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Modul – Pflegetherapeutisches Handeln bei Menschen mit

Neurologischen Erkrankungen

Der Schlaganfall

Definition: Schlaganfall
Akute Durchblutungsstörung des Gehirns/des Rückenmarks, die häufig unmittelbar (schlagartig)
auftritt.
Hauptformen:
• Hirninfarkt = cerebrale Ischämie (ca. 80 %), auch Apoplexie oder apoplektischer Insult
• Vaskuläre Hirnblutung – z.B.: intrazerebrale Blutung, Subarachnoidalblutung (ca. 20%), auch
zerebrovaskulärer Insult

Pathogenese Hirninfarkt
• Infarkt = verminderte oder unterbrochene Durchblutung des Gehirns
• Daraus folgt eine lokale Hypoxie (Sauerstoffmangel) und eine Nekrose (Absterben) des
Hirngewebes
• Ein kompletter Schlaganfall ist durch ein akutes auftretendes und anhaltendes
neurologisches Defizit gezeichnet
• Ca. 270 000 Bundesbürger erleiden jährlich einen Schlaganfall
• In den ersten 4 Wochen versterben 15 – 20 % der Betroffenen
• 50 % der Betroffenen haben nach einem Jahr noch körperliche Einschränkungen
• 20 % bleiben dauerhaft pflegeabhängig

Formen der zerebralen Ischämie nach dem Verlauf


= Transitorische Ischämische Attacke/TIA
• Warnzeichen eines Schlaganfalls, in der sich innerhalb <24 Stunden die Symptomatik
zurückbildet
• treten oft nur für wenige Minuten auf
• Vorbote eines Schlaganfalles!

Hirninfarkt

Hauptursachen:
1. Stenosen der Hirnarterien
2. Arteriosklerose der Hirnarterien
3. Thromben (Blutpfropfen) an vorgeschädigten arteriellen Hirngefäß
4. Embolie, ein Blutgerinnsel, welches sich im Herzen oder an der Halsschlagader löst
und mit dem Blutstrom ins Gehirn gelangt

Risikofaktoren für Arteriosklerose:


• Hypertonie/Bluthochdruck, Hyperlipoproteinämie, Alkoholmissbrauch, Diabetes mellitus

Ursachen bei kardialer Embolie:


Intrakardiale Thromben entstehen z.B. bei Herzrhythmusstörungen, nach Herzinfarkt,
Vorhofflimmern, Herzinsuffizienz, bei Endokarditis oder bei bestimmten angeborenen Herz- oder
Klappenfehlern.

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Klinische Bilder beim Hirninfarkt:
Nach einem Schlaganfall kommt es zur Schädigung des zentralen Nervensystems, die mehrere
Bereiche der Körperfunktion betreffen:
= Störung der körperlichen Funktionen
= Störung der geistigen Funktionen
= Störungen der psychischen Funktionen

• Hemiparese= Halbseitenlähmung
• Gefühlsstörung
• Sehstörung
• Agnosie – die Unfähigkeit, Gegenstände in ihrer Funktion zu erkennen (z.B. Haare kämmen
mit der Zahnbürste)
• Apraxie – die Unfähigkeit, mit Gegenständen zu hantieren (Funktion des Gegenstandes
unklar), die Reihenfolge einer Tätigkeit zu erfassen,
• Aphasie - zentrale Sprachstörung, betrifft nicht nur das Sprechen, auch das Verstehen, Lesen,
Schreiben und die nonverbale Kommunikation
• Dysarthrie – Sprechstörung, Störung der Sprechmotorik, der Lautstärke,
Sprechgeschwindigkeit
• Neglect – Wahrnehmungsstörung; eine Körperhälfte wird halbseitige nicht wahrgenommen
• Bewusstseinsstörung
• Verwirrtheit
• Desorientiertheit

Klinische Bilder bei Hirnstamminfarkt:

• Hemiplegia alternans = gekreuzte Lähmung, oder Tetraparese


• Schluckstörung
• Doppelbilder
• Schwindel
• Gangataxie
• Amnesie
• Bewusstseinsstörung

Prozedere und Diagnostik beim Schlaganfall


• Stationäre Aufnahme, sinnvollerweise auf einer Stroke-Unit
• CCT /Blutung, MRT - bei Hirnstamm - Symptomatik
• EKG, Notfalllabor, Gerinnung, Vaskulitisdiagnostik
• Ultraschall der hirnversorgenden Gefäße, Echokardiographie

Akuttherapie konservativ
• RR- und BZ Kontrollen mit therapeutischer Einstellung
• RR nicht zu stark senken!
• HK-Einstellung
• Ggf. Fiebersenkung
• Ggf. Heparinisierung = nach Ausschluss intrazerebraler Blutung!
• Flüssigkeits -und Elektrolytbilanzierung, Säure-Basen-Haushalt
• Pneumonie/Dekubitus-prophylaxe
• Ggf. parenterale Ernährung
• EKG, O2 Sättigung überwachen

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Akuttherapie, speziell bei Hirninfarkt
• Systemische Lysetherapie innerhalb von 4 - 5 Stunden
• Intraarterielle Intervention = Thrombektomie – Neurovaskuläres Zentrum
• Implantation von Stents, Offenhalten des Gefäßes
• Lokale Lyse

Sekundärprophylaxe
• Thrombozyten-Aggregationshemmer wie ASS, Plavix® auf Dauer
• Neue Thrombininhibitoren; Dabigatrin
• Antikoagulation bei kardialer Emboliequelle; Marcumar®, Falithrom®
• Operative - oder interventionelle Behandlung von Gefäßverschlüssen

Der Betroffene hat durch das plötzliche lebensbedrohliche Ereignis Schädigungen:


o die zu physischen, psychischen und geistigen Einschränkungen führten,
o die Defizite in den existentiellen Erfahrungen des Lebens mit sich bringen
o die Hilflosigkeit, Angst, Abhängigkeit und Sorge erleben lassen
o die, die Lebensqualität des Betroffenen und der Angehörigen senken

Pflegeinterventionen im akuten Stadium nach dem Schlaganfall:


• Überwachung und Regulierung der Vitalwerte + allgemeine Überwachung
- Blutgasanalyse, Atemtiefe, Atemrhythmus
- RR, Pulsfrequenz, Pulsrhythmus
- Bewusstseinslage und sensomotorische Fähigkeiten
- Blutzucker
• Flüssigkeitsbilanzierung
• Dysphagie (Schluckstörungen) = Gesteigertes Risiko einer aspirationsbedingten Pneumonie
(Aspirations- & Pneumonieprophylaxe!)
• Maßnahmen der ärztlichen Anordnung bei Beatmung, O₂ - Gabe, Infusionstherapie
durchführen
• Zur Vermeidung der Hirndrucksteigerung, alle Pflegemaßnahmen schonend langsam
durchführen, Oberkörper in 30° Lage
• Berührungen spüren lassen, eindeutig und klar, Bewegung sprachlich begleiten, sicher und
physiologisch
• Spezielle Therapiekonzepte (Bobath, Affolter, Kinästhetik, Basale Stimulation) verwenden

Rehabilitative Behandlung in spezieller Rehabilitationsklinik


= nach der akuten Behandlung und Pflege wird der Klient in eine Rehabilitationsklinik, zur Förderung
überwiesen. Viele medizinische Fachdisziplinen (Fachärzte, Therapeuten und Pflegefachkräfte)
übernehmen die Aufgaben der Rehabilitation.

• Grundlage: Plastizität des Gehirns


• Krankengymnastik
• Spezielle Physiotherapie
• Funktionelle Ergotherapie
• Logopädie
• Neuropsychologische Diagnostik/Hirnleistungstrainig
• Therapie von Folgeerkrankungen z.B. depressive Störung

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• Unterstützung durch Sozialarbeiter, bei beruflichen und finanziellen Fragen,
Wohnungswechsel,
evtl. Heimbetreuung, Häusliche Krankenpflege u.a.
• Hilfsmittelverordnung, Training zur Nutzung der Hilfsmittel
• Ernährungsberatung, Patientenküche – hier lernt der Klient gesund zu Kochen

Weiterführung der Pflege während und nach der Rehabilitation!

Pflegeinterventionen nach Schlaganfall

Bewegung – Mobilisierung – Hilfsmittel:

• Sicherheit muss jederzeit gewährt sein!


• Häufige Probleme: Hemiparese, Hemiplegie
• Aktivität und Bewegungen im Bett verstärkt nutzen
• Lagerung je nach Störungsbild, Spitzfuß- und Kontrakturprophylaxe
• Subluxierte Schulter: Arm unterstützen und lagern
• Schmerzhafte Schulter, Schulter – Hand – Syndrom, Pusher- Syndrom beachten
• Hüftkomplikationen verhüten helfen; Absprache mit Ergo- und Physiotherapie
• Prophylaktisches Handeln; Sturzprophylaxe, Thromboseprophylaxe
• Lagerung je nach Störungsbild, Spitzfuß- und Kontrakturprophylaxe
• Subluxierte Schulter: Arm unterstützen und lagern
• Schmerzhafte Schulter, Schulter – Hand – Syndrom, Pusher- Syndrom beachten
• Hüftkomplikationen verhüten helfen
• Forcierte Bewegung des betroffenen Armes (Taub’sches Bewegungstraining)
• Anleitung (spüren lassen) bei der Selbstpflege
• Entstehende Spastik (Tonuserhöhungen) beachten

Das Bobath Konzeptes

= Das Bobath – Konzept beruht auf der lebenslangen Fähigkeit des Nervensystems, sich zu verändern
und anzupassen. Das bedeutet die Möglichkeit zu lernen und sich an die Veränderungen anzupassen.
Der Klient muss dabei motiviert, wiederholt üben und lernen, er benötigt viel Aufmerksamkeit und
Unterstützung

▪ Aktivierung des Klienten


▪ Verbesserte Haltungskontrolle
▪ Förderung der Körperwahrnehmung
▪ Neglect beachten; betroffene Seite in die Pflege mit einbeziehen
▪ Waschungen nach Bobath (von gesunden zur betroffenen Seite waschen.
▪ Zum Kleiden mit der betroffenen Seite beginnen; beim Auskleiden mit der gesunden
Seite beginnen
▪ Immer über die betroffene Seite des Klienten agieren, der Nachttisch steht auf der
betroffenen Seite

Ernährung - Dysphagie

= Dysphagie (Schluckstörungen)

• Langsame und kontrollierte Nahrungsaufnahme - Erstübungen mit dem Logopäden


• Keine Gespräche oder Ablenkungen während der Nahrungsaufnahme

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• Eventuell Klienten an Kauen und Schlucken erinnern
• Kleinere Löffel, Mengen beachten
• Speisereste verbleiben häufig nach der Nahrungsaufnahme in den Wangentaschen ->
Klienten ggf. auffordern diese mit der Zunge oder Finger zu erspüren und zu entfernen
• Je nach Schluckstufe Getränke andicken und Speisen pürieren
• Schluckstufen/Dysphagiestufen
▪ Stufe 1: schwerste Form, keine orale Nahrungs- Flüssigkeitsaufnahme
▪ Stufe 2: mittelschwere Form, Nahrung pürieren, Getränke andicken
▪ Stufe 3: leichte Dysphagie, weiche Nahrung, ggf. andicken von Getränken
▪ Stufe 4: sehr leichte Dysphagie, gewohnte Ernährung

Kommunikation und Kognition

- Häufiges Problem: Aphasie


▪ Broca Aphasie: Hauptsächlich ist die Sprachproduktion gestört
▪ Wernicke Aphasie: Hauptsächlich ist das Sprachverständnis gestört
▪ Globalaphasie: Mischform, beide Störungsbilder kombiniert
- Klienten müssen häufig zum Sprechen motiviert werden
- Kommunikationsprobleme können verstärkt auftreten (Störung in allen
Kommunikationsbereichen möglich)
▪ Verbale Kommunikation:
▪ Nonverbale Kommunikation:
▪ Paraverbale Kommunikation:
- Echolalien vermeiden (Nachsprechen von Worten; kein Lerneffekt beim Klienten)
- Kein Verständnis spielen, bleiben Sie Kongruent und klären Sie offene Fragen
- Langsam und deutlich sprechen, um so das Verständnis zu verbessern
- Grundhaltung nach C. Rogers (Empathie, Wertschätzung, Kongruenz)
- Nicht ins Wort fallen und Pausen ertragen
- Kognitive Funktionen müssen nicht immer gestört sein!
- Bei auffallendem Problem der Orientierung ggf. neuropsychologische Hilfe nutzen

Morbus Parkinson
Definition
Die Parkinson-Krankheit bzw. Morbus Parkinson (weitere Synonyme: Parkinson’sche Krankheit,
Paralysis agitans = Schüttellähmung oder Zitterlähmung, Idiopathisches Parkinson-Syndrom (IPS)) ist
eine langsam fortschreitende neurologische Erkrankung. Sie zählt zu den degenerativen Erkrankungen
der Stammganglien.

Die Parkinson-Krankheit gehört zu den häufigsten neurologischen Erkrankungen in Deutschland ca.


300.000 Betroffene und jedes Jahr kommen ca. 20.000 Neuerkrankungen dazu. 10% der Betroffenen
sind jünger als 40 Jahre.

Ursache/Biochemie

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Ausgelöst wird sie durch das Absterben von Zellen in der Substantia nigra, einer Struktur im
Mittelhirn, die den Botenstoff Dopamin herstellt. Der Mangel an Dopamin führt letztlich zu einer
Verminderung der aktivierenden Wirkung der Basalganglien auf die Großhirnrinde. Rigor und
Verlangsamung resultieren als Folge überwiegt die Wirkung von Acetylcholin, was zum Tremor führt.
Der Dopaminmangel führt über zwei Wege letztlich zu einem Ungleichgewicht in der Funktion der
Basalganglien.
Dies führt zu den Kardinalsymptomen Rigor, Tremor und Bradykinese, und zur Haltungsinstabilität.
• Rigor = Steifheit, erhöhter Tonus der Muskulatur, der in der Beuge- und Streckmuskulatur
gleich zeitig vorhanden ist.
• Tremor = Zittern der Extremität, beginnend an den Armen und tritt auch als Ruhetremor auf
• Bradykinese = ist die Verlangsamung der Bewegungen; dazu zählt die Verkleinerung des
Bewegungsausmaß (Hypokinese) und die Schwierigkeit die Bewegung zu beginnen
• Haltungsinstabilität = verminderte Reflexe zur Stabilisierung des Gleichgewichtes

Häufig auftretende Symptome


• Vegetative Störungen (Verlust des Geruchsinn, Schlafstörungen. Chronische Obstipation,
nachlassende Stresstoleranz)
• Ein Salbengesicht (fett-glänzende Gesichtshaut) entsteht durch gesteigerte Talgproduktion,
zusammen mit der Hypomimie (herabgesetzte mimische Bewegung)
• Im fortgeschrittenen Krankheitsstadium kommt es zu Kreislaufregulationsstörungen =
orthostatische Hypotonie
• Blasenfunktionsstörungen
• Sexualfunktionsstörungen
• Temperaturregulationsstörungen führen vor allem zu einer verminderten Hitzetoleranz durch
eine Störung des reflektorischen Schwitzens und der reflektorischen Gefäßerweiterung bei
Wärme

Psychische Veränderungen
• Hirnleistungsstörungen bei Parkinson-Plus-Syndrom, bis zur Demenz
• Psychose
• Depressive Störung
• Antriebsmangel

Verlauf und Prognose


• Langsam über Jahre fortschreitend
• In den ersten Jahren oft noch Berufstätigkeit möglich
• Oft einseitig beginnend
• Krankheitsverlauf gering beeinflussbar, Symptome linder bar, aber noch keine Heilung
möglich
• Komplikationen treten vor allem durch die Medikamenten-Nebenwirkungen und den
fortschreitenden Krankheitsverlauf auf

Diagnostik
• Meist klinisch gestellt, Kardinalsymptome (z.B. Bradykinese, Tremor) sind vorhanden
• Anamnese
• L- Dopa Test, minimieren sich die Symptome unter der Gabe
• PET – Positronen-Emissions-Tomografie, Nachweis des Dopamin-Mangel

Therapie
• Medikamentös: oral, L- Dopa - Pumpe, Apomorphin- Pumpe
• Physiotherapie
• Ergotherapie

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• Logopädie
• Psychologische Betreuung
• Tiefe Hirnstimulation

Medikamentöse Therapie
• Standardtherapie: Monotherapie mit einem Dopamin-Agonisten zur Substitution
• oder L-Dopa Kombinationstherapie, L-Dopa mit Dopaminagonisten, MAO-B Hemmer, COMT-
Hemmer, Amantatin, Anticholinergicum

Medikamentennebenwirkungen
• On-Off Phänomen
• Fluktuationen der Beweglichkeit
• Freezing – Klient ist nicht in der Lage den ersten Schritt zu tun (wie eingefroren)
• Dyskinesien
• L- Dopa- Psychose

Pflegeinterventionen bei Parkinson - Syndrom


• Lebensqualität erhalten
• Selbstständigkeit fördern, motivieren - ohne zu überfordern
• Stimmungsschwankungen auffangen
• Langsamkeit akzeptieren, Starthemmung einplanen
• Kommunikation situativ gestalten, Gespräche erschwert durch Störung der nonverbalen
Kommunikation, der Sprachstörungen und Verlangsamung
• Physiotherapeutische Übungen durchführen, anleiten und beraten des Klienten/der
Angehörigen
• Atemübungen sinnvoll
• Festes Schuhwerk mit rutschfesten Sohlen, Klettverschlüsse, Stolperfallen vermeiden
• Punktgenaue Medikamenteneinnahme; auf Nebenwirkungen der Medikation achten
• Bei Körperpflege auf gründliche Reinigung und Abtrocknung achten (starkes Schwitzen)
• Hilfestellung bei der Körperpflege anbieten oder Hilfsmittel z.B. elektrische Zahnbürste,
Elektrorasierer, Bürste mit langem Griff, Duschstuhl, Haltegriffe
• Hilfsmittel zur selbständigen Einnahme des Essens (z.B. verdicke Griffe am Besteck, erhöhte
Tellerränder, spezielle Trinkhilfen)
• L – Dopa – Gabe ca. ¾ Stunde vor der Körperpflege (Verbesserung der Beweglichkeit)
• Hautbeobachtung, Schwitzen beobachten und ggf. Kleidungswechsel mit Waschung
durchführen
• Für Sicherheit sorgen – Gestaltung des Zimmers oder Wohnung; Sturzprophylaxe
• Dranginkontinenz beachten
• Obstipationsprophylaxe
• Rechtliche Beratung z.B. Betreuungsvollmacht, Patientenverfügung

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Wachkoma
Definition Koma
In der Medizin ist ein voll ausgeprägtes Koma (griechisch „tiefer Schlaf“) die schwerste Form einer
quantitativen Bewusstseinsstörung. In diesem Zustand kann das Individuum auch durch starke
äußere Stimuli, wie wiederholte Schmerzreize, nicht geweckt werden.

Häufigste Ursachen von komatösen Zuständen


• Sedativa- und Alkoholintoxikationen
• Hirninsulte
• Metabolische/ internistische Komata
(Urämisches; hepatisches; thyreotoxisches; diabetisches)
• Schädel – Hirn – Trauma; hypoxischer Hirnschaden
• Encephalitis; Tumore; Endstadien anderer neurologischer Erkrankungen

Apallisches Syndrom/Wachkoma

Definition
= funktioneller Ausfall der gesamten Großhirnfunktion oder größerer Teile, während Funktionen von
Zwischenhirn, Hirnstamm und Rückenmark erhalten bleiben.
Dadurch wirken die Betroffenen wach, haben aber aller Wahrscheinlichkeit nach kein/ein sehr
geringes Bewusstsein und nur sehr begrenzte Möglichkeiten der Kommunikation (z. B. durch
Konzepte wie die Basale Stimulation) mit ihrer Umwelt.

Entwicklung und Verlauf


• Das Apallische Syndrom ist meist Folge einer akuten schweren Erkrankung (Ausnahme:
neurodegenerative Erkrankungen)
• Die Patienten werden daher überwiegend zunächst auf einer Intensivstation behandelt.
• Sind oft komatös, müssen künstlich beatmet und ernährt werden
• Nach Sauerstoffmangel treten oft starke Muskelzuckungen (Myoklonien) auf
Danach kommt es zu einer Stabilisierung der körperlichen Funktionen
• In dieser Übergangszeit von einigen Wochen bestehen oft massiv erhöhter Blutdruck,
Schwitzen, Herzrasen usw. als Zeichen einer Störung des vegetativen Nervensystems
• Später wird meist die Unabhängigkeit von der künstlichen Beatmung als Zeichen einer
Stabilisierung der Hirnstammfunktionen erreicht
• Danach kann der Patient die Intensivstation verlassen. Auch die Wachheit etabliert sich
meist in diesem Zeitraum.
Schließlich kann es entweder zu einer mehr oder weniger guten Erholung der Hirnfunktionen
kommen oder sich das Bild eines Wachkomas entwickeln. Dabei sind die Betroffenen tagsüber oft
wach, öffnen die Augen, ohne etwas anzusehen, haben teilweise bestimmte Bewegungsmuster (z. B.
schablonenhafte Bewegungen von Gesicht oder Mund).

Symptomatik
Folgende Erscheinungen gelten als typisch:
• Schlaf-/Wachrhythmus erhalten
• keine bewusste Reaktion auf Wahrnehmungen (Klient kann hören!)
• keine gezielte Kommunikation möglich
• in Rückenmark, Hirnstamm oder durch das Vegetativum gesteuerte Reflexe
• Automatismen
• schwimmende oder hin und her gehende Augenbewegungen
• Tetraspastik

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• Vegetative Instabilität
• Erhaltenes Empfinden für äußere Reize und Bedingungen

Behandlung

Akutbehandlung (Phase A) im Mittelpunkt:

• Der Klient erhält einen Luftröhrenschnitt (Tracheotomie), eine Ernährungssonde (PEG –


perkutane endoskopische Gastrostomie) und oft auch eine Urinableitung durch die
Bauchwand (SPF – suprapubische Fistel) angelegt
• Die Lebensfunktionen werden mittels Monitors überwacht und gesichert
• Die ganzheitliche Betreuung mit Prophylaxen sorgt für eine optimale pflegerische Versorgung
(einschließlich Ernährung)
• Die Funktion des Schluckens ist nach Beendigung der maschinellen Beatmung entscheidend
dafür, ob die Trachealkanüle entfernt werden kann.

Frührehabilitation der Phase B (Rehaklinik):

• Das Therapieangebot wird dabei um Ergotherapie und Neuropsychologie erweitert


• Zusätzlich kann Musiktherapie eingesetzt werden
• Das Konzept der Basalen Stimulation, welches in einem integrierten pädagogischen und
pflegerischen Konzept eine, dem Schädigungsmuster angepasste, Wahrnehmung der Umwelt
und Unterstützung einfacher Körperfunktionen (z. B. Bewegungen) vermitteln soll. In dieser
Phase, die zwischen einem Monat und einem Jahr dauert, entscheidet sich die Prognose des
Betroffenen.

Kommt es zu einer merklichen Verbesserung physischer und psychischer Leistungen, so können


weitere Phasen der Rehabilitation angeschlossen werden (Phasen C/D/E).

Bleibt der Klient bewusstlos, muss zur Phase F (dauerhafte „Aktivierende Behandlungspflege“)
übergegangen werden.

Pflege bei Wachkoma:

Pflege mit dem Konzept der Basalen Stimulation

• Klienten so betreuen, als ob er alles verstünde und alles fühlen kann!


• Initialberührung am Beginn der Handlung und ansprechen, bevor Sie etwas ausführen
möchten
• Wahrnehmungsförderung/Wahrnehmungsangebote individuell gestalten – Konzept
individuell für den Klienten erarbeiten
• Berührungsqualitäten beachten (Kommunikationswege)
• Einbeziehung der Bezugspersonen in das Konzept

Weitere Pflegemaßnahmen:
• Alle Prophylaxen müssen geplant und angewandt werden
• Flüssigkeitszufuhr und Ausfuhr bilanzieren
• Fachgerechte Pflege von PEG und Trachealkanüle
• Physiotherapie und therapeutisch- aktivierende Pflege koordinieren
• Richtige Gabe der Medikation; Ggf. Kontrolle der Vitalwerte; Milieutherapie

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Entzündliche Erkrankungen des ZNS = Encephalomyelitis disseminata
Synonym: Multiple Sklerose (MS)
Definition:
 Chronische entzündliche Erkrankung des Zentralen Nervensystems
 Autoimmunologisch bedingte Zerstörung der Markscheiden der Nerven im ZNS
(Demyelinisierung)
 Die Entzündung der Markscheiben kommt es zum Abbau von Nervenfasern (axonale
Degeneration) und entsprechenden Symptomen

Wahrscheinliche Ursache:
• Fehlsteuerung des körpereigenen Immunsystems (primäre Ursache vielleicht Virusinfekt im
Kindesalter)

Symptome:
• Zentrale Paresen und Sensibilitätsstörungen
• Hirnnervensymptome
o Doppelbilder; Nystagmus; skandierende Sprache
o Optikusneuritis mit Sehstörungen und Gesichtsfeldausfällen
• Gangataxie; Koordinationsstörungen
• Blasenstörung (Entleerung schon bei kleinen Mengen)
• Fatigue (chronische Müdigkeit)
• Trigeminusneuralgien

Verlauf:
• Schubförmig
• Mit kompletter oder Inkompletter Remission
• Chronisch progredient
• Primär oder sekundär

Prognose:
1/3 geringe oder kaum nachweisbare Krankheitszeichen
1/3 mäßiger Behinderungsgrad ohne gravierende Einschränkung im Berufs- und Privatleben
1/3 ungünstiger Verlauf
MS ist keine generell lebensverkürzende Erkrankung
Insgesamt gute Behandelbarkeit bei den meisten Patienten

Diagnostik:

• Vollständige neurologische Untersuchung (klinische Untersuchung) + Sehtest


• Erhebung der Vorgeschichte und Familienanamnese (u.a. Autoimmunerkrankungen)
• Untersuchung des Liquors; typisch sind erhöhte Konzentrationen von Immunglobulinen
• Optische Kohärenztomographie (OCT) = zur Erkennung neurodegenerativer Veränderung der
Retina
• cMRT -> Entmarkungsherde
• Evozierte Potentiale = elektrische Signale, werden im Elektroenzephalogramm erhoben
• Im Kernspintomographen erkennt der Arzt die stumme Herde

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Therapie/Schubtherapie
= bei akut voranschreitenden Prozessen oder neurologischen Ausfall, länger als 24 Std.

Glukokortikosteriode; meist Methylprednisolon 500 – 100 mg i.v., Einzeldosis über 3 – 5 Tage

Schubprophylaxe:
• Beta-Interferone s.c. oder i.m.
Neu: orale Schubprophylaxe
• Immunsupressiva, Cytostatika, monoklonale Antikörper
• Medikamentöse Eskalationstherapie, adulte Stammzelltherapie
• Symptomatische Behandlung, z.B. Antispastika, Inkontinenztherapie
• Physiotherapie, Ergotherapie, Psychotherapie

Pflegerische Aspekte:
• Ziel: Erhalt der Lebensqualität
• Pflege angepasst an den individuellen Verlauf, aktuelles Leistungsvermögen oder
Einschränkungen des Klienten
• Leicht betroffene Patienten brauchen eher psychosoziale Betreuung
• Später vor allem Hilfe bei der Selbstpflege und zur Erhaltung der Aktivitäten des täglichen
Lebens
• Technische Hilfsmittel einsetzen, regelmäßige Durchführung der physiotherapeutischen
Übungen
• Bei den Bewegungseinschränkungen auf das erhöhte Sturzrisiko achten
• Bei Bettlägerigkeit Dekubitus-, Thrombose- und Kontrakturprophylaxe; Lagerung
• Hilfe bei Inkontinenz- und Ausscheidungsproblemen; Blasen- und Darmtraining
• Umfassende Aufgaben als MS – Schwester

Epilepsie und epileptischer Anfall

Epilepsien sind keine Geisteskrankheiten- sondern neurologische Erkrankungen.


• Etwa ein Prozent der Bevölkerung ist betroffen
• Ein einzelner epileptischer Anfall ist noch keine Epilepsie.
• Anfälle führen nicht zur „Verblödung“, auch moderne Antiepileptika machen dies nicht und
haben recht wenig Nebenwirkungen, wenn die Einstellung optimal ist
• Achtzig Prozent der Patienten mit Epilepsien lassen sich mit einer ersten Monotherapie von
Antiepileptika anfallsfrei bekommen

Definitionen
Epileptischer Anfall: Plötzliche, pathologische, synchrone, exzessive Entladung elektrischer
Hirnströme, mit der Folge von motorischen Entäußerungen und meist einer Bewusstseinsstörung

Epilepsie (Anfallsleiden): Immer wieder aus sich selbst heraus auftretende epileptische Anfälle

Provokationsfaktoren für epileptische Anfälle: Fieber, Schlafentzug, schwere Erkrankung des


Gehirns, oder schwere Allgemeinerkrankung, „Stress“ psychisch; Photostimulation (bei manchen
Menschen); Alkohol- oder Drogenentzug; Medikamente oder Drogen an sich

Beispiele für epileptische Anfälle


• Fieberkrampf
• Absencen- Petit Mal

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• BNS- Anfälle
• Deja Vu/ Jamais Vu
• Myoklonischer Anfall
• Generalisierter tonisch-/klonischer Anfall („Grand Mal“)
• Psychomotorischer Anfall, auch komplex- motorisch genannt
• Aura (z.B. auditiv, visuell, gustatorisch, sensibel...) meist gefolgt von einem komplex-
motorischen Anfall

Typische Kennzeichen epileptischer Anfälle


• Aura = „Hauch“
• Bewusstseinsstörung
• Motorische Entäußerungen; z.B. Klon
• Fehlende Ansprechbarkeit
• Psych. Symptome
• Prozesshaftigkeit
• Zungenbiss,
• Einnässen, Einkoten
• Weite, lichtstarre Pupillen
• Postiktal (nach dem eigentlichen Anfall):
• Amnesie
• passagere Sprachstörung
• passagere Orientierungsstörung
• Müdigkeit
• Abgeschlagenheit

Akuttherapie epileptischer Anfälle


• Arzt rufen
• Ruhe bewahren – den Klienten schützen, nichts in den Mund stecken, nicht gewaltsam
festhalten; auf dem Boden liegen lassen, Kopf zu Seite, dass Speichel ablaufen kann.
• Anfall gut beobachten, Klienten nicht allein lassen
• Nach Epilepsieausweis suchen, da hier ggf. Handlungshinweise
Akuttherapie (Ärztliche Anordnung) mit Tavor expidet® oral oder mit Diazepam rectiolen.
• Wiederholung, falls nach 5 Min der Anfall nicht aufhört, nach Anweisung
• Bei Anfällen länger als 5 Min-> Status epilepticus, Grand Mal Status epilepticus
lebensbedrohlich, Notarzt muss gerufen werden, meist Klinikaufnahme notwendig., ggf. ITS
• Weitere Therapie mit Antiepileptika i.v. erfolgt dann durch den Arzt; Sauerstoffgabe sinnvoll

Pflegemaßnahmen nach einem epileptischen Anfall

• Die Pflegefachkraft dokumentiert während und nach dem Anfall (Checklisten)


• Klient wird ins Bett umgelagert, Seitenlage oder 30° Oberkörperlage
• Klient auf Verletzungen (Sturz beim Anfall) kontrollieren, ggf. Platzwunden versorgen
• Überwachung der Vitalfunktionen, besondere Beobachtung auf die Vigilanz und
Kopfschmerzen (Hirnödem)
• Körperpflege bei Inkontinenz (Anfall) durchführen
• Mundspülungen (antiseptisch) bei Verletzung der Zunge oder Wangeninnentaschen
• Muskelschmerzen können auftreten, beobachten, Analgetika nach AO
• Gespräche anbieten zur Bewältigung der Situation (Angstreduktion)

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• Beratung zur Lebenssituation; was ist kann der Klient und was sollte er nicht im Alltag
durchführen (z.B. nicht allein Schwimmen gehen, gesunder ausreichender Schlaf ist gut und
wichtig)
• Führen eines Anfallstagebuch (wie war die Situation: wann – wie – wodurch (Auslöser)

Literaturnachweise:

Baumgärtel F. et al (2015). I Care – Pflege. 2. Auflage. Georg Thieme Verlag. Stuttgart

Menche N. et al (2014). Pflege Heute. 6. Auflage. Elsevier Urban&Fischer Verlag

Schewior-Popp S. et al (2017). Thiemes Pflege. 13. Auflage. Georg Thieme Verlag. Stuttgart

Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch 256. Auflage, Walter de Gruyter Verlag, Berlin – New York

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