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[batt08]

Batthyany, A. and M.F. Peschl (2008):

Mentale Verursachung. Prämissen,


Ansätze und mögliche Wege aus den
Dilemmata
In M.F. Peschl and A. Batthyany (Eds.), Geist als Ursache. Mentale
Verursachung im interdisziplinären Diskurs, pp. 7–21. Würzburg:
Königshausen und Neumann.

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AUTHOR = {A. Batthyany and M.F. Peschl},
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Interdisziplinarität | Denken | cognitive science | neuroscience | }
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08. Aug 2008


Das Problem der mentalen Verursachung kommt nicht zu-

Geist als Ursache?


letzt dadurch zustande, dass wenigstens zwei Perspektiven
einander gegenüberstehen: hier die Gewissheit, dass unser
Geist ursächlich wirken kann, dort die Intuition, dass die Markus F. Peschl
physikalische Welt einer mentalen Einwirkung gegenüber
verschlossen ist. Aus der Perspektive der Alltagspsychologie Alexander Batthyany (Hrsg.)
behaupten wir in der Regel etwas, von dem wir zugleich
ahnen, dass es unter physikalischen Gesichtspunkten äu-
ßert unwahrscheinlich, wenn nicht gar unmöglich ist: dass
unsere Existenz als wollende und wirkende Bewusstseins-
Geist als Ursache?
wesen einen erheblichen Unterschied für den Verlauf der
Geschehnisse unserer Umgebung darstellt. Zugleich scheint
Mentale Verursachung im
der Wissenszuwachs über die physikalische Welt zunehmend
den Raum zu verkleinern, in dem derselbe erkennende Geist
interdisziplinären Diskurs

Peschl / Batthyany (Hrsg.)


sich noch als wirkendes Wesen verstehen kann.

Die in diesem Band vereinten Texte nähern sich dieser Pro-


blemstellung aus verschiedenen Perspektiven und vor dem
Hintergrund unterschiedlicher Wissenschaftstraditionen an.
Die eigene Erfahrung, die Introspektion und die subjektive
Zugangsweise werden ebenso in den Blick genommen wie
eine philosophische, psychologische, neurowissenschaftliche
bis hin zu einer quantenphysikalischen Herangehensweise.
Es ist klar, dass diese Fragen nur interdisziplinär untersucht
werden können; dieser Sammelband unternimmt den Ver-
such, diesem Anspruch nach Integration gerecht zu werden,
indem er aktuelle Forschung, Ansätze und Argumente aus
einem weiten Spektrum an beteiligten Disziplinen zur Frage
der mentalen Verursachung zu Wort kommen und in Inter-
aktion treten lässt.

ISBN 978-3-8260-3806-8

9 783826 038068
Königshausen & Neumann
Mentale Verursachung: Prämissen, Ansätze und
mögliche Wege aus den Dilemmata

Alexander Batthyany/Markus F. Peschl

Mentale Verursachung?

Im Titel dieses Buches wird die Frage gestellt, ob Geist als Ursache wirken kann
– mit anderen Worten, ob die Anwesenheit des Geistes, bzw. des Mentalen, aus
sich heraus oder im Verbund mit ausgewählten physikalischen Strukturen den
natürlichen Verlauf der Ereignisse intentional steuern oder zumindest beeinflus-
sen kann. Im Kern des Problems der mentalen Verursachung steht allgemeiner
formuliert die Frage, wie das Verhältnis des Mentalen zur physikalischen Welt zu
denken ist. Intuitiv und präreflexiv ist die Antwort auf diese Frage schnell gege-
ben: in einer kritischen Anzahl von Fällen, so scheint es uns, liegt es tatsächlich
an uns und unseren Entscheidungen, wie wir handeln und unsere Welt durch
unser Handeln prägen und beeinflussen. Wenn wir nun in diesem Zusammen-
hang von „uns“ sprechen, meinen wir dabei zumeist weniger unsere physische
Gestalt als vielmehr das, was unsere physische Gestalt bewegt, bzw. konkreter
das, was ihr die Gründe und Absicht vorgibt, sich auf diese und keine andere
Weise zu bewegen. Anders gewendet beschreibt mentale Verursachung den ein-
zigen Fall, in dem wir Verursachung nicht nur beobachten, sondern auch von
innen her wahrnehmen. Denn das Einzige, das wir aus der Perspektive der ersten
Person als aktives Element unserer Welt kennen, sind wir selbst als Subjekte –
alles andere geschieht mit oder gegen unsere Zustimmung, aber nicht durch
unser Wollen. Mentale Verursachung ist daher auch etwas Exklusives, insofern
sie etwas zutiefst Individuelles beschreibt: In jeder Erlebniswelt gibt es nur einen
sich selbst erlebenden Verursacher, und dieser ist immer ein Subjekt – eine erste
Person. Diese erste Person ist zugleich im konkreten Einzelfall allem Anschein
nach auch die einzige Instanz, die darüber Auskunft geben kann, ob sie über-
haupt absichtsvoll (oder etwa bloß versehentlich) verursachend wirkte. Auf-
grund dieser und weiterer in der Bewusstseinsliteratur diskutierter Eigenschafts-
profile kommt der ersten Person eine Sonderposition in der natürlichen
Ordnung der Dinge zu. So scheint es – zumindest solange, wie wir Verursachen
und Erleben aus der Perspektive des Subjekts sehen.
Ganz anders ist es, wenn wir jenen Sonderfall, den wir als “mentale Verursa-
chung“ bezeichnen, von außen betrachten. Dann wird bald deutlich, dass physi-
kalische und mentale Verursachung trotz ihrer subjektiv erlebten Verschieden-
heit weitaus mehr gemeinsame als trennende Eigenschaften aufweisen: Denn
abgesehen von dem Willenserlebnis, das mentale Verursachung auszeichnet, gilt,

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dass jede Ereigniskette, deren Verursacher wir sind, an unsere räumliche Anwe-
senheit als Teile der physikalischen Welt gebunden ist – kein Ding bewegt und
ändert sich nur auf unser Wollen hin, wenn wir die Änderung nicht physisch her-
vorbringen (oder andere beauftragen, sie hervorzubringen). Wenn wir daher
unserem Wollen Ausdruck in der Welt verleihen möchten, dann ist unser Wollen
auf unser Tun angewiesen und unser Tun auf unseren Körper. Ist das der Fall,
beschreibt der andere Körper bewegende eigene Köper bereits eine physikalische
Kausalkette. In jedem Fall aber ist es unsere physische Bewegung, die anderes
bewegt – der einzige Unterschied zwischen mentaler und herkömmlicher Verur-
sachung besteht also lediglich darin, dass manche unserer Bewegungen als
absichtsvoll erlebt werden. Dieser einzige – rein subjektive – Unterschied, so
besagt das Modell der mentalen Verursachung, rechtfertigt überhaupt erst die
Tatsache, dass wir mit der mentalen Verursachung von einem Sonderfall der Kau-
salität und mit dem Mentalen von einem eigenen Ursachentypus sprechen.
Wenn man aber zunächst nur den physikalischen Bereich der makroskopi-
schen Objekte in Betracht zieht, dann ist unsere intuitive Selbstbeschreibung als
„mentale Verursacher“ mit einem Mal recht problematisch. Das Problem stellt
sich hier wie folgt dar: alles, was sich an uns bewegt, wenn wir verursachen,
besteht aus derselben Art von Materie, die die gesamte physikalische Welt kons-
tituiert. Dementsprechend sind die Vorgänge und Prozesse, die unsere Körper
als verursachend in Erscheinung treten lassen – und auch jene, die im Vorfeld der
Bewegung im Gehirn stattfinden – dieselben, die bei der Wechselwirkung aller
anderen physikalischen Objekte stattfinden. Man unterscheidet in der Physik
vier fundamentale Arten der Kräfteeinwirkung, mit der materielle Entitäten
wechselwirken, und sie alle sind notwendigerweise physikalischer Natur (schwa-
che, starke, elektromagnetische oder Gravitationsfelder). Welches physikalische
Ereignis auch immer man untersucht, eine oder mehrere dieser kausalen Fakto-
ren beschreiben und begründen seinen Verlauf hinreichend – mehr ist nicht nur
nicht nötig, sondern im Interesse des Prinzips der Sparsamkeit auch gar nicht in
Anschlag zu bringen.
Für jedes physikalische Ereignis (und solche soll ja mentale Verursachung
bewirken können) wird man folglich stets eine physikalische Ursache dafür und
niemals etwas essentiell Anderes wie einen sich subjektiv erlebenden mentalen
Verursacher finden. Dieser ist, wie wir gesehen haben, erstens exklusiv in jeweils
nur seiner subjektiven Erlebniswelt gegeben und bezieht seine Rechtfertigung
zudem lediglich aus introspektiven Zuschreibungen, also wiederum im „Innen-
raum“ des Subjektiven. Die Physik kennt nichts von alledem: wie es scheint, ist
es nicht nur nicht notwendig, sondern äußerst fragwürdig, wenn man nicht-
physikalische (mentale) Ursachen dann postuliert, wenn erstens die Wirkung
eine physikalische ist und zweitens in nachvollziehbarer Weise physikalische
Ursachen vorliegen (ein sich bewegender Körper). Wer andererseits ein physika-
lisches Ereignis wie einen Lawinenabgang durch das absichtsvolle (intentionale)
Bewirken durch mentale Substanzen wie Naturgeister erklärt, bringt offenkun-

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dig keine besonders glaubwürdige Erklärung hervor; vor allem aber lässt er die
evidenten physikalischen Ursachen des Lawinenabgangs außer Acht, wodurch
sich seine Erklärung, wenn er auch ihren physikalischen Aspekten gerecht wer-
den will, unnötig verkompliziert.
Zweifel an der Existenz nicht-physikalischer Kausalfaktoren scheinen also
durchaus gerechtfertigt zu sein, und es ist in Folge nur ein kleiner Schritt vom
Anerkennen materieller Ursachen zu der naheliegenden Annahme der kausalen
Geschlossenheit des physikalischen Bereichs, d.h. dem prinzipiellen Ausschluss
nicht-materieller Ursachen aus sämtlichen physikalischen Geschehnissen. Diese
intuitiv durchaus naheliegende Position besagt, dass die Ursachen eines physika-
lischen Ereignisses nur von der gleichen Art – also physikalisch – sein können.
Interessanterweise bedient sich unsere Alltagspsychologie beider Intuitio-
nen – der Wirklichkeit der mentalen Verursachung und der kausalen Geschlos-
senheit des Physikalischen. Allerdings können beide nicht gleichzeitig wahr sein:
Wenn wir letztere ernstnehmen, annullieren wir zugleich erstere; nehmen wir
erste ernst, annullieren wir die letztere. Nun beruht auf dem physikalischen
Ursachenmonismus nicht zuletzt unsere lebenslange Sicherheit im Umgang mit
der Welt: Da physikalische Ursachen aufgrund ihres gesetz- oder zumindest sta-
tistisch regelmäßigen Auftretens für uns meist verhältnismäßig absehbar sind,
können wir unser Verhalten nach unserer Kenntnis dieser Ursachen richten.
Andererseits gilt: so entgegenkommend dieser Sachverhalt für das alltägliche
Erleben des Menschen ist, so abweisend verhält er sich gegenüber seiner intro-
spektiven Einschätzung als Quelle seines Verhaltens, und damit auch dem Stre-
ben nach der Kenntnis der physikalischen Naturgesetze: Der Mensch sucht nach
Gründen und Ursachen von physikalischen Vorgängen, damit er diese besser
handhaben kann. Aber gerade eben diese Möglichkeit sollte ihm von einem phy-
sikalistischen Standpunkt aus strenggenommen versagt bleiben.
Was sich hier abbildet, ist mitunter auch ein Konflikt zwischen Erleben und
Wissen. Als Erlebende – introspektiv – behaupten wir in der Regel etwas, von
dem wir zugleich ahnen, dass es unter physikalischen Gesichtspunkten äußert
unwahrscheinlich, wenn nicht gar unmöglich ist: dass unsere Existenz als wol-
lende Bewusstseinswesen einen erheblichen Unterschied für den Verlauf der
Geschehnisse unserer Umgebung darstellt. Zugleich scheint der Wissenszuwachs
über die physikalische Welt zunehmend den Raum zu verkleinern, in dem dersel-
be erkennende Geist sich noch als wirkendes Wesen verstehen kann. Das Prob-
lem der mentalen Verursachung kommt folglich nicht zuletzt dadurch zustande,
dass wenigstens zwei Perspektiven einander gegenüberstehen: hier die Gewiss-
heit, dass unser Geist ursächlich wirken kann, dort die Ahnung, dass die physika-
lische Welt einer mentalen Einwirkung gegenüber verschlossen ist.
Die in diesem Band vereinten Texte nähern sich dieser Problemstellung aus
verschiedenen Perspektiven und vor dem Hintergrund unterschiedlicher Wissen-
schaftstraditionen an: aus Sicht der Philosophie des Geistes wird unter anderem
erstens die Frage gestellt, wovon wir eigentlich sprechen, wenn wir von mentaler,

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bzw., intentionaler Verursachung sprechen; zweitens, unter welchen Bedingun-
gen die Behauptung, Menschen seien mentale Verursacher, kohärent formuliert
werden kann und drittens, welche Ursachenmodelle es gibt und welche Diszipli-
nen gesicherte Aussagen über das Spannungsfeld zwischen erster und dritter Per-
son geben können. Aus Sicht der Neurowissenschaften wird die Frage aufgewor-
fen, welche neuronalen Substrate des Wollens und der mentalen Verursachung es
gibt und welche philosophischen Schlussfolgerungen und Herausforderungen
die neueren Forschungsergebnisse der Neurowissenschaften an die benachbarten
Disziplinen stellen. Und aus der Perspektive der Physik wird unter anderem die
Fragestellung angesprochen, wie eine Welt beschaffen sein muss oder müsste, in
der mentale Verursacher wirken können, bzw. könnten. So lautet auch die zent-
rale Frage dieses Buches: Ist unsere Welt eine solche Welt? Die Autoren der Bei-
träge dieses Buches geben keine einheitliche Antwort auf diese Frage – es war
auch nicht die Intention der Herausgeber, eine bestimmte philosophische Positi-
on zum Problem der mentalen Verursachung in den Vordergrund zu stellen.
Vielmehr wollten wir ein Forum bereitstellen, in dem herausragende Vertreter
der verschiedenen mit der Problemstellung befassten Teildisziplinen ihre jeweili-
ge Perspektive in den Kontext der aktuellen Bewusstseins-, bzw. Verursachungs-
debatte stellen konnten.

Dabei folgen wir in diesem Sammelband einem Ductus, der die eigene Erfah-
rung, die Introspektion und die subjektive Zugangsweise, ebenso wie eine philo-
sophische und psychologische Herangehensweise und die Perspektive der Neu-
rowissenschaft bis hin zur Quantenphysik zu integrieren versucht. Es ist klar,
dass diese Frage nur interdisziplinär untersucht werden kann; dieser Sammelband
unternimmt den Versuch, diesem Anspruch gerecht zu werden, indem er aktuelle
Forschung, Ansätze und Argumente aus einem weiten Spektrum an beteiligten
Disziplinen zur Frage der mentalen Verursachung zu Wort kommen und in
Interaktion treten lässt. Konkret wird im ersten Teil – als Auftakt – die Frage der
Person und ihrer Rolle als Verursacher im Vordergrund stehen (Splett, Quitte-
rer). Teil 2 setzt sich mit einer wissenschaftstheoretischen und wissenschaftshis-
torischen Analyse resp. mit einer Reflexion der Problematik auseinander (Oeser,
Held), um einen Rahmen für Teil 3 zu schaffen, in dem nach unterschiedlichen
Möglichkeiten der Kooperation von Natur-/Neurowissenschaften und der Phi-
losophie gesucht wird (Walter, Deecke, Mechsner). Der vierte Teil befasst sich
mit quantenphysikalischen Ansätzen und deren Relation zum Dualismus
(Wackermann, Beck) resp. mit der Rechtfertigung des Dualismus als ernst zu
nehmende Alternativposition zu physikalistisch orientierten Ansätzen.

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1 Person und intentionale Urheberschaft

Mit der klassischen Frage der Philosophy of Mind „Kann der Geist Körperliches
in Bewegung setzen?“ setzt Thomas Splett mit seinem Beitrag im Zentrum der
Debatte dieses Sammelbandes an. Er spitzt die Frage auf folgenden Punkt zu:
worin besteht intentionale Urheberschaft? Dabei hinterfragt er die Standardauf-
fassung, nach der der Mensch willentlicher Urheber seines Tuns ist, wenn dieses
aus Gründen erfolgt resp. durch mentale Einstellungen determiniert ist. I.a.W.,
„dafür, dass ein Verhalten eine intentionale Handlung ist, muss es aus Sicht der
Person aus Gründen erfolgen, und das ist genau dann der Fall, wenn sie durch ihr
mentales Inventar determiniert ist.“ In Spletts Analyse stellt sich heraus, dass
dieses Standardmodell intentionaler Urheberschaft in Sonderfällen und Extrem-
situationen unzureichend ist. Als Belege (durchaus aus der eigenen täglichen
Erfahrung) liefert der Autor Beispiele der Akrasie, also Entscheidungs- und Ver-
haltenskontexte, in denen es einen Widerstreit zwischen Motivationen, Wertü-
berzeugungen und in der Folge von Gründen gibt. In solchen Situationen spielen
die „besten Gründe“ oft nicht die entscheidende Rolle (z.B. Frage der „Willens-
schwäche“).
Darüber hinaus verdeutlicht Splett, dass das Standardmodell intentionaler
Urheberschaft auch in prototypischen Situationen nur unzureichende Erklärun-
gen liefert. Es zeigt sich, dass Handlungsaspekte, „die nicht aus Gründen erfol-
gen und nicht durch das (wunschhaft verstandene) mentale Inventar hinreichend
determiniert werden, keine bloßen Randfälle darstellen“. Dies wird u.a. anhand
des Beispiels der Absichtlichkeit und des Abwägens von Handlungen expliziert,
die ein Paradebeispiel für intentionale Urheberschaft darstellen. Als Konsequenz
wird in diesem Beitrag vorgeschlagen, gängige Vorstellungen über den Charakter
und die Rolle des mentalen Inventars und seiner Determination zu überdenken.
Dabei stellt Splett Entscheidungen und Wünsche als Musterbeispiele zweier
Ansätze von handlungsinitiierenden mentalen Einstellungen in einigen Dimensi-
onen gegenüber: Holismus, Rationalität, Aktualität, Aktivität, Identifikation,
Kontrolle, Alternativität im Falle von Entscheidungen (und deren Gegensätze im
Falle von Wünschen). Es wird deutlich, dass „eine Person bezüglich der intenti-
onalen Urheberschaft und insbesondere im Hinblick auf das, was wir als Intenti-
on der mentalen Verursachung näher zu bestimmen versuchen, eher in ihren Ent-
scheidungen als in ihren Wünschen präsent ist. Plakativ formuliert: Man hat
Wünsche, aber man ist sein Entscheiden“. An diesem Punkt kommt das Konzept
der Spontaneität in Spiel, da Gewicht der Gründe und gewichtende Entschei-
dung in einem zirkulären Verhältnis stehen.

Einer ähnlichen Spur wie Splett folgt auch Josef Quitterer in seinem Beitrag
„Gibt es geistige Ursachen? Ein Plädoyer für eine alternative Konzeption von
Handlungskausalität“: ausgehend von einem Beispiel einer durch ein Kind
umgeworfenen Vase entwickelt er die Position der Agens-Kausalität resp. eine

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identitätstheoretische Interpretation der kausalen Hervorbringung von Hand-
lungen. Dem „optimistischen Bild“ der Vereinbarkeit von mentaler und physika-
lischer Verursachung stellt er einige Einwände z.B. empirischer Natur (z.B. Nis-
bett, Wilson, Wegner, Wheatley, Libet) gegenüber. Die Konsequenz dieser
Befunde ist die Aufgabe der Isomorphie zwischen geistiger und physikalischer
Verursachung, da – so die Behauptung – die für unser Verhalten relevanten kau-
salen (neuronalen) Prozesse unserem Bewusstsein unzugänglich sind. „Die phy-
sikalischen Korrelate für die von uns als geistige Ursachen unseres Verhaltens
erlebten Bewusstseinszustände sind neuronale Prozesse, die vielleicht von den
realen neuronalen Ursachen unseres Verhaltens kausal generiert werden, aber
letztlich von ihnen völlig verschieden sind.“
Wie könnte ein Ausweg aus solch einer paradox anmutenden Situation, in
der eine scheinbare Unvereinbarkeit zwischen mentalen und physikalischen
Ursachen vorliegt, aussehen? Der „mühelose“ Ausweg ist jener des z.B. von
P. Churchland vorgeschlagenen eliminativen Materialismus, der geistige Ursa-
chen schlicht leugnet. Diese aus positivistisch-naturwissenschaftlicher Herange-
hensweise verlockende Perspektive hat jedoch nicht nur in der Alltagserfahrung
ihre Widersprüche, sondern erwies sich auch aus wissenschaftstheoretischer
Sicht als nur bedingt hilfreich: die Mächtigkeit der möglichen Erklärungen ist
relativ eingeschränkt und die meisten der eigentlich für die Cognitive Science
relevanten Phänomene (das Selbst, Bewusstsein, der gesamte Bereich der subjek-
tiven Erfahrung, etc.) werden nicht wirklich berücksichtigt resp. überhaupt als
„relevant“ angesehen.
Aus dieser Sackgasse schlägt Quitterer einen alternativen Ausweg vor:
„Sämtliche Versuche, für kausal wirksame geistige Ereignisse Objekte im Han-
delnden als Träger auszumachen, erweisen sich [...] als problematisch. Was liegt
näher, als die Suche nach möglichen Trägern geistiger Ursachen nicht – wie z.B.
Eccles – in den subatomaren Mikrobereich auszudehnen, sondern in den Makro-
bereich zu verlagern: Träger geistiger Ereignisse wären demnach nicht Objekte in
den Handelnden, sondern die handelnden Personen selbst.“ Demnach betreffen
geistige Ursachen den Handelnde als Ganzen. Die Konsequenzen dieses Ansat-
zes werden in weiterer Folge entfaltet.

2 Wissenschaftstheoretische Analyse und Reflexion

Im Gegensatz zu den meisten anderen Beiträgen steht in Erhard Oesers Ansatz


eine wissenschaftstheoretische und wissenschaftshistorische Herangehensweise
im Vordergrund. Dabei geht er von der Frage aus, was denn unter dem weiten
Begriff der „Neurophilosophie“ zu verstehen sein und welche Verortung sie in den
Kognitionswissenschaften hat. Oeser präzisiert, indem er das Konzept der „Neu-
roepistemologie“ entwickelt, welche „nicht einfach [als] eine Unterdisziplin der
Philosophie bzw. Neurophilosophie anzusehen ist, sondern im Sinne der traditi-

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onellen Erkenntnistheorie seit Kant als Fundamentalphilosophie, die in die The-
orie des Erkennens auch das Erkenntnissubjekt als Bedingung der Möglichkeit
jeder Erfahrung mit einbezieht“. Auch hier stößt er auf das Problem der Über-
brückung empirisch-(natur-)wissenschaftlicher Ansätze hin zu philosophisch-
erkenntnistheoretischen (und vice versa); der Autor schlägt vor, diese Überbrü-
ckung mit Mitteln der Terminologie in Form einer intermediären Beschreibungs-
sprache zu bewältigen. Ein zentraler Kandidat für diese intermediäre Vermitt-
lungssprache stellen die Terminologie und die Konzepte des Informationsverar-
beitungsparadigmas dar. Da das Paradigma der Informationsverarbeitung stark in
den Bereichen der Logik und der formalen Sprachen verhaftet ist, ist es nicht
verwunderlich, dass die daraus resultierenden kognitiven Modelle großteils auf
diesen Konzepten basieren (vgl. kognitivistische Ansätze, Symbolverarbeitungs-
ansatz, „GOFAI“ [= „Good Old Fashioned Artificial Intelligence“].
Oeser stellt diesen Ansatz im Kontext der Untersuchung des Bewusstseins
in Frage und fordert dessen Erweiterung: „Viele z.T. noch ungelöste „infralingu-
istische“ Probleme im Bereich der Wahrnehmung und Sensomotorik zeigen, dass
das linguistische Paradigma in der kognitivistischen Bewusstseinstheorie nur
einen, wenngleich auch sehr wichtigen Teilbereich dessen umfasst, was menschli-
che Erkenntnis ausmacht. Ja, man kann sogar sagen, dass eine prinzipielle Nicht-
beachtung der sensomotorischen Kontrollmechanismen gerade jene Perspektive
verstellt, die grundsätzlich notwendig ist, um intelligentes Verhalten überhaupt
zu verstehen. Die Anhänger einer bloß linguistischen Bewusstseinstheorie gin-
gen von einer heutzutage schon längst nicht mehr akzeptablen Voraussetzung
aus, die folgendermaßen lautet: Wenn Kognition nicht prinzipiell die Manipula-
tion von Sätzen darstellt, dann wissen wir überhaupt nicht, was im Erkenntnis-
prozess vor sich geht. Auch die Computerprogrammanalogie bietet dazu keine
Alternative, denn es handelt sich auch hier um eine logische Maschine, die "Sät-
ze" einer bestimmten Sprache verarbeitet. Die funktionelle Neuroanatomie, die
zunächst nahe liegender Weise von der Computerprogrammanalogie ausgegan-
gen ist, hat jedoch bereits ein davon sich in höchstem Maße unterscheidendes
Konzept biologischer Informationsverarbeitung erstellen können, in dem die
von der Maschinentechnik und Automatentheorie ausgeborgte Terminologie z.T.
nur mehr einen metaphorischen Charakter hat.“
Im zweiten Teil seines Beitrags geht Oeser auf die Implikationen bezüglich
der Frage der mentalen Verursachung ein. Er weist darauf hin, dass die Funktion
des Gehirns – anders als bei den meisten anderen Organen eines lebenden Sys-
tems – nicht primär in der Produktion von organischem Material (z.B. Körper-
säften) besteht, sondern eben diese übersteigt, indem es für die Steuerung des
Verhaltens verantwortlich zeichnet. „Die Gehirn-Bewusstseinsbeziehung muss
man daher als schichtentranszendierender, ‚übersteigender‘ Selbstorganisations-
prozess verstehen. Das heißt: es treten neue emergente Systemeigenschaften auf
einer ‚höheren‘ funktionalen Ebene auf, wobei eine dynamische Interdependenz
zwischen der rein funktionalen Ebene des Bewusstseins und der organischen

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Ebene der Hirnfunktionen vorliegt. Diese Interdependenz oder ‚Wechselwir-
kung‘ ist eine Art von sich selbst steigernder zyklischer Kausalität von upward
und downward causation, wobei diese downward causation in einem informatio-
nellen nicht materiell energetischen Sinn zu verstehen ist.“ Oeser schlägt vor,
dass es daher keine lokale Supervenienz, sondern nur eine globale gibt. Im
Anschluss an diese Überlegungen untersucht der Autor die Implikationen dieses
Ansatzes für das Qualia-Problem.

Wenn auch aus einer anderen Perspektive und mit alternativen Mitteln als Oeser,
ist Carsten Helds Beitrag: „Drei Desiderata für eine empirische Wissenschaft
vom Bewusstsein“ von wissenschaftstheoretischer und terminologischer Refle-
xion geprägt. Er unterzieht die Begriffswelt der empirischen Bewusstseinsfor-
schung einer sprachlichen und konzeptuellen Analyse, auf deren Weg er die
Kernprobleme der zeitgenössischen Bewusstseinsdebatte beschreibt und mitun-
ter auf fehlende Begriffsklarheit und -übereinstimmung zurückführt. Zwar
herrscht mit wenigen Ausnahmen allgemeiner Konsens darüber, dass sich das
Problem des Mentalen selbst nicht rein sprachlich auflösen lassen wird; es ist
aber zugleich naheliegend, dass gerade angesichts eines bereits begrifflich so
schwer einfangbaren Phänomens wie des Bewusstseins auch Scheindebatten
geführt werden, die nicht zuletzt daher rühren, dass der Begriff des Bewusstseins
ebenso vieldeutig ist wie das Phänomen selbst. Die erste Frage der Philosophie
des Geistes lautet daher weniger, wie Erste-Personen-Fakten entstehen, sondern
vielmehr zunächst, wovon man spricht, wenn man von Bewusstsein spricht –
und mit dieser Fragestellung definiert sich folgerichtig auch die Art der Erklä-
rung, die wir in Hinblick auf das Bewusstseinsproblems zu gelten lassen bereit
sind. Held richtet seine Begriffskritik insbesondere an die empirische Neurobio-
logie, die – und dies führt bereits in einen der Kernbereiche des Problems – pri-
mär und per Definition eine Wissenschaft des Gehirns und nicht des Bewusst-
seins ist. Aber, so Held: „Theoretische Grundlagenreflexionen – zumal in einer
Phase der Eroberung neuen Territoriums – sind bei den Praktikern der Wissen-
schaft meist unbeliebt. Aber einige der Neurobiologen ziehen aus ihren eigenen
Forschungen in beispielloser Weise Konsequenzen für unser Selbstverständnis als
Menschen. So können sie nicht mehr die alleinige Deutungshoheit über ihre
Ergebnisse beanspruchen und eine Reflexion der Grundlagen ihres Forschens ist
dringend geboten.“
Held beschreibt drei Desiderata – erstens eine adäquate Unterscheidung
von Selbstbewusstsein und Bewusstsein, zweitens die Aufklärung der Bewusst-
seinsimplikationen biologischer Grundbegriffe und drittens die Unterscheidung
empirischer und philosophischer Fragen nach dem Bewusstsein – die der gegen-
wärtigen Begriffs- und Konzeptverwirrung Abhilfe verschaffen soll. Die von
Held genannten Desiderata zeigen zugleich, dass es hier um mehr geht als eine
bloße Sprachregulierung der am Bewusstseinsprojekt beteiligten Disziplinen –
vielmehr kommt hier das Anliegen zum Ausdruck, der allseits einbekannten

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Interdiszplinarität des Bewusstseinsproblems auch in der Forschungswirklichkeit
zur Geltung zu verschaffen, in dem die Vielgestaltigkeit der Konzepte der
Bewusstseinsforschung präzisiert und aufrechterhalten wird.

3 Zwischen Natur-/Neurowissenschaften und Philosophie

Eine Möglichkeit, mentale Verursachung positiv zu modellieren und zugleich all-


zu große Abstriche von unseren Handlungsintuitionen und unserem Wissen
über die kausale Zuverlässigkeit des Physikalischen vornehmen zu müssen, bietet
der non-reduktive Physikalismus. Diesem zufolge sind mentale Eigenschaften
nicht vollständig, zumindest aber nicht ein-eindeutig auf neuronale Prozesse
reduzierbar, befinden sich aber in einer verhältnismäßig regelhaften Beziehung
zu letzteren. Ein Vorteil dieser Erklärungsstrategie ist, dass sie gegen Argumente
der multiplen Realisierbarkeit gegenüber relativ unanfällig sind und zudem eine –
wenn auch eng beschränkte – Autonomie des Mentalen ermöglicht, ohne
zugleich ontologische Zusatzannahmen über eigenständige Seinsbereiche des
Mentalen postulieren zu müssen. In Hinblick auf das Bewusstseinsproblem stellt
der non-reduktive Physikalismus den beiden Extrempositionen reduktiver Phy-
sikalismus und dualistischer Interaktionismus daher eine interessante Alternative
gegenüber und ist aufgrund dieser explanatorischen Vorzüge in den letzten Jah-
ren zu einer Art Konsensposition herangewachsen. Allerdings scheint es, als ob
der non-reduktive Physikalismus als Bewusstseinstheorie mehr zu leisten vermag
als als mentale Verursachungstheorie. Es sind in jüngster Zeit einige Argumente
vorgestellt worden, die auch als Exklusionsargumente bezeichnet werden. Diese
gibt es in zahlreichen Spielarten, die zentrale Denkfigur läuft aber letztendlich in
nahezu jedem Fall auf eine reductio ad absurdum hinaus, derzufolge die Aussage,
mentale Eigenschaften könnten nicht auf physikalische Eigenschaften reduziert
werden, zugleich zum Schluss führe, dass erstere tatsächlich keine kausale Rolle
innehaben, da ansonsten das physikalistische Prinzip durchbrochen werde, der
non-reduktive Physikalismus also mithin entweder gar kein genuiner Physika-
lismus mehr oder aber nicht mehr non-reduktiv sei.
In seinem Beitrag „Mentale Verursachung: Kausale Exklusion als Argument
gegen den nicht-reduktiven Physikalismus“ unternimmt Sven Walter den Ver-
such, den non-reduktiven Physikalismus vor den verschiedenen Les- und Spielar-
ten der Exklusionsargumente vor allem Jaegwan Kims zu verteidigen und zu zei-
gen, weshalb und wie diese Position echte mentale Verursachung aufrecht-
erhalten kann, ohne sich unter dem Eindruck des Problems der mentalen
Verursachung quasi unter der Hand in einen reduktiven Physikalismus oder Epi-
phänomenalismus zu verwandeln – beides Positionen, die mit den definierenden
Selbstaussagen des non-reduktiven Physikalismus nicht mehr in Einklang zu
bringen wären.

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Die Wahl der in diesem Band vereinigten Texte belegt die Bedeutung interdiszip-
linärer Ansätze in der zeitgenössischen Bewusstseinsdebatte. Heute wird von
mit dem Thema Bewusstsein befassten Forschern zunehmend eingefordert, mit
den relevanten Befunden aus den Nachbardisziplinen hinreichend vertraut zu
sein, um glaubwürdige philosophische Modelle und Spekulationen vorstellen zu
können. Dabei ist die Kenntnis der empirischen Basisbefunde, Begriffsklarheit
und kohärente Ideenführung vermutlich auf wenigen Gebieten so bedeutsam wie
in der Bewusstseinsforschung, gerade weil letztere versucht, zwei Sets von Fak-
ten – Erste-Personen-Tatsachen und Dritte-Person-Tatsachen – miteinander in
Einklang zu bringen. Der Blick auf nur ein Set dieser Tatsachen führt entweder
an den empirisch ermittelbaren Daten vorbei, oder läuft Gefahr, über die Aus-
klammerung des Mentalen das eigentliche Thema des Erklärungsprojekts
Bewusstseinsforschung – das Mentale – ganz aus den Augen zu verlieren. Dass es
auch anders geht, zeigt Lüder Deecke in seinem Beitrag „Ist Geist neurophysio-
logisch fassbar?“, eine ausführliche Beschreibung des Versuchs, sich dem Phä-
nomen der mentalen Verursachung aus der Sicht des empirisch arbeitenden Neu-
rophysiologen anzunähern. Deecke zeigt anschaulich, dass und wieweit die
neuronalen Korrelate des Mentalen bereits messbar geworden sind, versagt sich
aber zugleich der reduktionistischen Versuchung, das Messbare so sehr in den
Vordergrund seiner philosophischen Überlegungen zu stellen, dass der Blick auf
das, dessen bloßes Korrelate neuronale Ereignisse sind, vollends verstellt wird.
Deecke diskutiert in diesem Zusammenhang auch die Befunde Benjamin Libets,
die in einer relativ direkten Lesart den Illusionscharakter der mentalen Verursa-
chung nahezulegen scheinen und offeriert eine alternative Deutung des Libet-
schen Experiments – eine Deutung, die es sich versagt, aus der bloßen unbewus-
sten Grundierung mancher mentaler (auch Willens-)Ereignisse die generelle
kausale Wirkungslosigkeit des Geistes abzuleiten. Vielmehr sieht sich Deecke
aufgrund seiner Forschungsarbeiten an der Schnittstelle zwischen erster und
dritter Person seinen Beitrag mit den Worten zu schließen: „Wir Menschen
haben Geist. Das Leben auf diesem Planeten hat das entsprechende Gehirn dafür
entwickelt. Um Geist einzusetzen, brauchen wir Willen. Freiheit ist gegeben.
Aber in der (Selbst)-Beschränkung zeigt sich erst der Meister. Besonnenheit. Mit
zuviel Geist und zuviel (fehlgeleitetem) Willen wird der Mensch zerstörerisch,
auch für diesen Planeten. Setzen wir unseren Geist weise ein.“

Es scheint, als ob das in den Diskussionen zwischen der Neurowissenschaft und


der Philosophie des Geistes sich nahezu permanent entzündende Problem der
mentalen Verursachung in der aktuellen Kognitionsforschung und im operativen
Forschungsalltag dieses Disziplinenbündels „weitgehend ignoriert“ wird, ohne
dass die Qualität der Forschung nachhaltig leidet. Diese Beobachtung begründet
Franz Mechsner in seinem Beitrag „Psyche und Naturprozess“ mit dem engen
Zusammenhang zwischen Wahrnehmen, mentaler Verarbeitung und Handeln
und den aktuellen Forschungsergebnissen über vorwegnehmend imaginierte

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Bewegungssteuerung. Dennoch konstatiert der Autor eine tiefe Beunruhigung,
welche sich aus der Zusammenschau folgender Feststellungen ergibt: (i) Menta-
les Geschehen ist nicht physisches Geschehen. (ii) Mentales Geschehen intera-
giert kausal mit physischem Geschehen. (iii) Der Bereich physischen Gesche-
hens ist kausal geschlossen. In der Folge versucht Mechsner diese „klassische
Trias“ aufzulösen.
Ausgehend von der erlebten Erste-Person-Perspektive, welche sich als das
unmittelbare Fundament unseres Seins, Denkens, Fühlens und Handelns dar-
stellt, wird das Konzept der „objektivierten“ Erste-Person-Perspektive entwi-
ckelt. Unter Rückgriff auf Emmanuel Lévinas wird auf diese Differenz hingewie-
sen, welche sich im alltäglichen Leben stetig zu vermischen scheint. „Die erlebte
Erste-Person-Perspektive enthält etwas, das die objektivierte Erste-Person-
Perspektive gar nicht enthalten kann, nämlich das unmittelbare Erleben selbst.
Das unmittelbar Erlebte ist gekennzeichnet durch die Anmutung, dass es
‚irgendwie für mich ist‘, ein Erlebender zu sein. Genau diese Anmutung, welche
das unmittelbare Erleben kennzeichnet ist es aber, die uns so seltsam verschieden
von allem objektivierbaren vorkommt. Da die Anmutung als solche tatsächlich
nicht objektivierbar ist, ist das aber erstmal kein Wunder. Als solche kann sie
schlicht in keiner sachlichen Rede oder Theorie vorkommen, da diese eben das
Erleben betrachtet, aber nicht beinhaltet. Dass die Anmutung als solche etwas
nicht sachliches ist, oder, wie Lévinas sagt, kein Phänomenen, begründet sich
darin, dass sie ja gerade den kritischen und spezifischen Unterschied ausmacht
zwischen unmittelbarem Wahrnehmen und Erleben aus meiner Perspektive und
einer sachlichen Sichtweise, die Thomas Nagel als ‚View from Nowhere‘
bezeichnet hat. Die erlebte unterscheidet sich zur objektivierten Erste-Person-
Perspektive also insofern, als Erstere (i.e., die ‚erlebte‘ Perspektive) nicht objek-
tiviert werden kann und sich daher einer wissenschaftlichen Analyse entzieht,
während Zweite das Erleben und Handeln als Gegenstand der Betrachtung und
Reflexion hat.“ Um diesem Anspruch gerecht zu werden, argumentiert der
Autor für das Konzept der Theory of Mind und der „Aktionsontologie“, in der
vor allem die Frage von Aktoren, Zielen und Zwecken in den Vordergrund
gerückt wird; er stellt sich damit in Opposition zu einer wachsenden Gruppe
von aktuellen Vertretern z.B. der Neurowissenschaft, aber auch der Philosophie
(z.B. Roth, Singer, etc.), die eben diese Konzepte leidenschaftlich – mit allen
Implikationen z.B. auf das Problem des freien Willens, der Übernahme von Ver-
antwortung, Schuld, etc. – in Abrede stellen.
Mechsner versucht dieses Problem auf eine grundlegendere Frage zurückzu-
führen, nämlich jener der Teleologie und Teleonomie in der Biologie. Während
eine rein physikalisch(-chemisch)e Perspektive der Welt – zumindest in den gän-
gigen Deutungen – jegliche Zielhaftigkeit/Teleologie ausschließt, muss sich die
Biologie eingestehen, dass Ziele und Zweckhaftigkeit in biologischen Erklärun-
gen zumindest ein hilfreiches Konstrukt sind, um Verhaltensweisen belebter Sys-
teme besser oder überhaupt verstehen zu können. Ähnlich wie in der Frage der

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mentalen Verursachung ergibt sich eine Trias von Feststellungen bezüglich der
Zweckhaftigkeit, in welcher je zwei die Dritte auszuschließen scheinen: (i) Zwe-
cke sind nicht physisch. (ii) Über Zwecke lässt sich physisches Geschehen steu-
ern. (iii) Der Bereich physischen Geschehens ist kausal geschlossen.
Zurückgreifend auf Konzepte der Evolutionstheorie und der Systemtheo-
rie/Kybernetik (vor allem M.Eigen) zeigt der Autor, dass im Rahmen der Natur-
gesetze verstehbare biologische Zweckhaftigkeit gerade nicht bedeutet, dass das
direkte Wirken von metaphysisch zu konzipierenden Endursachen akzeptiert
werden muss. Diese „teleonomische Kausalität impliziert keine metaphysisch
konzipierte causa finalis, sondern bedeutet, dass man beispielsweise das An-
Land-Gehen der Seeschildkröten aus dem Zweck des Eierlegens erklären und
begründen kann.“ Es wird gezeigt, wie sich obige Trias an Statements bezüglich
der Zwecke in dieser Lesart der Teleonomie auflösen lässt. In weiterer Folge löst
Mechsner auch seine erste Trias an Feststellungen bezüglich der mentalen Verur-
sachung auf und bietet eine alternative Perspektive auf diese Fragen.

4 Von der Quantenphysik zum Dualismus

Im Kern des Problems der mentalen Verursachung steht die Frage, wie man sich
das Verhältnis von Bewusstsein zur physikalischen Welt denken kann. Ist näm-
lich die bloße Gegenwart der phänomenalen, subjektiven Qualitäten der Erste-
Person-Perspektive bereits unter methodischen Gesichtspunkten schwer physi-
kalisch fassbar, wird das Bewusstseinsproblem insbesondere dann virulent, wenn
man zu versuchen beginnt, Geist nicht nur als Phänomen, sondern als Verursa-
cher zu modellieren. Das liegt zum einen daran, dass Geist nicht nur durch
Ursachen, sondern auch durch Gründe bewegt sein soll, die Art seiner Wirkung
daher nicht ohne wesentlichen Inhaltsverlust in die Sprache der Physik übertrag-
bar zu sein scheint. Da sich das Bewusstseinsproblem, und mehr noch das Inten-
tionalitätsproblem zudem gerade durch die Eigenschaftsunterschiede von Geist
und Materie auszeichnet, laufen nahezu alle philosophischen Modelle, die diese
Unterschiede zu würdigen versuchen, auch Gefahr, durch die Betonung der
Andershaftigkeit des Geistes denselben so fern von der Materie zu beschreiben,
dass sich bald kein Weg zurückfinden lässt, der den cartesianischen Graben zwi-
schen Geist und Materie kausal noch zu überwinden in der Lage wäre.
In seinem Beitrag „Jenseits der psychophysischen Dualität: Wirklichkeit des
Geistes“ zeichnet Jiří Wackermann diese Denkbewegungen nach und versucht,
die Spaltungen zwischen Geist und Materie in Form einer neuen Psychophysik
zu überwinden. Wackermann beschreibt zunächst die historische Entwicklung
des Gehirn-Geist-Problems als eine Geschichte der Trennungen und Teilungen,
die zwar phänomenologisch naheliegend sind, unter erklärungstheoretischen
Gesichtspunkten aber fatale Auswirkungen haben mussten, da sie zu eben jener
Dichotomie zwischen Geist und Materie, bzw. zwischen Intuitionen über die

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Geschlossenheit zweier angeblich eigenständiger Seinsbereiche führen mussten,
die sich der non-reduktiven Tradition der Philosophie des Geistes heute in Form
des epiphänomenalistischen Dilemmas rächt. Rückblickend scheint es, als ob
sämtliche Versuche, Geist und Materie ontologisch und kausaltheoretisch von-
einander scharf zu trennen, auf einer Reihe von teils historisch gewachsenen phi-
losophischen Fehlschlüssen beruhen, die Wackermann mit seinem Forschungs-
programm zu überwinden versucht. Im Schüsselsatz: „Wir müssten sagen: Geist
ist, wo sich das Denken im Handeln ausdrückt“ formuliert Wackermann eine der
Grundlagen seines Ansatzes: Geist ist demzufolge weder getrennt von, noch als
Materie zu denken, da beide in steter Bewegung sind und sich beide nur in
Bewegung ausdrücken und bedingen. Vor diesem Hintergrund beschreibt
Wackermann Geist als einen Pol einer Polarität des Ganzen, wobei letzteres eine
Einheit all jener Eigenschaften bildet, die die philosophische Tradition als physi-
kalisch und mental beschrieb: „Wir meinen, dass hier keine Dualität, keine Zwei-
heit vorliegt, wohl aber eine Polarität in der Einheit. Die Tendenz zur Entste-
hung rational-messbarer Formen aus der Matrix der primären Erfahrung können
wir ihre geistige Potenz, oder einfach Geist nennen.“
Der Versuch, die Verschiedenheit des Ganzen in zwei Pole zu fassen – unter
gleichzeitiger Wahrung der Einheit – stellt nicht nur einen philosophisch elegan-
ten Ausweg aus dem klassischen Inkommensurabilitätsproblem dar; Wacker-
mann schließt seine Ausführungen auch mit dem Verweis auf ein junges empiri-
sches Forschungsprogramm, welches den Versuch unternimmt, die grundlegende
Verschränktheit von Geist und Materie anhand der putativen intentionalen
Beeinflussung fragiler quantenmechanischer Systeme empirisch zu untersuchen
(μPK). Allerdings weist Wackermann auch darauf hin, dass eine direkte Ablei-
tung einer Lösung des Gehirn-Geist-Problems aus solchen – zudem noch ausge-
sprochen umstrittenen – empirischen Befunden nicht voraussetzungsfrei mög-
lich ist, was wiederum die Verantwortung der Philosophie, und insbesondere der
Ontologie, hervorhebt, brauchbare ontologische Modelle vorzustellen, die die
Deutung solcher Befunde überhaupt erst ermöglichen.

Einen alternativen Ausweg aus dem epiphänomenalistischen Dilemma stellt


Friedrich Beck in seinem Beitrag „Quantenprozesse – Mikroschalter im neurona-
len Netz des Gehirns?“ vor. Beck weist darauf hin, dass das Problem der menta-
len Verursachung erst dann zum Inkommensurabilitätsproblem wird, wenn man
die physikalische Welt als geschlossene Einheit betrachtet, deren Ereignisabfol-
gen das Einwirken des Mentalen nicht nur als unwahrscheinlich (qua Verschie-
denheit und fehlender Brückengesetze), sondern auch als unnötig erscheinen las-
sen (qua Determinismus). Beck verweist in diesem Zusammenhang auf die
Quantenmechanik, die ein grundlegend anderes Bild der physikalischen Welt
zeichnet: Das für die Debatte des Problems der mentalen Verursachung wohl
bestimmendste Merkmal quantenmechanischer Prozesse ist ihre Ergebnisoffen-
heit. Somit, argumentiert Beck, gibt es physikalische Ereignistypen, die hinrei-

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chend indeterminiert sind, um eine mögliche kausale Wirkung des Geistes zuzu-
lassen. Wenngleich sich hier in der jüngeren Debatte des Problems der mentalen
Verursachung interessante Lösungsmöglichkeiten des Epiphänomenalismusprob-
lems abzeichnen, stellt sich zugleich die Frage, ob neuronale Prozesse eher klas-
sisch- oder quantenphysikalisch sind. Denn Voraussetzung einer quantentheore-
tischen Modellierung der mentalen Verursachung ist nicht nur, dass eine
Wechselwirkung zwischen Geist und Materie grundsätzlich denkbar ist, sondern
vielmehr, ob das Wechselwirkungsgeschehen konkret an den relevanten Schnitt-
stellen zwischen Gehirn und Geist stattfinden kann, weil erstere für mentale
Außeneinflüsse empfänglich sind. Beck stellt in seinem Beitrag das Quanten-
schalter-Modell vor, das er gemeinsam mit dem australischen Neurophysiologen
John C. Eccles erarbeitet hat. Demzufolge ist eine Implementierung von Quan-
tenprozessen in der Dynamik der Gehirnfunktionen nicht nur möglich, sondern
wahrscheinlich. Becks Beitrag zeigt eindrücklich, dass das Forschungsgebiet der
mentalen Verursachung nur als explizit interdisziplinäres Projekt verstanden
werden kann, welches gleichermaßen die Philosophie des Geistes wie die Physik
und die Neurowissenschaften vor die Herausforderung stellt, begriffsklare und
empirisch informierte Überlegungen über die Wechselwirkung von Geist und
Materie anzustellen. Wie sehr beide Felder in der Debatte um mentale Verursa-
chung zueinander hingeführt werden, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass Beck in
seinem Beitrag zwar schlüssig zeigt, dass mentale Verursachung unter den gege-
benen Bedingungen wahrscheinlich ist, ohne jedoch den Gewissheitsanspruch zu
erheben, dass eine solche Geist-zu-Materie auch tatsächlich stattfindet. Das mag
prima facie als reines Möglichkeitsargument erscheinen, allerdings muss man
bedenken, dass die vermeintliche Inkommensurabilität und die kausale
Geschlossenheit des Physikalischen in der Regel als eines der philosophischen
Hauptmotive zugunsten des reduktiven klassischen Physikalismus ins Feld
geführt wird. Wenn nun aus dem Arbeitsbereich der Physik selbst die Vermutung
zu vernehmen ist, relevante neuronale Strukturen könnten über eine quantenme-
chanische Modellierung kausal zumindest offen genug sein, um ein eigenständi-
ges Einwirken des Geistes zu ermöglichen, wird folglich auch die Philosophie
des Geistes vor neue Herausforderungen gestellt.
Die schiere Anzahl an quantentheoretischen Modellen der mentalen Verur-
sachung, die in jüngster Zeit vorgestellt werden, zeigt jedenfalls, dass es sich hier
um einen wachsenden Forschungszweig handelt, der vermutlich in absehbarer
Zeit auch erste empirische brauchbare Befunde ermöglichen wird, auf deren
Grundlage wiederum neue Anfragen an die Philosophie des Geistes entstehen
werden: „Natürlich kann die Physik über die Qualität bewussten Handelns keine
Aussage machen, dies ist Aufgabe von Philosophie, Psychologie und Theologie.
Aber sie liefert durch die Verankerung quantenmechanischer Prozesse auf der
mikroskopischen Skala der Gehirnfunktion, zusammen mit der nichtlinearen
Dynamik des neuronalen Netzes, die notwendige Offenheit physikalischer
Abläufe im Gehirn, die für eine weitergehende Interpretation von bewusstem

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Handeln, freien Willensentscheidungen und damit für die Existenz eines unver-
wechselbaren Ich des Individuums Voraussetzung ist. Damit ist den extremen
Monisten ihre wichtigste Waffe aus der Hand genommen.“

Eine interessante argumentative Alternative zu Becks vorgeschlagenen Brücken-


schlag bietet Uwe Meixner in seinem Beitrag „Physikalismus, Dualismus und
intellektuelle Redlichkeit“: er untersucht das Problem der mentalen Verursa-
chung aus der Perspektive der Gegenüberstellung zwischen Physikalismus und
Dualismus. Er spitzt diese Konfrontation auf die Frage zu, ob das Mentale –
wenigstens in einigen Fällen – etwas grundsätzlich anderes als das Physische,
oder ob es nur etwas über das Physische Hinausgehendes sei. Der Autor fordert
zu einer „korrekten“ und intellektuell redlichen Verwendung des Terminus Phy-
sikalismus auf: er versteht darunter die philosophische Doktrin, dass alle menta-
len Entitäten physisch sind. Dem stellt er seine zentrale These gegenüber, dass
„weder philosophische noch empirische Erwägungen noch deren Kombination
dafür hinreichend sind, es wahrscheinlich oder auch nur plausibel zu machen,
dass alle mentalen Entitäten physisch sind“.
In der Folge macht sich der Autor auf die Suche nach den „besten Argu-
menten“, die diese These unterstützen, um – wie er es nennt – „Propaganda,
worunter ich die bloße Herabsetzung des Dualismus verstehe (als „unannehm-
bar“, „inkohärent“, „irrational“, „illusionär“, „durch religiöse Vorurteile moti-
viert“, „antiwissenschaftlich“, „intellektuell unsauber“, usw.)“ zu vermeiden.
Meixner gibt zu bedenken, dass es einen gewichtigen Unterschied zwischen der
Aussage, dass (a) alle mentalen Ereignisse physisch sind und dass (b) alle menta-
len Entitäten physisch sind, gibt. Wenn nämlich Aussage (a) nicht erfolgreich ist,
so sieht es für die allgemeinere Aussage (b) schlecht aus – dies wiederum stellt
den Physikalisten (im obigen radikalen Sinn) vor ernsthafte Probleme. Als
Argumente bringt der Autor „Das Argument aus der kausalen Geschlossenheit
der physischen Welt“ und „Das Argument von der Identität des funktional
Äquivalenten“ – und hinterfragt deren scheinbar unumstrittene Gültigkeit,
indem er einige Widersprüchlichkeiten aufdeckt. In weiterer Folge greift Meix-
ner die empirische Basis des Physikalisten an und zeigt deren Unhaltbarkeit und
„Unsauberkeit“ (bezüglich der Prämissen) im Kontext der Physikalismus-
Dualismus Debatte. Zusammenfassend ruft Meixner zur intellektuellen Redlich-
keit auf: „Es ist Zeit, zur intellektuellen Redlichkeit in der Philosophie des Geis-
tes zurückzukehren. Die redliche Position ist zuzugeben, dass der Dualismus der
Rationalität nach mit dem Physikalismus mindestens auf einer Stufe steht... Was
materialistische Gläubige, in der Regel, nicht sehen oder sich weigern zu sehen,
ist, dass sie einen gewissen metaphysischen Glauben haben: eine Überzeugung,
die sie aus anderen als rationalen oder wissenschaftlichen Gründen akzeptieren.“

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