verständigung konzentriert.“323

Er schlüpft daher in die „Rolle des virtuellen Teilnehmers“324, der sich beteiligt sich, um zu
verstehen, und nicht, um innerhalb des beobachteten Handlungszusammenhangs einen eige-

318 Vgl. ebd., S. 182


319 Ebd., S. 160
320 Insofern ist Wissenschaft tatsächlich grundsätzlich „Kommunikationsarbeit an Theorien“, sind empirische
Prüfprozesse „Forschungsaspekte wissenschaftlicher Kommunikation“, wie Rühl (1993b, S. 88) aus einer völlig
anderen wissenschaftstheoretischen Tradition heraus anmerkt. Rühl teilt die hier vorgeschlagene methodologi-
sche Positionierung dezidiert nicht; aber ganz offensichtlich sind dennoch Anknüpfungspunkte zumindest in
begrifflicher Hinsicht festzustellen, wenn es um das Wissenschaftsverständnis geht.
321 Habermas 1995 [1981], Bd. 1, S. 163
322 Ebd., S. 176
323 Ebd., S. 167
324 Ebd., S. 168
88 II Zur Verortung des Journalismus

nen Zweck zu verfolgen, der Handlungskoordinierung mit den anderen Teilnehmern notwen-
dig machen würde. Diese epistemologische Annahme geht über die verbreitete Annahme des
Beobachterstatus hinaus, da sie vom Sozialwissenschaftler zwar nicht eigenständiges Handeln,
aber eben doch soziale Teilnahme postuliert.
(3) Zwang zur Stellungnahme zu Geltungsansprüchen: Will der Sozialwissenschaftler eine Äuße-
rung, die er als Datenmaterial in kommunikativem Austausch erhoben hat, verstehen, so muss
er sich zu den in ihr erhobenen Geltungsansprüchen verhalten, d.h. er muss Stellung nehmen
und werten. Nur durch Vergegenwärtigung der Gründe, mit denen der Sprecher, seine Äuße-
rung rechtfertigen und begründen würde, ist er in der Lage, die Frage nach dem ‚Warum‘ und
damit die Frage nach dem ‚Sinn‘ des untersuchten Zusammenhangs zu beantworten. Jede
sozialwissenschaftliche Analyse, die über die reine Deskription hinausgeht, muss sich dieser
Rekonstruktion der untersuchten Begründungsansprüche befassen.325 Für Habermas besteht
daher ein „fundamentaler Zusammenhang zwischen dem Verständnis kommunikativer Handlungen und im
Ansatz rationalen Deutungen“.326 Reine Deskription des Handlungsablaufes ist nur um den Preis
der Aufgabe des Sinnverstehens möglich.
Eine strikte Trennung zwischen den Bewertungen der Praktiker und Laien auf der einen
und der Sozialwissenschaftler auf der anderen Seite, ist angesichts dieser wissenschaftstheoreti-
schen Annahmen kaum mehr möglich.327 Der Sozialwissenschaftler muss der rationalen
Binnenstruktur des Handelns, das sich an spezifischen, noch näher darzustellenden Geltungs-
ansprüchen orientiert, mit den gleichen Methoden rationaler Deutung entgegentreten, die mit
dem Reflexiv-Werden von Geltungsansprüchen in der Moderne auch jedem anderen sprach-
und handlungsfähigen Subjekt offen stehen.328 Die Mittel, mit denen der Sozialwissenschaftler

325 Vgl. Ebd., S. 169f.: „Der Interpret hätte nicht verstanden, was ein ‚Grund‘ ist, wenn er ihn nicht mit seinem
Begründungsanspruch rekonstruieren, und das heißt im Sinne Max Webers: rational deuten würde. Die Beschreibung
von Gründen verlangt eo ipso eine Bewertung auch dann, wenn sich der, der die Beschreibung gibt, außerstande
sieht, im Augenblick ihre Stichhaltigkeit zu beurteilen. Man kann Gründe nur in dem Maße verstehen, wie man
versteht, warum sie stichhaltig oder nicht stichhaltig sind, und warum gegebenenfalls eine Entscheidung darüber,
ob die Gründe gut oder schlecht sind, (noch) nicht möglich ist. Deshalb kann ein Interpret Äußerungen, die
über kritisierbare Geltungsansprüche mit einem Potential an Gründen verknüpft sind und somit Wissen reprä-
sentieren, nicht deuten, ohne zu ihnen Stellung zu nehmen. Und er kann nicht Stellung nehmen, ohne eigene
Standards der Beurteilung anzulegen, Standards jedenfalls, die er sich zu eigen gemacht hat. Diese verhalten
sich kritisch zu anderen, abweichenden Standards zur Anwendung, die der Interpret nicht schlicht vorfindet,
sondern als richtig akzeptiert haben muß. In dieser Hinsicht entbindet eine bloß virtuelle Teilnahme den Inter-
preten nicht von den Verpflichtungen eines unmittelbar Beteiligten: in dem Punkt, der für die Frage der Objek-
tivität des Verstehens entscheidend ist, wird von beiden, dem sozialwissenschaftlichen Beobachter wie dem so-
zialwissenschaftlichen Laien, die gleiche Art von Interpretationsleistung verlangt.“
326 Ebd., S. 170
327 Das gilt auch in Bezug auf Journalismus. Hier betont Fabris (1981b, S. 16) sogar umgekehrt, dass Journalisten
„quasi angewandte Sozialwissenschaft“ betrieben. Rühl (1981, S. 211) beschreibt ebenfalls Gemeinsamkeiten:
„Journalismus und (empirische) Wissenschaft sind damit befaßt, Probleme aufzuspüren und sie zu lösen.“ Haas
(1990) spricht mit Blick auf Journalismus und Sozialforschung von ‚ungleichen Brüdern‘ und konstatiert somit
gleichfalls eine Verwandtschaft. Meyer (1973) wiederum versucht mit dem Konzept des „precision journalism“
explizit Standards der Sozialforschung zum Maßstab journalistischen Arbeitens zu machen.
328 Vgl. Habermas 1995 [1981], Bd. 1, S. 173: „Das Gelingen kommunikativer Handlungen hängt […] von einem
Interpretationsprozeß ab, in dem die Beteiligten im Bezugssystem der drei Welten zu einer gemeinsamen Situa-
tionsdefinition gelangen. Jeder Konsens beruht auf einer intersubjektiven Anerkennung kritisierbarer Geltungs-
ansprüche; dabei wird vorausgesetzt, daß die kommunikativ Handelnden zu gegenseitiger Kritik fähig sind. Sobald
wir aber die Aktoren mit dieser Fähigkeit ausstatten, verlieren wir als Beobachter unsere privilegierte Stellung ge-
genüber dem Objektbereich. Wir haben nicht mehr die Wahl, einer beobachteten Interaktionssequenz entweder
eine deskriptive oder eine rationale Deutung zu geben. Sobald wir den Aktoren dieselbe Beurteilungskompetenz
zuschreiben, die wir als Interpreten ihrer Äußerungen in Anspruch nehmen, begeben wir uns einer bis dahin
methodologisch gesicherten Immunität.“
3 Wissenschaftstheoretische Fundamente 89

über Beschreibung und Interpretation hinaus zu immanenter Kritik gelangen kann, sind
letztlich dieselben wie die der Laien – mit diesem Befund gibt Habermas die methodologische
Immunität der klassischen Sozialwissenschaft zugunsten eines engeren Anschlusses an Kom-
munikations- und Verständigungsprozesse der Praxis auf.
„Wenn die möglichen Korrektive gegen irregeleitetes kommunikatives Handeln sozusagen in das kommuni-
kative Handeln selbst eingebaut sind, kann der Sozialwissenschaftler die Objektivität seiner Erkenntnis nicht
dadurch sichern, daß er in die fiktive Rolle eines ‚uninteressierten Beobachters‘ schlüpft und damit an einen
utopischen Ort außerhalb des kommunikativ zugänglichen Lebenszusammenhangs flüchtet. Er wird vielmehr
in den allgemeinen Strukturen der Verständigungsprozesse, auf die er sich einläßt, die Bedingungen der Objektivität des
Verstehens suchen müssen, um festzustellen, ob er sich in Kenntnis dieser Bedingungen der Implikationen sei-
ner Teilnahme reflexiv vergewissern kann.“329

Konventionell betriebene Sozialwissenschaften geben sich oftmals keine Rechenschaft darüber


ab, dass die sozialwissenschaftliche ‚Objektivation‘ eines zum Untersuchungsgegenstand
erhobenen Handlungszusammenhanges nur möglich ist, indem die Forschenden ihn zuvor
teilnehmend als Informationsquelle genutzt haben. Der Weg zum Verstehen der Entstehungs-
bedingungen von sozialer Lebenswelt führt nicht über eine neutrale Beobachterposition
außerhalb des Handlungszusammenhangs, sondern kann nur in einer Vertiefung und Radikali-
sierung des Handlungszusammenhangs selbst liegen. Dieser Weg vom kommunikativen
Handeln zum Diskurs, von der Anerkenntnis von Geltungsansprüchen zu deren sinnverste-
hender Interpretation und Kritik steht jedem Handelnden offen, weil er in der Struktur des
verständigungsorientierten Handelns angelegt ist.330 Habermas fasst den methodologischen
Ertrag einer rekonstruktiven Hermeneutik mit kritischem Potenzial dahingehend zusammen,
• „[…] daß der Interpret die Bedeutung einer symbolischen Äußerung nur als virtueller Teilnehmer an
dem Verständigungsprozeß der unmittelbar Beteiligten aufklären kann;
• daß ihn die performative Einstellung zwar an das Vorverständnis der hermeneutischen Ausgangssituati-
on bindet;
• daß aber diese Bindung die Gültigkeit seiner Interpretation nicht beeinträchtigen muß,
• weil er sich die rationale Binnenstruktur verständigungsorientierten Handelns zunutze machen und die
Beurteilungskompetenz eines zurechnungsfähigen Kommunikationsteilnehmers reflexiv in Anspruch
nehmen kann, um
• die Lebenswelt des Autors und seiner Zeitgenossen systematisch mit der eigenen Lebenswelt in Bezie-
hung zu setzen
• und die Bedeutung des Interpretandums als den mindestens implizit beurteilten Sachgehalt einer kriti-
sierbaren Äußerung zu rekonstruieren.“331

Dieser ‚hermeneutische Rekonstruktivismus‘ gibt zwar das traditionelle Wertfreiheitspostulat


auf, hält aber die Gewinnung ‚objektiv‘ begründbaren, d.h. auf der Basis einer Konsenstheorie
der Wahrheit bestimmbaren, und theoretischen Wissens nach wie vor für erstrebenswert.332
Genauso wie alle anderen Wissenstypen können auch wissenschaftliche Rekonstruktionen auf
falschen Begriffen und Prämissen beruhen und deshalb nicht mehr als einen hypothetischen
Status beanspruchen. Allerdings zeigen sie sich dialogoffen gegenüber dem Wissen und den
arbeitstheoretischen Annahmen der Praxis, von denen sie sich nicht grundsätzlich hinsichtlich
ihres Erkenntnisstatus unterscheiden. Auch Laien steht der Weg der diskursiven Überprüfung

329 Ebd., S. 179


330 Vgl. ebd., S. 188
331 Ebd., S. 194
332 Vgl. Habermas 19997 [1983], S. 37f.
90 II Zur Verortung des Journalismus

kommunikativer Geltungsansprüche und damit der Explikation der einer symbolisch struktu-
rierten Ordnung zugrunde liegenden Konstitutions- und Reproduktionsmechanismen offen.
Sie können (sozial-)wissenschaftliche Rekonstruktionen kompetent kritisieren. Das gilt auch
für die Auseinandersetzung mit dem Journalismus. Peters verweist auf die Konsequenzen
dieser Betrachtungen für den Praxis-Bezug:
„Die Sozialwissenschaften haben keine prinzipiell privilegierte Erkenntnisposition, von der aus sie sehen
könnten, was die Laien nicht sehen können. Die Sozialwissenschaften mögen in manchen Fällen aufzeigen,
daß soziale Praktiken auf partieller Ignoranz der Handelnden über die Bedingungen ihres Handelns beruhen.
Die Aufklärung dieses Sachverhalts vermag bestimmte Handlungsbedingungen dann möglicherweise auch
real zu verändern. Es ist aber nicht plausibel, daß Sozialwissenschaften insgesamt mit Beschreibungen von
sozialen Praktiken oder Überzeugungen operieren könnten (oder sollten), die im Alltag nicht übernommen
werden könnten, ohne die entsprechenden Praktiken zu destruieren.“333

Die sozialwissenschaftliche Theoriebildung unterscheidet sich von Praktiker-Aussagen daher


auch im späteren Umgang mit den gewonnenen Daten nur graduell, nicht aber prinzipiell. Eine
grundlegend epistemologische Differenz zwischen theoretischen und praktischen Diskursen ist
nicht plausibel. Voraus hat die Wissenschaft der Praxis in der Regel eine intersubjektiv über-
prüfbare Methodik der Datenerhebung und den Willen zur theoriegeleiteten Abstraktion. Sie
wendet eine handlungsentlastete Reflexivität, die in der Praxis wohl eher als eine Ausnahme
gewertet werden muss, routinemäßig in der Interpretation von sozialen und kommunikativen
Handlungen an.334 Der Status des gewonnenen Wissens verändert sich dadurch gegenüber den
Praktikerbeschreibungen – auch in der Journalismusforschung. In diesem Sinne beschreibt die
‚Theorie des kommunikativen Handelns‘ eine auch für die Kommunikationswissenschaft
attraktive sozialwissenschaftliche Alternative, die sich nicht primär auf den üblichen erkennt-
nistheoretischen Streit kapriziert, sondern die jene kommunikativen Prozesse expliziert, die der
sozialen Konstruktion von ‚Wirklichkeit‘ zugrunde liegen.

3.3 Sozialwissenschaftliche Teilnahme in der Journalistik

In Kommunikationswissenschaft und Journalistik verweisen sowohl handlungstheoretischer


Konstruktivismus als auch struktur- und funktionsbezogene Systemtheorie den Sozialwissen-
schaftler nach wie vor auf eine Beobachterposition zweiter Ordnung. Wissenschaftliche
Distanz soll an die Stelle tradierter praktizistischer Beschreibungen treten, um Reliabilität und
Validität der Forschung zu legitimieren. Meier beschreibt den Anspruch des Fachs so:
„Was wir früher über den Journalismus wussten, wussten wir durch den Journalismus: Einzelaussagen und
Selbstbeobachtungen der Berufspraktiker beschrieben, wie der Hase in den Redaktionen läuft. Die Journalis-
tik dagegen untersucht den Journalismus als Beobachter zweiter Ordnung, der mit intersubjektiv überprüfba-
ren Methoden systematisch und kontinuierlich redaktionelle Realitäten der Aussagenentstehung beschreibt.“335

333 Peters 2000, S. 297


334 Die Unterschiede zwischen Wissenschaft und Praxis liegen nach Peters (2000, S. 296f.)
• „im Abstraktionsniveau sowie im Explikations- und Systematisierungsgrad
• in der weitergehenden Handlungsentlastung der wissenschaftlichen Theorie
• im Respekt vor Rollendifferenzierung und damit in einer selbstauferlegten Abstinenz der Wissenschaft
gegenüber Praxis-Prognosen.“
335 Meier 2002b, S. 4
3 Wissenschaftstheoretische Fundamente 91

Die ‚visuelle Metapher‘ (Habermas) des Beobachters verdunkelt potenziell nicht den Umstand,
dass der sozialwissenschaftliche Interpret durch die performativ genutzte Sprache in Beziehun-
gen eingebettet ist, die es ihm verunmöglichen, generell einen zum beobachteten Handlungs-
zusammenhang externen Status einzunehmen.336 Auch der Beobachter zweiter Ordnung steht
nicht außerhalb des Geschehens, sondern ist an ihm beteiligt. Auch er kann daher keinen
privilegierten Erkenntnisanspruch begründen.
Werden konstruktivistische Theoreme nicht gemäß eines biologistischen Radikalen Kon-
struktivismus, sondern nach logischen Kriterien radikalisiert, dann lässt sich ein abgehobener
Beobachterstatus nicht aufrechterhalten, sondern es liegt vor allem in der Kommunikations-
wissenschaft beinahe zwangsläufig ein Modell der Teilnahme des Wissenschaftlers an den
zugleich untersuchten Prozessen nahe. Vor allem Krippendorf hat auf diese Einbezogenheit
des Forschers verwiesen und bewegt sich damit in großer Nähe zu den Annahmen von Ha-
bermas hinsichtlich einer mindestens virtuellen, das heißt aller strategisch-praktischen Intenti-
on entkleideten Teilnahme des Sozialwissenschaftlers am untersuchten Kommunikationszu-
sammenhang.337 Für Krippendorf ist die Anwendung einer Kommunikationstheorie auf sich
selbst verknüpft mit dem Konzept einer Kybernetik zweiter Ordnung und dem damit korres-
pondierenden Beobachter-Verständnis:
„To me, the shift from a first-order to a second-order cybernetics signaled a shift in scientific attitude toward
reality, from privileging the perspectives of detached observers, spectators or engineers of a world outside of
themselves to acknowledging our own participation in the world we observe and construct as its constitu-
ents.”338

Diese Einbezogenheit in soziale Prozesse liegt für Krippendorf ebenso wie für Habermas in
Kommunikation begründet. Zudem bleibt auch die theoretische Arbeit des Beobachters
zweiter Ordnung mit den Handlungsvollzügen, die er beobachtet und beschreibt, rückgekop-
pelt. Seine Beschreibungsversuche können rückwirken auf den ursprünglichen Zusammen-
hang. Ein ‚re-entry‘ der Kommunikationstheorie in die Alltagskommunikation ist möglich.339
Es ist also davon auszugehen, dass wissenschaftliche Beobachtungen der Praxis ohne eine
– wie vermittelt auch immer geartete – Teilnahme am untersuchten Zusammenhang nicht
erfolgreich sein können, dass in Erhebung und Bearbeitung des Materials eine kommunikative
Involviertheit des Forschers unumgänglich ist. Darüber hinaus lassen sich Rekonstruktionen
von ‚Wirklichkeit‘, die aus diesen Beobachtungen erwachsen, gegenüber Praxis-
Wahrnehmungen weder über- noch unterordnen. Sie sind auf die gleiche soziale ‚Wirklichkeit‘
bezogen und müssen sich letztlich am gleichen diskursiv zu bestimmenden Bezugspunkt
messen lassen. Damit soll weder einer Verwissenschaftlichung des Journalismus, noch einer

336 Vgl. Habermas 19997 [1983], S. 33. Dies kann man für die Journalistik zum Beispiel daran festmachen, dass
auch der wissenschaftliche Interpret über den täglichen Umgang mit den kommunikativen Produkten des Jour-
nalismus auf eine ganz spezifische und vorwissenschaftliche Art und Weise bereits in einen sozialen Zusam-
menhang eingebunden ist, aus dem heraus er Daten zur Analyse und zur Theoriebildung erhebt. Hinzu kommt,
dass viele Journalistikwissenschaftler – den Autor dieser Studie eingeschlossen – über umfangreiche Praxiser-
fahrung als Journalisten oder in anderen Kommunikationsberufen verfügen.
337 Vgl. Krippendorf 1993; 1995; 1996
338 Krippendorf 1996, S. 311
339 Krippendorf (1995) hat dies in der Auseinandersetzung mit dem Machtbegriff verdeutlicht, den er für diskursiv
konstruiert hält und der durch Reformulierung in kritischer Sozialwissenschaft verändert werden kann. Die Be-
schreibung einer Machtsituation durch einen sozialwissenschaftlichen Beobachter zweiter Ordnung kann ent-
sprechend – wenn sie von den übrigen Teilnehmern rezipiert wird – dazu führen, dass sich die Wahrnehmung
der Situation verändert und Machtgefüge in Frage gestellt werden.
92 II Zur Verortung des Journalismus

Simplifizierung wissenschaftlicher Realitätsrekonstruktion das Wort geredet werden. Vielmehr


gilt es die Prämisse anzuerkennen, dass der Forschende ebenso wie die von ihm beobachteten
Kommunikatoren und Vermittler gemeinsam Bestandteil der sozialen ‚Wirklichkeit‘ sind, die
der Forschende zu beschreiben sucht. Ihre Zugänge zu dieser ‚Realität‘ sind zunächst nicht
verschieden, wohl aber die Bezugssysteme und die Verarbeitungsmechanismen.
Legt die Journalistik dieses kommunikationstheoretisch gewendete Selbstverständnis sozial-
wissenschaftlicher Forschung auch ihren eigenen Bemühungen zugrunde, dann eröffnen sich
neue Perspektiven des Praxisbezugs, ohne an wissenschaftlicher Reflexivität einzubüßen.
Pätzold nimmt diese Vorgehensweise für das Selbstverständnis der Journalistik in Anspruch:
„Als Forscher muss man genauso in seinen Bereich hineingehen wie der Praktiker. Man ist als Forscher Teil
der Kultur, die man erforscht. Das gilt auch für die Medien und den Journalismus. Nur so können wir einen
Prozess bewirken, den wir seit 25 Jahren des Bestehens der Journalistik in Dortmund versprochen haben:
Durch unsere Arbeit wollen wir ein Stück Kultur der Integration von Theorie und Praxis des Journalismus
schaffen.“340

Auf dieser Grundlage kann ein praxisorientiertes Fach gegenüber alltagssprachlicher Kommu-
nikation geöffnet bleiben und so auch in relevante Praxisdialoge eintreten. Journalistik zer-
schneidet dann nicht mehr den Zusammenhang zwischen Untersuchungsgegenstand und
Analyse, sondern betrachtet Praxistheorien und wissenschaftliche Analyse als Bestandteile
desselben Erkenntniskontextes. Auf der Basis eines solchen Selbstverständnisses fällt es nicht
nur leichter, den Übergang von der Beschreibung zum Verstehen zu konzipieren, sondern
auch die weitergehende Aufgabe der Kritik zu begründen. Kritische Theorie und – allgemeiner
– kritisch-emanzipatorische Wissenschaft können auf diese Weise, wie von Habermas gefor-
dert, ihre Fundamente ausweisen und dadurch ihre Legitimität steigern. Der Journalismus und
die Journalistik als seine Wissenschaft setzen im Rahmen dieses wissenschaftstheoretischen
Verständnisses in letzter Konsequenz auf den gleichen Grundlagen menschlicher Verständi-
gung auf; sie bleiben einander, trotz unterschiedlicher Aufgaben, Leistungen und Funktionen
immanent verbunden. Wissenschaftliche Forschung und Ausbildung sind gefordert, in eman-
zipatorischer Absicht auf die Praxis einzuwirken, um die Bedingungen der Möglichkeit kom-
munikativer Verständigung zu verbessern.
So kann ein Verständnis von Kommunikationswissenschaft und Journalistik reformuliert
werden, das diese als „Teil der allgemeinen Demokratieforschung“ versteht und sie so aus ihrer
seit der Überwindung der Publizistikwissenschaft gepflegten normativen Indifferenz heraus-
zwingt.341 Von einer solchen praktischen und kritischen Wissenschaft wäre zu erwarten, dass
sie aus der im Öffentlichkeitskonzept begründeten immanenten Verknüpfung zwischen
gesellschaftlichen Kommunikationsstrukturen und Demokratie heraus, die kommunikativ-
infrastrukturellen Bedingungen analysiert, die gleiche Bedingungen der Teilnahme am gesell-
schaftlichen Diskurs entweder befördern oder blockieren. Auf dieser Basis kann eine bestimm-
te Form des Journalismus als demokratiekonstitutiv hergeleitet werden.342

340 Pätzold 2002, S. 41


341 Fabris 1979, S. 21
342 Die Annahme, dass durch entsprechende Begleitforschung eine Verbesserung der Praxis damit die wissen-
schaftliche Steuerbarkeit sozialer Prozesse erreicht werden kann, ist in den 1970er Jahren in den Sozialwissen-
schaften verbreitet gewesen (vgl. Fabris 1979, S. 13). Siehe zur weiteren damaligen Auseinandersetzung mit sol-
chen Hoffnungen auch die Beiträge in: Eurich 1980a.
4 Zwischenfazit: Praxisorientierung und Kritik 93

4 Zwischenfazit: Praxisorientierung und Kritik


Die zur Methode erhobene Wertfreiheit einer rein empirisch-analytischen Wissenschaft zwingt
den Wissenschaftler durch Systemtheorie und Konstruktivismus unterfüttert in eine reine
Beobachterposition zweiter Ordnung hinein und weigert sich oft, eine – und sei es nur speku-
lativ unterstellte – gesellschaftliche Totalität in den Blick zu nehmen. Sie bleibt auf Einzelphä-
nomene fokussiert und führt damit dazu, dass eine Journalismusforschung, die sich diesem
Paradigma verpflichtet fühlt, nur den Journalismus als Beruf in den Blick bekommt – und das
auch nur in der Ausprägung, in der er heute vorfindbar ist. Durch diese empirizistische Ver-
kürzung verliert die Journalismusforschung jegliches Gespür für den ursprünglich emanzipati-
ven Charakter des Journalismus.343 Dabei ist Altmeppen und Karmasin nur zuzustimmen:
„Die Reintegration praktischer Vernunft in den Aussagezusammenhang ist […] von der Spekulation und von
rechtfertigungslosen und intersubjektiv nicht nachvollziehbaren Aussagen klar zu trennen. Man darf nicht
dem Irrtum verfallen, dass alle normativen Aussagen unvernünftig und unbegründbar sind.“344

Pöttker plädiert entsprechend immerhin dafür, den Journalismus und in seinem Gefolge auch
die Journalistik dem praktischen Erkenntnisinteresse zuzuordnen, da sie zwar kaum der Kritik
der Ereignisse, aber doch ihrer Vermittlung dienten.345 Er sieht die Journalistik in ihrer Orien-
tierung an „gesellschaftlicher Verständigung“ mehr den praktischen Erkenntnisinteressen der
historisch-hermeneutischen Wissenschaften verpflichtet, als den auf Herrschaftskritik und
Gerechtigkeit gerichteten emanzipatorischen Erkenntnisinteressen.346 Schon diese bescheide-
nere Forderung nach einer Fundierung der Journalistik auf einer historisch-hermeneutischen
Methode mutet wissenschaftstheoretisch und -politisch kaum durchsetzbar an. Sie ist überdies
in dieser Abgrenzung nur haltbar, wenn man Verständigung auch in vermachteten und von
Ungerechtigkeit geprägten Verhältnissen für möglich erachtet. Ausgehend von einem gehalt-
vollen Verständigungsbegriff, der auf die kommunikative Kompetenz der einzelnen Beteiligten
genauso abstellt wie auf die Gleichheit implizierenden sprachimmanenten Vergesellschaftungs-
kräfte erscheint die emanzipatorische Haltung der Kritischen Theorie mindestens ebenso
zwingend.347 Diese Alternative allerdings wird in der Journalistik zu Beginn des 21. Jahrhun-
derts kaum systematisch rezipiert, geschweige denn genutzt. Man begegnet ihren Grundideen
„zumeist nur noch als ein Stück bundesdeutscher Wissenschaftsgeschichte“, die zwar in
Bruchstücken in Medien- und Technologiekritik noch gepflegt wird, ohne aber dabei substan-
tiell weiterentwickelt worden zu sein.348 Derartige Beobachtungen sind nachvollziehbar, wenn
sie sich auf das vorwiegend geschichtsphilosophische Denken der ersten Generation der
Kritischen Theorie um Adorno und Horkheimer beziehen, müssen aber eingeschränkt werden,
wenn man anerkennt, dass die nachfolgende Generation die Kritische Theorie weiterentwickelt
und sich dabei um eine Reformulierung der Ansprüche kritischen Denkens bemüht, die ohne
eine überholte historisch-materialistische Geschichtsphilosophie auskommt.349

343 So ließe sich der Kern der Kritik Baums (1994) zusammenfassen.
344 Altmeppen/Karmasin 2003c, S. 38f.
345 Vgl. Pöttker 2004, S. 73ff.
346 Ebd., S. 75
347 Letztlich legt dieser Abgrenzungsversuch aber nur noch einmal nahe, dass die erkenntnistheoretische Eintei-
lung unterscheidbarer Erkenntnisinteressen höchstens heuristischen Wert besitzt, in ihrer Systematik aber von
den angeführten kommunikationstheoretischen Reformulierungen Kritischer Theorie abgelöst werden sollte.
348 Eurich 2002b, S. 121
349 Vgl. van Reijen 1986, S. 158ff.
94 II Zur Verortung des Journalismus

Doch die Kommunikationswissenschaft hat sich der Frage nach der Differenz zwischen
Sein und Sollen auf einer grundlegend gesellschaftstheoretischen Ebene im Prinzip nicht
gestellt, sondern hat die Frage der Utopie einer idealen Kommunikationsgemeinschaft vollends
an andere Wissenschaften delegiert – zumeist sogar ohne deren Ergebnisse in Betracht zu
ziehen.350 Dabei hat ein ‚kritischer‘ gesellschaftstheoretischer Ansatz das Potenzial einige der
häufig beklagten Defizite der Disziplin zu kompensieren:
„Kritische Wissenschaft lebt von der Urteilsbereitschaft – allerdings mit Selbstkritik und zugestandener hoher
Fehler- und Ambiguitätstoleranz. Erst das Urteil, das analytisch nachvollziehbar ist, provoziert den Blick auf
die unausgesprochenen und versteckten/verdeckten Facetten einer noch nicht angemessen erkannten Wirk-
lichkeit.“351

Diese Kritik kann zunächst darin bestehen, die Gegenwart zu hinterfragen und ihre – an einem
normativen Ideal zu messenden – Missstände aufzuzeigen.352 Dann trägt Kommunikationsfor-
schung dazu bei, „[…] die Grundlagen zu erforschen, die Mißbräuche und die Ungerechtigkei-
ten der öffentlichen Kommunikation darzutun, die verhindern, daß menschliche Wachheit sich
selber hilft“353, wie es Pross einmal genannt hat. Sie kann über die kommerzielle oder administ-
rative Auftragsforschung hinaus zu „einem ‚öffentlichen Auftrag‘ im Interesse einer demokra-
tischen Gesellschaftsentwicklung“354 werden. Nicht mehr Einzelphänomene sind dann Ge-
genstand der Betrachtung, sondern (auch) der gesellschaftliche Kommunikationsprozess samt
seiner politischen, sozialen und ökonomischen Rahmenbedingungen. Die Behandlung des
Journalismus durch die Journalistik kann durch einen entsprechenden gesellschaftstheoreti-
schen Verweisungszusammenhang an analytischer Tiefe und an praktischer Relevanz gewin-
nen. Die Analyse der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die Kommunikation ermögli-
chen oder verhindern, erlaubt es, soziale Kommunikationsprozesse nicht nur zu beschreiben,
sondern sie auch zu verstehen und zu erklären.355 Kritische Theorie in solch einem Verständnis
schickt sich selbstbewusst an, das legitime Erbe der vernunftorientierten Aufklärung anzutre-
ten und zielt auf die Verbesserung der jeweiligen gesellschaftlichen Praxis. Nach wie vor gilt:
„Die Publizistik und Kommunikationswissenschaft kann in interdisziplinären sozialwissenschaftlichen Ar-
beitszusammenhängen bei entsprechender Bestimmung und Explikation ihrer normativen Maßstäbe dazu
beitragen, daß der wissenschaftlich-technische Fortschritt im Medienbereich auch den publizistischen Spiel-
raum erweitert für den meinungsbildenden Prozeß öffentlicher Diskussion, Aufklärung und Kritik; nur dann
wird es möglich sein, auch grundlegende sozialökonomische Interessenkonflikte und politische Strukturprob-
leme zu lösen, ohne daß dabei demokratische Zielwerte der sozialen Gerechtigkeit, der Selbst- und Mitbe-
stimmung durch undemokratische Mittelwahl bzw. elitäre Fremdbestimmung von Konfliktregelungen ver-
fehlt werden.“356

350 Vgl. die Kritik von Teichert/Renckstorf 1974.


351 Eurich 2002b, S. 130
352 Eurich (1977, S. 348) konstatiert in dieser Hinsicht eher idealtypisch, dass vorrangig allgemeine normative
Kriterien für eine emanzipatorische Kommunikationswissenschaft zu formulieren sind: „Die Orientierung an
der Verwirklichung der individuellen kommunikativen Freiheit, der Herstellung bzw. Vermehrung publizisti-
scher Gerechtigkeit, der ‚Vermeidung publizistischer Manipulationen‘, dem ‚Abbau von kommunikativer Herr-
schaft von Menschen über Menschen‘, der ‚demokratischen Gestaltung aller publizistischen Einrichtungen,
insbesondere der Medien‘.“
353 Pross 1970, S. 158; vgl. auch Fabris 1971, S. 367.
354 Aufermann 1976, S. 157. Auch Eberhard (1965a, S. 490) hat schon früh konstatiert: „Den Massenkommunika-
tionsmitteln fällt in der Demokratie ein Wächteramt zu. Wer wacht über die Wächter? Ich meine, die Publizis-
tikwissenschaft habe hier eine Aufgabe.“
355 Vgl. Eurich 1977, S. 348f.
356 Aufermann 1976, S. 167
4 Zwischenfazit: Praxisorientierung und Kritik 95

Kritische Theorie verbannt das Interpretative und Normative nicht in den Bereich des Vorwis-
senschaftlichen; sie betrachtet ein hermeneutisch erbrachtes Ergebnis nicht nur als Hypothese
für empirisch-analytische Feldforschung. Stattdessen nimmt Kommunikationswissenschaft aus
kritischer Perspektive die Herausforderung an, Kriterien zu formulieren, die auf eine bessere
Kommunikationsgemeinschaft und auf die Ausschöpfung der Verständigungspotenziale zielen.
„Der Utopieverlust, den wir der Aufklärung verdanken und deren affirmativen Scheitern, ist im kritischen
Horizont korrigierbar, Kritische Wissenschaft hat hier ein Erbe übernommen, das auf die Entmottung wartet.
Es geht in der Beziehung von kritischer Wissenschaft und Utopie nicht um die Feststellung von Gewissheiten
hinsichtlich der Gestaltung von Zukunft. Es geht um die Herausarbeitung, ob sie möglich ist. Hier liegt ihre
Aufgabe als Möglichkeitswissenschaft.“357

Es kann der kritischen Kommunikationsforschung heutzutage also kaum um Gewissheiten


gehen, sondern um Potenziale und das Maß, in dem sie ausgeschöpft werden. Was vermag der
Journalismus zu leisten? Was leistet er tatsächlich? Und welche Rahmenbedingungen halten ihn
davon ab, sein Potenzial zu realisieren? Das sind Fragen, die aus der Perspektive einer kriti-
schen Theorie gesellschaftlicher Kommunikation auch empirisch gestellt werden können.
Ausgangspunkt ist allerdings die Identifizierung der historisch entwickelten und aktuell empi-
risch angelegten Möglichkeiten des Journalismus, zur Verständigung beizutragen. Die beschei-
dene Besinnung auf normativ-praktische Fragen wäre dazu ein wichtiger Anfang. Die eigentli-
che Chance der Journalistik aber liegt in der theoretisch ausgearbeiteten und ethisch angewand-
ten kritisch-emanzipativen Radikalisierung ihres kommunikativen Praxisbezugs.
Dieses Kapitel sollte dazu dienen, die Journalistik im Rahmen der Kommunikationswissen-
schaft zu positionieren und ihr ‚Erkenntnisinteresse‘ näher zu bestimmen. Die Journalistik hebt
sich dabei durch ihren Untersuchungsgegenstand und durch ihr erklärtes Ziel der Ausbildung
von einer als empirisch-analytische Sozialwissenschaft verfassten Kommunikationswissen-
schaft ab. Sie tradiert theoretische Ansätze ihrer Mutterdisziplin und stellt sich nur bedingt der
analytischen Herausforderung, die sich insbesondere aus dem emanzipatorisch auf eine bessere
Praxis gerichteten Ausbildungsauftrag ergibt. In der Auseinandersetzung mit den theoretischen
Optionen der Journalistik ist deutlich geworden, dass sich das Fach nicht einseitig festlegen
lassen kann, sondern seine praxisorientierte Relevanz nur durch eine in mehrfacher Hinsicht
doppelte Perspektive untermauern kann. Dazu gehört vor allem,
• dass empirisch-analytische Forschung einen Bezug auch zu normativ-praktischen und kritisch-
emanzipatorischen Fragen bewahrt,
• dass theoretisch angeleitete Journalismusforschung und praxisorientierte Journalistenausbildung in einem
immanenten Bezugsverhältnis zueinander gehalten werden,
• dass sowohl Systembezug als auch Akteursbezug in Journalismusforschung und Journalisten-
ausbildung integriert werden und
• dass Journalistikwissenschaftler sowohl eine Teilnehmerperspektive als auch eine Beobach-
terperspektive einzunehmen vermögen, um ihren Untersuchungsgegenstand in angemessener
Weise beschreiben, erklären und verstehen zu können.
In der erfolgreichen Kombination dieser verschiedenen Untersuchungsdimensionen liegt
zugleich die Bedingung der Möglichkeit begründeter Kritik und emanzipatorischer Verbesse-

357 Eurich 2002b, S. 131. Dies sollte nicht apodiktisch oder transzendental geschehen, wie Eurich (2002b, S. 135)
fordert, sondern pragmatisch und im Sinne regulativer Ideen und der Identifizierung kontrafaktischer Unter-
stellungen in der Kommunikation. Es ist kein Gewinn, die nüchterne und sprachpragmatisch orientierte Per-
spektive einzutauschen gegen eine Theorie, die sich selbst transzendiert und damit die Forderung nach der Be-
gründung von ethischen und normativen Postulaten im Diskurs zugunsten einer erneuten Metaphysik aufgibt.
96 II Zur Verortung des Journalismus

rungsvorschläge mit Blick auf die Praxis. Diese Kombination ist auf der Basis eines kommuni-
kationstheoretischen und rekonstruktiven sozialwissenschaftlichen Verständnisses möglich, das
keinen grundlegenden Unterschied zwischen theoretischer und praktischer Reflexion kon-
struiert, sondern stattdessen von zueinander geöffneten Kommunikationsverhältnissen aus-
geht, die miteinander dialogfähig sind. Vor diesem Hintergrund sollen erste Hinweise auf ein
Journalismusverständnis skizziert werden, das mit diesen wissenschaftstheoretischen Erwägun-
gen korrespondiert und eine Grundlage journalistikwissenschaftlicher Analyse und Ausbil-
dungsleistungen sein kann. Die in der Einleitung entwickelte Skizze eines Journalismus als
kommunikativem Handlungsmodus unter systemischen Bedingungen der Massenmedien ist in
diesem Kapitel insofern ergänzt worden um komplementäre wissenschaftliche Sichtweisen auf
die verschiedenen Aspekte:
• Aus einer wissenschaftlichen Beobachterperspektive geraten systemische Zusammenhänge
der Massenmedien als funktionalistische und instrumentelle ‚Objektivation‘ in den Blick.
• Aus einer wissenschaftlichen Teilnehmerperspektive wird das lebensweltlich fundierte
kommunikativ rationale Handeln von Journalisten analysierbar.
Die Dimensionen einer so umfassend zu verstehenden Journalistik lassen sich entlang der
Unterscheidungen der folgenden Tabelle beschreiben.

Tab. 1: Untersuchungsdimensionen des vorgeschlagenen Journalistik-Verständnisses

Bezugspunkt der
Journalistisches Handeln Massenmediensystem
Journalismusanalyse
Wissenschaftliche Perspektive Journalismus als
Journalismus als Beruf
auf Journalismus kommunikatives Handeln
Theoretische Option Handlungstheorie Struktur-/Systemtheorie
Gesellschaftstheoretische
Lebenswelt Struktur/System
Referenz
Rationalitätskonzept kommunikativ instrumentell / funktionalistisch
Erkenntnistheoretische Option universalpragmatisch (überwiegend) konstruktivistisch
Stellung des
(virtueller) Teilnehmer Beobachter
Wissenschaftlers zur Praxis
normativ- kritisch-
primäres Erkenntnisinteresse empirisch-analytisch
praktisch emanzipatorisch
Dialog mit Praxis wissenschaftliches
Beiträge zur Praxis
Ausbildung / Ethik Kontextwissen
Funktionen des Journalismus
Aufgaben des Journalismus
Analyse des
journalistische Ethik
Handlungsumfeldes
Typologie / Handlungsmuster
Beiträge zur Theorie Systemanalyse
Idealtypen
‚constraints‘ / Kolonialisierung
kommunikative Rollenbilder
berufliche Rollenbilder
subjektiver Sinn
latente Handlungsfolgen
Wissenschaftliche Leistung Verstehen / Kritisieren Beschreiben / Erklären
4 Zwischenfazit: Praxisorientierung und Kritik 97

Diese Tabelle gibt lediglich grob typisierende Hinweise auf eine mögliche analytische Zerglie-
derung, sie soll keine falsche Trennschärfe suggerieren. Zentral ist vielmehr: In der analytisch-
rekonstruktiven Gesamtsicht kann auf der Basis beider Perspektiven ein kritisches Verständnis
der Situation journalistischer Verständigungsleistungen in ausdifferenzierten, von kommerziali-
sierten Massenmediensystemen geprägten Gesellschaften entwickelt werden. Dazu ist es
notwendig, das Problem des Zusammenhangs von akteurs- und systembezogener Analyseper-
spektive erneut aufzugreifen und vor dem Hintergrund des zweistufigen Gesellschaftsmodells
von System und Lebenswelt zu verhandeln. Dabei handelt es sich explizit nicht um alternative,
sondern um komplementäre Untersuchungsperspektiven, die in einem zweistufigen Gesell-
schaftsmodell von Lebenswelt und System zueinander in Beziehung gesetzt werden können,
um aus ihren Spannungsverhältnissen kritisches Potenzial zu generieren. Aus beiden Perspekti-
ven und auf der Basis ihrer Erkenntnisleistungen kann ein Modell der Journalismus-Analyse
entwickelt werden, das sensibel ist für die emanzipatorischen Leistungen des Journalismus. Im
Folgenden soll zunächst aus einer pragmatischen Teilnehmerperspektive der subjektive Sinn
journalistischen Handelns aufgeschlossen werden, um zu einem zureichenden Verständnis von
Journalismus als Handlungsmodus zu gelangen. Dazu wird in historischen und idealtypisch
fundierten Journalismusverständnissen nach Sedimenten eines Handlungskonzeptes des
Journalismus’ gesucht, das sich gleichermaßen praxisoffen wie theoriefähig zeigt. Im weiteren
Verlauf wird dieses Konzept systematisch ausformuliert und mit seinem systemischen Kontext
konfrontiert.
III Die Idee der Öffentlichkeit –
Historische Grundlagen des Journalismus

In diesem Kapitel sollen die historischen Fundamente des Journalismus besichtigt werden. Der Blick richtet sich
dabei sowohl auf die Etablierung eines modernen Typus von Öffentlichkeit als Idealtypus respektive als
regulative Idee gesellschaftlicher Kommunikation als auch auf die Herausbildung journalistischer Idealtypen.
Diese Referenzpunkte sind in der Journalismustheorie bis heute relevant. Im Anschluss an Habermas‘ Studie
‚Strukturwandel der Öffentlichkeit‘ wird zunächst argumentiert, dass sich im Zuge der Bildung neuzeitlicher
bürgerlicher Gesellschaften Öffentlichkeit als ein gesellschaftliches Strukturprinzip etabliert hat. Das Konzept
der bürgerlichen Öffentlichkeit formuliert einen Idealtypus des öffentlichen Diskurses unter Gleichen als Quelle
kommunikativer Rationalität und gesellschaftlicher Legitimation. Journalistisches Handeln ist demnach genuin
auf die Herstellung von Öffentlichkeit bezogen. Im prädikativen Einzelfall-Verständnis bedeutet dies die
Veröffentlichung von Nachrichten und Kommentaren und im subjektbezogenen Strukturverständnis die
Gewährleistung einer gesellschaftlichen Kommunikationssphäre (1).
Es ist zu skizzieren, wie sich Journalismus empirisch und konzeptionell entwickelt und etabliert hat. Da-
bei lassen sich unterschiedliche Modellvorstellungen identifizieren, die vom vermeintlich reinen Nachrichtenwesen
des korrespondierenden Journalismus über das Räsonnement des schriftstellernden Journalismus bis zu den
organisatorischen Leistungen des redaktionellen Journalismus reichen. Aus dieser historischen Genese des
Journalismus werden, wie zu zeigen sein wird, noch heute journalistische Idealtypen abgeleitet (2).
Auffällig ist, dass diese differierenden Erklärungsmuster und Anforderungsprofile meist in eine dichotomi-
sche Struktur münden, in der entweder das Erbe des korrespondierenden oder das Erbe des schriftstellernden
Journalismus alleinig als Idealtypus herangezogen wird, um Rollenerwartungen an Journalisten zu begründen.
Dabei führt die klassische Idealtypen-Dichotomie die Journalismusforschung regelmäßig in eine normative
Sackgasse. Dies zeigt sich in den klassischen, handlungstheoretisch fundierten Rollenmodellen (3).
In der vorliegenden Arbeit wird daher eine integrative Perspektive angestrebt. Es geht um die Formulierung
eines soziologisch theoriefähigen Handlungstypus, der quer zu den klassischen Dichotomien liegt und der
Vermittlung (Referat) und Räsonnement auch konzeptionell in einen inneren Zusammenhang zu bringen
vermag. Dazu wird unter anderem auf Otto Groths Thesen zurückgegriffen, der Journalismus als vermittelnde
Kommunikation im gesellschaftlichen Zeitgespräch situiert und im journalistischen Handeln sowohl vermittelnde
als auch eigenständig kommunikative Aspekte betont, die zusammen ein Handeln durch Kommunikation
begründen (4).
Im Zwischenfazit wird Groths Metapher vom Journalisten als ‚Anwalt des gesellschaftlichen Gesprächs‘
mit Habermas‘ Konzeption von Öffentlichkeit und kommunikativem Handeln in Öffentlichkeit heuristisch
zusammengezogen zu der Figur des Journalisten als Diskursanwalt der Gesellschaft. Dieses zunächst vorläufig
einzuführende und im weiteren Verlauf systematisch und theoretisch zu vertiefende Journalismusverständnis
setzt journalistisches Handeln in einen immanenten Bezug zur Vernunft öffentlicher Kommunikation und
gewinnt dadurch eine auch normativ begründbare Anspruchsdimension an Journalismus aus dessen eigenen
Grundlagen heraus (5).
1 Die Idee der Öffentlichkeit 99

1 Die Idee der Öffentlichkeit


„Fast alle Fragen und Probleme, die gegenwärtig im Mittelpunkt der Kommunikatorforschung wie auch der
aktuellen kommunikationspolitischen Diskussionen stehen, sind in ihrer Entwicklung bis zu den Anfängen
der Geschichte der Medien und der damit verbundenen Geschichte des Journalismus zurück zu verfolgen.“1

Journalistisches Handeln kann nicht getrennt von politischen, wirtschaftlichen oder sozialen
Entwicklungen einer Gesellschaft betrachtet werden, da Veränderungen in diesen Bereichen
sich auch auf die gesellschaftliche Kommunikationsstruktur und ihre zentralen Akteure aus-
wirken.2 Aber nicht alle Spezifika der journalistischen Entstehungsgeschichte lösen sich in
historischer Kontingenz auf; aus der Rückschau sind durchaus idealtypische Aufschlüsse über
Sinn und Aufgabe journalistischen Handelns als kommunikatives Handeln zu gewinnen.3 Das
gilt in besonderem Maße für das mit der Ausdifferenzierung journalistischen Handelns histo-
risch eng verknüpfte Prinzip der Öffentlichkeit und seine ethisch-politischen Implikationen.
Doch der vermeintliche ‚Umweg‘ über die Historie des journalistischen Berufs mit dem Ziel
einer theoretischen Näherung an den Journalismus, der in der klassischen Zeitungs- und
Publizistikwissenschaft oft beschritten worden ist, ist heute unüblich geworden.4 Die Etablie-
rung der empirisch-analytischen Kommunikationswissenschaft bedeutete auch eine „Enthisto-
risierung“, um so die bis dahin beinahe unumschränkt gültige Annahme des sozial- und geis-
teswissenschaftlich konzipierten historischen Bewusstseins, „[…] man müsse und könne die
Dinge nur aus ihren Ursprüngen und im Zusammenhang ihres Gewordenseins verstehen“, zu
überwinden.5
In den letzten Jahren werden die Stimmen zumindest sporadisch wieder vernehmbar, die
eine „Theorie des Journalismus […], die sich historischer Empirie versichert“6, fordern. Damit
reagieren vorwiegend handlungstheoretisch und historisch-hermeneutisch interessierte For-
scher auf die Dominanz der Funktions- und System-Modelle, die zwar wertvolle Beiträge zur
Beschreibung und Erklärung des Journalismus erbringen, indem sie den analytischen Blick auf
Gegenwartsphänomene und ihre funktionale Form lenken, die aber gegenüber Fragen der

1 Fabris 1979, S. 47
2 Auch der Zeitgeschichtler Jagschitz (1987, S. 733) vertritt diese Position: „Mediengeschichte muß zur Sozialge-
schichte werden. Medien einerseits und ihre beabsichtigte oder unbeabsichtigte Wirkung andererseits stehen
nicht für sich. Sie stehen vielmehr mitten im Zentrum gesellschaftlicher und gesellschaftspolitischer Auseinan-
dersetzung, prägen die Gesellschaft mit, verändern Verhalten, Bewußtsein und politisches Handeln und werden
von den Entwicklungen der Gesellschaft geprägt. Es ist daher selbstverständlich, daß sich Kommunikationsge-
schichte mit der gesellschaftlichen Wirklichkeit auseinandersetzen muß, in der Institutionen und Produkte ent-
stehen, existieren und wirksam werden, in der Menschen bestimmte Handlungsräume ausfüllen und in den
Medien und historische Entwicklungen einander wechselseitig bedingen. Es wäre ungerechtfertigt, über der
veröffentlichten Meinung die öffentliche Meinung oder gar die verborgene Meinung zu vernachlässigen.“
3 Vgl. Dröge 1992
4 Ausnahmen sind z.B. Blöbaum 1994 oder Langenbucher 1993a. Auch davor standen weniger journalismusge-
schichtliche als pressehistorische Betrachtungen im Mittelpunkt der Forschung. Grundlegende Arbeiten stam-
men z.B. von Koszyk (1966; 1972a; 1972b) oder Lindemann (1969). Sie haben in der Regel eher die Entwick-
lung von Medienformaten oder Angeboten im Blick und thematisieren das damit verbundene journalistische
Handeln eher am Rande.
5 Wilke 1987, S. 702. Die frühe historische Orientierung der Zeitungswissenschaft war in ihrer Einseitigkeit
problematisch, da sie in die Nähe zu vermeintlich historisch-logischen Determinismen oder aber zu Fragen ei-
nes ‚Wesenskerns‘ des untersuchten Zusammenhangs führte. Dies zeigt sich deutlich in Texten, deren Autoren
vermeintliche ‚Ur-Aufgaben‘ des Journalismus erörtern. (vgl. z.B. Prakke 1963; aber auch: Dovifat 1962b;
Groth 1960; Braun 1958). Kritisch dazu z.B. Merten 1999, S. 440.
6 Langenbucher 1993a, S. 312
100 III Die Idee der Öffentlichkeit – Historische Grundlagen des Journalismus

Historie und des Verstehens weitgehend abstinent bleiben.7 Dieser Umstand wird seit rund
zwei Jahrzehnten innerhalb des Faches diskutiert8, allerdings ist der Schritt der Medienge-
schichte von einer Hilfswissenschaft zu einem Aspekt sozialgeschichtlicher Forschung9 oder
gar zu einer umfassenden Kommunikationsgeschichte10 noch längst nicht getan.
Hinter der Forderung nach einer geschichtlichen Perspektive auch für die Journalismusfor-
schung steht die Vermutung, dass eine historische Vergewisserung hinsichtlich der Ideen und
der Aufgaben, die mit journalistischem Handeln verknüpft sind, den Boden für eine an den
Gegebenheiten unserer Gesellschaftsformation ausgerichtete Journalismuskonzeption bereiten
kann. Autoren wie Langenbucher und Pöttker haben erfolgreich geschichtliche Anknüpfungs-
punkte des modernen Journalismus identifiziert.11 Aber eine kritische Geschichtsschreibung,
welche historische Prozesse und ihre Auswirkungen auf gesellschaftliche Kommunikationspro-
zesse analysiert, steckt allenfalls in den Kinderschuhen.12 Dabei können geschichtliche Kennt-
nisse kritisch-emanzipatorisch genutzt werden, um auf ihrer Basis und anhand ihrer Maßstäbe
die Gegenwart zu hinterfragen. Jagschitz weist pathetisch auf dieses Potenzial hin:
„Kommunikationsgeschichte muß auch ihre Aufgabe in der Erklärung der Gegenwart sehen. Sie hat eine
wichtige emanzipatorisch-kritische Funktion. Nicht der schäbigen Verwaschungs- und Verwischungsarbeit
von Zusammenhängen und Hintergründen im Dienste der herrschenden Oligarchie, die zur qualvollen De-
generation demokratischen Denkens und demokratischer Praxis beiträgt, nicht der Delegierung eigener Ur-
teilsfähigkeit und Verantwortung, nicht der Tradierung von Vorurteilen und Illusionen, der Banalisierung und
Verharmlosung soll sie verpflichtet sein, sondern der Aufhellung und Aufklärung, der Aufdeckung und Be-
wußtmachung. […] Eine kritische Kommunikationsgeschichte kann den Weg für den mündigen Bürger eb-
nen, ohne den ein partnerschaftliches Zusammenleben in einer freien, pluralistischen Gesellschaft nicht mög-
lich ist.“13

Dass die theoretischen Grundlagen für ein solches historisches und kritisches Vorgehen
existieren, verdeutlicht Hardt unter Hinweis auf eine Kulturforschung, in der die Idee der

7 Vgl. Lang 1985; vgl. auch Dröge 1992, S. 13: „Die Luhmannsche Evolutionstheorie weist keinen historisch-
empirischen Gehalt mehr auf; wenn man sich auf dieser Ebene aktuellen Problemen, zum Beispiel der ‚ökologi-
schen Kommunikation‘ zuwendet, stellt sich die Theorie als empirische banca rotta dar, historische Darstellun-
gen verkommen zu Demonstrationsexempeln rückwärts projezierter [sic!] theoretischer Begriffe.“ Eine wichti-
ge Ausnahme ist in dieser Hinsicht sicherlich die Arbeit von Blöbaum (1994), der mit systemtheoretischen Mit-
teln die Ursprünge und die Ausdifferenzierung eines journalistischen Systems in modernen Gesellschaften be-
schreibt. Langenbucher (1993b, S. 128) hingegen hat sich mit Blick auf biographische Forschungsansätze schon
früh dagegen gewandt, „[…] prinzipiell von den Personen abzusehen und mit einem systemtheoretischen
Denkverbot Erkenntnisse abzuschneiden, die nun einmal auch zum Phänomen ‚Journalismus als Beruf‘ gehö-
ren“. Die Folge sei, dass die schöpferischen Elemente des Journalismus, die ihn als eigenständige Kulturleistung
auszeichnen, gar nicht mehr in den Blick zu bekommen seien und stattdessen vorwiegend die Zwänge themati-
siert werden, die journalistisches Handeln extern bestimmen. Journalismusforschung nimmt die Höhepunkte
journalistischen Schaffens gar nicht zur Kenntnis, sondern überlässt sie der Literaturwissenschaft: Das gehört
zu den von Langenbucher konstatierten „jahrzehntelang anhaltenden Konsequenzen intellektueller Verödung“
der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft (ebd.).
8 Vgl. z.B. die Sammelbände von Blome 2000; Böning/Kutsch/Stöber 1999; Bobrowsky/Langenbucher 1987;
Bobrowsky/Duchkowitsch/Haas 1987; Duchkowitsch 1985.
9 Vgl. Koszyk 1977, S. 33
10 Vgl. Langenbucher 1987a, S. 17; für ähnliche Forderungen auch Rollka 1987; Burkart 1985.
11 Vgl. Langenbucher 1992a, 1993a; Pöttker 1998b, 2002b. Auch Fabris (1992, S. 15) verweist auf die berufsethi-
sche Relevanz des Journalismus in Zeiten der Unterdrückung und die handlungsleitende Relevanz großer jour-
nalistischer Vorbilder, anhand derer man Journalismus auch lernen könne.
12 Hardt (1992, S. 17f.) fordert insbesondere eine kritische Geschichtsschreibung, „[…] die sich mit den histori-
schen Konsequenzen des Kapitalismus und seiner gegenwärtigen Auswirkungen auf die gesellschaftliche In-
formation beschäftigt“.
13 Jagschitz 1987, S. 734
1 Die Idee der Öffentlichkeit 101

Kommunikation „zum Kernstück einer Kulturkritik [wird], deren Ziel die Emanzipation des
Einzelnen ist“ und deren wichtigster deutschsprachiger Vertreter Jürgen Habermas ist.14
„In diesem theoretischen Zusammenhang […] werden historische Entwicklungen aus subjektiver Sicht be-
handelt: der gesellschaftliche Prozeß der Kommunikation wird ein Gegenstand ethnographisch-kulturwissen-
schaftlicher Untersuchungen menschlicher Praxis. Eine Gesellschaftstheorie als Theorie der Geschichte, die
konkrete Zustände der Gesellschaft anspricht, erkennt nicht nur die Probleme menschlicher Existenz, son-
dern kommt auch den wachsenden Erwartungen der Praxis entgegen, unterstützt menschliche Werte und
ethische Normen, und bildet somit die Grundlage einer radikalen Demokratisierung der Gesellschaft.“15

Unbeschränkte Kommunikation als Grundlage der Demokratisierung von Gesellschaft – diese


Idee ist geschichtlich identifizierbar im Idealtypus bürgerlicher Öffentlichkeit, den Habermas
früh charakterisiert hat.16 Mit diesem historisch begründeten Konzept schafft er sich das, was
Schmolke als „historischen Koeffizienten“ einer jeden kommunikationsgeschichtlichen ‚Ent-
wicklungs‘-Theorie fordert17: Habermas konzipiert eine Grundlage, um heute als unzureichend
strukturiert empfundene gesellschaftliche Kommunikationsverhältnisse und die dahin führen-
den Umbruchprozesse zu theoretisieren, indem er einen historisch-ideengeschichtlichen
Referenzpunkt als idealtypische Kontrastfolie ausweist.
Idealtypen wie das Konzept der bürgerlichen Öffentlichkeit zeigen nach Weber „je in sich
die konsequente Einheit möglichst vollständiger Sinnadäquanz“18, ohne dass diese in der
beschriebenen ‚Reinheit‘ empirisch auffindbar sein können. Soziologisch entwickelte Idealty-
pen dienen daher vorwiegend der Beschreibung ‚genereller Regeln des Geschehens‘:
„Die Soziologie bildet […] ihre Begriffe und sucht nach ihren Regeln vor allem auch unter dem Gesichts-
punkt: ob sie damit der historischen kausalen Zurechnung der kulturwichtigen Erscheinungen einen Dienst
leisten kann. Wie bei jeder generalisierenden Wissenschaft bedingt die Eigenart ihrer Abstraktionen es, dass
ihre Begriffe gegenüber der konkreten Realität des Historischen relativ inhaltsleer sein müssen. Was sie dafür
zu bieten hat, ist gesteigerte Eindeutigkeit der Begriffe. Diese gesteigerte Eindeutigkeit ist durch ein möglichs-
tes Optimum von Sinnadäquanz erreicht, wie es die soziologische Begriffsbildung erstrebt.“19

Idealtypen im Weberschen Sinne werden gewonnen durch die „einseitige Steigerung eines oder
einiger Gesichtspunkte und durch Zusammenschluß einer Fülle von diffus und diskret, hier
mehr, dort weniger, stellenweise gar nicht, vorhandenen Einzelerscheinungen, die sich jenen
einseitig herausgehobenenen Gesichtspunkten fügen, zu einem in sich einheitlichen Gedan-
kengebilde“, das als eine Utopie zu begreifen ist, zu der die Empirie immer nur in Näherungs-
verhältnisse gesetzt werden kann.20 Dabei weist Weber die Vorstellung, dass Idealtypen norma-
tive Relevanz hätten, zunächst zurück und zeichnet diese als in einem rein logischen Sinne
ideal aus – und damit als Erkenntnismittel, nicht als Erkenntnisziele.
Allerdings sind diese logischen Konstruktionen von Zusammenhängen vor allem in der
historischen Betrachtung in zweifacher Hinsicht nur schwer von normativen ‚Ideen‘ und
‚Idealen‘ zu trennen. Zunächst kann davon ausgegangen werden, dass ein a posteriori identifi-
zierter Idealtypus bestimmter gesellschaftlicher Gegebenheiten den Menschen, die im unter-
suchten Zeitraum gelebt haben, als normative Idee oder als Maxime ihres Handelns oftmals

14 Hardt 1992, S. 17
15 Ebd., S. 17
16 Vgl. Habermas 1990
17 Schmolke 1987, S. 745
18 Weber 1980 [1921], S. 10
19 Ebd., S. 9f.
20 Weber 19887 [1904], S. 191
102 III Die Idee der Öffentlichkeit – Historische Grundlagen des Journalismus

selbst vorgeschwebt hat. Zum anderen sind die diffusen handlungsleitenden Ideen einer
Epoche in der Analyse nur als Idealtypen trennscharf zu beschreiben.21 Durch die Verknüp-
fung mit der historischen Empirie geraten gewonnene Idealtypen daher sehr schnell unter den
Druck, sich nicht nur als heuristische begriffliche Hilfsmittel bewähren zu müssen, sondern
auch als Kondensate bestimmter geschichtlicher Epochen oder Ideen. Wenn sie aber empiri-
sche Geltung beanspruchen würden, verlören Idealtypen viel von ihrer analytischen Kraft, so
Weber. Aus erfahrungswissenschaftlich-logischen Begriffen würden subjektive Werturteile.
Dies zu vermeiden oder mindestens bewusst zu machen sei entsprechend „eine elementare
Pflicht der wissenschaftlichen Selbstkontrolle“.22
Weber limitiert den Begriff Idealtypus selbst in einem idealtypischen Sinne auf seine An-
wendung als erfahrungswissenschaftliches Analyseinstrument, das mehr der Messung denn der
Bewertung empirisch zu beobachtender sozialer Vorgänge dienen soll.23 Im Rahmen einer
allgemeinen Soziologie sollen die Idealtypen als begriffliche Hilfsmittel im beschriebenen Sinn
„[…] durch Klassifizierung des möglichen gemeinten Sinns entstehen und den gesellschaftlich-
wirtschaftenden Menschen aus der Fülle seiner Möglichkeiten zu verstehen suchen“.24 Die
derart gewonnenen Idealtypen sollen anschließend in konkreten soziologischen Untersuchun-
gen zur Analyse auf empirische Begebenheiten angewendet werden. Idealtypen sind somit dem
Konzept einer verstehenden Sozialwissenschaft verpflichtet, indem sie die begrifflichen ‚Denk-
zeuge‘ gewährleisten, die der Sozialwissenschaftler zur Beschreibung und zum Verstehen
sinnhafter sozialer Vorgänge benötigt.
Mittlerweile kann es als eine gängige sozialwissenschaftliche Strategie angesehen werden,
Idealtypen, normative Modelle oder Utopien zu entwerfen und diese zum Beispiel als heuristi-
schen Referenzpunkt bei der empirischen Analyse, als rhetorische Figur in einer ethisch-
politischen Debatte oder aber als handlungsleitende Norm in praktischer Absicht heranzuzie-
hen.25 Auch in der Journalismusforschung ist dieses Verfahren bekannt – sowohl in seiner
induktiven Variante, in der aus empirischen Sachverhalten Idealtypen destilliert werden, als
auch in seiner deduktiven Variante, in der ein gesellschaftstheoretisch oder -politisch normati-
ves Konstrukt den Ausgangspunkt der journalistischen Modellbildung markiert.
Das Konzept der bürgerlichen Öffentlichkeit kann als ein solcher Idealtypus klassifiziert
worden. Streng genommen kann dieser nicht durch empirische Einwände falsifiziert werden26,
allenfalls kann das gedankliche Konstrukt als zur Analyse wenig brauchbar kritisiert werden.

21 Vgl. ebd., S. 196ff.


22 Ebd., S. 200
23 Indem er allerdings selbst darauf hinweist, dass die Nähe zu normativen Idealvorstellungen sehr groß ist, ja dass
diese oftmals nur als Idealtypen wissenschaftlich beschrieben werden sollen, muss dies für ein kritisches Wis-
senschaftsverständnis in der Konsequenz bedeuten, dass Idealtypen auch hinsichtlich des normativen Gehaltes
geprüft werden können, der ihnen explizit oder implizit unterlegt wird. Dass auch die Wahl von Begrifflichkei-
ten nicht rein logisch zu fassen ist, sondern sehr wohl als Ausdruck gesellschaftlicher Machtverhältnisse und
Wertentscheidungen verstanden werden muss, haben Autoren wie Foucault (1971; 1977) nachdrücklich her-
vorgehoben. Der wissenschaftliche Rückzug auf eine vermeintlich reine Begriffslogik soll daher in der vorlie-
genden Arbeit zugunsten einer offen vertretenen und diskursiv begründeten Wertung aufgegeben werden.
24 Schmidt 1931, S. 453
25 Vgl. Schulz 1997, S. 86; vgl. grundlegend Gerhardt 2001.
26 Aufgrund der teilweisen Unabhängigkeit des Idealtypus von empirisch-analytischer Überprüfung ist das
Verfahren der Idealtypen als Differenzmerkmal der Sozialwissenschaften kritisiert worden. Hempel (1965) z.B.
fordert, dass Idealtypen wie Theorien auf empirisch prüfbaren Hypothesen aufsitzen müssen und sich entspre-
chend kaum mehr von anderen Herangehensweisen unterscheiden können. Die Webersche Konzeption lehnt
er als unklar und an entscheidender Stelle kaum begründet ab.
1 Die Idee der Öffentlichkeit 103

Manche bis heute gängige und empirisch begründete Kritik an den Annahmen des Konzepts27
läuft daher letztendlich ins Leere, wenn die bürgerliche Öffentlichkeit wissenschaftlich als
begrifflicher Idealtypus bzw. ethisch-politisch als normativ wirksame regulative Idee betrachtet
wird, die als kontrafaktische Unterstellung wirkt. Empirisch begründete Kritik kann nur dann
verfangen, wenn Öffentlichkeit in sozialwissenschaftlicher Objektivation als ein fassbares
sozialräumliches Konstrukt verstanden wird, dessen Existenz anhand prüfbarer Indikatoren
untersucht werden können. Bürgerliche Öffentlichkeit hingegen kann als ein Idealtypus ver-
standen werden, der den Ausgangspunkt auch für Begründungsversuche der regulativen Idee
deliberativer Öffentlichkeit darstellt, ohne diese aber aus sich heraus alleine hinreichend
begründen zu können.
Dass Idealtypen in einem nicht-positivistischen Verhältnis zur Empirie stehen, lasst sich
zum Beispiel anhand der – empirisch letztlich bislang nicht erfüllten und auch kaum je erfüll-
baren – Forderung bürgerlicher Öffentlichkeit spezifizieren, dass die Teilnahme aller an den
Gesprächen über ethisch-politische Fragen möglich sein muss. Diese Unerfüllbarkeit muss a
priori konstatiert werden, berührt aber dennoch nicht die Validität des Idealtypus. Er behaup-
tet in letzter Konsequenz nicht einen empirisch prüfbaren Zustand, sondern zeichnet den
hinter den empirischen Prozessen stehenden, idealisierten Sinn aus. Folgert man aus einem
solchen analytischen Idealtypus eine normativ wirksame regulative Idee, so fordert diese dazu
auf, die Verwirklichung des idealtypischen Sinns so weit wie möglich zu erreichen. Die Nicht-
einlösbarkeit in der Wirklichkeit ist dann nicht mehr ein Kriterium der Falsifikation, sondern
eine normative Aufforderung zur Veränderung. Dass dies in besonderem Maße auf ein demo-
kratietheoretisch so relevantes Konstrukt wie Öffentlichkeit zutrifft, hat Burkart verdeutlicht:
Er bekräftigt idealtypische Forderungen an eine vernünftige Öffentlichkeit und leitet aus ihnen
die Notwendigkeit journalistischer Vermittlungs- und Kommentarleistungen für das Funktio-
nieren eines demokratischen Gemeinwesen ab.28 Journalistische Idealtypen sind aus solch einer
Perspektive auch abhängig von dem entwickelten idealtypischen Verständnis von Öffentlich-
keit; sie unterliegen damit historischen Kontingenzen.
Ziel des folgenden Rückblicks ist daher vor allem die Identifikation und Analyse des Ent-
stehungszusammenhangs derjenigen regulativen Ideen und ideologischen Konstrukte, denen
der Journalismus nach verbreiteter Auffassung auch in der Gegenwart noch verpflichtet ist und
die sich deshalb letztlich – da der Verweis auf Tradition allein in der Moderne kein valides
Begründungskriterium mehr sein kann – in der späteren systematischen Betrachtung des
gegenwärtigen Journalismus bewähren müssen.

1.1 Öffentlichkeit als ‚Sphäre‘

Ein zentraler Konsens der Journalismusforschung besteht darin, dass Öffentlichkeit als der
wichtigste Bezugspunkt des Journalismus angesehen wird.
„In der modernen Gesellschaft bedingen sich Öffentlichkeit und Journalismus: ohne Journalismus keine Öf-
fentlichkeit, ohne Öffentlichkeit kein Journalismus.“29

27 Vgl. für einen Überblick der Kritik am Habermasschen Öffentlichkeits-Modell: Liesegang 2004, S. 22ff.
28 Vgl. Burkart 1998a, S. 518
29 Blöbaum 1994, S. 327f.
104 III Die Idee der Öffentlichkeit – Historische Grundlagen des Journalismus

Jedes journalistische Verbreiten einer Nachricht oder eines Kommentars – in Text, Bild oder
Ton – bedeutet auch ein ‚Sich-Hinwenden‘ zu einem Publikum, bedeutet ‚Ver-Öffentlichen‘
eines Sachverhaltes. Die Herstellung von Öffentlichkeit im Sinne einer produktiven Aktivität,
welche die Isoliertheit und Geschlossenheit in modernen Gesellschaften zu überwinden hilft,
ist die „konstitutive Aufgabe“ journalistischen Handelns, schreibt Pöttker aus handlungstheo-
retischer Sicht.30 Gerhards und Neidhardt wiederum verstehen Öffentlichkeit als ein eigenes
System, innerhalb dessen Rahmen auch Journalisten als spezialisierte Kommunikatoren agie-
ren. Sie konstatieren, dass die „Herstellung von medialer Öffentlichkeit […] in Organisationen
eingebetteten spezialisierten Berufen, vor allem den Journalisten“ obliegt.31
Noch weitreichender konzipiert Blöbaum in der Sprache der Systemtheorie Journalismus
als Form und Öffentlichkeit als das Medium, das durch die journalistische Form gesellschaft-
lich wahrnehmbar wird.32 Kohring und Hug wiederum zeichnen Öffentlichkeit als das von der
Publizistik- und Kommunikationswissenschaft zu untersuchende System und den Journalismus
als ein untergeordnetes Leistungssystem aus.33 Solchen systemischen Analysen zufolge erfüllt
Öffentlichkeit durch Beobachtung gesellschaftsinterner Systemgrenzen den Synchronisations-
bedarf34 oder Orientierungsbedarf35 ausdifferenzierter Gesellschaften. Als darin eingebettetes
Leistungssystem reduziert Journalismus „die Komplexität der möglichen Ereignisse unter dem
Gesichtspunkt, ob sie zur Ausbildung von gegenseitigen gesellschaftlichen Umwelterwartungen
beitragen können“.36 Diese Liste ließe sich fortsetzen – gemeinsam wäre den verschiedenen
Konzeptionen zunächst nur die Begrifflichkeit und die Anerkenntnis einer Verbindung zwi-
schen Journalismus und Öffentlichkeit. Auch für Habermas ist diese Verbindung evident,
wenn er von der Presse als der „vorzüglichsten Institution“37 der Öffentlichkeit spricht und die
Entfaltung bürgerlicher Öffentlichkeit an die Etablierung einer regelmäßig erscheinenden
Nachrichtenpresse und einer räsonierenden Journal-Publizistik koppelt. Journalismus wird
dadurch zu einem weitreichenden gesellschaftlichen Strukturprinzip immanent in Beziehung
gesetzt. Wie dieses Strukturprinzip allerdings genau beschaffen ist, verbleibt eine grundsätzli-
che politisch-ideologische oder gesellschaftstheoretische Frage von erheblicher Relevanz für
das daran anschließende Journalismus-Verständnis.
Jede nähere Bestimmung des Öffentlichkeitsbegriffs bedarf aufgrund dieser Mehrdeutigkeit
des Konzepts begrifflicher und theoretischer Präzisierungen, die im Zuge der Ausformulierung
eines daran ausgerichteten Journalismusbegriffs immanent bekräftigt werden. Je nachdem,
welcher Facette die Autoren den Vorzug geben, können sie unterschiedliche analytische
Richtungen einschlagen. Um die Fundamente des eigenen Ansatzes offen zu legen, wird es in
dieser Arbeit darum gehen, nicht nur einen Begriff von Journalismus, sondern auch das
korrespondierende Öffentlichkeitskonzept zu explizieren. Der Öffentlichkeitsbegriff wird
dabei nicht zu Beginn der Studie fixiert, sondern – ebenso wie der Journalismusbegriff – als
gesellschafts- und demokratietheoretisch relevantes Konzept in verschiedenen Facetten
betrachtet und weiterentwickelt.38

30 Pöttker 1998a, S. 237


31 Gerhards/Neidhardt 1990, S. 24
32 Vgl. Blöbaum 1994, S. 328
33 Vgl. Kohring/Hug 1997
34 Vgl. Görke 1999, S. 287ff.
35 Vgl. Hug 1997; Kohring 1997
36 Kohring 1997, S. 243
37 Habermas 1990, S. 275
38 So wird z.B. an dieser Stelle weitgehend darauf verzichtet, die demokratietheoretischen Überlegungen zum
Öffentlichkeitsbegriff zu diskutieren. Dies wird in Kapitel VI dieser Arbeit geschehen.
1 Die Idee der Öffentlichkeit 105

Die Notwendigkeit von Öffentlichkeit und damit auch die Notwendigkeit von Journalis-
mus als der Tätigkeit, die sui generis auf die Herstellung von Öffentlichkeit ausgerichtet ist,
kann vor allem als ein Produkt der gesellschaftlichen Wandlungsprozesse und Modernisie-
rungsschübe der frühen Neuzeit beschrieben werden39, als eine Reaktion auf Differenzierung
und Segmentierung.40 Der Einzelne kann in einer hochkomplexen Gesellschaft lediglich in
einem sehr begrenzten Umfang primäres Wissen durch Erfahrung in oftmals füreinander
opaken und – auf das Ganze gesehen – weit auseinander liegenden Bereichen sammeln. Der
Blick für gesamtgesellschaftliche Probleme ist dadurch ebenso gefährdet wie die Kompetenz,
allgemein verbindliche Entscheidungen zu treffen.41 Dieser aus der Parzellierung von Gesell-
schaft erwachsenden Borniertheit wirkt eine öffentliche Sphäre entgegen.
„Moderne Gesellschaften brauchen […] ein Gegengewicht zur Komplexität, brauchen eine Sphäre gesell-
schaftlicher Kommunikation, die dazu da ist, die mit der funktionalen Differenzierung eintretende Be-
schränktheit des Horizonts ihrer Subjekte wieder aufzuheben, indem alle vorhandenen Erfahrungen, Er-
kenntnisse und Interessen allgemein bekannt gemacht und zu einander vermittelt werden. Es liegt nahe, die
Kommunikationssphäre Öffentlichkeit zu nennen. Komplexe Gesellschaften brauchen Öffentlichkeit, weil sie
sich sonst nicht selbst regulieren können.“42

Groth hat bereits 1928 beschrieben, inwiefern Journalismus einen Beitrag zur Etablierung
dieser entdifferenzierenden Sphäre der Öffentlichkeit und zur Orientierung des Einzelnen
leisten kann:
„Die Zeitung verbindet die Menschen mit allem gleichzeitigen Geschehen, das ihren Augen und Ohren, ihren
persönlichen Beziehungen nicht mehr wahrnehm- und erreichbar ist. So erweitert sie den Gesichtskreis von
Millionen unendlich, indem sie ihnen auch das Fernste nahe bringt. Sie erhebt die Herzen, entflammt die Wil-
len. Vor tausend Irrtümern bewahrt sie, zersetzt falsche Vorstellungen, regt wissenschaftliche, literarische und
künstlerische Interessen an. Sie ist die erfolgreiche Streiterin gegen den Spezialismus der Zeit, sie verhindert,
daß sich der Mensch, dessen Blick sich im kleinen Feld des Berufs verengert, gänzlich aus der Allgemeinheit
löst, sie läßt ihn immer alles miterleben, was die Gegenwart bewegt. Die Schnelligkeit und Vielseitigkeit der
Nachrichten und Urteile der Zeitungen haben das Denken des modernen Menschen beweglicher, umfassen-
der, bereitwilliger zur Aufnahme neuer Eindrücke und Meinungen geschaffen, sein Handeln rascher, ent-
schlossener gemacht. Sie beschleunigt und bereichert den gesamten Lebensprozeß, bewahrt ihn durch Aus-
tausch der geistigen Schätze der gesamten Kultur vor Stagnation und Rückfall.“43

Öffentlichkeit kann zunächst als Attribut (politischer) Institutionen und Äußerungen verstan-
den werden. Dieses prädikative Verständnis hebt besonders den semantischen Ursprung von
‚Öffentlichkeit‘ in den adjektivischen Bestimmungen ‚offen‘ bzw. ‚öffentlich‘ hervor. Zentral
ist, dass keine Barrieren oder Blockierungen vorhanden sind, sondern universale Zugänglich-
keit zu dem öffentlichen Gegenstand bzw. der öffentlichen Handlung gewährleistet ist. Öffent-
lichkeit ist demnach nicht abstrakt, sondern nur als konkrete Eigenschaft denkbar. Entspre-
chend muss öffentliche Kommunikation „[…] im Prinzip für alle Mitglieder der Gesellschaft
und auch für alle Themen offen sein […]“.44
Daneben kann Öffentlichkeit aber auch selbst als sozial identifizierbarer ‚Raum‘ bzw. als
‚Subjekt‘ und nicht bloß als Eigenschaft verstanden werden. Ein solches institutionelles Verständ-
nis zielt auf eine öffentliche gesellschaftliche Kommunikationssphäre, die sich als konkrete

39 Vgl. Pöttker 1998a


40 Vgl. Blöbaum 1994, S. 193
41 Vgl. Pöttker 2000b, S. 23
42 Pöttker 1998a, S. 236
43 Groth 1928, S. 67
44 Pöttker 2000b, S. 26
106 III Die Idee der Öffentlichkeit – Historische Grundlagen des Journalismus

Versammlung genauso wie als durch gemeinsame Rezeption virtuell zusammengehaltenes


Netzwerk konstituieren kann. Wenn Öffentlichkeit in diesem zweiten Sinne hier als ‚Sphäre‘
bezeichnet wird45, dann rekurriert diese Modellierung semantisch auf ein gängiges Verständnis
von Öffentlichkeit, das räumliche Metaphern zur Beschreibung zugrunde legt. So bezeichnet
auch Neidhardt Öffentlichkeit als „[…] ein leeres Feld, dessen Besonderheit darin besteht, frei
zugänglich zu sein für alle, die etwas sagen oder das, was andere sagen, hören wollen“.46 Der
Begriff der Sphäre greift auf diese Grundannahme zurück und lässt darüber hinaus einen auch
gesellschaftstheoretisch heuristischen Gebrauch dieser Annahme zu, weil er dem des Systems
zur Seite gestellt werden kann: Während Systeme in einer historisch kontingenten Objektivie-
rung als konkrete, zeitlich und räumlich identifizierbare Produkte von Vergesellschaftungs-
und Ausdifferenzierungsprozessen zu verstehen sind, lassen sich Sphären als bestimmte Typen
sozialer Zusammenhänge beschreiben, die sich zwar in ihren Sinnbezügen, Rationalitätsvorstel-
lungen und gesellschaftlichen Funktionen unterscheiden, denen aber verschiedene Personen
oder Systeme zugeordnet werden können.47 In diesem Sinne kann Öffentlichkeit als ein
einerseits zwar strukturierter und durch weitgehend regelhafte Handlungen konstituierter
gesellschaftlicher Raum betrachtet werden, der aber andererseits – und anders als in Systemen
nach gängiger Vorstellung – der innovativen Gestaltung durch die in ihm handelnden Akteure
nach wie vor offen steht.
Es wird im Verlauf der Studie weiter auszuführen sein, inwiefern Öffentlichkeit als Sphäre
einerseits im Wortsinn zwischen der Zweckrationalität ausdifferenzierter Subsysteme und der
kommunikativen Rationalität der Lebenswelt liegt und dabei andererseits zugleich Aspekte der
Systeme und der Lebenswelt gleichermaßen umspannt. Dabei entfaltet Öffentlichkeit keine
eigene Struktur von solcher Stärke, die ihr eine eigene systemische Präsenz sichern würde. Sie
bleibt schwach strukturiert und prinzipiell zugangsoffen. Ihre zwangsläufig und immanent
unvollständige Ausdifferenzierung ist dabei als funktional für hyperkomplexe moderne Gesell-
schaften zu verstehen.
„Der doppeldeutige Status der Öffentlichkeit als Subjekt und als Prädikat, als politische Institution und als
Eigenschaft politischer Institutionen resultiert zwar sachlich unmittelbar aus der abendländischen Entwick-
lung zu repräsentativen Demokratien und stellt sich uns inzwischen als untrennbarer Zusammenhang dar,
trotzdem ist die Öffentlichkeit als eigenständige Institution etwas anderes als die Öffentlichkeit im Sinne einer
normativ geforderten Funktionsweise politischer Institutionen: als Institution agiert die Öffentlichkeit selbst,
und es ist lediglich die Frage, welches ihre Organe und wer die handelnden und maßgeblichen Personen sind
– als Prinzip ist Öffentlichkeit eine Eigenschaft politischer Institutionen, die immer gefährdet, immer einzu-
fordern ist, auch wenn sie formell festgelegt und unumstritten sein mag.“48

Öffentlichkeit bildet sich aus Veröffentlichungen49, aber auch aus öffentlichem Handeln,
mithin aus der Bereitstellung öffentlicher ‚Gegenstände‘ oder Güter oder – in anderer Wen-
dung – aus der Übermittlung von Informationen und Themen in eine Sphäre, die quer zu der
Struktur der Teilsysteme liegt50, aus der Bereitstellung von Themen zur öffentlichen Behand-
lung, durch alle diejenigen, die an öffentlichen Prozessen teilnehmen wollen. Sprecher in der

45 Diesen Begriff hat Habermas (1990, S. 86) in ‚Strukturwandel der Öffentlichkeit‘ verwendet. Auch in einem
frühen Lexikonartikel spricht er von Öffentlichkeit als einer „zwischen Gesellschaft und Staat vermittelnden
Sphäre“ (Habermas 1973 [1964], S. 62).
46 Neidhardt 1994c, S. 19
47 Vgl. Zerfaß 1996, S. 138ff.
48 Göhler 1995b, S. 7f.
49 Vgl. Arlt 1998, S. 44
50 Vgl. Marschall 1999, S. 39
1 Die Idee der Öffentlichkeit 107

Öffentlichkeit versuchen, durch solche ‚Veröffentlichungen‘ die Aufmerksamkeit der Publika


zu lenken in der Hoffnung, deren Meinungen zu verändern oder mindestens zu beeinflussen.
Genauso ist es möglich, dass sich in den Kommunikationen in der öffentlichen Sphäre bei
bestimmten Publikumssegmenten „Aufmerksamkeit für und Engagement in bezug auf ein
bestimmtes Problem“ herausbildet.51
Habermas leitet die Offenheit von Öffentlichkeit aus der Beobachtung ab, dass sie sich in
ihrer grundsätzlichen Kommunikationsstruktur auf einen spezifischen Aspekt kommunikativen
Handelns erstreckt, in dem die formalen und materiellen Qualitäten von Öffentlichkeit zu-
sammenzufassen sind: auf den durch kommunikatives Handeln konstituierten sozialen Raum,
der durch spezifische Eigenschaften der in ihm vollzogenen Handlungen überhaupt erst
geschaffen und in seinem Bestand erhalten wird.52

1.2 ‚Bürgerliche Öffentlichkeit‘ als gesellschaftliches Strukturprinzip

Das Interesse an Öffentlichkeit ist in sozialwissenschaftlichen Diskussionen vor fast einem


halben Jahrhundert vor allem durch die Habermas-Studie ‚Strukturwandel der Öffentlichkeit‘53
geweckt worden. Für eine daran anknüpfende Gesellschaftstheorie bilden die öffentliche
Kommunikationssphäre und ihre historischen wie aktuellen Transformationen einen beständi-
gen idealtypischen Bezugspunkt.54 Hier nimmt die gesellschaftskritische These, dass Öffent-
lichkeit als Instanz der Machtkontrolle etabliert wurde, dann aber selbst zu einer Macht wurde,
ihren Ausgang.55 In der Studie ist Öffentlichkeit erstmals nicht bloß als ein Teil der politischen
und sozialen Konstitution einer Gesellschaft, sondern „als deren Strukturprinzip im ganzen“
konzipiert worden.56 Idealtypisch schildert Habermas die Transformation der feudalabsolutisti-
schen Gesellschaft zur bürgerlich-demokratischen Aufklärungsgesellschaft des 18. Jahrhun-
derts anhand der Etablierung einer bürgerlichen Öffentlichkeit, in der die demonstrative

51 Weßler 1999b, S. 169. Insofern sind die drei Modelle von Öffentlichkeit, die Neidhardt (1994c, S. 25) unter-
scheidet – Verlautbarungs-Öffentlichkeit, Agitations-Öffentlichkeit, Diskurs-Öffentlichkeit – vor allem als un-
terschiedliche Handlungsmodi von Sprechern, Vermittlern und Publika in der Öffentlichkeit bezogen auf ein
Thema zu begreifen, die sich nach der Wechselseitigkeit und dem persuasiven Gehalt der Äußerungen identifi-
zieren lassen. Allen diesen Handlungen ist unabhängig von der Beschaffenheit ihrer konkreten Intention ge-
meinsam, dass sie öffentlichen Charakters sind und somit durch ihre eigene materielle Qualität den Raum ihrer
Interaktion konstituieren.
52 Vgl. Habermas 1992, S. 437: „Jede Begegnung, die sich nicht in Kontakten wechselseitiger Beobachtung
erschöpft, sondern vom gegenseitigen Zugeständnis kommunikativer Freiheit zehrt, bewegt sich in einem
sprachlich konstituierten öffentlichen Raum. Er steht für potentielle Gesprächspartner, die anwesend sind oder
hinzutreten können, prinzipiell offen.“
53 Vgl. Habermas 1990. ‚Strukturwandel der Öffentlichkeit‘ hatte in seiner dezidierten Gegenwartskritik zweifellos
großen Einfluss nicht nur auf die damalige Generation Studierender und junger Wissenschaftler. Die Analyse
des Zerfalls gesellschaftlicher Diskussionszusammenhänge zu vereinzeltem Kulturkonsum und politischer
Ohnmacht offerierte eine Erklärungsmatrix für die ‚Pathologien‘ der von progressiven Gruppen als weitgehend
gelähmt empfundenen Nachkriegsgesellschaft. Das Werk wurde angesichts solch ‚praxisorientierter‘ Rezeption
Gegenstand polemischer Auseinandersetzungen (vgl. Jäger 1973, S. 6ff.). Doch die Studie als aktuellen Debat-
teneinwurf zu interpretieren, hieße die Breite ihrer analytischen Bemühungen in unzulässiger Weise zu veren-
gen. Zumal Habermas (1990, S. 11ff.) selbst die aktuell politisch instrumentalisierbaren Befunde in seinem
Vorwort zur 1990er Neuauflage als zu apodiktisch kritisiert, während er an der historisch-idealtypischen Analy-
se festhält.
54 Vgl. die Beiträge in Calhoun 1992a.
55 Vgl. Lindenau 1995, S. 209; Brosda 2000d
56 Hölscher 1997, S. 17
108 III Die Idee der Öffentlichkeit – Historische Grundlagen des Journalismus

Zurschaustellung fürstlicher und monarchischer Macht dem freien Räsonnement weicht. Er


beschreibt einen soziologisch und philosophisch begründeten Idealtypus bzw. ein Strukturmo-
dell, das er mit einem historischen Zeitraum identifiziert57 und als eng mit der Entstehung des
Journalismus verbunden betrachtet.58
Die Herausbildung bürgerlicher Öffentlichkeit wird im Kontrast zum vorangegangenen
Typus der ‚repräsentativen Öffentlichkeit‘ beschrieben. Dieser ist davon geprägt, dass es innerhalb
der sozial weitgehend statischen Feudalgesellschaft des Mittelalters keinen sozialen Raum
gegeben hat, der entweder im antiken oder im modernen Sinne als ‚öffentlich‘ zu betrachten
wäre.59 Die ‚repräsentative Öffentlichkeit‘ ist bis in den neuzeitlichen Absolutismus hinein ein
Herrschaftsmerkmal des Monarchen, das an die personale Verkörperung vor dem Volk ge-
koppelt ist – an individuelle Attribute der Macht wie Herrschaftsinsignien, Habitus, Gestus
und Rhetorik, mit denen Herrschaft und Gottesgnadentum ‚öffentlich‘ demonstriert werden.60
Die Bezeichnung ‚öffentlich‘ war daher bis zum Ende des 17. Jahrhunderts prinzipiell nicht
institutionen-, sondern handlungsbezogen.61
Voraussetzungen für die Entwicklung eines modernen Konzepts von Öffentlichkeit war
die gesellschaftliche Etablierung einer Trennung von ‚öffentlichen‘ und ‚privaten‘ Angelegen-
heiten, die durch eine Reihe gewaltiger sozialer, ökonomischer und politischer Umbrüche
vorangetrieben wurde.62 Aus dem privaten, wirtschaftlichen Tauschverkehr entstand eine dem
Staat konträr entgegen gesetzte private Sphäre.63 Der weitgehend liberalisierte Markt gewähr-
leistete die wirtschaftliche Unabhängigkeit der familiären Privatsphäre. Und das bürgerliche

57 Vgl. Habermas 1990, S. 51ff. Dezidiert weist er allerdings darauf hin, dass gerade die historischen Betrachtun-
gen nicht auf Vollständigkeit ausgelegt sind, sondern eher der Illustration des aus einer Vielzahl von Einzelbe-
trachtungen komponierten Idealtypus der bürgerlichen Öffentlichkeit und seiner Abgrenzung zum repräsenta-
tiven Vorläufer dienen sollen. Die Studie kann als historisch informierte Analyse einer politisch wirksamen,
wenn auch nur ansatzweise verwirklichten Idee begriffen werden. Die ihr zugrunde liegenden historisch-
empirischen Annahmen alleine hingegen können sehr wohl als unzureichend kritisiert werden, wie Liesegang
(2004, S. 51f.) mit einer Aufzählung der dort weniger beachteten Phänomene verdeutlicht: „Mit der Pluralisie-
rung historischer Öffentlichkeitsformen, die im Kräftefeld verschiedener gesellschaftlicher Gruppen und dem
Staat agieren, einer sich früh ausdifferenzierenden literarischen Öffentlichkeit, den antagonistischen Kräften der
bürgerlich-kapitalistischen Entwicklung in Deutschland, der Strukturlogik und dem damit zusammenhängenden
konstitutiven Ausschluss von Personengruppen sind die Faktoren benannt, welche die historische Konkretion
von Öffentlichkeit dominieren.“
58 Vgl. Habermas 1990, S. 69ff.
59 Vgl. Körber 1998, S. 8; Schneider 1992, S. 120
60 Vgl. Habermas 1990, S. 58ff. Dass Herrschaft öffentlich repräsentiert werden muss gilt als ‚Publizitätsprinzip‘
nicht nur für die feudalen oder absolutistischen Herrscher, sondern durchzieht die Beziehungen aller Stände
der mittelalterlichen ‚Gesellschaft‘. Vor allem Rechtsakte müssen prinzipiell öffentlich wahrnehmbar sein, um
Gültigkeit zu erlangen. Ein umfangreiches Arsenal an symbolischen und ritualisierten Handlungen prägt sich
aus, mit dem diesen Konventionen Folge geleistet wird (vgl. Schneider 1992, S. 97ff.; Hölscher 1997, S. 24).
61 Vgl. Hölscher 1997, S. 23. Manche Autoren sprechen daher im Bezug auf das Mittelalter auch eher von
‚okkasioneller Öffentlichkeit‘ (Thum 1990). Aufzeigen lässt sich aber vor allem im 16. Jahrhundert die Etablie-
rung mehrerer Typen einer Öffentlichkeit, die noch nicht wie die im 18. Jahrhundert aufkommende bürgerliche
Öffentlichkeit entlang einer scharf geschnittenen Grenze von privat und öffentlich gebildet wurde, die aber
immerhin bereits erste Kennzeichen dieser späteren Öffentlichkeit – wie „Unabhängigkeit, Orientierung an ei-
nem Publikum und Legitimation von Herrschaft“ – ausprägte (Körber 1998, S. 12).
62 Die neue Form der Öffentlichkeit ist u.a. eine Reaktion auf die seit den Religionskriegen eingeübte rigide
Trennung zwischen politischer und privater Sphäre: Im Zuge der Religionskriege des 17. Jahrhunderts hatte der
Staat alle moralischen Fragen aus der politischen in die private Sphäre gedrängt, um für die Befriedung des öf-
fentlichen Lebens sorgen zu können (vgl. Kunisch 1997, S. 42f.). Eine eher sozialästhetische und sozialpsycho-
logische Erklärung liefert Sennett (1986, S. 122ff.), indem er Öffentlichkeit als Prägung eines neuerlich Ord-
nung schaffenden (expressiven) Zeichensystems der Bürger interpretiert.
63 Vgl. Habermas 1990, S. 142ff. siehe auch die Beiträge in Jäger 1997.
1 Die Idee der Öffentlichkeit 109

Familienleben war im Gegensatz zur extrovertierten Hof- und Haushaltung von größerer
Innerlichkeit gekennzeichnet; hier wurde eine klare Grenze zwischen öffentlichen Bereichen
(‚Salon‘ des Hauses) und Privatsphäre gezogen.64 Das Bürgertum gewann im Zuge dieser
Veränderungen an gesellschaftlicher Bedeutung. Seine Kämpfe um Anerkennung zielten neben
der (rechtlichen) Gewährleistung privater Schutzräume auf die Etablierung einer ‚bürgerlichen
Öffentlichkeit‘, die aus der Privatsphäre heraus gebildet wurde. Die ersten öffentlichen Geh-
versuche in diese Richtung lassen sich im literarischen Räsonnement finden.65
„Noch bevor die Öffentlichkeit der öffentlichen Gewalt durch das politische Räsonnement der Privatleute
streitig gemacht und am Ende ganz entzogen wird, formiert sich unter ihrer Decke eine Öffentlichkeit in un-
politischer Gestalt – die literarische Vorform der politisch fungierenden Öffentlichkeit. Sie ist das Übungsfeld
eines öffentlichen Räsonnements, das noch in sich selber kreist – ein Prozeß der Selbstaufklärung der Privat-
leute über die genuinen Erfahrungen ihrer neuen Privatheit.“66

Durch die Beschäftigung des Bürgertums mit Kunst und Literatur wurde ein wesentliches
Instrument der bisherigen Selbstdarstellung des Adels zu einem disponiblen, der allgemeinen
Evaluation ausgesetzten Gut deklariert.67 Zum ersten Mal entfaltete das Bürgertum öffentlich
seine Urteilsfähigkeit und schärfte seine aufklärerischen Werte in einer neuen Form öffentli-
cher Kritik.68 Die literarische Öffentlichkeit wurde zum Präzedenzfall für die Beschäftigung
mit politischen Fragen, als sich die bürgerlichen Kaffeehausgesellschaften, Salons oder literari-
schen Clubs auch Problemen des Zusammenlebens, d.h. vor allem der Forderung nach einem
Rechtsstaat und nach politischen Teilhaberechten, zuwendeten. Eine rege publizistische
Tätigkeit sorgte im Prozess der Ausweitung des Räsonnements für die Entstehung einer
politischen Bürgeröffentlichkeit, die der autoritär entfalteten Öffentlichkeit der monarchischen
Herrscher entgegenstand und statt des demonstrativen Zurschaustellens der Macht das rationa-
le Räsonnement in den Mittelpunkt rückte.
Im Räsonnement konvergieren idealtypisch Kommunikation und Vernunft. Der Begriff
meint die Möglichkeit, „verständig“ über die Dinge zu reden und sie „nach Vernunftgründen“
zu untersuchen, wie es das französische Verb ‚raisonner‘ nahe legt, das übersetzt „überlegen,
vernunftgemäß handeln und reden“ bedeutet.69 Es bezeichnet ein (öffentliches) vernunftge-
prägtes Reden, das in letzter Konsequenz dialogisch und verständigungsorientiert angelegt ist70,
und besteht folglich aus vernunftorientierten öffentlichen Meinungsäußerungen, mit denen
Sprecher versuchen, Diskussionspartner rational zu überzeugen. Mit dem Räsonnement
beschreibt Habermas die materielle Veränderung von Öffentlichkeit: Nicht mehr das rituali-
sierte Symbol wie in Zeiten repräsentativer Öffentlichkeit, sondern der rationalisierte Diskurs
bestimmten das Ideal öffentlichen Handelns.71

64 Gerade in ihrem ‚privatisierten‘ Aspekten fungierte die Familie in vielerlei Hinsicht als die zentrale Sozialisati-
ons- und Sozialagentur: Sie übernahm die Erziehung und Bildung der Kinder und die Versorgung der Berufs-
unfähigen aus Alters- und Krankheitsgründen. (vgl. Habermas 1990, S. 107ff.)
65 Vgl. Habermas 1990, S. 116 ff.
66 Ebd., S. 88
67 Vgl. ebd., S. 97ff.; ähnlich auch Grieger 1997, S. 117
68 Vgl. Baum 1994, S. 85f.
69 So der Duden „Etymologie“: Herkunftswörterbuch der deutschen Sprache. 2., völlig neu bearb. u. erw. Aufl.
Mannheim; Wien, Zürich 1989, S. 572.
70 Damit steckt in dem Begriff der Ausgangspunkt der Habermasschen Theorie. Die Beschäftigung mit dem
Öffentlichkeitsbegriff markiert den Beginn einer umfassenden Erörterung der Funktionen und Leistungen, die
kommunikative Verständigungsakte für die Integration moderner Gesellschaften erbringen.
71 Das Räsonnement ist als Medium der politischen Auseinandersetzung „eigentümlich und geschichtlich ohne
Vorbild“, erläutert Habermas (1990, S. 86); der Begriff kann – je nach dem von wem er mit welcher Intention
110 III Die Idee der Öffentlichkeit – Historische Grundlagen des Journalismus

„Der Prozeß, in dem die obrigkeitlich reglementierte Öffentlichkeit vom Publikum der räsonierenden Privat-
leute angeeignet und als eine Sphäre der Kritik an der öffentlichen Gewalt etabliert wird, vollzieht sich als
Umfunktionierung der schon mit Einrichtungen des Publikums und Plattformen der Diskussion ausgestatte-
ten literarischen Öffentlichkeit. Durch diese vermittelt, geht der Erfahrungszusammenhang der publikumsbe-
zogenen Privatheit auch in die politische Öffentlichkeit ein.“72

Der Kern dieser Vorstellung von Öffentlichkeit findet sich bereits in Kants berühmter ‚Beant-
wortung der Frage: Was ist Aufklärung?‘, in der er einen präzisen Begriff von Aufklärung und
ihren Implikationen entwickelt. Dabei insistiert er besonders darauf, dass es das Räsonnement
als der öffentliche Gebrauch der Vernunft ist, der aufklärend wirkt, nicht der Gebrauch im
Privatbereich. Öffentlich ist nach Kant derjenige Vernunftgebrauch, „[…] den jemand als
Gelehrter von ihr vor dem ganzen Publikum der Leserwelt macht“.73 Daran schließt auch die
spätere zeitungswissenschaftliche Modellierung des Begriffs an:
„Räsonnement […] ist Urteil, Meinung, die im Periodikum nicht als Tatsache, sondern unmittelbar als Ge-
dankenäußerung eines Subjektes auftritt. Dabei nimmt die Periodik [so bezeichnet Groth die Zeitungswissen-
schaft, -cb-] Räsonnement nicht bloß in seiner ursprünglichen engeren Bedeutung als verständige Beurteilung,
Verstandesurteil oder gar in der engsten als kritische (tadelnde) Beurteilung, sondern in der weitesten der geis-
tigen Äußerung überhaupt, auch der gefühls- und willensmäßigen.“74

In den bürgerlichen Diskussionszirkeln75 ebenso wie in der zeitgenössischen Philosophie


entwickelte sich somit ein bis heute gültiges Verständnis von Öffentlichkeit, die nunmehr als
sozialer Begriff gefasst wurde, der sich auf eine soziale ‚Institution‘ beziehen konnte.76 Die
Veränderungen wurden anhand der Gemeinsamkeiten greifbar, welche das in der Privatsphäre
entstehende, gleichwohl öffentliche Räsonnement – vom Salon bis zur Lesegesellschaft, vom
Club bis zum Gemeinschaftsabonnement – auszeichneten und es über bislang übliche Formen
gesellschaftlichen Verkehrs hinaushoben:77
• Der nähere soziale Status der Mitglieder, die alle noch der bürgerlichen ‚Klasse‘ zugehör-
ten, war in den Diskussionen irrelevant. Es zählte das bessere Argument.78

verwendet wird – sowohl die „Berufung auf Vernunft“ als auch ihre „verächtliche Herabsetzung zur nörgeln-
den Vernünftelei“ meinen.
72 Habermas 1990, S. 116
73 Kant 1968 [1783], S. 55. Hier ist die Idee einer wechselseitigen Verständigung lediglich insoweit hinein zu
deuten, als dass der öffentliche Vernunftgebrauch des Gelehrten den Mitgliedern des Publikums bei dem Aus-
gang aus ihrer eigenen selbstverschuldeten Unmündigkeit helfen soll und sie somit in die Lage versetzt, selbst
öffentlich vernünftig zu kommunizieren. Der im Rahmen öffentlich zugänglicher Kommunikation verlaufende
Aufklärungsprozess unterscheidet in diesem Modell zumindest der Tendenz nach noch zwischen Aufgeklärten
und Aufzuklärenden. Öffentliche Kommunikation ist noch keine wechselseitige Verständigung, aber auch
schon kein einseitiges Erziehen und Anleiten mehr, sondern ein öffentlich beobachtbarer Gebrauch einer Ver-
nunft, zu der alle potenziell fähig sind. Jeder kann daher in den Status eines Beteiligten am Aufklärungsprozess
aufsteigen, niemand aber kann diesen Prozess in eine reine Anleitungsrolle hinein wieder verlassen, da der Ver-
nunftgebrauch stets prekär verbleibt (vgl. auch Liesegang 2004).
74 Groth 1961, S. 90
75 Vgl. dazu auch Schneider 1992, S. 198ff.
76 Dieses bildet sich in einer semantischen Verschiebung ab, die stark unter dem Eindruck der Aufklärung steht:
Zunächst wird öffentlich nicht mehr in der Folge des germanisch-deutschen Rechts als Gegensatz zu ‚geheim‘,
sondern zunehmend in der Tradition des römischen Tradition als Gegensatz zu privat verstanden. Darüber
hinaus wird das Publikum seit rund 1750 sprachlich eigenständig gefasst und bezeichnet (vgl. Hölscher 1997, S.
24ff.; vgl. auch Hölscher 1979, S. 88).
77 Vgl. zum Folgenden Habermas 1990, S. 97f.
78 Sennett (1986, S. 113) spricht mit Blick auf die frühe Öffentlichkeit entsprechend von der „Fiktion […], daß die
gesellschaftlichen Unterschiede nicht existent waren“.
1 Die Idee der Öffentlichkeit 111

• Mit Literatur- und Kunstkritik nahmen sich die Zirkel solcher Bereiche an, die bislang
unter dem Deutungsmonopol von Klerus oder Adel standen. Sie begannen Zusammen-
hänge zu problematisieren, die bislang nicht hinterfragt wurden.
• Das Publikum, die Mitgliedschaft in den Diskussionsgruppen, war prinzipiell unabge-
schlossen.
Zugangsvoraussetzungen zu bürgerlichen Diskussionszirkeln waren Besitz und Bildung – beide
Kriterien erfüllte nur ein kleiner Teil der Bevölkerung. Dadurch sollten Partikularinteressen
ausgeklammert werden, damit das ‚unbelastete‘ rationale Räsonnement zu einer vermeintlich
vernünftigen und legitimen ‚öffentlichen Meinung‘ führen konnte, die ausschließlich auf Basis
der besten Argumente zustande kommen sollte. Im Sinne liberaler Grundideen schlossen die
Diskussionszirkel niemanden a priori aus – schließlich, so die Unterstellung, sei jeder in der
Lage, Bildung und Besitz – und damit die Teilnahmeberechtigung – zu erwerben. Faktisch aber
wurde der Status des politisch aktiven ‚citoyen‘ an den des besitzenden ‚bourgeois‘ gekoppelt.79
Die Spannung zwischen dem umfassenden Geltungsanspruch bürgerlicher Öffentlichkeit
und ihrer faktischen Begrenztheit ist somit greifbar: Es kann historisch nicht davon ausgegan-
gen werden, dass die Idee der zugangsfreien Öffentlichkeit in den Kaffeehäusern, Salons oder
literarischen Gesellschaften faktisch realisiert worden wäre; „[…] wohl aber ist sie mit ihnen als
Idee institutionalisiert, damit als objektiver Anspruch gesetzt und insofern, wenn nicht wirk-
lich, so doch wirksam gewesen“.80 Hölscher zufolge hat dieses Spannungsverhältnis zwischen
Anspruch und Realität zur Ausprägung des neuen Verständnisses von Öffentlichkeit beigetragen,
indem es bereits im 18. Jahrhundert in den bürgerlichen Diskussionszirkeln selbst zum Ge-
genstand des diskursiven Verkehrs geworden ist. Daraufhin setzte ein Selbstvergewisserungs-
prozess ein; die programmatischen Diskussionen hatten sich selbst zum Gegenstand und
verdichteten sich in dem Begriff der Öffentlichkeit. Die neue Form der Öffentlichkeit reflek-
tierte ihre Prinzipien auf sich selbst, um an institutioneller Stärke zu gewinnen.81 Die in politik-
theoretischer Perspektive bestechende Pointe dieser bürgerlichen Selbstvergewisserung im
Räsonnement ist, dass sie letztlich nicht nur auf Veränderung, sondern auf Abschaffung
klassischer Strukturen der Herrschaft zielt, da Entscheidungen nicht mehr durch Macht,
sondern durch Vernunft herbeigeführt werden sollen.82 Innerhalb eines Verfassungsrahmens

79 Habermas (1990, S. 121) konstatiert: „Die entfaltete bürgerliche Öffentlichkeit beruht auf der fiktiven Identität
der zum Publikum versammelten Privatleute in ihren beiden Rollen als Eigentümer und als Menschen
schlechthin.“ Damit wurde ein Klasseninteresse ideologisch zum Allgemeinwohl erhoben – gerechtfertigt
durch die Idee, dass nur der bourgeois Interesse an einer geschützten Privatsphäre haben könnte. (vgl. ebd., S.
159; vgl. auch kritisch Negt/Kluge 1972). Allerdings beruht die bürgerliche Gesellschaft laut Sozialhistorikern
weniger auf Geburtsprivilegien (Adel) oder sozialökonomischen Parametern (Proletariat) als vielmehr auf kultu-
rell-bürgerlichen Mustern. Diese werden von anderen gesellschaftlichen Gruppen adaptiert und charakterisieren
daher nicht mehr eine soziale Schicht respektive ein ‚Milieu‘, sondern zunehmend ‚Gesellschaft‘ in ihrer ge-
dachten Einheit (vgl. Blöbaum 1994, S. 119). Dieser Umstand ist bei der Analyse des bisweilen als zu empha-
tisch gescholtenen Habermasschen Öffentlichkeitsbegriffs zu berücksichtigen.
80 Habermas 1990, S. 97; vgl. auch Baum 1994, S. 92f.
81 Vgl. Hölscher 1997, S. 31: „Die Öffentlichkeit, so könnte man diesen Vorgang metaphorisch umschreiben,
begegnete sich selbst in der bewußten sprachlichen Ausgestaltung sozialer Kommunikationsformen […].“
82 Vgl. Habermas 1990, S. 153: „Die ‚Herrschaft‘ der Öffentlichkeit ist ihrer eigenen Idee zufolge eine Ordnung,
in der sich Herrschaft überhaupt auflöst […]. Pouvoir als solche wird durch eine politisch funktionierende Öf-
fentlichkeit in Frage gestellt. Diese soll voluntas in eine ratio überführen, die sich in der öffentlichen Konkur-
renz der privaten Argumente als der Konsensus über das im allgemeinen Interesse praktisch Notwendige her-
stellt.“
112 III Die Idee der Öffentlichkeit – Historische Grundlagen des Journalismus

sollten die kommunikativ rationale Debatte der Bürger und das zweckrationale freie Spiel der
marktwirtschaftlichen Kräfte zu Konsens oder mindestens zu gerechtem Ausgleich führen.83
In einem grundlegend demokratietheoretischen Verständnis lässt sich die normative Idee
der Öffentlichkeit als der Versuch begreifen, die vernunftrechtliche Tradition aufklärerischer
Rationalitätspostulate mit der republikanisch-demokratischen Idee der Volkssouveränität zu
verbinden. Durch öffentliches Räsonnement der Bürger sollen die vernünftigsten Lösungen
für das Gemeinwesen gefunden werden. Ein vormals als dichotomisch unterstelltes Verhältnis
von Vernunft und Volkswillen scheint im öffentlichen Diskurs überwindbar.
„[D]ie Vernunft brauchte der kollektiven Willensbildung nicht mehr vor- oder übergeordnet zu werden, weil
sich in der Öffentlichkeit, gestützt und getragen von einer Infrastruktur freier Assoziationen und vermittelt in
Argumentation, Interesse und Moral, eine aufs Allgemeine gerichtete Vernunft und individuelle Partikularität,
also ‚bourgeois‘ und ‚citoyen‘ einander durchdringen konnten.“84

Zu einer Zeit, in der die Bereiche des Öffentlichen und des Privaten noch strikt von einander
geschieden waren, bildete sich so innerhalb der Sphäre des Privaten ein Bereich heraus, der
geprägt war von der regulativen Idee, dass öffentliche Belange nach den kommunikativen Maßga-
ben lebensweltlicher Rationalität unter ‚Gleichen‘ diskutiert und publiziert werden können. Der
durch solche Verständigungsbemühungen konstituierte soziale Bereich erbringt Vermittlungs-
leistungen zunächst zwischen dem öffentlichen Staat und dem Privatbereich der Gesellschaft85,
später auch in Bezug auf wirtschaftliche, soziale und kulturelle Belange.
Öffentlichkeit erfährt angesichts sich differenzierender Gesellschaften wachsende Bedeu-
tung, die sie letztlich in ihrer orientierenden Funktion nicht nur für die Gesellschaft als Ganzes,
sondern auch für die einzelnen Individuen notwendig macht.86 In Öffentlichkeit manifestiert
sich „Gesellschaft als Gesellschaft“, da sie aus Sicht der Individuen das ist, „[…] von dem
gewusst wird oder gewusst werden kann, dass die anderen es wissen oder wissen können“.87
Individuen wären sogar dann auf Öffentlichkeit angewiesen, wenn sie nur in Bezug auf sich
selbst und nicht in gesellschaftlichen Kontexten handelten. Erst durch Öffentlichkeit ist es
ihnen möglich, den „kulturell bereitstehenden Reichtum an Erfahrung und Erkenntnis“ zu
nutzen.88 In einem solchen Verständnis wird Öffentlichkeit auf die symbolische Gesellschafts-
integration in der Lebenswelt nicht nur rückbezogen, sondern gleichsam als ein zentraler
Modus dieser Integration ausgezeichnet und normativ aufgeladen.
Öffentlichkeit meint vor diesem Hintergrund „[…] kategorial die Gesamtheit aller Ver-
ständigungsprozesse, die sich auf kollektive Problemlagen sowie normative und praktische
Fragen gesellschaftlicher Handlungskoordination beziehen“.89 Sie vertritt einen gesellschafts-
weiten Allgemeinanspruch, der sich aus ihrer Kopplung an die Verwendung der Umgangsspra-
che speist.90 In Öffentlichkeit können potenziell alle Themen von allen Mitgliedern der Gesell-
schaft ‚zur Sprache‘ gebracht und somit auf den Prüfstand eines rationalen Verständigungspro-
zesses gestellt werden. In der Formulierung dieses idealtypischen Modells (bürgerlicher)
Öffentlichkeit kann, so Calhoun, der zentrale theoretische Beitrag und Ertrag der Habermas-

83 Vgl. Heming 1997, S. 38


84 Schmalz-Bruns 1995, S. 39
85 Vgl. Habermas 1990, S. 268
86 Vgl. Pöttker 2000b, S. 26
87 Franz 2000, S. 7
88 Pöttker 2000b, S. 25
89 Heming 1997, S. 5
90 Vgl. Pöttker 2000b
1 Die Idee der Öffentlichkeit 113

schen Studie gesehen werden.91 Die immense Bedeutung des Idealtypus der bürgerlichen
Öffentlichkeit für das Verständnis der Moderne hebt auch Baum hervor: In den Vorstellungen
von Öffentlichkeit kristallisieren sich die normativen Fundamente moderner Demokratien –
vor allem hinsichtlich der Teilhabe mündiger Staatsbürger – heraus.92 Mit der bürgerlichen
Öffentlichkeit wird historisch idealtypisch eine soziale Sphäre beschrieben, in der Beteiligungs-
rechte aufgeklärter Bürger eingelöst zu werden schienen, die in den Gesellschaftsvertragstheo-
rien nur abstrakt formuliert wurden. Jeder Bürger hatte in der Öffentlichkeit das Recht, sich zu
allen Belangen des Gemeinwesens zu äußern; die öffentliche Debatte über die Gestaltung des
Zusammenlebens bildete einen wesentlichen Fokus dieser Zeit. In ihr etablierte sich – freilich
mehr als literarisch beschworenes Ideal, denn als historische ‚Wirklichkeit‘ – die regulative Idee
einer inklusiven, sich politisch selbst steuernden Gesellschaft, deren Kommunikation auch den
Geltungsbereich politischer und ökonomischer Macht einzuhegen versprach. Schon die
Öffentlichkeit eines Gedankens selbst galt den Aufklärern als Beleg seiner Gerechtigkeit.93 In
der Etablierung einer bürgerlichen Öffentlichkeit ist der Gedanke ihrer radikalen Verwirkli-
chung – der kommunikativen Verflüssigung von Macht- und Herrschaftsansprüchen, der
argumentationsgestützten Revision gesellschaftlicher und politischer Entscheidungen, der
rationalen Begründung gesellschaftlicher Prinzipien des Zusammenlebens, der Bewährung von
Traditionen auf dem Prüfstand des Räsonnements – immer schon angelegt. Das daraus er-
wachsende Verständnis von kommunikativer Macht, die sich der bis dahin ‚unbegründeten‘
Gewalt staatlicher Herrschaft entgegenstellt, ist entlehnt bei Hannah Arendt, die in ihrem
Konzept des Politischen normativ die Verständigungspraxis aller Gesellschaftsglieder be-
schreibt.94 Arendt verortet Macht im Miteinander:
„[…] Macht aber besitzt eigentlich niemand, sie entsteht zwischen den Menschen, wenn sie zusammen han-
deln, und sie verschwindet, sobald sie sich wieder zerstreuen.“95

Habermas arbeitet heraus, inwieweit sich Arendts emphatischer Praxisbegriff auf Strukturen
von Öffentlichkeit bezieht, die einen unverstellt kommunikativen Verständigungsprozess
ermöglichen, aus dessen Lebensweltlichkeit heraus kommunikative Macht erwachsen kann.96
Vor dem Hintergrund eines solchen Primats des spontanen öffentlichen Miteinanders wird
jede Form der Abschottung oder Eingrenzung, jeder Versuch des Arkanums, öffentlich
begründungsbedürftig, sofern nicht der sich von kommunikativer Macht unterscheidende,
institutionalisierte und sozial legitimierte Gebrauch funktionalistisch verstandener politischer
oder sozialer Macht die Grundlage bildet. Die Idee der Öffentlichkeit dringt regulativ auf ihre

91 Vgl. Calhoun 1992b, S. 10: „Though the book has perhaps been more often read for its account of the
degeneration of the public sphere, the earlier argument about its constitution is both more original and more
interesting.”
92 Vgl. Baum 1994, S. 88f.: „Jeder sollte öffentlich sprechen können. Und derjenige, der über Fragen des Gemein-
wesens, der Gesellschaft sowie der Staatsordnung diskutierte, tat dies als Bürger, der sich in den politischen
Meinungsstreit einbrachte. Während der Angehörige des Bürgertums ‚bourgeois‘ und ‚citoyen‘ in einem ver-
körperte, kristallisierte sich in der Sphäre der Öffentlichkeit vor allem jene Rolle des Staatsbürgers heraus, die –
qua Rede – jedermann einnehmen konnte.“
93 Vgl. Kant 1968 [1783]
94 Vgl. Arendt 1993, S. 39ff.
95 Arendt 1981 [1958], S. 252
96 Vgl. Habermas 1978 [1976], Bischoff (1999) markiert als entscheidenden Unterschied, dass Arendt Öffentlich-
keit ambivalent sehe, weil kommunikative Macht durch Meinungskonformität auch problematisch werden kön-
ne, während Habermas die öffentlich entfaltete kommunikative Macht durchweg positiv konnotiere.
114 III Die Idee der Öffentlichkeit – Historische Grundlagen des Journalismus

gesellschaftliche Umsetzung. Öffentlichkeit wird so zum demokratischen Prinzip.97 Habermas


knüpft die Entfaltung dieser neuen sozialen Strukturen eng an die Entwicklung eines moder-
nen Journalismus.98 Denn erst durch eine regelmäßige Berichterstattung konnte sich die
bürgerliche Öffentlichkeit gegenüber der repräsentativen soweit entfalten, dass sie zu einem
gesellschaftsprägenden Strukturprinzip werden konnte.

1.3 Journalismus und Öffentlichkeit

Schon Robert E. Prutz hat in seiner Fragment gebliebenen ‚Geschichte des deutschen Journa-
lismus‘ auf die Bedeutung eines selbstbewussten Journalismus hingewiesen, der sich nicht mehr
auf das unveränderte Vervielfältigen einlaufender Nachrichten beschränkt, sondern sich selbst
ein Publikum sucht und den Nachrichtenstoff entsprechend bearbeitet, einordnet und bewer-
tet: Erst durch den Journalismus sei die „theoretische Betheiligung des Publikums an den
Ereignissen der Geschichte, diese Neugier für die Geheimnisse des Staates, dieses Interesse für
alle politischen Zustände und Begebenheiten“ entstanden, durch das sich erstmals ein „Publi-
kum“ in Deutschland habe bilden können.99 Presse erscheint so als ein Mittel der Teilnahme
am Gesellschaftlichen. Groth sieht in Prutz daher einen Vordenker der demokratischen
Aufgaben einer freien Presse: Das „Maß aller journalistischen Dinge“ sei für Prutz „der Nut-
zen für das Volk, für dessen gesamte Höherentwicklung, für die Demokratie“, schreibt Groth
in seiner ‚Geschichte der deutschen Zeitungswissenschaft‘.100
„Stimme des Volkes soll der Journalismus sein, aber nicht mit einer mechanischen Wiedergabe des Gehörten,
Empfangenen. Der Journalismus ist für Prutz nicht ein passives, neutrales Mitteilen der Ereignisse und Zu-
stände, der Wünsche und Hoffnungen, nicht bloß ein Widerspiegeln dessen, was sich im Volke begibt und
regt, sondern ist Lebendiges, Bewegendes, Aktives. Er ist der Wortführer der Zeit und ihrer Stimmungen, das
‚Orakel der Unzähligen, die zu keiner eigenen Einsicht in den Verlauf der Dinge gelangen können‘, und so
wird er zum Schöpfer der öffentlichen Meinung, zum Schöpfer eines allgemeinen Geistes des Publikums. Das
Interesse am politischen Geschehen ist erst durch den Journalismus, speziell durch das Zeitungswesen, über-
haupt zu Wege gebracht worden.“101

Prutz beschreibt damit als einer der ersten zeitungskundlichen Autoren die Bedeutung des
Journalismus für die Etablierung einer modernen Öffentlichkeit. Diese Bedeutung erstreckt
sich sowohl auf Öffentlichkeit als Zeitgespräch der Gesellschaft (1) als auch auf die Öffent-
lichkeit beigemessenen Vernunfts- und Rationalisierungsorientierung (2).

1.3.1 Journalismus und öffentliches Zeitgespräch

Grundlage einer modernen Öffentlichkeit sind die öffentlichen Gespräche der Bürger –
zunächst wie dargestellt über Fragen von Kunst und Literatur und im historischen Verlauf

97 Vgl. Baum 1994, S. 87


98 Auch andere Autoren sehen gesellschaftliche Umbrüche eng mit medialen Neuerungen verzahnt. Schanne
(2001, S. 53) z.B. sieht eine grundsätzliche Korrelation von sozialen und medialen Veränderungsprozessen. Aus
historisch-materialistischer Sicht interpretiert der DDR-Forscher Bialowons (1969) das Pressewesen als Aus-
druck eines bürgerlichen Klasseninteresses.
99 Prutz 1971 [1845], S. 17
100 Groth 1948, S. 188
101 Ebd., S. 178
1 Die Idee der Öffentlichkeit 115

auch über politische, wirtschaftliche und soziale Belange. In der durch diese Gespräche ge-
währleisteten sprachlichen Koordination des gemeinsamen Handelns sieht Habermas den
Schlüssel zur Integration moderner Gesellschaften. Die Presse zeichnet er als eine der zentra-
len Institutionen dieser neuzeitlichen ‚Gesprächsöffentlichkeit‘ aus.102 Neben den Briefkorres-
pondenzen der ‚Gelehrten Republik und den Diskussionen der Vereine bildete sie die dritte
Diskussionsebene der Aufklärungsgesellschaft, wie auch Wehler betont.103
Journalismus schuf somit – keineswegs nur in technischer Hinsicht – die Voraussetzungen
dafür, dass das Gespräch der Zeitgenossen räumliche und auch zeitliche Restriktionen spren-
gen konnte und sich damit aus face-to-face-Situationen heraushob. Folgt man dem idealtypi-
schen Verständnis der am Gespräch orientierten Öffentlichkeit, dann bot die Zeitung (im alten
Verständnis als ‚Nachricht‘104), wie Engelsing anmerkt, nicht nur „Stoff für das Gespräch,
sondern war Ursache des Gesprächs“, dann war sie „[…] nicht nur Gesellschafterin, sondern
sie schuf Gesellschaft“.105 Hinweise auf die besondere Rolle der Presse in der Gesprächsöf-
fentlichkeit treten im historischen Rückblick am auffälligsten in dem Aspekt zutage, dass viele
der räsonierenden Zeitschriften des Bürgertums sich aus Gesprächszirkeln heraus entwickelt
haben, um deren Räsonnement weiter zu verbreiten. Aber auch der Nachrichtenjournalismus
kann entweder als Bestandteil eines gesellschaftlichen Gesprächs oder aber als dieses Gespräch
selber beschrieben werden. Die Presse ist mit der integrierenden Funktion der Öffentlichkeit
eng verknüpft. Sehr allgemein formuliert bedeutet dies: Dadurch dass Journalismus in der Lage
ist, durch Informationsvermittlung für Orientierung in einer komplexen Welt zu sorgen,
schafft er auch die Voraussetzungen dafür, dass sich Menschen in der Gesellschaft zurechtfin-
den.
„Die Zeitung wird durch ihre Universalität ein hervorragendes sozifizierendes Instrument, trotz mancherlei späte-
ren Erfindungen immer noch das wirksamste, den Menschen in seine Gesamtheiten einzugliedern und in ih-
nen zu erhalten. Die Zeitung unterrichtet beständig nicht nur über unsere ‚Umwelt‘, sondern in erster Linie
über unsere ‚Mitwelt‘. So ist sie die nie ruhende Gegenspielerin sozialer Verbindung gegen die Abschließung
der einzelnen, gegen die Atomisierung unserer Gesellschaft, dies um so mehr, weil das, was sie bringt, ja be-
reits irgendwie sozifiziert, bereits unter irgendwelchen sozialen Gesichtspunkten und Einflüssen ausgewählt
und vorgeformt ist. Die Universalität gibt uns Kunde von den zahllosen Beziehungen, in denen wir bewußt
oder unbewußt zu unseren Mitmenschen stehen […].“106

102 Vgl. Habermas 1990, S. 275; ders. 1973 [1964], S. 65ff.


103 Vgl. Wehler 1987, S. 327: „Eine unablässig anhaltende Debatte vollzog sich in den Zeitschriften und Zeitun-
gen, in den Büchern und Broschüren. Hier wurden bestimmte Dauerthemen behandelt: die Orthodoxie der
Konfessionen, die Willkür selbstherrlicher Duodezpotentaten, die Ungerechtigkeit im Verhältnis von Adel und
Bürgern. Ständig kamen neue Streitpunkte hinzu: die Misere der Unehelichen, die Stellung der Frauen, der
Kampf gegen Vorurteile und Luxus. All das drang dank der verdichteten öffentlichen Kommunikation bis in
den abgelegensten Winkel.“
104 Der Begriff ‚Zeitung‘ wird vor allem von der Zeitungswissenschaft nominalistisch verwendet. Er bezeichnet
nicht den alltagssprachlich benannten Kulturkörper. ‚Zeitung‘ ist hier kein Materialobjekt, sondern ein Formal-
objekt, das nicht aus seinen künstlich geschaffenen und historisch wie sozial kontingenten „Manifestationspro-
thesen“ (Aswerus 1961, S. 86) heraus zu bestimmen sei (vgl. Braun 1958, S. 5). Auch moderne technische For-
men wie Rundfunk und Fernsehen sind Darstellungsmittel des gesellschaftlichen Urphänomens ‚Zeitung‘“
(Aswerus 1960, S. 6). Zeitung beruht auf „[…] gesellschaftlicher Kommunikation, die im Austausch von Zei-
tungen, im Zeitunggeben und Zeitungnehmen sich vollzog und immer noch vollzieht“ (Wagner 1965b, S. 10).
Dieser Zeitungsbegriff aus dem 17. und 18. Jahrhundert „[…] ist der Gesellschaft irgendwann zur Zeit Fried-
rich Schillers verlorengegangen“ (Glotz 1990, S. 253; vgl auch Prakke 1964, S. 351).
105 Engelsing 1966, S. 278
106 Groth 1960, S. 168. Ähnlich äußert sich auch Engelsing (1966, S. 280) zur sozialen Integrationskraft der
Zeitung: „Sie wurde der Markt einer Unterhaltung, für die der Marktplatz (im äußeren und im inneren Sinn) zu
eng geworden war. Zwar war der Mensch durch seine Arbeit ein Teil der Gesellschaft, aber erst durch die Zei-
116 III Die Idee der Öffentlichkeit – Historische Grundlagen des Journalismus

Journalismus ist somit eine wesentliche Grundlage der öffentlichen Sphäre, in der vergesell-
schaftete Individuen versuchen, sich über Themen von allgemeinem Interesse oder spezifi-
scher über Fragen des Gemeinwohls zu informieren, zu orientieren und gegebenenfalls zu
verständigen. Journalistische Angebote erbringen grundlegende Leistungen, die den Individuen
Orientierung überhaupt erst ermöglichen. Sie schaffen gesellschaftliche Kommunikationszu-
sammenhänge, welche die Aufgabe und Funktionalität interpersonaler Kommunikation zur
Orientierung auf einem meso- und makrosozialen Level nachbilden. Eine vergleichbare Be-
trachtungsweise hat früh Eingang in die zeitungswissenschaftliche Literatur gefunden: Die
Gesprächsmetapher lässt sich beispielsweise bereits 1845 bei Prutz nachweisen, der schreibt:
„Der Journalismus überhaupt, in seinen vielfachen Verzweigungen und der ergänzenden Mannigfaltigkeit sei-
ner Organe, stellt sich als das Selbstgespräch dar, welches die Zeit über sich selber führt. Er ist die tägliche
Selbstkritik, welcher die Zeit ihren eigenen Inhalt unterwirft; das Tagebuch gleichsam, in welches sie ihre lau-
fende Geschichte in unmittelbaren, augenblicklichen Notizen einträgt.“107

Hier wird Journalismus als das Gespräch selber begriffen, wobei Prutz sich im weiteren Ver-
lauf seiner Argumentation vor allem die Position des Historikers zu eigen macht, der in den
journalistischen Produkten vergangener Tage die wesentlichen Debatten ihrer Zeit konserviert
sieht. Er lässt offen, inwiefern diese professionell bearbeitet und gestaltet worden sind. Im 20.
Jahrhundert ist das Konzept des Journalismus als Institut des gesellschaftlichen Gesprächs in
Teilen der Zeitungswissenschaft wieder aufgegriffen worden: Für Groth ist das Periodikum ein
„Sprechsaal, in dem sich die Partner treffen, ihre Ansichten, Kenntnisse und Erfahrungen
austauschen und sich durch Aussprache über ihre Stellungnahme zu einigen versuchen“108.
Auch Aswerus schließt an das von Prutz artikulierte Verständnis an, wenn er gesellschaftliche
Kommunikation – die ‚Zeitung‘ im klassischen Sinne der Nachricht oder Mitteilung – als
„Zeitgespräch der Gesellschaft“ konzipiert.109
„Bei dem Phänomen der gesellschaftlichen Kommunikation handelt es sich (1.) um ein gesellschaftliches Mit-
einander, das sich (2.) in einem Gespräch befindet. Insofern dieses Gespräch (3.) auf die zeitliche Gegenwart der
Gesprächsteilnehmer bezogen ist und so ein Zeitgespräch darstellt, gewinnt diese Kommunikation zeitungswis-
senschaftliches Interesse.“110

Die Gesprächsmetapher ist regelmäßig zur Beschreibung des Journalismus herangezogen


worden, ohne aber gleichermaßen über den Begriff auch eine gemeinsame theoretische oder
modellhafte Vorstellung des dahinter stehenden Prozesses zu evozieren. Engelsing weist in
seiner historischen Studie immerhin dezidiert darauf hin, dass die Zeitung in einem solchen
Verständnis „allseitig teilnehmende Tätigkeit“111 provoziere und somit nicht auf hierarchi-
schen, sondern reziproken Verhältnissen beruhe.112 Prakke hingegen konstatiert aus funktiona-
listischer Sicht: „Alle Publizistik ist Zwiegespräch“ und sieht gesellschaftliche Kommunikation
grundsätzlich als einen Dialog zwischen Kommunikator und Rezipient.113

tung bekam er den gesellschaftlichen Zusammenhang zu fühlen und sah sich selbst als Glied und Repräsentant
zugleich.“ Rager (1999b, S. 137) merkt aktuell an, dass der Zeitung ihr universeller Charakter angesichts zu-
nehmender gesellschaftlicher Individualisierung mittlerweile im Wege stehen könnte.
107 Prutz 1971 [1845], S. 7 [Herv. von mir, -cb-]
108 Groth 1960, S. 566 [Herv. von mir, -cb-]
109 Aswerus 1961, S. 86
110 Ebd., S. 88 [Herv. von mir, -cb-]
111 Engelsing 1966, S. 23
112 Vgl. ebd., S. 277f.
113 Prakke 1960a, S. 208
1 Die Idee der Öffentlichkeit 117

An derartige Konzeptualisierungen der Gesprächs- oder Dialog-Metapher ließe sich in ei-


nem handlungstheoretischen Journalismus-Modell anknüpfen, auch wenn diese Näherungsper-
spektive aufgrund ihrer problematischen Vereinnahmung durch die späte Zeitungswissen-
schaft114 weitgehend diskreditiert ist. Ein neu fundiertes Verständnis journalismusbasierter
‚Gesprächsöffentlichkeit‘ müsste zudem in der historischen Herleitung anschlussfähig sein an
die differenzierungstheoretische Beobachtung, dass interpersonale face-to-face-
Kommunikation in komplexen Gesellschaften zur Steuerung und Koordination sozialer
Prozesse nicht mehr ausreichend ist und dass daher interpersonale Gespräche auf einer ande-
ren Ebene in journalistischen und medialen Kontexten ein Substitut finden.

1.3.2 Journalismus und die (kritische) Vernunft der Öffentlichkeit

Während das Verständnis von Öffentlichkeit als Zeitgespräch der Gesellschaft Journalismus
eine vorwiegend vermittelnde Aufgabe zuweist, markieren Habermas’ frühe öffentlichkeitsthe-
oretische Annahmen einen Ansatzpunkt für die Formulierung eines aktiveren Journalismusver-
ständnisses.115 In ihnen ist die Idee eines gesellschaftlichen Gesprächs über Zeitbelange imma-
nent mit einer räsonierenden Kommunikatorrolle verknüpft und explizit in einer zunächst
makrosozialen Analyse der öffentlichen Sphäre und ihrer Transformationsprozesse angelegt.
Von der konkreten historischen Sozial- und Medienanalyse ausgehend hat Habermas ein
grundlegendes gesellschaftstheoretisches und -philosophisches Modell entwickelt, das in
handlungstheoretischer Absicht auf einen kommunikativ verstandenen Handlungsmodus als
koordinierendes Muster der Vergesellschaftung rekurriert. Es steht in einem direkten Zusam-
menhang zu den Annahmen hinsichtlich des historisch relevanten Räsonnements der Bürger in
der frühen Neuzeit. Indem Habermas nämlich die vernünftige Handlungskoordinierung in den
alltagsweltlichen Gesprächen der Bürger verortet, knüpft er in seiner soziologischen Gesell-
schaftskonzeption an eine liberale Aufklärungstradition an, die ihrerseits große Auswirkungen
auf die Entwicklung der Presse selbst hatte, wie vor allem die einschlägigen Debatten zur
Pressefreiheit zeigen.116
Fasst man die Grundideen bürgerlicher Öffentlichkeit zusammen, dann entwirft Habermas
seinen Typus von Öffentlichkeit als ein Produkt des Räsonnements und des Emanzipations-
strebens des neuzeitlichen Bürgertums, die sich auch in den Bemühungen um eine räsonieren-
de Verwendung der Pressestruktur wiederfinden. Er versteht die bürgerliche Öffentlichkeit in
dieser historischen wie ideengeschichtlichen Rückschau
„[…] als die Sphäre der zum Publikum versammelten Privatleute […]; diese beanspruchen die obrigkeitlich
reglementierte Öffentlichkeit alsbald gegen die öffentliche Gewalt selbst, um sich mit dieser über die allge-
meinen Regeln des Verkehrs in der grundsätzlich privatisierten, aber öffentlich relevanten Sphäre des Waren-
verkehrs und der gesellschaftlichen Arbeit auseinanderzusetzen.“117

Neben das praktische Interesse der Information und der Orientierung in der gemeinsamen
gesellschaftlichen Lebenswelt tritt mit dem Räsonnement auch ein emanzipatorisch-kritisches

114 Vgl. z.B. Wagner 1978; insbesondere darin Starkulla/Wagner 1978; kritisch Schreiber 1980.
115 Vgl. Baum 1994, S. 88ff
116 Vgl. Schneider 1966, der sein Buch explizit auch als geschichtswissenschaftliche Ergänzung zu ‚Strukturwandel
der Öffentlichkeit‘ kennzeichnet, indem er einige der Lücken schließt, die Habermas in seiner Skizze der deut-
schen Entwicklung offenlässt.
117 Habermas 1990, S. 86
118 III Die Idee der Öffentlichkeit – Historische Grundlagen des Journalismus

Element der Kommunikation, das implizit auf den Abbau von Verständigungsbarrieren und
die Prüfung von Machtstrukturen hinsichtlich ihrer Begründbarkeit zielte. Auf diesem Nähr-
boden konnte sich eine Publizistik herausbilden, deren Zugang zunächst nur durch die in der
individuellen Sozialisation erworbene sprachliche Kompetenz geregelt schien.118 Baum versteht
den räsonierenden schriftstellernden Journalismus daher auch als die flüchtige, aber faktische
Verwirklichung kommunikativer Möglichkeiten in einem kurzen geschichtlichen Augenblick
des Umbruchs:
„Denn die im alltäglichen Sprachgebrauch zumeist stillschweigend geübte Unterstellung, wir könnten jeden
Sachverhalt problematisieren, das heißt aus dem Gesprächsfluß isolieren und einem Diskurs zuführen, der
schließlich eine Verständigung in Aussicht stellt, wird – wenigstens vorübergehend – im Journalismus praktisch
wahr.“119

Diese Feststellung verweist darauf, dass die Etablierung der Idee bürgerlicher Öffentlichkeit
durchaus historische Faktizität besitzt und sich nicht im Status einer regulativen Idee der sich
liberalisierenden Gesellschaft erschöpft. Sie ist vielmehr Bestandteil „eines großartigen sozio-
kulturellen Mobilisierungsprozesses“, der vor allem durch die „Verdichtung von Kommunika-
tion“ gekennzeichnet ist, die sich aus der rasanten Entwicklung ergibt, der die Medien des 18
Jahrhunderts unterworfen sind.120 Vordergründig wird zunächst allein dem publizistischen
Meinungsaustausch der Privatleute eine zentrale gesellschaftsbildende Funktion während der
Umbrüche des Spätabsolutismus zugewiesen, in deren Verlauf zum Beispiel auch die (politi-
schen) Zeitschriften des 18. Jahrhunderts „geradezu Kristallisationspunkte des geselligen
Lebens unter den Privatleuten“ werden.121 Der in öffentlicher Kommunikation maßgeblich
auch durch journalistisches Räsonnement entfaltete gesellschaftliche Praxiszusammenhang
gewinnt gegenüber dem Staat an Bedeutung. Diese Idee der Öffentlichkeit etabliert sich als
Prototyp des öffentlichen Vernunftgebrauchs, der ‚Freiheit‘ und ‚Gleichheit‘ als regulative
Ideen sozial wirksam und lebendig bleiben ließ.122
Habermas begreift das Räsonnement des frühen Bürgertums keineswegs als historische
Ausnahmesituation, sondern im Gegenteil als prototypischen Gebrauch der menschlichen
Vernunftbegabung zu dem Zeitpunkt, zu dem dieses angesichts äußerer Umstände (Demokra-
tisierung, Kapitalisierung, Individualisierung etc.) erstmals seit Jahrhunderten in gesellschaftlich
relevanter Reichweite möglich war. Das vernünftige öffentliche Gespräch und sein journalisti-
sches Substitut in der Öffentlichkeit können daran anknüpfend als zentrale Mechanismen der
Vergesellschaftung und der sozialen Orientierung verstanden werden. Die Habermassche
Studie nährt damit auf den ersten Blick die theoretische Hoffnung, dass sich im Rückbezug auf
diesen Idealtypus auf der Grundlage einer kritischen Gesellschaftstheorie weiterreichende
Annahmen zu Journalismus und Medien formulieren lassen. Journalismus könnte demnach
vorsichtig als eine, ja vielleicht die zentrale Form eines öffentlichen Handelns verstanden
werden, das auf Vernunftgebrauch und Verständigung durch Kommunikation ausgerichtet ist.
In der Erörterung sind voreilige Schlüsse zu vermeiden. Die Herausbildung der bürgerli-
chen und räsonierenden Öffentlichkeit korrelierte zwar zeitlich mit der Periode des schriftstel-
lernden und räsonierenden Meinungs-Journalismus, aber sie bedurfte andererseits als Vorbe-

118 Vgl. Baum 1994, S. 91: „Wer erst einmal öffentlich redete, folgte in erster Linie den Regeln der Sprache, deren
Gebrauch allenfalls durch die Gewalt staatlicher Zensur beschränkt war.“
119 Ebd., S. 92
120 Wehler 1987, S. 303f.
121 Habermas 1990, S. 140
122 Vgl. ebd., S. 119f.
2 Historische Grundlagen des Journalismus 119

dingung der referierenden Vermittlungs-Leistungen des Nachrichten-Journalismus. Der


korrespondierende, faktenreferierende Journalismus der frühen Nachrichtenblätter bildete die
wesentliche Verständnisgrundlage, die eine Entfaltung räsonierender Publizistik überhaupt erst
ermöglicht hat. Über diese Feststellung hinaus finden sich aber kaum präzise Hinweise darauf,
in welcher Art und Weise die Presse im Spektrum zwischen Referat und Räsonnement zu ihren
konstitutiven Leistungen für die bürgerliche Diskursöffentlichkeit imstande ist. In den beiden
zeitlich getrennt sich entwickelnden Journalismus-Modellen liegen die Ursprünge für zwei
unterschiedliche Idealtypen journalistischen Handelns, entlang derer zum Teil noch heute die
Debatten über die angemessene Aufgabe des Journalismus strukturiert werden. Hinter diesen
beiden Möglichkeiten stehen höchst unterschiedliche Modellierungen. Nicht zuletzt deshalb
liegt hier einer der ältesten Konflikte der Journalismusforschung begründet.
Im Folgenden soll knapp auf die historische Genese des Journalismus geblickt werden, aus
deren Interpretation sich idealtypische Journalismusverständnisse ableiten lassen, die lange Zeit
die Journalismusforschung geprägt haben und besonders für handlungstheoretische Näherun-
gen von fortdauernder Relevanz sind. Dabei geht es nicht um eine genealogische Journalis-
musgeschichte, sondern um schlaglichtartige Betrachtungen, die der Identifikation historisch
angelegter Idealtypen dienen sollen.

2 Historische Grundlagen des Journalismus


„Journalismus ist Produkt der bürgerlichen Öffentlichkeit und zugleich ihr Agent. Markt und Öffentlichkeit
sind Medien, über die sich die bürgerliche Gesellschaft verständigt, Medien der Vergesellschaftung. Über den
Markt werden wirtschaftliche Austauschbeziehungen vermittelt, über die Öffentlichkeit werden Kommunika-
tionen vermittelt. Mit Bezug auf Markt und Öffentlichkeit bildet sich ein Publikum, das Güter und Dienstleis-
tungen ebenso abnimmt wie Informationen.“123

Betrachtet man Öffentlichkeit und Journalismus als eng miteinander verwandt, dann ist zu
erwarten, dass auch die Rahmenbedingungen ihres Aufkommens und ihrer Durchsetzung in
Beziehung zueinanderstehen. Etablierung und Institutionalisierung von Journalismus und
Medien, die sich bis ins 20. Jahrhundert hinein erstrecken, werden durch Faktoren bestimmt,
die weitgehend auch für die Bildung bürgerlicher Öffentlichkeit relevant sind.124
• In wirtschaftlicher Hinsicht erhöht die Durchsetzung des Kapitalismus den Informationsbe-
darf und ermöglicht den profitablen privatwirtschaftlichen ‚Handel‘ mit Informationen.
• In politischer Hinsicht wirken der Nationalstaat und die staatliche Bürokratie auf Journalis-
mus zurück. Die abstrakten sozialen Gebilde moderner Staaten benötigen eine Vermitt-
lungsinstanz zur Bevölkerung, da sie nicht an die Person eines Herrschers gebunden sind.
• In kultureller Hinsicht weicht mit dem Buchdruck die mündliche Kultur des Mittelalters
einer Schriftkultur. Doch weit darüber hinaus werden in der Neuzeit die traditionellen
Wertemuster brüchig; kirchliche oder monarchische Interpretationen der Welt verlieren an
Legitimation. Säkularisierung und Fortschrittsdenken begründen ein dynamisches Gesell-
schaftsverständnis, das die Welt grundsätzlich als veränderbar erachtet. Dadurch werden
Reflexion und Diskurs wichtiger. Journalismus kann dazu beitragen, den Bedarf an Orien-
tierung durch Vermittlung von Information und Meinung zu decken.

123 Blöbaum 1994, S. 126


124 Vgl. zum Folgenden ebd., S. 122ff.; Pürer/Raabe 1994, S. 20f.
120 III Die Idee der Öffentlichkeit – Historische Grundlagen des Journalismus

• Durch Veränderungen in den Bereichen Verkehr und Technik werden Grundlagen zur
Durchsetzung journalistischen Handelns geschaffen. Das Nachrichtenwesen wird durch
Post und später durch Telegraphie und Telephonie schneller und differenzierter. Die Re-
produktionsbedingungen verbessern sich durch den Buchdruck im 16. Jahrhundert und
später durch die Einführung neuer Drucktechniken und Papierherstellungsverfahren.
Das Entstehen des Journalismus kann somit als eine Reaktion auf den neuzeitlichen Wandel
verstanden werden, mit der die gestiegenen Informationsbedürfnisse eines bürgerlichen
Publikums befriedigt werden sollten. Zugleich aber ist Journalismus auch ein Katalysator dieser
Veränderungen, da er in seiner Fokussierung auf die Nachricht, die Neuigkeit, beinahe aus-
schließlich den gesellschaftlichen Wandel darstellt, dessen Produkt er ist.125 Journalistisches
Handeln bestätigt und verstärkt so performativ die Grundlagen seiner Existenz. Auch Groth
betont in seinen Annahmen zu den Ursprüngen des Journalismus – respektive der ‚Zeitung‘ als
seiner ersten materiellen Form in der frühen Neuzeit – den Wandel und die zunehmende
Segmentierung und Differenzierung von Gesellschaft:
„Die Zeitung ist ein Kind der Neuzeit, Sie entsteht auf jener Stufe gesellschaftlicher Entwicklung, in der mit
der Erweiterung und Komplizierung der Beziehungen die persönlichen Verkehrsmittel gegenüber den Anfor-
derungen der Gesellschaft zu gering oder zu schwach werden und ihre Kraft, das gesellschaftliche Leben zu
erhalten und zu tragen, verlieren, in der also die Glieder eines Ersatzes bedürfen, um ihre Verbindung auf-
recht zu erhalten.“126

Die Entstehung des Journalismus wird von Groth an ein als anthropologische Grundkonstante
interpretiertes Informations- und Orientierungsbedürfnis der Menschen gekoppelt, das in einer
historisch kontingenten Situation mit den bis dahin genutzten Instrumenten nicht mehr
befriedigt werden konnte. Diese Perspektive kann Plausibilität beanspruchen, wenn man die
Entstehung erster journalistischer Formen auf das späte Mittelalter und den Übergang zur
Neuzeit datiert. Damals wuchs aufgrund der „Verdichtung des Handels“ und der „Zunahme
politischer Ereignisse von weitreichenden Konsequenzen“ das Informationsbedürfnis vieler
Bürger stark an.127 Die ersten journalistischen Produkte können als Reaktionen auf diesen
veränderten gesellschaftlichen Informations- und Orientierungsbedarf verstanden werden.128
Es gibt bislang keine hinreichend formulierte Berufsgeschichte des Journalismus129, allen-
falls erste Systematisierungen130 oder Teil-Erhebungen131. Insbesondere für eine normative und
handlungstheoretische Näherung an Journalismus ist das ein Manko: Ohne einen informierten
Blick zurück auf die Anfänge des Journalismus lässt sich kaum nachvollziehen, warum dieser
Handlungsmodus sich in seiner heute konkreten Form ausdifferenziert hat und wie er auf die
regulative Idee einer räsonierenden Öffentlichkeit gerichtet ist. Zwischen den venezianischen

125 Vgl. Blöbaum 1994, S. 125f.


126 Groth 1928, S. 19
127 Stöber 2000, S. 14
128 Alle diese Überlegungen allerdings müssen ex-post-Konstruktionen bleiben; nachträgliche Versuche, histori-
sche Prozesse mit Sinn aufzuladen. Einerseits existieren die Grundlagen, auf denen Journalismus beruht, wohl
schon länger als die ersten Zeitungen; andererseits aber kann nicht davon ausgegangen werden, dass mit den
ersten Produkten, die aktuell und öffentlich über Zeitgeschehen berichteten, auch gleich Journalismus als sozia-
le Institution etabliert worden wäre.
129 Vgl. für diese Feststellung Langenbucher 1993a, S. 312; Hömberg 1987, S. 627; Kieslich 1973, S. 119; Engelsing
1966, S. 39. Selbst in aktuellen Überblicks- und Einführungsartikeln zur Mediengeschichte wird die Berufsge-
schichte des Journalismus nur am Rande gestreift. Schanne (2001, S. 64) zum Beispiel widmet in seiner Darstel-
lung der ‚Mediengeschichte‘ gerade einmal vier knappe Sätze der Entwicklung des Journalismus.
130 Vgl. Blöbaum 1994
131 Vgl. Requate 1995
2 Historische Grundlagen des Journalismus 121

‚scrittori d‘avvisi‘ (Avisenschreiber) der frühen Neuzeit, die in der Literatur als Vertreter der
ersten ‚Journalisten‘ gesehen werden132, und Online-Nachrichtenredakteuren133 bestehen zwar
zunächst keine augenscheinlichen Überschneidungen – und doch kann angenommen werden,
dass beide Aufgaben erfüllen, die auch über mehrere Jahrhunderte hinweg zumindest rudimen-
täre soziale Gemeinsamkeiten besitzen.

2.1 Historische Entwicklungsphasen

Nach gängiger Lehrmeinung bildet sich das, was heutzutage als ‚Journalismus‘ bezeichnet wird,
im Laufe der zweiten Hälfte des 18. und der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts aus134; in dem
Jahrhundert davor kam die periodische Presse ohne Redaktionen oder Selektionsprogramme
aus. Postmeister und Drucker erledigten das Zeitungsgeschäft nebenberuflich, indem sie
eingehende Nachrichten chronologisch bündelten und unbearbeitet vervielfältigten. In diesen
Tätigkeiten lassen sich sowohl präjournalistische als auch teiljournalistische Handlungsmuster
und Organisationszusammenhänge erkennen, die bis heute Relevanz besitzen. Als systematisie-
rendes Schema einer Journalismusgeschichte kann noch immer die Arbeit von Baumert
herangezogen werden, der bereits 1928 vier Phasen der journalistischen Entwicklung in
Deutschland unterschieden hatte. In diesem Schema wird die Entwicklung des Journalismus
anhand jeweils vorwiegend prägender Funktionen gegliedert.135 Dabei handelt es sich – auch
wenn eine Einteilung in Phasen anderes suggeriert – nicht um einander ausschließende Charak-
teristika, sondern nur um tendenzielle Dominanzen, die zudem produktspezifisch sehr unter-
schiedlich verwirklicht sind:
(1) „Die präjournalistische Periode, die das Mittelalter und die beginnende Neuzeit umfaßt und im wesentli-
chen charakterisiert wird durch eine sporadische, grundsätzlich nicht berufsmäßige Nachrichtenbe-
darfs-Befriedigung des ‚großen Publikums‘ (im Sinne F. Toennies) einerseits und eine planmäßige, auf
Fürsten- und Standesgruppen beschränkte, infolge technischer Leistungsspezialisierung (Nachrichten-
transport, Schreibarbeit) oder charismatisch bedingter Geistesarbeit berufsmäßige Bedarfsbefriedigung
andererseits.
(2) Die Periode des korrespondierenden Journalismus, die der Zeit des 16. bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts
das Gepräge gibt und durch die relatorische Berichterstattung des außerhalb der Zeitungsunterneh-
mung stehenden Korrespondenten gekennzeichnet ist.
(3) Die Periode des schriftstellernden Journalismus, die in die Blütezeit der Aufklärung fällt, den Niedergang
der Avisenzeitung und die politische und berufliche Orientierung des Schriftstellerstandes in sich
schließt.
(4) Die Periode des redaktionellen Journalismus, die in der nachmärzlichen Zeit einsetzt, den journalistischen
Berufsbildungsprozeß vollendet und den Redakteur zum geistigen und beruflichen Hauptfunktionär
im Journalismus werden läßt.“136

132 Vgl. Groth 1928, S. 10; Donsbach 1994, S. 66; Koszyk/Pruys 1969, S. 169
133 Vgl. Löffelholz u.a. 2003; Neuberger 2002a; 2000a
134 Vgl. Blöbaum 1994, S. 86ff.
135 Vgl. Baumert 1928. Er setzt sich damit auch von Prutz (1971 [1845]; S. 72) ab, der 1845 in seiner Fragment
gebliebenen ‚Geschichte des deutschen Journalismus‘ eine ganz andere Systematik verfochten hat, die sich an
der geistesgeschichtlichen Formation der jeweils betrachteten Zeit orientierte und zwischen einer abstrakt-
religiösen, einer ideell-ästhetischen und eine praktisch-politischen Phase differenzierte. Prutz weist darauf hin,
dass Journalismus nicht isoliert von der geistesgeschichtlichen Verfassung einer Gesellschaft betrachtet werden
kann, sondern dass diese vielmehr starke formative Einflüsse auf die öffentliche Kommunikation hat.
136 Baumert 1928, S. 17. Schmolke (1987, S. 739) sieht im bis heute häufigen Rückgriff auf Baumerts Schema einen
„[…] Indikator für den Bedarf nach dem, was wir als Kommunikationsgeschichte anstreben“. Auch jüngere
122 III Die Idee der Öffentlichkeit – Historische Grundlagen des Journalismus

Die ersten journalistischen Produkte beruhten demnach auf Vorläuferformen, die bereits in
mittelalterlichen Kontexten zu finden sind.137 Erste teiljournalistische Muster prägten sich in
der anschließenden Phase aus138, in der zunächst die Informationsbeschaffung durch die
Korrespondenten im Mittelpunkt stand, während sich das Gewicht später auf die schriftstel-
lernde und räsonierende Einkleidung und Ergänzung der ‚reinen Nachricht‘ durch die eigen-
ständigen Gedanken und Meinungen des Autors verschob. Erst in der zweiten Hälfte des 19.
Jahrhunderts, so Baumert, schlossen sich diese beiden Funktionen, ergänzt um die prononcier-
tere Akzentuierung der (auch zuvor schon relevanten) Selektion von Nachrichten, in ausdiffe-
renzierten Redaktionen zusammen zu einem redaktionellen Journalismus.139 In dieser Phase
geht es um eine Weiterentwicklung der korrespondierenden Aufgaben angesichts komplexer
werdender Vermittlungsumstände und um die Integration der beiden verschiedenen idealtypi-
schen Aufgaben in neue organisatorische Zusammenhänge. Von idealtypischer Bedeutung sind
insbesondere die beiden teiljournalistischen Handlungsmuster: Bereits der Avisenjournalismus
führte zu einem redaktionell-technischen Aufgabenprofil, bevor der schriftstellernde Journa-
lismus eine geistig-politische Seite zur Entfaltung brachte.140

Darstellungen berufen sich auf diese Systematik (vgl. Wilke 2000, S. 291ff.; Pürer/Raabe 1994, S. 32ff.; Fabris
1975; Schmolke 1987). Stöber (2000, S. 195f.) merkt an, dass die Bezeichnungen unglücklich und missverständ-
lich gewählt sind. Auch Phase zwei und drei müssten noch als vorjournalistisch gelten. Erst in der vierten Phase
kann von einer nennenswerten „Eigenproduktion publizistischer Inhalte durch Redaktionen“ ausgegangenen
werden. Auch nach Baumerts (1928, S. 8) eigener Definition, der zufolge Journalismus der „Inbegriff der zur
allgemeinen und aktuellen Nachrichtenbefriedigung erforderlichen geistigen Faktoren [ist], die in Ausübung
von Korrespondenz, schriftstellerischen und redaktionellen Funktionen vornehmlich in der Tagespresse zu-
sammenwirken“, müssen Phase zwei und drei defizitär erscheinen. Dennoch sollen hier Baumerts Bezeichnun-
gen übernommen werden. Korrekter wären aber in der Tat Bezeichnungen wie „Periode der korrespondieren-
den Funktion des späteren Journalismus“ und „Periode der schriftstellernden Funktion des späteren Journalis-
mus“. Um derartige Wortungetüme zu umgehen, wird die begriffliche Ungenauigkeit in Kauf genommen.
137 Dabei kann zwischen zwei sozial getrennten präjournalistischen Formen, der populären Mundpublizistik auf
Märkten und Volksfesten – vor allem der Bänkelgesang der Barden und fahrenden Leute – sowie den geschrie-
benen internen Korrespondenzen des Adels und der handeltreibenden bürgerlichen Stände unterschieden wer-
den (vgl. Koszyk/Pruys 1969, S. 169; Baumert 1928, S. 21). Beide erfüllten Aufgaben, die auch für den heutigen
Journalismus als konstitutiv angesehen werden, ohne aber schon eigenständig als journalistische Formen gelten
zu können. Die Mundpublizisten waren in der Regel Ausgangspartner bzw. Quelle, Berichterstatter und Me-
dium in einer einzigen Person. Nimmt man ihre Erzählungen als Ausgangspunkt der journalistischen Berufsge-
schichte, dann lässt sich diese auch als Geschichte der Ausdifferenzierung dieser verschiedenen Rollen schrei-
ben, regt Hömberg (1987, S. 625) an.
138 Vgl. zur Frühgeschichte des Journalismus auch: Kieslich 1966.
139 Pürer und Raabe (1994, S. 32ff.) ergänzen die Abfolge um eine fünfte Phase, deren Beginn sie etwa Mitte der
1970er Jahre verankern: eine Phase des redaktionstechnischen Journalismus, die sich angesichts der Verände-
rungen in der technischen Ausgestaltung abgrenzen lässt. Auf diese aktuelle fünfte Phase soll in den histori-
schen Betrachtungen zum Strukturwandel der Öffentlichkeit zunächst nicht weiter eingegangen werden. Die
Implikationen einer Weiterentwicklung des Journalismus werden allerdings im Untersuchungskapitel zu den
systemischen Bedingungen journalistischen Handelns noch eine Rolle spielen. Ob eine solche fünfte Phase in-
nerhalb der Systematik Baumerts überhaupt Sinn hat, sei an dieser Stelle dahin gestellt. Zweifel ergeben sich
zumindest aus dem Umstand, dass Baumert die verschiedenen Phasen formal nach den erfüllten Funktionen
des Journalismus voneinander abgrenzt und nicht nach den technischen Umständen ihrer Durchführung. Zum
aktuellen Wandel des Journalismus vgl. allgemein die Beiträge in Behmer u.a. 2005 oder Hohl-
feld/Meier/Neuberger 2002.
140 Vgl. Baumert 1928, S. 83f.
2 Historische Grundlagen des Journalismus 123

2.1.1 Korrespondierender Journalismus

Für die historische Herausbildung einer bürgerlichen Öffentlichkeit ist Habermas zufolge
maßgeblich die Durchsetzung einer sachlich informierenden Presse in der Periode des korres-
pondierenden Journalismus verantwortlich.141 Eine „Presse im strengen Sinne“ war dabei für
Habermas erst gegeben,
„[…] seitdem die regelmäßige Berichterstattung öffentlich, wiederum: dem Publikum allgemein zugänglich,
wird. Das aber geschieht erst Ende des 17. Jahrhunderts. Bis dahin ist der alte Kommunikationsbereich der
repräsentativen Öffentlichkeit durch den neuen einer publizistisch bestimmten Öffentlichkeit nicht grund-
sätzlich bedroht. Die gewerbsmäßig vertriebenen Nachrichten werden noch nicht publiziert; die unregelmäßig
publizierten Neuigkeiten sind noch nicht zu Nachrichten versachlicht.“142

Die heutzutage verfügbaren historischen Daten jedoch zeigen, dass sich ein derartig informie-
rendes Zeitungswesen bereits zur Mitte des 17. Jahrhunderts voll entfaltet hatte und weitrei-
chende Publizität des Politischen zu diesem Zeitpunkt als gegeben unterstellt werden konn-
te.143 Dass die Idee bürgerlicher Öffentlichkeit dennoch erst gegen Ende des 17. Jahrhunderts
aufkam, kann daraus erklärt werden, dass für diese Form der Öffentlichkeit die Nachrichten-
presse eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung ist. Die rein referierenden Medien-
angebote, die seit Beginn des 17. Jahrhunderts erhältlich waren, stellten für sich genommen
kaum eine ernsthafte Anfechtung der etablierten repräsentativen Öffentlichkeit dar.144
In den gedruckten Nachrichtenblättern des 17. Jahrhunderts wurden einlaufende Korres-
pondenzen „unsortiert, unredigiert, unkommentiert“ aneinandergereiht.145 Gedruckt wurde,
was seit der letzten Ausgabe an Neuigkeiten eingegangen war146; es gab von wenigen Ausnah-
men abgesehen „keine Schlagzeilen, keinen typographischen oder illustrativen Blickfang, keine
räsonierende oder an die Instinkte der Leser appellierende Berichterstattung, kaum unterhal-
tende Elemente“147. Die frühen Zeitungen konzentrierten sich auf die Übermittlung von
Neuigkeiten, während der Streit der Meinungen eher über die nichtperiodische Publizistik der
Flugschriften ausgetragen wurde.148 Kommentare wurden noch bis zum Ende des 17. Jahr-
hunderts von zeitgenössischen Autoren als nicht statthaft erachtet. So schreibt zum Beispiel
Kaspar von Stieler 1695:

141 Habermas kritisiert den zuvor beherrschenden Sensationalismus der Einblattdrucke scharf. Diese Form der
Berichterstattung hätte verhindert, dass Ereignisse rational behandelt werden könnten. Vielmehr seien sie in
metaphysische Kontexte überhöht worden: „Damit wird die Neuigkeit der historischen Sphäre der ‚Nachricht‘
enthoben und, als Zeichen und Wunder, in jene Sphäre der Repräsentation zurückgenommen, in der eine ritua-
lisierte und zeremonialisierte Teilnahme des Volkes an der Öffentlichkeit bloße, einer selbständigen Interpreta-
tion unfähige Zustimmung gestattet.“ (Habermas 1990, S. 73, Fußnote 35)
142 Habermas 1990, S. 72
143 Vgl. Weber 2002a, S. 17f. Ukena (1977, S. 45) geht davon aus, „[…] daß seit Anfang des 17. Jahrhunderts eine
‚breite Öffentlichkeit‘ regelmäßig über aktuelles Geschehen informiert worden ist“.
144 Vgl. Weber 1997b, S. 142f. Er vermutet, dass „die fehlende journalistische Aufbereitung der Nachrichten in
den frühen Blättern“ ein wichtiger Grund dafür sein dürfte (Weber 2002a, S. 18). Insofern ist davon auszuge-
hen, dass nicht die nachrichtliche Presse, sondern erst das Aufkommen räsonierender Journale die Veränderung
öffentlicher Strukturen anzeigen, die sich dann in der Durchsetzung einer kritisch-aufklärerischen, bisweilen
auch unterhaltenden (Volks-)Publizistik entfalteten (vgl. ebd.; Böning 1997; Pöttker 2002a).
145 Weber 1999, S. 23
146 Vgl. Stöber 2000, S. 63
147 Böning 2000, S. 188. Durch die Art der Aufmachung in diesen frühen gedruckten Zeitungen blieb die „elitäre
Struktur“ (Weber 1994, S. 51), die bereits die älteren handgeschriebenen Zeitungen gekennzeichnet hatte, weit-
gehend erhalten.
148 Vgl. Weber 1999, S. 44
124 III Die Idee der Öffentlichkeit – Historische Grundlagen des Journalismus

„Denn man lieset die Zeitungen darüm nicht / daß man daraus gelehrt und in beurteilung der Sachen ge-
schickt werden / sondern das man allein wissen wolle / was sich hier und da begiebet“149

Qualitative Vermittlungserwägungen spielten zu Anfang ohnehin weder für die Korresponden-


ten noch für die Herausgeber der Zeitungen eine Rolle. Die Korrespondenten waren in der
Regel Fachleute wie Beamte oder Militärs; sie schrieben „faktographisch und staubtrocken in
ihrer Sprache, der des Diplomaten, Staatsrechtlers oder Offiziers, für ihresgleichen“ und hatten
keinerlei Absicht, „[…] einem weniger einschlägig gebildeten Leserkreis entgegenzukom-
men“.150 Die Herausgeber der Zeitungen hingegen spekulierten vorwiegend auf ökonomische
Gewinne und übernahmen die eingehenden Berichte unverändert, um Bearbeitungskosten zu
sparen.151
Für Bürger, die über kein oder nur geringes Vorwissen verfügten, war angesichts des Feh-
lens von Gestaltungs- und Verständigungselementen die Barriere zur Rezeption von Zeitungen
hoch. Es blieb dem Einzelnen überlassen, aus dem kontinuierlichen Fluss der Nachrichten das
Wichtige herauszufiltern oder die Kontexte herzustellen.152 Formal trat Publizität zwar an die
Stelle sozialer Exklusivität der Berichterstattung, materiell allerdings war es wohl zunächst nur
einem kleineren Teil der Gesellschaft überhaupt möglich, die Berichte in den ersten Zeitungen
angemessen zu rezipieren und zu verstehen.
Auch wenn die frühe nachrichtliche und periodische Presse alleine nicht die Grundlage ei-
ner diskutierenden Öffentlichkeit bilden konnte, so begründete sie doch ein für ihre Entwick-
lung fundamentales Prinzip: Sie schuf die Möglichkeit, regelmäßig aktuelle Informationen zu
beziehen, und machte den politischen Arkanbereich im Verlauf des 17. Jahrhunderts zumin-
dest transparenter153; Informationen verloren zunehmend den Status der Exklusivität.154 Die
lokalen und regionalen Grenzen mittelalterlicher ‚Öffentlichkeit‘ wurden angesichts der neuen
Medien durchlässiger.155 Ein nach Ansicht von Wilke „irreversibler Prozeß der formellen
medialen Institutionalisierung von öffentlicher Kommunikation“ hatte eingesetzt.156

149 von Stieler, Kaspar (1695): Zeitungs Lust und Nutz. o.O., Buch 1, Kap. 1. zit.n. Weber 1997a, S. 44f.
150 Weber 2002a, S. 18
151 Die ursprüngliche Motivation zur Herausgabe der gedruckten Zeitungen war oft ökonomisch. Johann Carolus
zum Beispiel führte in der Supplik an den Rat der Stadt Straßburg, in der er 1605 um Erlaubnis für die Heraus-
gabe der heute als älteste Zeitung geltenden Publikation bat, ausschließlich betriebswirtschaftliche Gründe für
sein Vorhaben an. Weber (2002a, S. 16) betont in seiner Auseinandersetzung mit der Supplik: „Das heißt aber
zugleich: Nicht der Hauch eines journalistischen Gedankens steht am Anfang der gedruckten periodischen
Nachrichtenpresse! Es handelt sich, wie bei der Avisenschreiberei, immer noch um ein reines Dienstleistungs-
gewerbe im Horizont vordemokratischen Herrschaftsinstrumentariums.“
152 Das entsprach zwar der Rezeptionsweise, die die Mitglieder akademischer Kreise anhand der handschriftlichen
Avisen eingeübt hatten, ging damit aber weitgehend an den Kapazitäten der ‚einfachen‘ Bevölkerung vorbei, die
bislang ausschließlich mit Einblattdrucken oder ‚Newen Zeitungen‘ in Kontakt gekommen war.
153 Vgl. Weber 1997a, S. 13
154 Vgl. Weber 1999, S. 23
155 Vgl. Wilke 2000, S. 39
156 Wilke 1984a, S. 218. Mit den ersten periodischen Druckerzeugnissen wurde die Publizität, die öffentliche
Verbreitung politischer Information so weit standardisiert und verstetigt, dass rückblickend eine eigenständige
gesellschaftliche kommunikative und informatorische Infrastruktur rekonstruierbar ist Aufs Ganze betrachtet
hatte die Etablierung des Zeitungsdrucks weitreichende Folgen auf den gesellschaftlichen Umgang mit Nach-
richten, die sich in folgenden Entwicklungen niederschlagen:
• „Institutionalisierung der Nachrichtenbeschaffung
• Verselbständigung der Nachrichtenbeschaffung
• Verstetigung der Nachrichtenübermittlung
• Beschleunigung der Nachrichtenübermittlung
• Verstetigung der Produktion
2 Historische Grundlagen des Journalismus 125

Die Nachrichtenpresse, die sich zunächst noch unter autokratisch-monarchischen Umstän-


den entfaltete, bildete in der Folge eine Grundlage für die Aufklärungsziele einer entstehenden
bürgerlichen Öffentlichkeit.157 Nachrichtenrezeption ermöglicht bereits eine „defensive Orien-
tierung“ und „eine allgemeine Erweiterung des Welthorizonts“.158 Die frühen Zeitungen der
von Baumert als Periode des korrespondierenden Journalismus bezeichneten Entwicklungs-
phase ragten durch „die Publizierung von Politischem bereits grundsätzlich aus dem Legitima-
tions- und Funktionsgefüge traditionaler Herrschaftssysteme“ heraus.159 Politik und politische
Akteure wurden so zum legitimen Gegenstand öffentlicher Diskussion der Untertanen. Eine
Entwicklung, welche „die sozialpsychisch fundamentale Voraussetzung von Aufklärung und
politischer Moderne“ markiert.160 In diesem Sinne gehörten die frühen Zeitungen noch nicht
genuin zur Aufklärung, sondern sie bereiteten sie vor, indem sie sicher geglaubte Annahmen
durch Berichterstattung in Frage stellten. Das rationale Räsonnement der bürgerlichen Öffent-
lichkeit beruhte auf einer Grundlage regelmäßiger Information, die von den Zeitungen gewähr-
leistet werden konnte. Indem die frühe politische Zeitung diese Aufgabe erfüllte wurde sie zu
„einem konstituierenden Medium der demokratischen Moderne“161 – obwohl ihre Geschäfts-
grundlagen und ihre Handlungsspielräume noch beinahe vollständig von der absolutistischen
Gesellschaftsordnung geprägt sind.

2.1.2 Schriftstellernder Journalismus

Erst in dem Moment aber, in dem sich auf Basis des informierenden Pressewesens ein Journa-
lismus entwickelt, der für Verbindungslinien zwischen den versprengten Einzelnachrichten
sorgt, sich auch um Fragen der Rezeptionsfreundlichkeit und der (literarischen) Aufbereitung
kümmert, selbst dem Räsonnement verpflichtet ist und somit in eine Vorbildfunktion für die
bürgerlichen Zirkel eintritt, entsteht eine publizistisch bestimmte bürgerliche Öffentlichkeit.162

• Herausbildung der Periodizität und der Verkürzung der Perioden


• Beschleunigung der Produktion
• Herausbildung und Verstetigung der Distribution
• Verbilligung der Produktion
• Formatierungen von Inhalten und Formen
• Öffnung des Zugangs für neue und andere Publika“ (Schanne 2001, S. 57f.).
157 Vgl. Blöbaum 1994, S. 145: „Dem Postulat der Aufklärung kommt die Nachricht entgegen. Sie entspricht dem
Selbstverständnis der Aufklärung, sich Bildung in Form von Wissen anzueignen. Informationen werden vermit-
telt, und es bleibt dem Leser überlassen, sich eine eigene Meinung zu bilden. Die Nachricht übernimmt diese
Leistung, sie gibt Ereignisse ohne Beurteilung wieder. […] Mit der Nachricht bildet sich die journalistische
Form, die gewissermaßen die Grundidee der Aufklärung konsequent umsetzt: die Vermittlung von Informatio-
nen, damit sich der Leser selbst aufklären kann.“
158 Weber 1997b, S. 144
159 Weber 1999, S. 33. Die Transparenz des Arkanbereichs der Politik verhindert Mystifizierung und macht Kritik
möglich (vgl. Weber 2002a, S. 21f.).
160 Weber 2002a, S. 22; ähnlich schon früher Blühm 1977, S. 62f.
161 Weber 1999, S. 24
162 Vgl. Weber 1994, S. 153. Bis weit ins 18. Jahrhundert hinein verhinderten auch die Zensur und das Privilegien-
wesen in Deutschland, dass sich die Zeitungen der Meinungsäußerung und dem Räsonnement öffneten, wäh-
rend die Entwicklung in anderen Ländern, vor allem in England, schon deutlich weiter fortgeschritten war (vgl.
z.B. die von Wilke 1984b dokumentierte Debatte über die Pressefreiheit.). Innerhalb der deutschsprachigen
Publizistik aber wurde das Defizit an Orientierungs- und Deutungsangeboten, das für viele weniger gebildete
Schichten aus der faktenorientierten und wenig einladenden Berichterstattung der frühen Zeitungen erwuchs,
durch andere Medienangebote kompensiert, die das Vor- und Kontextwissen zum Verständnis der vorausset-
126 III Die Idee der Öffentlichkeit – Historische Grundlagen des Journalismus

Das geschieht, als Ende des 17. Jahrhunderts neben den korrespondierenden der schriftstellernde
Journalismus trat, der nicht mehr nur der rein relatorischen Korrespondenzberichterstattung
dienen sollte, sondern vor allem Aufgaben der Kommentierung und der rezipientengerechten
Aufbereitung leistete.163 Viele seiner Protagonisten folgten den Idealen der Aufklärung und
versuchten diese Ideale in dem Kreis derjenigen zu verbreiten, die für politische Veränderun-
gen und Demokratisierung eintraten.164 Für Engelsing markiert dieser Übergang den Ursprung
des Journalismus, den er geistesgeschichtlich im Publikationshandeln von Humanisten veran-
kert, die nicht mehr nur für ein Gönnerpublikum schrieben, sondern sich an ein weiteres und
allgemeines Publikum, an eine Öffentlichkeit, richteten.165 In der schriftstellernden Funktion
liegt der Kern eines Journalismus-Ideals, das bis ins 20. und 21. Jahrhundert hinein große
Bedeutung besitzt.166
Zunächst setzte sich das Räsonnement in den neu entstehenden Zeitschriften durch.167 Bis
der schriftstellernde Journalismus auch den Referatsbereich der Zeitung maßgeblich prägen
konnte, sollten noch mehr als 100 Jahre vergehen.168 Ziele des Räsonnements in kommentie-
renden und schriftstellernden Formate sind, Orientierung für die Leser zu gewährleisten und
als ein Sprachrohr für gesellschaftliche Gruppen zu fungieren, die selbst keinen Zugang zur

zungsreichen Zeitungstexte lieferten. Das waren zunächst die historisch-politischen Journale, die seit den 70er
Jahren des 17. Jahrhunderts herausgegeben wurden.
163 Vgl. Baumert 1928, S. 35ff.
164 Die Publizistik und der Journalismus der Aufklärungsepoche verbreiteten die neuen Ideen rasant. Akademiker
begannen zunehmend selbst Zeitungen und vor allem Zeitschriften zu publizieren, mit denen sie in den Aufklä-
rungsdiskurs einzugreifen gedachten (vgl. Greiling 2000, S. 83). Das Ergebnis war nicht selten eine soziale Ex-
klusivität, durch die Zeitungen lange Zeit auch aufgrund ihrer Akademisierung gekennzeichnet waren. Blöbaum
(1994, S. 164) pointiert diesen Umstand: „Bildungsbürger machen Zeitung für Bildungsbürger.“ Wie exklusiv
ein derartiger Journalismus gewesen ist – darüber lassen sich allerdings sehr wohl divergierende Urteile finden.
Während Blöbaum die aufklärerische Wirkung auf eine kleine Bevölkerungsschicht begrenzt sieht, beschreibt
Engelsing (1966, S. 275) die inklusive und sich sukzessive selbst erweiternde Wirkung dieses Aufklärungshan-
delns.
165 Vgl. Engelsing 1966, S. 46. Durch eine Akademisierung der Zeitungsschreiber wurde auch die Grenze zu
‚Publizisten‘ fließend, die nicht Nachrichten vermittelten, sondern Meinungen publizierten, um öffentliche De-
batten zu beeinflussen (vgl. Weischenberg 1981a, S. 97; Koszyk/Pruys 1969, S. 170).
166 Vgl. von Studnitz 1983, S. 186ff.
167 In der nichtperiodischen politisch-räsonierenden Publizistik und in der regelmäßigen Zeitungsberichterstattung
sind die Wurzeln der ersten deutschen politischen Zeitschrift zu finden (vgl. Weber 1994, S. 148ff.). Böning
(1997, S. 155f.) verweist auf die Nachrichtenpresse, auf gelehrte Gesellschaften und gelehrte Briefwechsel als
Wurzeln des Zeitschriftenwesens. Zeitschriften entlehnen ihre materielle Form der Zeitung und ihren inhaltli-
chen Stil des Diskurses der Gesellschaften. Vereinfacht formuliert: „politische Zeitschrift = (monatlicher) Zei-
tungsextrakt + Räsonnement“ (Weber 1994, S. 109). 1674/75 entstand mit dem ‚Verkleideten Götter=Bothen Mer-
curius‘ in Nürnberg ein eigenständiger Typus des historisch-politischen Journals; er kann als das erste „politisch
diskursive Periodikum“ auf deutschem Boden, als „Urgestalt der politischen Zeitschrift“ begriffen werden
(Weber 1994, S. 52). Neben den historisch-politischen Journalen entstanden auch die unterhaltsamen und er-
zieherisch wirkenden ‚moralische Wochenschriften‘, die über kulturelle Entwicklungen informierenden und kri-
tisierenden ‚Rezensionszeitschriften‘ und die aufklärerischen und kritischen Gelehrten-Zeitschriften (vgl. Lin-
demann 1969, S. 182ff.; Wilke 2000, S. 76f.).
168 Vgl. Groth 1948, S. 55ff. Insgesamt ist während des 18. Jahrhunderts zu beobachten, dass auch die bislang
nachrichtlich orientierte Zeitung unter Veränderungsdruck geriet. Hatte sie sich bislang dem Räsonnement bis
auf wenige Ausnahmen fast vollständig verschlossen, so bildete nun der so genannte ‚gelehrte Artikel‘ gleich-
sam das ‚Einfallstor‘, über das Kommentar und Meinung auch in die Nachrichtenblätter eindrangen (vgl. Bö-
ning 1997, S. 155). Diese Texte boten weiterführende geschichtliche, geographische oder auch biographische
Informationen zu den meist kaum kontextualisierten und daher schwer verständlichen aktuellen Meldungen.
Zum ersten Mal sind solche Anmerkungen als Textannotationen im Jahre 1700 in einer Leipziger Tageszeitung
nachzuweisen (vgl. Weber 2002b, S. 131). Gegen Mitte des 18. Jahrhunderts hatten sich solche räsonierende
Kommentare, die die Nachrichten begleiteten, in den Zeitungen etabliert (vgl. Böning 2000, S. 202).
2 Historische Grundlagen des Journalismus 127

öffentlichen Kommunikation hatten.169 Angesichts daraus erwachsender Erwartungen diente


die Presse zunehmend nicht mehr nur der Nachrichtenübermittlung, sondern auch der Erörte-
rung politischer Angelegenheiten.170 Wilke stellt einen „grundlegendem Funktionswandel von
einem reinen Informationsmedium zu einem Medium auch der Meinungsbildung und der
Unterhaltung“ fest.171
Journalistische Zeitungen und vor allem die neuen Zeitschriften wurden nicht mehr als
Vermittlungsagenturen andernorts produzierter Nachrichten verstanden, sondern sie emanzi-
pierten sich zu eigenständigen Plattformen gesellschaftlicher Diskurse. Die Presse der Aufklä-
rungszeit nahm sich aktiv der Aufgabe an, zu orientieren und nicht nur Nachrichten, sondern
auch Werte und Werturteile, seien es eigene oder seien es fremde, zu vermitteln. Neben das
idealtypische Verständnis des profitorientierten Nachrichtendruckers trat hier der geistig
unabhängige Journalist bzw. Publizist. In dieser Phase entwickelte sich damit erstmals ein
eigenständiges Verständnis von Journalismus, das sich nicht mehr auf eine kommerzielle
Nebentätigkeit bezieht, sondern als geistige, intellektuelle Arbeit gesellschaftliche Wirksamkeit
anstrebt.172
In der Phase des schriftstellernden Journalismus wurde neben der geistigen Unabhängigkeit
des Journalisten eine weitere grundlegende professionelle Maxime fundiert, die im Journalis-
mus bis heute Gültigkeit beansprucht: die aufklärerisch begründete Popularisierung journalis-
tisch-medialer Angebote, die ihren Ausdruck in vermehrten Anstrengungen um eine rezep-
tionsfreundliche Gestaltung der Berichterstattung findet. Das Ziel, so ein zeitgenössischer
Autor, müsse eine „edle Popularität“ sein.173 Aus dem zunächst eher regulativen Prinzip
unumschränkter Publizität wurde so zunehmend eine soziale ‚Tatsache‘, indem die Zugangs-
barrieren durch Formate wie die ‚Moralischen Wochenschriften‘ oder die volksaufklärerische
Publizistik gesenkt wurden.174 Gerade Journalismus wird an diesem historischen Punkt zum
Träger öffentlicher Kommunikation, d.h. des Austausches über die Belange der gegenwärtigen
Situation in praktischer, bisweilen emanzipatorischer Absicht. Der schriftstellernde Journalis-
mus räsonierender Privatleute bildete somit ein zentrales Fundament der bürgerlichen Öffent-
lichkeit, seine Protagonisten waren Rollenvorbilder in einer sich aufklärenden und demokrati-
sierenden Gesellschaft. Im Journalismus wurde die Rolle des politisch mündigen Staatsbürgers
beispielhaft verwirklicht, urteilt Baum:
„Insbesondere die gelehrten Schreiber eines aufgeklärten ‚literarischen Journalismus‘ wiesen (in Konkurrenz
zu den herkömmlichen, nebenberuflichen Nachrichtentransporteuren: den Avisenschreibern sowie den staat-
lich alimentierten Intelligenzberufen) als erste jenen exemplarischen Weg, den, wenigstens der Idee nach, alle
zu beschreiten vermochten. […] Wenn überhaupt irgendwo eine Verflüssigung tradierter Strukturen und
Wertvorstellungen stattfand, dann wohl im Journalismus.“175

169 Vgl. Körber/Stöber 1994, S. 217


170 Vgl. Bücher 1926, S. 19
171 Wilke 1984a, S. 112
172 Vgl. Groth 1948, S. 86
173 Vgl. Journal von und für Deutschland 1791, zit.n. Blühm/Engelsing 1967, S. 139. Im Zusammenhang heißt es
dort: „Deutlich, umständlich, ohne schleppend, fliessend, ohne fade zu seyn, in einem natürlichen guten Zu-
sammenhang, anschauend und lebhaft, ohne ins Schöne zu mahlen, erzähle der Zeitungsschreiber. Vor allem
sey er dessen eingedenk, was er als Volksschriftsteller zu beobachten hat, und befleissige sich als solcher einer
edlen Popularität.“
174 Vgl. Pöttker 2002a
175 Baum 1994, S. 89
128 III Die Idee der Öffentlichkeit – Historische Grundlagen des Journalismus

Die Zeitschriften waren der Ort, an dem im 18. Jahrhundert so intensiv wie nirgends sonst die
künftige Entwicklung des Gemeinwesens diskutiert wurde. Sie boten nicht nur Informationen
über gesellschaftliche Zustände, sondern Möglichkeiten des Austausches und der zunehmen-
den aufklärerischen Popularisierung intellektueller Debatten.176 Natürlich beruhte dieses
öffentliche Gespräch auf dem Schein einer Gleichheit von Besitz und Bildung, die es faktisch
nie gegeben hat, aber in seiner Logik folgte es vornehmlich den Regeln der Sprache, zu der die
kommunikative Kompetenz des Individuums das einzige Zugangskriterium bildete.177

2.1.3 Redaktioneller Journalismus

Im 19. Jahrhundert veränderte sich das Profil des Journalismus erneut: Nachrichtensammlung
und -verarbeitung waren nicht mehr nebenberuflich zu bewältigen, so dass neben die bisher
zum Teil erfolgte Trennung zwischen Zeitungsverlegern und korrespondierenden oder schrift-
stellernden Journalisten178 eine deutlich weitergehende Ausdifferenzierung redaktioneller
Arbeit tratt.179 Nicht mehr Korrespondenz oder Schriftstellerei, sondern die Redaktion bildet
seitdem den „geistigen Schwerpunkt des Journalismus“, wie Baumert betont.180 Angesichts des
stets anwachsenden Nachrichtenflusses in einer industrialisierten Welt, und angesichts der
Verbesserungen des Nachrichtenwesens durch die neuen Korrespondenzbüros, sind es vor
allem die Redakteure, die durch Auswahl und Bearbeitung des eingehenden Stoffes für Orien-
tierung zu sorgen haben. Im redaktionellen Journalismus werden die beiden bislang weitgehend
getrennten Journalismusfunktionen in neu entstehenden Redaktionen zusammengeführt und
um eine weitere ergänzt. Der redaktionelle Journalismus integriert:
• die korrespondierende Leistung in der nachrichtlichen Berichterstattung (Vermittlung, Referat),
• die schriftstellernde Leistung in Kommentaren und Feuilletons (Räsonnement),
• die redigierende Leistung in der Auswahl und Bearbeitung eingehender Nachrichten.181
Zum Hauptmerkmal der Redakteurstätigkeit wird vor allem die redigierende Leistung, das
Auswählen und Bearbeiten fremder Texte:

176 Vgl. Böning 1997, S. 157


177 Vgl. Baum 1994, S. 91; vgl. auch Schneider 1992, S. 284: „Wie in der Antike, so gibt es am Ende des 18.
Jahrhunderts wieder eine Öffentlichkeit der Sprache und der Sprechenden.“
178 Schon mit der Drucklegung der ersten Zeitungen kommt es zu Rollendifferenzierungen in dem Tätigkeitsspekt-
rum, das später einmal die journalistischen Berufe umfassen wird: Während oftmals akademisch gebildete Kor-
respondenten nebenberuflich die Inhalte der Zeitungen und Einblattdrucke lieferten, wurden Herausgabe und
Verlag ebenso wie – in seltenen Fällen – Aufbereitung und ‚Redaktion‘ von Druckern, Postmeistern oder
Buchhändlern als Inhabern der Zeitungen organisiert (vgl. Weber 1997a, S. 23f.; Körber/Stöber 1994, S. 214;
Hömberg 1987, S. 625). Mit der v.a. im 18. Jahrhundert einsetzenden Ausdifferenzierung verschiedener Me-
dienangebote ging eine weitere Präzisierung journalistischer Berufsrollen einher. Vor allem den größeren und
bedeutenderen Zeitungen und Zeitschriften war es angesichts der Vergrößerung des Lesepublikums und damit
der Auflagen möglich, eigene Korrespondenten und Redakteure anzustellen oder zu finanzieren (vgl. Böning
1997, S. 154ff.); auch die Zeitungsverleger begannen sich zu akademisieren (vgl. Lindemann 1969, S. 32f.). All-
mählich entwickelte sich das Zeitungsschreiben zum eigentlichen Hauptberuf bestimmter Gruppen – seien es
diplomatische Vertreter oder Botschafter, Kaufleute oder Drucker, Studierende oder Professoren (vgl. Kieslich
1973, S. 124). Die Ausnahmen waren die schriftstellernden Journalisten, die ihre eigenen, meist kurzlebigen
Journale oft ohne Rücksicht auf kommerzielle Hintergründe verlegten (vgl. z.B. Brandes 1987).
179 Vgl. Hömberg 1987, S. 625f.
180 Baumert 1928, S. 77
181 Vgl. ebd., S. 47ff.
2 Historische Grundlagen des Journalismus 129

„Mit Selektion beginnt Journalismus. Jeder Selektion, sei es Kürzen einer Nachricht, sei es die Bevorzugung
einer Meldung vor anderen, liegt ein Entscheidungsprogramm zugrunde. In dem Maße, wie sich ein Hand-
lungsprogramm herausbildet und verfestigt, entsteht moderner Journalismus. Die organisatorische Form, in
der diese Programme realisiert werden, wird die Redaktion.“182

Das vom frühen redaktionellen Journalismus verarbeitete Textmaterial stammte wie bisher
meist entweder aus ausländischen Zeitungen oder von Korrespondenten. Dass mit dieser
stärkeren Bearbeitung des vermittelten Materials auch Veränderungen in der Form einhergin-
gen, lässt sich exemplarisch daran nachweisen, dass die Nachrichten in den Zeitungen ab Mitte
des 19. Jahrhunderts zunehmend an der angenommenen Wichtigkeit der Fakten orientiert
wurden und weniger am chronologischen Referat. Vor allem in den neu entstehenden Tages-
zeitungen fanden sich journalistisch-redaktionelle Leistungen – mehr oder weniger stark
ausgeprägt – wieder. Die redaktionelle Betreuung eines Blattes war ab Mitte des 19. Jahrhun-
derts schon deshalb notwendig, um sich durch die Gewährleistung entsprechender Qualität in
der Berichterstattung am Markt behaupten zu können.183
Der redaktionelle Journalismus ist ein Kennzeichen der Verberuflichung des Handelns in
der ökonomisch zunehmend attraktiven Massenpresse.184 Tätigkeiten im korrespondierenden
oder schriftstellernden Journalismus waren in der Regel noch keine eigenständigen Berufe,
sondern bildeten oftmals nur Durchgangsstationen oder Nebengleise zu anderen akademi-
schen Tätigkeiten.185 Im Laufe des 19. Jahrhunderts aber verdrängten hauptberufliche Redak-
teure zunehmend die nebenberuflichen; der Beruf wurde direkter angestrebt, in jüngerem Alter
ergriffen und oft als Lebensberuf ausgeübt.186 Die Durchsetzung der ‚Massenpresse‘ machte es
notwendig, Redakteure zu festen Angestellten eines Verlegers zu machen. Sie gewannen so
materielle Sicherheit, verloren aber zum Teil ihre Selbstständigkeit.187
Zeitungen wurden zu einem lukrativen Geschäft, weil technische Neuerungen hohe Aufla-
gen ermöglichten188 und dadurch die Querfinanzierung der Vertriebsausgaben durch steigende
Anzeigeneinnahmen möglich wurde.189 Ein Umstand, der Bücher Anfang des 20. Jahrhunderts
zu seinem ebenso berühmten wie sarkastischen Diktum veranlasste, „[…] daß durch die ganze
Presse hin die Zeitung den Charakter einer Unternehmung hat, welche Anzeigenraum als Ware
produziert, die nur durch einen redaktionellen Teil absetzbar wird“.190 Das Ökonomische, das schon zur
Entstehung der Zeitung geführt hat, wird nach dem Zwischenspiel der meist nur geringfügig
marktgängigen Aufklärungszeitschriften wieder bedeutender für die Presse. In dem Moment,
in dem das Presse- und Medienwesen angesichts weiter fortgeschrittener Demokratisierungs-

182 Blöbaum 1994, S. 136


183 Vgl. ebd., S. 142ff.
184 Vgl. Körber/Stöber 1994, S. 219
185 Für die Epoche des frühen Journalismus gerade der Zeitschriften und Journale ist davon auszugehen, dass
publizistische oder journalistische Tätigkeiten stark intrinsisch motiviert gewesen sein müssen, um die schlech-
ten sozialen und materiellen Bedingungen, unter denen sie geleistet wurden, wenigstens annähernd zu kompen-
sieren (vgl. Weber 1994, S. 78). Prototypisch zeigt sich das auch in den vielen Zeitschriften, die mit dem Na-
men ihres alleinigen Herausgebers und seinem Programm eng verknüpft sind, weil sie weniger einer abstrakten
journalistischen Aufgabe dienen sollten, als der Durchsetzung konkreter politischer Ziele. Körber und Stöber
(1994, S. 219) vermuten, dass auch die akademisch gebildeten Journalisten, die von den ersten Qualitätsblättern
eingestellt wurden, nicht selten engagierte Demokraten oder Liberale waren, die sich zunächst keine Hoffnung
auf eine anderweitige, z.B. staatliche oder universitäre Anstellung machen durften.
186 Vgl. Requate 1995, S. 237
187 Vgl. Blöbaum 1994, S. 252
188 Vgl. Stöber 2000, S. 113ff.; Dröge/Kopper 1991, S. 85
189 Vgl. Stöber 2000, S. 156ff.
190 Bücher 1926, S. 20f.
130 III Die Idee der Öffentlichkeit – Historische Grundlagen des Journalismus

tendenzen von der Aufgabe der aktiven Durchsetzung politischer Ziele (wie der Pressefreiheit)
zunehmend freigestellt ist, kann es sich im Zuge seiner Kapitalisierung stärker auf die profit-
orientierte Produktion von Angeboten für ein konsumierendes Publikum konzentrieren.191 An
diese Entwicklung knüpft das Gros der damaligen zeitgenössischen und auch der nachfolgen-
den Pressekritik an.192 Auch Habermas steht in dieser Tradition, wenn er den ‚Verfall‘ der
räsonierenden Öffentlichkeit zum kulturkonsumierenden Publikum vorwiegend der Entwick-
lung der Massenpresse anlastet.193 Geiger wiederum beklagt einen ‚Verrat‘ der Presse an ihrem
‚Beruf‘.194 Aus einem aufklärerischen Instrument sei im Zuge der Ausweitung der Leserschaft
ein Agitationsinstrument geworden:
„Es ist von untergeordneter Bedeutung, ob die journalistische Nebelbildung parteipolitischen Zwecken oder
den Interessen einer das Blatt kontrollierenden Kapitalmacht dient oder endlich den Wünschen gewisser
Großannonceure entgegenkommt. So oder so ist die wirklich unabhängige Tageszeitung zur seltenen Aus-
nahme geworden. Redakteure und besoldete Journalisten befinden sich in einer wenig beneidenswerten Lage.
Zwischen dem, was ihr Publikum gerne lesen und dem, was ihre Brotgeber gerne gedruckt sehen wollen,
bleibt ihnen wenig Spielraum.“195

Engelsing weist darauf hin, dass der Journalismus in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts
nicht nur seinen Rezipientenkreis erweiterte, sondern zugleich seinem Publikum „über den
Kopf wuchs“.196 In dem Maße, in dem sich ein eigenständiger journalistischer Beruf in Abhän-
gigkeit kommerzieller Medienbetriebe herausprägte, endete auch die enge Zusammenarbeit mit
dem Publikum, das lange Zeit weite Teile der Zeitungen und Journale selbst bestritten hatte.
Die Zeitungsdrucker richteten sich in ihren Interessen an den Anzeigen der Wirtschaft oder
aber an den Abonnenten der Parteien aus, um ihre Blätter am Markt erfolgreich zu platzieren.
Die gewachsene Partnerschaft mit dem Journalisten wich einem dauerhaften Abhängigkeits-
verhältnis des Journalisten.197 Die kommunikative Aufgabe des Journalismus gerät an diesem
Punkt gegenüber der ökonomischen Profitlogik des sich entfaltenden Mediensystems ins
Hintertreffen. Im Zuge dieser Entwicklung wurde die Einlösung des kommunikativen Ver-
sprechens des Journalismus der Aufklärungsepoche zunehmend durch instrumentelle techni-
sche wie ökonomische Imperative erschwert. Hinzu kam, dass die Fortsetzung eines unbe-
schränkten journalistischen Diskurses auch die vom Bürgertum neu errichtete Ordnung zu
gefährden drohte und somit nicht mehr im Interesse seiner eigenen Trägerschicht liegen
konnte. Auch der Journalismus wurde nach der Durchsetzung der bürgerlichen Ordnung den
Mechanismen einer Rationalisierung und Modernisierung unterworfen, die, den Imperativen
einer instrumentellen Logik folgend, die kommunikative Solidarität von Gesellschaftlichkeit
aus dem Blick verloren hatte. Die Entfaltung und Etablierung des redaktionellen Journalismus
scheint also zunächst einherzugehen mit einem vielfältig politisch und sozial verursachten
neuerlichen Strukturwandel, in dessen Folge Öffentlichkeit nicht mehr das Ergebnis des

191 Vgl. zu den Auswirkungen auf die Presse ausführlich: Baum 1994, S. 88ff.
192 Vgl. z.B. Bücher 1926 oder Dovifat 1927. Anhand dieser beiden Autoren lässt sich auch exemplarisch zeigen,
dass die Kritik an der Ökonomisierung der Presse keine Frage der politischen oder ideologischen Einstellung
sein musste. Der Sozialdemokrat Bücher und der konservative Katholik Dovifat sind sich einig in der Verurtei-
lung der Generalanzeigerpresse und ihrer vermeintlichen ‚Gesinnungslosigkeit‘.
193 Vgl. Habermas 1990, S. 248ff.
194 Vgl. Geiger 1949, S. 59ff.
195 Ebd., S. 61
196 Engelsing 1966, S. 270
197 Vgl. ebd., S. 51
2 Historische Grundlagen des Journalismus 131

privaten und autonomen Räsonnements freier Bürger ist, sondern demonstrativ und manipula-
tiv durch große soziale oder politische Machtapparate hergestellt wird.198
Im Hinblick auf die historische Etablierung idealtypischer Journalismus-Verständnisse ist
diese Zerfallsanalyse weniger von Bedeutung. Zentral verknüpft mit der Annahme positiver
gesellschaftlicher Effekte durch Öffentlichkeit sind vielmehr die journalistischen Teilaufgaben
Vermittlung (Referat) und Räsonnement, die auch in Zeiten des redaktionellen Journalismus
als Orientierungspunkte in jeweils einseitiger Überspitzung als ‚Generalanzeigerpresse‘ und
‚Gesinnungspresse‘ in normative Journalismuskonzepte und damit einhergehende mediale
Institutionalisierung übersetzt worden sind. Die sog. ‚Gesinnungspresse‘ oder ‚Parteipresse‘
trat die Nachfolge der politischen Zeitschriften an, während die ‚Generalanzeigerpresse‘ dem
Weg der frühen Nachrichtenblätter und der Intelligenzzeitungen folgte.199 In diesen Typen
wird jeweils eine der historischen Wurzeln des Journalismus zum zentralen Gestaltungsprinzip
erhoben, während die je andere in ihrer Bedeutung herabgesetzt wird.
Diese apodiktische Differenzierung liegt auf der Linie einer auch in der Journalismusfor-
schung auszumachenden folgenschweren idealtypischen Dichotomie, die sich nicht zuletzt
auch aus der Verknüpfung des Journalismus mit unterschiedlichen Vorstellungen von öffentli-
cher Kommunikation herleiten lässt.

2.2 Dichotomie journalistischer Idealtypen

Der Versuch, idealtypisch makrosoziale Aufgaben und Leistungen des Journalismus und
mikrosoziale Grundzüge des Handlungsmodus, der das Fundament des journalistischen
Handelns bildet, zu identifizieren, muss formal bleiben. Es geht dabei schließlich nicht um das
„Unwandelbare im Journalismus“200, sondern um das Gemeinsame verschiedener Stadien
journalistischer Entwicklung, um Grundlagen öffentlicher Kommunikation und Vermitt-
lung.201 Langenbucher hat derartige Beobachtungen im Blick, wenn er idealtypische Journalis-
musvorstellungen identifiziert, die bis heute als Teilkonstitutiva von Journalismus Gültigkeit
beanspruchen können: die Erkundung der ‚Wahrheit‘, die Aufklärung der ‚Wahrheit‘ und die
Verantwortung der ‚Wahrheit‘.202 In diesen ‚Metaphern‘ offenbaren sich vermeintliche Grund-
konstanten, die über historische Kontingenzen hinweg regulativ ideale Wirksamkeit für sich
beanspruchen können und Rudimente einer Ethik des Journalismus in sich tragen. Die Begriff-
lichkeiten Langenbuchers deuten eine formale Systematik an, der zufolge Journalismus wie jede
Kommunikation auch der faktischen ‚Wahrheit‘ ihrer Realitätsbehauptungen (Erkundung), der

198 Vgl. Habermas 1990, S. 275. Dass dies zu apodiktisch ist, hat Habermas mittlerweile eingeräumt (ebd., S. 11ff.).
199 Vgl. Pürer/Raabe 1994, S. 36; Dovifat (1990b [1932], S. 32f.) konstatiert für diese Zeit eine weitgehende
Politisierung der Massenpresse; vgl. zu den Intelligenzblättern Petrat 1987.
200 Wagner 1998
201 Wie im Fall des Idealtypus bürgerlicher Öffentlichkeit kann auch hier davon ausgegangen werden, dass sich die
Idealtypen übersetzt als normative Ideale empirisch auffinden lassen. Es geht darum, möglichst abstrakt die
Aufgaben beschreiben zu können, zu deren Erfüllung sich journalistisches Handeln etabliert und sozial ausdif-
ferenziert hat.
202 Vgl. Langenbucher 1993a, S. 312ff.; vgl. auch Pöttker 1998b; 2002b. Diese von Langenbucher bei Daniel Dafoe
(Erkundung), den deutschen Jakobinern (Aufklärung) und dem („investigativen“) Reportagejournalismus des
beginnenden 20. Jahrhunderts (Verantwortung) aufgefundenen Grundideen des Journalismus korrelieren in ih-
rem zeitlichen Verlauf mit der Entwicklung von der referierenden Korrespondenz über das schriftstellernde
Räsonnement hin zu einem spezialisierten redaktionellen Journalismus. Im historischen Verlauf wechselten die-
se Tätigkeiten, so zumindest Baumerts Systematik, einander als Zentralkategorien des Journalismus ab.
132 III Die Idee der Öffentlichkeit – Historische Grundlagen des Journalismus

Prüfung ihrer intersubjektiven Richtigkeit (Aufklärung) und der subjektiven Wahrhaftigkeit des
Berichts (Verantwortung) verpflichtet ist.
Vor dem Hintergrund solcher geschichtlicher Betrachtungen kann es ein Ziel der Journa-
lismusforschung sein, einen historisch herleitbaren Aufgaben- und Ideenrahmen des Journa-
lismus auch systematisch auf der Basis soziologischer Theorie begründbar zu machen und so
einem handlungstheoretischen Konzept näher zu kommen, das die Grundzüge der „kultur-
schöpferischen Leistung“203, die Journalismus darstellt, sozialwissenschaftlich systematisch und
historisch informiert zu beschreiben vermag. Dazu lohnt im Rahmen der historischen Betrach-
tungen ein summarischer und die systematische Analyse vorbereitender Blick auf die idealtypi-
sche Frage nach der ‚Aufgabe‘ journalistischen Handelns. Letztlich ergibt sich aus der Entwick-
lung früher Journalismus-Konzeptionen eine Unterscheidung zwischen zwei unterschiedlichen
Journalismus-Verständnissen auf der Ebene geringer massenmedialer Ausdifferenzierung, die
unterhalb eines sich im späteren Verlauf entwickelnden redaktionellen Journalismus liegen und
die in Grafik 2 dargestellt werden.

Grafik 2: Historisch-empirisch fundierte Idealtypen des Journalismus

[eigene Grafik, -cb-]

203 Langenbucher 1993a, S. 320


2 Historische Grundlagen des Journalismus 133

Das Ergebnis der im Verlauf dieses Kapitels bislang skizzierten Veränderungen des Journalis-
mus ist die Etablierung einer idealtypischen Dichotomie zwischen den beiden historisch different
gebildeten Journalismustypen: zwischen Vermittlung (Referat) und Räsonnement oder –
modern – zwischen Nachrichten- und Kommentarjournalismus. Sedimente des korrespondie-
renden und des schriftstellernden Journalismus lassen sich jedenfalls als Idealtypen in der
normativ argumentierenden Literatur immer wieder auffinden: sei es in der klassischen Tren-
nung von Nachricht und Kommentar204, sei es im Selbstverständnis der Journalisten als
Vermittler bzw. Aufklärer205, sei es in der Differenzierung zwischen ‚Tatsachenbehauptungen‘
und ‚Meinungsäußerungen‘ in der medienrechtlichen Würdigung.
• Idealtypus I – Vermittelnder Journalismus: In diesem Verständnis wird die Frage nach der Aufgabe
journalistischer Kommunikationsangebote auf eine Konstante zurückgeführt: die Befriedigung eines Infor-
mationsbedürfnisses von Bürgern durch journalistische Produkte. Journalistische Kommunikation ver-
schafft Überblick in einer zunehmend unübersichtlicher werdenden Welt und stellt somit Information zur
Verfügung, die dem Einzelnen in seinem sozialen Nahbereich nicht zugänglich wäre. Diese Begründung
des Journalismus geht davon aus, dass journalistische Leistungen zur Koordinierung des eigenen Lebens in
Gesellschaft notwendig sind und von den einzelnen Gesellschaftsmitgliedern gesucht und nachgefragt wer-
den.
Es entbehrt nicht einer gewissen Plausibilität, wenn man das Referat, die faktengestützte Nach-
richtenvermittlung (oder nach Langenbucher die Erkundung der ‚Wahrheit‘) als eine ursprüng-
lich dem Journalistischen zugrunde liegende Idee und damit als einen ersten journalistischen
Idealtypus betrachtet. Viele auf frühe zeitungskundliche und zeitungswissenschaftliche Modelle
zurückgehende Erörterungen setzen hier an und konstatieren „den Primat der Nachrichten-
publizistik des Verlegers vor der journalistischen Meinungspublizistik“206 auf der Grundlage
historischer Erörterungen. Die durch journalistische Vermittlung ‚hergestellte‘ Öffentlichkeit
hinsichtlich bestimmter Themen oder Ereignisse erfüllt demnach vor allem die bereits be-
schriebenen Aufgaben der Orientierung über das Geschehen, das in einer hochkomplexen
Gesellschaft der individuellen Wahrnehmung u.U. verschlossen bleibt. Kommunikation wird
durch diese Vermittlungsleistungen auch über Institutions-, Milieu- oder gar Systemgrenzen
hinweg zumindest möglich. Journalismus hat sich in diesem idealtypischen Verständnis als ein
Kommunikation ermöglichendes Vermittlungshandeln eigener Kommunikativität weitgehend
zu enthalten.207 Im Rahmen der von Baumert erarbeiteten Funktions-Systematik lässt sich auch

204 Vgl. zur Auseinandersetzung damit:Schönbach 1977; Pöttker 1999b oder Erbring 1989.
205 Langenbucher (1974/1975, S. 258) hat diese idealtypische Grundunterscheidung als Differenz zwischen
journalistisch vermittelndem ‚Mediator‘ und publizistisch räsonierenden ‚Kommunikator‘ thematisiert und dafür
plädiert, die Vermittlung ins Zentrum des Journalismus zu rücken. Auch Wagner (1998, S. 99) sieht „eine Streit-
frage von unmittelbar praktischer Relevanz“ in der Entscheidung darüber, ob Journalismus „Kommunikation
als Beruf“ oder aber „Vermittlung von Kommunikation als Beruf“ ist und verweist damit auf die beiden Ideal-
typen Räsonnement und Referat zurück. Er entscheidet sich für Vermittlung von Kommunikation und weist
Kommunikation dem Publizisten als Aufgabe zu. Eine solche Entscheidung ist nicht haltbar; sie betrachtet
nicht ausreichend, dass die Vermittlung von Kommunikation bereits wieder Kommunikation ist.
206 Schöne 1928, S. 56; vgl. d’Ester 1928, S. 109: „Das eigentliche Lebenselement der Zeitung ist die Nachricht. Es
hat Zeiten gegeben, in denen es die Leser geradezu als Beleidigung auffaßten, wenn ein Zeitungsschreiber sich
einfallen ließ, seine Meldungen zu kommentieren. Aber auch das Räsonnement ist oft von der Nachricht ab-
hängig, wenn es auf dem Boden der Tatsachen bleiben will. Bevor der Politiker Leitartikel etwa über eine
Reichstagsauflösung schreiben kann, müssen ihm die Meldungen von diesen Tatsachen vorliegen.“
207 Schon früh wurden entsprechende Postulate, sich in der Zeitung auf die unhinterfragte und unkommentierte
Wiedergabe andernorts produzierten Inhalts zu konzentrieren, als Dogmen erhoben (vgl. Groth 1948, S. 14ff.).
Eine der Hauptschriften ist Stielers ‚Zeitungs Lust und Nutz‘ von 1695. Vor allem der Druck der Zensur, die
134 III Die Idee der Öffentlichkeit – Historische Grundlagen des Journalismus

die redigierende Funktion des Journalismus, mithin die Selektion und Bearbeitung des fakti-
schen Nachrichtenstoffes, als professionelle Verfeinerung des referierenden Journalismus
begreifen, die durch wachsenden Nachrichtenstoff nötig und durch die technisch-organisatori-
sche Bildung von Redaktionen möglich wurde.
• Idealtypus 2 – Räsonierender Journalismus: In diesem Verständnis wird Journalismus entweder als
(aufklärerisches) Gesinnungshandeln moralisch motivierter Kommunikatoren oder aber als allgemeine öf-
fentliche Inanspruchnahme kommunikativer Vernunft im Rahmen einer bürgerlichen Öffentlichkeit beg-
riffen. Das kritische Räsonnement, die Absicht der „Aufklärung der Wahrheit“ (Langenbucher), hat we-
sentlich zur Etablierung des allgemeinen (Selbst-)Verständnisses des Journalismus beigetragen. Darüber
hinaus reklamiert es gesellschaftliche und demokratische Relevanz insbesondere durch die enge Anlehnung
an die Idee einer räsonierenden Öffentlichkeit als Konstituens eines demokratischen Gemeinwesens.
In normativer Sicht kristallisierten sich aus den Kämpfen um diese Form des Journalismus die
verfassungsrechtlich normierten Grundlagen journalistischen Handelns heraus.208 Der schrift-
stellernde Journalismus betont die emanzipatorisch-kritische Aufgabe des Journalismus und
sucht in seinem aufklärerischen Impetus nach neuen, innovativen Vermittlungs- und Diskurs-
formen. Die Umfunktionierung der bereits bestehenden vermittelnden Presse zu einem Fun-
dament des Räsonnements markiert die zentrale Veränderung, die zu den gesellschaftstrans-
formierenden Umbrüchen und zur Herausbildung der Idee einer bürgerlichen Öffentlichkeit
führt.209 Journalistische Meinungsäußerungen sind aus dieser Perspektive Beiträge zum gesell-
schaftlichen Gespräch, ohne dass sie selbst dialogisch angelegt sein müssen.210
Dabei ist das Räsonnement der Presse historisch nicht mit dem heutigen Pressekommentar
gleichzusetzen211; es ist weit umfassender zu begreifen und bezeichnete nach Schäffle „alle
Seiten der Geistestätigkeit: Beobachtung, Berichterstattung über die beobachteten Tatsachen,
logische Verarbeitung, Würdigung, Akte des Lobes und des Tadels, Willensbekundungen und
Willenseinrichtungen, Aufforderungen und Warnungen“212. Das Räsonnement trennt nicht
zwischen verschiedenen Darstellungsformen, sondern etabliert im Idealfall eine unverstellte
und reflektierte Subjektivität des Autors, die sich in ihrem Streben nach Begründung der
einzelnen Aussagen aber durchaus als ein Beitrag zu einer höherstufigen – argumentativ
gestützten – Objektivität, zu einer aufgeklärten ‚Wahrheit‘, verstanden wissen will. Der Einzug
des Räsonnements in die Zeitung markiert aus dieser Sicht für Groth

ökonomische Unsinnigkeit einer teuren Bearbeitung und die schlechte Ausbildung der frühen ‚Zeitunger‘ dürf-
ten dafür gesorgt haben, dass sich in den Anfangszeiten des Journalismus viele an derartige Postulate hielten.
208 Dabei allerdings ist die materielle Seite zunächst vollkommen ausgeblendet worden, weil die Pressefreiheit als
ein idealistisches Jedermannsrecht der Meinungsfreiheit konzipiert wurde (vgl. Kopper 1982, S. 64).
209 Vgl. Habermas 1990, S. 83
210 Vgl. Groth 1960, S. 550: „Zunächst steht der ganze Nachrichtendienst der Zeitungen und Zeitschriften
außerhalb des Gedankenaustausches, und auch im Räsonnement läßt sich für gewöhnlich nicht von einem ‚Ge-
dankenaustausch‘ sprechen: Der Produzent des geistigen Gutes gibt ‚Gedanken‘ her, tauscht jedoch dafür nicht
wieder Gedanken ein, sondern empfängt Geld, Anerkennung oder sonst ein anderes Gut, und sein Partner, der
die Gedanken aufnimmt, gibt nicht wieder Gedanken her, sondern bezahlt den, der ihm die Kenntnis der Ge-
danken des anderen verschafft hat.“ Groth verweist auf die ungleichen Tauschverhältnisse, die sich aufgrund
der prekären Stellung zwischen kommunikativer Freiheit und beruflicher Eingebundenheit ergeben.
211 Vgl. zur Funktion des Pressekommentars: Eilders/Neidhardt/Pfetsch 2004; 1997.
212 Schäffle zit.n. Groth 1928, S. 693
2 Historische Grundlagen des Journalismus 135

„[…] den Höhepunkt journalistischer Entwicklung, der den Kern der journalistischen Betätigung bildet, in
dessen Durchsetzung sich der Sieg der Presse vollendet hat und in dem ihre größte Macht liegt. […] In ihm
vereinigen sich am vollkommensten alle Funktionen der Presse.“213

Damit soll aber schon in den klassischen Journalismusstudien weder präjudiziert werden, dass
im Räsonnement die Essenz des Journalismus liege, noch, dass mit seiner Durchsetzung ein
Endpunkt der gesellschaftlichen Ausdifferenzierung festzustellen sei. Allerdings wird anknüp-
fend an solche Beurteilungen die geschichtliche Entwicklung der Presse von manchen Autoren
als Reifeprozess beschrieben, der ausgehend von einem wenig entwickelten Journalismus der
Faktenvermittlung zu einem vermeintlich weitaus komplexeren Meinungsjournalismus geführt
haben soll.214 Aus dieser Perspektive – die nicht notwendiger Weise ein inneres evolutionäres
Prinzip unterstellt, sondern durchaus auch auf äußere Faktoren rekurriert – wird der Fokus
nicht mehr auf das vermeintlich ‚Ursprüngliche‘ des journalistischen Referats, sondern auf den
vermeintlichen ‚Höhepunkt‘ des journalistischen Räsonnements gelegt.
Ausfluss der Dichotomie zwischen Vermittlung und Räsonnement sind heutzutage nicht
zuletzt fest im journalistischen Berufsethos verankerte Trennungsgebote, zu denen auch das
Gebot der Trennung zwischen Information und Meinung zählt.215 Auch kritische Kommuni-
kationswissenschaftler argumentieren zu Recht gegen die Annahme solch klarer Unterschei-
dungen zwischen ‚objektiver‘ Berichterstattung und ‚subjektiver‘ Kommentierung: Die schein-
bare Neutralität der nachrichtlichen Berichterstattung laufe nicht selten immanent darauf
hinaus, den Status Quo zu stützen, „[…] indem sie die Macht des Faktischen anerkennt und
eine Verurteilung dessen, was passiert, vermeidet“.216 Hinter dem Schleier der ‚neutralen
Nachricht‘, die vorgebe, die geistige Autonomie des ‚mündigen Bürgers‘ bedingungslos zu
respektieren, verberge sich die implizite Stärkung bestehender Strukturen. Abgelehnt wird vor
allem die Idee der Ausgewogenheit, die manchem Vermittlungskonzept unterliegt und durch
die Journalismus auf eine passive Verlautbarungsrolle reduziert werde, die sich an der Vertei-
lung öffentlicher Aussagen, nicht aber an der Erkundung und Aufklärung sozialer ‚Wirklich-
keit‘ orientiere.217 Viele Journalismuskonzepte rekurrieren erkenntnistheoretisch bis heute
individualistisch auf die Einstellung, die der Journalist seinem Berichterstattungsgegenstand
gegenüber einnimmt und einnehmen soll. Historische Journalismus-Vorstellungen finden auf
diese Weise noch immer Eingang in normative journalistische Rollenbilder.

213 Groth 1928, S. 693


214 Vgl. z.B. Groth 1948
215 Vgl. Pöttker 1999b. Dabei ist weder journalistische Subjektivität verwerflich, noch bedeutet der Verzicht auf
eine Trennung von Nachricht und Kommentar einen Verlust an journalistischer Qualität. Das belegt das Bei-
spiel der Schweizer NZZ, die in ihren Berichten auch Wertungen einfließen lässt und ungeachtet dessen zu ei-
ner der großen Qualitätszeitungen nicht nur im deutschsprachigen Raum zu zählen ist (vgl. ebd., S. 324f.).
Erbring (1989) hingegen beklagt die mangelnde Trennung von Nachricht und Kommentar und sieht das als
Ausdruck einer spezifischen politischen Kultur in Deutschland.
216 Rager 1973, S. 252
217 Vgl. Aufermann 1982, S. 101. In dieser, meist erkenntnistheoretisch geführten Debatte, versuchen Autoren wie
Bentele (1982) dichotomische Annahmen zu überwinden, indem sie darstellen, inwiefern menschliche Er-
kenntnis durch Standpunkt und Perspektive vorbestimmt ist und jeder ‚Realismus‘ insofern hypothetisch
verbleiben muss. Zugleich halten sie die Forderung nach Objektivität und nach dem Offenlegen der Einfluss-
faktoren aufrecht. Das Trennungsgebot wird damit nicht in Frage gestellt, sondern lediglich modifiziert. Er-
schüttert werden Trennungsgebote durch die Postulate des Konstruktivismus, während eine Konsenstheorie
der Wahrheit, wie sie hier zugrunde gelegt wird, zumindest einige der Maßstäbe zur Unterscheidung zwischen
intersubjektiv nachprüfbarer und ‚verzerrter‘ Berichterstattung bewahrt. Darauf wird im weiteren Verlauf der
Argumentation zurückzukommen sein.
136 III Die Idee der Öffentlichkeit – Historische Grundlagen des Journalismus

3 Journalistische Rollenmuster
Die skizzierten Idealtypen bilden die Grundlage für journalistische Rollenmuster218, die von
der historisch argumentierenden normativen Journalismusforschung bis in die 1970er Jahre
hinein formuliert wurden und von fortdauernder Bedeutung sind. Diese Rollenmuster lassen
sich empirisch aus der Praxis ableiten, bisweilen sind sie neben dieser deskriptiven Perspektive
aber auch als Ideale in Journalismus-Studien und -Ethiken formuliert worden. Sie können auch
als spezifische journalistische Einstellungen verstanden werden, die sich auf das Verhältnis des
Journalisten zum Berichterstattungsanlass sowie zu den Rezipienten beziehen.219 Im Kern geht
es der auf diese Fragen zielenden klassischen publizistik- oder zeitungswissenschaftlichen
Literatur darum, präskriptive Muster journalistischen Handelns zu formulieren, die als Leitli-
nien in der Praxis Gültigkeit beanspruchen sollen. Sie basieren auf einer idealtypischen Dicho-
tomie zwischen einem eher reaktiv reportierenden und einem eher aktiv meinungsorientierten
Verständnis journalistischen Handelns, die bis zum Ende der Weimarer Republik auch faktisch
als „ausgeprägte Dichotomie zwischen ‚Meinungspresse‘ und ‚Nachrichtenpresse‘, die durch
den Anteil des Räsonnements am Zeitungsinhalt definiert wurde“, die Medienlandschaft in
Deutschland kennzeichnete.220
Der Niederschlag, den das Erbe der Idealtypen in präskriptiven Rollen-Konzepten findet,
die in der Praxis Relevanz entfalten, lässt sich exemplarisch in den unterschiedlichen Stand-
punkten in einem Disput zwischen Egon Erwin Kisch und Kurt Tucholsky nachlesen. Die
angeschnittenen Fragen sind – je nach eingenommenem Standpunkt und akzeptierten Rollen-

218 Soziale Rollen im hier verwendeten Sinn bezeichnen sozial vorgegebene Verhaltenskomplexe, die auf stabilisier-
ten Werten beruhen, die ihrerseits zu Verhaltensnormen geronnen sind. Im Sinne der strukturell-funktionalen
Soziologie, die ein entsprechendes Konzept weit entwickelt hat, werden Rollenerwartungen von den individuel-
len Akteuren als anzueignende Faktizität ihrer gesellschaftlichen Umgebung begriffen und internalisiert. Sie er-
leichtern Interaktionen dadurch, dass sie in einer potenziell multioptionalen Welt Handlungsalternativen kanali-
sieren und Interaktion für die Partner erwartbar machen (vgl. Peuckert 1995, S. 262). Rollen können dabei so-
wohl als zu internalisierender Zwang (vgl. Dahrendorf 1974) wie als externalisierende Eigen- und Situationsde-
finition (vgl. Goffman 1983 [1959]) gesehen werden. Makrosozial sind Rollen systemisch definierte, starre und
sanktionsbewährte Handlungsanforderungen, während sie mikrosozial als zwar vorfestgelegte, aber flexibel zu
handhabende Darstellungsoptionen des individuellen Akteurs in der Interaktion betrachtet werden (können).
Beide Perspektiven sollen im Blick behalten werden, um eine Vorfestlegung auf die Betrachtung von entweder
Externalisierungs- oder Internalisierungsprozessen zu vermeiden. Der Weg über die Rollenverständnisse wird als
eine viel versprechende Möglichkeit der Beschreibung journalistischen Handelns betrachtet, wie Rühl (1980, S.
65) ausführt: „Soziale Rollen sind […] Vorzeichnungen journalistischen Handelns. Sie verfügen über konstante,
aber vor allem über variable Komponenten. Journalistische Rollen sind nicht in präzisen, unzweideutigen und
unveränderlichen Festlegungen des Handelns zu reifizieren. Sie werden vielmehr von einem konstanten Kern
selektiver Standards für das journalistische Handeln bestimmt. An der Gemeinsamkeit der Merkmale, die dieser
Rollenkern aufweist, läßt sich erst journalistisches Handeln spezifizieren.“ Rühl weist darauf hin, dass der theo-
retische Fortschritt, der in einer Rollenanalyse liegen kann, keineswegs zu einem vollständigen Journalismusbild
führen muss, da durch derartige Theoreme wichtige weitere Strukturbedingungen des Journalismus nicht in den
Blick zu bekommen sind. Zwar erlaubt die Identifikation von Rollenkernen einen Abschied von Spekulationen
über einen vermeintlichen Wesenskern des Journalismus, aber auch das bedeutet noch keine Sicherheit darüber,
dass diese Rollenkerne auch den tatsächlich in der Empirie aufzufindenden Rollen(verständnissen) entsprechen
(vgl. ebd., S. 67f.). Zwischen Selbstdefinition, Fremddefinition und empirischem Handlungsrahmen können In-
kongruenzen bestehen; dargestellte Rollenverständnisse können zum Beispiel der ‚Verschleierung‘ beschränkter
Handlungsoptionen dienen wie im normativen Individualismus Dovifats, genauso können sie aber auch der
Besetzung von Handlungsspielräumen oder der Selbstbeschränkung dienen.
219 Vgl. für eine Systematisierung von Berufsauffassungen auch Haas/Pürer 1996, S. 355ff. oder Kunczik 1988, S.
78ff.
220 Schönbach 1977, S. 17
3 Journalistische Rollenmuster 137

bild – wenn auch unter anderen Vorzeichen und in moderneren Begrifflichkeiten nach wie vor
virulent. 1925 stellt sich der Sozialreporter Kisch im Vorwort zu seiner Sammlung ‚Der Rasen-
de Reporter‘ mit emphatischen Worten auf den Standpunkt des neutral-vermittelnden Referats
der Nachrichtenpresse und fordert die Erfüllung der Rolle des unbeteiligten Reporters als
genuine Aufgabe des Journalismus:
„Der Reporter hat keine Tendenz, hat nichts zu rechtfertigen und hat keinen Standpunkt. Er hat unbefangen
Zeuge zu sein und unbefangene Zeugenschaft zu liefern, so verlässlich, wie sich eine Aussage geben lässt –
jedenfalls ist sie (für die Klarstellung) wichtiger als die geniale Rede des Staatsanwalts.
Selbst der schlechte Reporter – der, der übertreibt oder unverläßlich ist – leistet werktätige Arbeit, denn er ist
von den Tatsachen abhängig, er hat sich Kenntnis von ihnen zu verschaffen, durch Augenschein, durch ein
Gespräch, durch eine Beobachtung, eine Auskunft.
Der gute Reporter braucht Erlebnisfähigkeit zu seinem Gewerbe, das er liebt. Er würde auch erleben, wenn
er nicht darüber berichten müsste. Aber er würde nicht schreiben, ohne zu erleben. Er ist kein Künstler, er ist
kein Politiker, er ist kein Gelehrter, – er ist vielleicht jener ‚platte Mensch‘ Schopenhauers, und doch ist sein
Werk, ‚vermöge des Stoffes sehr wichtig‘.
Die Orte und Erscheinungen, die er beschreibt, die Versuche, die er anstellt, die Geschichte, deren Zeuge er
ist, und die Quellen, die er aufsucht, müssen gar nicht so fern, gar nicht so selten und gar nicht so mühselig
erreichbar sein, wenn er in einer Welt, die von der Lüge unermesslich überschwemmt ist, wenn er in einer
Welt, die sich vergessen will und darum bloß auf Unwahrheit ausgeht, die Hingabe an sein Objekt hat. Nichts
ist verblüffender als die einfache Wahrheit, nichts exotischer als unsere Umwelt, nichts phantasievoller als die
Sachlichkeit.
Und nicht Sensationelleres gibt es in der Welt als die Zeit, in der man lebt!“221

Gegen diese Stilisierung der eigenen Reportagetätigkeit protestiert der politische Publizist und
Autor der Weltbühne Kurt Tucholsky in einer Rezension aufs Schärfste. „Das gibt es nicht“,
schreibt er in der Würdigung des Buches. „Es gibt keinen Menschen, der nicht einen Stand-
punkt hätte. Auch Kisch hat einen […]“ – manchmal sei das der des Schriftstellers, den Tu-
cholsky tadelt; sehr oft der des Mannes, „der einfach berichtet“, den Tucholsky lobt.222 Gene-
rell aber gelte, dass sich auch der ‚nur‘ berichtende Journalist selbst durch eine noch so sachli-
che Berichterstattung nicht frei machen könne von subjektiven Einflüssen:
„Aber wie ‚sachlich‘ man auch oder wie weit weg vom Thema man auch schreiben mag: es hilft alles nichts.
Jeder Bericht, jeder noch so unpersönliche Bericht enthüllt immer zunächst den Schreiber, und in Tropen-
nächten, Schiffskabinen, pariser Tandelmärkten und londoner Elendsquartieren, die man alle durch tausend
Brillen sehen kann – auch wenn man keine aufhat –, schreibt man ja immer nur sich selbst.“223

Kisch und Tucholsky berühren hier epistemologische Fragen, mit denen sich die Journalismus-
theorie auseinandersetzen muss, und die sie daher stets in ihren Themenkatalog aufgenommen
hat, wie Debatten um Realismus, Rekonstruktivismus und Konstruktivismus bis heute bele-
gen.224 Darüber hinaus ist in der historischen Rückschau deutlich geworden, dass neben
erkenntnistheoretischen Prämissen die Frage des Verhältnisses von vermeintlich ‚objektivem‘
Referat und vermeintlich ‚subjektivem‘ Räsonnement, die Kisch und Tucholsky debattiert
haben, nicht nur, ja oftmals nicht einmal primär eine individuelle Entscheidung ist, sondern
vorwiegend von politischen und sozialen Rahmenbedingungen abhängig ist. So waren viele der
frühen Zeitungen vom reinen Weitervermitteln einlaufender Nachrichten gekennzeichnet,
während auf dem Höhepunkt des Kampfes um Pressefreiheit und Demokratie beinahe jede

221 Kisch 1996 [1925], S. 7f.


222 Tucholsky 1975 [1925], S. 48
223 Ebd., S. 49
224 Vgl. z.B. die entsprechenden Beiträge in Bentele/Rühl 1993.
138 III Die Idee der Öffentlichkeit – Historische Grundlagen des Journalismus

journalistische Äußerung performativ zu einem Meinungsmittel in der gesellschaftlichen


Auseinandersetzung wurde. Darüber hinaus wird – zu Recht – der hier insbesondere von
Tucholsky konstruierte Gegensatz von Subjektivität und Objektivität angezweifelt, der über-
sieht, dass es auch durch die reflektierte Subjektivität des Reporters hindurch zu einer ‚objekti-
ven‘ Berichterstattung kommen könne, wie Pätzold im Anschluss an Kisch verdeutlicht.225
Dem Werk des Reporters kann natürlich eine „Tendenz der Tendenzlosigkeit“226 zugrunde
liegen – diese ist aber sehr wohl in der Lage, subjektive und objektive Elemente im Interesse
einer guten Berichterstattung miteinander zu verbinden, ohne dass die einen auf Kosten der
anderen gehen müssten. Darauf wird ein Journalismusverständnis wert legen, das sich hinter
die tradierten journalistischen Idealtypen zurück begibt, um sie – in allen Facetten des Begriffs
– aufzuheben.
Doch zunächst waren divergierende Vorstellungen bezüglich der normativ angemessenen
journalistischen Handlungsrollen innerhalb des gesellschaftlichen Gesprächs, wie sie zwischen
Kisch und Tucholsky zutage getreten sind, auch in der Entwicklung der Journalismusfor-
schung keine Ausnahme. Der Umstand, dass der moderne Journalismus auf zwei historische
Wurzeln zurückzuführen ist, hat der journalismustheoretischen Darstellung offenkundig
Schwierigkeiten bereitet: Die unterschiedlichen Auffassungen darüber, wie der Journalismus
das gesellschaftliche Informationsbedürfnis zu befriedigen hat, sind bereits historisch gewach-
sen und deshalb für die heute als klassisch zu bezeichnenden journalismustheoretischen
Entwürfe prägend. Die Unterscheidung zwischen dem Rollenmodell des referierenden und
reportierenden Journalisten sowie dem Rollenmodell des räsonierenden und kommentierenden
Journalisten, oder in moderneren Begriffen zwischen einer Vermittlerrolle und einer Kommu-
nikatorrolle, ist in der Fach- wie in der Laiendiskussion normativ stark aufgeladen: Vor allem
die Frage nach der Legitimation einer herausgehobenen journalistischen Möglichkeit der
Meinungsäußerung wird kontrovers diskutiert. In der Auseinandersetzung geht es um die
Frage, ob der Journalist und Publizist, der selbst als kommunikativer Partner am gesellschaftli-
chen Gespräch teilhat, das zu untersuchende Rollenbild darstellt, oder aber der vermittelnde
und referierende Journalist, der einem Anwalt gleich zwischen den Kommunikationspartnern
zu stehen hat.227

225 Vgl. Pätzold 1999, S. 146ff.


226 Kisch zit.n. Pätzold 1999, S. 149
227 Dies ist vor allem in den 1960er Jahren der Kern der Auseinandersetzung zwischen Publizistik- und Zeitungs-
wissenschaft (vgl. Boguschewsky-Kube 1990). Inwieweit die grundlegenden, in diesen Rollenmustern konden-
sierten Eigenschaften des Journalismus noch deutlich länger praktische Relevanz entfalten, lässt sich beispielhaft
der Studie von Cecilia von Studnitz entnehmen, in der die Tradierung journalistischer Berufsbilder in der Lite-
ratur an den Berufsvorstellungen der Realität abgeglichen werden. Sie gelangt zu dem Ergebnis, dass bis zum
Zeitpunkt ihrer Untersuchung in den frühen 1980er Jahren ein journalistisches Selbstbild angeführt wurde, dass
den Grundzügen des unabhängigen, akademischen Journalisten der Aufklärungszeit entspricht. Dieses Bild ist
von einem Teil der normativen Publizistikwissenschaft lange als anzustrebendes journalistisches Ideal konser-
viert und gegen die empirische Wirklichkeit verteidigt worden (vgl. vor allem die Aufsätze zur publizistischen
Persönlichkeit in Dovifat 1990a) – Journalisten übertragen dieses Rollenbild, trotz der mittlerweile augen-
scheinlichen Diskrepanzen zum redaktionellen Alltag, in die Schilderungen über ihren Beruf und erwecken den
Eindruck, sie würden diese Ideale einlösen wollen und können. Folgerichtig konstatiert von Studnitz eine be-
rufskulturelle Ungleichzeitigkeit im Journalismus; ein „deutlicher ‚cultural lag‘“ sei zu registrieren, „ein Entwick-
lungsrückstand in Bezug auf die Theorie in einem Beruf, dessen materielle und strukturelle Grundlagen sich
längst verändert haben“ (von Studnitz 1983, S. 187). Notwendig sei daher eine realitätsbezogenere Interpretati-
on des eigenen Berufs – entweder durch den Verzicht auf tradierte berufsethische Forderungen oder
aber durch deren forcierte und selbstbewusste Durchsetzung auch unter modernen Medienbedingungen.
3 Journalistische Rollenmuster 139

3. 1 Journalistische Kommunikatorrolle

Die journalistische Kommunikatorrolle ist maßgeblich von der klassischen Publizistikwissenschaft


formuliert worden, die in ihrer Modellierung journalistischen Handelns an den meinungsbasier-
ten Beiträgen zum öffentlichen Zeitgespräch ansetzt.228 Ins Zentrum rückt die Analyse des
Journalisten als ‚Publizist‘, als Kommunikator im gesellschaftlichen Gespräch. Er markiert die
ideale Rollenvorstellung, von der aus gesehen andere journalistische Verrichtungen beinahe
zwangsläufig als defizitär bewertet werden müssen. Anders als Habermas stellt die Publizistik-
wissenschaft nicht auf eine potenziell herrschaftsfreie Diskussion ab, sondern auf die einsinnig-
monologisierende Persuasion der Publizistik, die als gesinnungsfeste Führungsaufgabe dazu
berufener Menschen durchaus positiv bewertet wird. Der Kommunikator wird als ‚Erzieher‘
oder gar als ‚Führer‘229 konzipiert, der in unidirektionalen Kommunikationsprozessen persuasiv
auf ein nicht näher spezifiziertes Publikum – oft eine ‚Masse‘ – einwirkt und dieses zur Tat
anleiten soll.230
In der publizistikwissenschaftlichen Vorstellung eines durch die Trias Kommunikator –
Medium – Rezipient bestimmten gesellschaftlichen Kommunikationsprozesses werden Publi-
zisten und Journalisten klar den Kommunikatoren zugerechnet. Das normative journalistische
Rollenmodell der klassischen Publizistikwissenschaft ist ein Kommunikator, der sich mittels technischer Medien
und öffentlich zugänglich in zumeist persuasiver Absicht an ein (oft unspezifisches) Publikum wendet. In der
Regel wird dieser Kommunikator als individuelles Subjekt betrachtet, bisweilen aber auch als
‚Kollektiv-Subjekt‘ einer Medieninstitution, auf welche dann die individualistischen Annahmen
übertragen werden. In diesem Zusammenhang wird mehrfach darauf verwiesen, dass Verände-
rungen in der technischen wie ökonomischen Infrastruktur und in der redaktionellen Arbeits-
organisation den Journalismus nicht nur publizistischen, sondern anderen Imperativen unter-
werfen, doch werden diese Feststellungen gleichsam ausschließlich als Abweichungen von der
Norm des publizistischen Kommunikators gesehen. Anlässe zur Revision des Idealbildes, oder
zu seiner Differenzierung sind sie anscheinend zunächst nicht.231 Da die publizistische Tätig-
keit durch die Rückbindung an die Ideale des Räsonnements der Aufklärung stark normativ
aufgeladen wird, kann vielmehr jeder Eingriff in die Autonomie des als Kommunikator konzi-
pierten Journalisten aus dieser Perspektive nur als Eingriff in die zentralen Errungenschaften
der Moderne kritisiert werden.
Bei Dovifat wird die Betonung und Pflege des gesinnungsfesten Kommentators als Rol-
lenmodell journalistischen Handelns zur Ideologie oder, wie Raabe schreibt, zur „normative[n]
Charakterologie“.232 Dovifat konstruiert auf der Basis des Konzepts der ‚publizistischen
Persönlichkeit‘ eine ‚Wertelite‘, in der die ethischen und normativen Postulate an den ganzen
Berufsstand aufzugehen haben. Auch die neu entstandene ‚funktionale Elite‘ in den publizisti-
schen Betrieben, deren berufliche Aufgaben und institutionelle Verortung ganz offensichtlich
nicht mehr denen der idealisierten Aufklärungspublizistik entsprechen, haben sich nach Dovi-

228 Vgl. v.a. Dovifat 1962b; 1962c; 1968; 1990a; Hagemann 1947; 1950; Haacke 1970. Einen kritischen Überblick
gibt Hachmeister 1987. Mit dem Werk Dovifats setzen sich die Beiträge in Sösemann 1998 auseinander.
229 Vgl. kritisch Glotz/Langenbucher 1969, S. 35.
230 Vgl. beispielhaft Haacke 1970, S. 455; Dovifat 1968; kritisch: Prakke u.a. (1968, S. 57), die von einer „vertikalen
Zielpublizistik“ sprechen. Die Annahmen der frühen Publizistikwissenschaft beruhen auf der klassischen Mas-
senpsychologie (vgl. Le Bon 1964; Ortega y Gasset 1956 [1930]; kritisch: Hofstätter 1957).
231 Stattdessen fordert Dovifat (1990d [1956], S. 138) die Konservierung eines „ständischen Sendungsbewußt-
seins“, durch das Probleme des medialen Alltags kompensiert werden sollen. Vgl. auch Hagemann 1957, S. 76.
232 Raabe 2005, S. 29
140 III Die Idee der Öffentlichkeit – Historische Grundlagen des Journalismus

fat an diesem Ideal zu messen oder sind nicht mehr als Hilfspersonal zur Erfüllung dieser
großen Aufgaben.233 Dagegen hat sich im späteren Verlauf eine funktionale Publizistikwissen-
schaft gestellt, die allerdings weniger den Journalismus als vielmehr Modelle gesellschaftlicher
Kommunikationsprozesse untersucht hat.234

3.2 Journalistische Vermittlerrolle

Im Gegensatz zu Kommunikator-Ansätzen konzentrieren sich vor allem die klassische


Münchner Zeitungswissenschaft235 und später auch ein spezifischer Strang der Publizistikwis-
senschaft236 auf die Vermittlungsaufgabe des Journalismus. Sie entwerfen ein Rollenverständnis
des journalistischen Vermittlers, das diesen in unterschiedlichen Graden zur Neutralität ver-
pflichtet. Damit verbannen sie das Gesinnungs-Räsonnement, das die klassische Publizistikwis-
senschaft hervorhebt, an die Peripherie journalistischen Handelns.237
Grundlage zeitungswissenschaftlicher Konzepte das Axiom „Zeitung ist das Zeitgespräch
der Gesellschaft“.238 Die Rolle des Journalisten wird vor diesem Hintergrund explizit von der
des Publizisten getrennt.239 Während die Publizisten Teilnehmer am gesellschaftlichen Zeitge-
spräch sind, haben die Journalisten durch ihre Vermittlungsleistungen für die Aufrechterhal-
tung dieses Gespräches zu sorgen. Die Idee des Journalisten als Vermittler wird auf histori-
scher Grundlage als Idealtypus anknüpfend an die Ursprungsstellung des Referats gegen die
Räsonnement-basierte Konzeption der Publizistik in Stellung gebracht. In einem historischen
Exkurs sucht z.B. Braun nach der ‚ursprünglichsten‘ der verschiedenen journalistischen Tätig-
keiten und findet sie in Empfang und Weitergabe von Nachrichten. Der Journalist habe
demnach dafür zu sorgen, dass das gesellschaftliche Gespräch zur Zeit auch in zunehmend
sich ausdifferenzierenden und komplexer werdenden Gesellschaften möglich bleibe. Dazu
müsse er zwischen den verschiedenen Gesprächteilnehmern ‚vermitteln‘, indem er deren
Gesprächsbeiträge ‚übermittele‘.240 Journalisten leiten das Zeitgespräch241, sie haben dafür zu
sorgen, dass die Massenmedien ihre dienende Funktion gegenüber den Informationsbedürfnis-

233 Viele Angestellte in Medienbetrieben sind für ihn zwar „sehr achtenswerte Arbeiter […], aber der Natur der
Sache nach oft ohne öffentlichen Ruf und publizistisch-individuelle Wirkung“. (Dovifat 1990d [1956], S. 138)
Erst in einem deutlich späteren Aufsatz unter demselben Titel ‚Die publizistische Persönlichkeit‘ ändert Dovi-
fat (1990e [1963], S. 167) diese Grundauffassung und gesteht der kumulativen Leistung einzelner Journalisten in
einem Medienbetrieb einen eigenständigen Rang zu.
234 Vgl. Prakke u.a. 1968; Dröge/Lerg 1965
235 Vgl. grundlegend Aswerus 1993; Wagner 1978; Starkulla 1993; 1963; Roegele 1966. Eine scharfe Kritik findet
sich bei Schreiber 1980.
236 Vgl. Kepplinger 1979a; 1979b; Donsbach 1982
237 Die Zeitungswissenschaft kritisiert die unidirektionalen Wirkungsmodelle, die den frühen Publizistik-Modellen
zugrunde gelegt werden. Sie begreift Kommunikation stattdessen als reziproken Austausch, in dem Rollenwechsel,
für die in der klassischen Publizistik kein Platz ist, prinzipiell möglich sind (vgl. Wagner 1965a; 1965b). Dröge
und Lerg (1965, S. 253) weisen darauf hin, dass die funktionale Publizistikwissenschaft vergleichbare konzepti-
onelle Veränderungen gegenüber ihrer klassischen Vorläuferin vorgenommen hat.
238 Aswerus zit.n. Braun 1960, S. 5. Aswerus (1960, S. 11) operiert wiederholt mit der Gesprächsmetapher (auch:
„Zeitgesprächskonvente“), wenn er versucht, das Formalobjekt ‚Zeitung‘ und damit letztlich den Journalismus,
definitorisch zu fassen.
239 Vgl. auch aktuell Wagner 1998, S. 107: „Der ‚Publizist‘ betreibt Kommunikation als Beruf, der ‚Journalist‘ die
Vermittlung von Kommunikation als Beruf.“
240 Der „ursprüngliche Journalist“ ist aus dieser Perspektive „ein Mann der etwas empfing und es weitergab: Nachrich-
ten zuallererst“ (Braun 1958, S. 4).
241 Vgl. Braun 1958, S. 13
3 Journalistische Rollenmuster 141

sen und -notwendigkeiten der Bevölkerung moderner Industriegesellschaften erfüllen.242


Aswerus weist dem Journalisten in dieser Logik folgerichtig die Aufgabe zu, als „Gesprächs-
anwalt der Gesellschaft“ tätig zu werden.243
Für Hachmeister ist diese Münchner Zeitungswissenschaft zum „musealen Requisit der
Fachgeschichte“ geworden.244 Dieses Urteil erscheint vorschnell: Schließlich weist der so
genannte ‚kommunikationale Ansatz‘245 in seiner Fokussierung auf die kommunikative Integra-
tion von Gesellschaft auf einen bedeutenden Aspekt hin, der historisch in der wissenschaftli-
chen Auseinandersetzung mit öffentlicher Kommunikation bereits angelegt ist: die Idee des
Gesprächscharakters der ‚Zeitung‘, sprich: der öffentlichen Kommunikation. Darüber hinaus
finden sich in der Zeitungswissenschaft Hinweise auf die Stellung und das Selbstverständnis
des Journalismus, die – in angemessener Rekonstruktion – auch heute noch relevant sind.246
Eine weitere Spielart des journalistischen Rollenmusters ‚Vermittler‘ lässt sich exemplarisch
der Journalismuskonzeption entnehmen, die von dem Zweig der deutschen Publizistikwissen-
schaft vorgelegt worden ist, die als „Legitimismus“247 oder als „wirkungsorientierte Journalis-
musforschung“248 klassifiziert werden kann. Ihr Ausgangspunkt ist die Frage:
„Wie legitimiert sich das journalistische Potential, Öffentlichkeit herzustellen oder zu unterdrücken, soziale
Sachverhalte als soziale Probleme zu thematisieren (oder dies zu unterlassen), mithin die Vorstellung der Ge-
sellschaft von Gesellschaft entscheidend mitzuprägen?“249

Um eine Antwort bemühen sich die Arbeiten von Noelle-Neumann sowie die ihrer Schüler
Kepplinger und Donsbach, welche die Entfaltung journalistischer Macht thematisieren und als
„Legitimitätsproblem“250 bearbeiten. Durch wissenschaftliche Kritik wollen sie gesellschaftli-
che Kontrolle journalistischen Handelns ermöglichen.251 Ihre ‚Journalismustheorie‘ basiert auf
normativ-juristischen Konzeptionen252, einem restriktiven sozialpsychologischen Öffentlich-

242 Vgl. Starkulla 1963, S. 567


243 Aswerus 1993, S. 30
244 Hachmeister 1987, S. 222
245 Grundlegend für diese Überlegungen ist ein so genanntes ‚kommunikatives Prinzip‘, das in allen Phasen
menschlichen Zusammenlebens ordnende Kraft entfaltet. Dieses Prinzip fasst der Aswerus-Schüler Wagner
(1965b, S. 35) wie folgt zusammen: „Auf den einzelnen Menschen bezogen ist Sinn und Ziel aller sozialen
Kommunikation zur Zeit die Überwindung der den Menschen einschränkenden Isoliertheit in Raum und Zeit
im Sinne der Entfaltung des menschlichen Selbstes in Gesellschaft. Auf die Gesellschaft bezogen, äußert sich
Sinn und Ziel aller Kommunikation zur Zeit in der Konstituierung und Entfaltung des gesellschaftlichen Mit-
einanders der Menschen.“
246 Roegele (1966) verweist in einer frühen Zwischenbilanz auf durchaus tragfähige Konzepte der Zeitungswissen-
schaft, an denen – ohne den ideologischen Streit mit der Publizistikwissenschaft weiterzuführen – gearbeitet
werden könne. Dass diese Chance nicht ausreichend genutzt wurde, liegt auch an der Art und Weise, in der
Wagner in der Folgezeit die zeitungswissenschaftliche Perspektive dogmatisch weiterentwickelt. Er immunisiert
sie gegen jegliche Form der Kritik, indem er Wissenschaft des Erkennen von über die Zeit hinausgreifenden
Wahrheiten zugestehen will und das kommunikative Prinzip des Zeitgesprächs als eben eine solche Wahrheit
deklariert (vgl. Wagner 1997; 1993; Starkulla/Wagner 1978).
247 Baum 1994, S. 208
248 Raabe 2005, S.38ff.
249 Donsbach 1977, S. 238
250 Donsbach 1982, S. 269
251 Ganz ähnlich formuliert auch Wagner (2002, S. 6): „Journalismuskritik ist primär und völlig legitim Sache der
Gesellschaft. Denn für die Gesellschaft ist der Journalismus viel zu wichtig, als daß man ihn den Journalisten al-
lein überlassen könnte.“ Ebenfalls dem Legitimismus zuzuordnen sind die Überlegungen von Ronneberger
(1973; 1977; 1983; 1988), der Journalismus und Massenmedien ebenfalls mit der Frage nach der Legitimation
ihrer (vermeintlich einseitig genutzten) Macht konfrontiert.
252 Vgl. Kepplinger 1979b; 1982; Donsbach 1979a; 1982; kritisch Weischenberg 1989
142 III Die Idee der Öffentlichkeit – Historische Grundlagen des Journalismus

keitsmodell253 sowie einem sehr spezifischen Professionalisierungskonzept254. Die Diskussion


über adäquate Rollenanforderungen an journalistische Akteure ist das zentrale Feld legitimisti-
scher Thesen. In ihnen wird die Ideal- und Rollentypen-Dichotomie anhand einer konstatier-
ten Differenz zwischen dem referierenden und neutralen Vermittler sowie dem räsonierenden
und kritisierenden Kommunikator fortgeschrieben.255
• In einer normativen Dimension wird die Vermittlungsrolle als angemessen ausgezeichnet: Vor
dem Hintergrund einer angenommenen großen journalistischen Macht wird argumentiert,
dass die sich in einem privilegierten Bezug zur Meinungsfreiheit ausdrückende journalisti-
sche Sonderstellung nur zu rechtfertigen sei, wenn sich Journalisten als neutrale Vermittler
verhielten und ihre Macht nicht zum Eingriff in den öffentlichen Diskurs nutzten.256
• In einer empirischen Dimension wird beklagt, dass diese normativen Anforderungen nicht
erfüllt werden: Journalisten ergriffen ihren Beruf nicht in Verantwortung vor ihrem Publi-
kum, sondern um sich selbst zu verwirklichen und um einen „Sendungsbewusstsein“
nachzugeben, demzufolge sie unmündigen Bürgern erklären müssten, wie die Welt zu ver-
stehen sei.257 Nicht ein journalistischer, sondern ein politischer und sozialer Antrieb –
kurz: der Ausblick auf eine entsprechende Einflussposition – sei der maßgebliche Grund,
Journalist zu werden.258 Starke Kollegenorientierung259 führe zudem dazu, dass sich die
journalistische Agenda zunehmend von den Meinungen der Bevölkerung entferne.260 Die
Berichterstattung sei geprägt von Negativismen261 und strategischen Aktualisierungen262.

253 Maßgeblich ist die Öffentlichkeits-Konzeption der ‚Theorie der Schweigespirale‘, welche Noelle-Neumann
(1977; 1980; 1991) in mehreren Einzelschritten entwickelt und die sich grundlegend von der in der vorliegen-
den Arbeit verwendeten Konzeption unterscheidet. Öffentlichkeit erscheint in diesem Modell als sozial indu-
zierte, irrationale Bedrohung, der das Individuum ausgesetzt ist, und weniger als Chance sozialer Verständigung
in einem kommunikativ fundierten sozialen Raum. „Es geht Noelle-Neumann eben nicht um eine ‚Theorie der
öffentlichen Meinung‘, sondern eher um eine Art Supervision der Massenstimmung und ihrer Pathologien.“
(Baum 1994, S. 227; vgl. ebenfalls kritisch: Pöttker 1993; Gerhards 1996)
254 In diesem Modell weisen Kepplinger und Vohl (1976) den Verzicht auf eine eigenständige Kommunikativität
als Grundbedingung journalistischer Professionalisierung aus. Da Journalismus in ihrer terminologischen Inter-
pretation durch eine tief greifende Wertrationalität ausgezeichnet sei, Professionen aber auf Zweckrationalität
aufgebaut seien, könne auch eine Professionalisierung nicht erreicht werden.
255 Vgl. Donsbach 1981, S. 171. Andere Befragungen kommen zu weit weniger dramatisch anmutenden Ergebnis-
sen, was diese Diskrepanz angeht (vgl. z.B. Scholl/Weischenberg 1998; Weischenberg/Malik/Scholl 2006a).
256 Vgl. Noelle-Neumann 1979; 1982a
257 Donsbach 1982, S. 156
258 Vgl. ebd., S. 141
259 Vgl. Noelle-Neumann/Kepplinger 1978; Donsbach 1981; Kepplinger 1993; Mathes/Czaplicki 1993
260 Vgl. Donsbach 1982, S. 213f. Auf methodischer Ebene wird die Unterstellung, dass sich ein von der Bevölke-
rungsmeinung unterscheidbares Meinungsspektrum – und sei es in einer durch Kollegenorientierung verfestig-
ten Form – auch in der Berichterstattung niederschlage, zurückgewiesen. Es bleibe unklar, welche Vorausset-
zungen und Mechanismen diese angebliche soziale Strukturation bewirken, kritisiert Weischenberg (1989, S.
228). Der Nachweis dieses Zusammenhangs steht bislang aus, und es ist theoretisch auch nicht ersichtlich, in-
wiefern er strukturell begründbar ist angesichts eines Mediensystems, das zunehmend nicht mehr politisch-
publizistischen, sondern ökonomischen Interessen verpflichtet ist (vgl. z.B. Baum 1996; Münch 1993; Saxer
1993a). Da aber der argumentative Durchgriff vom Individuum auf die Organisation und umgekehrt bis zum
Verzicht auf jede Form der Differenzierung in legitimistischen Studien gewahrt bleibt, stellen sich Fragen nach
dem Zusammenhang von Einstellungen und Berichterstattung oft nicht. Kepplinger konzediert mittlerweile,
dass es keinen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Einstellungen und öffentlich geäußerten Meinungen
gebe, sondern dass weitere, institutionelle Faktoren maßgeblich seien (vgl. Kepplinger/Ehmig 1997, S. 289f.).
261 Vgl. Kepplinger/Weissbecker 1991
262 Vgl. Kepplinger 1989. Traub (1928, S. 71) hat diese journalistische Vorgehensweise bereits in den 20er Jahren
beschrieben. Kepplinger (1998) beklagt auch später in dramatischem Gestus, dass sich aus der Melange all die-
ser Vermittlungsspezifika eine „Demontage der Politik in der Informationsgesellschaft“ ergebe.
3 Journalistische Rollenmuster 143

Das Rollenbild der legitimistischen Journalistik fungiert somit weniger als ein theoretisches
Konzept, sondern vielmehr als eine Grundlage der Journalismuskritik.263 Dazu nimmt sie –
zum Beispiel in der Erörterung der Beziehung von politischen Einstellungen und beruflichem
Handeln – verkürzte Kausalketten in Kauf.264
In der erkenntnistheoretischen Dimension kritisieren insbesondere die auf Autonomie des
Journalismus abstellenden konstruktivistischen Ansätze den ‚Objektivismus‘ solch einer
Journalismuskritik, die sich dagegen wendet, dass Journalismus eigene Selektions- und Rele-
vanzkriterien entwickelt und diese nicht den beobachteten Systemen entnimmt.265 Eine solche
„Ausrichtung des Journalismus an journalismusexternen Wirkungsabsichten“ verzichte auf die
Möglichkeit, „[…] den Journalismus als einen autonomen gesellschaftlichen Kommunikations-
bzw. Handlungsbereich mit eigener Rationalität zu betrachten“, kritisiert Kohring.266 Das
Ergebnis, so Görke, ist eine „Journalismustheorie ohne Journalismus“.267 Die Eigenständigkeit
des Journalismus sei auf ihrer Basis nicht mehr darstellbar. Gleiches gilt aus der Perspektive
einer entsprechend komplexen Handlungstheorie. Vor dem Hintergrund ihrer Prämissen muss
konstatiert werden, dass legitimistische Publizistikwissenschaft eine kommunikativ rationale
Mündigkeit nicht nur nicht zu fassen bekommt, sondern diese entlang der Argumentationsli-
nien einer konservativen Gesellschaftskritik268 diskreditiert und anstrebt, sie durch eine sozial
kontrollierte Zweckrationalität zu ersetzen. Der verberuflichte Journalismus gerät somit in der
Argumentation vollends unter die Kuratel einer einseitig als zweckrational verstandenen
Vernunft einer vermeintlichen Moderne.269

3.3 Überdehnung der Rollenmodelle

Die normative Aushärtung der historisch gebildeten Idealtypen in spezifischen Rollenmustern


beinhaltet die Gefahr, dass das jeweils entwickelte Bild zu einseitigen und unvollständigen
Anforderungen an die Praxis führt. Diese oft historisch-hermeneutischen, normativen und
handlungstheoretischen Konzepte grundieren ihre Vorstellung des ‚richtigen‘ und ‚angemesse-
nen‘ Journalismus in einer der beiden Wurzeln moderner öffentlicher Kommunikation. Das
haben die skizzierten Rollenvorstellungen zum Ausdruck gebracht: Betont die Publizistikwis-
senschaft in ihrem normativen Individualismus starke Führungspersönlichkeiten, die aus der
vermeintlich richtigen Gesinnung heraus Menschen zur Tat anleiten sollen, so konzentriert
sich die Zeitungswissenschaft auf ‚Gesprächsanwälte‘, die sie allerdings teilweise nur rudimen-
tär mit einem eigenständigen Mandat ausstattet und stattdessen faktisch als ‚Gesprächsbeamte‘
modelliert. Meinungsorientierung und Neutralität, Räsonnement und Referat stehen sich in
Form dieser beiden Ansätze unversöhnlich gegenüber. Die legitimistische Publizistikwissen-
schaft wiederum konstruiert die Dichotomie der Rollenverständnisse weniger historisch, als
vielmehr empirisch und demoskopisch – nicht ohne sich dann aber mit vergleichbarer Vehe-

263 Donsbach (1987, S. 108f.) selbst räumt ein, dass gar nicht der journalistische Beruf, sondern lediglich seine
Wirkungen auf Öffentlichkeit im Interesse seiner Forschung liege.
264 Vgl. für ein komplexeres Alternativmodell: Weischenberg/von Bassewitz/Scholl 1989.
265 Vgl. Görke 1999, S. 61ff.
266 Kohring 1997, S. 196f.
267 Görke 1999, S. 152
268 Vgl. Schelsky 1983
269 Vgl. Baum 1994, S. 208ff.
144 III Die Idee der Öffentlichkeit – Historische Grundlagen des Journalismus

menz eindeutig für das Rollenmuster des neutralen Vermittlers einzusetzen.270 Beiden Ansät-
zen ist gemein, dass sie aus der Perspektive des einen journalistischen Idealtypus den anderen
zwangsläufig abwerten.
• Entweder wird ausgehend von einem weitgehend auf ‚neutrale‘ Vermittlung abstellenden
Verständnis von Journalismus jede Form des Meinungs- oder Kommentarjournalismus
zumindest unter den Verdacht der ungerechtfertigten Ausnutzung kommunikativer Privi-
legien gestellt.
• Oder aber ein als demokratiekonstitutiv erachteter kritischer Meinungsjournalismus wird
mit einem vermeintlich defizitären, weil passiv-unkritischen Verlautbarungsjournalismus
verglichen, um in seiner notwendigen Funktion für die Meinungs- und Willensbildung be-
stätigt zu werden.
Das führt zu unnötigen Vorfestlegungen und ideologischen Verhärtungen, die in den aktuellen
Debatten über Gesinnungs- bzw. Service-Journalismus nichts von ihrer Virulenz verloren
haben.271 Der latent schwelende Streit über das ‚richtige‘ journalistische Rollenbild ist nicht
entschieden. Der normative Diskurs über die gesellschaftlichen Aufgaben des Journalismus ist
– abgesehen von seiner bisweiligen Thematisierung in medienethischen Debatten272 – unaufge-
löst liegen geblieben, seit sich die Journalismusforschung der empirischen Betrachtung des
Gegenwartsjournalismus geöffnet hat. Aber auch empirisch kann scheinbar kein Einverneh-
men über die journalistische Rolle hergestellt werden.273 In vielen empirischen Journalismus-
Studien lassen sich bis heute – neben weiteren Modellen wie dem serviceorientierten Unterhal-
ter und dem kritischen Kontrolleur274 – die beiden klassischen Rollenselbstdefinitionen identi-
fizieren. 2002 werden in einem Einführungsband genannt:
• „der kritisch-advokatorische Journalist (‚Kritiker an Missständen‘; „Wächter der Demokratie‘; ‚Anwalt
der Benachteiligten‘; ‚Pädagoge‘; ‚Politiker mit anderen Mitteln‘)
• der vermittelnde Informationsjournalist (‚Neutraler Berichterstatter‘; ‚Vermittler neuer Ideen‘; ‚Sprach-
rohr der Bevölkerung‘)“275

Ihre Angemessenheit wird nach wie vor nicht selten streitig verhandelt. Der Rückblick auf die
Unterschiede zwischen der Lehre des publizistischen Kommunikators und der Lehre des

270 Sie unterscheidet sich allerdings von der Münchner Variante der Zeitungswissenschaft nicht nur darin, dass sie
weniger explizit und individualistisch an charakterliche Eigenschaften appelliert („ehrlicher Makler“), sondern
vor allem darin, dass sie keine hinreichende Differenzierung zwischen medialem Rahmen und journalistischem
Handeln vornimmt und statt dessen Journalismus an Postulaten, die das Mediensystem betreffen, misst. Dass
die Zeitungswissenschaft dieser zusätzlichen Konfusion normativer Ebenen entgeht, dürfte vorwiegend an der
historischen Begründung des Rollenmusters liegen, die einen Rückgriff auf externe rechtliche oder politische
Normierungen nicht zwingend erscheinen lässt, sondern stattdessen versucht genealogische Traditionslinien
aufzuzeichnen, die bewahrt und gepflegt werden sollen. Gemeinsam ist der Mainzer und der Münchner Schule
der starke Fokus auf Journalismus als neutrale und repräsentative Widergabe fremder Inhalte. Konvergenzen in
der Argumentation lassen sich auch durchaus feststellen, wenn man jüngere Arbeiten Wagners (2002) betrach-
tet, wenngleich sich Wagner weiterhin um die Entwicklung einer ‚Journalismustheorie‘ bemüht und diesem
Handlungsmodus so einen Wert beimisst.
271 In einer interessanten Brechung lassen sich die tradierten Konflikte heute zum Beispiel in Überlegungen zur
Informations- und Unterhaltungsorientierung des Journalismus wieder finden (vgl. z.B. Leif 2005; Klaus 1996).
272 Vgl. Brosda/Schicha 2000
273 Vgl. z.B. die Beiträge von Weischenberg/Malik/Scholl 2006a; Scholl/Weischenberg 1998, S. 153ff. oder
Schneider/Schönbach/Stürzebecher 1993 in Abgrenzung zu Kepplinger 1979a; Donsbach 1982; 1987; 1993.
274 Vgl. Scholl/Weischenberg 1998; siehe auch die Typologie von Donsbach (1982, 47ff.), der Journalisten in
Themen-‚Pfadfinder‘, ‚Pädagogen‘, ‚Interessenvertreter‘ und ‚Vermittler‘ unterteilt.
275 Esser/Weßler 2002, S. 191; vgl. auch Rühl 1980, S. 62ff.
4 Jenseits der Dichotomie: Otto Groths integratives Konzept 145

journalistischen Vermittlers hat allerdings verdeutlicht, auf welch brüchigem Fundament


Kontroversen über das angemessene journalistische Rollenbild ausgetragen werden: Journalis-
mus kann vielleicht noch mit viel theoretischem Wohlwollen auf einen ‚ursprünglichen‘ Hand-
lungsmodus zurückgeführt werden (selbst da sind Zweifel angebracht), aber spätestens seit der
Durchsetzung von Freiräumen des Räsonnements in der Aufklärung muss jede Reduktion
journalistischen Handelns auf eine der beiden grundlegenden Optionen zwangsläufig zu
theoretischen Aporien führen. Auch durch die – aufgrund der historischen Entwicklung nahe
liegende – schlichte Addition der beiden Idealtypen dürfte dieser Umstand kaum zu beheben
sein. Dadurch würde lediglich der unbefriedigende Zustand zweier oft unverbunden nebenein-
ander stehender Vorstellungen von Journalismus fortgeschrieben, welche auch hinsichtlich der
Darstellungsformen dogmatischen Charakter haben (Trennung von Nachricht und Kommen-
tar), ohne aber theoretisch tatsächlich aufgearbeitet worden zu sein.276 Einen Ausweg be-
schreibt hingegen der Versuch, ein umfassenderes Verständnis journalistischen Handelns zu
entwickeln, das imstande ist, beide Rollenverständnisse als Facetten zu integrieren.277

4 Jenseits der Dichotomie: Otto Groths integratives Konzept


Handlungstheoretische Journalismusvorstellungen, die aus historischen Öffentlichkeitsanalysen
deduziert werden, leiden wie gesehen darunter, dass sie einen Aspekt journalistischen Handelns
– die Vermittlung oder das Räsonnement – einseitig in den Vordergrund rücken und den
jeweils anderen Aspekt normativ abwerten. Auch vermeiden es diese Konzepte, präzise zwi-
schen makrosozialen Anforderungen an Journalismus in Gesellschaft und mikrosozialen
Charakteristika journalistischen Handelns zu differenzieren. Um diesen beiden Unzulänglich-
keiten zu begegnen, soll im Folgenden versucht werden, journalistisches Handeln konzeptio-
nell umfassender und normativ enthaltsamer anzugehen. Das Ziel ist, Journalismus als Hand-
lungsmodus integrativ zu beschreiben und zugleich von makrosozialen Postulaten abzugren-
zen.
Es lässt sich in der historisch-hermeneutisch argumentierenden Literatur zu journalisti-
schem Handeln mit Otto Groth ein klassischer Autor ausmachen, der zum einen zwischen den
gesellschaftlichen Aufgaben des Journalismus und den Charakteristika des journalistischen
Handelns unterscheidet sowie zum anderen ein Konzept journalistischen Handelns entwickelt,
das sowohl gegenüber dem referierenden als auch dem räsonierenden Journalismus offen ist.278

276 Vgl. Pöttker 1999b


277 Verbliebe man auch in einer eher soziologisch systematischen Herangehensweise an journalistische Handlungs-
typen in dieser historisch eingeführten dichotomischen Idealtypenstruktur, dann würde es aus der Sicht einer
Theorie des kommunikativen Handelns, die ihren Ursprung in der Untersuchung des Räsonnements bürgerli-
cher Öffentlichkeit hat, nahe liegen, journalistisches Handeln als eine Form des Räsonnements zu konzipieren,
um so zu einer Näherung an eine journalistische Handlungstheorie zu gelangen. Doch es ist nicht nur die zu
geringe Reichweite, die gegen ein solches Vorgehen spräche, sondern darüber hinaus auch die mangelnde An-
schlussfähigkeit eines solchen axiomatischen Vorgehens an viele klassische Annahmen sowohl publizistischer
als auch kommunikationswissenschaftlicher Provenienz, die auf den vermittelnden Idealtypus abheben.
278 Bereits in seiner Dissertation von 1915 hat sich Groth als Pionier erwiesen, indem er als einer der ersten
Zeitungswissenschaftler überhaupt eine empirische Untersuchung der Presselandschaft im Anschluss an Max
Webers Pläne zu einer Zeitungs-Enquete vornahm; zwischen 1928 und 1930 legte er dann eine erste gewichtige
vierbändige Untersuchung über ‚Die Zeitung‘ vor, die zum damaligen Zeitpunkt in Dichte und Systematik ohne
Konkurrenz im Fach war, allerdings noch weitgehend den damals üblichen Argumentationsmustern entsprach
(vgl. Groth 1928-1930). Ende der 1920er Jahre wurde Groth – obwohl auf Platz 1 der Berufungsliste – nicht
146 III Die Idee der Öffentlichkeit – Historische Grundlagen des Journalismus

Bereits Ende der 1920er Jahre hatte Groth versucht, historisierende Darlegungen der Entwick-
lung einer modernen Presse mit der Entwicklung einer zeitungswissenschaftlichen Terminolo-
gie im Rahmen der Grundlegung einer Journalistik zu verbinden. Dass dieser Versuch der zu
dieser Zeit üblichen „Sehnsucht nach dem eigenen zeitungswissenschaftlichen Gegenstand und
der eigenen zeitungswissenschaftlichen Methode“279 verhaftet blieb, darf aus der Rückschau
nicht verwundern – und schmälert nicht den konzeptionellen Ertrag. Das gilt in noch weit
größerem Maße erst recht für die Untersuchungskonzeption der siebenbändigen ‚Unerkannten
Kulturmacht‘, die trotz ihres Erscheinens in den 1960er Jahren weitgehend auf der vor dem
Zweiten Weltkrieg erschienenen Literatur beruht.280 Dieses umfassende Werk kam allerdings
zu einem ungünstigen Zeitpunkt auf den Buchmarkt: Während sich Kommunikationsfor-
schung und Publizistik als Sozialwissenschaften etablierten, schien Groths Analyseansatz
vordergründig „bei seinem Erscheinen wissenschaftsgeschichtlich vollkommen obsolet“281 zu
sein:
„Während die etablierten Publizistik- und Kommunikationswissenschaftler sich soziologisierend in funktiona-
listischer und systemtheoretischer Terminologie übten, ging Groth deskriptiv kulturwissenschaftlich, histori-
sierend, vergleichend und typologisierend zu Werke. Während erstere Strukturen und Interdependenzen de-
klinierten, sprach Groth von ‚Ideen‘ und vom ‚Wesen‘ der Dinge, kurzum: Groth lag nicht im Modetrend des
Faches, als er auf den Theoriemarkt trat.“282

Es liegt wohl auch daran, dass Groths Modellvorstellungen bis heute weitgehend ohne ein auf
systematische Beschäftigung deutendes Echo in der zeitgenössischen Fachentwicklung geblie-

auf den Lehrstuhl des Berliner Instituts berufen. An seiner Stelle trat der damalige Verbandsfunktionär Dovifat
in den Universitätsdienst ein. Groth pflegte sein Leben lang enge Kontakte zum zeitungswissenschaftlichen In-
stitut in München. Dort arbeitete er auch während der NS-Diktatur privat an seinen Forschungen weiter (vgl.
Langenbucher 1995). 1948 publizierte er mit ‚Die Geschichte der deutschen Zeitungswissenschaft‘ einen bis
heute gültigen wissenschaftshistorischen Überblick (vgl. Groth 1948). Sein siebenbändiges opus magnum ‚Die
unerkannte Kulturmacht‘ erschien in den Jahren 1960 bis 1972; in ihm unternahm er raumgreifend den Ver-
such, die Theorie einer „Periodik“ zu formulieren, in der ‚Zeitung‘ – verstanden als ein formales Untersu-
chungsobjekt, nicht als konkrete Manifestation – umfassend in ihren historischen, sozialen, politischen, wirt-
schaftlichen und journalistischen Grundzügen beschrieben werden sollte (vgl. Groth 1960-1972). Langenbu-
cher (1995) hat das Werk Groths einführend gewürdigt.
279 Bohrmann 1977, S. 149f.
280 Hier versucht Groth, die Grundzüge einer kulturwissenschaftlich verstandenen Periodik zu skizzieren, die die
Arbeit der bisherigen Zeitungswissenschaft fortführen und ausbauen, und gleichzeitig der paradigmatischen
Publizistikwissenschaft in der Erforschung öffentlicher bzw. gesellschaftlicher Kommunikation den Rang strei-
tig machen sollte. Allerdings gibt es Zweifel daran, dass es durch die Betonung des Qualitativen bei Groth und
seinen Nachfolgern wirklich zu einer weitgehenden Veränderung des Forschungsansatzes gekommen ist (vgl.
Bohrmann 1977, S. 150f. oder auch die systematisch vergleichende Studie von Boguschewsky-Kube 1990).
Dieses Potenzial soll im Folgenden kursorisch geprüft werden.
281 Lerg 1977, S. 10
282 Wagner 1995, S. 209. Doch wer gegenüber Groth den Vorwurf essentialistischen Formulierens erhebt – und es
ließen sich leicht entsprechende Stellen auf den mehreren tausend Seiten seines Werkes finden, die von einer
„Kombinationen von definitorischen Festsetzungen und vorausgesetzten Wertungen“ (Topitsch 1965b, S. 30)
gekennzeichnet sind – der übersieht den logischen Charakter der Grothschen Studien. Für Langenbucher
(1995, S. 167f.) jedenfalls steht fest, dass Groth mit seiner Begriffswahl keinesfalls Aussagen über das (meta-
physische) Wesen der benannten Phänomene machen will. Tatsächlich fällt es bei der heutigen Lektüre schwer,
dieser Argumentation bis ins Detail der Grothschen Arbeiten zu folgen. Allerdings soll dieser Frage nach den
Intentionen des Autors an dieser Stelle nicht weiter nachgegangen werden; dazu wäre eine eigenständige – und
weit umfassendere – Rezeption und Analyse des Grothschen Werkes vonnöten, als sie hier angestrengt werden
soll. Groths Werk soll hier lediglich selektiv und heuristisch herangezogen werden.
4 Jenseits der Dichotomie: Otto Groths integratives Konzept 147

ben sind.283 Dabei belegen sie die Fruchtbarkeit einer makrotheoretischen und systematischen
Gesamtanalyse284 und sind in hohem Maße anschlussfähig für eine kulturwissenschaftlich orien-
tierte Journalismusanalyse.285 Auch ihre Bedeutung für das Selbstverständnis des Journalisten-
berufs ist kaum zu überschätzen.286 Die Rezeption hat aber eher vereinzelt stattgefunden, am
wirksamsten noch in der Streitschrift ‚Der mißachtete Leser‘ von Glotz und Langenbucher287
sowie – wenn auch in einseitiger Vereinnahmung – bei Wagner.288 In den meisten Facheinfüh-
rungen dagegen finden sich lediglich knappe Verweise auf Groths Arbeiten; immerhin ist 1995
eine von Langenbucher editierte Textcollage erschienen.289 Aber noch wartet Groths Werk auf
seine umfassende Wiederentdeckung durch die Journalistik. Sie wird auch in der vorliegenden
Studie nicht zu leisten sein. Im Folgenden wird es vielmehr darum gehen, die Vorstellungen
Groths zur gesellschaftlichen Aufgabe des Journalismus und zu den Charakteristika journalisti-
schen Handelns zu skizzieren und auf ihre Tragfähigkeit hinsichtlich der zu entwickelnden
Journalismuskonzeption zu prüfen.
• Auf makrosozialer Ebene beschreibt Groth Journalismus als eine umfassende Vermitt-
lungsaufgabe zwischen den gesellschaftlichen Gesprächspartnern; eher beiläufig kenn-
zeichnet er auf dieser Ebene auch die Möglichkeit eigenständiger Beiträge des Journalis-
mus zum Zeitgespräch.290 Gesellschaftlich notwendige Aufgabe des Journalismus ist für
Groth, Aussagen zwischen Ausgangs- und Zielpartnern im gesellschaftlichen Zeitgespräch
zugänglich zu machen. Eigenständige journalistische Beiträge zu diesem Gespräch hinge-
gen sieht er als optional.
• Die Wertigkeit dieser Unterscheidung zwischen Vermittlung fremder und Produktion
eigener Gesprächsbeiträge verändert sich beim Perspektivwechsel zur Analyse journalisti-
schen Handelns. Hier führt er systematisch gleichberechtigt neben dem informationsba-
sierten Rollenverständnis des Vermittlers ein zweites, räsonnementbasiertes des Kommu-
nikators (‚produzierender Journalismus‘) ein. Groth hebt auch hier die Vermittlungsaufga-
be in ihrem Bezug zum Charakter des journalistischen Werks hervor, verweist aber nach-
drücklich darauf, dass Vermittlung ohne Kommunikation und damit ohne die als ‚proto-
schöpferisch‘ charakterisierte ‚Produktion‘, nicht konzipierbar ist. Die Trennung zwischen
referats- und räsonnementbasiertem Verständnis, die auf der funktionalen Ebene des

283 „Außer einer Rezension in der in Leipzig erscheinenden ‚Zeitschrift für Journalistik‘ und kurzen Anzeigen zum
jeweiligen Erscheinen der verschiedenen Bände in der Zeitschrift ‚Rundfunk und Fernsehen‘ läßt sich bislang
keine eingehende fachwissenschaftliche Beschäftigung mit dem Werk ‚Die unerkannte Kulturmacht‘ finden.“
(Langenbucher 1995, S. 154) In der genannten Leipziger Rezension wird Groth aus der Perspektive der sozia-
listischen Journalistik vorgehalten, aus spätliberaler Sicht apologetisch das Wesen der kapitalistischen Presse zu
rechtfertigen (vgl. Raabe 1962).
284 Vgl. Langenbucher 1995, S. 185
285 Ausschlaggebend für diese Annahme sind Feststellungen bei Groth (1960, S. 5) wie die folgende: „Zeitungen
und Zeitschriften sind Kulturwerke – Kultur hier umfassend gemeint als das ständig wachsende und sich ver-
ändernde Ganze menschlicher Sinnschöpfungen.“ Angesichts solcher Aussagen ist zum Beispiel Pätzold (2002,
S. 33) aus kulturwissenschaftlicher Sicht auf die Journalistik zu Recht der Auffassung, dass Groth „[…] für un-
ser Fach ungleich mehr geleistet hat, als z.B. Emil Dovifat“.
286 Vgl. Pöttker 2001
287 Glotz/Langenbucher 1969
288 Vgl. Wagner 1977; 1978; 1995
289 Vgl. Groth 1995
290 Vgl. Groth 1960, S. 584ff.; z.B.: „Die Geschichte der periodischen Presse liefert uns aber auf jedem ihrer
Blätter in der Tat zahlreiche Beispiele für die niemals rastende schöpferische Initiative und Originalität der
Journalisten und Verleger, man möchte fast sagen: Gerade ihre gewaltige Entwicklung ist ein einziger großer
Beweis dafür.“ (ebd., S. 591)
148 III Die Idee der Öffentlichkeit – Historische Grundlagen des Journalismus

journalistischen Werks ihren Sinn hat, verliert auf der Ebene des journalistischen Han-
delns einen guten Teil ihrer Notwendigkeit und letztlich ihrer Begründbarkeit.
Groths Werk kann als Beleg für die Fruchtbarkeit einer Analyseperspektive jenseits der tradier-
ten Dualismen gelesen werden. Ob im voll entwickelten Journalismus moderner Gesellschaften
Vermittlung (Referat) oder Räsonnement überwiegen, ist für ihn letztlich eine empirisch
kontingente, keine theoretisch prinzipielle Frage, da das Verhältnis zwischen Bericht und
Kommentar von wirtschaftlichen, politischen, kulturellen oder sozialen Rahmenbedingungen
abhängig ist.291 Während die Figuren des gesellschaftlichen Zeitgesprächs und der bürgerlichen
Öffentlichkeit historische Andeutungen gesellschaftstheoretischer Rahmenkonzepte bilden, ist
Groths Journalismustheorie in engem Bezug zu ihnen als eine analoge historisch informierte
Darstellung journalistischer Handlungsoptionen zu sehen.

4.1 Das journalistische Werk als Vermittler

Im Mittelpunkt des makrosozialen Journalismus-Modells, das Groth entwickelt, steht das


journalistische Werk, das zwischen Ausgangs- und Zielpartnern in gesellschaftlichen Kommu-
nikationsprozessen vermittelt. Dieser Heuristik des Vermittelns wird vor dem Hintergrund der
vielfältigen Austauschbeziehungen und seiner daraus erwachsenden „Kulturbedeutung“ als
Zwischenstück von Produktion und Rezeption in gesellschaftlichen Kommunikationsprozes-
sen eine besondere Aufmerksamkeit zuteil.292 „Vermittlung geistiger Güter“293 ist der ‚Sinn‘ des
Journalismus in der öffentlichen Kommunikation; sie ist in modernen Kulturgesellschaften
zwingend notwendig – denn, so Groth, „[…] ohne Vermittlung wäre auf keinem Gebiet
kulturell-sozialer Betätigung auch ein gedeihliches Zusammenleben und Zusammenwirken
denkbar“.294
Ausgehend von der noch historischen Betrachtung, dass bereits die Entstehung des histori-
schen Zeitungswesens eine Reaktion auf das Vermittlungsbedürfnis innerhalb komplex ausdif-
ferenzierter Gesellschaften gewesen ist295, entwickelt Groth den Vermittlungsbegriff zu einem
eigenständigen theoretischen Konzept weiter, dessen soziale Bedeutung Grundlage von
Wertzuschreibungen in Richtung Journalismus ist. Dabei begreift er das journalistische Werk
nicht als eine konkrete Manifestation, sondern als immaterielle, ‚ideelle Realität‘, die nicht
durch die sinnliche Wahrnehmung, sondern durch die Erfüllung einer Idee konstituiert wird.296
Der Begriff ‚Zeitung‘ markiert in zeitungswissenschaftlicher Tradition einen kontingenten
Handlungs-, Funktions- oder Kulturzusammenhang, somit einen formalen Idealtypus, der sich
im historischen Verlauf in unterschiedlichen Manifestationen auffinden lässt.
Das journalistische Werk hat die Aufgabe, in einer komplexen Gesellschaft das gesell-
schaftliche Zeitgespräch auch über größere räumliche oder soziale Distanzen hinweg aufrecht

291 Die Hochphase des Räsonnements in der Presse zum Beispiel, die Habermas (1990) als bürgerliche Öffentlich-
keit beschreibt, ist durch solch einen externen Faktor ausgezeichnet: den Kampf um die Pressefreiheit, der aus
jedem Kommentar gleichsam performativ ein politisches Statement macht.
292 Groth 1972, S. 357. In Groths Werk ‚Die unerkannte Kulturmacht‘ erfährt die Vermittlungs-Kategorie „[…]
erstmals eine theoretische Würdigung ihrer eminenten praktischen Bedeutung, die so weder vorher noch nach-
her von anderen Wissenschaften geleistet wurde“ (Langenbucher 1995, S. 184).
293 Groth 1960, S. 543
294 Ebd., S. 567f.
295 Vgl. Groth 1928, S. 19
296 Vgl. Groth 1960, S. 60
4 Jenseits der Dichotomie: Otto Groths integratives Konzept 149

zu erhalten. Ihm wird eine zwar vorwiegend ‚dienende‘ aber zugleich gesellschaftlich zentrale
Aufgabe zugewiesen, die darin besteht, die kommunikative Integration des zwischenmenschli-
chen Gesprächs auf Gesellschaftsebene komplementär zu gewährleisten. Durch die journalisti-
schen Vermittlungsleistungen haben Menschen die Möglichkeit, sich über ihr soziales, politi-
sches und kulturelles Umfeld zu informieren, zu orientieren und in Kommunikation mit
räumlich entlegenen gesellschaftlichen Partnern zu treten.297 In vergleichbarer Stoßrichtung
wird auch in der aktuellen Journalismusforschung Vermittlung als ein zentrales Qualitätskrite-
rium gesehen. Für Rager bedeutet der Begriff zum Beispiel: „[g]egenseitige Bezüge herstellen
zwischen KommunikatorInnen und Publikum, im Rückgriff auf gegenseitige ‚Erwartungs-
Erwartungen‘“.298 Auch hier wird Vermittlung als eine Leistung innerhalb eines sozialen
Austauschprozesses beschrieben, der durch die Möglichkeit der Vermittlungsleistung über-
haupt zustande kommt. Groth geht davon aus, dass am Anfang der Entwicklung des Journa-
lismus die Darstellung von ‚Tatsachen‘ das „Fundament und Zentrum der Zeitung“ sei – ohne
dass sie darauf festgelegt sei:
„Das Speziell [sic!] ‚Journalistische‘ ist immer mit dem Tatsächlich-Stofflichen engstens verbunden, mit dem,
was die Gegenwart an Fakta Tag für Tag bringt und zu dem der Mensch Tag für Tag Stellung nehmen muß.
Je weiter sich davon die Darbietungen des Periodikums entfernen, desto mehr verlieren sie den speziell jour-
nalistischen Geist und so gesehen ist der ‚Reporter‘ der Urtypus des Journalisten, ist er der Protagonist, der erste Reprä-
sentant der Zeitung. Die Nachricht, das Referat war geschichtlich das Erste, war das früheste Idealgut der Zei-
tung […]. Aber das heißt nicht, daß sie sich ihrem Wesen nach auf das Referat beschränken müsse, im Ge-
genteil, gerade von dem Referat aus – und das bestätigt die ganze Geschichte der Zeitung – führen ihre Wege
unweigerlich darüber hinaus, führen zum Räsonnement, führen zur Dichtung. In ihrem Wesen war die Zei-
tung niemals von vornherein festgelegt, sie ließ sich auch nie festlegen […].“299

Dem Vermittlungskonzept liegt kein lineares Informations-Modell300 zugrunde, sondern ein


komplexer und dynamischer Kommunikationszusammenhang. Groth entwirft das Modell
eines dreigliedrigen Austauschprozesses zwischen Ausgangspartner, Vermittler und Zielpart-
ner, in dem alle drei Glieder – wenn auch mit unterschiedlichen Intentionen – kommunikative
Leistungen erbringen. Diese Vorstellung beruht auf der zeitungswissenschaftlichen Heuristik
des gesellschaftlichen Gesprächs, das zwischen unterschiedlichen Gruppen, Institutionen oder
Individuen geführt wird und durch Journalismus als „Mittelstück“ strukturell in weit umfas-
senderen Sinne ermöglicht wird.301 Als Vermittler versteht Groth „eine Person oder eine
Einrichtung, fähig und tätig dazu, unter Benutzung gewisser Ansatzstellen, Eigenschaften,
Bedürfnisse, Situationen, Beziehungen usw., die zwischen den Partnern bestehenden Trennun-
gen, Gegensätze, Hemmnisse mit Hilfe geeigneter Mittel und Methoden zu überwinden oder
zu beseitigen“.302 Groth sieht vor allem das Periodikum, also das journalistische Werk, als
Vermittler an, konkretisiert aber, dass es als „lebloses, selbst nicht handlungsfähiges Men-
schenwerk“ der Menschen bedürfe, „[…] die seine Vermittlerfunktion ermöglichen“.303
Das vermittelnde journalistische Werk steht zwischen ‚Kommunikatoren‘, die als Partner im
gesellschaftlichen Gespräch kommunikative Beiträge leisten. Diese ‚Ausgangspartner‘ und

297 Vgl. ebd., S. 563


298 Rager 1994, S. 202. Vermittlungsqualität, v.a. als Verständlichkeit, werten Praktiker nach Richtigkeit, vor
Aktualität und Relevanz, als wichtige Qualitätsdimension (vgl. Weber/Rager 1994; Rager/Haase/Weber 1994).
299 Groth 1961, S. 106f.
300 Ein Beispiel dafür ist das sehr mechanische Nachrichtenmodell von Shannon/Weaver 1949
301 Groth 1960, S. 563f.
302 Ebd., S. 565
303 Ebd., S. 569
150 III Die Idee der Öffentlichkeit – Historische Grundlagen des Journalismus

‚Zielpartner‘ des Gesprächs können sowohl einzelne Akteure als auch Gruppen sein, die Teile
einer sich in ständiger Kommunikation befindenden Gesellschaft sind.304 Ihre Aussagen
werden durch den Vermittler an Dritte oder untereinander weitervermittelt. Die Unterschei-
dung zwischen den Ausgangspartnern und den von ihnen angesprochenen Zielpartnern legt
Groth explizit als eine „formal-methodische“ an.305
„Vermitteln bezeichnet nicht nur eine ‚soziale Funktion‘, sondern bringt auch konzis die intrikate Wechselsei-
tigkeit der Beziehungen zwischen Produzenten, Periodikum und Konsumenten, die gegenseitige Abhängig-
keit, die geistige Gebundenheit aneinander, sogar das Hin und Her zwischen den dreien zum Ausdruck und
schließt damit den ‚Gedankenaustausch‘ ein, den Wechsel der Positionen, durch den der Konsument zum
Produzenten, der Produzent zum Konsumenten wird. Und wenn trotzdem das Vermitteln die Richtung vom
Schöpfer über das Werk zum Empfänger noch stark akzentuiert, so entspricht das den tatsächlichen Verhält-
nissen im Periodikum.“306

Der Unterschied zwischen den Partnern wird durch eine Wissensdifferenz konstituiert, nicht
durch soziale Stratifikation oder vergleichbare Machtverhältnisse.307 Der angenommene
Unterschied wird durch das journalistische Werk ausgeglichen; es vermittelt im weitesten Sinne
Wissen und stellt so eine Verbindung zwischen den gesellschaftlichen Kommunikationspart-
nern her.308 Angesichts dieser Differenz konstatiert Groth, dass vor allem Sozialgebilde als
Ausgangspartner aktiv werden, während individuelle Rezipienten vorwiegend Zielpartner
sind.309 Aber auch diese theoretische Vermutung beansprucht keine Allgemeingültigkeit. Der
Anstoß zu einem Vermittlungsvorgang kann also von allen Beteiligten ausgehen310; die Rollen
von Ausgangs- und Zielpartnern können wechseln.311
Durch die periodische, aktuelle, universale und öffentliche Vermittlung des Faktischen aus
den Gegenwelten ermöglicht Journalismus, so eine der Kernprämissen des Grothschen Mo-
dells, den Menschen das Handeln.312 Aus dem Wissen um das Andere, um das nicht selbst
Erlebte, um ‚das Sich-in-der-Welt-Zutragende‘, erwächst überhaupt erst die Möglichkeit zum
Räsonnement; aus der ersten Aufgabe des Journalismus entwickeln sich – das hat der Rück-
blick auf die historische Entwicklung gezeigt – alle weiteren Aufgaben.313 Ohne die Vermitt-
lung des Journalismus würden Teile des Gesellschaftslebens der Moderne brachliegen.314

304 Vgl. Langenbucher 1974/1975, S. 258


305 Groth 1960, S. 599
306 Ebd., S. 557
307 Vgl. ebd., S. 599
308 Vgl. ebd., S. 614
309 Vgl. ebd., S. 608f.
310 Vgl. ebd., S. 566
311 Vgl. ebd., S. 612
312 Übrigens auch und gerade ohne konkrete Lernintention der Rezipienten. Rager (1999b, S. 144) schreibt mit
Blick auf die Zeitung pointiert: „In der Zeitung findet man auch das, was man gar nicht gesucht hat.“
313 Groth 1961a, S. 107. Vgl. auch Groth 1960, S. 512: „Die Idee der Zeitung ist, fortlaufend der ohne Ende
dahinrollenden Zeit zu folgen und so dem Leben der Kulturgesellschaft und ihrer Glieder, dessen Ende wir
auch nicht sehen, zu dienen. Was die jeweilige Gegenwart ununterbrochen immer aufs neue an Seiendem und
Geschehendem enthält und ununterbrochen in die Gegenwelten der Kulturmenschen rückt, das zu erfassen,
festzuhalten und fortlaufend für alle zugänglich zu vermitteln, das ist Aufgabe der Zeitung.“
314 Diese historische wie systematische Interpretation des journalistischen Vermittlungshandelns setzt allerdings
auf eine Einordnung und Bewertung des Journalismus, die ihm als Vermittlungshandeln in einen nur abgeleite-
ten Wert attestiert: „Der Journalismus hat keinen Eigenwert, sondern ‚konsekutiven‘, ‚Wirkungswert‘; sein
Vermitteln ist, wie schon das Wort besagt, nicht Selbstwert, sondern empfängt seinen Wert von anderen Wer-
ten, zunächst aus der Unterrichtung des neuzeitlichen Kulturmenschen über Sein und Geschehen, Geist und
Tat in der Welt, in der er beeinflußt und beeinflussend steht. Die Unterrichtung kann und soll der Gesellschaft,
ihren Individuen wie ihren Gesamtheiten, zu zahllosen lebenserhaltenden und lebensfördernden, lebenserhö-
4 Jenseits der Dichotomie: Otto Groths integratives Konzept 151

Dem journalistischen Werk obliegt in erster Linie, das gesellschaftliche Zeitgespräch zu


vermitteln – aber nicht ausschließlich: Journalismus soll dieses Gespräch auch stimulieren und
vorantreiben. Darin liegt der Grund, Journalismus schon auf der Ebene seiner gesellschaftli-
chen Funktionalität nicht nur als vermittelnd, sondern – im Falle eigener Impulse für das
Zeitgespräch – auch als produzierend darzustellen. Entsprechend können Journalisten – neben
der Vermittler-Rolle – auch die Rolle eines Kommunikationspartners, eines Teilnehmers im
gesellschaftlichen Zeitgespräch, einnehmen. Ihre Positionierung in der Beziehungs-Trias
‚Ausgangspartner – journalistisches Werk – Zielpartner‘ ist nicht von vorn herein durch das
Modell festgelegt. Auch wenn es eigentlich nicht zum genuinen Vermittlungsprozess gehört,
wird sich der journalistische Vermittler auch darum bemühen, Vermittlungsgegenstände
ausfindig zu machen und die Partner am gesellschaftlichen Gespräch in seine Überlegungen
einzubeziehen, um den journalistischen Vermittlungsvorgang aufrecht zu erhalten.315
Bereits 1928 macht Groth deutlich, dass das schöpferische bzw. ‚produzierende‘ Räsonne-
ment als ein zentraler Bestandteil des modernen Journalismus nicht mehr wegzudenken ist:
„Die Forderung, daß sich die Zeitung wieder auf die Stufe des reinen Nachrichtenblattes herabdrücken lassen
solle, ist dem Glauben gleich, daß man die heutige Weltwirtschaft wieder in die mittelalterliche Stadtwirtschaft
verwandeln könne.“316

Der journalistische Beruf verdanke seine Entwicklung nicht zuletzt dem Streben nach Unab-
hängigkeit, das er seit der Etablierung des Räsonnements im schriftstellerischen Journalismus
zur Grundlage seines Selbstverständnisses gemacht hat. Die Auszeichnung eines produzieren-
den Journalismustyps, die Groth bereits zur Klassifizierung unterschiedlicher Funktionen des
journalistischen Werks anlegt317, entfaltet ihre heuristische Wirkung damit erst im Zusammen-
hang mit der Erörterung journalistischer Handlungsmodi. Auf der abstrakten Funktionsebene
des Werkes, auf der Groths Erörterungen sich überwiegend bewegen, dient sie dazu, schöpfe-
rische und kreative Leistungen des Journalismus als sozialer Institution kenntlich zu machen.
Sie verhindert, dass Journalismus zum passiven Vermittlungskanal herabgesetzt wird, verbleibt
aber trotzdem sekundär im Vergleich zur angenommenen Primäraufgabe der Vermittlung und
Konstitution des gesellschaftlichen Zeitgesprächs. Weitaus differenzierter kann die Frage der
Produktivität des Journalismus auf der Handlungsebene behandelt werden.

4.2 Die Aufgaben des journalistischen Handelns: Vermittlung und Produktion

Während Groth dem journalistischen Werk primär eine Vermittlungsfunktion zuweist, betrachtet
er das journalistische Handeln, das an der Entfaltung dieser Funktion maßgeblich beteiligt ist, auf

henden und lebenserweiternden Zwecken dienen, die erst dem von dem Journalismus Vermitteltem Wert ge-
ben.“ (Groth 1960, S. 20) Dass der soziale ‚Wert‘ des Journalismus trotz dieser Einschränkungen hoch ist, liegt
daran, dass der von ihm zu gewährleistenden Vermittlung zentrale Leistungen zugeschrieben werden, die als
konstitutiv für Religion, Wissenschaft und Kunst und sogar als überlebensnotwendig für Staatsapparat und
Wirtschaftssystem begriffen werden (vgl. ebd., S. 597).
315 Darauf stellt Aswerus (1961, S. 88) ab: „Im Fortschritt der Rationalisierung manifestiert der Bote oder Redak-
teur nicht mehr das Gespräch einer vorgegebenen Gesprächsgesellschaft, sondern er produziert die Manifesta-
tion eines Zeitgesprächssurrogates und sucht dafür Kommunikationsverbraucher. Diese wählen sich den ihnen
zusagenden Anteil als den ihrigen aus und gliedern sich in das Gesprächsmiteinander ein, dem es nach wie vor
um die ‚Neuigkeiten‘ geht.“
316 Groth 1928, S. 742
317 Vgl. Groth 1960, S. 584ff.
152 III Die Idee der Öffentlichkeit – Historische Grundlagen des Journalismus

einer davon getrennten Ebene. Diese Differenzierung erlaubt nicht nur die gleichberechtigte
Behandlung unterschiedlicher Rollenverständnisse journalistischen Handelns, sondern beinhal-
tet außerdem den immanenten und impliziten Hinweis auf eine übergreifende Kommunikativi-
tät journalistischen Handelns, welche eine normativ begründete konzeptionelle Entscheidung
zwischen den beiden Rollentypen diskreditiert.
Groth definiert journalistisches Handeln zunächst formal und deskriptiv als berufliches
Schreiben für Zeitschriften bzw. Journale. Im weiten Sinn sind Journalisten für ihn die „an der
Gestaltung des textlichen Inhalts der Periodika berufsmäßig Mitwirkenden“ und in einem
engeren Sinne diejenigen, „die an der Gestaltung des Textes von Zeitungen oder auch zei-
tungsnahen Zeitschriften, sei es unmittelbar, sei es mittelbar – durch Arbeiten für Hilfseinrich-
tungen zur Textgestaltung – berufsmäßig tätig sind“.318
Auch wenn diese definitorischen Näherungen aus heutiger Sicht vor allem hinsichtlich der
subsumierten Tätigkeiten zu kurz greifen, können Groths Ausführungen doch als der Versuch
betrachtet werden, nicht durch hohe normative Hürden weite Bereiche des professionellen,
mindestens aber des beruflichen öffentlichen Kommunikationshandelns aus dem Journalismus heraus
zu definieren, wie das publizistikwissenschaftliche Gesinnungskonzepte nahe legen. Vielmehr
sieht Groth für journalistisches Handeln die Kriterien der Periodizität, der Universalität, der
Aktualität und der Publizität als Unterscheidungsmerkmale gegeben an, durch die auch das
journalistische Werk, dem seine Aufmerksamkeit gilt, geprägt ist.319 Formal haben Journalisten
in ihrem Handeln drei Aufgaben zu bewältigen, damit die Vermittlung gemäß dieser Kriterien
gewährleistet ist:
(1) die Materialbearbeitung (Selektion, Redigat, Satz/Umbruch),
(2) den Umgang mit den Ausgangspartnern (Materialbeschaffung) und
(3) den Umgang den Zielpartnern (Publikumspflege).320
Da das Periodikum eine Vermittlungsaufgabe zu erfüllen hat, müssen journalistische Handlun-
gen aus Groths Sicht auf diese Aufgabe ausgerichtet sein. Daraus lassen sich ethische Implika-
tionen für die Produzenten des vermittelnden Periodikums wie „Wahrheit der Tatsachen und
Aufrichtigkeit der Gesinnung, der gewissenhaften Prüfung des Zuvermittelnden und der
Verantwortung vor der Allgemeinheit“ ableiten.321
Aus dem skizzierten Konzept des vermittelnden Journalismus, das Groth als ‚reinen Jour-
nalismus‘ kennzeichnet, lässt sich zunächst ein explizit nicht negativ verstandener ‚Verlautbarungsjour-
nalismus‘322 ableiten, als dessen journalistische Kerntätigkeiten die Auswahl und die Aufberei-
tung der Agenda des gesellschaftlichen Gesprächs verstanden werden können. Für dieses
vermittelnde journalistische Handeln postuliert Groth, ähnlich wie im Rollenbild des referierenden
Reporters „Neutralität und Objektivität des Journalisten gegenüber seinem Stoff“323. Diese
Haltung wird als Voraussetzung einer angemessenen Behandlung der kommunikativen Äuße-
rungen der Ausgangspartner im gesellschaftlichen Zeitgespräch gekennzeichnet. Daraus ergibt
sich ein sehr eingeschränktes Verständnis des journalistischen Handelns, das den Journalismus
darauf verpflichtet, sich eigenständiger schöpferischer, v.a. wertender, Beiträge vollständig zu

318 Groth 1962, S. 181


319 Vgl. Groth 1960, S. 26
320 Vgl. Ebd., S. 571f.
321 Ebd., S. 619
322 Vgl. zu einem positiven Konzept des ‚Verlautbarungsjournalismus‘ auch Dorsch 1982.
323 Groth 1960, S. 576
4 Jenseits der Dichotomie: Otto Groths integratives Konzept 153

enthalten.324 Auch wenn Groth diese Haltung für die Vermittlung kommunikativer Äußerun-
gen anderer zunächst dezidiert einfordert, begrenzt er Journalismus nicht auf ein Handeln
gemäß dieser Haltung. Zwar sieht er Reportage und Referat als „journalistische Form der
Unterrichtung im engeren Sinne“325, aber er weitet sukzessive den analytischen Fokus, um auch
andere journalistische Aufgaben in den Blick nehmen zu können und damit die konzeptionel-
len Möglichkeiten seines Vermittlungsmodells weiter auszuschöpfen.326
Dies gilt in besonderem Maße für die Einführung des produzierenden Journalismus in Ergän-
zung zum vermittelnden Journalismus. Zunächst lassen sich unter diesen produzierenden
Journalismus die Formen publizistischen und journalistischen Räsonnements fassen; weiterge-
hend aber nennt Groth auch die Recherchetätigkeit als Beispiel produzierenden journalisti-
schen Handelns. Produzierender Journalismus umfasst allgemein Formen journalistischen
Handelns, die über das Vermitteln der von den Kommunikationspartnern bereitgestellten
Informationen und Argumente hinausgehen.327 Da im Journalismus Ideen formuliert und
vertreten würden, so Groth, könne journalistisches Handeln nicht ausschließlich als das
Vermitteln fremder schöpferischer Leistungen betrachtet werden; es generiere auch selbst
geistige Produkte, die weiter vermittelt würden.328 Groth weist dem Journalismus deshalb nicht
nur die Hauptaufgabe der „Unterrichtung im engeren Sinne oder Information“ zu, sondern
benennt darüber hinaus auch „Führung und Werbung (Propaganda)“, „theoretische und
praktische Belehrung und Beratung“ sowie „Erholung und Unterhaltung, Erhebung und
Erbauung“ als weitere Aufgaben des Journalismus.329 Erst in der Vielfalt dieser unterschiedli-
chen Leistungen entfalte sich die Rolle des Journalismus als vermittelnder Instanz im gesell-
schaftlichen Zeitgespräch.

324 Aus dem „instrumentalen Charakter des Periodikums“ ergebe sich, so Groth (1960, S. 577) sehr apodiktisch,
das Ziel, „[…] dem Publikum das für das Publikum, das stofflich und deshalb praktisch für dessen Zwecke Be-
deutsame zu vermitteln, nicht ihm selbst persönlich am Herzen Liegendes aufzudrängen, nicht das Publikum in
seine, des Journalisten, Anschauung und Überzeugung hineinzuzwingen. Immer ist der Journalismus als solcher
Diener, nicht Herr des Publikums, er sieht die Dinge lediglich unter dem Gesichtspunkt der praktischen Be-
deutsamkeit und Brauchbarkeit für das Publikum, und so verstanden ist er gleichsam persönlich ganz desinter-
essiert.“ Mit derartigen Betrachtungen fällt Groth bisweilen zurück in dichotomische Perspektivierungen, die
im damaligen Fachdiskurs weit verbreitet waren.
325 Groth 1962, S. 296; ähnlich auch Groth 1961a, S. 343.
326 Manche der anfänglich stark einschränkenden Äußerungen scheinen auch daher zu rühren, dass Groth,
entgegen seiner erklärten Absichten, Aussagen über die Vermittlungs-Aufgabe des journalistischen Werks auf
das journalistische Handeln überträgt, ohne vorher zu prüfen, inwiefern dieser Transfer mit seinen epistemolo-
gischen Prämissen und seinen normativen Vorgaben harmoniert. Diese Übertragungen lassen sich in der Kon-
zeption journalistischen Handelns im Spannungsfeld von Vermittlung und Produktion nicht aufrechterhalten.
327 Vgl. Groth 1960, S. 603
328 Vgl. ebd., S. 584ff.
329 Groth 1962, S. 296. Hinzu kommt als Zweck des Periodikums noch der Profit als „weitaus die verbreitetste
und stärkste Triebfeder der Vermittlung“, die Groth (1961a, S. 364) ausfindig macht. Obwohl Groth (1948, S.
335) bereits 1948 die Publizistikwissenschaft des „Opinionismus“ geziehen hatte, geht er davon aus, dass Jour-
nalismus geistige Führung entfalten kann, nicht muss. Groth (1962, S. 300ff.) spricht Journalisten das Potenzial
zu, vor allem hinsichtlich der Durchsetzung geistiger Ideen als ‚Führer‘ zu agieren. Es handele sich dabei nicht
um eine „Wesensaufgabe“ des Journalisten, aber praktisch ergebe sich diese Funktion aus dem periodikalischen
Wirken (Groth 1961a, S. 418). Groth integriert damit Charakteristika, die oftmals vermeintlich eindeutig dem
Typus des sog. Publizisten zugeschrieben wurden, der sich vom Journalisten signifikant in seiner ‚Gesinnungs-
festigkeit‘ und seiner Verantwortung für das gesellschaftliche Räsonnement unterscheide. Auch Groth (1962, S.
198) macht diese Unterscheidung, verknüpft sie aber nicht mit der Frage der ungehinderten Meinungsäuße-
rung, die er beiden zugesteht, da die „Grenze zwischen Journalist und Publizist […] innerhalb des räsonieren-
den Journalismus“ verlaufe. Die Unterschiede zwischen den öffentlichen Kommunikationsmodi Journalismus
und Publizistik lassen sich Groth zufolge eher in der Frage der Periodizität und Kontinuität der Arbeit ausfin-
dig machen.
154 III Die Idee der Öffentlichkeit – Historische Grundlagen des Journalismus

Groth gleitet schon in der Funktionsbestimmung des Werkes immer wieder auf die Hand-
lungsebene, wenn er das produktive Element kennzeichnen will. Produzierender Journalismus
ist für ihn letztlich nur im Zusammenhang mit tätigen Personen konzipierbar. Die Differenzie-
rung zwischen den beiden Handlungsmodi ist dabei eine Frage der ‚inneren Haltung‘ und der
Zielsetzung des Journalisten. Groth befindet sich damit noch in der erkenntnistheoretisch als
naiv zu kennzeichnenden Tradition der frühen normativen Ansätze: Für ihn gilt, dass der
Journalist vermittelnd tätig ist, wenn er Aussagen der Ausgangspartner ‚neutral‘ und ‚objektiv‘
weiter gibt; sobald sich aber ein Journalist selbst zum ‚Sprachrohr des Publikums‘ macht oder
gar selbst Ideen hervorbringt, muss er als produzierender Journalist verstanden werden.330
Dadurch, dass hier die Begründungszusammenhänge bereits bei Groth selbst erkennbar
unscharf werden, gerät die Aufrechterhaltung einer Dichotomie zwischen Vermittlung und
Produktion auf der Ebene der Handlungsmodi unter Druck.
Geigers vergleichbare Ausführungen zum Status einer so genannten ‚vermittelnden Intelli-
genz‘ des Journalismus legen nahe, dass die „Popularisierung“ von Kulturbeständen eine
Tätigkeit der Intelligenz – und somit ‚produzierend‘, wenn nicht gar in einem angelehnten
Sinne ‚schöpferisch‘ – ist.331 Journalisten zählen Geiger zufolge dann zur gesellschaftlichen
Intelligenz, zu der Elite der „Schöpfer von Beständen der repräsentativen Kultur“332, wenn sie
die Vermittlung als eigenständige produzierende Leistung anlegen, zum Beispiel durch räsonie-
rende Elemente oder besondere Darstellungsbemühungen:
„Der Journalist gehört zur Intelligenz, sofern seine Beiträge selbständige Gedanken enthalten – ungeachtet
des Wertes dieser Gedanken. Außerhalb steht der Journalist, der nicht mit Hirn und Feder, sondern mit Sche-
re und Kleister arbeitet, der Gerichts- oder Parlamentsreporter, der ohne eigenen Kommentar den Verhand-
lungsverlauf berichtet, der Lokalreporter, der kleine Tagesereignisse und Sensationen registriert – es sei denn,
er knüpfe daran gesellschaftskritische Betrachtungen oder gieße sie in echt literäre Form.“333

Auch Max Weber kritisiert in einer viel zitierten Passage in ‚Politik als Beruf‘ die vor einem
Jahrhundert weit verbreitete Ablehnung der journalistischen Leistungen als zu kurz gegriffen:
„Daß eine wirklich gute journalistische Leistung mindestens soviel ‚Geist‘ beansprucht wie irgendeine Gelehr-
tenleistung – vor allem infolge der Notwendigkeit, sofort, auf Kommando, hervorgebracht zu werden und:
sofort wirken zu sollen, bei freilich ganz anderen Bedingungen der Schöpfung, ist nicht jedermann gegenwär-
tig.“334

Derartige Ansprüche sieht Geiger besonders in der Presse zur Zeit des schriftstellerischen
Journalismus der französischen Revolution erfüllt, die ein ‚Organ der Information und Aufklä-
rung‘ gewesen sei, damit beide Aufgaben vereinte und sie noch nicht in ‚Vulgarisierung‘ oder
‚Agitation‘ ad absurdum geführt habe, wie Teile der modernen Presse.335 Legt man diesen
Maßstab an, dann erfüllt sich die Bestimmung des Journalismus erst in der Einheit von vermit-
telnden und produzierenden Tätigkeiten, dann ist ‚angemessene‘ Vermittlung von Kulturleis-

330 Vgl. Groth 1960, S. 600


331 Geiger 1949, S. 15. Geiger (1949, S. 82) gesteht dem Journalismus in diesem Zusammenhang den Status der
„Berufsintelligenz“ zu, deren Mitglieder in der Regel nicht selbst über die Produktionsmittel verfügen, die sie
zur Herstellung ihrer Leistungen benötigen, sondern die ihre Intelligenz in Verhältnissen lohnabhängiger Be-
schäftigung zum Einsatz bringen.
332 Ebd., S. 12
333 Ebd., S. 14
334 Weber 1993 [1919], S. 29. Das Herabwürdigen des Journalisten-Standes „zu einer Art Pariakaste“ ist aus
Webers Sicht Folge einer einseitigen Rezeption, die Journalismus immer nur an seinen Fehlleistungen misst.
335 Vgl. Geiger 1949, S. 59ff.
4 Jenseits der Dichotomie: Otto Groths integratives Konzept 155

tungen, von Orientierungswissen, nur möglich, wenn Journalisten ihr Handeln als eine eigen-
ständige intellektuelle Tätigkeit anlegen. Auch Groth vermutet einen produzierenden Journalis-
ten dort, „[…] wo nicht bloß stilistische Abfassung, die Formulierung des Inhalts, sondern wo
der Gedankeninhalt, Wesentliches des Gedankeninhalts, von ihm stammt“.336 Journalistisches
Räsonnement, mithin produzierender Journalismus, ist demnach ohne eine angenommene
geistige Eigenständigkeit der Redakteure nicht denkbar.337 Groth konzipiert die produzierende
bzw. im weiteren Sinne schriftstellerische Tätigkeit des Journalisten so, dass sie sowohl vermit-
telnd als auch räsonierend angelegt werden kann.338 Dabei fasst er die Bedeutung des produzie-
renden, schriftstellerischen Journalismus bisweilen sogar so weit, dass eine eigenständige
Abgrenzung eines vermittelnden Typus gar nicht mehr möglich oder sinnvoll scheint, wenn er
zum Beispiel – weitergehend als Geiger – auch die Tätigkeit des sonst oft gering geschätzten
Lokalreporters zum produzierenden Journalismus rechnet.
„Die Schriftsteller sind also die Ausgangspartner, deren Erzeugnisse der Öffentlichkeit durch das Periodikum
vermittelt werden. Zu ihnen gehören der Lokalreporter, der den dürren Bericht über einen Unglücksfall ab-
faßt, ebenso wie der Leitartikler, der seine leidenschaftlichen Anklagen gegen die Regierung schleudert, gehört
der Feuilletonist, der in einer geistreich-subjektiven Betrachtung ein Vorkommnis des täglichen Lebens unter
den Aspekt allgemeinmenschlicher Tragik stellt, ebenso wie der Gelehrte, der in einem sachlich-gründlichen
Aufsatz eine neue wissenschaftliche Erkenntnis vorträgt.“339

In letzter Konsequenz fällt angesichts dieser Überlegungen auf der Handlungsebene jeder
Journalist unter die Kategorie des produzierenden Journalismus, der nicht bloß vorgefertigte
Agenturmeldungen oder Korrespondentenberichte unverändert weiterleitet, sondern der den
Inhalt des Periodikums gestaltet. Damit unterläuft Groth die bis zu seiner Studie in der For-
schung vorwiegend diskutierten Idealtypen und Rollenmuster frontal in einer mit anderen
Unterscheidungen operierenden Konzeption. Aus der Dichotomie von Referat und Räsonne-
ment wird letztlich ein graduelles Kontinuum, in dem die Eigenleistung des journalistischen
Vermittlers im Hinblick auf die Entstehung seines kommunikativen Aktes beschrieben werden
soll. Es muss daher als fraglich erscheinen, ob eine Grenze zwischen produzierendem und
vermittelndem Journalismus auf der Ebene des journalistischen Handelns überhaupt gezogen
werden kann.

4.3 Journalistische Produktion von Vermittlung

Heutzutage ist jedenfalls davon auszugehen, dass – ebenso wie Öffentlichkeit hergestellt werden
muss – auch die Vermittlungsleistung des Journalismus produziert werden muss und dass
insofern eine idealtypische Trennung auf der Ebene journalistischer Handlungsmodi wenig
aussagekräftig ist. In seinen handlungstheoretischen Implikationen, auf der Ebene der Rollen-
Modelle, transzendiert bereits Groths Vermittlungsmodell tendenziell die tradierten Idealtypen
und weist ihnen – fokussiert auf die Frage der schöpferischen (bzw. produzierenden) Anteile
des Journalismus am gesellschaftlichen Zeitgespräch – eine veränderte Bedeutung zu. Sein
Journalismuskonzept verweist implizit auf die Notwendigkeit, bereits den grundlegenden

336 Groth 1960, S. 602


337 Vgl. Groth 1962, S. 144f.
338 Vgl. ebd., S. 263. Die Vermittlung des Referats gliedert sich wiederum in Nachricht, Bericht und Schilderung
(Reportage), die in unterschiedlichem Maße Eigenleistungen des journalistisch Handelnden verlangen.
339 Ebd., S. 19
156 III Die Idee der Öffentlichkeit – Historische Grundlagen des Journalismus

Handlungsmodus, auf dem aufbauend Journalismus bestimmt werden soll, einheitlich anzule-
gen. Wenn sowohl Referat als auch Räsonnement produziert werden müssen, dann kann die
Unterscheidung zwischen Produktion und Vermittlung auf der individuellen Entscheidungs-
ebene des journalistischen Handelns keinen besonderen Wert mehr beanspruchen. Journalisten
können, das suggerieren Groths Überlegungen, letztlich gar nicht anders, als ‚produzierend‘ auf
die kommunikativen Akte, mit denen sie Vermittlung gewährleisten sollen, einzuwirken.
Anders ist die makrosoziale Unterscheidung journalistischer Aufgaben im gesellschaftlichen
Zeitgespräch zu bewerten. Auf dieser Ebene (bei Groth die Ebene des journalistischen Wer-
kes) ist die Unterscheidung zwischen der Vermittlung fremder Aussagen durch den Journalis-
mus und der Produktion eigener journalistischer Gesprächsbeiträge durchaus von heuristi-
schem Wert. Der einzelne Journalist ist hier in der Lage zwischen der Rolle als Vermittler und
der Rolle als Produzent zu wechseln. Im letzteren Fall wird der Journalist selbst zum Aus-
gangspartner, der zum Beispiel an ein Publikum appelliert oder aber als Sprachrohr eines
Publikums fungiert und seine Stimme nicht nur stellvertretend erhebt, sondern selbstständig
eine Position mitentwickelt.340 In Groths Konzeption wird Journalismus nicht dogmatisch auf
ein Handlungsmuster verhaftet, sondern zunächst mit empirischem Bezug in seinen verschie-
denen Facetten beschrieben, die in einer historischen Rückschau als unterschiedlich ‚wesens-
immanent‘ bewertet werden. Auch wenn heutzutage niemand mehr von Wesensimmanenz
sprechen würde, so bietet das Gerüst der Grothschen Theorie gerade auch in der Trennung
zwischen Funktionen des journalistischen Werks und Optionen des journalistischen Handelns
wertvolle Hinweise auf ein Journalismusverständnis jenseits der verhärteten Fronten der
Idealtypen-Dichotomie.341
Dass auch vermittelnder Journalismus produziert werden muss, dass journalistisches Han-
deln kommunikative Barrieren durchbrechen muss, um gesellschaftliche Gespräche in Gang zu
bringen, und dass es deshalb auch als Vermittlungshandeln auf Eigenleistungen beruht342, steht

340 Vgl. Groth 1960, S. 600. Wagner (1995, S. 221) bekräftigt: „Wer den journalistischen Vermittler auf einen
Nachrichtentransporteur zurückstutzen will, findet dafür bei Groth jedenfalls weder Argumente noch Beifall.“
341 Immerhin lassen sich auch im Münchner Umfeld Groths Weiterentwicklungen seiner Theorie finden, die als
heuristische Instrumente durchaus brauchbar erscheinen. So skizziert Wagner (1977) ein Modell der „Vermitt-
lungsverfassung in der Massenkommunikation“, demzufolge journalistische Vermittlungsleistungen nach den
repräsentierten Sprechern eingeräumten Darstellungsumfängen, nach dem Grad der journalistischen Bearbei-
tung und Reformulierung sowie nach dem Grad, in dem eigene Meinungsäußerungen in die Vermittlung ein-
fließen, zu trennen seien. Journalistische Vermittlungsleistungen begründeten einen „dreifachen Prozeß der
Kommunikationsrationalisierung“, der gleichbedeutend ist mit einer Konzentration der Kommunikation auf
wenige Medien, wenige Sprecher und wenige Inhalte (ebd., S. 176f.). Durch diese Reduktion von Komplexität
bleibe die Überschaubarkeit der gesellschaftlichen Zusammenhänge für den einzelnen gewahrt.
342 Aus der Sicht einer sich gesellschaftskritisch wendenden Publizistikwissenschaft, die auf die Analyse von
Machtverhältnissen in öffentlichen Kommunikationszusammenhängen abzielt, schränkt Pross das Grothsche
Vermittlungs-Modell auf so genannte ‚primäre Medien‘ ein, deren Produktion und Rezeption ohne technische
Hilfsmittel möglich sei, während komplexere ‚sekundäre‘ und ‚tertiäre Medien‘ stattdessen weniger der Vermitt-
lung als vielmehr der ‚Verteilung‘ symbolischer Formen dienten. „‚Vermitteln‘ wird allgemein gebraucht im Sinne
von mitteilen, verbinden; im besonderen Gebrauch steht ‚vermitteln‘ für zweiseitige Mitteilungssysteme, wie sie
im Bereich der primären Medien zu beobachten sind, dem ‚verteilen‘ in sekundären und tertiären Medienberei-
chen gegenüber (Zweiweg- und Einwegkommunikation).“ (Pross 1976, S. 115) Damit sieht Pross (1976, S. 116) so
genannte ‚reine‘ Vermittlung nur im menschlichen ‚Elementarkontakt‘ gegeben, während er die journalistische
Weiterentwicklung als „Verteilung von Vermitteltem“ klassifiziert und Journalismus als einen Beruf bezeichnet,
„der Interpretiertes interpretiert und es so formuliert, daß es den bloß vorgestellten oder statistisch ermittelten
Interpretanten zugänglich wird“. Diese Reformulierung der Grothschen Terminologie richtet sich vorwiegend
gegen die Annahme, dass Journalismus die Beziehungen zwischen gleichberechtigten Partnern strukturiert, und
knonstatiert, dass es eben doch vorwiegend ‚Sender‘ und ‚Empfänger‘ gibt, dass also die Rollen in der öffentli-
chen Kommunikation weitgehend präfiguriert sind (vgl. zu unterschiedlichen Rollen in der Öffentlichkeit aus-
4 Jenseits der Dichotomie: Otto Groths integratives Konzept 157

nicht im Widerspruch zu einer grundsätzlich vermittelnden Aufgabe des Journalismus als


gesellschaftlicher Institution. Vermittelnder Journalismus im Grothschen Sinne ist nicht mit
unkritischem oder gar nur technisch dienstbarem Journalismus gleichzusetzen, sondern ver-
deutlicht, dass Vermittlung auf der Handlungsebene und damit in entsprechenden Rollenmo-
dellen auch eine Eigenleistung bedeutet. Diese Leistung muss beschreibbar bleiben und kann
auch vom Idealtypus Referat her nicht prinzipiell diskreditierbar sein.
Eine normative Exklusion eigenständiger journalistischer Leistungen wäre besonders vor
dem Hintergrund heutiger Erkenntnisse weder epistemologisch noch handlungstheoretisch
begründbar.343 Journalismus müsste dann schließlich unter Abzug seiner humankommunikati-
ven Grundlagen möglich sein – eine absurde Vorstellung, die ein weitgehend sprachbasiertes
Handeln auf die Ebene technischer Dienstleistungen reduzieren würde. Die Prämisse, dass
journalistische Vermittlung genuin kommunikativ ist, zwingt dazu, die entsprechenden journa-
listischen Aufgaben und die mit ihnen korrespondierenden Handlungsrollen nicht als Alterna-
tiven zu sehen, die eine a priori-Entscheidung voraussetzen, sondern als komplementäre
Optionen, zwischen denen Journalisten im Verlauf des gesellschaftlichen Gespräches in der
Interaktion mit den ‚Gesprächspartnern‘ beständig wechseln können. Grundsätzlich kommu-
nikativ handelnd können Journalisten dann als Vermittler und Teilnehmer gesellschaftlicher
Diskurse beschrieben werden.

4.4 Epistemologische Einwände: Vermittlung und (Re-)Konstruktion

Groths Ausführungen selbst geben nur wenig Aufschluss darüber, auf welcher Grundlage das
Verständnis von Journalismus als produzierter, mithin als kommunikativer Vermittlung fun-
diert werden kann. Seine konzeptionellen Erwägungen sind daher in erster Linie von heuristi-
schem Wert, müssen aber konzeptionell auf einer im Lichte heutiger Erkenntnis tragfähigen
Basis reformuliert werden. Problematisch ist vor allem der erkenntnistheoretisch ‚naive‘
Realismus Groths, der sich insbesondere in dem Postulat ausdrückt, dass eine Vermittlung aus
den Gegenwelten faktisch ungebrochen möglich ist.344 Dadurch wird der Anschein erweckt,
Journalisten könnten Geschehnisse in den Gegenwelten, ‚so wie sie sind‘, wahrnehmen und
‚widerspiegeln‘. Aufgrund dieser Fehleinschätzung der Möglichkeiten des menschlichen
Erkenntnisapparats und der wissenschaftlichen Diagnostik werden Journalisten normativen
Anforderungen ausgesetzt, deren Erfüllung unmöglich ist.345 Groth räumt erkenntnistheoreti-
sche Probleme ein: Er gesteht Journalisten zu, ‚Wirklichkeit‘ nicht in ihrer Tatsächlichkeit
erkennen zu können, und fordert weniger Wahrheit als Wahrhaftigkeit von ihnen ein:
„Während die sachliche Wahrheit durch das Wesen des Periodikums eine Abschwächung, eine Durchlöche-
rung erfahren kann, verlangt das Wesen des Periodikums eine Verstärkung, eine größere Konsequenz der sitt-
lichen Wahrhaftigkeitshaltung.“346

führlich Peters 1994). Sie nimmt damit allerdings a priori eine vollständig erfolgte Kolonialisierung des reflexi-
ven journalistischen Handelns durch mediale Imperative an, die als problematisch bewertet werden kann.
343 Ein Beispiel ist die Entwicklung des räsonierenden Idealtypus zu einem normativ-individualistischen Rollenver-
ständnis, das sich sich gegenüber den Veränderungen in Redaktionen und Medienbetrieben verschließt.
344 Vgl. z.B. dazu kritisch Haller 1993.
345 Vgl. zu dieser Debatte bereits klassisch die Beiträge in Bentele/Ruoff 1982.
346 Groth 1961a, S. 420
158 III Die Idee der Öffentlichkeit – Historische Grundlagen des Journalismus

Probleme ergeben sich immer dann, wenn das Vermittlungskonzept in seinem Anspruch
überdehnt wird und die grundsätzliche Kontingenz journalistischer (bzw. je nach Standpunkt
auch: menschlicher) Erkenntnis nicht berücksichtigt wird.347 Derartige Versuche verstoßen
gegen den weitgehend erreichten kommunikationswissenschaftlichen Fachkonsens, dass eine
‚objektive‘ und ‚neutrale‘ Vermittlung erkenntnistheoretisch nicht haltbar ist.348 Das Vermitt-
lungskonzept ist angreifbar. Das zeigt Hallers Frage nach „Vermittlung oder Konstruktion von
Wirklichkeit?“349 ebenso deutlich wie Weischenbergs programmatische Forderung:
„Wir müssen uns verabschieden von einem (naiven) journalistischen Vermittlungsbegriff und Produktion
(wie Rezeption) als (autonome) Konstruktion begreifen. Journalisten sind keine Transporteure und sollten
nicht als Begleitpersonal von Containern beurteilt werden.“350

Bei näherer Betrachtung aber relativieren beide Autoren die angerissenen Konflikte schnell
wieder: Haller favorisiert mit guten Gründen ein sozial-konstruktivistisches Modell, das an die
Stelle des naiven objektivistischen Realitätsbegriffs treten soll und das die Bestimmung von
‚Wahrheit‘ und ‚Objektivität‘ an Konsens knüpft.351 Eine solche Perspektive schließt eine naive
abbildrealistische Vermittlungstätigkeit konzeptionell aus und beschreibt präzise die Anforde-
rungen an eine angemessen reflektierte Recherche, deren Ergebnisse dann sehr wohl – und
unter dem Vorbehalt ihrer Widerlegung als nicht zutreffende Konstruktion – vermittelbar sind.
Und auch Weischenberg schränkt ein, dass eine „ausgearbeitete konstruktivistische Medien-
oder gar Journalismustheorie“ nicht in Sicht und u.U. auch gar nicht möglich sei; er meldet
darüber hinaus Zweifel daran an, ob durch die Anwendung der Modelle und Heuristiken des
Radikalen Konstruktivismus überhaupt ein „kommunikationswissenschaftlicher Paradigmen-
wechsel“ eingeleitet worden ist.352
Tatsächlich wäre eine Überwindung des naiven Realismus mit den Mitteln des Radikalen
Konstruktivismus ein Pyrrhus-Sieg. Da der Radikale Konstruktivismus, wie in Kapitel II
diskutiert, die problematische Implikation besitzt, dass sich journalistisches Handeln vollstän-

347 Beispielhaft dafür ist Schönhagens (1998; 1999) historische Studie zur Norm der Unparteilichkeit, in der
anknüpfend an das Grothsche Konzept – wenn auch in der sehr engen Interpretation Wagners (vgl. z.B. 1977;
1995) – skizziert wird, wie sich journalistische Vermittlungsleistungen historisch entwickelt und entfaltet haben.
Dabei verweist Schönhagen einerseits zutreffend auf die schon früh festzustellenden Tendenzen eines ‚neutra-
len‘ und wertungsabstinenten Nachrichtenjournalismus, auf die auch Pressehistoriker aufmerksam machen (vgl.
z.B. Stöber 2000; Weber 1997a; Willke 1984a; Koszyk 1968; 1972b; Lindemann 1969), versucht aber anderer-
seits, das Bild eines unbeteiligt beobachtenden Journalismus festzuzurren. Dort heißt es: „Auch der Journalist
muss sich im Rahmen seiner vermittelnden Tätigkeiten, von der Wirkwelt der Alltagswirklichkeit und seinem
diesbezüglichen Relevanzsystem lösen, um gewissermaßen aus der Vogel-Perspektive das Wirken der Handeln-
den in der gemeinsamen (im Alltagsleben auch von ihm geteilten) kommunikativen Umwelt erfassen zu kön-
nen.“ (Schönhagen 1999, S. 280) Grundlagen für eine solche Interpretation finden sich bei Groth nicht, der
selbst eingeräumt hat, dass eine reine Beobachtung aufgrund der Eingebundenheit des vermeintlichen Beob-
achters nicht möglich ist (vgl. Groth 1960, S. 199f.). Auch Journalismus als Vermitteln kann sich – bei allem
unterstelltem Neutralitätswillen – nicht über die Begrenztheit menschlicher Wahrnehmungsmöglichkeiten hin-
wegsetzen, die reliable Vollständigkeit der Vermittlung von vornherein ausschließt. Unbestreitbar ist die Kon-
zeption Schönhagens daher mit erkenntnistheoretischen Problemen belastet, die zumindest in Teilen bereits im
Vermittlungs-Begriff selbst angelegt sind und dessen Gebrauch zumindest erklärungsbedürftig machen. Glei-
ches gilt für die Überlegungen Schröters (1988) zu einer „Mitteilungs-Adäquanz“.
348 Vgl. Schulz 1989; Schmidt 1993
349 Haller 1993
350 Weischenberg 1993, S. 133
351 Vgl. Haller 1993, S. 141ff.
352 Weischenberg 1993, S. 130f. Auch ein systemtheoretisch argumentierender Autor wie Blöbaum (2001, S. 74)
sieht Journalismus weiterhin als „die aktuelle Vermittlung von Informationen“.
4 Jenseits der Dichotomie: Otto Groths integratives Konzept 159

dig beobachterabhängig und damit gleichzeitig vollständig unabhängig von einer vermeintlich
außerhalb des Beobachters liegenden realen Welt vollzieht353, hat er keine konzeptionelle
Handhabe, einer journalistischen Beliebigkeit entgegen zu wirken. Neuberger, der diesen
Umstand scharf kritisiert, plädiert daher für eine an den kritischen Rationalismus angelehnte
Erkenntnistheorie, die jede Vorfestlegung hinsichtlich der Erkennbarkeit der Welt (‚naiver
Realismus‘) oder der Nicht-Erkennbarkeit der Welt (‚radikaler Konstruktivismus‘) vermeidet,
weder Erkenntnis noch Irrtum ausschließt, sondern statt dessen nur vorläufige und korrigier-
bare Annahmen akzeptiert.354 Die bereits benannten jüngeren konstruktivistischen Ansätze
zeichnen deshalb soziale Referenzpunkte als Korrekturinstanzen aus.355
Einen weiteren möglichen Ausweg weist das rekonstruktive Konzept der kommunikativ
erhobenen Geltungsansprüche eines Sprechaktes, das ebenfalls weit zurückhaltender mit
Vorfestlegungen hinsichtlich des Status‘ der als gegeben unterstellten Welt umgeht und die
Akzeptanz von Wirklichkeitsbehauptungen an ihre Begründbarkeit koppelt. Die rekonstrukti-
ven Ansätze, an denen sich die vorliegende Studie orientiert, versuchen einen Brückenschlag
zwischen realistischen und konstruktivistischen (nicht radikal-konstruktivistischen) Prämissen
auch in der praktischen Absicht, journalistisches Handelns nicht einer normativen Richtschnur
zu berauben. Ein rekonstruktives Modell verfällt nicht zurück in die vereinfachenden Spiege-
lungs-Annahmen, die der ‚Vermittlungstheorie‘ zugrunde liegen, geht aber davon aus, dass es
eine ‚objektive Realität‘ gibt, die zumindest weitgehend unabhängig ist von den individuell
verschiedenen Erkenntnisstrukturen einzelner Subjekte und die deshalb dem Erkennen min-
destens von Fall zu Fall und in Teilen sowie unter dem grundsätzlichen Vorbehalt des Irrtums
und der Korrekturbedürftigkeit zugänglich ist. Dass ein Erkennen der Realität sui generis zur
Gänze nicht möglich ist und dass das Individuum in seinen Erkenntnisversuchen auch Irrtü-
mern unterliegen kann, ist diesem Ansatz zufolge in den subjektiven Erkenntnisleistungen der
Perspektivität, der Selektivität und der Konstruktivität begründet, die sich in allen Wahrneh-
mungsprozessen und Erkenntnisvorgängen – auch in journalistischen – auffinden lassen.356
Berichterstattung ist daher weder eine reine Konstruktion noch ein naives Abbild, sondern
vielmehr „[…] nur durch das Wechselspiel von subjektiven Strukturen der Berichterstattung
und des Berichterstatters einerseits und objektiven Wirklichkeitsstrukturen andererseits be-
schreib- und erklärbar“.357 Journalistische Nachrichten sind deshalb adäquat als ‚Rekonstruktio-
nen von Wirklichkeit‘ aufzufassen, die in eben diesem Wechselspiel entstehen. Ein Teil der zu
rekonstruierenden Wirklichkeit ist dabei bereits sozial und teilweise medial konstruiert.
„Medienwirklichkeit ist (in ihrem Informationsteil) Rekonstruktion anderer Wirklichkeiten, Rekonstruktion rea-
ler Ereignisse für die Leser, Hörer und Zuschauer. Dies ist nicht nur eine Beschreibung einer Medienfunk-
tion, dies muss gleichzeitig normative Vorgabe und Zielsetzung für die Medien sein, ohne die die Abweichung von
den Realitäten vermutlich größer wäre.“358

353 Vgl. beispielhaft für diese konstruktivistische Sicht Schmidt 1993, S. 116: „Medienberichterstattung ist nicht
deshalb ein Konstrukt, weil sie perspektivisch, selektiv und komplexitätsreduzierend sein muß; sondern sie ist
ein Konstrukt, weil sie – ganz abgesehen von journalistischen Aufrichtigkeitsintentionen – als Bericht ein Wirk-
lichkeitsangebot präsentiert, bei dem nicht die Perspektive vom Gegenstand abgezogen werden kann.“
354 Vgl. Neuberger 1996, S. 137ff.
355 Vgl. Pörksen 2006
356 Vgl. Bentele 1993
357 Ebd., S. 167
358 Ebd., S. 171. Donsbach (1990, S. 27) wiederum plädiert für ein methodisches Verständnis von Objektivität,
wenn er auf Basis eines „Regelwerks von Techniken“ eine „möglichst große Intersubjektivität der Realitätsbe-
schreibungen“ gewährleistet sehen will.
160 III Die Idee der Öffentlichkeit – Historische Grundlagen des Journalismus

Aus dieser Perspektive heraus ist es dem Journalismus also durchaus möglich, vermittelnde
Aufgaben im gesellschaftlichen Diskurs zu erbringen. Genauso aber wird deutlich, dass diese
Vermittlung nicht folgenlos für das zu Vermittelnde sein kann, sondern durch Perspektivität,
Selektivität und Konstruktivität zu Veränderungen führt. In diesen drei Komponenten lassen
sich Eigenleistungen des vermittelnden Journalismus finden.359 Vor allem hinsichtlich des
Umgangs mit dem Material spricht Groth die aus rekonstruktiver Perspektive genannten
Erkenntnisleistungen des Subjekts implizit und teilweise explizit (Selektivität) an. Eine Neuin-
terpretation des Grothschen Vermittlungskonzepts aus rekonstruktivistischem Blickwinkel ist
angesichts solcher Anschlussstellen durchaus möglich. Es wird Aufgabe des zu entfaltenden
Konzepts journalistischen Handelns sein müssen, sich auch dieser Frage des epistemologi-
schen Status‘ der Vermittlung zuzuwenden. Aus der Sicht einer ‚Theorie des kommunikativen
Handelns‘ werden dabei die Konsenstheorie der Wahrheit und die an sie anknüpfende Dis-
kurstheorie ausschlaggebende Referenzpunkte sein, anhand derer der erkenntnistheoretische
Status kommunikativer Vermittlung kommunikationstheoretisch näher bestimmt werden kann.

5 Zwischenfazit: Journalisten als Diskursanwälte360


In der Auseinandersetzung mit der Geschichte des Journalismus und der historisch-normativ
argumentierenden Journalismusforschung der Zeitungs- und Publizistikwissenschaft konnte
sowohl herausgearbeitet werden, dass sich die zwei klassischen Vorstellungen von der ver-
meintlich ‚idealen‘ Rolle des Journalisten – der neutrale Übermittler von Nachrichten und der
parteinehmende Leitartikler – zunächst nicht bruchlos zu einem Modell des Journalismus
addieren lassen, als auch, dass ein Gegensatz zwischen Kommunikation und Vermittlung
allenfalls zur heuristischen Differenzierung unterschiedlicher Absichten, nicht aber zur wissen-
schaftlich angeleiteten Unterscheidung differenter Handlungsmodi haltbar ist, weil auch
Vermittlung kommunikativ ist. Besonders im Rückblick auf Groths Vermittlungskonzept ist
deutlich geworden, dass tradierte Dichotomien, die sich vielfach auch noch im eingangs
dargestellten Praxisdenken finden lassen, journalismustheoretisch nicht zu begründen sind und
zugunsten differenzierterer Handlungsmodelle überwunden werden sollten.
Es wird im weiteren Verlauf der Studie systematisch zu erörtern sein, wie Journalismus auf
der Basis eines soziologisch bestimmten (kommunikativen) Handlungsmodus konzipiert und
beschrieben werden kann. Damit sollen die historisch-empirisch abgeleiteten und von der
Journalismusforschung meist normativ gebrauchten Idealtypen zu einem integrativen theoreti-
schen Modell weiterentwickelt werden, das beiden Facetten journalistischen Handelns deskrip-
tiv wie normativ gerecht werden kann und das darüber hinaus auch die Grundlage für ethisch-
praktische Anforderungen an einen ‚angemessenen‘ Journalismus nach dem Muster des ‚pro-
duzierenden Journalismus‘, der nach Groth sowohl vermittelnd als auch räsonierend sein kann,
zu bilden vermag. Dazu soll die Intention einer formalen anwaltschaftlichen Rolle des Journa-
lismus nicht aufgegeben werden, sondern mit Blick auf die prozeduralen Normen öffentlicher

359 Groth (1960, S. 571f.) benennt Materialbeschaffung, Materialbearbeitung und Publikumspflege als die drei
journalistischen Aufgabenkreise und verweist damit ebenfalls auf die Probleme der Wahrnehmung von ‚Wirk-
lichkeit‘, der Auswahl und Bearbeitung sowie der Perspektivierung auf das Publikum, die in aktuellen Entwür-
fen debattiert werden.
360 Den Begriff „Diskurs-Anwalt“ hat Burkart (1998b) für ein journalistisches Rollenmodell auf Basis einer
Zusammenführung von Zeitungswissenschaft und ‚Theorie des kommunikativen Handelns‘ vorgeschlagen.
5 Zwischenfazit: Journalisten als Diskursanwälte 161

Kommunikation weiterentwickelt werden. Angestrebt wird die Grundlegung eines Konzepts des
Journalisten als Diskursanwalt, das Vermittlung und Räsonnement, Neutralität und Parteinahme
zusammenbringen soll. Hier liegt das Potenzial, die beschriebenen Dichotomien zu überwin-
den und einen Maßstab der Kritik auszuweisen, der die legitimistischen Einwände gegen einen
sich politisch und sozial engagierenden Journalismus entkräftet.

Grafik 3: Der Geltungsbereich des ‚produzierenden Journalismus‘

[eigene Grafik, -cb-]

Dass eine solche Reformulierung nicht auf der Grundlage des Grothschen Konzepts selbst
möglich ist, zeigen die Schwierigkeiten, in die Glotz und Langenbucher bei dem Versuch
geraten, Groths Modell zum Ausgangspunkt eines emanzipativen Journalismusverständnisses
zu machen und an die Verfasstheit des Mediensystems der Bundesrepublik anzupassen.361 Im
Visier ihrer Kritik haben sie vor allen Dingen eine Meinungspublizistik, die aus vielerlei Grün-
den – genannt werden „pseudodemokratische, bürgerlich-liberal-elitäre, anti-aufklärerische
Elemente“362 – nicht die öffentliche Gesprächspflege als Aufgabe wählt, sondern stattdessen
anscheinend vorwiegend bis ausschließlich erzieherisch tätig sein will und dadurch bevormun-

361 Vgl. Glotz/Langenbucher 1969


362 Ebd., S. 11
162 III Die Idee der Öffentlichkeit – Historische Grundlagen des Journalismus

dend wirkt. Ausdrücklich stellen die Autoren ihre Kritik unter ein emanzipatorisches Pro-
gramm, ihr Ziel ist die Demokratisierung öffentlicher Kommunikation.363 Sie betonen die
journalistische Aufgabe, die vielen unterschiedlichen Stimmen innerhalb der Gesellschaft
öffentlich zu Gehör zu bringen. Der eigenständig geführte öffentliche und kritische Diskurs
des Journalismus gegenüber der politischen Führung habe dagegen zurückzustehen.
„Die ‚öffentliche Aufgabe‘ des Journalisten – wenn man diesen ominösen Begriff schon verwenden will – be-
steht nicht in der öffentlichen Kundgabe seiner privaten ‚Gesinnung‘, sondern sie liegt in der Betreuung, För-
derung und Beförderung gesellschaftlicher Zeit-Kommunikation. In der demokratischen Gesellschaft werden
Regierung und Verwaltung nicht von einer zufällig zusammengesetzten Gruppe von Privatleuten – den Jour-
nalisten – ‚kontrolliert‘, vielmehr kontrolliert die gesamte organisierte und nichtorganisierte Gesellschaft in ei-
nem offenen Meinungsbildungsprozeß. Diesen Prozeß hat der Journalist anwaltschaftlich zu betreuen. Er soll
diese Diskussion fördern, kann selbst als gleichberechtigter Gesprächspartner mitsprechen, verfehlt aber sei-
ne ‚öffentliche Aufgabe‘, wenn er gemäß seiner Gesinnung das Gespräch zu reglementieren beginnt.“364

Pluralistische Gesellschaften, so die Autoren, bedürften einer Instanz, die unterschiedliche


Meinungen und Interessen zu einem Gespräch ordne und zugänglich mache. Diese Aufgabe
falle Journalisten zu, die Nachrichten im gesellschaftlichen Gespräch zu vermitteln hätten.
Nicht mehr der „Kreuzzügler und Aufklärer“, sondern der sozial legitimierte Vermittler sei die
angemessene journalistische Rolle in einer pluralistischen Demokratie.365 Langenbucher und
Glotz beschränken somit auf der Basis des Grothschen Vermittlungskonzepts das journalisti-
sche Mandat als Gesprächsanwalt formalistisch auf die Fortsetzung und Gestaltung des Ge-
sprächs, und wollen die ideologisch oder pragmatisch begründete Teilnahme oder Verände-
rung des Gesprächs nach Maßgabe eigener inhaltlicher Positionen möglichst eingeschränkt
sehen. Dabei geraten sie in die Nähe der gängigen legitimistischen Argumentation, die passive
Vermittlung gegenüber jeglicher Form journalistischer Meinungsäußerung klar präferiert und
fallen unversehens in die beschriebene Dichotomie journalistischer Idealtypen zurück –
zugunsten der normativen Entscheidung für vermittelnden Journalismus.366
Das mag als ein weiterer Beleg für die Notwendigkeit eines handlungstheoretischen Journa-
lismusmodells jenseits der anhand der Kommunikator-Intention festgemachten Dualismen

363 Vgl. ebd., S. 13: „Anpassung – das ist auch Einstellung auf den Leser, Eingehen auf seine Probleme, Berück-
sichtigung seiner Bedürfnisse als ein Moment journalistischer Arbeit. Gerade wer die bestehenden Verhältnisse
verändern will, muß diese Anpassung leisten, um überhaupt gehört zu werden.“ Die Abgrenzung zwischen der
gesellschaftlich sinnvollen Anforderung an journalistische Vermittlung, umfassend und rezipientenfreundlich
zu berichten einerseits, und der Gefahr, sich dem Lesergeschmack allzu schnell und vorauseilend ‚anzupassen‘
andererseits, ist augenscheinlich schwierig – und die Gratwanderung gelingt nicht immer. Zunächst aber ist die
Streitschrift ein Plädoyer für einen Journalismus, der seinen Rezipienten in Augenhöhe begegnet.
364 Ebd., S. 41f.
365 Ebd., S. 34
366 Gegen diese Tendenz wendet sich zu Recht auch Pätzold (1975, S. 52ff.), der darüber hinaus darauf hinweist,
dass die Autoren vor allem die interessengebundene Struktur des massenmedialen Systems vernachlässigten, die
erheblichen Einfluss auf Art und Möglichkeit journalistischer Vermittlung habe. Pätzold setzt sich ausführlich
und kritisch mit den impliziten und expliziten Idealisierungen der Autoren auseinander und kritisiert deren Fo-
kus auf Fragen der journalistischen Legitimation ebenso wie die individualethische Überlastung des einzelnen
Journalisten in dieser Kritik. Auch wenn man seiner materialistisch motivierten Kritik der Kommunikations-
verhältnisse nicht bis in alle Einzelheiten folgen mag, so ist doch der Hinweis darauf richtig, dass mediale
Strukturen von ökonomischen Interessen geprägt sind und dass Journalisten als kommunikativ kompetente Ak-
teure nicht frei von politischen und sozialen Meinungen sein sollten, da sie auch in ihrem Beruf als rationale
und mündige Bürger handeln. Anstatt eine ‚Kritik der deutschen Presse‘ vorzulegen, formulieren sie eine Kritik
der in der Presse tätigen Journalisten, die Pätzold (1975, S. 56f.) polemisch aufspießt: „Im Grunde müßte der
Journalist auch ein vom Staat eingesetzter Funktionär sein können, gewissermaßen ein Kommunikationsbeam-
ter, nur dem Recht und den Verordnungen verantwortlich, nach denen er angestellt wird.“
5 Zwischenfazit: Journalisten als Diskursanwälte 163

gelten. Ganz offensichtlich führen diese Dichotomien selbst Autoren, die explizit von einem
emanzipatorischen Programm ausgehen wie Glotz und Langenbucher, dazu, sich legitimisti-
scher Grundprämissen bedienen zu müssen, um den Journalismus auf ein nur vermeintlich
rezipientenfreundliches Vermittlungshandeln zurückzubinden. Anstatt die ambivalente Stellung
des Journalisten zwischen Professionalität und Alltagskommunikation zu thematisieren, wird
das journalistische Handlungsspektrum ohne erkennbaren Begründungsaufwand auf Vermitt-
lung verkürzt. Hätten die Autoren Groths Erwägungen einer Ambivalenz von Vermittlung und
Produktion im journalistischen Handeln weiter verfolgt und diese von seinen Vermittlungsan-
nahmen auf der Ebene des journalistischen Werkes differenziert, hätte es ihnen unter Umstän-
den gelingen können, die anschlussfähige Figur einer formalen anwaltschaftlichen Rolle des
Journalismus konzeptionell in den Griff zu bekommen und nicht in der Sackgasse der Idealty-
pen-Dichotomien zu landen. Groths Konzeption legt nämlich auch ein Journalismus-
Verständnis nahe, das Journalisten auf die Verteidigung prozeduraler Mechanismen des gesell-
schaftlichen Zeitgesprächs verpflichtet.
Der Versuch der Begründung einer journalistischen Rolle als Diskursanwalt bedarf somit
einer handlungs- und kommunikationstheoretischen Fundierung. Diese soll im Anschluss an
die bereits eingeführten öffentlichkeitstheoretischen Erwägungen von Habermas in der ‚Theo-
rie des kommunikativen Handelns‘ gesucht werden.367 Mit einer kritischen und rekonstruktiven
Gesellschaftstheorie geht ein Verständnis der öffentlichen Aufgabe des Journalismus als der
Herstellung von Öffentlichkeit einher, durch die Staatsbürgern alle Themen und Sachverhalte
zugänglich sind, die der gesellschaftlichen Bearbeitung bedürfen. In diesem Sinne ist die
journalistische Aufgabe auch als eine vermittelnde zu verstehen. Allerdings kann sie sich nicht
darin erschöpfen, weil sie vom Journalismus eigene Aktivität sowohl hinsichtlich der Beschaf-
fung von Informationen als auch ihrer einordnenden Bewertung verlangt. Habermas formuliert
ein mit diesen Einsichten kompatibles anwaltschaftliches Verständnis des Journalismus, indem
er aus den journalistischen Berufskodizes, dem berufsethischen Selbstverständnis sowie
medienrechtlichen Vorgaben eine regulative Idee deduziert, die er zwar explizit an die ‚Mas-
senmedien‘ (in einem nicht weiter spezifizierten Sinne368) anlegt, die sich aber letztlich auf
journalistisches Handeln bezieht. Die ‚Massenmedien‘, so heißt es dort,
„[…] sollen sich als Mandatar eines aufgeklärten Publikums verstehen, dessen Lernbereitschaft und Kritikfähigkeit
sie zugleich voraussetzen, beanspruchen und bestärken; sie sollen, ähnlich wie die Justiz, ihre Unabhängigkeit
von politischen und gesellschaftlichen Aktoren bewahren; sie sollen unparteilich die Anliegen und Anregun-
gen des Publikums annehmen und den politischen Prozeß im Lichte dieser Themen und Beiträge einem Legi-
timationszwang und verstärkter Kritik aussetzen“.369

Ebenso wie Glotz und Langenbucher bezieht sich Habermas damit auf das Publikum und die
Handlungsfähigkeit des Publikums in der Demokratie als relevante Referenzgrößen, allerdings
unterscheidet sich sein Postulat dadurch, dass es die vom Idealtypus Referat (Vermittlung)
ausgehend geforderte Neutralität des Journalismus (‚unparteilich‘) mit der Idee der Kritik von
Beiträgen im gesellschaftlichen Gespräch verbindet und beide als gleichrangige Aufgaben

367 Vgl. auch Burkart (1998b), der ebenfalls vorschlägt, das von Glotz und Langenbucher konturierte Konzept des
‚Gesprächsanwalts‘ durch Verbindung mit den öffentlichkeitstheoretischen Überlegungen von Habermas zu ei-
nem auch normativ begründeten Rollenverständnis des Journalisten als „‚Diskurs-Anwalt‘ der Gesellschaft“
weiter zu entwickeln, es in seiner Skizze dann aber bei knappen Anmerkungen belässt.
368 Habermas bezieht den Begriff allgemein auf den massenkommunikativen Gesamtrahmen. Insofern lassen sich
die Anmerkungen auf journalistisches Handeln und mediales System hin präzisieren.
369 Habermas 1992, S. 457 [Hervorhebung von mir, -cb-]
164 III Die Idee der Öffentlichkeit – Historische Grundlagen des Journalismus

journalistischen Handelns betrachtet.370 Mit der Theorie von Habermas wird es möglich, die
Intuition des Grothschen Vermittlungskonzeptes neu zu füllen. Die Positionierung des Journa-
listen als Anwalt der Regeln des öffentlichen Diskurses in modernen Gesellschaften kann so zu einem
eigenständigen Konzept eines diskursiven Journalismus weiterentwickelt werden. Zusammenge-
nommen versprechen Groths Vermittlungskonzept und die ‚Theorie des kommunikativen
Handelns‘ ein belastbares Fundament für eine verständigungsorientierte Theorie des Journa-
lismus zu bilden.371 Im umgreifenden Rahmen einer Theorie kommunikativen Handelns
können die handlungspraktischen Überlegungen von Groth oder Glotz und Langenbucher neu
interpretiert und für die Journalismustheorie anschlussfähig gemacht werden, indem die
journalistische Gewährleistung eines kommunikativen Austausches zwischen gesellschaftlich
repräsentativen Gesprächspartnern vor Publikum konzeptionell als argumentative Diskurs-
vermittlung gefasst wird.372 So wird verhindert, dass journalistische Kritik doch nur wieder
entlang der alten Konfliktlinien als „ein Zusatz, eine Art interpretatorische Ornamentik der
Artikulation und Information“373 verstanden wird. Das Ziel einer Konzeption des diskursiven
Journalismus ist es, die journalistische Aufgabe des Räsonnements und der Kritik immanent in
die Vermittlungsprozesse hineinzutragen, welche wiederum Teile einer räsonierenden Gesamt-
struktur von Öffentlichkeit sind.
„Diskursiver Journalismus verweist somit auf ein journalistisches Rollenverständnis für entwickelte Demokra-
tien: Neben der Kompensation des (unumgänglichen) Mangels an direkt-kommunikativen Kontakten etwa
zwischen Staatsbürgern und (entscheidungsmächtigen) Volksvertretern kommt den einzelnen Journalisten
auch die Aufgabe zu, eben diesen kommunikativen Kontakten – die sie gleichsam stellvertretend für ihre Le-
ser/Hörer/Seher eingehen – mit einer reflexiven Einstellung zu begegnen und allfällige Zweifel an kommuni-
kativen Geltungsansprüchen öffentlich zu thematisieren.“374

Ein solches Journalismusverständnis verspricht angemessen mit den epistemologischen Schwä-


chen des Grothschen Ansatzes umgehen zu können, indem es Vermittlung als einen reflexiven
und kommunikativen Vorgang konzipiert, der nicht ‚Widerspiegelung‘ oder ‚Abbildung‘ ist.
Ereignis- oder Kommunikationsvermittlung durch Journalismus ist kein Abbild einer unab-
hängigen Wirklichkeit, sondern sprachlich-symbolische Annäherung an das Wahrgenommene.
Das sprachliche Fundament des Journalismus verweist auf grundlegende epistemologische
Probleme journalistischer Berichterstattung. Im Zuge seines Vermittlungshandelns ist der
Journalist als kommunikationsfähiges Subjekt dazu angehalten, erhobene Geltungsansprüche
der gesellschaftlichen Gesprächspartner zu prüfen und diese Prüfergebnisse ebenfalls öffent-
lich zugänglich zu machen. Wie zu sehen sein wird, ist diese Modellierung journalistischen
Vermittlungshandelns keineswegs nur ein normatives Postulat, sondern eine stringente Folge-
rung kommunikativer Handlungsmuster. Journalismus steht vor der Aufgabe, gesellschaftliche
Diskurse, die zumeist sprachlich organisiert sind, in ihren Facetten zu rekonstruieren. Dieses
Postulat bezieht sich primär auf die diskursive Strukturierung von Realität und auf die damit
verbundene soziale Welt der intersubjektiv verhandelten Normen der Richtigkeit, die – mehr

370 Allerdings bleiben diese Ansätze bei Habermas – abgesehen von wenigen Ausnahmen – weitgehend implizit.
Habermas nimmt in seinem Werk durchweg das journalistische Handeln nicht weiter systematisch in den Blick,
sondern konzentriert sich auf die demokratiekonstitutive Aufgabe von Öffentlichkeit.
371 Vgl. Burkart 1998b, S. 169. Auch Lorenz (2002, S. 129) stellt – wenn auch ohne Diskussion – eine Verbindung
zwischen Habermas‘ Öffentlichkeitstheorie und dem Journalisten als Gesprächsanwalt her.
372 Dazu wären dann auch diskurstheoretische Erörterungen medienethischer Konzepte heranzuziehen. (vgl. dazu
vorläufig Loretan 1999; 2002 sowie auch Brosda 2000a).
373 Pätzold 1975, S. 55
374 Burkart 1998b, S. 170
5 Zwischenfazit: Journalisten als Diskursanwälte 165

noch als Fragen der ‚Wahrheit‘ von Weltwahrnehmung und der ‚Wahrhaftigkeit‘ subjektiver
Expressionen – den kritischen Verfahren diskursiver Überprüfung standhalten müssen.
Journalismus prüft also zunächst gar nicht die ‚Wahrheit‘ der Realitätsunterstellungen der
Kommunikationspartner, sondern vermittelt sie untereinander. Dabei kommt zwangsläufig ein
eigenständiges, aus der Sprachtheorie heraus zu begründendes Kritikpotenzial ins Spiel –
zwangsläufig, weil ein Verstehen kommunikativer Akte voraussetzt, dass der Verstehende zu
den erhobenen Geltungsansprüchen Stellung bezieht und sie folgerichtig mindestens implizit
einer diskursiven Prüfung unterzieht. Diesem Umstand kann sich auch ein vermeintlich noch
so neutral vermittelnder journalistischer Akteur im gesellschaftlichen Gespräch nicht entzie-
hen. Kuhlmann spricht in diesem Zusammenhang von einer Erweiterung des demokratischen
Repräsentationsgedankens auf ein Verständnis einer „diskursiven Repräsentanz“, in der sich
journalistisch Handelnde gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern befänden.375
Doch die Implikationen eines journalistischen Ethos, das die eigene Rolle als die eines Dis-
kursanwaltes beschreibt, reichen darüber noch weit hinaus. Sie betreffen auch die Stellung des
Journalisten zur Lebenswelt der Gesellschaft und damit zu den individuellen, kulturellen und
sozialen Reproduktionsbedingungen, soweit sie sich auf interaktionistisch und symbolisch
strukturierte Bereiche von Gesellschaft beziehen. Ein qualitativ zufriedenstellender Vermitt-
lungsprozess ist ohne die Etablierung entsprechender kommunikativer Beziehungen nicht
denkbar, da sich die „Qualität eines Vermittlungs-Prozesses“ letztlich am erfolgreichen Aufbau
kommunikativer Beziehungen zwischen Journalismus und Publikum bemessen lässt.376
Über die Qualitätsmaßstäbe und die Qualität des Journalismus kann nur Journalismus
selbst entscheiden. Er hat die Autonomie, über seine professionellen Handlungsprogramme
zur Gewährleistung dieser Qualitätsziele zu verfügen.377 Mit dieser Autonomie sind unweiger-
lich Prozesse der Selbstvergewisserung des Journalismus verknüpft, die ein Maß an Reflexivität
voraussetzen, das in den bislang skizzierten handlungstheoretischen Modellen kaum zu finden
ist, das aber in einem Modell eines diskursiven Journalismus grundlegend verankert sein muss.
Auf diesem Wege erscheint es möglich, eine journalistische „Selbstregulation“378 nicht nur
systemtheoretisch, sondern auch handlungstheoretisch und damit in Ethik übersetzbar fundie-
ren zu können. Im Folgenden soll daher auch der begründeten Vermutung nachgegangen
werden, dass die für diese Selbstregulation notwendige Autonomie im Falle des Journalismus
nicht in dessen systemischer Differenzierung, sondern im Gegenteil in der diskursiven Kom-
munikativität des Handelns journalistischer Akteure begründet liegt.
Wie Langenbucher betont, hat Journalismus „[…] zu tun mit Demokratie, mit Humanität,
mit Pazifismus, und nicht zuletzt: er ist ein Teil des – bis heute – unvollendeten Projektes der
Aufklärung“.379 Und auch Pöttker verweist auf die Verankerung des Journalismus in dieser
intellektuellen Tradition, die sich vor allem in entsprechenden ethischen Postulaten ausdrückt:
„Journalisten sollen ihr Publikum an den Problemen der Zeit teilhaben lassen, die Leser und Hörer helle ma-
chen und Anwälte des offenen Gesprächs zwischen Gruppen und Milieus sein, auf dass die Gesellschaft bes-
ser zusammenhalte. Wenn es um die Aufgaben des Berufs geht […] fallen häufig die Stichwörter Öffentlichkeit,
Aufklärung und Integration.“380

375 Kuhlmann 1999, S. 132


376 Rager 2000, S. 82
377 Vgl. Rager 1994, S. 193
378 Ebd., S. 197
379 Langenbucher 1992b, S. 19
380 Pöttker 2002b, S. 12
166 III Die Idee der Öffentlichkeit – Historische Grundlagen des Journalismus

Begreift man Journalismus als demokratisierende und aufklärerisch Instanz im gesellschaftli-


chen Kommunikationsprozess, die mit kommunikativ generierter oder sozial zugeschriebener
Legitimation ausgestattet ist, um auch ohne formales Mandat in politische und gesellschaftliche
Prozesse hineinzuwirken, dann bedarf diese Annahme allerdings zweifellos einer hinreichenden
Fundierung. Die Journalismustheorie steht vor der Aufgabe, diesen behaupteten immanenten
Zusammenhang381 auch jenseits traditionell-sittlich verankerter Bekenntnisse theoretisch zu
begründen, um ihn in seiner normativen Dimension aufrechtzuerhalten.
Auf dieser Basis ist auch eine hinreichende Abgrenzung des Journalismus von Public Rela-
tions oder Propaganda möglich. Ausschlaggebend ist die zugrunde liegende Rationalität:
Während journalistisches Handeln auf kommunikativer Rationalität beruht und als primäres
Ziel die Gewährleistung weiterer Kommunikation hat, sind PR-Bemühungen auf die Errei-
chung extern begründeter, strategischer Ziele gerichtet. Holzschnittartig lässt sich mit Bentele
konstatieren, dass Journalismus der (vermittelnden) Fremddarstellung dient, während PR auf
strategische und persuasive Selbstdarstellung gerichtet ist.382 Röttger sieht in PR zu Recht
„geplante und strategische Kommunikation“.383 Das bedeutet nicht, dass Journalismus nicht
auch interessengeleitet ist und PR nicht auch diskursiv sein können384, aber anders als für
Journalismus ist dieser Bezug zu einer öffentlich gewährleisteten Kommunikationsrationalität
für PR zunächst nur mittelbar und instrumentell von Interesse. Sie zielen – anders als die
ebenfalls primär persuasive Kommunikation der Werbung – darauf ab, durch Aufnahme in
journalistische Vermittlung in ihren persuasiv-strategischen Geltungsansprüchen kommunika-
tiv beglaubigt zu werden. Auch um hier ein kritikloses Durchreichen zu verhindern, ist ein
eigenständiger kommunikativer Journalismus von gesellschaftlicher Relevanz. Dass dieser
Journalismus auch eigene Interessen verfolgt steht dabei außer Frage, ist aber für seine Geltung
nicht in erster Linie konstitutiv.
Der mikrosoziale Ansatz des kommunikativen Handelns kann einen zentralen Konnex zwi-
schen einem kommunikativen Verständnis von Journalismus einerseits und einer breit angeleg-
ten Gesellschaftstheorie der Moderne, die öffentliche Verständigung als einen wesentlichen
Integrations- und Zielfindungsmodus betrachtet, andererseits darstellen. Sind in ‚Strukturwan-
del der Öffentlichkeit‘ bereits erste Hinweise auf die Verknüpfung zwischen einem bestimmten
Handlungs- und Kommunikationstypus und der Konstitution einer sozialen Sphäre Öffent-
lichkeit entwickelt worden, so findet sich die systematische Entfaltung dieses Grundgedankens
erst in der ‚Theorie des kommunikativen Handelns‘ und den ihr vorangehenden Texten zu
Fragen der Universalpragmatik und der kommunikativen Rationalität.385 Sie bilden die konzep-
tionelle Grundlage, auf der ein diskursiver Journalismus in modernen Massenmedien näher
beschrieben und bestimmt werden kann.

381 Vgl. auch Pöttker 1998b. Hier wird die Relevanz der Verbindung zwischen Aufklärung und Journalismus
hinsichtlich der Formulierung eines journalistischen Ethos am Beispiel des Wirkens von Daniel Defoe themati-
siert. Systematisch auf Gegenwartsgesellschaften gemünzt finden sich ähnliche Gedanken in Pöttker 1996.
382 Vgl. Bentele 1997, S. 23f. Diese Unterscheidung ist grob, wie der Autor selbst einräumt, verdeutlicht aber
idealtypisch die mögliche Differenzierung zwischen den beiden Handlungsmodi. Siehe dazu auch die konzepti-
onelle Begründung auf Basis der Universalpragmatik in Abschnitt IV.2.2.2 der vorliegenden Arbeit.
383 Röttger 2005b, S. 369. Die kommunikationswissenschaftliche Diskussion über Public Relations oder Propagan-
da kann an dieser Stelle nicht vertieft werden. Vgl. zu PR grundlegend den Überblick in Röttger 2000 und zu
Propaganda die Studie von Bussemer 2005.
384 Vgl. für ein Beispiel diskursiver PR Burkart/Probst 1991.
385 Vgl. Habermas 1995 [1981] (2 Bde.); 1995a [1984]
IV Aspekte der kommunikativen Rationalität
des Journalismus

In diesem Kapitel soll das bislang historisch eingeführte integrative Journalismusverständnis systematisch weiter
entfaltet werden. Die Modellierung eines journalistisch kommunikativen Handlungsmodus knüpft an die
‚Theorie des kommunikativen Handelns‘ an, die im Kern eine grundlegende konzeptionelle Weiterentwicklung
und mikrosoziologische Fundierung der Überlegungen zum Räsonnement in der bürgerlichen Öffentlichkeit
darstellt. Es wird dazu keine umfassende Auseinandersetzung mit der Habermasschen Theorie angestrebt,
sondern ihre selektive Adaption. Sie bietet Anschlussstellen für öffentlichkeits- und journalismustheoretische
Überlegungen. Journalistisches Handeln, so die zu begründende Grundthese, ist kommunikatives Handeln in
der Lebenswelt (1).
Kommunikativ basierter Journalismus beruht auf einer in die Grundstrukturen von Sprache eingelassenen
Rationalität. In den Dimensionen Arbeit und Interaktion, Orientierung durch reflexive Vermittlung, Ver-
ständigungsorientierung sowie Teilhabe und kommunikative Kompetenz lassen sich unhintergehbare Annahmen
sprachlicher Interaktion darstellen, die auch im journalistisch vermittelten gesellschaftlichen Zeitgespräch nicht
vollends suspendiert werden können. In Auseinandersetzung mit bereits formulierten kommunikativen Journa-
lismusmodellen und mit den Annahmen der ‚Theorie des kommunikativen Handelns‘ selbst, sollen die daran
anschließenden aufklärerisch-emanzipatorischen Züge journalistischen Handelns näher konturiert werden (2).
Über die immanente Verknüpfung kommunikativen Handelns mit der Reproduktion der kulturellen, so-
zialen und individuellen Ressourcen der Lebenswelt ist es zudem möglich, makrosoziale Leistungen journalisti-
schen Handelns zu beschreiben. Als kommunikatives Handeln beruht Journalismus wie jede andere Kommu-
nikation auf den zur Gänze unbewussten und ungewussten Ressourcen der Lebenswelt, trägt aber durch seine
Kommunikationsleistungen auch zur Reproduktion und Rationalisierung dieser Ressourcen bei, die in den
gesellschaftlichen Diskursen der Moderne sukzessive von der Legitimation über Tradition auf rationale
Begründung umgestellt werden. Diese journalistischen Beiträge zur ‚Aufklärung‘ von Gesellschaft lassen sich vor
dem Hintergrund des Lebenswelt-Konzeptes zumindest ansatzweise skizzieren. Hilfreich ist dabei auch die
Hinzunahme von Analysen der Cultural Studies, die Journalismus ebenfalls unter dem Gesichtspunkt der
Reproduktion sozialer und vor allem kultureller Ressourcen betrachten (3).
Resümierend werden die Charakteristika eines lebensweltlich orientierten kommunikativen Journalismus‘
zusammengefasst. Das hier zu entfaltende Verständnis bezieht sich auf mikrosozialer Ebene auf das journalis-
tische Handeln selbst und auf der makrosozialen Ebene auf dessen Leistungen für die Reproduktion der
Lebenswelt (4)
Für den gesamten Verlauf dieses Analyseschrittes gilt, dass im Zuge der notwendigen Abstraktion zu-
nächst ein nur einseitiges handlungstheoretisches Konzept des Journalismus gezeichnet wird. Journalismus als
Handlungstypus wird dabei in seinen Potenzialen dargestellt, ohne seine Rahmenbedingungen und Umsetzungs-
chancen zu thematisieren. Dieser Schritt wird im anschließenden Kapitel V vollzogen, in dem es um soziale
Strukturierungs- und Systembildungsprozesse insbesondere in Form einer allgemein zu beobachtenden Ökono-
misierung der Massenmedien gehen wird.
168 IV Aspekte der kommunikativen Rationalität des Journalismus

1 Grundlagen eines kommunikativen Journalismus


Die bislang dargestellten historisch identifizierbaren journalistischen Idealtypen und Rollen-
muster sind mit unterschiedlichen Rationalitätskonzepten verbunden. Während die Zweckrati-
onalität der Berufsarbeit in erster Linie auf das professionelle Ethos des Vermittlers gerichtet
ist, zielt eine normativ-ontologische ‚Wahrheitsverpflichtung‘1 immer auch auf den lebenswelt-
lich verankerten und räsonierenden Akteur. Die getrennte Entwicklung dieser Vorstellungen
hat die handlungstheoretische Journalismustheorie in konzeptionelle Aporien geführt, die sich
in den beschriebenen einseitig verkürzten Journalismuskonzeptionen ausdrücken. Allerdings
liegen die Probleme auf unterschiedlichen Ebenen: Während die Fokussierung auf Zweckrati-
onalität einer normativen Entkernung journalistischen Handelns Vorschub leisten kann, droht
eine normativ-ontologisch fundierte Konzeption, den individuellen Akteur in seinem Status zu
überfordern.
Im Folgenden soll aufgezeigt werden, inwiefern eine Neubegründung der normativen Per-
spektive durch eine kommunikative Konzeption diese Aporien aufzulösen vermag. Ausgangs-
punkt dafür ist die kommunikative Rationalität, wie sie bereits im öffentlichen Räsonnement
oder auch in der Formulierung eines ‚kommunikativen Prinzips‘ in der Zeitungswissenschaft
angedeutet wird. Wenn folglich in dieser Studie von Rationalität gesprochen wird, dann ist
damit nicht die in vielen Handlungstheorien herangezogene zweckrationale Vernunft eines rein
strategischen Nutzenmaximierers2 gemeint, sondern ein normativ anspruchsvolleres Konzept,
das Implikationen intersubjektiver Verständigung und – zumindest kontrafaktisch angestrebter
– konsensueller Solidarität beinhaltet. Journalismus wird folglich nicht auf die (berufliche und)
zweckrationale Tätigkeit eines homo oeconomicus reduziert3, sondern als Handeln betrachtet,
dessen Rationalität sich neben zweckrationalen beruflichen Kriterien auch aus kommunikativ
verständigungsorientierten Zielen speist. Die Unterstellung, dass diese Vernunft möglich und
erreichbar ist, richtet sich nicht an konkrete Akteure, sondern impliziert, dass bestimmte
Prozesse kommunikativen Austausches zu vernünftigen Ergebnissen führen.
Vor diesem Hintergrund bietet zum Beispiel das von Gottschlich formulierte Programm, in
einer konzeptionellen Auseinandersetzung mit Journalismus „das Eigentliche kommunikativer
Beziehungen zwischen Menschen“ in den Blick zu nehmen und es als Grundlage zu nutzen4,
die Gelegenheit, einen theoretischen wie normativen Bezugspunkt zu identifizieren, von dem
aus Journalismus erklärbar und verstehbar wird. Die Modelle öffentlicher Kommunikation von
Habermas und Groth halten in diesem Sinne jeweils eine Verbindung zu einer (bei Habermas
präzisen, bei Groth oft nur vagen) Vorstellung humankommunikativer Grundkonstanten und
untersuchen Journalismus deshalb nicht ausschließlich und oft nicht einmal primär nach den
zweckrationalen Prämissen gängiger Handlungsmodelle. Sie binden die Beschreibung des
Massenkommunikationsprozesses zurück an Prinzipien der Humankommunikation, die
vorläufig im Anschluss an Burkart wie folgt gefasst werden können:

1 Diese wird von der normativen Publizistik und einigen Medienethikern (vgl. Boventer 1984a; 1984b) vertreten.
2 Dies legt z.B. Spinner (1985; 1988) in seinem Modell des Journalisten als Agenten der Gelegenheitsvernunft
zugrunde; vgl. auch grundlegend aus ökonomischer Sicht: Heinrich 2002.
3 Eine solche rational einseitig verkürzte Journalismus-Konzeption haben Fengler und Ruß-Mohl (2003; 2005a)
vorgelegt, indem sie den journalistischen Akteur strikt mit dem Instrumentarium der Ökonomik beschreiben
und so ausschließlich zweckrationale Kosten-Nutzen-Kriterien als rationalen Handlungsrahmen zulassen.
4 Gottschlich 1999d, S. 314; vgl. auch Gottschlich 1980; Fabris 1979; Burkart 1998a.
1 Grundlagen eines kommunikativen Journalismus 169

„Kommunikation liegt […] erst dann vor, wenn (mindestens zwei) Individuen ihre kommunikativen Hand-
lungen nicht nur wechselseitig aufeinander richten, sondern darüber hinaus auch die […] allgemeine Intention
ihrer Handlungen (= Bedeutungsinhalte miteinander teilen wollen) verwirklichen können und damit das kon-
stante Ziel (= Verständigung) jeder kommunikativen Aktivität erreichen.“5

Kommunikation kann demnach nicht einseitig verlaufen, sondern bedarf der reziproken
Bedeutungsvermittlung im Austauschprozess der Interaktionspartner. Eine kommunikative
Beziehung wird durch Symbole konstituiert, durch die Interaktionspartner Bedeutungen
miteinander teilen.6 Die entscheidende Symbolstruktur, durch die zwischenmenschliche
Verständigung möglich wird, ist Sprache.7 Im Rahmen journalistischer Kommunikation
werden derartige Postulate in Massenkommunikation8 übersetzt. Dieser Prozess ist bei Groth
bereits als gesellschaftliches Zeitgespräch beschrieben worden, in dem Journalismus als ‚Medi-
um‘ in einem Kommunikationsprozess zwischen gesellschaftlichen Ausgangs- und Zielpart-
nern eingesetzt wird. Gleichermaßen aber sind Journalisten eben nicht nur ‚Medium‘, sondern
werden im Vermittlungsprozess selbst kommunikativ tätig, indem sie die sprachliche Manifes-
tation des kommunikativen Inhalts bearbeiten und verändern.9 Journalistische Kommunikation
ist demnach in ihrer sprachlichen und kommunikationsrationalen Struktur ein grundlegend –
wenngleich spezifisch eingeschränkt – kommunikatives Geschehen.
Massenkommunikation kommt als Substitut ehemals zwischenmenschlich gewährleisteter
Koordination in den Blick; sie stellt Teile der sozialen Beziehungen wieder her, die in ausdiffe-
renzierten Gesellschaften zerrissen sind. Sie wird dort entfaltet, wo technisch unvermittelte
interpersonale Interaktion nicht möglich ist.10 Koordinationsleistungen kann medial vermittelte
Massenkommunikation nur vollbringen, wenn die sie bedingenden medialen Strukturen

5 Burkart 1998a, S. 32. Andere, konkurrierende Kommunikationsmetaphern beschreibt Krippendorf (1994), der
das Konzept der ‚Verständigung‘ in der Kommunikation aus konstruktivistischer Sicht kritisiert.
6 Das ist ein Grundgedanke des Symbolischen Interaktionismus (vgl. Mead 1973 [1934]).
7 Modellhaft abstrahiert, so Burkart (1998a, S. 60), setzt sich ein Kommunikationsprozess aus vier Komponenten
zusammen:
• Ein Kommunikator will etwas mitteilen
• Ein Rezipient wird vom Kommunikator angesprochen.
• Eine Aussage oder Botschaft im Sinne eines mitzuteilenden Bedeutungsinhaltes ist Gegenstand des Kom-
munikationsprozesses.
• Ein Medium transportiert die Aussage.
In zwischenmenschlicher Kommunikation übernimmt der Kommunikator einen aktiven Part, bleibt aber
gleichermaßen auf den Rezipienten als Partner angewiesen. Erst wenn dieser auch rezipieren will, kann Kom-
munikation zustande kommen. In systemtheoretischer Überspitzung spricht Luhmann (1981b) davon, dass
Kommunikation unwahrscheinlich sei, weil weder Verstehen, noch Erreichen des Empfängers, noch Erfolg
gemäß der Intention des Kommunikators gewährleistet seien. Diese Unwahrscheinlichkeit, so Luhmann, gelte
in besonderem Maße auch für journalistische Massenmedien, wenngleich diese so operierten, als wären die
Probleme der Kommunikation bereits gelöst. Luhmann fragt damit nach dem Erfolg von Kommunikation –
eine Perspektive, die dem Sprache innewohnenden Potenzial nicht ausreichend gerecht wird, da dieses nicht in
strategischen Dimensionen alleine zu fassen ist.
8 Hier zunächst deskriptiv verstanden als jener Prozess, „[…] bei dem Aussagen öffentlich (d.h. ohne begrenzte
oder personell definierte Empfängerschaft), indirekt (d.h. bei räumlicher oder zeitlicher oder raum-zeitlicher
Distanz zwischen den Kommunikationspartnern) und einseitig (d.h. ohne Rollenwechsel zwischen Aussagen-
dem und Aufnehmendem), durch technische Verbreitungsmittel (sog. ‚Massenmedien‘) an ein disperses Publi-
kum […] vermittelt werden“ (Burkart 1998a, S. 168). Ob ein Rollenwechsel wirklich so kategorisch ausge-
schlossen werden kann, ist mit guten Gründen anzuzweifeln.
9 Darauf verweisen auch die semantischen Grundpostulate der Nichtidentität (das Wort ist nicht die Sache, die es
bezeichnet) und der Unvollständigkeit (das Wort repräsentiert die Sache nicht zur Gänze). (vgl. Burkart 1998a,
S. 92) Sprache kann Realität nicht eins zu eins reflektieren, sondern immer nur rekonstruieren.
10 Fabris (1979, S. 156f.) spricht von Massenkommunikation als „Kommunikationsersatz“.
170 IV Aspekte der kommunikativen Rationalität des Journalismus

kommunikative Öffentlichkeit nicht behindern. Fragen der Verfügung über öffentliche Kom-
munikationsmittel, des (privilegierten) beruflichen oder nicht-beruflichen Zugangs zur Öffent-
lichkeit sowie der Teilhabe ermöglichenden Mechanismen journalistischen Arbeitens sind
ausgehend von diesem Postulat zu bewerten, das journalistisches Handeln darauf verpflichtet,
Möglichkeiten öffentlicher Verständigung zu gewährleisten.
Ein Konzept kommunikativen Handelns ermöglicht eine differenzierte Beschreibung der
Vernunft jener Verständigungsprozesse, in die Individuen eingebunden sind und innerhalb
derer Journalismus zumindest dann eine wichtige Rolle spielt, wenn solche Prozesse in einer
komplexer strukturierten Gesellschaft ‚öffentlich‘ statt finden. Auf seinem Fundament lassen
sich Hinweise darauf formulieren, wie Journalismus auch verstanden werden kann – jenseits
von normativem Idealismus und systemischem Funktionalismus als ein Handlungsmodus, der
gesellschaftliche Verständigung immanent zum Ziel hat und auf Vernunft orientiert ist. Aus dieser
Perspektive steht „Aufklärung durch Vernunft“ im Zentrum; kommunikative Auseinanderset-
zung und Dialog ermöglichen „Sinnorientierung, historische Vergewisserung, Prüfung alterna-
tiver Herangehensweisen sowie die Suche nach Verstehen und Verständigung“.11
Diese Verständigung in komplexen gesellschaftlichen Verhältnissen auch über räumliche,
zeitliche und systemische Grenzen hinweg öffentlich zu ermöglichen, ist eine zentrale Aufgabe
des kommunikativen Handelns eines journalistischen Diskursanwaltes. Grundlegend fundiert
werden kann sie in der Annahme von Habermas, „[…] daß in sprachliche Kommunikation ein
Telos von gegenseitiger Verständigung eingebaut ist“12, durch dessen (kontrafaktisches)
Wirken kommunikative Interaktion eine eigenständige Rationalität entfaltet. Verständigung
wird dabei als „Prozeß der Herbeiführung eines Einverständnisses auf der vorausgesetzten
Basis gemeinsam anerkannter Geltungsansprüche“ interpretiert.13 Kommunikatives Handeln
bezeichnet den Handlungsmodus, durch den Akteure verständigungsorientiert handeln kön-
nen.14 Dabei wird im kommunikativen Handlungsmodell die Handlung explizit nicht mit
‚Kommunikation‘ gleichgesetzt15, sondern das kommunikative Handeln dient vorwiegend der
Koordinierung der Handlungen teilnehmender Akteure, die jeweils bestimmte Ziele verfolgen. Im
kommunikativen Handlungsmodus abstrahieren sie von ihren individuellen Zielen zugunsten
einer Perspektive weitgehend voraussetzungsloser Verständigungsorientierung; ihr Handeln ist
gerichtet auf Verstehen und Verständigung, auf die Reproduktion sozialer Bindungskräfte
durch gemeinsamen Sprachgebrauch.
Das Potenzial der Verständigung ist in der Grundstruktur der menschlichen Sprache selbst
verankert, die darauf angelegt ist, dass Menschen, wenn sie miteinander reden, nicht nur
propositionale Sachverhalte austauschen, sondern zugleich immer auch performativ zu einan-

11 Haas 1999, S. 52
12 Habermas 1985a, S. 171; ähnlich bereits Habermas 1995 [1981], Bd. 1, S. 387.
13 Habermas 1995b [1984], S. 355
14 Habermas hat in seiner soziologischen und philosophischen Konzeption dieses Handlungstypus eine der
„elaboriertesten Theorien über das Zustandekommen verständigungsorientierter Kommunikation“ formuliert
(Burkart/Probst 1991, S. 58).
15 Auch Burkart (1998a, S. 29) bekräftigt: „Allein: kommunikatives Handeln ist noch nicht Kommunikation (!). Kommu-
nikatives Handeln ist zwar eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für das Entstehen bzw. Ablau-
fen eines Kommunikationsprozesses. M.a.W. eine kommunikative Handlung ist ‚lediglich‘ ein (notwendiger)
Anstoß, der Kommunikation entstehen lassen kann – aber nicht muß. ” Allerdings verwendet er den Begriff
kommunikatives Handeln weit weniger spezifisch als Habermas eher im Sinne derjenigen Handlungen, die auf
‚erfolgreiche‘ Kommunikation, auf Interessenrealisierung, zielen. Das Habermassche Modell beinhaltet demge-
genüber noch weitaus mehr qualitative Bedingungen jenseits dieser strategischen Komponenten.
1 Grundlagen eines kommunikativen Journalismus 171

der in Beziehung treten.16 Gemäß dieser ‚Doppelstruktur‘ der Rede kommt Verständigung nur
dann zustande, wenn die Kommunikationspartner nicht nur die geäußerten sprachlichen
Symbole, sondern auch die damit verbundenen Handlungen einverständlich interpretieren.17
Der Vollzug sprachlicher Kommunikation ist nicht nur auf den Austausch von Informationen,
sondern auch auf die Etablierung von Gemeinsamkeit angelegt – ein immanentes Ziel, dass
einen bestimmten Modus sprachlicher Kommunikation darauf ausrichtet, vergesellschaftend zu wirken.
Verständigung findet daher immer auf der „Ebene der Gegenstände“ und auf der „Ebene der
Intersubjektivität“ statt.18 Da Journalismus sich in seinem Vermittlungs- und Kommentarhan-
deln der Sprache bedient, kommt auch er nicht hinter diese Struktur zurück.19 Journalisten
müssen Sprache als ihr „wichtigstes Werkzeug“ daher in allen ihren Dimensionen so gut wie
möglich beherrschen.20
Der Analyse zugänglich wird die Struktur der kommunikativen Vernunft durch die Ent-
wicklung einer Universalpragmatik, die aus der sprachpragmatischen Analyse heraus allgemein-
gültige Bedingungen potenzieller Verständigung identifizieren und nachzeichnen soll.21 Sie ist
das zentrale programmatische Anliegen der ‚Theorie des kommunikativen Handelns‘ und soll
die allgemeinen Strukturen der Rede aufzeigen, die jeder Sprechsituation inhärent sind, die im
Vollzug von spezifischen Typen sprachlicher Äußerungen produziert werden und die dazu
dienen, die vom linguistisch kompetenten Sprecher verwendeten Ausdrücke pragmatisch im
Kommunikationskontext zu situieren.22 Die Ausformulierung des Verständigungskonzepts
richtet sich daher auf
„[…] das vortheoretische Wissen kompetenter Sprecher, die selber intuitiv unterscheiden können, wann sie
auf andere einwirken und wann sie sich mit ihnen verständigen; und die zudem wissen, wann Verständi-
gungsversuche fehlschlagen.“23

So wie die Linguistik für die Sprachfähigkeit soll die Universalpragmatik für die Kommunikati-
onsfähigkeit allgemeine Regeln formulieren, in denen das Konzept der Verständigung enthal-

16 Vgl. Gripp 1984, S. 47


17 Vgl. Burkart 1998a, S. 83
18 Ebd., S. 78ff. Diese handlungstheoretische Näherung an den Kommunikationsbegriff ist allerdings ausdrück-
lich nicht im Sinne eines ‚extremen Subjektivismus‘ zu sehen, da das Symbol- und Bedeutungsreservoir keines-
wegs immer nur an einen einzelnen Menschen gebunden ist, sondern zu weiten Teilen in einem phänomenolo-
gischen Sinne in die lebensweltlichen Hintergründe der Interaktion eingelassen ist (vgl. ebd., S. 54).
19 Der journalistische Umgang mit Sprache ist bislang wissenschaftlich wenig beachtet worden. Eine Systematik
ist zu DDR-Zeiten an der Leipziger Journalistik erarbeitet worden. Sie behandelt das Thema vorwiegend aus
der Perspektive der Stilistik und setzt es dabei in Bezug zu journalistischen Aufgaben und Qualitätsdimensio-
nen (vgl. Kurz u.a. 2000). Soziologische Aspekte der Formalpragmatik werden bislang kaum in Bezug auf Jour-
nalismus thematisiert.
20 Kurz u.a. 2000, S. 29
21 Habermas grenzt seinen Entwurf von transzendentalpragmatischen Ansätzen ab, die weiterhin an dem
Anspruch der Letztbegründung festhalten. Er betont, dass eine deduktive Letztbegründung von Argumentati-
onsregeln nicht denkbar ist. Aufzeigen lässt sich ihm zufolge lediglich ihre Alternativlosigkeit, da sie von den
Beteiligten an einer Diskussion unterstellt werden müssen, um diese Diskussion überhaupt zustande kommen
zu lassen (vgl. Habermas 19997 [1983], S. 53ff.). Ein Standpunkt, der seit geraumer Zeit zu einer kontroversen
Debatte zwischen Habermas und Apel (1988; 1989) geführt hat. Im Gegensatz zu Habermas beharrt Apel als
Vertreter der Transzendentalpragmatik darauf, dass der argumentative Diskurs als Praxis nicht gewählt oder
verweigert werden kann, weil seine Voraussetzungen letztlich nichthintergehbar und damit dem Sprechhandeln
transzendent und durch die Philosophie letztbegründbar sind. Siehe zur Transzendentalpragmatik auch die
Sammelbände von Dorschel u.a. 1993 und Kuhlmann/Böhler 1982.
22 Vgl. McCarthy 1989, S. 313
23 Habermas 1995 [1981], Bd. 1, S. 386
172 IV Aspekte der kommunikativen Rationalität des Journalismus

ten ist.24 Nach Habermas lassen sich nicht nur phonetische, syntaktische und semantische
Merkmale von Sätzen, sondern auch bestimmte pragmatische Kennzeichen von Äußerungen
in einem allgemeingültigen Rahmen rekonstruieren, anhand derer neben der linguistischen
auch eine kommunikative Kompetenz identifiziert werden kann.25 Diese Regeln werden im
kommunikativen Handeln eingelöst, in dem alle Beteiligten oder advokatorisch auch ihre
Vertreter vorbehaltlos eine Verständigung über die gemeinsame Situation anstreben.26
Die ‚Theorie des kommunikativen Handelns‘ ist damit auch eine immanente Kritik einer
funktionalistischen Vernunft27 – und kann entsprechend eine geeignete Grundlage für eine
Kritik des Funktionalismus in der Journalismustheorie bilden.28 Zweckrationalität und indivi-
duelle Nutzenmaximierung allein sind schließlich keine hinreichenden Maßstäbe zur Erklärung
und zum Verständnis menschlichen Handelns. Auch wenn der systemische Funktionalismus
seine Vorzüge, v.a. bei der Analyse der materiellen Reproduktion von Gesellschaft hat, so kann
er doch soziale Zusammenhänge immer nur begrenzt erfassen, da er die sprachbasierten
Verständigungsprozesse, welche die symbolische Reproduktion von Gesellschaft gewährleis-
ten, analytisch in ihrem kommunikativen Eigensinn nicht zu konzipieren vermag.
Ein Journalismusverständnis, das journalistisches Handeln als bloßes Erfüllen einer (pro-
grammierten) Funktion (z.B. Information oder Unterhaltung) begreift, benennt zwar wichtige
Aspekte von Journalismus (in der Regel die systemisch strukturierten Vermittlungsfunktionen),
bekommt ihn aber in seiner ganzen Breite und Phänomenologie nicht zu fassen. Journalismus
ist vielmehr zwischen zweckrationalen und kommunikationsrationalen Einflussfaktoren hin-
und hergerissen.29 Wenn er a priori durch die Wahl einer funktionalistischen Theorie auf die
Rationalität von Zweck-Mittel-Entscheidungen reduziert wird, dann ist es nicht einmal mehr
möglich, das Verständigungspotenzial journalistischen Handelns überhaupt zu beschreiben. In
umgekehrter Stoßrichtung gilt das Gleiche für etwaige Versuche, mit einer Reanimation des
normativen Individualismus zu einer Suspendierung systemisch-funktionalistischer Erwägun-
gen zu gelangen. Ein solcher Entwurf wäre ebenfalls unterkomplex.
Vielmehr ist journalistisches Handeln explizit als ein zentraler Modus eines gesellschaftskonstituti-
ven öffentlichen kommunikativen Handelns zu verstehen: Es kann Anlass für Gespräche bieten und
katalysierend den Gesprächszusammenhang zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen
Gruppen aufrechterhalten. Nicht zuletzt bietet sich in journalistischen Medien die Möglichkeit,
selbst an gesellschaftlichen Gesprächen teilzunehmen. Der Journalist als Diskursanwalt handelt
bei der Erfüllung seiner Vermittlungsaufgabe kommunikativ und mit Bezug zu einer gemein-
sam mit seinen Ausgangspartnern, Zielpartnern und Rezipienten geteilten Lebenswelt.

24 Vgl. Habermas 1995b [1984]


25 Vgl. McCarthy 1989, S. 312
26 Auf die Möglichkeit advokatorischer Diskurse weist Habermas (19997 [1983], S. 104) selbst hin. In dieser
Konzeption wird die Gültigkeit ethischer Normen von der Zustimmung der advokatorisch Vertretenen entun-
den. Die philosophisch grundsätzliche Kritik an der Diskursethik mit dem Blick auf ihren immanent advokato-
rischen Charakter (vgl. Brumlik 1986) kann hier pragmatisch vernachlässigt werden, da sie vorwiegend auf die
Frage der Einbeziehung Ungeborener gerichtet ist. Relevant sind allerdings Erwägungen hinsichtlich der Mög-
lichkeiten von nicht-advokatorischen Diskursen in modernen Gesellschaften, die von manchen a priori ver-
neint wird (vgl. Fuchs 1997, S. 32). Demokratien wären dann ausschließlich von advokatorischen Diskursen
geprägt. Nimmt man diese Prämisse ernst, dann stellt sich die Aufgabe, in der journalistischen Kommunikation
ein diskursives Niveau zu halten, das Begründungsstrukturen transparent macht und das anschlussfähig für le-
bensweltliche Beiträge ist. Das gilt erst recht für optimistischere Modellierungen.
27 So lautet auch der Untertitel des zweiten Bandes der Theorie (vgl. Habermas 1995 [1981], Bd. 2).
28 Baum 1994 hat sie u.a. in dieser Stoßrichtung verwendet.
29 Vgl. Baum 1994, S. 67
2 Implikationen eines kommunikativen Handlungskonzepts 173

Insbesondere ‚kontextuelle Journalismussichten‘ verweisen darauf, dass die journalistische Kom-


munikation mit allgemeinen Modi menschlicher Kommunikation in Beziehung zu setzen ist,
wenn sie erklärt und verstanden werden soll.30 Der genauere Blick auf die Prämissen der
‚Theorie des kommunikativen Handelns‘ von Habermas und ihrer sprachphilosophisch herge-
leiteten Modalitäten der Verständigung zwischen symbolisch interagierenden Akteuren soll
genau in dieser Stoßrichtung Aufschluss darüber geben, inwiefern journalistisches Handeln in
einem Konzept gefasst werden kann, das die beiden entfalteten Idealtypen des Journalismus –
Vermittlung und Räsonnement – aus sich selbst heraus beschreibbar und begründbar erhält
und einen Bezug zur vergesellschaftenden Kraft des auch journalistisch vermittelten gesell-
schaftlichen Gespräches weiterhin ermöglicht.31 Dabei wird Journalismus zunächst aus der
mikrosozialen Akteursperspektive beschrieben und interpretiert.
Aus dieser mikrosozialen Perspektive heraus, aus der makrosoziale Veränderungen von
Gegenwartsgesellschaften, wie die von kritischer Sozialforschung überzeugend geschilderten
Entfremdungs- und Verdinglichungsprozesse, ganz bewusst vorläufig ausgeklammert werden,
lässt sich idealisierend zunächst nur eine positiv halbierte Moderne beschreiben, indem zwar die
Möglichkeiten der Aufklärung durch Kommunikation betont, ihre Bedrohung durch systemi-
sche Einflüsse aber zunächst nicht weiter in Betracht gezogen wird. Die Verschiebungen im
gesellschaftlichen Rationalitätsgefüge in Form einer Kolonialisierung der Lebenswelt durch
Systemimperative werden erst in Kapitel V in dieses Modell integriert.32 Zunächst steht die
theoretische Entwicklung und argumentative Absicherung eines Idealtypus journalistischen
Handelns im Zentrum, der sich jenseits von Vermittlung und Räsonnement bewegt.
Dabei sind unterschiedliche Begriffsverwendungen voneinander zu unterscheiden: Zu-
nächst wird darzustellen sein, inwiefern Journalismus als kommunikatives Handeln auf der verstän-
digungsorientierten Grundstruktur von Sprache fundiert ist. Ein kommunikativ gehandhabter
Journalismus zeichnet sich durch einen reflexiven Gebrauch dieser Kommunikativität aus. In
seiner institutionalisierten und professionalisierten Form bildet er die Grundlage des diskursiven
Journalismus, der sich aus seiner Kommunikativität heraus auch der Aufrechterhaltung und
anwaltschaftlichen Betreuung des gesellschaftlichen Zeitgesprächs verpflichtet sieht und
Diskursivität zur Selbstregulation nutzt.

2 Implikationen eines kommunikativen Handlungskonzepts


Die im handlungstheoretischen Konzept der Theorie kommunikativen Handelns verankerte
Ausrichtung auf Verständigung ist in der Journalismusforschung bislang kaum näher unter-
sucht worden. Diese Ansätze seien „[…] kritisch, haben die Idee der Aufklärung noch nicht
aufgegeben und passen deshalb wohl nicht zum Zeitgeist“, vermutet Scholl.33 Aber die Aus-

30 Vgl. Haas 1999, S. 82ff.


31 Da an dieser Stelle keine eigenständige Kritik des Theorie-Entwurfs von Habermas geleistet werden soll, wird
Sekundärliteratur lediglich dann in die rekonstruktive Auseinandersetzung mit den Thesen einbezogen, um ein-
zelne Aspekte für den vorliegenden Zusammenhang in Form von Arbeitshypothesen zu präzisieren.
32 Es dürfte schon im Verlauf der folgenden Argumentation deutlich werden, warum eine weitergehende
Überformung journalistischen Handelns durch eine ihm fremde Logik der Macht bzw. des Geldes zu schwer
auszuhaltenden Spannungen oder in der Sprache von Habermas gar zu ‚Pathologien‘ führen kann.
33 Scholl 2000, S. 411. Hug (1997, S. 277ff.) wiederum nimmt genau diesen Bezug auf die Aufklärung zum Anlass,
das Programm der Habermasschen Theorie samt seiner Architektonik als den Problemen ausdifferenzierter
Gesellschaften nicht mehr angemessen zu kritisieren. Seine Kritik kann als paradigmatisch für die systemtheo-
174 IV Aspekte der kommunikativen Rationalität des Journalismus

einandersetzung mit ihnen ist lohnenswert, weil sie in der Besinnung auf kommunikative
Grundprinzipien zugleich Grundlagen eines verständigungsorientierten Journalismus ins
Bewusstsein rufen.34 Im Folgenden soll daher die einleitend zitierte Prämisse Baums, dass „[…]
der Originalmodus journalistischen Handelns verständigungsorientiert ist“35 und den Grund-
zügen kommunikativen Handelns entspricht, aufrechterhalten und ausformuliert werden.
Die Konsequenzen eines Modells von Journalismus als kommunikativem Handeln betref-
fen sowohl die Konzeption eines Modus journalistischen Handelns als auch die Frage nach
den Leistungen, die Journalismus für Gesellschaft erbringt. Beide Aspekte lassen sich kaum
voneinander trennen, wenn mikrosoziale und humankommunikative Überlegungen zugleich
auch Ausgangspunkt gesellschaftstheoretischer Konzeptionen sind. In der Habermasschen
Theorie ist genau dies aufgrund der engen Verzahnung von interpersonaler kommunikativer
Verständigung und Gesellschaftlichkeit der Fall. Auch deshalb sind einige der prominenteren
kommunikationswissenschaftlichen Versuche, die Ideen kommunikativen Handelns theore-
tisch auf Journalismus anzuwenden, mit Erörterungen gesellschaftlicher Leistungen ver-
knüpft.36 In diesem Kapitel wird es zunächst darum gehen, verschiedene der bereits angespro-
chenen grundlegenden mikrosozialen Annahmen zu einem kommunikativen journalistischen
Handeln theoretisch zu fundieren:
(1) Journalistisches Handeln lässt sich nicht ausschließlich mit den Kategorien beruflicher
Zweckrationalität als Arbeit beschreiben, sondern beruht als Handlungsmodus auf einer le-
bensweltlich-kommunikativen Rationalität, die sich in sozialer Interaktion ausdrückt.
(2) Journalistisches Handeln als kommunikatives Handeln beruht auf dem Aufbau einer – wie
auch immer vermittelten – verständigungsorientierten Beziehung zwischen kommunikativ kompeten-
ten Interaktionspartnern, zu denen neben gesellschaftlichen Kommunikatoren auch journalis-
tisch Handelnde zählen. Journalistisches Handeln wirkt daher vergesellschaftend.
(3) Journalistisches Handeln als kommunikatives Handeln ermöglicht Orientierung im gesellschaft-
lichen Zeitgespräch, indem es Sachverhalte reflexiv vermittelt. Die Reflexivität ist ihm in Form
einer performativen Prüfung erhobener Geltungsansprüche immanent.
(4) Journalistisches Handeln bezieht sich in einer normativen Interpretation des Konzepts
kommunikativen Handelns auf demokratische Werte. Es schafft durch Inanspruchnahme
der kommunikativen Kompetenz Voraussetzungen der Teilhabe am gesellschaftlichen Zeitge-
spräch.

retische Verurteilung des Habermasschen Versuchs gesehen werden, eine gesellschaftlich übergeordnete Ratio-
nalität zu beschreiben, von der aus normative Urteile und Sinnzuschreibungen weiterhin möglich sind.
34 Vgl. Burkart 1998b, S. 168
35 Baum 1994, S. 395
36 Während Gottschlich (1980) journalistische Antworten auf einen drohenden gesellschaftlichen Orientierungs-
verlust thematisiert, skizziert Fabris (1979) ein Journalismusmodell, in dem Fragen der kommunikativen Teil-
habe im Zentrum stehen. Geißler (1973, S. 173) wiederum, der immerhin Motive der Öffentlichkeitskonzeption
von Habermas aufnimmt, erörtert aus demokratietheoretischer Sicht unterschiedliche Modelle von Massenme-
dien und Basiskommunikation („Kommunikation der Staatsbürger (Basis) mit dem politischen Bereich“) und
setzt diese zu Teilhabeerwägungen in Beziehung. Diese Versuche sollen näher betrachtet werden, da sie in der
Verknüpfung von journalistischer Handlungstheorie und Leistungs-Analyse Aufschlüsse darüber versprechen,
wozu Journalismus in der Lage sein kann. Sie geben damit potenziell Einblick in eine immanente Normativität
journalistischen Handelns, die in seiner Kommunikativität begründet ist. Zugleich ist allerdings zu beachten,
dass diese noch heute als für ihr Feld paradigmatisch anzusehenden Entwürfe vor der umfassenden Präsentati-
on der ‚Theorie des kommunikativen Handelns‘ erschienen sind und die Autoren insofern nur auf deren Vor-
arbeiten zurückgreifen konnten. Erst die Arbeiten von Baum (1994), Burkart (1998a; 1998b) und Kuhlmann
(1999), der allerdings journalistisches Handeln nur am Rande explizit analysiert, konnten auf die voll entfaltete
‚Theorie des kommunikativen Handelns‘ zurückgreifen.
2 Implikationen eines kommunikativen Handlungskonzepts 175

Diese vier Kernüberlegungen zu einem als kommunikativ verstandenen Journalismus lassen


sich in letzter Konsequenz nicht trennscharf behandeln, sondern sind zum Teil immanent
miteinander verknüpft. Insbesondere die gesellschaftlichen Leistungen des Journalismus sind
ohne die entsprechende Modellierung des journalistischen Handlungsmodus nicht zureichend
zu begründen. Der Versuch, die einzelnen Komplexe im Folgenden unter Rekurs sowohl auf
die makrotheoretischen Annahmen bei Habermas als auch auf die entsprechenden Überlegun-
gen in der journalismustheoretischen Literatur zu skizzieren, wird daher ohne Überschneidun-
gen und Unschärfen nicht zu leisten sein. Es soll dennoch versucht werden, erste Hinweise auf
die möglichen Konturen einer zu entwickelnden Theorie journalistischen Handelns zu geben.

2.1 Arbeit und Interaktion

Die klassischen Journalismuskonzeptionen unterscheiden sich voneinander wie beschrieben


darin, dass sie Journalismus entweder vorwiegend als ein berufliches Handeln (Vermittlung)
oder aber weitergefasst als Derivat eines allgemeineren Handlungsmodus (gesellschaftliches
Räsonnement) begreifen. Daraus ergeben sich auch jeweils unterschiedliche Rationalitätsan-
nahmen, welche das Verständnis von Journalismus prägen. Diese sind reformulierbar, wenn sie
zu der Unterscheidung von Arbeit und Interaktion in Beziehung gesetzt werden.

2.1.1 Journalismus im Spannungsfeld unterschiedlicher Handlungsrationalitäten

Journalistisches Handeln oszilliert zwischen den beiden Polen von Arbeit und Interaktion, da die
journalistische Verberuflichung ihren Akteuren einen Spagat zwischen den Imperativen der
formalen Organisation ihres Handelns als Arbeit und seiner materiellen Qualität als Kommu-
nikation samt der entsprechenden Rationalitätsanforderungen abverlangt.37 Regelmäßig wird in
der Journalismusforschung darauf verwiesen, dass der Idealtypus des Räsonnements auf die
kommunikative Rationalität bürgerlicher Meinungsfreiheit abstellt, während der Idealtypus der
Vermittlung vorwiegend auf eine berufliche Rolle hinzielt, die – zumindest auch – mit entspre-
chend zweckrationalen Erwägungen einhergeht.38 Diese Differenzierung korrespondiert mit
einer soziologischen Unterscheidung zwischen Handlungsmodi und -rationalitäten:39
(1) Arbeit oder auch zweckrationales Handeln kann in den Dimensionen instrumentales Handeln
(bezogen auf empirisch gestützte technische Regeln) und rationale Wahl (bezogen auf
durch analytisches Wissen gestützte Strategien) konzipiert werden; es dient der Erreichung
vorab definierter Ziele. Während technisch angeleitetes, instrumentales Handeln an der
angemessenen Organisation der Mittel gemessen werden kann, ist der Erfolg strategischen
Handelns abhängig von der prognostischen Leistung, das Verhalten der jeweiligen Partner
auf der Basis von Werten und Maximen richtig einzuschätzen.
(2) Kommunikatives Handeln kann – einem frühen Verständnis von Habermas folgend – als
symbolisch vermittelte Interaktion begriffen werden, deren ‚Erfolg‘ nicht wie die Arbeit von
empirisch überprüfbaren Kriterien abhängig ist, sondern in deren Verlauf allenfalls erho-

37 Vgl. Baum 1994, S. 209


38 Das gilt vor allem für die Ansätze, die in der Tradition zeitungswissenschaftlicher Theoriebildung nach Groth
stehen. Vgl. für ein vergleichsweise aktuelles Beispiel: Langenbucher 1996.
39 Vgl. Habermas 1969, S. 62ff.
176 IV Aspekte der kommunikativen Rationalität des Journalismus

bene Geltungsansprüche bestritten werden können. Dies geschieht in Verständigungspro-


zessen, die auf ein intersubjektiv hergestelltes Einverständnis der Interaktionspartner zie-
len und in denen gesellschaftliche Normen produziert oder bestätigt werden.40
Die tief sitzende Ambivalenz öffentlicher Kommunikation zwischen Elementen strategischer
Vermachtung und Ökonomisierung sowie lebensweltlichen Emanzipationsansprüchen, die in
diesen unterschiedlichen Handlungstypen begründet liegt und von Habermas in Bezug auf die
kommunikativen Nutzungsmöglichkeiten der Massenmedien herausgearbeitet worden ist41,
wird – wenngleich in der Regel ohne theoretischen Bezug – auch in der Journalismus- und v.a.
in der Redaktionsforschung thematisiert.42 Eine besondere Rolle spielt sie in der kritischen
Kommunikationsforschung, in der die Konkurrenz unterschiedlicher Logiken bzw. die Domi-
nanz der medialen Berufslogik als eine Möglichkeit der Begründung kritischer Positionen
dient.43 Im Kern geht es um die Frage der Balance zwischen den kommunikativen Möglichkei-
ten und den beruflichen Notwendigkeiten des Journalismus.
Diese Balance hat sich im Verlaufe der Institutionalisierung des Journalismus zunehmend
verschoben; das wurde bereits in der Auseinandersetzung mit den verschiedenen historischen
Entwicklungsstufen des Journalismus deutlich. Langenbucher zufolge sind es letztlich vermit-
telnde Mediator-Aufgaben gewesen, die zur Verberuflichung des Journalismus geführt haben,
während dem Räsonnement verhaftete Kommunikator-Akte Gegenstand eines ‚Jedermanns-
rechts‘ sind.44 In den Rollenselbstbildern, die journalistische Berufsverbände und Gewerkschaf-
ten in Westdeutschland in 1950er bis 1980er Jahren entwarfen, ist ebenfalls ein deutlicher
Trend weg von der Kommunikator- und hin zur Mediatorrolle festzustellen.
Dieser Wandel im beruflichen Selbstverständnis, der auch in aktuellen Journalisten-
Befragungen bestätigt wird45, kann allerdings einhergehen mit einer „Entwertung des Berufs im
Sinne einer material-normativen Entleerung der Rollenerwartungen“, die darauf zurückzufüh-
ren ist, dass zwar einerseits die Kommunikatorrolle aus sich heraus kaum mehr begründbar
erscheint, andererseits aber auch die „Suche nach einem praktisch anwendbaren Orientierungs-
rahmen für die Mediator-Rolle“ noch nicht zu einem „verbindlichen, konsensfähigen Ergeb-
nis“ gekommen ist.46 Im Zuge dieser Entwicklung lässt sich der Journalismus in seinen An-
sprüchen reduzieren auf ein kaum mehr intellektuell selbstständiges Vermittlungshandeln. An
die Stelle kommunikativer Interaktion tritt berufliche Arbeit als Leitbild. Im historischen
Verlauf der Herausbildung moderner Medien
„[…] wandelt sich damit die Rolle des Journalisten von der des zeitgenössischen Historikers und Kritikers
zum meinungslosen Berichterstatter. Der Journalist gibt seine Position als unabhängiger Schreiber zugunsten
einer ‚desintellektualisierten und technisierten Reporterstellung‘ auf. Er wird zu einem relativ passiven Glied
in einer Kommunikationskette, einer hochkomplexen Organisation, die die Szenerie der Umwelt, der schein-

40 Der Unterschied zwischen den beiden Handlungstypen lässt sich vor allem an den Folgen des jeweiligen
Handelns verdeutlichen: Während die Sanktionsmechanismen bei misslungenen zweckrationalen Handlungen
immanent aus einem direkten Bezug zum erklärten Handlungsziel abgeleitet werden können, zieht ein ‚inkom-
petentes‘ kommunikatives Handeln nur mittelbar, nämlich durch von außen an den Handlungszusammenhang
herangetragene Normsanktionen Folgen nach sich (wenn man von dem Extremfall des Kommunikationsab-
bruchs einmal absieht).
41 Vgl. Habermas 1995 [1981], Bd. 2, S. 573
42 Vgl. u.a. Altmeppen 1999; Rager/Werner 1992; Hienzsch 1990; Weischenberg 1981b; klassisch: Rühl 1979;
Dygutsch-Lorenz 1971; 1973
43 Vgl. z.B. Prokop 1981; 1995; Schütt 1981. Auch Pross (1967; 1970; 1976) zielt in diese Richtung.
44 Vgl. Langenbucher 1974/75
45 Vgl. Weischenberg/Malik/Scholl 2006a; Scholl/Weischenberg 1998; Schneider/Schönbach/Stürzebecher 1993
46 Langenbucher/Neufeldt 1988, S. 270
2 Implikationen eines kommunikativen Handlungskonzepts 177

bar allgemeinen Alltagserfahrungen, für das Publikum aufzeichnet. Seine eigene Meinung hat keine Bedeu-
tung für die Apperzeption von Umwelt-Ereignissen. Wichtiger werden die Beherrschung technischer Fertig-
keiten, das ‚Schreibenkönnen‘ und die Fähigkeit der Umsetzung komplexer Berichtereignisse in eine einfache
Sprache.“47

Aus dieser Perspektive wird die Medienentwicklung seit der Aufklärung als ein Verfallsprozess
einer vormals bedeutsamen kommunikativen journalistischen Aufgabe interpretiert, die sich
aus dem Räsonnement herleitet. Die zunehmende Verberuflichung der journalistischen Arbeit
führe, so die Argumentation, zu einer „wachsenden Entfremdung vom Publikum“, die kom-
munikative Komponenten journalistischer Tätigkeiten behindere und kommunikative Partizi-
pation der Rezipienten erschwere.48 Eine solche Kritik ist aber nur dann begründet, wenn
plausibel gemacht werden kann, dass Journalismus tatsächlich eine Form kommunikativer
Interaktion ist und nicht von vornherein lediglich als ein beruflich-strategischer Umgang mit
Kommunikation verstanden wird.
„Mit der Stärkung partizipatorisch-demokratischer Entwicklungen im Journalismus und der gleichzeitigen
Schaffung struktureller Voraussetzungen für mehr Mitbestimmung in den Kommunikationsunternehmen so-
wie verbesserter Chancen für die gleichmäßigere Entfaltung kommunikativer Kompetenz von möglichst gro-
ßen Teilen der Bevölkerung verbindet sich somit die Hoffnung auf eine dynamische Weiterentwicklung de-
mokratischer Verhältnisse in allen Lebensbereichen. Diese Hoffnung knüpft an die reiche historische Traditi-
on eines den Idealen der Demokratie verschriebenen Journalismus und an die Erwartungen der Menschen in
die befreiende Macht der Öffentlichkeit an.“49

Eine solche Perspektive nimmt die allgemeine handlungstheoretische Feststellung ernst, dass
eine sprachlich koordinierte Interaktion rational unverkürzt nur im Modus des kommunikati-
ven Handelns möglich ist, während alle strategisch ausgerichteten und damit viele in erster Linie
beruflich orientierten und koordinierten Handlungsweisen demgegenüber defizitär bleiben. Im
Hintergrund derartiger Überlegungen steht der Typus des kommunikativen Handelns, den
Habermas weiter ausdifferenziert, indem er die zunächst scheinbar gleichberechtigt konzipierte
Dichotomie zur Arbeit sowohl hinsichtlich der Anzahl von Typen als auch hinsichtlich der
wechselseitigen Stellung auflöst und nunmehr teleologisches (zweckrationales), normenregu-
liertes und dramaturgisches Handeln als letztlich defizitäre „Grenzfälle“ eines kommunikativen
Typus des Handelns kennzeichnet:50 Im teleologischen Handeln wählt der Akteur als einsam
Handelnder Erfolg versprechende Mittel, um das Eintreten eines angestrebten Zustands zu
bewirken. Versucht der Handelnde mit seiner Mittelwahl, Entscheidungen anderer Handelnder
zu beeinflussen, ist von strategischem Handeln zu sprechen. Im normenregulierten Handeln richtet
der Akteur als Mitglied einer sozialen Gruppe sein Handeln primär nach der Gültigkeit von in
der Situation wirksamen Normen aus. Im dramaturgischen Handeln offenbart der Akteur vor
anderen Interaktionsteilnehmern mehr oder minder gezielt subjektive Empfindungen, um bei
diesem Publikum einen bestimmten Eindruck seiner Selbst zu erzielen. Erst im kommunikativen
Handeln treten sprach- und handlungsfähige Subjekte einander gegenüber, um eine interperso-
nale Beziehung einzugehen, in der sie eine Verständigung über ihre Situation zum Zwecke der
Handlungskoordinierung suchen und dabei von einander zu trennende Beziehungen zu ihrer
materialen und sozialen Umwelt sowie zu sich selbst herstellen. Das langfristige Ziel der
Journalistik kann vor diesem Hintergrund die Entwicklung einer Theorie des Journalismus

47 Fabris 1979, S. 69
48 Ebd., S. 50
49 Ebd., S. 14
50 Vgl. Habermas 1995 [1981], Bd. 1, S. 126ff.
178 IV Aspekte der kommunikativen Rationalität des Journalismus

sein, „[…] in der das journalistische Handeln eine Möglichkeit des kommunikativen Handelns
vernünftiger und kommunikativ kompetenter Personen darstellt“.51 Habermas spricht dann
von kommunikativen Handlungen,
„[…] wenn die Handlungspläne der beteiligten Akteure nicht über egozentrische Erfolgskalküle, sondern
über Akte der Verständigung koordiniert werden. Im kommunikativen Handeln sind die Beteiligten nicht
primär am eigenen Erfolg orientiert; sie verfolgen ihre individuellen Ziele unter der Bedingung, daß sie ihre
Handlungspläne auf der Grundlage gemeinsamer Situationsdefinitionen aufeinander abstimmen können.“52

In den anderen Handlungsmodi hingegen bauen die Handelnden keine reziproken Beziehun-
gen zu anderen Interaktionsteilnehmern auf und kontextuieren ihr Handeln nur selektiv. In
den drei Grenztypen kommt Sprache zwar zum Einsatz, allerdings nur in jeweils spezifischen
und verkürzten Kontexten: Im zweckrationalen Handeln ist Sprache eines der Medien, mit
denen die erfolgsorientierten Sprecher Wirkungen zu erzielen versuchen; im normregulierten
Handeln fungiert Sprache als Träger kultureller Werte und konsensueller Überzeugungen, die
mit jedem Sprechakt lediglich reproduziert werden; im dramaturgischen Handeln erscheint
Sprache schließlich als ein Medium der Selbstinszenierung. Diese jeweils spezifischen Verkür-
zungen werden im kommunikativen Handeln aufgehoben:
„Allein das kommunikative Handlungsmodell setzt Sprache als ein Medium unverkürzter Verständigung vor-
aus, wobei sich Sprecher und Hörer aus dem Horizont ihrer vorinterpretierten Lebenswelt gleichzeitig auf
etwas in der objektiven, sozialen und subjektiven Welt beziehen, um gemeinsame Situationsdefinitionen aus-
zuhandeln.“53

In keinem der vier Handlungsmodelle wird die zielgerichtete Grundstruktur des Handelns
suspendiert. Doch während sie im teleologischen Modell der alleinige Koordinierungsmecha-
nismus ist, wird sie in den anderen Modellen durch andere und rational weitergehende Bedin-
gungsfaktoren überformt. Auch kommunikatives Handeln enthält zielgerichtete Elemente,
allerdings ist der entscheidende Koordinierungsmechanismus der Verständigungswunsch
innerhalb der Handlungssituation und nicht primär die individuelle Zielerreichung.54 Diese
Differenzierung unterschiedlicher Handlungsbegriffe ist umfassender als die Gegenüberstel-
lung von instrumentellem und kommunikativem Handeln, zudem kommt als dritter Modus der
Handlungskoordinierung ein ästhetisch-expressiver hinzu, der auf die Spezifika der subjektiven
Welt der Sprecher und die damit verbundenen Geltungsansprüche besonders abstellt.

2.1.2 Kerngehalte kommunikativer Rationalität

Trotz der Erweiterung und Präzisierung bleibt dieser Katalog unterschiedlicher Handlungsbeg-
riffe auf die Kategorie der kommunikativen Rationalität zugeschnitten. Er beabsichtigt keine
umfassende soziologische Klärung verschiedener Handlungstypen, sondern ist von der Frage-
stellung nach den immanenten sozialen Bindungskräften des bestimmten Typus des kommuni-

51 Haas 1999, S. 78
52 Habermas 1995 [1981], Bd. 1, S. 385
53 Ebd., S. 142
54 Vgl. ebd., S. 150f. In letzter Konsequenz ist die Rationalität des Handelns erfolgsorientiert und die kommunika-
tive Rationalität der Sprache verständigungsorientiert – beide Perspektiven werden im Begriff des kommunika-
tiven Handelns zusammengebracht.
2 Implikationen eines kommunikativen Handlungskonzepts 179

kativen Handelns geleitet.55 Die ‚Theorie des kommunikativen Handelns‘ versucht, in sprachli-
chen Verständigungsprozessen den Grundmodus sozialintegrativer Vergesellschaftung zu
identifizieren, um der in der Moderne weitgehend entfesselten Kraft instrumenteller Rationali-
tät ein theoretisch fundiertes Gegengewicht entgegenzusetzen. Sie geht davon aus, dass in
sprachlichen Grundstrukturen eine eigenständige Rationalität angelegt ist, die sich (auch
normativ) am Gelingen von Verständigungsprozessen zwischen vernunftfähigen Akteuren
bemisst, die in der Lage sind, ihr Handeln in einer Kommunikationsgemeinschaft an intersub-
jektiv anerkannten Geltungsansprüchen auszurichten und die von ihnen erhobenen Ansprüche
zu begründen, wenn diese in Zweifel gezogen werden.56 Auf diesem Wege stellen kommunizie-
rende Akteure Einvernehmen über die Situation her, in der sie sich befinden:
„Ein Geltungsanspruch kann von einem Sprecher gegenüber (mindestens) einem Hörer erhoben werden.
Normalerweise geschieht das implizit. Indem der Sprecher einen Satz äußert, erhebt er einen Anspruch, der,
wenn er ihn explizit machen würde, die Form annehmen könnte ‚es ist wahr, daß >p<‘ oder‚ es ist richtig,
daß >h<‘, oder auch ‚ich meine, was ich sage, wenn ich hier und jetzt >s< äußere‘, wobei >p< für eine Aus-
sage, >h< für die Beschreibung einer Handlung und >s< für einen Erlebnissatz stehen mögen. Ein Geltungs-
anspruch ist äquivalent der Behauptung, daß die Bedingungen für die Gültigkeit einer Äußerung erfüllt sind.
Gleichviel ob der Sprecher einen Geltungsanspruch implizit oder explizit erhebt, der Hörer hat nur die Wahl,
den Geltungsanspruch anzunehmen, zurückzuweisen oder einstweilen dahingestellt sein zu lassen. Die zuläs-
sigen Reaktionen sind Ja/Nein-Stellungnahmen oder Enthaltungen.“57

Habermas verweist in seiner Universalpragmatik auf drei verschiedene Geltungsansprüche, die


mit einem kommunikativen Akt erhoben werden:
• Wahrheit für Aussagen oder Existenzannahmen,
• Richtigkeit für legitim geregelte Handlungen und deren normativen Kontext und
• Wahrhaftigkeit für Äußerungen subjektiver Erlebnisse oder Empfindungen.
Mit diesen Geltungsansprüchen setzt sich ein Sprecher gleichsam in Beziehung
• zur objektiven Welt, über die ‚wahre‘ Aussagen möglich sind,
• zur sozialen Welt, die aus legitim geregelten interpersonalen Beziehungen besteht, und
• zur subjektiven Welt der nur dem Sprecher zugänglichen Empfindungen und Erlebnisse.58
Ein vierter Geltungsanspruch ist jeder Aussage inhärent, wird aber vorausgesetzt, weil ohne
seine Einlösung eine Verständigung gar nicht erst möglich ist: die Verständlichkeit der Aussage.
Sie bezieht sich nicht genuin auf die Pragmatik der Rede, sondern bereits auf Grammatik und
Semantik. Vereinfacht ausgedrückt lassen sich die verschiedenen Aspekte eines Sprechaktes
also wie folgt beschreiben: Kommunikativ handelnde Sprecher streben an:
• „sich verständlich auszudrücken,
• etwas zu verstehen zu geben,
• sich dabei verständlich zu machen
• und sich miteinander zu verständigen.“59

55 Habermas versucht in seinem Theorieentwurf eben nicht, wie Joas (1986, S. 149) aus einer streng handlungs-
theoretischen Perspektive kritisiert, eine letztgültige Differenzierung von Handlungstypen vorzulegen, sondern
entlässt lediglich die Kommunikation „aus der Verbannung in die prallgefüllte Residualkategorie des nicht-
instrumentalen Handelns“. Weitergehende Typologisierungen von Handlungskategorien liegen nicht in der Ab-
sicht der Theorie kommunikativen Handelns, da sie kein generelles Modell menschlicher Handlungen entwirft.
56 Vgl. Habermas 1995 [1981], Bd. 1, S. 34ff.
57 Ebd., S. 65
58 Vgl. ebd., S. 148ff.
59 Habermas 1995b [1984], S. 354
180 IV Aspekte der kommunikativen Rationalität des Journalismus

Sprache wird in diesem universalpragmatischen Modell aus einer spezifischen Perspektive nur
in Bezug auf ihre Fähigkeit, den Sprechern bei der Herstellung von Weltbezügen zu nutzen,
betrachtet. Das kommunikative Handeln zeichnet sich im Vergleich zu anderen Handlungsty-
pen dadurch aus, dass Handelnde sich nur in ihm der Sprache pragmatisch bedienen, um
jeweils alle drei Geltungsansprüche zu erheben und damit gleichzeitig reflexive Bezüge zu allen drei
Welten herzustellen. Kommunikativ Handelnde müssen damit rechnen, dass die von ihnen
erhobenen Geltungsansprüche stets in Zweifel gezogen werden können. Sie nehmen daher
nicht mehr direkt auf etwas in der objektiven, sozialen oder subjektiven Welt Bezug, sondern
relativieren ihre Aussagen, indem sie schon während der Handlung die Einspruchsmöglichkei-
ten ihrer Interaktionspartner reflexiv berücksichtigen.60 Handlungskoordinierung zwischen
kommunikativ Handelnden ergibt sich aus der Einigung über die wechselseitige Gültigkeit der
erhobenen Ansprüche.

2.1.3 Interaktive Bezüge des Journalismus

Entsprechend der benannten Geltungsansprüche lassen sich unterschiedliche journalistische


Herangehensweisen identifizieren. Ein Beispiel dafür ist mit Langenbuchers heuristischer
Differenzierung zwischen der Erkundung, der Aufklärung und der Verantwortung genannt wor-
den.61 Zwar bezieht er alle drei Haltungen auf die Wahrheit, aber mit Habermas kann – wie
bereits erläutert – die Aufklärung, also vorwiegend das Räsonnement hinsichtlich sozialer
Beziehungen, auf die soziale Richtigkeit und die Verantwortung auf die subjektive Wahrhaftig-
keit des berichtenden Journalisten bezogen werden. Erkundung bleibt dann vorwiegend auf
Wahrheit bezogen. So ergibt sich, um nur ein Beispiel herauszugreifen, das Postulat der Auf-
klärung aus der zunächst stets prekären Geltung des kommunikativ erhobenen Anspruchs der
(sozialen) Richtigkeit, die erst dann als gesichert gelten kann, wenn der Kommunikationspart-
ner (in diesem Fall der Journalist gegenüber dem Ausgangspartner) diesen Anspruch nicht
(oder nicht mehr) explizit in Frage stellt. Journalismus lässt sich weitergehend grundsätzlich als
Interaktion im Sinne eines kommunikativen Verständigungsprozesss beschreiben, wenn man
mit Gottschlich von der Prämisse ausgeht,
„[…] daß jeder der im medienvermittelten Kommunikationsprozeß beteiligten Partner in bestimmten Situa-
tionszusammenhängen im Kontext von Sozialität agiert, und zwar in der Weise, daß diese Situationen und ih-
re Merkmale nicht als handlungsdeterminierende Kräfte auftreten, sondern als Objekte, die von der handeln-
den Person interpretiert und definiert und damit sinnvoll konstruiert werden […].“62

Journalistische Kommunikation wird dann genuin als ein in einen symbolischen Kontext
eingebetteter Austauschprozess, als kommunikatives Handeln, verstanden, in dessen Vollzug
durch Verstehen der Aussagen des Anderen Verständigung und Sinnrealisierung – und damit
letztlich Orientierung – möglich werden. Auch bei Klassikern der kritischen Medien- und
Journalismusanalyse wie Enzensberger und Prokop wird journalistisches Handeln innerhalb
der Massenmedien als eine Chance gesehen, der systemischen Formiertheit betrieblicher Ziele

60 In dieser Modellfigur wird deutlich, dass sich Habermas neben der Sprachphilosophie Austins und Searles auch
stark auf den Symbolischen Interaktionismus Meads (1973 [1934]) bezieht.
61 Vgl. Langenbucher 1993a
62 Gottschlich 1980, S. 49
2 Implikationen eines kommunikativen Handlungskonzepts 181

eine eigenständige Rationalität entgegenzusetzen.63 Insbesondere Prokop weist darauf hin, dass
Journalisten Inhalte produzieren können, die nicht den Verwertungsabsichten der Konzerne –
und damit der beruflichen Rolle im Sinne der Arbeit –, sondern der Sinnsuche mancher
Teilpublika entsprechen. Er kennzeichnet hier ein kommunikatives Potenzial der „Kooperati-
on der lebendigen Fähigkeiten und Talente“, das durch den systemisch auf Tauschabstraktio-
nen wie die Unterhaltung gerichteten Rahmen des Mediensystems und seine Versuche der
‚Publikumsfixierung‘ zwar deutlich eingeschränkt, nicht aber vollkommen obsolet wird.64
Kommunikatives journalistisches Handeln hat die professionelle Aufgabe, „[…] die freie
gesellschaftliche Kommunikation als Voraussetzung individueller wie gesellschaftlicher Entfal-
tung zu ermöglichen“ und dafür zu sorgen, dass die Mitglieder einer Gesellschaft Einblicke in
ihnen gemeinsame soziale Entwicklungen erhalten.65 Die ‚Mitteilung‘ ist die ureigene journalis-
tische Aufgabe, durch die kommunikative Interaktion mit dem Ziel der Verständigung möglich
wird. „Herstellung von Sinn durch Mitteilung“ ist demnach für Gottschlich die genuine
Leistung des Journalismus.66
„Mitteilung selbst ist Ergebnis situativ gebundener Interpretationsprozesse journalistischer Akteure und
zugleich Bestandteil der symbolischen Umwelt des Rezipienten, auf der dieser seinerseits mit Interpretationspro-
zessen re-agiert. Aus der Möglichkeit der Entsprechung dieser wechselseitigen, auf das Thema bezogenen und
in Akten der Antizipation von Erwartungshaltungen aneinander orientierten Interpretationsprozesse leitet
sich die Chance auf Verständigung von Sinn ab.“67

Dieser Rückbezug auf die Kategorie der Verständigung ist auf der theoretischen Grundlage
fundiert, auf der auch das Konzept des kommunikativen Handelns in der Lebenswelt beruht.
Im Journalismus lassen sich anknüpfend an diese Vorstellungen Verstehens- und Verständi-
gungsprozesse auf zwei Ebenen identifizieren:
• Journalisten streben durch alltagssprachliche Aussagen Verständigung mit den Rezipienten
– in der konzeptionell und ‚pragmatisch‘ reduzierten Form der Verstehbarkeit journalisti-
scher Aussagen – an;
• Journalisten ermöglichen dadurch, dass sie Themen öffentlich und zugänglich machen,
dass Rezipienten sich mit ihrer (und über ihre) Umwelt verständigen.68
Hinter dieser doppelten Denkfigur lässt sich eine abgewandelte Vorstellung des klassischen
Modells ausmachen, welches den Journalisten als Vermittler zwischen Ausgangs- und Zielpart-
ner im gesellschaftlichen Zeitgespräch betrachtet.69 In dieser Ausgangsinterpretation Gott-
schlichs stehen allerdings nicht die lebensweltlichen oder beruflichen Ausgestaltungsoptionen
dieser Aufgabe im Zentrum, sondern die kommunikativen Universalien, auf denen Journalis-
mus beruht. Journalisten handeln kommunikativ, wenn sie gesellschaftliche Vermittungspro-

63 Vgl. Prokop 1974; Enzensberger 1974 [1970]. Bei Enzensberger steht hier die Radiotheorie Brechts (1972)
Pate.
64 Prokop 1974, S. 166
65 Gottschlich 1999c, S. 175. Dabei geht Gottschlich (1980, S. 16) zunächst von der – schnell als utopisch
identifizierten – Zielvorstellung aus, „[…] daß mit der Verfügbarkeit über die Kommunikationstechnologien
auch die Verfügbarkeit über jenes instrumentelle Wissen wächst, das die Basis schafft, sich an der Mitgestaltung
der Welt schöpferisch, d.h. nicht in bedrückendem, sondern in befreiendem Bewußtsein der Vielfalt des Mögli-
chen zu beteiligen.“ Zu gewährleisten, dass Massenmedien in diesem Sinne genutzt würden, sei Aufgabe eines
professionell betriebenen Journalismus.
66 Gottschlich 1980, S. 119
67 Ebd., S. 45
68 Vgl. ebd., S. 46
69 Dieses Modell kennzeichnet Gottschlich zwar als nicht mehr zeitgemäß, greift aber darauf zurück, um es zu
modifizieren und um zeitgemäße Rollenanforderungen zu ergänzen.
182 IV Aspekte der kommunikativen Rationalität des Journalismus

zesse in Gang setzen. Diese Kommunikativität ist in der Regel beruflich verfasst, um ihre
Gewährleistung zu garantieren. Daraus ergibt sich ein dialektisches Spannungsverhältnis, das
journalistische Akteure im Vollzug ihrer Tätigkeiten aushalten müssen. In den Regeln der
Habermasschen Universalpragmatik lassen sich Ankerpunkte für ein konkretes journalistisches
Ethos identifizieren, mit dem Arbeit und Kommunikation des journalistisch Handelnden auf
eine grundlegende und vernünftige Verständigungsabsicht verpflichtet werden.
Oft werden Möglichkeiten der Verwirklichung einer umfassenderen Vernunft in der öffent-
lichen Kommunikation gar nicht mehr im etablierten massenmedialen Journalismus, sondern
vorwiegend in gegenöffentlichen und alternativen Strukturen gesucht.70 Beruf und Kommuni-
kativität werden dann – entlang der Kategorien Arbeit und Interaktion – als strukturierende
Referenzen in scharfem Gegensatz betrachtet. Mit eindeutigen und einseitigen Sympathien:
Besonders in der kritischen Auseinandersetzung mit Journalismus und Massenmedien der
1970er Jahre lässt sich ein – mit dem Aufkommen der Neuen Sozialen Bewegungen maßgeb-
lich korrelierender – Optimismus im Hinblick auf die kommunikative Qualität alternativer,
nicht beruflich produzierter Medienprodukte ausmachen71, der angesichts der Reichweite und
der Qualität dieser Angebote kaum aufrechterhalten werden kann.72 Vorbild für einem kom-
munikativen Journalismus sind aus dieser Perspektive die Angebote eines alternativen Journa-
lismus (wie von Bürgern getragene Stadt(teil)-Magazine; Szene-Blätter oder auch journalistisch
anspruchsvolle Produkte des ‚New Journalism‘), der mit begrenzter Reichweite außerhalb der
Grenzen des privatwirtschaftlichen oder öffentlich-rechtlichen Mediensystems operiert. Die
ehemals ‚neuen‘ Journalismusformen setzten sich auch inhaltlich von etablierten Vermittlungs-
formen ab:
„An die Stelle einer ohnehin fiktiven Objektivität und einer abzulehnenden Haltung als scheinbar unbeteilig-
ter neutraler Beobachter setzen die alternativen Journalisten die Forderung nach Fairneß und Offenheit sowie
die aktive Teilnahme. Das Publikum – auf dessen Unterstützung als Informanten und Kritiker die alternati-
ven Journalisten ebenso angewiesen sind wie als Käufer ihrer Produkte – hat ihrer Meinung nach das Recht
zu erfahren, welchen politischen Standpunkt ein Journalist einnimmt. Professionelle journalistische Standards
werden in der Befolgung dieser ungeschriebenen Regeln intellektueller Redlichkeit und nicht im Streben nach
einer unmöglich erscheinenden Objektivität erblickt.“73

Es wurde erwartet, dass die Erfahrungen von Journalisten aus solchen alternativen Medien
auch in die Arbeit der etablierten journalistischen Angebote einfließen und so Potenziale
journalistischen Handelns reanimiert werden.74 Ein Beispiel dafür kann die Wiederentdeckung
der Subjektivität des Reporters im so genannten ‚New Journalism‘ sein, der in den USA seinen
Ausgang genommen hat, aber auch im deutschsprachigen Raum Nachahmer bis in die etablier-
ten Medien hinein gefunden hat.75 Die Veränderungen im journalistischen Rollenverständnis,
die sich bei den Protagonisten dieser journalistischen Bewegung feststellen lassen, korrespon-
dieren offensichtlich mit Anforderungen eines kommunikativen Journalismus. Aber die Erfah-

70 Vgl. beispielhaft die Überlegungen von Oy (2005) zum Potenzial von Alternativmedien.
71 Vgl. z.B. Fabris 1979; Enzensberger 1974 [1970]; Eurich 1980a; 1980b; für einen Überblick; Oy 2001, S. 18ff.
72 In einigen damaligen Studien, die in den Laien-Angeboten Ausdrücke unverstellter Kommunikativität entde-
cken konnten, werden erstaunlich zuversichtliche Szenarien entwickelt: „Sollte sich die Bewegung des ‚Laien-
Journalismus‘ weiter ausbreiten, läßt sich als zukünftige Perspektive für das System der öffentlichen Kommuni-
kation ein Kontinuum von Kommunikator-Tätigkeiten konturieren, das von verschiedenartigsten Formen des
‚Laien-Journalismus‘ über teilberufliche Funktionen eines ‚anwaltschaftlichen‘ Journalismus bis zu den derzeit
dominierenden Erscheinungsformen des Medienjournalismus reicht.“ (Fabris 1979, S. 251)
73 Fabris 1979, S. 241
74 Vgl. ebd., S. 197
75 Vgl. Haas/Wallisch 1991 und die Beiträge in Bleicher/Pörksen 2004.
2 Implikationen eines kommunikativen Handlungskonzepts 183

rung hat gezeigt, dass sich diese alternativen Formen des Journalismus in der Regel nicht bis in
die Kernstrukturen des verberuflichten, massenmedialen Journalismus durchsetzen, sondern
eher wichtige Grundzüge einer alternativen Öffentlichkeit bilden. Sie können das vermeintliche
Monopol der Massenmedien in Frage stellen, um kritischen und emanzipatorischen Angeboten
den notwendigen Raum zu geben76, aber sie können das Monopol anscheinend weder brechen
noch waren sie bislang erfolgreich in Versuchen der inneren Restrukturierung. Die Kritiker des
etablierten Journalismus kaprizieren ihre Hoffnungen daher auf eine ‚dual market‘-Struktur, die
sich aus einem großen etablierten Medienmarkt mit konventionell arbeitsteiligen Produktions-
mustern und einem deutlich kleineren, zweiten Markt zusammensetzt, der weit weniger effi-
zienzorientiert ist und stattdessen eher auf individuellen Produkten basiert.77 Ihr kommunikati-
onspolitisches Ziel ist das „Nebeneinander von ‚Gegenöffentlichkeit‘ und Präsenz in den
Massenmedien“.78
Dabei ist es viel versprechender, die Potenziale journalistischer Kommunikativität analy-
tisch in den bestehenden systemischen Rahmen hineinzutragen und nach ihren dortigen
Grundlagen und Spielräumen zu fragen. Schließlich verläuft schon der beklagte Verfall öffent-
licher Kommunikation, nicht einsinnig und einseitig, sondern ist vielmehr die Kehrseite einer
öffentlichen Kommunikation, die zugleich durch niedrigere Zugangsschwellen, ein deutlich
erhöhtes Informationsaufkommen und entgrenzte Gesprächszusammenhänge charakterisiert
werden kann. Wer auf alternative Medien zur Durchsetzung der Kommunikativität setzt, der
erhöht kommunikative Qualität oftmals nur um den Preis einer neuerlichen sozialen oder
kulturellen Exklusivität. Während also die klassische Suche nach einem alternativen Journalis-
mus sich der Explikation alternativer Kommunikationsformen widmet, die den Journalismus
als Beruf in einer zentralen Dimension ersetzen sollen, ihn aber nicht ersetzen können, wird in
der vorliegenden Arbeit danach gefragt, welches kommunikative Potenzial der etablierte,
berufliche Journalismus besitzt und wie es aktiviert werden kann. Oder wie Baum formuliert:
Ziel ist es, „[…] die verständigungsorientierte Vernunft im Journalismus ausfindig zu machen,
zu verstehen, was die kommunikative Kompetenz der JournalistInnen auszeichnet, wie auto-
nom sie damit umgehen können, kurz: wie frei der Journalismus ist“.79 Ein solches Programm
nimmt zur Kenntnis, dass sprachliche Vernunft in letzter Konsequenz unhintergehbar ist und
deswegen auch nicht in Randbereiche delegiert werden kann, während die zentralen Institutio-
nen gesellschaftlicher Öffentlichkeit zweckrationaler Vernunft überlassen werden.

2.2 Verständigung durch journalistische Kommunikation

Die normativen Grundlagen eines kommunikativen Journalismus liegen in den Grundstruktu-


ren von Sprache – das gilt in besonderem Maße für die angenommene Verständigungsorientie-
rung. Habermas entwickelt die starke These, dass der verständigungsorientierte Sprach-
gebrauch „[…] der Originalmodus ist, zu dem sich die indirekte Verständigung, das Zu-
verstehen-geben oder das Verstehen-lassen, parasitär verhalten“.80 Diese Verständigungsorien-
tierung der Sprache ist das Fundament rationaler Interaktion im Gespräch:

76 Vgl. Eurich 1980b, S. 261


77 Vgl. Fabris 1979, S. 257
78 Ebd., S. 232
79 Baum 1994, S. 275; vgl. dazu auch die Beiträge in Langenbucher 1980.
80 Habermas 1995 [1981], Bd. 1, S. 388 Auf diese Formulierung spielt Baum (1994, S. 395) in seiner ähnlich
gelagerten Aussage über den ‚Originalmodus‘ des journalistischen Handelns an.
184 IV Aspekte der kommunikativen Rationalität des Journalismus

„Wenn sprachliche Kommunikation nicht per se auf Verständigung ausgerichtet wäre und wenn die Begrün-
dung von Geltungsansprüchen nicht der ursprüngliche Weg zur Verständigung wäre, wäre soziale Interaktion
weitgehend unmöglich.“81

Ausschlaggebend dafür sind sowohl kontrafaktische Idealisierungen als auch sprachimmanente


Bindungskräfte. Diese zunächst mikrosozialen Mechanismen werden im Rahmen gesellschaft-
licher – auch journalistischer – Kommunikationsprozesse zu entscheidenden Mechanismen
gesellschaftlicher Verständigung und Integration. Journalistisches Handeln bedient sich der
kontrafaktischen Unterstellungen von Vernunft und Herrschaftsfreiheit, auf denen Individual-
kommunikation beruht und die Voraussetzungen der Verständigungsorientierung sind. In diese
Unterstellungen sind regulative Ideen wie das normative Öffentlichkeitsbild und seine idealty-
pische Beschreibung idealer öffentlicher Kommunikationszusammenhänge eingelassen.
Journalistisches Handeln setzt somit auf wechselseitigen Erwartungen von Rationalität und
Verständigungswillen auf und nutzt mit Sprache ein Medium, das im Kern auf Gemeinsamkeit
zielt. Diese Grundlagen kommunikativen Handelns sind nicht als idealistische Forderung an
Kommunikation, sondern als ein sprachimmanenter Anspruch von Kommunikation zu
verstehen. Ein auf Verständigung orientierter Journalismus nimmt die Ziele der Aufklärung
ernst, indem er die der Unmündigkeit des nicht aufgeklärten Menschen zugrunde liegende
Uninformiertheit durch seine kommunikativen Vermittlungsleistungen zu beseitigen trachtet.82

2.2.1 Kontrafaktische Idealisierungen

Sprache orientiert und reguliert soziale Interaktion. Die Disposition der gewählten Sprechakte
bestimmt die Einstellung des Kommunizierenden bzw. Handelnden gegenüber seinen Interak-
tionspartnern. Verständigung beruht auf einer rational motivierten und begründbaren Zustim-
mung zu den von den Sprechern erhobenen Geltungsansprüchen; sie unterscheidet sich von
einer faktisch bestehenden Übereinstimmung dadurch, dass sie nicht durch strategische Ein-
flussnahme oktroyiert werden kann, sondern nur aus dem kommunikativen Koordinierungs-
prozess und den in ihm gebildeten gemeinsamen Überzeugungen (wie implizit auch immer)
erwächst. Die idealisierten, kontrafaktischen Argumentationsvoraussetzungen verlangen von
den Teilnehmern an diskursiven Prozessen, dass sie im Sinne des Meadschen ‚role-taking‘ die
Perspektive anderer Teilnehmer übernehmen und deren Interessen berücksichtigen. Dieser
Gedanke des symbolischen Interaktionismus bildet eine Voraussetzung, auf die sich Beteiligte
einlassen müssen, wenn ihre Bemühungen nicht ihren kognitiven Sinn verlieren sollen.83
„Weil vergesellschaftete Individuen im täglichen Umgang miteinander ebenso auf ein naiv für gültig gehalte-
nes ‚Wissen‘ von Werten angewiesen sind wie kooperativ handelnde Subjekte auf Tatsachenwissen im Um-
gang mit der Realität, sind sie gehalten, den moralischen Kerngehalt des entglittenen Traditionswissens aus
eigener Kraft und Einsicht zu rekonstruieren. Sobald sie aber ohne weltanschauliche Rückendeckung ein uni-
versell verbindliches System von Regeln auszeichnen wollen, das aus intrinsischen Gründen verbindlich ist
und eine sanktionsbewährte Durchsetzung erübrigt, bietet sich ihnen nur der Weg zum diskursiv herbeige-
führten Einverständnis. Die Fortsetzung des kommunikativen Handelns mit diskursiven Mitteln gehört zur
kommunikativen Lebensform, in der wir uns alternativenlos vorfinden.“84

81 Kuhlmann 1999, S. 46
82 Vgl. Burkart 1998a, S. 519
83 Vgl. Habermas 1999, S. 306f.
84 Ebd., S. 317
2 Implikationen eines kommunikativen Handlungskonzepts 185

Der diskursive Ansatz beruht auf einer idealisierenden Darstellung der Beziehung zwischen
Sprecher und Hörer und der damit verbundenen Suspendierung strategischer Gehalte aus dem
Interaktionszusammenhang. Seine Prämissen können daher auch nicht eins zu eins auf die
Analyse journalistischer Kommunikations- und Handlungszusammenhänge übertragen wer-
den, sondern bilden im besten Sinne eine regulative Idee. Diese ist angelehnt an die Unterstel-
lung der idealen Sprechsituation85 und deshalb immer wieder der Kritik aus vermeintlich
‚realistischer Perspektive‘ ausgesetzt; gerade an dieser Stelle setzt auch die gängige, zumeist
systemtheoretisch fundierte Kritik an, die aufgrund der hohen Normativität formalpragmati-
scher Annahmen deren Verwendbarkeit zur Analyse von Journalismus bezweifelt.86
Dabei führt allerdings die tief liegende Verankerung kommunikativen Handelns in den
Grundannahmen des Sprachgebrauchs dazu, dass jedes Abweichen – das es zweifellos zahl-
reich gibt – als defizitär und letztlich als parasitär zu einer immanenten Normativität, von
deren Geltung es zehrt, betrachtet werden muss.87 Viele vermeintlich ‚realistische‘ Einwände
gegen solche ‚erhöhten‘ Anforderungen an die kommunikative Qualität der journalistischen
Produkte unterliegen einem naturalistischen Fehlschluss, indem sie ein normatives Postulat
aufgrund seiner Nicht-Einlösung verwerfen wollen.88 Oder aber sie ignorieren, dass Habermas
selbst seinen Überlegungen den letztlich paradoxen Status zuweist, als in ihrem Realitätsgehalt
zunächst nicht prüfbare Unterstellungen für Handeln trotzdem unerlässlich zu sein. Gerade in
der ‚Theorie kommunikativen Handelns‘ wird normativen Forderungen der Verständigungs-
orientierung ein kontrafaktischer Status zugewiesen, der zugleich auf ihre Nichteinlösung und
auf ihre dennoch begründbare Wirkung im kommunikativen Prozess verweist. Habermas hält
eine ‚ideale Sprechsituation‘ dann für gegeben, wenn „[…] Kommunikationen nicht nur nicht
durch äußere kontingente Einwirkungen, sondern auch nicht durch Zwänge behindert werden,
die sich aus der Struktur der Kommunikation selbst ergeben“89. In derartigen Situationen sind
Verzerrungen von Kommunikation ausgeschlossen, Machstrukturen werden in ihrer Gültigkeit
suspendiert. Eine ideale Sprechsituation beruht somit auf der formal unbegrenzten Möglich-
keit, an Diskursen durch das Aufstellen von Sprachakten und das Kritisieren erhobener Gel-
tungsansprüche teilzunehmen, sowie auf den weitergehenden Bedingungen der Suspendierung
von Handlungszwängen im Diskurs durch Wahrhaftigkeit der Teilnehmer und durch das
Ausklammern sozialer Macht, um so der Kraft des besseren Arguments jenseits zweckrationa-
ler oder strategischer Überlegungen den Raum zu geben, rationale Ergebnisse zu befördern.90

85 Vgl. Habermas 1995c [1984]


86 Vgl. z.B. Rühl 1980, S. 232. Beispielhaft ist die Kritik von Kiss (1987, S. 114) an Habermas, der die „lebens-
fremde Normativität seines demokratisch gemeinten intersubjektivistischen Ansatzes“ angreift und stattdessen
die vollständige Aufgabe akteurstheoretischer Annahmen zugunsten einer auf systemische Mechanismen ausge-
richteten, vermeintlich realistischeren Beschreibung von Gesellschaft fordert. Ähnlich argumentiert auch Hug
(1997, S. 233ff.), der weniger auf Probleme der empirischen Einlösbarkeit zielt, als vielmehr auf vermeintliche
theoriearchitektonische Probleme hinsichtlich der Rationalitätsannahmen und des Diskursmodells bei Haber-
mas, die er beide im Vergleich zu differenzierungslogischen Annahmen der Systemtheorie für nur wenig erklä-
rungskräftig hält. Insbesondere stellt er sich – auch hier im Einklang mit der gängigen systemtheoretischen Kri-
tik und ihrem Beharren auf der Unmöglichkeit einer lebensweltlichen und entdifferenzierenden Rationalität in
Öffentlichkeit – frontal gegen die Annahme der Verständigungsorientierung in kommunikativem Handeln.
87 Das Beispiel, dass wir nur dann erfolgreich lügen können, wenn der Interaktionspartner die Prämissen der
kommunikativen Verständigung anerkannt hat, mag ein Beleg dafür sein (vgl. Kuhlmann 2002, S. 184).
88 Dabei ist in diskursethisch motivierten Beiträgen zur Medien- und Journalismusethik überzeugend diskutiert
worden, inwiefern weitreichende Anforderungen an diese Qualität nach wie vor begründbar sind (vgl. z.B.
Thomaß 2000; Loretan 1994; 1999; 2002; Arens 1996; Lesch 1996).
89 Habermas 1995c [1984], S. 177
90 Vgl. ebd., S. 177f.
186 IV Aspekte der kommunikativen Rationalität des Journalismus

Habermas selbst verweist darauf, dass die Realisierungsmöglichkeiten einer solchen idealen
Sprechsituation prekär sind, da empirisch vorfindbare Redesituationen Einflüssen und Limitie-
rungen zum Beispiel durch Raum oder Zeit unterworfen ist und dementsprechend eine ideal-
typische ‚Reinheit‘ der geschilderten Bedingungen nicht gegeben sein kann. Allerdings ist eine
‚hinreichende Realisierung‘ der Bedingungen nicht ausgeschlossen, da etwaige Restriktionen
z.B. durch institutionalisierte Verfahren aufgewogen oder mindestens neutralisiert werden
können. Ob wir allerdings einen Diskurs führen oder nur unter Handlungszwängen einen
(Schein-)Diskurs vorführen, können wir in der konkreten Situation nicht erkennen, sondern
erst rückblickend bewerten. Das Konzept der idealen Sprechsituation kann deshalb wie folgt
verstanden werden:
„Die ideale Sprechsituation ist weder ein empirisches Phänomen noch bloßes Konstrukt, sondern eine in
Diskursen unvermeidliche, reziprok vorgenommene Unterstellung. Diese Unterstellung kann, sie muß nicht
kontrafaktisch sein; aber auch wenn sie kontrafaktisch gemacht wird, ist sie eine im Kommunikationsvorgang
operativ wirksame Fiktion. Ich spreche deshalb lieber von einer Antizipation, von einem Vorgriff auf eine
ideale Sprechsituation. Dieser Vorgriff allein ist Gewähr dafür, daß wir mit einem faktisch erzielten Konsens
den Anspruch eines vernünftigen Konsenses verbinden dürfen; zugleich ist er ein kritischer Maßstab, an dem
jeder faktisch erzielte Konsensus auch in Frage gestellt und daraufhin überprüft werden kann, ob er ein hin-
reichender Indikator für einen begründeten Konsens ist.“91

Diese „Idealisierungsleistung“92 stellt für Habermas die einzig denkbare Möglichkeit dar, das
empirische Gelingen der kommunikativen Koordination des Handelns auch zu gewährleisten,
indem die Interaktionspartner kontrafaktisch unterstellen, dass ideale Bedingungen des Erhe-
bens und Einlösens von Geltungsansprüchen gegeben sind – das gilt letztlich auch für journa-
listisch vermittelte oder hergestellte Kommunikation. Ein solch ‚idealistisches Kommunikati-
onsmodell‘ kann daher durchaus als potenzieller „Bezugsrahmen zur Entwicklung system-
unabhängiger, wie auch systemabhängiger Theorien“ der Massenmedien und des Journalismus
herangezogen werden.93
„Zur Verwirklichung des vollkommenen Öffentlichkeitsmodells ist der Idealfall der Kommunikation, d.h.
uneingeschränkte herrschaftsfreie Diskussion, unabdingbar. Massenkommunikation ist also ein Phänomen
der Veröffentlichung zur Herstellung von Öffentlichkeit.“94

Würden die Kommunikationspartner nicht dieser Annahme folgen, dann gäbe es keine Moti-
vation, rationale Verständigung überhaupt anzustreben, weil diese nicht erreichbar schiene.
Daran ändert auch eine faktische Uneinlösbarkeit dieser Idealisierungen nichts. Die Tatsache,
dass Sprecher erkennen können, dass ihre ‚reale‘ Kommunikationssituation durch Manipula-
tionsversuche oder Machtansprüche verzerrt wird, spricht im Gegenteil eher dafür, dass sie ein
intuitives Verständnis für einen auf rational motivierter Zustimmung basierenden Verständi-
gungszusammenhang besitzen, ohne das sie nicht in der Lage wären, diese Deformationen und
den durch sie verursachten ‚heimlichen Zwang‘ sozialer Umstände wahrzunehmen.95
Journalistisches Handeln als kommunikatives Handeln impliziert folglich, dass die gesell-
schaftliche Verständigung solidarisch verlaufen kann und nicht macht- oder geldgesteuert sein
muss. Besonders in dem regulativ idealen Bezug auf ein idealisiertes Öffentlichkeitsmodell liegt
die Verpflichtung journalistischen Handelns auf die genannten kommunikativen Ideale, die

91 Ebd., S. 180
92 Holzer 1994, S. 95
93 Boguschewsky-Kube 1990, S. 124f.
94 Ebd., S. 126
95 Vgl. Dubiel 2001, S. 105
2 Implikationen eines kommunikativen Handlungskonzepts 187

nicht deshalb an Gültigkeit verlieren, weil sie empirisch nicht eingelöst sind, sondern letztlich
als – mindestens ethische – Anforderungen an Journalismus gerade aus ihrer Prekarität heraus
an Relevanz gewinnen. Ein Journalismus, der sich auf die strategische Herstellung von Kom-
munikation verlegt, die unter dem Deckmantel der Kommunikativität dritte Ziele, seien sie nun
politisch oder ökonomisch, verfolgt, unterminiert dagegen letztlich seine eigenen Geltungs-
grundlagen.
In diesem Zusammenhang wird deutlich, warum die Forderung nach einer Trennung von
journalistischer Vermittlung und journalistischer ‚Produktion‘, von Vermittlung und Eigenleis-
tung ihren Sinn verlieren muss: Als sprachliches oder sprachanalog zu verstehendes Handeln
bedient sich Journalismus der kommunikativen Ressourcen sprachlicher Verständigung. Eine
Trennung von deren kommunikativem, interaktivem Grundgerüst, wäre nur um den Preis
einer strategischen Kommunikationshaltung möglich, welche die kontrafaktischen Rationali-
täts- und Verständigungsunterstellungen suspendieren und damit zu einem erheblichen
Glaubwürdigkeitsverlust beitragen würde. Sie würde Journalismus unterschiedslos machen zu
Propaganda oder Public Relations, die sich in der Regel dieser strategischen Modi bedienen.
Während Journalismus in der Verständigungsorientierung von Sprache fest verankert ist,
nutzen Public Relations Sprache als ein Werkzeug um externe, meist wirtschaftliche oder
politische Zwecke zu erreichen. Sie sind in der Regel nicht ergebnisoffen und diskursiv, son-
dern explizit auf persuasive Effekte gerichtet. Betrachtet man dagegen Journalismus als Anwalt
des gesellschaftlichen Diskurses, dann ist diese Rolle primär auf der Basis diskursiver Kommu-
nikationsmuster auszufüllen. Die Prüfung der Geltungsansprüche ist sowohl notwendiges
Element kommunikativer Handlungskoordinierung als auch gesellschaftlich wünschenswerte,
im weitesten Sinne ‚advokatorisch‘ oder ‚diskursrepräsentativ‘ zu verstehende Leistung eines
journalistischen Handelns, das zwar auch eigene Interessen besitzt, diese aber nicht primär
verfolgen kann, ohne seinen Bestand zu gefährden.
Journalismus wird – in demokratischen Verfassungen auch rechtlich – dafür verantwortlich
gemacht, dass eine Öffentlichkeit hergestellt wird, die den gesellschaftlich für notwendig
erachteten Partizipationsanforderungen und Teilhabechancen gerecht wird. Diese Öffentlich-
keit ist als Ideal nicht nur in top-down-Richtung zu verstehen, sondern – in Einklang mit der
Idee eines ‚Zeitgesprächs der Gesellschaft‘ – als ein Kommunikationszusammenhang, in dem
die Rollen der Ausgangs- und Zielpartner, der Kommunikatoren und Rezipienten, wechseln
können. In dieser Öffentlichkeit soll idealtypisch jede Meinung buchstäblich ‚zur Sprache‘
kommen. Die gängigen Einwände gegen solche Forderungen – die Teilnahme aller sei nicht
möglich, eine hinreichend rationale Verarbeitung der gesellschaftlichen Diskussionen empi-
risch nicht feststellbar – greifen in ihren pauschalen Fassungen zu kurz. Gerade weil eine
Beteiligung aller in demokratischen Öffentlichkeiten faktisch nicht möglich ist, gewinnt
schließlich die Idee, professionelle Journalisten damit zu beauftragen, gesellschaftliche Kom-
munikation vermittelnd und stellvertretend zu ermöglichen an Relevanz. Journalismus gewähr-
leistet die allgemeine Zugänglichkeit, indem durch Publikation Information und Interessen
transparent und ‚zugänglich‘ gemacht werden.96 Die angemessene Erfüllung dieser Erwartun-
gen setzt die Einhaltung kommunikativer Standards in der Vermittlung voraus.

96 Vgl. Burkart 1998a, S. 518


188 IV Aspekte der kommunikativen Rationalität des Journalismus

2.2.2 Illokutionäre Bindungskräfte

Da journalistisches Handeln als kommunikatives Handeln auf im Diskurs erreichte Verständi-


gung zielt, können die kommunikativen Leistungen des Journalismus auch als ein Beitrag zur
gesellschaftlichen Integration verstanden werden.97 Konzipiert wird diese Integrationsleistung
in der Forschung in den fünf Dimensionen (von der Mikro- zur Makroebene):
(1) „Bereitstellung gemeinsamer Themen / Wissensbasis
(2) Ermöglichen von Repräsentation
(3) Konstituieren von (politischer) Öffentlichkeit
(4) Vermittlung gemeinsamer Normen und Werte
(5) Konstruktion von Realität (Lebenswelt, Selbst- und Fremdbeobachtung)“.98

Allerdings sind die Aussagen über entsprechende Wirkungen meist eher Prämissen als empiri-
sche Ergebnisse.99 Das Modell kommunikativen Handelns macht es möglich, diese Prämissen
zumindest mikrosozial zu begründen, da in den Fundamenten des kommunikativen Sprach-
gebrauchs Bindungskräfte angelegt sind, die sich vor allem in den illokutionären Bestandteilen
des Sprechaktes sowie in den kontrafaktischen Unterstellungen der Verständigungsbereitschaft
finden. Habermas begründet die sozial integrative Kraft der Verständigung mit einer hierarchi-
sierten Typologie unterschiedlicher Sprechakt-Formen, welche ausgehend von einer spezifi-
schen Sprecher-Intuition die soziale Interaktion durch je verschiedene Verwendungsweisen
von Sprache in einer kommunikativen Handlung prägen:100
(1) Mit lokutionären Akten drückt ein Sprecher einen propositionalen Sachverhalt aus. Sie
beziehen sich auf den Gehalt von Aussagesätzen oder von nominalisierten Aussagesätzen
(„etwas sagen“).
(2) Mit illokutionären Akten vollzieht ein Sprecher eine Handlung, indem er etwas sagt. Sie
beziehen auf den durch Behauptungen, Versprechungen, Befehle, Geständnisse u.ä. fest-
gelegten Modus des verwendeten Satzes („handeln, indem man etwas sagt“).
(3) Mit perlokutionären Akten erzielt ein Sprecher eine bestimmte Wirkung beim Hörer. Durch
das Ausführen einer Sprechhandlung bewirkt er etwas in der Welt („etwas bewirken, da-
durch daß man handelt, indem man etwas sagt“).
Setzt sich eine Sprechhandlung aus einem propositionalen (d.h. lokutionären) und einem
illokutionären Bestandteil zusammen, dann besteht das performative Ziel des Sprechers darin,
zu handeln, indem er etwas sagt. Perlokutionäre Effekte hingegen werden erst in einem strate-
gischen Handlungsmodus erzielt, in dem der Sprecher darauf zielt, bestimmte Wirkungen zu
erreichen. In diesem Sinne kann Habermas perlokutionäre Effekte als von außen an die
Sprechhandlung herangetragen verstehen, während ihr illokutionäre Effekte innewohnen, weil
sie sich aus dem Vollzug einer von Sprache getragenen Handlung ergeben.101 Deshalb kann die

97 Fragen der Integrationsfunktion spielen in der Medien- und Journalismusforschung nach wie vor eine wichtige
Rolle. Vgl. z.B. Vlasic 2004; Jarren 2000; Maletzke 1980b. Vgl. grundlegend zu sozialer Integration: Peters 1993.
98 Vlasic 2004, S. 67
99 Vgl. ebd., S. 62
100 Vgl. Habermas 1995 [1981], Bd. 1, S. 388ff.
101 Die illokutionären Satzteile eines Sprechakts sind anhand performativer Verben erkennbar. Aus propositiona-
len und illokutionären Bestandteilen zusammengesetzte Sprechhandlungen bestehen aus einem performativen
Satzteil (Illokution) und einer daran anschließenden Sachaussage (Proposition): z.B.: ‚Ich verspreche dir, mor-
gen zu kommen.‘ (vgl. Burkart/Lang 1995, S. 45) Sie sind als ‚selbstgenügsam‘ zu beschreiben, da sich in ihnen
der Modus des kommunikativen Handelns identifizieren lässt, für den der Wunsch, ein bestimmtes Ziel zu er-
reichen, keinesfalls notwendig ist.
2 Implikationen eines kommunikativen Handlungskonzepts 189

Verständigungsorientierung des Handelns, das Streben nach einem Gemeinsamen in Sprache


nicht gleichgesetzt werden mit in der Regel strategischen Persuasionsversuchen. Hier offenbart
sich ein Abgrenzungskriterium, anhand dessen die Trennung unterschiedlicher öffentlicher
Kommunikationsmodi auf neuem Fundament begründbar gemacht werden könnte.102 Dieses
Kriterum markiert die Unterscheidung zwischen einem in erster Linie auf Illokutionen gerich-
teten Journalismus und den primär an Perlokutionen interessierten Public Relations, die sich
Sprache strategisch bedienen.103 Wie eine übertriebene ‚Gesinnungspublizistik‘ müssten sich
PR der Analyse ihrer illokutioären und perlokutinoären Fundamente stellen, bevor sie be- oder
gar verurteilt werden würden. Journalismus hingegen benötigt den Bezug zu den illokutionären
Bindungskräften der Sprache.
„Mit der illokutionären Kraft seiner Äußerung kann ein Sprecher einen Hörer motivieren, sein Sprechaktge-
bot anzunehmen und damit eine rational motivierte Bindung einzugehen. Dieses Konzept setzt voraus, daß sprach-
und handlungsfähige Subjekte auf mehr als nur eine Welt Bezug nehmen können, und daß sie, indem sie sich
miteinander über etwas in einer Welt verständigen, ihrer Kommunikation ein gemeinsam unterstelltes System
von Welten zugrunde legen.“104

Die Möglichkeiten erfolgreicher Verständigung zwischen kommunikativ handelnden Interak-


tionspartnern sind in Form der illokutionären Bindungskräfte stets bereits in sprachliche
Strukturen eingelassen: Sprecher können nicht nur grammatisch korrekte Sätze produzieren
und verstehen, sondern besitzen darüber hinaus auch die Fähigkeit, die Kommunikationsmodi
und die Verbindungen mit der Außenwelt, durch welche die alltagssprachliche Rede möglich
wird, herzustellen und zu verstehen. Die rationale Motivation zur Annahme eines Sprechaktange-
botes resultiert aus einem internen Zusammenhang zwischen Gültigkeit, Geltungsanspruch
und Einlösung des Geltungsanspruchs. Der Sprecher stellt in einer kommunikativen Handlung
durch den illokutionären Sprechakt eine Beziehung zu dem Hörer her, die auf der Gewähr
beruht, dass er die erhobenen Geltungsansprüche gegebenenfalls durch rationale Begründun-
gen einlösen kann, die einer Kritik des Hörers standzuhalten vermögen. Der illokutionäre
Bindungseffekt erwächst also nicht aus der Gültigkeit des Gesagten, sondern aus dem „Koor-
dinierungseffekt der Gewähr“ dafür, dass erhobene Geltungsansprüche eingelöst werden
können.105
„Der Hörer akzeptiert mit seinem ‚Ja‘ ein Sprechaktangebot und begründet ein Einverständnis, das sich einer-
seits auf den Inhalt der Äußerung, andererseits auf sprechaktimmanente Gewährleistungen und interaktionsrelevante Ver-
bindlichkeiten bezieht. Das sprechakttypische Handlungspotential kommt in dem Anspruch zum Ausdruck,
den der Sprecher im Fall expliziter Sprechhandlungen mit Hilfe eines performativen Verbes für das, was er
sagt, erhebt. Indem ein Hörer diesen Anspruch anerkennt, akzeptiert er ein mit dem Sprechakt gemachtes
Angebot. Dieser illokutionäre Erfolg ist insofern handlungsrelevant, als mit ihm eine koordinationswirksame
interpersonale Beziehung zwischen Sprecher und Hörer hergestellt wird, die Handlungsspielräume und Inter-
aktionsfolgen ordnet und über generelle Handlungsalternativen Anschlußmöglichkeiten für den Hörer eröff-
net.“106

102 Allerdings mit Einschränkungen, da auch Perlokutionen unter bestimmten Umständen als explikationsfähig
betrachtet werden können. Vgl. dazu Kopperschmidt 1985, S. 105.
103 Die Abgrenzung von Journalismus und PR auf Basis der Universalpragmatik wäre ein lohnenswertes For-
schungsprojekt, das an dieser Stelle nicht weiter verfolgt werden kann. Zur Nutzbarkeit der Habermasschen
Überlegungen für die PR-Konzeption vgl. auch Burkart/Probst 1991, zu einer auch handlungstheoretischen
Perspektive auf PR allgemeiner: Zerfaß 1996.
104 Habermas 1995 [1981], Bd. 1, S. 376
105 Ebd., S. 406
106 Ebd., S. 398
190 IV Aspekte der kommunikativen Rationalität des Journalismus

In imperativen Äußerungen hingegen, die den illokutionären Effekt hinter Machtbeziehungen


zurücktreten lassen und in denen perlokutionäre Effekte überwiegen, hat der Hörer aufgrund
von den genuinen Sprechakt erweiternden Faktoren (gemeint ist v.a. ein externes Sanktionspo-
tenzial, welches das Fehlen rationaler Motivation kompensiert) nicht die Möglichkeit, das
Sprechaktangebot selbst bestimmt auf der Basis einer rationalen Prüfung der erhobenen
Geltungsansprüche zu bewerten.107 Das erklärt auch die Defizite der klassischen publizistikwis-
senschaftlichen Modelle, die vorwiegend auf persuasive Kommunikation abgestellt haben. Nur
in Zusammenhängen kommunikativen Handelns kann der Hörer eine Sprechhandlung stets
unter jedem der drei Aspekte Wahrheit, Richtigkeit und Wahrhaftigkeit prüfen, akzeptieren
oder gegebenenfalls in Frage stellen.108 Nur unter diesen Bedingungen sind Aufklärung und
demokratische Teilhabe im kleinen wie im größeren gesellschaftlichen Maßstab denkbar.
Auch journalistisches Handeln ist daher als sprachliches Handeln – sofern es nicht a priori
als strategisch (miss)verstanden wird – nie nur propositional zu gestalten, sondern involviert
aufgrund der illokutionären Bestandteile eines Sprechaktes den Aufbau einer – und sei es noch
so vermittelten – interaktiven Beziehung. Journalismus wirkt damit potenziell vergesellschaf-
tend. Ein rein propositional fixierter Journalismus, wie er bisweilen in Vermittlungskonzepten
gefordert wird, wäre ähnlich defizitär wie rein auf perlokutionäre Effekte angelegte Persuasion.
Um zu überblicken, in welchem Umfang illokutionäre Bindungskräfte auch im journalis-
tisch vermittelten Gespräch der Gesellschaft wirksam sein können, wären sprachtheoretische
Analysen journalistischer Berichte und Kommentare notwendig, die auf explizite oder implizite
Illokutionen und ihre kommunikative Wirkung fokussiert sein könnten. Die ‚Theorie des
kommunikativen Handelns‘ stellt mit diesen Grundkategorien ein Analyseraster bereit, das in
der empirischen Journalismusforschung Verwendung finden kann, wenn zum Beispiel die in
journalistischen Produkten hergestellte Beziehung zwischen dem vermittelnden Journalisten
und seinen Rezipienten, aber auch seinen Ausgangspartnern, näher betrachtet werden soll.
Innerhalb eines journalistischen Berichts lassen sich verschiedene kommunikative Beziehungen
zwischen Ausgangspartnern (Sprechern), Journalisten und Zielpartnern (Rezipienten) identifi-
zieren, die letztlich alle der oben dargestellten Logik kommunikativer Handlungskoordinierung
zumindest abstrakt folgen. Diese Beziehungen sind komplexer als Humankommunikation, da
zum Beispiel ein Journalist nicht nur die Propositionen eines Ausgangspartners vermittelt,
sondern nicht selten den gesamten Sprechakt inklusive dessen illokutionären Bestandteilen, der

107 Vgl. ebd., S. 394


108 Der illokutionäre Satzbestandteil rückt dabei mitunter einen Geltungsanspruch in den Vordergrund. Der
propositionale Bestandteil der Sprechhandlung wird dann durch einen internen Bezug zum illokutionären Be-
standteil auf einen der drei Geltungsansprüche primär ausgerichtet. So können konstative, expressive und regu-
lative Sprechhandlungen voneinander unterschieden werden (vgl. Habermas 1995 [1981], Bd. 1, S. 414ff.) Sie
werden durch jeweils klar auf einen Geltungsanspruch perspektivierende performative Verben eingeleitet (vgl.
McCarthy 1989, S. 324). Kritische Modifikationen dieses Modells mahnt Wellmer (1989) an. Illokutionäre
Sprechakte kennzeichneten nicht nur eine spezifische Beziehung, die ein Sprecher mit einem Hörer aufzuneh-
men gedenkt, sondern bilden zugleich „[…] eine komplexe Konstellation von charakteristischen Geltungsan-
sprüchen, die, indem der Sprecher sie gegenüber dem Hörer implizit oder explizit erhebt, die spezifische illoku-
tionäre Kraft – eine ‚rational motivierende Kraft‘ – bestimmen, die die Äußerung gegenüber diesem Hörer ge-
winnen kann“ (ebd., S. 365). Diese rational motivierende Kraft spricht nicht nur das Situations- sondern auch
das Bedeutungs- und Weltwissen des Hörers an, das notwendig ist, um die Bedingungen bewerten zu können,
unter denen die erhobene Aussage Akzeptanz finden kann. Auf die sprachphilosophische Debatte über das
kommunikative Handeln soll hier nicht weiter eingegangen werden, da im vorliegenden Untersuchungszusam-
menhang die sprachphilosophischen Erörterungen nur mittelbar als Vorbereitung zur soziologischen Analyse
verstanden werden und aus den Habermasschen Texten als Grundlage rekonstruktiv übernommen werden.
Vgl. aber z.B. die Beiträge in Honneth/Joas 1986; Honneth u.a. 1989; sowie die Kritik von Balkenhol 1991.
2 Implikationen eines kommunikativen Handlungskonzepts 191

als Ganzes dann wiederum die Proposition eines mit weiteren illokutionären Bestandteilen
angereicherten Kommunikationsangebotes des journalistisch Handelnden wird.
Ob der Aufbau einer illokutionär geprägten Kommunikationsbeziehung auch im Rahmen
medial-journalistischer Kommunikation möglich ist, dürfte umstritten sein. Tatsächlich ist
nicht davon auszugehen, dass in räumlich und zeitlich entzerrten sowie durch technische
Medien vermittelten und potenziell einseitigen Kommunikationssituationen ein der Human-
kommunikation vergleichbarer Interaktionszusammenhang generiert wird. Allerdings kann auf
eine Differenzierung von Habermas selbst zurückgegriffen werden, mit der er zwischen einem
schwachen und einen starken Gebrauch kommunikativen Handelns unterscheidet, der sich
danach bemisst, ob die Interaktionspartner ein tatsächliches Einverständnis über die erhobe-
nen Geltungsansprüche erzielen, d.h. der Hörer die Argumente des Sprecher übernimmt, oder
ob sie sich lediglich verständigen, d.h. der Hörer anerkennt, dass der andere im Lichte seiner
Präferenzen gute Gründe hat, ohne diese gleich auch für sich selbst zu übernehmen. Diese
Unterscheidung setzt an den Akzeptabilitätsbedingungen von Geltungsansprüchen an, die im
kommunikativen Handeln erhoben werden, berührt aber nicht dessen prinzipielle Grundkon-
struktion, die von illokutionär bestimmten Zielen geprägt ist:109
(1) Kommunikatives Handeln im schwachen Sinne (verständigungsorientierter Sprachgebrauch) ist für
Habermas dann gegeben, wenn sich die Verständigung auf Tatsachen und akteursrelevan-
te Gründe für einseitige Willensäußerungen wie einfache Imperative oder Ankündigungen
bezieht. Die Akteure beziehen sich in diesem Fall auf Wahrheits- und Wahrhaftigkeitsan-
sprüche. Verständigung bedeutet hier, dass der Hörer die Wahrheit der Aussage, deren
Aufrichtigkeit und Durchführbarkeit nicht anzweifelt.
(2) Kommunikatives Handeln im starken Sinne (einverständnisorientierter Sprachgebrauch) ist geprägt
davon, dass sich die Verständigung auch auf die normativen Gründe für die Wahl der Ver-
ständigungsziele selbst erstreckt. Die Akteure beziehen sich entsprechend auch auf inter-
subjektiv anerkannte Geltungsansprüche der Richtigkeit. Einverständnis bedeutet in die-
sem Fall auch, dass Sprecher und Hörer sich an gemeinsamen Werten orientieren und ge-
genseitige Verpflichtungen eingehen. Die Akteure gehen auch von einer gemeinsam unter-
stellten sozialen Welt aus. Erst in diesen Äußerungen bedienen sich die Interaktionspart-
ner vollständiger illokutionärer Akte, die eine konstative, eine normative und eine expres-
sive Geltungsdimension umfassen.
Neu an dieser nachträglichen Differenzierung ist die Einführung eines normativ weniger
anspruchsvollen Begriffs der schwachen kommunikativen Verständigung, die zwar ebenfalls
handlungskoordinierend auf der Basis illokutionärer Effekte wirksam wird, dabei aber nicht
von der Unterstellung gemeinsamer Werte ausgeht. Eine solche Verständigung im schwäche-
ren Sinne ist in journalistisch vermittelter Kommunikation sogar einseitig zu erzielen, wenn
Rezipienten die vom Ausgangspartner und/oder Journalisten erhobenen Geltungsansprüche
anerkennen. Nach Vlasic ist das die Grundlage einer gemeinsamen Situationsdefinition:
„Die übereinstimmende Definition von Situationen äußert sich in der gelungenen Koordination von sozialen
Interaktionen in einer Gesellschaft. Diese basiert auf einer sozialisierenden Funktion der Massenmedien: Ak-
teure erhalten durch die Rezeption von Medien das Wissen über allgemein anerkannte Werte und Normen.
Darüber hinaus lernen sie Rollen und Handlungsmuster kennen, die in bestimmten Situationen erwartet wer-
den, sowie die Codes, die solche Situationen anzeigen bzw. definieren.“110

109 Vgl. Habermas 1999, S. 116ff.. In der ‚Theorie des kommunikativen Handelns‘ beziehen sich die Habermas-
schen Äußerungen zum kommunikativen Handeln weitgehend auf den kommunikativ starken Modus.
110 Vlasic 2004, S. 178
192 IV Aspekte der kommunikativen Rationalität des Journalismus

Auf diese Wirkung journalistischer Medien spielt ein Praktiker wie der ehemalige Zeit-
Herausgeber Sommer an, wenn er deren Rolle als „Sinnvermittler in einer entgrenzten Welt“
verstanden wissen will.111 Eine über Vermittlung und Rezeption hinausgehende grundsätzlich
diskursive Auseinandersetzung mit Wertestrukturen ist dabei nicht gefordert und kann wohl
auch nicht konzipiert werden, ohne journalistisches Handeln normativ zu überfordern und
Rezeptionsverhalten empirisch unhaltbar zu idealisieren. In Einzelfällen mag dies vorkommen,
so dass auch ein stärkeres Einverständnis durch journalistische Kommunikation erzielt werden
kann. Als Regelfall soll diese Annahme hier aber nicht zugrunde gelegt werden.

2.3 Orientierung durch reflexive Vermittlung

Aus der verständigungsorientierten Grundstruktur sprachlicher Kommunikation, von der sich


auch journalistisches Handeln als eine spezifische Form öffentlichen Sprachgebrauchs nicht
ohne weiteres frei machen kann, ergibt sich die Annahme, dass sich auch ein massenmedial
verfasster Journalismus zumindest mit einem immanenten Verständigungsanspruch auseinan-
dersetzen muss. Da journalistisch Handelnde in der Vermittlungsarbeit ‚Verstehen‘ anstreben
müssen, um Relevanz beurteilen und Selektionsentscheidungen treffen zu können, sind sie
gezwungen, Stellung zu den in den Vermittlungsgegenständen erhobenen Geltungsansprüchen
beziehen. Das bedeutet, dass sie deren Akzeptabilitätsbedingungen selbst dann zu prüfen
haben, wenn sie die betreffenden Aussagen ‚lediglich‘ vermitteln. Journalismus als kommunika-
tives Handeln zu konzipieren, bedeutet, ihm die Kompetenz zu dieser Prüfung nicht nur
zuzugestehen, sondern sie zu einem immanenten Bestandteil des Handlungsvollzuges zu
machen – in der Recherche oder im Interview gegenüber den Ausgangspartnern genauso wie
dann im vermittelnden Kontakt mit den Zielpartnern. Zugleich erhebt eine journalistische
Handlung wiederum eigene Geltungsansprüche – selbst in dem Fall, in dem vermittelt wird.

2.3.1 Verstehen und Reflexivität im Journalismus

Die eigenständige Kommunikativität journalistischen Handelns, die in der sprachlichen Ausei-


nandersetzung mit den Vermittlungsinhalten auszumachen ist, wird vor allem in jenen Kon-
zeptionen berücksichtigt, die sich interaktionistischen Aspekten journalistischen Handelns
gegenüber offen zeigen. Schon den Ego-Alter-Figuren des symbolischen Interaktionismus und
ihrer kommunikationstheoretischen Weiterführung durch Habermas kann die Einsicht ent-
nommen werden, dass Bewertungsleistungen für den zunächst unmittelbar mit dem Ausgangs-
partner oder dessen Sprechakt-Ergebnissen interagierenden Journalisten performativ unaus-
weichlich sind, weil dieser sonst gar nicht in der Lage wäre, Äußerungen zu verstehen, bevor er
sie vermittelt. Ein quasi wertfreies Fragen nach dem ‚Warum?‘ ist nicht denkbar, wenn sicher-
gestellt werden soll, dass der journalistische Vermittler die entsprechenden Antworten verste-
hen und bewerten kann, um sie angemessen weiter zu vermitteln.
Viele interaktionistisch fundierte Arbeiten bewegen sich auf dieses Verständnis zu. Gott-
schlich wählt den Begriff der Übersetzung, um journalistisches Handeln zu beschreiben:

111 Sommer 2005, S. 143


2 Implikationen eines kommunikativen Handlungskonzepts 193

„[…Z]u übersetzen sind vor allem abstrakte Daten über komplexe, öffentliche Tatbestände in anwendbare In-
formationen, die der einzelne in seine alltagsweltlichen Orientierungsmuster integrieren kann, die es ihm also
ermöglichen, Sachverhalte nicht nur zur Kenntnis zu nehmen, sondern sie auch zu bewerten und in ihrer Re-
levanz einzuschätzen.
Damit aber ändern sich grundlegend die Maßstäbe: es geht dann nicht mehr nur darum, sinnstörende Effekte
zu vermeiden, sondern – positiv gewendet – darum, jeweils nach den möglichen sach- und publikumsgerech-
ten sinn-konstituierenden Faktoren zu suchen, mit deren Hilfe an journalistische Transformationsprozesse von
Wirklichkeit auch publikumsspezifische Entdeckungsprozesse anknüpfen können.“112

Diese Variante des Vermittlungskonzepts lässt sich demnach als Kronzeugin für die Annahme
anführen, dass journalistisches Handeln notwendige kommunikative Modifikation und auch
Einordnung des Vermittelten bedeutet. In letzter Konsequenz wird hier die Prüfung kommu-
nikativ erhobener Geltungsansprüche durch Journalisten gefordert, da diese einen potenziell
unverstellteren Zugang zu den für eine solche Prüfung relevanten Informationen haben. Nicht
allein die Wiedergabe einer Äußerung oder eines Sachverhaltes, sondern auch die Darstellung
der ihnen zugrunde liegenden Handlungsziele und Handlungsmaximen macht journalistisches
Vermittlungshandeln aus. Aus dieser Sicht ist es die Aufgabe von Journalisten, stellvertretend
für die Rezipienten die Frage nach dem ‚Warum?‘ eines berichteten Vorgangs zu stellen, damit
diese ihn bewerten können, um so Betroffenheit und damit Teilhabe erlangen zu können.113
Journalistische Aufgabe ist demnach, nicht nur für die politisch gewählten Verfahrensweisen
und Entscheidungsergebnisse Aufmerksamkeit herzustellen, sondern auch für die dahinter
stehenden Motive und Denkprämissen sowie für die prognostizierten Folgen.114 Referenz-
punkt ist die einordnende Interpretation als Erweiterung klassischer Übermittlung von ‚Fakten‘
und Aussagen. Journalistische Aussagen werden verstanden als „Interpretationen von Wirklich-
keit“ (Geltungsanspruch der Wahrheit) und damit als „Ergebnis der – wenn auch nach Regeln,
also konsentierter Bedeutungszuschreibung geführten – Auseinandersetzung der Journalisten
mit der Umwelt im Rahmen und unter den Bedingungen subjektiv-individueller, wie auch
objektiv-institutionalisierter Handlungsprämissen“.115
Problematisch verbleibt in diesen Überlegungen, dass der Begriff der Übersetzung – wie
auch der der Vermittlung – in positivistischem Sinne das Vorhandenseins eines ursprünglich zu
Vermittelnden zumindest suggeriert, das vom journalistisch Handelnden lediglich bearbeitet
werden muss. Zu Recht ist kritisiert worden, dass eine solche Annahme Verständigung nicht
an Kommunikation, sondern an einen funktionalen Informationsaustausch koppelt und damit
zumindest potenziell zu einem ‚strategischen Ziel‘ journalistischen Handelns reduziert.116 Die
Idee der sozialen Konstruktivität des Berichteten fällt ebenso aus dem Blick wie der Gedanke
der kritischen Prüfung des ‚Übersetzten‘. Da Gottschlich sein Modell letztlich eben nicht
kommunikationstheoretisch oder anhand der von ihm eingeführten Prämissen des Symboli-
schen Interaktionismus fundiert, sondern eine erkenntnistheoretische Perspektive einnimmt,
aus der heraus journalistische Nachrichten wie ‚Fakten‘ erscheinen, die vorwiegend der Kon-

112 Gottschlich 1980, S. 207


113 Vgl. ebd., S. 182ff.; vgl. zur Bedeutung von Betroffenheit für Teilhabe auch die auf das lokale Umfeld gerichte-
te Studie von Rombach 1983, S. 196ff.
114 Vgl. Gottschlich 1980, S. 103. Gemessen an diesem Anspruch kritisiert Gottschlich (1980, S. 123) den dominie-
renden Angebotscharakter journalistischer Nachrichten, die den ‚Relevanzkontext‘ eines berichteten Ereignisses
nicht ausreichend darstellen und so oftmals Verstehen und Sinngenerierung auf Seiten der Rezipienten er-
schweren.
115 Ebd., S. 118
116 Vgl. Baum 1994, S. 284
194 IV Aspekte der kommunikativen Rationalität des Journalismus

textualisierung bedürfen, gelingt es ihm nicht, kommunikative Maßstäbe der Interpretation


auszuweisen.117
Begrifflich präziser erscheint daher ein Vorschlag Mertens, der von Journalismus, wenn
auch auf gänzlich anderer makrotheoretischer Grundlage, die Leistung reflexiver Vermittlung
erwartet. Er verweist dabei auf die Notwendigkeit, Aussagen im Prozess der Vermittlung
rezipientengerecht zu verändern. Dazu gehört, dass Aussagen aktualisiert, verständlich gemacht
und den Rezipienten näher gebracht werden müssen; und zwar indem Aktualität, inhaltliche
Verkürzung und Kommentarfähigkeit gewährleistet sind118:
„Die simultan zu erfüllende weitere Funktion des Vermittlers – die eigentliche Vermittlungsfunktion – liegt
nun darin, daß er die auf ihren Informationskern reduzierte Aussage mit weiteren aussagefremden Elementen
anreichert, die die eigentliche Aussage kommentieren, also bewerten. Vermittlung heißt demnach Aussagen
zu machen, die bestimmte Informationen angemessen wiedergeben und zugleich deren Kommentation leis-
ten, also eine Anbindung der Aussage an vorherrschende Relevanzkontexte erbringen können.“119

Mit dieser Forderung reagiert Merten auf den theoretischen Befund, dass Kommunikation –
auch publizistisch vermittelte – notwendigerweise auf einer reflexiven Strukturierung im
Rahmen relationaler Beziehungen zwischen den Kommunikationspartnern beruht. Anders als
in der face-to-face-Kommunikation allerdings muss diese reflexive Strukturierung, das heißt
das In-Beziehung-Setzen der kommunikativen Aussage zu ihren sachlichen, sozialen und
zeitlichen Rahmenbedingungen, in der journalistischen Medienkommunikation durch einen
Vermittler geleistet werden.
Dabei ist – anschließend an Mertens Überlegungen – zu unterscheiden zwischen der medial-
technischen Infrastruktur, welche die materiale Grundlage für die Entgrenzung sozialräumlich
gebundener Kommunikation bereitstellt und einem journalistischen Vermittlungshandeln, das sich
auch auf symbolisch-interaktionistischer Ebene um das Zustandekommen der Kommunikation
bemüht und entsprechend in die Verständigungsprozesse aktiv eingreift.120 Dazu bieten sich

117 Gottschlich (1980, S. 152) erkennt zwar dem Prinzip nach an, dass Journalismus als sozial verändernde Kraft
wirksam werden kann, wenn er „Negation des handlungsdeterminierenden Bestehenden und Projektion (bzw.
Antizipation) des Möglichen und Aufgegebenen“ als „konstitutive Merkmale“ eines verantwortungsbewussten
journalistischen Handelns identifiziert. Aber der Rückbezug auf vermeintlich prekäre Legitimationsfragen hin-
dert ihn daran, das weiter auszuformulieren, um Grundlagen für journalistische Berufskonzeptionen entweder
in der Gesellschaftstheorie oder aber in der Empirie zu finden. Journalismus soll vorwiegend die Kritik von
Gesellschaftsmitgliedern über die gesellschaftliche Wahrnehmbarkeitsschwelle heben. Obwohl eine journalisti-
sche Kritikfunktion zunächst als logisch-zwangsläufiger Ausfluss eines symbolisch-interaktionistischen Journa-
lismusmodells erscheint, bezweifelt Gottschlich (1980, S. 96) ihre Zulässigkeit, da sie keine eigenständige Kom-
petenz aufweise. Statt den mit dem Konzept des symbolischen Interaktionismus eingeschlagenen Pfad weiter
zu verfolgen, verbleibt Gottschlich in einfachen hermeneutischen Figuren, wenn er konstatiert, dass Sinn im-
mer nur „Sinn für jemanden“ sei (ebd., S. 176), bzw. dass die Verstehbarkeit journalistischer Mitteilungen an ih-
re „Verwendbarkeit durch die Rezipienten“ und damit an eine kooperative Beziehung zwischen Kommunikator
und Rezipient geknüpft sei. (ebd., S. 175) Baum (1994, S. 284) kritisiert: „Indem er Verständigung – qua journa-
listischer ‚Übersetzungsleistung‘ – zum strategischen ‚Ziel‘ journalistischen Handelns degradiert, verkommt die
kommunikationstheoretisch begründete Vokabel zur Floskel.“
118 Vgl. Merten 1976, S. 174
119 Ebd., S. 175
120 Auch abstrakt systemtheoretisch lässt sich mit Blick auf die erwartete journalistische Reflexivität konstatieren,
dass Journalismus „eine relativ stark vereinfachte Simulation anderer Systemperspektiven“ vornimmt; auch in-
dem er seine Relevanz und Neuigkeitskriterien denjenigen Systemen entnimmt, die er der Umwelt des von ihm
beobachteten Systems zuordnet (vgl. Kohring 1997, S. 256f.). Dies bedeutet z.B., dass Journalismus in der Be-
richterstattung über das Wirtschaftssystem nicht wirtschaftliche Kriterien zugrunde legt, sondern zum Beispiel
gesellschaftliche oder politische, um seine eigenen Relevanzentscheidungen zu treffen. Dies begründet eine ei-
genständige Vermittlungsleistung. Für den Journalismus als gesellschaftlichen Funktionsbereich mag daher gel-
2 Implikationen eines kommunikativen Handlungskonzepts 195

verschiedene Möglichkeiten an, die von der Bewertung anhand erwarteter Reaktionen Dritter
bis zur Negation der Äußerung reichen können.121 Der Vermittler hat die Gelegenheit, zwi-
schen diesen reflexiven Strukturierungsmöglichkeiten zu wählen, und gewinnt dadurch zusätz-
lich Einfluss auf den Kommunikationsprozess.
Anschlussfähig sind in dieser Hinsicht Überlegungen, die Langenbucher in der Forderung
nach journalistischer „Quellenkritik“ gebündelt hat.122 In diesem Modell, das dem Journalismus
das historisch-praktische Erkenntnisinteresse geisteswissenschaftlicher Hermeneutik zu-
spricht123, verbindet er den Gedanken des Ausfindigmachens der Quelle mit dem ihrer ange-
messenen Einordnung und Vermittlung sowie einer Prüfung ihrer Geltungsansprüche. Journa-
lismus prüft in diesem Verständnis die Gründe einer öffentlichen oder öffentlich relevanten
Aussage.124 Dies bedarf keiner zusätzlichen Mandatierung oder Legitimierung, sondern ist ein
konsequenter Ausfluss der Reflexivität kommunikativen Handelns, von der auch kommunika-
tive Vermittlung geprägt ist. Journalistisches Handeln setzt – wenn es mehr sein soll als das
simple Durchleiten fremder Information – auch vom vermittelnden Akteur das Verstehen der
vermittelten Sachverhalte voraus und verlangt deshalb vom journalistisch Handelnden eine
kommunikative Aneignungsleistung, die in der Prüfung der erhobenen Geltungsansprüche und
im Beziehen einer Stellung zum Vermittelten zum Ausdruck kommt.125
Der Gedanke der reflexiven Vermittlung weist – auch terminologisch anschlussfähiger als
metaphorische Begriffe wie ‚Übersetzen‘ – darauf hin, dass Vermittlung von Kommunikation
selbst kommunikativ ist und sich damit zum Vermittelten in Beziehung setzen muss. Diese
Reflexivität ist jedem kommunikativen Handeln, auch dem journalistischen, inhärent. Sie
ermöglicht erst die Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen und kulturellen Deutungskon-
texten. Geißler warnt drastisch davor, Vermittlung ohne diese Eigenständigkeit journalistischer
Kommunikation zu konzipieren:
„Es wäre falsch, die Vermittlung bzw. Verstärkung von Interessen als eine ‚objektive‘, ‚unparteiische‘, ‚wert-
neutrale‘ Wiedergabe von Realität aufzufassen, wie es häufig getan wird, und dieser ‚objektiven‘ Berichterstat-
tung die ‚subjektive‘, ‚parteiische‘ Kritik, Kommentierung oder Standortbestimmung gegenüberzustellen. Eine
solche Etikettierung der Vermittler- bzw. Sprecherrolle mit erkenntnistheoretischen Kategorien verkennt
(oder verschleiert), daß Realität nur – meist mehrfach – ‚subjektiv‘ gebrochen in den Massenmedien widerge-
spiegelt werden kann.“126

ten, dass er „sachlich-sozial kommunikativ getaktet“ arbeitet, wie Görke (1999, S. 304) schreibt; dass er also re-
flexiv gegenüber den ihn umgebenden Rationalitäten bleibt.
121 Vgl. zu den verschiedenen Einordnungsoptionen – aus allerdings systemischer Sicht – Merten 1976, S. 175.
122 Langenbucher 1986, S. 176. Der Autor richtet diese Forderung zunächst vornehmlich gegen einen sich als
Verlautbarungsinstanz verstehenden Wissenschaftsjournalismus, verweist aber darauf, dass diese Kritikforde-
rung auch an den politischen Journalismus gerichtet wird. Baum (1994, S. 295f.) greift diese Forderung in seiner
Studie wieder auf.
123 Vgl. dazu auch Pöttker 2004.
124 Vgl. Kunczik 1988, S. 257
125 Werden diese kommunikativen Konstitutiva auf theoretischer Ebene suspendiert, wird Journalismus – wie in
der legitimistischen Publizistik – seines kommunikativen Kerns entledigt. Übrig bleibt ein zweckrational beruf-
liches Handeln, das sich im Befüllen von Zeitungsseiten, Programmplätzen oder Websites, in dem, was Neu-
deutsch ‚content production‘ genannt wird, erschöpft und jede Verbindung zu gesellschaftlichen Aufgaben
längst gekappt hat. Beiträge zur sozialen Orientierung, geschweige denn zur kommunikativen Koordination
von Gesellschaftlichkeit, sind von derartigen ‚Leistungen‘ nur noch höchst mittelbar über latente Folgen einer
zufälligen kommunikativen Rezeption zu erwarten. Dass diese – angesichts der diesem Rezeptionsakt zugrunde
liegenden Täuschung – zumindest potenziell in die Irre führen können, dürfte außer Frage stehen.
126 Geißler 1979, S. 176. Bentele (1982, S. 131) spricht davon, dass Objektivität nur durch subjektive Akte
hindurch möglich sei.
196 IV Aspekte der kommunikativen Rationalität des Journalismus

Auch in der Debatte über die Möglichkeit journalistischer Objektivität wird einer schlichten
‚Ausgewogenheit‘ der Berichterstattung eine Absage erteilt. Vielmehr entfalte sich aus dem
Streben nach Objektivität ein kritisches Potenzial, das unter anderem zur Thematisierung von
Strukturen und zur Erhöhung der Transparenz gesellschaftlicher Beziehungen führe.127

2.3.2 Orientierung in Gesellschaftlichkeit

Das Ziel journalistischer Vermittlungsleistungen ist angesichts der Verständigungsorientierung


des Journalismus nicht nur Information, sondern weitergehend Orientierung als Herstellung
einer gemeinsam geteilten Definition der sozialen Situation. Dies kann individuell wie gesell-
schaftlich gelten. Soziale Orientierung kann als eine „Rahmenfunktion“ der Massenmedien –
bzw. präziser: des Journalismus – verstanden werden, da sie „Voraussetzung, Inhalt und
Folge“ aller anderen journalistischen Aufgaben ist.128
In einem engeren Sinne wird soziale Orientierung als Folge der Rezeption medialer und
journalistischer Kommunikationsangebote als eine „Grunddimension massenkommunikativer
Leistungen“ verstanden, mit der einerseits gesellschaftliche Vermittlungsnotwendigkeiten
zwischen unterschiedlichen Gruppen und sozialen Beziehungsfeldern umschrieben werden
können sowie andererseits die Verbindung zwischen dem politischen Anspruch auf Öffent-
lichkeit und dem „sozialen Erfordernis der Ermöglichung zeit- und raumgerechten Verhal-
tens“ zum Ausdruck gebracht werden kann.129 In diesem Modell einer Orientierung durch Informa-
tion wird eine normativ weitgehend anspruchslose Vorstellung der Beziehung zwischen mas-
senmedialer Kommunikation und demokratisch-öffentlicher ‚Basiskommunikation‘ zugrunde
gelegt, in der kommunikativ passive Bürger durch Medien und Journalismus ‚informiert‘
werden und aus der Verarbeitung dieser Informationen Orientierung ziehen können. Medien
und Journalismus haben diesem Modell zufolge die Aufgabe, Aussagen aus bestehenden
Elitendiskursen an die Bürger zu vermitteln, damit diese sich je nach Neigung und Bedarf zu
Informations- und Orientierungszwecken ‚bedienen‘ können.130
Daneben sind auch andere normativ anspruchsvollere Überlegungen denkbar, die eine
weitreichende sachlich-inhaltliche und intersubjektiv nachprüfbare Orientierung der Bürger
anhand journalistischer medialer Kommunikation als konstitutiv für das Funktionieren einer
Demokratie erachten.131 Dass schließlich schon die umfassende und kritische Orientierung
über die eigene Situiertheit in Gesellschaft aufklärerische Wirkungen haben und durchaus
kritisch-emanzipatorischen Sprengstoff bergen kann, ist eine alte Erkenntnis kritischer Kom-
munikationsforschung:

127 Vgl. zu dieser Annahme Bentele 1982, S. 148; auch Aufermann 1982.
128 Eurich 1980b, S. 135f; vgl. z.B. auch Haller 2002, S. 46; Burkart 1998a, S. 372; Bonfadelli 2001, S. 39
129 Stuiber 1983, S. 71f.
130 Vgl. für diese Sicht Ronneberger 1964, S. 295: „Dem Publikum, d.h. den Konsumenten der Informationen,
dienen die hergestellte Öffentlichkeit und die sich in ihr aussprechenden Interessen zur Orientierung in einem
Spiel, das sie selbst zwar nicht mitspielen, dessen Bedeutung für ihre Existenz sie aber immerhin vermuten.“
131 Auch das Bundesverfassungsgericht spricht die Aufgabe einer derartigen Orientierung explizit an: „Soll der
Bürger politische Entscheidungen treffen, muß er umfassend informiert sein, aber auch die Meinungen kennen
und gegeneinander abwägen können, die andere sich gebildet haben. Die Presse hält diese ständige Diskussion
in Gang; sie beschafft die Informationen, nimmt selbst dazu Stellung und wirkt damit als orientierende Kraft in
der öffentlichen Auseinandersetzung.“ (BVerfGE 20, S. 174f. [„Spiegel-Verlag“]). In dem Urteil vom 5. Januar
1966 befasst sich das BVerfG mit der Verfassungsmäßigkeit von Durchsuchungen in Presseräumen.
2 Implikationen eines kommunikativen Handlungskonzepts 197

„Aufklärende Tradition im Journalismus bedeutet, alle Informationen öffentlich zur Verfügung zu stellen, die
Orientierung, Verhalten und Handeln ermöglichen, das gemeinschaftsbezogen ist. Umgekehrt ist alles Wis-
sen, ist alles Handeln daran zu messen, welchen Stellenwert es für die Gesellschaft hat. Interessenpluralität
deutlich zu machen wie auch die pluralen Interessengruppen immer wieder mit Informationen zu konfrontie-
ren, ist die politische und kulturelle Leistung der Publizistik, gleichsam ihr Sollwert, ihr Maßstab, an dem sie
empirisch zu messen ist.“132

Der Blick in die Journalismusgeschichte verdeutlicht, dass Orientierungsleistungen schon früh


von den journalistischen Angeboten erwartet worden sind, die sich als eigenständig kommuni-
kativ verstehen lassen. Nicht nur intersubjektivisch, sondern auch gesellschaftlich haben diese
Leistungen seit der frühen Neuzeit an Bedeutung gewonnen und werden auch durch Journa-
lismus erbracht, wie die historische Journalismusforschung herausarbeitet.
„Der Verlust der traditionellen Sicherheit, individuelle Lebens- und Weltinterpretationen, die Ablösung
kirchlicher Deutungsmuster durch säkulare, das Vertrauen auf Bildung, die Hoffnung auf Fortschritt und
Veränderbarkeit der Welt, die Lösung vom Machtmonopol eines Obrigkeitsstaates: All diese Transformatio-
nen bedeuten, daß Reflexion und Diskurs an Bedeutung gewinnen. Damit steigt die Relevanz jener Medien,
die den sich immer stärker entwickelnden Reflexionsprozeß und die sich forttragende Debatte mit neuen In-
formationen, Meinungen, Deutungsvorschlägen und Orientierungen versorgen. Journalismus entwickelt sich
als ein Bereich zur Deckung dieses Bedarfs.“133

Als im Zuge der neuzeitlichen Gesellschaftsentwicklung die Umwelt der Menschen komplexer
und differenzierter geworden war, gewannen Zeitungen und Zeitschriften als „Informations-
und Orientierungsmittel“ an Relevanz, wie Groth hervorhebt.134 Maßgeblich die Herausbil-
dung des schriftstellerischen Journalismus hat die Orientierungsaufgabe von Medien und
Journalismus akzentuiert. Angesichts der wenig rezipientenfreundlichen Form der nachrichtli-
chen Berichterstattung früher Zeitungen, die allenfalls als „Medium defensiver Orientierung“
taugte135, erwuchs in breiten Teilen des potenziellen Publikums ein Defizit an Orientierungs-
und Deutungsangeboten für alle diejenigen, die auch Nachrichten rezipieren wollten, denen
aber das Vorwissen zum Verständnis der voraussetzungsreichen Texte fehlte; ‚newe Zeitungen‘
oder Flugschriften konnten diese Aufgabe nicht adäquat erfüllen. Das Räsonnement der
bürgerlichen Öffentlichkeit trachtete daher auch danach, die öffentliche Kommunikation zu
einem Forum für Meinungs- und Willensbildungsprozesse zu weiten, in denen der Einzelne
Orientierung finden konnte. Neue journalistische Angebote sollten die „Nachfrage nach
weiterführender politischer Orientierung“ stillen.136
„Die unkommentierte sachliche Meldung der früheren Zeit galt jetzt als fade, ja sogar als Zeichen dafür, daß
der Journalist die ihm gewährte Pressefreiheit nicht für seine ‚erzieherische‘ und kritische Aufgabe nutze.
Journalisten stellten den Anspruch an sich selbst, Nachrichten nicht nur weiterzugeben, sondern auch einzu-
ordnen und zu bewerten. Die Vermischung von Nachricht und Kommentar wurde selbstverständlich, ja sie
galt sogar als Ideal des journalistischen Stils.“137

132 Pätzold o.J., S. 15


133 Blöbaum 1994, S. 125
134 Groth 1960, S. 124
135 Weber 1997b, S. 144
136 Weber 1994, S. 52. Bekannt geworden sind in diesem Zusammenhang vor allem die ‚Moralischen Wochen-
schriften‘, in denen geistig unabhängige Publizisten und Journalisten ihrem Publikum Ratschläge für ein gutes
Leben zu geben trachteten, um die brüchig werdenden Moralvorschriften der Kirchen zu ersetzen (vgl. Kör-
ber/Stöber 1994, S. 216f.)
137 Körber/Stöber 1994, S. 217
198 IV Aspekte der kommunikativen Rationalität des Journalismus

Gründe dafür sind aus der Sicht heutiger Medienhistoriker zum einen das Erfüllen einer
Orientierungsfunktion für die Leser und zum anderen das Erfüllen einer Sprachrohrfunktion
für diejenigen gesellschaftlichen Gruppen, die selbst keinen Zugang zur öffentlichen Kommu-
nikation haben, mit dem Ziel der Journalisten, ‚öffentliche Meinung‘ zu artikulieren.138 Der
Gedanke, dass Journalismus für Orientierung sorgen könnte, ist damit an ein aktives Element
der kommentierenden Einordnung gebunden. Journalismus schafft Orientierung entsprechend
durch die Übermittlung und Vermittlung als relevant erachteter Informationen sowie durch die
kompetente Bearbeitung und Bewertung dieser Informationen. Auch die kommentierende
Einordnung dient letztlich der Vermittlung und Bearbeitung relevanter Informationen im
Sinne einer grundlegenden Thematisierungsleistung.139
Die Erfüllung der Orientierungsaufgabe hängt von der Qualität der journalistischen Be-
richterstattung ab. Diese kann nach Rager anhand der fünf Maßstäbe Aktualität, Relevanz,
Richtigkeit, Vermittlung und Ethik bewertet werden, für die Journalismus spezifische Entschei-
dungsprogramme entwickelt hat, nach denen diese Kriterien im Alltag ‚klein gearbeitet‘ werden
können.140 In der Vermittlungsdimension geht es um Fragen der Gestaltung von Information,
um Verständlichkeit ebenso wie um Formatwahl und Stil. Die Vermittlungskompetenz des
Journalismus umfasst das Reportieren des Ereignisses ebenso wie das Einordnen und Nach-
fragen. Journalismus thematisiert nicht nur, sondern stellt auch Anknüpfungspunkte für die
weitere gesellschaftliche Befassung mit dem berichteten Ereignis oder Thema bereit oder zeigt
diese auf. Das kann auch dadurch geschehen, dass der Journalist selbstbewusst eigene Überle-
gungen und Interpretationen in der Vermittlung kenntlich macht, statt vermeintlich neutral das
Geschehen zu rekonstruieren.141 Genauso sollten, so Rager, Vermittlungsformen erprobt
werden, welche zum Beispiel durch unterhaltende Elemente die Rezeptionsschwelle senken
und komplexe Inhalte durch angemessene Vermittlung auch denjenigen Rezipientengruppen
nahe bringen, die solchen Inhalten eher fern stehen.142 Auch Lünenborg betont in ihrer Cultu-
ral Studies basierten Studie, dass die spezifische Leistung des Journalismus „nicht in der
Vollständigkeit und Systematik der Datensammlung, sondern in der spezifischen Kontextuie-
rung, der Herstellung von Deutungs- und Interpretationszusammenhängen“ liege.143
Dass eine angemessene Orientierung über gesellschaftliche Sachverhalte gerade jenseits der
rein informatorischen Nachrichtenangebote geschieht, lässt sich auch Journalismuskonzepten
entnehmen, die sich – in Abgrenzung zu den Routinen des Nachrichtenjournalismus – auf
literarische und subjektivische Elemente der Berichterstattung beziehen.144 Haas sieht ein
wesentliches qualitatives Merkmal dieser bisweilen unter dem Begriff ‚New Journalism‘ zu-
sammengefassten Angebote darin, dass sie versuchen, die Herstellung von Kontexten für die
Rezipienten zu gewährleisten und sich damit bewusst von den Angeboten der Mainstream-
Medien absetzen. Der zunehmenden Orientierungslosigkeit in der informatorischen und
kommunikativen Inflation differenzierter Gesellschaften versucht der New Journalismus mit
dem Nachrichtenwert ‚Zusammenhang‘ zu begegnen.145

138 Vgl. ebd., S. 217


139 Vgl. Rühl 1980
140 Vgl. Rager 2000, S. 80
141 Vgl. Wallisch 1995, S. 180
142 Vgl. Rager 1993. Dies gilt besonders für Jugendliche, die mit entsprechenden Angeboten an journalistische
Informationsvermittlung herangeführt werden müssen (vgl. Rager 2003; Rager/Weber/Begemann 1996).
143 Lünenborg 2005a, S. 197
144 Vgl. Haas 1999, S. 341
145 Vgl. ebd., S. 346f.
2 Implikationen eines kommunikativen Handlungskonzepts 199

Die Angebote eines besonders auf solche Aspekte zielenden ‚neuen‘ oder literarischen
Journalismus beziehen sich auf ein Objektivitätsverständnis, das die Authentizität der persönli-
chen Erfahrung gegenüber den abstrakten und repräsentativen Berichten klassischer journalis-
tischer Texte hervorhebt. Durch den Verzicht auf die gängigen professionellen Abstraktionen
sollen Rezeptionsbarrieren eingerissen werden, um ein Verstehen der berichteten ‚Zusammen-
hänge‘ aus der Perspektive des ‚betroffenen Individuums‘ zu erleichtern. Die Subjektivität der
Erzählperspektive muss dabei nicht in einem Widerspruch zur ‚Objektivität‘ (bzw. zur subjek-
tiven Wahrhaftigkeit) der berichteten Ereignisse oder ‚Fakten‘ stehen. Der häufig diskutierte
vermeintliche Widerspruch von Subjektivität und ‚Objektivität‘ verliert an Schärfe, wenn er
vornehmlich als Kennzeichnung unterschiedlicher Geltungsansprüche behandelt wird, die
einmal die Wahrheit ‚objektiver‘ oder die Richtigkeit sozialer ‚Tatsachen‘ (Objektivität) und ein
anderes Mal die Wahrhaftigkeit subjektiver Expressionen (Subjektivität) meint. Beides ist
jedem kommunikativen Handeln stets inhärent. Subjektiv und objektiv zu berichten ist kein
Widerspruch:
„Objektivität läßt sich […] auch durch Offenlegung der Subjektivität, durch die Integration des Reporters in
die Berichterstattung erreichen. Dadurch verlieren komplexere Themen ihre Abstraktheit, Zusammenhänge
werden leichter nachvollziehbar.“146

Der nur scheinbare Gegensatz zwischen der Objektivität des Berichteten und der Subjektivität
der Perspektive des Berichterstatters wird in solch einem Journalismusansatz überwunden.
Durch die persönliche Identifizierbarkeit des Autors oder auch durch die Literarisierung der
Berichterstattung werden Leseanreize geschaffen, die eine (verstehende) Rezeption erleichtern
sollen.147 Lesern werden so kommunikative Angebote unterbreitet, die sich nicht zwangläufig
in der oft als schematisch kritisierten Sprache der Nachrichten bewegen und gerade deshalb
lebensweltliche Nähe und Orientierung bieten sollen. Dass unter dem Gesichtspunkt einer
lebensweltnahen journalistischen Vermittlung und Kritik ein subjektiver und meinungsfreudi-
ger Journalismus zur sozialen Orientierung beitragen kann, hat bereits Groth hervorgehoben:
„Es ist also durchaus nicht so, daß die Beschränkung der Zeitung auf das Referat die Wirkungskraft der Pres-
se ausschließt, dem Leser die Selbständigkeit der Urteilsbildung sichert; es kann im Gegenteil gerade das Re-
ferat oder die Form des Referats ein Mittel werden, ein unkritisches, das Gebotene nicht prüfendes Publikum
zu leiten und irre zu leiten, während das Räsonnement den politisch geschulten Lesern, die sich selbst ein Ur-
teil bilden wollen, die Möglichkeit einer gründlichen Orientierung gibt und deshalb von ihnen gesucht und ge-
fordert wird.“148

146 Ebd., S. 348


147 Gerade für die „Vermittlung des unmittelbar nicht Erfahrbaren, Unbekannten und Unvertrauten“ bieten sich
auch die literarischen Mittel der Fiktion und der Ästhetisierung an, um Informationen attraktiver zu gestalten;
diese „Reliterarisierung des Journalismus“, kann so lange als zulässig, ja als begrüßenswert erachtet werden, wie
sie ihren Rezipienten transparent macht, inwieweit welche Informationen fiktionalisiert oder ästhetisiert worden
sind (Pöttker 1999b, S. 315f.). Vergleichbar mit dieser Literarisierung kann auch die Inszenierung journalisti-
scher Berichterstattung, in der Terminologie von Rager und Rinsdorf (1999b, S. 6) die „spezifische Akzentuie-
rung des publizistischen Inputs vor der Folie der vermuteten Informations- und Unterhaltungsbedarfe sowie
der Rezeptionsgewohnheiten der jeweiligen Zielpublika”, als eine Aufgabe guter Journalisten verstanden wer-
den, da sie Rezeptionsbarrieren senkt und durch das Bereitstellen von Zusammenhangswissen in eigens insze-
nierten Narrativen Orientierung erleichtert. Die Autoren sehen Analogien zwischen Journalismus und Theater:
„Der Journalismus gehört ebenso wie das Theater zu den Systemen, die auf der Grundlage eines ästhetischen
Codes Bedeutung erzeugen.“ (Rager/Rinsdorf 1999a, S. 133; vgl. auch Rager/Rinsdorf/Bodin 1999 sowie die
Vorstudien Rager/Hartwich-Reick/Pfeiffer 1998 und Hartwich-Reick/Rager 1998)
148 Groth 1928, S. 735
200 IV Aspekte der kommunikativen Rationalität des Journalismus

Historisch gilt das nicht nur für das Räsonnement, sondern für eine Vielzahl populärer journa-
listischer Vermittlungsformen. Für die Journalistik müsste dies bedeuten, dass eben nicht nur
die Angebote des vermeintlich seriösen Informationsjournalismus allein ausschlaggebend sind
für die Orientierungsleistung des Journalismus, sondern im gleichen Maße auch „unterhaltsa-
me, beratende, ironisierende, marktschreierische, erzählerische, boulevardeske, populäre
Formen der Herstellung und Bereitstellung von Themen zur öffentlichen Kommunikation“149,
die bereits zu Aufklärungszeiten wichtige Bestandteile der Popularisierung von Wissensvermitt-
lung150 und der Ausbreitung gesellschaftlicher Selbstverständigungsprozesse waren.
Letztlich lassen sich auch aus solchen historischen Beispielen Anforderungen an eine Ori-
entierungsleistung des Journalismus deduzieren, die durch unreflektiertes Weiterleiten proposi-
tionaler Aussagen kaum zu erbringen ist. Sowohl der Metapher des Übersetzens als auch dem
Konzept der reflexiven Vermittlung lässt sich die Idee der kommunikativen Prüfung von
Aussagen entnehmen, aus der heraus – auf zunächst noch sehr einfachem Niveau – erste
heuristische Ansätze eines Konzepts diskursiver Repräsentanz durch Journalismus als einer Facette
der Rolle als Diskursanwalt entwickelt werden.
Inwieweit Orientierungsleistungen durch Journalismus erbracht werden können, ist auch
davon abhängig, inwieweit ein kommunikativer Journalismus innerhalb der Massenmedien zur
Entfaltung gelangen kann. Nicht die Rückbindung an extern gesetzte moralische oder rechtli-
che Normen kann adäquate soziale Orientierung durch Journalismus gewährleisten, sondern
die radikale Selbstprüfung kommunikativen Handelns und die argumentative Begründung der
selbst erhobenen Geltungsansprüche. Eine solche Perspektive nimmt Journalismus nicht nur
ernst, sondern erinnert ihn an seine immanente ‚Verpflichtung‘ auf Kommunikativität und
Diskursivität.151 Es ist davon auszugehen, dass sich in der Analyse journalistischer Kommuni-
kation Rationalisierungs- und damit Aufklärungseffekte beschreiben lassen, wenn man Journa-
lismus als ein reflexives kommunikatives Handeln versteht, das sich selbst und anderen über
seine eigenen Geltungsgrundlagen Auskunft zu geben vermag. Auch journalistisches Vermitt-
lungshandeln beruht letztlich auf einer kommunikativen Reflexivität, die sich auch darin
ausdrückt, dass – in Form von Übersetzungsleistungen oder gar von ‚Quellenkritik‘ – auch die
vermittelte Kommunikation geprüft und sprachlich eingeordnet wird.152

2.3.3 Orientierung durch Diskurs

Diese Vorstellungen von Orientierung durch journalistische Bereitstellung und durch Rezepti-
on unterschiedlich kommunikativer journalistischer Angebote lassen sich durch ein vollständig
anderes Verständnis ergänzen, das der mikrosozialen Vorstellung der Orientierung durch

149 Klaus/Lünenborg 2000a, S. 204; vgl. auch Rager/Müller-Gerbes/Weber 1993; Brosda 2000c. Prakke (1960b)
spricht diesbezüglich von der „Soziusfunktion der Presse“.
150 Vgl. Pöttker 2002a
151 Vgl. zu dieser Immanenz grundsätzlich Kopperschmidt 1985, S. 100: „Argumentationen sichern die kommuni-
kativen Existenzbedingungen gesellschaftlich lebender und daher kooperationsbedürftiger Subjekte unter Be-
dingungen, die traditionsverbürgten Koordinationsmechanismen ihre Wirksamkeit genommen haben, die aber
eine totale Umstellung auf außerargumentative Koordinationsmechanismen (wie Macht, Autorität, Geld, Tradi-
tion usw.) (noch) nicht zulassen.“ Journalismus konstituiert solch einen gesellschaftlichen Handlungsbereich.
152 Von dieser Orientierung in einem tieferen Sinne ermöglichenden Reflexivität journalistischen kommunikativen
Handelns nochmals zu unterscheiden ist die Frage, ob Orientierungsleistungen auf Partizipation zielen, ob sie
also in einem offenen Diskurs gemeinsam oder aber vor einem weitgehend passiv rezipierenden Publikum in
repräsentativen Expertendiskursen erbracht werden.
2 Implikationen eines kommunikativen Handlungskonzepts 201

Rezeption eine makrosoziale Perspektive der Orientierung durch Diskurs zur Seite stellt. Während
vor allem in der Kommunikationswissenschaft klassisch davon ausgegangen wird, dass durch
journalistische Information den Rezipienten Orientierung ermöglicht wird, so rückt aus der
Perspektive des Zusammenhangs von kommunikativem Handeln und lebensweltlicher Einge-
bundenheit Orientierung als das Ergebnis eines (gesellschaftlichen) kommunikativen Prozesses
in den Blick. Medien und Journalismus tragen aus dieser Perspektive nicht mehr nur zur
Vermittlung von Orientierungswissen bei, sondern sie werden als eine soziale Struktur betrach-
tet, die einen gesellschaftlichen Selbstverständigungsdiskurs gewährleistet, in dem sich die
Akteure über ihre soziale Situation in der Gesellschaft kommunikativ selbst orientieren. Diese
zweite Perspektive, welche die ‚klassische‘ keinesfalls ersetzen, sondern um einen sozialwissen-
schaftlich makrosozialen Blickwinkel ergänzen soll, verweist in letzter Konsequenz auf die
kommunikative Bedingtheit kultureller Verweissysteme und damit auf die Möglichkeit, sie
diskursiv zu (re)produzieren und sich auf diesem Wege verstehend in ihnen zu orientieren. Sie
bildet einen Rahmen, innerhalb dessen die orientierenden Aushandlungsprozesse in journalis-
tisch-medialer Produktion und Rezeption beschrieben und verstanden werden können.153
Journalistisches Handeln trägt in erheblichem Maße dazu bei, dass sich Gesellschaft dar-
über verständigen kann, in welcher Situation sie sich befindet und welchen ethisch-politischen
Zielen sie folgt. Damit ist vor allem die Aufgabe der Vermittlung des Zeitgesprächs angespro-
chen, in dem eine solche gesellschaftliche Situationsdefinitionen kommunikativ hervorge-
bracht, sowie Ziele und Mittel diskutiert werden. Zu gewährleisten, dass vergleichbare Verein-
barungen auch in ausdifferenzierten, sozial wie räumlich weit ausgedehnten Gesellschaften
möglich bleiben, ist eine Aufgabe des Journalismus. In Modellen der Integrationsleistungen
medialer oder journalistischer Kommunikation „[…] wird der integrierende Einfluss der
Medien als Herstellung bzw. Ermöglichung übereinstimmender Definitionen von Situationen
konzipiert“.154 Diese wird vor allem dann virulent, wenn bisherige Gewissheiten prekär werden
und der erneuten Klärung bedürfen. Journalismus richtet sich – das zeigt die einschlägige
Forschung zur Auswahl von Nachrichten mehr als deutlich – aus seiner eigenen aktualitäts-
und relevanzbezogenen Selektionslogik heraus eher auf Dissens, oder allgemeiner auf Verände-
rungen, mithin auf prekäre Geltungsansprüche.155 Dieser Umstand ist bereits historisch ange-
legt.156 Geltungsansprüche werden in kommunikativen Verständigungsprozessen dann prekär,
wenn ein Interaktionspartner einen Einwand gegen einen erhobenen ‚objektiven‘, subjektiven
oder sozialen Geltungsanspruch formuliert und den Partner somit dazu zwingt, die entspre-
chende Behauptung durch Argumente zu stützen. Dies geschieht in Form von Diskursen, in
denen die Geltungsansprüche streng ausgerichtet an der Kraft des besseren Arguments einer
Prüfung hinsichtlich ihrer Gültigkeit und Verallgemeinerbarkeit unterzogen werden.
In der Theorie werden unterschiedliche Diskurse für die Bearbeitung der jeweils prekären
Geltungsansprüche konzipiert: Geltungsansprüche der Wahrheit werden im theoretischen Dis-
kurs, Geltungsansprüche der Richtigkeit im praktischen Diskurs expliziert und geprüft. Für

153 Diese Orientierungsleistung des Journalismus ist anschlussfähig an zeitungswissenschaftliche Konzeptionen des
Zeitgesprächs der Gesellschaft, welches durch Journalismus zu gewährleisten ist und der Orientierung einer
größeren sozialen Gruppe über ihre gemeinsame Situation zu dienen hat.
154 Vlasic 2004, S. 148
155 Vgl. Weischenberg 2001, S. 23ff.; Wilke 1984a; Schulz 1976
156 Darauf verweist Wilke (1984a, S. 224f.), der in seiner historischen Studie zum Nachrichtenjournalismus
konstatiert: „Massenmedien wurden sozial institutionalisiert zur periodischen Verbreitung von Neuigkeiten.
Daß sich Neuigkeit als ein ebenso zentraler wie invarianter Nachrichtenwert darstellt, deutet darauf hin, daß es
sich hier um eine anthropologische Konstante handelt.“
202 IV Aspekte der kommunikativen Rationalität des Journalismus

Geltungsansprüche der Wahrhaftigkeit gibt es – abgesehen von den Sonderformen des therapeu-
tischen Diskurses (z.B. in der Psychiatrie) und des ästhetischen Diskurses (z.B. in der Kunst) – keine
übergreifende Diskursform, da Wahrhaftigkeitsansprüche im strengen Sinne nicht argumenta-
tiv begründet, sondern nur durch Handlungskonsistenz belegt werden können.157
Die Geltungsansprüche der Wahrheit und der Richtigkeit aber hält Habermas, trotz der
Differenzen in ihrer Konstitution, für prinzipiell miteinander vergleichbar; er billigt damit auch
der Moral einen kognitiven Gehalt zu, dessen Unbedingtheit sich im weitesten Sinne aus der
Unhintergehbarkeit lebensweltlicher Annahmen im Ganzen herleiten lässt.158 Die Annahme,
dass Geltungsansprüche in rationalen Diskursen geklärt werden können, in denen potenzielle
Einwände gegen den Anspruch des Sprechers erhoben werden, bindet sowohl die kognitive
Wahrheit als auch eine kognitiv verstandene moralische Richtigkeit zurück an die argumentativ
gestützte Rechtfertigung der auf sie bezogenen Äußerungen. Sie rekurriert damit auf einen
internen Zusammenhang zwischen dem Geltungsanspruch und seiner Rechtfertigung, der eine
Einlösung des Anspruchs für den Fall nahe legt, dass alle möglichen Einwände hinreichend zu
entkräften sind. In diesem Fall können der problematisierte Gegenstand oder die problemati-
sierte Norm aus Teilnehmerperspektive wieder in den Modus lebensweltlicher Selbstverständ-
lichkeit zurückfallen. Beide bleiben aber potenziell fallibel, da nicht ausgeschlossen werden
kann, dass nicht doch in einer späteren Situation erneuter Problematisierung weitere Einwände
erhoben werden können, die die zunächst akzeptierte Ursprungsaussage entkräften können; in
diesem Sinne ist eine letztgültig ‚wahre‘ Aussage nicht möglich. Allerdings übersetzen die
Teilnehmer in lebensweltlichen Verständigungsprozessen zunächst eingelöste Geltungsansprü-
che in als ‚wahr‘ oder ‚richtig‘ unterstellte Handlungsgewissheiten zurück, da Handeln ohne ein
für die Situation als gesichert angesehenes Wissen kaum möglich wäre. Journalismus kann dazu
beitragen, diese lebensweltlichen Fundamente gesellschaftsweit zu diffundieren.
Während aber Geltungsansprüche der Wahrheit bezogen sind auf eine der Sprache zugäng-
liche ‚objektive Welt‘, deren Eigensinnigkeit den Rechtfertigungen von Existenzannahmen
widersprechen kann, konstituiert sich die ‚soziale Welt‘ intersubjektiv geteilter moralischer
Normen ausschließlich im Diskurs. Geltungsansprüche der Richtigkeit bewähren sich nicht in
einer vom Diskurs zu unterscheidenden Handlungspraxis, in der sich Unterstellungen bezogen
auf die objektive Welt aufgrund von deren Eigensinnigkeit als unwahr erweisen können,
sondern nur im Diskurs selbst. Ihnen fehlt ein genuin rechtfertigungstranszendenter Bezugs-
punkt, der „[…] über den Diskurs herausragt und die einsichtige Selbstbildung des Willens der
Beteiligten transzendiert“.159 Der Entwurf eines gemeinsamen ‚moralischen Universums‘
fungiert somit als funktionales Äquivalent zur Transzendenz einer als gemeinsam unterstellten
‚objektiven Welt‘. Sobald wir in eine Argumentation eintreten, stehen die normativ anspruchs-
vollen Grundlagen dieser idealen inklusiven Gemeinschaft nicht mehr zur Disposition, auch sie
greifen somit, wenn auch auf andere Weise als die ‚objektive Welt‘, über den Rahmen des
kommunikativen oder diskursiven Verständigungsprozesses hinaus. Die Beschränkungen der
Diskurspraxis werden allerdings durch das Aufgehen der ‚sozialen Welt‘ in ihrer sprachlichen
Konstitution aus sich selbst heraus erzeugt.
Richtigkeit lässt sich daher nicht an Wahrheit assimilieren, sondern nur als wahrheitsanalog
verstehen. Durch diese Analogisierung kann auch in nachmetaphysischen Lebenswelt-

157 Vgl. Habermas 1995 [1981], Bd. 1, S. 39ff.; siehe auch Kuhlmann 1999, S. 38ff.; Brosda 2002a
158 Vgl. zum Folgenden: Habermas 1999, S. 271ff.; abweichend: Kuhlmann (1999), der nur Geltungsansprüche der
Richtigkeit, nicht aber solche der Wahrheit für diskursfähig und damit für kommunikativ belegbar hält.
159 Habermas 1999, S. 297
2 Implikationen eines kommunikativen Handlungskonzepts 203

Zusammenhängen eine binäre Kodierung von Richtigkeitsansprüchen, die zunächst nicht mehr
denkbar scheint, aufrechterhalten werden, um so den normativ gestützten Zusammenhalt zu
bewahren. Dass die Richtigkeit moralischer Normen in einem kognitiven Sinne als analog zur
Wahrheit vermeintlich objektiver Tatsachenbehauptungen verstanden werden kann, lässt sich
nach Habermas aus der Universalität des Geltungsbereichs erklären, den die Kommunikations-
teilnehmer in praktischen Diskursen herstellen. Dieser auf Inklusion aller Betroffenen und
Prüfung aller möglichen moralischen Argumente hin ausgerichtete Bereich bildet in seiner –
wenn auch konstruktiven – Beschaffenheit, ein funktionales Äquivalent zu den potenziell
manifesten Beschränkungen, die die ‚objektive‘ Welt den Geltungsansprüchen der Wahrheit
auferlegt. In der intersubjektiven Konstitution einer Wir-Perspektive aller Beteiligten liegt der
Schlüssel zum Moralverständnis einer sozialen Welt, die zwar nicht wie die ‚objektive‘ für die
Teilnehmer unverfügbar ist, die aber einen ähnlichen Status dadurch erlangt, dass sie von allen
geteilt wird, und damit für das Individuum ebenfalls nicht als Ganzes zur Disposition steht.
Ein kommunikativer Journalismus trägt wesentlich dazu bei, dass diese ‚soziale Welt‘ auf
gesellschaftlicher Ebene in Kommunikation geschaffen wird.
Insofern ergibt sich eine erhöhte Notwendigkeit, von journalistischem Handeln den Bezug
zu einer Diskursivität zu erwarten, die es erlaubt, kommunikative Konflikte auch kommunika-
tiv zu be- und verarbeiten. Nur so kann journalistisches Handeln als ein Beitrag zum gesell-
schaftlichen Aushandeln von makrosozialen ‚Situationsdefinitionen‘ begriffen werden. Journa-
lismus ist damit in erster Linie auf Situationen bezogen, in denen sich der verständigungsorien-
tierte Grundcharakter von Sprache besonders prominent zeigt, weil kommunikative Alltags-
routinen nicht mehr ausreichen und miteinander kommunizierende Gesellschaftsmitglieder
einen kritisch gewordenen Geltungsanspruch im Falle eines Dissenses auf einem anderen Weg
der Kommunikation, dem Diskurs, zu begründen und zu klären versuchen.
Augenscheinlich sind die journalistischen Nachrichtenfaktoren auch eine Reaktion auf das
individuelle wie gesellschaftliche Bedürfnis, ungeklärte Situationen zu erkennen, zu strukturie-
ren und einer Klärung zuzuführen. Rager verweist darauf, dass es nicht der Neuigkeitswert
eines Ereignisses allein ist, der journalistisches Handeln bei der Selektion leitet, sondern dass
Entscheidungen hinsichtlich der Relevanz eines Berichterstattungsgegenstandes hinzutreten
müssen. Diese sind Schlüsselkriterien, wenn es darum geht zu beurteilen, von welcher Qualität
journalistische Selektionsentscheidungen sind, die mit dem Blick auf die vermittlungsnotwen-
dige Reduktion von Komplexität getroffen werden. Generell gilt daher, dass die Informationen
weiter verarbeitet werden, die als „neu und wichtig“ eingestuft werden.160 Es kann davon
ausgegangen werden, dass Vorgänge, in denen gesellschaftliche Konsense brüchig werden oder
aber Ereignisse gegen Normen verstoßen und diskutiert werden müssen, zu genau diesen
Informationen zählen. Wobei gleichzeitig anzunehmen ist, dass durch öffentliche Kommunika-
tion weniger Konsense wieder hergestellt, als Korridore für Dissense definiert und grundle-
gende Verfahrensregeln der Konfliktregelung bekräftigt werden.161
Journalistisches Handeln hat das Potenzial, Bürgern Orientierung durch Informationsre-
zeption zu ermöglichen und Plattform bzw. Katalysator eines orientierenden gesellschaftlichen
Selbstverständigungsdiskurses sein zu können.162 In den Denkfiguren des symbolischen

160 Rager 2000, S. 81


161 Vgl. Peters 2001, S. 668
162 Dies ist ein Kernargument der Studie von Gottschlich 1980. Die interaktionistische Perspektive hat sich nur in
Randbezirken etablieren können. In einem späten Text zeigt sich Gottschlich enttäuscht darüber, dass es auf
seine Auseinandersetzung mit der Sinn- und Verstehensfrage im Journalismus „kaum Echo in der einschlägigen
scientific community“ gegeben habe. „Zu sehr“, vermutet der Autor, „war das Fach mit sich selbst beschäftigt,
204 IV Aspekte der kommunikativen Rationalität des Journalismus

Interaktionismus ist jene Reflexivität des intersubjektiven Austausches angelegt, aus der sich
Orientierung in der Handlungskoordinierung durch Kommunikation ergeben kann und die in
Beziehung zu setzen wäre zu den Überlegungen hinsichtlich eines durch Journalismus auf
Gesellschaftsebene konstituierten ‚kulturellen Diskurses‘, den zum Beispiel auch die Cultural
Studies thematisieren.163
Leistet die traditionelle nachrichtliche Vermittlung von Informationen vorwiegend die en-
ger begriffene Orientierung durch Information auf einer eingeschränkten propositional-
kognitiven Ebene für ‚Eingeweihte‘, die über ausreichendes Vor- und Kontextualisierungswis-
sen verfügen, so kann Journalismus in seiner ganzen Breite kommunikativer Möglichkeiten
selbst als eine Quelle bzw. ein Forum der Orientierung im Gespräch verstanden. In den angesproche-
nen Angeboten lassen sich eben auch jene aktiveren Kommunikationsangebote finden, durch
deren kritische Prüfung gemeinsame Situationsdefinitionen durch die Diskursteilnehmer
‚erarbeitet‘ werden. Der medial gewonnene Überblick ist eine zentrale Voraussetzung dafür,
sozial im größeren Rahmen handlungsfähig zu sein.164 Aus der Perspektive einer lebensweltlich
rückgebundenen Theorie kommunikativen Handelns lässt sich folglich die Erwartung formu-
lieren, dass die Orientierungsaufgabe diskursiv erbracht wird, indem die Situationsdefinition
kommunikativ rational von den Beteiligten erarbeitet wird. Journalistische Massenmedien
werden so als Resonanzboden gesamtgesellschaftlicher Selbstverständigungsprozesse, mithin
des klassischen ‚Zeitgesprächs der Gesellschaft‘, das Orientierung individuell durch Informati-
on verschafft und zudem sozial durch Diskurs generieren kann, betrachtet.165
Journalistisches Handeln ist demnach ausdrücklich als Teil der gesellschaftlichen kommu-
nikativen Interaktionsprozesse zu verstehen, die sich allesamt auf die Verortung des Einzelnen
und der Gesellschaft in der Welt beziehen – und zwar sowohl in ‚objektiver‘ wie in sozialer
und normativer Hinsicht. In modernen Gesellschaften steht Journalismus vor der Aufgabe, die
Orientierung in Gesellschaftlichkeit durch das Vermitteln und Stimulieren von Diskursen sowie die
Orientierung in diesen Diskursen selbst zu gewährleisten. Journalistisches Handeln ist somit
ein Beitrag zu einer kommunikativen Infrastruktur, durch die komplexe, ausdifferenzierte
Gesellschaften beschreibbar und regulierbar bleiben.166

zu sehr verstellte eine auf Medienkommunikation und Journalismus adaptierte Systemtheorie die Sicht auf Fra-
gen kommunikativer Sinnstiftung und Sinnfindung“ (Gottschlich 1999b, S. 11). Unter Umständen erleben
symbolisch-interaktionistische Ansätze in Verbindung mit Cultural Studies-Ansätzen (vgl. Krotz 1997), eine
Renaissance, indem sie als handlungstheoretische Ergänzung kulturtheoretischer Überlegungen fungieren.
163 Vgl. Klaus/Lünenborg 2000a, S. 208
164 Vgl. Pöttker 1996, der darauf hinweist, dass Journalismus seine Orientierungsaufgabe auch dadurch zu erfüllen
hat, dass er Folgentransparenz herstellt, indem er den Einzelnen darüber aufklärt, dass sein individuelles sozia-
les Handeln Folgen hat – auch wenn diese angesichts der Komplexität moderner Gesellschaften nicht unbe-
dingt sofort sichtbar werden, sondern erst mit erheblicher Verzögerung und in vielleicht nicht direkt wahr-
nehmbarer Weise: „Aus gesellschaftstheoretischer Sicht verlangt das Gebot zu Wahrheit und Wirklichkeitsnähe
dem Journalismus die Orientierungsleistung ab, die Deplaziertheit von subjektiver Rezeptivität (als Entfrem-
dung) und interaktionsgemäßem Handeln (als Illusion) zurechtzurücken, indem in komplexen Strukturen
schwer wahrnehmbare Handlungsfolgen transparent gemacht werden.“ (ebd., S. 113; vgl. auch Pöttker 1997)
165 Allerdings geraten sie in der Erfüllung dieser Funktion auch zunehmend unter Druck und engen systemisch die
Möglichkeiten eines orientierenden, reflexiven Journalismus ein: „In der Mediengesellschaft befindet sich der
Journalismus in dem Dilemma, dass seine Informations- und Thematisierungsarbeit einer Dynamik unterwor-
fen ist, die er nicht steuern kann, deren Verlaufsmuster er indessen kennen (lernen) sollte. Andernfalls wird er
die ihm zugeschriebene Orientierungsfunktion nicht mehr erbringen können.“ (Haller 2002, S. 48) Zur Reflexi-
vität von Journalismus gehört somit auch, dass er sich selbst über seine eigenen Handlungsspielräume aufklärt,
um diese offen zu halten. Er muss Räume kommunikativer Partizipation an Gesellschaftlichkeit thematisieren,
die journalistischem Handeln offen stehen.
166 Vgl. Weßler 1999a, S. 219
2 Implikationen eines kommunikativen Handlungskonzepts 205

2.4 Teilhabe durch kommunikative Kompetenz

Auf Basis der skizzierten kommunikativen Rationalität journalistischen Handelns und ihrer
Argumentativitäts- und Reziprozitätsanforderungen können spezifische qualitative Anforde-
rungen an journalistische Leistungen für die Verfassung einer demokratischen Kommunika-
tionsstruktur begründet werden, die sich nicht zuletzt daraus erklären, dass journalistisches
Handeln als kommunikatives Handeln auf die kommunikative Kompetenz der gesellschaftlichen
Ausgangs- und Zielpartner bezogen ist. Es muss diese Kompetenz bei Rezipienten voraussetzen;
zugleich begründet diese (kontrafaktische) Unterstellung die Möglichkeit zur Entwicklung,
Bewahrung und Erweiterung dieser Kompetenz. Um das zu gewährleisten bedarf journalisti-
sches Handeln selbst spezifischer Kompetenzen wie
• Fachkompetenz (instrumentelle Fähigkeiten und journalistisches Fachwissen),
• Vermittlungskompetenz (Artikulationsfähigkeit, Präsentation und Darstellungsformen),
• Sachkompetenz (Ressort-/Spezialwissen und Orientierungswissen).167
Ihre Gewährleistung ist eine notwendige, wenngleich noch nicht hinreichende Voraussetzung
dafür, dass ein Vermittlungshandeln als kompetent gemäß der Maßstäbe kommunikativer
Rationalität angesehen werden kann. Insbesondere die Vermittlungskompetenz kann entlang
der formalpragmatischen Regeln normativ gehaltvoll reformuliert werden. Allerdings zielt
kommunikative Kompetenz darüber hinaus auf Wechselseitigkeit und auf Verständigung über
die gemeinsame Situation. Im Ergebnis trägt kommunikativ gehandhabter Journalismus auch
zur Erweiterung von Teilhabemöglichkeiten bei. Journalismus kann Ungleichgewichte im Hinblick
auf Information und Orientierung sowie kommunikativer und sozialer Teilhabe derart kom-
pensieren, dass Bürger in komplexen Gesellschaften informiert, orientiert und damit letztlich
handlungsfähig bleiben.168

2.4.1 Journalismus und kommunikative Kompetenz

Eine Voraussetzung von gesellschaftlicher Partizipation ist die Fähigkeit zur reflexiven Hand-
habung kommunikativer Interaktion. Diese Fähigkeit beschreibt Baacke mit dem Begriff der
‚kommunikativen Kompetenz‘.169 Er unterscheidet zwischen einer allgemeinen kommunikati-
ven Kompetenz von Akteuren, die eine sprachlich und verhaltensmäßig fundierte Verständi-
gungsfähigkeit erlangt haben, und einer situativen kommunikativen Performanz, die eine
Aktualisierung dieser allgemeinen Kompetenz unter kontigenten Umständen beschreibt. In der
Habermasschen Konzeption ist kommunikative Kompetenz in Abgrenzung zur linguistischen
Kompetenz auf die sprachliche Rede und ihre rationale Struktur erhobener Geltungsansprüche
bezogen; sie bezeichnet „[…] die Fähigkeit des verständigungsbereiten Sprechers, einen
wohlgeformten Satz in Realitätsbezüge einzubetten“170. Mit dem Konzept der kommunikativen
Kompetenz soll erklärt werden, welche Bedingungen gegeben sein müssen, damit ein gramma-
tikalisch korrekter Satz auch eine soziale Äußerung wird.171 Die Entwicklung dieser Umset-
zungsfähigkeit ist das Ergebnis sozialisatorischer Prozesse. Deswegen plädieren Medienfor-

167 Vgl. Weischenberg 1990c, S. 24


168 Vgl. Eder 1996
169 Vgl. Baacke 1973, S.101ff.
170 Habermas 1995b [1984], S. 390
171 Vgl. Gripp 1984, S. 40
206 IV Aspekte der kommunikativen Rationalität des Journalismus

scher zwar dafür, im Medienhandeln geeignete Maßnahmen zur Beseitigung existierender


Disparitäten bezüglich der Verteilung dieser Kompetenz zu ergreifen, weisen aber zugleich
darauf hin, dass dies ohne entgegenkommende Strukturen interpersonaler Kommunikation
wenig erfolgversprechend sein kann.172
Das Konzept der kommunikativen Kompetenz ist nicht in eins zu setzen, mit dem vor al-
lem in der medienpädagogischen Debatte häufig verwendeten Begriff der „Medienkompe-
tenz“, der spezifischer die Fähigkeit zur aktiv-konstruktiven wie passiv-instrumentellen Nut-
zung von Medien zur Kommunikation beschreibt.173 Baacke nennt konkret Medien-Kritik,
Medien-Kunde, Medien-Nutzung und Medien-Gestaltung als Bestandteile dieser Medienkom-
petenz, die pädagogisch zu vermitteln seien.174 Eine erzieherische Herangehensweise an
Medienkompetenz ist allerdings nicht in der Lage, alle Facetten des Begriffs abzudecken.
Vielmehr erscheint es sinnvoll, einen allgemeineren kommunikativen Sozialisationsprozess zu
unterstellen, dessen Entwicklung Medienpädagogik zwar stimulieren, angesichts einer Vielzahl
anderer Faktoren aber nicht zureichend prägen kann.175 So gerät Medienkompetenz zu einem
spezifischen Unterfall des normativ unterlegten Verständnisses kommunikativer Kompetenz
nach Habermas, das zugleich allgemeiner in seinem Erklärungsanspruch und präziser in seinen
Erklärungsmöglichkeiten ist.
Kommunikative Kompetenz ist in diesem Rahmen eine in den skizzierten illokutionären
Bindungskräften von Sprache und den sozial wirksamen kontrafaktischen Unterstellungen des
kommunikativen und diskursiven Handelns verankerte, sozial bedingte personale Ressource,
die für zwischenmenschliche Verständigung konstitutiv ist. Sie ist in abgeleiteter Bedeutung für
den Umgang mit Medien und journalistischem Handeln relevant: Denn nur wenn kommunika-
tive Kompetenz als gegeben unterstellt werden kann, ist es möglich, eine kritische und eigen-
ständige Rezeption medialer und journalistischer Angebote zu erwarten, die sich nicht in einer
Unterwerfung unter die in Medienbotschaften encodierten Bedeutungen oder unter bisweilen
erratische Bedeutungszuschreibungen erschöpft. Mediale Kommunikation setzt auf entspre-
chende Prädispositionen des Publikums, wie die Fähigkeit zur selbstreflexiven und gesell-
schaftskritischen Verarbeitung der rezipierten Informationen; nur so sind ‚vernünftige‘ soziale
Reaktionen auf das Rezipierte überhaupt erwartbar.176 Jüngere Forschungsergebnisse zeigen
allerdings deutlich auf, dass spezifisch journalistische Medienangebote gerade bei einem jungen
Medienpublikum zunehmend auf grundsätzliche Akzeptanzprobleme stoßen und daher die
konkrete Nutzung journalistischer Medien entsprechender sozialisatorischer Leistungen bedarf,
die durch Instanzen wie Familie und Schule erbracht werden müssen.177 Journalistisches
Handeln setzt die subjektive Kompetenz zu verständigungsorientiertem Handeln voraus; seine
Produkte sind – entsprechend flankiert – ein Beitrag zu Sozialisationsprozessen, in denen diese
Kompetenz gestärkt wird.178

172 Vgl. Fabris 1979, S. 261; Aufermann 1976, S. 164


173 Vgl. Dichanz 1998
174 Vgl. Baacke 1996
175 Vgl. Kübler 1996
176 Vgl. Aufermann 1976, S. 164. Es lassen sich aber gegenteilige Tendenzen ausmachen, die darauf verweisen,
dass „[…] die Auslagerung der zentralen Symbole alltäglicher Kommunikation in die Massenpublizistik zur Be-
schränkung kommunikativer Kompetenz führt“ (Rust 1982, S. 516).
177 Vgl. Rager 2003
178 Zentral ist dafür die Glaubwürdigkeit der medialen Berichterstattung wie Bentele (1988) betont, da sie in der
Lage ist, „Vertrauensmuster“ zu konstituieren, die weitere Rezeption beeinflussen (ebd., S. 408). Vertrauen in
Journalismus, so Kohring (2002a, S. 97) kann sich sowohl auf die Themen-Selektivität, die Fakten-Selektivität,
die faktische Richtigkeit (Glaubwürdigkeit) und die expliziten Bewertungen stützen. Zumindest in den ersten
2 Implikationen eines kommunikativen Handlungskonzepts 207

(Journalistische) Massenmedien können ergänzend neben anderen klassischen Institutionen


wie Familie und Schule als „Sozialisationsagenten“ beschrieben werden.179 Sie sind Bestandteil
derjenigen Institutionen, die das ‚Fakten- und Normenwissen‘ produzieren, reproduzieren und
vermitteln, das als Bestandteil des lebensweltlichen Handlungshintergrundes anzusehen ist. In
dieser Funktionalität liegt eine der langfristig zentralen Leistungen massenmedialer Kommuni-
kate und Produkte.180 Neben Instanzen wie Schule oder Familie machen auch sie Gesell-
schaftsmitglieder mit kulturellen und sozialen Kontexten vertraut und sozialisieren sie in
kommunikative Zusammenhänge hinein. Dabei leisten Massenmedien nach Meinung mancher
Autoren eine „permanente Sozialisation“, die nicht an bestimmte Lebensabschnitte gebunden
ist.181
Nachdem die Kritische Theorie fast totale Sozialisationserfolge der Massenmedien vermu-
tete182, sind in den empirischen Studien der späteren Kommunikationsforschung differenzier-
tere Ergebnisse erhoben worden. Auch wenn das Ausmaß der sozialisatorischen Effekte
grundsätzlich kaum bestimmbar ist, so bleibt die schon 1970 konstatierte Grundtendenz
zumindest teilweise relevant, „[…] daß die Moral- und Wertvorstellungen des Menschen, daß
seine Verhaltensdispositionen, seine Bezugssysteme heute durch die Medien geformt wer-
den“183. Auch für den Erwerb kommunikativer Kompetenzen ist der Umgang mit Medien von
zentraler Bedeutung.184 Die angesprochenen Fähig- und Fertigkeiten reichen über den gram-
matikalischen oder ‚technischen‘ Umgang mit Sprache hinaus und umfassen daneben auch das
Erlernen der kommunikativen, mithin auf Verständigung gerichteten Grundfunktionen von
Sprache und kommunikativem Handeln.
Auch darauf bezogen kann Journalismus sozialisatorische Wirkung entfalten, wenn er
selbst kommunikativ gehandhabt wird: Journalistisches Handeln, das sich auf seine kommuni-
kativen Wurzeln besinnt, erkennt Rezipienten als kommunikativ kompetente Kommunikati-
onspartner nicht nur an, sondern aktiviert und stärkt deren ‚kommunikative Kompetenz‘ durch
Inanspruchnahme. Dieser Interpretation liegt das Sozialisationsverständnis der Theorie des
kommunikativen Handeln zugrunde, derzufolge Sozialisation ähnlich wie im symbolischen
Interaktionismus als ein Prozess begriffen wird, „[…] in dem sich menschliche Wesen im
Verlauf sozialer Interaktionen Symbolsysteme aneignen, mit deren Hilfe sie dann nicht nur ihre
Umwelt interpretieren, sondern auch ‚Selbst-Bewußtsein‘ erlangen“.185 Aufgrund der potenziel-
len Transparenz und Begründungspflicht erhobener Geltungsansprüche und der Akzeptanz
des Kommunikationspartners als ‚Partner‘ in der Kommunikation ermöglicht ein bewusst
kommunikativ gehandhabter Journalismus zumindest ansatzweise ebenfalls eine solche Aneig-
nung und Weiterentwicklung kommunikativer Kompetenzen. Er fordert insofern zur produk-

drei Fällen ist Vertrauen notwendig, um journalistische Kommunikation zu ermöglichen. Der Vertrauensbegriff
kann dabei noch einmal differenziert werden in „Vertrauen als Einstellung (Vertrauensbereitschaft) und Ver-
trauen als Handlung (Vertrauenserklärung)“ (Kohring 2002b, S. 95 FN 2). Er ist damit umfassender und um-
greifender als der meistens verwendete Glaubwürdigkeitsbegriff. Vertrauen kennzeichnet grundlegend eine so-
ziale Ressource, die für erfolgreiche Kommunikation unter Bedingungen der Unsicherheit relevant ist.
179 Maletzke 1980a, S. 21; vgl. auch ausführlich Maletzke 1963, S. 24ff.
180 Vgl. Fabris 1979, S. 34
181 Pelinka 1974, S. 103
182 Vgl. den Überblick bei Bussemer 2005, S. 353ff.
183 Zoll/Hennig 1970, S. 30f.
184 Vgl. Rager/Oestmann/Werner 2000
185 Burkart 1998a, S. 151; vgl. Fabris 1979, S. 161: „Kommunikatives Verhalten, kommunikative Kompetenz und
Artikulationsfähigkeit sind das Ergebnis spezifischer Sozialisationsprozesse, die von der frühkindlichen Soziali-
sation bis über die Erwachsenen-Sozialisation hinaus wirksam sind.“.
208 IV Aspekte der kommunikativen Rationalität des Journalismus

tiven Auseinandersetzung, zur Stellungnahme und zur Reaktion heraus. Kommunikativ kom-
petente Akteure sind in der Lage, in kommunikativ rationale Verständigungsprozesse unmit-
telbar einzutreten und auch vermittelte Aussagen hinsichtlich ihrer Kommunikativität einzu-
schätzen. Die derart geförderte kommunikative Kompetenz ist zugleich eine wichtige Voraus-
setzung zur als auch eine wichtige Folge der Entwicklung partizipativer und emanzipativer
Handlungsmuster.186
Kommunikativer Journalismus erfüllt damit – wenn auch nur potenziell und gegenüber di-
rekten Formen der Kommunikation sehr restringiert – eine Sozialisationsfunktion, die genuin
auf Teilhabe an gesellschaftlichen Prozessen zielt. Die Verständigungsangebote ermöglichen –
anders als vermeintlich rein bzw. dominant propositionale oder persuasive, perlokutionäre
Sprechakte – eigene Stellungnahmen und Reaktionen. Selbst wenn in der Regel kein genuiner
Dialog mit dem journalistischen Kommunikator zustande kommen kann, so sind vergleichbare
kommunikative Angebote doch immerhin anschlussfähig an lebensweltliche Kommunikation
im Rezipientenkreis und damit an eine weitere Prüfung und Verarbeitung der erhobenen
Geltungsansprüche. Neben der sozialisatorischen Wirkung durch die Vermittlung kultureller
Deutungssysteme leistet kommunikativer Journalismus somit potenziell auch einen Anstoß zur
Inanspruchnahme kommunikativer Handlungsmuster. Die Erwartungen an einen kommunika-
tiv kompetenten Journalismus lassen sich mit Loretan in konkrete Forderungen an kommuni-
kativ kompetente journalistische Akteure fassen:
„(1) Sie sollten in der Lage sein, normative Konflikte, die sich entweder im Rahmen ihrer spezifisch berufli-
chen Verfahren oder über die zu bearbeitenden Themen ergeben, auf einem postkonventionellen Niveau
wahrnehmen und beurteilen zu können; (2) Ihre reflexiven Standards moralischer Selbstverpflichtung sollten
sie auch unter Stress aufrechterhalten können; (3) Bezogen auf ihre Profession sollten sie über die Fähigkeit
verfügen, die journalistischen Funktionen im demokratischen Gesellschaftssystem bestimmen und begründen
zu können, um so die Maximen öffentlicher Kommunikation zum handlungsleitenden Motiv zu machen und
ihre Geltung in ökonomischen, politischen und organisatorischen Strukturen mit innerer Überzeugung und
Zivilcourage zu vertreten.“ 187

Durch eine entsprechende Handhabung eigener kommunikativer Angebote sind journalistische


Akteure in der Lage, auch die kommunikative Kompetenz der Rezipienten zu stärken und
damit Voraussetzung für Teilhabe an gesellschaftlicher Kommunikation überhaupt erst zu
schaffen oder zu entwickeln. Ein normativer Begriff von kommunikativer Kompetenz kann
dabei als eine „[…] übergreifende Kategorie, die spezifisch die Teilnahmechancen an der
sozialen Kommunikation betrifft“, präzisiert werden.188 In dieser Definition, die wiederum auf
das Zustandekommen sozialer Interaktion durch Sprache abstellt, wird deutlich, dass es nicht
zuletzt die auch journalistisch sozialisierte ‚kommunikative Kompetenz‘ der Bürger ist, die über
das Ausmaß von Partizipation und Demokratisierung eines Gemeinwesens mit entscheidet.
„Der Kampf um eine demokratische Öffentlichkeit, um den allgemeinen Zugang zu Informationen und die
Möglichkeit freier Meinungsäußerung für jedermann, ist ein zentraler Bestandteil der Geschichte der moder-
nen Demokratie. Mit der schrittweisen Realisierung und der praktischen Weiterentwicklung kommunikativer
Grundrechte verbindet sich daher die historisch begründete Hoffnung auf eine Erweiterung der politischen
zur umfassenden sozialen Demokratie.“189

186 Vgl. Baacke 1973, S. 311ff.


187 Loretan 2002, S. 287f.; vgl. auch Loretan 1999, S. 183. Wie diese Kompetenzen diskursiv entfaltet werden
können, wird in Kapitel VI näher diskutiert.
188 Fabris 1979, S. 154
189 Ebd., S. 11
2 Implikationen eines kommunikativen Handlungskonzepts 209

Wird Teilhabe von Bürgern am gesellschaftlichen Kommunikationsprozess vor dem Hinter-


grund eines anspruchsvollen Öffentlichkeitsmodells als normativ gewünscht erachtet, dann legt
dies Bemühungen nahe, auch in der massenmedialen Kommunikation Formen der Wechselsei-
tigkeit und des Wissens der Kommunikationspartner übereinander zu ermöglichen. Diese
Modifikationen betreffen nicht nur die technische Seite des Vermittlungsvorgangs, sondern
auch die Form der journalistischen Bearbeitung.190 Aus der Sicht eines kommunikativen
Journalismusverständnisses lassen sie sich auch aus einer immanenten kommunikativen Nor-
mativität und den mit ihr verbundenen Annahmen zu einer kommunikativen Kompetenz
deduzieren. Bislang allerdings, so Baum, konnte die Journalismusforschung kaum Erkenntnisse
zu der Frage beisteuern,
„[…] wie die Ansprüche einer demokratischen Öffentlichkeit, die eine gerechte Teilhabe aller mündigen Bür-
ger am politischen Leben garantieren soll, mit den Mustern journalistischen Handelns intern verknüpft
sind“.191

Dazu ist es notwendig, Gesellschaftlichkeit allgemein aus den Interaktionen kommunikativ


kompetenter Akteure heraus zu erklären und dabei den Fokus der Journalismusanalyse auf die
Frage auszurichten, inwiefern journalistisches Handeln dazu beiträgt, dass diese Interaktion
gesellschaftsweit so zustande kommt, dass rationale Verständigungsprozesse möglich werden.
Die journalistische Gewährleistung öffentlicher Kommunikativität ist ein Schlüssel dazu, dass
die in offenen und inklusiven Kommunikationsprozessen geäußerte menschliche Vernunft als
Legitimationsgrundlage von Recht und Herrschaft in modernen Demokratien verstanden
werden kann. Anders als in elitentheoretischen top-down-Modellen wird hier der kommunika-
tiven Teilhabe der Staatsbürger eine besondere Rolle zugesprochen – und zwar sowohl direkt
hinsichtlich der Teilnahme an den gesellschaftsweit vermittelten Diskursen als auch indirekt
hinsichtlich der Anschlusskommunikation in lebensweltlichen Kontexten.192
Ist das Ziel gesellschaftlicher Kommunikation die Partizipation der bislang als passives
Publikum begriffenen Bürger, dann müssen journalistische Bemühungen auch auf kommunika-
tiv kompetente Bürger treffen. Die Entwicklung des professionellen nachrichtlich orientierten
Journalismus aber hat die Ausbildung entsprechender Strukturen für die Medienkommunikati-
on bislang nicht gefördert. Um das Publikum als Veto-Macht im journalistischen Produktions-
prozess zu stärken, sind die systematische Einbeziehung und Weiterentwicklung der Rezepti-
onsforschung als Feedback-Instrument193 sowie die Etablierung und Quasi-Institutionalisie-
rung von Partizipationsmöglichkeiten denkbar194 – wenngleich auch problematisch, da sie einer
Deprofessionalisierung Vorschub leisten und Dysfunktionalitäten nach sich ziehen können.
Unstreitig ist aber, dass Kenntnisse über den Kommunikationspartner Voraussetzungen eines
reflexiven Kommunikationsprozesses sind.195

190 Vgl. Eurich 1980b, S. 170


191 Baum 1996, S. 243
192 Vgl. dazu Rust 1982, S. 519: „Die Integrationsfunktion der Massenpublizistik sollte sich in diesem Modell
weniger über den Prozeß des agenda setting (wie die systemtheoretische Soziologie den Prozeß sah) als über ein
stetes politisches Bewußtsein der Betroffenen, die ihre Stimme in eigener Sache erhoben, beweisen. ‚Umkehr-
proporz‘ in den Rundfunkanstalten, ‚bürgernaher Journalismus‘ der Presse – Authentizität der Kultur: das wa-
ren und das sind die Parolen, mit denen die Ergebnisse einer solchen Besinnung zusammengefasst werden.“
193 Vgl. Fabris 1979, S. 172ff.; für einen aktuellen Blick auf das Potenzial solcher Versuche vgl. Hohlfeld 2003.
Skeptisch beurteilt Noelle-Neumann (1982b; 1993) den journalistischen Zugriff auf Forschungsergebnisse.
194 Vgl. Fabris 1979, S. 126f.
195 Diese Kenntnisse zu beschaffen, ist eine zentrale Aufgabe angewandter Medienforschung. Einer jüngeren
Studie zufolge ist das Interesse der Journalisten an deren Informationen durchaus groß – bei gleichzeitiger
210 IV Aspekte der kommunikativen Rationalität des Journalismus

2.4.2 Partizipation an öffentlicher Kommunikation

Vor dem Hintergrund dieser normativen Überlegungen zu kommunikativer Kompetenz


kommt ein demokratisch wünschenswerter Journalismus in den Blick, der soziale Inklusion
und gesellschaftliche Teilhabe fördert. Partizipation kann dabei in qualitativer Hinsicht als die
„sachbewußte aktive Teilnahme und Einflußnahme von Betroffenen am gesellschaftlichen
Lebensprozeß und damit auch dem politischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozeß“
verstanden werden.196
Während der bereits skizzierten Orientierungsaufgabe des Journalismus die Annahme
kommunikativ erbrachter, moralisch-praktischer Vermittlungsleistungen zugrunde liegt,
verweist die Idee der kommunikativen Teilhabe in kritisch-emanzipatorischer Sichtweise
weitaus stärker auch auf reflexiv radikalisierte Kommunikationsleistungen. Ob von Journalis-
mus und Medien derartige partizipatorische Leistungen erwartet werden, ist vornehmlich eine
Frage der zugrunde gelegten Demokratie- oder Gesellschaftstheorie und kann – entsprechend
der unterschiedlichen Entwürfe – sehr unterschiedlich beantwortet werden.197
Die in der vorliegenden Arbeit adaptierte Perspektive kommunikativer Rationalität führt zu
sehr weitreichenden Anforderungen an Orientierungs- und Teilhabe-Leistungen demokrati-
scher Basiskommunikation und unterscheidet sich dadurch erheblich von normativ weniger
anspruchsvollen Modellen – vor allem hinsichtlich der Erwartungen, die an Journalismus
gerichtet werden, hinsichtlich der Handlungsräume und -freiheiten, die ihm extern zugewiesen
werden, und hinsichtlich der Leistungen, die von ihm hinsichtlich der Ausweitung partizipati-
ver Chancen erwartet werden.198 Begründet werden diese Anforderungen allerdings nicht auf
der Basis externer moralphilosophischer Setzungen oder sonstiger Konzeptionen eines ver-
meintlich ‚guten und gerechten Lebens‘, sondern aus der universalpragmatischen Struktur
humaner Sprache und Kommunikation heraus, die letztlich in jeder sozialen ‚Interaktion‘ für
die Akteure unhintergehbar bleiben muss.199 In dem sich daraus ergebenden Modell einer

Skepsis hinsichtlich der Folgen der Integration dieser Daten in den journalistischen Kommunikationsprozess.
Diese Skepsis speist sich aus den unterschiedlichsten Quellen: Die Methoden werden angezweifelt, die Instru-
mentalisierung der Ergebnisse als Herrschaftswissen kritisiert, die vermeintliche Ausrichtung der Forschung auf
Absatzoptimierung kritisiert und ganz generell die Gefahr eines angepassten Journalismus gesehen (vgl. Hohl-
feld 2003, S. 376).
196 Eurich 1980b, S. 257
197 Vgl. Geißler 1979, S. 173, demzufolge die Frage der Teilhabeorientierung einer öffentlichen Kommunikations-
sphäre eng mit der Form der Verbindung von journalistischen Massenmedien und demokratischer Basiskom-
munikation zusammen hängt, d.h. mit der Verbindung der „Kommunikation der Staatsbürger (Basis) mit dem
politischen Bereich“, durch die Partizipationschancen definiert werden. Dabei beschreibt der demokratietheo-
retische Diskurs über Medien und Journalismus die journalistischen Aufgaben mit Blick auf die Ermöglichung
eines unterstellten demokratischen Idealtypus und gelangt auf Grund differierender normativer Prämissen zu
unterschiedlichen Rationalitätserwartungen (vgl. Geißler 1973, S. 47).
198 Diese weitreichenden Anforderungen würden sich nicht ergeben, wenn eher ‚realistische‘ demokratietheoreti-
sche Konzepte zugrunde gelegt werden (vgl. Sartori 1997, S. 46ff.). Grundsätzlich kann aber gelten, dass De-
mokratie als politisches Konzept, ganz gleich in welcher konkreten Ausformulierung, eine normative Zieldi-
mension beinhaltet, die auch in deskriptiven Analysen nicht aus dem Blick geraten sollte (vgl. ebd. 15ff.).
199 Vgl. Kuhlmann 1985, S. 90, der davon spricht, dass wir „[…] immer schon unhintergehbar den Willen zur
vernünftigen Argumentation haben“. Auf der Basis dieser fundamentalen Annahme unterscheidet sich ein
kommunikativ fundiertes Demokratieverständnis von weniger anspruchsvollen Modellen des ‚Wettbewerbs un-
ter Verzicht auf Rationalität‘, des ‚Vertrauens in die Person‘ oder der ‚öffentlichen Expertendiskussion, Ziel-
kontrolle und Ideologiekritik‘ (vgl. Geißler 1973, S. 32ff.). Gemeinsam ist diesen Modellen, dass sie auf rudi-
mentäre Informations- und Orientierungsleistungen von Journalismus und Massenmedien nicht verzichten.
Immerhin kommen dem Journalismus aber auch im Modell einer öffentlichen Expertendiskussion, in der Bürger die
2 Implikationen eines kommunikativen Handlungskonzepts 211

allgemeinen, kritisch-rationalen Diskussion sind politische und gesellschaftliche Ziele jederzeit


potenzieller Gegenstand einer öffentlichen Debatte, in der sie zunächst ideologiekritisch auf
die sie fundierenden Werte und Interessen geprüft und dann im Hinblick auf Alternativen
problematisiert werden.
„Aus den Vorstellungen Habermas’ über Form und Inhalt demokratischer Willensbildung lassen sich die
‚demokratischen Funktionen‘ der [journalistischen, -cb-] Massenmedien ableiten: sie sind das Medium, das die
externe Öffentlichkeit herstellt und dadurch die öffentliche Diskussion zwischen den Parteien, Verbänden
und staatlichen Gremien und Institutionen ermöglicht. Gleichzeitig stellen sie die Verbindung zwischen ex-
terner Öffentlichkeit und organisationsinternen kritischen Diskussionen her. Die Inhalte der Massenkommu-
nikation unterliegen denselben qualitativen Postulaten wie die gesamte politische Kommunikation: sie sind
diskutant und kritisch-rational.“200

Journalismus vermittelt in diesem Modell nicht nur orientierende Information, sondern stellt
Orientierung in den öffentlich geführten Diskussionen in dem beschriebenen makrosozialen
Sinn bisweilen überhaupt erst her. Orientierung ist das Ergebnis eines kommunikativen Pro-
zesses, an dem potenziell alle Bürger teilhaben können (müssen). Dieses Modell hat – trotz
begründeter empirischer Einwände – Sinn als regulative Idee mit Blick auf einen Journalismus,
der zumindest danach streben sollte, Diskussionen nicht nur zwischen Experten und vor
Publikum zu vermitteln, sondern so inklusiv, kommunikativ und interaktiv zu gestalten, dass
potenzielle Beteiligung aller als gewährleistet betrachtet werden kann.
Es wird daher normativ erwartet, dass gravierende Unterschiede in der gesellschaftlichen
Verteilung von Kommunikationschancen in der Öffentlichkeit korrigiert werden, um gleich-
mäßige Teilhabemöglichkeiten und damit gesellschaftlichen Pluralismus zu gewährleisten.201
Innerhalb der kritischen Medienforschung gehen die Meinungen darüber auseinander, ob dies
innerhalb des massenmedialen Systemrahmens geschehen kann oder externe Kommunikati-
onsformen vorzuziehen sind. Die Alternativen bewegen sich zwischen einem „Konkurrenz-
modell der Aussagenproduktion“ und dem „Bauplan einer Gegenöffentlichkeit“ und beruhen
auf unsicheren Voraussetzungen.202 Mehrere Optionen sind – auch komplementär – denkbar:
(1) Vermittlung partizipationsrelevanter Information: In Konzepten, die auf einen teilhabeorien-
tierten Journalismus innerhalb der etablierten Strukturen abstellen, wird zunächst auf Möglich-
keiten verwiesen, durch journalistische Berichterstattung Grenzen von Öffentlichkeit aufzuhe-
ben und so die Borniertheit teilsystemischer Abgeschlossenheit mit entdifferenzierenden
Informationen zu schwächen.203 Ein Beispiel dafür sind proaktive Vermittlungsstrategien
hinsichtlich partizipationsrelevanter Informationen, die auf die Veröffentlichung relevanter
Sachverhalte vor der politischen Entscheidung abzielen.204 Es ist als eine Professionalitätsregel
journalistischer Kompetenz anzusehen, dass auf Partizipation gerichtete Aspekte einer Nach-
richt im Vordergrund stehen, um Rezipienten als handlungsfähige Subjekte der Öffentlichkeit

Möglichkeiten der ‚Zielkontrolle‘ und der ‚Ideologiekritik‘ besitzen, weitreichende Aufgaben zu (vgl. ebd., S.
39). Geißler entnimmt dieses Modell den Schriften Geigers (1963); es ist zudem anschlussfähig an die Überle-
gungen Groths (1972, S. 114). Orientierung durch Medien und Journalismus impliziert hier Möglichkeiten, öf-
fentliche Kommunikation zu regulieren, bei Fehlsteuerungen einzugreifen und das Erreichen vereinbarter Ziele
zu kontrollieren. Aber die Verknüpfung von Orientierung und Teilhabe bleibt restringiert: Die „Trennung in
rationale Mittelwahl und dezisionistische Zielsetzung“ ist konstitutiv für dieses Modell öffentlicher Experten-
diskussionen, das professionelles Handeln über demokratische Partzipation stellt (Geißler 1973, S. 40).
200 Geißler 1973, S. 47
201 Vgl. Geißler 1979, S. 178; Fabris 1979, S. 261
202 Baum 1994, S. 268
203 Vgl. Pöttker 1998a
204 Vgl. Rombach 1983
212 IV Aspekte der kommunikativen Rationalität des Journalismus

anzusprechen.205 Partizipation bedarf umfassender Orientierung der Bürger durch journalisti-


sche Medien.206
(2) Herstellung kommunikativer Öffentlichkeit: Über die Bereitstellung umfassender Informatio-
nen hinausgehend kann auch erwartet werden, dass ein massenmedial verfasster Journalismus
durch dezidierte Kritikorientierung partizipationsfördernd wirkt. Geißler nennt die ideologie-
kritische Herstellung von Transparenz, die Artikulation von Interessen und die pluralistische
Kompensation durch Vertretung von Interessen, die in der bestehenden pluralistischen Macht-
struktur benachteiligt sind, als dafür notwendige Aufgaben.207 Aus der journalistischen Ge-
währleistung von allgemeiner Zugänglichkeit und rationaler Diskussion in der Öffentlichkeit,
soll sich diejenige kritische Publizität entwickeln, die Habermas als Gegenpol zur aus seiner
Sicht oft manipulativen Publizität ressourcenstarker Kollektivakteure einfordert.208 Eine solche
kritische Publizität würde die Kraft besitzen, öffentliche Diskurse anzustoßen, aus denen
heraus sich lebensweltliche kommunikative Macht entwickeln kann, die ihrerseits auf den
politischen Meinungsbildungsprozess wirkt.209 Ein diskursiver Journalismus könnte dazu einen
wesentlichen Beitrag dazu leisten, indem er die in einer stereotypisierten und technisierten
passiven Vermittlung von Information angelegten Entfremdungstendenzen zugunsten einer
aktiven eigenständigen Prüfung, Gewichtung und kommunikativen Transformation öffentli-
cher Kommunikationsangebote konterkariert und den Dialog in das Medium hineinverlagert,
um den Rezipienten wenigstens „die reelle Chance einer passiven Teilnahme an der diskutan-
ten Auseinandersetzung“ anzubieten.210
(3) Anwaltschaftlicher Journalismus: Ein noch stärker aktivisches Verständnis von Teilhabe
fordert nicht nur die umfassende Vermittlung von Informationen und deren kommunikative
Kritik, sondern darüber hinaus die anwaltschaftliche Unterstützung und Repräsentation
unterprivilegierter Diskursteilnehmer, deren Interessen in der Öffentlichkeit vertreten werden
sollen. Die Vorstellung des journalistisch Handelnden als Anwalt stammt nicht nur aus der in
der Vermittlungstheorie des Journalismus favorisierten Idee der demokratischen ‚Repräsentati-
on‘ gesellschaftlicher Interessen (gemäß ihrer gesellschaftlichen Artikulation), sondern auch aus
dem im Räsonnement verankerten Gedanken des ‚Anwalts‘ solcher Interessen.211 Aus den
Konzepten von Vermittlung (Referat) und Räsonnement können Eckpunkte eines anwalt-
schaftlichen Journalismus deduziert werden, der auf die Demokratisierung gesellschaftlicher

205 Vgl. Haller 1992, S. 206f.


206 Vgl. Rombach 1983, S. 49. Diese Orientierung allerdings lässt sich in der Berichterstattung kaum auffinden, wie
Rombach in seiner empirischen Analyse der Qualität von Lokalzeitungen hinsichtlich der Kriterien für partizi-
pationsgerechte Berichterstattung herausarbeitet. Zu häufig fließen Informationen einseitig von oben nach un-
ten, zu selten versuchen Journalisten auch den Sprachlosen in ihrer Berichterstattung eine Stimme zu geben.
(vgl. ebd., S. 253). Die Gründe dafür macht Rombach (1983, S. 268f.) in den Rahmenbedingungen journalisti-
schen Arbeitens aus: in der Nähe zur politischen und sozialen Elite, im Einfluss der Anzeigenkunden und in
den Arbeitsbedingungen, die kaum Anreize für weitgehende Recherche oder besonders partizipationsorientierte
Berichterstattung bieten.
207 Vgl. Geißler 1979, S. 173
208 Vgl. Habermas 1990, S. 357
209 Vgl. Burkart 1998a, S. 518f.
210 Geißler 1973, S. 61. Ähnlich argumentiert auch Vlasic 2004, S. 172: „Eine aktive Partizipation der Bürger ist
eher selten, darüber hinaus kann ein zu hoher Grad der Partizipation in Demokratien eher hinderlich sein. So-
mit geht es auch hinsichtlich der Partizipationsmöglichkeiten weniger um das realisierte politische Handeln, als
vielmehr die Wahrnehmung der eigenen Einflussmöglichkeiten, die Beurteilung der eigenen Kompetenzen in
politischen Fragen sowie die wahrgenommene Legitimation, d.h. Effektivität und Problemlösungskompetenz,
des politischen Systems und seines Personals.“
211 Vgl. Fabris 1979, S. 48
2 Implikationen eines kommunikativen Handlungskonzepts 213

Kommunikation hinarbeiten soll, indem er kommunikative Ungleichgewichte balanciert und


verringert.
„Anwaltschaftlicher Journalismus meint […] solche journalistischen Aktivitäten, die den Nicht-Mächtigen,
den aufgrund gesellschaftlicher, sozialer oder auch individueller Lebensumstände Benachteiligten und Sprach-
losen eine Stimme verleihen sollten.“212

An die Stelle des Prinzips der Distanz zum Berichterstattungsgegenstand tritt in diesem an-
waltschaftlichen Journalismus das Prinzip der Teilnahme und der Ermöglichung von Teilha-
be.213 Dadurch sollen in Reaktion auf moderne Veränderungen der kommunikativen Infra-
struktur die sozialen Folgekosten von Prozessen der Ausdifferenzierung, der Konzentration
und der Standardisierung kompensiert werden. Journalisten wird zugestanden, als „Anwälte
des offenen Gesprächs zwischen Gruppen und Milieus“ einem kommunikativen Ausgleich
verpflichtet zu sein, der das Ziel hat, ein öffentliches Gespräch überhaupt zu ermöglichen.214
(4) Journalistische Anleitung der Laien zur eigenständigen Produktion: Noch über das anwaltschaft-
liche Modell hinausgreifend, wird in manchen Modellen quasi eine Selbstabschaffung des
Journalismus zugunsten lebensweltlicher Kommunikation verlangt. Journalisten werden hier
vorwiegend als ‚Ermöglicher‘ gesehen, die den selbstständigen Produktionsprozess der Laien
nur noch begleiten. Diese Rolle ist in der Regel nur in nicht kommerziell organisierten Kom-
munikationssystemen denkbar, weil nur diese die notwendige programmstrukturelle Flexibilität
und Unabhängigkeit von Kapitalverwertungsinteressen besitzen215, und sie bedarf darüber
hinaus einer ihr entgegenkommenden demokratischen Partizipationskultur, durch die kommu-
nikative Tätigkeiten der Bürger gewährleistet werden.216 Insbesondere mit Blick auf das Fern-
sehen sind in den 1970er Jahren entsprechende Modelle entwickelt worden, die in einem
breiten Angebot so genannter offener Kanäle mündeten.217 Partizipationsorientierte Journalis-
ten sollen diesem Konzept zufolge ihre Arbeit weniger als Informationsvermittlung, und mehr
als Gemeinwesenarbeit begreifen, um Zuschauer aus ihrer passiven Konsumentenrolle heraus-
zuholen und ihre kommunikative Kompetenz im Umgang mit medialen Kommunikationssub-
stituten sowie ihre Partizipationsmöglichkeiten im gesellschaftlichen Meinungs- und Willens-
bildungsprozess zu steigern.218 Damit verlässt diese Konzeption die Grundlage journalistischen
Handelns und verweist auf medienpädagogische Konzepte, die in Kooperation mit Journalis-
mus, aber kaum an dessen Stelle stattfinden können. Sie erscheinen sinnvoll im Hinblick auf
eine Erhöhung der konstruktiven Medienkompetenz der Bürger, können aber – das haben die
empirischen Erfahrungen nur zu deutlich gezeigt – die Leistungen eines massenmedial verfass-
ten Journalismus nicht ersetzen. Das gilt bislang auch für die sich seit wenigen Jahren etablie-
ren so genannten ‚Blogs‘, Online-Tagebücher von Laien oder Journalisten, die sich jenseits
etablierter Medienstrukturen bewegen.219

212 Fabris 1981a, S. 200f.


213 Vgl. Fabris 1979, S. 210. Beispiele für erfolgreiche Partizipationsorientierung auch im massenmedialen
Journalismus lassen sich durchaus finden. Beispiele sind TV-Vor-Ort-Sendungen und Formate, öffentlich-
rechtlicher Sender, in denen Betroffene explizit und umfassend einbezogen werden (vgl. ebd., S. 231).
214 Pöttker 2002b, S. 12
215 Ausnahme ist der auch marktorientierte US-amerikanische Public Journalism. Vgl. dazu Abschnitt IV.2.4.3.
216 Vgl. Fabris 1979, S. 166
217 Vgl. für einen Überblick Kamp 1997.
218 Vgl. Fabris 1979, S. 205
219 Vgl. Bucher/Büffel 2005
214 IV Aspekte der kommunikativen Rationalität des Journalismus

Betrachtet man die romantisch verbrämte Selbstabschaffung des Journalismus zu Recht


skeptisch, dann verbleiben für einen partizipationsfördernden Journalismus innerhalb der
etablierten Strukturen drei Möglichkeiten:
(1) die umfassende Vermittlung partizipationsrelevanter Informationen,
(2) die kommunikativ-kritische Aktivierung kommunikativer Kompetenz sowie
(3) die anwaltschaftliche Gewährleistung gesellschaftlicher Diskursbedingungen.
Innerhalb der journalismustheoretischen Literatur findet sich zumindest mit Blick auf den
zweiten und den dritten Aspekt ein nur gering ausgeprägtes Verständnis. Bis heute ist die
Begründung der Kritikfunktion aus der Perspektive der Journalismusforschung schwer zu leisten.
Dafür sind nicht zuletzt wissenschaftslogische Gründe verantwortlich: Schließlich ist eine
solche Begründung innerhalb vieler der theoretischen Paradigmen – wie gewisse Spielarten des
Funktionalismus, der Systemtheorie oder des Konstruktivismus zeigen – kaum mehr möglich.
Und auch der Weg, die Kritikfunktion normativ-ontologisch oder aber mit den Mitteln der
Geschichtsphilosophie von außen an den Journalismus heranzutragen, ist aus guten wissen-
schafts- und erkenntnistheoretischen Gründen versperrt. Was bislang weitgehend bleibt ist der
Hinweis auf die verfassungsrechtlich normierte Kritik und Kontroll-Funktion des Journalis-
mus, der sich zwar – wenn nötig – pathetisch aufladen lässt, letztlich aber in einer Journalis-
mustheorie als juristischer Import recht dürr anmutet.
Hinzu kommen polemische Einwände, wie der von Kepplinger, dass nicht von einem an-
waltschaftlichen, sondern einem „vormundschaftlichen Journalismus“ zu sprechen sei, da „[…]
die journalistischen Anwälte in dieser Konzeption ihr Mandat […] nicht von ihrer Klientel der
Rezipienten erhalten“.220 Auch Boventer erklärt eine anwaltschaftliche Rolle rundweg für
unpassend, weil Journalisten nicht zu plädieren hätten, sondern Sachverhalte möglichst vielsei-
tig und ausgewogen unparteilich darzustellen hätten.221 Derartige Kritik spricht Journalismus
auch das Recht ab, medienfernen bzw. artikulationsschwachen gesellschaftlichen Gruppen wie
Minderheiten den Weg zu einer öffentlichen Äußerung zu ebnen, weil so vermeintlich die
gesellschaftlichen Proportionen ‚ideologisch‘ verzerrt würden.222 Diese Kritik ignoriert, dass
schon das Postulat vermeintlicher Objektivität beständig zu einer Verschärfung bestehender
Verzerrungen öffentlich repräsentierter Meinungen führt.223
Diese Einwände laufen ins Leere, wenn der Weg zum anwaltschaftlichen Journalismus über
die theoretische Fundierung des Grothschen Modells eines journalistischen Gesprächsanwalts
führt: Aus der Formulierung einer anwaltschaftlichen Position, die keine inhaltliche Positionie-
rung oder gar einen Bias zugunsten einer Gruppe voraussetzt, sondern im klassischen
Grothschen Sinne den Journalisten auf die Gewährleistung des gesellschaftlichen Gesprächs
aller verpflichtet, geht die Notwendigkeit hervor, partizipationsfördernde Strategien anzuwen-

220 Kepplinger 1979b, S. 26 FN 92


221 Vgl. Boventer 1984a, S. 427
222 Während solch eine Pauschalkritik an jeder Form journalistischer Parteinahme ins Leere läuft, ist die Beobach-
tung zutreffend, dass alternative Journalismustypen dann, wenn sie z.B. weltanschauliche oder milieu-kulturelle
Barrieren errichten, die genuine Stärke ihrer kommunikativen und lebensweltlichen Verankerung in Partikula-
rismen weitgehend wieder aufgeben. Vgl. zur generellen Kritik an der Leistungsfähigkeit von Alternativmedien
Starkulla (1988). Weitaus positiver bewertet Oy (2005) die kommunikativen Möglichkeiten der Gegenöffent-
lichkeit. Feststeht allerdings, dass solche ‚Journalismus‘-Angebote schon hinsichtlich ihrer technischen Reich-
weite auf sich selbst gestellt kaum imstande sind, auf gesamtgesellschaftlicher Ebene Öffentlichkeit zu gewähr-
leisten. Sie zielen – wie beinahe alle zivilgesellschaftlichen Initiativen von gesellschaftlicher Relevanz – in letzter
Konsequenz eben auch auf die weiterreichende Aufmerksamkeit der etablierten Medien (vgl. Habermas 1992,
S. 451).
223 Vgl. Rager 1973
2 Implikationen eines kommunikativen Handlungskonzepts 215

den. Systemimmanent beruht dieser Weg auf der Hoffnung, dass veränderte Formen journalis-
tischer Ausbildung, partizipationsfördernde Handlungsoptionen stärken können. Der anwalt-
schaftliche Journalismus kann so als „ein neues, noch in Entwicklung begriffenes Professiona-
lisierungs-Konzept“ verstanden werden, das sich an lebensweltlichen Kommunikationsmus-
tern orientiert und auf dieser Weise massenmedial induzierte Verkürzungen konterkariert.224
Merkmale dieses alternativen Professionalisierungskonzeptes, das in vielen Aspekten idealty-
pisch verstanden werden muss, um normative Überanstrengungen zu vermeiden, sind laut
Fabris das
„[…] aktive Eintreten für die Interessen unterprivilegierter Minderheitsgruppen, das persönliche ‚Betroffen-
sein‘ als Kriterium für die Legitimierung einer authentischen journalistischen Berichterstattung, die möglichst
intime Kenntnis des Berichterstattungsgegenstandes, der Verzicht auf den Anspruch allgemeiner – im Sinne
von ‚objektiver‘ – Gültigkeit […] formulierter Aussagen, die offene Begründung der eigenen Parteinahme, die
diese transparent und überprüfbar machen soll, die gemeinsam mit den Berichts-Betroffenen zu organisieren-
de Medienarbeit, die Absage gegen eine strikt hierarchische und arbeitsteilige Organisation journalistischer
Produktion“.225

Durch einen solcherart verstandenen Journalismus können die Grundzüge einer teilhabe- und
verständigungsorientierten gesellschaftlichen Öffentlichkeit gewährleistet werden. Diese
Potenziale dürfen aber nicht durch eine schon konzeptionelle Fokussierung auf Laien-
Journalismus in Randbereiche öffentlicher Kommunikation expediert werden. Verallgemeine-
rungsbedürftige Interessen können letztlich nur in einer gesamtgesellschaftlichen Öffentlich-
keit verhandelt werden, weltanschaulich vorgeprägte Teil- oder Alternativöffentlichkeiten allein
sind dazu kaum in der Lage. Sie müssen zu einer umfassenderen öffentlichen Sphäre vernetzt
werden, bzw. von einer solchen – professionell journalistisch gewährleisteten – Öffentlichkeit
umgriffen werden. In gegenöffentlichen Strukturen und Massenmedien gleichermaßen sind
kommunikative Gegentendenzen notwendig, um Partizipationschancen zu erhalten, die durch
journalistischen Elitismus und medialen Funktionalismus bedroht sind.226 Die Aufgabe der
Verständigungs- und Teilhabeorientierung stellt sich in erster Linie einem etablierten Journa-
lismus, dessen kommunikative Wurzeln noch nicht ausgetrocknet sind.

2.4.3 Exkurs: Die US-amerikanische Perspektive des ‚Public Journalism‘

Die Diskussion über ‚anwaltschaftlichen‘ Journalismus, die vor allem in den 1970er Jahren in
Deutschland geführt worden ist, besitzt ein Pendant in der hierzulande nur wenig rezipierten

224 Fabris 1979, S. 248f. Ob diese Hoffnungen allerdings realistisch sind, muss als offen betrachtet werden, wie
Rust (1982, S. 522) einwendet : „Der Gedanke, daß Journalismus auf diesem Weg [der akademischen Ausbil-
dung, -cb-] weniger anfällig für die Deformation durch eine konkrete Praxis und ihre Weltdeutung wird, daß
umgekehrt die verallgemeinerten Fähigkeiten sogar zu einer Neustrukturierung der Praxis führen könnten, ist
theoretisch plausibel, praktisch allerdings noch irrelevant. Denn die Frage bleibt offen, ob durch das akademi-
sche Planspiel auch der öffentliche Kredit wächst, der sich auf genau jene kompensatorischen oder emanzipa-
torischen Fähigkeiten bezieht, die in der Theorie der kommunikativen Kompetenz angelegt sind.“
225 Fabris 1979, S. 209
226 Vgl. Baum 1994, S. 267. Rust (1982, S. 525) weist in diesem Zusammenhang zu Recht darauf hin, dass es nicht
ausreichen kann, lediglich den etablierten Journalismus durch Ausbildung zu verbessern, wenn man auch dem
alternativen Journalismus eine gesellschaftlich zunehmend zentrale Funktion hinsichtlich der Eröffnung kom-
munikativer Partizipationschancen zuweist. In diesem Falle müsse es darum gehen, den Journalismus in seiner
ganzen Breite – und das bedeutet auch den alternativen Journalismus – durch Steigerung der kommunikativen
Kompetenz seiner Akteure zu verbessern.
216 IV Aspekte der kommunikativen Rationalität des Journalismus

aktuellen US-Debatte über die demokratische Aufgabe des Journalismus.227 Dabei geht es um
Konzepte von „Public Journalism“228, „Civic Journalism“229 oder „Participatory Journalism“230.
Kern der Bewegung ist das Ziel, Rezipienten nicht als passive Konsumenten anzusprechen,
sondern als aktive Bürger in ihren Teilhaberechten ernst zu nehmen.231 Entstanden sind die
ersten diesbezüglichen Versuche in Form einer ‚experimentellen Bewegung‘, die durch enge
Kooperation zwischen Theorie und Praxis geprägt ist. Es geht darum, einen ‚anderen‘ Journa-
lismus zu betreiben und ihn zugleich auch konzeptionell so zu fassen, dass er als eine Alterna-
tive angesehen werden kann.232
Das partizipatorische Anliegen des ‚Public Journalism‘ ist die Erweiterung des klassischen
Nachrichtenjournalismus zu einem Journalismus, der diskursive gesellschaftliche Kommunika-
tion nicht nur darstellt oder vermittelt, sondern aktiv ermöglicht. Die ‚reine‘ Nachrichtenbe-
richterstattung des etablierten ‚objective journalism‘ wird als nicht ausreichend betrachtet:
„There’s also a job of improving the community’s capacity to act on the news, of caring for the quality of
public dialogue, of helping people engage in a search for solutions, of showing how a community might grap-
ple with – and not only read about – its problems.”233

Um diese Ziele zu erreichen, wendet sich der ‚Public Journalism‘ neben der Veränderung
klassischer Berichterstattungsmuster (weg von den oftmals konfliktorientierten Nachrichten-
faktoren, hin zu verständigungsorientierten Formen des Ausgleichs) auch Vermittlungsformen
zu, die klassisch außerhalb des Journalismus liegen und eher sozialarbeiterische Züge tragen.
Schaffer spricht in diesem Zusammenhang von einer „guide-dog role“, die Journalismus für
ein Gemeinwesen einnehmen könne.234
Rosen benennt „civic participation, deliberative dialogue, cooperative problem-solving, ta-
king responsibility for the place where you live, make democracy work“ als Ziele, auf die ein
teilhabeorientierter Journalismus hinarbeiten kann.235 Dabei lassen er und andere Theoretiker
keine Zweifel daran, dass diese Ziele innerhalb des privatwirtschaftlichen Mediensystems
erreicht werden sollen, schließlich sei ‚Public Journalism‘ auch eine Strategie für Verlagshäuser,
um durch mehr Lesernähe die eigene Marktposition zu stärken.236 Besserer Journalismus, so
die klare Rechnung, ist auch gut fürs Geschäft. Und besserer Journalismus erschöpft sich nicht
in besser geschriebenen Geschichten, sondern bedarf darüber hinaus einer offeneren und
partizipationsfördernden Organisation öffentlicher Diskurse durch Journalismus.237
Dabei begreifen sich Journalisten, die sich dem ‚Public Journalism‘-Konzept verpflichtet
fühlen, als Anwälte des gesellschaftlichen Gesprächs und der Deliberation, nicht aber als
Vertreter einer bestimmten Meinung oder Richtung; sie sehen sich weiterhin als neutrale

227 Vgl. den Überblick in Lünenborg 2005b


228 Charity 1995; Rosen 1996; Merritt 1997
229 Schaffer 1997; Dillon o.J.
230 Lasica 2003
231 Vgl. auch Public Journalism Network 2003: Der Gründungsdeklaration des Netzwerks zufolge soll Public
Journalism Menschen als „political actors“ und nicht nur als „political consumers“ ansprechen.
232 Vgl. Rosen 1997. Dass dies im suggerierten umfassenden Sinn gelingt, kann angesichts der bisherigen Evaluati-
onsergebnisse des ‚Public Journalism‘ bezweifelt werden (vgl. Lünenborg 2005b, S. 151ff.)
233 Rosen 1997, o.S.
234 Schaffer 1997, o.S.
235 Rosen 1997, o.S.
236 Vgl. Fink 2001, S. 203f.
237 Vgl. Schaffer 2002
2 Implikationen eines kommunikativen Handlungskonzepts 217

Wegbereiter öffentlicher Verständigung und weniger als Vorkämpfer einer bestimmten Idee.238
Deutlich umreißt Schaffer, was ‚Civic Journalism‘ nicht ist:
„It’s not boosterism. It is not about editors sitting on community boards. It is not abandoning objectivity.
And it’s not imposing a newspaper’s agenda on a community.”239

Stattdessen ist es die Aufgabe des ‚Civic Journalism‘, in Interaktion mit Lesern zu gelangen, um
deren Fähigkeiten, als Bürger zu agieren, zu verbessern und damit gesellschaftliche und demo-
kratische Strukturen zu stärken.240
Diese jüngeren Konzepte eines partizipationsorientierten Journalismus, die seit Anfang der
1990er Jahre in den USA diskutiert werden, sind als moderne Adaptionen älterer Konzepte wie
‚New Journalism‘ oder anderer alternativer Vermittlungsformen anzusehen, auf deren Diskurse
v.a. hinsichtlich einer praktikablen Fassung des Objektivitätsbegriffs sie auch durchaus verwei-
sen.241 Darüber hinaus sind sie von Interesse, weil sie die Möglichkeiten der Orientierung und
der Partizipationssteigerung durch einen aktivierenden Journalismus in die bestehende Medien-
struktur hineinverlagern und mit ökonomischen Gewinninteressen koppeln. Sie sind daher in
kommunikationspolitischer Hinsicht weit pragmatischer als mancher bundesdeutsche Entwurf
aus den 1970ern.
Viele Autoren des stark praxisorientierten Diskurses des ‚Public Journalism‘ bemühen sich
allerdings nicht um eine eigenständige journalismustheoretische Begründung ihrer Ansätze,
sondern bedienen sich – soweit sie eine theoretische Grundlegung überhaupt anstreben – aus
dem Fundus des US-amerikanischen Pragmatismus bzw. jüngerer kommunitaristischer Kon-
zepte, die eine Stärkung des Lokalen auch normativ zu fassen suchen.242 Eine Ausnahme ist
Rosen, der sich einer systematischen Grundlegung eines veränderten Journalismusverständnis-
ses widmet, in dem er die Prämisse formuliert, dass Journalismus zwar stets als politisch
anzusehen ist, dass er aber nicht das Volk repräsentiere, sondern der Idee der Öffentlichkeit
verpflichtet sei.243 Ein Unterschied ums Ganze, der letztlich auf die Rolle des Diskursanwaltes
zielt:
„[…] while journalists do not represent the people, they do represent the public, and that is not the same
thing. The people can settle matters by voting in and recalling their leaders. But the public never settles any-
thing; it talks some more, it marches on, it joins in debate and hopefully it learns. […] The press is […] sup-
posed to feed and sustain the public.”244

Auch wenn die Annahme, dass Journalisten Öffentlichkeit repräsentieren weder bedeuten darf,
dass Journalisten hier einen Alleinvertretungsanspruch besitzen, noch dass sie in der Lage
seien, Öffentlichkeit in ihrer Komplexität zu überblicken, so weist diese Konzeption doch
immerhin darauf hin, dass Journalisten in Verantwortung für das Zustandekommen und
Gelingen öffentlicher Kommunikation stehen. Daher stellt sich Rosen gegen Versuche, journa-
listische Parteinahme zu diskreditieren. Neutralität sei nicht möglich, da sich Journalisten nicht

238 Vgl. Merritt 1997


239 Schaffer 1998, o.S.
240 Vergleichbare Versuche gibt es auch in Deutschland, wenngleich zumeist ohne die demokratieorientierte
Emphase des ‚Public Journalism‘. Siehe z.B. die im ‚Lokalredaktionsdienst‘ des Verbandes der Lokalpresse in
Ausgabe 11/1998 zusammengestellten Beispiele und Überlegungen zu einem besseren Dialog mit dem Leser.
241 Vgl. Dillon o.J.
242 Vgl. zum Konzept des Kommunitarismus klassisch Etzioni 1993.
243 Vgl. Rosen 1996; 1999
244 Rosen 2003, o.S.
218 IV Aspekte der kommunikativen Rationalität des Journalismus

außerhalb der öffentlich diskutierten Themen und Ereignisse befänden, sondern mitten
darin.245 Verhindert werden müsse eine übermäßige Politisierung des Journalismus, die Forde-
rung nach einer unpolitischen Berichterstattung über Politik hingegen sei ‚absurd‘.246 Von
derartigen Bemerkungen lässt sich eine Brücke zum Konzept eines diskursiven Journalismus
schlagen, das im gesellschaftlichen Dialog (im Sinne eines ‚Public Journalism‘) explizit auf
journalistische Wertungen setzt und zugleich darum bemüht ist, der einem solchen Journalis-
mus zugrunde liegenden kommunikativen Rationalität den Raum zu geben, den sie benötigt.247
Für die US-amerikanischen Kommunikationswissenschaftler, die den ‚Public Journalism‘
als Konzept vertreten, bleibt damit trotz aller konkreten Reformvorschläge ein journalistisches
Handeln, das in die Kommunikation potenziell entgrenzende Infrastruktur der Massenmedien
eingebunden ist, unverzichtbar, um eine ausreichende Reichweite und die damit verbundene
soziale Orientierung zu gewährleisten. Folgt dieses journalistische Handeln den normativen
Mustern des gegenüber der Öffentlichkeit und dem gesellschaftlichen Gespräch anwaltschaft-
lich verpflichteten Journalismus, dann nutzt es zwar die systemisch-technische Infrastruktur
der Massenmedien, versucht aber zugleich die Aporien der Verberuflichung des Mediatorhan-
delns durch Bewahren einer eigenständigen kommunikativen Kompetenz zu vermeiden.
Charakteristika eines teilhabeorientierten journalistischen Handlungsmodus – auch jenseits des
‚Public Journalism‘, der letztlich mehr eine Wiederbelebung und Neuakzentuierung des anwalt-
schaftlichen Journalismus, denn ein ‚neues‘ Konzept darstellt248 – sind das Bemühen um
Authentizität der Information, um Parteinahme für Unterprivilegierte und darum, die Bezie-
hung zwischen Berichterstatter und Betroffenen als eine Beziehung zwischen Subjekten zu
gestalten.249 Ziel eines so verstandenen Journalismus ist es, die kommunikative Kompetenz der
Gesellschaftsmitglieder gleichermaßen vorauszusetzen und zu entwickeln und somit kommu-
nikative Verständigung in komplexen ausdifferenzierten Gesellschaften zu ermöglichen.

3 Implikationen einer lebensweltlichen Verankerung


In der Ausformulierung eines kommunikativen Journalismus-Konzepts sind Fragen der
Gewährleistung eines geteilten lebensweltlichen Kommunikationshintergrundes und der
Inklusion aller potenziell Beteiligten in kommunikative Meinungs- und Willensbildungsprozes-
se in den Mittelpunkt gerückt. Der öffentliche, durch Massenmedien und journalistisches
Handeln gewährleistete Kommunikationsprozess kann verstanden werden als eine – angesichts
der sozialen Ausdifferenzierung moderner Gesellschaften notwendige – Entgrenzung des
lebensweltlichen Gesprächs. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass dieses entgrenzte öffentli-
che Gespräch über die verschiedenen, funktional definierten Systemgrenzen hinweg, idealiter

245 Public Journalism „[…] challenges the fiction of the journalist as someone without a political life“, konstatiert
Rosen (1996, S. 76). Diese Betrachtungsweise steht frontal gegen eine systemtheoretische Perspektive, die in
Journalismus explizit nichts anderes als einen Beobachter gesellschaftlicher Vorgänge zu sehen vermag (vgl.
Hug 1997, S. 361).
246 Vgl. Rosen 2003
247 Hoffnungen hinsichtlich der Entwicklung eines teilhabeorientierten Journalismus setzen Protagonisten des
Public Journalismus in die so genannten ‚Weblogs‘. Diese würden aus den Public Journalism einen „Public‘s
Journalism“ machen (Witt 2004) bzw. einem neuen „Participatory Journalism“ Auftrieb geben (Lasica 2003).
248 Vgl. Lünenborg 2005b, S. 155f.
249 Vgl. Fabris 1979, S. 259 Darüber hinaus ist wird vor diesem Hintergrund die Bedeutung der materiellen
Verfügbarkeit medialer Produktionsmittel für alle Mitglieder einer Gesellschaft besonders hervorgehoben,
durch deren Gewährleistung für wechselseitige Kommunikationsprozesse notwendig ist.
3 Implikationen einer lebensweltlichen Verankerung 219

genuin lebensweltlicher Interaktion vergleichbaren Regeln folgt, wenn es rationale Überein-


künfte produzieren soll. Es bleibt rückgebunden an die Ideen der allgemeinen Zugänglichkeit
des Diskurses und der (sprachlich immanenten) Verpflichtung auf Rationalität der Teilnah-
me.250 Als kontrafaktische formalpragmatische Unterstellungen sind diese jedem kommunika-
tiven Handeln inhärent, so dass sich auch journalistisches Handeln, sofern es nicht zweckratio-
nal-strategisch reduziert wird, ihrer Logik nicht entziehen kann.
Sollen die gesellschaftlichen Leistungen journalistischen Handelns idealtypisch bestimmt
werden, so ist dafür die Betrachtung seiner Leistungen für die Reproduktion und die Rationali-
sierung der Lebenswelt notwendig. Das auch makrosozial anschlussfähige Konzept der Le-
benswelt stellt einen „Komplementärbegriff zum kommunikativen Handeln“ dar.251 Da
Habermas ihn zunächst dem individualistischen phänomenologischen Denken entnimmt und
dann zu einem gesellschaftstheoretischen Begriff weiter entwickelt, ergeben sich zwei unter-
schiedliche Begriffsverwendungen, die in der Verknüpfung formalpragmatischer Argumente
der Kommunikationstheorie mit soziologischen Annahmen der Theorie der Moderne gründen.
(1) Als formalpragmatischer Begriff kennzeichnet Lebenswelt den ungewussten Hintergrund und
Horizont der Interaktion. Lebenswelt besteht demnach aus den Ressourcen kulturelles
Hintergrundwissen, persönliche Fertigkeiten und eingelebte Solidaritäten, die den Teil-
nehmern in kommunikativen Interaktionen zur Verfügung stehen, die aber gleichermaßen
als Restriktionen deren Handlungsspielraum begrenzen.
(2) Als sozialwissenschaftlicher Begriff bezeichnet Lebenswelt außerdem – in sozialwissenschaftlich
begründeter Objektivation aus der Beobachterperspektive – den gesellschaftlichen Bereich
der intentional durch kommunikatives Handeln symbolisch reproduzierten sozialen Di-
mensionen.252
Habermas legt den Akzent in seinem Entwurf darauf, dass Lebenswelt beides ist: Vorausset-
zung und Ergebnis kommunikativer Handlungen. Daher nimmt er unterschiedliche Perspekti-
ven ein, aus denen heraus er zum einen die Leistungen der Ressourcen für den Teilnehmer und
zum anderen die Reproduktionsleistungen des kommunikativen Handelns für die symbolische
Integration der Lebenswelt beschreibt. Dieser Perspektivenwechsel von der formalpragmatisch
verstandenen Lebenswelt hin zu einem soziologischen Gesamtkonzept dient der „methodolo-
gische[n] Vergegenständlichung der Lebenswelt als grenzerhaltendes System“253, mit der die
Grundbedingungen für einen zweistufig angelegten Gesellschaftsaufbau geschaffen werden.
Die beiden Lebensweltkonzepte stehen allerdings nicht lose nebeneinander, sondern sind
grundbegrifflich miteinander verklammert.254 Dadurch gewinnen die in mikrosozialen Konzep-

250 Auf diesen Zusammenhang verweist Burkart (1998a, S. 517) in seiner Auseinandersetzung mit Habermas.
251 Habermas 1995 [1981], Bd. 2, S. 182
252 Vgl. dazu Balkenhol 1991, S. 136. Matthiesen (1983, S. 45) identifiziert in seiner Studie über den Lebenswelt-
begriff bei Habermas sogar vier Konzepte (LW I - LW IV), indem er die hier auch vorgenommene Teilnehmer-
Beobachter Differenzierung noch einmal danach differenziert, ob die Einstellung zur Lebenswelt „quasi-
transzendental/formalpragmatisch“ oder „mundan“ ist. Auf derartige Differenzierungen soll hier verzichtet
werden, da es hier nicht in erster Linie um eine theoretische Auseinandersetzung mit der Habermasschen The-
orie geht, sondern um deren modifizierte Anwendung zur Beschreibung eines spezifischen gesellschaftlichen
Handlungsmodus und seines systemischen Rahmens. Die Unterscheidung zwischen einem formalpragmati-
schen Teilnehmer-Begriff und einem sozialwissenschaftlichen Beobachter-Begriff erscheint dazu ausreichend.
253 McCarthy 1989, S. 535
254 Diese Verklammerung ist sowohl von soziologischer wie von philosophischer Seite der Kritik ausgesetzt, die an
dieser Stelle nur angerissen werden kann. Joas (1986, S. 166f.) bemängelt, dass Habermas den Status der unter-
schiedlichen Verwendungen von Lebenswelt als ordnungstheoretischer Typus und als erkenntnistheoretische
Position nicht hinreichend voneinander unterscheidet. Schnädelbach (1986, S. 28) kritisiert in ähnlicher Stoß-
richtung die seiner Ansicht nach mangelhafte Verknüpfung der Beobachter- und der Teilnehmer-Perspektive:
220 IV Aspekte der kommunikativen Rationalität des Journalismus

ten fußenden Annahmen der Universalpragmatik gesellschaftstheoretische Relevanz. Den


formalpragmatischen Ressourcen der Lebenswelt aus der Teilnehmerperspektive – Hinter-
grundwissen, Solidaritäten und Fertigkeiten – entsprechen aus sozialwissenschaftlicher Per-
spektive die Lebensweltkomponenten Kultur, Gesellschaft und Persönlichkeit. Diese Kompo-
nenten werden zu analytischen Zwecken objektiviert und erhalten daher aus der Sicht des
sozialwissenschaftlichen Beobachters als ‚symbolische Gegenstände‘ gegenüber dem kommu-
nikativen Akteur, anders als das Hintergrundwissen der formalpragmatischen Lebensweltbe-
stimmung, eine eigenständige Stellung, indem sie als Produkte vorangegangener Handlungs-
prozesse oder als tradierte Handlungsressourcen eingeführt werden.255 Dass dadurch das streng
genommen nur implizite Hintergrundwissen zu einem expliziten und beobachtbaren Tatbe-
stand wird256, ist eine notwendige rekonstruktive ‚Objektivation‘, nicht ein grundlegender
Wechsel des Analysegegenstands. In der soziologisch-gesellschaftstheoretischen Perspektive
richtet sich das Interesse des Forschers nicht mehr wie in der kommunikationstheoretischen
Konzeption auf die Leistungen der Lebenswelt für das kommunikative Handeln, sondern
vielmehr auf die Leistungen des kommunikativen Handelns für die symbolische Reproduktion
der Lebenswelt. Während der Lebensweltbegriff aus der Teilnehmerperspektive als ein Wis-
sensbegriff behandelt wird, versteht ihn der beobachtende Sozialwissenschaftler als einen –
allerdings nur näherungsweise rekonstruierbaren und rekonstruierten – ‚Tatsachenbegriff‘.
Das Lebenswelt-Konzept kann vor allem in seinem zweiten Verständnis genutzt werden,
um die mikrosoziale Journalismusanalyse systematisch mit den bereits angerissenen gesell-
schaftsrelevanten Überlegungen zu Verständigung, Sozialisation, Partizipation und sozialer
Integration zu verbinden. Vor diesem Hintergrund ist Journalismus ein zentraler Modus, die
Ressourcen der Lebenswelt gesellschaftlich verfügbar zu halten, zu entwickeln oder zu verän-
dern. Empirische Beispiele zeigen,
„[…] dass die Funktion der Medieninhalte als ‚soziales Gleitmittel‘ zwar eine Relevanz für die Aufnahme und
Erhaltung sozialer Interaktionen besitzt. Fundamentaler und gesellschaftlich tief greifender sind jedoch die
mit den Massenmedien verbundenen, sozialisierenden bzw. kultivierenden Wirkungen. Medien sind ein wich-
tiger Maßstab zur sozialen Orientierung der Akteure“.257

Aus dem Bezug kommunikativen Handelns auf das Lebenswelt-Konzept lassen sich journalis-
tische Aufgaben und Funktionen ableiten, die auf diese Wirkungen bezogen sind.258 Dazu ist
an den erwarteten oder vermuteten Konsequenzen, Zielen und Leistungen des Journalismus
anzusetzen, um zu Rückschlüssen darüber zu gelangen, welche qualitativen Merkmale ein

Auf der einen Seite versuche Habermas, Lebenswelt von ihrem „ursprünglichen phänomenologisch-
bewußtseinsphilosophischen Einführungskontext“ abzulösen, um Raum für eine gesellschaftstheoretische
Verwendungsweise zu gewinnen, andererseits aber wolle er die Teilnehmerperspektive beibehalten, aus der her-
aus Gesellschaft als Lebenswelt einer sozialen Gruppe gesehen wird.
255 Das Lebensweltkonzept weist darin auch Überschneidungen zu einem sozialen Konstruktivismus auf, wie ihn
Berger und Luckmann (1980) vertreten.
256 Diesen Umstand hebt Dietz (1993) kritisch hervor.
257 Vlasic 2004, S. 225
258 Begreift man journalistische Kommunikation als kommunikatives Handeln, dann wird aus dieser Perspektive
das Publikum zu eben dem Gesprächspartner, der letztlich über die Bedeutung des kommunikativen Angebots
entscheidet. Nicht mehr eine passive Informationsübertragung, sondern ein aktiver Vermittlungsprozess rückt
ins Zentrum der Betrachtung. Die Perspektive ähnelt der, die auch von kulturwissenschaftlichen Annäherungen
favorisiert wird (vgl. Pätzold 2002, S. 38). Weder die Unverbindlichkeit des radikalen Konstruktivismus noch
der rigide Essentialismus klassischer normativer Setzungen á là Dovifat sind ausschlaggebend, sondern die
kommunikative Beziehung, die durch journalistisches Handeln hergestellt wird und in deren Verlauf über die
Bedeutung der Situation und des Kommunikationsvorgangs ein gemeinsames Verständnis erlangt werden kann.
3 Implikationen einer lebensweltlichen Verankerung 221

Journalismus besitzen muss, der diesen Erwartungen gerecht wird. Es geht nicht um eine
erschöpfende Formulierung eines Kriterienkatalogs journalistischer Funktionen259, sondern um
vorläufige und heuristische Überlegungen zu den Konsequenzen, die eine Umstellung journa-
lismustheoretischer Erörterungen auf ein kommunikatives Modell nach sich ziehen könnten.260
Neben den bereits skizzierten Grundbegriffen Interaktion, Orientierung, Verständigung
und Teilhabe handelt es sich bei den makrosozialen Leistungen des Journalismus primär um
die Gewährleistung der gesellschaftsweiten Zugänglichkeit und Reproduktion symbolischer Ressourcen der
Lebenswelt. Durch dieses Verfügbarmachen eines gemeinsamen kommunikativen Hintergrundes
für das gesellschaftliche Zeitgespräch trägt journalistisches Handeln in modernen differenzier-
ten Gesellschaften auch zur kulturellen Formierung, zur sozialen Integration sowie zur individuellen
Sozialisation bei.261 Diese Leistungen können im Abgleich mit der Verschränkung von kommu-
nikativem Handeln und Lebenswelt sozialwissenschaftlich beschrieben werden.

3.1 Teilnehmerperspektive: Formalpragmatisches Verständnis von Lebenswelt

In Auseinandersetzung mit phänomenologischen Konzeptionen kann Lebenswelt kommunika-


tionstheoretisch als die Sphäre der kommunikativen Alltagspraxis verstanden werden, die
durch eine gemeinsame Sprache zusammengehalten wird.
„Die kommunikativ Handelnden bewegen sich stets innerhalb des Horizonts ihrer Lebenswelt; aus ihm kön-
nen sie nicht heraustreten. […] Die Lebenswelt ist gleichsam der transzendentale Ort, an dem sich Sprecher
und Hörer begegnen, wo sie reziprok den Anspruch erheben können, daß ihre Äußerungen mit der Welt (der
objektiven, der sozialen oder der subjektiven Welt) zusammenpassen; und wo sie diese Geltungsansprüche
kritisieren und bestätigen, ihren Dissens austragen und Einverständnis erzielen können. Mit einem Satz: zu
Sprache und Kultur können die Beteiligten in actu nicht dieselbe Distanz einnehmen wie zur Gesamtheit der
Tatsachen, Normen oder Erlebnisse, über die Verständigung möglich ist.“262

Die Lebenswelt bildet in einem solchen Verständnis den Hintergrund, vor dem Kommunikati-
onsteilnehmer in konkreten Interaktionen in Aushandlungsprozesse der Situationsdefinition
treten. In einem solchen Verweisungszusammenhang werden die Situationsbestandteile unter-
einander und die Situation als Ganzes mit der Lebenswelt verknüpft, um den konkret relevan-
ten Ausschnitt durch Kommunikation zu aktualisieren, während die Lebenswelt als Ganzes
weiterhin als „Selbstverständlichkeit“263 im Hintergrund das ungewusste Fundament des themati-
sierten Kontextes bildet. Die Lebenswelt ist daher im eigentlichen Sinne nicht reflexiv, sondern
wird unhinterfragt als Rahmen und Basis der Handlungen herangezogen.
Lebenswelt fungiert nicht nur als Kontext der Handlungssituation, sondern als Ressource
für die Handelnden selbst. Sie ist ein „[…] Reservoir von Selbstverständlichkeiten oder uner-
schütterten Überzeugungen, welche die Kommunikationsteilnehmer für kooperative Deu-

259 Derartige Versuche reichen von kommunikationspolitischen oder legitimistischen Anforderungsprofilen bis hin
zu abstrakten systemtheoretischen Funktionsbestimmungen.
260 Rust (1982, S. 525) weist darauf hin, dass es viele unterschiedliche kulturelle Bezugsrahmen mit unter-
schiedlichen Rationalitäten gibt, in die ein Individuum eingespannt ist: „Die oft beschworene Rationalität wäre
die Fähigkeit, diese widerstreitenden Aspekte in eine sinnhafte Beziehung zueinander zu bringen, die nicht nur
die Vordergründigkeit der Alltagsgeschäfte, sondern auch deren Konsequenzen berücksichtigt.“
261 Vgl. grundsätzlich Vlasic 2004, S. 173: „Die individuell-sozialisierende Funktion der Medien schlägt sich als
aggregiertes, kollektives Phänomen allgemein gesprochen in gemeinsamen Orientierungen nieder.“
262 Habermas 1995 [1981], Bd. 2, S. 192
263 Ebd., S. 189
222 IV Aspekte der kommunikativen Rationalität des Journalismus

tungsprozesse benutzen“.264 Habermas bezieht diesen Lebenswelt-Begriff zunächst auf die


beiden Komponenten Sprache und Kultur. Beide versorgen die Sprecher in einer Situation mit
geteilten und als garantiert unterstellten Hintergrundüberzeugungen, die nicht thematisiert
werden. Die Lebenswelt bildet einen sprachlich organisierten Fundus von Hintergrundannah-
men, die auf dem Wege kultureller Überlieferung erhalten bleiben. In der Lebenswelt und vor
dem Hintergrund ihrer Ressourcen findet alles soziale Handeln – auch das journalistische
Handeln – statt; die Handelnden benutzen das präreflexive Wissen der Hintergrundannahmen
nicht nur, sie revidieren und erneuern es auch durch Nutzung.
Journalistisches Handeln trägt dazu bei, kulturelle Wissens- und Interpretationsressourcen
zu überliefern und zu entwickeln. Im formalpragmatischen Sinne strukturiert Journalismus
dadurch den lebensweltlichen Hintergrund zwischenmenschlicher Kommunikation und hält
ihn verfügbar. Medienvermittelte Kommunikation und damit auch die Produkte journalisti-
schen Handelns besitzen eine zentrale Bedeutung für die kommunikativen Möglichkeiten
handelnder Subjekte in modernen Gesellschaften. Medien und Journalismus stellen maßgeblich
den Deutungs- und Bedeutungsvorrat bereit, aus dem wir in kommunikativer Interaktion
schöpfen; sie produzieren und reproduzieren kulturelle Verweissysteme.265
Habermas erweitert das der Phänomenologie entnommene Verständnis von Lebenswelt
als kulturellem Hintergrundaspekt allerdings um – jeweils intuitive – individuelle Fertigkeiten
(Wie werde ich mit einer Situation fertig?) und soziale Praktiken (Worauf kann ich mich in
einer Situation verlassen?).266 Diese sind, ebenso wie das kulturelle Hintergrundwissen, durch
einen paradoxen Status gekennzeichnet, da sie den Teilnehmern sowohl als Bestandteile der
Handlungssituation wie auch als lebensweltlicher Hintergrund begegnen: Sie können einerseits
als Persönlichkeitsstrukturen und gesellschaftliche Institutionen den Initiativspielraum des
Handelnden begrenzen; sie können andererseits als persönliche Kompetenzen und eingelebte
Solidaritäten Ressourcen für das kommunikative Handeln bereitstellen.267 Diese Ressourcen
entfalten ihre Kraft für Verständigungsprozesse genauso wie die kulturellen Hintergrundüber-
zeugungen aus ihrem präreflexiven Status als unbewusste Erfahrungs- und Erwartungssicher-
heiten.
Dass der grundlegende Modus der Lebenswelt aus der Teilnehmerperspektive einer der
Selbstverständlichkeit ist, ergibt sich aus ihrer Komplementarität zum kommunikativen Han-
deln: Das Aushandeln übereinstimmender Situationsdefinitionen und die Klärung der gemein-
samen Handlungsabsichten bedarf jeweils eines festen Vorrats an nicht notwendigerweise zu
hinterfragenden gemeinsamen Grundüberzeugungen, die ein Fundament für erfolgreiche
Verständigungsprozesse bilden können. Erst durch diese Erwartungssicherheiten können
Menschen im Gespräch miteinander kommunizieren. Ein guter Teil der unhinterfragt oder
sogar ungewusst einem Kommunikationsvorgang hinterlegten lebensweltlichen Ressourcen hat
medial vermittelt oder gar medial produziert Eingang in den lebensweltlichen Hintergrund
gefunden. Journalistisches Handeln ermöglicht bisweilen überhaupt erst die interpersonale
Anschlusskommunikation, ohne dass dieser Zusammenhang den Handelnden oder Kommuni-
zierenden einsichtig sein muss, da Lebenswelt zur Gänze stets unverfügbar im Hintergrund des

264 Ebd., S. 189


265 Luhmann (1996, S. 9) hat das überspitzt in der Aussage: „Was wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt, in
der wir leben, wissen, wissen wir durch die Massenmedien.“ Angesichts der vielfältigen sozialen Eingebunden-
heit in modernen Gesellschaften kann diese Allaussage kaum allgemeingültig aufrechterhalten werden.
266 Vgl. Habermas 1995 [1981], Bd. 2, S. 205. Durch die Berücksichtigung dieser Aspekte bricht Habermas mit
einem rein kulturalistischen Verständnis von Lebenswelt bereits auf der Ebene der Teilnehmerperspektive.
267 Vgl. Habermas 1995d [1984], S. 592f.
3 Implikationen einer lebensweltlichen Verankerung 223

Kommunikationsvorgangs verbleibt. Allenfalls Einzelheiten können hervorgehoben und


diskutiert werden, für den Fall dass ihre Geltung in Frage gestellt wird.
Die Gemeinsamkeit der Lebenswelt muss daher in einem radikalen Sinne verstanden wer-
den, der nahe legt, dass sie als Ganzes nicht wie ein intersubjektiv geteiltes Wissen kontrovers
werden, sondern höchstens zerfallen kann, da sie jedem möglichen Dissens voraus liegt.268 Die
kommunikative Alltagspraxis ist nur möglich, wenn ausgeschlossen ist, dass alles ganz anders
sein könnte. Nur die jeweils in einem situativen Kommunikationszusammenhang aktualisierten
Geltungsansprüche in ihren Bezügen auf die ‚objektive‘, die ‚soziale‘ und die ‚subjektive Welt‘
eignen sich als Gegenstand kommunikativer Kontroversen. Werden in einer konkreten Situati-
on Aspekte der Lebenswelt thematisiert und problematisiert, so wandelt sich deren Charakter:
Aus der bis dahin ungewusst unterstellten Selbstverständlichkeit wird ein aktuelles kulturelles
Wissen, das nun ebenso anzweifelbar ist wie alle anderen herangezogenen Geltungsansprüche.
Die Vorinterpretation wird in Frage gestellt und bedarf nun in einem diskursiven Prozess
entweder der Versicherung oder der Revision. Kommunikative Akteure schaffen und erhalten
in diesen Prozessen selbst das Fundament, das sie benötigen um ausreichend Sicherheit und
Gewissheit für ihr Handeln zu haben.269
Die Lebenswelt der Moderne zeichnet sich dadurch aus, dass die Prüfung kritisch gewor-
dener Lebenswelt-Aspekte potenziell in jedem Bereich möglich geworden ist, nachdem vor-
mals wirksame mythische oder traditionalistische Weltbilder ihre integrierende Kraft verloren
haben und eine rationalisierte Lebenswelt sich auf den sozialen Integrationsmodus des kom-
munikativen Handelns umgestellt hat.270 Für diese Rationalisierung sind vor allem Veränderun-
gen im gesellschaftlichen Normverständnis ausschlaggebend, die sich in einem abnehmenden
Grad der Repressivität, in einem abnehmenden Grad der Rigidität und in einer Annäherung an
einen Typ der Verhaltenskontrolle, welcher Rollendistanz und flexible Anwendung internali-
sierter aber reflexiver Normen möglich macht, ausdrücken.271
Journalistisches Handeln kann – wenn es sich seine Verständigungsorientierung bewahrt –
dazu beitragen, dass derartige Rationalitätssteigerungen der Lebenswelt erreicht werden, indem
vormals tradierte Normzusammenhänge dem Bereich des Unproblematisierten entnommen,
diskutiert und nach einer Übereinkunft im Diskurs wieder der Lebenswelt überführt werden.
In der Analyse dieser Leistungen ist Peters zu folgen, der ausführt, dass es vor allem die „eher
graduellen und diffusen Wandlungen des kulturellen Repertoires, Veränderungen des öffentli-
chen Argumentationshaushalts, Verschiebungen des Spektrums von Kontroversen auf der
Basis der Sedimentierung eines Bestands weitgehend akzeptierter Überzeugungen, Entwick-
lungen der Deutung zentraler Prinzipien oder Werte ebenso wie Änderungen spezifischer
kollektiver Selbstdeutungen“ sind, die als potenzielle Wirkungen öffentlicher Diskurse angese-
hen werden können.272 Insofern trägt auch journalistisches Handeln in einem ganz breit
verstandenen Sinne dazu bei, dass Lebenswelt sich rationalisiert und – in jeweiligen Ausschnit-
ten – gesellschaftlich thematisierbar wird. Öffentliche Meinungsbildung wird vor dem Hinter-
grund lebensweltlicher Kommunikation idealtypisch an die Idee zurückgebunden, dass akzep-
tierte Begründung Grundlage von Legitimation und Integration ist. Öffentliche Diskussionen
führen zu einer „Rationalisierung des öffentlichen Argumentationshaushalts“ und zu einer

268 Vgl. Habermas 1995 [1981], Bd. 2, S. 200


269 Vgl. dazu Gripp 1984, S. 94
270 Habermas (1988a) nennt daraus erwachsende intellektuelle Notwendigkeiten „nachmetaphysisches Denken“.
271 Vgl. Habermas 1969, S. 98f.
272 Peters 2001, S. 668. Weitaus pessimistischer ist Hug (1997, S. 280), der darauf verweist, dass Diskurs im Falle
unvereinbarer Positionen sogar zu einer Verschärfung der Auseinandersetzung führen kann.
224 IV Aspekte der kommunikativen Rationalität des Journalismus

„Selbstaufklärung der Beteiligten“, beides hat indirekt auch eine „Rationalisierung aktueller
politischer Entscheidungen“ zur Folge.273 Die Bedingungen für rationales Handeln in der
Lebenswelt jedenfalls werden durch eine fortschreitende Umstellung lebensweltlicher Ressour-
cen auf kommunikative Übereinkunft zunächst verbessert.

3.2 Beobachterperspektive: Sozialwissenschaftliches Verständnis von Lebenswelt

Auf gesellschaftlicher Ebene können Massenmedien und Journalismus als zentrale Leistungs-
träger für das kulturelle Verweissystem verstanden werden. Populärkultur in modernen Gesell-
schaften zum Beispiel ist weitgehend mediale Populärkultur; und Medien gewinnen „zusehends
eine die Welt erschließende Funktion“.274 Sozialwissenschaftlich betrachtet strukturiert Journa-
lismus den kulturellen Wissensvorrat einer Gesellschaft mit. Die Gewissheiten, die wir formal-
pragmatisch ungewusst und unbewusst unseren kommunikativen Handlungen unterlegen, sind
somit zu einem nicht geringen Teil als medial und journalistisch gewährleistet zu verstehen.
Journalistisches Handeln ist auf Gesellschaft bezogen, kompensiert durch seine Vermittlungs-
leistungen in einer öffentlichen Sphäre partiell Folgen sozialer Differenzierung und trägt damit
neben der kulturellen Reproduktion auch zur sozialen Integration und zur individuellen
Sozialisation bei.
Um diese Leistungen des Journalismus angemessen beschreiben zu können, ist ein nicht
nur formalpragmatisches, sondern auch gesellschaftsbezogenes Verständnis der Lebenswelt zu
formulieren. Innerhalb eines solchen Rahmens wird beschreibbar, inwiefern Lebenswelt
gleichermaßen die Grundlage für das journalistische Handeln und für die Idee der politisch
wirksamen verständigungsorientierten und partizipativen Öffentlichkeit bildet.275 Ein sozial-
wissenschaftlich gefasstes Verständnis von Lebenswelt erfordert einen analytischen Perspek-
tivwechsel, der die Ermöglichungsbedingungen der Ressourcen der Lebenswelt für den Teil-
nehmer aus der Beobachterperspektive ebenso beschreibbar macht wie die Reproduktionswir-
kungen seiner Handlungen für den Bestand der Lebenswelt.276 Aus dieser soziologischen
Perspektive kann der Prozess der Differenzierung und Rationalisierung von Lebenswelt in den
Kategorien Kultur, Persönlichkeit und Gesellschaft gefasst werden. Dazu allerdings müssen
Lebenswelt und ihre Bestandteile analytisch ‚objektiviert‘ werden, d.h. ein wissenschaftlich
beobachtbares und analysierbares ‚Objekt‘ muss definiert werden, um dessen Wechselbezie-
hungen zum kommunikativen Handeln aufgeklärter Akteure als Reproduktionsbedingungen
beschreiben zu können. Dieser Perspektivenwechsel ist explizit als ein methodisch-analytischer
zu verstehen, da der thematisierte Teil der Lebenswelt nicht mehr deren Bestandteil ist, son-
dern sich der Raum der Lebenswelt immer aus dem unbewussten Hintergrundwissen der
Teilnehmer konstituiert.277 Es ist nicht vorstellbar, dass der Sozialwissenschaftler sich über
diese Beschränkung hinwegsetzen und in einem vergegenständlichenden Verständnis die
Lebenswelt als Ganzes beschreiben kann.278 Lebenswelt als Bereich symbolisch reproduzierter
Gegenstände kann aufgrund dieser erkenntnistheoretischen Grenzen nur in rekonstruktiver
Näherung, nicht aber erschöpfender Beschreibung gefasst werden. Die als akteursabhängige

273 Peters 2001, S. 657


274 Göttlich/Winter 2000, S. 9
275 Vgl. Rust 1982, S. 510
276 Vgl. Habermas 1995d [1984], S. 593f.; Habermas 1986a, S. 370
277 Vgl. Habermas 1985a, S. 186
278 Vgl. Dietz 1993, S. 113
3 Implikationen einer lebensweltlichen Verankerung 225

Ressourcen eingeführten Lebenswelt-Komponenten lassen sich aus der gesellschaftstheoreti-


schen Perspektive wie folgt definieren:279
• Kultur als verständigungssichernde und an ihren Geltungsansprüchen messbare Wissens-
und Interpretationsressource, kulturelle Überlieferung als Weitergabe dieser Ressource;
• Gesellschaft als legitime Ordnung der Lebensweltangehörigen, soziale Integration als interper-
sonale Koordinierung von Handlungen und Stabilisierung der sozialen Identität der Le-
bensweltangehörigen;
• Person als subjektive Kompetenz zu verständigungsorientiertem Handeln, Sozialisation als
Erwerb dieser Kompetenz.
Wie bereits erörtert, sind Persönlichkeit und Gesellschaft ebenso wie die Kultur nicht nur als
begrenzende Faktoren der Kommunikationssituation zu verstehen, sondern in gleichem Maße
auch als Ressourcen, auf die die Handelnden zurückgreifen können. Durch diese Erweiterung
der Perspektive wird kommunikatives Handeln nicht nur als eine Überprüfung kulturellen
Wissens verstanden, sondern darüber hinaus in den Stand des zentralen Modus der Sozialisati-
on und der kommunikativen Vergesellschaftung gehoben.280 In der Lebenswelt vergewissern
sich die Handelnden nicht nur ihrer kulturellen Wertegrundlagen, sondern sie bilden durch
kommunikative Interaktionen auch individuelle Identitäten und Gruppenzugehörigkeiten aus.
Lebensweltliches Handeln stützt sich in diesem Sinne auf seine Ressourcen und erneuert,
bestätigt oder verändert diese performativ. Die symbolischen Reproduktionsprozesse von
Gesellschaft, die im der Lebenswelt verhafteten kommunikativen Handeln angelegt sind,
umfassen daher gleichermaßen die kulturelle Reproduktion, die soziale Integration und die
individuelle Sozialisation.
In dem Maße, in dem Journalismus gesellschaftlicher Kommunikation nicht nur einen Rah-
men, sondern auch einen Hintergrund gibt, schafft er die sozialen Voraussetzungen dafür mit,
dass diese Kommunikation überhaupt statt finden kann. Journalismus strukturiert somit nicht
nur das Feld der in Kommunikation behandelten Themen, er stellt auch als Vermittler des
gesellschaftlichen Zeitgesprächs zwischen Ausgangs- und Zielpartnern die Verbindung zwi-
schen den kommunikativ Handelnden her und bewahrt einen – wenn auch abstrakten – ‚Sinn
für das Ganze‘.281 Die Nutzung von Medienangeboten kann zu „einer übereinstimmenden Defini-
tion von typisierten Situationen durch die Akteure einer Gesellschaft“ führen, konstatiert Vlasic.282
Da durch Rezeption medialer und journalistischer Angebote Grundlagen für den Erwerb
relevanter Ressourcen (ökonomisch, human, kulturell, institutionell, politisch und sozial)

279 Vgl. zum Folgenden Holzer 1994, S. 98.


280 Vgl. Habermas 1995 [1981], Bd. 2, S. 211
281 Die klassische Vorstellung einer gesellschaftlichen Integrationsfunktion des Journalismus und der Medien
betont, dass Gesellschaft durch deren Vermittlungsleistungen für den einzelnen Bürger als Ganzes sichtbar
wird und sich daraus Zugehörigkeitsgefühle und Identifikation erwüchsen, die den Bestand der Gesellschaft
sicherten (vgl. Maletzke 1980b, S. 200f.). Vor dem Hintergrund einer funktionalistischen Sichtweise werden
„Stufen der Integration durch Massenkommunikation“ identifiziert: Massenmedien tragen demnach zur Integ-
ration bei, indem sie die bestehende sittliche Ordnung vermitteln, zu ‚Massenloyalität‘ gegenüber rechtlichen,
politischen und soziale Normen auffordern und zum Handeln gemäß eines gemeinschaftlichen allgemeinen In-
teresses auffordern, konstatiert Ronneberger (1985, S. 16), in seinem auch ideologisch, problematischen Integ-
rationskonzept (vgl. Heinelt 2002, S. 111). Die Erwartung einer darüber hinaus reichenden Integration sozial
differenzierter Gesellschaften durch Medien und Journalismus bedeutet hingegen eine schlichte Überforderung
ihrer Kapazitäten. Dass eine faktische und ‚vollständige‘ Integration von Gesellschaft durch massenmediale
oder journalistische Kommunikation kaum leistbar ist, dürfte außer Zweifel stehen; holistische Gesellschafts-
vorstellungen haben weitgehend ihre Berechtigung verloren. Das gilt im Übrigen auch für negative Integrati-
onsbegriffe, wie sie in der klassischen Kritischen Theorie z.B. von Adorno (1967) vertreten werden.
282 Vlasic 2004, S. 136
226 IV Aspekte der kommunikativen Rationalität des Journalismus

zumindest potenziell gelegt werden und deren Verteilung relevant für gesellschaftliche Integra-
tion ist, kann ein Bezug zwischen medialer, journalistischer Kommunikation und sozialer
Integration auch empirisch vermutet werden.283 Allerdings sind diese gegenüber den „materiell-
strukturellen Bedingungen“ gesellschaftlicher Situationen, die über die Ressourcenverteilung
zentral entscheiden, für die gesellschaftliche Integration eher sekundär.284
„Der wesentliche Einfluss der Massenmedien [und des Journalismus, -cb-] liegt darin, dass sie die Wahrneh-
mung und Beurteilung verschiedener Handlungsoptionen beeinflussen können.“285

Aus der Ausrichtung des Journalismus auf Öffentlichkeit heraus können orientierende, und
damit mittelbar sozial integrierende Wirkungen journalistischen Handelns beschrieben wer-
den286: Die Komplementarität von Journalismus und Öffentlichkeit ist als ein Spezifikum der
Komplementarität von kommunikativem Handeln und Lebenswelt anzusehen. Der Gedanke
einer kommunikativen Rationalisierung von Lebenswelt weist Öffentlichkeit als einem Raum
sozialer Kommunikation einen zentralen Rang zu.
Die hier statt findenden Kommunikationsprozesse zur Weitergabe und Erneuerung kultu-
rellen Wissens tragen nicht nur zur sozialen Integration, sondern auch zur Sozialisation und
damit zur Ausbildung personaler Identitäten bei.
„Indem sich die Interaktionsteilnehmer miteinander über ihre Situation verständigen, stehen sie in einer kul-
turellen Überlieferung, die sie gleichzeitig benützen und erneuern; indem die Interaktionsteilnehmer ihre
Handlungen über die intersubjektive Anerkennung kritisierbarer Geltungsansprüche koordinieren, stützen sie
sich auf Zugehörigkeiten zu sozialen Gruppen und bekräftigen gleichzeitig deren Integration; indem die He-
ranwachsenden an Interaktionen mit kompetent handelnden Bezugspersonen teilnehmen, internalisieren sie
die Wertorientierungen ihrer sozialen Gruppe und erwerben generalisierte Handlungsfähigkeiten.“287

Rational motivierte sprachliche Verständigung bildet den zentralen Modus, über den sich eine
Lebenswelt verändert oder erhält, deren Strukturmomente Kultur, Gesellschaft und Persön-
lichkeit sich zunehmend voneinander entfernen. Traditionelle Bindungen lösen sich zugunsten
funktionaler Differenzierungen auf, verschwinden aber nicht zur Gänze.288 Das Konzept
lebensweltlicher Rationalisierung vernachlässigt daher nicht die Kraft irrationaler kultureller
Traditionen289, sondern verweist vielmehr darauf, dass solche – im kommunikativen Sinne –
irrationalen Begründungsmuster nur noch als Sedimente in ungewusster Form tradiert werden
können. Nur wenn sie vorreflexiv verbleiben, können sie weiterhin faktische Kraft entfalten.
Sobald sie selbst zum Gegenstand des Diskurses werden – und das ist potenziell jederzeit
möglich –, bedürfen sie der reflexiven und kommunikativen Überprüfung.
Auch die grundlegenden Konstitutionsmechanismen von Institutionen als aus dem Akteurs-
handeln über lange Zeiträume aufstrukturierten Mechanismen der Handlungsermöglichung

283 Vgl. ebd., S. 109ff. Klaus und Lünenborg (2004) schlagen vor, diesen Zusammenhang zwischen Medienrezep-
tion und vor allem kultureller Teilhabe anhand des Konzepts der ‚cultural citizenship‘ zu konturieren.
284 Vlasic 2004, S. 224
285 Ebd., S. 225
286 Die Annahme steht auch hinter Rühls (1985c) – in Abgrenzung von Ronnebergers substantiellem Integrations-
begriff erhobener – Forderung nach einem funktionalen Verständnis ‚kommunikativer Integration‘, zu der
Massenkommunikation und Journalismus durch Her- und Bereitstellen öffentlicher Themen Beiträge leisten.
287 Habermas 1995 [1981], Bd. 2, S. 208
288 Vgl. ebd., S. 219f. Darauf, dass insbesondere religiöse Bindungen nach wie vor Relevanz besitzen, verweist
Habermas in seinen jüngeren Werken; vgl. Habermas 2005; 2001 sowie Habermas/Ratzinger 2005.
289 Diesen Vorwurf erhebt z.B. Alexander 1986.
3 Implikationen einer lebensweltlichen Verankerung 227

und des Zwangs gleichermaßen290 bleiben von der Rationalisierung der Lebenswelt zunächst
weitgehend unberührt. Institutionen lagen auch in vormodernen Epochen nicht außerhalb des
menschlichen Handelns, sondern konstituierten sich erst aus diesem heraus. Allerdings weist
Habermas darauf hin, dass die zur Begründung der Institutionen zur Verfügung stehenden
sinnstiftenden Zusammenhänge sich gewandelt haben. Nicht mehr ein gelebter Verweis auf
metaphysische oder traditionell überlieferte Erzählungen wird zur normativen Begründung von
Institutionen bemüht, sondern formale Verfahren der kommunikativen Verständigung, die
jede Normsetzung von Tradition und Metaphysik entschlacken, werden als Referenz herange-
zogen, wenn es um die Aktualisierung und Reproduktion oder auch um die Veränderung
institutioneller Mechanismen durch das Akteurshandeln geht.
Entsprechend sieht auch Dubiel das „genuin Habermassche“ am skizzierten Lebenswelt-
konzept in der Tatsache, dass die gemeinschaftssichernde Hintergrunderfahrung zunehmend
weniger in kulturell tradierten Elementen verbürgt werde, sondern die „Qual und zugleich die
Chance der soziokulturellen Lebenswelt“ sich darin äußern, dass kulturelle Normen im Prozess
wechselseitiger Verständigung von den Kommunikationsteilnehmern in der Lebenswelt immer
mehr selbst erzeugt werden müssen.291 Ein kulturkritisch oftmals beklagter Zerfall kann so
auch zu einer Chance für ein Mehr an Rationalität in einem bestimmten Teil der Gesellschaft
werden. Gesellschaftliche Rationalisierung bedeutet entsprechend, die Bedingungen für die
kommunikative Herstellung von Verständigung zu verbessern, indem Faktoren eliminiert
werden, die eine vernünftige Lösung von Konflikten verhindern.292 Mit dieser Erkenntnis
erweitert Habermas das enge instrumentelle Rationalisierungsverständnis, das der Weberschen
und vielen an sie anschließenden Gesellschaftsanalysen zugrunde liegt293, um einen weiteren
Aspekt der Rationalisierung. Diese erscheint nun nicht mehr als die einseitige Ausweitung
zweckrationaler Geltungsbereiche strategischen und instrumentellen Effizienzhandelns,
sondern in einer gesonderten Dimension auch als die verbesserte Ausgestaltung der Möglich-
keiten kommunikativer Verständigung.
Die dazu notwendigen rationalen Diskurse über allgemeine lebensweltliche Belange finden
öffentlich statt. In der Öffentlichkeit vollzieht sich die Sozialintegration, in ihr bilden die
Lebensweltangehörigen solidarische Strukturen der Gemeinschaft.294 Idealiter stellt Öffentlich-
keit jene gesellschaftliche Sphäre dar, in der sich die Bürger über allgemeine Belange verständi-
gen und durch deren Medien sie Einfluss auf das politische System nehmen können. Den
institutionellen Kern der lebensweltlichen Öffentlichkeit in der Lebenswelt bilden
„[…] jene durch Kulturbetrieb, Presse und später Massenmedien verstärkten Kommunikationsnetze, die die
Teilnahme eines Publikums der kunstgenießenden Privatleute an der Reproduktion der Kultur und die Teil-
nahme des Staatsbürgerpublikums an der durch öffentliche Meinung vermittelten sozialen Integration ermög-
lichen“.295

290 Vgl. zu diesem Institutionenverständnis grundlegend Rehberg 1994; Giddens 1995.


291 Dubiel 2001, S. 108
292 Vgl. Alexander 1986, S. 81
293 Vgl. Weber 1980 [1921]
294 Vgl. dazu auch Vlasic 2004, S. 88. Dieser Annahme einer eigenlogischen, lebensweltlichen Integration wider-
sprechen systemtheoretische Öffentlichkeitskonzeptionen (vgl. Kohring 1997, S. 263). Die prozeduralistische
‚Theorie des kommunikativen Handelns‘ geht davon aus, dass Öffentlichkeit die zentrale Instanz des kommu-
nikativen Austauschs und der Vergesellschaftung ist. Vgl. für eine umfassende soziologische Auseinanderset-
zung mit Konzepten der sozialen Integration Peters 1993.
295 Habermas 1995 [1981], Bd. 2, S. 471
228 IV Aspekte der kommunikativen Rationalität des Journalismus

Als ‚Umwelt‘ des politischen Systems markiert Öffentlichkeit jenen Bereich der Lebenswelt, in
dem die Bürger durch Zustimmung staatliches Handeln legitimieren und durch Kritik Verän-
derungen erwirken sollen.
In seiner entdifferenzierenden Kraft zur Herstellung von Öffentlichkeit kann Journalismus
als ein Gegengewicht zur weit verbreiteten funktionalistischen und instrumentellen Rationalität
ausdifferenzierter Systeme verstanden werden. Journalismus wirkt insofern integrierend, als er
in der Lage ist, zumindest thematisch gebunden und zeitlich episodisch auch zwischen entlege-
nen gesellschaftlichen Bereichen und Akteuren zu ‚vermitteln‘. Soll diese journalistische
Kommunikation als (Selbst-)Verständigungsprozess der Gesellschaft ‚erfolgreich‘ sein, so kann
sie ohne einen gemeinsamen lebensweltlichen Hintergrund der Beteiligten, zu dem sie selbst
wiederum performativ beiträgt, nicht auskommen. Dieser Umstand kann als eine nicht sub-
stantielle Integration beschrieben werden, die durch Kommunikation prozeduralistisch getra-
gen wird: Indem Massenmedien „[…] gemeinsam geteiltes (Hintergrund-) Wissen bereitstellen,
an den gemeinsam geteilten Wertekanon anschließen, Themen Relevanz verleihen etc. und
damit soziale Beziehungen sichtbar und eben möglich werden lassen […]“, fungieren sie selbst
in systemtheoretischer Terminologie als eine Art ‚Gedächtnis der Gesellschaft‘.296 Von dieser
Leistung lassen sich Integrationswirkungen erwarten, die nicht mehr auf die ehemals unterstell-
te gesellschaftliche Einheit hinauslaufen können. Vielmehr wird beschrieben, dass Medien und
Journalismus durch die Herstellung von Öffentlichkeit und die darin verfügbaren lebensweltli-
chen Ressourcen Anschlüsse zwischen unterschiedlichen Systemen herstellen können297 – oder
in handlungstheoretischer Wendung: dass journalistisches Handeln, durch die kommunikative
Vermittlung innerhalb einer allgemein (öffentlich) zugänglichen Sphäre, handelnden Akteuren
Orientierung über ihre Situiertheit innerhalb eines gesellschaftlichen Zusammenhangs ermög-
licht. (Journalistische) Medienkommunikation erzeugt die „Imagination von Einheit“ und sorgt
zugleich dafür, dass gesellschaftliche Einheit zumindest in einem schwachen Sinne gewährleis-
tet ist, indem mögliche Bezüge zwischen „sich autonomisierenden Teilbereichen der Gesell-
schaft“ beschreibbar bleiben.298
Journalismus kann als Teil der intermediären Infrastruktur verstanden werden, die moderne
ausdifferenzierte Gesellschaften integriert und – so weit möglich – überschaubar und steuerbar
hält. Diese Funktion kann nicht als ein explizites Ziel journalistischen Handelns beschrieben
werden, sondern ist zu verstehen als eine latente Folge des Orientierung schaffenden reflexiven
Vermittlungshandelns. Journalismus und Medien können Integration dabei sowohl durch
Vereinheitlichung als auch durch das Herstellen von Verbindungen zwischen heterogenen
gesellschaftlichen Teilen, deren Verschiedenartigkeit nicht infrage gestellt wird, leisten.299
Auch in dieser engen Verknüpfung von journalistischer Handlungsqualität (reflexive Ver-
mittlung) und gesellschaftlicher Leistung (Orientierung / Integration) wird deutlich, dass die
formalpragmatische und die gesellschaftstheoretische Perspektive auf Lebenswelt erst zusam-
mengenommen die Möglichkeit eröffnen, den Komplex kommunikativen Handelns in lebens-
weltlichen Kontexten hinreichend in seinen verzweigten Dimensionen zu beschreiben.

296 Jarren 2000, S. 243


297 Vgl. Altmeppen/Donges/Engels 1999, S. 32
298 Jarren 2000, S. 244
299 Vgl. Pöttker 2002b, S. 23. Durch die im Zuge dieser Leistungen vorgenommene Reduktion der Komplexität
sozialer Zusammenhänge wird soziale Identifikation als Bedingung von Integration ermöglicht, aber keineswegs
gewährleistet.
3 Implikationen einer lebensweltlichen Verankerung 229

„Somit korrespondieren den unterschiedlichen Bestandteilen der Lebenswelt (Kultur, Gesellschaft, Persön-
lichkeit) entsprechende Reproduktionsprozesse (kulturelle Reproduktion, soziale Integration, Sozialisation),
die an verschiedene Aspekte des kommunikativen Handelns anknüpfen (Verständigung, Koordinierung, Ver-
gesellschaftung), welche selbst wiederum in den strukturellen Bestandteilen der Sprechakte (propositionale,
illokutionäre, expressive) verwurzelt sind. Diese strukturellen Entsprechungen erlauben dem kommunikativen
Handeln, seine verschiedenen Funktionen auszuüben und als passendes Medium für die symbolische Repro-
duktion der Lebenswelt zu dienen.“300

Das soziokulturelle Verständnis der Lebenswelt ist daher als ein aus dem formalpragmatischen
Konzept des Kommunikationshintergrundes abgeleitetes zu verstehen. Die rekonstruktive und
objektivierende Beobachterperspektive eines soziologischen Lebensweltverständnisses nimmt
die Gesamtheit der unterschiedlichen Handlungs-, Handlungskoordinations- und Integra-
tionsmechanismen innerhalb eines erweiterten Lebensweltverständnisses in den Blick. Ihre
Erklärungskraft ist daher nicht im Bezug auf kommunikative Akte erschöpft, sondern der
soziologische Lebensweltbegriff bildet eine gleichermaßen zur deskriptiven Gesellschaftsanaly-
se wie zur kritisch normativen Bewertung einzusetzende Folie.
Die theoretische Prämisse eines immanenten Zusammenhangs zwischen kommunikativen
Handlungen und der Reproduktion einer gemeinsamen Lebenswelt der Kommunizierenden
verweist zudem auf den Zusammenhang zwischen der Differenzierung von Gesellschaft und
der Genese journalistischer Vermittlungsangebote. Letztere ermöglichen jene räumlich, zeitlich
und thematisch komplexer strukturierte Kommunikation des gesellschaftlichen Zeitgesprächs,
die moderne Gesellschaften zur Lebenswelt-Reproduktion benötigen. Massenmedien können
daher funktionalistisch als Institutionen sozialer „Adaption, Integration und Sozialisation“301
betrachtet und journalistisches Handeln in dieser massenmedialen Infrastruktur als ein wesent-
licher Träger dieser Funktionen verstanden werden. Journalismus als kommunikativer Hand-
lungsmodus ist auf die Reproduktion und diskursive Verflüssigung der symbolischen Grundla-
gen von Akkulturation, Vergesellschaftung und Sozialisation gerichtet. Diese Leistungen sind
weniger als intendierte Folge einzelner journalistischer Handlungen zu betrachten, sondern
lassen sich als Leistungen des Journalismus für Gesellschaft aus der Perspektive sozialwissen-
schaftlicher ‚Objektivation‘ beschreiben.302 Journalismus erscheint vor dem Hintergrund des
Lebenswelt-Konzeptes als Teil der gesellschaftlichen Erzählung:
„Habermas [beschreibt] das Erzählen von Geschichten, die Produktion von Narrativität als eine Urform der
Verständigung. Wir bestimmen unsere Position in der Welt, indem wir Erzählungen über diese Welt herstel-
len. Diese Erzählungen wiederum bilden das Material zur Vergewisserung unserer Selbst innerhalb der Funk-
tionen und Strukturen der uns umgebenden Umwelt.“303

Wird journalistisches Handeln als kommunikatives Handeln verstanden, dann werden auch
seine Beiträge zur diskursiven Reproduktion und Rationalisierung der Lebenswelt in ihren
Dimensionen Kultur, Sozialisation und Person beschreibbar. Genau deshalb ist das Lebens-

300 McCarthy 1989, S. 533


301 Wilke 1984a, S. 230. Dieser Integrationsvorgang kann aus der Sicht eines Lebensweltkonzepts kritisch gegen
die Massenmedien gewendet werden, wenn er nicht diskursiv, sondern durch symbolische Übernahmen der
Systemerhaltung dient: „Die massenpublizistischen Medien lagern ihre Informationsstrategien um zentrale
Symbole der Alltäglichkeit an, so daß in einem vielfältigen Spiel mit den Ausdeutungen der Kerngehalte sich die
Ordnung der Dinge immer wieder bestätigt, zum Beispiel das Bild der Natürlichkeit sozialer und kultureller,
politischer und intellektueller Hierarchien.“ (Rust 1982, S. 514)
302 Noch kann dabei nicht zwischen Leistungen des Journalismus und der Massenmedien differenziert werden: Die
Begriffe werden im nachfolgenden Zusammenhang vorläufig als Aspekte öffentlicher Kommunikation parallel
(nicht synonym) verwendet.
303 Lünenborg 2005a, S. 147
230 IV Aspekte der kommunikativen Rationalität des Journalismus

weltkonzept für der Entwicklung eines diskursiven Journalismusbegriffs von eminenter Bedeu-
tung – zum einen in seiner formalpragmatischen Fassung als Handlungshintergrund des
Journalisten, zum anderen in seiner sozialwissenschaftlichen Fassung zur Analyse und vor
allem Begründung der Aufgaben, die Gesellschaft vom Journalismus erwarten kann. Schließ-
lich fungiert der Journalist als Anwalt des gesellschaftlichen Diskurses immer auch als ein
Anwalt der Lebenswelt.

3.3 Exkurs: Die konzeptionelle Herausforderung durch die Cultural Studies

Die Implikationen der Verschränktheit von kommunikativem Handeln und Lebenswelt haben
– aus dieser Perspektive – in der Kommunikationswissenschaft bislang kaum systematisch
Eingang gefunden.304 Allerdings lassen sie sich mit Überlegungen der Cultural Studies305
rückkoppeln, die sich auf die (Re-)Produktion kultureller Ressourcen beziehen und dabei nicht
nur den Umgang der Rezipienten mit den medial zur Verfügung gestellten Ressourcen anders
fassen, sondern zugleich den Blick freimachen für die makrosoziale Frage der Reproduktion
lebensweltlicher Ressourcen durch Medien und Journalismus.
„Unter der Perspektive der Cultural Studies ist Journalismus ein wesentlicher Bereich gesellschaftlicher Be-
deutungsproduktion und -zirkulation. Er trägt zur Selbstverständigung der Gesellschaft bei, indem er das ak-
tuelle Zeitgespräch initiiert und organisiert. Journalismus ist somit eine zentrale Instanz des kulturellen Dis-
kurses mittels nonfiktionaler Medienangebote.“306

An diesem ersten Näherungsversuch fällt schon terminologisch die Nähe zu den bislang
diskutierten Überlegungen auf. Auch hier ist von einem ‚aktuellen Zeitgespräch‘ die Rede, in
dessen Verlauf kulturelle Ressourcen einer Gesellschaft produziert oder reproduziert werden
können. Als Institution dieses Zeitgesprächs gerät Journalismus weniger in einer zweckrational
dienstleisterischen Funktion in den Blick, als vielmehr in seiner kommunikativen Bedeutsam-
keit für lebensweltliche Ressourcen. Journalismus hat als zentrale Funktion nicht der Wissens-
vermittlung zu dienen, sondern der „narrativen Herstellung eines gemeinsamen kulturellen
Verständnisses“307 in entsprechender kommunikativer Interaktion. Dieser ‚cultural approach‘
vertritt in kommunikationstheoretischer Hinsicht einen ‚ritual view‘,
„[…] der Kommunikation mit Ausdrücken wie ‚teilnehmen‘, ‚Gemeinsamkeit‘, ‚Bezug auf einen gemeinsa-
men Glauben‘ in Zusammenhang bringe und so auf die gemeinsamen Wurzeln des Konzepts Kommunika-
tion mit ‚commonness‘ und ‚community‘ Bezug nehme. Dies ist nicht so zu verstehen, daß es um das (Mit-)
Teilen von Informationen geht, über die dann Kommunikator und Rezipient verfügen, sondern daß Teilhabe
an Kommunikation primär als Herstellung einer Verständigungsgemeinschaft gesehen wird und sich die Teil-
nehmer gegenseitig darin bestätigen, daß sie fundamentale und kulturell basierte Übereinstimmungen tei-
len.“308

304 Sie sind selbstverständlich auf anderer theoretischer Grundlage fester Bestandteil kommunikationswissen-
schaftlicher Diskurse. Aber erst die Perspektive der Verknüpfung kommunikativen Handelns mit lebensweltli-
chen Strukturen ermöglicht es, sie auch als Ergebnisse sozialer Kommunikationsprozesse zu begreifen.
305 Bislang steht diese Bezeichnung weniger für einen einheitlichen Forschungszweig als vielmehr für eine Vielzahl
unterschiedlicher Theorie- und Forschungsansätze.
306 Klaus/Lünenborg 2000b, S. 414f.; siehe auch: Klaus/Lünenborg 2000a; zur Kritik siehe Scholl 2000.
307 Klaus/Lünenborg 2002, S. 155; vgl. zur Kritik an dieser Kommunikationsmetapher Krippendorf 1994.
308 Krotz 1992, S. 413
3 Implikationen einer lebensweltlichen Verankerung 231

Die Cultural Studies thematisieren in ihren Forschungen primär die Komplexe Kultur, Medien
und Macht und ihr Verhältnis untereinander309 und zielen damit auch auf „wesentliche Kon-
texte des Journalismus“310. Medienanalysen betreiben sie „im Rahmen umfassender interpreta-
tiver Kulturstudien“, da ohne Berücksichtigung des Bedeutung generierenden kulturellen
Gesamtrahmens Aussagen über die Rolle der Medien, die vielfach in diesen Zusammenhang
eingebunden sind, kaum zu treffen sind.311 Im Ergebnis streben Cultural Studies „ein kritisch-
konstruktivistisches, nicht rein erkenntnistheoretisch begründetes Paradigma einer Kulturso-
ziologie und Kommunikationswissenschaft“ an.312
Angesichts der Enttraditionalisierung moderner Gesellschaften und des Verlustes eingeleb-
ter Gewissheiten und Identitätsangebote begreifen die Cultural Studies kulturelle Zusammen-
hänge nicht als fixen Bedeutungsrahmen, sondern als heterogenes Reservoir symbolischer
Ressourcen, dem ein „nie zu beendender Konflikt über Sinn und Wert von kulturellen Traditi-
onen, Praktiken und Erfahrungen“ zugrunde liegt.313 Damit werden Prozesse angesprochen,
die auch unter der Perspektive einer Rationalisierung von Lebenswelt thematisiert werden
können: Alte, traditionell begründete Bedeutungs- und Begründungsmuster werden brüchig,
neue müssen entwickelt und – so wäre hinzuzufügen: argumentativ – durchgesetzt werden.
Der Prozess dieser Rationalisierung verläuft auf dem Weg diskursiver Situationsdefinitionen in
kommunikativer Interaktion, durch die Teilnehmer und Beobachter Aufschlüsse über ihre
soziale Situiertheit erlangen können. Lünenborg verweist in ihrem kulturtheoretischen Journa-
lismus-Konzept nicht nur auf die Nähe zwischen Cultural Studies und Habermasschem
Lebenswelt-Konzept, sondern auch auf das Potenzial des Letzteren, normative Maßstäbe
auszuweisen, die einer kulturalistischen Verkürzung der Analyse vorbeugen können.314
Gemeinsam ist den beiden Analyseperspektiven der Cultural Studies und des lebenswelt-
lich-kommunikativen Handelns, dass sie in modernen Gesellschaften die Produktion und
Reproduktion des Vorrats an symbolischen Ressourcen, an Deutungsmöglichkeiten und
Bedeutungsangeboten in permanenten kommunikativen Aushandlungsprozessen verorten.
Ebenfalls gemeinsam ist ihnen, dass sie versuchen, diese Prozesse nicht nur zu analysieren,
sondern bezogen auf sie ein kritisch-theoretisches Potenzial zu entfalten.315
„Ausgehend von Überlegungen aus dem Marxismus, der Kritischen Theorie, der Semiotik, der Linguistik und
den Handlungstheorien geht es ihnen um die kontextuelle Erforschung – und Veränderung (!) – des Verhält-
nisses von Kultur, Medien und Macht.“316

Die Cultural Studies unterscheiden sich aber von dem Konzept einer kommunikativ integrier-
ten Lebenswelt in erheblichem Maße dadurch, dass sie alltagssprachliche Kommunikationspro-

309 Vgl. Winter 1997, S. 47


310 Pätzold 2002, S. 36
311 Winter 1997, S. 58
312 Krotz 1997, S. 118
313 Winter 1997, S. 47f.
314 Vgl. Lünenborg 2005a, S. 38ff. und S. 146f. Zugleich aber bleibt das Problem bestehen, dass die Cultural
Studies-Analysen nicht in der Lage sind, zwischen den unterschiedlichen Beiträgen zum gesellschaftlichen Dis-
kurs und ihrem rationalen Gehalt zu differenzieren. Analytisch dient dies der präziseren Beschreibung kulturel-
ler Reproduktionsprozesse und besonders der Aufweichung von Grenzen zwischen unterschiedlichen Repro-
duktionsmechanismen (vgl. ebd., S. 85ff.), sobald es aber notwendig wird, das Handeln von Akteuren in diesem
Diskurs zum Thema zu machen – oder es gar vorzubereiten, wie die Journalistik es in ihrer Ausbildungsleistung
tut – vermag die deskriptive kulturtheoretische Analyse nicht mehr zu genügen.
315 Vgl. Winter 1997, S. 59; Krotz 1997, S. 117
316 Löffelholz 2003a, S. 40
232 IV Aspekte der kommunikativen Rationalität des Journalismus

zesse nur teilweise unter der Prämisse kommunikativer Rationalität und vielmehr unter Maß-
gabe existierender Macht- und Bedeutungsstrukturen analysieren. Ihre Perspektive ist weniger
die der rationalen Integration von Gesellschaft, als vielmehr die des Umgangs mit einem
gegebenen, wenngleich veränderbaren Bedeutungszusammenhang. Aber auch hier gilt: Kom-
munikation und kultureller, lebensweltlicher Hintergrund sind aufeinander bezogen. In Kom-
munikation wird Kultur geschaffen, ohne Kultur wäre Kommunikation nicht vorstellbar.317
Medien und Journalismus können sich von dieser Verschränkung nicht frei machen, sondern
sind an der kommunikativen Produktion und Reproduktion kultureller Ressourcen beteiligt
und können so für Orientierung sorgen:
„Die Medien schaffen symbolische Karten der Welt, sie versuchen, den Bereich des ‚Wahren‘ zu definieren
und üben Macht über diejenigen aus, die diese Bedeutungsrahmen anwenden, um mit ihrem alltäglichen Le-
ben zurechtzukommen.“318

Aus der Perspektive der Cultural Studies wird betont, dass sich der lebensweltliche Deutungs-
horizont aus einer Vielzahl von Quellen speist, unter denen der mediale nur einer (wenn auch
ein prominenter) ist, innerhalb dessen wiederum Journalismus neben anderen Medienangebo-
ten (fiktionale Filme, Shows etc.) nur einen Bestandteil darstellt. Neben nichtjournalistischen
Medienangeboten gehören journalistische Kommunikate aber in jedem Fall zu den Bedeu-
tungsangeboten, die angesichts der Inanspruchnahme massenmedialer Verbreitungsmöglich-
keiten die Chance auf eine höhere Reichweite haben. In der Terminologie der Cultural Studies
kann man Journalismus daher als „bedeutungsproduzierendes Textsystem“319 oder gar als „das
wichtigste textuelle System der Gesellschaft“320 verstehen.
Die Überlegungen der Cultural Studies-Forschung werden in der Kommunikationswissen-
schaft besonders in der Wirkungsforschung und in der Medientheorie als anschlussfähig
erachtet, da sie nicht nur auf die Eigenleistungen der Medien als ein „kulturelles Forum“321 für
die Produktion und Reproduktion eben dieses Deutungs- und Bedeutungsvorrats einer Gesell-
schaft fokussieren, sondern auch auf ihre eigensinnige Inanspruchnahme durch Rezipienten.322
Das Verhältnis zwischen medialer ‚Kultur‘ und Rezipienten ist somit ein Kernthema des
Cultural Studies-Forschungsansatzes, während die Produzenten der Medieninhalte bislang eher
am Rand des Analyse-Ausschnitts stehen.323 Weniger die Encodierung von Bedeutung in
Medienbotschaften (also die Kommunikatorforschung) als vielmehr die Prozesse der Decodie-
rung dieser Botschaften stehen im Zentrum der Forschung.324 Kommunikation erscheint so
tendenziell als „Bezugnahme und Einordnung und damit Rekonstruktion von strukturellen
gesellschaftlichen und kulturellen Bedingungen durch das gesellschaftlich positionierte Sub-

317 Vgl. Krotz 1997, S. 119


318 Winter 1997, S. 55. Renger (2000b, S. 480) adaptiert dieses Bild auch für journalistische Kommunikation. Klaus
und Lünenborg (2000a, S. 195) fassen die gleiche Beobachtung so: Medien liefern im Zusammenspiel mit Kul-
tur und Macht „Material für die (hegemoniale) Bedeutungsproduktion“ und stellen zugleich „Mittel zur Ver-
handlung und Neuorganisation gesellschaftlicher Dominanzverhältnisse“ bereit.
319 Renger 2002, S. 224; vgl. grundlegend Renger 2000a; zum Textbegriff der Cultural Studies vgl. Fiske 1987.
320 Renger 2000c, S. 223
321 Newcomb/Hirsch 1986
322 Vgl. Löffelholz 2003a, S. 40. Dies zeigt sich im Textbegriff der Cultural Studies, der dem Publikum weitrei-
chende Autonomie bei der rezeptiven Bedeutungskonstruktion zubilligt (vgl. Fiske 1987, S. 14).
323 Vgl. Lünenborg 2005a, S. 55
324 Vgl. Hall 1980; vgl. zu Rezeptionsprozessen grundlegend und einführend – auch jenseits der Cultural Studies –
den transaktionalen Ansatz von Früh (1991), der dynamische Aushandlungsprozesse beschreibt und damit an
Gehalt und Komplexität sowohl stimulus-response- als auch nutzenkalkulierende Ansätze deutlich übersteigt.
3 Implikationen einer lebensweltlichen Verankerung 233

jekt“.325 Ein meistens passiv interpretierter Akt wie das Lesen einer Zeitung werde, so Krotz,
aus der Sicht von Cultural Studies-Ansätzen
„[…] als ritueller und dramatischer Akt begriffen, über den der Leser in Bezug zu den gestaltenden und wi-
derstreitenden Kräften der Gesellschaft trete und sich in verschiedenen gesellschaftlich wichtigen Rollen en-
gagiere. Zeitunglesen sei dementsprechend eine in der und für die Mediengesellschaft typische, kulturell fun-
dierte, die Gesellschaft reproduzierende und an ihr partizipierende Tätigkeit […].“326

Die zentrale Erklärkraft des Cultural Studies-Ansatzes mit Blick auf die Orientierungsleistun-
gen journalistischer Kommunikation erschöpft sich nicht nur in Fragen nach Möglichkeiten
der individuellen Rezeption journalistischer Angebote, sondern sie thematisieren zugleich
besonders auch aktive und partizipative Aspekte gesellschaftlicher Kommunikation. Sie erlau-
ben zumindest partiell, die journalistische Konstitution des Selbstgesprächs der Gesellschaft
begrifflich auf eine Weise zu fassen, die viel grundlegendere Orientierungschancen eröffnet,
auch wenn diese dann nicht zwangsläufig eingelöst werden. Journalismus wird in jüngeren
Cultural Studies-Ansätzen, die sich von der Rezeptionsforschung partiell gelöst haben, nicht
mehr nur als Generator eines bedeutungsgeladenen Textes verstanden, sondern in Anlehnung
an die Foucaultsche Terminologie als ein ‚kultureller Diskurs‘, als ein Rahmen zur gesellschaft-
lichen Aushandlung von Bedeutungen. Journalismus wird aus dieser Perspektive als gesell-
schaftlicher (Struktur-)Zusammenhang begriffen, der mit kultureller (Re-)Produktion durch
Kommunikation eng verbunden ist. Im Zentrum dieser jüngeren Journalismus-Ansätze der
Cultural Studies stehen dabei nicht die Handlungen von Rezipienten oder Produzenten,
sondern ein makrosozialer gesellschaftlicher Zusammenhang.327
Aus dieser Perspektive geht es bei der Frage der Orientierung durch Journalismus nicht um
die Übermittlung einzelner Informationen, die in einen Zusammenhang gebracht werden,
sondern in einem umfassenderen Sinne um Beiträge zur Organisation eines permanenten ge-
sellschaftlichen Verständigungsprozesses. Dies involviert das Vermitteln von Informationen,
aber auch das Herstellen von Zusammenhangswissen und das Eröffnen kommunikativer Teil-
habemöglichkeiten, um durch Partizipation an kommunikativen Austauschprozessen Struktu-
ren verstehen und verändern zu können. Das Publikum erhält in diesem Prozess der gesell-
schaftlichen Selbstverständigung eine prominente Rolle: Der Rezipient wird nach dem „Kon-
zept der diskursiven Verhandlung“ als eigensinniger kommunikativer Akteur gesehen, der über
Bedeutungszuweisungen unabhängig von den Intentionen des Journalisten bzw. Medienprodu-
zenten entscheiden kann.328 Dies hat Auswirkungen auf das Verständnis der Handlungsmög-
lichkeiten des Journalisten; er wird „vom Macher zum Anbieter“, wie Pätzold ausführt:
„Nicht der Journalist entscheidet über die Bedeutung seiner Texte, seines Produkts. Er kann für ein Thema
kämpfen, kann durch Recherche und Engagement Intentionen der Aussage festlegen und kann durch die An-
lage der Aussage in dem von ihm gewählten oder ihm zugewiesenen Genre den Interpretationsrahmen für die
Bedeutungszuweisung des Rezipienten vorgeben. Er verfügt also über Mittel, im intermedialen Wettbewerb
Aufmerksamkeit auf sein Thema oder seine Person zu lenken. Doch die Bedeutung, die sein Text, seine Aus-

325 Krotz 1997, S. 119. Die Orientierungsfunktion von Medien bezieht sich damit auch aus der Sicht der Cultural
Studies darauf, aus dem kommunikativen Angebot einen Teil herauszuheben und als symbolische Ressource
zugänglich zu machen. Dabei geht es nicht um Übersetzungs- oder Vermittlungsleistungen, sondern um ein
weitgehend subjektives Encodieren und Decodieren medialer Botschaften, das von verschiedenen Einflüssen
bestimmt und im Anschluss an Modelle der Zeichenübertragung analysiert wird (vgl. Hall 1980).
326 Krotz 1992, S. 413
327 Vgl. Löffelholz 2003a, S. 40. Beschrieben wird Medienkonsum als Teilhabevoraussetzung an Gesellschaftlich-
keit; vgl. dazu auch Klaus/Lünenborg 2004, S. 196ff..
328 Renger 2000b, S. 480; vgl. Renger 2000c, S. 222
234 IV Aspekte der kommunikativen Rationalität des Journalismus

sage erlangen, wird über das Genre und über das Format als Medientext in letzter Instanz durch den Rezi-
pienten festgelegt. Die Bedeutungskonstruktion ist das Ergebnis der Texteigenschaften des Mediums und de-
ren kontextueller Einbindung durch das Publikum.“329

In diesem Fokus auf das Publikum liegt aber zugleich auch das Problem des Cultural Studies-
Ansatzes für die Journalismusforschung: Die Leistungen des Journalismus für die Herstellung
derjenigen kommunikativen Angebote, die vom Publikum rezipiert werden, werden oft nur
peripher erfasst, da die ungesteuerte Bedeutungszuweisung im Rezeptionsprozess untersucht
wird, während der Produktionsprozess und die journalistischen Akteure eine geringere Rolle
spielen. Insofern lässt sich auf der Basis der zur Verfügung stehenden Ergebnisse der Cultural
Studies-Forschung kaum bestimmen, wie journalistisch zu handeln wäre, um Orientierungsleis-
tungen für Rezipienten zu erbringen. Immerhin konstatieren Klaus und Lünenborg, dass es um
die Analyse des Zusammenwirkens von journalistischen Produzenten und Rezipienten gehen
müsse und beschreiben qualitative Eigenschaften journalistischen Handelns, die dieses Zu-
sammenwirken erleichtern sollen:
„Nur wenn Medientexte ‚erfolgreich‘, also sinnverstehend rezipiert werden, nur dann können gesellschaftliche
Übereinkünfte erzielt werden. Nur wenn die aktuelle journalistische Textproduktion an diese sinnhafte De-
kodierung verfügbarer Textangebote anschließt, auf widerständige Deutungen Bezug nimmt und diese zum
Gegenstand der Auseinandersetzungen macht, kann Journalismus erfolgreich zur gesellschaftlichen Orientie-
rung beitragen.“330

Die Autorinnen weisen hier indirekt auch darauf hin, dass journalistische Kommunikation mit
lebensweltlichen Ressourcen eng verschränkt ist und entsprechende Bezüge zu berücksichtigen
hat. Doch auch diese Beschreibung, die sich eher auf Fragen journalistischer Selektionsent-
scheidungen bezieht, kann nicht darüber hinweg sehen lassen, dass die Cultural Studies, wie
Krotz zurecht anmerkt, keine Vorstellung davon besitzen, „[…] wie der konkrete Kommunika-
tionsprozeß in konkreten Situationen verläuft“.331 Will man aber die wohl kaum zureichend
beantwortbare Frage nach dem ‚Wie‘ der kommunikativen Beziehung zwischen Journalismus
und Publikum immerhin nicht ganz suspendieren, sondern zumindest theoretisch weiter
vorantreiben, so kommt man nicht umhin, neben den kulturellen Ressourcen selbst auch die
handlungstheoretisch zu fassenden Modi ihrer Inanspruchnahme zu thematisieren. Die Produ-
zenten dieser Ressourcen rücken dann in den Blick, gemeinsam mit der Frage, ob es nicht
spezifische und beschreibbare Möglichkeiten der Encodierung des Kommunikats gibt, die
bestimmte rationale Rezeptions- und Verarbeitungsweisen nahe legen. Dass dies möglich ist,
argumentieren zum Beispiel kommunikative oder interaktionistische Handlungsmodelle, die
sich mit der Produktion und Reproduktion symbolischer kultureller Ressourcen beschäftigen.
Krotz schlägt daher vor, die handlungstheoretische „Leerstelle“ der Cultural Studies durch das
komplementäre Konzept des symbolischen Interaktionismus zu schließen.332
„Symbolischer Interaktionismus und Cultural Studies berühren sich – wenn auch nicht explizit – im Begriff
der Bedeutung als zentrales Konzept dafür, was für das Individuum handlungsleitend ist. Dabei ist unter ‚Be-
deutung‘ nicht ein Zusatz, eine Art von außen hinzugefügtes ‚surplus‘ etwa eines Objektes zu verstehen, son-
dern eine Wahrnehmungsweise, in der sich dieses Objekt überhaupt erst als eigenständiges Phänomen, als

329 Pätzold 2002, S. 38. Journalistisches Handeln erscheint hier „als regelhaftes Herstellen medialer Texte, in denen
aktuelle Informationen periodisch und formatiert mit optimalen Publikumserwartungen vorgegeben werden,
die dann im Rezeptionsprozess ihre unterschiedlichen Bedeutungszuweisungen erhalten.“ (ebd., S. 38)
330 Klaus/Lünenborg 2000a, S. 204f.
331 Krotz 1997, S. 122
332 Ebd., S. 122; vgl. dazu ausführlich Krotz 2001b.
3 Implikationen einer lebensweltlichen Verankerung 235

‚faktum‘ konstituiert. […] Menschen leben dementsprechend in einer Welt aus gedeuteten Symbolen, die sie
als Gesellschaftswesen, aber zugleich auch im Hinblick auf die ihnen eigentümliche Identität in ihren Interak-
tionen konstruieren, und sie zeichnen sich durch die Fähigkeit zu symbolisch vermittelter Interaktion aus.
Weil soziales Geschehen und soziale Strukturen aus dem sozialen Handeln der Menschen und damit aus
ihren Interaktionen entstehen, wird damit das Bild einer durch und durch sozialen Welt unterstellt.“333

In der Kombination der kulturtheoretischen (lebensweltlichen) Perspektive der Cultural


Studies und der kommunikativ-handlungstheoretischen Perspektive des symbolischen Interak-
tionismus lassen sich somit die Prozesse vergleichbar beschreiben und verstehen, die in der
‚Theorie des kommunikativen Handelns‘ in die Formel der Reproduktion lebensweltlicher
Ressourcen durch kommunikatives Handeln gefasst werden. Die Zusammenhänge von Spre-
chen und Sprache, von Handlung und Struktur, von Individualität und Gesellschaftlichkeit
spielen dabei jeweils eine zentrale Rolle.334 Mehr noch als die Hinzunahme des symbolischen
Interaktionismus verspricht das Lebensweltkonzept den erfolgreichen Brückenschlag zwischen
Handlungstheorie und kritisch-emanzipatorischen Cultural Studies-Ansätzen, indem es grund-
legend darauf verweist, dass das Handeln von Akteuren gesellschaftlich gebunden und daher
nur in gesellschaftlichem Kontext nachvollziehbar ist.335 Es erlaubt im Rahmen der ‚Theorie
des kommunikativen Handelns‘ außerdem Aufschlüsse darüber, inwiefern bestimmte Hand-
lungsmuster die Möglichkeiten gesellschaftlicher Orientierung in gemeinschaftlicher Kommu-
nikation fördern. Entlang der Kriterien eines gesellschaftstheoretisch anschlussfähigen kom-
munikativen Handlungsmodells wird es möglich, unterschiedliche Kommunikationsleistungen
zu differenzieren und anhand dieser Differenzierung auch die Validität von Orientierungsleis-
tungen zumindest vorläufig zu bewerten. Das bedeutet nicht, dass nicht auch fiktionale Unter-
haltungssendungen Orientierungsleistungen erbringen können – aus einer makrosozialen oder
auch rezipientenorientierten Sicht sind diesbezüglich keine Differenzierungen begründbar.336
Dies ändert sich aber, wenn man formalpragmatisch die Sicht medialer oder journalistischer
Akteure rekonstruiert: Hier ist ein Unterschied in der Rationalität und Argumentativität erho-
bener Geltungsansprüche und ihrer kommunikativen Prüfung im Vergleich zu journalistisch-
nonfiktionalen Medienangeboten nicht zu negieren. Letztere sind im Gegensatz zu Unterhal-
tungsangeboten dem „Zwang des besseren Arguments“337 ausgesetzt.
Diese Feststellung steht nicht im Gegensatz zu der kulturwissenschaftlichen Perspektive
auf die Produktions- und Kommunikationsprozesse, in denen Bedeutungsmuster und gesell-
schaftliche Machtvorstellungen in journalistische Texte eingeschrieben werden. Vielmehr kann
ein interaktionistisches oder kommunikatives Handlungsmodell erklären helfen, wie journalisti-
sches Handeln eine Kommunikationsbeziehung fundiert, in deren Vollzug Bedeutung und
Sinn in transaktionalen Aushandlungsprozessen generiert werden. Ein Aspekt dabei sind auch
die Widersprüche, die sich zwischen encodierten und decodierten Botschaften ergeben338 und
Folgekommunikation nach sich ziehen.

333 Krotz 1997, S. 123


334 Vgl. ebd., S. 123
335 Vgl. Lünenborg 2005a, S. 55
336 Siehe dazu z.B. Dörner 2000; 2001; Schicha/Brosda 2002.
337 Habermas 1991, S. 13f.
338 Darauf verweisen Klaus/Lünenborg 2000a, S. 199: „Journalismusforschung beobachtet, wie im Prozess der
gesellschaftlichen Selbstverständigung, den der Journalismus federführend gestaltet, gemeinsamer kultureller
Sinn durch das Aushandeln von Bedeutungen produziert wird. Von besonderer Relevanz sind dabei die Wider-
sprüche und Konflikte, die zwischen den medialen Bedeutungsangeboten und der kontextgebundenen Bedeu-
tungsproduktion des Publikums sichtbar werden.“
236 IV Aspekte der kommunikativen Rationalität des Journalismus

Das Feld der Publikumsorientierung des Journalismus ist zu weitläufig, um es im vorlie-


genden Rahmen auch nur einigermaßen zureichend durchmessen zu können. Sinn der Überle-
gungen ist es daher lediglich, Anschlussmöglichkeiten für eine weiter auszuformulierende
Theorie des Journalismus als kommunikatives Handeln in seiner gesellschaftlichen Einbezo-
genheit zu identifizieren. Es erscheint viel versprechend, Cultural Studies-Ansätze und (symbo-
lisch-interaktionistische) Handlungstheorien in Bezug auf Journalismus in je unterschiedlicher
Erkenntnisrichtung als komplementär zu verstehen und zu den Annahmen der lebensweltli-
chen Gebundenheit kommunikativen Handelns in Beziehung zu setzen.

4 Zwischenfazit: Kommunikatives journalistisches Handeln


Die Überlegungen zu einem kommunikativen Handlungsmodus sind angestrengt worden, um
die Einwände gegen die apriorische Trennung kommunikativer und vermittelnder journalisti-
scher Leistungen, die sich bereits der Auseinandersetzung mit Groths Konzept des Journalis-
mus entnehmen ließen, theoretisch zu fundieren. Mit dem skizzierten Modus kommunikativen
Handelns lässt sich ein Verständnis journalistischen Handelns begründen, das einseitige
Zuspitzungen auf Idealtypen und vor allem auf unzureichend begründete Rollenmodelle, wie
sie in der normativen ‚Journalismustheorie‘ nicht selten zu finden sind, nicht mehr erlaubt,
sondern vielmehr einen breiteren handlungstheoretischen Rahmen absteckt, innerhalb dessen
Journalismus beschrieben werden kann. Außerdem erlaubt es dieser theoretische Rahmen,
normative Postulate an Journalismus heranzutragen, die nicht als fremd gesetzt begriffen
werden müssen, sondern als immanente Anforderungen zu verstehen sind.
Eine daran anschließende kommunikationswissenschaftliche Journalismusforschung entwi-
ckelt eigenständige normative Ansprüche, indem sie praktische Anforderungen für einen
„emanzipatorischen, verständigungsorientierten Journalismus“ als verständigungsorientiertes
kommunikatives Handeln definiert und hinsichtlich ihrer Praktikabilität prüft.339 Diese theore-
tische Perspektive verweist über das Lebenswelt-Konzept zudem auf die fundamentale gesell-
schaftliche Eingebundenheit des Journalismus, die auch kulturtheoretisch orientierte Arbeiten
betonen:
„In diesem Sinne konstituiert Journalismus als wesentlicher Teil von Öffentlichkeit die Struktur von Gesell-
schaft und zugleich repräsentiert Journalismus symbolisch die soziale Ordnung durch die Art der Erzählung, die
er von gesellschaftlichen Ereignissen liefert.“340

Im Kern geht es um die Möglichkeiten des Journalismus, einen kommunikativen Prozess in


Gesellschaft zu fördern, „Brücken zwischen den Lebenswelten“ zu bauen, wie Ruß-Mohl
schreibt.341 Potenziell beschreibbar werden diese Möglichkeiten dadurch, dass journalistisches
Handeln nicht nur in zweckrationalen Kategorien gefasst wird, sondern im erweiterten Ver-
ständnis kommunikativer Rationalität, das über die Dichotomien der Idealtypen Vermittlung
und Räsonnement, bzw. der Rollenvorstellungen Mediator und Kommunikator hinausgreift.
Ein kommunikativ verstandener Journalismus bedient sich dieser Rationalität und zielt so auf
reflexive Vermittlung, Verständigungsorientierung und Gewährleistung gesellschaftlicher
Teilhabechancen.

339 Burkart 1998a, S. 519


340 Lünenborg 2005a, S. 164
341 Ruß-Mohl 2003, S. 26
4 Zwischenfazit: Kommunikatives journalistisches Handeln 237

Grafik 4: Kommunikatives journalistisches Handeln

[eigene Grafik, -cb-]

Der Bereich des kommunikativen journalistischen Handelns umspannt und integriert dabei
weitgehend die Rollenmodelle, die klassisch entfaltet werden. Wird Journalismus in seinen
kommunikativen Grundlagen ernst genommen und nicht zu einem zweckrationalen Trans-
porthandeln reduziert, dann beschreiben die unter den Überschriften Interaktion, reflexive
Vermittlung, Verständigungsorientierung sowie kommunikative Kompetenz behandelten
Zusammenhänge, inwiefern journalistisches Handeln performativ gesellschaftliche Leistungen
durch Kommunikation erbringt. In der Regel beruht Journalismus dabei auf dem Umgang mit
Sprache und der in sie eingelassenen Rationalität. Aber die Ausführungen der ‚Theorie des
kommunikativen Handelns‘ lassen sich ihrem Anspruch gemäß auf andere Kommunikations-
modi ausweiten – und damit als Leitfaden journalistischer Äußerungen auch jenseits linearer,
schriftlicher Propositionalität heranziehen342:
„Sprache ist für Habermas das humanspezifische Medium der Verständigung schlechthin, er geht davon aus,
dass auch die Bedeutung nichtsprachlicher Ausdrucksformen (Gestik, Mimik etc.) stets sprachlicher Natur ist
und damit alle Formen nonverbaler Kommunikation ihrerseits wieder auf Sprache verweisen.“343

342 Vgl. die Analyse theatralischer Medieninszenierungen von Meyer/Ontrup/Schicha 2000.


343 Burkart/Lang 1995, S. 40
238 IV Aspekte der kommunikativen Rationalität des Journalismus

Die qualitativen Veränderung, die diese theoretische Fundierung gegenüber anderen Journa-
lismusverständnissen begründet, ist vor allem die stärkere Betonung der interaktionistischen
Struktur der Kommunikation und der Rationalität erhobener Geltungsansprüche. Die daraus
folgenden Annahmen sind in der folgenden Tabelle zusammengefasst.

Tab. 2: Charakteristika kommunikativen journalistischen Handelns

Journalistisches Handeln

gesellschaftstheoretische Verortung Lebenswelt


maßgeblicher Handlungstypus soziale Interaktion
Rationalitätsmodus kommunikativ
Zielorientierung verständigungsorientiert
Reproduktion
gesellschaftliche Leistung
symbolischer Ressourcen
kommunikative Koordinierung
Aufgabe / Funktion
gesamtgesellschaftlichen Handelns
Koordinierungsmechanismus (ethische) Diskurse
Legitimationsgrundlage Konsens

Aus der Konzeption journalistischen Handelns als kommunikativem Handeln lässt sich in
erster Linie eine Kritik der bisherigen Journalismusforschung und -theorie ableiten, die sich
gegen die Verkürzungen richtet, die sich aus Versuchen ergeben, Journalismus als professionel-
les oder berufliches Handeln unter den Imperativen zweckrationaler Vernunft zu beschreiben.
Derartige Versuche, Journalismus als Erfüllung fremd gesetzter Vermittlungszwecke zu konzi-
pieren, geraten, solange sie handlungstheoretisch ausgerichtet sind, früher oder später in die
problematische Situation, die Subjektivismen journalistischen Handelns und Kommunizierens
als nicht rollengerecht kritisieren zu müssen, und das obwohl diese doch kommunikativ durch
die Eigensinnigkeit der Sprache, epistemologisch angesichts der Kontingenz subjektiver
Erkenntnis und auch verfassungsrechtlich auf Basis des Gebots der Meinungsfreiheit akzep-
tiert werden müssten. Die Nicht-Berücksichtigung der kommunikativen Verständigungslogik
des Journalismus führt dazu, dass jede Form des journalistischen Handelns, die einen Kern
Subjektivität bewahrt, unter Rechtfertigungszwang gestellt wird. Im Ergebnis bedeutet das die
bereits erwähnte kommunikative Entkernung des Journalismus auf konzeptioneller Ebene.344
In normativ handlungstheoretischer Fassung bleibt solchen Näherungen an Journalismus
nichts anderes übrig, als die Frage nach der Legitimität journalistischer Handlungsspielräume
zu stellen, ohne aber einen zureichenden Beurteilungsrahmen begründen zu können, der auf
eine Auflösung der problematisierten Rollenkonflikte hinwirken könnte.345 Die ‚Theorie des
kommunikativen Handelns‘ dagegen lässt sich auch als ein Appell lesen, weitergehende kommuni-

344 Vgl. Baum 2005b


345 Daher zielen die beschriebenen legitimistischen Klärungsversuche, deren Argumentationslogik sich selbst
emanzipatorisch intendierte Entwürfe wie der von Glotz und Langenbucher (1969) nicht vollständig entziehen
können, nur auf Teilaspekte journalistischer Kommunikation, während sie andere zentrale Aspekte abwerten.
4 Zwischenfazit: Kommunikatives journalistisches Handeln 239

kative Aspekte öffentlichen – journalistischen – Handelns, die in vielen Analysen moderner Gesell-
schaften aufgrund ihrer Fokussierung auf Funktionalismen und Zweckrationalität vernachläs-
sigt werden, wieder mit in den Blick zu nehmen, nicht anstelle, sondern im Verbund mit den
gängigen Kategorien, in denen Modernisierungsprozesse als instrumentelle Rationali-
tätssteigerungen beschrieben werden.346 Wenn journalistisch handelnde Akteure als Anwälte
des gesellschaftlichen Diskurses betrachtet werden, dann werden Legitimationsfragen ange-
sichts ihrer kommunikativen Reflexivität unnötig. Kommunikatives Handeln legitimiert sich
durch die Offenheit und Debattierbarkeit seiner Geltungsansprüche performativ.347
Der Bezug zum Konzept kommunikativen Handelns verdeutlicht in letzter Konsequenz,
dass journalistisches Handeln nicht scheitern kann. Nur wenn davon ausgegangen wird, dass
ein direkter Zusammenhang zwischen persönlichen Haltungen und professionellen journalisti-
schen Handlungen besteht und dass es wissenschaftlich möglich ist, direkt auf die Haltungen
und Intentionen der Journalisten zugreifen und deren Richtigkeit anzweifeln zu können, lässt
sich ein Scheitern technisch verstandener, vermittelnder Aufgaben konstruieren. Wenn man
allerdings journalistisches Handeln als kommunikatives Handeln, betrachtet und davon ausgeht
„[…] daß journalistisches Handeln den Imperativen sprachlicher Verständigung gehorcht, deren ‚Wirkung‘ im
günstigsten Fall darin besteht, soziales Handeln zwanglos zu koordinieren, kann die Arbeit des Journalismus
im Prinzip nicht scheitern, sondern unter dem Aspekt der Gültigkeit der jeweiligen Aussagen ‚nur‘ bestritten wer-
den: das heißt immer: die Geltungsansprüche journalistischer Aussagen auf ihre Verallgemeinerungsfähigkeit
zu prüfen, sie also den Bedingungen des moralisch-praktischen Diskurses zu unterziehen.“348

Für Journalistik und Kommunikationswissenschaft wäre es ein lohnenswertes Projekt, diese


Prämisse weiterzuentwickeln. Dadurch würde die Entwicklung einer gesellschaftstheoretischen
Perspektive in Form einer Kommunikationstheorie möglich, „[…] die am Ende unter journa-
listischem Handeln nur eine mögliche Form des kommunikativen Handelns zurechnungsfähiger
Subjekte versteht“349 und Journalismus auf diese Weise in sein eigenes Recht neben andere
Formen öffentlicher Kommunikation setzt. Dies wäre die Voraussetzung für ein Verständnis
journalistischen Handelns, welches von Vernunft und Verständigung ausgehend gesellschaftli-
che Prozesse erklärbar und verstehbar macht. In den Blick geraten journalistisch handelnde
Akteure als Instanz gesellschaftlicher Kommunikationsprozesse:
„Mit der sprachtheoretischen Erneuerung der Kritischen Theorie ist forschungslogisch der Weg frei zur Un-
tersuchung gesellschaftlicher Kommunikation. Die kommunikative Vernunft souveräner Individuen verweist
die Systemimperative auf ihren zwar wichtigen, aber nachgeordneten Stellenwert. Interaktiv können nur die
Menschen, nicht aber die Medien sein.“350

Die Handlungstheorie des kommunikativen Modells konstituiert einen eigenständigen Hand-


lungsmodus, in den sie Rationalitätsvermutungen einlässt. Sie bleibt – im Gegensatz zur
Systemtheorie, die Individuen in die Umwelt des Systems expediert – theoretisch sensibel

346 Vgl. Habermas 1995 [1981], Bd. 2, S. 571ff.


347 Genuine Legitimationsfragen richten sich an die Exponenten politisch oder ökonomisch fundierter medialer
Machstrukturen. Nicht die Kommunikativität journalistischen Handelns, sondern die noch zu skizzierenden
Systemcharakteristika medialer Institutionen bedürfen u.U. einer gesellschaftlichen Legitimation. Aus einer sol-
chen Perspektive ließen sich, so Baum (1994, S. 280f.), vielleicht auch „[…] angebliche ‚Legitimationsprobleme‘
des Journalismus als Folge der Einengung emanzipatorischen Anspruchs journalistischen Handelns – und so
als legitimistischen Rechtfertigungsversuch partikularer Herrschaftsinteressen – […] entlarven“.
348 Baum 1994, S. 284f.
349 Ebd., S. 275
350 Haas 1999, S. 53
240 IV Aspekte der kommunikativen Rationalität des Journalismus

dafür, dass es Menschen sind, die handeln und die für eine Wissenschaft, die Handeln untersu-
chen und verbessern will, ansprechbar sein müssen. Zugleich aber umgeht sie die Probleme
eines normativen Individualismus, von dem die frühe Publizistikwissenschaft genauso geprägt
ist wie legitimistische Versuche. Die ‚Theorie des kommunikativen Handelns‘ eröffnet auf-
grund ihrer Verklammerung mikro- und makrosozialer Annahmen die Möglichkeit, sowohl das
Handeln journalistischer Akteure zu rekonstruieren, als auch die gesamtgesellschaftlichen und
demokratiekonstitutiven Aufgaben zu begründen, die Journalismus seit Aufklärungszeiten
zugeschrieben werden. Das bedeutet nicht, dass jede journalistische Handlung diesen normati-
ven Anforderungen auch genügt, sondern dass die kommunikative Rationalität der Sprache
dem Journalismus nicht nur zugänglich ist, sondern seine genuine Grundlage bildet.
Mit dem Konzept eines verständigungsorientierten Journalismus sollen keine empirischen
All-Aussagen über Journalismus und seine Bindung an einen bestimmten Handlungsmodus
getroffen werden. Schließlich ist schon aus einer streng akteurstheoretischen Perspektive
offensichtlich, dass Journalisten in ihren Kommunikationsakten sehr wohl auch strategisch,
dramaturgisch oder normenreguliert vorgehen können und dass sie somit in der Lage sind, ihr
Handeln an unterschiedlichen Rationalitätsmaßstäben und Funktionserfordernissen auszurich-
ten. Ein primär zweckrationaler Journalismus aber entfernt sich – aus grundsätzlich normativer
Perspektive – von dem beschriebenen kommunikativen Fundament und wird defizitär. Dem
kann durch entsprechende Ausbildungsleistungen entgegengewirkt werden, zum Beispiel
indem Journalisten Grundkenntnisse der Wissenssoziologie und der Soziologie vermittelt
bekommen, um sie in die Lage zu versetzen, die ihrer Berichterstattung zugrunde gelegten
Annahmen über soziale ‚Realität‘ entsprechend zu relativieren und so auch umfassendere,
orientierende Bezüge in ihrer Berichterstattung herzustellen.351 Vielfach eingeschränkt werden
muss der Verständigungsspielraum journalistisch Handelnder allerdings, wenn auch die institu-
tionellen und systemischen Restriktionen berücksichtigt werden, denen Journalismus heutzuta-
ge unterworfen ist.352 Prozesse der Verberuflichung können daher, durch die Induktion einer
anderen Logik, die Verständigungsorientierung modernen journalistischen Handelns bedrohen.
Im Spannungsfeld von sprachlicher Kommunikationsrationalität und beruflicher Zweckratio-
nalität muss ein auf Verständigung gerichteter diskursiver Journalismus sich täglich neu bewäh-
ren.353 Dass er dazu zunächst prinzipiell in der Lage ist, liegt in der kommunikativ fundierten
Autonomie lebensweltlicher Akteure begründet, die auch Journalisten zuzubilligen ist:
„In kommunikativ strukturierten lebensweltlichen Kontexten sind bzw. bleiben die in modernen und damit
notwendig komplexen Gesellschaften sozialisierten Individuen grundsätzlich in der Lage, die persönlichen
und sozialen Entwicklungen zu verstehen , für die Folgen ihres Handelns Verantwortung zu übernehmen und
sich mit Beteiligten über Lösungen anstehender normativer Konflikte zu verständigen (Sozialintegration be-
wusster, kommunikativ kompetenter Individuen).“354

Aus den komplexen Annahmen der ‚Theorie des kommunikativen Handelns‘ kann eine nor-
mative Vorstellung von dem, was Journalismus sein soll, destilliert werden. Entsprechend
weiterentwickelt könnte ein Verständnis eines diskursiven Journalismus über die Beschreibung
des kommunikativen Handlungsmodus in der Lage sein, Journalisten als Subjekte einer Theo-
rie und einer daraus abzuleitenden Ethik des Journalismus anzusprechen.

351 Vgl. zu dieser Forderung Kunczik 1988, S. 255ff.


352 Diese sind heutzutage so stark geworden sind, dass sich viele Journalistikwissenschaftler von Versuchen,
Akteure oder Handlungen in den Mittelpunkt theoretischer Anstrengungen zu stellen, abwenden.
353 Darauf wird in Kapitel VI einzugehen sein.
354 Loretan 1999, S. 156
4 Zwischenfazit: Kommunikatives journalistisches Handeln 241

Ein solches Verständnis stünde in engem Zusammenhang zu einem gesellschaftstheoreti-


schen und gesellschaftskritischen Diskurs, aus dem heraus die aufklärerischen Kräfte des
Journalismus zu stärken wären. Schließlich steht Habermas Kritik der funktionalistischen
Vernunft einerseits in einer Tradition mit den älteren Vertretern der Kritischen Theorie355,
vermeidet aber andererseits deren Aporien einer radikalen Vernunftkritik, indem er mit dem
Modus des verständigungsorientierten Handelns eine pragmatische Perspektive aufzeigt.
Anders als Horkheimer und Adorno, welche die letzten Überreste ‚vernünftiger‘ Erkenntnis
nur noch in der Mimesis der Kunst entdecken können356, kennzeichnet Habermas den Ratio-
nalitätsbegriff der instrumentellen respektive der funktionalistischen Vernunft nicht nur als
verkürzt, sondern konfrontiert ihn darüber hinaus mit einem weiterreichenden, kommunikativ
fundierten Vernunftbegriff, den er im Anschluss an Mead in der sprachlichen Verständigung
symbolisch strukturierter Interaktionsprozesse identifiziert. Ein auf diesem Handlungsbegriff
konzipiertes Verständnis journalistischen Handelns wahrt den Bezug zu kommunikativen
Grundbedingungen menschlicher Verständigung. Es entgeht so einer konzeptionellen
A-Priori-Instrumentalisierung und verbleibt in demokratietheoretischer und -politischer
Hinsicht im Wortsinne ‚ansprechbar‘.
Habermas zielt darauf, die Vernunft der philosophischen Aufklärung in den nüchternen
Kategorien moderner Sozialwissenschaften zu verankern. Auf diesem Wege stellt er sich gegen
die moderne Vernunftkritik, welche die Möglichkeit aufgeklärten Lebens prinzipiell und zur
Gänze in Frage stellt.357 Eine solche Kritik an Mängeln der Vernunftrealisierung in sozialen
Zusammenhängen ist nur dann möglich, wenn sie mit vernünftigen Mitteln unternommen
wird. Somit wird auch eine noch so kunstvolle Verneinung der Vernunft, zum Beispiel in
poststrukturalistischen Ansätzen358, durch den performativen Selbstwiderspruch zum Beleg
ihrer Existenz. Dagegen identifiziert eine sprachpragmatisch gewendete Kritische Theorie von
vornherein eine Grundlage zur Verteidigung des Projekts der Moderne.
Diese Perspektiverweiterung korrespondiert mit der theoretischen Feststellung, dass die
Identifikation von Lebenswelt und Gesellschaft allein der Komplexität moderner Gesellschaf-
ten nicht gerecht werden kann, weil sich deren Integration in ihren zielgerichteten materiellen
Reproduktionsbereichen auch über funktionale Zusammenhänge vollzieht, die zunehmend
systemisch stabilisiert erscheinen und auch entsprechend beschrieben werden müssen.359 Hier
sind Handlungsfolgen ausschlaggebend, nicht wie noch im Prozess der Verständigung Hand-
lungsorientierungen. Deswegen bietet sich ein solches Verständnis von Journalismus dazu an,
Fabris Forderung zu erfüllen, mit Blick auf journalistisches Handeln weniger über das Ob von

355 Diese haben ihre Kritik der instrumentellen Vernunft in der ‚Dialektik der Aufklärung (Horkheimer/Adorno
1988 [1944]) und in ‚Der eindimensionale Mensch‘ (Marcuse 1970 [1964]) formuliert. Vgl. zur Abgrenzung der
geschichtsphilosophischen älteren Entwürfe von der Habermasschen Theorie Dubiel 2001; Honneth 1982.
356 Vgl. die dezidierte Kritik in Habermas 1995 [1981], Bd. 1, S. 489ff.
357 Das gilt gleichermaßen für eine konservative wie für eine reformerisch-emanzipatorische Vernunftkritik.
358 Pias (2003) interpretiert die poststrukturalistischen Medientheorien zu Recht eher als eine „Kritik der Theorie“ denn
als eigenständige Theorie. Aus dieser Perspektive sind zwar seit den 1970er Jahren ebenso gewichtige wie sper-
rige Beiträge für die Medientheorie formuliert worden, die sich aber in der Regel nur schwer in Forschung ope-
rationalisieren lassen. Ihre Leitthemen sind die Auflösung und das Verschwinden des Bestehenden und der
Gewissheiten. Folgerichtig offeriert der Poststrukturalismus „keine Anwendungen, sondern allenfalls Anregun-
gen, produziert keine Einführungen, sondern allenfalls Versuche von Auslassungen […]. Vor allem aber ver-
fasst er keine Methodologie.“ (ebd., S. 286f.)
359 Vgl. Habermas 1995 [1981], Bd. 2, S. 225f.
242 IV Aspekte der kommunikativen Rationalität des Journalismus

Objektivität als über das Wie von Transparenzgeboten zu diskutieren.360 Wichtig werden in der
Folge einer solchen Entscheidung Rahmenbedingungen des journalistischen Handelns wie
• Werthaltungen und -überzeugungen,
• Sozialisation und sozialer Status,
• äußere Bedingungen, journalistische Handlungsspielräume,
• rechtliche, politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen,
• journalistische Arbeitsbedingungen in der Redaktion,
• Verwertungsbedingungen für journalistische Produkte auf dem Medienmarkt.
Um diese Rahmenbedingungen angemessen thematisieren zu können, ist die Zweistufigkeit des
Aufbaus moderner ausdifferenzierter Gesellschaften zu berücksichtigen, der sich aus der
Ausdifferenzierung spezialisierter Teilsysteme ergibt, die von subjektiv unkoordinierten Ein-
zelentscheidungen gesteuert werden. Angesichts der daraus erwachsenden, zumindest partiell
systemischen Steuerung moderner Gesellschaften ist auch die alleinige Rezeption des hand-
lungstheoretischen Strangs der ‚Theorie des kommunikativen Handelns‘ nicht ausreichend, um
journalistisches Handeln praxisorientiert modellhaft in den Griff zu bekommen.361 Es wird im
folgenden Kapitel zu diskutieren sein, inwiefern die Entfaltung der im journalistischen Han-
deln angelegten Kommunikativität durch die gesellschaftlichen und insbesondere medialen
Rahmenbedingungen geformt wird.

360 Vgl. Fabris 1981b, S. 21ff.


361 Zu Recht verbindet z.B. Fabris (1979, S. 139ff.) die Entwicklung eines Journalismuskonzepts mit einer Analyse
der politischen und ökonomischen Voraussetzungen für Partizipation an Massenkommunikation.
V Strukturwandel der Öffentlichkeit –
Ausdifferenzierung der Massenmedien

Dieses Kapitel markiert einen Perspektivwechsel im Argumentationsverlauf: Anstelle von idealtypischen


Handlungsmodi stehen soziale Strukturierungs- und Systemausdifferenzierungsprozesse im Mittelpunkt der
Analyse. Die bislang handlungstheoretische Argumentation wird – wie in der Einleitung angekündigt –
ergänzt um eine systemtheoretische Perspektive. Zunächst ist weitgehend unter Auslassung von Struktur- und
Systemüberlegungen argumentiert worden, um den Handlungstypus des journalistischen Handelns in seinen
Facetten möglichst stringent entfalten zu können. Das Bild seiner Umsetzungschancen wäre allerdings wenig
zutreffend, wenn journalistisches kommunikatives Handeln nicht in Beziehung gesetzt würde zu seinen
medialen Umfeldbedingungen. Um diese Perspektive, die in der Regel eng mit gesellschaftlicher Kritik verknüpft
ist, einzuführen, wird eine Systemkonzeption zu begründen sein, die an die bislang skizzierte handlungstheore-
tische Analyse anschlussfähig ist und die dazu beiträgt, dass im Zusammenspiel von kommunikativem
Handeln und systemischer Steuerung gesellschaftliche Integration beschreibbar wird. (1).
Vor dieser gesellschaftstheoretischen Folie lässt sich der historisch konstatierte Strukturwandel der Öffent-
lichkeit vorwiegend als (systemische) Ausdifferenzierung der Massenmedien interpretieren. Es wird zu zeigen
sein, inwiefern sich Massenmedien mittlerweile als Bestandteile des ökonomischen Systems verstehen lassen und
in ihren Routinen entsprechend nicht mehr einer lebensweltlich fundierten kommunikativen Vernunft, sondern
einer Orientierung auf Profit folgen. Die zweckrational-instrumentelle Logik der Massenmedien lässt sich –
dem hier zu entfaltenden Verständnis zufolge – nicht auf eine eigene Code-Differenzierung zurückführen,
sondern basiert auf einer engen Verbindung zum wirtschaftlichen System (2).
Die Folge ist, dass Journalismus maßgeblich in einem ökonomisch determinierten Umfeld statt findet. Aus
der Ausweitung der ökonomischen Logik können sich Verluste kommunikativer Spielräume ergeben, die in
Anlehnung an Habermas prozesshaft als ‚Kolonialisierung‘ der kommunikativen Logik des Journalismus
durch systemisch bedingte Effizienz- und Profitzwänge beschrieben werden können. Gleichzeitig ist Journalis-
mus auf ausdifferenzierte Medienstrukturen zur Erbringung der eigenen kommunikativen Leistungen angewie-
sen. Der Zuschnitt beruflicher Rollen, die Organisationsformen von Redaktionen sowie der Einsatz technischer
Systeme können innerhalb dieses letztlich dialektischen Spannungsfeldes entweder als leistungssteigernde
Strukturierung, als effizienzorientierte Mediatisierung oder als systembedingte Kolonialisierung des Journalis-
mus interpretiert werden (3).
Journalismus kann vor diesem Hintergrund als systemisch bestimmte Berufsarbeit konzipiert werden, deren
kommunikative Potenziale im Widerstreit zu systemischen ‚constraints‘ stehen und sich ihre Spielräume
dezidiert erhalten müssen – auch indem dieses Potenzial in seiner eigenen Logik durch die Kritik angesprochen
wird (4).
244 V Strukturwandel der Öffentlichkeit – Ausdifferenzierung der Massenmedien

1 Die Systemperspektive
Die institutionellen politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen des journalistischen
Handelns sind im bisherigen Argumentationsverlauf zwar nicht ausgeblendet, wohl aber
bewusst unterbelichtet worden, um zunächst ein einseitig idealisiertes Bild der konzeptionellen
Basis eines kommunikativen journalistischen Handlungsmodus zu skizzieren – ohne dabei die
Grenzen seiner kommunikativen Rationalität sowie deren Wechselspiel mit anderen Vergesell-
schaftungs- und Koordinierungsmechanismen systematisch zu thematisieren. Die handlungs-
theoretische Perspektive zielt zwangsläufig stärker auf einzelne Akteure als auf soziale Zusam-
menhänge. Das Akteurshandeln muss aber zu strukturellen und systemischen Bedingungen in
Beziehung gesetzt werden, um die empirischen Entfaltungsmöglichkeiten des idealtypisch
isolierten Potenzials skizzieren zu können.1 Eine Analyse des Journalismus ist nicht vollständig
ohne eine Auseinandersetzung mit den Wandlungsprozessen in Medienstruktur und -kultur.2
Die kommerzielle Nutzung der Presse macht es spätestens seit dem Strukturwandel im 19.
Jahrhundert notwendig, die Versorgung mit ausreichend veröffentlichungsfähigem Material so
zu organisieren, dass der ‚kommunikative Gebrauchswert‘ der Zeitung jeden Tag neu produ-
ziert werden kann, um gewinnbringenden Absatz zu gewährleisten. Die Produktion bedarf
daher aus Verlegersicht nicht nur in den Bereichen Druck und Vertrieb, sondern auch in der
Erstellung und Verarbeitung von Texten der Standardisierung. Der Einkauf fertiger Texte
externer Schriftsteller reicht nicht mehr aus, sondern Medienbetriebe holen zu diesem Zeit-
punkt die journalistische Arbeitskraft in den kapitalgesteuerten Produktionsprozess hinein.3
Durch „die industrielle Produktionsweise, verbunden mit zunehmender Arbeitsteilung und
Produktstandardisierung“ hat sich, so Fabris, „eine massive Einschränkung für die journalisti-
sche Arbeit“ ergeben.4 Journalismus steht in der Gefahr, durch die Veränderung seiner Entfal-
tungsbedingungen „[…] endgültig auf den Zwischenhandel mit der Ware Information redu-
ziert zu sein“.5 Dieser Trend weicht in letzter Zeit durch den vermehrten Einsatz von freien
Journalissten und das gezielte Outsourcing ganzer Redaktionsbereiche wieder auf. Das Ergeb-
nis dieser Entwicklungen ist allerdings nicht eine steigende Zahl publizistisch unabhängigerer
freier Journalisten, sondern die Entwicklung einer ökonomischen in Bedrängnis geratenden
Gruppe von Content-Zulieferern, die neben journalistischen produkten auch PR-Arbeiten
erledingen, um ein genügendes Auskommen zu haben.6 Daher stellt die Entwicklung keine
Revitalisierung eines kommunikativen, von Medienzwängeren unbelasteteren Journalismus’
dar, sondern ist ein weiteres Indiz für die Stärke ökonomischer Prämissen in den Medien.

1 Um nur zwei klassische Beispiele zu nennen: Fabris (1979, S. 166) fordert notwendige kommunikationspoliti-
sche Konsequenzen, um einen teilhabeorientierten Journalismus wahrscheinlicher zu machen. Bentele (1982, S.
148) wiederum verweist aus der Objektivitätsdebatte heraus nachdrücklich darauf, dass aus Forderungen nach
‚objektiver Berichterstattung“ auch die „Forderung nach der Herstellung adäquater sozialer, redaktioneller, in-
stitutioneller Bedingungen“ ableiten läßt. In beiden Fällen bestehen die Autoren darauf, dass journalistische
Leistungen empirisch angemessen nur zu fordern und zu bewerten sind, wenn ihnen entgegenkommende so-
ziale Strukturen etabliert sind.
2 Vgl. Jarren 1998a, S. 84
3 Vgl. Schütt 1981, S. 92 Was Schütt als einseitigen Prozess der Unterordnung unter verlegerisches Kapitalver-
wertungsinteresse beschreibt, lässt sich auch als Herausbildung einer eigenständigen journalistischen Rolle ver-
stehen, die es zuvor gar nicht gegeben hat. So sieht Requate (1995, S. 399f.) in den Entwicklungen des 19. Jahr-
hunderts Veränderungen, die dazu führten, dass sich Journalismus als berufliche Tätigkeit von den publizisti-
schen Äußerungen von Politikern oder Schriftstellern überhaupt erst differenzierte.
4 Fabris 1979, S. 248
5 Baum 1996, S. 238
6 Vgl. Weischenberg/Malik/Scholl 2006b, S. 350
1 Die Systemperspektive 245

Baum stellt ganz grundsätzlich eine „Paradoxie journalistischen Handelns“ fest, die er in
dem Widerspruch zwischen der Realität des Mediensystems und der normativen Dimension
des Journalismus ausmacht.7 Er verweist damit auf den Umstand, dass Journalismus heutzuta-
ge eines Vermittlungsumfeldes bedarf, das journalistisch-kommunikativer Rationalität entge-
gensteht und ihre Entfaltung erheblich erschwert. Die Spielräume journalistischer Akteure
werden deutlich verengt, indem sie auf ein vermeintlich professionelles Berufshandeln festge-
legt werden, das den zweckrationalen Verwertungsimperativen der Medienbetriebe gehorchen
soll.8 Genau diese Entwicklung der Unterordnung des Journalismus unter mediale Imperative
kann aber nicht bis zur Aufgabe des Journalismus getrieben werden, da die kulturwirtschaftli-
che Produktion immer nur bedingt organisierbar ist. Journalismus bewahrt sich – wie alles
lebensweltliche Handeln – eine Eigensinnigkeit, die zu weitreichende systemische Übergriffe
abzuwehren versucht und damit letztlich ihre eigenen kommunikativen Geltungsgrundlagen
stärkt. Wäre er dazu nicht mehr in der Lage, wäre er von strategisch orientierten Public Relati-
ons nicht mehr zu unterscheiden. Die Aufrechterhaltung dieser bereits beschriebenen Abgren-
zung wird für einen unter Medienbedungungen agierenden Journalismus zunehmend bedeut-
samer, da er – anders als die PR – nicht ohne bestandsgefährdende Folgen der systemischen
Zweckorientierung subsumiert werden kann.
Die damit verbundenen, vergleichsweise komplexen und ökonomische Entwicklungen ein-
beziehenden Analysen des ‚Strukturwandels der Öffentlichkeit‘ konnten von der klassischen
Zeitungs- und Publizistikwissenschaft kaum nachvollzogen werden, weil diese in der Regel
nicht das dafür notwendige Instrumentarium besaß.9 Die kommunikationswissenschaftliche
Forschung hat den Fragen der Beziehung von Journalismus und Medien daher lange Zeit nicht
genügend Aufmerksamkeit geschenkt, aber
„[…] immerhin soviel, dass immer klarer wird, wie irreführend es ist, (tagesaktuelle) Medien und Journalismus
einfach in eins zu setzen. Zumal die Journalistik als publizistikwissenschaftliche Teildisziplin bezieht denn
auch systematisch den Journalismus auf den Strukturkontext der Medieninstitution. Langfristig mag so eine
integrale Theorie der publizistischen Produktion Umrisse gewinnen. Gegenwärtig hat man allerdings den
Eindruck, als würde auch dort das Verhältnis von Journalismus und Medien nicht grundsätzlich problemati-
siert und daher auch nicht systematisch diskutiert. Einer vergleichsweise gut entwickelten journalistischen Be-
rufsforschung steht eben keine entsprechend intensive Analyse der Medienorganisation gegenüber, so dass
die letztere in ihrer Eigenmacht und -rationalität als potentielle Stütze oder Gegenspielerin zum Journalismus
in der Forschung wenig Profil gewinnt.“10

Die Analyse dieser medialen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, welche einen kom-
munikativen Journalismus fördern oder behindern, erfordert einen Perspektivwechsel, der die
Beschreibung sowohl der kommunikativen Möglichkeiten als auch der gesellschaftlichen oder
ökonomischen Restriktionen des Journalismus erlaubt. Es geht im Folgenden um den Zustand
des Journalismus unter den Bedingungen der massenmedialen Infrastruktur, die sich in moder-
nen Gesellschaften ausdifferenziert hat und zurückwirkt auf journalistisches Handeln und die
Verfasstheit bürgerlicher Öffentlichkeit. Auf welcher Rationalität basieren die Massenmedien?

7 Ebd., S. 240
8 Für Saxer (1993a, S. 293) ist es gar ein mögliches Szenario medialen und journalistischen Wandels, dass die
Zukunft des Journalismus in Frage steht, sollten die Medien die „totale Einvernahmung oder Austreibung des
Journalismus“ betreiben und so das „Ende seiner Geschichte“ markieren.
9 Vgl. Bohrmann 2003, S. 173f. In der Regel steht bis heute dem „einheitlichen, untrennbaren Prozess des
Wirtschaftens und Veröffentlichens in den Medienunternehmen […] eine analytisch-wissenschaftlich getrennte
Reflektion gegenüber“, beklagen Altmeppen und Karmasin (2003c, S. 25) angesichts der nur geringen Berück-
sichtigung der Medienökonomie in der Kommunikationswissenschaft.
10 Saxer 1993a, S. 292f.
246 V Strukturwandel der Öffentlichkeit – Ausdifferenzierung der Massenmedien

Wie sind sie gesellschaftlich verankert? Auf diese Fragen sollen unter Zuhilfenahme der
Systemperspektive vorläufige Antworten formuliert werden, um den materiellen Bedingungs-
rahmen journalistischen Handelns und seine ermöglichenden wie einschränkenden Wirkungen
angemessen beurteilen zu können.

1.1 Massenmedien als System

Systemische Analysen haben sich als ein wichtiges Instrument der Medien- und Journalismus-
forschung erwiesen: Insbesondere aus einer gesellschaftstheoretischen Perspektive können
Massenmedien als ein systemischer, zweckrational gesteuerter Zusammenhang betrachtet
werden. Mit ihnen wird eine (nicht nur technische) Infrastruktur institutionalisiert, die notwen-
dig ist, um die kommunikative Integration komplexer Gesellschaften über Öffentlichkeit zu
ermöglichen11 – Dröge und Kopper sprechen von dem „zentralen gesamtgesellschaftlichen
Vermittlungszusammenhang“12, Jarren von der „zentralen Infrastruktur der modernen Gesell-
schaft“13. Diese Infrastruktur bildet sich in einem sozialen Differenzierungsprozess, in dessen
Verlauf sich Routinen der medialen Vermittlung und Kommunikation nicht nur institutionali-
sieren, sondern gegenüber anderen gesellschaftlichen Bereichen verselbstständigen, um die
ihnen zugewiesene oder von ihnen angenommene soziale Funktion effizient zu erfüllen:
Einzelne Medieninstitutionen differenzieren sich als mediale Teilsysteme aus (zum Beispiel
Fernsehen) und bilden in ihrer Interaktion ein gesellschaftliches (Gesamt-)Mediensystem auf
der Basis einer eigenständigen Operationslogik. Die Medienstrukturen entziehen sich immer
mehr der gesellschaftlichen Steuerung, da die verschiedenen Medienteilsysteme ein hohes Maß
an interner Autonomie besitzen und die Ergebnisse ihrer Interaktion nicht als Ergebnisse
geplanter Gestaltung sozialer Entwicklungen verstanden werden können.14 Umgekehrt präfigu-
riert das (Gesamt-)Mediensystem eigenlogisch die Entfaltungsmöglichkeiten seiner medialen
Teilsysteme.15
Systemtheoretiker sehen einen entscheidenden Vorteil dieser theoretischen Perspektive
darin, dass sie schon „vom Ansatz her über eine isolierte Sicht auf Medien als bloße Techniken
hinaus auf den komplexen gesellschaftlichen Zusammenhang, in dem solche Techniken
funktionieren und wirken“, verweise.16 Tatsächlich macht diese Theorieperspektive auch die
Imperative beschreibbar, nach denen die materiellen Ressourcen reproduziert werden, die
journalistische Akteure in ihrem Handeln in Anspruch nehmen. Die zunehmende Ausdifferen-
zierung und Selbststeuerung des Mediensystems zeigt sich in der Verfeinerung einer eigenen
Selektionslogik und Präsentationsoptik17 sowie in zunehmender Selbstreferentialität medialer
Thematisierungsleistungen.18 Daraus erwächst eine abstrakt zu fassende Funktionslogik des

11 Luhmann (1981b, S. 29) sieht in Massenmedien die Möglichkeit, unwahrscheinliche Kommunikation dennoch
zu ermöglichen und in sozialen Systemen zu stabilisieren.
12 Dröge/Kopper 1991, S. 130
13 Jarren 1998a, S. 74
14 Vgl. Schmidt 1990, S. 77; Jarren/Meier 2002, S. 130
15 Das zeigt sich zum Beispiel darin, dass mediale Selektions- oder Darstellungslogiken unterschiedlich entfaltet
sind, je nach dem, ob ein Mediensystem noch vorwiegend auf Schrift ausgerichtet ist, oder sich visuelle Medien
bereits flächendeckend durchgesetzt haben.
16 Schmidt 1990, S. 77
17 Vgl. Meyer/Ontrup/Schicha 2000; Meyer 1997, S. 67
18 Ein konkretes Beispiel der Selbstreferentialität ist die journalistische Berichterstattung über medial induzierte
Ereignisse (vgl. Brosda 2002b).
1 Die Systemperspektive 247

Mediensystems, welche die Funktionserbringung der Medien für die Gesellschaft steuert. Diese
Logik beeinflusst die medial zur Verfügung gestellten Informationsangebote, das ‚agenda
setting‘ in gesellschaftlicher Kommunikation sowie die sozialen und individuellen Wirklich-
keitskonstruktionen in einer Gesellschaft.19 Medien sind der zentrale Faktor in der Strukturie-
rung öffentlicher Wahrnehmung geworden und besitzen in ihren Selektions- und Präsentati-
onsroutinen erheblichen Einfluss auf die Konstitution von Öffentlichkeit. Luhmann nennt
Massenmedien folglich „ein Instrument der Sofort-Integration, der Herstellung gemeinsamer
Aktualität“, durch die eine gemeinsame Unterstellung von sozialer ‚Realität‘ erzeugt werde.20
Allerdings folgen die dazu entwickelten Routinen nicht nur einer eigenständig ausdifferenzier-
ten medialen Logik, sondern werden im Gefolge weiterer historischer Umbrüche maßgeblich
von einer umfassenden ökonomischen Logik in den Dienst genommen.
Die Implikationen, die mit Begriffen wie massenmediales System oder Mediensystem verbunden
werden, sind jedenfalls so unterschiedlich, dass von einer einheitlichen systemtheoretischen
Perspektive weder in Bezug auf die Massenmedien, noch auf einen anderen Aspekt öffentlicher
Kommunikation gesprochen werden kann.21 Schließlich ist nicht nur der ‚Medienbegriff‘ durch
erhebliche Unschärfen geprägt, die vom ‚Aussagenträger‘ bis zur ‚voll entfalteten Kommunika-
tionsinfrastruktur‘ reichen22, sondern auch der ‚Systembegriff‘ ist umgangssprachlich wie
sozialwissenschaftlich nicht eindeutig definiert. Selbst innerhalb der systemtheoretischen Debatte
ist kein einheitliches Verständnis des Systemcharakters der Medien auszumachen.23 Bisweilen
impliziert die Verwendung des Systembegriffs überhaupt keine systemtheoretische Grundlegung
der Betrachtungen24, sondern bezeichnet lediglich einen technisch-institutionell identifizierba-
ren sozialen Komplex – wie die ‚Medienbranche‘ oder diejenigen Vermittlungsinstitutionen, die
sich um den ‚Kommunikationskanal‘ eines Verbreitungsmediums ansiedeln.25
Zu diesen definitorischen Unschärfen kommen weiterhin empirische Differenzen: Nicht alle
Autoren, die sich systemtheoretischer Terminologie bedienen, gelangen zu dem Schluss, dass
es sich bei dem, was sie ‚Mediensystem‘ oder ‚gesellschaftliches Subsystem der Massenkom-
munikation‘ nennen, um ein System handelt, das in seinem Organisationsgrad mit dem wirt-
schaftlichen oder politischen System vergleichbar wäre. Für Habermas zum Beispiel sind die
modernen Massenmedien zunächst lediglich eine generalisierte Form der Kommunikation, die
sprachliche Verständigung zwar kondensiert, aber lebensweltlichen Kontexten verhaftet

19 Vgl. Schmidt 1990, S. 78. Wobei Systemtheoretiker nicht davon ausgehen, dass das sich verselbstständigende
Mediensystem seinerseits steuernd in Führung geht; aber es strukturiert das Spektrum gesellschaftlicher Kom-
munikation vor, mit dem sich auch andere Teilsysteme zumindest als Umweltirritation auseinandersetzen müs-
sen. Die steigende Wichtigkeit der Medien drückt sich – systemtheoretisch betrachtet – auch darin aus, dass
andere gesellschaftliche Teilsysteme in Form von Public-Relations-Institutionen Grenzstellen schaffen, um
strukturelle Kopplungen zum Mediensystem zu bearbeiten (vgl. Brosda/Schicha 2002; Saxer 1999; Schwe-
da/Opherden 1995; Faulstich 1992).
20 Luhmann 1981d, S. 319
21 Vgl. Hohlfeld 2003, S. 99ff.
22 Siehe Kapitel I.3.1 der vorliegenden Arbeit.
23 Vgl. Jarren/Meier 2002, S. 130
24 Darauf hat Rühl (1969) früh hingewiesen.
25 Vgl. Siegert 2001, S. 169; Decker/Langenbucher/Nahr 1976, S. 5. Auch Böckelmann (1975, S. 37) konstatiert,
dass das massenkommunikative System als ein Subsystem von Wirtschaft und Politik angesehen werden könn-
te; dafür spräche, dass Massenkommunikation „keine festen Sinngrenzen und relativ geringe Autonomie“ besit-
ze. Im Ergebnis werden die Massenmedien dann in einem sehr allgemeinen Verständnis des Begriffs als ein
System gesehen, das sich vor allem in organisatorischer und struktureller Hinsicht ausdifferenziert hat und so-
mit Leistungen und Funktionen für Gesellschaft erbringt.
248 V Strukturwandel der Öffentlichkeit – Ausdifferenzierung der Massenmedien

bleibt.26 Massenmedien lösen ihm zufolge sprachliche Konsensbildung nicht ab, sondern
spezialisieren und spezifizieren diese kontextabhängig. Auf diese Weise seien Massenmedien in
der Lage, die Beschränkungen einer raumzeitlich gebundenen Kommunikationssituation durch
Abstraktion ihrer Bedingungen zu überwinden:
„Sie […] lassen Öffentlichkeiten entstehen, indem sie die abstrakte Gleichzeitigkeit eines virtuell gehaltenen
Netzes von räumlich und zeitlich weit entfernten Kommunikationsinhalten herstellen und Botschaften für
vielfältige Kontexte verfügbar halten.“27

Dieser emanzipatorisch verstandenen Entschränkungswirkung der Massenmedien steht allerdings


eine Hierarchisierungswirkung entgegen, die sich daraus begründet, dass die Massenmedien die
Wirksamkeit sozialer Kontrollen in gesellschaftlichen und politischen Entscheidungsprozessen
deutlich verstärken können, da der Zugang zu Massenmedien und damit zu gesellschaftlicher
Öffentlichkeit nur in einem sehr idealtypischen Sinn als ‚frei‘ angesehen werden kann und
realiter Zugangsbarrieren existieren. Vor allem die auf massenmedialer Selektivität basierende
„Medienmacht“ versetzt mediale Akteure und ressourcenstarke Sprechergruppen in die Lage,
zumindest zeitweilig und in bestimmten Situationen kommunikative Macht zu entfalten bzw.
ihre administrative oder soziale Macht in kommunikative Macht zu transformieren:
„Die Massenmedien können Verständigungsprozesse gleichzeitig aufstufen, raffen und verdichten, aber die
Interaktionen nur in erster Instanz von den Ja/Nein-Stellungnahmen zu kritisierbaren Geltungsansprüchen
entlasten; auch die abstrahierten und gebündelten Kommunikationen können nicht zuverlässig gegen die Wi-
derspruchsmöglichkeiten zurechnungsfähiger Aktoren abgeschirmt werden.“28

Habermas schreibt den Massenmedien daher, wie eingangs bereits konstatiert wurde, ein
„ambivalentes Potential“ zu.29 Weder laufe die Medienentwicklung linear auf eine Zentralisierung
zu, noch dürfe die Widerständigkeit einer eigensinnigen kommunikativen Alltagspraxis gegen-
über den Medienangeboten unterschätzt werden. Besonders letztere wirke auf die Medieninhal-
te und ihre Präsentationsformen zurück und verhindere so eine simple Inanspruchnahme der
Medien zur Verbreitung ideologischer Aussagen. Diese Aussagen über Massenmedien bei
Habermas sind so allgemein gehalten, dass sie konzeptionell für alle Leistungen heranzuziehen
sind, die eine mediale Infrastruktur und ein mit ihr verbundener Journalismus gemeinsam erbrin-
gen. Auf dieses allgemeine Phänomen der Massenkommunikation kann die Feststellung eines
ambivalenten Potenzials gemünzt werden. Die Gründe für deren ambivalente Stellung zwischen
Entschränkung und Vermachtung kommunikativer Zusammenhänge liegen dagegen aber in der von Habermas
nicht weiter thematisierten Binnenstruktur massenkommunikativer Produktion und Kommunikation – genauer
in der Binnenstruktur von Massenmedien und journalistischem Handeln. Um diese zu analysieren ist
zwischen Massenmedien und Journalismus zu differenzieren: Massenmedien bilden eine
ökonomische und technische Infrastruktur für das kommunikative Handeln von Journalisten,

26 Vgl. Habermas 1995 [1981], Bd. 2, S. 573


27 Ebd., S. 573
28 Ebd., S. 573
29 Ebd., S. 573ff. Dieses Potenzial gerät allerdings nur dann in den Blick der Kommunikationswissenschaft, wenn
diese nicht empiristisch verkürzt ist und „Dimensionen der Verdinglichung kommunikativer Alltagspraxis
überhaupt berücksichtigt“; dabei warnt Habermas allerdings davor, einfach einer „gewissen Überprägnanz“ der
kulturkritischen Thesen Adornos (1963a; 1963b; 1967) zu folgen, denen Befunde der Medienforschung hin-
sichtlich der Differenziertheit von Medienanstalten, hinsichtlich der Professionalität von Journalisten bezogen
auf ihren gesellschaftlichen Auftrag und hinsichtlich des kritischen Gehalts vermeintlich rein unterhaltender
Medienprodukte mittlerweile eindeutig widersprechen. Adorno (1969) hat selbst in einem späteren Aufsatz dif-
ferenziertere Anmerkungen folgen lassen.
1 Die Systemperspektive 249

mithin eine materielle Ressource. Sie lassen sich daher als zweckrational gesteuerter, systemi-
scher Rahmen von der kommunikativen Rationalität journalistischen Handelns abgrenzen.30
Bevor auf diesen systemischen Charakter der Massenmedien eingegangen werden kann, ist der
zugrunde liegende Systembegriff zu klären.

1.2 System und Struktur

Ausgangspunkt systemisch basierter Analysen auch der Massenmedien ist die Diagnose, dass
eine gesellschaftliche Logik an Relevanz und Dynamik gewinnt, die auf der Ausdifferenzierung
zweckrational gesteuerter sozialer Bereiche (Systeme) beruht: Die Etablierung eines Mediensys-
tems dient primär nicht lebensweltlichen Verständigungsabsichten, sondern folgt einer Zweck-
rationalität, die durch Machterwägungen persuasiver Kommunikation oder durch Profiterwä-
gungen kommerzieller Anbieter geprägt ist. Zugleich kann sie aber die infrastrukturellen
(vorwiegend materiellen) Grundlagen effektiver und effizienter gewährleisten, derer Journalis-
mus grundsätzlich bedarf. Dies geschieht durch die Rationalisierung und Professionalisierung
medialer Produktionsroutinen, durch die Entfaltung eigener Bewertungsmaßstäbe für medien-
systemische Operationen und durch die Entwicklung neuer Organisations- und Kooperations-
formen.31 Medien können ohne Journalismus existieren, aber Journalismus letztlich nicht ohne
Medien.32
Die Ausdifferenzierung eines Mediensystems ist Teil eines umfassenderen Prozesses der
sozialen Differenzierung moderner Gesellschaften entlang unterschiedlicher steuernder Logi-
ken, die sich von der kommunikativ reproduzierten bzw. integrierten Lebenswelt lösen und
gesellschaftstheoretisch komplementär zu ihr betrachtet werden können. Voraussetzung der
Bildung solcher systemischer Funktionszusammenhänge ist eine weitgehende Rationalisierung
der Lebenswelt, d.h. ihre Umstellung von traditionellen Mustern auf kommunikative Repro-
duktionsmechanismen und formal verrechtlichte soziale Beziehungen.
„Die Lebenswelt muß so weit rationalisiert sein, daß sittlich neutralisierte Handlungsbereiche mit Hilfe for-
maler Verfahren der Normsetzung und -begründung legitim geregelt werden können. Die kulturelle Überlie-
ferung muß schon so weit verflüssigt sein, daß legitime Ordnungen traditionsfester dogmatischer Grundlagen
entbehren können. Und Personen müssen innerhalb des Kontingenzspielraums abstrakt und allgemein nor-
mierter Handlungsbereiche schon so weit autonom handeln können, daß sie ohne Gefährdung der eigenen
Identität von moralisch definierten Zusammenhängen verständigungsorientierten Handelns auf rechtlich or-
ganisierte Handlungsbereiche umschalten können.“33

30 Vgl. auch Altmeppen (2006, S. 263), der prägnant darauf hinweist, dass „[…] Journalismus im Orientierungsho-
rizont der Öffentlichkeit operiert, die Medien dagegen im Orientierungshorzont der Wirtschaft“.
31 Dadurch erhöht sich nicht zuletzt die eigenlogische Steuerung der Massenmedien in einem Wechselspiel von
Leistungs- und Publikumsrollen (vgl. Jarren 1998a, S. 84). Der Systembegriff steht hier in enger Verwandtschaft
zum Strukturbegriff nach Giddens (1995), demzufolge sich auch dem Handeln der Akteure soziale Strukturen
bilden, die künftiges Handeln präfigurieren zugleich aber offen für Veränderung durch Handeln sind. Daraus
ergibt sich zwangsläufig eine graduelle Nähe zwischen den Begriffen Organisation und System: „Vielfach wird,
vor allem alltagssprachlich, nicht zwischen Organisationen und Systemen unterschieden. Organisationen kön-
nen dann als soziale Systeme aufgefasst werden, wenn sich dauerhafte Rollen- und Interaktionsstrukturen in ih-
nen ausprägen und sie über einen bestimmten Grad an Eigenkomplexität verfügen. Von Organisationsautono-
mie spricht man, wenn Organisationen relativ unabhängig von Einflüssen aus unterschiedlichen Umwelten,
bspw. bei der Zielfindung oder Personalauswahl, entscheiden können.“ (Jarren/Meier 2002, S. 141)
32 Vgl. Weber 2005, der darauf hinweist, dass die erste Zeitung 1605 ohne Journalisten entstanden ist.
33 Habermas 1995 [1981], Bd. 2, S. 470
250 V Strukturwandel der Öffentlichkeit – Ausdifferenzierung der Massenmedien

Erst wenn die Lebenswelt in dem beschriebenen Sinne rationalisiert ist, haben sich ihre einzel-
nen Bestandteile so weit in reflexive und formale Mechanismen verwandelt, dass es möglich ist,
einzelne Handlungsbereiche vom integrierenden Modus des konsensstiftenden Sprach-
gebrauchs zu entkoppeln und aufgrund ihrer eher zweckrationalen, zielbestimmten Ausrich-
tung gemäß entsprachlichter Steuerungsmodi zu koordinieren.
Diese Steuerungsmedien bilden sich demnach in einem sozial-evolutionären Prozess her-
aus. Bestimmte gesellschaftliche Bereiche der Zwecktätigkeit werden von Kommunikations-
aufwand und Dissensrisiko entlastet, indem sie der Maßgabe der kommunikativen Vernunft
entzogen werden. An ihre Stelle treten symbolisch generalisierte Steuerungsmedien, die sich
auf empirisch motivierte Bindungen beziehen, einen zweckrationalen Umgang mit kalkulierba-
ren Wertmengen beschreiben und eine generalisierte strategische Einflussnahme auf die
Entscheidungen anderer ermöglichen, ohne dafür sprachlich gestützte Konsensbildungspro-
zesse in Anspruch zu nehmen.34 Diese Steuerungsmedien können klar umrissene Bereiche
materieller Reproduktion „gegenüber der Alternative von Einverständnis und fehlgeschlagener
Verständigung neutralisieren“.35 Sie ersetzen in diesen Bereichen die integrative Kraft der
Sprache und koppeln damit die Interaktion in ihrem konkreten Vollzug von der Lebenswelt ab.
Diese Steuerungsmedien selbst allerdings bedürfen der förmlichen Rückkopplung an die
Lebenswelt, d.h., ihre Konstitution muss in lebensweltlichen Kontexten z.B. durch rechtsför-
mige Fundamente begründbar sein.36
Die primären Ausdifferenzierungen nach diesem Muster betreffen das über das Steue-
rungsmedium Geld strukturierte Wirtschaftssystem und das über das Steuerungsmedium
Macht strukturierte politisch-administrative System.37 Sie treten über ihre Grenzen hinweg
mittels ihrer Steuerungsmedien mit ihren Umwelten in Kontakt. Diese Prozesse lassen sich
bezogen auf das Wirtschaftssystem und seine Interaktionen mit Arbeitskräften und Konsu-
menten genauso beobachten wie bezogen auf das politisch-administrative System und seine
Kontakte mit Staatsbürgern und Klienten. Dabei normiert das System im Verlauf seiner
Ausdifferenzierung auch die Rollenmuster, nach denen Lebensweltakteure mit ihm in Kontakt
treten können und konditioniert so deren Entscheidungsoptionen. Journalistische Berufsrollen
sind dafür ein gutes Beispiel: Durch die mediale Verfasstheit des journalistischen Handelns
werden seine Grundzüge zunehmend nicht mehr aus seiner Kommunikativität heraus be-
stimmt, sondern als ‚constraints‘ oder als Ermöglichungsstrukturen durch das Mediensystem
gesetzt. Kommunikation wird als Arbeit funktionalisiert und gerät in den systemischen Gestal-
tungsspielraum.
In diesem Zusammenhang ist bisweilen – im Gegensatz zu einer ‚machtfreien‘ Lebenswelt
– irreführend von den Systemen als einer „normfreien Realität“ die Rede.38 Präziser ist es
allerdings von ‚sittlich neutralisierten systemischen Handlungsbereichen‘ zu sprechen, da sich
in den von Habermas als systemisch integriert beschriebenen Gesellschaftsbereichen nicht die

34 Vgl. ebd., S. 273. Dieser Medienbegriff ist nicht kompatibel mit dem in der Analyse der Massenmedien
zugrunde gelegten. Er bezeichnet im Anschluss an Parsons Austauschmöglichkeiten, die an Stelle sprachlicher
Koordinierung treten. Wenn vom Medium Geld oder Macht die Rede ist, dann ist dieser Medienbegriff (Steue-
rungsmedium) gemeint. Ansonsten wird der weniger spezifische Begriff des Mediums verwendet, der einfüh-
rend umrissen worden ist. Luhmann (1981b, S. 28f. u. 1997, Bd. 1, S. 190ff.) differenziert verschiedene „Kom-
munikationsmedien“ in „Verbreitungsmedien“ und „symbolisch generalisierten Medien“.
35 Habermas 1995 [1981], Bd. 2, S. 393
36 Vgl. ebd., S. 398
37 Vgl. Habermas 1986a, S. 386; grundsätzlich: Habermas 1995 [1981], Bd. 2, S. 173ff.
38 Habermas 1995 [1981], Bd. 2, S. 483; vgl. auch kritisch dazu: Honneth 1989, S. 328.
1 Die Systemperspektive 251

moralische Gültigkeit von Normen, sondern die Einstellung ihnen gegenüber verändert, indem
ihre faktisch sanktionierte Geltung suspendiert wird.39
Auch für die Moderne ist an einem Primat der Lebenswelt festzuhalten, der aus der for-
malpragmatisch und evolutionstheoretisch begründeten Feststellung hergeleitet werden kann,
dass die Entkoppelung der Systeme nur ‚weitgehend‘, nicht aber vollständig sein kann. Die
Subsysteme sind ohne die sozialintegrative Kraft der Lebenswelt nicht denkbar, sondern
bedürfen der institutionalisierten Verankerung in deren Strukturen. Das führt zu einer Situati-
on, in der sich bestimmte gesellschaftliche Funktionsbereiche einerseits von der grundlegenden
Logik der sozialen Integration einer Gesellschaft abkoppeln, andererseits aber die Systeminteg-
ration, die in den ausdifferenzierten Bereichen tendenziell die Führung übernimmt, wiederum
auf die kommunikative Verständigung zumindest in Form eines legitimatorischen Unterbaus
angewiesen bleibt. Einer dieser legitimationsbeschaffenden Gesellschaftsbereiche ist die (auch
durch journalistisches Handeln konstituierte) Öffentlichkeit.
Kritiker befürchten, dass eine empirisch konkretisierte Verwendung dieses zweistufigen
Gesellschaftsmodells dazu verleitet, Gesellschaft nicht mehr als Ganzes zu betrachten, sondern
sie in Einzelteile zu zerlegen, die weitgehend bezuglos verbleiben und nur mit größten theore-
tischen Anstrengungen und mit von außen an das Modell herangetragenen Annahmen doch
noch zu einer Einheit zusammenzubinden sind.40 Ginge man makrotheoretisch von einem
solchen absoluten Schnitt durch die Gesellschaft aus, dann bliebe der Journalismusanalyse
tatsächlich nur die Möglichkeit, eine einseitige Unterwerfung des Journalismus unter kapitalisti-
sche Wirtschaftsimperative zu beschreiben, wie es Autoren mit polit-ökonomischem Hinter-
grund tun41 – allerdings ohne ein Instrumentarium der Kritik zu besitzen, dass die problemati-
schen Konsequenzen des Primats systemischer Zwänge gegenüber lebensweltlichen Ansprü-
chen bearbeitbar machte.
Grundlage der soziologischen Kritik an diesem Gesellschaftsbild ist vielfach der Eindruck,
dass die Unterscheidung zwischen System und Lebenswelt unnötig stark reifizierend und
konkretistisch getroffen wird.42 Während Habermas in der theoretischen Herleitung Systeme
allgemein als einen „analytische[n] Aspekt des gesellschaftlichen Handlungszusammenhangs“
beschreibt, objektiviert er diese unhandliche Annahme für die konkrete Gesellschaftsanalyse,
indem er Systeme hier als einen „verselbständigte[n] Handlungsbereich moderner Gesellschaf-
ten“ begreift.43 Der Systembegriff wird folglich unterschiedlich verwendet: In einer allgemeinen
Perspektive werden Systeme als theoretische Modellfigur eingeführt, um Prozesse der Systemintegra-
tion zu beschreiben. Aus einer spezielleren, historisch kontingenten Perspektive werden empirisch
identifizierte, gesellschaftliche Systembereiche materieller Reproduktion modelliert, um die Auswirkungen
der konkreten Systembildung zu einem konkreten historischen Zeitpunkt zu beschreiben. Erst
der spezielle Systembegriff und die mit ihm verbundene analytische Betrachtung der Umstel-
lung der materiellen Reproduktion auf durch Steuerungsmedien integrierte Systembereiche
ermöglicht die Beschreibung eines zweistufigen Gesellschaftsaufbaus. Diese Konkretisierung

39 Vgl. Dietz 1993, S. 139


40 Vgl. für einen umfassenden Überblick Honneth/Joas 1986; Honneth u.a. 1989. Nach Rehberg (1994, S. 54)
resultiert aus der Differenzierung in einen lebensweltlich-kommunikativ und einen systemisch-zweckrational in-
tegrierten Bereich die „Vorstellung unterschiedlicher Vergesellschaftungskomplexe“, der der „Gedanke des
‚Unversöhnten‘“ zugrunde liege. Auch Honneth (1989; S. 290) und Joas (1986, S. 164) kritisieren die tenden-
zielle Zuordnung der unterschiedlichen Integrationsmechanismen zu getrennten gesellschaftlichen Bereichen.
41 Vgl. Schütt 1981; Dröge 1973; Holzer 1971; 1973
42 Vgl. Honneth 1989, S. 282
43 Dietz 1993, S. 117
252 V Strukturwandel der Öffentlichkeit – Ausdifferenzierung der Massenmedien

ist als Ausarbeitung eines für die Moderne gültigen, historisch kontingenten Modells systemi-
scher Koordinierungsmechanismen zu sehen.
In ihm bleibt – trotz anders lautender Kritik – die Gesellschaft und ihre Integration als
Ganzes das Untersuchungsobjekt. System- und Sozialintegration existieren nicht nur in ihrer
jeweiligen analytisch konkretisierten Ausprägung von System und Lebenswelt nebeneinander,
sondern sind auch in einem übergreifenden Gesamtblick auf Gesellschaft in allen Bereichen zu
finden. Weder sind Systeme frei von kommunikativen Handlungen; noch ist die Lebenswelt
freigestellt von schwächeren systemischen Mechanismen.44 Allerdings sind weder strategische
Handlungen noch systemintegrative Mechanismen konstitutiv für die Reproduktion lebens-
weltlicher Zusammenhänge. Die Unterscheidung zwischen Lebenswelt und System als unter-
schiedlichen gesellschaftlichen Bereichen ist zunächst lediglich die eines sozialwissenschaftli-
chen Analytikers und beruht auf der jeweiligen dominierenden Gültigkeit eines Integrations-
mechanismus und seiner analytischen Zugänglichkeit.
Dies bedeutet nicht, dass alle systemintegrativen Mechanismen innerhalb der ausdifferen-
zierten und sich entkoppelnden Systeme zusammengefasst sind, sondern lediglich die über
Steuerungsmedien konkretisierten Funktionsbezüge. In diesen Bereichen ist primär nicht die
kommunikative Verständigung, sondern die koordinierende Funktion des Steuerungsmediums
ausschlaggebend für die Integration. In diesem Sinne kann von systemisch integrierten Berei-
chen gesprochen werden. Diese Form der zweckrationalen Handlungskoordinierung ist nach
Habermas nur in den Bereichen der materiellen Reproduktion denkbar. Das schließt nicht aus,
dass auch die Lebenswelt nach systemischen Kriterien untersucht werden kann, allerdings wäre
dieser Versuch wohl weit weniger fruchtbar als die von Habermas präferierte Perspektive der
Handlungstheorie45 – eine zentrale Differenz zu den Annahmen der Systemtheorie Luhmanns,
die alle gesellschaftlichen Bereiche analytisch der Logik systemischer Ordnung unterwirft.46
Umfassende Systemfunktionalisierung betrifft nach Habermas somit nur Teile von Gesell-
schaft.47 Eine Entlastung der Lebenswelt und ihres kommunikativen Handlungsmodus ist

44 Vgl. Habermas 1986a, S. 388


45 Habermas (1986a, S. 381f.) selbst weist auf diese Möglichkeiten hin: „Es kann also keine Rede davon sein, daß
ich den Funktionalismus auf Erscheinungen der materiellen Reproduktion beschränken wollte. Ebensowenig
trifft es zu, daß sich Vorgänge der symbolischen und der materiellen Reproduktion nur unter jeweils einem der
Aspekte erfassen ließen. Im Ansatz lassen sich alle Phänomene unter jedem der beiden Aspekte beschreiben, al-
lerdings nicht mit gleicher Tiefenschärfe erklären. Wie eine Lebenswelt ihre materiellen Bestandsvoraussetzun-
gen reproduziert, ist immer auch aus deren eigener Perspektive zugänglich; es hängt freilich vom Grad der Dif-
ferenzierung einer Gesellschaft ab, ob diese Prozesse so unübersichtlich und komplex geworden sind, daß sie
aus dieser Perspektive unzulässig verkürzt werden und unter dem Systemaspekt besser erklärt werden können.
Umgekehrt wird die Systemanalyse stets auch die Beiträge erfassen, die kulturelle Tradition, Sozialintegration
und Sozialisation zur Grenzstabilisierung in einer überkomplexen Umwelt leisten; dabei muß sie freilich die in-
ternen Beschränkungen, welche die symbolischen Strukturen der Steuerungskapazität jeweils auferlegen, als
kontingente Daten mitbehandeln, ohne diese angemessen, beispielsweise mithilfe von Entwicklungslogiken er-
klären zu können.“
46 Vgl. z.B. Luhmann 1997, 2 Bde.
47 Dass nur bestimmte Bereiche von Gesellschaft weitgehend auf die Systemintegration umgestellt werden
können, begründet Habermas (1995 [1981], Bd. 2, S. 407) mit spezifischen Kriterien, die ein Steuerungsmedium
erfüllen muss, um wirksam werden zu können: „Realwerte und Deckungsreserven müssen so beschaffen sein,
daß sie eine empirisch motivierende Kraft haben. Die physische Kontrolle von Deckungsreserven muss mög-
lich sein. Die Medien müssen gemessen, entäußert und deponiert werden können. Durch die normative Veran-
kerung der Medien darf kein neuer Kommunikationsaufwand entstehen, dürfen keine weiteren Dissensrisiken
verursacht werden.“ Diese Kriterien beziehen sich auf den Prototyp des Steuerungsmediums Geld, während
Habermas Schwierigkeiten bei der Beschreibung des Steuerungsmediums Macht einräumt – allein schon des-
halb, weil der Machterwerb und -besitz in demokratisch verfassten Gesellschaften in stärkerem Maße an Legi-
timation aus lebensweltlich-kommunikativen Kontexten gebunden sind. Dennoch begreift Habermas Macht als
1 Die Systemperspektive 253

aufgrund der eingeschränkten Funktionalität von Steuerungsmedien nur in den eng geschnitte-
nen Bereichen der materiellen Reproduktion denkbar. Eine konsequente Verdichtung und
Aufstufung von Vereinfachungs- und Entlastungsmechanismen hin zu einem vollständigen
Ersatz von Sprache in den Bereichen symbolischer Reproduktion würde dagegen die Mecha-
nismen der Sozialintegration gefährden: Kulturelle Reproduktion und individuelle Sozialisation
lassen sich nicht auf Systemmechanismen umstellen, da Leistungen sprachlicher Koordination
nicht vollständig durch andere Steuerungsmedien ersetzt werden können. Die Vorschläge, die
sich diesbezüglich in systemtheoretischen Entwürfen finden lassen (z.B. Reputation etc.)
wirken zwar unter Umständen handlungs- und kommunikationsentlastend, aber sie begründen
keine Rationalitätssteigerung und minimieren daher nicht in letzter Konsequenz das Dissensri-
siko, sondern haben allenfalls Wirkung, wenn sich die beteiligten Interaktionspartner zuvor auf
ihre fallweise Geltung in der Situation geeinigt haben.48
Diese Beispiele zeigen aber immerhin – ebenso wie die konzeptionelle Behandlung der
Massenmedien bei Habermas –, dass die vermeintlich klare Grenze zwischen der ‚reinen‘
spontanen Kommunikativität von Lebenswelt und der ‚reinen‘ systemischen Zweckrationalität
nicht eindeutig definierbar ist, sondern dass es fließende Übergänge und Interpenetrationen
zwischen den unterschiedlichen Koordinierungsmechanismen geben kann. Darauf verweisen
insbesondere strukturierungstheoretisch fundierte Gesellschaftstheorien nach Giddens, die
zweckrationale Institutionen nicht per se in den Systembereich abschieben.49 Ihnen zufolge
bestimmen Institutionen einerseits aufgrund der durch ihre faktische Existenz vorhandenen
Zwänge (‚constraints‘) den Handlungsspielraum gesellschaftlicher oder individueller Akteure,
konstituieren sich aber andererseits durch die Aktionen der Beteiligten und Betroffenen.50
Raabe konstatiert entsprechend, „[…] dass Strukturen stets zugleich sowohl ermöglichenden
(enabling) als auch restringierenden (constraining) Charakter haben“.51 Solche institutionentheore-
tischen Ansätze, wie sie zum Beispiel von Giddens vorgelegt worden sind, werden zunehmend
auch in der Kommunikationswissenschaft diskutiert.52 Mit der Habermasschen Gesellschafts-
theorie sind diese Überlegungen kombinierbar, wenn man sie auf lebensweltliche Institutionen
bezieht, deren Etablierung sich mit dem Modell der Strukturierung gut nachvollziehen lässt.
Der Zusammenhang von Struktur (Institution) und Handeln wird von Giddens weder
funktional noch kausal gefasst. Er betrachtet ihn vielmehr als rekursiv dahingehend, dass
Handeln Strukturen produziert und reproduziert, die wiederum Handeln ermöglichen und
begrenzen. Während diese Strukturen außerhalb ihrer Anwendung im Handeln nur virtuell
existieren und sich im Handeln rekursiv aktualisieren und verändern, sieht die Strukturierungs-
theorie Systeme als verfestigte Interaktionsmuster, die empirisch auffindbar sind.53 Giddens

symbolisch generalisiertes Steuerungsmedium, da es innerhalb politischer und administrativer Organisationen


vor allem durch Amts- und Personenbindung sprachersetzende und integrierende Wirkung entfaltet. In ‚Fakti-
zität und Geltung‘ versteht Habermas (1992, S. 427) nur noch die „auf Planung und Daseinsvorsorge speziali-
sierte öffentliche Administration“ als systemisch organisiert – und das nur „mit großem Abstand“ zu dem über
Geld ausdifferenzierten Wirtschaftssystem.
48 Denkbar sind hier, so Habermas (1995 [1981], Bd. 2, S. 412), allenfalls generalisierte Kommunikationsformen,
die Sprache in ihrer Koordinationsfunktion nicht ersetzen, „[…] sondern durch Abstraktion lebensweltliche
Komplexität lediglich entlasten“ können. In diesem Zusammenhang sind handlungskoordinierende Mechanis-
men wie Reputation, Einfluss oder Wertbindung als Beispiele zu nennen.
49 Vgl. Giddens 1995
50 Vgl. Göhler 1994b, S. 26; siehe auch die weiteren Beiträge in Göhler 1994a.
51 Raabe 2005, S. 165
52 Vgl. z.B. Raabe 2005; Jarren/Donges 2002a; 2002b; Altmeppen/Quandt 2002; Röttger 2000; Altmeppen 1999
53 Vgl. Röttger 2000, S. 144ff.
254 V Strukturwandel der Öffentlichkeit – Ausdifferenzierung der Massenmedien

versteht sie als „[r]eproduzierte Beziehungen zwischen Akteuren oder Kollektiven, organisiert
als regelmäßige soziale Praktiken“.54 Soziale Strukturen sind nicht als vom menschlichen
Handeln losgelöste abstrakte Zwangs-Mechanismen zu verstehen, sondern als aus dem Han-
deln aufstrukturierte und dynamische gesellschaftliche Zusammenhänge, deren normierende,
sozialregulierende Wirkung sich aus der Generalisierung von Prinzipien und Geltungsansprü-
chen in symbolischen Ordnungen herleiten lässt.55 Sie sind daher ebenso als „Synthesen
zwischen personellen und sozialstrukturellen Voraussetzungen eines Ordnungsarrangements“
wie als „Vermittlungsinstanzen kultureller Sinnproduktionen, durch welche Wertungs- und
Normierungs-Stilisierungen verbindlich gemacht werden“, zu betrachten.56 Ein solches Ver-
ständnis lässt Institutionen als gesellschaftliche Bereiche erscheinen, die in kommunikative wie
systemische Bezüge eingespannt sind und in denen sich externalisierende wie internalisierende
Prozesse identifizieren lassen.57 So verstanden können Institutionen auch als Bestandteile
lebensweltlicher Vergesellschaftungsprozesse begriffen werden, da sie als symbolische Ord-
nungsleistungen stets an kommunikative Reproduktion rückgebunden sind.58
Anders als die Systemtheorie, die klare Rationalitätsgrenzen postuliert, thematisiert Gid-
dens interne Verknüpfungen und damit auch Möglichkeiten der Veränderungen durch indivi-
duelles Handeln.59 Raabe beschreibt das beispielhaft für den Journalismus:
„Zwar müssen sich auch neu heranwachsende Journalistengenerationen den Regeln des Journalismus
‚beugen‘. Aber sie werden bei der Konfrontation mit ihnen diese Regeln und die Art ihrer Einhaltung anders
wahrnehmen und deuten – und dadurch auch zu einer entsprechend veränderten Handlungspraxis gelangen.“60

Für eine Analyse des Medienbetriebs bietet sich diese Perspektive an. Um aber die Durchset-
zungschancen des kommunikativen Handelns in einem primär ökonomisch geprägten Umfeld
zu beschreiben, verspricht die ‚Theorie des kommunikativen Handelns‘ das normativ angemes-
senere analytische Raster zu sein. In ihrem Rahmen könnten Giddens’ Überlegungen vor allem

54 Giddens 1995, S. 77
55 Vgl. Rehberg 1994, S. 56
56 Ebd., S. 56f. Der dynamische Charakter von Institutionen oder auch institutionellen Mechanismen zeigt sich
auch in den Schlüsselbegriffen, die Rehberg (1994, S. 57ff. ) für eine Analyse von Institutionen anbietet:
• Symbolizität: Institutionen erwachsen aus der symbolischen Verkörperung ihrer Geltungsansprüche.
• Transzendenzen: Institutionen ermöglichen über die Zwischenstufen Entsituationierung und Generalisie-
rung eine Transzendenz von Normen, die dazu führt, dass werthaltige Geltungsansprüche nicht mehr nur
an ihre ursprünglichen Entstehungszusammenhänge gebunden sind, sondern einen weitergehenden nor-
mativen Anspruch erheben können.
• Leitideen: Institutionen sind gekennzeichnet durch ein Set von Ordnungsleistungen, die sich im Instituti-
onalisierungsprozess herausbilden und in zentralen Leitideen formuliert werden können.
57 Vgl. die Beiträge in Göhler 1994a.
58 Nicht ausgeschlossen ist aber auch, dass solche Institutionen vorwiegend systemisch gesteuert werden oder gar
ganz in den Bereich des Systems ‚abwandern‘. In seinen späteren Publikationen, gerade in der Rechtsphiloso-
phie und -soziologie von „Faktizität und Geltung“ und in der dort vorgenommen Neuakzentuierung des
Rechtsverständnisses als einem zentralen institutionellen Mechanismus kommt Habermas (1992) auf ein ver-
gleichbares – lebensweltlich fundiertes – Institutionenverständnis zurück, das besonders auf die kommunikative
Dynamik symbolischer Vergesellschaftungszusammenhänge rekurriert. In dieser Studie verändert Habermas
vor allem seine bislang zugrunde gelegten rechtstheoretischen Annahmen, um eine politiktheoretisch fruchtba-
re Analyseperspektive zu gewinnen, die dem ambivalenten Status von Institutionen besser gerecht wird als die
Annahmen der Kolonialisierungsthese. Das Recht erscheint hier als der zentrale Modus, über den die Lebens-
welt die Rückbindung der Systeme an ihre eigene Rationalität gewährleisten kann. Recht steht dann nicht kon-
trär zu diskursiven Prozessen, sondern ist – in seiner Institutionalisierung – vielmehr deren direktes Ergebnis.
59 Vgl. Giddens 1995, S. 281ff.; vgl. auch Pöttker 1997 aus der Perspektive einer modernen Weber-Analyse.
60 Raabe 2005, S. 192
2 Ausdifferenzierung der Massenmedien 255

zur Beschreibung von Institutionalisierungsprozessen in der Lebenswelt und in Grenzberei-


chen zwischen Lebenswelt und Systemen genutzt werden. Eine Integration der beiden Groß-
theorien verspräche eine Stärkung der Grundlagen (normativer) Handlungstheorie in den
Sozialwissenschaften. Das kann hier nicht geleistet werden, aber im Folgenden soll immerhin
entlang dieser rudimentären Skizze argumentiert werden.61 Dabei wird davon ausgegangen,
dass es neben spontaner lebensweltlicher Kommunikativität und aus ihr erwachsenden lebens-
weltlichen Institutionen auch systemische Strukturen gibt, die einer eigenen Steuerungslogik
unterliegen und deren Expansivität sich darin zeigt, dass sie die Rekursivität von Handeln und
Struktur in der Lebenswelt durch eine Übernahme und ‚Umpolung‘ der Struktur austrocknen.

2 Ausdifferenzierung der Massenmedien


Die Analyse der organisatorischen und institutionellen Rahmenbedingungen des journalisti-
schen Handelns bedarf der Differenzierung zwischen unterschiedlichen Rationalisierungsme-
chanismen. Adaptiert man die bisherigen Überlegungen, dann lässt sich konstatieren, dass
Massenmedien allgemein die materiellen Grundlagen journalistischen Handelns konstituieren.
Ohne die koordinierenden Leistungen in Redaktionen, ohne die infrastrukturellen Bereitstel-
lungen von Produktion und Vertrieb wäre auf Öffentlichkeit bezogenes journalistisches
Handeln kaum denkbar. Dabei steht außer Frage, dass die Rationalisierung der Medienorgani-
sationen, die gemeinsam als gesellschaftliches Mediensystem in einem allgemeinen Sinne
bezeichnet werden können, neben gesellschaftlichen Umbrüchen auch einer Steigerung der
ökonomischen Rationalität in den Medien geschuldet ist.62 Diese Ausdifferenzierungsdynamik
ist zugleich der Grund für ihre eigene Beschränkung, so
„[…] dass das Mediensystem aus systemtheoretischer Perspektive einen eher schwachen Grad an Ausdiffe-
renzierung aufweist. Medien als geldabhängige Organisationen sind immer auch eng mit dem ökonomischen
System verknüpft, das für die Organisationen eine zweite und immer bedeutsamere Handlungsorientierung
bietet.“63

Massenmedien sind daher kein gefestigtes Teilsystem wie das politisch-administrative oder das
ökonomische System, sondern orientieren sich gleichzeitig auf mehrere und unterschiedliche
teilsystemische Logiken. Darüber hinaus sind sie kaum in der Lage, ihre gesellschaftliche
Leistung gegenüber anderen gesellschaftlichen Akteuren als exklusiv durchzusetzen.

61 Eine solcherart erweiterte Analyse des Handlung-Struktur-Zusammenhangs könnte die Habermassche


Gesellschaftstheorie an einer entscheidenden Stelle voran bringen. In der ‚Theorie des kommunikativen Han-
delns‘, so kritisieren manche Autoren, manövriere der Autor seine Analyse in eine unnötig defensive Lage, weil
er strukturiertere Sozialbereiche vermeintlich aus lebensweltlichem Zugriff entlasse (vgl. McCarthy 1986; Bal-
kenhol 1991; Honneth 1989; Alexander 1986; Berger 1986). Deutlich werde dies an der Verwendung der Kate-
gorie Macht, die, wie Habermas selbst ausgeführt hat, nur unter theoretischen Problemen als ein generalisiertes
Steuerungsmedium darstellbar ist. Dadurch, dass er diesen Weg dennoch wähle, bekomme Habermas Politik
schwer in den Blick. In einer Demokratie könne Politik nicht voraussetzungslos an einen systemischen Zu-
sammenhang abgegeben werden und sei systemtheoretisch nicht angemessen zu beschreiben. (vgl. McCarthy
1986, S. 197). Die Strukturierungstheorie kann hier einen differenzierten Zwischenschritt markieren, indem sie
die Differenz zwischen Lebenswelt und System kategorisch anders und damit im Ergebnis weniger scharf fasst.
62 Journalisten bejahen einen steigenden Einfluss von Management und Marketing auf den Journalismus (vgl.
Weber 2000, S. 161ff.) oder erwarten eine weitere „Kommerzialisierung der Nachricht“ (vgl. Weischen-
berg/Altmeppen/Löffelholz 1994, S. 107ff.).
63 Jarren/Donges 2004, S. 48
256 V Strukturwandel der Öffentlichkeit – Ausdifferenzierung der Massenmedien

2.1 Strukturwandel der Öffentlichkeit und der Massenmedien

Die Etablierung eines Mediensystems ist verbunden mit einem sich über Jahrhunderte erstre-
ckenden Strukturwandel von Medien und Öffentlichkeit, für den am Anfang die gestiegene
formale Relevanz von Öffentlichkeit als Legitimationsressource im demokratisch-politischen Prozess
ausschlaggebend ist: Die intendierte Sicherung der formalen Funktionsfähigkeit von Öffent-
lichkeit entleert diese materiell ihres politischen Gehalts und trocknet ihre verständigungsorien-
tierte Kommunikativität aus. Bereiche vormals sprachlicher Integration werden umgestellt auf
die Funktionslogiken von Macht (Recht) und Geld und damit dem kommunikativen Zugriff
der privaten Bürger entzogen. Anstatt als praktische Bedingung eines politischen Prozesses
rückt Öffentlichkeit als positiv formuliertes staatsbürgerliches Partizipationsrecht in den Blick.
Sie wird „eine durch institutionelle und verfassungsrechtliche Garantien zu gewährleistende
öffentliche Aufgabe“.64 Damit einher geht nach Auffassung von Habermas eine soziale Dyna-
mik, die zu einer inhaltlichen Entwertung öffentlicher Debatten führt. Ausschlaggebend dafür sind die
Aufweichung der einst dichotomischen Grenze von öffentlich und privat aufgrund staatlicher
und wirtschaftlicher Interventionen, die Zurückdrängung der patriarchalischen Kleinfamilie
sowie das Verschwinden eines bürgerlichen Bewusstseins gesellschaftlicher Verantwortung.65
In der neu entstehenden Sphäre des Sozialen verschränken sich die vormals getrennten Berei-
che des Öffentlichen und des Privaten so stark miteinander, dass sie einer selbstvergewissern-
den Vermittlung der bürgerlichen Öffentlichkeit offensichtlich nicht mehr in gleicher Weise
bedürfen. Öffentlichkeit gerät stattdessen in den Status einer zwischen den staatlichen und
gesellschaftlichen Institutionen vermittelnden Institution im Zentrum des demokratischen
Prozesses. Der dazu nötigen Verrechtlichung von Öffentlichkeit folgt ihre Ökonomisierung.
Das ehemals konstitutive Räsonnement verwandelt sich zum freizeitlichen Konsum.66 Die

64 Heming 1997, S. 66. Dadurch wird der Einbruch administrativer Macht (Recht und Bürokratie) sowie sozialer
Macht (Wirtschaft) in die vormals rein auf kommunikativer Macht ruhende bürgerliche Öffentlichkeit möglich. Da
Habermas in seiner vorangegangenen Rekonstruktion eine klar geschiedene ökonomische Ordnung von klein-
warenproduzierender Gesellschaft und Staat als quasi ‚natürlich‘ gesetzt hatte, kann er die Veränderungen, die
der gesellschaftliche Wandel für die Öffentlichkeit mit sich bringt, nur noch als Zerfall einer ‚besseren‘ Ord-
nung beschreiben (vgl. ebd., S. 38ff.). Sobald soziale Konflikte und Gruppenbedürfnisse aufgrund der verän-
derten gesellschaftlichen und ökonomischen Rahmenbedingungen in die öffentlichen Auseinandersetzungen
eindringen, verliert die unterstellte Neutralisierung von Einzelinteressen im bürgerlichen Räsonnement ihre his-
torische Plausibilität, die sie auch vorher allenfalls im Sinne einer Idealisierung besessen hatte.
65 Vgl. Habermas 1990, S. 229ff.; vgl. auch Geiger 1963, S. 324ff. oder Sennett 1986, S. 252ff., der vor allem die
sozialpsychologischen Folgen der Veränderungen von Öffentlichkeit im 19. Jahrhundert, mithin den vermeint-
lichen Verfall der öffentlichen Rolle der Bürger, im Blick hat.
66 Vgl. Habermas 1990, S. 248ff. Diese Tendenz macht Habermas besonders am Leseverhalten fest, das nicht
mehr auf kulturelle und politische Information, sondern auf belletristische Unterhaltung abzielte. Diese neuen
Rezeptionsbedürfnisse korrespondierten mit einem Wandel im Medienbereich, in dem zunehmend nicht mehr
publizistische, sondern ökonomische Kriterien ins Zentrum rückten. Im Bereich des Journalismus setzte sich
das boulevardeske Prinzip der ‚yellow press‘ Ende des 19. Jahrhunderts durch, das auf eine Maximierung der
Auflagenzahlen durch Fokussierung auf ‚human interest‘-Themen ausgerichtet war (vgl. ebd., S. 258f.). Adorno
(1963a; 1963b) konstatiert eine Verstärkung dieser Transformation der Mediennutzung vom staatsbürgerlichen
Akt zum freizeitlichen Konsum durch die Etablierung des Fernsehen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhun-
derts (vgl. auch vor anderem gesellschaftstheoretischem Hintergrund Anders 1988 [1956]; 1988 [1980] und En-
zensbergers (1991 [1988]) Klage über das „Nullmedium“ Fernsehen). Rust (1977, S. 133ff.) sucht angesichts
dieser Zerfallsszenarien nach Möglichkeiten sozialwissenschaftlicher Planung im Interesse der Aufrechterhal-
tung öffentlicher Kommunikationsstrukturen – eine Frage, die auch Habermas (2007) ähnlich aufgegriffen hat.
2 Ausdifferenzierung der Massenmedien 257

Partizipation der Bürger wird weitgehend auf eine passive Publikumsrolle reduziert, für die
lediglich akklamatorische Aufgaben wichtig sind.67
Hier klingen zentrale Annahmen der Habermasschen Theorie der Moderne an: Die
Zweckorientierung subsystemischer Rationalitäten, die nicht kommunikativ, sondern über
symbolisch generalisierte Steuerungsmedien konstituiert werden, geht gegenüber ursprüngli-
cher Lebensweltlichkeit in Führung. Zwischen Staat und Gesellschaft verkehrt sich das Prinzip
der Publizität. Öffentlichkeit wird nicht mehr lebensweltlich konstituiert, sondern von der
Systemseite begehbar und gestaltbar: Dies geschieht politisch durch die Verrechtlichung ihrer
Rahmenbedingungen und ökonomisch durch die Kapitalisierung eines Presse- und Medienwe-
sens, das sich – von politischen Aufgaben zunehmend freigestellt – stärker auf die profitorien-
tierte Produktion von Angeboten für ein konsumierendes Publikum konzentrieren kann.68 Aus
der Presse, die „Organ der Aufklärung“ gewesen ist, wird, wie Geiger beschreibt, ein Medien-
wesen, dass entweder Meinungen ‚macht‘ oder sich Massenmeinungen strategisch unterwirft,
um den eigenen Absatz zu verbessern.69 Öffentlichkeit konstituiert sich oftmals nicht aus sich
selbst heraus, sondern wird durch Parteien, Verbände und kommerzielle Massenmedien
inszeniert und geschaffen. Das Ergebnis:
„[…] aus einem Prinzip der (von seiten des Publikums gehandhabten) Kritik ist Publizität zu einem Prinzip
der (von seiten demonstrierender Instanzen – der Verwaltung und der Verbände, vor allem der Parteien) ge-
steuerten Integration umfunktioniert worden“.70

Öffentlichkeit wird unter diesen Bedingungen vorwiegend strategisch hergestellt; Partikularin-


teressen werden als öffentliche Notwendigkeiten kaschiert.71 Im Ergebnis, so das apodiktische
Urteil, das Habermas 1962 fällt, werde aus der einstmals bürgerlichen Öffentlichkeit und ihrer
kommunikativen Rationalität ein vermachteter und ein ökonomisch gesteuerter gesellschaftli-
cher Bereich. Dieses einseitige Zerfallsszenario wird in seiner altliberalen Idealisierung einer
elitären und sozial exklusiven bürgerlichen Öffentlichkeit allerdings den auch positiven, poli-

67 Ähnlich setzt auch Prokops kritische Medientheorie an dem Befund an, dass Massenmedien einen passiven
Rezipientenstatus fördern, durch den produktive Spontaneität in regressive Phantasie umgepolt wird (vgl. Pro-
kop 1974, S. 80). Er unterscheidet im Anschluss daran eine Öffentlichkeit der Verbände, Parteien und Unter-
nehmen von einer nicht organisierten Öffentlichkeit des Publikums (vgl. Prokop 1981, S. 46ff.). Während die
erste Form der neu entstandenen Öffentlichkeit auf der Basis der Tauschabstraktion ‚Unterhaltung‘ gesell-
schaftlich dominierend ist, bildet die nicht organisierte, spontane Gegenöffentlichkeit ein widerständiges Po-
tenzial, das gleichsam in besonderen Situationen als Korrektiv der Formiertheit bürgerlicher Öffentlichkeit fun-
gieren kann. Sie kann den generalisierten und fixierten Angeboten der Medienbetriebe qualitative Alternativen
entgegensetzen – an die Stelle von formal ausgewogener Repräsentanz treten dann freie Artikulation und Ver-
arbeitung von Erfahrungen, an die Stelle von Legitimationsbedürfnissen lebendige Produktion (vgl. Prokop
1974, S. 157f.).
68 Vgl. zu den Auswirkungen des Strukturwandels auf die Presse ausführlich: Baum 1994, S. 88ff.
69 Geiger 1963, S. 329ff.
70 Habermas 1990, S. 307. Diesen Befund scheint auch Baerns (1985) in ihrer Studie über die PR-Steuerung des
Journalismus zunächst vollständig zu bestätigen. Vor dem Hintergrund späterer empirischer Überprüfungen
(vgl. Schantel 2000; Bentele/Liebert/Seeling 1997; Schweda/Opherden 1995; Saffarnia 1993; Barth/Donsbach
1992; Fröhlich 1992) muss allerdings von differenzierteren Wechselverhältnissen ausgegangen werden (vgl.
Brosda/Schicha 2002).
71 Vgl. Habermas 1990, S. 289. Hoffnung auf eine Veränderung dieser Refeudalisierung von Öffentlichkeit knüpft
Habermas nicht an die Leistungen von Journalismus oder Massenmedien, sondern lediglich an die Wirkungen
einer kritischen Publizität, die notwendig zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen Kommunikationsbe-
reichen vermitteln muss. Diese kritische Publizität ist darauf angewiesen, dass sich in den die Öffentlichkeit
dominierenden Organisationen interne Öffentlichkeiten bilden, aus denen heraus informelle Meinungen auch
über die Organisation hinaus in Umlauf geraten können (vgl. ebd., S. 357ff.).
258 V Strukturwandel der Öffentlichkeit – Ausdifferenzierung der Massenmedien

tisch erkämpften Veränderungen der sozialen Ordnung nicht gerecht.72 Vor allem die Aus-
blendung jeglicher anderer Formen von Öffentlichkeit (proletarische Öffentlichkeit; Gegenöf-
fentlichkeiten etc.) wurde früh kritisiert.73
Eine gleichberechtigte Einführung des Systembegriffs in eine handlungstheoretisch fun-
dierte Gesellschaftstheorie macht es möglich, die Ausdifferenzierung eines zweckrational
organisierten Gesellschaftsbereichs ‚Massenmedien‘ nicht mehr nur als Zerfall einer einstmals
‚heilen Welt‘ kommunikativer und zwischenmenschlicher Gemeinsamkeit zu sehen, wie es der
‚Strukturwandel der Öffentlichkeit‘ impliziert, sondern sie als ein legitimes Verfahren gesell-
schaftlicher Komplexitäts- und Leistungssteigerung zu beschreiben. Massenmedien können
zugleich als Treiber und als Getriebene des Strukturwandels der Öffentlichkeit betrachtet
werden. Ihre gesellschaftliche Etablierung ist eines der zentralen institutionellen Ergebnisse der
Veränderung rechtlicher und ökonomischer Grundlagen öffentlicher Kommunikation – in
mehrerlei Hinsicht:
• Aus gesellschaftlicher Sicht kann die Institutionalisierung der Massenmedien als Antwort auf
die zunehmende Ausdifferenzierung moderner Gesellschaften verstanden werden. Mas-
senmedien bilden einen „Knotenpunkt gesellschaftlicher Informations- und Vermittlungs-
leistungen“.74 Sie ermöglichen dadurch in sozialen Gemeinschaften, die nicht mehr allein
auf direkter Interaktion ihrer Mitglieder beruhen, trotzdem kommunikativ fundierte ge-
sellschaftliche Meinungs- und Willensbildungsprozesse. Sie bilden die materielle Grundla-
ge des Journalismus und lassen sich damit auch als eine institutionelle Gewährleistung von
Öffentlichkeit verstehen, die – in optimistischer Lesart – dem Zerfall öffentlicher Kom-
munikationsstrukturen entgegenwirken soll.75
• Aus politischer Sicht können Massenmedien als Bestandteil des intermediären Systems einer
Gesellschaft betrachtet werden, gemeinsam mit Parteien, Verbänden und anderen gesell-
schaftlichen Organisationen. Verglichen mit diesen haben sie aber dahingehend eine „Son-
derstellung“ inne, dass sie als Organisationen in der Regel keine eigene politisch-
ideologische Programmatik verfolgen, sondern als „Resonanzboden für externe Themen,
Informationen oder Meinungen“ fungieren.76
• Aus volkswirtschaftlicher Sicht besitzen Massenmedien eine Schlüsselstellung, „[…] weil sie als
Träger aktueller Informationsangebote das Schwungrad einer hochgradig differenzierten
und anpassungsfähigen Wirtschaft in Gang halten“77. Genauso wenig wie auf eine Ver-
kehrsinfrastruktur zum Transport von Waren und Dienstleistungen können moderne
Volkswirtschaften zweckrational auf eine massenmediale Infrastruktur zur Gewährleistung
von ‚Informationstransport‘ aller Art verzichten.
Damit ist der infrastrukturelle Bereich umrissen, der als die materielle Ressourcenbasis journa-
listischen Handelns angesehen werden kann. Diese Infrastruktur soll das Zustandekommen
von Öffentlichkeit gewährleisten, um Demokratie zu ermöglichen, fungiert aber zugleich als

72 Daran anschließend bleiben auch soziale Konflikte als Motor öffentlicher Strukturbildung zu wenig beachtet.
Die Bildung des Sozialstaates ist auch als Folge öffentlicher Auseinandersetzung zu betrachten. Dass auf mate-
rielle Sicherheit zielende staatliche Eingriffe in einem dialektischen Verhältnis dazu die konstitutiven Bedingun-
gen einer liberalen Öffentlichkeit auszuhöhlen drohen, ist analytisch erst vor der Folie der Revisionen nachzu-
vollziehen, die Habermas in der ‚Theorie des kommunikativen Handelns‘ formuliert.
73 Vgl. klassisch: Negt/Kluge 1972.
74 Altmeppen 1996a, S. 12
75 Vgl. dazu die Argumentation in Decker/Langenbucher/Nahr 1976, 376f.
76 Jarren 1998a, S. 85
77 Prott 1994, S. 481
2 Ausdifferenzierung der Massenmedien 259

Rahmen des auf Öffentlichkeit genuin gerichteten journalistischen Handlungsmodus und


beinhaltet Handlungsressourcen und -grenzen für journalistische Akteure.78
Habermas selbst hat in der Neuauflage von ‚Strukturwandel der Öffentlichkeit‘ 1990 zent-
rale Revisionen an seinem Modell formuliert, in denen er sich vor allen Dingen mit seinen
Annahmen zur Passivität des Publikums und zur vollständigen Vermachtung und Kommerzia-
lisierung der Öffentlichkeit auseinandersetzt. Er verweist weit weniger auf absolute Verände-
rungen und argumentiert mehr mit Tendenzen. Vor dem Hintergrund eines zweistufigen
Gesellschaftsmodells erscheinen Verrechtlichung und Ökonomisierung nicht mehr per se als
bedrohliche Eingriffe in lebensweltliche Strukturen und damit auch in eine spontan assoziative
Öffentlichkeit. Erst unzulässig weitreichende Übergriffe auf deren sozialintegrative Kernbe-
standteile wie Identitäten, Solidaritäten oder gesellschaftliche Wissensbestände werden als
problematisch bewertet.79 Ob diese Übergriffe stattfinden, kann prominent auch anhand der
Massenmedien untersucht werden, die aufgrund ihres privilegierten Zugangs zu der lebenswelt-
lich zentralen Sphäre der Öffentlichkeit für die Beziehungen zwischen kommunikativer Ratio-
nalität und systemischer Macht- und Geldrationalität eine zentrale Stellung einnehmen.80

2.2 Ökonomisierung der Massenmedien

„Die Umfunktionierung des Prinzips der Öffentlichkeit basiert auf einer Umstrukturierung der Öffentlichkeit
als Sphäre, die am Wandel ihrer vorzüglichsten Institution, der Presse, dingfest zu machen ist. Einerseits wird
im Maße ihrer Kommerzialisierung die Schwelle zwischen Warenzirkulation und Publikumsverkehr eingeeb-
net; innerhalb des privaten Bereichs verwischt sich die klare Abgrenzung zwischen Öffentlichkeit und Privat-
sphäre. Andererseits hört aber Öffentlichkeit in dem Maße, in dem die Unabhängigkeit ihrer Institutionen nur
mehr durch gewisse politische Garantien gesichert werden kann, überhaupt auf, ausschließlich ein Teil des
privaten Bereichs zu sein.“81

Die Entwicklung der Presse (und der ihr nachfolgenden Medien) ist vor der analytischen Folie
des ‚Strukturwandels der Öffentlichkeit‘ als eine sukzessive, politisch gestützte Eingliederung
in das Wirtschaftssystem zu beschreiben.82 Aus einer kleinbetrieblichen Struktur, die sich zwar

78 Innerhalb der ‚Theorie kommunikativen Handelns‘ ist es möglich, diese systemischen Steuerungsmechanismen
zu skizzieren und zu handlungstheoretischen Annahmen in Beziehung zu setzen. Verfolgt man diese Option,
„[…] dann können die jeweiligen ausdifferenzierten Teilsysteme als systemische ‚constraints‘ von Akteurshand-
lungen konzipiert werden, die sowohl abstrakte substanzielle Ziele vorgeben als auch Mittel, um diese Ziele zu
erreichen“ (Siegert 2001, S. 171): Die Perspektive, Medien als ‚constraints‘ für Akteure zu verstehen, die an öf-
fentlicher Kommunikation teilnehmen wollen (vgl. Jarren/Meier 2002, S. 134), richtet den Blick auch auf die
unterschiedlichen Rationalitäten von Kommunikation und Medienhandeln.
79 Vgl. Habermas 1990, S. 49f. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund dieser Modifikationen steht die Analyse eines
‚Strukturwandels der Öffentlichkeit‘ paradigmatisch für Veränderungsprozesse in der öffentlichen Kommuni-
kation und wird als Rahmen für Transformations-Analysen immer wieder herangezogen (vgl. zum Beispiel: Jar-
ren/Imhof/Blum 2000). Mitte der 1990er Jahre hatte eine Kommission beim Bundespräsidenten in einem „Be-
richt zur Lage des Fernsehen“ die These von der Refeudalisierung der Öffentlichkeit aufgegriffen. Dort neh-
men die Autoren Bezug zu den modernen Ausprägungen symbolischer Politikinszenierungen und resümieren:
„Diese vom Fernsehen provozierte Entwicklung entspricht einer Rückkehr der höfischen Öffentlichkeit, weil
sich die politische Repräsentation von der Vertretung des Volkes zur Darstellung des eigenen Amtes entwi-
ckelt.“ (Groebel u.a. 1995, S. 147) Als ein zentraler Bestandteil des Strukturwandels der Öffentlichkeit wird da-
bei der verdinglichende Einfluss wirtschaftlicher Profitlogik betrachtet, der sich – vermeintlich alles andere er-
stickend – über die kommunikativen Austauschprozesse lege (vgl. auch kritisch Jarren/Vowe 1995).
80 Vgl. Habermas 1995 [1981], Bd. 2, S. 571ff.
81 Habermas 1990, S. 275
82 Vgl. grundlegend zur Medienökonomie Heinrich 1994 sowie Altmeppen/Karmasin 2003a; 2003b.
260 V Strukturwandel der Öffentlichkeit – Ausdifferenzierung der Massenmedien

auch wirtschaftlich erhalten musste, in der aber publizistische und politische Motive eine starke
Rolle spielten und in der die verlegerische Tätigkeit oft eine Hilfsfunktion der journalistischen
war, erwachsen große Betriebe, in denen (ökonomische) Verlegerinteressen immer offener die
Inhalte bestimmen. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts lief die Geschäfts- und Massen-
presse der an den Idealen der Aufklärung orientierten Gesinnungspresse weitgehend den Rang
ab und etablierte wirtschaftliche Interessen als einen wesentlichen Faktor in den Medien.83
Natürlich ist die Entwicklung der Medien schon „spätestens seit der Einführung der
Tausch- und Geldwirtschaft“ auch mit wirtschaftlichen Profitinteressen verbunden.84 Die
These vom Strukturwandel lässt sich sogar dahingehend interpretieren, „[…] dass die kommer-
zielle Ausrichtung des Verlagswesens mit der Entstehung der bürgerlichen Presse seit Ende des
17. Jahrhunderts publizistisch unterlaufen wurde“.85 Eine durchgreifende Kommerzialisierung
der Presse war nach den vernunftorientierten öffentlichen Auseinandersetzungen der Aufklä-
rung demnach erst in dem Moment wieder möglich, in dem sich das Bürgertum als herrschen-
de Klasse etabliert hatte und seine Forderungen (darunter auch die Pressefreiheit) weitgehend
umgesetzt waren. Die Presse musste dann nicht mehr als „Kampfinstrument“86 eingesetzt
werden, sondern konnte unter kommerziellen Gesichtspunkten genutzt werden.
Aber wer deswegen die Kommerzialisierung der Presse im 19. Jahrhundert als eine Rück-
kehr zu einer noch viel älteren „Osmose zwischen Kommerz und Publizistik“ interpretiert87,
die nur im Zeitalter der Aufklärung kurzzeitig durch emanzipatorische Forderungen nach
Trennung der beiden Medienfunktionen unterbrochen wurde, der übersieht, dass im Zuge
dieser Osmose spätestens seit der Kommerzialisierung der Medienbetriebe im 19. Jahrhundert
einseitig vorwiegend die Profitlogik in den Journalismus einsickert. Während in der bürgerli-
chen Öffentlichkeit journalistisches Handeln eine Steigerung seiner Rationalität erlebt hat,
begibt sich mit dem Erstarken kommerzieller Interessen in den Medienbetrieben die Presse auf
einen weiterreichenden Ausdifferenzierungspfad. Dies ist keine schlichte Rückkehr zu einem
bereits am Beginn der Zeitung stehenden Profitinteresse der Verleger, sondern fundiert einen
potenziell weit schrofferen Gegensatz zwischen journalistischen und kommerziellen Medien-
aspekten als zu den Zeiten nur schwacher funktionaler Differenzierung in der Frühphase der
Presseentwicklung.88 Rentabilitätsorientierungen werden zur konstitutiven Grundlage der

83 Vgl. dazu Roß 1999, S. 262; Meier 1999, S. 62. Dieser Hinweis ist von Bedeutung, weil er verdeutlicht, dass die
seit Anfang der 1980er Jahre in der Bundesrepublik diskutierten Konsequenzen der Einführung des privat-
kommerziellen Rundfunks keinen historisch einmaligen Vorgang betreffen, sondern einen zweiten Ökonomi-
sierungsschub. Es hat auch früher starke Brüche in der Medienentwicklung gegeben, in denen trotz weitgehend
identischer Form die funktionale Identität bestimmter Medienbereiche verloren geht oder sich stark verschiebt
– so z.B. von der bürgerlich-fraktionellen Gesinnungspresse zur Massenpresse im 20. Jahrhundert (vgl. Drö-
ge/Kopper 1991, S. 136f.). Melischek/Seethaler (2000, S. 112) stellen fest, dass die Printmedien zu Beginn des
20. Jahrhunderts eine Entwicklung durchgemacht haben, die der Entkoppelung audiovisueller Medien von ge-
sellschaftlichen Belangen ähnlich war und die erst durch NS-Diktatur gewaltsam abgebrochen wurde.
84 Heinrich 2001, S. 159; vgl. Knoche 2001, S. 177
85 Winter/Karmasin 2001, S. 211
86 Schütt 1981, S. 88. Folgerichtig hat die Medienkritik der 1970er Jahre behauptet, dass die Pressefreiheit seit
Entstehen der Massenpresse faktisch nichts anderes bedeute als „[…] Pressegewerbefreiheit für profitorientier-
te Verleger, deren Weisungen für die redaktionelle Arbeit sich der Journalist bei Strafe der Entlassung zu fügen
hat“ (Zeuner 1973, S. 14). Auch wenn diese Einlassung als überpointiert angesehen werden kann, ist unbestrit-
ten, dass die Gewerbefreiheit der Pressefreiheit stets vorausging (vgl. Kopper 1982, S. 77). Darüber hinaus ist
die Kommerzialisierung der Presse selbstverständlich ein zentraler Einflussfaktor der historischen Entwicklung
des Journalismus gewesen (vgl. Requate 1995, S. 243).
87 Winter/Karmasin 2001, S. 211
88 Stern-Rubarth (1960) spricht klassisch vom „Konflikt zwischen der Zeitung als moralischer Anstalt und als
Wirtschaftsunternehmen“.
2 Ausdifferenzierung der Massenmedien 261

Massenmedien; klare wirtschaftliche Kriterien machen publizistische Entscheidungen unmög-


lich, „[…] die dauerhaft die Reproduktionsbedingungen des in einem gegebenen Unternehmen
eingesetzten Kapitals überschreiten“.89
Die Ökonomisierung der Medien ist Teil einer funktionalistischen Rationalisierung von
Gesellschaft, die sich historisch betrachtet mit der Durchsetzung der kapitalistischen Wirt-
schaftsweise etabliert hat.90 In dem Maße, in dem in ausdifferenzierten Gesellschaften das
ökonomische System und seine zweckrationale Geldrationalität ihren Geltungsraum ausdeh-
nen, nimmt potenziell die ökonomische Steuerung der Massenmedien zu.91 Spricht man von
einer Ökonomisierung der Medien, so ist damit gemeint, dass ökonomische Steuerungsimpera-
tive zunehmend für Entscheidungen in den Medien ausschlaggebend werden und letztlich die
koordinierende Funktion der Sprache durch das symbolisch generalisierte Medium ‚Geld‘
ersetzt wird.92 Ökonomische Prinzipien und Rationalitäten erlangen dadurch einen wachsen-
den Einfluss auf alle Bereiche der Medien und auf die weitere Entwicklung der Medieninstitu-
tionen. Spätestens in den 1970er Jahren wird eine Übertragung wirtschaftlicher Profitmaximie-
rungsstrategien auf die Medien beobachtet, mit der ein direkter Durchgriff des Ökonomischen
auf den Journalismus verbunden ist.93 Die gegenwärtig als Ökonomisierung oder Kommerziali-
sierung debattierten Prozesse verweisen nicht auf das Aufkommen einer neuen Rationalität in
den Medien, sondern nur darauf, dass die bereits im 19. Jahrhundert etablierte ökonomische
Logik an Dominanz gewinnt.94 Es lassen sich medienbereichspezifisch ganz unterschiedliche
Ökonomisierungstendenzen feststellen:95
• Auf individueller (journalistischer) Ebene ist die Durchsetzung von eher egoistischen Kalkülen
der individuellen Nutzenmaximierung auf Kosten tradierter ethischer Erwägungen zu
konstatieren.96

89 Dröge/Kopper 1991, S. 41
90 Vgl. ähnlich auch Winter/Karmasin 2001, S. 208: „Ökonomisierung ist als einer neben anderen Rationalisie-
rungsprozessen zu verstehen, in denen Handeln unter die Bedingungen symbolisch generalisierter Kommunika-
tion gerät – wo also Handeln zunehmend durch den Einsatz symbolisch generalisierter Medien wie Geld,
Macht oder Recht usf. organisiert wird.“
91 Vgl. Meier/Jarren 2001, S. 156f.
92 Jarren und Meier (2002, S. 112) verstehen unter Ökonomisierung „[…] die Ausweitung der ökonomischen
Logik auf Strukturen und Prozesse […], die bisher einer anderen Logik folgten“.
93 Vgl. Fabris 1979, S. 40f.
94 Altmeppen 2001, S. 196. Karmasin und Winter plädieren angesichts dieser Differenzierung und der ihrer
Meinung nach wenig konkreten Kategorie der Ökonomisierung dafür, den von ihnen auf Unternehmensebene
angesiedelten Begriff der Kommerzialisierung zu verwenden. Sie sehen in Ökonomisierung eine sozialwissenschaftli-
che Kategorie „zur Bezeichnung eines Prozesses, in dem ökonomische (Zweck-)Rationalität als eine gesellschaft-
lich legitime und ethisch legitimierte Form der Begründung und der Koordination von Handlungen an Bedeu-
tung gewinnt“, während Kommerzialisierung als wirtschaftswissenschaftliche Kategorie „zur Beschreibung und zum Ver-
ständnis oder zur Erklärung von Veränderungen in der Medienindustrie“ besser geeignet sei (Winter/Karmasin
2001, S. 208). In der Regel wird die Bezeichnung Kommerzialisierung analog zum Ökonomisierungsbegriff
verwendet (vgl. Saxer 1998c, S. 10; Altmeppen 1996b, S. 257f.). Heinrich (2001, S. 159) hält es sogar explizit
nicht für sinnvoll, zwischen beiden Begriffen Ökonomisierung und Kommerzialisierung zu differenzieren, son-
dern sieht in dem Begriff Kommerzialisierung lediglich eine eher abwertende Bezeichnung von Ökonomisie-
rungsprozessen.
95 Vgl. zur folgenden Differenzierung Heinrich 2001, S. 161ff.
96 Fengler/Ruß-Mohl (2005b) sprechen von einer „Ökonomik des Journalismus“. Unter dieser Überschrift
spreizen sie die unweigerlichen zweckrationalen Anteile journalistischen Handelns zu einer ökonomisch-
rationalen Kosten-Nutzen-Orientiertheit jedes journalistischen Handelns auf. Sie überhöhen damit eine empi-
risch zutreffende Beobachtung zu einem theoretisch problematischen Handlungskonzept (vgl. auch
Fengler/Ruß-Mohl 2005a).
262 V Strukturwandel der Öffentlichkeit – Ausdifferenzierung der Massenmedien

• Auf der Ebene der Unternehmung befindet sich der Kern von Ökonomisierungsprozessen.
Grund dafür ist in erster Linie die immer striktere Anwendung von betriebswirtschaftli-
chen Kosten-Nutzen-Analysen mit dem Ziel der Gewinnmaximierung bzw. Steigerung
des Shareholder-Values.
• Auf der Ebene des Marktes ist es in erster Linie der zweckrationaler Wirtschaftslogik ver-
pflichtete Wettbewerbsmechanismus, durch den Unternehmen zur konsequenten Öko-
nomisierung gezwungen werden, wenn sie erfolgreich bleiben wollen.
• Auf der Ebene der Politik lassen sich Ökonomisierungsprozesse eher allgemein darin finden,
dass gerade der Medienbereich mit dem Blick auf eine Steigerung von Wettbewerbsmög-
lichkeiten weitgehend dereguliert wird und politische Akteure auf staatliche oder gesell-
schaftliche Steuerungs- und Regelungsversuche jenseits des Marktes verzichten.
Ökonomisierung der Medien, das zeigt diese Systematisierung, ist nicht nur auf der Makroebe-
ne der Systembildung zu untersuchen, sondern vor allem auf der Meso-Ebene der Medienor-
ganisationen, der Medienunternehmen, die durch die Bereitstellung materieller Leistungen und
durch die Bündelung der Produktionsschritte dem journalistischen Handeln ein Fundament
gibt97, durch die sich aber zugleich eine systemische Logik des Ökonomischen aus der Sicht
handelnder Journalisten manifestieren kann. Medienbetriebe sind „erwerbswirtschaftliche
Einheiten mit Profitstreben“98, deren institutioneller Betriebsablauf sich nach privatwirtschaft-
lichen Zwecken richtet.99 In Medienunternehmen sind die Aufgaben der Produktion und
Zusammenstellung von Informationen, des Marketings, des Vertriebs, des Bereithaltens der
Produktionstechnik sowie der Organisation und Verwaltung zusammengefasst und unter
ökonomischen Gesichtspunkten organisiert.100 Dabei rücken vor allem die kaufmännisch-
verlegerischen Aufgaben der Vermarktung und des Vertriebs stärker in den Mittelpunkt,
während die klassischen journalistisch-publizistischen Bereiche der Produktion und Zusam-
menstellung von Information zunehmend an Gewicht für interne Entscheidungen verlieren.101
Profitorientierung und Wirtschaftslogik bestimmen – wenig überraschend – die Organisations-
formen von Medienunternehmen.102 Systemtheoretisch gesprochen:
„Medienunternehmen sind Leistungsorganisationen des Wirtschaftssystems und agieren dementsprechend
nach wirtschaftlichen Kriterien. Als Wirtschaftsunternehmen handeln sie nach der Devise von Zah-
lung/Nichtzahlung, nicht nach dem Code von öffentlich/nicht-öffentlich, der für den Journalismus die zent-
rale Handlungsanleitung ist. Nicht die Veröffentlichungen, sondern die über Markthandlungen erfolgenden
Zahlungen entscheiden über den Fortbestand und die künftige Entwicklung der Medienunternehmen.“103

Als Bestandteile des Wirtschaftssystems adaptieren Medienunternehmen – selbst wenn sie


öffentlich-rechtlich organisiert sind – Strategien aus gewöhnlichen Industrien und unterschei-
den sich in ihrer Orientierung kaum von anderen wirtschaftlichen Akteuren.104 Die Beschaf-
fung, Bewirtschaftung und Mehrung von Geld ist ihr unternehmerisches Hauptziel, darauf sind

97 Vgl. Heinrich 1994, S. 143ff.


98 Altmeppen 2001, S. 195
99 Vgl. Prott 1994, S. 490; Jarren 2003, S. 19
100 Vgl. Heinrich 2000, S. 148ff.
101 Diese Tendenzen werden medienspezifisch ausdifferenziert. Es ist anzunehmen, dass sich dabei unterschiedli-
che Strategien z.B. im Vergleich von Qualitätszeitungen und Anzeigenblättern feststellen lassen.
102 Vgl. Jarren 2003, S. 21
103 Altmeppen 2001, S. 196
104 Vgl. Baum 1996, S. 239f. Auf die Ähnlichkeiten zwischen klassischen Industriebetrieben und Medienunter-
nehmen haben Aufermann, Lange und Zerdick (1973, S. 250) bereits vor über 30 Jahren hingewiesen.
2 Ausdifferenzierung der Massenmedien 263

Abläufe und Strukturen ausgerichtet.105 Die sich in solchen wirtschaftlichen Zielprogrammie-


rungen ausdrückende Ökonomisierung der Medienunternehmen betrifft die Entscheidungs-
prämissen und -programme genauso wie die Ressourcenallokation und das produzierte mediale
Angebot. Im Ergebnis führt dies zu einer „Ökonomisierung der Ökonomisierung“, da die
steigende Relevanz wirtschaftlicher Faktoren kein Ergebnis naturwüchsiger Prozesse ist,
sondern durch unternehmerische – und politische – Entscheidungen vorangetrieben wird.106
Es geht um rekursiv miteinander verbundene Regulierungs- und Strukturierungsprozesse:
Medien beeinflussen mit ihren Strategien die Strukturen des Marktes, auf dem sie sich mit
ihren Angeboten bewegen, während zugleich die Marktstrukturen Einfluss auf die Medienun-
ternehmung haben. Im Ergebnis führt diese wechselseitige Verschränkung zu einer ‚spiralför-
mig‘ verlaufenden Ökonomisierung der Medien.107 Indem Medienunternehmen ihre Kapital-
und Verhandlungsmacht einsetzen, um die Bedingungen des marktwirtschaftlichen Wettbe-
werbs in ihrem Sinne zu ‚verbessern‘, sprich: politische Regulierung und Steuerung zu minimie-
ren, tragen sie als „treibende Kraft“ zu einer Ausbreitung ökonomischer Marktrationalität
wesentlich bei.108 Empirisch ist festzustellen, dass die technische Weiterentwicklung des
Mediensystems tatsächlich meist nicht publizistischen Erwägungen folgt, sondern ein klassi-
sches Anbietergeschäft ist, in dem Produkte und Bedürfnisse den ökonomisch geschaffenen
Möglichkeiten nachwachsen.109 Eine historisch-materialistische Medienkritik sieht daher
massenmediale Funktionen als ökonomisch und integrationspolitisch, nicht aber als lebens-
weltlich emanzipativ:110
• Medienbetriebe stellen mediale Produkte (dazu gehören auch Anzeigenplätze) her und
verkaufen sie (kapitalökonomische Funktion);
• Medien erzeugen ein spezifisches Konsumklima durch das Bewerben bestimmter Produk-
te und Dienstleistungen (warenzirkulierende Funktion);
• Medien legitimieren und propagieren in ihren Produkten das derzeitige gesellschaftliche
Organisationsprinzip, auf dem nicht nur ihre Existenz, sondern die gesamte Gesell-
schaftsverfassung aufbaut (herrschaftliche Funktion);
• Medien bedienen – ausgerichtet an den vorher genannten Funktionen – die Informations-
und Unterhaltungsansprüche der Rezipienten (regenerierende Funktion);
• Medien bilden Absatzsphären für andere Unternehmen z.B. in der Elektronikbranche
oder für Produktionsfirmen (absatzökonomische Funktion).
Im Zuge der ‚Ökonomisierung‘ gewinnen Medien(organisationen) gegenüber dem politischen
System und der Lebenswelt an Autonomie, so dass deren Regulierungs- und Steuerungsmög-
lichkeiten schwinden. Jarren und Meier sprechen von einem langsamen „Wechsel der System-
zugehörigkeit“, der Auswirkungen auf die Ausgestaltung medialer Institutionen hat.111 Die
Ausweitung ökonomischer Logik steht dabei in einem prekären Wechselverhältnis zu dem
Rückzug des Staates von seinen im Medienbereich einst als klassisch angesehenen Regulie-
rungsaufgaben.112 In einem angenommenen Dreiecksverhältnis von Medien, Politik und
Ökonomie lässt sich einerseits eine Differenzierung der Medien von der Politik und damit

105 Vgl. Heinrich 2001, S. 160f.


106 Altmeppen 2001, S. 202
107 Vgl. Jarren 2003
108 Altmeppen 2001, S. 203f.
109 Vgl. Dröge/Kopper 1991, S. 52f.
110 Vgl. zum Folgenden Holzer 1994, S. 202f.
111 Jarren/Meier 2002, S. 111f.
112 Vgl. Meier/Jarren 2001, S. 146. Diese Entwicklung wird nachgezeichnet in Kopper/Rager u.a. 1994.
264 V Strukturwandel der Öffentlichkeit – Ausdifferenzierung der Massenmedien

wachsende Autonomie, andererseits aber auch eine ‚Entdifferenzierung der Medien vom
Wirtschaftssystem‘ ausmachen.113 Staatliche Medienpolitik beschränkt sich mittlerweile darauf,
gemäß eines wirtschaftsliberal verstandenen Vielfaltspostulats ein außenplurales Angebot im
Mediensektor zu gewährleisten, in dem der Wettbewerb für auch kommunikationspolitisch
angemessene Bedingungen zu sorgen habe.114 Eine ordnungspolitische Regulation des Medien-
systems oder eine zureichende Medienaufsicht hingegen werden von dieser Politik als „über-
holte Relikte einer übrigens eher kurzen Phase gesellschaftlicher Medienkontrolle […], die von
der Medienwirklichkeit überrundet werden“, betrachtet.115
Insbesondere die Einführung des privat-kommerziellen Rundfunks kann als ein politisch
herbeigeführter Ökonomisierungsschub diskutiert werden, basierend auf der medienpolitischen
Entscheidung, Rundfunk und Fernsehen gegenüber privatwirtschaftlichen Akteuren zu öffnen
und auf gesellschaftliche Regulierung in Teilen zu verzichten.116 Zum ersten Mal sind in
Deutschland damit (auch journalistisch tätige) Medieninstitutionen etabliert worden, die
weitgehend unabhängig von gesellschaftlichen und kulturellen Gruppen ausschließlich Kapital-
interessen verpflichtet sind und „keine publizistischen Traditionen“ besitzen.117 Neben die
politischen, kulturellen oder publizistischen Leitbilder im öffentlich-rechtlichen Rundfunk tritt
im privat-kommerziellen Rundfunk eine alles umspannende wirtschaftliche Orientierung, die
vor allem von den neuen Unternehmens- und Eignerstrukturen induziert wird.118 Die Kom-
merzialisierung des Rundfunks durch den Zutritt und den Wettbewerb kommerzieller Akteure
manifestiert sich in mehreren miteinander verzahnten Entwicklungen, die denen in der Presse-
branche stark ähneln:119 Im Rundfunkbereich etablieren sich neben den öffentlich-rechtlichen
Sendeanstalten auch Verlegerkapital und neue mittelständische Unternehmen, die Profitinte-
ressen verfolgen. Hinzu kommt, dass die immer komplexer werdenden Wertschöpfungsketten
der Produktion im audiovisuellen Medienbereich auch für branchenfremde Unternehmen –
meist Misch- oder Telekommunikationsunternehmen – attraktive Investitionsbereiche darstel-
len können. Im Ganzen betrachtet könnte dies mittelfristig dazu führen, dass die mittelständi-
sche Struktur auch aus den Bereichen der Medienbranche verschwindet, in denen sie sich
zurzeit noch zu behaupten vermag, und sich kapitalstarke, global agierende Unternehmen
weiterer Teile des Medienmarktes bemächtigen.120 Dadurch ist eine Forcierung der Integration
der Massenmedien in das ökonomische System zu erwarten.121

113 Vgl. Imhof/Jarren/Blum 1999b, S. 11. Einer empirischen Untersuchung zufolge allerdings, bejahen zumindest
befragte österreichische Journalisten zwar die wachsende Abhängigkeit von ökonomischen Parametern, vernei-
nen aber eine wachsende Distanz zur Politik (vgl. Weber 2000).
114 Vgl. Kopper/Rager u.a. 1994, S. 62ff.
115 Roß 1999, S. 261. Stattdessen dominiert der Glaube an den Markt – ein Steuerungsinstrument, das im Medien-
sektor keineswegs verlässlich ist (vgl. Kopper/Rager u.a. 1994, S. 77).
116 Vgl. für diesen Befund u.a. Branahl 1999a, S. 325; Meier/Jarren 2001, S. 155; Kopper/Rager u.a. 1994.
117 Jarren 1998a, S. 77; vgl. Prott 1994, S. 503
118 Vgl. Jarren 1998a, S. 79
119 Vgl. zum Folgenden: Meier 1999, S. 66.
120 Vgl. Knoche 2001, S. 182; Jarren/Meier 2002, S. 131. Hinzu kommt die Werbeabhängigkeit der Medienbetrie-
be, die Winter (2001, S. 41) konstatiert: „Es gibt kaum mehr eine materiale Basis für die Konstitution von Öf-
fentlichkeit, die meist medial konstituierte Öffentlichkeit ist, die nicht zumindest auch über Werbung finanziert
wäre.
121 Diese Entwicklung verstärkt einen ökonomischen Kostenwettbewerb und erschwert einen Qualitätswettbe-
werb (vgl. Heinrich 1996) zwischen kommerziellen und öffentlich-rechtlichen Anbietern, der ein Ausgangs-
punkt der politischen Deregulierungsbemühungen gewesen ist. Stattdessen stehen Kostensenkungen durch In-
tegrations- und Rationalisierungsprozesse – vor allem Bemühungen um horizontale Integration zur Markter-
weiterung und um vertikale Integration zur Reduktion von Transaktionskosten (vgl. Meier 1999, S. 69) – auf
dem Plan, um ein erfolgreiches Agieren im ökonomischen Wettbewerb zu ermöglichen. Auch Konzentrations-
2 Ausdifferenzierung der Massenmedien 265

2.3 Zur Annahme massenmedialer Autopoiesis

Während die beschriebenen Ökonomisierungstendenzen sich vor allem auf der spezielleren,
historisch kontingenten Ebene eines sozialwissenschaftlich ‚objektivierten‘ Systembegriffs
bewegen, heben andere systemtheoretische Analysen abstrakter und modellhafter auf die
Vorstellung eines eigenständigen massenmedialen Systems ab. Diese Studien adaptieren die
bereits diskutierten Überlegungen einer autopoietischen Systemkonzeption, die auf die operati-
ve Schließung und eigenlogische Selbstreproduktion gesellschaftlicher Systeme nach leitdiffe-
rentiellen Codes im Dienste der Reduktion gesellschaftlicher Komplexität ausgerichtet ist.122
Sie machen die Etablierung eines massenmedialen bzw. publizistischen Systems nicht an einer
Entwicklung technischer oder medialer Infrastrukturen fest, sondern an spezifischen Leistun-
gen, die durch Reduktion gesellschaftlicher Komplexität zur Möglichkeit gesellschaftlicher
Ordnung beitragen.123 Ausschlaggebend ist die funktionalistische Steuerungsunterscheidung
entlang des binären System-Codes innerhalb des Mediensystems. Darauf aufbauend skizziert
Luhmann beispielsweise die Massenmedien als ein System, das nach dem Code von Informati-
on und Nichtinformation eigenständig operiert124; während Marcinkowski ein System Publizis-
tik konstruiert, dem er die Leitdifferenz öffentlich/nicht öffentlich nicht in einem normativ
aufgeladenen Sinn, sondern als binären Code zuschreibt, und dessen zentrale Leistung das
Veröffentlichen ist, so dass Publizität als generalisiertes Kommunikationsmedium fungiert.125
Dominierende Perspektive dieser und vergleichbarer Analysen ist die Frage nach der ‚Funk-
tionalität‘ der Massenmedien (wahlweise: der Publizistik, der Öffentlichkeit, des Journalismus
etc.) für die Gesellschaft. Genannt werden zum Beispiel die „Ermöglichung der Selbstbeo-
bachtung moderner Gesellschaften“126 oder das „Dirigieren der Selbstbeobachtung des Gesell-
schaftssystems“127. Durch die Veröffentlichung von Themen werden Sachverhalte in Kommu-
nikation übersetzt und damit der Gesellschaft überhaupt erst zur Verfügung gestellt.128 Indem
diese Funktionen beschrieben werden, thematisieren systemische Analysen zunächst die
makrosozialen Funktionen massenmedial gestützten journalistischen Handelns, die vor dem
Hintergrund der Lebensweltperspektive mit dem begrifflichen Instrumentarium der kommuni-
kationstheoretischen Gesellschaftsanalyse als ‚Leistungen‘ bereits thematisiert wurden. Für
Luhmann zeichnen sich Massenmedien dadurch aus, dass sie „[…] ein Hintergrundwissen

prozesse schreiten unter dieser Zielsetzung voran (vgl. Heinrich 1994, S. 115ff.). Für die Presselandschaft sind
diese Prozesse bereits vor gut drei Jahrzehnten eindringlich beschrieben worden (vgl. Aufer-
mann/Lange/Zerdick 1973). Seit über einem Jahrzehnt lassen sich die Perspektiven der Angebotsvielfalt im
Medienmarkt als „düster“ bezeichnen (Röper 1994, S. 542).
122 Vgl. zur grundlegenden theoretischen Konzeption: Luhmann 1984.
123 Vgl. Marcinkowski 1993, S. 36f.
124 Vgl. Luhmann 1996, S. 36f.; diverse Vorstudien finden sich in Luhmann 1981a.
125 Vgl. Marcinkowski 1993, S. 46ff. Der Autor begründet seine Kritik an der Vorstellung der Thematisierung als
zentraler publizistischer Leistung mit der allgemeinen systemtheoretischen Feststellung, dass jedes soziale
System spezifische Thematisierungsleistungen erbringen müsse und daher diese Differenzierung zu unspezi-
fisch zur Identifikation eines Systems sei. In diesem Zusammenhang soll nicht auf Systemkonzeptionen einge-
gangen werden, die sich direkt auf Journalismus richten, wie sie zum Beispiel von Rühl (1980) oder Blöbaum
(1994) vorgelegt worden sind. In diesem Abschnitt geht es ausschließlich darum, ob Massenmedien als ein auto-
poietisches System konzipiert werden können. Zur weitergehenden Beschäftigung mit dem Systembegriff in
der Medienforschung siehe Abschnitt II.2.1 der vorliegenden Arbeit.
126 Marcinkowski 1993, S. 118
127 Luhmann 1996, S. 173
128 Diese Perspektive adaptiert Rühl (1980) als ‚Thematisierungsfunktion‘ für das von ihm konstruierte soziale
System Journalismus.
266 V Strukturwandel der Öffentlichkeit – Ausdifferenzierung der Massenmedien

bereitstellen und jeweils fortschreiben, von dem man in der Kommunikation ausgehen
kann“.129 Auch wird anerkannt, dass durch Massenkommunikation ein lebensweltlicher Hin-
tergrund generiert wird – allerdings verbleibt die Erklärung dieses Prozesses funktionalistisch,
ohne die kommunikative Teilhabe lebensweltlicher Akteure konzeptionell zu berücksichti-
gen.130
Gemeinsam ist den meisten dieser Konzeptionen außerdem, dass sie von einer zunehmen-
den Binnendifferenzierung des Systems ausgehen, die durch Steigerung der Eigenkomplexität
zu erhöhter Leistungsfähigkeit im Umgang mit Umweltkomplexität führen soll. Darin werden
„Ansätze einer autopoietischen Selbstreproduktion“ gesehen.131 Durch ihre Operationen
stimuliere massenmediale Publizistik ständig neue Publizitätsinteressen in anderen Teilsyste-
men, die von ihm verarbeitet werden können; das publizistische System generiere seine eigenen
Bestandsgrundlagen.132 Dieser Autopoiesis-Ansatz markiert den konzeptionellen Kontrapunkt
zur Ökonomisierungsanalyse, indem er bedingungslos auf der Prämisse beharrt, dass Massen-
medien einer genuin eigenständigen Logik folgen. So richtet sich auch Marcinkowski explizit
gegen alle Auffassungen, „[…] die die publizistischen Medien in umfassende Entdifferenzie-
rungsvorgänge im Sinne der Allopoiesis verwickelt sehen, etwa durch hierarchische Unterord-
nung gegenüber Politik oder Ökonomie“.133 Zwar weist er darauf hin, dass die Entwicklung
der technischen Verbreitungsmedien der Publizistik extern induziert ist und nicht der Kontrol-
le des publizistischen Systems unterliegt. Aber auch hier sieht er keine Auswirkungen auf die
Funktionsweise des Codes öffentlich/nicht-öffentlich.134
Diese Konzeptionen haben einen Erklärungswert, wenn sie als sozialwissenschaftliche Ob-
jektivationen makrostruktureller Sozialzusammenhänge angewendet werden. Aus der Perspek-
tive der Luhmannschen Systemtheorie lassen sich auf der analytischen Ebene sozialwissen-
schaftlicher Objektivation wichtige Erkenntnisse für die Erforschung und das Verständnis der
Massenmedien ziehen. So verdeutlicht sie besonders eindringlich die Schwierigkeiten des
steuernden und regulierenden Eingriffs in bereits existierende Medienstrukturen. Die System-
theorie hat zudem ihre unbestreitbaren Stärken, wenn es um die Beschreibung der Leistungen
der Massenmedien für andere gesellschaftliche Bereiche (oder Systeme) oder der Funktionen
für die Gesellschaft als Ganzes geht. Sie erleichtert die makrosoziale Beschreibung und Analyse
der Austauschbeziehungen zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen in einer
ausdifferenzierten Gesellschaft. Aus ihrem hohen Abstraktionsgrad und in dem Versuch,
Komplexität stark auf jeweils eine dominierende Steuerungslogik zu reduzieren, folgen aller-
dings auch Probleme, welche die Erklärungsmöglichkeiten autopoietischer Systemkonzeptio-
nen für andere Fragen einschränken:
• Bestimmte Spielarten der Systemtheorie totalisieren – wie bereits einleitend thematisiert – eine zweckratio-
nal-funktionalistische Vernunft, ohne Spielräume für kommunikative Verständigung markieren zu kön-
nen. Sie sind angesichts ihres oft formulierten Alleinvertretungsanspruchs kaum mit einem

129 Luhmann 1996, S. 121f.


130 Die Realität der Massenmedien entsteht für Luhmann (1996, S. 153) nicht aus Interaktion, sondern aus
Beobachtung zweiter Ordnung; damit ersetzt sie vergleichbare ‚Wissensvorgaben‘, die in vorangegangenen Ge-
sellschaften zum Beispiel durch Weise, Priester, Adel und andere der Gesellschaft als privilegierte Beobach-
tungsergebnisse zur Selbststeuerung dienten. Die Übertragung derartiger systemtheoretischer Überlegungen,
die eine Teilhabe des Publikums weitgehend negieren, auf die Journalismusanalyse kritisiert Lünenborg (2005a),
die engagiert für eine kulturwissenschaftliche Perspektive plädiert.
131 Marcinkowski 1993, S. 98
132 Vgl. zur Autopoiesis-Debatte überblickshaft die Beiträge in Communicatio socialis, Heft 1/2001.
133 Marcinkowski 1993, S. 146
134 Vgl. ebd., S. 60
2 Ausdifferenzierung der Massenmedien 267

Journalismus-Verständnis in Einklang zu bringen, das in journalistischem Handeln eine


Form kommunikativen Handelns sieht. Vielmehr drohen sie, Unterschiede zwischen Me-
diensystem und lebensweltlicher Kommunikation in der Annahme geschlossener, einheit-
lich gesteuerter Systemoperationen einzuebnen. Die beschriebene lebensweltlich fundierte
eigensinnige Kommunikativität journalistischer Akteure ist vor diesem Hintergrund ge-
nuin nicht mehr konzipierbar, sondern muss ebenfalls der Leitdifferenz des Systems un-
tergeordnet werden.
• Es lassen sich konzeptionelle Zweifel formulieren, dass eine Ausdifferenzierung eines symbolisch generali-
sierten Kommunikationsmediums ‚Publizität‘ und damit seine vollständige Ablösung von den illokutionä-
ren Bindungskräften lebensweltlichen Sprachgebrauchs überhaupt konzipierbar ist. Es ist kaum vor-
stellbar, ‚Publizität‘ normativ so entleert zu konzipieren, dass dabei am Ende ein symbo-
lisch generalisiertes Medium entsteht, das in der Lage ist, Interaktionen vom Dissensrisiko
zu entlasten. Würde man Publizität im Sinne dieser Ablösung schon von den umgangs-
sprachlichen Grundlagen der Verständigungsorientierung weitgehend bis vollständig ent-
koppeln, dann würde eine durch Publizität hergestellte Öffentlichkeit ihre lebensweltlich
notwendige Koordinierungsfunktion verlieren und tatsächlich nur noch Themen zur
Kommunikation bereitstellen, ohne dass gewährleistet wäre, dass es auch die Themen
sind, über die zu sprechen sich lohnt, weil sie der Koordinierung des Zusammenlebens
dienen.
• Die autopoietische Systemtheorie kann aufgrund der unterstellten operativen Geschlossenheit des Systems
Ökonomisierungstendenzen nicht hinreichend beschreiben. Sie untersucht allenfalls Zonen struktu-
reller Kopplung oder Interpenetration, in denen der Code Zahlung/Nichtzahlung gegen-
über dem medialen Code an Bedeutung gewinnt.135 Auf das Ganze gesehen allerdings
muss der das System konstituierende Code unangetastet bleiben, da andernfalls der Be-
stand des Systems in Gefahr gerät. Mit der Annahme der Steuerung der Medien durch ei-
nen primären und eigenständigen Code, demgegenüber wirtschaftliche Einflüsse nur eine
„leicht handhabbare Zweitcodierung“136 sind, immunisieren sich autopoietische Ansätze
konzeptionell gegen eine Analyse der Ökonomisierung und der Fremdsteuerung der Me-
dien oder auch des Aufbrechens von Rationalitätskonflikten im massenmedialen Sys-
tem.137
Rühl hat schon 1993 versucht, einen Ausweg aus dieser Einseitigkeit der systemischen Medien-
analyse zu finden, indem er ein System der „Marktpublizistik“ beschreibt, in dem sich Geld-
und Kommunikationsleistungen in einem eigensinnigen ‚Zirkel publizistischer Zahlungsver-

135 Vgl. Meier/Jarren 2001, S. 148. Für Siegert (2001, S. 169), die damit deutlich weiter geht als zum Beispiel
Marcinkowski, wäre eine Ökonomisierung entsprechend dann feststellbar, wenn eine Zuordnung aller Hand-
lungen, die zum Mediensystem gehörige Akteure vollbringen, zu den ihnen zu Grunde liegenden Rationalitäten
bzw. Codes erfolgte und dabei eine Überproportionalität zugunsten des Wirtschaftssystems feststellbar sei. Das
Medienunternehmen ist dann der Bereich, in dem die unterschiedlichen Funktionen des Mediensystems und
des Wirtschaftssystems miteinander in Berührung kommen und in denen durchaus feststellbar sei, „[…] dass
Geld als Handlungsorientierung für Veröffentlichungsakte an Bedeutung gewinnt“ (Siegert 2001, S. 170).
136 Marcinkowski 1993, S. 183
137 Vgl. Grothe/Schulz 1993. Marcinkowski (1993, S. 183f.) versucht die Annahme der systemischen Selbststän-
digkeit zum Beispiel zu belegen, indem er beschreibt, dass selbst hohe Investitionen keine Garantie für publizis-
tischen Erfolg geben können. Daraus zieht er den Schluss, dass es eine eigenständige publizistische Logik jen-
seits des Ökonomischen gibt, obwohl sich dieser Vorgang auch daraus erklären kann, dass – wie in fast jeder
anderen Produktion – Produktqualität (und damit Markterfolg) niemals nur eine Folge des eingesetzten Kapi-
tals ist, sondern das Ergebnis eines komplexen Prozesses, in dem viele Faktoren eine Rolle spielen können.
268 V Strukturwandel der Öffentlichkeit – Ausdifferenzierung der Massenmedien

hältnisse‘ unter dem Steuerungsprimat des Ökonomischen zusammenfassen lassen.138 Das


Ergebnis dieser Perspektive wäre allerdings immer noch die unterschiedslose Auflösung
medialer und journalistischer Leistungen in einem zweckrational-ökonomischen Steuerungszu-
sammenhang, der publizistische (d.h. sowohl mediale als auch journalistische) Leistungen
primär unter der Perspektive ihrer monetären, sozialen, psychischen und zeitlichen Kosten
betrachtet139 und somit Preiskalkulation auch dort durchsetzt, wo Kommunikationsrationalität
vorherrscht. Für die Analyse der Massenmedien liefert diese Fundierung in Marktsteuerungs-
theoremen wertvolle Hinweise, übertragen auf den Journalismus allerdings führt sie zu Verkür-
zungen, die darin gipfeln, den journalistischen Akteur einseitig als Kosten-Nutzen-fixierten
„homo oeconomicus“ zu betrachten140, anstatt die jedem Handeln inhärenten, in Berufsvor-
stellungen übersetzten und zum Teil systemisch geronnenen Zweckorientierungen zu lebens-
weltlichen Handlungsaspekten in Bezug zu setzen.

2.4 Konsequenzen der systemischen Ökonomie der Massenmedien

Für die weitere konzeptionelle Analyse der Spielräume eines kommunikativen Journalismus
kann festgehalten werden: Massenmedien können als eine institutionelle Struktur konzipiert
werden, auf die Journalismus angewiesen ist und die den Steuerungsimperativen des ökonomi-
schen Systems unterworfen ist. Es existiert zweifelsohne eine „enge Verknüpfung mit dem
ökonomischen System“.141 Medieninstitutionen entfalten darüber hinaus eine spezifische
Eigenrationalität, indem sie politische, ökonomische, kulturelle u.a. Vorgänge gemäß einer
ihnen eigenen Selektionslogik aufgreifen und bestimmten Präsentationsroutinen folgend in
‚Medienrealität‘ umwandeln.142 Diese Eigenrationalität geht allerdings gegenüber ökonomi-
schen Imperativen nicht dergestalt in Führung, dass eine eigenständige, autopoietische System-
differenzierung der Massenmedien angenommen werden kann. Plausibel ist vielmehr, insbe-
sondere die innere Organisation eines Medienbetriebes als Ergebnis einer rekursiven Struktu-
rierung zu begreifen, die journalistisches Handeln durch entsprechende Arbeits- und Organisa-
tionsprogramme sowie Rollenvorgaben zugleich ermöglicht und einschränkt.143 Hier – in
diesem Wechselspiel – lässt sich auch eine publizistisch-journalistische Logik verorten, ohne
dass sie absolut gesetzt werden müsste, wie in der funktional-strukturellen Systemtheorie.
Gesellschaftlich betrachtet sind Massenmedien weitgehend Bestandteil des ökonomischen
Systems und folgen einem Marktmodell. Selbst die durch gesellschaftliche Akteure gesteuerten
öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten (Integrationsmodell) können sich der Logik des
Marktes im Vergleich mit kommerziellen Anbietern kaum mehr entziehen. Mit dem hier
angelegten Systembegriff lassen auch sie sich als ausdifferenzierte Organisationen beschreiben,

138 Rühl 1993a


139 Vgl. für diese Sichtweise ebd., S. 143.
140 Fengler/Ruß-Mohl 2005a
141 Jarren/Donges 2004, S. 50
142 Vgl. Saxer 1998b, S. 60. Die eigendynamische Entwicklung medialer Strukturen, Ziele und Zwecke kann
allerdings aufgrund des gesellschaftlichen Auftrags der Medien nur dann als erfolgreich betrachtet werden,
wenn sie in ihrer Zieldefinition den Kernzielen der Gesellschaft zumindest nicht zuwiderläuft (vgl. Jar-
ren/Meier 2002, S. 102). Deswegen gibt es regelmäßig Debatten, wenn branchenfremdes Kapital aus Profitinte-
resse im Mediensystem investiert wird. Ein jüngerer Fall ist die Übernahme der „Berliner Zeitung“ durch briti-
sche Investoren (vgl. Roether 2005). Vgl. zur allgemein kritischen Lage der Presseökonomie Röper 2004.
143 Diese Perspektive legt Altmeppen (1999) seiner Studie zu „Redaktionen als Koordinationszentren“ zugrunde,
die sich mit der Abgrenzung von medialer und journalistischer Logik befasst. Vgl. auch Altmeppen 2006.
2 Ausdifferenzierung der Massenmedien 269

die in erster Linie nicht sprachlich kommunikativ, sondern ökonomisch funktional über das
Steuerungsmedium Geld integriert werden.144 Dabei handelt es sich nicht um fundamentale
‚Umpolungen‘, sondern um graduelle Veränderungen, die Entscheidungsprämissen und -pro-
gramme genauso betreffen wie die Ressourcenallokation und das produzierte mediale Ange-
bot.145 Diese lassen sich anhand der in der folgenden Tabelle zusammengefassten Charakteris-
tika beschreiben.

Tab. 3: Charakteristika systemisch verfasster Massenmedien

Massenmedien

gesellschaftstheoretische Verortung System


maßgeblicher Handlungstypus Arbeit
Rationalitätsmodus instrumentell / zweckrational
Zielorientierung zweckorientiert
gesellschaftliche Leistung Reproduktion materieller Ressourcen
Generierung von Programminhalten unter Maßgabe
Aufgabe / Funktion
kommerzieller Verwertungs- und Profitinteressen
Koordinierungsmechanismus symbolisch generalisierte Steuerungsmedien (Geld)
Legitimationsgrundlage Effizienz

Dabei sind die Systeme nicht vollständig dem lebensweltlichen Zugriff entzogen, sondern
bleiben prinzipiell, wenngleich faktisch oft nur noch eingeschränkt gestaltbar. Medienunter-
nehmen richten ihre Abläufe und Strukturen aber in erster Linie so ein, dass sie insbesondere
die erwünschte Gewinnmehrung gewährleisten können. Sie formulieren Erwartungen an das
journalistische Handeln ihrer Organisationsmitglieder, das sie durch entsprechende Ressour-
cenallokation ermöglichen und durch Ablauf- und Strukturvorgaben einschränken.
Vor dem Hintergrund eines differenzierteren zweistufigen Interpretationsschemas, wie es
die ‚Theorie des kommunikativen Handelns‘ bereitstellt, ist die systemische Steuerung medialer
Institutionen im Sinne der funktionalen Differenzierung im Hinblick auf materielle Reproduk-
tion zunächst rational. Allerdings erscheint eine umfassende Marktsteuerung der Medien nach
ökonomischen Effizienzmaßstäben nicht befriedigend: Aufgrund der intransparenten Kon-
struktion des Medienmarktes ist eine erfolgreiche Regulierung allein durch Rezipienten-
nachfrage kaum zu erwarten.146 (Meritorische) Medienprodukte sind sowohl aufgrund ihres

144 Vgl. Jarren/Meier 2002, S. 112


145 Vgl. Altmeppen 2001, S. 198ff.
146 Vgl. Heinrich 1999, S. 249. Altmeppen (1996b, S. 270f.) erörtert das zentrale Versagen einer Marktsteuerung
durch Rezipienten mit einer eigentümlichen Folge des doppelten Werts der Medienprodukte, die deswegen ei-
ner klaren Bewertung unzugänglich bleiben müssen: „Ökonomisch ist ihr Wert geldbezogen. Geld ist ein sym-
bolisches Tauschmedium, mit dem Interaktion in gesellschaftlichen Bezügen normiert wird. Geld ist an soziale
Beziehungen gebunden und somit immer mit Kommunikation verbunden. Geld reguliert auf der einen Seite die
Entscheidungen der Anbieter (über Kosten und Gewinnerwartungen) und reflektiert andererseits die Honorie-
rung der Angebote (Akzeptanz und Nichtakzeptanz), es signalisiert eine Offerte und versucht ein komplemen-
täres Verhalten zu stimulieren. Zustimmung (Kauf) signalisiert somit für den Anbieter auch entsprechende Ak-
270 V Strukturwandel der Öffentlichkeit – Ausdifferenzierung der Massenmedien

intransigenten Charakters als ‚Erfahrungsgüter‘147, als auch aufgrund ihres dualen ökonomi-
schen und publizistischen Wertes148 als nur bedingt marktfähig zu erachten. Allenfalls langfris-
tige Investitionen in ein durch Qualitätsprodukte aufgebautes „Vertrauenskapital“ können sich
hier auszahlen.149 Hinzu kommt, dass Marktsteuerung auf einem Anbietermarkt dazu zwingt,
Produkte aktiv an Konsumenten zu verkaufen. Dieser Umstand kann dazu führen, dass – so
eine ‚klassische‘ medienkritische Position – das Publikum aus Verkaufsgründen in „stetiger
Bedürfnis-Spannung“ gehalten wird, indem Informationen stückweise geliefert und Zusam-
menhänge vernachlässigt werden.150
Durch die zunehmende Dominanz wirtschaftlicher Profitinteressen verändern sich die me-
dialen Produkte, indem sie ihren vormals gegebenen meritorischen Charakter verlieren und die
„Nachricht als Ware“ nunmehr „ähnlichen ökonomischen Bedingungen wie jedes Industrie-
produkt“ unterliegt, wie Zoll und Hennig schon 1970 konstatierten.151 Zudem ist eine „zumin-
dest tendenzielle Unterwerfung der Medieninhalte unter die Werbeträger-Funktion“ festzustel-
len.152 Auch dieser Befund ist nunmehr über ein Vierteljahrhundert alt und dürfte an Relevanz
eher gewonnen haben. Schließlich wird es heutzutage immer schwieriger, „[…] privatwirt-
schaftlich agierende Unternehmen auf gesellschaftliche Ziele zu verpflichten […]“.153 Das
Ergebnis ist eine „Entmeritorisierung von Medienleistungen“154, die als Waren und damit als
Wirtschaftsgüter verstanden werden, während ihre gesellschaftliche Bedingtheit und Notwen-
digkeit letztlich nicht endgültig suspendiert, wohl aber weitest möglich zurückgedrängt wird.
Diese Entwicklungen haben Auswirkungen auf die Reproduktionsbedingungen der le-
bensweltlichen Ressourcen einer Gesellschaft.155 Sie führen außerdem zu weitreichenden
Veränderungen der Arbeits- und Lebenswelt der Journalisten, da die „Zweckrationalität einer
kommerzialisierten Publizistik“ auf die Logik des journalistischen Handelns durchgreift.156 Der
ökonomisch vorangetriebene Strukturwandel der Öffentlichkeit geht einher mit einem Struk-
turwandel der Presse und des Journalismus.157

zeptanzen. Diese Rückkopplung fehlt bei Medienprodukten mehr oder weniger stark, da die Medienakzeptanz
über die Zuwendungshäufigkeit und -dauer der Konsumenten ermittelt wird und die Verfügbarkeit von Geld,
üblicherweise grundlegend für die Teilhabe an ökonomischen Prozessen, bei Medienprodukten nicht oder nur
eingeschränkt nötig ist. Wenn aber die Preis-/Leistungssteuerung entfällt, wird den Nachfragern die Orientie-
rungsfunktion entzogen, sie können keinen Zusammenhang zwischen angebotener Leistung und Zahlung her-
stellen. Konsumentensouveränität existiert unter diesen Bedingungen kaum […].“
147 Vgl. Kiefer 2001, 183ff. Der Nutzen von Erfahrungsgütern kann sowohl von Produzenten wie von Rezipienten
erst nach dem Konsum beurteilt werden.
148 Die Dualität von Medien und ihren Produkten ist in den Kategorien wirtschaftlicher Logik nur bedingt
angemessen zu erfassen. Dies zeigt sich in den Versuchen, die publizistischen Aspekte medialer Angebote als
externalisierende Effekte wirtschaftlichen Handelns zu begreifen – eine ökonomistische Verkürzung, die apore-
tisch enden muss, da die gesellschaftlich wünschenswerten Funktionen den Medienprodukten inhärent sind
und keinen zusätzlichen Effekt darstellen (vgl. Altmeppen 1996b, S. 265).
149 Heinrich 1994, S. 103; vgl. ausführlich auch Heinrich/Lobigs 2003.
150 Schütt 1981, S. 206
151 Zoll/Hennig 1970, S. 21
152 Fabris 1979, S. 39
153 Jarren 1998a, S. 80
154 Meier/Jarren 2001, S. 146
155 Krotz (2001a, S. 198) findet dafür apodiktische Worte: „Wir erleben heute die durchgängige Ökonomisierung
von Werten und Normen, Begriffen und Bildern, Mythen und Ritualen, Ausdrucks- und Sprechweisen und
zugleich eine Enteignung innovativer kultureller Kollektive; solange sie mehr als drei Menschen und dann auch
positiv konnotiert benutzen, werden sie ihnen durch neue Bedeutungsgehalte, die auf Ökonomie und Konsum
verweisen, weggenommen. Daran haben die Medien einen wesentlichen Anteil.“
156 Baum 1996, S. 247
157 Vgl. Dröge/Kopper 1991, S. 164; Blöbaum 2000
2 Ausdifferenzierung der Massenmedien 271

„Im Kern wird die Zurechnung von Handlungsfolgen in Geld ausgedrückt immer konsequenter; der Infor-
mationshandel wird mit den zunehmend differenzierten Abrechnungssystemen und den zunehmend diffe-
renzierten Lieferanten-Kunden-Beziehungen immer ökonomischer, d.h.: er wird immer mehr ein über Märkte
vermittelter Austausch von individuell zurechenbaren Leistungen und individuell gezahlten Entgelten. Damit
werden die klassischen Steuerungsmechanismen marktgerechter Produktion, nämlich Präferenzen und Preise,
auch für den Informationshandel verstärkt zur Anwendung kommen. Im Kern schwinden damit die Freiräu-
me für nicht auf den Shareholder-Value ausgerichtete Medienproduktionen, es schwinden also die Freiräume
für intrinsisch motivierte Journalisten und Verleger.“158

Die weitreichende und zunehmend alternativlose Durchsetzung privatwirtschaftlicher Prinzi-


pien im Medienbereich birgt die Gefahr, Ungleichgewichte in der gesellschaftlichen Kommu-
nikation zu schaffen und die Möglichkeiten eines autonomen Journalismus einzuschränken.159
Die Etablierung der Massenmedien hat also ambivalente Konsequenzen für die kommunikati-
ve Verfasstheit moderner Gesellschaften. Die systemische Funktionalisierung der Massenme-
dien dient zunächst der effizienteren Reproduktion der materiellen Grundlagen gesellschaftli-
cher Kommunikation. In dem Moment, in dem ökonomische Steuerungsmechanismen gegen-
über kommunikativer Koordinierung in Führung gehen, drohen dysfunktionale Folgen, die oft
Gegenstand der Medienkritik sind160, aber letztlich jenseits apodiktischer Kritik zunächst als
empirischer Bedingungsrahmen in einer Journalismusanalyse behandelt werden müssen.161
Eine umfassende gesellschaftliche Durchsetzung ökonomischer Kosten-Nutzen-
Rationalität kann mit dem Instrumentarium des zweistufigen Gesellschaftsmodells von Le-
benswelt und System kritisiert werden, wenn sie andere gesellschaftliche Bereiche tendenziell
ihrer eigenen Logik unterwirft und zunehmend auch auf den Bereich symbolisch-kultureller
Ressourcen als verwertbares Reservoir durchgreift. Hier zeigen sich die Stärken der politöko-
nomischen Sensibilität der Habermasschen Theorie, die eben auch in der Tradition analytischer
Ansätze steht, die sich schon immer der Frage gestellt haben, „[…] wie sich die Dynamik des
Wirtschaftssystems auf die Ordnungen auswirkte, die die Gesellschaft normativ integrier-

158 Heinrich 1999, S. 250


159 Vgl. Roß 1999, S. 261; Kopper/Rager u.a. 1994; Prott 1994, S. 482. Wie sich Kosten und Nutzen der Ökono-
misierung zu einander verhalten, ist eine nicht entschiedene Frage (vgl. Meier 1999, S. 69).
160 Vgl. den Überblick bei Oy 2001.
161 Nicht zielführend ist, Journalismus nicht mehr von seiner medialen Verfassung zu trennen, wie es Teile der
klassischen Medienkritik gemacht haben, weil sie eine generelle Dominanz des Ökonomischen unterstellen. Er-
gebnis ist eine resignative Analyse, die nur radikal auf eine ‚Revolution der gesellschaftlichen Produktionsver-
hältnisse‘ hoffen lässt (vgl. Holzer 1971, S. 226f.) – eine Perspektive, sie sich wissenschaftlich wie politisch
überlebt hat. Auf die Erkenntnisse kritischer (materialistischer) Forschung allerdings vollständig zu verzichten,
wäre ein Fehler. Vielmehr muss es darum gehen, ihre Befunde und Beobachtungen in einen Theorierahmen zu
integrieren, der für die Beschreibung der Chancen moderner kapitalistischer Organisationsformen ebenso offen
ist wie für die Darstellung ihrer problematischen dysfunktionalen Folgen für Gesellschaftlichkeit. Für die Me-
dienwissenschaft haben sich in den letzten Jahren vor allem Meier (2003) und Knoche (2001) im Sinne einer
solchen, der politischen Ökonomie folgenden Perspektive stark gemacht. Knoche beschreibt durchgreifende
Kapitalisierungsprozesse innerhalb der Medienunternehmen. Dabei handele es sich um „[…] eine weitere histo-
rische Phase der fortschreitenden ‚Kapitalisierung‘ der privatwirtschaftlichen Medienindustrie, d.h. um eine ra-
dikale Subsumtion des gesamten Mediensystems unter die allgemeinen Kapitalverwertungsbedingungen.“ (Kno-
che 2001, S. 178) Dieser Prozess sei angemessen nur im Rahmen der politischen Ökonomie zu analysieren,
konstatierte Dröge (1974, S. 78f.) schon in den 1970er Jahren und forderte daher auch die Entwicklung einer
Medientheorie ausschließlich auf dieser Basis, die der spezifischen Stellung des Mediums als „Formbesonde-
rung des Kapitalverhältnisses“ gerecht wird; das Medium sei aus dieser Perspektive heraus „Produktion von
spezifischer Ideologie und spezifischen Verkehrsverhältnissen“. In den 1970er Jahren waren weitergehende ma-
terialistische Positionen verbreitet (vgl. Baacke 1974b, S. 8). Heutzutage kann die politische Ökonomie der Me-
dien (lediglich) einen Platz in einem pluralistischen Theorienspektrum beanspruchen, das sich aus einer Vielzahl
von Erkenntnisinteressen heraus auf unterschiedliche Untersuchungsgegenstände hin ausdifferenziert hat.
272 V Strukturwandel der Öffentlichkeit – Ausdifferenzierung der Massenmedien

ten“.162 Heutzutage kann die politische Ökonomie zur medienökonomischen und kommunika-
tionswissenschaftlichen Forschung den nicht bloß moralischen oder philosophischen, sondern
gleichermaßen auch ökonomisch informierten Bezug zum Ziel der „Demokratisierung der
öffentlichen Kommunikation“ beitragen.163 Ökonomisierung oder Kommerzialisierung der
Massenmedien werden demnach problematisch, wenn sie in eine Dominanz wirtschaftlicher
Logik münden, die journalistisches Handeln aus eigenem Recht erschwert.164 Die Frage, der
sich die empirische Journalismusforschung angesichts dieses Befundes stellen muss, ist die
nach den verbliebenen Möglichkeiten journalistischen Handelns in den Medienbetrieben, die in
modernen Gesellschaften als Mediensystem die institutionelle Infrastruktur gesellschaftlicher
Kommunikation konstituieren.

3 Ausdehnung systemischer Zweckrationalität


Journalistische Kommunikationslogik kann mit systemischer Logik an den Grundlagen der
organisatorischen Rahmenbedingungen des Journalismus in Konflikt geraten: Besonders die
Einrichtung eines organisatorischen Journalismus in den Redaktionen, die zunehmende Bedeu-
tung der Technik und die Verberuflichung journalistischen Handelns in den modernen Mas-
senmedien haben ambivalente Konsequenzen, da sie einerseits journalistische Leistungen
überhaupt erst ermöglichen, zugleich aber andererseits die kommunikativen Grundlagen des
Journalismus zu gefährden drohen.
In der Erörterung des Verhältnisses von rekursiver Strukturierung durch kommunikatives
Handeln und der Ausdehnung systemischer Logik (vorwiegend) durch ökonomische Imperati-
ve liegt der Schlüssel, um die empirisch verbliebenen Handlungsspielräume eines lebensweltlich
grundierten kommunikativen Journalismus zu identifizieren.165 Feststellbar ist zunächst, dass
die Redaktion den individuellen Journalisten als zentralen Referenzpunkt des Journalismus
abgelöst hat.166 Aus systemtheoretischer Sicht werden daher in Redaktionen „Strukturelemente
des Systems Journalismus“ wie Organisationen, Rollen und Programme ausfindig gemacht.167
Alternativen zu dieser Sichtweise haben es schwer, sich durchzusetzen: Das „Idealbild eines
organisationsunabhängigen Persönlichkeitsjournalismus“ wird als Relikt einer romantisieren-
den Berufsideologie kritisiert, das in der ‚Wirklichkeit‘ des heutigen Journalismus keinen Platz
mehr besitze.168 Und die klassische Medienkritik der 1970er Jahre steht vor dem Problem, dass
ihre Arbeiten nicht selten „eine weitgehende (wenn auch erzwungene) Identität zwischen
Medienorganisationen und Medienbeschäftigten“ konstruiert haben169, die in eine Pauschalkri-
tik mündet, der es nicht möglich ist, auf Rationalitätskonflikte innerhalb der Medienbetriebe
hinzuweisen.

162 Habermas 1995 [1981], Bd. 1, S. 19; vgl. Meier 2003, S. 216: „Politische Ökonomie […] fragt sich, auf welche
Weise Gesellschaften sich organisieren, um das zu produzieren, was sie zur unmittelbaren Weiterexistenz benö-
tigen. Gleichzeitig will sie herausfinden, was eine Gesellschaft ordnungspolitisch unternimmt, um die Errei-
chung ihrer politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Ziele sicherzustellen.“
163 Meier 2003, S. 241
164 Vgl. Meier/Jarren 2001, S. 147
165 Vgl. Saxer 1993a, S. 300
166 Vgl. Rühl 1989, S. 262f.
167 Blöbaum 1994, S. 49
168 Rühl 1989, S. 261
169 Holzer 1994, S. 210
3 Ausdehnung systemischer Zweckrationalität 273

In neueren systemtheoretischen Studien wiederum wird journalistisches Handeln vermeint-


lich ausschließlich zur Sache von Organisationen, Institutionen und Systemen. Dies führt latent
dazu, dass der Charakter des Journalismus als kommunikatives Handeln in den meisten dieser
Ansätze gar nicht mehr darstellbar ist. Er geht nicht verloren, sondern gerät mit dem Indivi-
duum gleichsam in den blinden Fleck der entsprechenden wissenschaftlichen Beobachtungen
und Unterscheidungen. Es scheint, als sei dem Mediensystem jede kommunikative Vernunft
im Laufe der Jahrhunderte ausgetrieben worden und als sei die theoretische Unterscheidung
darauf reduziert, dies affirmativ zu beschreiben oder kritisch zu hinterfragen.
Dass diese Analyse empirisch nicht allgemein gültig ist, zeigen Studien, die darauf beharren,
dass im Journalismus die „Eigenlogiken von Markt, Technik und Organisationen“ genauso zur
Geltung kommen wie der „Eigensinn publizistischer Individuen“.170 Auch die kritische Me-
dienforschung hat in ihren Weiterentwicklungen einen wesentlichen Beitrag dazu geleistet, die
innere ‚Zerrissenheit‘ der Medienproduktion zwischen ökonomistischem oder administrativem
Rahmen einerseits und journalistischer Kommunikativität andererseits zu verdeutlichen. Für
sie ist die Eigenständigkeit einer journalistisch-publizistischen Rationalität eine Möglichkeit, ein
aktivierbares Kritikpotenzial in die hermetischen Systeme der Bewusstseinsindustrie hineinzu-
tragen.171
In diesem Zusammenhang ermöglicht es das Habermassche Systemmodell, die Bildung
systemischer Strukturen kritisch zu den Möglichkeiten lebensweltlicher Kommunikation und ihren
eigenen Institutionen in Beziehung zu setzen. Anhand dieses Modells kann diskutiert werden,
wie es um journalistisches Handeln im „Geflecht interner und externer Systemzwänge“ bestellt
ist172, das dann unter Druck gerät, wenn mediensystemische Imperative seinen Geltungsbe-
reich bedrohen. Die einer solchen Analyse zugrunde liegende Beobachtung, dass subsyste-
misch organisierte Bereiche ihren Geltungsraum sukzessive auf Kosten der Lebenswelt auswei-
ten, ist in der Soziologie zunächst kein neuer Befund, sondern kann mindestens bis zu Max
Webers These der Bürokratisierung moderner Gesellschaften zurückverfolgt werden, die dort
als „das spezifische Mittel, [einverständliches] ‚Gemeinschaftshandeln‘ in rational geordnetes
‚Gesellschaftshandeln‘ zu überführen“, erscheint, wobei mit ‚rational‘ präziser ‚zweckrational‘
gemeint ist.173 Und auch heutzutage sehen Soziologen wie Honneth ein noch immer wachsen-
des Ungleichgewicht zugunsten des Systems: Während die Rationalisierung zweckrationalen
Handelns zunächst noch unter der Direktive gesamtgesellschaftlich geltender Normen stattge-
funden habe und somit passiv der Rationalisierung der Lebenswelt gefolgt sei, habe sich dieses
Kräfteverhältnis mit Fortschreiten des technisch-wissenschaftlichen Fortschritts verschoben
und führe dazu, dass sich der Umfang der subsystemisch zu beschreibenden Gesellschaftsbe-
reiche zunehmend ausdehne, während der lebensweltlich bestimmte Geltungsbereich mini-
miert werde, weil immer mehr Handlungen unter das Organisationsprinzip der Zweckrationali-
tät gerieten.174
Vor allem die Bedingungen von Öffentlichkeit verändern sich unter diesem Einfluss admi-
nistrativer Macht erheblich. Als kommunikativ und diskursiv organisiertes legitimatorisches
Fundament jeglicher sozialer Ausdifferenzierung wird sie tendenziell systemisch unterlaufen,
um notwendige Legitimation unter Umgehung diskursiver Erörterungen funktionalistisch zu
gewährleisten. Vormals kommunikative Prozesse werden so in den Steuerungsbereich des

170 Neverla 1998, S. 62


171 Vgl. Prokop 1974; Enzensberger 1974 [1970]
172 Prott 1994, S. 493
173 Weber 1980 [1921], S. 569f. [eckige Klammer im Originaltext]
174 Vgl. Honneth 1989, S. 294f.
274 V Strukturwandel der Öffentlichkeit – Ausdifferenzierung der Massenmedien

Systems hineingeholt – aus einer demokratietheoretisch normativen Sicht, die in den Verstän-
digungsprozessen der Lebenswelt die Basis einer demokratischen Steuerung moderner Gesell-
schaften sieht, wird ein erkennbar problematischer Prozess (1). Davon bleiben auch Massen-
medien und Journalismus nicht unberührt. Journalistisches Handeln findet fast immer auch
unter den beschriebenen Systembedingungen statt, die sich in organisatorischen Maßgaben,
technischen Entwicklungen und Rollenerwartungen zeigen. Dies führt im Binnenverhältnis
von Journalismus und Massenmedien zu einem potenziellen Rationalitätskonflikt, der als
Strukturierung, Mediatisierung oder Kolonialisierung zu fassen ist (2). Dieser Konflikt soll hier
mit Blick auf die verbleibenden Entfaltungsräume eines verständigungsorientierten Journalis-
mus bewertet werden (3).

3.1 Kolonialisierung der Lebenswelt

In modernen Gesellschaften ist zu beobachten, wie gegenüber der Lebenswelt und ihren
Konstituenten Kultur, Gesellschaft und Persönlichkeit weitgehend indifferente Systemzusam-
menhänge materieller Gesellschaftsreproduktion mittels ihrer generalisierten Steuerungsmedien
in die Lebenswelt eindringen. Einfallstore für diese „Mediatisierung“175 bzw. „Kolonialisie-
rung“176 sind die regelhaften Austauschbeziehungen lebensweltlicher Akteure mit den Syste-
men. Zwischen Wirtschaftssystem und Privatsphäre werden Arbeitskraft gegen Arbeitsein-
kommen und Güter oder Dienste gegen Nachfrage getauscht; zwischen Verwaltungssystem
und Öffentlichkeit Steuern gegen Organisationsleistungen und politische Entscheidungen
gegen Massenloyalität.177 Mitglieder der Lebenswelt interagieren hier in unterschiedlichen
Rollenkontexten: Sie treten mit dem Wirtschaftssystem entweder als Arbeitnehmer oder als
Konsumenten und mit dem staatlichen Verwaltungssystem entweder als Klienten oder als
Staatsbürger in Kontakt.178 Sie begeben sich so – insbesondere als Arbeitnehmer und als
Staatsklienten – in eine fremdbestimmte Interaktion mit formal organisierten Handlungsberei-
chen, auf die sie sich in ihren eigenen Handlungen einstellen müssen. Die kognitiv-
instrumentelle Logik der Systeme verdrängt so tendenziell moralisch-praktische Elemente der
Lebensführung. Durch diesen Einfluss fremder Steuerungsmedien wird die kommunikative
Alltagspraxis überformt und einseitig auf Zwecktätigkeit ausgerichtet rationalisiert, während die
Verständigungsorientierung an Wert und vor allem an normierender Kraft verliert.
Diese Veränderungen sind vor allem dann zu beobachten, wenn die Systeme aus ihrer ei-
genen Bestandsrationalität heraus die eigensinnigen Austauschleistungen der Lebenswelt
instrumentalisieren, um ihren eigenen Fortbestand im Dienste der materiellen Reproduktion zu
sichern. Dabei nehmen sie aufgrund ihrer Indifferenz gegenüber der symbolischen Reproduk-
tion keine ‚Rücksicht‘ auf die Integrität lebensweltlich konstitutiver Prozesse, sondern berüh-

175 Habermas 1995 [1981], Bd. 2, S. 277. Hier greifen systemintegrative Mechanismen ‚subjektiv unauffällig‘ durch
die Handlungsorientierungen der Lebensweltteilnehmer hindurch.
176 Ebd., S. 471. Hier ersetzen systemintegrative Mechanismen auch in der Lebenswelt die sozialintegrative Kraft
kommunikativer Handlungsorientierungen. Kolonialisierung hebt nicht das prinzipielle Primat der Lebenswelt
auf, sondern schwächt die Möglichkeiten der Lebenswelt-Handelnden, von der ‚Überlegenheit‘ ihrer kommuni-
kativen Vernunft, im Sinne der beschriebenen umfassenderen Rationalität, Gebrauch zu machen.
177 Vgl. auch Cohen/Arato 1994, S. 431. Sie weisen darauf hin, dass ein solches Gesellschaftsverständnis die
klassische Unterscheidung des dualistischen Gesellschaftsbildes sprengt: Die Trennlinie zwischen öffentlich
und privat verläuft nicht mehr horizontal zwischen Staat und Gesellschaft, wie in den dualistischen Modellen
der liberalen Theorie, sondern vertikal.
178 Vgl. Habermas 1995 [1981], Bd. 2, S. 472ff.
3 Ausdehnung systemischer Zweckrationalität 275

ren die Grundlagen sozialisatorischer, solidarischer und kultureller Vergesellschaftungsmecha-


nismen.179 Die systemisch gesteuerten Sozialbereiche lösen sich nicht nur zunehmend von
ihrer legitimatorischen Verankerung in lebensweltlichen Übereinkünften, sondern expandieren
förmlich in ihre eigenen lebensweltlichen Legitimationsgrundlagen hinein. Die verflüssigten
Fundamente lebensweltlich-kommunikativer Vergesellschaftung, kultureller Reproduktion und
Sozialisation werden durch den Einfluss der bis in die Kernbereiche der Lebenswelt durch-
dringenden zweckgebundenen Systemrationalität zunehmend ausgetrocknet. Dieser Prozess
einer ‚Kolonialisierung‘, in dem die Lebenswelt unter eine ihr fremde Steuerungslogik fällt, hat
Folgen für die sinnhafte Integration moderner Gesellschaften, die Habermas als „pathologi-
sche Nebeneffekte“ kennzeichnet.180
Diese Konstellation befördert Legitimations- und Motivationsprobleme in Gesellschaften,
in denen systemische (meist ökonomische) Krisen in die Lebenswelt zurückverlagert werden.181
Die zweckrationale Vernunft dehnt ihren Geltungsbereich so weit aus, dass durch die Unter-
ordnung weiterer Sektoren des gesellschaftlichen Lebens unter administrative Planungsproze-
duren oder ökonomische Marktmechanismen nicht-intendierte Nebenfolgen auftreten, die den
fraglosen Charakter einstmals selbstverständlicher Geltungsansprüche aushöhlen und damit
den Bereich der kulturellen Überlieferung und der sozialen Integration bedrohen.182 Auf
gesellschaftlicher Ebene entsteht dadurch eine deformierte Sphäre politischer Öffentlichkeit,
die durch das politische System weitgehend funktional zur Beschaffung von Legitimation für
seine Operationen hergestellt werden muss, um Themen hervorzuheben, andere Probleme
oder Argumente zu verdecken und dadurch der Meinungsbildung zu entziehen; das gilt in
zunehmendem Maße auch für das Wirtschaftssystem und seine expandierenden Bemühungen
um Public Relations, die angesichts ihrer persuasiven und perlokutionären Ausrichtung als
Ausdruck einer Einengung kommunikativer Möglichkeit in Öffentlichkeit – und damit als
Herausforderung für einen kommunikativen Journalismus – verstanden werden können.183
Die expansiven Tendenzen systemischer Steuerungsmechanismen werden begünstigt durch
die Rationalisierungsprozesse innerhalb lebensweltlicher Bereiche, die Ausdifferenzierung
überhaupt erst ermöglicht haben. Die substantielle Vernunft vormoderner Mythen und Welt-
bilder tritt auseinander in lediglich formal zusammengehaltene Bereiche von Erkenntnis-,
Gerechtigkeits- und Geschmacksfragen, zu denen sich analog die Expertenkulturen von
Wissenschaft, Moral und Kunst ausbilden, die lediglich den ihnen zufallenden Geltungsan-

179 Vgl. ebd., S. 477


180 Habermas 1995 [1981], Bd. 2, S. 476f.
181 Schon in seinen Betrachtungen zum Spätkapitalismus geht Habermas davon aus, „[…] daß der Grundwider-
spruch der kapitalistischen Ordnung nach wie vor die private Aneignung des gesellschaftlichen Reichtums ist;
im Rahmen des Diskursmodells formuliert: der Grundwiderspruch ist die Unterdrückung verallgemeinerbarer
Interessen durch ihre Behandlung als partikulare. Politische Entscheidungen, die das bestehende Organisa-
tionsprinzip der Gesellschaft spiegeln, lassen deshalb ispo facto keinen vernünftigen Konsensus zu. Sie können
folglich nicht in einer allgemeinen und uneingeschränkten Diskussion dessen gerechtfertigt werden, was im
Lichte gegenwärtiger und möglicher Umstände im besten Interesse aller Betroffenen liegt. Deshalb hängt die
Stabilität der kapitalistischen Gesellschaftsformation von der ungebrochenen Wirksamkeit von Legitimationen
ab, die einer diskursiven Überprüfung nicht standhalten würden. Das Problem besteht, kurz gesagt darin, den
gesellschaftlich erzeugten Reichtum ungerecht und dennoch legitim zu verteilen.“ (McCarthy 1989, S. 407) Die
zentralen Gesellschaftsprobleme betrachtet Habermas aus dieser Perspektive heraus als soziokulturelle Proble-
me, die aus den in die Lebenswelt verschobenen Folgen systemischer Steuerungsprobleme resultieren (vgl. Ha-
bermas 1973a, S. 66ff.).
182 Vgl. McCarthy 1989, S. 420
183 Vgl. für eine aktuelle Kritik Leif 2005.
276 V Strukturwandel der Öffentlichkeit – Ausdifferenzierung der Massenmedien

spruch bearbeiten.184 Der dialektische Prozess eines Vernunftgewinns bei gleichzeitig tenden-
ziellem Verlust der Ganzheitlichkeit des Vernunftgebrauchs geht damit einher, dass die In-
dienstnahme der versprengten Ergebnisse der einzelnen Expertenkulturen für die kulturelle
Alltagspraxis erschwert wird. Dem einzelnen Lebenswelt-Akteur ist der Zugriff auf die Leis-
tungen von Wissenschaft, Moral und Kunst nicht zuletzt deshalb kaum mehr direkt möglich,
weil seine weiterhin teilweise von einer naturwüchsigen Tradition bestimmte Alltagswelt und
die zunehmend elitistischen Expertenkulturen weiter auseinander treten. Die Folge ist das
„fragmentierte Bewusstsein, das der Aufklärung über den Mechanismus der Verdinglichung
vorbeugt“185: Die Lebenswelt verarmt auch aus sich selbst heraus zunehmend und verliert
nicht nur durch das wachsende Abhängigkeitsverhältnis zu den Systemen, sondern auch in
ihrem innersten Kern die Kraft zur sozialen Integration von Gesellschaft. Kommunikatives
Handeln wird, wenn auch nicht normativ, so doch faktisch geschwächt.
Diese wechselseitige Verschränkung von eigener Schwäche der Lebenswelt und expansiver
Kraft der Systeme verweist darauf, dass das Verhältnis des Primats der Lebenswelt zur Koloni-
alisierung der Lebenswelt durch systemische Zusammenhänge nicht hinreichend bestimmt –
oder bestimmbar – ist186: Ordnete Habermas die Systeme von vornherein eindeutig einem
Primat der Lebenswelt unter, dann würden diese lediglich zweckrationale Derivate kommuni-
kativer Vernunft bleiben und keinen eigenständigen Steuerungszusammenhang konstituieren.
Aus der Perspektive einer weitgehend lebensweltabhängigen Systemausdifferenzierung heraus
wäre Habermas nicht mehr in der Lage, wie Dietz anmerkt, die Verdinglichungsprozesse zu
beschreiben, die er in seiner Gesellschaftsanalyse im Blick hat.187 Umgekehrt aber ist die These
einer Kolonialisierung der Lebenswelt durch ein System nicht ohne weiteres mit der beschrie-
benen Prämisse vom genuinen Primat der Lebenswelt in Einklang zu bringen.
Einen Ausweg aus diesem theoretischen Dilemma bietet die Unterscheidung zwischen ei-
ner generellen, abstrakten Theorieperspektive und einer konkreteren, empirisch orientierten,
gesellschaftsanalytischen Vorgehensweise: Auf ihrer Basis kann die heuristische Differenzie-
rung zwischen Entkoppelung und Kolonialisierung beibehalten werden. Während die Entkop-
pelung sich im Zuge gesellschaftlicher Ausdifferenzierungsprozesse zur Steigerung der Steue-
rungsfähigkeit komplexer Sozialsysteme beinahe zwangsläufig vollzieht, stellt die Kolonialisie-
rung einen empirisch zu beobachtenden Unterfall dar, der zeitlich an die Gegenwartsanalyse
gebunden ist, und nicht in gleichem Maße universellen Charakter beanspruchen kann. Diese
Differenzierung bildet eine der zentralen Modifikationen gegenüber der traditionellen Kriti-
schen Theorie: Es wird nicht mehr davon ausgegangen, dass jeder Ausdifferenzierungsprozess
zwangsläufig negative ‚verdinglichende‘ Folgen nach sich zieht, sondern dass dafür spezifische
weitere Bedingungen erfüllt sein müssen.188
Für eine zunächst provisorische Klärung des Verhältnisses der beiden System-Lebenswelt-
Beziehungen muss die Kolonialisierungsthese – ähnlich wie bereits der konkretistische Sys-
tembegriff – also als Beschreibung eines historisch-empirischen Vorgangs gekennzeichnet
werden, der kommunikative Rationalität zwar bedrohen, nicht aber ausschalten kann – auch
wenn Habermas seine resümierenden empirischen Aussagen in pessimistische Melancholie
kleidet und ein düsteres Zukunftsbild zeichnet:

184 Vgl. Habermas 1995 [1981], Bd. 2, S. 481ff.


185 Ebd., S. 522
186 Vgl. dazu Dietz 1993, S. 153
187 Vgl. ebd., S. 18
188 Vgl. Dubiel 2001, S. 101f.
3 Ausdehnung systemischer Zweckrationalität 277

„Die Lebenswelt wird an verrechtlichte, formal organisierte Handlungsbereiche assimiliert und gleichzeitig
vom Zufluß einer ungebrochenen kulturellen Überlieferung abgeschnitten. So verbinden sich in den Defor-
mationen der Alltagspraxis die Erstarrungs- mit den Verödungssymptomen. Das eine Moment, die einseitige
Rationalisierung, geht auf die Verselbständigung von mediengesteuerten Subsystemen zurück, die sich nicht
nur jenseits des Horizonts der Lebenswelt zu einer normfreien Realität versachlichen, sondern mit ihren Im-
perativen in die Kernbereiche der Lebenswelt eindringen. Das andere Moment, das Absterben vitaler Überlie-
ferungen, geht auf eine Ausdifferenzierung von Wissenschaft, Moral und Kunst zurück, die nicht nur das
Autonomwerden von spezifistisch bearbeiteten Sektoren bedeutet, sondern auch die Abspaltung von den un-
glaubwürdig gewordenen Traditionen, die sich auf dem Boden der Alltagshermeneutik in entmächtigter Na-
turwüchsigkeit fortbilden.“189

Dieses Fazit erscheint angesichts der skizzierten theoretischen Grundannahmen als zu stark
zugespitzt, und deswegen warnt Habermas auch grundsätzlich vor einer kulturkritischen und
kulturpessimistischen Perspektive, die sowohl die Systemausdifferenzierung als auch die
funktionale Spezialisierung der kulturellen Reproduktion in der Lebenswelt an sich als Ursachen
der Bestandsgefährdung der Lebenswelt identifiziert. Nicht die Tatsache, dass Bereiche der
materiellen Reproduktion systemisch integriert sind, gefährdet die Lebenswelt, sondern dass
diese Bereiche zunehmend in die Kerne der Lebenswelt vordringen. Ebenso lassen nicht die
Expertenkulturen aufgrund ihrer bloßen Existenz die Lebenswelt kulturell verarmen, sondern
es sind ihr elitistischer Anspruch, ihre esoterische Ferne von der naturwüchsigen Traditionali-
tät der Alltagskultur, die für das zunehmende Auseinandertreten von Moral, Wissenschaft und
Kunst auf der einen und individueller Alltagserfahrung des Einzelnen auf der anderen Seite
sorgen – eine Tendenz, die eingangs auch mit Blick auf die Praxisferne der Journalistik festge-
stellt wurde.
Erst das Zusammenspiel von Verdinglichung durch Systemeingriffe und fragmentiertem
Bewusstsein innerhalb der Lebenswelt lässt die Kolonialisierung der Lebenswelt zu: Die
Systemimperative können die Assimilation kommunikativer Prozesse an ihre eigene zweck-
rationale Logik nur deshalb erreichen, weil das eigene fragmentierte Bewusstsein es den Mit-
gliedern der Lebenswelt nicht ermöglicht, diesen Einbruch einer fremden Logik in für Gesell-
schaft konstitutive Bereiche auch tatsächlich (als eine Gefährdung) zu erkennen.
Für die Produkte eines eigensinnigen und lebensweltlich verhafteten Journalismus wird es
schwieriger, in einer zunehmend kolonialisierten Öffentlichkeit gehört zu werden. Dabei
gehört gerade ein diskursiver Journalismus zu eben jenen lebensweltlichen Widerstandsreser-
ven, die eine vollständige Umstellung von Öffentlichkeit auf Systemrationalität verhindern
können. Der kolonialisierende Eingriff stößt nämlich zwangsläufig an die eigensinnigen Gren-
zen der symbolischen Reproduktion, auf deren Erfüllung die Strukturen der Lebenswelt
beharren. Die Erzeugung von Sinn ist durch zweckrationale Eingriffe nicht zu leisten. Auch
deshalb müssen sich Public Relations und Propaganda der Logik kommunikativen Handelns
zumindest dem Schein nach bedienen. Sie unterlaufen dadurch zwar perlokutionär deren
grundlegende Rationalität, erkennen aber zugleich deren kontrafaktische Gültigkeit mit dieser
strategischen Indienstnahme an. Sobald durchschaubar wird, dass die entsprechenden Bemü-
hungen aus systemischen Kontexten heraus der gezielten Beschaffung von Legitimation gelten,
sind sie weitgehend erfolglos und aus systemischer Sicht bisweilen sogar dysfunktional.190 Die
Kolonialisierung lebensweltlicher Strukturen ist nicht zur Gänze möglich, sie stößt auf Wider-
stand. Dieses Widerstandspotenzial ist lebensweltlich in kommunikative Institutionen wie
Journalismus eingelassen.

189 Habermas 1995 [1981], Bd. 2, S. 483


190 Vgl. Habermas 1973a, S. 99
278 V Strukturwandel der Öffentlichkeit – Ausdifferenzierung der Massenmedien

Allerdings erschwert das Habermassche Modell die Darstellung dieser ‚Institutionen des
Widerstands‘. Obwohl es in der theoretischen Modellierung der Lebenswelt selbst von deren
symbolischer Integration durch Institutionen ausgeht191, tendiert es in der Kolonialisierungsana-
lyse bisweilen dazu, lebensweltliche Institutionalisierungsprozesse gleichsam ausschließlich als
ein Einfallstor systemischer Logik in die Lebenswelt zu beschreiben, weil sie sich in ihren
Strukturierungsleistungen dem systemischen Vergesellschaftungsmodus immer mehr anglei-
chen und in den Systembereich abwandern. Ihre Internalisierungswirkungen scheinen dann
zunehmend den Spielraum der gestalterischen Externalisierung des Handelns zu dominieren.
Der politischen oder sozialen Institutionenanalyse bleibt im Anschluss daran meist nur noch
die Möglichkeit, jede rechtsförmige Institutionalisierung als einen kolonialisierenden Akt
gegenüber der Lebenswelt zu beschreiben.
Rehberg kritisiert, dass dadurch der Eindruck entstehe, dass Habermas die Lebenswelt ten-
denziell als vor- bzw. außerinstitutionell verstehe und ihr damit einseitig die Zwanglosigkeit
kommunikativer Interaktion zuschreibe, während dem (institutionellen) System hingegen
Entfremdung und Verdinglichung unterstellt würden. Der Institutionenbegriff werde so auf
ein weitgehend konservatives Verständnis der Repression eingeengt.192 Die theoretischen
Annahmen der ‚Theorie kommunikativen Handelns‘ würden so letztlich in der empirischen
Analyse unnötig konterkariert, indem die Dimension institutionellen Zwangs überakzentuiert
und ihre kommunikative Ausgestaltung zu wenig beachtet werde. McCarthy betont sehr
deutlich, dass im Rahmen des zweistufigen Gesellschaftsmodells gerade lebensweltliche Instituti-
onen Träger des Widerstandes gegen systemische Kolonialisierung sind; er hat dabei insbeson-
dere die Institutionen im Blick, „[…] die eine wirksam funktionierende Öffentlichkeit sicher-
stellen, in der praktische Fragen des allgemeinen Interesses der öffentlichen Diskussion unter-
zogen und auf der Grundlage diskursiv erzielten Einverständnisses entschieden werden kön-
nen“.193 Dazu zählt auch ein diskursiv verstandener und gehandhabter Journalismus.

3.2 Journalistisches Handeln unter Systembedingungen

Überträgt man die theoretischen Prämissen des zweistufigen Gesellschaftsmodells auf journa-
listisches Handelns im Systemzusammenhang, ergeben sich differenzierte Interpretationsmög-
lichkeiten: Die organisatorischen Imperative, denen journalistisches Handeln ausgesetzt ist,
können
• lebensweltlichen Institutionalisierungen im Sinne einer Strukturierung,
• rationalitätssteigernden systemischen Ausdifferenzierungen von Bereichen materieller Reproduktion
im Sinne einer Mediatisierung (u.U. mit subjektiv unauffälligen Folgen für lebensweltliche
Handlungsmuster, die sich daran orientieren) oder
• dysfunktionalen Übergriffen systemischer Logik auf Lebenswelt im Sinne einer Kolonialisierung
geschuldet sein. Vor diesem differenzierten Hintergrund können Rationalitätskonflikte unter-
sucht werden, die in der Gegenüberstellung von Zweckrationalität (System) und kommunikati-
ver Rationalität (Lebenswelt) begründet sind. Damit wird ein Maßstab zur Unterscheidung

191 Vgl. Habermas 1973a, S. 14: „Von sozialer Integration sprechen wir im Hinblick auf Institutionensysteme, in denen
sprechende und handelnde Subjekte vergesellschaftet sind; Gesellschaftssysteme erscheinen hier unter dem As-
pekt einer Lebenswelt, die symbolisch strukturiert ist.“
192 Vgl. Rehberg 1994, S. 64
193 McCarthy 1989, S. 546
3 Ausdehnung systemischer Zweckrationalität 279

zwischen einer sinnvollen und notwendigen Ausdifferenzierung systemischer Bereiche und


ihrem (pathologischen) Übergreifen auf lebensweltliche Zusammenhänge, die ohne Sinnverlust
nur kommunikativ integrier- und steuerbar sind, gewonnen.
Das entlang dieser unterschiedlichen Ausdifferenzierungen sich ergebende Verhältnis von
systemischen Medienimperativen und kommunikativem Journalismus soll im Folgenden in
Hinblick auf den von Neverla konstatierten Strukturwandel von Betrieb, Technik und Beruf unter-
sucht werden194, der nicht ohne Auswirkungen auf die Handlungsmöglichkeiten journalisti-
scher Akteure bleiben kann. Im Kern geht es um drei unterschiedliche Transformationsprozes-
se: die Bildung und Veränderung redaktioneller Strukturen (1), die zunehmende Induktion
technischer Rationalität in den Redaktionsalltag (2) und die Herausbildung einer eigenständigen
journalistischen Berufsrolle (3). Außerdem soll ein Blick auf die ambivalenten Potenziale der
Reorganisation von Redaktionen für eine Wiederbelebung der Chancen eines kommunikativen
journalistischen Handelns geworfen werden (4).

3.2.1 Ausdifferenzierung von Redaktionen

Journalistische Leistungen werden heutzutage in den seltensten Fällen von allein handelnden
Individuen erbracht, sondern sind in der Regel das Ergebnis ‚organisierter Kommunikation‘
journalistischer Redaktionen.195 Zu diesem Phänomen des ‚organisatorischen Journalismus‘196
liegen ausführliche Studien vor, die sich mit der Etablierung von Redaktionen und der weiteren
organisatorischen Ausdifferenzierung des Journalismus beschäftigen.197 Als Kennzeichen
derartiger Prozesse werden schon früh „die arbeitsteilige Differenzierung, die Ressortbildung,
die thematische Spezialisierung und die Auslagerung der Nachrichtenproduktion“ genannt.198
Auf der Makroebene kann vor allem die Ressortbildung als die ‚Spiegelung‘ einer bestimmten
Differenzierung von Welt durch das Medium analysiert werden, während auf der Mikroebene
die konkreten Strukturen der Arbeitsteilung und -organisation in der Redaktion untersucht
werden. Ressortbildung ist damit sowohl ein Modus der Generierung von so genannter ‚Me-
dienrealität‘199, als auch ein Modell medialer Betriebe, das beschreibt „[…] welche Rahmenbe-
dingungen durch die Organisation gesetzt werden“200 und wie Mitgliedsrollen geregelt sind.
In der Redaktionsforschung haben sich vorwiegend empirisch-deskriptive bzw. empirisch-
analytische Ansätze durchgesetzt, die auf abstrakten und komplexen (oft systemtheoretischen)
Erörterungen beruhen.201 Sie sehen in der Redaktion die charakteristische Organisationsform

194 Vgl. Neverla 1998, S. 61


195 Vgl. Altmeppen/Donges/Engels 1999, S. 26f.
196 Vgl. Rühl 1989
197 Vgl. Meier 2002a; Altmeppen 1999; Schütt 1981; Rühl 1980; 1979
198 Schütt 1981, S. 163
199 Vgl. Meier 2002a, S. 79f. Die Ressortstruktur hat weitreichende, v.a. auch gesellschaftspolitische Konsequen-
zen, die erkennbar bis in die Reproduktion lebensweltlicher Strukturen hineingreifen, indem durch die Ressorts
und ihre Berichterstattung gesellschaftliche Wahrnehmungsprozesse strukturiert werden (vgl. ebd., S. 424).
200 Altmeppen/Donges/Engels 1999, S. 26f.
201 Laut Weischenberg (1992a, S. 289) lassen sich die Sichtweisen auf die Redaktionsbildung nach verschiedenen
Forschungsansätzen differenzieren:
• Die normative Publizistikwisssenschaft sieht Redaktion als ‚geistiges Zentrum‘ des Medienbetriebs;
• die materialistische Medientheorie bewertet die Redaktion als ‚Produktionsbetrieb von Nachrichten‘;
• Organisationssoziologie, Systemtheorie und Kybernetik konstruieren die Redaktion als ‚organisiertes so-
ziales System‘.
280 V Strukturwandel der Öffentlichkeit – Ausdifferenzierung der Massenmedien

des Journalismus, die sie als ein „soziales System“ interpretieren, welches sich „durch eine
spezifische Binnenstruktur und durch Austauschbeziehungen zur Umwelt“ auszeichnet.202
Systemkonzeptionen thematisieren in der Regel nicht die Genese der Redaktion, sondern
nehmen sie als Faktum der Gegenwart hin.203 Die für die vorliegende Analyse zentrale Frage ist
allerdings die nach der Orientierung des redaktionellen Programms: Je nachdem, ob seine
Imperative primär journalistisch oder aber ökonomisch-kommerziell bestimmt sind, ergeben
sich Konsequenzen für die Handlungsspielräume journalistischer Akteure. Die systemischen
bzw. institutionellen ‚constraints‘ sind entsprechend unterschiedlich zu bewerten. Drei Inter-
pretationsstränge sind parallel zu den theoretischen Überlegungen – Strukturierung, Mediatisie-
rung oder Kolonialisierung – konzipierbar:
(1) Die Redaktion stellt eine lebensweltlich fundierte Institution dar, die journalistisches Handeln durch
Strukturierung ermöglicht.
Der in Redaktionen verfasste organisatorische Journalismus kann als die Etablierung von
organisatorischen und institutionellen Strukturen betrachtet werden, welche die Erbringung
journalistischer Leistungen in modernen Gesellschaften gewährleisten sollen. Er wäre dann ein
Kommunikation ermöglichender struktureller Rahmen innerhalb lebensweltlicher Logik.
Besonders aus historisch orientierten Arbeiten lassen sich Aufschlüsse über Prozesse der
journalistischen Ausdifferenzierung von Redaktionen ziehen. Die Gründung von Redaktionen,
für manche Autoren zugleich der Beginn des modernen Journalismus, fällt zusammen mit der
im 19. Jahrhundert aufkommenden Notwendigkeit, aus einem Stoffangebot auszuwählen, das
die Vermittlungskapazitäten des Mediums übersteigt. Erst dann wird es notwendig, Entschei-
dungsprogramme zu etablieren, mit denen die komplexer gewordene Umwelt bearbeitet
werden kann.204 Durch die Einrichtung von thematischen Sparten und von daran angelehnten
organisatorischen Ressorts werden Routineprogramme etabliert, nach denen die komplexe
Welt in bearbeitbare Sinnzusammenhänge zerlegt wird und durch die Journalisten zugleich von
Kommunikationsrisiken entlastet werden.205
Der Gliederung bislang ungegliederter Zeitungen folgt im Laufe des 19. Jahrhunderts die
Bildung entsprechender redaktioneller Strukturen – auch dies ist zunächst zu betrachten als
eine Möglichkeit, die Leistungsfähigkeit journalistischen Handelns durch Etablierung von
veränderbaren, lebensweltlich verankerten Strukturen zu erhöhen. Passend zu den Sparten
wurden Fachleute mit entsprechenden Vorkenntnissen in die Redaktionen hineingeholt, die
ihre Themenbereiche kompetent bedienen sollten.206 In diesem Prozess bildeten sich die
klassischen Ressorts Politik, Wirtschaft, Kultur und Sport sowie Lokales heraus, die aber schon
bald vielfältig ergänzt bzw. durchbrochen worden sind, um gesellschaftlichen Veränderungen

Während die normative Publizistikwissenschaft heute kaum mehr eine Rolle spielt, offerieren die ebenfalls
umstrittenen Ansätze kritischer (oder materialistischer) Forschung nach wie vor wichtige Aufschlüsse über die
Verfasstheit moderner Medienproduktion und damit journalistischen Handelns. Darauf weisen z.B. Scholl
1997a, S. 130f. und Weischenberg 1992a, S. 293 ausdrücklich hin.
202 Blöbaum 1994, S. 51; vgl. Weischenberg 1992a, S. 294
203 Derartige historische Fragen stünden nicht im Zentrum einer funktional-strukturellen Systemauffassung,
kritisiert Hienzsch (1990, S. 70).
204 Vgl. Blöbaum 1994, S. 136; Meier 2002a, S. 119
205 Vgl. Blöbaum 1994, S. 205. Diese ‚Verspartung‘ des Zeitungsinhalts lässt sich im 18. Jahrhundert zunächst in
Form des Gelehrten Artikels und des Feuilletons feststellen. Im 19. Jahrhundert setzte sich dann zunehmend
die thematische Bündelung auch in Bezug auf andere Felder wie Wirtschaft durch. Erst als die Stofffülle es her-
gab, konnte die Zeitung durchgängig in Sparten unterteilt werden (vgl. Meier 2002a, S. 112ff.).
206 Allerdings waren die Sparten und sich bildenden Ressorts in ihrer Präsenz noch nicht so etabliert wie heutzuta-
ge, sondern schwankten in Form, Umfang und Inhalt manchmal gar täglich in ganz erheblichen Ausmaß (vgl.
Meier 2002a, S. 134).
3 Ausdehnung systemischer Zweckrationalität 281

gerecht zu werden – entweder indem die fünf Hauptressorts sich intern differenzierten, indem
weitere Ressorts gegründet oder indem neue Organisationsmodelle quer zu den klassischen
Ressorts eingeführt wurden.207 Einmal etabliert, verselbstständigen sich die Redaktionen und
differenzieren sich in den Dimensionen Organisationen, Rollen und Programme weiter aus –
sowohl hinsichtlich ihrer Größe als auch hinsichtlich ihrer Binnendifferenzierung.208 Auch die
Bildung externer Nachrichtenagenturen als einer vorgeschalteten Selektionsinstanz ist als
Bestandteil der Differenzierung zu betrachten.209
(2) Die Redaktion ist eine notwendige, effizienzsteigernde Ausdifferenzierung derjenigen Bereiche journalisti-
scher Prozesse, die materieller Reproduktion dienen.
Es kann davon ausgegangen werden, dass Redaktionen nur höchst selten ausschließlich ‚Er-
leichterungen‘ journalistischer Tätigkeiten durch Kooperation sind, sondern zumindest auch,
wenn nicht vorwiegend, ein Mittel ökonomischer Effizienzsteigerung, mit dem die materiellen
Ressourcen des Journalismus, auch zu seinem eigenen Vorteil, gewinnträchtiger gewährleistet
werden können. Die Notwendigkeit der Zusammenarbeit mehrerer Journalisten bei der
Produktion journalistischer Leistungen ist dann eine Folge der systemischen Programmierung
ökonomisch ausgerichteter Medienunternehmungen. Beide Logiken existieren in dieser Sicht-
weise in den Redaktionen parallel zueinander und strukturieren spezifische Bereiche. Wei-
schenberg unterscheidet entsprechend zwei Schritte im Arbeitsprozess der Redaktion: Wäh-
rend bei der Recherche, bei Nachrichtenbeschaffung und Vorauswahl, inhaltliche Gesichts-
punkte des ‚Veröffentlichungswertes‘ im Mittelpunkt stehen, entscheidet sich die Veröffentli-
chung und Aufbereitung nach organisatorischen, technischen und ökonomischen Faktoren,
nach „Prinzipien der Präsentation“.210 Folgt man dieser Differenzierung, dann kann die Selek-
tionslogik der Medien – zumindest in Teilen – noch als journalistisch fundiert betrachtet
werden, während die Präsentationslogik der Medien weitgehend kommerziellen und techni-
schen Imperativen unterlegen ist.
In ihrer reinsten Form wird die These der rationalitätssteigernden Ausdifferenzierung in
Systemkonzeptionen vertreten, die Rühls Pionierstudie der empirischen Redaktionsforschung
von 1969 nachfolgen.211 Rühl betrachtet die Redaktion als soziales, umweltorientiertes System,
das aus Bündeln von Erwartungen und Erwartungserwartungen sowie daran anschließenden
Handlungen besteht. Die Redaktion steht unter dem Druck, auf nicht überschaubare und nicht
vorhersehbare Vorgänge in ihrer Umwelt so zu reagieren, dass sie ihrer Bestimmung gerecht
wird und zu fixen Zeitpunkten eine fixe Menge reproduzierbarer Aussagen selektiert, verarbei-
tet und zur Vervielfältigung bereit stellt.212 Handelnde Personen geraten aus dieser Analyseper-
spektive nicht in den Blick, sondern ausschließlich Rollenträger. Die Redaktionsforschung wird
damit zu einem demonstrativen Abschied vom normativen Individualismus der klassischen
Journalismusforschung:

207 Vgl. Meier 2002a, S. 135. Die ursprüngliche spartenspezifische Binnendifferenzierung der Redaktionen ist
input-orientiert bestimmt worden von ausdifferenzierten Teilsystemen wie Politik, Wirtschaft, Sport oder Kul-
tur. Von den späteren Ressortneugründungen können nur noch Wissenschaft und Medien als vergleichbar an-
gesehen werden, während die Mehrzahl der hinzugekommenen Ressorts output-orientiert ist und auf die geziel-
te Ansprache von Zielgruppen setzt, ohne sich dabei der Beobachtung eines spezifischen Teilsystems zu wid-
men. Beispiele für derartige auf Ratgeber- und Unterhaltungsfunktion gerichtete Ressorts sind laut Meier: Reise,
Auto, Mode, Service etc. (vgl. ebd., S. 141ff.).
208 Vgl. Blöbaum 1994, S. 181
209 Vgl. Weischenberg 1992a, S. 316; Blöbaum 1994, S. 219
210 Weischenberg 1992a, S. 322
211 Im vorliegenden Text wird die erweiterte zweite Auflage der Studie Rühls, die 1979 erschienen ist, zitiert.
212 Vgl. Rühl 1979, S. 67
282 V Strukturwandel der Öffentlichkeit – Ausdifferenzierung der Massenmedien

„Als Handlungssystem ‚besteht‘ die Zeitungsredaktion grundsätzlich aus Handlungen und nicht aus Men-
schen schlechthin. Menschliche Handlungen werden durch Rollen in das Sozialsystem Zeitungsredaktion ein-
bezogen. Aber nicht alle Handlungen, derer Menschen fähig sind, werden Redaktionsbestand. Vor allem als
Personen bleiben Menschen eigenständige, relativ autonome Handlungssysteme, die neben ihren Bindungen
und Verbindungen zur Zeitungsredaktion noch in eine Vielzahl sehr unterschiedlicher Handlungssysteme
(Familie, Verein, Kirche, Partei usf.) über Rollen eingebunden sind. Durch verschiedene sinnvolle Hand-
lungszusammenhänge können sie Mitglieder einer Zeitungsredaktion werden; als Person, genauer: als (psychi-
sches) Personalsystem stellen sie für die Zeitungsredaktion eines der vielen Systeme ihrer Umwelt dar, mit ei-
gener Struktur, eigenen Interessen, Orientierungen, usf.“213

Kern dieser Prozesse ist ein zweckorientiertes und konditionales Entscheidungsprogramm, mit
dem die systeminternen Operationen gesteuert werden.214 Das redaktionelle Entscheidungs-
handeln lässt sich nach Rühl zumindest analytisch in die Phasen der ‚Kollektion‘, ‚Selektion‘
und ‚Kondensation‘ unterteilen, in denen Redaktionen mit unvollständigen und ungewissen
Informationen umgehen.215 Redaktioneller Journalismus schafft demnach keine neuen sinnhaf-
ten Inhalte und transportiert auch keine Informationen, sondern erschließt und transformiert
die Informationsangebote sozialer Systeme gemäß regelhafter Routinen und etablierter Ent-
scheidungsprogramme – mit dem Ziel, (durch Reduktion von Komplexität) die Zusammen-
hänge herzustellen, die im Vollzug gesellschaftlicher Differenzierung verloren gegangen sind.216
Dieses Redaktionsverständnis nähert sich kybernetischen Vorstellungen, denen zufolge die
Redaktion eine unpersönliche „Meß- und Regelinstanz innerhalb eines Fließgleichgewichts
[ist], die permanente Austauschbeziehungen zur Umwelt unterhält“.217
(3) Die Redaktion fungiert als Einfallstor für eine (ökonomische) Kolonialisierung des Journalismus, indem
systemische Imperative den kommunikativen Prozess des Journalismus verdrängen.
Eine dritte Interpretation legt nahe, den organisatorischen Journalismus als das Ergebnis eines
Prozesses zu sehen, in dessen Vollzug sich sukzessive eine (ökonomisch) zweckrationale
Effizienz- und Organisationslogik gegen die kommunikative Rationalität journalistischen
Handelns durchgesetzt hat und immer noch mit ihr im Widerstreit steht.218 Für die These, dass
redaktionelle Abläufe weitgehend den Gesetzen von Ökonomie und Technik unterstehen,
lassen sich Belege in der Analyse ihrer Konstitutionsbedingungen219 oder auch der Dynamik
ihrer Strukturen220 auffinden.
In der Redaktionsforschung ist von Weischenberg bereits vor geraumer Zeit apodiktisch
festgestellt worden, dass sich das industrielle Prinzip der ‚Taylorisierung‘ zunehmend auch im
Journalismus durchsetzt, indem der Arbeitsprozess in bestimmte objektivierte Tätigkeiten

213 Ebd., S. 70f.


214 Vgl. ebd., S. 78
215 Vgl. ebd., S. 273f.
216 Vgl. Hienzsch 1990, S. 58; Weischenberg 1992a, S. 296
217 Hienzsch 1990, S. 70
218 Dass Konzepte für das Management und die Organisation von Redaktionen nicht ohne Schwierigkeiten aus der
betriebswirtschaftlichen Managementlehre abgeleitet werden können, weil redaktionelles Arbeiten sich wesent-
lich von dem in ‚normalen‘ Unternehmen unterscheidet, hat Weischenberg (1992a, S. 303) besonders betont:
• „Die Produktion kann nicht komplett arbeitsteilig und nach festen Routinen erledigt werden;
• die Einzelentscheidungen können nicht zeitlich präzise aufeinander abgestimmt werden;
• die Redaktion muss sich ständig an wechselnde Umweltsituationen und Umwelterwartungen anpassen;
und
• viele Entscheidungen müssen trotz Ungewissheit und Risiko getroffen werden.“
219 So richtet sich zum Beispiel die redaktionelle Personalstärke vorwiegend nach der Konkurrenzsituation auf dem
Markt und weniger nach den Gegebenheiten des Berichterstattungsgegenstandes (vgl. Hienzsch 1990, S. 79).
220 Redaktionelle Innovationen oder Veränderungen der Strukturen folgen in der Regel Managemententscheidun-
gen (vgl. Meier 2002a, S. 99).
3 Ausdehnung systemischer Zweckrationalität 283

zergliedert wird, deren angemessene Erfüllung von austauschbaren Arbeitskräften auf der Basis
betrieblicher Anlernprozesse gewährleistet wird. Dies geschieht durch „die Programmierung
redaktioneller Arbeitsanforderungen, die Quantifizierung von Arbeitsleistungen, den Verzicht
auf systematische Ausbildung und auf Kreativität und im Extrem die Zerlegung der redaktio-
nellen Produktion in automatisierbare Teilbereiche“ und mündet in der weitgehenden Aus-
tausch- und Steuerbarkeit der Rollenträger.221 Hienzsch spricht in diesem Zusammenhang von
einer ‚Kybernetisierung‘ der Redaktionsarbeit, durch die Journalismus zu einer „Restgröße“ im
medialen Prozess schrumpfe.222 Diesen Analysen zufolge geht das Potenzial, journalistische
Leistungen zu produzieren, in redaktionellen Strukturen zunehmend verloren.223
Die Einflüsse zweckrationaler Effizienzlogik schlagen sich aus dieser Sicht insbesondere
dadurch nieder, dass Organisationsabläufe im Hinblick auf unternehmerische Gewinnabsichten
optimiert werden. Insbesondere aus der Sicht einer polit-ökonomischen Analyse der Journa-
lismusgeschichte ist die Entstehung von Redaktionen nicht nur eine Entwicklung kooperativer
Kommunikationsstrukturen, sondern „augenscheinlichstes Resultat der formellen Subsumtion“
des Journalismus unter das verlegerische Kapital224 – oder in anderen Worten: der Kolonialisie-
rung der Kommunikativität journalistischen Handelns durch mediale Systemstrukturen. Der
„Widerspruch zwischen den erweiterten Möglichkeiten des Arbeitsprozesses bei gleichzeitigem
Zwang zur Verwertung immer größer werdender Kapitale“225 ist das organisatorische Pendant
zur gesellschaftlichen Ambivalenz massenmedialer Kommunikation, die nicht nur die sozial-
räumliche Entschränkung, sondern eben auch die politische, soziale oder ökonomische Ver-
machtung gesellschaftlicher Kommunikationsvorgänge nach sich ziehen kann.226

3.2.2 Technisierung der Redaktion

Neben der Ausdifferenzierung redaktioneller Strukturen ist die Implementierung technischer


Produktionsverfahren ein weiteres Konfliktfeld zwischen journalistischer Kommunikations-

221 Weischenberg 1981b, S. 154f.


222 Hienzsch 1990. „Kybernetisierung der Redaktionsarbeit meint die zunehmende und immer weniger zu
unterlaufende Verpflichtung der Stelleninhaber auf Regelzwänge. […] Empirisch ermitteln läßt sich redaktio-
nelle Kybernetisierung möglicherweise über die drei Indikatoren Vielfaltsverlust, Funktionsakzentuierung und
Deflexibilisierung.“ (ebd. , S. 48)
223 Schütt (1981, S. 96f.) konstatiert, dass in einem „kooperativen, arbeitsteiligen Produktionsprozeß unter Leitung
des Kapitals“ in den Redaktionen potenziell journalistische Eigenständigkeit verloren geht. Diese Veränderung
hat zur Folge, dass individuelle Leistungen im Endprodukt kaum mehr erkennbar sind, sondern in einer Ge-
meinschaftsleistung aufgehen. Journalisten lösen sich in „scheinbar anonymen publizistischen Bürokratien und
Großapparaten“ auf; individuelle Zurechung von Verantwortung erscheint kaum mehr möglich (Fabris 1979, S.
44) Vgl. auch die organisationssoziologischen Studien von Dygutsch-Lorenz 1971; 1973.
224 Schütt 1981, S. 105. So betrachtet ist die Etablierung des redaktionellen Journalismus das Ergebnis der endgül-
tigen Abtrennung der Journalisten vom Besitz der Produktionsmittel. Ihnen bleibe daher, so Schütt (1981, S.
94), keine andere Wahl mehr, als die „Unterordnung unter das Verlagskapital“, welches über die Produktions-
mittel verfüge. Die Möglichkeit der individuellen ‚Vermarktung‘ journalistischer Produkte sei in der Phase der
Kapitalisierung der Presse zunehmend schwieriger geworden. „Die massenhafte Anwendung journalistischer
Arbeit in einem kooperativen, arbeitsteilig organisierten Produktionsprozeß; die Zusammenfassung kooperie-
render und konkurrierender Journalisten unter der einheitlichen Leitung des jeweiligen Pressekapitals kenn-
zeichnet den Subsumtionsprozeß der journalistischen Arbeit.“ (ebd., S. 87). Aber auch freie Journalisten sind
heutzutage in der Regel dazu gezwungen, ihre ‚Produkte‘ umfassend auf Marktgängigkeit auszurichten und
Journalismus- und PR-Tätigkeiten parallel wahrzunehmen, um ein ausreichendes Auskommen zu haben.
225 Ebd., S. 106
226 Vgl. Habermas 1995 [1981], Bd. 2, S. 571ff.
284 V Strukturwandel der Öffentlichkeit – Ausdifferenzierung der Massenmedien

rationalität und systemischer Logik: Journalismus und Medien sind ohne die Verbreitungsmög-
lichkeiten der Technik, verstanden als die „Verwendung bestimmter Werkzeuge durch den
Menschen“227, genauso wenig denkbar wie ohne redaktionelle Organisation. Neu hinzuge-
kommen ist allerdings, dass auch die redaktionelle – und damit die journalistische – Arbeit
selbst zunehmend technisch geprägt ist – und zwar unabhängig vom jeweiligen Medium.
Relevant ist dies auch deshalb, weil technischer Wandel mit organisatorischem und institutio-
nellem Wandel eng verknüpft ist.228
Bis in die 1970er Jahre hinein waren zumindest in bundesdeutschen Verlagshäusern die re-
daktionelle und die technische Arbeit in getrennten Bereichen organisiert: Redakteure sorgten
für die Medieninhalte, während Setzer, Drucker u.a. das Produkt technisch herstellten. In den
Redaktionen der audiovisuellen Medien sind derartige Grenzen bereits vorher verschwommen,
wenngleich auch hier ein neuerlicher Entdifferenzierungsschub zwischen journalistischen und
technischen Tätigkeiten festzustellen ist, der wie in den Printmedien mit der Einführung
elektronischer Redaktionssysteme in den journalistischen Arbeitsprozess zusammenhängt.
Pürer und Raabe sprechen angesichts der Veränderungen gar davon, dass dadurch der etablier-
te redaktionelle Journalismus von einer fünften Phase der Journalismusentwicklung abgelöst
worden sei, die als Phase des redaktionstechnischen Journalismus bezeichnet werden könne und sich
durch die Hineinnahme technischer Aufgaben – letztlich bis einschließlich der Druckvorstufe
– in den redaktionellen Arbeitsprozess auszeichne.229 Unabhängig davon, ob diese Entwick-
lung ein eigenes Journalismusverständnis begründet, ist doch empirisch zutreffend, dass es
Journalisten jedenfalls kaum möglich ist, den Einfluss der Medientechnik auf ihre eigene
Tätigkeit zu verdrängen.230
Technische Rahmenbedingungen besitzen hohen Einfluss auf die Ausgestaltung des Jour-
nalismus, und es ist zu erwarten, dass dieser Einfluss eher zu- als abnehmen wird231 – nicht
zuletzt auch, weil das „Prinzip der Pfadabhängigkeit technischen Wandels“ natürlich auch für
den Technikeinsatz in Redaktionen und Medienbetrieben gilt.232 Technische Fähigkeiten
werden im Zuge der Implementierung komplexer informations- und wissensverarbeitender
Systeme in den Redaktionen in immer stärkerem Maße zu den Anforderungen an Journalisten
hinzutreten und dabei quer zu den bekannten Kompetenzanforderungen Fachwissen, Sachwis-
sen und Vermittlungswissen liegen.233 Dies gilt in besonderem Maße auch für Redaktionen des
Online-Journalismus.234
Die Konsequenzen des Einsatzes der Technik sind allerdings nicht eindeutig abzusehen.
Während aus mediensystemischer Sicht der Journalismus als ein in die technischen Neuerun-
gen einzupassendes Steuerungsproblem begriffen werden kann, fordern abwägendere Analysen
„Resistenz gegen die Kybernetisierung der Arbeitszusammenhänge“ – auch auf Kosten des
Missverständnisses, man wolle die Rückkehr zu einer normativ-ontologischen Journalismus-
konzeption.235 Praktiker erwarten im Zuge der Veränderungen des Journalismus sowohl eine
„neue Arbeitsteilung“ als auch eine „neue Ganzheitlichkeit“.236 Auch im Fall der Technisierung

227 Weischenberg/Hienzsch 1994, S. 455


228 Vgl. Kiefer 2003, S. 197ff.
229 Vgl. Pürer/Raabe 1994, S. 37f.
230 Vgl. Weischenberg 1995, S. 15; auch Weischenberg 1977b
231 Damit rechnen die von Weischenberg, Altmeppen und Löffelholz (1994) befragten Praktiker.
232 Kiefer 2003, S. 189
233 Vgl. Loosen/Weischenberg 2002, S. 98
234 Vgl. Neuberger 2003, S. 137
235 Weischenberg 1995, S. 66
236 Weischenberg/Altmeppen/Löffelholz 1994, S. 154ff.
3 Ausdehnung systemischer Zweckrationalität 285

von Redaktionen sind also unterschiedliche Interpretationen aufzufinden, die sich entlang der
bereits bei den Redaktionen skizzierten Entwicklungen bewegen:
(1) Die Technisierung der Redaktion dient der Ermöglichung journalistischen Handelns, insbesondere im
Hinblick auf Verbreitung und Vervielfältigung.
Der Einsatz technischer Hilfsmittel kann zunächst als eine fundamentale Grundlage dafür
interpretiert werden, dass Journalismus überhaupt seiner Vermittlungsaufgabe nachkommen
kann. Journalismus ist in seiner Vermittlungstätigkeit auf die technischen Kommunikations-
und Verbreitungsmöglichkeiten der Medien angewiesen, um die „massenhafte Reproduktion
von Aussagen“ zu meistern.237 Die Leistungen der Medien in modernen Gesellschaften sind
daher nicht nur von den Wirtschaftsverhältnissen der Gesellschaft und von den organisatori-
schen Bedingungen ihrer Herstellung geprägt, sondern auch von den technischen Möglichkei-
ten, die zur Verfügung stehen.238 So ermöglichen die audiovisuellen Darstellungskapazitäten
von „Echtzeitmassenmedien“ wie dem Fernsehen eine ganz andere Form der Berichterstat-
tung als zum Beispiel die Bedingungen der gedruckten Zeitung und können weitreichende
gesellschaftliche Veränderungen nach sich ziehen.239 Mit Blick auf diese Komponenten der
Vervielfältigung und des Vertriebs hat Technik im journalistischen Arbeitsprozess immer eine
Rolle gespielt, wenngleich das zunächst bedeutete, dass sie den Rahmen und die Formatbedin-
gungen vorgegeben hat.
(2) Die Technisierung stellt eine notwendige, effizienzsteigernde systemische Ausdifferenzierung der Bereiche
materieller Reproduktion dar.
Mit der Technisierung des Medienbetriebs können systemische Mechanismen in den redaktio-
nellen Prozess eingeführt werden, die zunächst der Effizienzsteigerung materieller Reprodukti-
on dienen, aber auch die Induktion zweckrationaler Erwägungen in kommunikative journalisti-
sche Prozesse nach sich ziehen können. Die Arbeitsbedingungen journalistischer Akteure sind
zunächst auch unabhängig von deren eigenem Zutun durch ökonomische und technische
Imperative vorbestimmt. Zu inhaltlichen Veränderungen der journalistischen Arbeit führen
neue Technologien vor allem dann, wenn sie vor dem Hintergrund der Gewinnerwartungen
des Medienbetriebes implementiert und entsprechend genutzt werden. Je enger sie also an die
Organisationsziele geknüpft sind, desto weniger können sie als rein zweckrational vernünftige
Ausdifferenzierung begriffen werden. Altmeppen, Donges und Engels weisen daher zu recht
darauf hin, dass die zu befürchtende, weil latent permanent drohende Gefährdung der journa-
listischen Arbeit, nicht in der Anwendung von Technik per se liege, sondern in der „Verknüp-
fung von technologischen Innovationen und ökonomischer Rationalität der Medienunterneh-
men“.240
(3) Die Technisierung führt zu einer problematischen Kolonialisierung journalistischen Handelns, indem
redaktionelle Spielräume nicht mehr kommunikativ und kooperativ gestaltbar sind, sondern technisch vor-
geprägt werden.

237 Hienzsch 1990, S. 84. Vgl. für einen Überblick über die Entwicklung der Medientechnik: Hörisch 2001;
Weischenberg/Hienzsch 1994
238 Vgl. Weischenberg/Hienzsch 1994, S. 455
239 Wenzel 2001; vgl. auch klassisch Meyrowitz 1990a; 1990b
240 Altmeppen/Donges/Engels 1999, S. 36. Die allgemeinen Klagen darüber, dass durch die Einführung der
Redaktionstechnik die „geistig-schöpferischen Momente journalistischer Tätigkeit […] mit technischen Opera-
tionen verknüpft“ werden (Schütt 1981, S. 277), sind mittlerweile weitgehend verstummt. Neben den Befürch-
tungen, dass sich die Inhalte journalistischer Arbeit verschieben könnten, war ein Hintergrund der Kritik an der
Technisierung der Redaktionen auch, dass sich diese vorwiegend an Kapitallogik orientiere und die Verände-
rung journalistischer Arbeitsprozesse entsprechend an ökonomischen Bedürfnissen orientiert vorantreibe.
286 V Strukturwandel der Öffentlichkeit – Ausdifferenzierung der Massenmedien

Problematisch kann die Einführung technischer Errungenschaften im Medienbetrieb vorwie-


gend dann werden, wenn sie sich unter dem Primat der Profitlogik durchsetzt. In diesem
Fällen besteht die Gefahr, dass technische Neuerungen weniger als Hilfsmittel der Steigerung
kommunikativer Verständigungsrationalität dienen, sondern vielmehr in ihrer instrumentellen
Logik zur Steigerung von Effizienz und damit von Profiten eingesetzt werden. Weischenberg
nennt die elektronischen Systeme aus diesem Grund gar „Selbstschußanlagen für einen qualifi-
zierten Journalismus“241 und bezieht sich dabei auf die Ergebnisse von Hienzsch, der feststellt,
dass die durch Technik forcierte ‚Kybernetisierung der redaktionellen Arbeit‘ die Redaktions-
arbeit ‚entsprachliche‘.242 Durch den Einsatz von Technik würden die Möglichkeiten der
kommunikativen Interaktion am Arbeitsplatz zunehmend durch eine zweckrationale techni-
sche Logik eingeengt bzw. verdrängt.243 Die Tätigkeitsprofile von Journalisten würden auf die
technisch induzierten Notwendigkeiten hin zugeschnitten und verengt, wobei bereits kleinste
technische Innovationen zu vollständigen Veränderungen von beruflichen Rollen, von arbeits-
organisatorischen Abläufen oder von innerredaktioneller Koordination und Kommunikation
führen könnten, ohne dass journalistisch-kommunikative Erwägungen dabei eine Rolle spiel-
ten.244 Nicht andere Mitarbeiter, sondern technische Gegebenheiten formulierten die berufli-
chen Anforderungen, „Mensch-Maschine-Einheiten“ optimierten die Organisation.245 Elektro-
nische Redaktionssysteme würden sich sukzessive die journalistischen Arbeitsschritte unter-
ordnen. Aus Journalisten würden „Bediener einer sie steuernden rationalisierten Fertigungs-
technik ohne Entscheidungsbefugnis und weitgehend ohne publizistische Einflußnahme“, die
sich diese zweckrationale Zuschneidung ihrer Tätigkeiten nicht eingestehen könnten, weil ihre
berufliche Identität nach wie vor konstitutiv mit den Idealen Information und Öffentlichkeit
verknüpft sei.246

3.2.3 Zwänge der Verberuflichung

Der dritte Komplex, in dem sich journalistische Kommunikationsrationalität und mediale


Systemlogik potenziell konflikthaft begegnen können, sind die journalistischen Berufsrollen,
die sich in modernen Medienbetrieben herausbilden. Differenzierung und Spezialisierung im
redaktionellen Alltag ziehen ein verdichtetes journalistisches Tätigkeitsprofil nach sich, das als
berufliche Arbeit gefasst wird. Beruf ist hier allgemein als „[…] Oberbegriff für spezialisierte
Kenntnisse in gesellschaftlichen Feldern zu verstehen, die auch (aber nicht nur) erwerbsmäßig
und zur Existenzsicherung genutzt werden können“.247 Als „Verberuflichung“ lässt sich in
diesem Zusammenhang der „Prozeß der Ausbildung eines spezifischen Handlungsbereichs
und einer spezialisierten Handlungsrolle aus einem Netzwerk von Tätigkeiten“ bezeichnen.248

241 Weischenberg, Vorwort zu Hienzsch 1990, S. 7


242 Vgl. Hienzsch 1990, S. 287: „Kybernetisierte Tätigkeitsprofile reduzieren offensichtlich auch die verbale
Interaktion: Während das Redaktionspersonal durchschnittlich etwa 7,5 Prozent mit Gesprächen allgemeiner
oder bereits auf Tagesthemen bezogener Natur verbringt, so kann dieser Anteil im Extrem bis auf 2,7 Prozent
sinken […].“
243 Das kann als ein Vorgang der Kolonialisierung lebensweltlicher Strukturen verstanden werden. Vgl. dazu auch
Brosda 2001; Steinmüller 1994; Eurich 1991 [1988]; Weingarten 1988.
244 Vgl. Hienzsch 1990, S. 291
245 Ebd., S. 74
246 Ebd., S. 297
247 Neverla 1998, S. 57
248 Blöbaum 1994, S. 148
3 Ausdehnung systemischer Zweckrationalität 287

Berufe – auch Kommunikationsberufe – bedürfen entsprechender institutioneller Strukturen,


mit denen sie verknüpft sind. Sie können sowohl deskriptiv wie normativ gefasst werden:
„Ein Kommunikationsberuf ist einerseits als eine Tätigkeits- und Qualifikationsschablone für die Produktion
öffentlichkeitswirksamer Aussagen zu verstehen. Er bildet andererseits einen Bezugspunkt für die Verständi-
gung im Kontext von Arbeits- und Erwerbshandeln.“249

Heutzutage wird grob vereinfacht deutlich, dass sich Berufe im Bereich des Journalismus
weiter entlang spezifischer Tätigkeitsmuster ausdifferenzieren, während zugleich die überge-
ordneten Konturen eines ‚journalistischen Berufs‘ schwächer werden.250 Historisch betrachtet
lässt sich konstatieren, dass sich der Journalistenberuf in Differenzierung zu den Tätigkeiten
des Drucks und Vertriebs entwickelte, als die redaktionelle Auswahl und Bearbeitung fremder
Texte wichtiger wurde.251 Motive und Folgen dieser Entwicklung können ebenfalls vor der
Folie eines zweistufigen Gesellschaftsmodells unterschiedlich bewertet werden und sind erst
empirisch zu klären.
(1) Die Verberuflichung des Journalismus dient der Verbesserung der kommunikativen Qualität und
Kapazität journalistischer Produkte.
Die Verberuflichung des Journalismus kann zunächst als ein Weg zur Steigerung der Leistungs-
fähigkeit des Journalismus für demokratische Öffentlichkeit mit Blick auf die Vermittlungstä-
tigkeit journalistischer Akteure verstanden werden. Verberuflichung journalistischer Tätigkeit
ist demnach eine Reaktion auf „die ständig wachsende Bedeutung von Informations- und
Kommunikationsprozessen für die gesellschaftliche Entwicklung angesichts der zunehmenden
arbeitsteiligen Organisation des gesellschaftlichen Produktions- wie Reproduktionsprozes-
ses“252, die journalistische Aufgabenerfüllung gewährleisten soll. Auch Langenbucher verweist
darauf, dass eine demokratische Öffentlichkeit einer spezifischen und verberuflichten journalis-
tischen Leistungserfüllung bedarf, um den Anforderungen an eine demokratisch organisierte
gesellschaftliche Kommunikation nachzukommen. Das daraus abzuleitende Berufsbild beruht
auf bestimmten Mindestanforderungen, die sich vor allem auf die Gewährleistung individueller
Meinungsfreiheit durch journalistische Vermittlungsleistungen beziehen und auf einen durch
Medien hergestellten demokratischen Meinungs- und Willensbildungsprozesses zielen.253

249 Engels 2002, S. 7


250 Vgl. ebd., S. 10
251 Vgl. Blöbaum 1994, S. 158f. Streitig debattiert wird die Frage, ob Journalismus eine Profession ist. Das
Professionskonzept kann „als analytisches Konzept von individuellem Berufshandeln im gesellschaftlichen, his-
torisch wandelbaren Kontext“ gefasst werden (Neverla 1998, S. 55), um eine analytische Kategorie zu gewin-
nen, mit der sich ein verberuflichter und professionalisierter Journalismus beschreiben lässt (vgl. zur Debatte,
ob Journalismus auch als eine Profession verstanden werden kann neben Neverla 1998 auch Pöttker 1998a;
Weischenberg 1977a; Kepplinger/Vohl 1976; sowie grundlegend: Lepsius 1964). Eine pragmatische Definition
ist durchaus anschlussfähig gegenüber den Debatten über die Verberuflichung des Journalismus „Bezogen auf
den Journalismus läßt sich Professionalisierung als die Regelhaftigkeit beruflichen Handelns im Mediensystem verstehen,
vom Individuum interpretiert und umgesetzt. Professionalisierung ist das subjektive Korrelat des systemischen Charak-
ters von Massenmedien. Die journalistische Arbeit unter dem Blickwinkel des Professionskonzepts zu betrachten,
bedeutet, das systemspezifische Regelwerk durch die Brille des individuellen Handelns zu betrachten. Wie also
Journalistinnen und Journalisten im Zuge ihrer beruflichen Tagesarbeit Positionen und Rollen, Aufgaben, Tä-
tigkeiten und Kompetenzen aushandeln in Interaktion mit anderen Berufsangehörigen, mit Vorgesetzten, Auf-
traggebern, aber auch mit Interviewpartnern, Auskunftspersonen und nicht zuletzt mit dem (imaginären) Publi-
kum.“ (Neverla 1998, S. 56f.)
252 Fabris 1979, S. 257
253 Vgl. Langenbucher 1974/1975, S. 269f.. Er sieht das Berufsbild des Vermittlers, des Mediators, der gesellschaft-
liche Kommunikation im Grothschen Sinne durch Vermittlung zwischen Ausgangs- und Zielpartnern über-
haupt erst ermöglicht, als zentral an. Auch andere Autoren wie Weischenberg (1983, S. 358) vertreten diesen
288 V Strukturwandel der Öffentlichkeit – Ausdifferenzierung der Massenmedien

Die traditionellen journalistischen Standesideologien verweisen folglich auch nicht in erster


Linie auf ökonomische Begründungen für den Beruf.254 Dort werden nur selten „Routine und
organisierte Tätigkeit“, allerdings umso häufiger „Kreativität und Ethik“ als zentrale Bestand-
teile journalistischer Arbeit genannt.255 Journalismus wird bisweilen als ein Beruf gesehen, in
dem noch möglich scheint, nicht entfremdete Arbeit256 oder unter bestimmten Bedingungen
gar ‚intellektuelle Arbeit‘257 leisten zu können.
(2) Die Verberuflichung dient der Ausdifferenzierung funktionaler Austauschbeziehungen mit dem Ziel einer
effizienteren Reproduktion materieller Ressourcen.
Im historischen Rückblick zeigt sich, dass oftmals primär verlegerische, mithin ökonomische
Entscheidungen ausschlaggebend für Ausdifferenzierung journalistischer Berufe waren, nicht
journalistische Qualitätsüberlegungen.258 Verberuflichung sollte die effiziente Produktion von
Medienprodukten gewährleisten. Berufliche Tätigkeit in Medienbetrieben ist daher an konkrete
betriebliche Verhaltenserwartungen gebunden, die sich im Konzept der ‚Mitgliedsrolle‘ be-
schreiben lassen.259 Zu diesen Verhaltenserwartungen zählen nach Rühl die Zustimmung zu
den Redaktionszwecken, die Anerkennung der Entscheidungsrechte der Redaktionsleitung, die
Informationsverarbeitung nach dem Entscheidungsprogramm der Redaktion, die Identifikati-
on mit der Redaktion, der Ausschluss der Mitarbeit bei Konkurrenzmedien, die Wahrung der
redaktionellen Diskretion sowie die Orientierung am relevanten Recht. Nur wenn sie alle
verbindlich bejaht werden können, ist eine Mitgliedschaft in der Redaktion möglich, dies gilt in
besonderem Maße für die Anerkennung der Zwecke der Redaktion sowie der Entscheidungs-
rechte der Redaktionsleitung.260 Dadurch, dass diese Erwartungen in der Mitgliedsrolle forma-
lisiert werden, wird die Redaktion organisatorisch gefestigt und der individuelle Redakteur
zugleich von persönlicher Verantwortlichkeit entlastet. Umgekehrt aber wird vom Redakteur
die Anerkennung fremdbestimmter Ziele und Zwecke des eigenen Tuns verlangt.
Medienbetriebe streben in diesem Kontext zumeist nur eine ‚abstrakte‘ Professionalisierung
journalistischer Akteure an, die parallel zu der „immer stärker wirksam werdenden Rationalisie-
rung der ökonomischen Seite des Zeitungsgewerbes“ verläuft und die sich vorwiegend auf die
zweckrationalen Aspekte des beruflichen und eben nicht des kommunikativen Handelns von

Standpunkt: „Das journalistische Rollenbild des Vermittlers, für das selbst Anwälte des anwaltschaftlichen
Journalismus aus demokratietheoretischen Erwägungen plädieren […], hat dabei Priorität, da es der Primärfunk-
tion der Massenmedien in den pluralistischen Demokratien entspricht. Unter dem Aspekt der Relevanz ist der
Transport von Informationen die journalistische Primärrolle; alle anderen Rollenbilder spielen – jedenfalls für
den etablierten Medientyp – nur eine komplementäre, sekundäre Rolle […].“ Die Problematik dieser einseitigen
Betrachungen ist bereits ausgiebig diskutiert worden.
254 Vgl. Fabris 1979, S. 39f.
255 Saxer 1993a, S. 297
256 So aus materialistischer Perspektive Zeuner 1973, S. 26.
257 So aus historisch-soziologischer Perspektive Geiger 1949.
258 Vgl. die Befunde bei Requate 1995, S. 238
259 Vgl. dazu grundlegend Rühl 1979, S. 241: „Bei der Mitgliedsrolle handelt es sich um einen Komplex spezifi-
scher, von allen anderen deutlich herausgehobener Erwartungen. Die Anerkennung der Erwartungen der Mit-
gliederrolle ist für alle diejenigen verpflichtend, die Mitglied der Redaktion werden wollen bzw. deren bereits
bestehende Mitgliedschaft aufrechterhalten werden soll. Die Mitgliedschaftsrolle enthält mithin als Extremori-
entierung die Entscheidung über Eintritt und Austritt und bildet dergestalt die Voraussetzungen für die Über-
nahme anderer Rollen in der Redaktion.“ Das allgemeinere Konzept der Berufsrolle dagegen definiert die über-
geordneten Erwartungen an alle Journalisten, während das spezifischere Konzept der Arbeitsrolle die Anforde-
rungen an konkrete Posten in der Redaktion (z.B. Chef vom Dienst oder Volontär) beschreibt (vgl. Altmeppen
1999, S. 44f.).
260 Vgl. Rühl 1979, S. 246ff.
3 Ausdehnung systemischer Zweckrationalität 289

Journalisten bezieht.261 Insbesondere das Konzept des Informationsjournalismus ist daran


anknüpfend zwar „ein pragmatisches, offensichtlich adäquates Konzept für unser vorfindbares
Mediensystem“262, weil es in ökonomischer, organisatorischer und professioneller Hinsicht
effizient ist. Aber diese Funktionalitäten werden damit erkauft, dass nicht Aufklärung oder
Validität der Berichterstattung im Mittelpunkt stehen, sondern ökonomische Profit- bzw.
öffentlich-rechtliche Proporz-Logik.
Trotz aller Vermachtungs- und Ökonomisierungstendenzen gibt es aber begründeten An-
lass, kommunikative Potenziale im journalistischen Arbeits- und Produktionsprozess zu
kennzeichnen, um deutlich zu machen, wo die kommunikative Interaktion noch nicht voll-
ständig in zweckrationaler Arbeit aufgelöst ist und vielleicht auch nicht aufgelöst werden kann.
Schließlich „[…] stecken die Journalisten ja auch nicht von morgens bis abends in einer
Zwangsjacke von Systemzwecken“263, sondern können sich Spielräume erkämpfen, um sich im
Rahmen herrschaftsvermittelter Interessen einen gewissen Grad an Autonomie zu bewahren.
Von anderen, insbesondere von industriellen Arbeitsformen unterscheidet sich der journalisti-
sche Berufsalltag klassischer Weise „durch ein vergleichsweise hohes Maß an zeitlichem
Bewegungsspielraum, thematischer Kreativität, Abwechslungsreichtum und geforderter Quali-
fikation“, schreibt Prott schon 1976.264 Und selbst wenn der Redaktionsalltag in der Zwischen-
zeit zunehmend und unter Zuhilfenahme technischer Möglichkeiten auf die Optimierung
informationsjournalistischer Leistungen hin strukturiert worden ist, scheinen nach wie vor
einige klassische journalistische Rollen gesichert zu sein, zu denen vor allem „Reporter, Kor-
respondenten, Leitartikler, Publizisten, also eher klassische Berufsrollen ohne direkte Einbin-
dung in die Zwänge redaktionellen Entscheidungshandelns“ zu zählen sind.265 Im Ergebnis ist
der Berufsmarkt seit geraumer Zeit gespalten in wenige Kreative und viele eher passive Infor-
mationsjournalisten, die in funktional zergliederte Arbeitsprozesse eingegliedert sind.266 Ein
Ergebnis der zunehmenden Bedeutung des Ökonomischen in den Redaktionen ist die Heraus-
bildung von journalistischen Berufsrollen, die überwiegend Managementtätigkeiten zur Grund-
lage haben und mittlerweile gleichberechtigt neben klassischen journalistischen Rollen in den
Redaktionshierarchien vertreten sind.267 Dieser Prozess deutet auf eine weitere Interpretation
journalistischer Verberuflichung hin – auf das Überhandnehmen systemischer ‚constraints‘.

261 Dröge/Kopper 1991, S. 160; vgl. auch Prott 1976, S. 374: „Der Nachrichtenjournalismus siegt über den
Meinungsjournalismus, der Redakteur wandelt sich auch im öffentlichen Erscheinungsbild mehr und mehr vom
autonom-kritischen Zeitbeobachter zum relativ passiven Verbindungsglied im kommunikativen Feld, der das
Geschehen für die Rezipienten lediglich aufzubereiten hat. Das alles aber verträgt sich schlecht mit unbeholfe-
nen ‚Professionalisierungs‘-Versuchen.“
262 Weischenberg 1983, S. 357
263 Prott 1994, S. 493
264 Prott 1976, S. 128f. Angesichts dieser notwendigen und auch funktionalen Freiräume journalistischen Handelns
lassen sich Forderungen nach Veränderungen im Journalismus erheben. Diese betreffen die Vermehrung der
Ressourcen, um einen aktiven und recherchierenden Journalismus zu stärken, die bessere Nutzung der Medien-
komplementarität, die Offenheit in der Journalistenrekrutierung, die Verbesserung der Journalistenqualifizie-
rung und die Gestaltung der Medienorganisation mit Blick auf kreative und produktive Freiräume. Insbesonde-
re die letztere Forderung, die darauf zielt, journalistische Initiative nicht durch Überorganisation zu blockieren,
ist im Hinblick auf die Verhinderung systemischer Kolonialisierung von Interesse: Dezentrale Organisations-
formen oder flexible Redaktionsstrukturen können als Wege angesehen werden, den Journalismus so zu organi-
sieren, dass er mit den Tendenzen eines beschleunigten sozialen Wandels mitzuhalten vermag (vgl. Saxer 1993a,
S. 301ff.).
265 Weischenberg 1985, S. 194
266 Vgl. Weischenberg 1995, S. 17; vgl. zu einem autonomen Journalismus die Beiträge in Langenbucher 1980.
267 Vgl. Siegert 2001, S. 171
290 V Strukturwandel der Öffentlichkeit – Ausdifferenzierung der Massenmedien

(3) Die Verberuflichung ist das Einfallstor für eine problematische Kolonialisierung journalistischen Han-
delns, indem durch die funktionalisierten Austauschbeziehungen hindurch systemische Imperative in Füh-
rung gehen.
Diese Interpretation zielt darauf ab, dass die ökonomische Rationalität der Medienbetriebe
durch das Berufsverhältnis weitreichend auf das Handeln des Journalisten durchschlagen kann.
Das journalistische Berufsbild verändert sich dadurch gravierend: Aus der Sicht eines Medien-
betriebes werden sie vorwiegend bis ausschließlich als ‚Verlagsangestellte‘268 angesehen, wäh-
rend ihre Rolle als kommunikativ handelnde Akteure auf lebensweltlichem Fundament zu-
nehmend vernachlässigt wird. Das führt zu einer schmerzlichen „Entzauberung des Berufs“269,
die nicht zuletzt im Verlust der Möglichkeit begründet ist, den kommunikativen Grundzügen
journalistischen Handelns unter den Bedingungen mediensystemischen Zwangs überhaupt
noch gerecht zu werden.
Der Journalismus, der heutzutage als Informationsjournalismus bezeichnet wird, kann in
der Tendenz als ökonomisch kolonialisierte Variante des vermittelnden Journalismus betrach-
tet werden, weil dessen beschriebene kommunikative Reflexivität im Zuge der Formulierung
einer medienbetrieblich umzusetzenden Berufsrolle durch ökonomische Verwertungsinteres-
sen überlagert wird. Der Informationsjournalismus liefert die Beiträge, die die Medien benöti-
gen, um sich in einer gesellschaftlichen Kommunikation behaupten zu können, die, wie Münch
sie beschreibt, von kommunikativer Inflation geprägt ist.270 Demzufolge markieren die Medien
die Bühne eines permanenten gesellschaftlichen Diskurses, der sich nicht mehr vordringlich
durch die Logik sprachlicher Verständigung auszeichnet, sondern Routinen dramatischer und
theatralischer Selbstinszenierung folgt. Ein sich wechselseitig verstärkender Kommunikations-
prozess, in dem Kommunikation stets neue Kommunikation herausfordert, durchdringt dabei
zunehmend alle Lebensbereiche der Gesellschaft. Im Ergebnis lassen sich eine „quantitative
Steigerung der Kommunikation“, eine „enorme Beschleunigung der Kommunikation“ und
eine „zunehmende Globalisierung der Kommunikation“ feststellen271 – jeweils angeheizt auch
durch die Verwertungsnotwendigkeiten eines umfassenden Systems von Massenmedien, das
die Spielräume journalistischer Akteure bestimmt. Diese ‚Kommunikation‘ allerdings besteht
weniger in dem abwägenden Herstellen von Zusammenhängen im kommunikativen Diskurs,
sondern im macht- und geldgesteuerten Beschleunigen der Zirkulation von Informationshap-
pen. Die Handlungsautonomie beruflicher Journalisten beschränkt sich dann weitgehend nur
noch auf Themenselektion und geringen Rechercheaufwand.
„Gemessen daran, daß die öffentliche Kommunikation – ihrem demokratischen Anspruch nach – keine
Grenzen kennt, die nicht in ihrem Namen bezweifelbar oder zu verschieben wären, bildet diese ‚Autonomie‘
nur den ausgesprochen traurigen Rest einer kommunikativen Mündigkeit, die auch dem journalistischen
Handeln zu unterstellen ist […]. Ließ sich diese Ambivalenz bislang noch als paradoxe Gleichzeitigkeit von
‚Beschäftigungs-‘ und ‚Kommunikationsverhältnissen‘ im Journalismus verstehen, so greift die Kommerziali-
sierung des Mediensystems mittlerweile nicht allein auf die Folgen journalistischer Arbeit, sondern ebenso auf
die verständigungsrationalen Orientierungen journalistischen Handelns durch. Denn der Druck eines hy-
pertrophierenden Mediensystems wirkt sich auf den Journalismus inzwischen als Zwang zur Kommunikation aus,
wie die ‚Gladbecker Geiselaffäre‘ und viele andere Beispiele zeigen können.“272

268 Vgl. Blöbaum 1994, S. 252; Rühl 1979, S. 219


269 Weischenberg 1995, S. 16
270 Vgl. Münch 1991; 1995
271 Münch 1993, S. 261f. Im Zuge dieser Entwicklung wird das Inszenierungspotenzial eines Berichterstattungsan-
lasses zunehmend zu einem wichtigeren journalistischen Auswahlkriterium (vgl. Rager 1999a).
272 Baum 1996, S. 242
3 Ausdehnung systemischer Zweckrationalität 291

Diese Beobachtungen sind Beispiel dafür, wie sich die Veränderung der Rahmenbedingungen
journalistischen Handelns direkt auf die in Berufsrollen eingelassenen Anforderungen an
journalistisches Handeln auswirken kann. In der Ausrichtung des Journalismus auf das Ergeb-
nis, auf die Produktion verkaufbarer kommunikativer Angebote, lassen sich auf der Hand-
lungsebene kolonialisierende Effekte festmachen. Diese werden – ab einem gewissen Grad des
Verlusts journalistischer Handlungsautonomie und Kommunikativität – auch auf gesellschaftli-
cher Ebene hinsichtlich der Leistungen des Journalismus für Öffentlichkeit sichtbar. In der
Regel ist der vermittelnde Journalismus in funktionalistischer Radikalisierung der erörterten
Dichotomie als Informationsjournalismus beruflich institutionalisiert worden, der nicht darauf
ausgerichtet ist aufzuklären, sondern vorwiegend der kommerziell motivierten Auswahl und
Verbreitung von Nachrichten dient, während die – bewusste und reflexive – kommunikative
Prüfung von Geltungsansprüchen oftmals suspendiert wird.

3.2.4 Exkurs: Chancen und Risiken der Entdifferenzierung

Es ist bereits darauf hingewiesen worden, dass sich die organisatorischen Strukturen des
Journalismus seit einigen Jahren in einer Umbruchphase befinden.273 Mehrere Gründe für den
Druck zur Umgestaltung von Redaktionen lassen sich feststellen:
• Durch die weitgehende Verschmelzung von redaktioneller Produktion und technischer
Reproduktion in computergestützt arbeitenden Redaktionen sind ehemals geradlinige Or-
ganisationsstrukturen hinfällig geworden.274
• Thematisch stoßen die herkömmlichen Ressortstrukturen zunehmend an ihre Grenzen, da
im Alltag immer mehr Themen auftauchen, die von verschiedenen Ressorts/Redaktionen
behandelt werden können.
• Aus ökonomischen Gründen wächst der Druck, alte Strukturen zu verändern, um Effek-
tivität und Effizienz im redaktionellen Handeln zu erhöhen.
• Und nicht zuletzt erhoffen sich manche von strukturellen und organisatorischen Verände-
rungen auch eine Stärkung des Journalistischen im Medienbetrieb.
Mit den neuen Strategien des Redaktionsmanagements wird angesichts sich verändernder
Bedingungen versucht, übergreifende ökonomische und journalistische Ziele zu formulieren
und sie in eine Strategie umzusetzen. Redaktionsmanagement beschäftigt sich folglich mit der
„gezielten und strukturierten Neuorientierung der Redaktion in einem gewandelten Mediensys-
tem”.275 Im Kern geht es dabei um das Aufbrechen und Verändern der bisherigen redaktionel-
len Organisationsstrukturen, die sich v.a. in Zeitungen zu Hindernissen einer effektiven Zu-
sammenarbeit verfestigt haben. Manche überkommenen Organisationen funktionieren oft nur
deshalb, weil „unter der Oberfläche vermeintlicher Ordnung informale Kommunikationen,

273 Vgl. Meier 2002a, S. 330


274 Vgl. Weischenberg 1992a, S. 322
275 Meckel 1999, S. 12. Im Mittelpunkt des Redaktionsmanagements sollte idealiter kein reines Effizienzdenken
stehen. Es gehe nicht nur darum mit möglichst wenig Aufwand, möglichst viel zu erreichen. Zentrale Kategorie
sei vielmehr die Effektivität, also die Frage ob ein eingangs formuliertes Ziel auch erreicht werde. „Die Frage,
die sich im Zuge redaktionellen Managements durch Organisation stellt, muß folglich nicht mehr lauten: Wel-
ches Personal haben wir und was können wir damit machen?, sondern sie muß lauten: Was wollen wir errei-
chen und welches Personal wird dafür benötigt?“ (Meckel 1999, S. 66)
292 V Strukturwandel der Öffentlichkeit – Ausdifferenzierung der Massenmedien

Kooperationen und Verhaltensmuster“ entstanden sind und die dysfunktionalen Folgen einer
zu starren redaktionellen Organisation kompensieren.276
Innovative Zeitungsredaktionen gehen vor allem von der traditionellen Gleichung ‚Ressort
= Sparte‘ zunehmend ab und versuchen durch die Etablierung von Teamstrukturen zu effekti-
veren und angemesseneren Organisationsabläufen zu gelangen.277 Darüber hinaus gelangen die
Redaktionen damit zu Strukturen, die einer Umwelt, die durch Differenzierung und Vernetzung
sozialer Bereiche und Themen zugleich gekennzeichnet ist, potenziell wieder gerecht zu
werden versprechen und weniger die Fiktion isoliert zu behandelnder Themenfelder tradie-
ren.278 Auch dies ist ein Beispiel dafür, wie organisatorische Entscheidungen die Qualität
journalistischen Handelns beeinflussen können.
Altmeppen weist anhand der Untersuchung redaktioneller Strukturen in privat-
kommerziellen Rundfunksendern darauf hin, dass redaktionelles Handeln nicht nur Entschei-
dungshandeln ist, sondern in erheblichem Umfang von Koordinationsnotwendigkeiten geprägt
wird. Weil gerade im privat-kommerziellen Rundfunk die Routineprogrammierung nur
schwach ausgeprägt ist, werden permanent Koordinierungsleistungen mit Blick auf den Zweck
des Unternehmens notwendig, die etwa ein Drittel und teilweise mehr als die Hälfte der
Arbeitszeit in Anspruch nehmen können, um Arbeitsprozesse auf das Organisationsziel hin zu
„ordnen, strukturieren und stabilisieren“.279 Dieser Koordinationsbedarf, steigt, wenn die
Strukturierung der journalistischen Programme sinkt oder wenn der Personalbestand groß ist.
In der Regel aber ist er nicht umfangreich formell institutionalisiert; Absprachen über The-
menauswahl und -präsentation oder auch über Arbeitsverteilung etc. sind oftmals nicht nur in
den klassischen hierarchischen Beziehungen der Redaktionsorganisation angesiedelt, sondern
verlaufen nicht selten zudem auch informell quer zu den Strukturen der Organisation.280
Positiv betrachtet kann dieser Koordinierungsbedarf als Möglichkeit kommunikativer Steu-
erung von Redaktionsstrukturen gewertet werden. Altmeppen selbst setzt sein Modell auf der
rekursiven Strukturierungstheorie auf und sieht dadurch eine Wechselbeziehung zwischen
institutionalisierten organisatorischen Abläufen und dem Handeln der Redaktionsmitglieder,
das diese Strukturen entweder durch Wiederholung bestätigt oder durch Abweichung verän-
dert.281 Mit koordinierenden Handlungen reagieren Journalisten in Redaktionen auf die wenig
vorhersehbaren Ereignisse der Umwelt, die Anschlusshandeln in der Redaktion nach sich
ziehen können, wenn die Mitglieder der Redaktion angesichts bereits bestehender Routinen
oder auf der Basis von Verständigung zu dem Ergebnis kommen, dass sie der Berichterstat-
tung wert sind. Der Koordinierungsbedarf in den Redaktionen wächst noch einmal erheblich
an, wenn die Arbeitsstrukturen weiter flexibilisiert werden und sich Redakteure dadurch
beinahe permanent in neue Arbeitszusammenhänge und technische Gegebenheiten einarbeiten
müssen.282 In vielen Redaktionen sind für diese Fälle keine Verfahren implementiert, sondern

276 Jonscher 1995, S. 495; vgl. Rager/Werner/Weber 1992, S. 139


277 Vgl. analytisch Meier 2002a, S. 428; siehe auch konkrete Entwürfe in Moss 1998 und Becker/Erlemann 1997.
278 Vgl. Meier 2002a, S. 96
279 Altmeppen 1999, S. 11
280 Vgl. ebd., S. 139
281 Vgl. ebd., S. 86f.: „Durch die Bindung an Absprachen, die in den Koordinationen getroffen werden, ist
Kontrolle in die Struktur der Arbeit direkt eingelassen. Über die sozialen Mechanismen wird zudem auch die
‚Redaktionslinie‘ internalisiert und habitualisiert, so daß sie sich als System dauerhafter Dispositionen veran-
kern.“
282 Vgl. Meier 2002a, S. 433; Altmeppen 1999, S. 109f.
3 Ausdehnung systemischer Zweckrationalität 293

allenfalls ist die Erwartung eingelassen, dass sich die Journalisten selbständig koordinieren und
eigenverantwortlich organisieren.283
Die nur vage Formulierung der Organisationsziele, die einen erheblichen Teil des Koordi-
nationsbedarfs in einer Redaktion begründet, rührt auch daher, dass sie ursprünglich „auf einer
Mischung aus Gewinnerwartung und normativen Funktionen“ beruhen.284 Im privat-
kommerziellen Rundfunk lässt sich dagegen zunehmend der Trend feststellen, dass die inhaltli-
chen Erwartungen im Organisationsziel wegfallen, weil sich der einzige „Organisationszweck
Programmproduktion“ gegen publizistische Konzepte wie die Informationsfunktion auf
ganzer Linie durchsetzt, wie Rager, Werner und Weber konstatieren.285
Die ganze Ambivalenz redaktioneller Organisationsmuster hinsichtlich der Frage, inwiefern
sie nun Journalismus ermöglichen oder aber beschränken, zeigt sich in jüngeren Entwicklun-
gen in den Redaktionen und in den Differenzen zwischen unterschiedlichen Medienbetrieben.
Nur ein Beispiel: Hienzsch fordert als Gegengift zur dysfunktionalen Kybernetisierung der
Zeitungsredaktionen vornehmlich eine Enthierarchisierung der Redaktionsarbeit, eine stärkere
Vielfalt in den Arbeitsrollen und mehr Flexibilität im Arbeitsverlauf.286 Davon erhofft er sich
eine Stärkung journalistischer Handlungslogik, die wieder die Spielräume bekommen könnte,
die sie benötige. Genau diese Veränderungen journalistischer Produktionsprozesse lassen sich
allesamt in den Redaktionen privat-kommerzieller Rundfunksender finden – ohne dort zu den
erhofften Revitalisierungseffekten hinsichtlich der publizistischen Qualität zu führen.287 Hier
zeigt sich eine weitreichende Entdifferenzierung des redaktionellen Arbeitens mit dem Ziel,
dass jeder alles macht und journalistische Arbeitskraft dadurch aus ökonomischer Sicht flexib-
ler und profitabler einsetzbar ist.
„Privat-kommerzieller Rundfunk wird aufgrund eines knappen, aber präzisen Drehbuchs verfaßt – der wirt-
schaftlichen Rentabilität. Sie entscheidet über Existenz, Erhalt und je aktuelle Ausprägung der Sender und ih-
rer publizistischen Programme. Der ‚Kunstfehler‘ des Drehbuches liegt darin, daß die Rentabilität über ein
publizistisches Produkt mit all seinen Implikationen hergestellt werden muß. So unterliegen Medienunter-
nehmen den Bedingungen von wirtschaftlicher Effizienz, großbetrieblicher Produktionsweise und rationeller
Technik, sie werden also mit den Kriterien von Industriebranchen verglichen. Journalistische Produkte sind
aber eben nicht industriell zu fertigende Waren, da ihnen normativ konstituierende Bedeutungen für den ge-
sellschaftlichen Zusammenhalt zugeschrieben werden.“288

Die entlang dieses Drehbuchs durchgesetzten strukturellen Veränderungen in den Redaktionen


sind entsprechend nicht darauf ausgerichtet, journalistische Kommunikativität zu stärken,
sondern sie folgen vorwiegend der Einsicht, dass eine Taylorisierung der Redaktionsarbeit, wie
sie in klassischen Zeitungsredaktionen lange Zeit zu finden war, nicht die effizienteste Art der
Organisation redaktioneller Arbeit ist. Die flexible, sich selbst koordinierende Redaktion ist
dagegen mit weniger Personalaufwand in der Lage, Programm herzustellen, da es keine unbe-
merkten ‚Leerläufe‘ in einzelnen ‚Ressortbunkern‘ mehr gibt, sondern die einzelnen Handgriffe
in der technisierten Redaktion der Selbstfahrerstudios und elektronischen Nachrichtendienste
zumindest aus betriebswirtschaftlicher Sicht komplett austauschbar geworden sind. Die biswei-

283 Vgl. Altmeppen 1999, S. 181. Werden diese Verfahren bei der Umstrukturierung der redaktionellen Organisati-
on integriert, dann lässt sich festhalten, dass die Konferenzen zwar häufiger und länger werden, dass aber an-
sonsten der Zeitanteil für Koordination und Themenabstimmung in den Teams sinkt (vgl. Meier 2002a, S. 325).
284 Altmeppen 1999, S. 43
285 Rager/Werner/Weber 1992, S. 19; vgl. Altmeppen 2001, S. 200
286 Vgl. Hienzsch 1990, S. 296
287 Vgl. Altmeppen 1999, S. 183
288 Ebd., S. 186
294 V Strukturwandel der Öffentlichkeit – Ausdifferenzierung der Massenmedien

len gravierend negativen qualitativen Konsequenzen dieser Veränderungen aber lassen Alt-
meppen zu der – noch vorsichtig aufgestellten – These gelangen, dass journalistische Organisa-
tionen mit der Themenstrukturierung durch Ressorts, Spezialisierung oder Arbeitsteilung auch
ein wesentliches journalistisches Strukturelement und damit eine wesentliche Ressource journalis-
tischer Arbeit und journalistischen Handelns verlieren.289 Den Extremfall markiert sicherlich
ein Redaktionsmanagement, in dem die Entdifferenzierung sich auch gegenüber anderen
Verlagsabteilungen wie Anzeigen oder Vertrieb fortsetzt. Empirische Untersuchungen zeigen
allerdings, dass die Entgrenzungspotenziale, die Journalismus diesbezüglich theoretisch besitzt,
längst nicht vollständig realisiert werden, sondern „viele punktuelle Einflüsse“ festzustellen
sind, die „[…] durch Strategien der Autonomiebewahrung des beeinflussten Systems mögli-
cherweise leicht kompensiert werden […]“ können, wie Loosen und Scholl konstatieren.290
Das gilt auch für die angesichts neuer Medienformen zunehmend geforderten crossmedialen
Arbeitsweisen, die an sich zwar eine Entgrenzung journalistischer Routinen bedeuten können,
diese aber keinesfalls zwangsläufig nach sich ziehen müssen.291 Ungeachtet dessen sind die
Veränderungen im strukturellen und systemischen Umfeld des Journalismus durch die neuen
Medientechniken, vor allem im Bereich des Internets, erheblich.292 Hier betritt die Journalis-
musforschung Neuland – auch indem neue theoretische Ansätze zur Beschreibung und Erklä-
rung herangezogen werden.293
Hinzu kommt noch ein weiterer gravierender Umbruch in der organisatorischen Gestal-
tung journalistischer Arbeit, der eng mit dem angedeuteten Bedeutungsverlust der Redaktionen
als differenzierter journalistischer Leistungseinheiten einher geht: Journalistische Tätigkeiten
werden aus der Redaktion hinaus auf Zulieferer verlagert.294 Die Folge ist allerdings auch hier
eine weitere Ökonomisierung des Journalismus, da Kosten-Nutzen-Verhältnisse noch einfa-
cher kontrolliert und effizienter gestaltet werden können, wenn das unternehmerische Risiko
an Sub-Unternehmer ausgelagert wird, und der Medienbetrieb selbst nur mehr fertige Produkte
einkauft. Altmeppen, Donges und Engels warnen daher davor, dass auch hinsichtlich der
beruflichen Ausübung des Journalismus gravierende Veränderungen bevorstehen, durch
welche die derzeitige Dominanz der Lohnarbeit als maßgeblicher Institution journalistischer
Tätigkeit erheblich an Bedeutung verlieren werde. Maßgeblich sind dafür insbesondere neue
Arbeitsformen und -routinen der Informationsgesellschaft, die sich von denen der Industriege-
sellschaft weitgehend unterscheiden.295
In der Konsequenz kann davon ausgegangen werden, dass auch eine Restrukturierung re-
daktioneller Arbeitsroutinen ambivalente Folgen nach sich ziehen kann. Während Befürworter
mehr Flexibilität und damit eine Rückkehr journalistischer Kommunikativität erwarten, sehen
Kritiker nicht selten in den neuen Strukturen nur eine weitere Stufe der Unterwerfung des
journalistischen Produktionsprozesses unter ökonomisches Kalkül. Die flexible Teamarbeit
soll, im Gegensatz zu den starren Mustern der an Fließbandarbeit orientierten arbeitsteiligen
Taylorisierung, für eine noch bessere Ausschöpfung der Arbeitskapazitäten sorgen. Und was in

289 Vgl. ebd., S. 183; ähnlich auch Meier 2002a, S. 409.


290 Loosen/Scholl 2002, S. 149
291 Vgl. Loosen 2005, S. 317f.; Engels 2002
292 Vgl. Neuberger 2002a, S. 103
293 Vgl. als ein Beispiel Quandt 2002, der gerade angesichts der Volatilität der neuen Medienformen für eine
„strukturationstheoretische Annäherung an das Handeln in Online-Redaktionen“ plädiert und damit einen
‚dritten Weg‘ zwischen Systemtheorie und klassischer Akteurstheorie einschlägt.
294 Vgl. Altmeppen/Donges/Engels 1999
295 Vgl. ebd., S. 275ff.
3 Ausdehnung systemischer Zweckrationalität 295

den Outsorcing-Modellen auf den ersten Blick euphemistisch als Re-Etablierung journalisti-
scher Eigenständigkeit interpretiert werden könnte, entpuppt sich de facto nicht selten als
noch vollständigere Kontaminierung journalistischer Kommunikativität mit ökonomischen
Imperativen, da der Zwang zur Vermarktung jedem journalistischen Handlungsakt unterlegt ist
und die materiellen Freiräume des sozial abgesicherten Arbeitsverhältnisses entfallen, ohne
dass die – theoretisch denkbaren – symbolisch sinnhaften Freiräume des zwanglosen Kommu-
nizierens jenseits der beruflichen Rolle wirklich zugänglich wären.

3.3 Strukturierung, Mediatisierung oder Kolonialisierung des Journalismus

Der Blick auf die praktischen Rahmenbedingungen journalistischen Handelns und ihre media-
len Imperative hat noch einmal verdeutlicht, dass nicht die Einführung zweckrationaler oder
systemfunktionalistischer Elemente per se zu einer Beeinträchtigung journalistischer Hand-
lungsspielräume führt, sondern dass es darauf ankommt, ob die strukturellen Bedingungen wie
Organisationen, Technik und Rollen medial vorgeprägt werden oder journalistisch gestaltbar
bleiben. Die Frage, ob Journalismus eine Phase der Strukturierung, der Mediatisierung oder gar
der Kolonialisierung durchläuft, kann entsprechend nur jeweils kontingent beantwortet werden
– ein Umstand, der generell für die Abgrenzung des Verhältnisses zweckrationaler und kom-
munikativer Rationalitäten gilt, wie Habermas konstatiert.
„Wohl ist innerhalb der formal organisierten Handlungsbereiche der Koordinationsmechanismus der Ver-
ständigung partiell entmächtigt; aber die relative Gewichtung zwischen Sozial- und Systemintegration ist eine
schwierige, und allein empirisch zu entscheidende Frage.“296

So definieren redaktionelle Organisationsstrukturen die journalistische Tätigkeit in medialen


Großinstitutionen zwar vor, können sie aber nicht letztgültig bestimmen. Die Leistungsfähig-
keit des Gestaltungsprinzips Organisation muss in manchen Situationen des Medienalltags
gegenüber der interpersonalen Kommunikation297 und gegenüber koordinierender Interakti-
on298 zurückbleiben. Aus eigener Bestandsrationalität heraus belässt der institutionelle Rahmen
der Medieninstitution daher – selbst wenn er ökonomisch gesteuert wird – Spielräume kom-
munikativen Handelns.299 Journalisten bringen als soziale Akteure, darauf verweist die Habitus-
Analyse von Raabe, auch extra-journalistische Prägungen in ihr soziales Handeln mit ein.300
Dies kann aus Sicht des Medienunternehmens nur dann erfolgreich sein, wenn sie den Unter-
nehmenszielen trotz des nicht verabsolutierten Zwangs folgen und versuchen, „[…] in Über-
einstimmung mit der funktionalen Ausrichtung ihres Medienunternehmens jeweils optimale
Thematisierungs- und Präsentationsleistungen zu erbringen“.301 Ob dies geschieht, weil ein
kommunikativ ausgetrockneter Journalismus bereitwillig den Prämissen des ökonomischen
Systems folgt, oder aber weil die organisatorischen Imperative im Einklang mit journalistisch-

296 Habermas 1995 [1981], Bd. 2, S. 462


297 Vgl. Saxer 1993a, S. 301
298 Vgl. Altmeppen 1999
299 Eine individuelle Fallbehandlung muss möglich sein: „Medienprodukte […] sind Unikate, zumindest in der
Herstellung. Eine Massenproduktion existiert nicht; egal ob Nachrichtensendung, Spielfilm, Zeitungsseite oder
Werbetrailer – erst durch den Vertrieb oder die technische Verbreitung werden die Medienprodukte zu Mas-
sengütern.“ (Altmeppen 1996b, S. 265)
300 Vgl. Raabe 2005, S. 180ff.
301 Saxer 1994, S. 5
296 V Strukturwandel der Öffentlichkeit – Ausdifferenzierung der Massenmedien

publizistischen Zielsetzungen stehen, ist empirisch offen. Das Spannungsfeld lässt sich markie-
ren und die Systemdynamiken lassen Kolonialisierungseffekte vermuten – theoretisch ent-
scheidbar aber ist diese Frage nicht.
Auch technische Innovationen im Redaktionsalltag, wie die Einführung moderner compu-
tergestützter Medientechnik, können sowohl zu einer Hierarchisierung als auch zu einer
Dezentralisierung führen; sie können die weitere Standardisierung von Arbeitsabläufen voran-
treiben oder für deren Individualisierung sorgen; sie können integrierend oder differenzierend
auf den Produktionsprozess wirken; und sie können die Bildung neuer spezifischerer journalis-
tischer Rollen befördern oder aber die Zusammenlegung vormals getrennter Produktions-
schritte forcieren.302 Technik hat sowohl das Potenzial Arbeitsprozesse zu entlasten, als auch
sie soweit zu verdichten, dass zweckrationale Zwänge die Räume der Verständigung besetzen.
Aber selbst wenn letzteres geschieht, verbleibt ein Widerstandspotenzial.
In den neu entstehenden Onlineredaktionen, deren Einrichtung maßgeblich vom stattfin-
denden Technisierungsschub getrieben wird, zeigt sich, dass es keineswegs neue Rollenmuster
sind, die sich mit dieser Entwicklung herausprägen, sondern dass bislang „nur geringe Unter-
schiede zum traditionellen Journalismus“ festzustellen sind.303 Auch die erkennbaren Verände-
rungen – wie der weiter zunehmende Schwerpunkt auf Selektions- und Redaktionsaufgaben –
liegen auf der Linie der bereits generell im Journalismus beschriebenen Verschiebungen und
konstituieren kein neues Journalismusverständnis; maßgeblich für die Arbeit bleiben die Ideale
des Informationsjournalismus.304 Tatsächliche Neuerungen dagegen, wie die ‚Weblogs‘ oder
interaktive Formate, sind oftmals eher in einer „Grauzone um den Journalismus“ angesiedelt,
die sich in Onlineformaten gebildet hat und in der para- und pseudojournalistische Formate
eine wichtige Rolle spielen.305 Durch deren wachsende Bedeutung verschwimmen zugleich die
Konturen der Online-Berichterstattung jenseits des relativ klar definierten Informationsjourna-
lismus.306
Mit Blick auf die Institutionalisierung beruflicher Rollen hat sich die Literatur lange an idea-
lisierten Modellen abgearbeitet. Aus einer solchen Perspektive kommt man beinahe zwangsläu-
fig zu der Feststellung, dass die Rede vom Journalismus als Selbstverwirklichung derzeit wie
ein „theatralische[r] Selbstbetrug“ erscheinen muss.307 Für die „Diskrepanz zwischen berufli-
cher Realität und beruflichem Bewußtsein der Journalisten“ sei mangelnde Selbstreflexion
verantwortlich konstatiert Weischenberg308 und weist damit auch auf eine nachhaltige Schwä-
chung lebensweltlicher Regenerationsmöglichkeiten des Journalismus hin. Andere Autoren
erklären sich die ‚Illusion‘ einer schöpferischen und selbstbestimmten journalistischen Tätigkeit
mit der Internalisierung mediensystemischer Zwänge, die von den Journalisten selbst nach
vollzogener Anpassung als journalistische Normen ausgewiesen werden.309 In solchen Fällen

302 Vgl. Weischenberg 1981b, S. 166f.


303 Löffelholz u.a. 2003, S. 485
304 Vgl. ebd., S. 483. Auch deswegen ist Rager (1999b) zuzustimmen, dass zunächst nicht zu vermuten ist, dass
etablierte Medien wie die Tageszeitung durch die neuen Angebote bedroht sind.
305 Neuberger 2000a, S. 310
306 Auf diese Entwicklung weist Loosen (2005) hin. Erste Unklarheiten lassen sich empirisch feststellen, wenn
Online-Journalisten die Gestaltung von Webseiten im Kundenauftrag oder die Integration von E-Commerce-
Angeboten in journalistische Berichterstattung für unproblematisch halten (vgl. Neuberger 2000a, S. 316).
307 Prott 1976, S. 119. Auch Saxer (1993a, S. 297) konstatiert etwas moderater, dass der Realitätsgehalt des
„öffentlich in Zirkulation gebrachten Autostereotyps von Journalismus als Beruf“ nur sehr gering sei.
308 Weischenberg 1981b, S. 158
309 Vgl. z.B. Zeuner 1973, S. 27. Möglich sei dies, weil die offizielle journalistische Standesideologie die Widersprü-
che der betrieblichen Produktion medialer Produkte durch ihren nach wie vor normativen Individualismus auf
3 Ausdehnung systemischer Zweckrationalität 297

wäre eine Kolonialisierung des journalistischen Handelns weit gediehen, würde doch die
diskursive Begründungsnotwendigkeit des Handelns, wenn überhaupt, nur vordergründig
aufrechterhalten, während eine systemische Verwertungslogik journalistische Verständigungs-
absichten frontal unterläuft. Dröge und Kopper stellen fest, dass „[…] – nicht zuletzt durch
die Einschränkungen des journalistischen Arbeitsmarkts im Gefolge der Konzentrationsbewe-
gung bestimmt – die Anpassungen des Berufsverständnisses an die ökonomischen Distributi-
onsbedingungen des Mediums inzwischen offensichtlich zum reibungslos funktionierenden
professionellen Selbstbewußtsein“ gehören.310
Aber auch hier gilt, dass es Reservate relativer journalistischer Handlungsautonomie selbst
unter den Bedingungen eines elektronischen Informationsjournalismus geben kann, wenn
„[…] aus der journalistischen Berufskultur gewissermaßen eine Gegenkraft gegen die Prozesse
der Entindividualisierung des Journalismus heranwächst“311. Auf ein derartiges kommunikati-
ves Potenzial vor allem an den Rändern des Mediensystems haben auch Fabris und Gott-
schlich bereits in ihren Studien verwiesen.312 Diese Kommunikativität auch in der Mitte des
professionalisierten oder zumindest verberuflichten Journalismus wieder zu aktivieren, und
damit auch den Einfluss ‚klassischer Formen‘ des Journalismus gegenüber der Informationsky-
bernetik redaktioneller ‚Fakten‘-Auslese in beruflich institutioneller Hinsicht zu stärken, wäre
ein lohnenswertes Projekt für die Journalistik, um Journalismus auch als Berufsarbeit mit seiner
kommunikativen Grundlage diesseits einer mittelfristig dysfunktionalen Kolonialisierung zu
versöhnen.313
Einige der lebensweltlich und extra-journalistisch vorgeprägten Aspekte journalistischen
Handelns, die Raabe aufgrund ihrer nur geringen Kontrollierbarkeit im redaktionellen Produk-
tionsprozess als „Kontingenzen in der journalistischen Beschreibung der Wirklichkeit“314
problematisiert, sind tatsächlich eher als Ausdruck einer genuinen, unhintergehbaren und für
journalistisches Handeln konstitutiven Kommunikativität zu betrachten. Forderungen nach
ihrer Standardisierung oder Kontrolle führen zu den beschriebenen Mediatisierungen und
Kolonialisierungen. Notwendig wäre stattdessen, diese Kommunikativität bewusst zu entwi-
ckeln, sie aber durch verbesserte Leistungen mit Blick auf die journalistische Ausbildung auch
entsprechend zu den Bestandsnotwendigkeiten medialer und redaktioneller Organisations-
strukturen in Verbindung zu setzen. Das wäre eine Alternative zu Konzeptionen für ein
‚medienethisch reflektiertes News-Management‘ als Antwort auf den Verlust des Journalisti-
schen in Nachrichtenredaktionen.315
Differenzierungstendenzen in Redaktionen sind keineswegs allumfassend, sondern be-
schränken sich in deutschen Medienbetrieben in erster Linie auf thematische Untergliederun-
gen, während die Arbeitsteilung zwischen den verschiedenen Arbeitsschritten ‚Recherche‘,
‚Schreiben‘ und ‚Redigieren‘ innerhalb der Ressorts so gering ausgeprägt ist, dass eine „formali-
sierte Rollendifferenzierung auf funktionaler Ebene“ vor allem in kleinen und mittleren Zei-

Probleme des einzelnen Journalisten reduziere und die Organisiertheit des journalistischen Produktionsprozes-
ses nicht zur Kenntnis nehme. Der Arbeitsprozess erscheine ausschließlich als ein individueller Schöpfungs-
prozess, der vom Produkt her zu beurteilen sei, während die Arbeitsbedingungen, die durch die Redaktionshie-
rarchien bestimmt würden, keine wesentliche Rolle spielten (vgl. ebd., S. 23).
310 Dröge/Kopper 1991, S. 131
311 Saxer 1993a, S. 296
312 Vgl. Gottschlich 1980; Fabris 1979
313 Vorschläge dagegen, die ihre Hoffnung in alternative journalistische Rollenbilder und Berichterstattungsmuster
konzentrieren, erscheinen Weischenberg (1983, S. 366) nicht ganz zu unrecht als „Rückzug aus der Realität“.
314 Raabe 2005, S. 207
315 Für ein solches Nachrichten-Management plädiert Haller 1996, S. 40ff.
298 V Strukturwandel der Öffentlichkeit – Ausdifferenzierung der Massenmedien

tungen, aber auch in den privat-kommerziellen Rundfunksendern, nach wie vor die Ausnahme
ist.316 In der Entwicklung von Redaktionen wird anknüpfend daran in den zurückliegenden
Jahren ein zunehmender Trend zur Entdifferenzierung festgestellt.317 Jüngere theoretisch
ambitionierte Arbeiten der Redaktionsforschung verabschieden sich – wie gesehen – nicht
zuletzt auch deshalb von den starren Systemkonzeptionen und betonen stattdessen die Flexibi-
lität redaktioneller Organisationsstrukturen. Sie gehen davon aus, dass redaktionelle Strukturen
und Programme zwar Vorgaben machen, aber das individuelle und kooperative Handeln nicht
letztgültig determinieren können, sondern die Beziehung zwischen beiden als ein wechselseiti-
ger Strukturierungsprozess zu sehen ist. In den Blick geraten dadurch journalistische Hand-
lungsspielräume, die in systemtheoretischen Konzeptionen nicht beschreibbar sind, weil dort
nur systemisch determinierte Rollenträger konzeptionell denkbar sind. Die Strukturen, in
denen journalistisches Handeln stattfindet, erscheinen dann als ein sich öffnender „Korridor
möglicher Handlungsweisen“, der sowohl von journalistischen als auch von ökonomischen
Erwartungen geprägt wird, innerhalb dessen journalistische Akteure „eigenverantwortlich und
selbständig“ handeln und der von den Akteuren (zumindest zum Teil) selbst bestimmt und
verändert werden kann.318 Pätzold beschreibt, inwiefern zum Beispiel eine Reportage Ergebnis
der Verschränkung individuellen Handelns und redaktioneller Vorgaben ist:
„In der Vorarbeit werden durch redaktionelle Verfahren die Weichen gestellt und der Weg abgesteckt. In der
Nacharbeit wird kontrolliert, ob der Autor mit seinem Produkt den richtigen Zielort erreicht hat. Die redakti-
onelle Leistung umschließt das Einzelprodukt, dessen schöpferische Mitte die individuelle Einzelleistung
ist.“319

Das quer zu den Hierarchien des Entscheidungshandelns verlaufende Koordinierungshandeln,


mit dem sich Journalisten gegen die Unsicherheiten ihre Alltags zu helfen versuchen, ist
ebenfalls ein Indiz dafür, dass sich auch moderne Redaktionen keineswegs so sehr in Routinen
erschöpfen, wie das eine systemische Analyse erwarten lässt.320
Ein aktivierbares journalistisches Potenzial scheint also vorhanden: In einer bemerkenswer-
ten Pointe setzt Hienzsch daher seine Hoffnungen gerade auf das tradierte und anachronisti-
sche Selbstverständnis der Journalisten als eigenständige und gesellschaftlich verantwortliche
Kommunikatoren. Zwar sei dieses einerseits kaum mehr mit den Bedingungen journalistischen
Arbeitens in Einklang zu bringen. Zugleich aber bewahre es, wenn auch nur in Form plakativer
Postulate, einen normativen journalistischen Anspruch. Diese publizistisch-journalistische
Inanspruchnahme von Kommunikativität, die sich nicht ökonomischer Zweckrationalität und
Effizienzlogik entnehmen ließe, drohe ansonsten in den kybernetischen Kreisläufen redaktio-
neller Arbeit verloren zu gehen. In Form der Berufsideologie werde sie immerhin verzerrt
tradiert und verbleibe damit prinzipiell reaktivierbar321 – als Ausgangspunkt eines lebensweltli-
chen Widerstands, der einen diskursiven Journalismus möglich machen und eine funktionalisti-
sche Kolonialisierung journalistischer Organisationsstrukturen durch massenmediale Systemlo-
gik verhindern soll.

316 Weischenberg 1992a, S. 287


317 Vgl. Meier 2002a, S. 330. Während in der Literatur noch die klassische, straff organisierte Ressortstruktur als
Normalfall angegeben wird, verweisen Chefredakteure in Befragungen bereits auf weit flexiblere Strukturen und
weitere Umstrukturierungsabsichten, mit denen die Sichtbarkeit von einzelnen Autoren und die Ausprägungen
von querschnittsorientierter Teamarbeit weiter gefördert werden sollen.
318 Altmeppen 1999, S. 52
319 Pätzold 1999, S. 170f.
320 Vgl. Altmeppen 1999, S. 75f.
321 Vgl. Hienzsch 1990, S. 297
4 Zwischenfazit: Selbstbehauptung journalistischer Potenziale 299

4 Zwischenfazit: Selbstbehauptung journalistischer Potenziale


In der Beziehung von Journalismus und Massenmedien sind realistische und normative An-
nahmen paradox ineinander verwoben. Massenmedien und Journalismus bedürfen einander,
stehen aber trotzdem in einem widersprüchlichen Verhältnis zueinander.
• Einerseits benötigt Journalismus für seine Berichterstattung die technische Infrastruktur
der Massenmedien. Massenmedien wirken entgrenzend, indem sie Kommunikation aus
zeitlichen oder räumlichen Restriktionen herausheben können.
• Andererseits werden kommunikative Möglichkeiten des Journalismus durch eben diese
technischen Bedingungen der Massenmedien sowie durch deren rechtliche und ökonomi-
sche Fundierung eingeschränkt. Massenmedien begrenzen und hierarchisieren Kommuni-
kation, indem sie Zugang zu gesellschaftlichen Verständigungsprozessen beschränken und
durch formale Vorgaben kommunikative Kreativität einengen.
Aspekte der Emanzipation auf der einen sowie der Vermachtung und Ökonomisierung auf der
anderen Seite sind schon in der Struktur der Massenmedien selbst eng miteinander verflochten.
Massenmedien sind in dieser doppelten Bedeutung zur Kenntnis zu nehmen: Mediensystem,
Medieninstitutionen und die Spezifika von Medienaussagen bilden explizit den Rahmen, der
die Rollendefinition journalistischer Akteure mit bestimmt.322 Häufig wird in der Literatur der
„Doppelcharakter der Medien als publizistische Leistungsträger und industrielle, also profitori-
entierte Unternehmen“ beschrieben.323 Bereits in der historisch-materialistisch informierten
Medienkritik wird Medienunternehmen das Dilemma attestiert, „[…] öffentliche Institutionen
mit einem verfassungsrechtlich legitimierten Auftrag sein zu wollen und hart konkurrierende,
gewinn- und anzeigenorientierte, auf größtmöglichen Absatz angewiesene Wirtschaftsunter-
nehmen sein zu müssen“.324 Medienunternehmen stützen sich sowohl auf eine journalistisch-
publizistische, als auch auf eine wirtschaftliche Komponente, die einander zumindest partiell
strukturell widersprechen, aber zugleich aufeinander angewiesen sind.325 Weischenberg diag-
nostiziert eine „eingebaute Schizophrenie“, welche zu Widersprüchen zwischen den Erwartun-
gen an die Medien und den Leistungen, zu denen sich Medien in der Lage sehen, führt.326
Nicht nur im Unternehmen, sondern auch auf gesellschaftlicher Ebene müssen die wechselsei-
tigen Wirkungen von Profitorientierung und publizistischen Zielen in den Medien ständig
balanciert werden.327 Das Verhältnis von Journalismus und Medien, so Saxer, ist entsprechend
als „mehrdimensional“ zu betrachten.328

322 Vgl. Weischenberg 1990a, S. 53


323 Altmeppen 1996a, S. 13; vgl. auch Jarren/Meier 2002, S. 110. Das Zwei-Säulen-Modell des privatkommerziel-
len Lokalfunks in NRW institutionalisiert die Widersprüchlichkeiten zwischen publizistischen und ökonomi-
schen Absichten in der Dualität von Veranstalter- und Betreibergemeinschaft (vgl. Pätzold/Röper 1995, S. 11).
324 Holzer 1971, S. 9
325 Journalistisches und wirtschaftliches Handeln haben durchaus auch Felder gemeinsamer Interessen: zum
Beispiel die Maximierung der angesprochenen Personen. Doch schon bei der Frage nach der Art der Anspra-
che enden die Gemeinsamkeiten: Während sich Journalismus an kommunikativ kompetente Staatsbürger wen-
det, kennt ein Medienunternehmen in erster Linie Kunden. Die Organisation der Austausch- und Leistungsbe-
ziehungen ist, je nachdem welches Rationalitätsprinzip dominant steuert, unterschiedlich.
326 Weischenberg 1992a, S. 170
327 Diese Balance geht verloren: „Geht man von einer zunehmenden Subordination publizistischer Zielsetzungen
unter ökonomischen Kriterien aus, so nehmen folglich die strukturellen Spannungen zwischen dem wirtschaft-
lichen und dem publizistischen Wettbewerb zu, da die Maximierung von Umsatz, Gewinn und Marktanteilen
nicht notwendigerweise eine Optimierung von publizistischer Vielfalt und publizistischer Qualität zur Folge
hat.“ (Meier/Jarren 2001, S. 151)
328 Saxer 1993a, S. 292
300 V Strukturwandel der Öffentlichkeit – Ausdifferenzierung der Massenmedien

Die hohen gesellschaftlichen Erwartungen an die journalistischen und publizistischen Leis-


tungen der Medien führen dazu, dass deren Institutionalisierung prekär verbleibt: Soziale
Anforderungen an Medien können auch im Widerspruch zu ökonomischen Erfordernissen
stehen.329 Die Verpflichtung der Medien auf gesellschaftliche Kommunikation konfligiert
potenziell mit ihrer privatwirtschaftlichen Basis; und das Prinzip der Medienfreiheit verhindert
darüber hinaus auch ihre intensive Verrechtlichung – der Charakter der Medien bleibt daher
instabil: „Der Institutionalisierung von Medienkommunikation ist also gewissermaßen ihre
Entinstitutionalisierung immer wieder beigesellt“, wie Saxer resümiert.330 Eine Aufstrukturierung
der Massenmedien zu einem eigenlogischen System im Luhmannschen Sinne ist angesichts der
widersprüchlichen Anforderungen kaum möglich. Medienunternehmen agieren auf der Grund-
lage des ökonomischen Codes als Agenten einer übergreifenden zweckrationalen Profitlogik.
Dabei sind Medien nicht als operativ geschlossenes System zu sehen331, sondern als eine
institutionelle Struktur, die ökonomisch integriert und reproduziert wird, zugleich aber offen
verbleiben muss für die kommunikativen Leistungen, die sie verkauft.
Diese systemische Struktur hat Auswirkungen auf journalistisches Handeln: Wenn mediale
Profit- oder Technikimperative das Primat in der Gestaltung der Infrastruktur gesellschaftli-
cher Kommunikation übernommen haben, so der düstere Ausblick der ‚kritischen‘ Journalis-
musforschung in den 1970er Jahren, dann werde die Verberuflichung zu einer Unterordnung
des Journalismus unter das ökonomische System führen.332 Einige dieser Studien haben bereits
früh das Binnenverhältnis von Massenmedien und Journalismus thematisiert und damit abseits
ihres bisweilen ideologischen Eifers wertvolle Hinweise geliefert.333 Sie legen den Befund nahe,
dass sich Kolonialisierungstendenzen finden lassen, dass also mediale Imperative journalisti-
sche Kommunikationslogik in Teilen verdrängen. Baum hat beschrieben, was eine potenzielle
Unterordnung des Journalismus unter die Imperative des Mediensystems – selbst wenn dies in
guter, weil unterstützender Absicht gemeint ist – bedeuten kann:
„Gerade die ‚Alimentierung‘ und ‚Protektion‘ des Journalismus nämlich bedeutet die Austrocknung der ihn
tragenden Idee, eine Umstellung auf ‚Steuerungsmedien‘, die nicht einer auf Verständigung gerichteten Ver-
nunft entsprechen, sondern aus der Perspektive einer technischen, das heißt an Verfügungsgewalt interessier-
ten Zweckrationalität installiert werden und so die ‚Sprache in ihrer Koordinationsfunktion ersetzen‘.“334

Diese Feststellung bedarf allerdings der Präzisierung, um nicht in der aporetischen Sackgasse
eines melancholisch-resignativen Zerfallsszenarios zu münden: Journalismus bedarf materieller

329 Vgl. dazu Kopper 1986, S. 165


330 Saxer 1998b, S. 58f.
331 Auch einige systemtheoretisch informierte Autoren sehen Medien bzw. Journalismus derzeit als eine dynami-
sche Form, die zwischen verschiedenen Ansprüchen anderer sozialer Systeme oszilliert. Die Abgrenzungen zu
anderen Bereichen verschwimmen zusehends, von einer Autopoiesis könne keine Rede sein, allenfalls die
Selbstthematisierung steige (vgl. Weber 2000, S. 166ff.).
332 Vgl. dazu z.B. Schütt 1981; Prott 1976; Paetzold/Schmidt 1973; Berliner Autorenkollektiv Presse 1972.
333 Rückblickend hat es allerdings den Anschein, als ob die Beziehungen zwischen medialem Umfeld und journalis-
tischen Handlungsmöglichkeiten auch deshalb im Rest des Faches nicht zureichend untersucht worden sind,
weil diese Perspektive zumeist nur von Ideologen einer materialistischen Weltsicht eingenommen worden. Ver-
einzelte Ausnahmen sind früh feststellbar (vgl. Hagemann 1957; Glotz/Langenbucher 1968; Starkulla 1965),
aber die Vehemenz der Kritik der Verleger selbst an einer aus konservativer Sicht verfassten wissenschaftlichen
Kritik privatwirtschaftlicher Medienverfassung (vgl. exemplarisch Binkowski 1966) zeigt deutlich, dass die
Thematisierung dieses prekären Verhältnisses schwierig gewesen sein muss. Die langjährige Angewiesenheit der
Publizistik- und Kommunikationswissenschaft auf Legitimation durch Medienpraktiker, mag hierbei auch eine
Rolle gespielt haben (vgl. Neveling 1973, S. 198).
334 Baum 1994, S. 90
4 Zwischenfazit: Selbstbehauptung journalistischer Potenziale 301

Ressourcen, die effizient nach ökonomischen Kriterien bereitgestellt werden. Diese unumgäng-
liche und in ihrer Spannung auszuhaltende Abhängigkeit des Journalismus von medialen
Imperativen kann dann in eine Kolonialisierung des Journalismus durch die Medien umschla-
gen, wenn es der Systemseite gelingt, sich den kommunikativen journalistischen Handlungs-
modus prinzipiell unterzuordnen. In diesem Fall leistet die systemische Ausdifferenzierung
nicht mehr die Reproduktion der zur Aufrechterhaltung gesellschaftlicher Kommunikation
notwendigen materiellen Ressourcen, sondern sie gefährdet darüber hinaus auch die Repro-
duktion ideeller und symbolischer Güter durch diese Kommunikation (und damit auch durch
Journalismus) selbst.
Die ökonomische Indienstnahme der Massenmedien führt, so Krotz, zu einer „ökonomischen
Funktionalisierung kommunikativen Handelns“.335 Dadurch verändern sich die kommunikative
Innenausstattung einer Gesellschaft und damit auch ihr Journalismus. Vor allem geraten
wichtige Fragen der Organisation des Gemeinwesens, wie die Verfasstheit des Mediensystems,
zunehmend aus dem Blick der Öffentlichkeit und der politisch-demokratischen Gestaltbar-
keit.336 Dieser Prozess – Krotz nennt ihn, abweichend zum Begriffsgebrauch der vorliegenden
Studie, ‚Mediatisierung‘ – schlägt darüber hinaus potenziell durch auf die Möglichkeiten der
Etablierung einer rationalen öffentlichen Kommunikationssphäre. Eine Folge ist das
„[…] abzusehende Ende eines Journalismus, der in einer klassischen Gemeinwohlperspektive die Informiert-
heit aller im Blick hat, zugunsten einer Funktionalisierung gesellschafts- und demokratierelevanter Informa-
tionen für definierte Zielgruppen, die auch über ihr Informationsinteresse der Werbeindustrie zugeführt wer-
den sollen. Dies berührt die Demokratie in ihrem Kern.“337

Ergebnis ist der zu beobachtende Trend zu einem mit dem Gewinnstreben kompatiblen
„Unterhaltungs-, Nutzwert-, Werbeumfeld-, Grenzgewinn-, Kauf-, Konzern- und Kaskaden-
journalismus“.338 In der Rezipientenansprache rückt an die Stelle des politischen Bürgers der
Kunde als Konsument.339 Münch merkt zu Recht an, dass ein solcherart vollständig kommer-
zialisiertes Kommunikationssystem unter Umständen zwar die Bedingungen der Produktion
materiellen Wohlstands verbessert, dass diese Tendenz aber der gesellschaftlichen Etablierung
einer öffentlichen Kommunikation entgegensteht, die Verständigung herbeiführen soll.340
Notwendig ist daher eben auch, dass die Finanzierung eines zunächst wirtschaftlich weniger
bedeutsamen Qualitätsjournalismus gewährleistet ist341, dass Journalisten ausgebildet werden,
die in der Lage sind, auf Basis eines soliden Hintergrundwissens und mit entsprechender
Analysekompetenz Zusammenhänge in einer komplexen und differenzierten Welt verständlich
zu machen, und dass Journalismus in der Lage bleibt, Spartengrenzen ebenso zu überschreiten
wie er Bezüge zwischen lokalen, nationalen und globalen Ereignissen herzustellen vermag.
Münch schreibt den Journalisten weitreichende Aufgaben im Hinblick auf ihren Beitrag zur
„globale(n) Verständigung, Konsensbildung und Handlungskoordination“342 zu. Nur wenn
dies alles gewährleistet sei, so Münch werde der Journalismus in der „Kommunikationsflut der

335 Krotz 2001a, S. 206 (Herv. von mir, -cb-). Letztlich hält er es für offen, welche Konsequenzen die „Abhängig-
keit von ökonomischen Motiven und ökonomischen Zwängen“ nach sich ziehen wird (vgl. ebd., S. 214).
336 Vgl. ebd., S. 209
337 Ebd., S. 207
338 Heinrich 2001, S. 165
339 Vgl. Blöbaum 2000, S. 139
340 Vgl. Münch 1993, S. 278
341 Wenngleich mit Heinrich (1996) vermutet werden kann, dass in der Differenzierung über Qualität durchaus
Erfolgsmöglichkeiten auch in ökonomischer Hinsicht zu finden sind; vgl. auch Brosda 2005.
342 Münch 1993, S. 276
302 V Strukturwandel der Öffentlichkeit – Ausdifferenzierung der Massenmedien

modernen Kommunikationsgesellschaft“ nicht weggeschwemmt „wie ein Stück Treibholz aus


vergangenen Zeiten“.343 Es ist offensichtlich, dass der ‚Journalismus‘, den ein ökonomisiertes
Mediensystem in einer Gesellschaft hervorbringt, in der Kommunikation inflationär geworden
ist, kaum in der Lage sein kann, diesen Anforderungen zu genügen. Die Inflation öffentlicher
Kommunikationsangebote und -versuche untergräbt performativ die Grundlagen, auf denen
öffentliche Verständigung kommunikativ nur möglich ist, weil „tatsächliche journalistische
Aufklärung über gesellschaftlich problematische Sachverhalte“ vom allgemeinen Lärm einer
„kommerziell kalkulierten Aufklärung“ kaum zu unterscheiden ist und so entwertet wird.344
In einem ökonomisierten Mediensystem setzt sich ein journalistischer Idealtypus durch, der
in der Forschung mit der Metapher des ‚gatekeepers‘ beschrieben wird und in weitgehend
ausdifferenzierten Mediensystemen nur einen geringen Autonomiegrad besitzt.345 Diese Form
des Informationsjournalismus betont die Selektion von Nachrichten stärker als die Kommuni-
kativität der Auseinandersetzung mit ihren Inhalten. Sie scheint – aufgrund ihrer funktionalisti-
schen Anlage – besonders geeignet zu sein für ein Journalismusverständnis, das die organisato-
rischen und technischen Zwänge im Medienbetrieb hervorhebt und von einer selbstgesteuer-
ten Kybernetisierung der Nachrichtenproduktion ausgeht.346 Der ‚gatekeeper‘ öffnet und
schließt das Tor entsprechend des Fahrplans, der ihm medial und zumeist nach ökonomischen
Interessen vorgegeben worden ist. Journalistisches Handeln wird damit in der Praxis zur
bloßen Funktionserfüllung herabgewertet und durch entsprechende funktionalistische Studien
zugleich wissenschaftlich in der neuen, normativ entkernten Leistungsrolle unter medialem
Primat wieder legitimiert.347 Der Vermittlungsgedanke wird auf den reinen Nachrichtentrans-
port reduziert. Haller konstatiert in Folge der Rationalisierung des Nachrichtenjournalismus in
modernen, arbeitsteiligen Redaktionsstrukturen, „[…] daß journalistisches Handeln zu einer
abhängigen Variablen der redaktionellen Organisation geworden ist, die wiederum auf die
funktionalen Vorgaben des Mediensystems und seiner Ökonomie ausgerichtet ist“.348 In dieser
Mehrstufigkeit wird deutlich, dass es darum gehen muss, die organisatorischen Strukturen des
Journalismus zumindest teilweise nach journalistischen Imperativen zu gestalten, um das
Spannungsverhältnis nicht einseitig in Richtung einer Dominanz des Medialen aufzulösen.
Die ‚gatekeeper‘-Forschung fördert heutzutage gegenteilige Trends zutage: Nicht mehr nur
individuelle Journalisten fallen unter den mediensystemischen Einfluss, sondern „die Institu-
tionen der Aussagenentstehung mit ihren Einflußsphären und Entscheidungsprozessen“
stehen im Zentrum der Untersuchungen; die Betrachtungsweise hat sich vom individuellen
über das institutionelle hin zum kybernetischen entwickelt.349 ‚Gatekeeper‘ sind heutzutage
komplexe, sich selbststeuernde Funktions- und Regelkreisläufe des Journalismus unter Me-
dienbedingungen, in denen journalistische Akteure als Rollenträger klar vorgeprägte Funktio-
nen zu erfüllen haben. Wenn die Verberuflichung einer kommunikativen Leistungsrolle somit
dazu führt, dass die systemische Berufsbeziehung die kommunikative Interaktionsbeziehung
überlagert, dann verliert Journalismus einen guten Teil seiner Möglichkeiten, zur kommunika-

343 Ebd., S. 278


344 Baum 1996, S. 247
345 Vgl. für einen klassischen Überblick über die ‚gatekeeper‘-Perspektive Robinson 1973.
346 Vgl. Weischenberg 1985, S. 196
347 So konstatiert zum Beispiel Neveling 1973, S. 201f.: „Der Journalist wird bei solchen Untersuchungen in
soziologische Funktionspartikel zerlegt, die es ihm verunmöglichen, aus solchen Untersuchungen tatsächliche
Aufschlüsse über seine berufliche Situation und Rolle und damit seine Arbeit zu gewinnen.“
348 Haller 1996, S. 40
349 Weischenberg 1992a, S. 310
4 Zwischenfazit: Selbstbehauptung journalistischer Potenziale 303

tiv rationalen Integration von Gesellschaft beizutragen. Sowohl die beschriebene Aufgabe der
Orientierung durch reflexive Vermittlung, als auch das Ziel der Steigerung von Partizipations-
möglichkeiten durch Inanspruchnahme kommunikativer Kompetenz weichen dann den
zweckrational begründeten Produktionsroutinen eines Nachrichtenjournalismus, bei dem das
Verkaufen auf einem sich beschleunigenden Nachrichtenmarkt im Zentrum der Aktivitäten
steht.350 Dadurch, dass sich Journalismus in seinen Handlungen den ökonomischen Imperati-
ven unterordnet, verliert er auch seine gesellschaftliche Relevanz, weil er Gesellschaft als
Objekt, über das berichtet wird, ansieht und nicht als dynamischen Zusammenhang, an dem er
teil hat und für dessen Gestaltung er mit verantwortlich ist. Die Perspektive einer diskursiven
Anwaltschaft droht im ökonomischen Partikularinteresse weitgehend verloren zu gehen.351

Grafik 5: Der ‚gatekeeper‘-Journalismus ausdifferenzierter Mediensysteme

[eigene Grafik, -cb-]

350 Diese Erkenntnisse lassen sich der US-amerikanischen ‚gatekeeper‘-Forschung entnehmen. Diese Studien,
deren Übertragbarkeit auf den deutschen Journalismus natürlich einzuschränken ist, kommen u.a. zu folgenden
Ergebnissen, die Weischenberg (1992a, S. 308f.) nennt: Journalisten benennen hier die hohe Bedeutung me-
chanischer Arbeitszwänge, internalisieren hierarchische Vorgaben, akzeptieren die Blattlinie als Teil der büro-
kratischen Struktur und besitzen kaum ausgeprägte Vorstellungen über ihr Publikum.
351 Vgl. zu dieser Beobachtung Schütt 1981, S. 279. Hier kopiert Journalismus u.U. nur die vermeintlich beobach-
tende, objektivierende Perspektive, auf die sich eine empirisch-analytische Sozialwissenschaft oft zurückzieht.
304 V Strukturwandel der Öffentlichkeit – Ausdifferenzierung der Massenmedien

In Konsequenz ist damit die Gefahr der strukturellen Verunmöglichung von Diskurs oder
Deliberation über ethisch-politische Ziele eines Gemeinwesens beschrieben. Der zu Beginn
eingeforderte Maßstab, anhand dessen sich die dysfunktionalen Folgen einer vollständigen Ökonomisierung der
Medien messen ließen, ist der Maßstab der Bedingungen der Möglichkeit kommunikativen Handelns auch
innerhalb des Organisationsrahmens eines Medienunternehmens. In dem Moment, in dem Bereiche, die
über die Leistungen kommunikativen Handelns zu symbolischen Ressourcen reproduziert
werden, auf die zweckrationale Logik des Ökonomischen umgestellt werden, geraten sie unter
eine Rationalität, die ihrer nicht entspricht, die eine Beantwortung notwendig zu bearbeitender
Sinnfragen ausschließt und deren Gültigkeit in solchen Bereichen letztlich negative Folgen für
das Gesellschaftssystem als Ganzes nach sich ziehen kann. Dann droht, was Habermas in
einem aktuellen Einwurf drastisch und polemisch überspitzt beschreibt:
„Es stimmt, die politische Öffentlichkeit ist Teil einer weiteren kulturellen Öffentlichkeit, und beide sind
heute an die verschmutzten Kanäle des Privatfernsehens angeschlossen. In einem run to the bottom konkur-
riert auch noch das öffentlich-rechtliche Fernsehen mit den heruntergekommensten Programminhalten und
Präsentationsformen des Kommerzfernsehens. Die öffentlich-rechtliche Organisationsform, die gewiss auch
ihre Probleme hat, war immerhin von dem richtigen Gedanken inspiriert, dass sich nicht alle gesellschaftli-
chen Funktionsbereiche schadlos auf den Markt umpolen lassen. Kultur, Information, Kritik sind auf eine ei-
gene, eigensinnige Form der Kommunikation angewiesen. Jedenfalls sollten die Imperative der Einschaltquo-
ten nicht in die Poren der kulturellen Kommunikation eindringen.“352

Die Kritik an der Dominanz des Ökonomischen in den Medien macht regulierende Eingriffe
notwendig, die darauf zielen, die vom Mediensystem eben auch produzierten meritorischen
Güter, auf die moderne Demokratien konstitutiv angewiesen sind, zu erhalten. Die medienpo-
litische Hoffnung auf eine Steuerung der Medien durch den freien Markt hingegen birgt stets
die Gefahr, „[…] daß das Konzept des Wirtschaftsliberalismus im Pressebereich seine eigene
Fiktion für Realität ausgibt“353, dass der Markt im Medienbereich weitreichend versagt, dies
aber aufgrund der spezifischen Beschaffenheit medialer Güter als „Erfahrungsgüter“ nicht
rechtzeitig bemerkt wird.354 Ein zureichender medienpolitischer Steuerungs- und Regulierungsrahmen für
die Medien ist daher in jedem Fall unverzichtbar.355 Journalismus wiederum kann sein Wider-
standspotenzial gegenüber ökonomisierten Massenmedien vorwiegend aus einer Steigerung
seiner eigenen Rationalität ziehen. Er hat nur dann eine Chance, seine Eigenständigkeit gegen-
über medialen Imperativen zu bewahren, wenn er darauf beharrt, eben keine medial vordefi-
nierbare Form beruflichen Handelns zu sein, sondern eine eigenständige lebensweltliche
Handlungslogik zu besitzen, die beruflich überformt wird und deren gesellschaftliche Leis-
tungsfähigkeit hinsichtlich sozialer Orientierung und Partizipation gefährdet ist, wenn sie zu
sehr unter das Profitprimat systemischer Medieninstitutionen gerät. Eine derart normative
Herangehensweise an journalistisches Handeln steht in der Gefahr, diskreditiert zu werden:
„Der Versuch, sich von der Zweckorientierung einer ökonomischen Rationalität zu emanzipieren, muß ihn
[den Journalisten, -cb-] – zumindest im Licht der Medienökonomie – geradezu als unzurechnungsfähig er-
scheinen lassen.“356

352 Habermas 2001 [1998], S. 18


353 Kopper/Rager u.a. 1994, S. 79. Karmasin (1993; 1998) will deshalb anhand einer Wirtschaftsethik des Unter-
nehmen die Sicherung auch gesellschaftlich funktionaler Strukturen der Medien gewährleistet wissen.
354 Vgl. Kiefer 2001
355 Wie dieser Rahmen aussehen soll, ist Gegenstand gesellschaftlicher Auseinandersetzungen. Vgl. Langenbucher
2003; Imhof/Jarren/Blum 1999a; Schatz/Jarren/Knaup 1997; Wittkämper 1992; siehe auch Kap. VI.
356 Baum 1996, S. 241; vgl. zu Widerstandspotenzialen des Journalismus vor dieser Analysefolie Brosda 2005.
4 Zwischenfazit: Selbstbehauptung journalistischer Potenziale 305

Das darf aber nicht bedeuten, dass dieser Versuch nicht unternommen werden kann. Langen-
bucher hat in diesem Zusammenhang zu recht darauf hingewiesen, dass sich Journalismus
nicht in Tätigkeiten des organisatorischen – also weitgehend redaktionellen – Journalismus
erschöpft, sondern andere Rollenmuster, auch andere Berufsrollenmuster umfasst:
„Der organisatorische Journalismus – wenn wir denn diese Art von redaktioneller und sonstiger Tätigkeit
überhaupt so nennen wollen! – ist eine Dienstleistung, der autonome Journalismus eine Kulturleistung. Beide
haben – extrem formuliert – nur das Transportmittel gemeinsam. Methodisch ähnlich ist auf den Einwand zu
reagieren, hier sei gar nicht von Journalismus, sondern von Intellektualismus die Rede. Dies ist eine richtige
Bemerkung, aber doch kein gewichtiger Einwand. Intellektualismus ist eine Leistung von prinzipiell nicht-
beruflichen Jedermannsrollen. Ihre Verberuflichung aber wird unvermeidlich, wenn entsprechende Leis-
tungsanforderungen Dauerkonjunktur haben. Das ist in allen demokratischen Industriegesellschaften seit En-
de des 19. Jahrhunderts der Fall. Deshalb gilt: ‚Autonomer Journalismus‘ ist die Verberuflichung intellektuel-
ler Leistungen.“357

Nur ein derart selbstbewusster Journalismus, der Legitimation aus sich selbst zu ziehen vermag
und nicht darauf angewiesen ist, durch Medienlogik legitimiert zu werden, kann auch die Kraft
finden, sich entsprechend effizient selbst zu regulieren und damit der Starrheit einer rechtli-
chen Regulierung so weit wie möglich zuvor zu kommen.358 Journalismus – das wird dabei
auch deutlich – ist mehr als das, was heutzutage überwiegend als redaktionelles Handeln mit
Journalismus gleichgesetzt wird. Zugleich mag daher aber auch weniger Handeln tatsächlich
genuin journalistisch sein, als heute gemeinhin angenommen und deklariert wird.359
Die angemessene Selbstregulierung des Journalismus verspricht, dass kommunikative Leis-
tungen auch mit den Maßstäben kommunikativen Handelns bearbeitet werden. Auf diese
Weise werden auch die Gefahren einer weitergehenden Kolonialisierung durch andere gesell-
schaftliche Funktionsbereiche, sei es der Markt, sei es das Recht, eingedämmt. Journalismus
setzt sich mit dem Anerkenntnis seiner Selbstregulierung allerdings auch einer alltagssprachli-
chen Laienkritik aus, da er sich letztlich keiner Spezialsemantik bedient, sondern öffentlich
kritisierbar verbleibt, wenn er sich nicht einer anderen Logik unterwirft. Dieser Mangel an
Immunität gegenüber öffentlicher Kritik ist allerdings nicht als Problem zu betrachten, son-
dern als demokratisch gewünschte Kommunikationsoffenheit einer gesellschaftlichen Instituti-
on, für die Öffentlichkeit und Kritik ohnehin komplementäre Anforderungen darstellen.
Die Maßstäbe der Kritik und der Selbstregulierung eines kommunikativen Journalismus
unter den Bedingungen und Zwängen moderner Medienbetriebe sollen im abschließenden
Kapitel unter der Prämisse einer verfahrensorientierten Diskursethik, die ihre Normen aus den
Fundamenten sprachlicher Verständigung deduziert, behandelt werden. Die Formulierung
eines solchen diskurstheoretischen Fundaments des Journalismus kann auch verstanden
werden als Beitrag zur Steigerung der Rationalität des lebensweltlichen Journalismus, der
dadurch gegenüber der systemischen Rationalität der Massenmedien an Selbstbehauptungs-
kraft gewinnt. Es ist eine offene Frage, inwieweit Journalismus sich als eine der Institutionen
behauptet, die eine kommunikativ rationalisierte Lebenswelt aus sich heraus entwickeln müss-
te, um den Kolonialisierungstendenzen Einhalt zu gebieten und das eigene Primat behaupten
zu können.

357 Langenbucher 1993b, S. 135


358 Vgl. den umfassenden Überblick über Mechanismen der Medien-Selbstkontrolle in Baum u.a. 2005.
359 Damit soll keine neue Dichotomie in den Journalismus hineingetragen werden. Wohl aber ist zu beachten, dass
ein kommunikativ entkerntes journalistisches Handeln eher medial gesteuerte und damit zweckrational fundier-
te ‚content production‘ ist und sich von lebensweltlicher Kommunikation insofern entfernt, als dass es oftmals
ein nur noch strategisch auf kommunikative Rationalität bezieht, um Selbstlegitimation zu gewährleisten.
VI Diskursive Öffentlichkeit – diskursiver Journalismus

In diesem abschließenden Kapitel soll versucht werden, die bislang getrennt behandelten Komplexe des journalis-
tischen kommunikativen Handelns und der massenmedialen Systemlogik miteinander zu verbinden. Dabei
steht das Interesse im Zentrum, die Potenziale eines diskursiven Journalismus unter massenmedialen Bedingun-
gen beschreibbar zu machen, seinen notwendigen Kontext zu qualifizieren und die zur Sicherung seiner Aufga-
ben notwendigen Steuerungsmechanismen zu skizzieren.
Dazu wird zunächst die Kategorie der Öffentlichkeit noch einmal aufgegriffen und als Gegengewicht zu
gesellschaftlicher Differenzierung sowie als gesellschaftlicher Resonanzboden kommunikativer Rationalität
erörtert. Empirisch ist eine systemische Funktionalisierung von Öffentlichkeit festzustellen, während zugleich die
– auch für Journalismus zentrale – normative Perspektive der demokratischen Relevanz ungebrochen aufrecht-
erhalten und mikrosozial in diskurstheoretische und diskursethische Postulate übersetzt wird (1).
Die theoretischen Überlegungen lassen sich in einem Prozessmodell demokratischer Meinungsbildung skiz-
zieren, in dessen begrifflichem Rahmen sowohl einer diskursiven Öffentlichkeit als auch einem diskursiven
Journalismus als ihrer institutionellen Vorkehrung ein zentraler Ort zugewiesen wird. Diskursiver Journalis-
mus kann so als integraler Bestandteil demokratischer Verhältnisse angesehen werden (2).
Diese theoretischen Annahmen sind abzugleichen an den empirischen Bedingungen von Öffentlichkeit, die
sich insbesondere in ihrer massenmedialen ‚Überformung‘ ausdrücken. Es ist daher zu diskutieren, ob im
Lichte empirischer Erkenntnisse ein normativ abgespeckteres Modell von ‚Medienöffentlichkeit‘ konzeptionelle
Vorzüge gegenüber dem anspruchsvolleren Modell der diskursiven oder deliberativen Öffentlichkeit bietet (3).
Daran anschließend lassen sich Kernüberlegungen zu einer Diskursethik des Journalismus formulieren, die
sich sowohl für journalistische Diskurse über Ethik, d.h. für die diskursethische Formulierung journalistischer
Normen, als auch für eine Ethik journalistischer Diskurse, d.h. für die journalistische Anwendung diskurs-
ethischer Prämissen, von Relevanz ist. Journalisten, so wird zu argumentieren sein, stehen als Diskursanwälte
in besonderer Verantwortung. Ihre Aufgaben sind das Veröffentlichen, Vermitteln und Stimulieren des
gesellschaftlichen Diskurses. Insbesondere haben sie die kritische Prüfung der im öffentlichen Diskurs erhobenen
Geltungsansprüche zu leisten. Dieses zu begründende Anforderungsprofil bezieht sich nicht normativ-ontologisch
auf gedachte idealtypische ‚journalistische Persönlichkeiten‘, sondern ist als normative Erwartung an den
journalistischen Handlungsmodus geknüpft (4).
Solch ein diskursiver Journalismus muss durch entsprechende mediale Rahmenbedingungen kommunika-
tions- und medienpolitisch gewährleistet werden. Plädiert wird daher für eine ‚Media Governance‘-Struktur, in
der eine Vielzahl unterschiedlicher Mechanismen unter Einbeziehung zivilgesellschaftlicher Interessen zumindest
auch diskursiv integriert werden (5).
Eine heterarchische und kommunikative Steuerung durch Diskurse ist sowohl in der Selbstregulierung
ethisch-journalistischer Diskurse als auch in der Fremdregulierung des Mediensystems durch politische, gesell-
schaftliche und wirtschaftliche Akteure konzipierbar – im Fall des Journalismus als dominierender Mechanis-
mus, im Fall des Mediensystems als einer neben Macht und Geld (6).
1 Grundlagen einer diskursiv verstandenen Öffentlichkeit 307

1 Grundlagen einer diskursiv verstandenen Öffentlichkeit


Im Verlauf des bisherigen Argumentationsgangs sind konzeptionelle Belege für die Vermutung
zusammengetragen worden, dass Journalismus als kommunikatives und damit verständigungs-
orientiertes Handeln verstanden werden kann, das aus sich selbst heraus eine (mitunter kontra-
faktische) Normativität entfaltet. Sowohl in der Journalismustheorie als auch in der ‚Theorie
des kommunikativen Handelns‘ lassen sich für ein solches Verständnis Anknüpfungspunkte
finden, die in der Feststellung münden, dass Journalismus auf Verständigung orientiert ist,
durch reflexive Vermittlung soziale Orientierung ermöglicht und durch Inanspruchnahme
kommunikativer Kompetenz Teilhabemöglichkeiten eröffnet. Noch viel genereller kann
festgestellt werden, dass die in der Journalismustheorie anfänglich verbreiteten Idealtypen des
Referats und des Räsonnements jeweils einseitige Zuspitzungen von Aspekten der grundlegen-
den Kommunikativität des Journalismus darstellen – einer Kommunikativität, die ihre gesell-
schaftstheoretisch-normative Entsprechung in der Idee einer diskursiven bürgerlichen Öffent-
lichkeit findet.
Im vorausgegangenen Kapitel ist dieses konzeptionelle Journalismusverständnis in Verbin-
dung zu den notwendigen Rahmenbedingungen eines ökonomisch gesteuerten Mediensystems
gesetzt worden, in dem die entsprachlichte instrumentelle Zweckrationalität einer funktionali-
sierten Nachrichtenproduktion dominiert. Allerdings wurde in der Erörterung dieser Verände-
rungen, die anhand der Prozesse der Redaktionsbildung, der Technisierung und der Verbe-
ruflichung exemplarisch vertieft wurde, auch deutlich, dass es sich dabei nicht um endgültige
und vollständige Kolonialisierungsprozesse, sondern auch um notwendige Strukturierungs-
und Mediatisierungsschritte handelt, und dass es auch im Journalismus kommunikative Wider-
standspotenziale gibt, deren mögliche Aktivierung nun im Zentrum dieses abschließenden
Kapitels stehen soll. Während also die Skizze eines kommunikativen journalistischen Hand-
lungsmodus zu einer Idealisierung journalistischer Möglichkeiten tendiert, steht die Darstellung
der massenmedialen Einbettung des Journalismus in der Gefahr, ein zu pessimistisches Bild zu
zeichnen. Beide Überspitzungen sind der Idealisierung der jeweiligen Perspektive geschuldet.
Abschließend sollen beide Sichtweisen in einer zusammenfassenden Skizze integriert werden.
Das folgende Kapitel richtet sich dabei stärker als die vorangegangenen auch auf die Bei-
träge journalistischen Handelns zur Konstitution und Integration von Gesellschaft. Ein exem-
plarischer Schwerpunkt wird auf politische Prozesse in Gesellschaft und die Rolle des Journa-
lismus in ihrem Vollzug gelegt. Als gesellschaftliche Referenzfolie des Journalismus wird hier
deshalb noch einmal das Konzept der Öffentlichkeit aufgerufen und gesellschafts- wie demo-
kratietheoretisch präzisiert, um daran anschließend klären zu können, welche Rolle Journalis-
mus in Öffentlichkeit spielen kann und welche internen und externen Vorkehrungen getroffen
werden müssen, um dieser Rolle hinreichende Entfaltungsmöglichkeiten zu gewährleisten.

1.1 Öffentlichkeit zwischen Systemfunktionalisierung und demokratischer Relevanz

Öffentlichkeit ist im Verlauf der vorliegenden Studie zunächst als regulative Idee kommunika-
tiver politischer Machtentfaltung eingeführt worden, in der sich die demokratische Normativi-
tät gesellschaftlicher Kommunikationsprozesse ebenso manifestiert wie die Notwendigkeit der
Entdifferenzierung in Kommunikation mit dem Ziel der sozialen Orientierung. Um diese
politisch und gesellschaftlich zentrale öffentliche Sphäre in ihrem Bestand zu garantieren, ist
308 VI Diskursive Öffentlichkeit – diskursiver Journalismus

sie institutionalisiert, verrechtlicht und ökonomisiert worden – mit dem Ergebnis, dass ihre
ursprüngliche kommunikative Rationalität unter Druck gerät.1 Tendenziell sind auch die
Reservate kommunikativer Verständigung in lebensweltlich-öffentlichen Zusammenhängen
unmittelbar durch subsystemische Imperative bedroht und führen überwiegend Rückzugsge-
fechte, ohne dynamisch oder regulierend auf die Systeme zurückwirken zu können. Öffentlich-
keit ist dadurch zunehmend, wenn auch nicht deterministisch, dem Zugriff der Systeme und
ihrer Steuerungsmedien ausgesetzt.2
Die meisten kommunikationswissenschaftlichen Konzepte beschränken sich folgerichtig
darauf, Öffentlichkeit als einen gesellschaftlichen Raum zu konturieren, der systemischen
Austauschprozessen dient, ohne daran qualitative Anforderungen zu knüpfen. Für Gerhards
und Neidhardt zum Beispiel ist Öffentlichkeit „ein intermediäres System […], das zwischen
dem politischen System einerseits und den Bürgern und den Ansprüchen anderer Teilsysteme
der Gesellschaft vermitteln soll“, mithin ein „Kommunikationssystem, in dem die Erzeugung
einer bestimmten Art von Wissen stattfindet“, die Erzeugung öffentlicher Meinung.3 Aus einer
solchen systemtheoretischen Sicht bleibt zwar unbestritten, dass Öffentlichkeit eine Schwä-
chung systemischer Determinierung bedeutet4, allerdings wird bezweifelt, dass daraus – ange-
sichts der Fragmentierung moderner Gesellschaften – noch ein gesellschaftsumfassender,
alltagssprachlich koordinierter Kommunikationszusammenhang entstehen könne. Lebenswelt-
liche Zusammenhänge konstituieren aus dieser Sicht nicht mehr das zentrale Fundament.5
Denkbar sei daher lediglich, dass gesellschaftliche Teilsysteme einzelne ihrer spezifischen
Themen unter der Maßgabe der Neutralisierung der Rollenanforderungen aller Teilnehmer als
öffentliche Themen behandeln lassen. Öffentlichkeit ist demnach nichts weiter als „die Un-
terstellbarkeit der Akzeptiertheit von Themen“.6 Eine derart funktionalisierte Öffentlichkeit
konstituiert sich aus Systemleistungen heraus und unterliegt damit der zweckrationalen instru-
mentellen Vernunft systemischer Vergesellschaftung.
Dieser Systemanalyse ist zu entnehmen, dass Öffentlichkeit im Zuge ihres Strukturwandels
auch von Systemseite aus begehbar geworden ist und dass gesellschaftliche Systeme zunehmend
konstitutive Leistungen für Öffentlichkeit erbringen. Die Tatsache, dass die Bereitstellung von

1 Imhof (2003) zeichnet nach, wie diese Veränderungen der öffentlichen Kommunikationssphäre auch das
sozialwissenschaftliche Verständnis von Öffentlichkeit verändern. Vgl. zur grundsätzlichen Debatte um Öffent-
lichkeit in der Moderne vor allem die Beiträge in Neidhardt 1994a und Göhler 1995a.
2 Diese fortschreitende Kolonialisierung führt innerhalb der Öffentlichkeit zu grundbegrifflichen Konflikten, die
Habermas (1995 [1981], Bd. 2, S. 508f.) anhand eines Beispiels illustriert: „Die ‚öffentliche Meinung‘, die sich in
ihr [der Öffentlichkeit, -cb-] artikuliert, bedeutet aus der Perspektive der Lebenswelt etwas anderes als aus der
Systemperspektive des Staatsapparates. […] So gilt einerseits die demoskopisch erfaßte öffentliche Meinung
oder der Wille von Wählern, Parteien und Verbänden als pluralistischer Ausdruck eines Allgemeininteresses,
wobei der gesellschaftliche Konsens als erstes Glied in der Kette der politischen Willensbildung und als Grund-
lage der Legitimation betrachtet wird. Auf der anderen Seite gilt derselbe Konsens als Ergebnis der Legitima-
tionsbeschaffung – er wird als das letzte Glied in der Kette der Produktion von Massenloyalität betrachtet, mit
der sich das politische System ausstattet, um sich von lebensweltlichen Restriktionen unabhängig zu machen.“
3 Gerhards/Neidhardt 1990, S. 12
4 Selbst Luhmann (1979 [1970], S. 45) betont diese Wirkung von Öffentlichkeit: „Ins Soziologische übersetzt,
besagt Öffentlichkeit soviel wie Neutralisierung von Rollenanforderungen, die aus engeren Teilsystemen der
Gesellschaft stammen, damit auch eine Lockerung, wenn nicht Aufhebung der Selbstbindungen, die der einzel-
ne durch Verhalten in engeren Systemen eingegangen ist.“
5 Gerhards und Neidhardt (1990, S. 15ff.) z.B. erkennen zwar an, dass allgemeinverständliche sprachliche
Kommunikation die Basis von Öffentlichkeit bildet und sie dementsprechend ‚unabgeschlossen‘ ist. Aber sie
versuchen, Öffentlichkeit differenzierungstheoretisch als ein Sozialsystem zu konzipieren. Dadurch geraten
bisweilen entdifferenzierende Wirkungen von Öffentlichkeit aus dem Blick.
6 Luhmann 1979 [1970], S. 46
1 Grundlagen einer diskursiv verstandenen Öffentlichkeit 309

Themen und Informationen in modernen Gesellschaften durch verschiedene Gesellschaftsbe-


reiche in funktionaler Differenzierung geleistet wird, gibt Öffentlichkeit eine strukturelle
Festigkeit, die Assoziationen mit Begrifflichkeiten wie „gesellschaftliche Infrastruktur“7 recht-
fertigt. Zugleich aber erscheint Öffentlichkeit nunmehr als der Raum, über den Lebenswelt
und Systeme ihre weitgehend verdinglichten Austauschbeziehungen organisieren und der somit
zum Einfallstor kolonialisierender Tendenzen geworden ist.8
Vor diesem Hintergrund ist auf normativer Ebene lediglich ein „ernüchtertes Konzept von
Demokratie“ aufrechtzuerhalten9, in dem nicht mehr nach einer als unmöglich erscheinenden
Versöhnung des Menschen mit der Natur gefragt wird, wie das noch in dramatisch-utopischem
Gestus in der alten Kritischen Theorie der Fall war, sondern ‚nur‘ noch danach, wie Identität
und Integrität der Lebenswelt angesichts systemischer Expansionstendenzen gewahrt bleiben
können. Demokratie ist demnach nicht mehr der Frage einer vollständigen Unterordnung der
Zweckrationalität unter die kommunikative Rationalität verpflichtet, sondern sie ist verant-
wortlich dafür, in politischen und wirtschaftlichen Fragen „eine Art Sicherheitszaun zwischen
System und Lebenswelt“ zu errichten.10
Für die Errichtung dieses Sicherheitszaunes in Form einer weiterhin lebensweltlich begeh-
und gestaltbaren Öffentlichkeit ist ein diskursiver Journalismus mit verantwortlich. Vor dem
Hintergrund der mit der Moderne einhergehenden Auflösung traditioneller, religiöser, trans-
zendenter oder metaphysischer Stützen der Vergesellschaftung werden lebensweltliche
menschliche Handlungen zunehmend durch kontinuierliche wechselseitige Verständigungspro-
zesse koordiniert. Letztlich bedeutet dies, dass nur die Institutionen wirklich Legitimation
beanspruchen können, die diese kommunikative Verständigung gewährleisten.11 Andere
Formen der Herstellung von Integration und Legitimation mögen zwar in historisch konkreten
Zusammenhängen faktisch überwiegen, allerdings sind diese durch zweckrationale Motivatio-
nen gestützt, die von einer sich auf sich selbst besinnenden kommunikativen Rationalität
zerbrochen werden können, wenn lebensweltliche Akteure bereit sind, ihre Gestaltungsspiel-
räume zu nutzen und das potenzielle Primat kommunikativer Übereinkunft gegenüber funk-
tionalen Steuerungsmechanismen wieder stärker zur Geltung zu bringen. Dafür sind Voraus-
setzungen zu schaffen:
„Wir stehen vor dem Problem, wie sich in autonomen Öffentlichkeiten Fähigkeiten zur Selbstorganisation so
weit entfalten lassen, daß die radikaldemokratischen Willensbildungsprozesse in einer an Gebrauchswerten,
überhaupt an Zwecken orientierten Lebenswelt auf Reglermechanismen und Randbedingungen der medien-
gesteuerten Subsysteme einen bestimmenden Einfluß gewinnen. Es geht darum, die systemischen Imperative
eines interventionistischen Staatsapparats ebenso wie die des Wirtschaftssystems in Schach zu halten. Das ist
eine defensiv formulierte Aufgabe, aber diese defensive Umsteuerung wird ohne eine radikale und in die Brei-
te gehende Demokratisierung nicht gelingen können.“12

7 Weßler 1999a, S. 39
8 Derartige Betrachtungen tendieren allerdings dazu, die komplexen Mischungsverhältnisse von kommunikati-
vem Diskurs und Machthandeln unnötig auf systemische Funktionalismen zu reduzieren. Das gilt auch für die
gesellschaftskritischen Passagen der ‚Theorie des kommunikativen Handelns‘: Durch ihren starken Fokus auf
ein systemtheoretisches Politikverständnis geraten kommunikativ fundierte politische Anstrengungen zumin-
dest im Willensbildungsprozess tendenziell aus dem Blick. In der Beschäftigung mit dem Öffentlichkeitsbegriff,
der als genuin politisch ausgewiesen wird, werden außerdem die politisch relevanten gesellschaftlichen Thema-
tisierungs-, Orientierungs- und Integrationsfunktionen nur marginal thematisiert.
9 Dubiel 2001, S. 116
10 Ebd., S. 117
11 Vgl. ebd., S. 116
12 Habermas 1986a, S. 392f.
310 VI Diskursive Öffentlichkeit – diskursiver Journalismus

Die Aufgabe theoretischer Überlegungen ist es, entsprechende Mechanismen dieser radikalen
und durchgreifenden Demokratisierung zu identifizieren und deren Potenziale zu erörtern. Auf
diese Weise kann in den Annahmen kommunikativer Rationalität ein Maßstab der Kritik
erhalten werden, der immanent an die gesellschaftliche Organisationsform herangeführt
werden kann. Ein theoretisches Rekonstruktionsvorhaben auf der Basis der ‚Theorie des
kommunikativen Handelns‘ ist damit zugleich immer auch ein gesellschaftskritisches Projekt.
Öffentlichkeit, so eine gesellschaftskritisch-praktische Konsequenz, muss von der verding-
lichenden systemischen Beschreibung gelöst werden, um als fragiles, nicht-vermachtetes
Netzwerk autonomer Teilöffentlichkeiten kritikfähig zu sein und in ihrer nicht-institutionellen
Verfasstheit als Sensor für Probleme zu fungieren, die sich nicht in systemische Steuerungs-
probleme übersetzen lassen.13 Hier steht ein kommunikativ basierter Journalismus in der
lebensweltlich-gesellschaftlichen Pflicht. Habermas verweist in seinen jüngeren Arbeiten
durchaus auf Spielräume in Journalismus und Medien, die eine lebensweltliche ‚Rückgewin-
nung‘ von Öffentlichkeit möglich erscheinen lassen. Diese Hinweise werden insbesondere in
der rechts- und demokratietheoretischen Schrift ‚Faktizität und Geltung‘ im konzeptionellen
Kontext eines Kreislauf-Modells öffentlichen Machtgebrauchs exemplarisch ausgearbeitet und
führen zu einer differenzierten Neubewertung der Rolle massenmedialer Kommunikation.14
Öffentlichkeit werden vor diesem Hintergrund Aufgaben und Leistungen zugeschrieben, die
stärker auf Vermittlungsaspekte zwischen Privatsphäre und Staatssystem fokussieren und somit
bereits von vornherein auf den beiderseitigen Zugriff dieser Bereiche auf die öffentliche
Kommunikationssphäre zugeschnitten sind.15 Öffentlichkeit kann daher in modernen differen-
zierten Gesellschaften als „[…] eine intermediäre Struktur, die zwischen dem politischen
System einerseits, den privaten Sektoren der Lebenswelt und funktional spezifizierten Hand-
lungssystemen andererseits vermittelt“16 und gleichzeitig als ein „Netzwerk für die Kommuni-
kation von Inhalten und Stellungnahmen, also von Meinungen“17 konzipiert werden. Je nach
theoretischer Perspektive lassen sich damit entweder die Austauschfunktion zwischen System
und Lebenswelt (‚intermediäre Struktur‘) oder die Lebensweltverhaftung (‚Netzwerk für die
Kommunikation‘) von Öffentlichkeit betonen. Auf diese Weise bleibt eine demokratierelevante
epistemische Dimension öffentlicher Kommunikation weiterhin konzipierbar.18

13 Vgl. Heming 1997, S. 153. Die Segmentierungsprozesse moderner Gesellschaften führen dazu, dass sich –
meist analog zu den gesellschaftlichen Subsystemen aber auch themenspezifisch – Teilöffentlichkeiten bilden.
‚Öffentlichkeit‘ differenziert sich entlang der Dimensionen Reichweite, Thematik und struktureller Zusammen-
hang in verschiedene Segmente aus (vgl. Habermas 1992, S. 451f.). Diese werden in der Öffentlichkeitssoziolo-
gie in Anlehnung an Gerhards/Neidhardt (1990, S. 12) als „Arenen“ bezeichnet, die keine abgeschlossenen,
permanenten Veranstaltungen bilden, sondern sich vielmehr situativ zusammensetzen.
14 Vgl. Habermas 1992. Schon bei der Neuauflage von ‚Strukturwandel der Öffentlichkeit‘ hat Habermas (1990, S.
49f.) darauf hingewiesen, dass er bei der Beurteilung von Demokratisierungschancen in komplexen Gesell-
schaften, in Bezug auf die Beschreibung einer Entwicklung vom politisch aktiven zum privatistischen, kultur-
konsumierenden Publikum und mit Blick auf die ambivalente Einschätzung einer liberalen Öffentlichkeit heute
zu differenzierteren und weniger apodiktischen Ergebnisse käme: „Vieles spricht dafür, daß das demokratische
Potential einer Öffentlichkeit, deren Infrastruktur von den wachsenden Selektionszwängen der elektronischen
Massenkommunikation geprägt ist, ambivalent ist.“ (vgl. auch Bermbach 1995, S. 25) Wichtig ist dafür das in
der ‚Theorie des kommunikativen Handelns‘ formulierte Verständnis von Massenmedien, die sowohl die Be-
grenzungen öffentlicher Kommunikation entschränken und damit emanzipierend wirken können, als auch
durch ihre formalisierte Struktur und die Herausbildung eines eigenen Typus so genannter „Medienmacht“ öf-
fentliche Kommunikation hierarchisieren und für den Einzelnen unzugänglich gestalten können.
15 Vgl. Habermas 1989
16 Habermas 1992, S. 451
17 Ebd., S. 436
18 Vgl. Habermas 2006
1 Grundlagen einer diskursiv verstandenen Öffentlichkeit 311

Öffentlichkeit ist zwischen den beiden jeweils zu ihr geöffneten gesellschaftlichen Berei-
chen (politisches) System und Lebenswelt positioniert, auch wenn sie grundsätzlich an den
lebensweltlichen Modus der sprachlichen Integration gekoppelt ist, der im verständigungsori-
entierten Vernunftgebrauch begründet liegt: In der Öffentlichkeit hat sich bis heute keine
ausdifferenzierte Spezialsemantik entwickelt, sondern sie ist in ihrer gesellschaftsintegrativen
Funktion weiterhin der Allgemeinverständlichkeit der Umgangssprache verpflichtet und bindet
durch ihre Vermittlungsleistungen Funktionssysteme wie Recht und Politik an diesen wenig
differenzierten, dem Anspruch nach allgemeingültigen Verständigungsmodus des lebensweltli-
chen kommunikativen Handelns zurück.19
Für ein normativ fundiertes Modell deliberativer Politik bildet Öffentlichkeit den Raum
innerhalb der (staatlich verfassten) Gesellschaft, in dem letztlich die Legitimation politischer
Handlungsoptionen genauso debattiert wird wie grundlegende gesellschaftliche Wertekonflikte
(praktische bzw. ethisch-politische Diskurse).20 Öffentlichkeit ist diesem Anspruch zufolge
eine zentrale Instanz des lebensweltlichen Modus’ der symbolischen Integration sozial ausdif-
ferenzierter und hochkomplexer Gesellschaften, indem sie wie bereits eingangs beschrieben
eine – zwar schwache, aber immerhin vorhandene und aktivierbare – Struktur bereit stellt, die
nicht an einzelne Subsysteme gekoppelt ist, sondern aus ihrem lebensweltlichen Anspruch
heraus nach wie vor die gesamte Gesellschaft zu umspannen verspricht. Dabei ist davon
auszugehen, dass sich spezifizierte Teilräume innerhalb der öffentlichen Sphäre bilden, in
denen lebensweltliche Probleme ebenso wie die Folgen der System-Lebenswelt-Interaktionen
in spezifischen Bereichen verhandelt werden. Öffentlichkeit ist somit als eine Möglichkeit zu
verstehen, deren Realisierung zwar von spezifischen Rahmenbedingungen abhängig ist, deren
Potenzial aber nicht außer Kraft gesetzt werden kann, ohne dass Bestand und Selbstverständnis
einer demokratischen und pluralistisch offenen Gesellschaft in Gefahr geraten. Dabei umfasst
diese Möglichkeit der öffentlichen Sphäre gleichermaßen alle drei fundamentalen Dimensio-
nen, die Schmalz-Bruns identifiziert: Öffentlichkeit kann ihm zufolge verstanden werden
• „als Medium kultureller Reproduktion und Produktion […],
• als reflexive politische Praxis […],
• als Form der Erschließung auch von kognitiven Rationalitätspotentialen zur Verbesserung
der Qualität politischer Entscheidungen“.21
Diese Differenzierungen verweisen weniger auf gänzlich unterschiedliche Öffentlichkeitsbeg-
riffe als vielmehr auf unterschiedliche perspektivische Zugriffe auf die Leistungsfähigkeiten
eines öffentlichen Raumes bezogen auf je spezifische Fragestellungen. Punkt (1) verweist auf
die soziologisch relevante Entdifferenzierungswirkung einer umgangssprachlich verstandenen
und an die Lebenswelt angeschlossenen öffentlichen Sphäre; (2) bezieht sich auf die auch
politikwissenschaftlich interessante Konstitution öffentlicher Diskurszusammenhänge, in
denen Kollektive sich über ihre ethisch-politischen Ziele vergewissern und (3) bezieht sich
vornehmlich auf die demokratietheoretisch inspirierte Aufhebung der Dichotomie zwischen
Volkssouveränität und Rationalität in einem normativ fundierten Begriff von Öffentlichkeit.

19 Vgl. ebd., S. 427. Aufgrund der Orientierung auf das politische System entsteht der falsche Eindruck, dass
Habermas Öffentlichkeit auf politische Fragen limitiert. Doch aufgrund ihrer Lebensweltverhaftung ist Öffent-
lichkeit thematisch nicht beschränkt, sondern gegenüber allen allgemeinen Themen offen.
20 Die Konfliktorientierung von Öffentlichkeit ist auch systemtheoretisch beschreibbar, allerdings nur unter
Abzug jeglicher Erwartung an Journalismus, zur Lösung von Konflikten aktiv beizutragen (vgl. Hug 1997).
21 Schmalz-Bruns 1995, S. 44f.
312 VI Diskursive Öffentlichkeit – diskursiver Journalismus

Die im Begriff der ‚Sphäre‘ zugrunde gelegte Permanenz einer gesellschaftlichen Öffent-
lichkeit trägt der Tatsache Rechnung, dass der systemische Input – neben der Gefahr der
Kolonialisierung – auch eine Festigung und Kontinuität öffentlicher Zusammenhänge bewirkt.
Öffentlichkeit ist in diesem Verständnis weder ein System22 noch ausschließlich ein beliebiger
beinahe ubiquitärer Zustand, der durch jede Kommunikation zwischen zwei oder mehr Indivi-
duen zustande kommt23. Eher kann man in komplexen, in ihrem Aufbau durch das Recht
gesteuerten Gesellschaften24 davon ausgehen, dass Öffentlichkeit einen juristisch abgesicherten
sowie politisch und sozial gestaltbaren Raum der zwanglosen Kommunikation bildet.25 Zwang-
los vor allem deshalb, weil a priori keine Zugangs- oder Themenbeschränkungen existieren
oder zumindest deren Fehlen kontrafaktisch unterstellt wird.
Öffentlichkeit konstituiert demnach einen Raum, in dem in umgangssprachlichen und da-
mit grundsätzlich laienorientiert formierten Meinungsbildungsprozessen alle gesellschaftlich
relevanten Themen behandelt und an das politische System zur Behandlung und Entscheidung
herangetragen werden können.26 Ihre Durchlässigkeit ermöglicht es den Privatbürgern, in ihrer
Rolle als Staatsbürger aktiv in den politischen Prozess einzutreten, sich zu Handlungspro-
grammen zu äußern und gleichzeitig eigene Thematisierungsversuche zu unternehmen. ‚Herge-
stellt‘ wird diese Öffentlichkeit maßgeblich durch journalistische Kommunikation und mediale
Angebote, die in der beschriebenen Weise den gesellschaftlichen Themenhaushalt prägen.
Vollständig institutionalisiert werden kann Öffentlichkeit nicht, wie Habermas regelmäßig
betont, da sie dann ihre Sensibilität und potenzielle Offenheit gegenüber lebensweltlichen
Problemlagen durch die zwangsläufig auch ‚repressiven‘ Institutionalisierungswirkungen
verlieren könnte. Wohl aber wirken in ihr – neben der rechtlichen Absicherung durch Mei-
nungs- und Pressefreiheit – zivilgesellschaftliche Institutionen, die der Lebenswelt verhaftet
sind. Dazu können auch journalistische Organisationen und Institutionen gehören, wie anhand
historischer Belege bereits im „Strukturwandel der Öffentlichkeit“ aufgezeigt wurde:
„Eine Presse, die sich aus dem Räsonnement des Publikums entwickelt und dessen Diskussionen bloß ver-
längert hatte, blieb durchaus Institution dieses Publikums selbst: wirksam in der Art eines Vermittlers und
Verstärkers, nicht mehr bloßes Organ des Informationstransportes und noch kein Medium der Konsumen-
tenkultur.“27

Mögliche raumzeitliche Beschränkungen öffentlicher Begegnungen werden in massenmedial


hergestellten Öffentlichkeiten zunehmend aufgelöst, indem Öffentlichkeit abstrahiert wird und
durch ihre institutionelle Verankerung in rechtlich privilegierten Massenmedien eine faktisch
weit umfassendere gesellschaftliche Relevanz erhält als die spontane öffentliche Kommunika-
tion in der Lebenswelt.28 Problematisch werden diese Institutionen erst dann, wenn sie in den

22 Vgl. Hug 1997; Gerhards 1994


23 Vgl. Westerbarkey 1999
24 Vgl. Habermas 1992
25 Vgl. dazu Weßler 1999b, S. 174. In diesem Sinne sind auch die normativen Vorgaben des Bundesverfassungs-
gerichts zur Kommunikationsordnung der Bundesrepublik zu verstehen (vgl. die Überblicksaufsätze von Krei-
del 1967, Ricker 1976, Schumacher 1987 und Schwarz 1999 in Publizistik).
26 Vgl. Habermas 1992, S. 435ff.
27 Habermas 1990, S. 277
28 Weitere Differenzierungen von Öffentlichkeit sind denkbar: In öffentlichkeitssoziologischen Näherungen an
die der Reichweite nach verschiedenen Formen von Öffentlichkeit werden folgende Ebenen von Öffentlichkeit
unterschieden (vgl. zum Folgenden exemplarisch: Gerhards/Neidhardt 1990, S. 19ff.):
• Kommunikation au trottoir (einfache kommunikative Interaktionen, z.T. spontan),
• Veranstaltungen (thematisch zentrierte Interaktionen, mit Organisationsaufwand verbunden),
1 Grundlagen einer diskursiv verstandenen Öffentlichkeit 313

Systembereich abzuwandern drohen oder aufgrund zunehmender Kapitalverwertungsinteres-


sen nicht mehr in erster Linie dem Prinzip der öffentlichen Verständigung verpflichtet sind.
Bezogen auf die Etablierung der Massenmedien ist diese Transformation ehemals lebensweltli-
cher Institutionen festzustellen. Daran anschließend lassen sich in Anlehnung an Prokops
Unterscheidung zwischen einer ‚Parteien-, Verbands- und Produktionsöffentlichkeit‘ und einer
‚spontanen Gegenöffentlichkeit‘ zwei differente Modi von Öffentlichkeit konturieren, die sich
darin unterscheiden, dass sie entweder systemisch oder lebensweltlich konstituiert werden, und
in deren Differenziertheit auch die Widersprüche zwischen Mediensystem und kommunikati-
vem Journalismus ihren Platz finden.29 Zwei unterschiedliche Bereiche gesellschaftlicher
Kommunikation entfalten politische Relevanz: eine nicht-vermachtete Öffentlichkeit, die sich
aus nicht-institutionalisierten zivilgesellschaftlichen Zusammenhängen situativ und spontan
entwickelt, und eine vermachtete Öffentlichkeit, die von staatlichen und sozialen Institutionen
zu Legitimationszwecken strategisch hergestellt wird. Habermas beschreibt die nicht vermachtete
Öffentlichkeit wie folgt:
„Die von Beschlüssen entkoppelte Meinungsbildung vollzieht sich in einem offenen und inklusiven Netzwerk
von sich überlappenden subkulturellen Öffentlichkeiten mit fließenden zeitlichen, sozialen und sachlichen
Grenzen. Die Strukturen einer solchen pluralistischen Öffentlichkeit bilden sich, innerhalb eines grundrecht-
lich garantierten Rahmens, mehr oder weniger spontan. […] Insgesamt bilden sie einen ‚wilden‘ Komplex, der
sich nicht im ganzen organisieren läßt. Wegen ihrer anarchischen Struktur ist die allgemeine Öffentlichkeit
einerseits den Repressions- und Ausschließungseffekten von ungleich verteilter sozialer Macht, struktureller
Gewalt und systemisch verzerrter Kommunikation schutzloser ausgesetzt als die organisierten Öffentlichkei-
ten des parlamentarischen Komplexes. Andererseits hat sie den Vorzug eines Mediums uneingeschränkter
Kommunikation, in dem neue Problemlagen sensitiver wahrgenommen, Selbstverständigungsdiskurse breiter
und expressiver geführt, kollektive Identitäten und Bedürfnisinterpretationen ungezwungener artikuliert wer-
den können als in den verfahrensregulierten Öffentlichkeiten.“30

Diese nicht institutionalisierten Strukturen korrespondieren mit einem Komplex institutionell


geregelter demokratischer Verfahren, der ebenfalls Öffentlichkeit konstituiert:
„Bei der Einrichtung parlamentarischer Verfahren bilden Entscheidungskompetenzen (und zugerechnete po-
litische Verantwortlichkeiten) den Bezugspunkt, unter dem sozial abgegrenzte und zeitlich limitierte Öffent-
lichkeiten konstituiert sowie Verhandlungen argumentativ gestaltet und sachlich spezifiziert werden. Demo-
kratische Verfahren in derart ‚veranstalteten‘ Öffentlichkeiten strukturieren Meinungs- und Willensbildungs-
prozesse im Hinblick auf die kooperative Lösung praktischer Fragen – einschließlich des Aushandelns fairer
Kompromisse.“31

Diese stärker institutionalisierte Öffentlichkeit bildet in ihrer Struktur insgesamt einen ‚Rechtfer-
tigungszusammenhang‘, da sie darauf angelegt ist, für die anstehenden und entschiedenen Proble-
me und Handlungsprogramme Legitimation zu erlangen, während die nicht-vermachteten
öffentlichen Strukturen als ‚Entdeckungszusammenhang‘ fungieren, in dem Probleme identifiziert
werden, die dann in den verfahrensregulierten Diskursen parlamentarischer Körperschaften

• Proteste (thematisch zentrierte Handlungen, mit Organisationsaufwand verbunden),


• Massenmediale Kommunikation (durch Massenmedien organisierte Kommunikation).
Habermas (1992, S. 452) differenziert in ähnlicher Weise zwischen episodischer Öffentlichkeit, veranstalteter
Präsenzöffentlichkeit und abstrakter massenmedialer Öffentlichkeit. Kennzeichnend für diese Differenzierun-
gen nach der Reichweite des jeweiligen Kommunikationszusammenhangs ist vor allem der Grad der Ausdiffe-
renzierung sowie der Wechselseitigkeit von Sprecher- und Publikumsrolle.
29 Vgl. Prokop 1974, S. 154ff.
30 Habermas 1992, S. 374
31 Ebd., S. 373
314 VI Diskursive Öffentlichkeit – diskursiver Journalismus

bearbeitet werden.32 In diesem Wechselspiel allerdings ergänzt die deutlich fragilere zweite
Ebene nicht bloß qualitativ die institutionalisierten demokratischen Verfahren, sondern sie ist
vielmehr darüber hinaus für die Erzeugung von Legitimation mitentscheidend. In besonderen
Krisensituationen steigt die Resonanz, die nicht vermachtete Öffentlichkeit im Kernbereich
des politischen Systems erfährt.33

1.2 Diskurse und Diskursethik: Kommunikative Vernunft in der Öffentlichkeit

In einem Modell diskursiver Öffentlichkeit wird die gesellschaftliche Relevanz des kommuni-
kativen Handelns Einzelner beschreibbar34, da anerkannt wird, dass das fragile Netzwerk
lebensweltlicher Äußerungen auf humankommunikativer Ebene in unhintergehbaren Bedin-
gungen kommunikativen Handelns verankert ist.
„Mit der Entdeckung der dem Medium Sprache inhärenten Spannung zwischen Faktizität und Geltung ge-
lingt es Habermas, den Gegensatz aufzuheben zwischen den normativistischen Ansätzen der praktischen Phi-
losophie einerseits, die Gefahr laufen, den Kontakt mit der gesellschaftlichen Wirklichkeit zu verlieren, und
den objektivistischen Ansätzen der Sozialwissenschaft andererseits, die alle normativen Aspekte ausblen-
den.“35

Die kommunikative Vernunft, auf die dieses deliberative Modell abstellt, ist als eine „prozedu-
rale Vernunft […] in das verständigungsorientierte Handeln der Beteiligten eingelassen“.36 Es
geht um eine Praxis gesellschaftlicher Kommunikation, in der sich die Beteiligten untereinan-
der darüber verständigen, was sie für wahr, richtig und im Einzelfall für wahrhaftig halten.
Diese intersubjektiven Klärungsprozesse finden in verschiedenen Diskursformen statt, die
bereits diskutiert worden sind: Wahrheitsfragen sind Gegenstand theoretischer Diskurse,
Richtigkeitsfragen werden in praktischen Diskursen diskutiert, während Wahrhaftigkeitsfragen
nur in den Sonderfällen des ästhetischen bzw. des therapeutischen Diskurses diskursfähig sind,
in der Regel aber als nicht begründungsfähig erscheinen müssen.37 Besonders der praktische
Diskurs, in dem es um die Rechtfertigung von normativen Ansprüchen der Richtigkeit geht, ist
für eine gesellschaftstheoretisch ambitionierte Diskurskonzeption von Interesse.38 Mit einer
moralischen Argumentation versuchen die Beteiligten, einen durch einen gestörten Konsens
hervorgerufenen Handlungskonflikt in reflexiver Einstellung durch die Formulierung eines
neuerlichen Konsenses beizulegen.39 Ein solcher praktischer Diskurs bezieht sich grundsätzlich
auf eine gemeinsam unterstellte Lebenswelt. Praktische Diskurse unterscheiden sich von
theoretischen Diskursen, die sich (im erfahrungswissenschaftlichen Sinne) in Form vielfältiger

32 Vgl. ebd., S. 373


33 Vgl. Scheyli 2000, S. 59
34 Damit erfüllt sie in Ansätzen auch die Forderung nach der Stärkung der Folgenreflexivität sozialen Handelns,
die Pöttker (1996; 1997) sowohl an die Soziologie als auch an den Journalismus richtet.
35 Loretan 1994, S. 60
36 Loretan 2002, S. 267
37 Vgl. Arens 1996, S. 88
38 Vgl. ebd., S. 83. Kuhlmann (1999, S. 39ff.) weist darauf hin, dass der Begriff Diskurs je nach Verwendungswei-
se in seinem Bedeutungsgehalt leicht verschoben sein kann: „Diskurs kann einerseits allgemein den kommuni-
kativen Prozess der Überprüfung von Geltungsansprüchen meinen. In dieser Bedeutung kann sich ein Diskurs auf
Wahrheit, Wahrhaftigkeit und Richtigkeit beziehen. Andererseits kann Diskurs im engeren Sinne die an Gründen
orientierte Argumentation meinen. Dies ist nur für Aussagen sinnvoll, die den Geltungsanspruch der Richtigkeit
erheben.“ (ebd., S. 44)
39 Vgl. Habermas 19997 [1983], S. 77
1 Grundlagen einer diskursiv verstandenen Öffentlichkeit 315

Induktionen vor allem mit einer Kluft zwischen singulären Beobachtungen und allgemeinen
Hypothesen auseinandersetzen40, dadurch, dass sie letztlich nicht handlungsentlastet geführt
werden können, „[…] weil mit strittigen Normen das Gleichgewicht intersubjektiver Anerken-
nungsverhältnisse berührt wird“.41
Im praktischen Diskurs sollen zum einen die individuellen Interessen jedes Teilnehmers
zur Geltung kommen, ohne dass aber zum anderen die Solidarität der in Kommunikation
vereinten Gemeinschaft dadurch gefährdet wird. Dies ist möglich aufgrund der eigenwilligen
Mechanismen des Diskurses: Einerseits müssen alle Diskursteilnehmer davon ausgehen, dass
sie als Freie und Gleiche an der Suche nach einer gemeinsam unterstellten Wahrheit oder
Richtigkeit teilnehmen und dass entsprechend nur der Zwang des besseren Arguments zu
richtigen und fairen Entscheidungen führt. Andererseits aber hält der kommunikative Aus-
tausch im Diskurs alle Teilnehmer zur gemeinsamen Rollenübernahme an und sorgt so dafür,
dass der Diskurs als intersubjektive, gemeinsam erzeugte öffentliche Veranstaltung letzten
Endes eben doch mehr ist als ein liberal verstandener Marktplatz des Ideenaustausches.42
„Im Diskurs reißt das soziale Band der Zusammengehörigkeit nicht, obwohl die Übereinkunft, die allen ab-
verlangt wird, die Grenzen jeder konkreten Gemeinschaft transzendiert. Das diskursiv erzielte Einverständnis
hängt gleichzeitig ab von dem nicht-substituierbaren ‚Ja‘ oder ‚Nein‘ eines jeden Einzelnen wie auch von der
Überwindung seiner egozentrischen Perspektive. Ohne die uneingeschränkte individuelle Freiheit seiner Stel-
lungnahme zu kritisierbaren Geltungsansprüchen kann eine faktisch erzielte Zustimmung nicht wahrhaft all-
gemein sein; ohne die solidarische Einfühlung eines jeden in die Lage aller anderen wird es zu einer Lösung,
die allgemeine Zustimmung verdient, gar nicht erst kommen können. Das Verfahren diskursiver Willensbil-
dung trägt dem inneren Zusammenhang beider Aspekte Rechnung – der Autonomie unvertretbarer Indivi-
duen und ihrer Einbettung in intersubjektiv geteilte Lebensformen.“43

Die Diskurstheorie impliziert mit Blick auf diese Diskurse auch einen eigenständigen und
spezifischen ethischen Ansatz. Diese Diskursethik ist explizit als eine Ethik kommunikativer
Verständigungsorientierung und Rationalität angelegt. Zunächst ist sie zu verstehen als eine
Auseinandersetzung mit den notwendigen Bedingungen praktischer Diskurse, in denen ver-
bindliche Normen vereinbart werden. In einem erweiterten Sinne kann sie als ein Maßstab
adaptiert werden, anhand dessen Anforderungen an kommunikative Handlungen (in Öffent-
lichkeit) und damit potenziell auch an journalistische Handlungen formuliert und bewertet
werden können. Journalistische Ethik kann als „angewandte Teildisziplin einer allgemeinen
Diskursethik öffentlicher bzw. zivilgesellschaftlicher Kommunikation“ konzipiert werden.44
Als Vorausbedingungen der Gültigkeit einer Diskursethik können die „postkonventionelle
Moralbegründung als Antwort auf die Pluralisierung der Lebensformen“ und die „funktionale
Differenzierung als ein Kennzeichen moderner Rationalität“ betrachtet werden.45 Die Diskurs-
ethik nach Habermas ist typischerweise deontologisch, kognitivistisch, formalistisch und
universalistisch.46 Sie selbst macht keine inhaltlichen Vorgaben, sondern ist zunächst als eine
prozedurale Moraltheorie zu verstehen, welche diejenigen Verfahren beschreibt, mit denen
moralische und rechtliche Normen universell begründet werden können, und die inhaltliche
Klärung den praktischen Diskursen belässt, die von Beteiligten und Betroffenen geführt

40 Vgl. ebd., S. 73
41 Ebd., S. 115f.
42 Vgl. Habermas 1991, S. 13f.
43 Ebd., S. 19
44 Loretan 1999, S. 157
45 Loretan 2002, S. 266
46 Vgl. Habermas 1991, S. 11f.; Arens 1996, S. 80; Loretan 1999, S. 159f.
316 VI Diskursive Öffentlichkeit – diskursiver Journalismus

werden.47 Ihre Grundlage ist die „[…] transzendental- bzw. universalpragmatische Reflexion
selbst, d.h. die methodische Bewusstmachung der Bedingungen, die immer schon ratifiziert
haben muss, wer argumentieren will“.48
Sie bezieht dabei – anders als viele andere ausschließlich auf Individuen gerichtete Ethiken
– in einem erweiterten Sinn die funktionale Differenzierung moderner Gesellschaften mit ein,
indem sie ausgehend vom zweistufigen Gesellschaftsmodell ihren eigenen Geltungsbereich
nicht von vornherein als uneingeschränkt betrachtet, sondern für Bereiche systemischer
Koordinierung nur mittelbar Regulierungskompetenz beansprucht. Hier können dysfunktiona-
le Folgen systemischer Aktionen in der Lebenswelt und die Legitimation der Ausdifferenzie-
rung diskutiert werden; die Begründung einer einzelnen Systemoperation dagegen gehorcht
nicht diskursiven, sondern funktionalistischen Gesichtspunkten. Die Geltung von Ethik oder
Sittlichkeit ist in diesen Bereichen aus Effizienzgründen restringiert. Die Diskursethik ist ein
überzeugendes Modell-Angebot für die Begründung normativer Anforderungen in ausdiffe-
renzierten Gesellschaften, da sie aufzeigt, in welchen Dimensionen soziale Rollenträger ethi-
sche Verantwortung für ihr Handeln tragen.49 Begründungen für Meinungen oder Handlungen
einzufordern, wie es ein diskursives Kommunikationsmodell tut, bedeutet schließlich, die
Meinenden oder Handelnden nicht nur als rationale, sondern auch als verantwortungsfähige
Personen anzusehen und anzusprechen.50
„Für die Diskursethik stellt sich die Frage nach dem Subjekt, das Verantwortung für sein Handeln und dessen
Folgen übernehmen kann. In Auseinandersetzung mit den philosophischen Ansätzen der Moderne, kann die
Diskursethik als eine kritische Theorie des Subjekts […] gelesen werden.“51

Eine diskursethische Perspektive geht davon aus, dass Individuen auf der Basis ihrer lebens-
weltlichen Sozialisation auch in komplexen Gesellschaften in der Lage sind, persönliche und
soziale Entwicklungen zu erfassen und zu verstehen, für ihr eigenes Handeln im Rahmen
dieser Entwicklungen Verantwortung zu übernehmen und ihr Handeln mit dem anderer
Beteiligter kommunikativ zu koordinieren und sich gemeinsam über Lösungen zu verständi-
gen. Grundlage einer solchen diskursiven Übereinkunft ist die nicht hintergehbare Faktizität
spezifischer Argumentationsvoraussetzungen. Deren erste Formulierung findet sich in den
bereits skizzierten Überlegungen zu einer idealen Sprechsituation.52 Diese sind weder als
empirische Beschreibung noch als normative Forderung zu sehen, sondern als eine kontrafak-
tische Unterstellung, als eine Fiktion, die realiter Wirkungen entfaltet und die für Kommunika-
tion letztlich unabdingbar ist:
„Jeder, der ernsthaft den Versuch unternimmt, an einer Argumentation teilzunehmen, läßt sich implizit auf
allgemeine pragmatische Voraussetzungen ein, die einen normativen Gehalt haben; das Moralprinzip läßt sich
dann aus dem Gehalt dieser Argumentationsvoraussetzungen ableiten, sofern man nur weiß, was es heißt, ei-
ne Handlungsnorm zu rechtfertigen.“53

Diese allgemeinen pragmatischen Voraussetzungen kreisen, wie in anderen Moralen auch, um


Vorstellungen von Gleichbehandlung, Gemeinwohl und Solidarität. Sie können auf die „Sym-

47 Vgl. Arens 1996, S. 89


48 Kopperschmidt 2000, S. 150
49 Vgl. Loretan 1999, S. 156; vgl. zur Bedeutung von Verantwortung im Medienhandeln auch Debatin 1998
50 Vgl. Kopperschmidt 2000, S. 34ff.
51 Loretan 2002, S. 268
52 Vgl. Habermas 1995c [1984], S. 177
53 Habermas 1991, S. 12f.
1 Grundlagen einer diskursiv verstandenen Öffentlichkeit 317

metriebedingungen und Reziprozitätserwartungen des kommunikativen Handelns“ zurückge-


führt werden, die sich aus den „wechselseitigen Zuschreibungen und gemeinsamen Unterstel-
lungen einer verständigungsorientierten Alltagspraxis“ ergeben, wie Habermas schreibt.54 Die
Maßstäbe der Diskursethik sind damit direkt in den kommunikativ handlungskoordinierenden
Sprachgebrauch eingelassen. Sie lassen sich in Diskursregeln auffinden, wie sie zum Beispiel
von Alexy expliziert55 und von Habermas aufgegriffen werden. Dabei handelt es sich um
Forderungen nach Widerspruchsfreiheit in den sprachlichen Aussagen, um eine Verpflichtung
auf Wahrhaftigkeit und um die Einhaltung von Fairnessregeln, die auf die gleichberechtigte
Anerkennung aller anderen Teilnehmer an einem potenziell unabgeschlossenen Diskurs
zielen.56 Diese Regeln sind keine Konventionen, sondern unabdingbare Voraussetzungen
diskursiven Handelns. Jeder, der sich auf eine Argumentation einlässt, akzeptiert sie still-
schweigend, weil sonst ein argumentativer Prozess mit dem Ziel rationaler Übereinkunft nicht
zustande käme. Gegen diese Regeln kann man nicht argumentieren, ohne sich in einen per-
formativen Widerspruch zu verstricken: Würde man Argumente gegen diese Regeln vorbrin-
gen, würde man sie doch gleichzeitig durch sein eigenes, ihnen gemäßes Handeln anerken-
nen.57 Habermas reicht – im Gegensatz zu Apel, der den Anspruch und die Notwendigkeit
einer Letztbegründung von Normen aufrechterhält58 – dieser Nachweis performativer Wider-
sprüche aus, um die Regeln zu identifizieren, ohne die eine erfolgreiche Argumentation un-
möglich ist: Die Alternativlosigkeit der Regeln begründe deren Wirksamkeit zwar nicht letzt-
gültig, aber sie mache sie dergestalt plausibel, dass weitere Begründungsversuche nicht not-
wendig seien.59
Aufbauend auf und abgeleitet aus diesen Kommunikationsregeln ist der Universalisierungs-
grundsatz ‚U‘ der Kern der Diskursethik. Er soll das Moralprinzip ersetzen, mit dem in anderen
Ethik-Konzeptionen versucht wird, die Idee des guten und sittlichen Handelns von morali-
schen Instanzen abzuleiten, indem er sich auf die Plausibilitätsannahmen der Argumentations-
voraussetzungen zurückzieht.60 Diesem Grundsatz ‚U‘ zufolge gilt eine Norm dann,

54 Ebd., S. 17
55 Vgl. Alexy 1978; 1983
56 Vgl. Habermas 19997 [1983], S. 97ff.:
„(1.1) Kein Sprecher darf sich widersprechen.
(1.2) Jeder Sprecher, der ein Prädikat F auf einen Gegenstand a anwendet, muß bereit sein, F auf jeden anderen
Gegenstand, der a in allen relevanten Hinsichten gleicht, anzuwenden.
(1.3) Verschiedene Sprecher dürfen den gleichen Ausdruck nicht mit verschiedenen Bedeutungen benutzen.
[…]
(2.1) Jeder Sprecher darf nur das behaupten, was er selbst glaubt.
(2.2) Wer eine Aussage oder Norm, die nicht Gegenstand der Diskussion ist, angreift, muß hierfür einen Grund
angeben. […]
(3.1) Jedes sprach- und handlungsfähige Subjekt darf an Diskursen teilnehmen.
a. Jeder darf jede Behauptung problematisieren.
b. Jeder darf jede Behauptung in den Diskurs einführen.
c. Jeder darf seine Einstellungen, Wünsche und Bedürfnisse äußern.
(3.2) Kein Sprecher darf durch innerhalb oder außerhalb des Diskurses herrschenden Zwang daran gehindert
werden, seine in (3.1) und (3.2) festgelegten Rechte wahrzunehmen.“
Leider setzt Habermas diesen Katalog – aufgrund seines anders gelagerten Interesses – nicht in Bezug zu
massenmedialen Diskursen.
57 Vgl. Habermas 19997 [1983], S. 86ff.
58 Vgl. Apel 1988
59 Vgl. Habermas 19997 [1983], S. 105ff.
60 Habermas (19997 [1983], S. 103) sieht im „Grundsatz der Verallgemeinerung, der als Argumentationsregel gilt
und zur Logik des praktischen Diskurses gehört“, das einzig notwendige Moralprinzip.
318 VI Diskursive Öffentlichkeit – diskursiver Journalismus

[…] wenn die Folgen und Nebenwirkungen, die sich aus einer allgemeinen Befolgung der strittigen Norm für
die Befriedigung der Interessen eines jeden Einzelnen voraussichtlich ergeben, von allen zwanglos akzeptiert
werden können.“61

Das anspruchsvolle Programm der Diskursethik lässt sich im Anschluss an diese Verallgemei-
nerungsregel auf den Grundsatz ‚D‘ bringen, der besagt,
„[…] daß nur die Normen Geltung beanspruchen dürfen, die die Zustimmung aller Betroffenen als Teilneh-
mer eines praktischen Diskurses finden (oder finden könnten)“.62

Dieser ethische Grundsatz ‚D‘ ist damit Ausfluss des als Moralprinzip fungierenden Universali-
sierungsgrundsatzes. Er impliziert keine inhaltlich-materiellen Regelungen, sondern kennzeich-
net formal die Bedingungen, denen Kommunikationsstrukturen genügen müssen, wenn sie
ethisch-normativ akzeptable Diskursergebnisse produzieren sollen. Alle inhaltlichen Regelun-
gen sind dagegen von realen (oder ersatzweise advokatorisch geführten) Diskursen abhängig;
der Moraltheoretiker ist in ihnen nur ein Teilnehmer unter Gleichen.63
Die Diskursethik bleibt also formal: Die Inhalte werden erst durch die Akteure in Diskur-
sen bestimmt. Dabei werden im Diskurs keine Normen erzeugt, sondern in Frage gezogene
Ansprüche überprüft. Auf der idealen Ebene werden Symmetriebedingungen und Reziprozi-
tätsbedingungen sowie die Gewährung egalitärer und zwangfreier Teilnahmechancen erwartet.
Es sollen spezifische Bedingungen geschaffen werden, unter denen die am Diskurs beteiligten
Akteure begründete Positionen und Interessen in den Diskurs einbringen können.
In einem praktischen Diskurs werden immer zugleich die Bedingungen seiner eigenen
Möglichkeit debattiert. Wohl auch deshalb gleichen „[…] praktische Diskurse, wie alle Argu-
mentationen, den von Überschwemmung bedrohten Inseln im Meer einer Praxis, in dem das
Muster der konsensuellen Beilegung von Handlungskonflikten keineswegs dominiert“.64 Zu
verhindern, dass diese Inseln untergehen, ist nicht zuletzt Aufgabe institutioneller Vorkehrun-
gen, welche die Diskurse empirisch überhaupt erst möglich machen.65 Sie sind scharf zu
unterscheiden von Diskursregeln, die zunächst einmal „nur eine Form der Darstellung von
stillschweigend vorgenommenen und intuitiv gewußten pragmatischen Voraussetzungen einer
ausgezeichneten Redepraxis“ sind.66 Institutionelle Vorkehrungen – also: intersubjektiv verein-
barte Institutionen oder Konventionen zum Beispiel in Form von Geschäftsordnungen und
Verfahrensregeln – dagegen lassen sich von unhintergehbaren Unterstellungen kommunikati-
ven oder diskursiven Handelns dahingehend unterscheiden, dass sie darauf zielen, kommunika-
tive Austauschprozesse so zu organisieren, dass die Erfüllung der Diskursregeln als wahr-
scheinlich(er) erachtet werden kann.67 In dieser Differenzierung kann auch die Unterscheidung
zwischen einer unhintergehbaren Kommunikativität journalistischen Handelns und seiner auch
bewusst kommunikativen und damit diskursiven Handhabung verankert werden.
Empirisch auffindbare Annäherungen an praktische Diskurse setzen „einen minimalen
institutionellen Rahmen“ voraus, der sowohl nach innen als auch nach außen gewährleistet,

61 Ebd., S. 103
62 Ebd., S. 103
63 Vgl. ebd., S. 104f. Habermas konstatiert: „Nur ein intersubjektiver Verständigungsprozeß kann zu einem
Einverständnis führen, das reflexiver Natur ist; nur dann können die Beteiligten wissen, daß sie sich gemeinsam
von etwas überzeugt haben.“ (ebd., S. 77)
64 Ebd., S. 116
65 Vgl. dazu auch Habermas 1986b, S. 30.
66 Habermas 19997 [1983], S. 101
67 Vgl. ebd., S. 102
1 Grundlagen einer diskursiv verstandenen Öffentlichkeit 319

dass ein Diskurs unter vielen Menschen überhaupt stattfinden kann.68 Diese Überlegung führt
direkt hinein in die Kernüberlegungen des deliberativen Öffentlichkeitsmodells, demzufolge
ein mediengestützter gesellschaftlicher Kommunikationszusammenhang und eine freiheit-
sichernde Rechtsverfassung im Zusammenspiel eine vernünftige Meinungs- und Willensbil-
dung gewährleisten sollen.69 In Bezug auf die Formulierung dieser institutionellen Vorkehrun-
gen ist das ‚Prinzip der Angemessenheit‘ von besonderer Bedeutung, das in Anwendungsdis-
kursen an die Stelle des in Begründungsdiskursen zentralen Universalisierungsgrundsatzes
tritt.70 Die der Sprache inhärenten Diskursregeln werden in solchen institutionellen Vorkeh-
rungen nach Angemessenheitserwägungen operationalisiert, zum Beispiel auch, um die Diskur-
sivität von öffentlichen Meinungs- und Willensbildungsprozessen zu gewährleisten. In dieser
Übersetzungsleistung, der eine Verknüpfung zur sprachlichen Fundierung der ethischen
Forderungen erhalten bleibt, liegt die Möglichkeit der Übertragung diskursethischer Überle-
gungen auf medienkommunikative Zusammenhänge im Allgemeinen und auf journalistisches
Handeln im Speziellen.

1.3 Deliberative Demokratie: Öffentliche Bedingungen kommunikativer Vernunft

„Zusammenfassend kann man die in der Aufklärung der Presse zugeschriebene Aufgabe in der politischen
Basiskommunikation wie folgt formulieren: durch Information und Räsonnement über die politisch relevan-
ten Fragen, dabei insbesondere durch die kritische Überwachung der staatlichen Aktivitäten soll die Presse die
rationale Diskussion der bürgerlichen Öffentlichkeit anregen, Forum dieser Diskussion sein und gleichzeitig
die Diskussionsergebnisse als politische Meinung des Volkes artikulieren, um sie für die Regierung sichtbar zu
machen. Dadurch soll sie die kommunikative Verbindung zwischen Spitze und Basis […] herstellen und eine
Entfremdung verhindern.“71

Die anspruchsvollen Annahmen der Diskurstheorie und der Diskursethik, die Präzisierungen
des sprechakttheoretischen Konzepts kommunikativen Handelns darstellen, werden im Modell
einer deliberativen Öffentlichkeit, die Prozesse rationaler kommunikativer Verständigung
ermöglichen soll, mit den stärker empirisch fundierten Annahmen der gesellschaftstheoreti-
schen Lebenswelt-System-Analyse zusammengeführt.72 Unter öffentlicher Deliberation wird
eine „frei zugängliche argumentative Auseinandersetzung über Fragen des kollektiven Lebens“
verstanden.73 Das an den Freiheitsbegriff gekoppelte Konzept der Deliberation kennzeichnet
öffentlichen Vernunftgebrauch als Grundlage persönlicher Mündigkeit und markiert damit
letztlich ein „Freiheits- und Vernunfthandeln“, das in öffentlichen Prozessen intersubjektiver
Überlegung und Beratung zu rationalen Urteilen führen soll.74 Es bedeutet eine moderne
Revitalisierung aufklärerischer Räsonnement-Gedanken, die auf die problematischen ge-
schichtsphilosophischen Annahmen absoluter Vernunft und Tugenden verzichtet.75

68 Müller 1992, S. 39. Habermas und Apel sprechen in diesem Fall von ‚Chairmanship‘, Müller spricht angesichts
der damit implizierten weitreichenden Machtbefugnisse etwas unglücklich von ‚Diskurspolizei‘.
69 Vgl. Loretan 1996, S. 39
70 Vgl. Habermas 1991, S. 140
71 Geißler 1973, S. 20
72 Vgl. zum Konzept der deliberativen Politik grundsätzlich: Habermas 1992, S. 349ff.
73 Peters 2001, S. 656. Diese Öffentlichkeit muss bestimmte Merkmale und Leistungen besitzen, die wiederum
normativ aufgeladen sind.
74 Imhof 2003, S. 27f.
75 Vgl. ebd., S. 48. Dass diese Perspektive so alt wie die Demokratie selbst ist, konstatiert Elster (1998b) in einem
Überblick über die Geschichte der deliberativen Idee seit dem 5. Jahrhundert v. Chr.
320 VI Diskursive Öffentlichkeit – diskursiver Journalismus

Diese moderne Übersetzung der Diskurstheorie in ein bestimmtes Politik- und Öffentlich-
keitsmodell ist nicht bruchlos möglich76: Während sich die Diskustheorie für sich genommen
in partizipationsorientierte Prämissen übersetzen lässt, ist aus den Grundannahmen der Sys-
tem-Lebenswelt-Dichotomie und des Kolonialisierungsprozesses heraus zunächst nur schwer
vorstellbar, wie Lebensweltangehörige dennoch als kommunikative Akteure an den systemischen
Entscheidungsprozessen des politischen Systems teilhaben sollen.77 Dies gelingt nur wenn die
Bipolarität zwischen Lebenswelt und System, die in der ‚Theorie des kommunikativen Han-
delns‘ noch als beinahe unüberwindbar scheint, weitgehend zugunsten der Annahme eher
wechselseitiger Vermittlungsprozesse zwischen kommunikativer und administrativer oder
ökonomischer Macht aufgelöst wird.
Nicht nur die Entkopplungs- und Kolonialisierungsthese erfahren im Zuge dieser argu-
mentativen Verschiebung eine Modifikation, sondern auch die zugrunde liegenden diskurs-
theoretischen Annahmen müssen angepasst werden. Komplexe moderne Gesellschaften
benötigen – neben den beschriebenen systemischen Mechanismen der Kommunikationsentlas-
tung – Verfahren, welche die pragmatische Umsetzung des Ideals „kommunikativ verflüssigter
Souveränität“78 zu leisten vermögen. Aus der Perspektive eines partizipatorisch und emanzipa-
torisch inspirierten diskursiven Demokratiebegriffs fällt Öffentlichkeit damit die Rolle einer
zentralen Instanz zu, indem sie zum Grundstein eines deliberativen Politikverständnisses wird,
das die Legitimation politischer Handlungsvorschläge von der rationalen Zustimmung der
Betroffenen abhängig macht und sie als Produkt ihrer Diskurse sieht. Vor dem Hintergrund
diskurstheoretischer Annahmen bezeichnet Öffentlichkeit den „Inbegriff derjenigen Kommu-
nikationsbedingungen, unter denen eine diskursive Meinungs- und Willensbildung eines
Publikums von Staatsbürgern zustande kommen kann“ und markiert daher einen zentralen
„Grundbegriff einer normativ angelegten Demokratietheorie“, wie Habermas betont.79 Dabei
darf den deliberativ-diskursiven Öffentlichkeitsstrukturen aber nicht idealistisch die Last
aufgebürdet werden, allein für Integration und Steuerung komplexer Gesellschaften zuständig
zu sein. Eine solche holistische Annahme wäre angesichts der Ausdifferenzierung von System
und Lebenswelt nicht begründbar. Ein Vergesellschaftungsmodell rein auf der Basis diskursi-
ver Kommunikationsabläufe ist kaum konzipierbar, da die entsprechenden Informations- und
Entscheidungskosten für alle Beteiligten zu hoch wären.80
Die deliberative Demokratietheorie reagiert darauf, indem sie Öffentlichkeit in ein Modell
integriert, das den institutionalisierten Routinemodus einer systemisch hergestellten Öffent-
lichkeit beschreibt, die allerdings auf die Vitalität darüber hinaus reichender diskursiver Struk-
turen legitimatorisch angewiesen ist. Dieses Modell ist in seinen wesentlichen Grundzügen
prozeduralistisch ausgelegt; es setzt darauf, dass durch die Einrichtung bestimmter Verfahren
das übergeordnete Ziel der Vernünftigkeit politischer Entscheidungen gewährleistet wird.81
Dieser Prozeduralismus vermag Diskurse der Macht und ihre impliziten Themenkataloge zu
entzaubern, indem er den diskursethischen Grundsatz demokratietheoretisch auflädt.82

76 Vgl. die grundlegende Konzeption von Peters 2001.


77 Vgl. Heming 1997, S. 141
78 Habermas 1989, S. 475
79 Habermas 1990, S. 38
80 Vgl. dazu Schuon 1995, S. 187. Diese vermeintliche Überlastung ist einer der Haupteinwände gegen das
Konzept der deliberativen Demokratie, das in der Politikwissenschaft auch im Anschluss an Habermas interna-
tional kritisch und kontrovers diskutiert wird (vgl. z.B. die Beiträge in Elster 1998a).
81 Vgl. Scheyli 2000, S. 26
82 Vgl. Benhabib 1991, S. 158. Der Prozeduralismus ist andererseits der Kritik ausgesetzt, in seinem Formalismus
unkritisch zu sein (vgl. z.B. Bermbach 1995, S. 32f.). Zu unrecht, wie Maus (1999, S. 730) betont: „Unter mo-
1 Grundlagen einer diskursiv verstandenen Öffentlichkeit 321

„Das Diskursprinzip macht allgemein die Gültigkeit jeder Art von Handlungsnormen abhängig von der Zu-
stimmung derer, die als Betroffene, an rationalen Diskursen‘ teilnehmen.“83

Ausgehend von einem solchen Verständnis kann Demokratie nicht auf die statische Fest-
schreibung eines normativen Wertekonsenses reduziert werden, sondern muss sich und die ihr
zugrundeliegenden Normen permanent bestätigen oder revidieren. Einzig die Verfahren, die
die möglichst große Rationalität der kommunikativen Auseinandersetzungen gewährleisten
können, vermag die Diskurstheorie an diesen Befund anknüpfend zu beschreiben, nicht aber
bereits vermeintlich richtige Ergebnisse. Diese ergeben sich als a posteriori-Gemeinwohl
immer erst am Ende eines Diskurses.
Das deliberative Öffentlichkeitsmodell setzt damit trotz seines dezidierten Formalismus
normative Standards84, die sich vorwiegend auf die Form öffentlicher Kommunikation bezie-
hen. Über die alltagssprachliche Verankerung in lebensweltlichen Strukturen ist Öffentlichkeit
an das Grundmuster kommunikativer Rationalität gebunden. Die normativen Konsequenzen
eines solchen diskursiven Öffentlichkeitsbegriffs lassen sich in Bezug auf die Öffentlichkeits-
funktionen der Transparenz, der Validierung und der Orientierung zeigen:85
(1) Die Transparenzfunktion beschreibt die weitgehende Offenheit der öffentlichen Kommuni-
kationssphäre zumindest für relevante Themen, je nach Öffentlichkeitsbegriff aber auch
für eine wachsende Zahl von Akteuren. Das Modell diskursiver Öffentlichkeit fordert Of-
fenheit für alle gesellschaftlichen Gruppen sowie für Themen und Meinungen unter-
schiedlichsten Ursprungs. Öffentlichkeit ist demnach nicht nur der Repräsentation der
verschiedenen Akteursmeinungen verpflichtet, sie soll in einem weitergehenden Sinn auch
die Partizipation zivilgesellschaftlicher Akteure am öffentlichen Räsonnement ermögli-
chen. Auf diese Weise erlangt das Publikum (zumindest mittelbar) selbst Akteurstatus.
(2) Die Validierungsfunktion beschreibt die Aufgabe der Öffentlichkeit, verschiedene auch
konträre Standpunkte nebeneinander zuzulassen und einer Prüfung zu unterziehen. In der
diskursiven Öffentlichkeit werden an die öffentlichen Äußerungen normative Maßstäbe
angelegt, die auf Basis diskurstheoretischer Annahmen den Grad ihrer Rationalität betref-
fen: Sie sollen einen diskursiven Charakter haben, der sich durch den Gebrauch von Be-
gründungen, durch das respektvolle und diskursive Beziehen auf die Äußerungen anderer
Sprecher und durch eine angemessene Komplexität der Aussage ausdrückt. Die Akteure in
der Öffentlichkeit sollen dazu bereit sein, unter dem zwanglosen Zwang des besseren Ar-
guments ihre Position auch zu ändern.

dernen Bedingungen raschen gesellschaftlichen Wandels, der alles objektiv ‚Gegebene‘ und damit letzte Gewiß-
heiten über Normen verflüssigt, können nicht mehr Normen unmittelbar, sondern nur noch die formalen oder
prozeduralen Prämissen der je neuen Verständigung und Konsensbildung über Normen auf Dauer gestellt und
selber normativ ausgezeichnet werden.“ Der Prozeduralismus der Diskurstheorie, die gesellschaftliche Wertere-
gulierung in Diskursen verankert, denen sie lediglich einen formalen Rahmen zu geben vermag, ist gerade in
seinem radikalen Verzicht auf substantielle Normen als ‚kritisch‘ zu betrachten, da er jeder Festschreibung in-
haltlicher Verhaltensregeln zugunsten derer demokratischer Regelung entsagt. In traditionalen oder metaphysi-
schen ‚Begründungen‘ normativer Strukturen überlieferte Sittlichkeit verliert dadurch ihre Geltungsgrundlage.
83 Habermas 1992, S. 196
84 Diese sind in der Diskurstheorie wiederum nur in formale Begründungszusammenhänge eingespannt, da
Habermas sich dezidiert von der Geltungskraft einer tradierten Sittlichkeit zur Normbegründung verabschiedet
hat und stattdessen Gründe für Normierungen in weiteren Erörterungen der bereits skizzierten sprachpragma-
tischen Annahmen fundiert (vgl. Habermas 19997 [1983]; 1991).
85 Vgl. Gerhards/Neidhardt/Rucht 1998, S. 35ff.; auch Neidhardt 1994b, S. 8f.. Peters (1994, S. 51ff.) nennt
Gleichheit, Offenheit und Diskursivität als die zentralen normativen Parameter von Öffentlichkeit.
322 VI Diskursive Öffentlichkeit – diskursiver Journalismus

(3) Die Orientierungsfunktion bezieht sich darauf, dass das Ergebnis öffentlicher Prozesse
Mehrheitsmeinungen oder Konsense sind, die für die Gesellschaft orientierenden Charak-
ter haben können. In einer diskursiv verstandenen Öffentlichkeit liegt das Ziel öffentlicher
Kommunikation in der Herausbildung eines Konsenses oder zumindest einer rational be-
gründeten Mehrheitsmeinung. Politische Entscheidungen sollen in öffentlichen Diskursen
ihre Legitimation auch kommunikativ von Seiten lebensweltlich verankerter Akteure erhal-
ten und so der reinen Zweckrationalität der Entscheidungssysteme entrissen werden. Eine
diskursiv verstandene Öffentlichkeit konstituiert öffentliche Meinungen, die vom Publi-
kum als überzeugend wahrgenommen werden und so politische Autorität auf der Basis
kommunikativ erzeugter Macht erlangen können.86
Entscheidend für eine deliberative Demokratietheorie ist die Frage nach den Merkmalen,
Leistungen und normativen Bewertungen, aus denen sich eine solche deliberative Öffentlich-
keit speist, die eine entsprechende Politik überhaupt erst möglich macht. Peters nennt in
diesem Zusammenhang als Merkmale die Gleichheit der Teilnahmebedingungen und Artikulati-
onsmöglichkeiten und ihren grundsätzlichen Bezug auf reziproke Argumentativität in den
Beiträgen.87 Dadurch erbringt eine deliberative Öffentlichkeit die Leistung der Rationalitätsstei-
gerung; diese bezieht sich vor allem auf den öffentlichen Argumentationshaushalt und damit
auch auf eine ‚Selbstaufklärung der Beteiligten‘. Die positive normative Bewertung dieser Merkma-
le und Leistungen, die deliberative Demokratietheorien vornehmen, beruht entweder prinzi-
piell auf der Wertschätzung rationaler Argumentationsverfahren oder aber auf der Erwartung
eines rationaleren Outputs bzw. einer höheren Stabilität des politischen Prozesses durch eine
bestimmte Form der Partizipation.
Öffentliche Diskurse, so ist empirisch begründet zu behaupten, genügen in ausdifferenzier-
ten und massenmedial geprägten Gesellschaften aufgrund der notwendigen symbolischen
Kondensation und Komplexitätsreduktion nicht zwangsläufig den hohen Rationalitätsanforde-
rungen eines herrschaftsfreien Diskursmodells: In einer quantitativen Dimension wird dies
deutlich, weil nicht alle potenziell Betroffenen (gleichermaßen ausführlich) zu Wort kommen
können; qualitativ betrachtet wird es zudem schwieriger, innerhalb dieser repräsentativen
Verfahren die abstrakten und anspruchsvollen Normen der Diskurstheorie aufrechtzuerhal-
ten.88 Dieses allerdings der Theorie zum Vorwurf zu machen, hieße, ihren rekonstruktiven

86 Liberale Öffentlichkeitsmodelle dagegen stehen zum einen Autopoiesis-Konzepten der Systemtheorie, zum anderen
liberalen Demokratietheorien nahe (vgl. Gerhards/Neidhardt/Rucht 1998, S. 28). Im Kern beziehen sie sich
auf ein Marktverständnis öffentlicher Kommunikation, dem das Prinzip eines freien Gedanken- und Meinungs-
austauschs in der öffentlichen Arena zugrunde liegt. Die zentrale Anforderung an Öffentlichkeit ist aus dieser
theoretischen Sicht ihre Zugangsoffenheit. Dabei basieren sie auf folgenden Grundannahmen, zu den oben skiz-
zierten drei Funktionen von Öffentlichkeit (vgl. zum Folgenden ebd., S. 29ff.; siehe auch: Gerhards 1997):
• Transparenz: Im Sinne demokratischer Repräsentation müssen alle Positionen zu normativen, auf das Ge-
meinwohl bezogenen Fragen öffentlich transparent gemacht werden. Die Vielfalt der Meinungen soll in
größtmöglicher Breite und Vollständigkeit wieder zu finden sein.
• Validierung: Das „Wie“ der öffentlichen Äußerungen spielt in liberalen Modellen keine Rolle. Einzig das
Gebot des wechselseitigen Respekts der Kommunikationsteilnehmer normiert deren Spielraum.
• Orientierung: Die Öffentlichkeit erfüllt in der Regel eine Informationsfunktion für die Bürger. Eine Ver-
pflichtung von Öffentlichkeit auf Konsens wird in manchen liberalen Modellierungen als dysfunktional
angesehen, weil die Gefahr besteht, dass Wertkonflikte ergebnislos diskutiert werden und im Gegenzug
für die pragmatische Lösung kompromissfähiger Fragen kaum Ressourcen bleiben.
87 Vgl. Peters 2001, S. 656f.
88 Vgl. Franz 2000, S. 10f.
1 Grundlagen einer diskursiv verstandenen Öffentlichkeit 323

Charakter zu verkennen.89 Habermas hält daher mit guten Gründen an den Prämissen der
Diskurstheorie grundsätzlich fest, betont aber deren prozeduralistischen Charakter, indem er
ein normativ reduziertes Modell deliberativer Öffentlichkeit vor der Folie eines Konzepts
deliberativer Politik entwickelt, das die doppelte Zugänglichkeit der Öffentlichkeit von syste-
mischer wie lebensweltlicher Seite beschreibt und damit nicht von einer nur rein kommunika-
tiv zu leistenden öffentlichen Vergesellschaftung ausgeht. Dieses Modell trägt sowohl dem
systemübergreifenden Charakter von Öffentlichkeit Rechnung als auch der gesellschaftlichen
Differenzierung zwischen systemischen und lebensweltlichen Vergesellschaftungsmodi.
Ein deliberatives Politikverständnis verbindet die republikanische Betonung des öffentli-
chen Meinungs- und Willensbildungsprozesses mit dem liberalen Verständnis einer rechtsstaat-
lichen Verfassung des Gemeinwesens und begreift letztere als den adäquaten Weg, die Bedin-
gung des ersteren zu gewährleisten und im Sinne erhöhter kommunikativer Rationalität zu
optimieren.90 Vernünftige politische Entscheidungen sind somit in erster Linie nicht von einer
handlungsfähigen und vernunftbereiten Bürgerschaft abhängig, sondern „von der Institutiona-
lisierung von Verfahren und Kommunikationsvoraussetzungen sowie vom Zusammenspiel der
institutionalisierten Beratungen mit informell gebildeten öffentlichen Meinungen“.91 Delibera-
tive Politik gewinnt ihre Legitimation durch die Erwartung, dass das diskursive Niveau der
öffentlichen Debatten vernünftige Ergebnisse produziert. Die demokratietheoretische Inter-
pretation der Diskurstheorie geht somit von einer „höherstufigen Intersubjektivität“ von
Verständigungsprozessen aus, die sich sowohl in institutionalisierten demokratischen Verfah-
ren als auch in den Meinungsbildungsprozessen informeller Öffentlichkeiten abbildet.92 In
einem solchen theoretischen Design sind auch Kompromisse und verhandlungsbasierte
Interessenausgleichsverfahren abbildbar, denn obwohl diese selbst nicht der Diskursrationalität
verständigungsorientierter Kommunikation genügen, ist ihre Fairness an Verfahren und
Voraussetzungen zu messen, die ihrerseits unter dem normativen Gesichtspunkt der Gerech-
tigkeit begründet werden müssen.93

89 Es hat daher wenig Sinn, das Öffentlichkeitsmodell vermeintlich zu entschlacken und zum Beispiel auf eine
„Vereinbarungswelt“ (Nullmeier 1995, S. 106) zuzuschneiden. Die Loslösung von kommunikativer Vernunft
führt vor allem dazu, dass die einzelnen Teilnehmer ethisch überlastet werden durch hohe Anforderungen an
ihre ‚Tugendhaftigkeit‘ und durch die illusorische Erwartung einer permanenten Vergesellschaftung.
90 Habermas (1992; 1996) entwickelt dieses Konzept in Auseinandersetzung mit liberalen Demokratiemodellen,
die den Rechtsstaatsgedanken betonen, und republikanischen Demokratiemodellen, die ihren Schwerpunkt auf
Volkssouveränität legen. Das deliberative Modell beschreibt einen Mittelweg, der zwar normativ anspruchsvol-
ler ist als das liberale Modell, aber nicht den ethischen Idealisierungen des republikanischen Modells folgt: „Die
Diskurstheorie nimmt Elemente von beiden Seiten auf und integriert sie im Begriff einer idealen Prozedur für
Beratung und Beschlussfassung. Dieses demokratische Verfahren stellt einen internen Zusammenhang zwi-
schen pragmatischen Überlegungen, Kompromissen, Selbstverständigungs- und Gerechtigkeitsdiskursen her
und begründet die Vermutung, daß unter Bedingungen eines problembezogenen Kommunikationsflusses und
sachgerechter Informationsverarbeitung vernünftige bzw. faire Ergebnisse erzielt werden. Nach dieser Vorstel-
lung zieht sich die praktische Vernunft aus den Menschenrechten oder aus der konkreten Sittlichkeit einer be-
stimmten Gemeinschaft in jene Diskursregeln und Argumentationsformen zurück, die ihren normativen Gehalt
der Geltungsbasis verständigungsorientierten Handelns, letztlich der Struktur sprachlicher Kommunikation und
der nichtsubstituierbaren Ordnung kommunikativer Vergesellschaftung entlehnen.“ (Habermas 1992, S. 359f.)
91 Habermas 1992, S. 362
92 Ebd., S. 362
93 Vgl. Habermas 1996, S. 284. Für Fragen des Interessenausgleichs, so räumt Habermas (1985b, S. 243) selbst
ein, mache es keinen Sinn, auf den Diskurs zurückzugreifen, sondern es müssten Verfahren der Vereinbarung
und des Kompromisses gelten. Diese Differenzierung wird von Kritikern nicht hinreichend gewürdigt, die das
Diskursmodell aufgrund vermeintlicher Interessenblindheit kritisieren (vgl. z.B. Hug 1997, S. 263ff.).
324 VI Diskursive Öffentlichkeit – diskursiver Journalismus

Rechtlich konstituierte Verfahren und Kommunikationsvoraussetzungen normieren die


Austauschprozesse zwischen System und Lebenswelt und eröffnen lebensweltlichen Akteuren
einen Gestaltungsspielraum, der allerdings nicht so weit geht, dass durch die politisch delibera-
tiven Verfahren gleichsam die Gesellschaft als Ganzes umspannt und durch die zugrunde
liegenden rechtlichen Regelungen normiert werden könnte. Die politischen Vollzüge bleiben
vielmehr in ein komplexes Beziehungsgeflecht eingebettet, in dem sie „weder Spitze noch
Zentrum oder gar strukturprägendes Merkmal der Gesellschaft“ sind, sondern – im Anschluss
an eine soziologisch distanzierte Perspektive – „ein Handlungssystem neben anderen“. 94
„Die sozialintegrative Kraft der Solidarität, die nicht mehr aus Quellen des kommunikativen Handelns allein
geschöpft werden kann, soll sich über weit ausgefächerte autonome Öffentlichkeiten und rechtsstaatlich insti-
tutionalisierte Verfahren der demokratischen Meinungs- und Willensbildung entfalten und über das Rechts-
medium auch gegen die beiden anderen Mechanismen gesellschaftlicher Integration, Geld und administrative
Macht, behaupten können.“95

Im Rahmen einer solchen öffentlichen Struktur, die demokratietheoretisch aufgeladen worden


ist, kommt auch Journalismus eine besondere Verantwortung und Rolle zu, die mit den im
Rahmen dieser Studie bereits entwickelten Überlegungen korrespondiert und zum direkten
Ausfluss auch demokratietheoretisch relevanter Überlegungen wird.

2 Journalismus in der diskursiven Öffentlichkeit


Ein deliberatives Öffentlichkeitskonzept erscheint als eine Möglichkeit, journalistisches Han-
deln direkt mit Öffentlichkeit und Demokratie in Beziehung zu setzen und normative Anfor-
derungen entsprechend aus diesen Konzepten abzuleiten. In modernen, segmentierten Gesell-
schaften stellt die massenmedial gestützte Öffentlichkeit die zentrale Form der öffentlichen
Kommunikationssphäre dar96, so dass auch der Vermittlergruppe der Publizisten oder Journa-
listen eine besondere gesellschaftliche Aufgabe zufällt. Für Peters ist in der Öffentlichkeit die
„[…] wichtigste spezialisierte Teilnehmerrolle […] natürlich die des Journalisten, die ja weit mehr Funktionen
ausüben als die des Türhüters und des Nachrichtenproduzenten oder -bearbeiters oder des Reporters. Als
Kommentatoren und Leitartikler, Redakteure verschiedener Sparten, Korrespondenten usw. produzieren
Journalisten einen beträchtlichen Teil auch der intellektuell anspruchsvolleren Beiträge zu öffentlichen Dis-
kursen“.97

Eine Diskurstheorie der Öffentlichkeit sollte daher in ihrer normativen Orientierung vorwie-
gend die Kommunikativität journalistischen Handelns als zu bewahrenden Maßstab anspre-
chen, während die Massenmedien als die Infrastruktur zu betrachten sind, die dieses Handeln
zugleich ermöglicht und beschränkt.98 Angesichts des zentralen Charakters von Öffentlichkeit
sowohl in einem engeren demokratietheoretischen Sinne für die politische Übereinkunft in
einem Staatswesen als auch in einem weiteren soziologischen Sinne für die Integration von

94 Habermas 1996, S. 291f.


95 Habermas 1992, S. 363; vgl. Habermas 1996, S. 289
96 Vgl. Dörner 2000, S. 177
97 Peters 2001, S. 671f.
98 Dass dieses Verhältnis letztlich kaum im Rahmen der Diskurstheorie allein konzeptionell zu benennen sein
wird, liegt auch daran, dass weder Habermas noch Apel die „Textualität bzw. Medialität von Kommunikation“
in ihren Theorien thematisieren. Kommunikationsmedien und ihre Probleme können daher kaum allein auf der
Basis ihrer Analyseansätze angemessen thematisiert werden. Vgl. dazu Arens 1996, S. 73.
2 Journalismus in der diskursiven Öffentlichkeit 325

Gesellschaft durch partielle Entdifferenzierung ist ein umso schärferer Blick auf die zentrale
Akteursgruppe der Öffentlichkeit, die Journalisten, beinahe zwangsläufig geboten. In den
Ausführungen von Habermas kommen diese aufgrund des anders gelagerten Erkenntnisinte-
resses nur am Rande vor. Dabei sind Journalisten bis heute die Berufsgruppe, welche sui
generis in ihrem professionellen Handeln darauf verpflichtet ist, die Kommunikationssphäre
Öffentlichkeit aufrechtzuerhalten und weiterzuentwickeln.

2.1 Journalismus im demokratischen Prozess

Beispielhaft lässt sich die gesellschaftliche Relevanz journalistischen Handelns anhand seiner
Stellung im politischen Prozess verdeutlichen. Mit den darauf fokussierten Erörterungen soll
explizit nicht der Eindruck erweckt werden, Journalismus oder Öffentlichkeit beschränkten
sich auf politische Aufgaben; ihre Bandbreite ist erheblich weiter gefasst und potenziell unab-
geschlossen. Aber anhand dieses Beispiels lässt sich insbesondere die demokratische Relevanz
journalistischen Handelns vor allem für die Aufrechterhaltung entsprechender öffentlicher
Kommunikationsmöglichkeiten klar begründen. Es ist weitgehend Konsens, dass „Journalis-
mus […] aktuell die ausgewählten oder selbst generierten Themen für die politische Debatte“
bereitstellt und so dazu beiträgt, „[…] die Komplexität der gesellschaftlichen Systeme zu
reduzieren“.99 Auf diesen oder vergleichbaren Überlegungen gründen die Ansprüche delibera-
tiver Demokratiemodelle an Journalismus.
Die Fundierung normativer Anforderungen an das gesellschaftliche Zeitgespräch in den
skizzierten diskursethischen Annahmen intersubjektiver Kommunikation und in einem daran
anknüpfenden Modell deliberativer Politik hat Konsequenzen für das theoretische und das
praktische Verständnis der öffentlichen Sphäre und damit auch für das Verständnis des sie
gewährleistenden Journalismus. Während die Teilnahme an Öffentlichkeit unzweideutig mit
der Befolgung der diskutierten Diskursregeln und den aus ihnen abgeleiteten demokratietheo-
retischen Prämissen zusammenhängt, ist der scharfe Kontrast zwischen diesen vermeintlichen
Idealisierungen und dem Zustand öffentlicher Kommunikation in vielen modernen Gesell-
schaften nicht zu übersehen. Aber auch wenn das Modell deliberativer Öffentlichkeit sich
empirisch nicht entsprechend seiner Modellannahmen auffinden lässt, so beansprucht es doch
Gültigkeit als regulative Idee öffentlicher Kommunikation und als idealtypische Konstruktion,
an der empirische Beobachtungen abgeglichen werden können. Eine analytische Konkretisie-
rung von Öffentlichkeit ist ihre Verortung in einem Prozess-Modell politischer Handlungsvoll-
züge, in dem die verschiedenen Akteursgruppen entlang einer Unterscheidung zwischen
Zentrum und Peripherie des politischen Systems sortiert werden. 100
• Das Zentrum des politischen Systems besteht dem zufolge im Kernbereich aus den formalen
Institutionen der Staatsgewalt und in einem weiteren Sinne aus den Institutionen mit
Selbstverwaltungsrechten oder staatlich delegierten Kontroll- und Hoheitsfunktionen.
Die das Zentrum umgebende Peripherie des politischen Systems differenziert sich in eine
Input- und eine Output-Peripherie:
• Die Output-Seite der Peripherie konstituiert sich aus jenen (vorwiegend klassisch korporatisti-
schen) Spitzenverbänden, mit denen sich das Zentrum bei der Durchsetzung seiner politi-
schen Vorhaben auseinandersetzen muss und die bisweilen genügend soziale und kom-

99 Rager/Rinsdorf 2002a, S. 48
100 Vgl. zum Folgenden: Habermas 1992, S. 430ff.; siehe auch Peters 1993, S. 322ff.
326 VI Diskursive Öffentlichkeit – diskursiver Journalismus

munikative Macht auf sich vereinen, um die Durchsetzung eines politischen Programms
zu beeinflussen oder auch zu verhindern.
• Die Input-Seite der Peripherie hingegen besteht aus den zivilgesellschaftlichen Akteursgrup-
pen, die (nur) versuchen können, Interessen und Themen zu definieren und in den politi-
schen Kreislauf einzuspeisen. Dazu sind ressourcenschwache partikulare Interessenvertre-
tungen ebenso zu zählen wie Gruppen, die Kollektivgüter-Interessen vertreten.101
Diese Input-Seite der Peripherie, die ihren Einfluss vorwiegend durch die Entfaltung kommu-
nikativer Macht geltend machen kann, trägt durch Thematisierungs- und Meinungsbildungs-
leistungen zur Konstituierung lebensweltlicher Öffentlichkeit bei.102 Daraus ergibt sich
„[…] das Bild eines Prozeßmodells öffentlicher Regulierung, in dem die Mechanismen und Wirkungsweisen
einer deliberativen Demokratie von den Voraussetzungen zehren, daß zum einen sich der politisch-
administrative Komplex, aus legitimations- sowie rationalitätsbedingten Notwendigkeiten, als hinreichend
durchlässig für externe, lebensweltliche Anstöße erweist und zum zweiten, dass sich eine ‚Öffentlichkeit‘ kraft
zivilgesellschaftlicher Strukturen zu konstituieren vermag, die nicht vom politischen System zu Legitimations-
zwecken ausgehalten werden kann […].“103

Öffentlichkeit bleibt durch die permanenten Input-Bemühungen zivilgesellschaftlicher Akteure


zwar prinzipiell rückgebunden an lebensweltliche Zusammenhänge, aber in der Regel verlaufen
die kommunikativen Kreisläufe innerhalb dieses Machtmodells vom Zentrum zur Peripherie.
In den meisten Fällen wird Öffentlichkeit als kommunikativer Raum daher von Seiten des
administrativen Kerns des politischen Systems, also von Regierung, Parlament oder Parteien, in
Anspruch genommen und durch den Einfluss administrativer und sozialer Macht geprägt. Die
Rückbindung der Öffentlichkeit zur Lebenswelt zeigt sich darin, dass sie in ihrer Verfasstheit
ausreichend sensibel verbleibt, um in bestimmten Krisensituationen diesen Kreislauf zugunsten
ihrer originäreren zivilgesellschaftlichen Akteure an der Peripherie zu durchbrechen.
Die Ambivalenz der Massenkommunikation zeigt sich auch deutlich in den unterschiedli-
chen Funktionsweisen der durch sie konstituierten Öffentlichkeiten in Routine- respektive in
Krisensituationen: Während die journalistisch vermittelnden Massenmedien normalerweise den
Thematisierungsimpulsen des administrativen Zentrums folgen, öffnen sie sich in Krisensitua-
tionen für die in ihrer Informationspolitik schwächeren zivilgesellschaftlichen Akteure.104
Greifen ansonsten Selektionsmechanismen, die es den organisierten und vor allem den forma-
lisierten Akteuren einfacher machen, die Medienagenda zu beeinflussen, so werden die ent-
sprechenden Hürden für aus der Zivilgesellschaft heraus handelnde Sprecher in Krisenzeiten
niedriger als in Routine-Situationen. Die Massenmedien reagieren so auf die höhere Sensibilität
der Peripherie gegenüber den Problemen der Lebenswelt
Gesellschaftliche Kommunikation in räumlich ausgedehnten und sozial differenzierten Ge-
sellschaften ist einem solchen Modell zufolge auf Journalismus als soziale und Massenmedien
als systemische Vermittlungsinstanz angewiesen.105 Die durch sie gestützten ‚institutionalisier-
ten Diskurse’ sollen relevante Themen und Ansprüche öffentlich vermitteln und die kritische
Bewertung öffentlicher Äußerungen in Form von rationalen Ja- oder Nein-Stellungnahmen der
rezipirenden Bürgerinnen und Bürger befördern.106 Massenkommunikation fungiert „als

101 Vgl. Gerhards 1997, S. 3


102 Vgl. Habermas 1992, S. 431
103 Heming 1997, S. 182f.
104 Vgl. Habermas 1992, S. 459ff.
105 Vgl. Lesch 1996, S. 104
106 Vgl. Habermas 2006, S. 5
2 Journalismus in der diskursiven Öffentlichkeit 327

dezentrale Organisation, die der Artikulation von Positionen in Abhängigkeit von Ressourcen
ein allgemein zugängliches Forum bietet“107; insbesondere einem mediengestützten, kommuni-
kativen und diskursiven Journalismus kommt in ihrem Rahmen die Rolle eines institutionali-
sierten Transmissionsriemens zwischen Öffentlichkeit und politischen Institutionen, zwischen
informellen lebensweltlichen Gesprächen und formal organisierten Kommunikationsprozessen
zu.108 Journalismus, als zentrale Institution der Herstellung von Öffentlichkeit, wird in moder-
nen Gesellschaften empirisch mehrheitlich von Systemseite aus eingespannt. Aus der Perspek-
tive eines vermittelnden Verlautbarungsjournalismus ergibt sich daraus zunächst kein Problem,
erscheint doch lediglich ein bestimmtes gesellschaftliches Segment aktiver als andere. Haber-
mas konfrontiert Journalismus allerdings mit normativen Postulaten, die aus dem deliberativen
Charakter von Öffentlichkeit erwachsen. Er weist Journalisten eine Rolle zu, die in Teilen über
die eines Mediators hinausgeht: Sie sollen als Kommentatoren öffentlicher Vorgänge selbst in
die Rolle von Kommunikatoren, von Sprechern in öffentlichen Arenen, schlüpfen.109 Auch die
regulative Idee journalistischer Tätigkeit, die Habermas aus Berufskodizes deduziert, geht von
einem erweiterten Journalismusverständnis aus, das sich deutlich auf die früheren Annahmen
zur publizistischen Tätigkeit in ‚Strukturwandel der Öffentlichkeit‘ bezieht – wenn auch in
einem modifizierten, den Bedingungen moderner Medienkommunikation angepassten Sinn.
Ein sich auch der eigenständigen Kommunikativität und Recherche verpflichtet fühlender
Journalismus hat außerdem darauf zu achten, dass auch lebensweltliche Peripherieinteressen
gesellschaftlich ausreichend Gehör finden. Er fungiert als Anwalt gesellschaftlicher Diskurse
und mithin als ein Korrektiv in Fällen ungleicher Verteilung kommunikativer Artikulations-
chancen in der Öffentlichkeit.110 Einem diskursiven Journalismus kommt es weniger darauf an,
die Vertreter unterschiedlicher Positionen in der Öffentlichkeit proportional zu repräsentieren,
sondern darauf, den „Austausch von Argumenten mit dem Ziel rationaler Problemlösung“
auch durch journalistisches Handeln zu befördern.111 Das bedeutet, dass alle relevanten Positi-
onen gleichermaßen zu beachten sind – nicht in erster Linie gemäß der Häufigkeit oder Laut-
stärke ihrer Artikulation, sondern vor allem auch hinsichtlich der Qualität ihrer Begründungen.
Weil letztlich der Zwang zur Begründung auch von den mächtigsten Akteuren nicht vollstän-
dig außer Kraft gesetzt werden kann, ist eine vollständige Kolonialisierung von Öffentlichkeit
nicht möglich – und kann durch einen kommunikativ kompetenten Journalismus zusätzlich
erschwert werden: Schließlich können die Eliten die Ressourcen der Öffentlichkeit allenfalls
„[…] zu monopolisieren suchen, ohne die Logik des Feldes kontrollieren zu können“.112
Habermas fordert – mit Blick auf die Massenmedien, aber im Rahmen der Terminologie
der vorliegenden Studie müssten diese Forderungen eher an den Journalismus gestellt werden,
da sie als Funktion eines systemischen Rahmens kaum umsetzbar scheinen – Anwälte eines
aufgeklärten Publikums, die in der Selektion unparteilich vorgehen und in der Bearbeitung
ihrer Themen die Geltungs- und Legitimationsansprüche des von ihnen zur Vermittlung
Aufgegriffenen kritisieren.113 Damit bindet er journalistische Leistungen zurück an eine advo-

107 Franz 2000, S. 16


108 Vgl. Habermas 2006, S. 10
109 Vgl. zu der Doppelrolle von Journalisten in öffentlichen Diskurszusammenhängen ausführlich Brosda 2000a.
110 Da Sichtbarkeit in öffentlichen Diskursen zwar auch eine Frage des Ressourceneinsatzes, aber keineswegs
ausschließlich mit Macht und Geld allein zu erklären ist (vgl. Peters 2001, S. 673f.), würde eine vollständige Ni-
vellierung der Unterschiede dem Gedanken einer deliberativen Öffentlichkeit widersprechen.
111 Peters 2001, S. 674f.; vgl. zur Bedeutung von Argumenten in politischen Prozessen auch die Beiträge in van
den Daele/Neidhardt 1996a; insbesondere dies. 1996b.
112 Eder 1996, S. 150
113 Habermas 1992, S. 457
328 VI Diskursive Öffentlichkeit – diskursiver Journalismus

katorische Diskursbeziehung zwischen Journalisten, öffentlichen Sprechern und Publikum, in


dem Journalisten stellvertretend für und in Verantwortung vor einem breiten Publikum kom-
munikativ agieren. In diesen starken normativen Anforderungen bündelt Habermas das
emanzipatorische Potenzial, das er öffentlicher Kommunikation letztlich zuschreibt.
Die Einordnung von Öffentlichkeit und Journalismus in ein Kreislauf-Modell der öffentli-
chen politischen Debatte mitsamt seiner Anerkennung systemischer Einflüsse zielt auf ein
theoretisches Konzept, das weder den vermeintlichen Realismen liberaler Modelle noch der
überanstrengten Normativität vollständig auf Emanzipation und Partizipation abstellender
Modelle verwandt ist, sondern einen moderaten Mittelweg beschreiben soll, in dem kommuni-
kative Verständigung zwar konstitutiv ist, andererseits aber angesichts gesellschaftlicher Kom-
plexität nicht als einzige Ressource der Legitimation herangezogen wird.114 Öffentlichkeit stellt
somit eine „Spannung zwischen der Rationalität verselbständigter sozialer Sphären wie der
Wirtschaft, der bürokratischen Verwaltung und auch des privaten Alltags einerseits und der
Macht öffentlicher Kommunikation andererseits“ her und belässt letzterer damit prinzipiell die
Möglichkeit, öffentlich erhobene Geltungsansprüche zu betrachten, zu analysieren und zu
beurteilen.115 Journalistische Massenmedien sind in diesem Modell eher näher am Zentrum des
politischen (oder auch des ökonomischen) Systems zu verorten, während journalistisches
Handeln enger an die Peripherie gerückt zu sehen ist. Es speist sich aus dem zivilgesellschaft-
lich bewirtschafteten Argumentationshaushalt und hat seine Wurzeln in der machtantagonisti-
schen Position kommunikativ begründeter Gesellschaftlichkeit am Rande eines systemischen
politischen Prozesses. Dadurch ist journalistisches Handeln idealtypisch sensibel für Belange
zivilgesellschaftlicher Akteure, so lange es nicht so weitgehend von massenmedialen Imperati-
ven überformt ist, dass es zur technizistisch verstandenen Funktionalität des ‚gatekeepers‘
zwischen Zentrum und Peripherie, zum Kommunikationsdienstleister eines ressourcenstarken
politischen Systemkerns herabgewertet wird.
Unabhängiges journalistisches Handeln kann die Rückkoppelung politischer Prozesse an
Öffentlichkeit und damit an Lebenswelt gewährleisten, indem es kommunikative Macht
entfaltet. Diese ist für Habermas im Anschluss an Arendt die „autorisierende Kraft, die sich in
der Schaffung legitimen Rechts und in der Gründung von Institutionen äußert“.116 Administra-
tive Macht kann die auf diesem Wege entstandenen Potenziale nur nutzen, nicht aber legitimie-
ren oder gar selbst schaffen. Umgekehrt sind auch die Spielräume kommunikativer Macht
begrenzt. Kommunikativ erzeugte Macht kann lediglich im Sinne einer Begrenzung der Macht
des administrativen Systems wirksam werden. Sie kann den Einfluss des Zentrums limitieren
und mittelbar Einfluss auf seine Entscheidungsroutinen nehmen, ohne dadurch allerdings den
systemischen Modus des Machtgebrauchs zu ersetzen und so möglicherweise die funktionale
gesellschaftliche Arbeitsteilung zu gefährden.
„Kommunikative Macht wird ausgeübt im Modus der Belagerung. Sie wirkt auf die Prämissen der Entschei-
dungsprozesse des Verwaltungssystems ohne Eroberungsabsicht ein, um in der einzigen Sprache, die die be-
lagerte Festung versteht, ihre Imperative einzubringen: sie bewirtschaftet den Pool von Gründen, mit denen
die administrative Macht instrumentell umgehen kann, ohne sie aber, rechtsförmig verfaßt wie sie ist, ignorie-
ren zu dürfen.“117

114 Vgl. Gerhards 1997, S. 5


115 Eder 1996, S. 152
116 Habermas 1992, S. 184
117 Habermas 1989, S. 475
2 Journalismus in der diskursiven Öffentlichkeit 329

Somit kann auch Journalismus jenseits der reflexiven Vermittlung des gesellschaftlichen
Gesprächs in besonderen Situationen zu einem Instrument der lebensweltlichen Belagerung
des politisch-administrativen Systems werden, um auf diese Weise soziale und solidarische
Aspekte von Gesellschaftlichkeit zu vertreten.118

2.2 Journalismus als institutionelle Vorkehrung diskursiver Öffentlichkeit

Die Begrenzung der Einflussmöglichkeiten kommunikativ erzeugter Macht, d.h. der Macht
spontaner nicht-institutionalisierter und nicht-vermachteter Öffentlichkeit, auf eine weitgehend
passive Rolle, die nur in Ausnahmesituationen aktiviert wird, ist einer der Hauptgegenstände
der republikanisch motivierten Kritik an diesem Öffentlichkeitsmodell. Es gebe vorschnell eine
partizipatorische Interpretation preis, indem es der nicht-vermachteten Öffentlichkeit zwar
einen konstitutiven Anteil an der gesellschaftlichen Meinungsbildung zuschreibe, ihr aber
gleichzeitig jede ‚wirkliche‘ Beteiligung an gesellschaftlich verbindlicher Entscheidungsfindung
konzeptionell versage.119 Kritisiert wird die Vorstellung, dass die politisch sich vollziehende
Willensbildung zur Gänze innerhalb des institutionellen Kerns des politischen Systems, vor
allem in den parlamentarischen Körperschaften, stattfinde, während die Peripherie-Akteure
und die durch sie konstituierten nicht-vermachteten Öffentlichkeitsstrukturen lediglich an einer
zwar notwendigen, aber nicht hinreichenden Meinungsbildung partizipierten.120
Habermas rechtfertigt den Unterschied zwischen diesen beiden Gleisen deliberativer Poli-
tik ausdrücklich121 und identifiziert das manifeste politische Handeln der Policy-Umsetzung in
politische Verfahrensrichtlinien und Gesetze mit den Handlungen des politischen Systems,
während zivilgesellschaftliche Öffentlichkeitsakteure an den der Entscheidung vor- und
nachgelagerten Diskursen und Aushandlungsprozessen partizipieren. Journalismustheoretisch
entspricht dies der Selbstverständlichkeit, dass Journalismus als öffentliche Instanz keine
eigenständige politische Kapazität hat, sondern vielmehr das Vorfeld politischer Entscheidun-
gen bestellt und als kommunikativer Transmissionsriemen zwischen Politik und Gesellschaft
fungiert. Und auch demokratietheoretisch ist eine solche Sichtweise der ‚realistischen‘ Wen-
dung des deliberativen Politikverständnisses angemessen, der zufolge nur das politische System
‚handeln‘ könne:
„Es ist ein auf kollektiv bindende Entscheidungen spezialisiertes Teilsystem, während die Kommunikations-
strukturen der Öffentlichkeit ein weitgespanntes Netz von Sensoren bilden, die auf den Druck gesamtgesell-
schaftlicher Problemlagen reagieren und einflußreiche Meinungen stimulieren. Die nach demokratischen Ver-
fahren zu kommunikativer Macht verarbeitete öffentliche Meinung kann nicht selber ‚herrschen‘, sondern nur
den Gebrauch der administrativen Macht in bestimmte Kanäle lenken.“122

Allerdings bleibt in der Konzeption von Habermas die Frage offen, auf welcher Ebene es der
informellen öffentlichen Meinung gelingen soll, den Gebrauch der administrativen Macht
tatsächlich entscheidend zu lenken und so über kommunikatives Handeln Einfluss und Macht
zu entfalten. Zwar wird die zentrale Bedeutung der Kommunikationsflüsse zwischen Öffent-

118 Dass ein Ausnutzen dieser Belagerungsoption dabei aus politischen wie ökonomischen Motiven strategisch
möglich ist, steht dabei außer Frage.
119 So zum Beispiel: Scheyli 2000; Heming 1997; Schmalz-Bruns 1995; Nullmeier 1995.
120 Vgl. Scheyli 2000, S. 85; Thumfart/Waschkuhn 1995, S. 205f.
121 Vgl. dazu ausführlich Scheyli 2000.
122 Habermas 1996, S. 290
330 VI Diskursive Öffentlichkeit – diskursiver Journalismus

lichkeit und politischem Kernbereich betont123, aber zugleich werden kaum institutionelle
Mechanismen benannt, durch die sich der demokratiekonstitutive Austausch auch im Routi-
nemodus vollziehen und dadurch Stabilität und Partizipation sichern kann.124
Die an anderer Stelle in Bezug auf Diskurse erwähnte Figur der institutionellen Vorkehrung
zieht Habermas dazu offensichtlich nicht in Betracht. Zwar verweist er darauf, dass sich
dialogische und instrumentelle Politik in Deliberation verschränken können, wenn die entspre-
chenden Verfahren institutionalisiert worden sind125, aber er beschreibt lediglich die Vorgänge
des Durchdringens zivilgesellschaftlicher Thematisierungsbemühungen in den Kernbereich des
politischen Systems für den seltenen Fall des außerordentlichen Politikverarbeitungsmodus in
krisenhaften Situationen. Der Routinemodus scheint weitgehend ohne den konkreten Input
der Öffentlichkeit auszukommen. In dem Konzept bleiben die alltäglichen Leistungen des
Journalismus und der Medien in der Öffentlichkeit weitgehend eine Leerstelle, weil zunächst
lediglich dem Recht der „Status einer systemisch-lebensweltlichen Transferstelle“126 zugewie-
sen wird. Diese Entscheidung kann als „juridische Politikverkürzung“ kritisiert werden, weil sie
nicht diejenigen Themen und Meinungen zu erfassen vermag, die in den subpolitischen Berei-
chen zivilgesellschaftlicher Arenen verbleiben, und daher ohne Chance sind, an das politische
System herangetragen zu werden.127 Vor allem die Entscheidung, das Recht als den Kanal und
Mechanismus auszuzeichnen, der die diskursive Meinungsbildung mit der institutionalisierten
Willensbildung koppelt, resultiert in einem defensiven Verständnis von Öffentlichkeit, das
tendenziell im Widerspruch zu dem Anspruch steht, Öffentlichkeit als Zentralkategorie einer
deliberativen Demokratie zu begreifen.128
In der zweigleisigen Öffentlichkeitskonzeption von Habermas tragen die zivilgesellschaftli-
chen Akteure aufgrund des konzeptuellen Fehlens von stabilen Institutionen, die die Ergebnis-
se ihrer spontanen Verständigungsprozesse an die politischen Entscheidungsinstanzen vermit-
teln, eine schwer zu bürdende Last. Es fehlt ausgerechnet an diesem neuralgischen Punkt eines
als prozeduralistisch konzipierten Öffentlichkeits- und Demokratiemodells bereits in der
theoretischen Konzeption die Benennung derjenigen Prozeduren, die das für das Gesamtmo-
dell zentrale Austauschverhältnis zwischen informellen Meinungs- und institutionalisierten
Willensbildungsprozessen gewährleisten können.129 Um diese zu entwickeln, müsste man die
von Schmalz-Bruns kritisierte Modellierung „einer intransigenten politisch-administrativen
Entscheidungspraxis“130, die aus der System-Lebenswelt-Dichotomie heraus folgt, weiter
abschwächen und der Lebenswelt entgegenkommende aktivierbare Demokratisierungspotenzi-
ale auch auf Seiten des institutionalisierten Teils des politischen Systems suchen. Gleiches gilt
analog für andere Lebenswelt-System-Austauschprozesse.
Einen diesbezüglich viel versprechenden Vorschlag machen Cohen und Arato in ihrer Zi-
vilgesellschafts-Theorie:131 Sie bekräftigen die zivilgesellschaftliche Aufgabe, abgestufte Ver-
bindungen zu den ausdifferenzierten Systemen zu unterhalten und durch diese Vermittlung
den Einfluss der Lebenswelt auf die zweckrationalen Gesellschaftsbereiche aufrecht zu erhal-

123 Vgl. Habermas 1992, S. 362f.


124 Vgl. zu dieser Kritik Scheyli 2000, S. 92; auch Schmalz-Bruns 1995, S. 52f. sowie Beiträge in Göhler 1995a.
125 Vgl. Habermas 1996, S. 285
126 Heming 1997, S. 176
127 Meyer 1994, S. 243
128 Vgl. zu dieser Kritik Schmalz-Bruns 1995, S. 57.
129 Vgl. zu dieser Kritik Scheyli 2000, S. 109.
130 Schmalz-Bruns 1995, S. 52f.
131 Vgl. Cohen/Arato 1994
2 Journalismus in der diskursiven Öffentlichkeit 331

ten, ohne damit einer dysfunktionalen Entdifferenzierung Vorschub zu leisten. Sie sehen den
Einfluss der zivilgesellschaftlichen Akteure daher weniger direkt auf die Systeme, als vielmehr
auf eine jeweilige so genannte ‚politische‘ und eine ‚ökonomische Gesellschaft‘, die als kom-
munikationsoffene Vorhöfe das entsprechende System umgeben. Es ist nicht zu erwarten –
und aus dem Blickwinkel der funktionalen Modernisierung der Gesellschaft auch gar nicht
wünschenswert –, dass einmal vollzogene Differenzierungsprozesse rückgängig zu machen
sind. Allerdings verweist die von Cohen und Arato angenommene Existenz politischer und
ökonomischer Gesellschaften, die in Teilbereichen mancher Institutionen des intermediären
Sektors zu finden sind, auf eine Möglichkeit für lebensweltliche Akteure, in bestimmten
Situationen ihre eigenen Anliegen an die ausdifferenzierten Systeme herantragen zu können.
Der Öffentlichkeit kommt auch hier die Aufgabe zu, zwischen Zivilgesellschaft und den
jeweiligen ‚Gesellschaften‘ zu vermitteln.132 Dazu ist es notwendig, in den systemischen Um-
welten Strukturen und Institutionen zu schaffen, die sensibel sind für die Probleme der Zivil-
gesellschaft.133 Das Modell von politischer und ökonomischer Gesellschaft eröffnet so die
Möglichkeit, den Einfluss kommunikativer Macht über den Modus der Belagerung hinaus auch
in Formen konstruktiverer und stabilerer Austauschbeziehungen zwischen Zivilgesellschaft
und systemischen Gesellschaftsvorhöfen zu denken und zu konzipieren. Solche, die Systeme
umgebenden, kommunikativen Resonanzböden wären insbesondere durch aktive Zivilgesell-
schaftsakteure sowie durch einen diskursiven Journalismus aktivierbar. Journalismus selbst
wird im Rahmen dieser Vorstellung als eine institutionelle Vorkehrung gesellschaftlicher Diskurse
beschreibbar. Seine Vermittlungsleistungen zwischen Zivilgesellschaft auf der einen und
politischen oder ökonomischen Gesellschaften auf der anderen Seite können als eine konstitu-
tive Grundlage dafür verstanden werden, dass zwischen diesen unterschiedlichen Bereichen
kommunikativer Austausch und Diskurs überhaupt möglich werden.
Die Erweiterung um kommunikationsoffene politische und ökonomische Instanzen würde
in diesem Zusammenhang auch den Einwand abschwächen, dass es angesichts der systemi-
schen Austrocknung lebensweltlicher Strukturen nur schwer einzusehen ist, dass spontane
Assoziierung in der Zivilgesellschaft per se mit rationalen Entscheidungen konvergiert.134 Auch
wenn die ‚Bewirtschaftung des Pools an guten Gründen‘ für politische Entscheidungen biswei-
len die einzige Möglichkeit zivilgesellschaftlicher Akteure ist, um kommunikative Macht zu
entfalten, so kann doch nicht davon ausgegangen werden, dass es diskurstheoretisch geboten
ist, andere Öffentlichkeitsakteure von der gestaltenden Einflussnahme aus diesen Zusammen-
hang ausschließen zu können. Geht man von prinzipiell kommunikationsoffenen Systemzu-
sammenhängen aus, dann verbietet sich eine derart apodiktische Aussage gleichsam von selbst.
Es kann nur darum gehen, die diskursive Auseinandersetzung mit den lebensweltlichen Be-
gründungszusammenhängen ihrer strategischen Indienstnahme vorzuziehen. Jede andere, nicht
immanente Beschränkung würde gegen das Offenheitspostulat der Öffentlichkeit verstoßen.
Empirische Analysen scheinen allerdings zu belegen, dass bei zivilgesellschaftlichen Akteu-
ren keineswegs a priori von einer höheren Rationalität ihrer kommunikativen Einlassungen in

132 Vgl. ebd., S. 412


133 Vgl. ebd., S. 526: „While the democratization of civil society and the defense of its autonomy from economic
or administrative ‘colonization’ can be seen as the goal of the new movements, the creation of ‘sensors’ within
political and economic institutions (institutional reform) and the democratization of political society (the poli-
tics of influence and inclusion) which would open these institutions to the new identities and egalitarian norms
articulated on the terrain of civil society, are the means of securing this goal.“ Cohen und Arato erweitern damit
das zweistufige Gesellschaftsmodell um eine durchlässige Interpenetrationszone.
134 So die Kritik von Bermbach 1995, S. 34.
332 VI Diskursive Öffentlichkeit – diskursiver Journalismus

öffentlichen Diskursen ausgegangen werden kann.135 Dies ist nicht zuletzt auch dem Umstand
geschuldet, dass Zivilgesellschaftsakteure die öffentliche Aufmerksamkeitsschwelle mit drama-
tisierenden Überformungen des Sachverhalts erst strategisch überspringen müssen, weil ihnen
nur wenig Sensibilität von Seiten der Politik und des medial eingespannten Journalismus
entgegengebracht wird. Sie sind vermutlich oftmals gar nicht in der Lage, sich auf ihre Kom-
munikativität zu beziehen, da sie sich zunächst auf die Spielregeln der darstellungsorientierten
Öffentlichkeit einlassen müssen, wenn sie Gehör finden wollen. Empirische Befunde, die für
solche Situationen ein geringes Diskursniveau aufzeigen, können insofern auch als ein Beleg
dafür gelesen werden, dass Journalismus in seiner derzeitigen Form nur noch geringe Sensibili-
tät für die Belange der Peripherie besitzt und seine ihm eigene Kommunikativität aufgrund der
Imperative eines ‚news‘-orientierten Mediensystems kaum zur Geltung kommen kann. Peri-
pherieakteure werden entsprechend zu vorauseilendem Gehorsam genötigt, wenn sie dennoch
öffentlich wahrgenommen – und das heißt medial-journalistisch ‚behandelt‘ – werden wollen.
Daraus kann das normative Postulat gefolgert werden, dass Journalisten ihre alltagssprachliche
Rationalität auch im beruflichen Handeln wach halten müssen. Und für den ‚Routine-Modus‘
gilt: Die Leistung der Meinungsbildung nicht-vermachteter Öffentlichkeitsstrukturen besteht in
der „diskursiven Schaffung eines (alltags-)argumentativen Raumes akzeptierbarer moralischer
Deutungen, […] auf die politisches Handeln rekurriert, um sich zu legitimieren“.136
Das flexiblere und differenziertere Modell deliberativer Öffentlichkeit markiert eine ent-
scheidende und fällige Revision im Vergleich zu früheren Ausführungen, die noch von einer
einseitigen Vermachtung (Kolonialisierung) des öffentlichen Raumes durch Akteure mit großer
administrativer oder sozialer Macht ausgingen. Dadurch dass Öffentlichkeit ein ambivalentes
Potenzial attestiert wird, ist die Möglichkeit eines aufklärerischen und diskursiven Wirkens
darstellbar. Öffentlichkeit wird nicht nur deskriptiv als ein kommunikativer Raum oder eine
Sphäre quer zur gesellschaftlichen Differenzierung konzipiert, sondern ihr werden gleicherma-
ßen auch emanzipatorische Aufgaben zugeschrieben. Anknüpfend daran wäre es allerdings nur
konsequent, wenn die beiden Konzepte vermachteter und nicht-vermachteter Öffentlichkeit
nicht nur lose miteinander verbunden wären, sondern bereits in der Modellierung verschie-
denste Mischungs- und Durchdringungsverhältnisse der beiden Modi berücksichtigen würden.
Es ist daher lohnenswert, nach schwächeren, aber kommunikativ fundierten institutionellen
Vorkehrungen für die Austauschprozesse zwischen dem politischen Systemkernbereich und
den peripheren Öffentlichkeitsakteuren aus zivilgesellschaftlichen Zusammenhängen zu
suchen, die nicht den Charakter von Öffentlichkeit als kommunikativen und diskursiven
Entdeckungszusammenhang gefährden.137 Hier kommt ein kommunikativ verstandener
Journalismus ins Spiel, der in lebensweltlicher Rationalität verankert und sensibel für die
Probleme zivilgesellschaftlicher Peripherie geblieben ist. Er kann als die Institutionalisierungs-
chance kommunikativer Vernunft in einem politischen Prozess verstandenen werden, der
ansonsten weitgehend durch Macht- und Profitkategorien überformt worden ist. Ein zwischen
verschiedenen Ausgangspartnern im Sinne Groths vermittelnder Journalismus, der sich nicht

135 Vgl. Gerhards/Neidhardt/Rucht 1998, S. 186f. Allerdings betrifft diese Beobachtung das Diskursverhalten in
einer hoch emotionalisierten Debatte über den Abtreibungsparagraphen § 218. Die Autoren gelangen zu dem
Fazit, dass die zivilgesellschaftlichen Akteure bezüglich des Diskursniveaus ihrer Äußerungen „relativ schlecht“
abschneiden. Sie treten in der Öffentlichkeit dadurch hervor, dass sie vernachlässigte Themen oder Meinungen
durch einseitige Überspitzungen auf die Agenda des politischen Prozesses zu setzen versuchen.
136 Franz 2000, S. 43
137 Ein Beispiel wäre die von Nullmeier (1995, S. 92) vorgeschlagene Implementierung einer „diskursiven Ord-
nungspolitik“ für die Öffentlichkeit.
3 Journalismus in der medial geprägten Öffentlichkeit 333

nur als Relaisstation des politischen Diskurses, sondern mindestens als Katalysator begreift,
besitzt das Potenzial, lebensweltlichen Stimmen eine angemessen belastbare Chance auf Gehör
in der öffentlichen Deliberation zu geben. Allerdings ist ebenso offensichtlich, dass die Ge-
währleistung der Möglichkeit eines solchen Journalismus entsprechender Systembedingungen
ausdifferenzierter in der Regel ökonomisch determinierter Massenmedien bedarf. Ein ange-
messen diskursives öffentliches Zeitgespräch ist ohne einen entsprechend ausgestatteten
Journalismus nicht denkbar. Der Fokus liegt damit auf der prozeduralen Ausgestaltung öffent-
licher Kommunikationswege durch die direkte institutionelle Stärkung und Gestaltung der
vermittelnden Instanz. Beschreibbar wäre eine solche gesellschaftliche Instanz ‚Journalismus‘
aus der Makroperspektive zum Beispiel auch als ein soziales Feld, mithin als eine distinkte
Sinnprovinz, die von spezifischen, distinkten Charakteristika geprägt ist, zugleich aber nicht
eine Geschlossenheit besitzt, wie sie von der Systemtheorie unterstellt wird.138 Denn meist, so
Raabe zu Recht, „[…] erweisen sich die Grenzen des journalistischen Feldes als weniger
eindeutig, als es die Journalismustheorie oft glauben machen will“.139
Eine weitergehende, direkte Institutionalisierung von Diskurspartnern hingegen ist als
problematisch anzusehen: Jede Auflösung der atomistischen Struktur lebensweltlicher Öffent-
lichkeit in dauerhafte ‚Diskurs-Parteien‘ oder ‚Diskurs-Organisationen‘ würde trotz aller
stabilisierenden Auswirkungen auch eine Oligopolisierung nach sich ziehen, die den Kern einer
prozeduralisierten Volkssouveränität unweigerlich zerstören würde.140 Der Bereich lebenswelt-
lich öffentlicher Meinungsbildung entzieht sich weitgehend jeder Planung und Institutionalisie-
rung und beruht lediglich auf den vagen Prämissen einer entgegenkommenden politischen
(oder allgemeiner kommunikativen) Kultur, deren Vorhandensein institutionell nicht zu
gewährleisten ist.141 Andererseits kann es auch nicht darum gehen, dem Kernbereich des
politischen Systems seine unzweifelhafte Funktion der „Synthese der Meinungsbildung“142
theoretisch abzusprechen. Aufgrund ihrer Machtorientierung und der daraus resultierenden
Zweckrationalität ist Politik wohl auch nicht in der Lage, in jedem Fall und auf sich selbst
gestellt eine eigene kommunikativ begründete inhaltliche Legitimation ihrer Handlungen
beizubringen.143 Eine Berücksichtigung der institutionellen Absicherung kommunikativer
Austauschprozesse könnte dagegen – ohne die Fragilität lebensweltlicher Zusammenhänge und
die institutionelle Ausdifferenzierung des politischen Systems zu gefährden – den normativ
geforderten Einfluss der außerinstitutionell erzeugten Einigungen auf die politische Willensbil-
dung erhöhen und stabilisieren und auf diese Weise zu einer weitergehenden Demokratisierung
des politischen Kommunikationsprozesses als Ganzes beitragen.

3 Journalismus in der medial geprägten Öffentlichkeit


Es spricht einiges dafür, dass die journalistisch vermittelte Öffentlichkeit am ehesten in der
Lage ist, das geforderte transmissive Bindeglied zwischen Lebenswelt und politischem System
zu bilden. Die Erwartungen, die in diesem Rahmen an journalistische Medien herangetragen

138 Vgl. Raabe 2005, S. 188ff.


139 Ebd., S. 197
140 So die Kritik Nullmeiers (1995, S. 97f.) an entsprechenden Forderungen nach festeren Diskursstrukturen.
141 Vgl. Habermas 1996, S. 292
142 Franz 2000, S. 14
143 Vgl. ebd., S. 35
334 VI Diskursive Öffentlichkeit – diskursiver Journalismus

werden, sind daher eindeutig: Journalistische Massenmedien sollen eine Infrastruktur bereitstel-
len, die in differenzierten Gesellschaften das öffentliche Gespräch über gemeinsame Angele-
genheiten ermöglicht.144

3.1 Das öffentliche Potenzial der Massenmedien

Massenmedien bilden den weitest möglichen Öffentlichkeitszusammenhang, der in ausdiffe-


renzierten Gesellschaften denkbar ist. Diese Erhöhung der Reichweite ist nur um den Preis
einer erheblichen Abstraktion denkbar, die mit einer Ausdifferenzierung verschiedener Rollen
von Öffentlichkeits-Akteuren einhergeht. Die wechselseitige Eingebundenheit, die Habermas
für die episodische Öffentlichkeit beschreibt und die in ihrer umgangssprachlichen Veranke-
rung ein wesentliches Kriterium für die prinzipielle Zugangsoffenheit von Öffentlichkeit ist,
wird abgelöst durch eine Unterscheidung zwischen Arenen-Akteuren und Galerie-Publikum
und einer Differenzierung der Akteure in spezifische Funktionsträger, lebensweltliche Grup-
pierungen und spezialisierte Vermittler.145
Die in Massenmedien unter anderem verbreiteten journalistischen Vermittlungsleistungen
besitzen das Potenzial, heutzutage einen kontinuierlichen Austausch zwischen den Meinungs-
bildungsprozessen der Akteure nicht-vermachteter Zivilgesellschaft und den Willensbildungs-
und Entscheidungsprozessen vermachteter politischer Institutionen herbeizuführen. Zugleich
aber, scheinen sie nur in seltenen Fällen in der Lage zu sein, im Sinne einer deliberativen
Demokratie tatsächlich eine Sphäre zu schaffen, die den weitreichenden normativen Vorgaben
an verständigungsorientierte und rationale Kommunikation über Absichten, Ziele und Hand-
lungsprogramme in Politik und Gesellschaft genügen kann.146 Habermas fasst diese Entwick-
lungen unter der Beobachtung der Vermachtung öffentlicher Kommunikation durch Massen-
medien als eine Facette des zwiespältigen Potenzials ihrer Vermittlungstätigkeiten zusammen.
Er sieht das ambivalente Potenzial der Massenkommunikation somit als Pendant zur makroso-
zialen Unterscheidung von Lebenswelt und System.147
Die emanzipatorischen Aspekte, die trotz der Dominanz ökonomischen Kalküls in den
Massenmedien selbst nach wie vor feststellbar sind, lassen sich an unterschiedlichen Entwick-
lungen vor allem des medialen Umfeldes festmachen. Dazu zählt Habermas schon 1981,
• „[…] daß die Sendeanstalten konkurrierenden Interessen ausgesetzt sind und ökonomische, politisch-
ideologische, professionelle und medienästhetische Gesichtspunkte keineswegs bruchlos integrieren
können;
• daß sich Massenmedien den Verpflichtungen, die ihnen aus ihrem journalistischen Auftrag erwachsen,
normalerweise nicht konfliktfrei entziehen können;

144 Vgl. Hügli 1992, S. 70. Je enger die gesellschaftliche Meinungs- und Willensbildung mit dem Postulat der
Rationalität gesellschaftlicher Verständigungs- und Entscheidungsprozesse verknüpft wird, desto anspruchsvol-
ler müssen die Rationalitätsannahmen werden, die sich auf diese Meinungs- und Willensbildung beziehen (vgl.
Schmalz-Bruns 1995, S. 50).
145 Habermas (1992, S. 453 ff.) unterscheidet zwischen Akteuren aus spezifischen Funktionsbereichen, Akteuren
aus der Zivilgesellschaft und Publizisten. Peters (1994, S. 57 ff.) differenziert weiter zwischen Repräsentanten von
Kollektivakteuren, Experten mit eigener Sachautorität, Advokaten nicht artikulationsfähiger Anspruchsgruppen
oder Sachprobleme, öffentlichen Intellektuellen und Journalisten, die auch als Kommentatoren in eine Sprecherrolle
wechseln können (vgl. auch Neidhardt 1994b, S. 14; Gerhards/Neidhardt/Rucht 1998, S. 39).
146 Vgl. Meyer/Schicha/Brosda 2001; Franz 2000; Kuhlmann 1999; Gerhards/Neidhardt/Rucht 1998
147 Vgl. Habermas 1995 [1981], Bd. 2, S. 571
3 Journalismus in der medial geprägten Öffentlichkeit 335

• daß die Sendungen keineswegs nur oder auch nur überwiegend den Standards der Massenkultur entspre-
chen, und selbst dann, wenn sie die trivialen Formen populärer Unterhaltung annehmen, sehr wohl kriti-
sche Botschaften enthalten können […];
• daß ideologische Botschaften ihre Adressaten verfehlen, weil die intendierte Bedeutung unter Rezep-
tionsbedingungen eines bestimmten subkulturellen Hintergrundes in ihr Gegenteil verkehrt wird;
• daß sich der Eigensinn der kommunikativen Alltagspraxis gegen einen unvermittelten manipulativen
Zugriff der Massenmedien zur Wehr setzt; und daß
• die technische Entwicklung der elektronischen Medien nicht notwendig in Richtung einer Zentralisierung
der Netzwerke verläuft, wenn auch ‚video-pluralism‘ und ‚television democracy‘ vorerst nicht viel mehr
als anarchistische Visionen sind.“148

Im Kern verweist diese heutzutage sicher ergänzungsbedürftige Liste noch einmal auf die
doppelte Struktur der Medienbetriebe, auf die Kommunikativität journalistischen Handelns,
auf die Eigensinnigkeit eines lebensweltlich basierten Rezeptionsverhaltens und auf die zumin-
dest eingeschränkt mögliche Steuerung technischer Entwicklungen. Sie alle weisen zumindest
auf Potenziale dafür hin, dass kommunikatives Handeln in Massenmedien und damit in Öf-
fentlichkeit auch heutzutage noch möglich ist. Eine vollständige massenmediale Systembildung
oder auch nur ein vollständiges Abwandern in den Bereich ökonomischer Steuerung ist ange-
sichts dieser immanenten Widerstände kaum möglich. Stattdessen bleiben mindestens Restbe-
stände kommunikativer Sozialintegration zum Beispiel in journalistischen Redaktionen erhal-
ten, die Massenmedien wiederum in ihrer Rolle als Institutionen der Gewährleistung von
Öffentlichkeit rechtfertigen.
Allerdings sind starke Einschränkungen hinsichtlich der faktischen Umsetzbarkeit des
emanzipatorischen Potenzials der Massenmedien zu formulieren. Die bereits in Kapitel V
diskutierte Kernfrage ist, ob massenmediale ‚constraints‘ einen kommunikativ-diskursiven
Journalismus noch erlauben, oder ob sie ihn funktionalistisch so weit überformt haben, dass er
nicht mehr möglich ist. Besonders in Bezug auf die entdifferenzierende und gesellschaftsinteg-
rierende Kernfunktion von Öffentlichkeit ist Skepsis geboten, inwieweit massenmediale
Kommunikationszusammenhänge tatsächlich in der Lage sind, die vorhandene Segmentierung
der Gesellschaft in ausdifferenzierte unabhängige Teilsysteme mit je eigenen Spezialsemantiken
durch den Gebrauch der Alltagssprache zu überwinden. Habermas formuliert apodiktisch:
„Die Spezialsprachen laugen die Umgangssprache – so wie die Funktionssysteme die Lebenswelt – derart aus,
daß weder die eine noch die andere einen Resonanzboden darstellt, der für die Thematisierung und Behand-
lung gesamtgesellschaftlicher Probleme hinreichend komplex wäre. Die politische Öffentlichkeit kann unter
dieser Prämisse einen solchen Resonanzboden schon deshalb nicht bilden, weil sie zusammen mit dem Publi-
kum der Staatsbürger an den Machtkode angeschlossen ist und mit symbolischer Politik abgespeist wird.“149

Tatsächlich lässt sich weniger dramatisch feststellen, dass die Frage der Vergleichbarkeit von
interpersonaler und medialer Kommunikation die entscheidende Prämisse für die Übertragung
diskurstheorethischer Postulate auf medienkommunikative Zusammenhänge ist. In der vorlie-
genden Arbeit wird durchgängig davon ausgegangen, dass humankommunikative Interaktion
und journalistische Medienkommunikation zwar nicht in eins zu setzen, aber aufgrund ihrer
immanenten Verknüpfung immerhin prinzipiell vergleichbar sind.150 Auf dieser Basis wird das
kommunikativ fundierte Konzept der Öffentlichkeit zu Medien in Beziehung gesetzt.

148 Habermas 1995 [1981], Bd. 2, S. 574f.


149 Habermas 1992, S. 417
150 Die Möglichkeit dieser Übertragung ist umstritten. Angesichts der internen Verfasstheit der Massenmedien, so
Kritiker, werde deutlich, „[…] dass die symbolische Interaktion über Massenmedien den transzendentalpragma-
tischen Bedingungen aufgrund ihres Konventionalcharakters nicht entspricht und somit eine Anwendung
336 VI Diskursive Öffentlichkeit – diskursiver Journalismus

Feststellbare empirische Asymmetrien zwischen den Ansprüchen kommunikativen journa-


listischen Handelns und den Zwängen des Mediensystems machen vor dieser analytischen
Folie nicht die Anwendung einer Diskurstheorie des Journalismus und der Medien unmöglich,
sondern sind vielmehr eine politisch aufzugreifende Aufforderung, durch eine aktive, keines-
wegs nur wirtschaftsliberal agierende Medienpolitik die Bedingungen zu schaffen, die ein
kommunikativer und vor allem diskursiver Journalismus in den Massenmedien benötigt, um
demokratiepolitisch gewünschte Aufgaben der reflexiven Vermittlung und der Eröffnung
kommunikativer Teilhabechancen zu erbringen. Folgt man dieser medienpolitisch motivierten
Zielvorstellung, dann wird deutlich, dass ein solches Projekt nicht individualethisch angelegt
werden kann, sondern auf der Etablierung intersubjektiver Verständigungs-Verfahren be-
ruht.151 Diese Verfahren richten sich sowohl darauf, dass Journalisten diskursiven Anforderun-
gen an kommunikatives Handeln im beschriebenen Sinne genüge tun können. Sie beziehen
aber auch die Formulierung und Veränderung dieser Verfahrensnormen sowie andere journa-
listischer Qualitäts- und Ethikmaßstäbe mit ein. Denkbar ist in diesem Zusammenhang eine
engere Verzahnung individualethischer Postulate mit Ansätzen von Professions- und Instituti-
onenethiken, durch die sich, wie Teichert anregt, die direkten Ansprachemöglichkeiten der
Individualethik mit dem stabilen hohen Verantwortungsgrad einer institutionalisierten Ethik
vereinbaren ließen.152

3.2 Das Konzept der Medienöffentlichkeit

Die entscheidende strukturelle Frage ist aber zunächst, wie die von Öffentlichkeit erwarteten
Leistungen in politischer oder sozialer Hinsicht in eben diesen medialen Kontexten erfüllt
werden153, die nicht ausschließlich am Maßstab lebensweltlicher Kommunikationsrationalität
gemessen werden können.154 Eine Möglichkeit hat Weßler beschrieben, indem er in Abgren-
zung zu liberalen und diskursiven Modellen von Öffentlichkeit ein zwar an die bislang erörter-
ten Spezifika anschließendes, aber nichtsdestotrotz vom Anspruch her eigenständiges Modell
von Medienöffentlichkeit zu entwickeln versucht, das sich gleichermaßen auf strukturelle,
funktionale und prozessuale Aspekte von Öffentlichkeit bezieht:155

höchst problematisch ist“ (Hütig 2003, S. 114). Der Medienkommunikation fehle die Spontaneität und Kreati-
vität humankommunikativer Interaktion; Objektivitäts- und Seriösitätsansprüche würden durch Konventionen
gestützt, so dass die in der Transzendental- oder Universalpragmatik auf argumentativen Figuren angelegten
normativen Strukturen gar keinen Bezug mehr zur medial vermittelten Kommunikation hätten (vgl. ebd., S.
117). Eine solche Position geht davon aus, dass Medien nach den Dimensionen der Zweckrationalität und der
Instrumentalität zu betrachten sind, während kommunikative Handlungskoordinierung in ihnen keine Rolle
mehr spielt. In der vorliegenden Arbeit hingegen ist deutlich geworden, dass diese Unterstellung im Hinblick
auf individuelle Annahmen journalistischer Akteure im kommunikativen Vermittlungshandeln nicht haltbar ist.
151 Müller 1992, S. 43: „Die Frage nach der Medienmoral „[…] kann nicht nur individualethisch beantwortet
werden, sondern hat immer auch ihren institutionellen Bezug: Der beste Wille einzelner Journalisten sichert die
ethisch unverzichtbare Gemeinwohlfunktion eines Mediums nicht, wenn es insgesamt unter nacktem Zwang
von Einschaltquote oder Auflageziffer steht. Der ethische Journalist braucht ein ‚moralisches‘ System, in dem
er wirksam werden kann.“
152 Vgl. Teichert 1996, S. 767
153 Vgl. zur Bedeutung der Medien für den politischen Prozess z.B. Jarren/Donges 2002a; 2002b; Mey-
er/Schicha/Brosda 2001, S. 22ff.; Meyer 2001; Jarren/Sarcinelli/Saxer 1998; Jarren/Schatz/Weßler 1996.
154 Habermas (2004, S. 47) sieht in massenmedialer Öffentlichkeit Prominenz dominierend, während in politischer
Öffentlichkeit „die Verständigung über ein Thema […] an die Stelle persönlicher Selbstdarstellung“ trete.
155 Vgl. zum Folgenden Weßler 1999a, S. 44; auch die Beiträge in der Einführung von Jarren/Weßler 2002.
3 Journalismus in der medial geprägten Öffentlichkeit 337

• In struktureller Hinsicht konzipiert Weßler Medienöffentlichkeit als „gegliedertes, offenes


Feld“: Sie zeichnet sich durch eine weitgehende Trennung zwischen Sprecher- und Publi-
kumsrolle aus. Darüber hinaus ist in Gestalt der Massenmedien eine Vermittlungsinstanz
etabliert worden, die die Zugänglichkeit einschränkt.
• In funktionaler Hinsicht ist Medienöffentlichkeit zu verstehen als ein „Resonanzkörper für
alle Aspekte persuasiver Kommunikation“. Dabei sind zunächst rationale und emotionale,
normative und empirische Aspekte öffentlicher Kommunikation in den Blick zu neh-
men.156
• In prozessualer Hinsicht ist Medienöffentlichkeit gekennzeichnet durch eine Abfolge von
episodischen Kommunikationszusammenhängen, in denen Ereignisse und Ruhephasen
einander abwechseln. Diese Mediendiskurse weisen einerseits ein gewisses Maß an Regel-
mäßigkeit auf, ohne aber einer immanenten Tendenz zu mehr Reflexivität oder gar Kon-
sens zu folgen.
Mit seiner strukturellen Bestimmung lehnt sich Weßler eng an die in der Literatur weitgehend
konsentierten formalen Zugangskriterien für Öffentlichkeit an, doch in den beiden anderen
Punkten setzt er sich deutlich vom diskursiven Modell von Habermas ab. Dies dürfte nicht
zuletzt daran liegen, dass Weßler nicht zwischen Massenmedien und Journalismus differenziert,
sondern auf die mediale Figurierung öffentlicher Kommunikation abstellt und damit den
mediensystemischen Beitrag zur Konstituierung von Öffentlichkeit – aus der Perspektive
seiner Untersuchung zu Recht – betont. Während Habermas in Hinblick auf Aufgaben und
Leistungen von Öffentlichkeit mit den kontrafaktischen Rationalitätsunterstellungen der
Öffentlichkeitsakteure weitreichende normative Maßstäbe aufrechterhält, wendet sich Weßler
zunächst von diesen ab und legt ‚persuasive‘ Kommunikationsbemühungen anstelle der
Verständigungsorientierung – also perlokutionäre statt illokutionäre Effekte – zugrunde, um
das Konzept empirisch operationalisieren zu können.157 Aus der gleichen Erkenntnis speist
sich auch die Veränderung der Perspektive in prozessualer Hinsicht, in der der Autor nicht
mehr von linearen Lerneffekten in der Medienkommunikation ausgeht.158 Mit seinen Modifika-
tionen reagiert Weßler auf die Beobachtung, dass mediale Kommunikation keinesfalls allein der
kommunikativen Rationalität des Diskurses nach Habermas verpflichtet ist. Denn tatsächlich
sinken die Durchsetzungschancen von Verfahren diskursiver Verständigung in einer Öffent-
lichkeit, deren zentraler Koordinationsmodus zunehmend nicht mehr argumentative Beiträge
sind, sondern die (theatralisch-)präsentativ auf Medienlogik gerichteten Darstellungsqualitäten
ihrer Teilnehmer.159 Die durch Massenmedien konstituierte öffentliche Kommunikationssphä-
re dehnt dann sich und ihre kommunikativen Angebote inflationär aus und bedroht so den
Wert jeder Form gesellschaftlicher Kommunikation. Die heutige Gesellschaft sei somit zwar
zentral vom ‚Diskurs‘ geprägt, so Münch; allerdings ohne die Rationalisierungsfolgen, welche
die Diskurstheorie erhofft habe.160 Stattdessen stellten sich Diskurse in der Kommunikations-
gesellschaft als je variable Mischungsverhältnisse von Macht-, Darstellungs- und Verständi-
gungskomponenten dar. Münch bezieht sich hier vor allem auf die Mischungsverhältnisse, die
diskursive und präsentative Darstellungsformen in medialen Inszenierungen aufweisen:

156 Inwiefern zum Beispiel auch emotionale Kommunikation diskursiv sein kann, wird diskutiert in Brosda 2002a.
157 Diese Ausrichtung auf persuasive Elemente lässt sich auch in den Selbstdarstellungsstrategien öffentlicher
Akteure ausfindig machen (vgl. Brosda/Schicha 2003).
158 Vgl. Weßler 1999a, S. 229; ein Befund der auch von Gerhards/Neidhardt/Rucht (1998) gestützt wird.
159 Vgl. Schicha 2007
160 Vgl. Münch 1991, S. 95
338 VI Diskursive Öffentlichkeit – diskursiver Journalismus

„Es ist bei weitem nicht so, daß allein das bessere Argument zählt und daß das Wort eines jeden gehört wer-
den würde und das gleiche Gewicht habe. Die Szene wird von Aktoren beherrscht, die über eine gute Dar-
stellungskunst verfügen und durch die Wahl der richtigen Worte am richtigen Platz überzeugen können. Die
Konkurrenz auf diesem Markt der öffentlichen Darstellung von Politik zwingt zu einer ständigen Präsenz in
der öffentlichen Debatte. Es zählt nur, was öffentliche Aufmerksamkeit erlangt. Dadurch findet eine ständige
Überflutung der öffentlichen Debatte mit Darstellungen statt.“161

Angesichts dieser Beobachtungen ist es möglich, breite Teile medial vermittelter Öffentlichkeit
als darstellungsorientierte Öffentlichkeit zu beschreiben, in der Fragen der Präsentation von
Inhalten aufgrund struktureller Rahmenbedingungen wie der kommerziellen Kopplung der
Medienbetriebe an das ökonomische System an Bedeutung gewinnen.162 Unstrittig scheint
dabei zu sein, dass die Medienöffentlichkeit in den visuell geprägten elektronischen Massen-
medien sich nicht ohne weiteres empirisch an Rationalitätsanforderungen messen lassen kann,
die unter historisch gänzlich anderen Umständen in der Zeit der Aufklärung als regulative Idee
entwickelt worden sind.163 Vielmehr kann man mit Neidhardt konstatieren, dass in modernen
Gesellschaften nicht nur Wahrheit durch Konsens, sondern auch Konsens durch Kompromiss
und in letzter Konsequenz bisweilen sogar rationale Übereinkunft durch pure Konsonanz
ersetzt wird.164 Diese Konsonanz ist vielfach die Folge massenmedialer Meinungsbildung, die
in ihren abstrahierenden und symbolischen Reduktionen der thematisierten Sachverhalte
entsprechend zu konsumierende und zu akzeptierende Deutungsangebote unterbreitet.
Trotz all dieser Einschränkungen, die auf erschwerte Durchsetzungsbedingungen für einen
an diskursiver Öffentlichkeit orientierten Journalismus hinweisen, gilt, dass – mindestens in der
Form normativ reduzierter Anforderungen – die Macht der Öffentlichkeit auch in massenme-
dialer (Über)Formung erhalten bleibt und spätestens in Krisensituationen aktivierbar ist:
„Sicherlich ist quantitativ der größere Teil öffentlicher Kommunikation ‚Erlebniskommunikation‘. Dies ist
der Normalzustand öffentlicher Kommunikation, was auch alltäglich in Form von Zuschauerquoten gemes-
sen und vermessen wird. Doch sind solche Normalzustände prekär, wenn sie politisch mobilisiert werden.
Was die Zuschauerquoten politisch macht, ist die Macht, die in ihrer Mobilisierbarkeit begründet ist. Politi-
sche Öffentlichkeit ist ein realer Machtfaktor mit der Option, politisches Handeln unter Legitimationsdruck
zu setzen und damit unter Argumentationszwang zu stellen. Das konsumierende Publikum kann sich empö-
ren; das ist die Macht öffentlicher Meinung.“165

Vor dem Hintergrund dieser empirischen Entwicklungen löst Weßler zwar nicht die Bindung
der Medienöffentlichkeit an lebensweltliche Rationalitätskriterien auf, allerdings lockert er sie
und ergänzt sie zudem um systemische Vermachtungstendenzen. Er will mit seinem Modell
den Blick explizit auf das richten, „[…] was zwischen Vermachtung und Diskurs an Kommu-
nikationsweisen und Prozessen in der Medienöffentlichkeit existiert“.166 Das Ziel ist die
Entwicklung operationalisierbarer Praxismaßstäbe, die einerseits über das liberale Öffentlich-
keitsmodell hinausgehen, andererseits aber ‚realistischer‘ sind als die regulativen Ideen des
diskursiven Modells, das sich zur Bestimmung von Mängeln in der medialen Kommunikation
Weßlers Ansicht nach aufgrund seiner hohen normativen Standards kaum eignet. Zu diesem
Zweck muss er sein Modell der Medienöffentlichkeit in weit stärkerem Maße an eine konkrete

161 Ebd., S. 96
162 Vgl. Rucht 1994. Umstritten ist allerdings, ob in dieser Form von Öffentlichkeit ein substantieller Verlust an
Rationalität zu beobachten ist, oder vorwiegend eine Transformation, wie Dörner (2000, S. 176) nahe legt.
163 Vgl. Meyer/Ontrup/Schicha 2000
164 Vgl. Neidhardt 1994c, S. 21
165 Eder 1996, S. 148
166 Weßler 1999a, S. 235
3 Journalismus in der medial geprägten Öffentlichkeit 339

gesellschaftliche Ausprägung anschließen, während es Habermas aus einer gesellschaftstheore-


tischen Sicht möglich bleibt, auf Potenziale hinzuweisen, die angesichts konkreter Phänomene,
wie der Kolonialisierung von Öffentlichkeit, oftmals strukturell nur schwer umsetzbar erschei-
nen mögen. Weßler gelangt in seiner an der Empirie ausgerichteten Konkretisierung zu norma-
tiven Anforderungen an Massenmedien, die er – einem einfachen Systemmodell folgend –
nach Input-, Throughput- und Output-Leistungen der Öffentlichkeit gruppiert:167
• Auf der Input-Seite bedeutet die Forderung nach größtmöglicher Offenheit medienöffentlicher
Diskurse, dass ressourcenschwache Akteure nicht übergangen werden dürfen.
• In der Throughput-Dimension muss Öffentlichkeit vor allem gesellschaftliche Lernfähigkeit
erhalten, indem sie einen episodischen Deutungswandel ermöglicht, einen problembezo-
genen Deutungshintergrund bereitstellt, Abwägung und Vermittlung zwischen verschie-
denen Deutungen und Positionen ermöglicht, und lagerübergreifende Vermittlungsversu-
che nicht der vereinfachenden Konstruktionslogik der Medien zum Opfer fallen lässt.
• Auf der Output-Seite ist Kontinuität zentral. Das bedeutet, dass öffentliche Mehrheitsmei-
nungen bestreitbar bleiben und Verständigungsprozesse ergebnisoffen angelegt sind.
Weßler konzipiert diese Erwartungen an massenmedial vermittelte öffentliche Kommunikation
im Hinblick auf die ihnen zugrunde liegenden Verständigungsprozeduren anspruchsloser als
Habermas; ob der Output durch Konsensbildung oder durch Aggregation der Individualmei-
nungen zustande kommt, ist aus seiner Sicht zweitrangig.168 Dennoch ist dieses Modell weit
anspruchsvoller als liberale oder systemtheoretische Näherungen an Öffentlichkeit, indem
Vorgaben bestimmt werden, die über die liberalen Postulate Offenheit, Transparenz und Markt
hinausgehen und die wesentlichen Funktionen einer öffentlichen Sphäre, die die symbolische
Reproduktion von Gesellschaft koordiniert, auch weiterhin betonen. Aber auf der Basis eines
derartig modifizierten Gesamtmodells der Medienöffentlichkeit allein kann die Frage nicht
beantwortet werden, welches tatsächliche Potenzial journalistisches Handeln hat und wie es dem
Erhalt einer kommunikationsrationalen Postulaten verpflichteten öffentlichen Sphäre dient.
Immerhin weist Weßler darauf hin, dass Journalisten eine „Infrastrukturfunktion“ innerhalb
medienöffentlicher Diskurse erfüllen können, da sie weniger stark Interessenkoalitionen
zugeordnet sein müssen (auch wenn sie es oftmals sind), sondern Spielräume zu abwägenden,
ambivalenten und damit ordnenden und transparenzschaffenden Aussagen besitzen.169
„Massenmedien und Journalismus sind daher nicht Verhinderer, sondern potentielle Unterstützer dynami-
scher und innovativer öffentlicher Diskurse. Die informelle Strukturierung medienöffentlicher Diskurse
braucht die formelle Struktur eines differenzierten Mediensystems mit voll ausgebauten Redaktionen und gut
ausgebildeten Journalisten.“170

In seinem Fazit spricht Weßler damit an, dass das Mediensystem zur Erfüllung seines normati-
ven Auftrages sowohl der medienpolitischen Strukturierung als auch eines kompetenten
journalistischen Handelns bedarf, das sich an spezifischen qualitativen und ethischen Standards
messen lassen muss. Mit dem Modell der Medienöffentlichkeit allein lässt sich allerdings nicht
erklären oder verstehen, wie Journalismus in seiner gesellschaftlichen Repräsentanzfunktion die
von ihm erwarteten infrastrukturellen Leistungen erbringen kann, die auch der Steigerung des
öffentlichen Diskursniveaus dienen und auf diese Weise Informations- und Partizipationsmög-

167 Vgl. zum Folgenden ebd., S. 237ff.


168 Vgl. ebd., S. 239
169 Ebd., S. 219
170 Ebd., S. 239
340 VI Diskursive Öffentlichkeit – diskursiver Journalismus

lichkeiten verbessern. Zwar werden die Anforderungen an den Output des Mediensystems
‚realistisch‘ nach unten korrigiert und in konkrete Anforderungen an mediale Strukturen
übersetzt, aber regulative Idealnormen für journalistisches Handeln lassen sich einem solchen
empirischen Analyse-Modell nur zum Teil entnehmen. Ein Öffentlichkeitsmodell, das norma-
tive Ansprüche an die journalistische Praxis aufrechterhalten soll, wie es Weßler zu Recht
einfordert, muss ein eigenständiges Verständnis journalistischen Handeln entwickeln und
dieses in Bezug setzen können zu den Strukturen des massenmedialen Systems, die seine
Verwirklichung befördern oder ihr entgegenstehen. Für eine solche eben auch ethische Frage
bildet – auch von Weßler unbestritten171 – das deliberative Öffentlichkeitsmodell nach wie vor
eine ergiebige Grundlage, da gleichermaßen die Sprecher (und damit die Journalisten) wie die
systemische Struktur verantwortlich adressiert werden.

3.3 Journalistische Kommunikativität in der Medienöffentlichkeit

Auch wenn die als ein weitgehend kommerziell ausgerichtetes System verfassten Massenme-
dien vor allem auf Profitmaximierung ausgerichtet sind, können journalistische Akteure als
kommunikativ Handelnde empirische Spielräume diskursiver Verständigung einfordern und
schaffen. Empirische Studien bestätigen weitgehend die kontrafaktische Geltung der auf einen
Diskurs bezogenen Normen des deliberativen Öffentlichkeitsmodells: Sie werden regelmäßig
vor allem von journalistischen Akteuren als qualitative Bezugsgröße herangezogen, um die
Debatte metakommunikativ einzuordnen. Journalisten (zumindest der Qualitätszeitungen)
legen als Kommentatoren in Diskursen durchaus ein ‚pragmatisches Diskursmodell‘ zugrunde
und erwarten von den anderen Sprechern die Einhaltung bestimmter, diskursiver Öffentlich-
keit nahe stehender Kriterien.172 Dazu gehört, dass in einer öffentlichen Debatte relevante
Gesichtspunkte des Themas rational behandelt und Chancen für eine Kompromissbildung
aufgezeigt werden. Doch während die Journalisten den anderen Sprechern diese Anforderun-
gen kontrafaktisch entgegenhalten, entwickeln sie gleichermaßen ein ökonomisches Verständ-
nis des Diskurses und fordern bei abnehmenden Grenzerträgen diskursiver Auseinander-
setzungen auch das Ende einer Debatte und den Abschluss der Meinungsbildung. (Kommuni-
kativ handelnde) Journalisten erfüllen somit in ihren metakommunikativen Äußerungen die
Rolle einer Selbstkontrollinstanz der Öffentlichkeit, die das Einhalten kommunikativer und
normativer Standards überwacht, die an Öffentlichkeit pragmatisch angelegt werden.
Es wäre daher voreilig, die hohen normativen Kriterien eines diskursiven Öffentlichkeits-
konzepts beiseite zu legen und sich mit dem scheinbaren Verlust der Steuerungsfunktion
ethischer Handlungsprämissen einfach abzufinden. Denn auch wenn zum Beispiel die öffentli-
che Auseinandersetzung zwischen den verschiedenen Interessengruppen oder die Abwägungen
journalistisch-redaktionellen Handelns immer häufiger zweckrational und strategisch bestimmt
sind, so bleibt doch die Figur des Gesprächs zwischen gleichberechtigten Beteiligten als
kontrafaktische Unterstellung selbst in diesen Situationen wirksam. Sprecher in Öffentlichkeit
müssen Verständigungsbereitschaft signalisieren, selbst wenn sie tatsächlich versuchen, mit
persuasiver Kommunikation ihre Absichten strategisch durchzusetzen. Und auch der Journa-
lismus lebt nicht zuletzt von der ihm unterstellten Orientierung auf rationale Verständigung.
Selbst wenn gegen die Grundlagen des öffentlichen Gesprächs verstoßen wird, kann der Bezug

171 Vgl. ebd., S. 234f. Zugleich aber, so Weßler, sei das Modell zur empirischen Analyse nur begrenzt geeignet.
172 Vgl. Gerhards/Neidhardt/Rucht 1998, S. 174ff.
3 Journalismus in der medial geprägten Öffentlichkeit 341

zu ihnen nicht gelöst werden, ohne dass dies gravierende Nachteile für die Beteiligten nach
sich ziehen würde.
Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass es in ausdifferenzierten und zunehmend poly-
archischen Gesellschaften keinen archimedischen Punkt mehr geben kann, von dem aus
gesellschaftliche Selbstverständigungsprozesse bestimmt oder gesteuert werden können,
sondern dass sich Vernunft nur als Vernunft des Gespräches aktualisieren kann.173 Sind die
sittlichen Grundgerüste einer Gesellschaft erst einmal kommunikativ verflüssigt, dann ist keine
endgültige Gewissheit mehr herzustellen, dann sind selbst erreichte Konsense stets prekär. In
Zeiten des Wertepluralismus kann Öffentlichkeit nicht zur Ruhe kommen, sondern allenfalls
eine Auseinandersetzung zu einem für alle im Moment akzeptablen Ergebnis führen.174
Um das tatsächliche Unterstützungspotenzial des Journalismus für innovative und dynami-
sche Diskurse in der Öffentlichkeit benennen zu können, ist es sinnvoll, weiterhin auf die
Ambivalenzannahme von Habermas zurückzugreifen, die sich im Widerstreit von lebenswelt-
lich verhaftetem Journalismus und systemisch organisierten Massenmedien analytisch fassen
und interpretieren lässt. Vereinfacht ließe sich sagen: Wann immer sich der massenmedial-systemische
Rahmen durchsetzt, sind Hierarchisierungen und Beschränkungen der sozialkommunikativen Zusammenhänge
zu beobachten, während eine Dominanz des journalistischen Handlungsmodus die Chance für eine Entschrän-
kung des Kommunikationszusammenhangs und damit für das Einbeziehen anderer in den Diskurs erhöht.
An den weiterreichenden normativen Annahmen von Habermas so dezidiert festzuhalten,
widerspricht grundsätzlich nicht den Ausführungen Weßlers, sondern ist Ausfluss eines
unterschiedlichen Analyseinteresses. Während es Weßler um eine empirische Operationalisie-
rung eines Modells von Medienöffentlichkeit geht, stehen in dieser Studie theoretisch-
normative Fragen im Mittelpunkt. In diesem Rahmen dienen die gesellschaftstheoretischen
Annahmen von Habermas der Verortung von Journalismus und Massenmedien, während die
diskurstheoretischen Annahmen – aus der Objektivation kontrafaktischer Unterstellungen
deduzierte – Idealnormen darstellen, welche dann wiederum mit Weßler in Praxisnormen
übersetzt werden können. Habermas selbst verweist auf die hohe Abstraktheit und damit auch
Unwahrscheinlichkeit der Umsetzung, die seinem normativen Modell von Öffentlichkeit
innewohnt.
„Die Idee eines Willensbildungsprozesses, an dem alle Betroffenen als Freie und Gleiche teilnehmen, ist eins,
die Organisation von meinungs- und willensbildenden Diskursen und Verhandlungen, die unter gegebenen
Umständen dieser Idee möglichst nahe kommen, ein anderes.“175

Gleichwohl lohnt es, die Idee diskursiver Prozesse zu bewahren, um einen normativ fundierten
Maßstab nicht aus der Hand zu geben, dessen regulative Funktion als Idealnorm bei der
gesellschaftstheoretischen Verortung journalistischer Aufgaben hilfreich sein kann. Mit ihr
kann der (makrosoziale) Rahmen umrissen werden, in dem die Rollen- und Funktionsbestim-
mung des journalistischen Handelns in modernen und segmentierten Gesellschaften erfolgt.
Um es zusammenzufassen: Journalisten schöpfen die Grundlagen ihres Handelns aus der
lebensweltlichen Verankerung des journalistischen Handlungsmodus, der nicht nur in seiner
historischen Genese, sondern auch in der umgangssprachlichen und entdifferenzierenden
Qualität der Öffentlichkeit im kommunikativen Handeln der Lebenswelt begründet ist. Ande-
rerseits aber sind Journalisten eingebunden in einen massenmedial geprägten systemischen

173 Habermas (1988b) spricht von der „Einheit der Vernunft […] in der Vielheit ihrer Stimmen“.
174 Vgl. Haller/Holzhey 1992b, S. 15
175 Habermas 1985b, S. 254
342 VI Diskursive Öffentlichkeit – diskursiver Journalismus

Rahmen, der weitgehend den Imperativen des administrativen bzw. des ökonomischen Sys-
tems unterworfen ist und ihrem genuinen Handlungsmodus der Kommunikation mindestens
in Teilen zuwider läuft. Auch unter diesen ambivalenten Bedingungen bleibt es die zentrale
gesellschaftliche Aufgabe des Journalismus, Möglichkeiten öffentlicher Information und
Deliberation zu gewährleisten. Dazu muss ein kommunikativer Journalismus seine diskursiven
Möglichkeiten auch unter den systemischen Bedingungen seiner Verberuflichung in Massen-
medien erhalten. Wie solche Spielräume aus der Selbstregulierung journalistischen Handelns
und aus der Fremdregulation medialer Infrastruktur heraus zu gewährleisten sind, ist Gegens-
tand der abschließenden Erörterungen.

4 Handlungsbedarf I: Die ethische Herausforderung des diskursiven


Journalismus
Die deliberative Demokratietheorie rückt die im Rahmen der Auseinandersetzung mit den
kommunikativen Wurzeln des Journalismus bereits theoretisch ausgezeichneten Aufgaben der
Verständigung, Orientierung und Teilhabe und deren Bezug zur spontan-assoziativen Formie-
rung zivilgesellschaftlicher Netzwerke in den Blick. Als Diskurstheorie des demokratischen
Rechtsstaates fokussiert sie insbesondere auf die Spannung zwischen der Faktizität vermachte-
ter Kommunikationsräume und den Geltungsansprüchen kommunikativen Handelns, indem
sie die Empirie einer weitgehend massenmedial-systemisch geprägten Öffentlichkeit systema-
tisch zur Kenntnis nimmt und mit kommunikativen Grundlagen kontrastiert, welche sie
wiederum in Form von Handlungsoptionen gleichsam aus dem Innersten der öffentlichen
Sphäre heraus, als normative Spannung kritisch zur Geltung bringt. Kommunikative Vernunft
muss sich demnach ihre Entfaltungsräume innerhalb systemischer ‚constraints‘ suchen. Die
Normativität kommunikativen Handelns, also auch journalistischen Handelns, entfaltet sich
innerhalb systemisch überformter öffentlicher Foren, birgt aber die Kraft, zweckrationale
Kolonialisierung von innen heraus zu sprengen. Ob das möglich ist, hängt nicht zuletzt von
der ethischen Verfasstheit des Journalismus und der Medien ab.
Vor allem Loretan hat anknüpfend an diese Befunde versucht, die in Kommunikation
selbst eingelassene Ethik jenseits moralphilosophisch überladener oder systemtheoretisch
dürrer Entwürfe mit Blick auf mediengestützte öffentliche Kommunikation zu beschreiben.176
Aufbauend auf eine Rezeption der Diskursethik lässt sich so die Ethik eines Journalismus
entwerfen, der in der Lage ist, unter den Zwängen des Mediensystems zu operieren, ohne
dabei journalistisch normative Selbstansprüche hinsichtlich Kommunikativität und Diskursivi-
tät vollständig preiszugeben.177

176 Vgl. Loretan 2002; 1999; 1996; 1994


177 Die Forderung nach einer für empirische System-Bedingungen sensiblen Ethik haben Rühl und Saxer (1981)
vehement erhoben. Sie fundieren ihre Ethik im Prinzip der ‚Achtung‘, das „eine besondere, im Kommunika-
tionsprozess hergestellte Struktur für normatives Erleben von Mitmenschlichkeit“ meint (ebd., S. 487); sie
grenzen sich scharf von individualistisch argumentierenden Ansätzen ab und werden im Gegenzug scharf von
deren Vertretern angegriffen (vgl. Boventer 1984b). Thomaß (2003) zeigt, wie das sperrige Prinzip der ‚Ach-
tung‘ in journalistische Praxisnormen übersetzt werden kann, indem sie fünf ethische Prinzipien mit Blick auf
fünf unterschiedliche Beziehungsobjekte und -subjekte journalistischer Akteure deduziert (Quellen: Informan-
tenschutz; Objekte der Berichterstattung: Persönlichkeitsschutz; Öffentlichkeit: Anwendung angemessener Me-
thoden der Recherche; Rezipienten: Fairness und Sorgfaltspflicht; Kollegen/Peers: Vermeidung von Interes-
4 Handlungsbedarf I: Die ethische Herausforderung des diskursiven Journalismus 343

„Auf der gesellschaftspolitischen Ebene rekonstruiert die Diskursethik die emphatischen Ansprüche intentio-
naler Vergesellschaftung und sozialer Verständigung in modernen Gesellschaften (Ideengeschichte der Auf-
klärung, Begründung von emanzipatorischen Lebensentwürfen und demokratischer Politik, von Privatheit
und Öffentlichkeit).“178

Auf der Grundlage der Diskursethik und mit ihrer Beratung lässt sich eine Ethik des journalis-
tischen Handelns formulieren, die weder individualistisch noch institutionalistisch verkürzt ist,
sondern versucht, beide Perspektiven fruchtbar zu verbinden.179 Übernimmt man diese Prä-
missen, dann ist es möglich, eine einseitige und überzogene Zuweisung von Verantwortung an
journalistisch Handelnde zu verhindern. Eine Ethik des Journalismus hat die Bedingungen
praktischen Handelns zu berücksichtigen, ohne dabei aber dem essentialistischen Fehlschluss
der Unterwerfung normativer Anforderungen unter empirische Einlösbarkeit zu folgen. Es
geht vielmehr darum, das Spannungsfeld von Ideal- und Praxisnormen im Journalismus mit
den Mitteln der Diskursethik zu durchmessen.180 Eine solche Adaption der Diskursethik
eröffnet konzeptionell den Weg zu einem Modell eines diskursiven Journalismus unter den systemischen
Medienbedingungen in einer demokratisch relevanten deliberativen Öffentlichkeit.
„Habermas’ Theorie kommunikativen Handelns bietet für die Medienethik das Gerüst einer gehaltvollen Ak-
teurstheorie, welche die Leistungen systemisch ausdifferenzierter Problemlösungen für moderne Gesellschaf-
ten ausdrücklich anerkennt (Vernunft funktionaler Differenzierung) und sie dennoch aus der Perspektive von
Beteiligten kritisch zu werten vermag.“181

Bereits im Anschluss an die Auseinandersetzung mit dem handlungstheoretischen Modell des


Journalisten als Gesprächsanwalt ist erörtert worden, inwiefern die Überlegungen zu einem
Modell des Journalisten als Diskursanwalt weiter vorangetrieben werden können. Journalistisch
handelnde Akteure wären demnach in erster Linie der Möglichkeit gesellschaftlicher Diskurse
verpflichtet; ihr kommunikatives Handeln hätte der Prämisse zu folgen, dass kommunikative
Koordination gesellschaftlichen Handelns möglich ist und dass vor allem Fragen der Richtig-
keit normativer Strukturierungen aber auch der Wahrheit von Realitätsunterstellungen in
kommunikativer Interaktion gleichberechtigt, solidarisch und vernünftig von allen Betroffenen
bearbeitet werden können. Die Diskurstheorie sensibilisiert dafür, dass diese Möglichkeit
existiert; und die Diskursethik hat das Potenzial, die entsprechenden prozeduralen Vorkehrun-
gen zu beschreiben, um derartige Kommunikationsleistungen zu ermöglichen.
Journalistische Vermittlungsleistungen können vor diesem theoretischen Hintergrund als
eine Diskurs ermöglichende Institutionalisierung betrachtet werden, da sie durch die Vermitt-
lung zwischen Ausgangs- und Zielpartnern das gesellschaftliche Gespräch, und damit die
Voraussetzung der kommunikativen Koordinierung überhaupt, gewährleisten. Schon die
Frage, welche Themen von öffentlichem Interesse sind und damit in der Öffentlichkeit ver-
handelt werden sollen, ist Gegenstand diskursiver Verfahren oder in ihren Prozeduren diskur-
siv abgesicherter Entscheidungsprozesse. In diesem Sinne können Journalisten als Diskursan-
wälte verstanden werden, die im Rahmen der gesellschaftlichen – und damit auch: medialen –

senkonflikten). Auch Debatin (1997) plädiert dafür, individualistische und organisatorische Betrachtungsweisen
zueinander in Beziehung zu setzen, wenn ein medienethisches Konzept praxistauglich formuliert werden soll.
178 Loretan 2002, S. 281
179 Die Diskursethik steht quer zu der Systematik von Pürer (1992, S. 314), die zwischen journalistischer Individu-
alethik, Ethik des Medien-Systems und Publikumsethik unterscheidet. Sie kann, je nach analytischem Interesse,
auf jede dieser Dimensionen bezogen werden.
180 Vgl. Brosda/Schicha 2000; Birnbacher 2000
181 Loretan 2002, S. 281
344 VI Diskursive Öffentlichkeit – diskursiver Journalismus

Möglichkeiten versuchen, einen rationalen Diskurszusammenhang zu stimulieren, aufrechtzu-


erhalten und gegebenenfalls durch eigene Impulse weiter zu entwickeln. In der immanenten
Betonung einer kommunikativ eigenständigen Rolle liegt dabei auch die Unterscheidung zu der
Konzeption einer von kommunikativen Gehalten explizit zu trennenden Mediator-Aufgabe
des Journalisten, wie sie aufbauend auf klassischen Vermittlungskonzepten z.B. in den frühen
Schriften von Langenbucher zu finden ist.182 Massenmedial gestützter Journalismus dagegen
kann vor dem Hintergrund eines diskurstheoretischen Verständnisses als eine zentrale gesell-
schaftliche Diskursinstitution gesehen werden, die darauf gerichtet ist, Kommunikativität
durch reflexive Vermittlung zu bewahren und sie dadurch auch in lebensweltlichen Anschlussdis-
kursen zu ermöglichen. Inwiefern dies tatsächlich der Fall ist, ist eine empirisch kontingente
Frage, die nicht zuletzt abhängig ist von den Handlungsspielräumen, die sich journalistisch
Handelnde innerhalb tendenziell zweckrational gesteuerter Mediensystemstrukturen bewahren
können. Als Vermittler von Diskursen ebenso wie als Teilnehmer an Diskursen handeln
Journalisten letztlich immer auch kommunikativ – sie sind Mediatoren und Kommunikatoren
gleichermaßen, eine Trennung der Vermittlung von Kommunikation ist schon aufgrund der
Sprachbasiertheit journalistischen Handelns nicht konzipierbar. Die daraus folgernde ethische
Grundanforderung an journalistische Akteure ist, so zu handeln, dass sie Diskursivität ermögli-
chen und nicht verhindern.

4.1 Diskurse über Ethik: Diskursethische Formulierung journalistischer Normen

Die Diskursethik, aus der heraus Normen eines diskursiven Journalismus zu begründen sind,
ist zunächst auf die Begründungsdiskurse einer Theorie der Moral beschränkt. Sie ist nicht
selbst Moral, sondern gibt Hinweise, welchen Regeln die Formulierung von Normen folgen
muss, um akzeptable Ergebnisse berechtigt erwarten zu können. Dadurch zeigt sie auf, wie
moralisches Handeln möglich ist und wie seine Voraussetzungen zu beschreiben sind. Die
Diskursethik zielt in ihrer Geltung auf jede Form von kommunikativer Interaktion und nimmt
dabei zugleich den (institutionellen) Kontext dieser Interaktion mit in den Blick. Sie beschränkt
sich darauf, prozedurale Normen zu identifizieren und im Hinblick auf die von diesen Normen
betroffenen Verfahren der Normfindung gegenüber der Praxis beratend tätig zu werden.
Materielle Hinweise auf das Gute und Gerechte selbst sind von ihr zunächst nicht zu erwarten,
sondern können nur in Kommunikation nach den diskurstheoretisch bereits ausgezeichneten
Verfahren von den Beteiligten in gemeinsamer Kommunikation eruiert werden. In dieser
Selbstbeschränkung liegt die Kraft der Diskursethik, da gerade ihre normative Bescheidenheit
es ihr ermöglicht, die Praxis dazu anzuleiten, in den eigenen Anwendungsdiskursen den von ihr
formulierten Hinweisen zu folgen.
Eine diskurstheoretisch begründete Medienethik benennt die Unhintergehbarkeit bestimm-
ter prozeduraler Standards kommunikativer Interaktion, aber sie nimmt den Beteiligten nicht
die Aufgabe ab, diese Standards bezogen auf Situation und Kontext ihres eigenen Handelns zu
deuten und in entsprechende Praxisnormen zu transformieren.
„Die Diskursethik kann die Beteiligten praktischer Diskurse beraten, ihre kommunikativen Regeln zu über-
prüfen und im Hinblick auf die unvermeidlichen Idealisierungen des Diskurses zu transzendieren. Entspre-
chend rekonstruiert sie universalpragmatische Prinzipien der Verständigung wie Öffentlichkeit des Zugangs,
gleichberechtigte Teilnahme, Wahrhaftigkeit der Teilnehmer, Zwanglosigkeit der Stellungnahme. In prakti-

182 Vgl. Langenbucher 1974/75


4 Handlungsbedarf I: Die ethische Herausforderung des diskursiven Journalismus 345

schen Diskursen bringt sie diese als normativ gehaltvolle Argumentationsregeln zur Geltung und macht Vor-
schläge, wie die zu verhandelnden Probleme nach Reichweite ihrer Geltungsansprüche (Gerechtigkeit, gutes
Leben, Zweckmäßigkeit) zu sortieren wären […].“183

Die Diskursethik ist damit attraktiv für Theorien der Ethik des Journalismus, in denen die
Begründbarkeit von Normen und die Reichweite ihrer Geltung im Zentrum stehen. Mehr noch
als den Normen selbst wird dem Prozess der Formulierung von und der Einigung auf Normen
eine besondere Relevanz zugeschrieben. Es geht, wie Thomaß anmerkt, immer weniger um die
Frage „Was soll ich tun?“ und immer mehr um die Frage „Wie können wir uns darüber einig
werden, was wir tun sollten?‘“.184 Journalismusethik kann dabei keine privilegierte Erkenntnis
beanspruchen, sondern allenfalls die Berücksichtigung der angemessenen kommunikativen
Prozeduren erleichtern. Ebenso wie der diskursethisch argumentierende Philosoph hat auch
der Medienethiker darauf zu verzichten, für stellvertretende praktische Diskurse zur Beantwor-
tung moralischer Fragen eine hervorgehobene Rolle zu beanspruchen, da sich seine Kompe-
tenz auf die Verfahren beschränkt, während er im Hinblick auf praktische Fragen selbst auf die
gleiche alltagssprachlich verankerte Vernunft zurückgeworfen ist, der sich alle Beteiligten
bedienen. Er verfügt „über keinen privilegierten Zugang zu moralischen Wahrheiten oder
inhaltlichen Orientierungen“.185 Für das Verhältnis von Medien und Wissenschaften bedeutet
dies, dass beide die gleichen Geltungsansprüche behandeln und von einer Hierarchisierung
ihrer Diskurse daher Abstand zu nehmen ist. Diese Feststellungen knüpfen an die eingangs
formulierten Gedanken zur Stellung des sozialwissenschaftlichen Beobachters zur Praxis an.
Als Teilnehmer an sozialen Prozessen – und als solche sind auch journalistische Diskurse zu
verstehen – kann der Sozialwissenschaftler die Strukturen sozialer Interaktion zunächst nicht
transzendieren, sondern ist im Gegenteil, darauf angewiesen, zu Geltungsansprüchen Stellung
zu nehmen, deren Prüfung ihm nur durch alltagssprachliche Teilnahme überhaupt ermöglicht
werden kann. Der wissenschaftliche Diskursteilnehmer mag besser informiert, methodisch
versierter oder auch argumentativ redlicher sein, einen qualitativ anderen, privilegierten Er-
kenntnisstatus hat er hingegen nicht.
Trotzdem darf sich auch die diskursiv gehandhabte Medienethik nicht abdrängen lassen in
eine Position, in der ihr nur der schmaler werdende Geltungsbereich zwischen Recht und
Markt bleibt: Weder soll sie die klassische Berufsideologie duplizieren, noch schlicht Publi-
kumserwartungen wiederholen. Ihre Aufgabe ist es vielmehr, diese auf ihre Leistungsfähigkeit
hinsichtlich der gesellschaftlichen und demokratischen Erwartungen an journalistische Kom-
munikation zu überprüfen. Sie kann zwischen deliberativen Anforderungen zivilgesellschaftli-
cher Öffentlichkeit und den Bedingungen institutionalisierten Medienhandelns vermitteln und
damit zugleich für die Folgen journalistischen Handelns sensibilisieren. Ihr Ziel ist es, dass ein
diskursethisch sensibilisierter Journalismus seine Ausrichtung auf eine kompetente öffentliche
Meinungsbildung stärker betont und damit „[…] das Mediensystem in seiner strukturellen
Verfasstheit auf diesen immanenten Zielwert offener demokratisch verfasster Gesellschaften
hin [ausrichtet]“.186 In dem Verzicht der Diskursethik auf materielle Denkvorgaben und der
daraus sich ergebenden Verständigung der Betroffenen über die formalen Maßstäbe ihres
Handelns sieht Rager einen wesentlichen Vorteil gegenüber traditionellen Fixierungen:

183 Loretan 2002, S. 280


184 Thomaß 2000, S. 362
185 Loretan 2002, S. 273
186 Ebd., S. 283
346 VI Diskursive Öffentlichkeit – diskursiver Journalismus

„Viel mehr als eine präskriptive Ethik mit Absolutheitsanspruch oder normativen Leitsätzen ist die Diskurs-
ethik geeignete Grundlage der Fragestellung, welches journalistische Handeln mehrheitlich erwünscht sein
könnte und den Interessen vieler Menschen gerecht wird. Das Verfahren ähnelt zudem der journalistischen
Praxis, in der der Konsens darüber, was (ethisch) richtig ist, oft auch nur in der Diskussion unterschiedlicher
ethischer Argumente und nach Kompromissen auf allen Seiten zustande kommt.“187

So verstanden könne der ethische Diskurs als Instrument journalistischer Selbststeuerung zu


einer Dimension journalistischer Qualität werden.188 Debatin sieht ein solches Steuerungspo-
tenzial einer Medienethik als vorwiegend intern und indirekt wirksam an, indem ethische
Selbstbindungen „Handlungsorientierung und kritische Maßstäbe der Reflexion“ bereitstellen
und den Rahmen legitimen journalistischen Handelns abstecken.189 Dies gelingt umso ange-
messener und besser, je umfassender medienethische Reflexion individuelle und organisatori-
sche Verantwortung zueinander und miteinander in Beziehung setzt und somit trennschärfer
ansprechbar macht. Denn trotz aller Näherungen der Praxis an ein auch ethisch fundiertes
Verständnis journalistischen Berufshandelns bleibt Journalismus ein moralisch sensibles Feld:
„Die moralische Verantwortung der Medienschaffenden (Journalisten, Redakteure, Autoren, Korresponden-
ten, Agenturen usw.) bezieht sich zunächst auf Fragen der Wahrheit von Information, der Vielfalt von Mei-
nungen und der Authentizität von Darstellungen. Moralisch sensibel sind dabei gleichermaßen die Gewinnung
von Informationen und Meinungen (z.B. Recherche und Interviewpraktiken, Seriosität von Quellen, Infor-
manten und Persönlichkeitsschutz) wie ihre Selektion (Aktualitäts- und Sensationsprimat, Quotenfixierung,
Minderheitenpositionen etc.) und ihre Verarbeitung (z.B. Darstellung, Dekontextuierung, Veränderung, Auslas-
sung und Inszenierung, Verwandlung von Information in Unterhaltung).“190

Die Einhaltung beruflicher oder professioneller Qualitätsstandards kann die Bearbeitung dieser
grundlegenden Fragen erleichtern, so Debatin, indem sie eine „verantwortungsethisch moti-
vierte Innensteuerung der Medienschaffenden“ gewährleistet.191 Eine freiwillige journalistische
Selbstkontrolle kann in diesem Zusammenhang dazu beitragen, eine publizistische Ethik nicht
nur durchzusetzen, sondern auch diskursiv durch ethische Argumentation weiterzuentwi-
ckeln.192 Eine solcherart auf sanfte ‚Steuerung‘ zielende Diskursethik trägt außerdem dem
Umstand Rechnung, dass ethische Standards im Journalismus stetig weiterentwickelt werden
müssen, da sie genauso wie Qualitätsvorstellungen ständigen Veränderungen unterliegen. Nicht
zuletzt deshalb liegt es nahe, die Urteile des Publikums in die Qualitäts- und auch in die Ethik-
debatte des Journalismus einzubeziehen.193
Die Etablierung von Mechanismen der Selbstkontrolle und Selbstregulation kann auch eine
Antwort auf die Feststellung sein, dass die Diskursethik ohne eine Lehre der Diskursinstitutio-
nen „weitgehend irrelevant“ wäre, weil ihr die Mechanismen der Umsetzung ihrer prozedura-
len Normen fehlen.194 Rezipiert man die Diskursethik allein, kann man zu dem Befund kom-
men, dass an diesen Institutionen noch mangelt, nimmt man aber die deliberativ-
demokratietheoretischen Überlegungen mit in Betracht, dann lassen sich erste Ansatzpunkte
einer solchen institutionell fokussierten Erörterung finden. Die zum Beispiel auf verfahrensre-

187 Rager 2000, S. 79


188 Vgl. ebd., S. 79
189 Debatin 1997, S. 300
190 Debatin 1998, S. 121. Ein Extrembeispiel dafür, dass Journalismus Kontextualisierungsleistungen nicht
erbringt, sondern entlang medialer Routinen im Wortsinne ‚heißläuft‘, ist der 11.9.2001 (vgl. Brosda 2002b).
191 Debatin 1998, S. 122
192 Vgl. Baum 2005c, S. 116ff., der diesen Umstand unter Rückgriff auf Habermas thematisiert und konzipiert.
193 Vgl. Rager 2000, S. 83ff.; vgl. zur Publikumsethik grundsätzlich Funiok 1996b.
194 Weischenberg 1992a, S. 197
4 Handlungsbedarf I: Die ethische Herausforderung des diskursiven Journalismus 347

gulierten Verhandlungen abstellenden Modelle auf Journalismus und auf Journalistik zu


übertragen, wäre eine Aufgabe einer diskursethischen Journalistik, die die Verfasstheit der
Diskurse über Ethik zum Beispiel in Selbstkontrollgremien oder in wissenschaftlicher Beglei-
tung gestalten will. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, entsprechende ethische Diskurse
durch angemessene institutionelle Vorkehrungen zu stärken und ihre Ergebnisse so zu kom-
munizieren, dass sie in der Praxis zur Kenntnis genommen werden und Relevanz entfalten
können.
„Die Medienethik bzw. die Ethik massenmedialer Kommunikation müsste so konzipiert werden, daß sie sich
selbst als diskursiv versteht, d.h. daß sie in ihren eigenen Begründungs- und Anwendungsdiskursen die Be-
dingungen, Beschränkungen und Möglichkeiten medialer Kommunikation eruiert, nicht zuletzt mit dem Ziel,
ihrerseits massenmediale Diskurse zu initiieren, zu stimulieren und im Blick auf ihre partizipatorischen,
emanzipatorischen und advokatorischen Möglichkeiten und Grenzen zu reflektieren.“195

Entsprechend dynamisch gehandhabt können ethische Kodizes der journalistischen Praxis zu


einem gelebten und laufend weiter entwickelten ethischen Gerüst journalistischen Handelns
werden, das sich in ständigem Abgleich mit praktischen Anforderungen befindet. Ziel könnte
ein umfassender und positiv formulierter Katalog von Geboten eines guten Journalismus
sein.196 Journalistische Ethikkodizes bieten insbesondere die Möglichkeit, einen Diskursrahmen
zu definieren, aus dem heraus sich weitere, ethischer Debatte und Kontrolle verpflichtete
Institutionen bilden bzw. etablieren können. Von Interesse sind in diesem Zusammenhang vor
allem die Normen einer prozeduralen Ethik, die auf Prozesse zur Entwicklung und Sicherung
weiterer Normen abhebt. Daher konzentriert sich die
„[…] weitergehende Nutzbarmachung der Diskursethik für die journalistische Ethik […] auf die Frage, wo
und wie Betroffene Diskurse zur Entwicklung von Normen führen können, die den bei Habermas gestellten
Anforderung zumindest ansatzweise gerecht werden“.197

Presseräte und ähnliche Selbstkontrollgremien, in denen ethische Diskurse etabliert sind,


können als „Diskursverfahren zur Klärung normativer Fragen der journalistischen Praxis“
verstanden werden.198 Auch die Orte der Journalistenausbildung sind denkbare Institutionen
der diskursiven Klärung journalistischer Ethik. Dadurch rückt die Journalistik als eine eben
auch ethische Disziplin in den Blick.

195 Arens 1996, S. 96


196 Vgl. Brosda u.a. 2004. Ein solcher Katalog, verbunden mit entsprechenden organisatorischen Strukturen, ist die
Grundlage einer zureichenden journalistischen Selbstkontrolle journalistischer Akteure im Rahmen einer kom-
plexen modernen Medienordnung: „Die Stärkung professioneller Standards und die – freiwillige – Etablierung
von entsprechenden Verfahren, Organisationsregeln wie auch Organisationen (der professionellen Selbstkon-
trolle) muss als entscheidende Voraussetzung für die Wahrnehmung von Selbstverantwortung und Selbstkon-
trolle angesehen werden: solange es nämlich an Verfahrensregeln und institutionalisierten Formen für die pro-
fessionelle Selbstverständigung fehlt, kann Selbstverantwortung allenfalls partiell wahrgenommen werden.“
(Jarren/Donges 2000, S. 246)
197 Thomaß 2000, S. 362
198 Loretan 2002, S. 285. Deswegen ist es sinnvoll, diese spezifischen Gremien der Selbstkontrolle nicht mit
Akteuren anderer gesellschaftlicher Funktionsbereiche zu belasten (vgl. Jarren/Donges 2000, S. 247).
348 VI Diskursive Öffentlichkeit – diskursiver Journalismus

4.2 Ethik für Diskurse: Journalistische Anwendung diskursethischer Prämissen

Wird die Diskursethik auf die journalistische Praxis übertragen, dann verlangt sie vorwiegend
nach Bewertungen der ‚Angemessenheit‘ kommunikativer Handlungen.199 Sie richtet sich auf
die Einhaltung der skizzierten Diskursregeln und verlangt von kommunikativen Akteuren die
prinzipielle Akzeptanz grundlegender Verständigungsregeln. Der Terminus ‚Angemessenheit‘
verdeutlicht in diesem Zusammenhang, dass die Diskursethik durchaus aus dem Bereich der
Idealnormen in Praxisnormen übersetzbar ist, die Gegenstand von Anwendungsdiskursen sein
können. Eine diskursethisch fundierte Medienethik hat daher das Potenzial, Maßstäbe zu
liefern, anhand derer die Verfasstheit gesellschaftlicher Kommunikation mit Blick auf die
normativen Anforderungen, einer demokratischen Öffentlichkeit empirisch untersucht und
qualitativ bewertet werden könnte. Fördert journalistisches Handeln Partizipation und Eman-
zipation? Nimmt es sich der Aufgabe der advokatorischen Vertretung der vom gesellschaftli-
chen Zeitgespräch ausgeschlossenen Stimmen an? Diese Fragen lassen sich auf der Basis der
Diskursethik an Journalismus stellen; und sie lassen sich mit empirischer Journalismus- und
Medienforschung bearbeiten.200 Aus dem Dialog zwischen einer diskursiven Medienethik und
einer empirischen Forschung, die sich praktischen Fragen nicht verschließt, können Vorschlä-
ge für die Verbesserung des Journalismus erwachsen.201 Diesen Weg zu beschreiten, wäre für
die Journalistik mehr als nur nahe liegend. Im Kern geht es darum, aus der Diskursethik
Hinweise auf eine ‚Ethik für Diskurse‘ zu gewinnen, um von den Begründungsdiskursen der
philosophischen Ethikformulierung zu den Anwendungsdiskursen einer an ‚wahren‘, richtigen
und gerechten Ergebnissen orientierten Praxis zu gelangen.202 In dieser Ethik lägen Hand-
lungsimperative auch für einen kommunikativen, besser: für einen diskursiven Journalismus.
„Die angewandte Ethik wird als Disziplin verstanden, die sich bei moralischen Entscheidungsproblemen mit
Normen, Werten und Grundorientierungen des Menschen auseinandersetzt. Als Theorie des richtigen Han-
delns entwickelt sie Kriterien und vermittelt eine Handlungsorientierung in moralisch relevanten Ent-
scheidungssituationen und dient letztlich der Handlungskoordination im Umgang mit anderen Menschen.“203

Die idealen Voraussetzungen abstrakter Modelle gelten zunächst als Resultat normativ-
ethischer Überlegungen, die jedoch in dieser Form noch keine praktische Hilfe bei konkreten
Handlungsentscheidungen liefern können. Es ist außerdem problematisch, wenn in einer
Normendiskussion lediglich Begründungsverfahren behandelt werden und das Problem der
Durchsetzung von Entscheidungen nicht berücksichtigt wird. Die Anwendung solcher Durch-
setzungsverfahren hat auf der Basis eines Normenbegründungsverfahrens für die Praxis zu
erfolgen. Während im theoretisch-idealen Begründungsdiskurs ‚reale‘ Sachzwänge ‚kontrafak-
tisch‘ ausgeschaltet werden, sind Anwendungsdiskurse oftmals von Beschränkungen gekenn-
zeichnet, zu denen Knappheit der Zeit, Herrschafts- oder Gewaltverhältnisse und das Informa-
tionsgefälle zu rechnen sind, die institutionelle Vorkehrungen (Geschäftsordnungen etc.)
erforderlich machen, um durch Übereinkunft eine Annäherung an die Bedingungen des idealen
Diskurses zu gewährleisten.
Die Beziehung zwischen den theoretischen und den praktischen Fragen der Ethik, also
zwischen Normbegründung und Normanwendung, ist als ein Kontinuum zu begreifen: Die

199 Vgl. Meyer/Schicha/Brosda 2000, S. 285ff.; Loretan 2002, S. 278


200 Arens 1996, S. 95f.
201 Vgl. Loretan 2002, S. 279; vgl. auch den Überblick im Sammelband von Rath 2000.
202 Vgl. Kopperschmidt 2000, S. 147ff.
203 Brosda/Schicha 2000, S. 8
4 Handlungsbedarf I: Die ethische Herausforderung des diskursiven Journalismus 349

von der normativen Ethik formulierten Prinzipien, die sich auf moralisch bzw. sittlich gutes
und richtiges Handeln und Unterlassen beziehen, sind aus der Sicht der Diskursethik schließ-
lich keine ‚objektiven‘ Werte. Metaphysische Deduktionen und Verweise sind im Zuge der
Rationalisierungsprozesse der Moderne durch intersubjektive Vereinbarungen ersetzt worden,
die zunächst nur Gültigkeit für eine zeitlich und kulturell kontingente Situation beanspruchen
können. Der jeweils eingenommene moralische Standpunkt ist begründungspflichtig gewor-
den. Diese Begründungspflicht ist zurückgebunden an ein ‚framework‘ akzeptabler Begrün-
dungsweisen und Argumente, das in theoretischen Ethik-Konzepten wie der Diskursethik
identifiziert wird, um in der Praxis besser zur Anwendung zu gelangen. Die Diskursethik kann
daher vermittels ihrer Übersetzung in eine angewandte Ethik der Medienkommunikation auch
unter den schwierigen empirischen Bedingungen massenmedial vermittelter Kommunikation
für kommunikative Möglichkeiten in Interaktion sensibilisieren. Will man diese Ethik mit Blick
auf die journalistische Kommunikation unter Medienbedingungen explizieren, dann erfordert
das angesichts der Verhältnisse zunächst eine größere medienethische Akzeptanz auch gegen-
über systemtheoretischen Überlegungen. Dies ist mit der Diskurstheorie nach Habermas zu
gewährleisten, da diese sich auf ein Gesellschaftsmodell bezieht, das kommunikative und
systemische Integrationsmechanismen nebeneinander beschreibt
„Denn selbstverständlich sind die medialen Strukturen der Kommunikation systemisch organisiert und in
verschiedene, partiell vernetzte Subsysteme eingebunden. Die normative Pointe besteht für Habermas jedoch
darin, daß der intersubjektiv geteilte Raum der Öffentlichkeit an die einfachen Interaktionen der Lebenswelt
zurückgebunden ist. Diese grundlegende Dialektik von kommunikativer Vernunft und Systemrationalität ist
auch bei der Konzeption einer diskursethisch inspirierten Medienethik zu berücksichtigen.“204

Kern einer Operationalisierung der Diskursethik als Medien- und Journalismusethik ist die
immanente Verknüpfung des diskursiven Handelns in kommunikativer Interaktion mit der
Herstellung einer öffentlichen Sphäre, deren demokratisch-normative Idee nicht zuletzt von
dieser Diskursivität geprägt ist. Öffentlichkeit und Deliberation sind im Rahmen des skizzier-
ten Demokratiemodells zwei eng auf einander bezogene Konzepte205: Wie ausgeführt, gewähr-
leistet Öffentlichkeit durch den von ihr bereitgestellten Kommunikationsraum die Rationalität
moderner Lebenswelten und schließt diese kommunikativ an die ausdifferenzierten Subsyste-
me (v.a. an das politisch-administrative System) an. Sie erfüllt einerseits eine Transmissions-
funktion zwischen Lebenswelt und System, ist aber andererseits letztlich an Lebenswelt,
Kommunikativität und Diskursivität rückgekoppelt. Im öffentlichen Austausch generieren
kommunikativ Handelnde – anders als strategische Akteure, die einander als Objekte betrach-
ten – mit ihren gemeinsam ausgehandelten Deutungs- und Bedeutungsangeboten einen ge-
meinsamen sozialen Raum. Die Entwicklung von Solidarität und Vertrauen als Grundlagen der
Öffentlichkeit ist damit der kommunikativen Interaktion immanent.206
Moral kommt in öffentlichen Diskursen damit nicht nur auf der prozeduralen Ebene der
Form des kommunikativen Austausches, sondern auch auf inhaltlicher Ebene hinsichtlich der
Auswahl der öffentlichen Themen ins Spiel.207 Ohne ein gewisses ‚moralisches Pathos‘, so

204 Lesch 1996, S. 100


205 Vgl. Imhof 2003
206 Vgl. Loretan 1996, S. 43
207 Vgl. Hügli 1992, S. 71f. Eine diskursive Öffentlichkeit fordert den Diskurs über ihre Grenzen: „Moralische
Gesichtspunkte bei der medialen Herstellung von Öffentlichkeit als rationalen Diskursprozess zur Geltung zu
bringen, ist deshalb besonders heikel, weil zur Herstellung von Öffentlichkeit die Grenzüberschreitung gehört,
das heißt, für sie ist das Grundelement von Polemik und die bis ans Äußerste gehende Kritik konstitutiv. Öf-
fentlichkeit ist per se respektlos, sie ist auf Sichtbarmachen von etwas gerichtet, was man verborgen hält, das
350 VI Diskursive Öffentlichkeit – diskursiver Journalismus

mutmaßt Lesch, hätte demokratische Öffentlichkeit keine Zukunft; sie bedürfe derjenigen
Bürger, die bereit sind, Themen, die sie als Unrecht empfinden, unter dieser Maßgabe in das
gesellschaftliche Gespräch einzuführen; und sie bedürfe der Medienmacher, die sich moralisch
Werten wie Transparenz und demokratisch-öffentlicher Kontrolle verpflichtet fühlen.208 Diese
Moral des Öffentlichen ist auch nach dem Strukturwandel der Öffentlichkeit aufzufinden.
Selbst unter rein kommerziellen Gesichtspunkten produzierte Medieninhalte können sich ihren
Anforderungen nicht entziehen.209
Deduziert man aus der Diskurstheorie konkrete medienethische Maßstäbe, dann gerät
prominent die Prüfung der Akzeptabilitätsbedingungen von Geltungsansprüchen in den
Blick.210 Folgt man der Interpretation von Arens, dann implizieren die Prozeduren der Dis-
kursethik vornehmlich drei ethische Universalien, die im Hinblick auf eine Ethik der Medien-
kommunikation herauszuarbeiten sind.211
• Wahrheit: Hiermit ist gemeint, dass Kommunikationsteilnehmer die ‚Wahrheit‘ sagen,
Wahrheitsansprüche anderer anerkennen und eine gemeinsame ‚Wahrheit‘ anstreben. Für
journalistische Kommunikation ist von besonderer Bedeutung, dass genügend Informati-
onen vermittelt werden, um auch als Rezipient die vermittelten Wahrheitsansprüche in ih-
rer Diskursivität erkennen und beurteilen zu können.
• Wahrhaftigkeit: Hiermit ist gemeint, dass die Kommunikationsteilnehmer, nicht nur für
‚wahr‘ gehaltene Informationen mitteilen, sondern auch weder sich selbst noch andere
über die eigenen Interessen, Absichten und Erwartungen täuschen.212
• Gerechtigkeit: Hiermit ist gemeint, dass Kommunikationsteilnehmer gerechte Kommunika-
tionsbeziehungen schaffen und erhalten. Zentralbegriffe in dieser Dimension, die beson-
ders mit Blick auf journalistisches Handeln Bedeutung besitzen, sind (a) Partizipation im
Sinne von Teilnahmechancen am Diskurs, (b) Emanzipation durch eine Gewährleistung ei-
ner ‚idealen Kommunikationsgemeinschaft‘ (Apel) bzw. eines ‚herrschaftsfreien Diskurses‘
(Habermas) und (c) Advokation im Sinne der Artikulation von Interessen, Ansprüchen und
Bedürfnissen derjenigen, die dazu selbst nicht in der Lage sind.
Diese ethischen Anforderungen korrespondieren weitgehend mit den Grundstrukturen der
Sprache und den in einem Sprechakt erhobenen Geltungsansprüchen. Auf deren Prüfung
verlegt sich die Diskursethik zunächst, in dem sie – in einem sehr bescheidenen Selbstver-
ständnis – immanent ansetzt, um entsprechende Argumentationsvorgänge der Prüfung erho-
bener Geltungsansprüche zu ermöglichen.

man verschweigt, Insofern sind bei der Öffentlichkeitsarbeit der Medien Normverstöße als Verletzungen von
Identität und Sozialität gleichsam vorprogrammiert. Um so mehr gilt: die publizistische Pflicht, das Verborgene
aufzudecken, das Verschwiegene zur Sprache zu bringen, muss ein diskursiver Prozess auf der Grundlage
wechselseitiger Anerkennung sein. Wie ist zu gewährleisten, dass er als solcher Prozess, der zugleich offensiv
hinter die Fassaden des Scheins dringt, im Einklang steht mit den diskursethischen Prinzipien der Gerechtigkeit
und Solidarität?“ (Müller-Doohm 1999, S. 227f.)
208 Vgl. Lesch 1994, S. 52. Hügli (1992, S. 73) geht sogar so weit, dass er den Journalist als „Moralist vom Dienst“,
sieht, der sich seiner öffentlichen Aufgabe bewusst sei und entsprechend moralisch kompetent handele.
Manchmal vollzieht sich eine solche moralische Kritik auch vor dem Hintergrund eines medial-journalistischen
strategischen Abgrenzungsinteresses, wie die Inszenierungskritik der Medien bei großen politischen Ereignissen
zeigt, mit der die Berichterstatter ihre Souveränität betonen (vgl. Brosda 1999).
209 Vgl. Habermas 1995 [1981], Bd. 2, S. 574f.
210 Vgl. dazu theoretisch Wellmer 1989.
211 Vgl. zum Folgenden Arens 1996, S. 90ff.
212 Vgl. zur Begründung des Konzepts der Wahrhaftigkeit Mieth 1996.
4 Handlungsbedarf I: Die ethische Herausforderung des diskursiven Journalismus 351

„Was wahr ist, kann nicht ein Autor oder eine Redaktion entscheiden. Es kann sich nur im Laufe einer öf-
fentlichen Diskussion herausstellen, zu der – gemäß den Diskursregeln – im Prinzip alle Diskutanten, Infor-
mationen und Argumente (einschließlich provokativer Mutmaßungen) zugelassen sind. Für diese Offenheit
zu sorgen, wenn nötig gegen kontroverse Interessen, ist die konstitutive Aufgabe des Journalistenberufs.“213

Die Diskursethik zielt darauf, dass sich kommunikative Rationalität entfalten kann, insofern
soll eine an sie anschließende Journalismusethik daran mitwirken, in Medien und Journalismus
Bedingungen herzustellen, in denen die Unterstellung von Verständigungsorientierung ebenso
wenig a priori ausgeschlossen ist wie die Möglichkeit der Prüfung der Akzeptabilität von
Geltungsansprüchen. Sie thematisiert die „Bedingungen der Möglichkeit verständigungsorien-
tierter Kommunikation“, gleicht sie an den Strukturen des Mediensystems ab und strebt an, sie
in diesen Strukturen zur Geltung zu bringen.214 Etliche bereits etablierte Verfahren der journa-
listischen Diskursvermittlung und -teilnahme lassen sich als Institutionalisierung dieser Mög-
lichkeiten verstehen. Es lohnt sich daher, die Ergebnisse von Praxisdiskursen zu berücksichti-
gen, in denen sich normative Näherungen an ein Selbstverständnis journalistischen Handelns
finden lassen, das implizit auch auf kommunikative und diskursive Grundzüge verweist. In
dem detaillierten „Berufsbild Journalistin/Journalist“, das der Deutsche Journalisten-Verband
erarbeitet hat, heißt es zum Beispiel mit Blick auf die hier diskutierten gesellschaftlichen
Aufgaben des Journalismus:
„Journalistinnen und Journalisten haben die Aufgabe, Sachverhalte und Vorgänge öffentlich zu machen, de-
ren Kenntnis für die Gesellschaft von allgemeiner, politischer, wirtschaftlicher oder kultureller Bedeutung ist.
Durch ein umfassendes Informationsangebot in allen publizistischen Medien schaffen Journalistinnen und
Journalisten die Grundlage dafür, dass jede Bürgerin und jeder Bürger die in der Gesellschaft wirkenden
Kräfte erkennen und am Prozess der politischen Meinungs- und Willensbildung teilnehmen kann.“215

Diese vergleichsweise präzise Beschreibung journalistischer Aufgaben beinhaltet eine klare


normative Komponente, indem Journalismus nicht nur als Informationsvermittler beschrieben
wird, sondern diese Vermittlung zugleich in eine immanente Beziehung zum Funktionieren des
demokratischen Prozesses gesetzt wird. Im weiteren Verlauf verweist das Papier des DJV u.a.
auch auf den Ethik-Katalog des Deutschen Presserates, der zumindest in einigen Bereichen als
konkrete alltagspraktische Richtschnur für journalistisches und redaktionelles Handeln dienen
kann. Ihm zufolge fällt Journalismus normativ die Aufgabe zu, die Wahrheit zu achten, die
Menschenwürde zu wahren und die Öffentlichkeit wahrhaftig zu unterrichten.216 Daraus
folgen konkrete Gebote vor allem für die journalistische Sorgfaltspflicht im Umgang mit
Sachinformationen und für die Abwägung zwischen öffentlichem Interesse und Menschen-
würde.
Sowohl hinsichtlich der Auswahl als auch hinsichtlich der Behandlung der journalistischen
Kommunikationsinhalte haben sich außerdem Konventionen wie Nachrichtenfaktoren oder
diverse Recherche- und Präsentationsregeln etabliert, die eine angemessene Vermittlungsleis-
tung des Journalismus gewährleisten sollen. Vernachlässigt wird in diesen Konventionen
allerdings tendenziell der Umgang des Journalisten mit den vermittelten Aussagen oder Sach-

213 Pöttker 2000c, S. 129f.; zum Verhältnis zwischen universeller Moral und Berufsethos vgl. auch Pöttker 1999a.
214 Loretan 2002, S. 275
215 So der Beginn des „Berufsbilds Journalistin/Journalist“, das der DJV-Verbandstag 1996 beschlossen hat. Auf
der DJV-Homepage abrufbar unter http://www.djv.de/downloads/berufsbild1.pdf (29.9.2005).
216 So der erste Punkt der Publizistischen Grundsätze (Pressekodex), die vom Deutschen Presserat beschlossen
und dem Bundespräsidenten Gustav W. Heinemann am 12. Dezember 1973 in Bonn überreicht wurden [hier
zitiert in der Fassung vom 13. September 2006]. Vgl. auch umfassend die Beiträge in Baum u.a. 2005.
352 VI Diskursive Öffentlichkeit – diskursiver Journalismus

verhalten selbst. Eine diskursethisch informierte Anforderung würde sich darauf beziehen,
nicht nur den propositionalen Aussagenteil, sondern auch die Argumente der Aussage weiter
zu vermitteln und so eine Prüfung enthaltener Geltungsansprüche anhand vermittelter Be-
gründungen zu ermöglichen.217 Auf den prominenten Status dieser (stellvertretend vorgenom-
menen) Prüfung durch Journalisten ist bereits im Rahmen der Begründung eines kommunika-
tiven Journalismus-Konzepts hingewiesen worden. Der Schwerpunkt der Argumentation lag
dort allerdings auf dem Umstand, dass journalistisch Handelnde nicht umhin kommen, zu den
Geltungsansprüchen einer von ihnen vermittelten Aussage Stellung zu beziehen, wenn davon
ausgegangen wird, dass zu einer erfolgreichen Vermittlung auch das Verstehen dieser Aussage
gehört. Daneben gilt, dass diese reflexive Vermittlung auch dazu beiträgt, orientierende Leis-
tungen für Rezipienten zu erbringen, denen selbst der Überblick fehlt (fehlen muss), um
vergleichbare Bewertungen eigenständig zu leisten. Hier kommt die immanente Kommunikati-
vität des Journalismus zum Ausdruck, die in der Journalismustheorie bisweilen als Störfaktor
der reibungslosen Nachrichtenmaschinerie gesehen wird.
Das geschieht vorwiegend dann, wenn wie in den Konzepten eines sehr reduzierten Infor-
mationsjournalismus nicht ausreichend berücksichtigt wird, dass journalistisches Handeln wie
jede Kommunikation prinzipiell der Doppelstruktur der Rede unterliegt und damit sowohl eine
propositionale wie auch eine illokutionäre Dimension besitzt. Informationsjournalistische
Konzepte wie die legitimistische Publizistik zum Beispiel reduzieren Journalismus vorwiegend
auf seine kognitiv-instrumentelle, mithin propositional relevante Dimension und thematisieren
daher ausschließlich Fragen seiner Objektivität sowie damit verbundene Ausgewogenheits- und
Neutralitätspostulate.218 Betrachtet man die journalistische Kommunikativität dagegen mit
einem diskursiven Journalismusmodell als einen zentralen Bestandteil des Geflechts von
Kommunikation, Öffentlichkeit, Medien, Journalismus und Demokratie, dann richtet sich der
Blick weniger auf Fragen der Objektivität von Information, als vielmehr auf Fragen ihrer
Richtigkeit, ihrer angemessenen Begründungstiefe sowie der Transparenz ihrer Argumentation.
Wenn es um diese, nicht mehr nur propositionalen, sondern eben vor allem performativen
Aspekte journalistischen Handelns und Kommunizierens geht, werden die Fragen journalisti-
scher Ethik komplex.219
Aber auch mit Blick auf diese performativen Aspekte hat Journalismus Routinen ausgebil-
det: Sie lassen sich zumindest an intersubjektiver Nachprüfbarkeit, an der Begründetheit der
Argumente sowie an der Darstellung unterschiedlicher Positionen – oder übersetzt in journalis-
tische Postulate: an gründlicher Recherche, Quellentransparenz und -vielfalt – messen, wie
Rager ausführt.220 Mit der Anwendung dieser Verfahren versetzt Journalismus sein Publikum
in die Lage, die erhobenen Geltungsansprüche zu prüfen und abzugleichen.221 Da diese Prü-

217 Vgl. Kuhlmann 1999, S. 61ff.


218 Vgl. kritisch dazu Baum/Scholl 2000, S. 105.
219 Vgl. ebd., S. 106
220 Rager 2000, S. 82
221 Dennoch sind insbesondere Fragen der ästhetischen Kritik oder gar der therapeutischen Kritik (z.B. der
Wahrhaftigkeit einer Politikeraussage) nach wie vor hoch problematisch. Hier werden, wie Baum und Scholl ar-
gumentieren, Wertstandards auf ihre Angemessenheit hin überprüft. Dieser Vorgang kann verstanden werden
als „eine Form der (Selbst-) Vergewisserung, die immer auch auf die Frage zielt, welche Form des Lebens für
mich gut ist, wie ich leben möchte“ (Baum/Scholl 2000, S. 106). Werden die Ergebnisse dieser Prüfungen von
den Betroffenen in Frage gestellt – was wahrscheinlich ist –, dann wird in Konsequenz ein ethisch-existenzieller
Diskurs eröffnet (vgl. Habermas 1991, S. 111f.), der die Grundlagen der Existenz jedes Einzelnen in Zweifel
zieht. Aus journalistischer Kritik wird ein Diskurs ums Ganze, der Journalismus unter Umständen strukturell in
Bedrängnis bringen kann. Dass Journalismus für diese Grenzfälle tatsächlich Routinen auszubilden vermag, die
4 Handlungsbedarf I: Die ethische Herausforderung des diskursiven Journalismus 353

fung aber zugleich nur begrenzt möglich ist, weil das Publikum nicht in jedem Fall Zeit und
Ressourcen zu einer umfangreichen argumentativen, diskursiven Prüfung hat222, ist zugleich
Vertrauen in die journalistischen Kommunikationsleistungen notwendig, wie Kohring betont:
„Als Rezipient delegiert man die Beobachtung von Gesellschaft an den Journalismus und muss sich nun auf
die journalistische Berichterstattung verlassen, ohne sie im Moment der Rezeption überprüfen zu können […]
Da diese Rezipienten ja gerade nicht über durch eigene Beobachtungen gewonnenes Prüfwissen verfügen, um
die Angemessenheit der journalistischen Selektivität und Faktendarstellung bewerten zu können, sind sie statt
dessen auf Vertrauen angewiesen.“223

Dieses Vertrauen kann nicht unbedingt sein, sondern bleibt immer „eine riskante Vorleis-
tung“224 und bedarf daher wo möglich der Überprüfung durch Beurteilung der Vermittlungs-
qualität und der Vorerfahrungen mit dem spezifischen Medienangebot oder dem Journalismus
allgemein. Dazu noch einmal Kohring, der das Problem systemtheoretisch umkreist:
„Vertrauen durch Journalismus trägt zwar zur Lösung des Komplexitätsproblems bei, in dem sich jeder sozia-
le Akteur befindet. Gleichzeitig wird aber nun auch das Problem des Vertrauens in Journalismus akut. Es
geht, anders gesagt, um die Beobachtung (und Kontrolle) des Vertrauens in den Beobachter (und Kontrol-
leur) von Vertrauen.“225

Reformuliert man diese Überlegungen, dann geht es um die Akzeptabilität der Geltungsan-
sprüche, die durch Journalismus vermittelt werden und die Journalismus selbst erhebt, vor dem
Hintergrund eines nur unzureichenden Prüfwissens, das durch Vertrauen und Vorerfahrungen
kompensiert werden muss.226 Journalistische Akteure übernehmen hier als Anwälte gesell-
schaftlicher Diskurse auch die Verantwortung, das für ihre Vermittlungsleistungen notwendige
Vertrauen nicht zu zerstören, sondern durch entsprechende Diskursivität eine Prüfung ihrer
kommunikativen Angebote zu ermöglichen.
Während propositionale Fragen wahrheitsorientierter Geltungsansprüche von der Journa-
lismusforschung in erkenntnistheoretischen Debatten behandelt werden und performative
Fragen wahrhaftigkeitsorientierter Ansprüche in letzter Konsequenz nicht diskursiv zu behan-
deln sind, rücken vor allem Geltungsansprüche der Richtigkeit und der Umgang mit ihnen in
den Blick einer Ethik journalistischer Diskurse. Wie bereits ausgeführt unterliegen diese in
besonderem Maße einer Begründungspflicht. Es erscheint geboten, von journalistischer
Vermittlung im Interesse öffentlicher Diskurse zu verlangen, dass die Begründungen für
ethisch-politische Behauptungen, die vorwiegend auf Richtigkeitsansprüche zielen, transparent
gemacht werden. Explizite Begründungen sind zu referieren, implizite Begründungen aufzuzei-
gen.227 Journalisten als Anwälte gesellschaftlicher Diskurse haben dadurch eine besondere

die diskursive Ungewissheit seiner Kritik in diesen Bereichen zu verringern imstande sind, kann bezweifelt
werden. Stattdessen setzt sich Journalismus mit derartigen ästhetischen oder therapeutischen ‚Übergriffen‘ stets
der Gefahr aus, seinen vermeintlichen Kompetenzbereich zu überschreiten und nun seinerseits zwar nicht in
Legitimationsprobleme, wohl aber in Begründungsschwierigkeiten in Bereichen zu kommen, die einer Begrün-
dung kaum bis gar nicht zugänglich sind.
222 Vgl. Rager/Rinsdorf 2002a, S. 50
223 Kohring 2002a, S. 96
224 Ebd., S. 98
225 Kohring 2002b, S. 103
226 Heinrich und Lobigs (2003, S. 259) sehen als Grundlage dieses Vertrauens die „Institution des funktionsfähigen
journalistischen Wettbewerbs“, die dann vorliegt, „[…] wenn die Institutionen der Wettbewerbsordnung und
der journalistischen Kultur gemeinsam in einem Reputationsgleichgewicht wirksam werden“.
227 Diskursregeln sind dazu als Kriterienkatalog notwendig, allerdings offensichtlich nicht hinreichend. Sie
verpflichten Diskursteilnehmer vor allem auf Widerspruchsfreiheit, Fairness und subjektive Wahrhaftigkeit. Ei-
354 VI Diskursive Öffentlichkeit – diskursiver Journalismus

Verantwortung, die in der Bewahrung kommunikativer Potenziale durch eine reflexive und an
den Maßstäben kommunikativer Rationalität orientierte Vermittlung liegt:
„Nur sie [die politischen und medialen Akteure, -cb-] haben die Möglichkeit, stellvertretend für die Bevölke-
rung Begründungen für strittige Geltungsansprüche einzufordern und zu kritisieren, insofern wäre der Reprä-
sentationsgedanke auch im Sinne einer ‚diskursiven Repräsentanz‘ zu verstehen.“228

Wenn die gesellschaftlich und politisch Handelnden Begründungen liefern, dann sollte der
Journalist sie vermitteln, tun sie dies nicht, ist er dazu angehalten, sie durch Recherche hinzu-
zufügen. Auch eine aufmerksame Interpretation einer Pressemitteilung oder einer öffentlichen
Äußerung sowie deren Einordnung in den Gesamtzusammenhang können Aufschluss über
Begründungen und Motive geben. Hier greift die bereits angesprochene Forderung Langenbu-
chers nach einem Journalismus als „Quellenkritik“.229 Sie bietet, wie Baum bekräftigt,
„[…] den kommunikationstheoretischen Weg für eine ‚epochenadäquate Journalismustheorie‘ an, die sich zu-
dem als Diskursethik aller normativistischen Engpässe entledigen könnte […]. Denn vom Journalismus ‚Quel-
lenkritik‘ zu fordern, heißt ja nichts anderes, als ihm die Suche nach Gründen für öffentliche Aussagen, Hand-
lungen und Entscheidungen zuzutrauen.“230

Auch Pätzold fordert solch eine eigenständige interpretative Rolle im Sinne verstehender
Berichterstattung, wenn er die journalistische Relativierung politischer Symbolsysteme für
wünschenswert erachtet. Damit spricht er direkt und explizit die kommunikative Kompetenz
journalistischer Akteure an, die eben auch darin zum Ausdruck kommt, dass sie politische
Symbole auf alltagssprachliche Verständigungsstrukturen hin relativieren und damit der Kritik
der Bürger zugänglich machen.231 Vor dem Hintergrund der Diskurstheorie wird hier noch
einmal deutlich, dass es von der Art journalistischer Vermittlung abhängt, ob eine diskursive
Öffentlichkeit in ausdifferenzierten Gesellschaften gegenüber systemischer Logik überhaupt
eine Chance der demokratischen Koordinierung gesellschaftlicher Entwicklung entfalten kann.
Journalismus soll auch darauf zielen, das Selbstbewusstsein von Bürgern gegenüber der
„scheinbaren Zwangsläufigkeit moderner Institutionen“ zu stärken, indem deren Abhängigkeit
vom Handeln ihrer Klienten transparent gemacht wird; einen solchen Journalismus nennt
Pöttker „Aufklärungsjournalismus“: Während der klassische Informationsjournalismus politi-
sche Vorgänge in seiner Vermittlung oftmals institutionell verkürzt und der Boulevardjourna-
lismus sich aus Gründen ökonomisch motivierter Publikumsmaximierung beinahe ausschließ-
lich an den Bedürfnissen der Rezipienten ausrichtet, vermag dieser Aufklärungsjournalismus,
die „tatsächlich vorhandenen, aber durch die funktionale Differenzierung auch zwischen ihren
bewußtseinsbildenden Institutionen verborgenen Verbindungsfäden zwischen ‚System‘ und
‚Lebenswelt‘“ sichtbar zu machen.232 Journalismus ermöglicht damit Teilhabe durch Orientie-
rung; Journalisten werden zu den „Zusammenhangsexperten“, die Langenbucher fordert.233

ne Begründungspflicht hingegen postulieren sie nur für das Angreifen einer Aussage oder Norm, die nicht Ge-
genstand der Diskussion ist (vgl. Habermas 19997 [1983], S. 98). Sie umfassen nicht die Begründungspflicht für
Handlungsabsichten, die in der allgemeinen Argumentationstheorie herausgearbeitet wird (vgl. Kopperschmidt
2000; Kuhlmann 1999). Die Formulierung von journalistischen Entscheidungshilfen zur Identifizierung be-
gründeter Aussagen ist bislang ein Desiderat. Eine allgemeine Übersicht gibt Kuhlmann 1999, S. 61ff.
228 Kuhlmann 1999, S. 132
229 Vgl. Langenbucher 1986; siehe auch IV.2.3.1.
230 Baum 1994, S. 296
231 Vgl. Pätzold 1980, S. 31f.
232 Pöttker 1996, S. 114ff.
233 Langenbucher 1987b, S. 148
4 Handlungsbedarf I: Die ethische Herausforderung des diskursiven Journalismus 355

4.3 Diskursvermittlung und Diskursteilnahme

An diesen Beispielen wird abschließend noch einmal deutlich, dass die in klassischen Entwür-
fen getrennten Rollenvorstellungen der Vermittlung und der kommunikativen Teilnahme kaum
mehr zu trennen sind, sondern fließend in einander übergehen und sich vorwiegend anhand
des Grades kommunikativer Eigenleistung differenzieren. Journalisten haben eine „Doppelrol-
le im Diskurs“ inne: Sie sind nicht nur Vermittler von Diskursen, sondern auch deren Teil-
nehmer.234 Sie bewegen sich keineswegs nur auf einer metadiskursiven Ebene, sondern produ-
zieren in ihren Texten, Bildern oder Statements selbst begründungspflichtige Aussagen, die
ihrerseits von Dritten diskursiv in Zweifel gezogen werden können.235
Die von Journalisten im Interesse der sozialen Orientierung geforderte interpretative Ein-
ordnung eines Vorgangs in Diskurszusammenhänge geht weit über eine (hypothetische) reine
Vermittlungsfunktion des Journalismus hinaus. Die Herstellung einer verständigungsorientier-
ten Öffentlichkeit in diesem Sinne erfordert vom Journalisten vor allen Dingen auch Eigenini-
tiative und Eigenleistung, die in den Dogmen des nur vermeintlich neutralen Informations-
vermittlers nicht zu fassen sind.236 Das Freilegen von Begründungen und Motiven für politi-
sches und gesellschaftliches Handeln ist eine der zentralen Aufgaben, die eine journalistische
Diskursethik einfordert. Wallisch sieht darin ein Kriterium für journalistische Qualität:
„Die Qualität des Journalismus darf demnach nicht länger darin liegen, bloß ein Transportmittel für die Über-
legungen anderer zu sein. Der Journalist muß sich emanzipieren, sich und seine Überlegungen stärker in den
Mittelpunkt stellen, letztlich soll Journalismus Kommunikation auf einer Ebene ermöglichen und nicht bloß
Verlautbarungsjournalismus ausüben.”237

Journalisten sind also durchaus zur aktiven Teilnahme an gesellschaftlichen und politischen
Diskursen aufgefordert – indem sie einerseits selbst ihre Stimme erheben und andererseits in
einer Art der ‚Quelleninterpretation‘ auf die Suche nach Begründungen und Motiven für
Absichten und Handlungen anderer gehen.238 Dazu gehört unter Umständen auch die bewuss-
te Inszenierung von öffentlichen Diskursen für diejenigen Publika, die ansonsten durch

234 Brosda 2000a. Am deutlichsten wird das sicherlich in der Darstellungsform Interview (vgl. Friedrichs/Schwinges
1999): Hier interagiert ein Journalist direkt mit einer anderen Person. Zunächst gelten hier die üblichen Dis-
kursregeln, allerdings müssen die meisten Interviews, v.a. in Talkshows, als inszenierte Diskurse gesehen wer-
den, die einer strategischen Kommunikationshaltung verpflichtet sind (vgl. die Beiträge in Tenscher/Schicha
2002). Ein anderes Beispiel für diskursives Handelns im Journalismus ist der Kommentar, in dem Journalisten ein
„ausdrückliches Mandat zu öffentlicher Meinungsäußerung“ erhalten (Eilders/Neidhardt/Pfetsch 1997, S.
179). Sie präsentieren sich in der expliziten Darstellung ihrer eigenen Einschätzung des Handelns anderer als
eigenständige Akteure im öffentlichen Diskurs. Während der Journalist im Interview in erster Linie in Mikrozu-
sammenhängen an einem direkten interpersonalen Diskurs teilnimmt, partizipiert der Kommentator direkt und
explizit in einem größeren, bisweilen gesellschaftsweiten Diskurszusammenhang (vgl. Eil-
ders/Neidhardt/Pfetsch 2004). Viele weitere diskursive Anschlussmöglichkeiten sind alltäglich: Bei der Recher-
che sind Journalisten z.B. auf interpersonale Gespräche angewiesen. Und Rezipienten ziehen journalistische Be-
richte als Grundlage für Anschlussdiskurse in der Lebenswelt heran.
235 Diese Erschütterung der Annahme eines privilegierten journalistischen Kommunikationsstatus ist eine der
konstitutiven Annahmen einer integrativen Sicht auf Journalismus (vgl. Lünenborg 2005a, S. 216ff.).
236 Solche Entwicklungen werden durch äußere Ereignisse befördert. So beobachten Ludes/Staab/Schütte (1997,
S. 143) in den USA nach Vietnam-Krieg und Watergate-Skandal, dass „[…] das Ideal der neutralen Informati-
onsvermittlung durch das Konzept des kritisch-interpretativen Nachrichtenjournalismus ersetzt worden” ist.
237 Wallisch 1995, S. 180
238 Eine Tendenz zu einem solchen Journalismus lässt sich heutzutage in dem sich politisierenden Kulturjourna-
lismus finden, der dezidiert seine kommunikativen Spielräume auch in der Analyse politischer Vorgänge nutzt
(vgl. Reus/Harden 2005; Haller 2003).
356 VI Diskursive Öffentlichkeit – diskursiver Journalismus

klassische Berichterstattung nicht erreichbar wären.239 Rager und Rinsdorf konstatieren, dass
Journalismus durch entsprechende wirkungskalkulierte Aufbereitungen, die dazu dienen, die
Vermittlungs- und Rezeptionschancen kommunikativ rationaler Auseinandersetzungen zu
erhöhen, als „eine Art Katalysator“ für gesellschaftliche Debatten wirken kann.240 Eine rein
‚faktenorientierte‘ Berichterstattung gehe oftmals an den Bedürfnissen des Publikums vorbei,
während kommunikativere (auch unterhaltendere Formate) die Verständnis- und damit auch
die Verständigungshürden absenken und so gesellschaftliche Anschlussdiskurse stimulieren
können.241 Eine strategische Komponente tritt hier neben die journalistische Kommunikativi-
tät – nicht an ihre Stelle –, um die für das Zustandekommen eines journalistischen, kommuni-
kativen Verständigungsprozesses notwendige Formatangemessenheit zu gewährleisten.242
Diese verschiedenen Facetten kann eine diskursiv fundierte Medien- und Journalismusethik
behandeln: Da die Diskursethik ihren Fokus weniger auf den Vorgang des Einklagens von
Rechten als vielmehr auf das Procedere ihrer gemeinschaftlichen Entwicklung durch die
Betroffenen legt, ist sie schließlich auch der Versuch einer Antwort auf das Problem, „[…] daß
in einer fragmentierten und sich enorm beschleunigt verändernden Medienwelt Werte immer
aufs neue in einem Konsensprinzip entwickelt werden müssen“, wie Thomaß schreibt.243 Für
eine Medien- bzw. Journalismusethik ist diese Erweiterung des ethischen Fokus bei gleichzeiti-
ger Spezifizierung der Perspektive eine besondere Chance, wenngleich die Diskursethik inner-
halb der Kommunikationswissenschaft eine „durchaus widersprüchliche Aufnahme“ hat
erfahren müssen244:
„Eine diskurstheoretisch begründete Medienethik lässt sich von der normativen Programmatik öffentlicher Kommu-
nikation leiten. In kritischer Auseinandersetzung mit den Sozialwissenschaften rekonstruiert sie Gefährdungen
und Bedingungen für die Möglichkeiten verständigungsorientierter Kommunikation in modernen Gesell-
schaften.“245

Dabei, so Loretan weiter, besteht sie – auch gegen die Dominanz wirtschaftlicher Erwägungen
in Medien und Medienpolitik – auf dem „Zielwert verständigungsorientierter öffentlicher
Kommunikation“246; schließlich hängt die weitere Entwicklung der Möglichkeiten einer durch
Journalismus symbolisch und durch Massenmedien materiell getragenen deliberativen Öffent-
lichkeit wesentlich davon ab, wie sich die Rollenträger in Politik, Medienunternehmen und
journalistischen Redaktionen verhalten. Besonders Journalisten und Politiker tragen als die
„Professionellen der kommunikativen Macht“247 in ihrem Handeln Verantwortung dafür, dass
sich kommunikative Rationalität gegenüber zweckrationalen Erwägungen behaupten kann.
Neben thematischer Sach- und journalistisch-methodischer Fachkompetenz ist in diesem
Zusammenhang vor allem die bereits in Kapitel IV beschriebene allgemeine kommunikative
Kompetenz der Journalisten gefragt.

239 Vgl. entsprechende Ergebnisse zur Rezeptionswirkung unterschiedlicher Vermittlungsformate in der Studie
von Rager/Rinsdorf 2002c.
240 Rager/Rinsdorf 2002a, S. 50
241 Ähnlich auch Pätzold (1999, S. 158) mit Blick auf die Reportage: „Die Ästhetik der Reportage stärkt die
Information. Das ist ihre Leistung in einer Zeit unbegrenzter Beliebigkeiten medialer Vermittlungen.“
242 Vgl. Rager/Rinsdorf 2002a, S. 56
243 Thomaß 2000, S. 359f.
244 Ebd., S. 361
245 Loretan 1999, S. 157
246 Ebd., S. 179
247 Loretan 1996, S. 39
5 Handlungsbedarf II: Die politische Herausforderung der systemischen Massenmedien 357

Eine diskursethisch fundierte Journalismusethik wird somit nicht von außen durch das
Mediensystem hindurch appliziert, sondern in die systemisch gerahmten journalistischen
Handlungsprozesse hineingetragen, indem sie direkt an der Vitalisierung der originären Kom-
munikativität des journalistischen Handelns ansetzt. Die Diskursethik leistet diese Aufgabe,
indem sie auf die der kommunikativen Interaktion immanenten kontrafaktischen Rationalitäts-
unterstellungen setzt, die für das Gelingen von Verständigung unabdingbar sind und deshalb
auch als ethische Maßstäbe begriffen werden können.248
„Indem Medienethik Dimensionen ethischer Verantwortung der beteiligten Rollenträgerinnen und -träger
herausstellt, leistet sie einen Beitrag zur Sensibilisierung der normativen und kommunikativen Kompetenz der
Betroffenen. Gegen überfordernde Moralisierungen nimmt sie umgekehrt Journalistinnen und Journalisten in
Schutz, wenn diese aus strukturellen Gründen nicht ethisch handeln können. Konflikte publizistischen Han-
delns werden im Horizont einer diskursethischen Argumentation als komplexe Situationen verstanden, in de-
ren Strukturen bereits widersprüchliche normative Erwartungen eingegangen sind.“249

Den Journalismus gegenüber zu großen Erwartungen in Schutz zu nehmen, erfordert die


ethische Berücksichtigung der zunächst sehr grundsätzlichen Beobachtung, „[…] dass die
Einbettung des Journalismus in ein kommerzielles, wettbewerbsorientiertes Mediensystem und
in eine liberale Medienpolitik sowie seine organisatorische Verfasstheit zugleich die Bedingun-
gen für den modernen Journalismus darstellen“.250 Vor diesem Hintergrund lassen sich
Schwierigkeiten bei der Durchsetzung diskursiver Verfahren oder auch eine kolonialisierte, rein
zweckrationale Ausübung des Journalismus zwar empirisch zutreffend beschreiben, allerdings
nur sehr bedingt moralisch-praktisch rechtfertigen.

5 Handlungsbedarf II: Die politische Herausforderung der


systemischen Massenmedien
Die Perspektive eines zweistufigen Gesellschaftsmodells verlangt nicht nur nach der Beschrei-
bung diskursiv-ethischer Mechanismen der Selbstregulierung des Journalismus, sondern
zugleich auch nach der Kennzeichnung politischer Mechanismen der Ausgestaltung medialer
Systembedingungen. Diese sind spätestens seit der Einsicht notwendig, dass die im Liberalis-
mus wurzelnde und in einem kommunikativ fundierten Modell tradierte „Hoffnung auf
Selbststeuerung des Kommunikationsprozesses“ sich insbesondere in medialer Kommunika-

248 Baum und Scholl (2000, S. 98) haben darauf aufmerksam gemacht, dass sich diesbezüglich zwischen der
diskurstheoretischen und der konstruktivistischen Begründung einer journalistischen Ethik – trotz aller Unter-
schiede in den theoretischen Ausgangspunkten – deutliche Gemeinsamkeiten feststellen lassen: Beide versu-
chen, Maßstäbe für einen guten Journalismus im Journalismus selbst anzusiedeln. Während der Konstruktivis-
mus dazu vornehmlich auf reflexive Selbststeuerung kognitiv autonomer individueller Beobachter setzt, geht
die Diskurstheorie vom formalpragmatisch bestimmten, intersubjektiv-kommunikativen Austausch, vom Dis-
kurs, aus: „Im Unterschied zu den externen Steuerungsabsichten von Politikern oder wissenschaftlich (und po-
litisch) unterstützten Media Watch Institutionen setzen der Konstruktivismus auf die ethisch-reflexive Selbst-
steuerung des Systems und die Diskurstheorie auf den moralisch-praktischen Diskurs der Beteiligten und Be-
troffenen. Beide Theorieangebote eint die Skepsis gegenüber Ansätzen, die ethische Verstöße durch Sanktionen
verhindern wollen, obwohl sie unterschiedlich optimistisch sind, was die sanktionsfreie Durchsetzung des ethi-
schen Reflexionspotenzials angeht.“ (ebd., S. 106)
249 Loretan 2002, S. 287
250 Baum/Scholl 2000, S. 98
358 VI Diskursive Öffentlichkeit – diskursiver Journalismus

tion nicht erfüllt.251 Eine erfolgreiche Steuerung durch medienethische Reflexion basiert auf
„Freiwilligkeit, entgegenkommenden sozialen Strukturen und langfristigen Stabilisierungspro-
zessen“, wie Debatin betont.252 Der sich aus diesem Voraussetzungsreichtum ergebende
interne und indirekte Charakter medienethischer Steuerung reicht u.U. zur Koordination
journalistischer Berufsnormen aus, ist aber zu schwach, um allein auch gegenüber den organi-
satorischen oder systemischen Rahmenbedingungen der Massenmedien wirksam zu sein.
Ein Massenmediensystem stellt ein „festgefügtes Ensemble eigener Strukturgesetzlichkei-
ten“253 dar, das politisch, wirtschaftlich oder auch gesellschaftlich geprägt wird. Seine Entwick-
lung ist pfadabhängig, so dass einmal getroffene Grundsatzentscheidungen nicht einfach
rückgängig zu machen sind, sondern Folgeprozesse und -institutionalisierungen bestimmen.254
Es bedarf institutioneller Vorkehrungen, zum Beispiel in Form eines angemessenen Regula-
tionsrahmens, damit die Massenmedien im Sinne ihrer gesellschaftlich relevanten Aufgaben –
wie Information oder Orientierung – funktionieren.255 Diese Vorkehrungen können auch dazu
dienen, das stets prekäre Verhältnis zwischen öffentlichen und privaten Interessen im Medien-
bereich, das zunehmend in Richtung ökonomischer Imperative zu kippen droht, in Balance zu
halten.256
„Die Funktion der Medien, und damit auch die Ausdifferenzierung des Mediensystems, müssen durch politi-
sche Steuerung gesichert bzw. erst geschaffen werden […].“257

Die Idee der Steuerung der Massenmedien geht davon aus, dass in einem arbeitsteiligen
Prozess die institutionellen Rahmenbedingungen, unter denen Journalisten und Medien operie-
ren, beeinflussbar sind, auch wenn zugleich funktionale Teilsysteme als Orientierungshorizonte
diese Möglichkeiten sozial begrenzen.258 ‚Kommunikationspolitik‘ kann daher nach Ronneber-
ger als „die mehr oder minder verbindliche Regelung von Kommunikationsverhältnissen,
vornehmlich im Bereich der öffentlichen Kommunikation“ verstanden werden.259 Sie ist ein
„geplantes und zielorientiertes Handeln zur Durchsetzung oder zur Schaffung oder Einhaltung
von Normen im Bereich der Information und Kommunikation im öffentlichen oder im
eigenen Interesse“.260 Dabei gewährleistet sie politischen Einfluss auf die Massenmedien und
begrenzt diesen zugleich.261

251 Glotz 1965, S. 23. Wie früh das der Fall ist, zeigen die von Roegele (1965) und Lerg/Steininger (1975) zusam-
mengetragenen kommunikationspolitischen Dokumente.
252 Debatin 1997, S. 301
253 Kopper 1992, S. 71
254 Vgl. Jarren 2002
255 Vgl. Branahl 1992, S. 86. Bezogen auf das Rundfunksystem konstatiert Donges (2002, S. 278), „[…] dass
Publizistik als teilsystemischer Orientierungshorizont […] zu ‚schwach‘ ist, um gegenüber den anderen Hand-
lungsorientierungen zu bestehen und daher erhalten, abgesichert und ggf. ausgebaut werden muss. Ziel politi-
scher Steuerung ist daher mit anderen Worten die Absicherung der funktionalen Differenzierung des Rund-
funksystems, die in akteurtheoretischer Sicht ja auf das Handeln von Akteuren (und nicht auf evolutionäre Pro-
zesse wie in der systemtheoretischen Argumentation) zurückgeführt wird.“
256 So im öffentlich sehr kontrovers diskutierten Fall Berliner Zeitung vs. Montgomery aus 2005 (vgl. Roether
2005 sowie die Dokumentationen und Beiträge in epd medien, Nr. 83 vom 22.10.2005).
257 Jarren/Donges 2004, S. 47f.; vgl. zur Einführung in die Steuerungs- und Regulierungsdebatte: Donges 2002, S.
65ff.
258 Vgl. Donges 2002, S. 111
259 Ronneberger 1978b, S. 93
260 Tonnemacher 2003, S. 21
261 Vgl. Vowe 2003b, S. 112
5 Handlungsbedarf II: Die politische Herausforderung der systemischen Massenmedien 359

Es ist zu unterschieden zwischen kommunikationspolitischen Aufgaben, die sich auf die


gesamte Bandbreite gesellschaftlicher Kommunikation beziehen, und medienpolitischen
Aufgaben, die direkt oder indirekt auf Fragen der strukturellen Ausgestaltung des Mediensys-
tems zielen.262 Diese Grundsatzentscheidungen werden von einem ganzen Ensemble gesell-
schaftlicher Akteure getroffen, die an der Steuerung der Bedingungen gesellschaftlicher Kom-
munikation beteiligt sind. Kopper betont, dass der „[…] gesellschaftliche Verfahrensprozeß,
der (a) sowohl vor der institutionellen und (b) auch vor der Ausdrucksebene des Massenme-
diensystems liegt, für ein zureichendes Verständnis von Kommunikationspolitik das größere
Gewicht hat“.263 Dieser gesellschaftliche Verfahrensprozess wird insbesondere in modernen
‚Governance‘-Ansätzen als Bezugspunkt gewählt, denen es vorwiegend darum geht, Verfahren
zu beschreiben, nach denen Massenmedien gesteuert werden können. Diese ‚Governance‘-
Ansätze sind – anders als viele klassische Regulierungsmodelle264 – anschlussfähig an die
Annahmen deliberativer Demokratie- und Öffentlichkeitsmodelle. Im Folgenden sollen
zunächst Instrumente und Ziele kommunikationspolitischer Steuerung allgemein dargestellt
werden (1), bevor ein daran anschließender ‚Governance‘-Ansatz näher skizziert wird (2).

5.1 Instrumente und Leitideen der Kommunikations- und Medienpolitik

Mit der Schaffung einer positiven, rechtlich gesicherten Ordnung, der staatlich-politischen
Intervention bei Marktversagen, dem ökonomischen Marktmodell und dem Modell der unter-
nehmerischen (Selbst-)Verantwortung können klassisch vier grundlegende kommunikationspo-
litische Ordnungsmodelle unterschieden werden.265
(1) Rechtliche Steuerung: Klassische kommunikationspolitische Modelle betonen die ord-
nungspolitisch fokussierte und auf rechtlicher Normierung basierende Gestaltung der Medien-
ordnung, in der das formale Recht und die Rechtssprechung eine erhebliche Bedeutung
besitzen.266 In einzelnen Steuerungsbereichen ist eine „Verrechtlichung der Kommunikations-
politik“267 zu konstatieren, die Ausdruck einer weitgehend demokratischen Zielen folgenden
Ausgestaltung des Mediensystems ist.268 Das Recht erfüllt die Aufgabe, einen grundlegenden
kommunikationspolitischen Ordnungsbedarf zu befriedigen. Diese wird erbracht durch
„Vorgaben für die inhaltliche Gestaltung der Massenmedien (Inhaltsnormen), ihre Organisati-
on (Organisationsnormen) und die Regelung der Rahmenbedingungen […], unter denen sie
arbeiten“.269 Abgesehen von grundsätzlichen Entscheidungen über die Verfassung der Kom-
munikationsordnung fungieren rechtliche Normen in der Regel als Schrankennormen für die
Medienfreiheit, indem sie „in erster Linie dem Schutz der Allgemeinheit (Staatsschutz, Jugend-
schutz, Schutz des inneren Friedens) und der Wahrung der Rechte Dritter (Ehrenschutz,

262 Vgl. zu dieser Unterscheidung Jarren 1994, S. 135f.


263 Kopper 1992, S. 74; vgl. Vowe 2003b, S. 119
264 Regulierung meint, so weit nicht anders spezifiziert, Fremdregulierung: Sie kann als „[…] intendierter Staatsein-
fluss verstanden werden. Der Akteur Staat greift in ein gesellschaftliches Teilsystem ein, wobei dies nicht in
Form von Geboten und Verboten geschehen muss“ (Puppis u.a. 2004, S. 104). Unter Regulierung lässt sich die
Korrektur von Marktergebnissen durch Verhaltensbeeinflussung privater Unternehmen und durch öffentliche
Unternehmen mit öffentlichen Aufgaben verstehen (vgl. Heinrich 1994, S. 39).
265 Vgl. zu dieser Differenzierung in vier Modelle Jarren 1999.
266 Vgl. zur rechtlichen Regulierung Branahl 2002; 1999a; Schulz 1996; grundsätzlich: Branahl 1996.
267 Ronneberger 1995, S. 199
268 Vgl. dazu Saxer 2002 [1981], S. 77
269 Branahl 2002, S. 75
360 VI Diskursive Öffentlichkeit – diskursiver Journalismus

Persönlichkeitsschutz, Urheberrecht)“ dienen.270 Aktive Gestaltung gesellschaftlicher Kommu-


nikation ist mit diesem Instrumentarium weder gewollt noch möglich. Recht kann Mediensys-
teme letztlich nur „subsidiär“ normieren, weil allzu starre rechtliche Regelungen dem Geist der
Medienfreiheit widersprechen.271 Schon Rühl warnt daher davor, Kommunikationspolitik allein
oder auch nur vorwiegend als ein rechtliches Problem zu betrachten.272
(2) Politisch-administrative Steuerung: Politik ist als gemeinwohlorientiertes Handeln zu Inter-
ventionen in das Mediensystem berechtigt, benötigt aber aufgrund der besonderen rechtlichen
Stellung der Medien (Staatsfreiheit) ein hohes Maß an allgemeiner öffentlicher Zustimmung,
um Medienregulierungsversuche erfolgreich zu unternehmen.273 Direkte staatliche Steuerung
beschränkt sich im Medienbereich weitgehend auf wettbewerbsrechtlich abgesicherte Eingriffe
und auf Struktursteuerung zur Gewährleistung ausreichender Medienzugänge.274 Steuernde
Eingriffe des politisch-administrativen Systems in die Massenmedien sind in Form von Ord-
nungspolitik (z.B. Einführung einer ‚dualen Rundfunkordnung‘), Infrastrukturpolitik (z.B. Zuwei-
sung von Frequenzen oder Verkabelung), Medien-Organisationspolitik (z.B. Formen der Rund-
funkorganisation und -kontrolle beim öffentlich-rechtlichen und privaten Rundfunk) und
Personalpolitik (z.B. Besetzung von Positionen in Aufsichts- und Lizenzierungsgremien der
‚Landesmedienanstalten‘) denkbar.275 Löffelholz interpretiert auch die Einrichtung der univer-
sitären Journalistik als einen strategisch politischen Steuerungsversuch, der nicht nur das
Marktversagen im Bereich der Ausbildung kompensieren sollte, sondern zugleich über das
Instrumentarium des Hochschulrechts auch politische Einflussmöglichkeiten auf das angehen-
den Journalisten zu vermittelnde Wissen schaffen sollte.276
(3) Wirtschaftliche Steuerung: Ökonomische Prämissen bestimmen – wie dargelegt – maßgeb-
lich die De-facto-Verfasstheit des Mediensystems. Grundlage dafür ist die historisch gewach-
sene Trennung zwischen der individualrechtlich normierten Pressefreiheit und den auf soziale
und wirtschaftliche Strukturen abzielenden Vorschriften im Handels- und Wirtschaftsrecht.277
Ökonomisch verfasste Medienorganisationen genießen daran anschließend auf der Basis der
Gewerbefreiheit innerhalb marktwirtschaftlicher Systeme weitgehende Freiheiten, die staatliche
oder gesellschaftliche Eingriffe mit dem Ziel der Steuerung erschweren.278 Der Umsetzung
gesellschaftlicher Kommunikationsziele ist mit wirtschaftspolitischen Konzepten nur in
geringem Umfang gedient, da diese zwar auf eine marktgängige Vielfalt, nicht aber auf eine
gesellschaftlich notwendige publizistische Qualität oder auf ausreichende demokratische
Aufgabenerfüllung abzielen.279 Selbst bei prinzipieller Akzeptanz des ökonomischen Marktmo-
dells muss eine gesellschaftliche oder politische Gestaltung des Marktrahmens als notwendig
erachtet werden, um ökonomisch getriebene Konzentrationsprozesse zu unterbinden oder

270 Branahl 1999b, S. 182


271 Saxer 2002 [1981], S. 80
272 Vgl. Rühl 1973, S. 7
273 Vgl. Jarren 1996b, S. 214
274 Vgl. Jarren 1998b, S. 26
275 Vgl. Jarren 1994, S. 109f.
276 Vgl. Löffelholz 1990
277 Vgl. Kopper 1982, S. 70
278 Ökonomische Steuerungsprämissen erschweren sowohl die Fremdsteuerung durch andere gesellschaftliche
Bereiche wie Politik oder Kultur als auch die Selbststeuerung nach publizistischen Kriterien (vgl. Roß 1999, S. 261).
Die Dominanz von Profítstrategien bedroht überdies journalistische Handlungsräume, indem journalistische
Qualität kommerzieller Erfolgslogik untergeordnet wird (vgl. Branahl 1999a, S. 325).
279 Vgl. Heinrich/Lobigs 2003, S. 267; vgl. auch die Beiträge in Rager/Weber 1992a.
5 Handlungsbedarf II: Die politische Herausforderung der systemischen Massenmedien 361

Zugangsmöglichkeiten für Rezipierende offen zu halten.280 Es geht dabei mindestens um auch


die Korrektur von Marktversagen.
(4) Steuerung durch Selbstkontrolle: Die Etablierung von Selbstkontrollmechanismen erfolgt in
der Regel reaktiv, um politische oder rechtliche Eingriffe zur Stützung publizistischer Qualität
abzuwehren.281 Es kann definitorisch differenziert werden zwischen Selbstorganisation, bei der
sich die Regeln nur auf eine Organisation oder Institution beziehen, Selbstregulierung, bei der
private Akteure wie Medienunternehmen Regeln für ihre ganze Branche formulieren und
durchsetzen, sowie regulierter Selbstregulierung oder Co-Regulierung, bei der die Steuerung eines
Sektors oder einer Branche entweder gemeinsam mit dem Staat oder zumindest in dessen
Auftrag von privaten Akteuren vorgenommen wird.282 Eine solche Selbstregelung des media-
len Angebots markiert eine Schnittstelle zu den bereits beschriebenen Diskursen über journa-
listische Ethik.283 Auch Medien als Institutionen werden so auf eine soziale Verantwortung hin
verpflichtet, deren Erfüllung sie mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen im Zusammen-
spiel von medialen und journalistischen Imperativen allein oder im Diskurs mit ihren gesell-
schaftlichen Stakeholdern leisten sollen.
Während Konzepte der Selbstregulierung bereits auf ein prozedurales Verständnis verwei-
sen, strebt die klassische ‚Kommunikationspolitik‘ noch nach der konkreten Benennung
medialer Qualitätsziele, die durch regulierende (Fremd-)Eingriffe gesichert werden sollen.
Zumeist werden abstrakte Leitideen wie Autonomie, Vielfalt und Ausgewogenheit284 oder Quali-
tätsmerkmale wie Angemessenheit und Funktionalität285 genannt, die sich auf den Inhalt medialer
Berichterstattung beziehen. Tonnemacher sieht als Ziele von demokratischer Kommunikati-
onspolitik u.a.
• die Informations- und Meinungsfreiheit,
• die Freiheit und Unabhängigkeit von Presse, Rundfunk, Film und Neuen Medien,
• die Vielfalt im Informations- und Kommunikationsangebot,
• die Qualität der journalistischen Produkte sowie
• die Ausgewogenheit im Informations- und Kommunikationsangebot als Ganzem.286
Neben derartigen medialen Produkt- oder Struktureigenschaften stehen bisweilen auch gesell-
schaftliche Ziele im Zentrum kommunikationspolitischer Steuerung. So sollen nach Ronneber-
ger mediale Kommunikationsprozesse durch Kommunikationspolitik so gesteuert werden,
dass ein freiheitlich-demokratisches System seinem Wesen gemäß erhalten und entwickelt
werden kann.287 Kommunikationspolitik soll demnach versuchen, die maßgebliche Infrastruk-
tur gesellschaftlicher Kommunikation zu gewährleisten. Wenn die Absicherung einer
„[z]eitnahe[n] Reflexion über gesellschaftliche Entwicklungen“288 oder einer „offenen, freien
und möglichst vollständigen Diskussion der verschiedenen Standpunkte“289 als Ziele von
kommunikationspolitischer Steuerung genannt werden, dann weil dies von gesellschaftlicher

280 Vgl. Jarren/Donges 2004, S. 59


281 Vgl. Jarren 2002
282 Vgl. Puppis u.a. 2004, S. 10
283 Vgl. dazu Saxer 2002 [1981], S. 80
284 Vgl. Ronneberger 1978b, S. 215ff.
285 Vgl. Saxer 2002 [1981], S. 76
286 Vgl. Tonnemacher 2003, S. 49
287 Vgl. Ronneberger 1966, S. 400
288 Jarren 1998b, S. 25
289 Tonnemacher 2003, S. 47
362 VI Diskursive Öffentlichkeit – diskursiver Journalismus

Relevanz ist.290 Insbesondere das Postulat medialer Vielfalt ist bis heute eine der zentralen
Leitideen kommunikationspolitischer Überlegungen.291
„Publizistische Vielfalt ist kein Selbstzweck. Sie hat eine ‚dienende‘ Funktion: Sie dient dem Prozeß der de-
mokratischen Meinungs- und Willensbildung. Das theoretische Konzept, das den Forderungen nach publizis-
tischer Vielfalt zugrunde liegt, ist der Pluralismus […].“292

Vielfalt dient laut Rager und Weber der demokratischen Meinungs- und Willensbildung; sie
bedeutet, dass die im gesellschaftlichen Gespräch vertretenen Meinungen und Informationen
in möglichst großer Bandbreite weiter vermittelt werden, und kann sowohl durch die (markt-
wirtschaftliche) Gestaltung einer breiten Medienkonkurrenz (Außenpluralität) als auch durch
Programmvorgaben (Binnenpluralität) politisch gesichert werden.293 Die Durchsetzung dieser
Norm wird nicht zuletzt dadurch kompliziert, dass sie kaum präzise formulierbar ist, sondern
meist nur relativ konkretisiert werden kann – zum Beispiel als „ein Angebot, das in unter-
schiedlichen Marktsegmenten der Massenmedien größtmögliche Vielzahl und Unterschiedlich-
keit von Informationen und Meinungen repräsentiert“.294
Generell sind Kommunikations- und medienpolitische Konzeptionen in Demokratien, die
Medienfreiheit als Unabhängigkeit vom Staat konzipieren, mit einem „Legitimationsdefizit“295
oder zumindest mit „knappen Legitimationsressourcen“296 belastet. Staatliche Medienpolitik
befindet sich in der paradoxen Situation, durch staatliche Eingriffe in das Mediensystem eben
dessen Freiheit auch von staatlichen Eingriffen zu gewährleisten. Ein Umstand, der zu dem
Diktum „Die beste Medienpolitik ist gar keine Medienpolitik“297 geführt hat und der sich
regelmäßig in der nur beschränkten Umsetzbarkeit von Steuerungsversuchen ausdrückt –
umso mehr seit die Vorstellung eines steuernden Staates als politisches Leitbild unter Druck
geraten ist und viele ehemals staatlich oder gesellschaftlich regulierte Bereiche privatisiert
werden. Im Gegenzug ist von medienkritischer Seite schon früh eine ‚Medienpolitik von unten‘
gefordert worden, die Aussicht auf Erfolg besitze, weil ihre Diskussionen außerhalb der
Massenmedien stattfänden.298 Richtig daran ist, dass medienpolitische Interventionsversuche
heutzutage ohne gesellschaftliche Zustimmung kaum Aussicht auf Erfolg besitzen, weil Staat

290 Schon Siebert, Peterson und Schramm (1963) haben darauf hingewiesen, dass die Ausgestaltung des Mediensys-
tems eng mit gesellschaftlichen Leitbildern verwoben ist und autoritäre, libertäre, soziale und kommunistische
Gesellschaften deshalb je eigene Medienverfassungen ausgeprägt haben.
291 Vgl. dazu Rager 1982, S. 3ff. Kopper (1992, S. 50) kritisiert, dass das „Vielfalts-Paradigma“ nicht nur als
„Fundament der kommunikationspolitischen Auseinandersetzungen“ fungiere, sondern „im Kern eine Art Er-
satz- oder auch Pseudotheorie für die operative Seite der öffentlichen Kommunikation“ bilde. Vgl. zum Viel-
faltsbegriff aus ökonomischer Sicht auch Heinrich 1994, S. 105ff.
292 Rager/Weber 1992b, S. 8
293 Vgl. Rager/Weber 1992b, S. 8ff.. Das außenplurale Vielfaltspostulat geht davon aus, dass Vielfalt am besten
durch „freie Marktkonkurrenz“ garantiert werden kann (Saxer 1992, S. 111). Das binnenplurale Vielfaltspostu-
lat ist in der Bundesrepublik vor allem rechtlich durch die Rundfunkurteile des Bundesverfassungsgerichts aus-
formuliert worden (vgl. Branahl 1992, S. 91).
294 Rager/Weber 1992b, S. 10. Empirisch lässt sich feststellen, dass Medienpolitik hinsichtlich der Vielfaltssiche-
rung wenig erfolgreich gewesen ist (vgl. Jarren 1996b). Saxer (1998a, S. 44) nennt die chronische Schwäche der
Linkspresse und die Pressekonzentration als maßgebliche Probleme bei der Etablierung eines pluralistischen
Medienmarktes. Rager/Weber (1992b, S. 14ff.) regen daher an, die auf Binnenpluralismus zielenden Konzepte
des Rundfunks teilweise auf den Printsektor zu übertragen.
295 Saxer 1993c, S. 6. Auch Ronneberger (1978b, S. 89) spricht „Legitimationsprobleme der K-Pol“ an.
296 Saxer 1992, S. 114
297 Johannes Groß: Medienpolitik. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 8.12.1971, S. 1, zit.n. Rühl 1985a, S.
305
298 Vgl. Fabris 1976, S. 44
5 Handlungsbedarf II: Die politische Herausforderung der systemischen Massenmedien 363

gegenüber der Medienwirtschaft über „geringes rechtliches und ökonomisches ‚Drohpoten-


tial‘“ verfügt.299 Medienpolitik bleibt „ein nur schwach institutionalisiertes und stark fragmen-
tiertes Politikfeld“.300 Dies findet seinen Ausdruck
• in einem hohen Maß an ‚Gewaltenteilung‘,
• in formalisierten Formen der ‚Politikverflechtung‘,
• in geringer Professionalisierung im politisch-administrativen System und
• in starken Einflüsse aus dem juristischen Bereich.301
Direkte gesellschaftliche Steuerung der Medien und noch mehr der Medieninhalte muss vor
diesem Hintergrund als prekär erscheinen. In erster Linie können vielmehr die systemisch-
ökonomischen Strukturaspekte der Massenmedien wie Marktverfassung oder organisatorische
Vorgaben durch politisch-administrative Maßnahmen formal gestaltet werden.302 In den meisten
anderen Bereichen der Mediensteuerung sind dagegen aufwändigere Interaktionssysteme
notwendig, in denen der Steuerungsbedarf (diskursiv) verhandelt werden kann.303 Vor diesem
Hintergrund benennt Donges das Markieren von Trennlinien zwischen Publizistik und Öko-
nomie auf den Ebenen der institutionellen Ordnung und der Akteurskonstellation, die Siche-
rung der Grenzen des Teilsystems zu und des Austauschs mit anderen Teilsystemen sowie die
Förderung der Beziehungen zwischen dem Teilsystem und gesellschaftlichen Gruppen bzw.
Akteuren (insbesondere auch zum Publikum) als normative Ziele von Steuerung im Medienbe-
reich.304 Ergebnis könnte auch eine Unterscheidung zwischen unterschiedlichen Bereichen der
der Informationsproduktion im Mediensektor sein, wie sie Heinrich im Anschluss an je unter-
schiedliche Steuerungslogiken vorschlägt:305
• In einem Forumsbereich, für den der ökonomische Wettbewerb prinzipiell kein geeignetes
Regelungsmodell ist, sollen meritorische und öffentliche Informationen zugänglich sein,
die in einer Demokratie konstitutiv für das Funktionieren des Gemeinwesens sind. Für
diesen Bereich müssen ständig neue flexible Organisationsformen entwickelt und imple-
mentiert werden.
• Im Bereich der privaten Gebrauchswertinformationen, also v.a. der Unterhaltung, ist es dagegen
sinnvoll privatwirtschaftliche Marktstrukturen die notwendigen Steuerungsleistungen
erbringen zu lassen. Politik setzt hier lediglich einen ordnungsrechtlichen Rahmen.

299 Jarren 1996b, S. 207. Die Möglichkeit der Kontrolle der Marktkräfte nimmt zunehmend ab (vgl. Meier 2004, S.
4). Ein „politischer Steuerungsverlust“ (Jarren/Donges 2004, S. 52) ist empirisch feststellbar.
300 Jarren/Donges 2004, S. 55. Jarren (1994, S. 115) beklagt das Fehlen von „theoretisch begründeten Leitbildern
oder Leitideen für die Entwicklung des Mediensystems“. Ein Grund dafür ist, dass eine wissenschaftliche
Kommunikationspolitik, von der diesbezügliche Anregungen zu erwarten gewesen wären, lange Zeit als emer-
gierendes eigenständiges Fachfeld nicht vollständig etabliert war, sondern sich zwischen verschiedenen ideolo-
gischen Polen bewegte (vgl. Rühl 1985a). Schon 1973 forderte Rühl eine systemisch begründete wissenschaftli-
che Kommunikationspolitik, die effektiv der Entwicklung angemessener kommunikativer Rahmenbedingungen
der öffentlichen Kommunikation dient und Probleme weder schlicht auf Gewinnstreben reduziert, noch sie
durch rhetorische Besänftigungen verharmlost. Er beklagte damals vor allem „Umgangssprache und Rechts-
normativismus“ als zentrale Probleme der frühen Fachentwürfe (Rühl 1973, S. 6).
301 Vgl. Jarren 1994, S. 116
302 Vgl. Jarren 1996b, S. 212f. Die „strukturelle Garantierung publizistischer Vielfalt“ (Saxer 1992, S. 126) ist in
dieser Hinsicht viel versprechender als zum Beispiel inhaltliche Vorgaben.
303 Medienpolitisch werden zahlreiche Instrumente ausprobiert, um dem Steuerungsbedarf gerecht zu werden.
Dazu zählen Pilotprojekte ebenso wie zeitlich befristete Regelungen, prinzipielle Grundsatzentscheidungen
oder die Einrichtungen von Kommissionen zur Verhandlung oder Evaluation (vgl. Jarren 1994, S. 116).
304 Vgl. Donges 2002, S. 184f. u. 278
305 Vgl. Heinrich 1999, S. 258f.
364 VI Diskursive Öffentlichkeit – diskursiver Journalismus

Mit der Herausnahme der meritorischen und öffentlichen Medieninformation aus der reinen
Marktsteuerung würde nicht zuletzt der Einsicht Rechnung getragen, dass sich die in moder-
nen Demokratien für Meinungs- und Willensbildungsprozesse zentralen publizistische Viel-
faltspostulate in einer von ökonomischen Codes geprägten Umwelt nur schwer durchsetzen.
Durch die für solch ein Vorhaben konstitutiven prozeduralen Maßnahmen werden „neue
Wege der Verbindung von Selbständigkeit und Fremdverpflichtetheit“ beschreibbar, die Saxer
bereits vor einem Vierteljahrhundert von den Steuerungsversuchen der Kommunikations- und
Medienpolitik gefordert hat.306

5.2 ‚Media Governance‘ als Steuerungsalternative

Aufgabe eines kommunikationspolitischen Steuerungsansatzes in einem zunehmend komple-


xeren Wechselspiel zwischen Politik, Wirtschaft und Gesellschaft ist es, die journalistische und
mediale Verantwortung gegenüber der Gesellschaft politisch-sozial zur Geltung zu bringen.
Medien- und Kommunikationspolitik ist als „ein eigenständiges – und nicht allein politisch-
administrativ geprägtes – sowie hoch flexibles Handlungssystem“307 aufzufassen, das die
Strukturen des Mediensystems mitbestimmt und zu diesem Zweck alle unterschiedlichen
Stakeholder medialer Leistungen in öffentlichen Diskurs- und Entscheidungszusammenhängen
integriert. Meier verwendet für ein solches zu etablierendes Regelungsnetzwerk unterschied-
lichster Akteure den Begriff „Media Governance“.308
Der Begriff ‚Governance‘ ist maßgeblich von der Politikwissenschaft geprägt worden.309 Er
bezeichnet zunächst ganz allgemein die „geordnete Interdependenzbewältigung in Akteurs-
konstellationen“.310 Als eine formale „Regelungsstruktur“, in der staatliche Institutionen
gemeinsam und in Kooperation mit privaten und zivilgesellschaftlichen Akteuren den gesell-
schaftlichen Regelungsbedarf bearbeiten, umfasst ‚Governance‘ somit „das Gesamt aller
nebeneinander bestehenden Formen der kollektiven Regelung gesellschaftlicher Sachverhalte:
von der institutionalisierten zivilgesellschaftlichen Selbstregelung über verschiedene Formen
des Zusammenwirkens staatlicher und privater Akteure bis hin zu hoheitlichem Handeln
staatlicher Akteure“, wie Mayntz ausführt.311 Die Herausforderung vor der politische Akteure
gleich welcher institutionellen Herkunft stehen, lautet: „Politische Steuerung in einer funktional
differenzierten statt der Gesellschaft“.312 Der Begriff ‚Governance‘, der dieses Phänomen zu
fassen versucht, schillert in seiner Bedeutung in Abhängigkeit von seinem jeweiligen Anwen-
dungsfeld. Allerdings lässt sich ein in verschiedenen Konzepten konstanter Begriffskern
ausmachen, der folgende Aspekte integriert:313
• die Steuerung oder Koordination als Management von Interdependenzen zwischen
meistens kollektiven Akteuren;

306 Saxer 2002 [1981], S. 80


307 Jarren 1996b, S. 211. Ronneberger (1995, S. 191) spricht von einem „Sozialsystem“.
308 Meier 2004, S. 6. Nach Fertigstellung der vorliegenden Studie ist ein umfassender Debattenband zum Konzept
der ‚Media Governance‘ (vgl. Donges 2007) erschienen, der hier leider nicht mehr berücksichtigt werden kann.
309 Vgl. zu dem Begriff einführend die Beiträge in Benz 2004a.
310 Lange/Schimank 2004, S. 27
311 Mayntz 2004, S. 66
312 Donges 2002, S. 106
313 Vgl. Benz 2004b, S. 25
5 Handlungsbedarf II: Die politische Herausforderung der systemischen Massenmedien 365

• die Fundierung von Steuerung und Koordination auf einer institutionalisierten Kombina-
tion unterschiedlicher Regelsysteme wie Markt, Hierarchie, Mehrheitsregel, Verhandlungs-
regeln u.ä.;
• die Etablierung von Interaktionsmustern und Modi kollektiven Handelns im Rahmen von
Institutionen wie politischen Netzwerken, Vertragsbeziehungen oder wettbewerbsbeding-
ter Anpassung;
• das Überschreiten von Organisationsgrenzen durch die verschiedenen ‚Governance‘-
Mechanismen mit dem Ziel eines kooperativen Zusammenwirkens von ‚Insidern‘ und
‚Outsidern‘ in der politisch-gesellschaftlichen Steuerung.
Kern von ‚Governance‘ im kooperativen Staat ist die Etablierung so genannter „Politiknetz-
werke“, in denen der Staat zwar Erster unter Gleichen ist, aber in Verhandlungen zwischen
den Repräsentanten unterschiedlichster staatlicher, politischer, gesellschaftlicher oder privater
Akteure kein alleiniges Steuerungsprimat mehr besitzt.314 ‚Governance‘-Konzepte betonen
insbesondere „die gewachsene Bedeutung von Verhandlungen und Verhandlungssystemen für
die Entwicklung und Implementation von Politik im kollektiven Interesse“.315 Staat muss dabei
nicht notwendigerweise an Macht verlieren, sondern kann durch die Umstellung von Hierar-
chie auf Heterarchie sogar neue Gestaltungsmöglichkeiten gewinnen.316
Zunehmend werden auch in medienpolitischen Konzepten die Möglichkeiten einer Steue-
rung der Massenmedien auf der Grundlage von ‚Governance‘-Konzeptionen diskutiert. Vor
allem Jarren und Donges haben Vorschläge unterbreitet, die auf verhandlungsbasierte Steue-
rungsmodelle abstellen.317 Ihnen geht es um einen Regulierungsansatz, der vor allem auf eine
„Regulation der Verfahren“ sowie auf „flexible Netzwerkstrukturen“ setzt, in denen medien-
politische Entscheidungen getroffen und umgesetzt werden.318 Dazu ist der Ausbau jener
intermediären Organisationen notwendig, die das Zentrum des politisch-administrativen
Systems mit seiner zivilgesellschaftlichen Peripherie verbinden, da zivilgesellschaftliche Akteure
an den Massenmedien und ihrer Ausgestaltung nach wie vor nicht ausreichend partizipieren.
Es müssen Akteure etabliert und gefördert werden, die in der Lage sind, mögliche Steuerungs-
bedarfe zu artikulieren, um auf dieser Basis dem politisch-administrativen System – sei es in
Verhandlungen, sei es administrativ – zu ermöglichen, Steuerungsprozesse anzustoßen, ohne
dadurch die verfassungsrechtlich garantierte Medienfreiheit zu gefährden. Zu derartigen
Akteuren gehören vor allem solche Organisationen, welche die Interessen des Medienpubli-
kums, das aus sich selbst heraus keinen eigenständigen Status als Kollektivakteur entwickeln
kann, eine Stimme geben können.319 Jarren und Donges schlagen ein „Mehrebenen-Akteur-
Modell“ vor, in dem die vorhandenen Aspekte einer ‚Media Governance‘ nach Akteuren,
Regelungsbereichen und -mechanismen differenziert werden:320
• Handlungsebene 1: Steuerung durch staatliche Instanzen und politische Akteure, die
ordnungspolitische und medienstrukturelle Probleme behandeln;

314 Mayntz 2004, S. 69


315 Ebd., S. 71
316 Zum Beispiel, indem Staat Initiativmöglichkeiten in gesellschaftlichen Bereichen erhält, die er sonst ganz
ökonomischer o.ä. Steuerung preisgeben müsste (vgl. Jarren/Donges 2000, S. 239). ‚Governance‘-Strukturen
folgen dem staatlichen „Interesse der Aufrechterhaltung der eigenen Handlungsfähigkeit in einem sich verän-
dernden institutionellen Kontext“ (Mayntz 2004, S. 72).
317 Vgl. Jarren/Donges 2000; Donges 2002
318 Jarren/Donges 2000, S. 234
319 Vgl. ebd., S. 237f.
320 Vgl. zum Folgenden ebd., S. 258f.; Donges 2002, S. 32.
366 VI Diskursive Öffentlichkeit – diskursiver Journalismus

• Handlungsebene 2: Steuerung durch eine Regulierungsbehörde, die ökonomische Medien-


akteure zu Selbstorganisation und -regulierung anhält;
• Handlungsebene 3: Steuerung durch wissensbasierte Organisationen und gesellschaftliche
Akteure, welche die Reflexion von Programm- und Inhaltsfragen leisten321.
Politisch-administrativen Akteuren fällt hier die Aufgabe der Gestaltung der Zusammenset-
zung, der Strukturen, der formalen Regeln und der Ziele derjenigen Verhandlungs- und Refle-
xionssysteme, mithin derjenigen ‚Politiknetzwerke‘ zu, in denen sich die verschiedenen Akteure
begegnen und miteinander interagieren können.322
„Das politisch-administrative System muß zur Realisierung dieser Konzeption einen breiten Kommunika-
tionsraum zwischen Staat und Gesellschaft organisieren, normativ absichern und mit unterschiedlichen Insti-
tutionen entsprechend der genannten Ansätze versehen bzw. deren Bildung anregen (von der Staatsaufsicht
bis hin zur Selbstkontrolle), in denen dann – unter staatlicher Mitwirkung oder öffentlicher Teilhabe bzw.
Teilnahme – Beobachtungs-, Diskussions- und Verhandlungsprozesse stattfinden.“323

Diese Aushandlungs- oder Diskursprozesse lassen sich kaum inhaltlich im Sinne einer leistungsbe-
zogenen Steuerung normieren: Erstens kann heutzutage kaum mehr davon ausgegangen werden,
dass alle Anforderungen an das Mediensystem tatsächlich erfassbar sind; zweitens sind die
bereits bekannten Anforderungen in der Regel so widersprüchlich, dass sie sich kaum in
qualitative Gebote übersetzen lassen, und drittens können die Sanktionsnotwendigkeiten für
den Fall der Nichteinhaltung solcher Gebote ein prekäres Einfallstor für parteipolitische
Machtinteressen darstellen.324 Formale Vorgaben im Sinne einer prozessorientierten Steuerung
müssen daher genügen, damit die beteiligten Akteure auf fairen Wegen zu gemeinsamen
Ergebnissen gelangen können, ohne dass soziale oder politische Macht jede Verhandlung a
priori überflüssig machen. Dazu können Verfahrensrichtlinien genauso wie Partizipationsvor-
schriften oder Evaluationsprozesse beitragen.325 Solche prozessorientierte Steuerung ist – wie
ein deliberatives Demokratiemodell verdeutlicht – nicht gleichzusetzen mit schwacher Steue-
rung, sondern kann sehr wohl auch weitreichende, aber dabei formale Vorgaben bedeuten, die
auf indirekte Verhaltensregeln statt auf direkte Qualitätsvorschriften zielen.326 Diese prozedu-
ralen Regeln betreffen die Beziehungen zwischen politischen Organisationen und Medienorga-
nisationen in der allgemeinen Öffentlichkeit, die Austauschverhältnisse auf medienwirtschaftli-
chen Märkten und die Beziehungen innerhalb der jeweiligen Medienorganisationen.327 Jarren
unterscheidet konkret vier Verhandlungszonen, in denen kommunikationspolitisch relevante
Steuerungsfragen behandelt werden, die der prozeduralen Regelung bedürfen:328

321 Hierzu schlagen Jarren und Donges (2000, S. 248ff.) die Etablierung einer unabhängigen „Stiftung Media
Watch“ für die systematische Analyse der Medienentwicklung und die Einrichtung eines Medienrates als allge-
meines Sachverständigengremium vor, um die gesellschaftliche Diskussion mit Informationen zu versorgen
und zugleich eine Instanz zu etablieren, die den Diskurs als institutionelle Vorkehrung stabilisieren und lenken
könnte. In eine ähnliche Richtung gehen Vorschläge für eine „Stiftung Medientest“ (vgl. Krotz 1996). Auch im
‚Bericht zur Lage des Fernsehens für den Präsidenten der Bundesrepublik Deutschland‘ (Groebel u.a. 1995) las-
sen sich Überlegungen finden, die auf die Etablierung entsprechender Diskursvorkehrungen zielen.
322 Vgl. Jarren/Donges 2000, S. 250ff.
323 Jarren 1996b, S. 219
324 Vgl. Donges 2002, S. 284
325 Vgl. ebd., S. 279ff. Die Gestaltung solcher Verhandlungsprozesse ist u.a. Gegenstand entscheidungstheoreti-
scher Modelle, die auf strategische Tauschbeziehungen zwischen den einzelnen Akteuren abstellen (vgl. Vowe
2003a, S 212ff.).
326 Vgl. Donges 2002, S. 279
327 Vgl. Vowe 2003a, S. 216
328 Vgl. Jarren 2002
5 Handlungsbedarf II: Die politische Herausforderung der systemischen Massenmedien 367

• im Medienbetrieb selbst zwischen Medienorganisationsakteuren und Journalisten,


• auf der Ebene kollektiver Akteure (Verbände),
• zwischen kollektiven Akteuren und Medienbetrieben sowie
• auf der Ebene von Regulierungsbehörden, in denen neben Vertretern aus Medien und
Journalismus auch staatliche und zivilgesellschaftliche Akteure vertreten sein können.
In allen Bereichen sind ‚Spielregeln‘ notwendig, nach denen verschiedene Stakeholder ihre
Anliegen vorbringen und miteinander verhandeln können. Im Idealfall handelt es sich dabei
um institutionelle Vorkehrungen, die auch diskursive Austauschprozesse im beschriebenen
Sinne zulassen; mindestens aber ist die Fairness von Verhandlungsprozessen zu gewährleisten.
Das betrifft auf einer Meta-Ebene auch die Verhandlungsbedingungen der Regulierer:
„So wie der Spielraum der kommunikativen Akteure wird auch der Spielraum der regulierenden Akteure
durch Regulierungen begrenzt – durch Regeln für die Entscheidung. Die sind im politisch-rechtlichen Ord-
nungsrahmen festgelegt, der seinerseits in grundlegenden Orientierungsmustern wurzelt.“329

Die Trennung von grundsätzlichen, prozeduralen Entscheidungen erster Ordnung und situati-
ven, leistungsbezogenen Entscheidungen zweiter Ordnung trägt der zunächst formalistischen
Ausgestaltung demokratischer politischer Prozesse Rechnung. Sie gewährleistet den Konsens
über die Verfahren, in denen inhaltliche Dissense ausgetragen werden können, und stabilisiert
so selbst bei fundamental unterschiedlichen medien- und kommunikationspolitischen Zielen
den Raum gemeinsamen Handelns.330 Auf diese Differenz stellt Saxer in seiner Unterscheidung
zwischen kommunikationspolitischer Strategie und kommunikationspolitischer Taktik ab, in
der er grundlegende „Entscheidungen über kommunikationspolitische Entscheidungsprämis-
sen“ zur Gestaltung medialer Innovationen (Strategie) von situativen und selektiven „Ent-
scheidungsaktivitäten“ zur Ermöglichung von Intervention (Taktik) trennt.331 Das Primat der
prozeduralen Regulierung gegenüber einer substantiellen Klärung konkreter Problemfragen ist
grundsätzlich die Voraussetzung dafür, „kooperative Entscheidungsformen und -strategien“
mit dem Instrumentarium medienpolitischer Gestaltung zu ermöglichen.332
Damit ist nicht gesagt, dass es nicht auch weiterhin Medienbereiche gibt, die der ordnungs-
und strukturpolitischen Steuerung durch das politisch-administrative System bedürfen. Insbe-
sondere dort, wo Kernfragen ökonomischer Profitorientierung berührt sind, wäre ein allein auf
öffentliche Deliberation abstellendes Konzept diskursiver Steuerung sicherlich zu schwach, um
systemische Macht einzudämmen.333 Aber auch hier gilt, dass sich die Medienstrukturpolitik,
die den Ordnungsrahmen des Mediensystems bestimmt, der öffentlichen Diskussion – und
damit auch zivilgesellschaftlichen Stakeholdern – stellen muss, und im Zweifelsfall dem zwang-
losen Zwang des besseren, im öffentlichen Diskurs dargebrachten Arguments zu folgen hat; so
wie es in Fragen der Medieninhalte schon jetzt üblich ist.334

329 Vowe 2003a, S. 223


330 Vgl. ebd., S. 224
331 Rühl 1973, S. 13ff.
332 Jarren 1994, S. 108. In diesem Zusammenhang ist von Interesse, dass einige rundfunkrechtliche Dokumente
explizit auf anerkannte journalistische Grundsätze und damit auf außerrechtliche Normen Bezug nehmen (vgl.
Branahl 1999b, S. 187). Dieser Einbezug in das Recht ist eine Chance der partiellen Selbststeuerung.
333 Vgl. Donges 2002, S. 286f. Der ehemalige Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement hat vor dem Hinter-
grund des Einstiegs von Kapitalinvestoren in die deutsche Presselandschaft eine „subsidiäre Ordnungspolitik“
in der Pressefusionskontrolle gefordert, die es den publizistischen Verlegern ermögliche, sich im Rahmen ge-
setzlich geregelter Rahmenbedingungen auch durch Kooperationen selbst zu helfen (Clement 2005, S. 35). Ha-
bermas (2007) plädiert gar für begrenzte staatliche Interventionen.
334 Vgl. Jarren 1996b, S. 218
368 VI Diskursive Öffentlichkeit – diskursiver Journalismus

„Der Diskussion, Begründung und Etablierung von Ordnungsmodellen und Leitbildern kommt unter den
Bedingungen eines raschen Wandels im Informations- und Kommunikationssektor eine gleichsam stabilisie-
rende Funktion zu: politische und ökonomische Akteure wie auch die Gesellschaft werden auf Entwicklungs-
pfade hin orientiert – so indem Normen verhandelt, Ziele partiell vorgegeben und Verhandlungsgegenstände
festgelegt werden.“335

Medienpolitik folgt damit der Einsicht, dass die Gestaltung gesellschaftlicher Kommunikation
niemals nur rechtlich oder wirtschaftlich geschehen kann, sondern allgemeineren, gesellschaft-
lichen und kulturellen Grundsätzen zu folgen hat.336 Die vor dem Hintergrund dieser Feststel-
lung zu klärende Frage ist allerdings, wie die Interessen, die an die Ausgestaltung der Massen-
medien herangetragen werden, in ein vernünftiges und demokratisch legitimierbares Zusam-
menspiel gebracht werden, das in letzter Konsequenz bereits den normativen Anforderungen
an deliberative Öffentlichkeit zu folgen hat, die es selbst gewährleisten soll.
Steuerungsversuche im Sinne einer ‚Media Governance‘ bedürfen somit gesellschaftlicher
Diskurse über Medien und die Qualität ihrer Angebote, zum Beispiel auch in Form eines
etablierten Medienjournalismus337, wenn sie rückgekoppelt sein sollen an die diskursiven
Verfahren einer deliberativen Politik, in die auch zivilgesellschaftliche Akteure eingebunden
sind. Eine medienkritische Öffentlichkeit und Transparenz von Medienstrukturen und -pro-
duktionsbedingungen sind daher unerlässliche Voraussetzungen für Diskurse über die Ver-
fasstheit des Medienangebotes und den daraus folgenden Steuerungsbedarf. Auch Wissen-
schaft kann als ein Akteur wesentliche Beiträge zu dieser ‚Governance‘-Struktur leisten.338
Jarren und Donges schlagen gleich eine ganze Reihe von Modifikationen der bisherigen
medienpolitischen Prozesse vor, die alle in Richtung der Etablierung einer ‚Media Governan-
ce‘-Struktur weisen, ohne diesen Begriff zu verwenden. Sie fordern
• die Etablierung von Verhandlungssystemen mit konkreten Aufträgen,
• die Transparenz von Teilnehmern, Zielen und Ergebnissen dieser Verhandlungssysteme,

335 Jarren/Donges 2000, S. 241


336 Vgl. Glotz 1965, S. 30. Schon der lange Jahre ausgetragene Konflikt zwischen dem libertären (privatwirtschaft-
liche Presse) und dem sozial planenden Modell (öffentlich-rechtlicher Rundfunk) könne letztlich nur politisch
weltanschaulich geklärt werden, konstatierte Glotz (1965, S. 27ff.).
337 Malik (2002, S. 120) unterscheidet zwischen Medienjournalismus und „Journalismusjournalismus“. Während
ersterer noch als Fremdreferenz anzusehen sei, funktioniere letzterer nach der Maßgabe der Selbstreferenz. Da
sich ein System aber nicht bestandsgefährdend selbst thematisieren könne, verbleibe dieser Journalismusjourna-
lismus an der Grenze zur Selbst-PR. Er könne Reflexivität beweisen, indem er einzelne Missstände thematisie-
re, aber er sei kaum zu einer umfassenden Reflexion seiner Operationen fähig (vgl. ebd., S. 124). Tatsächlich
lässt die systemtheoretische Perspektive keinen anderen logischen Ausweg, als den von Malik beschriebenen.
Fasst man Journalismus dagegen von vornherein als das diskursive Handeln kommunikativer Akteure, dann ist
er in toto als ein diskursives Netzwerk zu begreifen, dem die Reflexion des eigenen kommunikativen Handelns
immer mindestens latent immanent ist. Dass diese nicht dauerhaft stattfindet, ist hingegen medialen Funktions-
imperativen geschuldet, die erfüllt werden müssen, um die materiellen Grundlagen des Journalismus zu erhal-
ten. Malik (2002, S. 128) hingegen konstatiert vor dem Hintergrund ihrer theoretischen Grundentscheidungen
zwingend: „Eine fünfte Gewalt, die den Journalismus kontrolliert, kann der Journalismus selbst nicht sein. Nur
mit dieser eingeschränkten Erwartungshaltung, die keine umfassende, sondern allenfalls eine partielle Selbstkri-
tik prognostiziert, kann die Selbstthematisierung angemessen problematisiert […] werden.“ Stellt man die Be-
schreibung journalistischer Selbstthematisierung von zweckrationalen Kriterien um auf Kommunikativität,
dann wird deutlich, dass sich Journalismus gar nicht kontrollierend über sich selbst erheben muss, um sich zu
thematisieren, sondern dass die Thematisierung in den illokutionären, sozial wirksamen Bestandteilen journalis-
tischer Sprechakte bereits immanent und somit in jeder journalistischen Kommunikation enthalten ist. In der
Konsequenz ist die Explikation dieser Redebestandteile möglich und u.U. auch in kritischer Haltung bestands-
sichernd, da sie Anschlusskommunikation wahrscheinlicher macht, indem diskursive Beziehungen entstehen.
338 Vgl. Vowe 2003b, S. 122
5 Handlungsbedarf II: Die politische Herausforderung der systemischen Massenmedien 369

• die Optimierung vorhandener Steuerungsinstrumente und ihre Ergänzung durch anreiz-,


informations- oder wissensbasierte Instrumente,
• die Stärkung von Regulierungsbehörden mit Blick auf die Etablierung von Verhandlungs-
systemen und die Förderung von wissensbasierten Organisationen und gesellschaftlichen
Reflexionsinstanzen sowie
• die Etablierung neuer Akteure neben den bekannten ökonomischen und politischen, die
zum Beispiel die Interessen des Publikums vertreten.339
Eine im beschriebenen Sinne nicht-hierarchische Regelungsstruktur entspricht nicht nur den
beschriebenen Anforderungen an ein modernes Konzept demokratischer Selbstbestimmung,
sondern sie verspricht angesichts ihres inklusiven Charakters, zum Beispiel durch Öffnung in
Richtung Zivilgesellschaft, auch eine höhere Legitimation und Rationalität der Entscheidun-
gen.340 Es ist zu erwarten, dass sie den im Diskursprinzip formulierten hohen Anforderungen
an eine deliberative Regelung gesellschaftlicher Belange zumindest idealiter gerecht werden
kann.341 ‚Media Governance‘ unterliegt schließlich selbst den Bedingungen, die sie gestalten
und verändern soll, da sie selbst elementar auf öffentliche Diskurse angewiesen ist, die in den
Strukturen des gegebenen Mediensystems stattfinden müssen.
„Da Öffentlichkeit in der modernen Gesellschaft weitgehend über Massenmedien hergestellt wird, unterliegt
der Prozess der Problembenennung, vor allem der Prozess der Problemvermittlung, den medialen Selekti-
onsprinzipien. Die Selektion erfolgt aufgrund der Verfasstheit der jeweiligen Medien (privat vs. öffentlich-
rechtlich), ihrer ökonomischen Ausrichtung, und sie ist abhängig vom publizistischen Profil sowie vom re-
daktionellen Programm und den Nachrichtenfaktoren. Strukturvielfalt im Mediensystem erhöht die Möglich-
keiten einer medienkritischen Reflexion in den Medien. Das macht darauf aufmerksam, dass einer Steuerung
bzw. Regulierung durch (medienkritische) Öffentlichkeit, also einer Form der medialen Regulierung, Grenzen
gesetzt sind.“342

Steuerung im Sinne einer ‚Media Governance‘ wird daher nur erfolgreich sein können, wenn
sie auch auf die Resonanz eines diskursiven Journalismus stößt, dessen Handlungsspielräume
sie von außen zu erweitern versucht. Sie korrespondiert daher mit den Instanzen journalisti-
scher Selbstregulierung, ohne formell mit ihnen zu konvergieren. Journalistische Selbstkon-
trollinstanzen sollten nicht mit politischen, ökonomischen oder gesellschaftlichen Akteuren
vermischt werden, sondern zunächst allein die kommunikative Rationalität des Journalismus
zur Geltung kommen lassen.343 Sie sind als kollektive Akteure einzubinden in die beschriebe-
nen Verhandlungsnetzwerke einer modernen ‚Media Governance‘, die der Durchsetzung
gesellschaftlicher Anforderungen an das mediale System Rechnung tragen soll.
Die immanente Reflexivität einer zu entwickelnden Struktur von ‚Media Governance‘ er-
gibt sich also daraus, dass sie letztlich die durch sie herzustellenden Bedingungen bei der

339 Vgl. Jarren/Donges 2000, S. 258. Bereits an anderer Stelle fordert Jarren (1996b, S. 216) eine Optimierung und
Erweiterung der Steuerungsinstrumente in Richtung von Anreizen, Angeboten, Überzeugungen, Information
und Verhandlungen. Und Donges (2002, S. 286) betont: „Neben Recht und Geld kann sich Steuerung auch
stärker als bisher auf Information und Wissen als Medium politischer Steuerung stützen“, z.B. in Form von
Transparenzvorschriften, professioneller Expertise, Forschungsförderung oder Institutionen der Wissensaufbe-
reitung bzw. -vermittlung.
340 Vgl. Mayntz 2004, S. 72
341 Zugleich beinhaltet die Orientierung auf Verhandlungen, an denen die Betroffenen potenziell beteiligt sind,
aber auch eine potenzielle Gefährdung schneller und pragmatischer Regelungserfolge, da durch die Inklusion
Konflikte bereits in den Entscheidungsfindungsprozess hineingeholt werden, die vorher erst in der Implemen-
tationsphase relevant wurden (vgl. Mayntz 2004, S. 73). Die Entscheidungen dürften im Gegenzug stabiler sein.
342 Jarren/Donges 2000, S. 240
343 Vgl. für eine entsprechende Forderung Jarren/Donges 2000, S. 247.
370 VI Diskursive Öffentlichkeit – diskursiver Journalismus

Formulierung ihrer Steuerungsansätze selbst bereits zu berücksichtigen und anzuwenden hat.


Nur eine Radikalisierung der Kommunikativität und der Diskursivität im Prozess der Steue-
rung kann somit den Weg zu demokratietheoretisch und -politisch akzeptablen Ergebnissen
hinsichtlich der Gestaltung institutioneller Vorkehrungen moderner Öffentlichkeit weisen.

6 Zwischenfazit: Diskursivität in Journalismusethik und ‚Media


Governance‘
In diesem Kapitel ist die These entfaltet worden, dass Massenmedien und journalistisches
Handeln in einem unauflöslichen Bezug zur demokratischen Verfasstheit einer Gesellschaft
stehen und entsprechend spezifischen Anforderungen zu genügen haben, um demokratische
und deliberative Prozesse zu ermöglichen. Beide stellen zentrale institutionelle Vorkehrungen
einer deliberativen Öffentlichkeit dar – basierend auf lebensweltlich-journalistischer Kommu-
nikationsrationalität und weitgehend ökonomisch fundierter massenmedialer Systemrationali-
tät. Das deliberative Demokratiemodell bildet einen geeigneten Referenzrahmen zur Beschrei-
bung dieser spezifischen Bedeutung, da es einen plausiblen Mittelweg zwischen anspruchslosen
formalistisch-liberalen und normativ überforderten republikanischen Demokratiemodellen
darstellt und darüber hinaus den demokratischen Prozess als ein Mischungsverhältnis aus
prinzipiell öffentlicher Verständigung und systemisch basiertem, aber legitimiertem Machthan-
deln skizziert.
„Massenmedien […] bilden als Gesamtheit eine besondere politische Institution mit eigenen internen Ent-
scheidungsstrukturen. Ihre Funktion besteht nicht nur in der Vermittlung von Informationen, sondern auch
in der Erzeugung und Verstetigung von öffentlicher Auseinandersetzung. […] Dadurch können sie den
Grundkonsens der Staatsbürger für sich in Anspruch nehmen, wo andere Öffentlichkeiten und eine vielfältige
Artikulation von Meinungen aufgrund mangelnder politischer Beteiligung fehlen. Die Massenmedien wirken
dann gewissermaßen als ‚Platzhalter und Interpret‘ der politisch passiven Staatsbürger.“344

Für die Entwicklung eines diskursiven Journalismusverständnisses ist dabei die immanente
Normativität des deliberativen Modells von entscheidender Bedeutung, weil es Maßstäbe
beschreibt, an denen sich öffentliche Kommunikationsleistungen in ihrer demokratischen
Qualität ausrichten können und die folglich auch eine Richtschnur für die praktische Verbesse-
rung des Journalismus durch eine ausbildende Journalistik bereitstellen.
Die Qualität öffentlicher Kommunikation muss ein gesellschaftliches Anliegen sein. Als
konstitutive Voraussetzungen demokratischer Politik unterliegen Journalismus und Massen-
medien daher auch entweder indirekt (Journalismus) oder direkt (Massenmedien) dem steuern-
den Einfluss politischer Initiativen. Je nachdem ob ein gesellschaftlicher Bereich systemisch
oder lebensweltlich koordiniert wird, dominieren unterschiedliche Regulations- und Steue-
rungsmechanismen und verändern sich die Zutrittsbedingungen zu Öffentlichkeit.
Journalistische Akteure schaffen einen sich selbst regulierenden Kommunikationszusam-
menhang, der lebensweltlicher Kommunikativität und Diskursivität folgt und aus dem profes-
sionelle Berufsnormen erwachsen können, deren Befolgung wiederum die (ethische und
kommunikative) Qualität journalistischer Produkte gewährleisten kann. Die Rahmenbedingun-
gen dieses journalistischen Diskurses können politisch geschaffen werden, eine direkte Inter-
vention systemischer Logik hingegen wäre – auch unter Verweis auf ein höheres Gemeinwohl

344 Dietz 1995, S. 128


6 Zwischenfazit: Diskursivität in Journalismusethik und ‚Media Governance‘ 371

dysfunktional. Stattdessen hat sich der journalistische Diskurs gegenüber lebensweltlichen


Anliegen kommunikativ sensibel zu zeigen. Journalistische Rationalität steigert sich im Diskurs.
Ein diskursiver Journalismus markiert die Verwirklichung kommunikativer Rationalität unter
den Bedingungen weitreichender mediensystemischer Ausdifferenzierung.

Grafik 6: Diskursiver Journalismus

[eigene Grafik, -cb-]

Die institutionellen Rahmenbedingungen des journalistischen Handelns, die wie beschrieben in


einem medialen Systemzusammenhang organisiert sind, unterliegen zumindest auch der
Steuerung des politisch-administrativen Systems, das sie unter Aufbringung demokratisch
legitimierter Macht zur gesellschaftlich erwünschten Funktionserfüllung zwingen kann. Doch
auch hier ist der Einsatz systemischer Mechanismen allein prekär, da er die kommunikativen
Reservate des Journalismus in den Medien zugleich und unterschiedslos mitbedroht. Es ist
daher für ein Konzept der ‚Media Governance‘ plädiert worden, in dem eine Regelungsstruktur
errichtet wird, die alle medialen Stakeholder integriert. Es ist die Aufgabe des Staates, u.a.
durch rechtliche Vorgaben die prozeduralen Voraussetzungen für diese ‚Media Governance‘ zu
schaffen, ohne dabei materielle Vorgaben zu machen. Im Sinne eines deliberativen demokrati-
372 VI Diskursive Öffentlichkeit – diskursiver Journalismus

schen Prozesses steht auch hier die Etablierung von Verfahren im Vordergrund, in deren
Vollzug die konkrete Ausgestaltung des Mediensystems behandelt werden kann.
Das Diskursprinzip ist somit sowohl in der Selbstregulierung journalistischer Akteure als
auch im breiteren gesellschaftlichen Diskurs der Kommunikations- und Medienpolitik die
letztlich ausschlaggebende formale Norm. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass
die politische Gestaltung der Bedingungen von Öffentlichkeit immer auch an die Grundlagen
von Politik selbst rührt und daher keiner der beteiligten Akteure (auch nicht das politisch-
administrative System) über ein Letztentscheidungsrecht in grundsätzlichen Fragen der journa-
listisch-medialen Verfassung verfügen kann. Wie von Habermas beschrieben, fungiert auch
hier das Recht als Transmissionsriemen für lebensweltliche Anforderungen an gesellschaftliche
Konstitutionsbedingungen. Diskursiver Journalismus ist selbst ein Teilnehmer an den Diskur-
sen über seine systemisch-materiellen Grundlagen. Wahrnehmen können wird er diese Chance
aber nur dann, wenn er sich selbst seine kommunikativen Grundlagen erhält. Ein diskursiver
Journalismus ist Voraussetzung und Resultat einer diskursiven Öffentlichkeit, da seine institu-
tionellen Rahmenbedingungen wiederum in deliberativen politischen Prozessen einer umfas-
senden ‚Media Governance‘ bestimmt werden, für die eine diskursive Ausgestaltung von
Öffentlichkeit und eine freiheitliche Deliberation konstitutiv sind. Es ist letztlich auch eine
Aufgabe zivilgesellschaftlicher Akteure, einem diskursiven Journalismus die Breschen ins
Mediensystem zu schlagen, die er benötigt, damit er gesellschaftlich nutzbringend sein kann.
Die Etablierung einer universitären Journalistik gehört zu solch einem Programm dazu.
VII Fazit und Ausblick

1 Zusammenfassung
Als praxisbezogene Wissenschaft steht die Journalistik vor der Aufgabe, ein Verständnis ihres
Untersuchungsgegenstandes zu formulieren, das einen Dialog mit der Praxis ebenso ermög-
licht wie die Verwirklichung kritisch-emanzipatorischer Potenziale. Der Blick auf die derzeit im
Fach diskutierten journalismustheoretischen Entwürfe offenbart allerdings bisweilen ein derart
hohes Abstraktionsniveau und eine derart weitreichende Abstinenz gegenüber der Begründung
normativer Anforderungen, dass die der Journalistik zunächst immanenten Versprechen nur
mehr selten eingelöst werden können. Mittlerweile wird daher versucht, die Kluft zwischen den
„zwei Kulturen“ (Haller) ‚praktischer Journalismus‘ und ‚wissenschaftliche Journalistik‘ da-
durch zu verkleinern, dass integrativ akteurs- und systemtheoretische Überlegungen zusam-
mengeführt werden, um sowohl den Anforderungen praktischer Verwertbarkeit als auch
wissenschaftlicher Theoriefortbildung zu genügen. Dabei überwiegen mal systemtheoretische
Argumentationsfiguren, die den journalistischen Akteur in systemischen Zwängen buchstäblich
eingeschlossen sehen, und mal strukturierungstheoretische Annahmen, die einen rekursiven
Prozess zwischen Akteurshandeln und sozialer Strukturierung bzw. Systembildung beschrei-
ben. Mit der vorliegenden Arbeit soll ein Journalismus-Verständnis begründet werden, das
anschlussfähig ist
• an die handlungsorientierten Annahmen journalistischer Praktiker,
• an die systemtheoretischen Überlegungen der kommunikationswissenschaftlichen Journa-
lismusforschung,
• an die normativ-praktischen und kritisch-emanzipatorischen Potenziale der Journalistik
und nicht zuletzt auch
• an die gesellschafts- und demokratietheoretisch relevanten Überlegungen einer kommuni-
kationstheoretisch fundierten ‚kritischen‘ Gesellschaftstheorie.
Zunächst sind dazu vorbereitend mögliche alternative wissenschaftstheoretische Fundamente
der universitären Journalistik besichtigt worden, die sich als Wissenschaft des Journalismus
sowohl der Erforschung des Journalismus als auch der Ausbildung künftiger journalistischer
Praktiker verpflichtet sieht. Hier ist die Möglichkeit einer produktiven Auseinandersetzung
zwischen Wissenschaft und Praxis und die theoretische Unhintergehbarkeit eines von beiden
geteilten lebensweltlichen Raumes betont worden. Sozialwissenschaftler, auch Journalistikfor-
scher, sind immer schon in die sozialen Zusammenhänge eingebunden, die sie untersuchen.
Diese Annahme macht einen reinen Beobachterstatus, wie er epistemologisch bisweilen
angenommen wird, konzeptionell nicht mehr möglich, sondern zwingt zum Abbau künstlich
errichteter Barrieren zwischen Wissenschaft und Journalismus. Eine privilegierte wissenschaft-
liche Erkenntnisposition ist nicht mehr konzipierbar und damit auch keine gegenüber der
Praxis hervorgehobene Stellung wissenschaftlich-theoretischer Befunde. Eingebunden in
374 VII Fazit und Ausblick

gemeinsame kommunikative und diskursive Zusammenhänge wirkt Journalistik vielmehr auf


Journalismus ein, um diesen in seiner gesellschaftlichen Aufgabenerfüllung zu verbessern.
Anschließend an diese wissenschafts- und erkenntnistheoretischen Vorklärungen sind die
Idealtypen skizziert worden, mit denen sich das angestrebte Journalismus-Verständnis aus-
einanderzusetzen hat. In den dazu notwendigen historischen Betrachtungen standen vor allem
der Idealtypus bürgerlicher Öffentlichkeit und die damit eng verbundenen journalistischen
Idealtypen der Vermittlung (Referat) und des Räsonnements im Mittelpunkt. Sie fundieren eine
normative Dichotomie, die sich sowohl in den thematisierten und bisweilen stark einseitig
überdehnten Rollenvorstellungen von Vermittler und Kommentator als auch in gängigen
journalistischen Trennungsgeboten (z.B. zwischen Nachricht und Kommentar) bis zum
heutigen Tag gehalten hat. Im Rückblick auf normative journalistische Handlungskonzeptio-
nen konnte herausgearbeitet werden, dass diese sich entweder in publizistikwissenschaftlicher
Tradition auf den räsonierenden oder aber in zeitungswissenschaftlicher Tradition auf den
vermittelnden Idealtypus zurückführen ließen. Eine Ausnahme markiert die Vermittlungskon-
zeption von Otto Groth, der schon früh verdeutlicht hat, dass sich zwar Aufgaben und Funk-
tionen des journalistischen Werkes unterscheiden lassen, dass sich aus diesen gesellschaftlichen
Erwartungen allerdings keine ebenso eindeutigen journalistischen Handlungstypen deduzieren
lassen. In seinen Ausführungen zum ‚produzierenden Journalismus‘ weist er vielmehr darauf
hin, dass Vermittlung kein gleichsam teilnahmsloses Durchleiten von Information bedeutet,
sondern das Ergebnis einer journalistisch-kommunikativen Eigenleistung ist. In Groths Kon-
zeption wird der Journalist damit als Anwalt des gesellschaftlichen Zeitgesprächs gefasst, der
gegenüber gesellschaftlichen Diskursen eine advokatorische Aufgabe besitzt, die nicht dicho-
tomisch entweder auf Vermittlung oder Räsonnement verkürzbar ist.
Diese überwiegend noch historisch hergeleiteten Hinweise bilden den Ausgangspunkt einer
systematischen Rekonstruktion des produzierenden Journalismusverständnisses vor dem
Hintergrund der ‚Theorie des kommunikativen Handelns‘. Journalismus, so die Kernannahme
der Argumentation, ist lebensweltliches und verständigungsorientiertes Handeln. Sein Refe-
renzrahmen ist eine in den Grundstrukturen von Sprache fundierte Formalpragmatik, die es
kommunikativ kompetenten Sprechern erlaubt, Verständigung über ihre Situation und ihre zu
koordinierenden Handlungspläne zu erreichen. Journalismus fungiert auf gesellschaftlicher
Ebene als ein Substitut oder mindestens als ein Korrelat dieser im Regelfall intersubjektiven
Kommunikationsprozesse. Er kann somit als eine Form sozialer Interaktion beschrieben
werden, die performativ soziale Verständigung, soziale Orientierung und soziale Teilhabe
ermöglicht. Darstellbar werden diese Leistungen, wenn Journalismus nicht nur als zweckratio-
nales Berufshandeln konzipiert wird, sondern auch seine immanente Sensibilität für die le-
bensweltliche Verankerung seiner Kommunikativität berücksichtigt wird. Dadurch wird
anerkannt, dass sich journalistische Akteure in ihrem Handeln lebensweltlich-symbolischer
Ressourcen bedienen, die aus Teilnehmersicht unhintergehbar sind und zugleich im Vollzug
des kommunikativen Handelns rationalisiert und reproduziert werden. Ein idealtypisches
Journalismus-Verständnis, das in diesem Sinne journalistisches Handeln als kommunikatives
Handeln fasst, macht es möglich, dass normative Anforderungen nicht mehr aus fremd gesetz-
ten Ethiken oder Rechtsregulierungen importiert werden müssen, sondern aus den kommuni-
kativen Grundlagen des Journalismus selbst deduziert werden können. Anknüpfungspunkte
für diese Analyseperspektive bieten sowohl die praxologischen Versuche eines ‚Public Journa-
lism‘ in den USA als auch die kulturwissenschaftlichen Interpretationsmuster der Cultural
Studies, die gleichfalls auf die Eingebundenheit des Journalismus in die kommunikative Repro-
duktion sozialer und kultureller Strukturen abstellen. Mit dem Instrumentarium der ‚Theorie
1 Zusammenfassung 375

des kommunikativen Handelns‘ wird es möglich, journalistische Akteure als kommunikativ


Handelnde anzusprechen und auf Verständigungsrationalität zu verpflichten.
Für sich allein genommen ist diese auf unverkürzte Kommunikationszusammenhänge ab-
stellende Analyse allerdings nicht ausreichend. Sie ist zu ergänzen um die Analyse derjenigen
materiellen Ressourcen öffentlichen Kommunikationshandelns, die in Form moderner Mas-
senmedien institutionalisiert und letztlich systemisch organisiert worden sind. Im Blick stehen
dabei zunächst Medienunternehmen, die ausgerichtet an wirtschaftlicher Profitlogik die Rah-
menbedingungen journalistischen Handelns strukturieren und bisweilen auch kolonialisieren.
Journalistisches Handeln hat sich angesichts dieser Situation mit einem wachsenden ökono-
misch-systemischen Druck auseinanderzusetzen. Insbesondere redaktionelle Strukturen,
technische Innovationen und berufliche Differenzierungen befinden sich in der prekären Lage,
entweder strukturierende, mediatisierende oder aber kolonialisierende Effekte darzustellen, je
nachdem, ob journalistisch kommunikative oder aber medial systemische ‚Interessen‘ im
Prozess der Institutionalisierung und Ausdifferenzierung überwiegen.
Letztlich kann vor diesem Hintergrund unterschiedlicher Steuerungsbereiche in der öffent-
lichen Kommunikation zwischen einem kommunikativen Journalismus, der lebensweltlich
verankert ist und zur Reproduktion lebensweltlicher Strukturen beiträgt, und einem massen-
medialen Systemzusammenhang, der zweckrational nach ökonomischen Effizienzkriterien
gesteuert wird und vorwiegend nicht publizistischen, sondern profitorientierten Interessen
dient, unterschieden werden. Beide sind immanent aufeinander angewiesen und folgen den-
noch unterschiedlichen Logiken. Zwischen den beiden gesellschaftlichen Steuerungs- und
Koordinierungsmechanismen kann es – zumindest im Hinblick auf das Zustandekommen
öffentlicher Kommunikation – vielfältige Mischungsverhältnisse geben, die unter Hinzunahme
von strukturierungstheoretischen Annahmen beschrieben werden können. Dabei erfüllt die
Annahme einer – in Anlehnung an die Habermasschen Annahmen zu Lebenswelt und System
konzipierten – grundlegenden Zweistufigkeit von Journalismus und Massenmedien eine für die
Situationsanalyse öffentlicher Kommunikation notwendige Ordnungsfunktion und ermöglicht
so die präzisere Benennung von Steuerungsbedarfen und -mechanismen.
Diese Frage ist abschließend neben der öffentlichen und demokratierelevanten Aufgabe
des Journalismus in den Blick genommen worden. Vor dem Hintergrund eines deliberativen
Demokratieverständnisses, das Öffentlichkeit einen hohen Stellenwert beimisst, erscheint ein
diskursiver Journalismus als eine zentrale institutionelle Vorkehrung gesellschaftlicher Diskur-
se. Journalismus ermöglicht gesellschaftliche Deliberation und Verständigung. Er besitzt das
Potenzial, mögliche Vermachtungs- und Kolonialisierungstendenzen wenngleich nicht auszu-
schalten, so doch mindestens zu verringern oder durch eigenes diskursadvokatorisches Han-
deln zurückzudrängen. Um diese Aufgabe erfüllen zu können, bedarf Journalismus allerdings
einer spezifischen internen wie externen Ausgestaltung. Anschließend an die Annahme unter-
schiedlicher Koordinierungsmechanismen ist hier für eine journalistische Diskursethik plädiert
worden, die darauf setzt, dass journalistisches Handeln seine Rationalität durch die Radikalisie-
rung seiner Kommunikativität steigern kann. Journalistische Akteure deliberieren die Maßstäbe
ihres Handelns und folgen im beruflichen Handeln – idealiter – den formalpragmatischen
Grundsätzen sprachlicher Verständigung. Diesen Grundsätzen kann kontrafaktische Wirkung
zugeschrieben werden, da Kommunikation ohne die u.U. gar nicht einlösbaren Unterstellun-
gen von ‚Wahrheit‘, Wahrhaftigkeit und Richtigkeit nicht gelingen könnte. Journalismus
vermittelt gesellschaftliche Diskurse und ist selbst Teilnehmer an diesen Verständigungspro-
zessen. Diese gesellschaftlichen Diskurse können als prinzipiell unabgeschlossen betrachtet
werden, da jeder erzielte Konsens stets nur vorläufig ist und durch neuerliches Anzweifeln von
376 VII Fazit und Ausblick

Geltungsansprüchen, das oft von Journalisten selbst vorgenommen wird, wieder prekär
werden kann.
Die Handlungsräume eines solchen diskursiven Journalismus müssen medial ermöglicht
werden. Dazu ist es notwendig, dass Medien – anders als Journalismus – einem gesellschaftli-
chen Steuerungsprozess unterworfen werden. Es ist dargestellt worden, dass diese ‚Media
Governance‘ in ausdifferenzierten Gesellschaften weder allein ökonomisch noch politisch-
administrativ geleistet werden, sondern ebenfalls diskursiven Maßstäben folgt, weil sonst
systemische Kolonialisierungsfolgen auf Journalismus durchgreifen würden. Notwendig ist
heutzutage – auch jenseits der öffentlich-rechtlichen Organisationsform – eine ebenso kom-
plexe wie spezifisch ausdifferenzierte Steuerungs- und Regelungsstruktur, in der auch gesell-
schaftliche und zivilgesellschaftliche Akteure beteiligt sind, um die ‚Interessen‘ einer deliberati-
ven Öffentlichkeit angemessen zu vertreten. Auch ein diskursiver Journalismus selbst ist im
Rahmen einer solchen reflexiven Struktur, zum Beispiel in Form eines redaktionell etablierten
Medienjournalismus, an der Ausgestaltung seiner eigenen Rahmenbedingungen beteiligt.
Während Journalismus also – abgesehen von den üblichen rechtlichen Grenzen, die aus dem
Konflikt mit anderen Rechtsgütern erwachsen – der Selbststeuerung durch radikalisierte
Kommunikativität in Selbstkontrollorganen, Berufsverbänden, Redaktionen etc. überlassen
bleiben sollte, stehen Gesellschaften vor der Aufgabe, die Verfasstheit von Rahmenbedingun-
gen und Inhalten ihrer Mediensysteme aktiv zu gestalten, um den Journalismus, den sie zur
Aufrechterhaltung deliberativer Demokratie benötigen, weiter zu ermöglichen. Die grundsätz-
lich unterschiedlichen Charakteristika des journalistischen Handelns und der systemischen
Massenmedien sind in der folgenden Tabelle noch einmal summarisch zusammengefasst.

Tab. 4: Unterscheidung zwischen journalistischem Handeln und Massenmedien

Journalistisches Handeln Massenmedien

gesellschaftstheoretische
Lebenswelt System
Verortung
maßgeblicher Handlungstypus soziale Interaktion Arbeit
Rationalitätsmodus kommunikativ instrumentell / zweckrational
Zielorientierung verständigungsorientiert zweckorientiert
Reproduktion Reproduktion
gesellschaftliche Leistung
symbolischer Ressourcen materieller Ressourcen
Generierung von
kommunikative Koordinierung Berichterstattung unter
Aufgabe / Funktion gesamtgesellschaftlichen Maßgabe kommerzieller
Handelns Verwertungs- und Profitinte-
ressen
symbolisch generalisierte
Koordinierungsmechanismus (ethische) Diskurse
Steuerungsmedien
Legitimationsgrundlage Konsens Effizienz
2 Merkmale eines diskursiven Journalismus 377

2 Merkmale eines diskursiven Journalismus


Kernanliegen der Studie sind zum einen die Auszeichnung des Journalismus als kommunikati-
vem Handlungsmodus von eigenständiger Rationalität und Normativität und zum anderen die
Konzeption des Verhältnisses von Journalismus und Massenmedien als ein Verhältnis zwi-
schen lebensweltlicher und systemischer Rationalität. Die jüngeren Entwicklungen des Journa-
lismus sind vor diesem Hintergrund als Rationalitätskonflikt zwischen System und Lebenswelt,
zum Teil auch als Kolonialisierung des Journalismus durch die ökonomisch gesteuerten
Massenmedien, beschrieben worden. Darstellbar wird diese Beziehung vor der Folie der
Zweistufigkeit von journalistischem Handeln und massenmedialem System. In dieser Konstel-
lation bedrohen strategisch-ökonomische Partikularinteressen am Profitpotenzial journalisti-
scher Leistungen tendenziell die journalistisch-publizistische Eigenständigkeit. Dagegen kann
sich Journalismus vor allem mit einer Steigerung seiner Rationalität zur Wehr setzen – zum
Beispiel durch die Formulierung einer diskursiven und damit kommunikationsbezogenenen
eigenen Ethik journalistischen Handelns. Dadurch ist Journalismus u.U. in der Lage, sein
demokratisches Potenzial zu markieren und sich von der tradierten, aber zunehmend obsoleten
Berufsideologie zu entfernen, ohne deren Kerngehalte samt ihrer geschilderten normativen
Schutzfunktion vor einer medialen Funktionalisierung aufgeben zu müssen. In der Formulie-
rung einer diskursiven Ethik des Journalismus und in der Etablierung einer ‚Media Governan-
ce‘-Struktur liegt die Chance, der eigentümlichen Stellung des Journalismus zwischen lebens-
weltlichem Handlungsmodus und systemischen Medienzwängen angemessen zu begegnen,
ohne von vornherein normative Maßstäbe aufzugeben oder die ‚Realität der Massenmedien‘
auszublenden.
Fluchtpunkt einer journalistischen Diskursethik als Steuerungsinstrument journalistischen
Handelns ist die Idee einer deliberativen Öffentlichkeit, in welche die kommunikativen Macht-
ressourcen einer demokratischen Gesellschaft eingelagert sind, die bei Bedarf gegenüber den
systemischen Kernbereichen rationalisierter Politikformulierung oder Gesellschaftsentwicklung
aktiviert werden können. Geht man in der Beschreibung und Analyse journalistischen Han-
delns davon aus, dass dieses im Originalmodus verständigungsorientiert, also kommunikativ
und bisweilen auch diskursiv, ist, dann erscheint der Akt des Veröffentlichens von Informatio-
nen in einem anderen Licht, als es liberale Modelle zunächst nahe legen. Die Vermittlung von
Information in Öffentlichkeit hinein ist mit instrumenteller Zweckrationalität nur unzurei-
chend zu fassen, sondern involviert auf Seiten der Journalisten kommunikative Stellungnahme
bzw. diskursive Prüfung, um das für eine reflexive Vermittlung notwendige Verstehen der
berichteten Kommunikationsinhalte zu gewährleisten. Daraus erwachsen die bereits skizzierten
gesellschaftlichen Leistungen des Journalismus:
• Durch Gewährleistung gesellschaftlicher Kommunikation ermöglichen Journalisten soziale Verstän-
digung.
• Durch reflexive Vermittlung ermöglichen Journalisten soziale Orientierung.
• Durch performative Inanspruchnahme der kommunikativen Kompetenz ihrer Rezipienten ermögli-
chen Journalisten soziale Teilhabe.
Journalisten fungieren in diesen Dimensionen als Anwälte des gesellschaftlichen Diskurses, die durch
die Aufgabe (sprachlicher) Vermittlung weitreichend in interaktive Verständigungsprozesse
einbezogen sind, deren Vermittlung stets zugleich auch Teilnahme bedeutet. Im Bedarfsfall
folgt aus dieser Einbezogenheit die Aufgabe einer diskursiven Repräsentanz, einer anwalt-
schaftlichen Verpflichtung auf ein gesellschaftliches Zeitgespräch bzw. auf öffentliche Delibe-
378 VII Fazit und Ausblick

ration in einem zweifachen Sinne: Zum einen können Journalisten stellvertretend für ihr
Publikum die Akzeptabilität erhobener Geltungsansprüche prüfen bzw. die Informationen
herbeiholen, die eine solche Prüfung durch das Publikum ermöglichen. Zum anderen haben sie
die Möglichkeit, auch diejenigen Stimmen in einen zumindest partiell vermachteten Diskurs
einzuführen, denen aus eigener Kraft die Ressourcen für eine Teilnahme fehlen. Wenn von
einer advokatorischen Komponente des kommunikativen bzw. diskursiven Journalismus
gesprochen wird, dann ist damit zunächst nicht gemeint, dass sich Journalisten zu Anwälten
bestimmter Standpunkte machen, sondern dass sie als Anwälte den Bedingungen der Möglich-
keit öffentlicher Diskurse verpflichtet sind.
Dies bedeutet allerdings nicht, dass Journalisten nicht auch selbst Stellung bezögen. Ganz
im Gegenteil: Im Zusammenhang mit der kommunikativen Grundstruktur des Journalismus ist
erörtert worden, dass Involviertheit notwendige Voraussetzung journalistischen Verstehens ist.
Dies kann bis zu einem gewissen Grad virtuell und handlungsentlastet geschehen, wie in der
wissenschaftlichen Diskursteilnahme auch, – vollständig entkoppeln aber können sich journa-
listisch Handelnde nicht. Die Annahme, oder auch nur die wissenschaftliche Suggestion, sie
könnten es, wäre insofern dysfunktional, als dass sie eine Reduktion von Verantwortlichkeit
impliziert, die faktisch nicht begründbar ist.
Die Unhintergehbarkeit kommunikativer Verantwortung begründet zugleich auch den Um-
stand, dass journalistisches Handeln keiner weitergehenden eigenständigen Legitimation
bedarf, sondern immer schon aus seiner eigenen Kommunikativität heraus abgesichert ist,
sofern es sich nicht unter der Dominanz perlokutionärer Absichten strategisch in Dienst
nehmen lässt. Zugleich kann kommunikatives journalistisches Handeln letztendlich nicht
scheitern, sondern allenfalls in seinen erhobenen Geltungsansprüchen bestritten werden.
Einzige Ausnahme wäre ein journalistisches Handeln, das nicht in der Lage wäre, einen gesell-
schaftlichen Vermittlungsprozess oder Diskurs in angemessener Weise herzustellen. Auch in
diesem Falle aber wäre es kaum die einzelne journalistische Aktion, der ein Scheitern zu
attestieren wäre, sondern es müsste die Gesamtverfassung journalistischer und medialer
Vermittlungsstrukturen kritisch im Hinblick auf ihre Leistungsfähigkeit hinterfragt werden.
Die weitergehende Ausformulierung einer Diskursethik journalistischen Handelns erscheint
als ein lohnenswertes, eigenständiges Projekt, mit dem diese Perspektive auf Journalismus
‚realistisch‘ vertieft werden könnte. Ausgehend von einer kritischen Theorie der Öffentlichkeit
und gemeinsam mit einer ‚Media Governance‘-Konzeption geht sie in ihrem normativen
Anspruch einerseits über die empirisch-analytischen Fragen der Angemessenheit hinaus und
reduziert andererseits ethische Fragen nicht auf Individualentscheidungen. Basierend auf einem
handlungstheoretischen Fundament, in das in den letzten Jahren zunehmend auch systemische
Ansätze integriert worden sind, nimmt sie in einer stereoskopen Optik vielmehr beide Aspekte
gleichermaßen in den Blick. Die Kopplung der Normgeltung an rationale Begründungen
erscheint als ein unserer Zeit angemessenes Konzept journalistischer Ethik. Da die Diskurs-
ethik übergreifend alle Entscheidungen an das Rationalitätsprinzip knüpft, hat sie für den
Journalismus eine zweiwertige Bedeutung: Zum einen kann sie zur Begründung journalistischer
Normen und Handlungsroutinen herangezogen werden, zum anderen müssen aber auch die
berichteten Inhalte, sofern sie gesellschaftliche oder politische Zusammenhänge betreffen,
diskursiven Charakter haben. Die normative Basis journalistischen Handelns ist damit in dem
Kompetenzbereich verankert, mit dem sich Journalisten gegenüber ‚einfachen Bürgern‘ nicht
abgrenzen können: der kommunikativen Kompetenz. Sie wird allenfalls in der Vermittlungs-
kompetenz spezifiziert, bezieht sich aber zurück auf die Grundlagen humankommunikativer
Verständigung, auf Reflexivität, Argumentativität und wechselseitige solidarische Anerken-
2 Merkmale eines diskursiven Journalismus 379

nung. Auch wenn diese Aspekte in der oftmals unidirektionalen und anonymen Kommunikati-
onssituation massenmedialer Programm- oder Produktgestaltung kaum einlösbar sind, unterle-
gen sie doch als kontrafaktische Unterstellung einen zwar nicht reziproken aber vermittelt
kommunikativen Prozess (fiktiver) Interaktion.
Die vorgenommene Analyse lenkt den Blick auch auf die empirisch verbliebenen Potenzia-
le eines diskursiven Journalismus und damit auf die Frage, inwiefern diese normativen Anfor-
derungen – ganz gleich ob sie theoretisch unhintergehbar sind oder nicht – jenseits eines Status
als regulative Idee praktische Relevanz entfalten. Wenn empirische Hinweise auf einen solchen
diskursiven Journalismus auffindbar sind, dann lassen sich aus der Analyse seiner medialen
Ermöglichungsbedingungen auch Hinweise für den Steuerungsprozess der ‚Media Gover-
nance‘ finden. Hier liegt, neben der Praxis-Vermittlung, eine der Hauptaufgaben der wissen-
schaftlichen Journalistik. Während die Systemtheorie und ihre funktionalistisch reduzierten
Annahmen in den letzten Jahren und Jahrzehnten zum Paradigma der Medienwissenschaften
geworden sind, liegt der reiche Fundus einer Kommunikationstheorie der Diskursethik auch
hinsichtlich der Operationalisierung in der empirischen Forschung brach. Er böte allerdings
die Chance, ein in Theorie und Praxis ‚realistisches‘ und dennoch normativ gehaltvolles Jour-
nalismus-Bild zu zeichnen, das deutliche ethische Implikationen beinhaltet. Dieses würde nicht
mehr überholte Kriterien wie „Objektivität“ und „Neutralität“ in den Mittelpunkt rücken,
sondern zum einen die Frage nach der Richtigkeit der vorgeschlagenen Handlungsoptionen
und zum anderen Aspekte der handwerklichen Voraussetzungen und der Angemessenheit
eines journalistischen Handelns, das sich explizit als kritisch und interpretierend versteht.
Es lassen sich Reservate eines entsprechend anspruchsvollen Qualitätsjournalismus aufzei-
gen, dem eine den Diskurs ordnende und regulierende Leistung zugeschrieben werden kann:
Ein diskursiv verfasster Qualitätsjournalismus rationalisiert, versachlicht und integriert die in
zahllose räumlich, zeitlich und thematisch gegliederte Teilöffentlichkeiten zerfallene gesell-
schaftliche Kommunikation und ermöglicht so die notwendige Orientierung über den Zustand
des gesellschaftlichen Diskurses. Vermittelt über Leitmedien im Printbereich bzw. Leitsendun-
gen im Fernsehen hat er auch Effekte auf die Berichterstattung anderer Medien, die sich an
seinen Inhalten und Thesen ausrichten1, zugleich aber u.U. in stärkerem Maße auch von
profitorientierten Imperativen getrieben werden. Im Konzept des Qualitätsjournalismus wird
somit das diskursive Potenzial journalistischen Handelns sichtbar, das sich unter entsprechen-
den massenmedialen Rahmenbedingungen entfalten kann. Münch schlägt vor, Qualitätsjourna-
lismus eine regulierende Aufgabe zuzuweisen: Wie Notenbanken durch Zinspolitik die Geld-
menge und damit den Wirtschaftskreislauf steuerten, so könne auch ein selbstbewusster
Qualitätsjournalismus durch eine analytische, auf Zusammenhänge gerichtete, erklärende und
reflektierende Berichterstattung und Kommentierung die Verfasstheit des gesellschaftlichen
Zeitgesprächs regulieren.2 Er stelle damit „das wichtigste Bollwerk gegen die inflationären,
deflationären und rezessiven Tendenzen der unkontrollierten Kommunikationsflut“ dar.3 Auch
für Habermas bilden journalistische Qualitätsangebote wie die überregionalen Tageszeitungen

1 Vgl. de Weck (1999, S. 1), ehemals Chefredakteur der Wochenzeitung „Die Zeit“, der 1999 noch eine „Blüte“
der Qualitätspresse konstatierte: „Deutschland hat eine Vielfalt guter nationaler und regionaler Blätter wie kein
anderes Land; ihr Kapital sind die Leser, die sich mit Schlechtem nicht zufrieden geben.“ Nur fünf Jahre später
allerdings weisen Perger/Hamann (2004, S. 3) daraufhin, dass sich die Funktion des Leitmediums zu der Bou-
levardzeitung „Bild“ verschoben hätte, die mittlerweile sehr wirkungsmächtig das Tableau der öffentlich zu de-
battierenden Themen, ihr Framing bestimme und damit eine „Art medialer Leitfunktion“ ausübe.
2 Vgl. Münch 1993, S. 276f.
3 Ebd., S. 277
380 VII Fazit und Ausblick

„das Rückgrat für die diskursive Innenausstattung einer freien politischen Meinungs- und
Willensbildung“, eine
„[…] argumentative Substanz, die weder die regionale Tagespresse ersetzen noch ein durch Privatisierung be-
drängtes Fernsehen wettmachen kann […] Die überregionale Tagespresse ist lebenswichtig für eine politische
Kommunikation, die ihren Eigensinn behält“.4

Sie bedarf – wie andere qualitativ hochwertige Mediensegmente auch – der gesellschaftlichen
Stärkung. In dieser Hinsicht steht auch die universitäre Journalistik in der Pflicht.

3 Aufgaben und Perspektiven einer kritischen Journalistik


Die Journalistik besitzt sowohl den Anspruch als auch das Potenzial, auf Journalismus einzu-
wirken. Sie gerät damit in die Position, auf einen demokratiekonstitutiven Bestandteil öffentli-
chen Handelns Einfluss auszuüben, um ihn im Interesse der Gesellschaft zu verbessern. „Eine
integrative Journalistik betrachtet Journalismus als Form der diskursiven Selbstverständigung
der Gesellschaft“, ist entsprechend der Perspektivvorschlag, den Lünenborg dem Fach unter-
breitet und der anschlussfähig ist an die Annahme der lebensweltlichen Verankerung journalis-
tisch-kommunikativen Handelns.5
Aus dieser Perspektive ist offensichtlich, dass Journalistik sich nicht auf die Perfektionie-
rung einer medial präfigurierten Zweckrationalität der Produktion medialer Inhalte beschrän-
ken kann, sondern dass sie daneben das kommunikative Rüstzeug angehender Journalisten zu
benennen und zu vermitteln hat. Die universitäre Journalistenausbildung ist eine Gelegenheit,
systematisches Wissen über die ‚Aufgabe‘ des Journalismus zu lehren und so eine Sensibilität
für kommunikative Rationalität und lebensweltliche Verantwortlichkeit zu wecken, die Journa-
listen in ihrem Berufsleben aktiv benötigen, wenn sie sich gegen mediale Imperative behaupten
wollen. Zu verhindern, dass die journalistische Lebenswelt austrocknet, ist eine der wichtigsten – und
vor allem eine der demokratisch relevantesten – Herausforderungen für die Journalistik. Sie
kann dazu beitragen, dass sich Journalismus seine Unabhängigkeit insofern bewahrt, als dass
Journalisten zur Selbstregulierung ihres Handelns befähigt sind und sich in internen Diskursen
über Maßstäbe und Richtlinien ihres guten Handelns verständigen.
Als eine praxisorientierte Wissenschaft ist die Journalistik vorwiegend den Anwendungs-
diskursen verpflichtet, die sich mit der Angemessenheit verschiedener Handlungsmöglichkei-
ten auseinandersetzen. Allerdings ist sie in diesen Diskussionen über die Kriterien eines guten
und gesellschaftlich wünschenswerten Journalismus, die ein Teil einer umfassenderen ‚Media
Governance‘-Struktur sind, nur eine Teilnehmerin neben anderen auch. Zusätzliche Relevanz
entfaltet sie in folgenden Aspekten:
• Sie liefert empirische Informationen über Zustand und Entwicklungen des Mediensys-
tems, über journalistische Optionen im (z.B. nationalen oder genrebezogenen) Vergleich,
kurz: über den strukturellen Rahmen und die latenten Handlungsfolgen des Journalismus.
• Sie hat das Potenzial einer diskursethischen Begleitung der journalistischen Praxis, indem
sie an die Prozeduren einer angemessenen Normfindung erinnert und sich selbst an den
Diskursen über die ethischen Grundlagen journalistischen Handelns beteiligt.

4 Habermas 2003, S. 20; vgl. auch Habermas 2007.


5 Lünenborg 2005a, S. 84
3 Aufgaben und Perspektiven einer kritischen Journalistik 381

• Sie kann als eine zentrale Instanz der Ausbildung des journalistischen Nachwuchses nicht
nur Sach- und Vermittlungskompetenz journalistischer Akteure stärken, sondern sie dar-
über hinaus auch für ihre allgemeine kommunikative Kompetenz sensibilisieren.
Um diese praktischen Leistungen erbringen zu können, steht die Journalistik als junge Diszi-
plin vor der Aufgabe, ihre wissenschaftstheoretischen Grundlagen und ihr Verständnis von
Journalismus entsprechend in theoretischen Diskursen zu klären und gemäß gesellschaftlicher
Erwartungen anschlussfähig zu fundieren. Die Journalistik kann Journalisten dabei anleiten, in
der Anwendung ihrer Vermittlungskompetenz auch den Anforderungen an allgemeine kom-
munikative Kompetenz gerecht zu werden. Im Erfolgsfall steigert dies die Leistungen des
Journalismus für soziale Orientierung durch reflexive Vermittlung und für Teilhabemöglichkei-
ten an Öffentlichkeit durch Inanspruchnahme kommunikativer Kompetenz. Eine Journalistik,
die sich darauf ausrichtet, Qualität und Leistungsfähigkeit des Journalismus zu steigern, kommt
nicht umhin, journalistisch Handelnde immer wieder auf diese Grundierung ihres Handelns
aufmerksam zu machen und ihnen Wege aufzuzeigen, wie sie ihre Kompetenzen gesellschaft-
lich gewinnbringend einsetzen können.
Die Journalistik verschafft sich so nicht nur Interaktionsmöglichkeiten mit Journalismus in
praktischen Diskursen, sondern sie schärft auch ihr Profil als Demokratiewissenschaft, die
darauf zielt, dass die Grundlagen organisierter gesellschaftlicher Kommunikation in modernen
Demokratien vom Typ der Bundesrepublik den deliberativen Leitlinien kommunikativer
Vernunft verpflichtet bleiben. Sie kann daran mitwirken, indem sie mit Nachdruck auf die
kommunikativen Wurzeln journalistischen Handelns verweist und so journalistisch Handelnde
in die Lage versetzt, auch unter den Imperativen eines weitgehend ökonomisierten Mediensys-
tems die Kommunikativität und Diskursivität ihres Handelns zu behaupten. Dazu ist es zum
einen notwendig, die kommunikative Kompetenz durch Sensibilisierung für die Argumentati-
ons- oder Diskursregeln zu stärken. Zum anderen ist an institutionellen Rahmenbedingungen
zu arbeiten, die kommunikativen Journalismus möglich machen.
Um das zu erreichen, ist der Unterschied zwischen systemisch verfassten Massenmedien
und kommunikativem journalistischen Handeln klar zu markieren. Eine Verschleierung des
zumindest potenziell dialektischen Verhältnisses von Journalismus und Massenmedien wäre
kontraproduktiv, da sie den von Kolonialisierung bedrohten Journalismus in seiner Eigenratio-
nalität schwächen würde. Umgekehrt sind romantische Forderungen nach einer Entdifferen-
zierung öffentlicher Kommunikationsstrukturen angesichts der Pfadabhängigkeit der Entwick-
lungen unrealistisch und würden überdies auf eine Kommunikationsverfassung zielen, die in
ihrer Leistungsfähigkeit den differenzierten Bedürfnissen moderner Gesellschaften nicht
gerecht werden könnte und höhere Diskursqualität mit dem (zu hohen) Preis sozialer Exklusi-
vität bezahlen müsste. Notwendig ist es daher, journalistische Potenziale innerhalb der beste-
henden ausdifferenzierten mediensystemischen Strukturen zu stärken. Die Journalistik kann
das emanzipatorische Potenzial des Journalismus gegenüber diesen systemischen Imperativen
anzusprechen. Dazu muss sie sich der kommunikativen Eigenlogik des Journalismus nicht nur
verpflichtet fühlen, sondern sich selbst dieser Rationalität bedienen.
Um diesen Weg weiter zu beschreiten, wären noch etliche Desiderate zu diskutieren, die in
dieser ersten Näherung an die Perspektive zwangsläufig unterbelichtet bleiben mussten.
Abschließend sollen einige dieser Anknüpfungspunkte genannt werden:
• Auf theoretischer Ebene, wäre es von heuristischem Wert, die Integrationsmöglichkeiten von
Strukturierungstheorie und ‚Theorie des kommunikativen Handelns‘ zu prüfen, um zu dif-
ferenzierteren Darstellungsmöglichkeiten hinsichtlich lebensweltlicher Institutionalisierun-
382 VII Fazit und Ausblick

gen und Strukturierungen zu kommen. Damit einher ginge auch die weitere Ausformulie-
rung, Präzisierung und Operationalisierung eines gegenüber (insbesondere kommunikati-
vem) Handeln offenen Systembegriffs, der hier noch recht vage verbleiben musste.
• In konzeptioneller Hinsicht sind vor allem der Publikumsbegriff und damit einhergehend die
Beschaffenheit der kommunikativen (Interaktions-)Beziehung zwischen journalistisch
Handelnden und Rezipierenden diskussionswürdig. Auch Spezifizierungen der Annahmen
im Hinblick auf verschiedene Genres und Formate sind abgesehen von wenigen kultur-
wissenschaftlich orientierten Arbeiten noch selten. In diesem Zusammenhang muss auch
der investigative Recherche-Journalismus noch einmal gesondert thematisiert werden, da
er im Besonderen auf eine aktivische Informationsbeschaffung durch Journalismus ver-
weist, die hier nicht spezifisch behandelt worden ist. Dabei geht es um absehbare Modifi-
kationen und Präzisierungen hinsichtlich auch strategischer Kommunikationsmotive mit
Blick auf eine höherrangige Kommunikativität in deliberativer Öffentlichkeit.
• In praktischer Hinsicht von Interesse wäre die Operationalisierung der vor allem diskurs-
ethisch grundierten Überlegungen in journalistikwissenschaftliche Curricula und in institu-
tionalisierte Anwendungsdiskurse in der Praxis. Gleiches gilt für die Institutionalisierung
einer journalististikwissenschaftlichen Medienkritik, die zum Ziel hat, kommunikative Po-
tenziale anzusprechen und zu stärken
Ebenso wie die hier vorgelegten Überlegungen wären auch alle diese Präzisierungen nicht
werturteilsfrei, sondern der Idee eines Journalismus verpflichtet, der mehr sein soll als ‚content
production‘ oder ‚content management‘. Es geht um einen Journalismus, der sich seiner
kommunikativen Grundlagen versichert und diese selbstbewusst im Interesse des öffentlichen
Diskurses einsetzt. Forderungen nach einem Ende der Kolonialisierung des Journalismus
durch ökonomische Imperative haben nur dann Sinn, wenn sie mit einer Revitalisierung eines
diskursiven Journalismus einhergehen. Hierzu kann die Journalistik wertvolle Dienste jenseits
der in der Praxis gängigen Mischung aus ideologischer Selbstüberhöhung und Defaitismus
leisten, indem sie kommunikative Potenziale identifiziert und bekräftigt. Journalistik und
Journalismus können den Weg zu einer solchen Stärkung journalistischer Eigenrationalität und
damit letztlich zur Stärkung demokratischer Möglichkeiten als Beteiligte an einem gesell-
schaftsweiten Aufklärungsprozess nur gemeinsam gehen. Sie können sich die Wegstrecke
überdies wechselseitig erleichtern, wenn sie einander auch als Weggefährten anerkennen und
miteinander im Gespräch bleiben.
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Index

anwaltschaftlicher Journalismus 212ff., Erkenntnistheorie 56, 75, 159


218
Ethik 38, 96, 131, 165, 198, 240, 288, 306,
Argumentativität 205, 235, 322, 378 315ff., 336, 342ff., 350ff., 361, 377f.
Beobachter 32, 35, 57, 59, 67f., 86, 88ff., Funktionalismus 40, 56, 170, 172, 214f.
93, 95f., 159, 182, 220, 231, 345, 353
gatekeeper 302, 303, 328
Berufsideologie 40, 272, 298, 345, 377
Gegenöffentlichkeit 183, 211, 313
constraints 33, 96, 243, 250, 253, 280,
Geltungsansprüche 17, 27, 35, 85, 87ff.,
289, 335, 342
159, 164f., 170, 174, 176, 178ff., 184ff.,
Cultural Studies 13, 56, 167, 198, 204, 189ff., 195, 199ff., 205, 207f., 221, 223,
230ff., 374 225f., 235, 238f., 248, 254, 275, 291,
306, 315, 328, 342, 345, 350ff., 376, 378
Deliberation 216, 304, 319, 330, 333, 342,
367, 372, 375, 378 gesellschaftliches Zeitgespräch 98, 140,
147f., 151ff., 155f., 167, 169, 174, 181,
Demokratietheorie 73, 320, 322, 342
187, 198, 204, 221, 325, 348, 377
Diskursanwalt 33, 98, 161, 163, 165, 170,
Gesellschaftstheorie 15, 20, 29f., 75, 80,
172, 200, 217, 306, 343
101, 107, 118, 163, 166, 210, 253, 258,
Diskursethik 34, 305f., 314ff., 342ff., 373
354ff., 375, 377ff.
Gespräch zur Zeit Siehe gesellschaftliches
diskursive Repräsentanz 165, 200, 354, Zeitgespräch
377
Gesprächsanwalt 141, 143, 162, 343
diskursiver Journalismus 29, 31ff., 173,
Gesprächsmetapher 116
212, 218, 240, 277, 298, 306, 309, 327,
331, 335f., 342ff., 348, 369, 371f., Handlungskoordinierung 16, 43, 88, 117,
375ff., 382 177f., 180, 187, 190, 204, 252
Diskursivität 18, 34, 200, 203, 319, 342, Handlungstheorie 16f., 22, 35, 60, 96, 143,
344, 349, 350, 353, 370, 381 235f., 239, 252, 255
Diskursprinzip 321, 369, 372 Humankommunikation 13, 74, 168, 190f.
Diskurstheorie 20f., 29, 35, 160, 315, institutionelle Vorkehrungen 34, 318f.,
319ff., 336f., 342f., 349f., 354 332, 358, 370
Emanzipation 30, 101, 299, 328, 348, 350 Inszenierung 346, 355
Erkenntnisinteresse 20, 62, 76, 83ff., 93, Integrationsleistung 188, 201
95f., 195
Index 435

Interaktion 13, 16f., 27, 49, 67, 157, 167, Kommunikatorrolle 117, 138f., 176
169f., 174ff., 180ff., 188, 205, 208ff.,
Konsenstheorie der Wahrheit 75, 89
217, 219, 221f., 230f., 235, 237f., 246,
250, 258, 274, 278, 286, 289, 295, 335, Konstruktivismus 35, 56f., 59ff., 69f., 86,
343ff., 349, 357, 374, 376, 379 90f., 93, 137, 158, 214
Journalismusforschung 20f., 40, 42, 47f., korrespondierender Journalismus 98, 121,
52, 58, 63f., 69, 71, 77f., 90, 93, 95, 98, 123, 125
100, 102f., 119, 131f., 136, 138, 141,
144, 149, 160, 173, 175, 190, 197, 209, Kritische Theorie 13, 15f., 19, 57, 79ff.,
214, 234, 236, 238, 246, 272, 281, 294, 84f., 92ff., 207, 231, 239, 241, 276, 309
300, 353, 373 kritischer Rationalismus 40, 82, 84, 159
Journalistenausbildung 44, 47ff., 64, 68, Lebenswelt 16ff., 26, 28f., 33f., 75, 87, 89,
95, 347, 380 96f., 106, 112, 117, 165, 167, 172f., 178,
Journalistik 12ff., 21f., 29f., 32, 34ff., 41, 181, 188, 202, 219ff., 236, 238, 241,
43ff., 60ff., 68ff., 80, 83, 90, 92ff., 143, 249ff., 263, 270f., 273ff., 305, 309ff.,
146f., 177, 200, 239, 245, 277, 297, 314, 316, 319f., 324, 326, 328, 330, 333,
347f., 360, 370, 372f., 379ff. 335, 341, 349, 354, 375ff., 380

journalistische Qualität 50, 336, 346, 355 Legitimismus 141

Kolonialisierung 96, 173, 243, 274ff., 280, mass communication research 46, 77
282f., 285, 290, 295, 297f., 301, 305, Massenmedien 14f., 21, 23, 25f., 28, 33,
312, 327, 332, 339, 342, 377, 381f. 37, 47, 49, 53, 61, 76, 96, 140, 163,
Kommunikationspolitik 34, 358f., 361, 166f., 176, 180, 182f., 186, 191, 195f.,
364 200, 204, 207, 211, 215, 218, 220, 224,
226ff., 243, 245ff., 253, 255ff., 261,
Kommunikationstheorie 15, 21, 58ff., 85, 264ff., 268f., 271f., 274, 290, 299ff.,
91, 219, 239, 379 304f., 312, 324, 326ff., 333ff., 356ff.,
362f., 365, 368ff., 375ff., 381
Kommunikationswissenschaft 14, 21, 23,
32, 35ff., 45, 47ff., 52ff., 59f., 62, 70, Media Governance 34, 306, 364f., 368ff.,
75ff., 81ff., 86, 90f., 94f., 99, 104, 201, 376ff.
230ff., 239, 253, 356
Mediatisierung 243, 274, 278, 280, 295,
kommunikative Kompetenz 33, 93, 128, 301
167, 172, 174, 177, 183, 205ff., 213f.,
218, 237, 303, 307, 354, 356f., 377, 378, Mediator 176, 236, 344
381 Medienöffentlichkeit 306, 336ff.
kommunikative Macht 113, 212, 248, 326, Medienpolitik 264, 336, 356f., 359, 362ff.,
328f., 331, 356 368, 372
kommunikative Vernunft 16, 28, 134, Mediensystem 20, 55, 69, 246f., 250, 255,
171, 239, 243, 250, 273, 276, 314, 319, 267, 272f., 289, 291, 299, 302, 304, 313,
332, 349, 381 339, 345, 357, 360, 362, 366, 369, 372
Kommunikator 116, 139f., 142, 162, 176, Nachrichtenfaktoren 203, 216, 351, 369
208, 230, 236
436 Index

Nachrichtenjournalismus 115, 198, 216, 320ff., 327f., 334f., 338, 346, 352, 356,
302f. 363, 369, 378
Objektivität 70, 86, 89, 134, 138, 152, 158, Publizistikwissenschaft 12, 32, 36, 39, 46,
182, 196, 199, 214, 242, 352, 379 63, 76, 82, 92, 99, 139ff., 143, 160, 240,
245
Öffentlichkeit
als Sphäre 19, 28, 30, 33, 103, 105ff., Qualitätsjournalismus 301, 379
110, 113, 116f., 166, 215, 224, 227f.,
Quellenkritik 195, 200, 354
259, 275, 301, 307, 310ff., 321, 324f.,
332, 334, 337, 339, 342, 349 Räsonnement 32, 98, 108ff., 115, 117ff.,
bürgerliche 98, 101ff., 107, 109, 113f., 125f., 128, 131, 133ff., 139f., 143, 145,
117ff., 123, 125, 127, 134, 148, 167, 148ff., 153, 155f., 161, 164, 167f., 173,
197, 256f., 260, 307, 319 175ff., 180, 197, 199f., 212, 236, 256,
deliberative 22, 29, 33, 103, 306, 319, 307, 312, 319, 321, 374
322f., 325, 343, 356, 368, 370, 376f.,
382 Rationalität
diskursive 33, 306, 314, 321, 324, 329, instrumentelle 16, 19, 179, 228, 239
338, 354, 372 kommunikative 16, 18ff., 32, 66, 75, 98,
Strukturwandel der 14, 21, 98, 107, 166, 106, 166, 168, 174f., 178, 205, 210,
243, 256, 258, 270, 312, 327, 350 218, 232, 236, 240, 244f., 249, 257,
259, 276, 278, 282, 306, 308ff., 321,
Ökonomisierung 25, 28, 167, 176, 256, 323, 337, 351, 354, 356, 369, 371, 380
259, 261ff., 267, 272, 294, 299, 304
Redaktion 44, 58, 121, 128f., 242, 272,
Orientierungsaufgabe 196ff., 204, 210 279ff., 285, 288, 291ff., 351
Orientierungsleistung 197, 200, 233ff. redaktioneller Journalismus 98, 121f.,
128ff., 282, 284
Partizipation 177, 205, 208ff., 220, 233,
257, 304, 321f., 328, 330, 348, 350 Reduktion von Komplexität 57, 203, 282
politische Ökonomie 46, 272 Referat 32, 119, 128f., 131, 133, 137, 143,
148f., 153, 155ff., 163, 199, 374
Positivismus 78, 81f.
reflexive Vermittlung 33, 167, 192, 194f.,
Positivismusstreit 80, 82
200, 228, 236f., 303, 307, 329, 336, 344,
Pressefreiheit 40, 49, 117, 130, 137, 197, 352, 377, 381
260, 312, 360
Regulierung 263f., 269, 305, 326, 361,
Propaganda 82, 153, 166, 187, 277 367, 369
Prozeduralismus 320 Rekonstruktivismus 35, 89, 137
Public Journalism 215ff., 374 Ressorts 280, 291, 294, 297
Public Relations 166, 187, 189, 245, 275, Rezipienten 29, 75, 136, 150, 172, 177,
277 181, 187, 190f., 193f., 198, 201, 205,
207f., 211f., 214, 216, 230, 232ff., 263,
Publikum 28, 48, 62, 104, 110f., 114, 117,
352ff., 377
119ff., 123, 126, 130, 139, 142, 149, 154,
156, 163, 165, 177, 182, 197, 199, 206, Rollenerwartungen 98, 176, 274
209, 211, 227, 233f., 257, 259, 270, 312,
Index 437

Rollenmuster 32, 136, 144, 155, 168, 250, Verberuflichung 129, 175ff., 218, 240,
296, 305 272, 286ff., 300, 302, 305, 307, 342
schriftstellernder Journalismus 98, 118, Vermittlerrolle 138, 140
121f., 125ff., 129, 133f.
Vermittlung 23f., 32, 34, 48, 51, 72, 93,
soziale Integration 16ff., 188, 220f., 119, 131, 133, 135, 144f., 147ff., 160ff.,
224ff., 227, 229, 240, 251ff., 275f., 335 173, 175, 187f., 192ff., 198f., 201, 204,
208, 211f., 214, 228, 236, 246, 256, 327,
Sozialisation 52, 118, 206f., 220f., 224ff.,
330, 339, 343f., 351ff., 370, 374, 377,
229, 242, 253, 275, 316
379
Steuerungsmedien 16, 19, 26, 33, 250ff.,
Verständigung 11, 15, 18ff., 29, 34, 43, 66,
257, 269, 274, 300, 308, 376
69, 74, 77, 85, 87, 92f., 95, 118, 166,
Strukturierung 14, 62, 164, 194, 243, 247, 168ff., 173f., 177ff., 183f., 186ff., 191,
253, 268, 272, 278, 280, 292, 295, 339, 193, 205ff., 217f., 220f., 226f., 229, 237,
373 239ff., 247, 250ff., 266, 287, 290, 292,
295f., 300ff., 305, 307ff., 313, 319, 328,
Subjektivität 134, 138, 182, 199, 238 337, 340, 342ff., 357, 370, 374f., 377f.
symbolischer Interaktionismus 184, 192, Verständigungsorientierung 16, 26f., 29f.,
234f. 167, 170, 183ff., 189, 223, 236f., 240,
Systemtheorie 17, 22, 35, 50, 56, 57, 59ff., 267, 274, 315, 337, 351
65ff., 90, 93, 96, 104, 214, 239, 252, 254, Vertrauen 197, 270, 349, 353
266ff., 333, 379
virtuelle Teilnahme 35, 87, 91, 378
Teilhabe 113, 167, 170, 174, 190, 193,
205, 208ff., 212f., 221, 230, 266, 342, Werturteilsstreit 81f.
354, 366, 374, 377
Zeitgespräch der Gesellschaft Siehe
Theorie des kommunikativen Handelns gesellschaftliches Zeitgespräch
15f., 18, 20ff., 26, 90, 160, 163f., 166f.,
Zeitungswissenschaft 32, 36, 39, 42, 45,
171ff., 179, 190, 235, 237f., 240, 242,
110, 114, 116f., 140, 141, 143, 168
254, 269, 307, 310, 320, 374, 381
Zivilgesellschaft 326, 331, 334, 369
Theorie und Praxis 11, 13, 39, 42, 44,
49ff., 53, 55, 64, 75, 92, 216 zivilgesellschaftliche Akteure 326, 328,
330f., 365, 367f., 376
Universalpragmatik 30, 166, 171, 179,
182, 220

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