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UPA 238 Helfert 2013
UPA 238 Helfert 2013
Band 238
2013
herausgegeben
von
Britta Ramminger
Ole Stilborg
Markus Helfert
2013
ISBN 978-3-7749-3857-1
Die Reihe „Universitätsforschungen zur prähistorischen Ursprünglich hatten sich fünf Universitätsinstitute in
Archäologie“ soll einem in der jüngeren Vergangenheit Deutschland zur Herausgabe der Reihe zusammengefun-
entstandenen Bedürfnis Rechnung tragen, nämlich Exa- den, der Kreis ist inzwischen größer geworden. Er lädt alle
mensarbeiten und andere Forschungsleistungen vor- interessierten Professoren und Dozenten ein, als Mithe-
nehmlich jüngerer Wissenschaftler in die Öffentlichkeit rausgeber tätig zu werden und Arbeiten aus ihrem Bereich
zu tragen. Die etablierten Reihen und Zeitschriften des der Reihe zukommen zu lassen. Für die einzelnen Bände
Faches reichen längst nicht mehr aus, die vorhandenen zeichnen jeweils die Autoren und Institute ihrer Herkunft,
Manuskripte aufzunehmen. Die Universitäten sind des- die im Titel deutlich gekennzeichnet sind, verantwortlich.
halb aufgerufen, Abhilfe zu schaffen. Einige von ihnen Sie erstellen Satz, Umbruch und einen Ausdruck. Bei
haben mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln gleicher Anordnung des Umschlages haben die verschie-
unter zumeist tatkräftigem Handanlegen der Autoren die denen beteiligten Universitäten jeweils eine spezifische
vorliegende Reihe begründet. Thematisch soll darin die Farbe. Finanzierung und Druck erfolgen entweder durch
ganze Breite des Faches vom Paläolithikum bis zur Ar- sie selbst oder durch den Verlag Dr. Rudolf Habelt GmbH,
chäologie der Neuzeit ihren Platz finden. der in jedem Fall den Vertrieb der Bände sichert.
Zusammenfassung
In den vergangenen fünf Jahren wurde am Institut für Archäologische Wissenschaften der Goethe-Uni-
versität Frankfurt am Main die portable energiedispersive Röntgenfluoreszenzanalyse für den Einsatz zur
geochemischen Charakterisierung von Keramik evaluiert und in einer Reihe von Projekten eingesetzt.
Die innerhalb der Keramikforschung seit kurzem erfolgreich angewendete Methode bietet, aufgrund
der Möglichkeit umfangreiche Messserien durchführen zu können, insbesondere für wirtschaftsarchäo-
logische Fragestellungen ein großes Potential. Gegenüber bisher gebräuchlichen Analyseverfahren
sind jedoch gewisse Messabweichungen zu beobachten, die es kritisch zu prüfen gilt. Bei sorgfältiger
Anwendung und Beachtung grundlegender Aspekte, die im folgenden Beitrag vorgestellt werden, ist
inzwischen eine hohe Qualität der Messergebnisse erreichbar, die weitreichende Perspektiven für die
Untersuchung von Keramik in der Archäologie eröffnen.
Summary
In the past 5 years, the Institute of Archaeological Sciences at the Goethe-University in Frankfurt/Main
evaluated the portable energy dispersive X-ray fluorescence analysis for use for geochemical charac-
terization of ceramics. Within the research field of archaeometry of ceramics the recently successfully
applied method offers to have great potential, especially for economic archaeological studies,
because of the possibility to be able to perform extensive series of measurements. Compared
to previously commonly used methods of analysis, certain measurement errors are observed,
which is necessary to examine it critically. With careful application, taking into account funda-
mental aspects that are presented in the following paper, a high quality of measurement results
has now been reached that open up broad prospects for the study of ceramics in archeology.
Keywords: Portable energy dispersive X-ray fluorescence analysis, geochemical analysis, evaluation,
ceramics research, provenance determination, Economic Archaeology
Markus Helfert ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Archäologische Wissenschaften der
Johann Wolfgang Goethe Universität Frankfurt am Main und seit 2010 Leiter der „Forschungsstelle
Keramik“. Im Rahmen seiner dortigen Tätigkeit leitet und betreut er Forschungsprojekte in Deutschland
und international vom Neolithikum bis ins Mittelalter. Sein persönlicher Forschungsschwerpunkt liegt
in der Produktion, Distribution und Konsumption von Keramik des 1. bis 4. Jh. n. Chr. in den römischen
Nordwestprovinzen und der Anwendung geochemischer Analysemethoden zur Herkunftsbestimmung.
15
45
40
35
30
Anteil�Publikationen�zu
25
Prozent
Keramikfunden
20 Anteil�Publikationen�zu
Materialanalysen�an�Keramik
15 Verhältnis
Archäometrie/Fundbearbeitung
10
0
1970 1980 1990 2000 2010
Publikationsjahr
u. Labore) und verschiedenen Probenaufbe- zum ersten Mal über die Möglichkeit, in die-
reitungsmöglichkeiten zu erreichen. ser Hinsicht neue Wege in der Umsetzung
International betrachtet, ist sowohl die von Forschungsfragen zu gehen. Bis heute
Grundlagenforschung zum Verfahren der P- ist es jedoch nicht gelungen, im gemeinsa-
ED-RFA abgeschlossen als auch die Anwend- men Verbund zwischen Archäologie, Natur-
barkeit auf verschiedene Materialgattungen wissenschaften und den Geräteherstellern die
im Detail dargestellt (vgl. POTTS/WEST 2008; Applikationen besser für die Einsatzbereiche
HELFERT/RAMMINGER 2012; SHACKLEY 2012; in der Archäometrie abzustimmen, so dass als
SHUGAR/MASS 2012). Seit ca. 4 Jahren werden Folge hiervon fertige Konzepte und Appli-
anwendungsbezogene Studien publiziert, in kationen aus anderen Anwendungsgebieten,
denen die archäologische Relevanz der neu- wie z. B. der Bergbauexploration oder Altlas-
en Methode nachgewiesen und unterstrichen tenerkennung mit anderen Aufgabenstellun-
wird (GOODALE ET AL. 2011; GOREN/MOMM- gen und Qualitätsanforderungen verwendet
SEN/KLINGER 2011; vgl. die einschlägigen werden müssen.
Fachzeitschriften Archaeometry und Journal In der Diskussion um die Evaluation und
of Archaeological Science.). In Deutschland den Einsatz der P-ED-RFA als Methode der
zeigt sich hingegen ein anderes Bild. Nach Herkunftsbestimmung von Keramik wird
einer Phase der generellen Ablehnung die- aus Sicht des Verf. ein grundlegender Punkt
ser Methode durch etablierte Archäometer in manchen Veröffentlichungen nicht ausrei-
wird heute zum Teil immer noch die Diskus- chend differenziert dargestellt. So wird die
sion darüber geführt, ob die P-ED-RFA ein P-ED-RFA unmittelbar der INAA gegenüber
„gutes oder schlechtes“ Verfahren sei. Dabei gestellt und im Vergleich der Ergebnisse de-
wird außer Acht gelassen, dass diese Metho- ren geringere Präzision und Genauigkeit und
de bisher bewährte Laborverfahren generell das kleinere messbare Elementspektrum be-
nicht ersetzt oder ersetzen soll, sondern mit tont (SPEAKMAN ET AL. 2011, 3495; BEHRENDT
ihren Möglichkeiten und Grenzen nur eine ET AL. 2012, 107). Schon aufgrund ihrer stark
und nachvollziehbar charakterisiert werden Fragen sind häufig auf einzelne Epochen be-
(z. B. FORSTER ET AL. 2011). Dadurch wird der zogen, Fundplatz oder regional ausgerichtet
Vergleich zwischen den einzelnen Verfahren und umfassen Aspekte der Herstellung, des
und Instrumenten verzerrt. Ein transparenter Gebrauchs sowie der Herkunft von Keramik.
und kritischer Umgang in der Darstellung der Aus den Fragestellungen und dem zur Verfü-
verwendeten Analysemethoden von Seiten gung stehenden Material (Grundgesamtheit)
der Naturwissenschaften wäre nicht nur wün- wird in der Regel ein Projekt entwickelt, bei
schenswert, sondern in der zurzeit kontrovers dessen Gestaltung zu prüfen ist, ob die ge-
geführten Diskussion dringend notwendig, stellten Fragen mit den vorhandenen Funden
um die verschiedenen Möglichkeiten und und Befunden unter Einsatz welcher Metho-
Grenzen auf eine sachlichere Basis zurück- den beantwortet werden können. Auf diese
zuführen2. Eine objektivere Vorgehensweise Weise kann beurteilt werden, welche Metho-
bestünde darin, die Messergebnisse an iden- den zielorientiert anwendbar sind und wie die
tischen Ausgangsproben für diejenigen che- Stichprobengröße (Untersuchungseinheit)
mischen Elemente präzise zu vergleichen, sein sollte, um zu statistisch belastbaren, re-
die für die Verfahren im selben analysierba- präsentativen Ergebnissen zu gelangen. Mit
ren Konzentrationsbereich liegen, dies unter der Auswahl geeigneter Verfahren sind zum
Berücksichtigung aller zufälligen und syste- einen deren inhärenten Grenzen und zum
matischen Messabweichungen, die potentiell anderen die Auswahlregeln (zufällige oder
auftreten können. Im Anschluss daran kann bewusste Auswahlprozesse) für die Stich-
dann aufgezeigt werden, welche Ergebnisse probe darzustellen. Aus den Parametern er-
mit dem erweiterten Elementspektrum er- gibt sich schließlich die Projektstrategie, die
zielt werden können. Wichtig ist dabei, dass insbesondere beim Einsatz mehrerer Verfah-
die Resultate jeweils auf ihre archäologische ren an einzelnen Fundexemplaren auch die
Plausibilität geprüft werden. Abfolge der Probenvorbereitung-/entnahme
Die folgenden Ausführungen sollen in erster mit berücksichtigen sollte, um für alle Un-
Linie Aspekte des praktischen Umgangs mit tersuchungen ausreichende Materialmengen
der P-ED-RFA beginnend von der Proben- zu haben.
auswahl bis zur Messung darstellen. Hierbei In archäometrischen Studien wird oftmals der
werden die in den vergangenen fünf Jahren archäologische Kontext, aus dem die unter-
erkannten Einflussfaktoren auf die Analyse- suchte Keramik stammt, nicht ausreichend
ergebnisse genannt und diskutiert. beachtet. Dies führt dazu, dass der Eindruck
entsteht, die naturwissenschaftlichen Unter-
suchungen würden um ihrer Selbstwillen oder
Voraussetzungen als „nice to have“ durchgeführt. Die Fundkon-
texte sind jedoch zum einen entscheidend für
Vor jedem Einsatz einer Analysemethode die Formulierung der Ausgangsfragestellun-
bedarf es konkreter archäologischer Frage- gen, welche Grundlage der Analysestrategien
stellungen, die im hier dargestellten Fall mit sind, und zum anderen essentiell für die In-
Hilfe von Untersuchungen an Tonen/Lehmen terpretation der Messergebnisse, die sich aus
und Keramik beantwortet werden sollen. Die der Diskussion der generierten Daten und der
19
Funde sowie Befunde entwickelt. Häufig ist zu verwenden. Die Untersuchung von Wand-
in Publikationen zu sehen, dass die Analysen scherben, die archäologisch nicht ausgewer-
als Anhang beigefügt werden und wenig ge- tet werden können, sollte deshalb der Vergan-
genseitiger Bezug in den naturwissenschaft- genheit angehören. Wichtig für die spätere
lichen und archäologischen Ausführungen Auswertung der Messreihen ist, dass die für
besteht. Wie wichtig die enge Verzahnung die analysierten Scherben identifizierbar
der beiden Disziplinen ist, wurde bereits an bleiben und zur Überprüfung oder weiteren
verschiedenen Stellen, unter anderem von Messung im Gesamtfundmaterial leicht wie-
G. Schneider (1978, 65 f.) hervorgehoben. der gefunden werden können. Hierzu ist eine
Es gilt Fehlinterpretationen zu vermeiden, Inventarisierung ebenso Grundvoraussetzung
Ergebnisse zu präzisieren und das weiterfüh- wie das Verpacken der Stücke, am besten in
rende Potential für wirtschaftsarchäologische separaten Plastikfundtüten, um eine Kon-
Betrachtungen nicht zu vergeben. Eine gute tamination durch gemeinsames Lagern von
archäologische Material- und Befundkennt- Scherben in einer Fundkiste zu verhindern.
nis sowie präzise Fragestellungen an die zu Gerade bei einer Massenbeprobung, wie sie
untersuchenden Waren- und Objektgruppen mit der P-ED-RFA möglich ist, setzt dies eine
führen in der Regel zu den überzeugendsten entsprechende Planung zu Verbrauchsmateri-
Ergebnissen. alien und der Inventarisierung voraus. Wenn
immer möglich, sollte die Dokumentation der
analysierten Keramikfragmente auch Fotos
Probenauswahl und Zeichnungen umfassen.
Wie im Fall der archäologischen Provenienz-
Ausgangspunkt jeder archäometrischen Un- bestimmung beruht auch die geochemische
tersuchung von Keramik sollte eine sorgfäl- Herkunftsuntersuchung auf dem Vergleich,
tige archäologische Bestimmung, Dokumen- ein Faktor, der häufig nicht die gebührende
tation und Katalogisierung sein (TITE 1999, Aufmerksamkeit erfährt. Verglichen werden
182). Neben der Ansprache eines Objekts hierbei chemische Elementprofile („Finger-
hinsichtlich der Form, des Typs, eventueller prints“) von Proben unbekannten Ursprungs
Varianten und Verzierungstechniken ist eine mit Referenzdaten, die z. B. anhand von Fehl-
solide makroskopische Beschreibung der Wa- bränden aus einer bekannten Töpferei ein de-
reneigenschaften, wie z. B. Ton, nichtplasti- finiertes lokales oder regionales Elementmus-
sche Bestandteile, Poren, Engoben, etc. von ter repräsentieren (vgl. TITE 1999, 200). Diese
grundlegender Bedeutung; ohne sie kann spä- komparative Methode setzt eigentlich voraus,
ter keine stichhaltige Auswertung durchge- dass neben den Objekten, deren Herkunft be-
führt werden (zur Definition von Warengrup- stimmt werden soll, auch ein großer Teil der in
pen vgl. VON PETRIKOVITS 1972, 131; HEISING Frage kommenden Produktionsorte mit einer
2007, 119; BRULET ET AL. 2010, 10 ff.). Es ist ausreichend großen Referenzprobenserie ana-
für die Bestimmung der genannten Merkmale lysiert wird, sofern diese Daten nicht bereits
vorteilhaft, sogenannte diagnostische Scher- aus früheren Studien zur Verfügung stehen.
ben (z. B. Randscherben, verzierte, gestem- In der Realität ist dieser notwendige Ansatz
pelte Scherben) für archäometrische Studien jedoch aus finanziellen Gründen häufig nur
20
Abb. 2: Methodisches Vorgehen zur Herkunftsbestimmung von Keramik anhand des Vergleichs von Ein-
zelproben mit Referenzgruppen.
sehr eingeschränkt umsetzbar und wie bereits brand produziert wurde und sich hierdurch
in der Vergangenheit durchgeführte Projekte kaum Befunde einer lokalen Herstellung er-
zeigen, nur dann möglich, wenn die Frage- halten haben, sind überall dort, wo Fehlbrän-
stellungen entsprechend stark reduziert wer- de in einem Töpfereizusammenhang – in der
den, so dass eine Reihe an Referenzgruppen Regel Ofenbefunde und Abfallgruben – auf-
erstellt werden kann. Andererseits ist immer gefunden werden, aussagekräftige Referenz-
wieder zu beobachten, dass an das Material gruppen aufbaubar (TITE, 1999, 200. Abb. 2).
gestellte Fragen nicht im Verhältnis zu den in Aus diesem Grunde ist die Erstellung von
der Regel kleinen, finanzierbaren Probense- Referenzgruppen für Epochen, in denen die
rien stehen. Aus vergleichender statistischer Menschen ohne spezielle Produktionseinrich-
Perspektive betrachtet haben Ergebnisse aus tungen Keramik hergestellt haben, ungleich
solchen Serien für wirtschaftsarchäologische schwieriger, da die Definition über verschie-
Untersuchungen für sich genommen nur we- dene Hypothesen und Prämissen im Hinblick
nig Relevanz. Aufgrund der dargestellten auf das analysierte Fundmaterial geschehen
Rahmenbedingungen entstehen für bestimmte müssen (Ramminger et al. 2010). Als Ver-
Forschungsregionen meist erst über mehrere gleichsgrundlage dienen hierbei sog. Pseu-
Jahrzehnte hinweg Schritt für Schritt dichter doreferenzgruppen, die z. B. Keramikgefäße
werdende Netze von Referenzgruppen (vgl. mit ausschließlich lokal auftretenden Verzie-
z. B. für das Rhein-Main-Neckar-Gebiet HEL- rungselementen umfassen, ohne dass jedoch
FERT 2010, 141 f.). gleichzeitig ausgeschlossen werden kann,
Im Gegensatz zu vorgeschichtlichen Epo- dass sich innerhalb der definierten Grup-
chen, in denen Keramik weitgehend ohne pe auch importierte Stücke mit imitierten,
technische Einrichtungen im offenen Feld- identischen Verzierungen befinden. Aus den
21
genannten Punkten lässt sich methodisch ab- derlich, die die Streubreite der in einer Pro-
leiten, dass an die zu bildenden Referenzgrup- duktionsstätte verwendeten Tonmassen gut
pen hohe Qualitätsansprüche gestellt werden darstellt. Aus rein statistischen Erwägungen
müssen. Nicht nur das archäologische Kera- sollte dabei eine Mindestanzahl von 30 Pro-
mikmaterial sollte sorgfältig ausgesucht sein, ben nicht unterschritten werden (vgl. zur
sondern die für die geochemischen Analysen Größe von Referenzgruppen TITE 1999, 197;
eingesetzten Verfahren sollten über eine große SCHNEIDER et al. 1989, 21). Wie der Verf. am
Präzision und Genauigkeit verfügen und ein Beispiel der römischen Töpfereien von Groß-
Spektrum mit 30 bis 40 Elementen abdecken, Gerau aufzeigen konnte (HELFERT 2010, 141
um die Referenzgruppen im besten Falle ein- ff.) ist es hilfreich, die Probenauswahl für die
deutig gegenüber anderen definieren zu kön- Referenzgruppen an den archäologisch und
nen (MOMMSEN 2004, 268 f.; MOMMSEN 2007, am Scherben makroskopisch definierten Wa-
180 f.). Demzufolge sind Analyseverfahren rengruppen zu orientieren. Auf diese Weise
wie die INAA, ICP-MS und neuerdings die können Untergruppen entdeckt und die Ge-
Totalreflexions-Röntgenfluoreszenzanalyse samtreferenzgruppe in ihrer Struktur präzi-
(TRFA) mit rund 30 bis 40 messbaren Ele- siert werden.
menten für diese Aufgabenstellung besonders Bei der Herkunftsbestimmung von Keramik,
geeignet3. die auf dem Vergleich von geochemischen
Beim Erstellen geochemischer Analyseda- Messergebnissen von Scherben mit Refe-
ten zur Herkunftsbestimmung von Keramik renzgruppen beruht, ist es wenig sinnvoll,
können zwei Wege beschritten werden, die den Fokus auf die Beprobung von Einzel-
zu unterschiedlichen Auswahlkriterien für stücken zu legen. Vielmehr gilt es, im Ge-
die Proben führen. Unterschieden wird a) das samtmaterial erkannte und archäologisch
induktive Vorgehen, bei dem zunächst Refe- definierte Gruppen, z. B. gleicher Warenart,
renzgruppen anhand von geeignetem Mate- Verzierungstechnik etc., oder auch aus ei-
rial aus den Produktionsstätten gebildet und nem geschlossenen Befund, zunächst hin-
daraufhin Einzelproben aus anderen Befun- sichtlich ihrer geochemischen Ähnlichkeit
den mit diesen verglichen werden, und b) das zu prüfen. Hierzu ist je nach Gruppengrö-
explorative Vorgehen, bei dem anhand der ße eine Stichprobe von 10, besser jedoch
Ausgangsfragestellung eine Anzahl von Pro- von mehr als 30 Exemplaren zu analysieren
ben unbekannter Herkunft auf ihre geochemi- (SCHNEIDER ET AL. 1989, 21). Leider wird
sche Ähnlichkeit geprüft wird. In der Regel dieser Grundsatz zu wenig befolgt. Nur mit
werden in archäometrischen Untersuchungen statistisch relevanten Gruppengrößen kann
beide Ansätze gleichzeitig verfolgt, da entwe- bei der Auswertung der Analysedaten ge-
der bereits Referenzgruppen aus anderen Pro- prüft werden, inwiefern die archäologisch
jekten existieren, oder anhand von Prämissen definierten Gruppen geochemisch homogen
oder archäologischen Kriterien einige Grup- oder heterogen sind. Im Falle von Einzel-
pen mit einem Produktionsort in Verbindung stücken, die geochemisch nicht zu anderen
gebracht werden können. Gruppen zuzuordnen sind, ist nicht zu ent-
Für die Erstellung von Referenzgruppen ist scheiden, ob es sich nicht auch um zufällige
eine ausreichende Anzahl von Proben erfor- Messabweichungen handeln kann, insbe-
22
sondere dann, wenn nur ein Messergebnis Essenziell für präzise (=geringe zufällige
pro Exemplar vorliegt. Freilich existieren Messabweichungen) und genaue (=geringe
auch Fragestellungen, welche die Analyse systematische Messabweichungen) Mess-
von Einzelstücken erfordern, beispielsweise ergebnisse ist zunächst eine solide werksseiti-
wenn gezielt nach bestimmten Produkten in ge Kalibration des Spektrometers. Diese wird
datierungsrelevanten Befunden gesucht wird im Falle der Instrumente von Thermo Scien-
(HELFERT 2009, 342). Aus dem Blickwinkel tific Niton basierend auf den Fundamental-
der wirtschaftsarchäologischen Forschung parametern in Kombination mit der Vermes-
ist es deshalb notwendig, im Vorfeld geoche- sung von internationalen Referenzstandards
mischer Untersuchungen eine der Fragestel- erreicht, die für jeden der vier Messfilter
lung angemessene Stichprobenstrategie zu jeweils eine Minute lang analysiert werden.
entwickeln, um die naturwissenschaftlichen Bereits bei der Anschaffung des Analysators
Ergebnisse auf den gesamten keramischen gilt es, mit dem Vertreiber die Elementsuite
Bestand übertragen zu können, denn es wird und die Qualität der Kalibration abzuklären,
auch zukünftig kaum möglich sein, Fundbe- um für den geplanten Einsatzbereich des Ge-
stände in ihrer Gesamtheit zu analysieren. rätes die geeigneten messbaren Elemente mit
einer guten Justierung zu erhalten.
Die Kalibration für den sogenannten Mi-
Werkskalibration – Feinkalibration ning-Modus, der für silikatische Proben ent-
wickelt wurde, ist entscheidend für das Ver-
Die Gerätespezifikationen, Funktionsweise ständnis, unter welcher Voraussetzung ein
und technischen Voraussetzung des an der portables Röntgenfluoreszenz-Spektrometer
Goethe-Universität verwendeten portablen adäquate, auf Referenzstandards beziehbare
Spektrometers der Firma Thermo Scientific Messergebnisse liefert, und warum der Ana-
Niton (Xl3t-900S He GOLDD+) wurden be- lysator für den späteren Einsatz an anderen
reits ausführlich dargestellt (HELFERT/BÖHME Probenmatrices angepasst werden muss (vgl.
2010, 13 ff.; HELFERT ET AL. 2011, 6 ff.), so RAMSEY 2008, 45). Sie geschieht an feinst
dass an dieser Stelle lediglich auf die wich- pulverisierten, getrockneten Proben, die sich
tigsten Aspekte eingegangen wird. Aufgrund in Behältern hinter einer wenigen µm star-
der technischen Weiterentwicklung der Hard- ken Mylarfolie (Polyethylenterephthalat-Po-
und Softwarekomponenten wurde das Spek- lyesterfolie) mit einer sehr ebenen Probeno-
trometer der Forschungsstelle Keramik in berfläche befinden. Das Pulver gewährleistet
den vergangen Jahren wiederholt aufgerüs- dabei eine homogene Verteilung der Mine-
tet. Dadurch wird gewährleistet, dass für die ralien in der Probenmasse, wie sie bei den
Analyseprojekte die jeweils aktuellste Gerä- unmittelbaren Oberflächenmessungen an
teperformance zur Verfügung steht. Insbe- frischen Brüchen archäologischer Keramik
sondere für das Element Magnesium konnte nicht gegeben ist. Der Behälter mit der Folie
auf diese Weise eine deutliche Verbesserung verhindert zudem, dass das Probenmaterial
der Nachweisgrenze auf ca. 2500 ppm erzielt unmittelbar am Messkopf des Spektrometers
werden. Zurzeit läuft das Instrument mit der anliegt. Die Mylarfolie schwächt dabei trotz
Softwareversion 8.0.1. ihrer geringen Stärke die Röntgenfluores-
23
Abb. 3: Streudiagramm Silicium gegen Calcium mit den Messwerten der Referenzroben aus Groß-Ge-
rau. Zu erkennen sind die systematisch niedrigeren Messwerte für Silicium aus den Messungen mit der
P-ED-RFA, die mit einem Korrekturwert angepasst werden können.
zenzstrahlung ab, die zum Detektor zurück Sand gestrahlte Fläche, ein Anschliff oder ein
gelangt. Bei der Messung an keramischen frischer Bruch, ist mit unterschiedlich hohen
Objekten ohne Folie tritt diese Art der Sig- Messabweichungen zu rechnen.
nalabschwächung dagegen nicht auf. Als Gute Messergebnisse können bei der Analy-
Konsequenz aus dieser Art der werkseitigen se von Pulverpresstabletten, die mit Wachs
Grundkalibration der Spektrometer ergibt als Bindemittel (z. B. Höchst Wachs C) her-
sich, dass vergleichbare und auf die verwen- gestellt und üblicherweise bei der Analyse
deten Standards rückführbare Ergebnisse nur mit WD-RFA verwendet werden, bereits un-
dann erzielt werden können, wenn die Kera- ter Verwendung der Gerätegrundkalibration
mik ebenso zuvor pulverisiert und in einem erzielt werden. Jedoch sind hierbei die nicht
Probenbehälter mit Mylarfolienabdeckung vorhandene Mylarfolie und die Verdünnung
präpariert wird. In diesem optimalen Fall des Pulvers durch das Wachs bei der Betrach-
können die Analyseergebnisse unmittelbar tung von Messabweichungen zu berücksichti-
zur weiteren Auswertung verwendet werden. gen. Keramikpulver stellt für die Analyse mit
Bei jeder anderen Art der Probenbeschaf- der portablen RFA die geeignetste Proben-
fenheit, sei es die originale Oberfläche, eine form dar. Für andere Oberflächenstrukturen
24
Abb. 4: Streudiagramm Rubidium gegen Strontium mit den Messwerten der Referenzproben aus Groß-
Gerau. Die Messwerte beider Methoden stimmen unmittelbar überein.
muss die Kalibration angepasst werden, um Für die zusätzliche Anpassung des Spektro-
die dabei auftretenden zufälligen und syste- meters im Hinblick auf die Messung an un-
matischen Messabweichungen auszugleichen. terschiedlichen silikatischen Proben wie z. B.
Diese entstehen vor allem durch die Hetero- Gesteinen, Glas oder Keramik ist es möglich,
genität der Probe, größeren Abständen der im Niton Xl3t im Menü „Justieren“ verschie-
Probe zum Messkopf des Spektrometers (Ver- dene Kalibrations-„Sets“ selbst zu definieren.
ringerung der Informationstiefe) und größeren Hierbei werden mit der Grundkalibration des
Matrixeffekten (größere Streuung, Beugung Mining-Modus zunächst Referenzproben,
und Absorption der Röntgenstrahlung). Diese z. B. Keramiken mit frischen Brüchen oder
werden ausgelöst z. B. durch die ungleichmä- Keramikanschliffe analysiert, von denen be-
ßige, zerklüftete Oberfläche (Oberflächengeo- reits validierte Messergebnisse vorliegen.
metrie) eines frischen Bruchs (MARKOWICZ Da für die Vermessung der internationalen
2008, 21 ff.). In den Abbildungen 3 und 4 ist Standards in der Grundkalibration des Instru-
exemplarisch die systematische Messabwei- ments insgesamt 240 Sekunden veranschlagt
chung für die Elemente Silicium, Calcium, werden, empfiehlt es sich, für die Referenz-
Rubidium und Strontium dargestellt. standards mindestens die gleiche Zeitspanne
25
Calcium
200000
180000 y�=�1,1492x�� 1730,4
R²�=�0,9636
WD�RFA�(Konzentration�in�ppm)
160000
140000
120000
100000
80000
60000
40000
20000
0
0 20000 40000 60000 80000 100000 120000 140000 160000 180000 200000
P�ED�RFA� (Konzentration�in�ppm)
Abb. 5: Ableitung der Korrelationsgeraden zwischen P-ED-RFA (Einfachmessungen) und WD-RFA der
Referenzproben aus Groß-Gerau für das Element Calcium.
zu verwenden. Da bislang keine geeigneten werden im Set „Keramik“ für das jeweilige
Keramikstandards existieren, z. B. mit einer Element eingetragen, so dass ausgehend von
Oberflächenstruktur eines frischen Bruchs, der Grundkalibration die Konzentrationen
werden an der Forschungsstelle Keramik der während des Messvorgangs korrigiert wer-
Goethe-Universität Frankfurt zur Kalibration den. Mit Hilfe dieser zusätzlichen empiri-
140 archäologische Keramikproben unter- schen Kalibration ist es nun möglich, belie-
schiedlicher Tonbeschaffenheit und Herkunft bige Keramiken an einem frisch erzeugten
verwendet, die zuvor in einem Projekt mit der Bruch zu analysieren. Soll beispielsweise an
WD-RFA analysiert worden sind (HELFERT angeschliffenen Stellen gemessen werden, so
2010, 141 ff.). Ausschlaggebend für die Nut- ist hierfür ebenfalls ein entsprechendes Set
zung der WD-RFA Messergebnisse sind die anzulegen, um die auf jene Weise präparier-
in etwa gleiche Anzahl messbarer Elemente te Keramik zu analysieren. Die Messung der
und insbesondere die während der Präparati- Referenzproben und Kalibration wird in der
on erfolgte Homogenisierung des Probenma- Regel nur einmal, zu dem regelmäßigen Ein-
terials. Die Daten der Labormethode dienen satz des Spektrometers durchgeführt und kann
für die Kalibration als Sollwerte, die mit den daraufhin fortwährend verwendet werden,
Istwerten der gemessen Keramikscherben bis technische Veränderungen an der Rönt-
verglichen werden. Üblicherweise ergibt genröhre oder dem Detektor vorgenommen
sich aus der Berechnung für jedes messbare werden. In der Frankfurter Forschungsstelle
chemische Element eine Korrelationsgerade Keramik wurde die Kalibration für Keramik
(y=mx+n) mit Steigung und Abschnitt (Bei- aufgrund der mehrmaligen Aktualisierungen
spiel für Calcium Abb. 5). Beide Parameter von Detektor und Röntgenröhre jährlich er-
26
Tab. 1: Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Präparationsarten für die Messung von Keramik mit-
tels P-ED-RFA.
valide geochemische Analyse von kerami- des Spektrometers durch ein Peltier-Element
schen Fundobjekten mit Hilfe eines portab- auf -30 °C herabgekühlt und die dabei ent-
len Analysators die Proben entsprechend den stehende Wärme an das vordere Gehäuse
gesetzten Anforderungen und den vorhande- abgeleitet. Je höher die Außentemperatur ist,
nen technischen Möglichkeiten vorbereitet desto wärmer wird der Messkopfbereich. Bei
werden sollten. Hierdurch ist die Methode Tageshöchsttemperaturen im Sommer von
nicht zerstörungsfrei, bestenfalls minimal 40 °C bedeutet dies eine Gehäusetemperatur
invasiv. Für museale, vollständig erhaltene von rund 70 °C. Auf die Messergenbisse hat
Keramiken sind deshalb mit den Restaura- dies keinen Einfluss.
toren andere Möglichkeiten zu eruieren oder
entsprechende Messabweichungen je nach
Forschungsfrage in Kauf zu nehmen. Wichtig Temperaturdrift
ist, dass bei der Beschreibung des angewen-
deten Messverfahrens ersichtlich wird, an Bei den frühen Evaluierungen des XL3t 900
welcher Oberflächenart gemessen wurde, um von Niton durch die Frankfurter Arbeitsgrup-
für Dritte, die die Daten überprüfen oder nut- pe war eine beachtliche Temperaturdrift des
zen möchten, die erforderliche Transparenz Instruments während der ersten zwei Stunden
zu schaffen. nach dem Einschalten festgestellt worden. Die
Messungen waren für die genannte Zeitspan-
ne gegenüber den Referenzwerten deutlich
Umgebungsbedingungen zu niedrig. Die Messabweichungen betrugen
insbesondere für die leichten Elemente (Ma-
Neben der Kalibration des Analysators und gnesium bis Schwefel) bis zu 10 Prozent. Mit
Vorbereitung des Probenmaterials sind wäh- der Weiterentwicklung der Detektoren konnte
rend der Messung mit dem portablen Analysa- dieses Problem inzwischen behoben werden.
tor verschiedene Aspekte zu berücksichtigen, Die feststellbaren Abweichungen bewegen
die einen Einfluss auf die Messergebnisse sich in einem Bereich von zwei Prozent rela-
haben können. Zunächst sind hier die Um- tiv und sind nicht mehr erkennbar, wenn der
gebungsbedingungen anzusprechen. Da das Analysator, wie von Thermo Niton empfohlen
Spektrometer nicht ortsgebunden ist, kann es und in der Analytik üblich, mindestens eine
in sehr unterschiedlichen klimatischen Berei- halbe Stunde (besser eine Stunde) vor dem
chen verwendet werden. Stabile Raumkondi- eigentlichen Messeinsatz eingeschaltet wird.
tionen, wie sie in der Regel in einem Labor mit So kann sich das System optimal im Hinblick
konstanter Temperatur und Luftfeuchtigkeit auf die Gerätetemperatur im Messkopf sta-
herrschen, sind beim Einsatz der P-ED-RFA bilisieren. Die „Aufwärmzeit“ zählt deshalb
selten gegeben. Sowohl die Verwendung in mit zu den wesentlichen Punkten, um für die
(Büro-) Räumen als auch im Freien bedingen leichten Elemente präzise Messergebnisse zu
zum Teil starke Schwankungen der beiden erhalten, und sollte im Arbeitsablauf mit Be-
Parameter. Die Temperatur spielt lediglich bei ginn und Pausen berücksichtigt werden.
der Kühlung des Detektors indirekt eine Rol-
le. Dieser wird im betriebsbereiten Zustand
29
Probe Si Ti Al Fe Mn Ca K P S V Cr Ni Zn Rb Sr Y Zr Nb Ba Pb
Rauwandige
251007 3186 56855 35246 349 16205 18093 1266 . 128 89 66 68 143 209 28 179 21 948 23
Ware 0 % rF
Rauwandige
268466 3517 68297 40637 564 20824 19576 1603 216 141 99 67 81 163 257 31 191 23 988 26
Ware 50 % rF
Rauwandige
174011 2863 28996 35202 335 12719 14945 853 . 125 93 56 69 151 215 29 171 22 882 24
Ware 100 % rF
Terra Sigillata
266359 6541 114721 41979 544 77479 32082 872 198 111 157 74 119 162 321 33 182 21 324 27
0 % rF
Terra Sigillata
242573 6160 92968 40419 554 73286 30733 747 275 114 144 60 113 157 310 34 175 20 359 27
50 % rF
Terra Sigillata
219497 5211 70501 34456 468 59851 26596 737 83 90 124 55 96 135 259 29 149 17 285 23
100 % rF
Tab. 2: Messwerte zum Experiment des Einflusses der Feuchtigkeit einer Probe, überprüft anhand einer
Scherbe aus Terra Sigillata und rauwandigen Ware.
300000
250000
Konzentration�(ppm)
200000
150000
100000
50000
0
Rauwandige Rauwandige Rauwandige Terra�Sigillata Terra�Sigillata Terra�Sigillata
Ware�0%��rF Ware�50%��rF Ware�100%��rF 0%��rF 50%��rF 100%��rF
Si 251007 268466 174011 266359 242573 219497
Al 56855 68297 28996 114721 92968 70501
Ca 16205 20824 12719 77479 73286 59851
Abb. 6: Einfluss der Feuchtigkeit einer Scherbe auf die Messergebnisse am Beispiel für Silicium, Alu-
minium und Calcium.
kammer erwiesen, in der das Spektrometer Einsatzes an Fundobjekten von einer höheren
mit dem Messfenster nach oben positioniert Messabweichung für einige Elemente auszu-
ist und sich nach kurzer Zeit viel herabfal- gehen ist (vgl. z. B. HELFERT/BÖHME 2010, 21
lender Staub ansammelt. Aus diesem Grunde Abb. 6). Es ist deshalb bei der Keramikana-
wird von der Frankfurter Arbeitsgruppe un- lytik wenig ratsam Messzeiten zu wählen, die
ter Wahrung des Strahlenschutzes eine seit- unterhalb der Kalibrationszeit liegen, wenn
lich liegende Position des Spektrometers für eine vergleichbare Präzision erreicht wer-
die Messungen bevorzugt, so dass Staub und den soll (vgl. die Messzeiten in GOREN ET AL.
Partikel auf den Arbeitstisch fallen. Von dem 2011, 688; oder die viel zu kurzen Messzeiten
Einsatz des Instruments zur Messung von in DASZKIEWICZ/SCHNEIDER 2011, 22).
Keramik im Grabungszelt oder im Freien ist
abzuraten, da die Staubbelastung beträchtlich
sein kann. Leichte Elemente – Messdauer
Neben den Umgebungs- und gerätetechni-
schen Faktoren ist die Messdauer für ein vali- Ein weiterer zu berücksichtigender Aspekt ist
des Messergebnis entscheidend. Dieser wich- die Messbarkeit der leichten Elemente von
tige Parameter wird oft aus Unkenntnis der Magnesium bis Phosphor. Zwar können die
Gerätetechnik, des Verfahrens und den Zusam- Elemente mit den neueren Silicium-Drift-
menhängen zwischen Zählstatistik, Präzision Detektoren unter normaler Luftatmosphäre
und Kalibration der Instrumente nicht ausrei- gemessen werden, die Abschwächung des
chend berücksichtigt. Da die Messzeit vom Fluoreszenzsignals auf dem Weg zum De-
Gerätebediener im Grunde beliebig gewählt tektor ist jedoch im Vergleich zum übrigen
werden kann, ist hier ein großes Potential für Elementspektrum relativ stark. Liegen die
Messabweichungen gegeben. Dadurch dass Konzentrationen in der Keramik z. B. für Ma-
beim Niton Xl3t 900 das Röntgenfluoreszenz- gnesium unter einem Prozent, so erfolgt eine
spektrum im Mining-Modus in vier separaten sichere Quantifizierung erst nach einer Minu-
Filtern ausgewertet wird, kann die Messzeit te Messzeit im Light-Filter. In den vergange-
jeden dieser Filter einzeln festgelegt werden. nen 5 Jahren hat sich empirisch gezeigt, dass
Auf diese Weise soll dem Nutzer die Mög- für die Messung der leichten Elemente eine
lichkeit gegeben werden, die für seine spezi- Messzeit von 2 Minuten veranschlagt wer-
fische Anwendung optimale Messdauer pro den sollte, um zu einer soliden Zählstatistik
Filter zu verwenden. So reichen z. B. für die zu gelangen. Mit 90 Sekunden für den Main-
schnelle Identifizierung und Quantifizierung Filter, 90 Sekunden für den Low-Filter und
von Hauptbestandteilen eines Stoffes wenige 60 Sekunden für den High-Filter liegen wir
Sekunden aus, während für die Spurenanaly- beim Einsatz des Frankfurter Spektrometers
se längere Messzeiten veranschlagt werden für Keramikeinzelmessungen bei 6 Minuten
müssen. Bei der werkseitigen Grundkalibra- Messzeit. Letztendlich liegt es im Ermessen
tion für den Mining-Modus wird pro Filter des Anwenders mit welchen Elementen und
eine Messdauer von 60 Sekunden verwendet, spezifischen zählstatistischen Messabwei-
insgesamt somit 4 Minuten. Dies bedeutet, chungen er arbeiten möchte. Wichtig ist, dass
dass bei kürzeren Messzeiten während des die entsprechend pro Messfilter verwendete
32
Zeit als Metadaten publiziert werden, damit tiplikation der Standardabweichung mit dem
die Ergebnisse für Dritte nachvollziehbar Faktor 2 oder 3 auf 95,4 oder 99,7 Prozent
werden. erweitert werden kann. Wichtig bei der Er-
mittlung der Wiederholpräzision ist, dass an
Probenmaterial mit typischen Konzentrati-
Präzision onsbereichen für die Analyseaufgabe gemes-
sen wird, z. B. calciumarmer und -reicher,
Für die Beurteilung der Qualität eines Mess- manganarmer und -reicher Keramik. So kann
verfahrens ist neben der Genauigkeit die Prä- die Präzision bei abnehmenden Konzentrati-
zision das zweite wesentliche Kriterium. In onen und nahe der Nachweisgrenze beurteilt
der 2011 veröffentlichten Evaluierungsstudie werden.
(HELFERT ET AL. 2011) wurde bereits auf die Seit der 2011 publizierten Evaluierungsstudie
grundlegenden Aspekte der zufälligen Mess- (HELFERT ET AL. 2011, bes. 25 f. Tab. 1 u. 2)
abweichungen beim Niton Xl3t-900S einge- wurden bei dem in diesem Beitrag vorgestell-
gangen (vgl. zusätzlich MARKOWICZ 2008, 18 ten Instrument der Frankfurter Forschungs-
f.; RAMSEY 2008, 44 f.; GOODALE ET AL. 2011). stelle Keramik der Detektor und die Rönt-
Eine geeignete Möglichkeit die Präzision ei- genröhre aktualisiert (Stand Januar 2013).
nes portablen Spektrometers zu ermitteln, ist Hierdurch konnte die Messpräzision erhöht
die Durchführung von Wiederholmessungen und insbesondere die Messbarkeit von Mag-
durch denselben Anwender, mit demselben nesium bei geringen Konzentrationen verbes-
Instrument, demselben Versuchsaufbau, am sert werden. Die derzeitigen Kennzahlen zur
selben Ort, mit denselben Umgebungspara- Wiederholpräzision sind in Tabelle 3 für eine
metern und innerhalb kurzer Zeitabstände Terra Sigillata aus La Graufesenque wieder-
(BARWICK/PRICHARD 2011, 20 f.). Der Vorteil gegeben, denen 31 Einzelmessungen zugrun-
gegenüber Messverfahren, bei denen das de liegen. Für die Hauptelemente Si, Ti, Al,
Probenmaterial während der Messung ver- Fe, Ca und K ergeben sich Variationskoeffizi-
braucht wird, besteht bei den portablen Spek- enten von unter einem Prozent. Für Mangan
trometern darin, dass die Probe beliebig für liegt dieser um 4,5 Prozent, bei Phosphor um
weitere Tests zur Verfügung steht. Jedoch 8,5 und bei Magnesium um 12 Prozent. Im
sollte darauf geachtet werden, dass durch Fall der Spurenelemente befinden sich die
das Anfassen und die Lagerung mit der Zeit Variationskoeffizienten zwischen ca. 1 (Sr
keine Kontamination der verwendeten Ober- 0,86 %) und 7 Prozent (Ni 7,30 %). Damit lie-
fläche oder ein Materialabrieb geschieht. Die gen die Werte mit Ausnahme von Magnesium
Wiederholpräzision wird für jedes chemische exakt in den Bereichen, die von G. Schneider
Element aus den Ergebnissen unabhängiger (2006, 169) für die Analyse von Haupt- und
Einzelmessungen bestimmt und durch die Spurenelementen mit der WD-RFA angege-
Standardabweichung (σ) oder den Variations- ben werden (siehe auch SCHNEIDER 1978, 71).
koeffizienten (VarK) ausgedrückt. Auf diese Zusammen mit den wenigen, in HELFERT ET
Weise kann die jeweilige zufällige Mess- AL. 2011, 27 Tab. 4 aus publizierten Aufsät-
Tab. 3: Wiederholungsmessung an einer Terra Sigillata Scherbe, statistische Kennzahlen. Messwerte in parts per million.
33
34
P-ED-
RFA RFA NAA NAA De- ICP-MS ICP-MS ICP-OES TRFA
Element RFA
Barcelona Palermo Bonn mokritos Berlin Barcelona Barcelona Frankfurt
Frankfurt
Al 0,3 0,3 . . 10,5 . 3,9 0,9 0,7
Ba 4,3 3 12,5 11 7,6 3,4 4,3 5,1 8,7
Ca 3,6 0,6 19,2 8 2,7 7 . 0,6 0,2
Cr . 2,1 3,3 2,5 10,3 22,7 . 4,8 1,1
Fe 0,4 0,8 1,1 1,1 4,3 . 3,7 0,7 0,2
K 0,9 0,4 2,4 10 4,9 . 3,1 0,8 0,2
Mn 1,6 3,8 . . 4,6 3,6 4,8 4,4 1,0
Nb 4,3 . . . 9,5 8,9 . 4,1 .
Ni 4,5 4,1 22,1 7,1 79,3 12,4 31,4 7,3 1,6
P 11,1 2,2 . . . . . 8,3 1,3
Rb 3 6,7 2,4 4 . 2,6 . 0,9 0,9
Si 0,3 0,2 . 0,6 0,2
Sr 2,1 4,6 . . 9,7 2,8 . 0,9 0,3
Ti 1,7 0,4 25,7 . 4,5 3,4 3,9 0,9 0,3
V 1 3,8 . . . . . 6,2 2,6
Y 2,9 9,4 . . 10,6 . . 2,1 3,2
Zn 1,4 . 8,8 13,6 5,3 . . 2,5 0,6
Zr 2,2 9,7 10,4 18,6 6,3 5,1 . 1,3 .
Tab. 4: Vergleich der Messpräzision zwischen verschiedenen Methoden anhand der Variationskoeffizi-
enten der Frankfurter P-ED-RFA und der in HEIN ET AL. 2002, 546 Tab. 3 publizierten Daten.
holpräzision verschiedener Verfahren (WD- der ICP-(OES/MS) und der INAA nicht die
RFA, INAA, ICP-OES, vgl. HEIN ET AL. 2002, Wiederholpräzision im eigentlichen Sinne
546 Tab. 3) ist belegt, dass die P-ED-RFA un- bestimmt werden, da dieselbe Probensubs-
ter richtigem Einsatz mit den bei dieser Me- tanz nicht ein zweites Mal gemessen werden
thode messbaren Elementen vergleichbar prä- kann. So handelt es sich um verschiedene
zise ist wie andere Verfahren. So zeigt etwa Teilmengen (ca. 80-200 mg) einer größeren
die Studie von Tomlinson 2002, dass sich die aufbereiteten Probenmasse. Hierdurch fließen
ermittelbaren Messabweichungen der Neu- Messabweichungen von der Probenentnahme
tronenaktivierungsanalyse des Archäometrie- über die Probenaufbereitung bis hin zum in-
labors N.C.S.R. Demokritos mit zwischen strumentellen Aufbau des Verfahrens in das
4,8 Prozent für Lanthan und 17,6 Prozent Messergebnis ein. Die besonders starke He-
für Chrom befinden (vgl. zu älteren Bestim- terogenität einer Keramikprobe durch grobe
mungen der Präzision von INAA Messungen nichtplastische Bestandteile führt trotz Pulve-
MAGGETTI ET AL. 1981, 30 Tab. 3). Auch im risierung bei geringer Probenmenge nicht zu
Fall der ICP-MS sind Variationskoeffizien- einer vollständigen Homogenisierung (SWART
ten bei relativ homogenen Keramikproben 2005, 62). In der Zusammenschau der Präzisi-
von 2,7 Prozent für Eisen bis 14,53 Prozent on unterschiedlicher Methoden wird deutlich,
für Zirkon zu verzeichnen (SWART 2005, 64 dass zukünftig für naturwissenschaftliche
Tab. 3,3; vgl. die irreführenden Angaben zu Arbeiten im Zusammenhang mit archäologi-
den Variationskoeffizienten SWART 2005, 63). schen Studien eine gründliche Darstellung der
Streng genommen kann bei Messungen mit zufälligen Messabweichungen zu fordern ist
35
oder zumindest ein Verweis auf eine entspre- ist und die Tone deshalb vorwiegend stark
chend ausführliche Evaluierungsstudie zu den heterogen sind (vgl. z. B. DOLATA/WERR
verwendeten Instrumenten und Probenaufbe- 1999 passim; SWART 2005, 48 ff.), zeigen die
reitungsverfahren. So wird beispielsweise im Tonmassen im Falle von scheibengedrehter
wichtigen Grundlagenwerk zu Elementver- Gebrauchskeramik eine homogenere Zu-
teilungen in Keramikprofilen von A. Schwedt sammensetzung. Dies liegt darin begründet,
keine Angabe zur Präzision des Verfahrens dass die Töpfer etwa durch Schlämmen oder
(INAA) angegeben (SCHWEDT 2004. Vgl. im Sieben die Tone von gröberen Bestandtei-
Gegensatz hierzu die Studie zur ICP-MS von len (Sand und organische Reste) reinigten
KAMBER 2009). Diese Art der Methodendar- und hierdurch homogenisierten (vgl. z. B.
stellung führt langfristig zu einer objektiven SCHNEIDER ET AL. 1989, 15). Auch zusätzlich
Vergleichbarkeit von Messergebnissen und hinzugegebene Magerungsmittel, wie z. B.
zur fragestellungsspezifischen Auswahl einer Sand oder Kalk, sind durch längeres Kneten
Methode. oder Stampfen der Tonmasse als Ausgangs-
produkte für Drehscheibenkeramik relativ
homogen. Anders verhält es sich hingegen
Probenheterogenität – Repräsentativität – bei freigeformter Ware, für die in der Regel
Mehrfachmessung ein geringeres Aufbereitungsmaß und Ho-
mogenisierung von Ton und Magerungszu-
Wie in der Grundlagenstudie von G. Schnei- schlägen festzustellen sind. Entscheidend
der exemplarisch für den Töpfereistandort für die Repräsentativität geochemischer
Rheinzabern (Kr. Germersheim, Rheinland- Analysenergebnisse von Keramikscherben
Pfalz) aufgezeigt wurde, sind in der Gesamt- ist die Größe der Probenmasse, die unter-
betrachtung von Messabweichungen geo- sucht wird. Diese wiederum ist zum einen
chemischer Analysen die unterschiedlichen abhängig vom Grad der homogenen Vertei-
keramischen Warenarten wie Feinkeramik, lung der Tonminerale (plastische Bestand-
Grobkeramik oder Baukeramik mit zu be- teile der Tonmasse) und zum anderen vom
rücksichtigen (SCHNEIDER 1978, 77 ff.). Ver- Grad der homogenen Zusammensetzung
schiedene Ursachen führen zu heterogenen und Verteilung sowie der Menge und Korn-
oder annähernd homogenen Verteilungen größe der nichtplastischen Bestandteile. Um
der plastischen und nicht plastischen Be- eine repräsentative und homogene Masse für
standteile in Keramikmassen. So sind zu- Untersuchungen zu erhalten, werden für La-
nächst die vom Töpfer verwendeten, noch borverfahren größere Keramikmengen (ca.
nicht konditionierten natürlichen Tonroh- 1g oder mehr) zunächst aufgemahlen (in der
stoffe je nach Ausprägung der Lagerstätte Regel feiner 5µm) und daraufhin je nach
in ihrer Zusammensetzung unterschiedlich. Verfahren zusätzlich aufgeschmolzen oder
Insbesondere der spätere Verwendungs- in Lösung gebracht. Dieses Vorgehen führt
zweck einer Tonmasse ist maßgeblich für per se zu einem sehr hohen Homogenisie-
die Selektion und Weiterverarbeitung von rungsgrad der Keramikmasse.
Lehmen und Tonen. Während für Baukera- Die Frage ist nun, was die genommene Pro-
mik der Aufbereitungsprozess relativ gering benmenge repräsentiert: einzelne Komponen-
36
ten der Keramikmasse (Ton, Magerungsbe- schen 3 und 45 (INAA, Terra Sigillata) bzw.
standteile), einen Durchschnitt der beprobten 1 und 5 Prozent (WD-RFA, Terra Sigillata,
Scherbe, das gesamte Gefäß, die ursprüngli- ohne Phosphor. MAGGETTI ET AL. 1981, 29
che Tonmasse, die der Töpfer zubereitet hatte, Tab. 2,C; SCHNEIDER 1978, 80 Tab. 7). Zu ähn-
oder die örtliche Tonlagerstätte? Mit diesen lichen Ergebnissen kommt P. Scholz für mit-
verschiedenen Betrachtungs- und Analyse- telalterliche, Granitgrus gemagerte Keramik
ebenen wird klar, dass z. B. möglichst große (SCHOLZ 2002, 64 Tab. 6.1). Wird zusätzlich
Probenmengen homogenisiert werden müss- die Streuung für die Tonmasse(n) eines Töp-
ten, um ein repräsentatives Ergebnis für ein ferstandorts ermittelt, fallen diese noch etwas
gesamtes Gefäß zu erhalten. Da einerseits höher aus. Für das römische Töpferzentrum
solche Mengen nur in Ausnahmefällen zur von Rheinzabern konnte G. Schneider aus
Verfügung stehen und andererseits angenom- Analysen von 36 Terra Sigillata Scherben Va-
men werden kann, dass die Töpfer zumindest riationskoeffizienten zwischen 2 (Silicium)
für einzelne Herstellungsserien jeweils mit und 19 (Calcium) Prozent ermitteln (SCHNEI-
relativ gut durchmischten – wenn auch nicht DER 1978, 80 Tab. 7). Als Fazit lässt sich fest-
für Bau- und Grobkeramik größere Mengen der Einfluss heterogen in der Tonmatrix ver-
verwendet (SWART 2005, 41; HELFERT 2010, teilter Mineralkörner und Magerungsbestand-
144). teile hoch ist. Pro Messung an einer Scherbe
Wie die Studien von M. Maggetti, A. Schu- mit der P-ED-RFA wird somit lediglich ein
biger und A. Wyttenbach (1981, 29 Tab. 2,C) Ausschnitt erfasst, der nicht repräsentativ
und G. Schneider aufzeigten, liegen die Vari- sein muss, bzw. in den wenigsten Fällen ist
ationskoeffizienten für ein Gefäßindividuum (zur Berechnung der Anzahl von Einzelmes-
bei Messungen an verschiedenen Stellen zwi- sungen s. MARKOWICZ 2008, 27). Wie stark z.
37
Abb. 7: Vorteil von Mehrfachmessungen an einer Probe zur Erhöhung der Präzision von Messergebnis-
sen am Beispiel römischer Keramik von der Haselburg bei Hummetroth. Offene Kreise = Einzelmessun-
gen, gefüllte Quadrate = Mittelwerte.
B. die Variabilität von Gesteinstrümmern als den Messabweichungen ist die Mehrfach-
Magerungsmittel in Keramik sein kann zeig- messung. Diese Vorgehensweise ist in der
ten W.-A. Kahl und B. Ramminger durch µ- Analytik ein gängiges Verfahren. So werden
CT Analysen an neolithischen Scherben aus beispielsweise beim Einsatz der Elektronen-
Hamburg-Boberg (KAHL/RAMMINGER 2012, strahlmikroanalyse (ESMA) und Mikrorönt-
18 Abb. 8 A-D). Mit Hilfe virtueller Schicht- genfluorenzenzanalyse (μ-RFA) entweder an
bilder wird in den dort dargestellten Fällen ausgewählten Stellen oder nach dem Zufalls-
deutlich, wie schwierig es ist, z. B. bei der prinzip Messungen durchgeführt und die
Präparation eines Dünnschliffs eine für die Werte gemittelt. Niemand käme dabei auf die
Gesamtscherbe repräsentative Lage zu fin- Idee, beide Methoden deswegen als wenig
den. So schwanken in den Beispielen die brauchbar zu beurteilen. Im Falle der P-ED-
Anteile der Gesteinsmagerungsbestandteile RFA werden pro Scherbe Messungen an min-
zwischen ca. 10 und 20 Prozent. Mindestens destens drei Stellen durchgeführt und hieraus
ähnliche Streubreiten wären beim Einsatz der der Mittelwert für jedes Element berechnet.
P-ED-RFA zu erwarten. Auf diese Weise werden alle zufälligen Mess-
Eine adäquate Methode zur Reduzierung der abweichungen gemittelt und eine virtuelle
auf einer heterogenen Verteilung beruhen- Homogenisierung der Probenmasse erreicht.
38
Proben-
Si Ti Al Fe Mn Mg Ca K P S V Cr Zn As Rb Sr Y Zr Nb Ba Pb
Nr.
H071 305184 3833 77637 35030 476 17467 36591 21397 653 109 89 85 60 8 110 123 29 217 15 459 26
H071 306037 3803 78186 35036 505 15772 36519 21612 759 124 84 89 60 6 109 122 29 213 16 457 27
H071 306530 3821 77996 34639 483 15901 36573 21657 727 101 73 87 59 7 108 123 28 212 16 445 27
H071 305642 3840 78544 34830 482 16219 36497 21493 714 130 82 81 61 6 108 125 30 212 16 455 28
H071 305461 3765 78919 34377 482 17023 36278 21254 729 110 93 77 61 9 107 123 28 209 15 454 26
H071 306862 3710 79006 34458 475 15546 36246 21189 784 108 85 90 58 7 109 123 29 212 15 445 26
H071 304539 3734 79230 34285 493 18030 36031 21195 782 89 76 83 61 10 107 122 30 210 15 442 25
H071 305566 3733 79505 34382 470 16519 36045 21303 747 99 86 80 62 7 111 121 28 210 15 451 26
H071 306502 3776 78884 34331 491 16022 36105 21432 769 93 81 73 61 5 108 123 28 210 15 456 29
H071 304926 3775 79359 34227 428 17673 35963 21211 729 141 73 77 59 6 108 122 28 209 15 443 27
H071 307952 3856 79217 34675 456 13557 36330 21517 757 117 88 77 61 9 107 123 28 213 16 445 23
H071 308617 3830 78911 34905 477 12774 36581 21506 718 115 86 82 63 8 110 123 28 212 16 448 26
H071 305192 3748 80169 34129 467 16638 36024 21287 705 110 89 85 58 9 106 122 29 208 15 434 26
H071 305024 3818 80215 34046 465 17220 35780 21059 795 121 89 82 57 5 105 121 28 206 15 404 29
H071 306246 3803 79720 34292 487 15913 35936 21268 689 111 82 77 61 7 108 121 27 207 15 449 26
H071 305271 3791 79816 33908 464 17216 35956 21088 770 119 76 71 58 7 108 120 28 207 15 449 25
MW 305972 3790 79082 34472 475 16218 36216 21342 739 112 83 81 60 7 108 122 29 210 15 446 26
Stab 1116 43 738 346 18 1407 271 180 38 13 6 5 2 2 1 1 1 3 0 13 1
VarK% 0,36 1,14 0,93 1,00 3,72 8,68 0,75 0,85 5,20 11,82 7,31 6,68 2,66 22,83 1,27 1,02 2,69 1,31 3,00 2,92 5,53
H071a 314366 3719 79661 34732 356 14578 28771 21742 644 62 85 81 58 8 111 112 27 218 14 400 24
H071b 303019 3321 85046 29532 463 20875 34847 19949 979 235 79 74 56 6 98 112 26 203 12 495 26
H071c 315486 3470 78071 31676 419 17538 29185 21559 793 134 67 81 59 6 104 112 28 216 14 458 27
MW 310957 3503 80926 31980 413 17664 30934 21083 805 144 77 79 58 6 105 112 27 212 13 451 26
Stab 6897 201 3655 2614 54 3150 3395 987 168 87 9 4 2 1 6 0 1 8 1 48 2
VarK% 2,22 5,75 4,52 8,17 13,05 17,84 10,97 4,68 20,87 60,30 12,22 4,79 3,24 16,21 6,20 0,38 2,80 3,90 6,80 10,59 5,81
Tab. 5: Wiederholpräzision und Mehrfachmessung für die Probe H071 (tongrundig rauwandige Ware) aus Groß-Gerau. Messwerte in parts per million.
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Als effektivste Art der Mehrfachmessung wird mik (vgl. Tab. 5). Hieraus wird deutlich, dass
von G. Liangquan (2008, 162 Abb. 7.15) eine beim Einsatz der P-ED-RFA nicht mit we-
Messanordnung vorgeschlagen, bei der sich sentlich größeren Messabweichungen auf der
die einzelnen Messpunkte nicht überlappen. Betrachtungsebene eines Gefäßes zu rechnen
Dies ist jedoch gerade bei kleinen Scherben ist als diejenigen, die bei der Messung von
nicht immer möglich, so dass hier teilweise Proben auftreten, die von unterschiedlicher
Überlappungen in Kauf genommen werden Stellen eines Gefäßes stammen und mit an-
müssen. In der Praxis werden gerade für die deren Analysemethoden untersucht wurden.
in hohen Konzentrationen vorkommenden Wenn bei der Analyse von Keramik die Mehr-
Hauptelemente Silicium, Aluminium, Calci- fachmessung zum Erlangen einer virtuellen
um, Magnesium, Kalium und Eisen bessere Homogenisierung angewendet wird, kann
Resultate gegenüber Einzelmessungen er- letztlich mit den gleichen robusten Ergebnis-
zielt, aber auch für die Spurenelemente ergibt sen gearbeitet werden, als würden Laborme-
sich eine höhere Präzision. Einen gewissen, thoden Verwendung finden.
aber akzeptablen Nachteil bedeutet dabei
die Verdreifachung der Messzeit auf rund 20
Minuten; dem steht jedoch ein weiterer über- Datenaufbereitung
zeugender Vorteil, das schnelle Erkennen von
Ausreißern gegenüber. Denn letztlich kann Der Einsatz der P-ED-RFA hat gezeigt, dass
im Fall einer Einzelmessung nicht zweifels- es praktisch ist, während der Messungen ein
frei entschieden werden, ob es sich bei den Protokoll zu führen, indem zu den Proben-
gemessenen Konzentrationen wirklich um nummern alle auftretenden Vorkommnisse
einen bei der Messung aufgetretenen Fehler notiert werden. Obwohl eine Reihe von Me-
handelt oder ob die Gehalte konsistent sind. tadaten bereits vom Instrument mit aufge-
Graphisch ist dies auf einfache Weise z. B. in zeichnet wird, und vom Anwender weitere
bivariaten Diagrammen darstellbar (Abb. 7). Informationen zum Objekt eingegeben wer-
Darüber hinaus werden zukünftig durch die den können, die später im Datensatz mit auf-
Mehrfachmessungen Metadaten zu Einzel- geführt werden, sind zusätzliche Angaben,
proben und Warenarten entstehen, die uns die z. B. zu falsch eingetragenen Werten, oder
Heterogenität der chemischen Zusammenset- Gründe für den Abbruch einer Messung, für
zung von Tonmassen bzw. Keramiken aufzei- die spätere Datenpflege hilfreich. Ebenso von
gen und uns dadurch helfen, die Gesamtstreu- Vorteil ist, die Daten am gleichen Tag vom
ung von Gruppen besser zu verstehen. Für Gerät herunter zu laden und die Datentabelle
die Probe H071 (vgl. HELFERT 2010, 141 ff.; auf ihre Konsistenz hin zu überprüfen. In der
HELFERT ET AL. 2011, 8), einer mit Sand gema- Übersicht fallen in der Regel schnell Messab-
gerten Kochkeramik, liegen die Messabwei- weichungen, d. h. unnormal hohe oder nied-
chungen für die Dreifachmessung zwischen rige Konzentrationen sowie fehlende Werte
2 (für Silicium) und 21 (Phosphor) Prozent auf. Wenn diese nicht bereits während der
und befinden sich somit in dem Bereich der Messung erkannt wurden, so besteht die Mög-
oben zitierten Studien für die Heterogenität lichkeit, die Proben nochmals zu messen und
der Elementkonzentrationen in Gefäßkera- den Anomalien (z. B. Kontaminationen durch
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Abb. 8: Das “Frankfurter Modell” mit der Strategie zu geochemischen Untersuchungen von Keramik.
führen, dass er quasi sein Labor in der Hand diese Weise können die zufälligen Messab-
trägt und für die Messungen, die er erhebt, weichungen durch Mittelung reduziert, die
prinzipiell alle Aspekte des Qualitätsmanage- Proben virtuell homogenisiert und so die Prä-
ments von der Probenvorbereitung über die zision erhöht werden.
Kalibration bis zur Datenüberprüfung ebenso Der Vergleich der Wiederholpräzision zwi-
gelten, wie für stationäre Messinstrumente. schen den verschiedenen Analyseverfahren
Zur Professionalität im Umgang mit einem zu den mit der P-ED-RFA messbaren Ele-
Analysengerät gehört auch, dass der Anwen- menten, veranschaulicht, dass mit Ausnahme
der es (a) genau kennt und (b) den für das In- des Elements Magnesium entsprechend ähn-
strument entwickelten Anwendungsbereich lich Werte hinsichtlich der Präzision erreicht
richtig einschätzt. Wie in diesem Beitrag dar- werden, besonders in Relation zur WD-RFA.
gestellt wurde, sind die Feinkalibration des Wird das portable Verfahren unter den in
Spektrometers und die Probenvorbereitung diesem Beitrag ausgeführten Aspekten sorg-
wesentliche Eckpfeiler für eine erfolgreiche fältig angewendet, sind darüber hinaus die
quantitative Analyse. Dadurch dass es sich Voraussetzungen gegeben, anhand der geo-
bei der P-ED-RFA gewissermaßen stets um chemischen „Fingerabdrücke“ der untersuch-
Oberflächenanalysen handelt, ist ein beson- ten Keramikproben Herkunftsbestimmungen
deres Augenmerk auf die Heterogenität der durchzuführen. Gegenüber den Labormetho-
Keramikprobe zu legen. Als sinnvoll und den ist freilich das kleinere Spektrum sicher
praktikabel, trotz der dadurch steigenden messbarer Elemente eine Einschränkung bei
Zeitspanne für die Analyse einer Scherbe, der Durchführung von Herkunftsbestimmun-
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