Einleitung
Als der Prophet Muhammad bei der Rückkehr von seinem Zuge
nach al-Hudfubiya am 18. J)ü -Higga des Jahres 6 an dem Teich ßadir
Huram Käst machte, soll er von seinem Vetter und Schwiegersohn 'Ali
b. Abi Tälib gesagt haben: „Über den, dessen Herr (maulä) ich bin, ist
auch 'Ali Herr1)." Dieselbe Äußerung tat Muhammad nach AL-YA'QÜ-
2
) am gleichen Tage des Jahres 10 an derselben Stelle, als er von sei-
ner Abschiedswallfahrt nach Medina zurückkehrte. Diese beiden Tra-
ditionen, die sicherlich nur zwei verschiedene Versionen einer und der-
selben Überlieferung sind3), gehören zu den Hauptstützen der Schia bei
ihrem Anspruch auf das ausschließliche Imämat und Kalifat der Nach-
kommen des Propheten.
Es ist nicht genau festzulegen, von welchem Zeitpunkt an man von
einer besonderen schiitischen Richtung des Islams sprechen kann. Wie
der Name Sl'a, richtiger Sl'at *AU besagt, stand am Anfang dieser Be-
wegung eine politische Gruppenbildung; diese Partei hat es spätestens
seit dem Tode des Propheten gegeben4). In diesen bewegten Tagen trat
zum erstenmal eine Gruppe von Muslimen in Erscheinung, die sich für
c
Ali als Nachfolger Muhammads in der geistlichen und weltlichen
Führung einsetzte5). Sie hat sich indessen nicht durchsetzen können;
erst 24 Jahre später wurde 'Ali zum Kalifen gehuldigt, und wenige
Monate nach seiner Ermordung verzichtete sein Sohn al-Hasan frei-
willig auf die ihm übertragene Würde.
Schwieriger zu beantworten ist die Frage nach der Entstehung der
Schia als einer religiösen Richtung im Islam mit eigenen Wesenszügen.
Hier ist zweifellos ein allmählicher Prozeß anzunehmen, der seine Nähr-
stoffe aus den politischen Vorgängen in der islamischen Welt bezog,
daneben aber auch Einflüsse in sich aufnahm, die sowohl aus der
ÖahiUya wie auch aus nichtmuslimischer Umgebung stammten. Von
einer religiösen Schia kann wohl kaum vor dem Tode des vierten Ka-
lifen gesprochen werden, wenn man von Schwärmern wie 'Abdalläh
b. Sabä absieht, welcher allerdings bereits manche der Grundlehren der
1
) AL-MAS'ÜDJ: Kitäb ai-ianbih wa-'l-isräf, S. 255f. Über die Bedeutung von
maulä vgl. den betreifenden Artikel in der EI1.
2
) AL-YA<QÜBI: Ta'rih, S. 125.
3
) DWIGHT M. DONALDSON: TJie Shiite Religion, a History of Islam in Persia
and Iraq, London 1933, S. l ff. S. a. I. GOLDZIHEK: Beiträge zur Literaturgeschichte
der ßi'a und der sunnitischen Polemik, in: Sitzungsberichte der phil.-hist. Cl. der
kais. Akad. d. Wiss. LXXVIII (1874), S. 496f.
4
) EP, Art. „Shi<a".
6
) DONALDSON: The Shiite Religion, S. 12.
ben werden soll, und BROOKELMANN16) möchte sich ebenfalls nicht für
einen von beiden entscheiden. Mir erscheinen indessen die Argumente,
die HIBAT AD-DiN AS-SAHRASTÄNI in seinem Büchlein Mä huwa Nahg
al'Balüga zugunsten von ar-Radi vorbringt17), recht einleuchtend, und
J. Sui/TAN18) hat diese Frage dann auch gar nicht erst angeschnitten.
Nach den Angaben des Verfassers am Ende des Buches ist die
Sammlung im Jahre 400/1009 f abgeschlossen worden. Sie zerfällt in
drei Teile; der erste, der allein zwei Drittel des Buches ausmacht, ent-
hält 236 Predigten und Reden 'Alis — ich folge in der Zählung stets der
ägyptischen Ausgabe mit dem Kommentar von MUH. 'ABDim19) —,
der zweite 79 Briefe und Anweisungen und der dritte 480 Sprichwörter
und Weisheiten. Diese Anordnung ist jedoch sehr nachlässig ausgeführt
worden, denn jeder der Teile enthält eine Reihe von Stücken, die eigent-
lich in einen der anderen Teile gehören müßten, auch ist keineswegs an
eine chronologische Reihenfolge gedacht worden.
Zweifel an der Echtheit der im Ndkj al-Baläga gesammelten Aus-
sprüche des vierten Kalifen sind schon früh lautgeworden. Bereits IBN
HALLIKAN berichtet20), manche seien der Meinung, der Sammler habe
die Aussprüche 'Alis selbst verfaßt. Ähnlich äußerten sich AD-DAHABI
21
und IBN ). MUHAMMAD «ABDUH stand ganz unter dem Ein-
druck der vollendeten Sprache dieser Sammlung22); Zweifel an der
Echtheit sind bei ihm nicht aufgetaucht. Hingegen beeilte sich der
Herausgeber dieser Edition, MUHAMMAD MUHYI 'D-DiN, zu versichern,
daß die hier überlieferten Aussprüche 'Alis wirklich von ihm seien, und
er sucht diese Behauptung auch ausführlich zu beweisen23). Vom
Standpunkt der Wissenschaft ist die Frage der Authentizität des Nah$
al-Baläga von J. SULTAN und L. VECCHIA VAGLIEEI erschöpfend beant-
wortet worden.
Von den in letzter Zeit erschienenen Arbeiten über die Sammlung
des Sarif ar-Radi ist die kleine Abhandlung von 'U. A. FARKÜH24) weit-
») GAL S I 705.
17
) S. 8 ff. Mit dem in Anm. 12 erwähnten Aufsatz von L. VECOIA VAGLIERI
darf die Diskussion um die Person desKompilators wohl als abgeschlossengelten.
18
) &tud& sur Nahj al-Balagha, Paris 1940.
19
) ed. MUHAMMAD MUHYI 'D-ÜIN *ABD AL-HAMID, 3 Bände, Kairo o. J.
(ca. 1950). Die Zählung ist nicht ganz korrekt durchgeführt, P 3, P 80, P 151
erscheinen doppelt, so daß das Werk eigentlich 239 Predigten enthält. Ich habe
die falsche Numerierung jedoch beibehalten, da sie für den Nachweis der Zitate
nur von sekundärer Bedeutung ist.
20
) Wafayät al-a<yän, Band ITC, Nr. 416: äs-Sarif al-Murtadä.
21
) Bei J. SULTAN: ßtttde sur Nahj al-Balagha, S. 77 f.
w 23
) Seine Einleitung S. Yä» f. ) Seine Einleitung S. Öim ff.
*) Nahg al-Baläga, «Beirut 1372/1952.
In Predigt 1274) des Nahtf al-Baläga läßt man «Ali sagen: „0 Gott,
ich war der erste der sich (zu Dir) wandte, hörte und antwortete;
niemand übertraf mich im Gebet außer dem Gesandten Gottes". An
anderer Stelle8) heißt es: „Ich wurde mit der natürlichen Anlage gebo-
ren6) und ging voran im Glauben und in der Auswanderung nach
Medina". cAli ist also — nach Muhammad — der erste gewesen, der
sich zum Islam bekannte7). Über sein Verhältnis zu Muhammad berich-
tet Predigt 1878): „... Ihr kennt meine Stellung zum Gesandten Gottes
durch die nahe Verwandtschaft und den besonderen Rang. Er legte
mich in seinen Schoß, als ich ein Knabe war, und drückte mich an seine
Brust... Er pflegte etwas vorzukauen und ließ es mich dann essen ...
Ich folgte ihm wie ein Kamelfüllen der Spur seiner Mutter; jeden Tag
wies er mich auf eine seiner Gewohnheiten (ahläq) hin und befahl mir,
sie nachzuahmen. Er pflegte sich in jedem Jahr eine Weile in der Nähe
von Hirä' aufzuhalten; ich sah ihn (dort), und niemand sah ihn außer
mir. Keine einzige Familie fand sich seinerzeit im Islam zusammen
außer dem Gesandten Gottes und Hadlga, und ich war ihr dritter. Ich
sah das Licht der Offenbarung und der Botschaft, und ich roch den
Duft der Prophetenschaft. Ich hörte auch das Wehgeheul des Satans,
als die Offenbarung zu Muhammad herabkam. Ich fragte: 0 Gesandter
Gottes, was ist das für ein Geschrei? Er erwiderte: Das ist der Satan,
der an seinen Knechten verzweifelt. Du hörst, was ich höre, und Du
siehst, was ich sehe, nur daß du kein Prophet bist, sondern ein We-
sir..." Der letzte Teil zeigt eine deutliche Parallele zu der genannten
Tradition, wonach < 1 zu Muhammad wie Aron zu Moses stünde,
„außer daß nach mir kein Prophet mehr kommt".
Band VII, S. 119f. (AN-NAWAWI: Sarh Sahih Muslim, Band IX, S. 277f.);
DONALDSON: The Shiite Religion, S. 45. IBN HAZM: al-Fasl fi -milal wa-'l>ahwä*
wa -nihal, Band IV, S. 116 sieht diese Tradition übrigens nicht für vertrauens-
würdig an. Vgl. hierzu auch J. FBIEDLAENDER: The Heterodoxies of the Shiites
According to Ihn Hazm, in J.A.O.S. XXIX/1908, S. 135.
4
) 11/19 des Kommentars von MUH. «ABDUH. Vor der Nummer bedeuten
P = Predigt, B = Brief, S = Sprichwort gewäß der Einteilung dieses Druckes.
Die Parallelstellen bei Ibn ABI 'L-HADID werden stets durch Vorsetzen von IH
gekennzeichnet, wobei sich die erste Zahlengruppe auf die Lithographie, die
zweite in Klammern auf den äg. Druck bezieht. Hier IH 1/469f. (11/378f.).
6
) P 56,1/101; IH 1/199 (1/355).
e
) Wulidtu <alä -fitrati; über die Bedeutung von fitra vgl. Koran, Sure 30,
Vers 29.
7
) Über diese Frage bei den Historikern SABASIN: Das BUd 'Alis, S. 10, 26,
31, 36, 41, 57; ferner TH. NÖLDEKE: Zur tendenziösen Gestaltung der Urgeschichte
des Islam, in: ZDMG 52 (1898), S. 16ff.
8
) II/182f.j IH /133 (IH/224ff.).
Predigt 1929) berichtet von der Rolle cAlis beim Tod und Begräbnis
des Propheten. „Der Gesandte Gottes starb, während sein Kopf an
meiner Brust ruhte. Das Blut aus seinem Munde rann auf meine Hand,
und ich strich es auf mein Gesicht. Ich wurde beauftragt, seine Wa-
schung vorzunehmen, und die Engel waren meine Helfer. Das Haus und
die Höfe waren von Lärm erfüllt; eine Anzahl Engel stieg (vom Him-
mel) herab, eine andere empor, und nicht das leiseste Geräusch von
ihnen entging mir. Sie beteten für ihn, bis wir ihn in seinem Grabe ver-
bargen. Wer hat wohl mehr Recht über ihn im Leben und im Tode als
ich?" Diese hervorragende Stellung 'Alis beim Tod und Begräbnis
Muhammads entspricht der schiitischen Tradition; die sunnitische
Überlieferung unterscheidet sich hier im allgemeinen von ihr10).
Der Prophet teilte 'Ali auch Prophezeiungen über die Zukunft und
über sein persönliches Schicksal mit. Predigt 15l11) enthält ein Zwie-
gespräch zwischen beiden, in dessen Verlauf der Prophet cAli den Ab-
fall seiner Anhänger von der Religion und ihr Aufgehen in weltlichen
Genüssen voraussagt. Noch deutlicher ist Predigt 17012). Hier spricht
<
Ali: „Bei Dem, Der den Propheten mit der Wahrheit schickte und aus
der Schöpfung auserwählte, ich spreche nichts als die Wahrheit! Er
(d.h. Muhammad) hat mir alles anvertraut: das Verderben dessen, der
zugrundegehen wird, die Rettung dessen, der (dem Gericht) entkommt,
und den Ausgang dieser Angelegenheit (d.h. des Kalifats). Er hielt mit
nichts zurück, was über meinen Kopf kommen wird, er ließ es vielmehr
in meine Ohren dringen und teilte es mir mit". Auf das Wissen cAlis um
die Zukunft wird weiter unten zurückzukommen sein.
den Mord befohlen, so wäre ich ein Mörder, hätte ich ihn verhindert,
wäre ich («Utmfm) ein Helfer gewesen. Dennoch kann derjenige, der
ihm geholfen hat, nicht sagen: Ich bin besser als der, der ihn im Stich
ließ! Und wer ihn im Stich ließ, kann nicht sagen: Wer ihm geholfen
hat, ist besser als ich. Ich will euch TJtmäns Sache zusammenfassend
darstellen: Er eignete sich (das Kalifat) an, aber er machte die Usur-
pation schlecht; ihr wart besorgt, doch habt ihr eure Besorgnis schlecht
geäußert (d.h. 'Utmäns Regierung war schlecht, aber ebenso schiecht
war es, ihn zu ermorden)"28). Gegen den Vorwurf der Beteiligung an
der Ermordung cUtmäns durch Mu'äwiya und seine Anhänger wendet
sich auch Predigt 2l29): „Sie fordern ein Recht, von dem sie selber abge-
wichen sind, und Blut, das sie vergossen..." In einem Brief an Mucä-
wiya heißt es30): „Du verlangst etwas von mir, was weder meine Hand
noch meine Zunge begangen haben ..." Ein anderes Schreiben richtet
sich an die beiden Prophetengenossen Talhta und az-Zubair, die die
gleiche Beschuldigung erheben; €Ali verweist auf die Medinenser, die
neutral geblieben waren, und schlägt vor, sie sollen über die Teilnahme
aller dreier an der Ermordung «Utmäns urteilen31). Auch in Predigt
13332) wird jede Schuld am Tode des dritten Kalifen zurückgewiesen.
Nach der Ermordung 'Utmäns wurde in Medina 'All zum Kalifen
gehuldigt. Trotz seines Anspruchs nahm er nur mit Widerstreben an.
So heißt es im Nah$al-Baläga, als man ihm huldigen wollte33): „Laßt
mich und wendet euch an einen anderen; wir gehen einer Sache ent-
gegen, die verschiedene Seiten und Farben hat... Wenn ihr mich laßt,
bin ich wie einer von euch und höre vielleicht am besten von euch auf
den, den ihr mit eurer Sache (d.h. dem Kalifat) betraut, und bin ihm
am gehorsamsten34). Ich bin für euch als Wesir besser denn als Amir*5)"
„... Ihr habt meine Hand genommen (um mir zu huldigen), doch ich
zog sie zurück. Dann drängtet ihr euch um mich wie die durstigen
28
) P 29, I/71f.; IH 1/90 (1/157). Daran schließt sich bis S. 97 (11/169) eine
Abhandlung über die Vorgänge vor und bei «Utmäns Tod an.
2
»)I/55;IHI/57f. (1/100).
30
) B 55, IH/123f.; IH 11/334 (IV/160).
31
) B 54, /123; IH 11/334 (IV/158f.).
32
) n/26f.; IH 1/483 (H/403ff.).
33
) P 88,1/182; IH I/372ff. ( /170). - : Ttfrih VI/3076 (äg. Druck
/456).
34
) - hat statt la'alli illä anm: „... nur daß ich am besten von
euch auf den, den ihr mit dem Kalifat betraut, hören und ihm am gehorsamsten
sein werde".
35
) Vgl. - : Ttfrih, VI/3066 (HI/450); „Ich werde als Wesir besser
sein denn als Amir".
Inneres für sich behalten. Dafür soll er einen deutlichen Beweis bringen,
anderenfalls muß er wieder in das eintreten, was er verlassen hat". An
beide richtet sich ein Brief42): „Ihr wißt, auch wenn ihr es verbergt, daß
ich die Menschen nicht wollte, bis sie mich wollten, ihnen nicht huldig-
te, bis sie mir huldigten. Ihr beide gehört zu denen, die mich wollten
und mir huldigten ... Wenn ihr mir als Gehorsame gehuldigt habt,
dann kehrt um und wendet euch reuig zu Gott aus der Nähe; habt ihr
mir aber widerstrebend gehuldigt, dann gabt ihr mir bereits durch Zur-
schaustellen von Gehorsam und Verbergen des Ungehorsams gegen
euch ein Recht". Nach Predigt 20043) soll < 1 ihnen entgegnet haben,
als sie sich nach der Huldigung beklagten, nicht bei Beratungen heran-
gezogen zu werden: „Ihr habt etwas Geringes getadelt und vieles andere
nicht erwähnt. Wollt ihr mir nicht sagen, welche Sache, auf die ihr ein
Recht habt, ich mir angeeignet habe? Oder welchem Recht gegenüber,
auf das sich einer von den Muslimen bei mir berief, ich mich schwach
zeigte, es nicht kannte oder den Zugang zu ihm verfehlte? Bei Gott,
ich hatte kein Verlangen nach dem Kalifat und kein Bedürfnis nach
der Herrschaft, ihr habt mich dazu aufgefordert und veranlaßt. Doch
als es mir zufiel, blickte ich auf das Buch Gottes und auf das, was Er
uns gab mit der Anweisung, danach zu urteilen; ich folgte ihm und dem,
was der Prophet als Sunna vorschrieb, und ahmte es nach. Ich benötigte
dazu weder eure Meinung noch die eines anderen ..."
Talha und az-Zubair verließen Medina unter dem Vorwande der
Pilgerfahrt und verbündeten sich in Mekka mit ^Ä'isa, der Witwe des
Propheten, die über die Wahl des neuen Kalifen ebenfalls nicht sehr
erbaut war. Von dort zogen alle drei nach dem 'Iräq, wo sie besonders
in Basra Freunde wußten.
Die Uneinigkeit der Verschwörer untereinander wird im Nahg al~
Baläga erwähnt44), ebenso ihr verräterisches Eindringen in Basra45).
'Ä'igas Teilnahme an der Verschwörung wird dabei stark abgeschwächt.
Wenn wir dem zweiten Teil von Predigt 16746) glauben könnten, wäre
sie unfreiwillig unter die Verschwörer geraten: „Sie zogen aus, schlepp-
ten die Gattin des Gesandten Gottes mit sich, wie eine Sklavin zum
Verkauf geschleppt wird, und wandten sich nach Basra. Ihre Frauen
42
) B 54, /122; IH /333 (IV/158f.).
43
) /210; IH II/2 (IH/3).
") P 144,11/44; IH I/496f. (H/429f.). Vgl. DONAIDSON: The Shiite Religion,
S. 30.
«) P 167, /104; IH 1/531 (H/495ff.). Ähnlich P 213, H/228; /22
( /41). Vgl. DONALDSON: The Shiite Religion, S. 30f.
* ) /103£; IH 1/531 ( /495ff.).
sperrten die beiden in ihren Häusern ein, aber die \Vitwe47) des Ge-
sandten Gottes stellten sie für sich und andere zur Schau ..." An an-
derer Stelle48) wird sie mit folgenden Worten verteidigt: „Was jene
(d.h. ^iäa) anbetrifft, so packte sie das typisch weibliche Denken und
ein Groll, der in ihrer Brust kochte wie der Topfeines Schmiedes; wenn
sie aufgefordert worden wäre, von einem anderen das zu erlangen, was
ich bekommen habe, so hätte sie es nicht getan. Dennoch besitzt sie ihre
alte Unantastbarkeit, und die Abrechnung steht bei Gott".
C
A1I versuchte vergeblich, die Verschwörer auf ihrem Wege nach
Basra zu überholen, stellte sie aber dann in der berühmten Kamel-
schlacht. TaDia und az-Zubair wurden getötet, 'Ä'isa gefangen und
nach Medina zurückgeschickt. „Sie donnerten und blitzten, dennoch
hatten sie keinen Erfolg. Wir donnern nicht, bis wir angreifen, und
strömen nicht vor dem Regen"49). An der Leiche Talhas sagte 'All50):
„Abu Muhammad (Talha) war ein Fremder an diesem Ort. Bei Gott,
ich wollte nicht, daß die Qurai§ als Gefallene unter den Sternen
liegen! ..."
Talha und az-Zubair hatten als Grund ihrer Rebellion ihren Wunsch
nach Rache für die Ermordung cUtmäns angegeben und weiter behaup-
tet, daß sich die Mörder des dritten Kalifen unter 'Alis Anhängern
befanden51). Mit Bezug auf Talha wird gesagt52): „Bei Gott, er würde
nicht so drängen, das Schwert zu entblößen, um Rache für das Blut
TJtmäns zu fordern, wenn nicht aus Furcht, daß von ihm die Bezah-
lung seines Blutes gefordert würde, denn er selbst wird des Blut-
vergießens verdächtigt! Keiner war unter den Menschen gieriger als er
danach ..." Von beiden heißt es53: „Sie fordern ein Recht, das sie
selbst mißachteten, und Blut, das sie vergossen haben ..."
über 'Utinän und seine Mörder betrifft, so hast du 'Utmän nur geholfen,
wo die Hilfe zu deinem Vorteil war, und du ließest ihn im Stich, wenn
die Hilfe ihm genützt hätte62)". 'Ali ist nicht in der Lage, Mu'äwiya
oder jemand anders die Mörder 'Utmäns auszuliefern63).
Mit besonderer Vorliebe wird die Vorrangstellung der Sippe 'Alis
im Islam gegenüber der Familie Mu'äwiyas betont. So lesen wir in
Brief 1764) >, ... Was deine Rede angeht: wir sind doch beide Nach-
kommen <Abd Manäf65), so sind wir das wohl; aber Umayya ist
nicht wie Häsim, Harb66) nicht wie <Abd al-Muttalib, Abu Sufyän nicht
wie Abu Täub, ein Muhägir nicht wie ein freigelassener Gefangener67),
ein Aufrichtiger nicht wie einer, der sich erst später dem Islam an-
hängte (lä 's-sariJi ka-l-laslq), einer, der die Wahrheit sagt, nicht wie
ein Lügner, und ein Gläubiger nicht wie ein Betrüger ..." An anderer
Stelle68) heißt es: „... Von uns kommt der Prophet, von euch der
Leugner (d.h. Abu Öahl69), von uns stammt der Löwe Gottes (Ham-
za70)), von euch der Löwe der Verbündeten (Abu Sufyän71)), aus uns
gehen die beiden Führer der ParadiesesJugend (al-Hasan und al-
Husain) hervor, aus euch die Kinder des Höllenfeuers (die Söhne von
Marwän b. al-Hakam72)), zu uns gehört die beste der Frauen der Welt
6. Der Kampf mit den Härigiten und der Verlust von Ägypten
Der unglückselige Ausgang des Schiedsgerichts brachte dem Kalifen
neue Feinde. Gerade diejenigen Kreise, die ihm vorher Abu Müsa als
Schiedsrichter aufgezwungen hatten108), taten sich mit anderen Unzu-
friedenen zusammen und verließen mit dem Ruf: Der Entscheid liegt
nur bei Gott! das Lager 'Alls. Darum wurden sie al-Hawäritf, die Aus-
ziehenden, genannt109).
Nach dem Schiedsgericht soll 'Ali zu seinen Anhängern gesagt
haben110): ,,Die Rebellion gegen einen mitfühlenden, weisen und erfah-
renen Ratgeber hat Verwirrung zur Folge und zieht Reue nach sich.
Ich hatte euch für dieses Schiedsgericht meine Anweisung gegeben und
für euch erwählt, was meine Einsicht angesammelt hatte ... Aber ihr
habt euch mir gegenüber geweigert wie verbrecherische Widersacher
und rebellische Abtrünnige, bis der Ratgeber an seinem Rat verzweifelte
und das Feuerholz seinen Funken zurückhielt ..." Rede 118111)
zeichnet den Weg nach, der zum Schiedsgericht führte, und schildert
die Stellung, die die Härigiten vorher eingenommen hatten: „Habt ihr
nicht gesagt, als die Syrer mit List und Trug die Koranexemplare
aufpflanzten: Sie sind unsere Brüder und Religionsgenossen, sie haben
um Einstellung des Kampfes gebeten und auf das Buch des gepriesenen
Gottes vertraut, man muß ihren Vorschlag annehmen und den Zorn
auf sie beseitigen? Ich sagte euch: Das ist eine Angelegenheit mit
Glauben nach außen und Feindschaft im Innern, an deren Anfang
Erbarmen, an deren Ende aber Reue steht. Doch ihr beharrtet auf eurer
Meinung und erzwangt eure Auffassung ... Wendet euch nicht jeman-
dem zu, der wie ein Rabe krächzte; er führte irre, wenn ihm geantwortet
wurde, und war erbärmlich, wenn man von ihm ließ ..."
Die Forderung der Härigiten an 'Ali, er solle zugeben, wie ein
Ungläubiger gehandelt zu haben, wird entrüstet zurückgewiesen112):
„Euch treffe ein Sandsturm, keine Spur soll von euch übrigblei-
ben! Soll ich gegen mich selbst Unglauben bezeugen, nachdem ich
Glut des Höllenfeuers ..., eines der Schwerter Gottes, dessen Klinge
nicht stumpf ist und dessen Hieb das Ziel nicht verfehlt ..." Völlig
verschieden davon ist Brief 62129), obwohl er bei demselben Anlaß an
die Ägypter gerichtet und mit al-A§tar geschickt worden sein soll. Er
enthält im ersten Teil eine Argumentation über die Stellung 'AHs in der
Zeit der ersten Kalifen und seine Enttäuschimg darüber, daß die
Araber die Familie des Propheten um ihr Recht auf das Kalifat nach
seinem Tode gebracht hatten. Im zweiten Teil des Schreibens klagt
'AK über Korruption und Ausschweifung; der Brief endet mit einer
Aufforderung zum Kampf: ,, ... Saht ihr nicht, daß eure Gebiete sich
verringern, eure Städte erobert werden und eure Länder zusammen-
schrumpfen und von Kriegszügen durchquert werden? Zieht aus zum
Kampf gegen euren Feind — Gott erbarme sich eurer! — und lastet
nicht auf dem Land, sonst laßt ihr euch mit Schande nieder und kehrt
in Erniedrigung zurück, und euer Anteil am Schicksal wird am erbärm-
lichsten sein. Ein Krieger schläft nicht; tut er es, können seinetwegen
die anderen nicht schlafen".
Sehr eigenartig ist Brief 53130); er soll an al-Astar gerichtet worden
sein, als der Kalif ihn zum Statthalter über Ägypten einsetzte. Das
Schreiben enthält eine ganze Fülle von Ratschlägen und Anweisungen
zur Durchführung einer geordneten Verwaltung, daneben werden die
sozialen Schichten und ihre Eigentümlichkeiten, das Verhalten des
Statthalters zu seinen Unterstellten, Steuergesetzgebung, Handel, Aus-
wahl von Beamten und ihre Beaufsichtigung, Beachtung der religiösen
Vorschriften und viele andere Dinge ausführlich behandelt. In dem
Kapitel über die Verwaltungskunst des Kalifen soll diesem Brief etwas
mehr Raum gewidmet werden.
es: „Ich werde heimgesucht durch den, der nicht gehorcht, wenn ich
befehle, und nicht antwortet, wenn ich rufe ... Ich rief euch, euren
Brüdern zu helfen, doch ihr brülltet wie ein krankes Kamel ... Dann
kam von euch zu mir ein ungeordnetes und schwaches kleines Heer".
,,Eure Huldigung war keine unüberlegte Handlung, doch meine und
eure Sache sind nicht dasselbe; ich will euch für Gott, und ihr wollt
mich für euch selbst. 0 ihr Menschen, helft mir gegen euch selbst! Bei
Gott, ich will nur dem Bedrückten Gerechtigkeit geben vor seinem
Bedrücker und den Tyrannen an seinem Nasenring führen, bis ich ihn
an den Tränkort des Rechts gebracht habe, selbst wenn er sich dagegen
wehrt138)". Die Anhänger des Kaufen hören nicht auf Vorwürfe und
Ratschläge139), nach dem Tode des Propheten haben sie sich weltlichen
Vergnügungen hingegeben140) und sind nicht empört, wenn die Gebote
Gottes gebrochen werden141). Sie rebellieren gegen den Imäm, der die
Wahrheit für sich hat, und gehorchen dem falschen Imäm142). „ .. .Bei
Gott, wenn ich nicht hoffte, bei meiner Begegnung mit dem Feind als
Märtyrer zu fallen, wenn mir ein Zusammentreffen mit ihm bestimmt
ist, würde ich mein Reittier antreiben und mich von euch trennen !143)."
„ ... Ihr Menschen, ich habe euch Ermahnungen gegeben, wie sie die
Propheten an ihre Religionsgemeinden gaben, und ich erfüllte Pflich-
ten, wie sie die Ausiyä™*) gegenüber denen erfüllen, die nach ihnen
kommen. Ich züchtigte euch mit meiner Peitsche, doch ihr erhobt euch
nicht, ich trieb euch an mit Zurufen (wie Kamele), aber ihr fandet euch
nicht zusammen. Gott bewahre euch, erwartet ihr einen anderen Imäm
als mich, der euch den Weg ebnet und euch auf die richtige Straße
leitet?145)" „Eure Körper sind vereinigt, doch eure Meinungen sind
geteilt. Eure Reden lassen die härtesten Steine bersten, doch eure
Taten fördern die Gier der Feinde nach euch! In den \7ersammlungen
sagt ihr alles mögliche; wenn aber der Kampf beginnt, schreit ihr:
137
) P 38,1/86; I/122f. (I/212f.).
18
) 132, /26; I/482f. ( /403).
"») P 84,1/154f.; IH I/353f. ( /133).
14
°) P 101,1/200; IH I/387ff. (H/200ff.).
M1
) P 102,1/204; IH I/398f. (H/218ff.)-
ltt
) P 24,1/60; IH 1/62 (1/110).
143
) P 115,1/231; IH 1/417 ( /259).
144
) Jeder Prophet hat einen wasl, dem das prophetische Vermächtnis mit-
geteilt worden ist; IBN BABAWAIHI AS-SADÜQ : al-I'liqädät al-Imämlya, persische
Übersetzung von Muh. 'Ali al-Haearu, Teheran 1371/1952, S. 113. Die Stellung
«Alis als watf, Muhammads wird u.a. durch die bekannte Tradition begründet,
wonach 'Ali bei Muhammad den Platz Arons bei Moses einnehme. Vgl. oben
Anm. 3.
145
) P 177, /130; IH 1/555 (H/528ff.).
zeiht iJim; wünscht ihr denn nicht, daß (auch) Gott euch vergibt?154)
Bei Gott, nichts ist vom Tode überraschend bei mir abgestiegen, was
ich ungern wollte, und nichts stieg empor, das ich mißbilligte! Ich war
nur ein nächtlicher Wassersucher, der (an der Quelle) abstieg, und ein
Suchender, der gefunden hat; und was bei Gott bereitsteht, ist besser
für die Frommen (als alle Güter dieser Welt) l155)" Das darauffolgende
Stück der Briefsammlung bezieht sich auf die Hinterlassenschaft des
Kalifen156).
An einem Tage der Schlacht von Siffin sah cAii seinen Sohn al-
Hasan, wie er sich in den Kampf stürzte, und er sagte zu seinen An-
hängern: „Haltet mir diesen Jüngling zurück, damit er mich nicht
(durch seinen Tod im Kampfe) niederschmettert! Ich möchte beide
(d.h. al-Hasan und al-Husain) vor dem Tode bewahren, sonst wird mit
ihnen die Nachkommenschaft des Gesandten Gottes abgeschnitten"157).
Es findet sich im Nahff al-Baläga noch ein besonderes Vermächtnis
'Alis an al-Hasan; nach der Angabe des Sarif ar-Radl soll es bereits
nach der Schlacht von Siffin aufgesetzt worden sein158). In der Edition
mit Kommentar von MUH. 'ABDtna: umfaßt es nicht weniger als 22 Sei-
ten und enthält fast ausschließlich religiöse und moralische Ratschläge.
„Von dem dahinscheidenden Vater ..., der sich vom Leben abwen-
det ..., die Welt tadelt ... und sie morgen verläßt, an den Sohn, den
erwartet, was er nicht wahrnehmen kann, der den Weg derer geht, die
bereits umgekommen sind ..., der Zielscheibe für Schicksalsschläge...
dem Sklaven der Welt ... und Gefangenen des Todes ... Ich empfehle
dir die Furcht Gottes und das Eintreten für Seine Sache, das Aufrichten
deines Herzens durch Seine Erwähnung und die Zuflucht zu Seinem
Band; welches Band ist wohl fester zwischen dir und Gott, wenn du
dieses ergriffen hast159)? Mein lieber Sohn, als ich mich alt werden sah
und zunehmende Schwäche bemerkte, begann ich schnell mein Ver-
mächtnis an dich und arbeitete wesentliche Züge davon aus, damit
mein Todestermin nicht mit mir davoneilt, ohne daß, was in mir ist, zu
dir gelangte, und ehe ich an Geist abnehme, wie mein Körper abgenom-
men hat... Wenn ich auch nicht für ein Leben bestimmt wurde, wie es
das derer vor mir (d.h. der Propheten) war, so habe ich doch auf ihre
Handlungen geschaut und über die Nachrichten von ihnen nachge-
15
<) Koran, Sure 24, Vers 22.
1
) Koran, Sure 3, Vers 197.
15e
) B 24, HI/25f.; IH 11/231 (III/432ff.).
J57
) P 202,11/212; IH II/5f. ( /9).
18
) B 31, /42—64; / 260ff. (IV/3ff.).
1M
) Vgl. Koran, Sure 3, Vers 102.
dacht. Ich bin ihren Spuren gefolgt, bis ich wie einer von ihnen wurde,
ja sogar als ob ich durch das, was von ihren Taten zu mir gelangte, mit
dem ersten bis zum letzten von ihnen zusammengelebt hätte ... Wisse,
daß der Herrscher über den Tod auch der Herrscher über das Leben ist,
der Schöpfer auch den Tod schickt ... Mache dich selbst zu einer
Waage gegenüber dem, was zwischen dir und einem anderen ist, liebe
für einen anderen, was du für dich liebst, und hasse für den Mann, was
du für die Frau haßt. Bedrücke nicht, so wie du nicht magst, daß du
bedrückt wirst, und tue Gutes, wie du willst, daß man dir Gutes tut ...
Sage nicht, was du nicht weißt, selbst wenn du ein wenig Kenntnis
davon hast, und sage auch nicht, von dem du nicht willst, daß es zu dir
gesagt wird160) ... Wisse, daß du nur für das Jenseits geschaffen bist
und nicht für das Diesseits, für die Vergänglichkeit, nicht für das Ver-
weilen, für den Tod und nicht für das Leben ... Du bist auf dem Weg
zum Tode, vor dem kein Fliehender entkommt und dem keiner ent-
geht, wenn er es auch wünschte161) ... Es gibt zwei Dinge, die dir Gott
beschert; das eine erstrebst du, das andere erstrebt dich, und wenn du
nicht zu ihm kommst, kommt es zu dir ... Für dich ist aus dem Dies-
seits das von Nutzen, womit du deinen Aufenthalt (in beiden Welten)
verbesserst; wenn du bedauerst, was dir aus der Hand glitt, dann be-
daure alles, was du nicht erlangt hast162) ..." Am Ende des Vermächt-
nisses stehen eine Anzahl von Sprichwörtern und ein Abschnitt über die
Frauen; hierauf wird weiter unten im Abschnitt über das religiöse
Gesetz eingegangen.
den, der ihn zu überwinden suchte1) ..." „Gott der Erhabene hat euch
mit dem Islam ausgezeichnet und euch für ihn auserkoren, weil er die
Bezeichnung für ein Heil und eine angehäufte Gnadengabe ist. Der
erhabene Gott wählte seinen Weg aus und zeigte seine klaren Beweis-
mittel auf aus sichtbaren Wissen und verborgener AVeisheit2) ..."
Er hat keinen Kuheplatz, an den Er sich gewöhnt hat oder den er ver-
mißt. Er ließ die Schöpfung entstehen und begann mit ihr ohne Über-
legungen, die Er anstellen mußte, ohne eine Probe, aus der Er lernte,
ohne eine Bewegung, die Er (zuvor) erschaffen mußte, und ohne innere
Unruhe, durch die Er verwirrt wurde. Er wandelte die Dinge (vom
Nichtsein zur Existenz) an ihren bestimmten Zeitpunkten und schuf
Verbindungen zwischen ihren Verschiedenheiten. Er ließ ihre Natur-
anlagen entstehen und gesellte ihnen ihre Gestalt bei. Er nahm sie vor
ihrem Anfang wahr, legte ihre Grenzen und ihr Ende fest und kannte
ihre Eigenschaften und Arten ..."
Dieser Abschnitt, der übrigens den Anfang der ersten Predigt im
Nahtf al-Baläga ausmacht4), gibt vielleicht den besten Überblick über
die hier vertretene Gottesvorstellung. Die Betonung der Einheit Gottes,
Seiner Präexistenz und unabhängigen Schöpferkraft liegt auf der allge-
meinislamischen Linie. Was die Leugnung der göttlichen Attribute an-
belangt, so wird hier die Ansicht zurückgewiesen, daß sie zum göttlichen
Wesen hinzutretende Wesenheiten seien. Die schiitische Auffassung,
die auch von der Mu'tazila geteilt wird5), sieht die Eigenschaften der
Allmacht, des Allhörens, Allsehens usw. Gottes, wie sie an unzähligen
Stellen im Koran erscheinen, als essentielle Attribute (sifät dätlya) an,
die mit dem göttlichen Wesen identisch sind6). Attribute, die neben
Gott existieren, würden die göttliche Einheit zerstören, wären Polythe-
ismus (Sirk).
Von Gottes Allmacht spricht auch Predigt 18l7) :„ ... Gott ist der
Agens ohne Störung durch ein Werkzeug, Er setzt die Maße fest ohne
Nachdenken, Er bedarf keiner Sache, um daraus Nutzen zu ziehen. Die
Zeiten begleiten Ihn nicht, und Werkzeuge unterstützen Hin nicht.
Sein Sein ging den Zeiten voraus, Seine Existenz dem Nichtsein und
4
) 1/7ff.; IH I/12ff. (I/18ff.).
5
) EI1, Art. „al-Muttazila", Abschn. I: Asl al-tauhid.
6
) Vgl. IBN BABAWAIHI AS-SADÜQ: al-lHiqädät al-Irnümlya, persische Über-
setzung von MUHAMMAD <AiJ AL-HASANI, Teheran 1371/1951, S. 15f.: „Jedesmal
wenn wir Gott mit einem Seiner essentiellen Attribute (sifat-i däta§) beschreiben,
ist unser Ziel und Streben bei jedem Attribut die Leugnung, daß es zu Seiner
heiligen Essenz im Gegensatz steht... Seit Ewigkeit ist Gott der Erhabene
allhörend und allwissend..., d.h. in Seiner Essenz..., und dieses sind die
Attribute Seiner Essenz... Seit Ewigkeit ist Gott erschaffend und handelnd...,
weil dieses die Attribute Seiner Handlungen sind; diese Attribute sind neu, und es
ist nicht erlaubt zu sagen, daß Gott von Ewigkeit her mit ihnen versehen (mausüf)
ist". Siehe auch die Tradition bei AL-KUIAINI: Usül al-käfi, lith. Bombay
1514/1898, S. 37if. (I/107ff. der Edition von «All AKBAB AL-£AFFÄBI, Teheran
1377—81/1957—62) über die essentiellen Attribute Gottes.
7
) /143; IH 11/110 (III/203ff.).
Seine Ewigkeit dem Anfang. Weil Er uns mit den Sinnen ausgestattet
hat, wurde gewiß, daß Er keinen dieser Sinne besitzt; weil Er Gegen-
sätze zwischen den Dingen schuf, wissen wir, daß Er kein Gegenstück
hat, und dadurch, daß Er sie in Verbindung zueinander brachte, daß Er
mit nichts zu vergleichen ist. Er setzte Licht und Finsternis, das Offen-
sichtliche und das Zweifelhafte, das Feste und das Flüssige, das Heiße
und das Kalte in Gegensatz zueinander..." ,, ... Er gab dem
(menschlichen) Verstand keine Nachricht über die Definition Seiner
Eigenart (sifa), doch Er entzog ihm nicht das notwendige Wissen über
Sich. Für Ihn zeugen die Zeichen des Seins, (sie legen Zeugnis ab selbst)
über das Zugeständnis (Seiner Existenz) im Herzen eines Leugners. Er
ist weit erhaben über das, was die Zweifler und die Leugner sagen8)!"
Gott hat die Schöpfung nicht zur Vergrößerung Seiner Herrschaft9)
geschaffen. „Er hört das Gebrüll der wilden Tiere in den Wüsten, Er
kennt den Ungehorsam der Knechte an den Orten des Alleinseins, die
Verschiedenartigkeit der großen Fische in den überfließenden Meeren
und den Zusammenprall des Wassers durch die Wirbelwinde10)".
,, ... Wehe dem, der Den leugnet, Der die Maße für die Dinge be-
stimmt und (die Schöpfung) ordnet! Die Ungläubigen glaubten, daß sie
wie die Pflanzen seien, die keinen Sämann brauchen und keinen
Schöpfer für ihre verschiedenen Formen; doch sie haben ihre Zuflucht
nicht bei einem Beweis für das, was sie behaupteten, gesucht, und auch
nicht bei einer Bestätigung für das, woran sie festhielten. Gibt es denn
ein Gebäude ohne einen Baumeister oder ein Verbrechen ohne einen
Verbrecher?11)"
Dieses Bild von einem göttlichen Wesen, das keinen Partner hat,
unabhängig von der Schöpfung existiert, ihrer nicht bedarf, sie aber
geschaffen hat und lenkt, wird mit wenig verändertem Wortlaut an
vielen Stellen wiederholt12).
und Dir am nächsten sind. Sie bewohnten nicht die Lenden und waren
nicht in der Gebärmutter eingeschlossen; sie wurden von keinem ver-
ächtlichen Wasser (d.h. dem Samen) geschaffen, und die Ungewißheit
des Schicksals spaltete sie nicht. Trotz ihres (nahen) Ortes bei Dir, ihrer
(besonderen) Stellung zu Dir, ihres großen Verlangens nach Dir, ihres
großen Gehorsams und ihrer seltenen Nachlässigkeit gegenüber Deinem
Wort — wenn sie das innerste Wesen dessen erblickten, was ihnen von
Dir verborgen ist, dann würden sie ihre Taten für gering halten und sich
selbst tadeln; dann wüßten sie, daß sie Dich nicht so verehren und Dir
nicht so gehorchen, wie Du es verdienst".
Über die Erschaffung der Erde berichtet Predigt 20616). ,,Es zeugt
von der Größe Seiner Macht und der einzigartigen Schönheit Seiner
Schöpfung, daß Er aus dem überfließenden, sich in Bergen türmenden,
wogenden Wasser des Meeres etwas Trockenes und Festes geschaffen
hat. Dann zerteilte Er es in Schichten und teilte diese, nachdem Er sie
aneinandergeheftet hatte, in sieben Himmel auf ... Darauf begründete
Er eine feste Erde, die von der grünen Wasserflut und dem (Ihm) unter-
tänigen Meer getragen wird; es war winzig gegenüber Seinem Befehl
und gehorchte aus Ehrfurcht vor Ihm ... Er füllte ihre Berge (mit dem
Gestein) aus den Ebenen und versenkte ihre Fundamente in ihre fest-
stehenden Flanken und in die Stellen, an denen sie angepflockt wurden.
Er ließ ihre Gipfel hoch aufragen und dehnte ihre Hügelketten aus,
machte sie zu einer Stütze für die Erde und befestigte sie in ihr als Zelt-
stäbe. Da hielt die Erde inne in ihrer Bewegung und wurde davor be-
wahrt, mit den Menschen darauf zu beben, mit ihrer Last zu versinken
oder von ihrem Ort zu weichen ..." Ergänzt wird das Bild in Pre-
digt 8717): Regen, Blitze, Wolken, das Erscheinen der Flüsse und der
Vegetation werden geschildert.
Nach der Erschaffung der Erde ließ Gott den Menschen entstehen.
„Dann sammelte Gott von dem Rauhen und dem Glatten, dem Süßen
und dem Salzigen der Erde Staub zusammen, spülte ihn mit Wasser,
bis er klar wurde, und verband ihn durch Feuchtigkeit zu einem
lehmigen Brei. Daraus formte Er eine Gestalt mit Krümmungen und
Verbindungen, Gliedern und Teilen. Er ließ sie erstarren, bis sie fest
wurde, und härtete sie, bis sie wie Ton war, für eine begrenzte Zeit und
eine bestimmte Frist. Darauf blies Er in sie (etwas) von Seinem Geist,
und sie wurde ein Mensch, mit Intelligenz, die er anwenden kann, mit
Gedanken, über die er frei verfügt, Gliedmaßen, deren er sich bedienen
kann, Werkzeugen zur Benutzung und einem Wissen, vermittels dessen
) H/216if.; IH /lOff.
») I/172ff.; IH I/363ff.
Sehen zugeteilt hat und Knochen und Haut gegeben? ... Das Gewal-
tige und das Anmutige, das Schwere und das Leichte, das Starke und
das Schwache in Semer Schöpfung sind in Harmonie, ebenso Himmel
und Luft, die Winde und das Wasser. Blickt auf die Sonne und den
Mond, Pflanzen und Bäume, Wasser und Stein, die Unterschiede von
Nacht und Tag, die Verteilung der Meere, die große Zahl der Berge und
die Höhe ihrer Gipfel und die Vielfalt der verschiedenen Sprachen und
Zungen!25)" Schließlich \vird noch das Beispiel der Ameise angeführt:
Gott ist der Schöpfer der großen wie der kleinen Dinge in der Welt.
Sprachlich und inhaltlich sehr reizvoll sind auch zwei andere Predigten,
in denen die Fledermaus und der Pfau Gottes Schöpferkraft versinn-
bildlichen sollen und von ihren Lebensgewohnheiten und Eigentümlich-
keiten erzählen26).
einem Wollgewand und mit einem Stab in der Hand; der Ägypter
machte sich über ihre Armut lustig und wollte ihnen ein paar goldene
Armreifen schenken33). Moses bat Gott nur gelegentlich um einen
Laib Brot, denn er aß gewöhnlich Gemüse und Krauter34). David
pflegte Körbe aus Palmenblätter herzustellen und sie zu verkaufen,
und er aß gewöhnlich Gerstenbrot35). Jesus ruhte auf Steinen und
trug grobe Gewänder, seine Zukost war der Hunger und seine Lampe
in der Nacht der Mond. Er hatte keine Frau, die ihn verführen konnte,
keine Kinder, die ihn Sorgen machten, und keinen Besitz, der ihn
ablenkte36).
„... So verstrichen die Zeiten; die Väter gingen voraus, und die
Söhne folgten nach, bis Gott der Erhabene Muhammad, den Gesandten
Gottes, schickte, um Sein Versprechen zu erfüllen und das Propheten-
tum zu vervollkommnen... In jener Zeit war die Erdbevölkerung in
verschiedene religiöse Gruppen (milal) aufgespalten, folgte weitver-
breiteten Begierden und bildete zerstreute Parteien. Es gab welche,
die Gott Seiner Schöpfung ähnlich machten, andere verleumdeten
Seinen Namen oder zeigten auf etwas anderes als Hin.. ,37)" Muham-
mad ist der letzte der Propheten38), er ist an-nahl al-ummfi*), er
wurde nach einem langen Zwischenraum zwischen den Propheten und
nach Streitereien unter den Menschen gesandt40); mit ihm kamen das
Prophetentum und die Offenbarungen zu einem Ende41). Gott
schickte Muhammad, als die Menschen in Ignoranz lebten, irregingen
und Hochmut und Begierden hingegeben waren42), als es unter den
Arabern keinen gab, der ein heiliges Buch lesen oder behaupten konnte,
er sei ein Prophet und erhalte Offenbarungen43). „Seid gewarnt durch
die Lage der Söhne Israels, Isaaks und Ismaels und das, was an Gleich-
artigkeit der Verhältnisse noch stärker und an Ähnlichkeit der Beispiele
33
) P 187, II/168f.; IH H/125ff. (III/224ff.).
M
) P 155, /73; IH 1/518 (II/468ff.).
35
) P 155, /73; IH 1/518 (II/468ff.).
3
«) P 155, H/73; IH 1/518 (II/468ff.).
37
) P l, I/18f.; IH I/23f. (1/37ff.).
38
) P 69,1/117; IH 1/311 (n/50f.). P 129, n/22; IH 1/471 (II/381ff.)· P 168,
H/104; /535 (U/503f.). Vgl. Koran, Sure 33, Vers 40.
3
») „Jene, dio dem Gesandten, dem utnmi Propheten, folgen... Glaubt an
Gott und an Seinen Gesandten, den wnml Propheten..." Koran, Sure 7, Vers
157 f. Vgl. über die Bedeutung von tmwü die Art. „wjuna" und „wnmi" in der EI1.
·*) P 129, n/22; IH 1/471 (n/381ff.).
4l
) P 129, n/22; IH 1/471 (H/381ff.)· P 230, n/255f.; IH n/102 ( /187£.).
«) P 91,1/186f.; /378 (11/181 f.).
«) P 100,1/199; IH 1/387 (11/199).
noch naher war! Betrachtet ihre Lage, wie sie aufgelöst und zersplittert
waren in den Nächten, als die Chosroen und die Kaiser ihre Herren
waren, die sie fort von den fruchtbaren Ländereien, von dem Strome
des 'Iräq (d.h. des Euphrats) und von dem Grünen auf der Welt zu
den Gebieten derSlh-Pflanze (bot. Ehrenpreis) drängten, wo die Winde
wehen und das Leben hart ist... (Sie lebten) in der Heimsuchung durch
Not und in Epochen der Unwissenheit; Töchter wurden lebendig begra-
ben, Götzen angebetet, die Leiber von Frauen aufgeschnitten und
Raubzüge durchgeführt. Doch blickt auf die Plätze, an denen Gott
ihnen Wohltaten erwies, als Er ihnen einen Gesandten schickte44)..."
Die zahlreichen Stellen im Nahg al-Baläga, die sich auf Muhammad
beziehen, tragen häufig den Stempel einer Übersteigerung der Stellung
und des Charakters des Propheten; sie betonen seine auserlesene
Herkunft, seine Askese und prophetische Voraussicht. Auf diesem
Gebiet haben die Schiiten noch auf die spätere Entwicklung der sunni-
tischen Prophetenlehre Einfluß ausgeübt45).
Muhammads Herkunft ist die beste46), Gott ließ ihn aus dem
besten Wurzelstock des Baumes hervorkommen, von dem Er Seine
Propheten abschnitt47); seine Vorzüglichkeit ist unvergleichlich, und
sein Verlust kann nicht wettgemacht werden48). Gott wählte ihn aus
unter den Leuchten in der Dunkelheit und den Quellen der Weisheit49).
Muhammad kam zu den Menschen, um Zeugnis abzulegen über das,
was vor ihm (baina yadaihi) lag, und um das Licht zu bringen, das da
nachfolgte: den Koran50). Gott bevorzugte ihn bei der Auswahl, er
verscheuchte den Irrtum zur Rechten und zur Linken51). Er sandte
ihn mit dem leuchtenden Licht, dem klaren Beweis und dem recht-
leitenden Buch. Die Familie Muhammads ist die beste und sein Stamm-
baum der beste, seine Zweige sind in gleichmäßiger Form, und die
Früchte hängen voll herab. Muhammad machte die unbekannten
Vorschriften Gottes sichtbar und bekämpfte die inzwischen einge-
drungenen Neuerungen52). Er teilte die Botschaften seines Herrn ohne
«) P 187, n/177ff.; IH H/128f. ( /241).
4S
) TOB ANDBAE : Die person Mohammeds in lehre und glauben seiner gemeinde,
Stockholm 1918, an vielen Stellen, besonders S. 134, 187, 278ff., 294, 297ff.
4e
) P 92,1/187; IH I/378f. (11/182).
*7) P 90,1/185; IH 1/378 ( /lSOf.).
48
) P 147,11/49; IH I/501f. (II/439ff.).
*9) P 104,1/206; IH 1/399 (H/222ff.).
50
) P 153, /69; IH I/515f. (II/465f.).
51
) P 208, /220; IH 11/12 ( /21 ).
52
) P 156, H/77; IH 1/519 (11/473). Über die Neuerungen im Islam siehe
unten S. 48 f.
feststehendes Zeichen zurück 02 )..." Muhammad war nur für eine be-
stimmte Zeit von Gott gesandt worden, bis er Seine Religion erfüllt
hatte63). " Für ihn leuchtete ein Licht mit vielen Blitzen; er zeigte ihm
den Pfad und begleitete ihn auf dem Weg. Die Türen zum Tor des
Heils und dem Lande des ewigen Aufenthalts wurden ihm geöffnet.
Durch die Ruhe seines Körpers und durch das, wozu er sein Herz ver-
wandte, standen seine beiden Füße fest in der Tiefe der Sicherheit
und Ruhe, und sein Herr war zufrieden (mit ihm)64)".
Auch eine prophetische Voraussicht wird Muhammad zugeschrie-
ben. Ein Zwiegespräch zwischen ihm und CA1I, in dessen Verlauf der
Prophet baldige Zwietracht und die Hinwendung der Muslime zu
weltlichen Genüssen voraussagt, wurde bereits erwähnt, ebenso die
Behauptung des vierten Kalifen, daß Muhammad ihm Prophezeiungen
über die Zukunft, über das Kalifat und über sein persönliches Schicksal
mitgeteilt habe65). Als sich die Klagen gegen 'Utmän häuften, wurde
c
Alt um Vermittlung gebeten. In den Vorhaltungen, die 'Utmän
daraufhin von cAli gemacht wurden, wird eine weitere Voraussage
Muhammads mit der Anspielung auf das Verhalten des dritten Kalifen
und auf seine Ermordung überliefert: „... Es wird in dieser Gemeinde
ein Imäm getötet werden, der ihr das Tor zum Morden und zum Kampf
untereinander bis zum Tage der Auferstehung geöffnet hat, der ihr
ihre Angelegenheiten unklar machte und in ihr Empörungen förderte.
Dann werden (die Menschen) das Wahre nicht von dem Nichtigen
unterscheiden können; sie werden hin- und herwogen und in Auf-
regung sein...66)".
Predigt 18767) berichtet von einer Wundertat des Propheten. Eine
Schar Qurais" kam zu ihm und verlangte, er solle durch sein Wort er-
reichen, daß ein Baum mit den Wurzeln aus der Erde käme und sich
vor ihm aufstelle; sonst würden sie ihn für einen Lügner halten.
Muhammad tat dies und noch mehr, als sie ihre Forderungen erwei-
terten. <Ali, der bei diesem Vorgang zugegen war, rief daraufhin aus,
daß er der erste sei, der an den Propheten glaube, doch die Qurai§
bezeichneten das Baumwunder als Zauberei und Betrug.
2
) P l, 1/19; IH I/25ff. (1/37ff.).
3
) P 82,1/148; IH I/347f. (H/122f.).
·«) P 215, H/229f.; IH /23 ( /42).
6
) Siehe oben S. 9.
) P 159, /85 .; IH I/523f. (II/481f.).
«) n/183f.; IH H/135f. (HT/224ff.). Über das Baumwunder s. sonst IBN
HI§ÄM: Slra, S. 258; A. GUILLAUME: The Life of Muhammad, London 1955,
S. 178f.; J. HOROVITZ: Zur Muhammadlegende, in: Der Islam V (1914), S. 47
u. 50f.
68
) P 198, /209; IH /2 (HI/2). Ähnlich P 199, /209 .; IH II/2 (III/2).
e
») P 232, /257; IH 11/153 (m/28Sf.).
70
) P 41,1/89; IH 1/125 (1/218).
71
) P 27,1/67; IH I/83f. (1/146f).
™) B 21, /23; IH H/230 ( /430).
7S
») P 108,1/220; IH /409 . (11/242).
Füße, bekleidet sie mit Hemden aus Teer und feurigen Gewändern.
(Sie befinden sich) in einer Qual, deren Hitze sich noch verstärkt hat,
und hinter einer Tür, die vor den Insassen verhüllt wurde, in einem
lodernden, prasselnden Höllenfeuer mit hoch emporschlagender
Flamme und schrecklichem Getöse. Wer dort wohnt, kann es nicht
verlassen, sein Gefangener kann nicht losgekauft werden, und seine
Fesseln können nicht zerschnitten \verden. Für diese Gegend gibt es
keinen Zeitraum, der dahingeht, und für die Menschen keinen Termin,
der als Ende bestimmt ist79)". ,,(Wenn der Tag des Gerichts kommt,)
holt Gott Seine Geschöpfe hervor aus den Stätten der Gräber, den
Nestern der Vögel, den Höhlen der wilden Tiere und den zum Unter-
gang bestimmten Orten; dann eilen sie zu Seinem Wort und stürzen
zum Treffpunkt mit Ihm, eine schweigende Schar in Reihen aufgestellt.
Der Blick (Gottes) durchdringt sie, der Rufer80) läßt sie hören... Die
Listen sind jetzt vergeblich, die Hoffnung ist abgeschnitten, die Herzen
stehen still, die Stimmen werden gedämpft und leise, Schweiß bricht
aus, und die Furcht wird riesig. Die Ohren dröhnen von der lauten
Stimme des Rufers zum Anfang der Rede (Gottes), zur Festsetzung
der Vergeltung: der qualvollen Strafe und der Erlangung der Be-
lohnung. . ,81)". Der Tag des Gerichts wird gewiß kommen82), an ihm
wird eine genaue Rechnung aufgestellt83). Die Menschen sind Reisende
und verlassen eine Welt, die nicht die ihre ist84). Im Paradies gibt es
verschiedene Grade und Aufenthaltsorte; wer dort wohnt, geht nie
weg und wird nie alt85).
Predigt 878e) äußert sich über die Vorherbestimmung: „Gott hat
Seiner Schöpfung eine Bestimmung gegeben und machte sie angenehm.
Er hat sie mit Vorbedacht geordnet, und Seine Anordnung war gut.
Er gab ihr ihre Richtung auf Sich hin, deshalb konnte sie die Grenzen
ihres Ranges nicht überschreiten und hinter der Erreichung ihres
Zieles nicht zurückbleiben. Sie fand (ihren Weg) nicht schwer, denn
der Verlauf wurde nach Seinem Willen bestimmt; wie konnte sie auch,
wo die Dinge doch nur aus Seinem Wunsch hervorgehen!..." Auf
eine Warnung vor dem Anschlag auf sein Leben entgegnete der Kalif:
78
) P 105,1/213f.; IH 1/403 ( /227ff.).
80
) «Izrä'il, der Engel des Todes.
") P 80,1/131 f.; IH 1/330 (11/87f.).
82
) P 20, 1/54; IH 1/57 (I/99f.). P 152, /68; IH I/514f. ( /463 .). P 185,
/154 .; IHII/117f. (HI/218f.).
83
) P 98,1/195f.; IH /384 . (II/194f.).
84
) P 178, H/134f.; IH I/557f. (II/540ff.).
86
) P 81,1/146f.; IH 1/347 (H/120f.).
8
) /164; IH I/359f.
„... Wenn mein Tag kommt..., dann wird der Pfeil des Todes nicht
fohlgehen...87)". An seinen Sohn al-Hasan schrieb € 1 nach der
Schlacht von Siffm: „... Jedes Ding hat einen bestimmten Ausgang
('äqiba)-, zu dir wird kommen, was dir vorherbestimmt ist...88)"
Gott hat Seinen Propheten nur für eine bestimmte Zeit gesandt, bis
Er Seine Religion vervollständigt hatte89). Vor seinen Tode soll der
Kalif geäußert haben: „0 ihr Menschen, jedem begegnet das, vor dem
er auf seiner Flucht davonläuft; das Todesdatum treibt die Seele vor
sich her, und die Flucht vor ihm führt darauf zu.. .90)"
Eine isolierte Betrachtung dieser Zitate würde eine weitgehende
Leugnung der Willensfreiheit des Menschen ergeben. Daß dem aber
nicht so ist, erweisen vor allem die zahllosen Äußerungen über das
Jüngste Gericht, in denen immer wieder betont wird, daß die Menschen
von Gott nach ihren Handlungen im Diesseits gerichtet werden. Eine
Auffassung, wie sie von der Öabriya im Islam vertreten wurde91),
würde im Widerspruch sowohl zu den Lehren der schiitischen Theologie
als auch zu denen der Orthodoxie stehen. Gott hat den Dingen nur
einen bestimmten Ausgang prädestiniert, ihnen ein Maß und eine
Richtung gegeben92).
Gottes bereichert-, ohne daß sie es wissen, die religiöse Pflicht, die im
Buch festbegründet ist, die aber in der Sunna abrogiert wurde, die
Handlungen, die in der Sunna vorgeschrieben, deren Unterlassung
aber nach dem Buch erlaubt ist, und das, was in einer bestimmten
Zeit verpflichtend war, aber in der Zukunft keine Geltung melir hat.
(Schließlich) differenziert es zwischen den verbotenen Dingen — den
großen, die die Höllenfeuer nach sich ziehen, und den kleinen, für die
Er Seine Verzeihung vorgesehen hat — und dem, das (als Entgelt für
eine Sünde) angenommen wird bz , darüber hinausgeht93)."
Doch der Koran gibt nicht nur gesetzliche Bestimmungen.
„... Dann offenbarte Gott Muhammad das Buch als ein Licht, dessen
Leuchten nicht erlöschen, und als eine Lampe, deren Schein nicht
aufhört... Gott schuf es zur Stillung des Durstes der Weisen und
machte es zu einem Garten für die Herzen der Rechtskundigen94)..."
Er enthält Wissen über das, was geschehen wird, den Bericht über die
Vergangenheit, ein Heilmittel gegen die Krankheiten und eine An-
weisung für das Zusammenleben der Menschen95). Er ist das feste
Band zu Gott und die Rettung für diejenigen, die sich daranklam-
mern96), er legt Fürsprache ein am Tage der Auferstehung und zeugt
gegen den Übeltäter97). Das Buch Gottes befielüt und verbietet,
spricht, obwohl es schweigt; mit ihm hat Gott Seine Religion vervoll-
ständigt98). Der Weise, der ohne Kenntnis von ihm handelt, ist wie
ein verwirrter Unwissender, der seine Ignoranz nicht überwinden
kann99).
Beim Schiedsgericht nach der Schlacht von Siffm sollte der Koran
zwischen den Parteien entscheiden100). Doch die Schiedsrichter hielten
sich nicht daran101). 'Alis Blutschuld am Tode 'Utmäns sollen die
Umayyaden mit dem Koran beweisen102). Als 'Abdalläh b. al-cAbbäs
aber zu Verhandlungen mit den Härigiten ausgesandt wurde, wies
c
Ali ihn an: „Argumentiere ihnen gegenüber nicht mit dem Koran,
denn der Koran hat verschiedene Bedeutungen und Sinngehalte, die
M
) P l, I/19ff.; IH I/24f. (1/38).
M
) P 193, /202£.; IH I/569f. (II/564ff.)·
») P 153, /69; IH I/515f. (II/465f.).
*) P 151, /64; IH 1/513 (11/461).
") P 171, /111; IH I/539f. (II/509ff.).
*) P 178, n/133; IH I/555ff. (n/540ff.)·
·») P 106,1/215; IH I/406f. (H/236f.).
10
°) P 121, n/7 f.; IH 1/438 (n/303f.). Vgl. oben S. 20f. Auch P 123, 11/12;
IH 1/439 (H/306f.).
) p 172, n/117; IH 1/545 (n/522).
102
) P 72,1/121f.; IH 1/316 (n/61f.).
entweder du vertrittst oder sie. Disputiere lieber mit der Sunna, aus
ihr worden sie keine Ausflucht finden!103)" Der Berufung auf das
heilige Buch steht die Befürchtung gegenüber, es durch Argumenta-
tion über die Bedeutung seiner Worte zu entweihen. In Predigt 143101)
wird eine Zeit vorausgesagt, in der der Koran in Vergessenheit geraten
wird. Die Menschen werden sich den Anschein geben, als ob das Buch
noch ihre Leitung sei, aber nichts ist von ihm geblieben außer dem
Namen.
Neben dem Koran steht als Quelle des islamischen Gesetzes die
Überlieferung von Muhammad, das, was der Prophet sagte und tat.
Auf sie wird im Nahy al-Baläga an mehreren Stellen Bezug genommen;
gelegentlich sind diese Äußerungen mit einer scharfen Wendung gegen
Neuerungen verbunden.
'Ali soll zu 'Utmän kurz vor dessen Ermordung gesagt haben:
„Der beste Diener Gottes ist bei Gott ein gerechter Imäm, der recht-
geleitet wurde und rechtleitete, der eine bekannte Sunna aufrecht-
erhielt und aus Unwissenheit entstandene Neuerungen beseitigte.
Wahrlich, die überkommenen Bräuche (as-sunan) sind leuchtend, und
für sie gibt es klare Zeichen, aber die Neuerungen kommen von außen
her, und auch dafür gibt es Zeichen! Der schlechteste Mensch bei Gott
ist ein ungerechter Imäm, der irreleitete und irregeleitet wurde, der
eine überlieferte Sunna beseitigte und die Neuerungen, die beiseite-
zulassen sind, belebte105)." Der Teufel will die Menschen zu einem
Wissen verleiten, das nicht im Koran steht und von dem auch keine
Spur in der Sunna Muhammads oder bei den rechtleitenden Imämen
zu finden ist106). Ein Gläubiger sieht in diesem Jahr für erlaubt an,
was auch im vorigen erlaubt war, und verbietet dieses Jahr, was er im
vorigen verbot, gemäß Gottes Vorschrift; für die Neuerer gibt es von
Gott keinen Beweis für ihr Verhalten107). Kurz vor seinem Tode sagte
'Ali zu seinen Anhängern: „Mein Vermächtnis an euch ist, daß ihr
Gott nichts beigesellt und daß ihr die Sunna Muhammads nicht ver-
liert; haltet diese beiden Säulen aufrecht!.. ,108)" Die gefallenen An-
hänger (AHs bei SifFm hielten die Sunna lebendig und töteten die
Neuerung109). Als die Partei von 'Ä'isa, Talha und az-Zubair nach
103
) B 77, /150; IH ü/370f. (IV/236).
104
) 11/41 f.; IH 1/495f. (H/427ff.). Vgl. unten Teil IV/2.
105
) P 159, /85; IH I/523f. (II/481f.).
106
) P 87,1/160f.; IH 1/357 (H/138ff.).
107
) P 171, II/114f.; IH /540 . (H/509ff.).
108
) B 23,111/24;IHII/230f.(III/431f.). AL-MAS'ÜDI:Murügad-dahab,II/2Q<).
109
) P 177,11/131; IH I/553f. (II/528ff.).
Basra aufbrach, sagte 'Ali zu seiner Umgebung: ,,... Ihr dürft von
uns erwarten, daß wir nach dem Buche des erhabenen Gottes und der
Lebensweise des Gesandten Gottes handeln, daß wir für Seine Wahr-
heit eintreten und für die Belebung von Muhammads Sunna110)". Am
Anfang der Zwietracht unter den Muslimen standen Begierden, denen
nachgegangen wurde, und Vorschriften, die neueingeführt worden
sind111), Gott machte durch Muhammad die unbekannten religiösen
Vorschriften sichtbar und rottete durch ihn die Neuerungen aus, die
in die Religion eingedrungen waren112). Eine Neuerung wird immer
dann hervorgebracht, wenn eine Sunna aufgegeben wurde113).
Vor allem TJtmän werden Neuerungen vorgeworfen, so in einem
Antwortschreiben an Mu'äwiya114) und auch in Predigt 2l115); sie
beziehen sich in erster Linie auf die Usurpation des Kalifats116) und
auf seine Vetternwirtschaft117). Dagegen betont "Ali, daß er keine
Neuerungen eingeführt habe; er ist zufrieden mit den Lehren Gottes
und Seines Gesandten118) und hat keine Religion gegen eine andere
eingetauscht oder einen Propheten neu eingeführt119).
Ein besonderes Anliegen bildet für die Schia die Form der Über-
lieferung von Traditionen des Propheten. Bei ihr steht an der Spitze
einer Traditionskette nicht ein Genösse Muhammads sondern ein Imäm,
einer der Nachkommen €Alis und Fätimas, über den dann jede Nach-
richt mit Leichtigkeit auf den Propheten selbst zurückgeführt werden
kann. Eine religiöse Belehrung, die als maßgeblich gelten soll, muß auf
einen der Imäme zurückgehen; diese sind die alleinige Quelle in der
Verkündung und Erläuterung des Willens Gottes und des Propheten120).
Die Form der Überlieferung von Traditionen Muhammads wird auch
110
) P 164, /100; IH 1/529 (11/492).
m
) P 49,1/95; IH I/171f. (1/299).
112
) P 156, /77; IH 1/519 (11/473).
113
) P 141, n/39; IH 1/493 (H/423f.). IBN ABI 'L-HADID erklärt dazu:
„Eine Neuerung ist alles das, was jemand an einer Sache neugeschaffen hat,
die nicht gemäß der Anordnung des Gesandten Gottes ist. Es gibt die schönen
Neuerungen wie die Salat at-taräwlh (d.h. das Nachtgebet im Ramadan) und
häßliche wie die Schlechtigkeiten, die am Ende des Kalifats von (Utmän auf-
traten..."
"*) B 28, /39; IH H/238f. ( /445ff.).
115
)I/55;IHI/57f. (1/100).
11C
) P 29,1/72; IH 1/90 (1/157). Vgl. oben S. 12 u. Anmerkung 28.
11?
) P 3,1/30; IH I/59f. (I/66f.).
118
) P 21,1/55; I/99f. (1/100). P. 85, 1/156; IH I/354f. (H/134f.).
"') B 10, /13; IH 11/220 (IH/409f.).
12
°) I. GOLDZJHER: Vorlesungen über den Islam, Heidelberg 21925, S. 214.
Vgl. IBN BÄBAWAIHI: al-I'tigQdät, S. 145.
4 IriamVL, Heft 1/2
Richter und die Sekten sowie Mitteilungen über die Stellung der
Frau.
Eine recht gute Zusammenfassung der religiösen Grundpflichten
des Muslims bietet die Predigt 106125): „Wahrlich, das beste, durch das
die Menschen in Verbindung mit Gott dem Erhabenen treten können,
ist der Glaube an Ihn und Seinen Gesandten; ferner der Heilige Krieg
auf Seinem Wege — er ist der Gipfel der Gottergebenheit — und das
Wort der aufrichtigen Hingabe, das der natürlichen Anlage des
Menschen entspricht. Dazu kommen die Einhaltung des Gebets — es
bildet die Gemeinde — und die Abgabe der Almosensteuer, denn sie
ist eine vorgeschriebene Pflicht, das Fasten im Monat Ramadan als
Schutz vor Gottes Strafe und die Pilgerfahrt und der Besuch des
Hauses (d.h. der Ka'ba); beides verbannt die Armut und wäscht die
Sünde ab. Außerdem die Zuneigung zur Blutsverwandtschaft126) —
sie vermehrt den Besitz und verschiebt den Todestag — die wohltätige
Spende im geheimen, die zur Vergebung der Sünde führt, und die
Spende in der Öffentlichkeit, denn sie wehrt das Aas der Schlechtigkeit
ab. Endlich das Befolgen des (als gut) Bekannten; es bewahrt vor den
Kampforten des Verächtlichen".
Die Sahäda, das muslimische Glaubensbekenntnis, bedarf keiner
längeren Ausführungen. Sie erscheint im Nahgal-Baläga an unzähligen
Stellen, meist als Einleitung für eine Predigt oder einen Brief.
Genaue Angaben über die Zeiten, an denen das fünfmalige tägliche
Gebet abgehalten werden soll, werden in Brief 52127) gemacht, der sich
als ein Schreiben cAlis an seine Befehlshaber ausgibt. An anderer
Stelle128) wird zur Einhaltung der Salat aufgefordert, denn sie ist den
Gläubigen vorgeschrieben. cAli nimmt hier Bezug auf Sure 74, Vers 42 f.
des Korans: „Was führte euch in ein Höllenfeuer? Sie sagten: Wir
gehörten nicht zu denen, die beteten." Muhammad pflegte bis zur
Ermüdung zu beten, und er ermahnte seine Anhänger zur Einhaltung
der Salat gemäß Sure 20, Vers 132129). Al-Härit al-Hamdäni wird be-
fohlen, am Freitag nicht vor der Salat al-Chtm'a, dem gemeinsamen
Gebet, aufzubrechen, es sei denn, er befände sich auf einem Kriegs-
zug130). Die Salat ist einer der Pfeiler der Religion131).
125
) 1/215; IH I/406f. { /236 .).
126
) D.h. die Blutsverwandtschaft Muhammads, die Imäme; das ergibt sich
auch aus der Reihenfolge der Aufzählung.
7
" ) III/91f.; ffl H/314f. (IV/116f.).
««) P 194, H/204f.; I/570ff. (H/568f.).
12
°) „Befiehl deinen Anhängern das Gebet und verharre darin".
13
°) B 69, /143; IH /366 f. (IV/226f.).
iai
) B 47, m/86; IH /312 (IV/lllf.). AT-TABAJÜ: Ta>rih, IV/113 (VI/3463).
132
) P 194, /205; I/570ff. ( /568 .).
133
) B 25,111/27ff.; /231 . (HI/434f.).
«*) B 26, IH/30f.; H/232f. ( /437).
13S
) Gemäß Sure 9, Vers 60: „Wahrlich, die Almosen sind nur für die Armen
und die Elenden und diejenigen, die darüber gesetzt sind" usw.
13e
)B47,III/85f.;IHII/312(IV/lllf.). - : Ta'rlh IV/113(VI/3462).
137
) S. 136, /184; IH II/401f. (IV/307f.)!
138
) Der Wortlaut dieser Stelle wird verschieden überliefert. Ich möchte sie
so verstehen und dabei zugleich an eine Anspielung auf die Tauben des Heilig-
tums denken, von denen erzählt wird, daß sie sich nie auf die Ka'ba setzen.
Muhaddab rihlat Ibn Batüta ed. AHMAD AL-€AwÄMiRl und MUH. AHMAD ÖÄD
AL-MAULÄ, 1/106 (ed. DEFERMERY-SANGUINETTE 1/311 f.); J. GERMANUS:
Allah akbar, Berlin o. J., S. 509.
angewiesen189!" Gott hat die Menschen mit Steinen geprüft, die weder
schaden noch nützen, weder hören noch sehen können; dennoch
wurden sie oft zu Gesetzen gemacht. Aus solchen Steinen ließ Er die
Ka'ba in einer öden, wasserlosen, wenig bewohnten Gegend errichten.
Wenn Gott Sein Haus in ein fruchtbares Land mit Gärten und Flüssen
hätte setzen wollen, dann wäre wegen der geringen Mühe der Reise
die Höhe der Belohnimg für den Menschen niedrig gewesen. Hätte Er
sie mit kostbaren Steinen geschmückt, wären Zweifel und Versuchungen
des Teufels erleichtert worden. Doch Er prüft Seine Diener durch
Anstrengungen und Schwierigkeiten aller Art, um den Hochmut aus
ihren Herzen zu entfernen und dafür in ihren Seelen die Demut wohnen
zu lassen140). Qutam b. al-'Abbäs, dem Statthalter «Alis in Mekka,
wird die Durchführung des Hagg mit den Menschen befohlen141), und
er wird vor feindlichen Syrern gewarnt, die sich auf die Pilgerfahrt
begeben hatten142). Angaben über die Qualität des Opfertieres gibt
Nr. 52 der Predigten143).
Auf die besondere Stellung des Heiligen Krieges im Nahgal-Baläga
wurde bereits am Eingang dieses Kapitels hingewiesen. „Wahrlich,
der Heilige Krieg ist eines von den Toren zum Paradies; Gott hat es
für Seine besonderen Vertrauten geöffnet. Er ist das Kleid der Fröm-
migkeit, die sichere Rüstung Gottes und Sein fester Schild. Wer ihn
läßt und sich von ihm abwendet, dem legt Gott das Gewand der Er-
niedrigung und den Mantel des Unheils an. Ihm werden Erbärmlich-
keit und Niedertracht vorgeworfen, und sein Herz wird versiegelt144".
An anderer Stelle145 wird auf den Heiligen Krieg zur Zeit Muhammads
Bezug genommen; damals töteten die Muslime ihre Väter, Söhne und
Brüder im Kampf, einmal siegten sie, ein andermal ihre Gegner, bis
Gott den Gläubigen den Sieg gab. <Ali ruft seine Anhänger zum Öihäd
gegen die Feinde146). In der Aufzählung der religiösen Pflichten des
Muslims steht der Heilige Krieg an zweiter Stelle nach dem Glaubens-
bekenntnis147).
An drei Stellen werden Regengebete überliefert. Die Berge zer-
springen, die Erde ist voller Staub, die Tiere irren durstend umher,
13
')P 1,I/21;IH I/25f. (I/40f.). Koran, Sure 3, Vers 97.
14
°) P 187, n/170ff.; IH II/126f. (III/224ff.).
"*) B 67, /HOf.; IH II/364f. (IV/222f.).
«2) B 33, /65; IH H/282f. (IV/olf.).
ltt
) 1/98; IH 1/190 (I/338f.).
144
) P 26,1/63; IH I/80f. (I/140f.).
"*) P 55,1/100f.; IH 1/195 (1/348).
i«) p 192, /197; IH I/566f. (11/561). P 177,1/132; IH 1/553 (II/S28ff.)·
i*7) S. oben S. 50 f.
und viele sind schon verendet; Gott wird angerufen, Regen zu senden,
damit das Wasser wieder fließt und Menschen und Tiere wieder leben
können148). Gott soll sich der Menschen erbarmen und Regen fallen
lassen, damit die Täler mit Wasser gefüllt werden, die Bäume wieder
Blätter hervorbringen und die Preise für den Lebensunterhalt fallen149).
„0 Gott, gib uns Wasser aus den fügsamen Wolken und nicht aus den
widerspenstigen unter ihnen160)". Die Wolken werden mit Reit-
tieren verglichen.
Brief 28161), ein Antwortschreiben an Mu'äwiya, berichtet, daß der
Prophet Muhammad beim Totengebet für seinen Onkel Hamza b. <Abd
al-Muttalib, der bei Uhud gefallen war, siebzig Takbirs, d.h. siebzigmal
„Allah" akbarl" (Gott ist größer!) ausrief; die übliche Zahl von Takbirs
bei einem Totengebet ist vier152).
Bittere Vorwürfe werden den Richtern gemacht, die bei der Urteils-
findung so stark voneinander abweichen. „Der Eall wird einem von
ihnen vorgelegt, damit er einen Entscheid treffe, und er urteilt über
ihn nach eigenem Gutdünken (bi-rcfyihi). Dann gelangt dieser gleiche
Fall vor einen anderen Richter, und dieser urteilt über ihn im Gegen-
satz zu dem vorigen. Danach versammeln sich die Richter deshalb bei
dem Imäm (= Herrscher), der sie um einen Entscheid gebeten hatte,
und er heißt alle ihre Meinungen gut. Dabei ist doch ihr Gott Einer, ihr
Prophet einer und ihr Buch eins! Hat ihnen denn der erhabene Gott
die Meinungsverschiedenheit befohlen, und sie gehorchen Ihm? Oder
hat Er sie ihnen verboten, und sie haben sich Ihm widersetzt? Hat Gott
eine unvollkommene Religion herabgesandt und sie gebeten, sie zu
vervollständigen? Waren sie Seine Teilhaber, und steht es ihnen zu,
daß sie sprechen, und Ihm, daß Er einverstanden ist? Oder hat Gott
der Erhabene eine vollkommene Religion geoffenbart, und der Ge-
sandte war nachlässig in ihrer Verkündung und Ausführung?.. ,153)
„Neben dem Menschen, den Gott sich selbst und seinem Irrtum über-
lassen hat, ist es jener, der nur Ignoranz angesammelt hat, der Gott
am meisten verhaßt ist. Die Menschen nennen ihn wissend, doch er ist
es nicht. Er hat in Eile viel Wissen von dem angehäuft, worüber
wenig zu wissen besser ist. Dann sitzt er unter den Menschen als ein
verantwortlicher Qädl und soll klären, was anderen zweifelhaft ist,
doch er ist von Irrtümern wie von einem Spinnennetz überzogen und
148
) P 111,1/225ff.; IH I/413f. (II/252f.).
149
) P 139, n/34ff.; IH I/490ff. (II/418f.).
15
°) S 472, HI/265; IH /492 (IV/522).
151
) 111/35; IH 11/237 (III/445ff.).
152
) Eli, Art. „Salat".
153
) P 17,I/50f.; IH I/54f.
1M
) P 16,1/47ff.; IH 1/54 (1/94). Vgl. L. CAETANI : Annali deWIslam, /348 .
1W
) /65; IH I/513f. (11/401 f.).
156
) EI1, Art. „Khäridjiten", Abschn. III.
157
) EP, Art. tJthatnr".
W8
) I/154f.; IH /353 . ( /133).
IM
) Das Herz wurde schon bei den alten Ägyptern, im Alten Testament und
bei Plato als Sitz der Intelligenz angesehen; vgl. den Art. „Heart" in der Ency-
clopaedia of Religion and Ethics, New York 1951, Band VI und die dort ange-
gebenen Belege.
Zubair wie eine Sklavin zum Verkauf mitgeschleppt und zur Schau
gestellt167).
Nicht sehr freundlich zu den Frauen ist auch das Vermächtnis
'Alis an seinen Sohn al-Hasan nach der Schlacht von Siffm: „Hüte
dich davor, von den Frauen Rat einzuholen; ihre Meinung ist töricht
und ihr Entschluß schwach. Verhülle sie mit deinem Schleier, damit sie
nicht umherblicken; eine strenge Absonderung läßt sie imangetastet,
und ihr Hinausgehen ist nicht schlimmer, als wenn du jemanden zu
ihnen hineinließest, dem du ihnen gegenüber nicht vertraust. Wenn du
es vermeiden kannst, daß sie deine Scham sehen, so tue es und lasse
die Frau nicht über Dinge herrschen, die ihr Selbst überschreiten; die
Frau ist eine duftende Blume und kein selbständiger Verwalter. Ehre
sie nicht mehr, als sie vertragen kann, und mache sie nicht so gierig,
daß du (zur Befriedigung ihrer Wünsche) jemand anders um Hilfe
bitten mußt. Hüte dich vor Eifersucht da, wo sie nicht am Platze ist,
denn sie macht die gesunde Frau krank und bringt die unschuldige zur
Ungewißheit168)". cAli saß einmal mit seinen Genossen zusammen, da
ging eine hübsche Frau vorbei, und die Leute starrten sie an. Darauf-
hin sagte er: „Die Blicke dieser Hengste sind gierig, und das ist der
Grund ihrer Unruhe. Wenn einer von euch eine Frau erblickt, die ihm
gefällt, dann soll er sich zu seiner Ehefrau legen, denn sie ist eine Frau
wie jede andere169)". Hochmut, Feigheit und Geiz sind gute Eigen-
schaften der Frauen, jedoch schlecht bei den Männern; eine hoch-
mütige Frau gibt keinem anderen außer ihrem Mann Macht über
sich, eine geizige hält ihren Besitz und den ihres Mannes zusam-
men, und eine feige fürchtet sich vor allem, was ihr entgegen-
tritt170). „Alle Frauen sind böse, und das Böse in ihnen ist unab-
wendbar!171)"
17
) P 167, II/103f.; IH 1/531 ( /496 °.). Vgl. oben S. 14f.
"*) B 31, /63; H/280 (IV/46ff.).
"») S 420, /253£.; /470 (IV/470).
™>) S 234, /205; /417 (IV/346).
171
) S 238, /206; /418 (IV/347).
172
) IBN HÄZM: al-Fag, IV/72.
Imamat der Quraiö ein173). Die besondere Auffassung der Sehia vom
Iraämat ist nun, daß das Imämat und Kalifat < 1 von Muhammad
durcli eine schriftliche Bekundung (nass) und Anweisung (wsäya)
tibertragen worden sei und demgemäß den Nachkommen 'Alis vorbe-
halten werden müßte. Für die Schiiten ist das Imämat keine Angelegen-
heit des allgemeinen Interesses (qacUya rnadalßya), sondern gehört zu
den grundlegenden Prinzipien des Islams (qadiya iisüllya)\ es ist eine
Säule der Religion17'1).
J. SULTAN hat darauf hingewiesen, daß im Nahff al-Baläga die
Lehren verschiedener Sekten und Richtungen des Islams aufzuspüren
sind, daß ar-Radi, obwohl er selbst der Imämiya angehörte, kein
großes doktrinäres Interesse in seiner Arbeit gezeigt hat. Neben zaidi-
tischen und imämitischen Ideen gibt es in dieser Sammlung auch solche
anderer Jüdischer Sekten und der Härigiten175). In der Frage des
Imämats und Kalifats möchte ich darüber noch hinausgehen; im-
Nah$ al-Baläga gibt es Stellen, die durchaus der sunnitischen Auf-
fassung entsprechen, wie bereits in der Predigt über die Formen der
Überlieferung von Traditionen Muhammads gezeigt worden war176).
Ganz deutlich kommt die sunnitische Lehre in einem Brief cAlis
an Mu'äwiya zum Ausdruck, der schon früher zitiert wurde177): „Mir
haben die Leute gehuldigt, die Abu Bakr, HJmar und 'Utmän gehuldigt
hatten, und zwar in der gleichen Weise wie jenen. Der dabei Anwesende
kann sich jetzt nicht anders entscheiden, der Abwesende nicht ab-
lehnen; vielmehr (kann das) nur die Sürä der Mukägirün und Ansär.
Wenn sie sich auf einen Mann einigen und ihn Imäm nennen, ist das
zur Zufriedenheit Gottes..." Die Einmaligkeit der Huldigung wird
an anderer Stelle wiederholt178): „Es gibt nur eine Huldigung, wobei
nicht zwei verschiedene Auffassungen erlaubt sind und gegen die Wahl
keine Berufung eingelegt werdnen kann..." In Predigt 168179) heißt
es: „0 ihr Menschen, das meiste Recht in dieser Angelegenheit (d.h.
dem Imämat) hat von den Menschen derjenige, der von ihnen darin
am stärksten ist und am besten über die Anordnung Gottes Bescheid
weiß... Bei meinem Leben, das Imämat ist nicht rechtswirksam, ehe
173
) IBN HAZM: al-Fasl, IV/74. Vgl. A. GUILLATTME: The Traditions of Islam,
Oxford 1924, S. 161f.
174
) A§-§AHBASTÄNI: ol-Milal wa-'n-nihal, am Rande von IBN HAZM: al-Fasl,
1/151.
17ß
) J". SULTAN: Etüde sur Nahj al-Balagha, S. 99ff.
17e
) S. oben S. 49f.
177
) B 6; /8; IH /161 ( /300). Vgl. oben S. 13.
178
) B 7, /9; IH 11/162 (III/302f.). S. oben S- 13,
17e
) n/104f.; IH 1/535 /503 f.).
nicht die Allgemeinheit der Menschen sich ihm anschließt. Dafür gibt
es (jetzt) keine Möglichkeit, doch die zur Allgemeinheit gehören, ent-
scheiden mit für den, der von ihr fern ist. Danach kann der Anwesende
sich nicht abwenden, und der Abwesende kann keine andere Wahl
treffen. Bekämpfe ich doch nur zwei Arten von Männern: den, der
beansprucht, was ihm nicht zusteht, und jenen, der verweigert, was
ihm obliegt." Aus dem ersten Satz könnte selbst auf die härigitische
Auffassung vom Iniämat geschlossen werden, wonach diese Würde auf
keine Rasse oder Sippe beschränkt ist; sie wird auch von den meisten
Mu'taziliten und einigen Murgi'iten geteilt180). Als der Kalif von
Medina aus gegen Talha und az-Zubair aufbrach, schrieb er an seine
Anhänger in Küfa: „Ich habe mein Stammesgebiet als Bedrücker
oder als Bedrückter, als ein Tyrann oder ein ungerecht Behandelter
verlassen, und ich erinnere an Gott den, welchen dieser mein Brief er-
reicht, nachdem er zu mir geeilt ist. Wenn ich gut gehandelt habe, soll
er mir helfen, habe ich schlecht gehandelt, mich bitten (das Schlechte
zu lassen)181)". cUtmän wird auf seine Blutsverwandtschaft mit
Muhammad hingewiesen, deren sich seine Vorgänger Abu Bakr und
'Umar nicht erfreuten182). Als man nach der Ermordung TTtmäns zu
'All kam, um ihm zu huldigen, sagte er: „Laßt mich und wendet euch
an einen anderen; wir gehen einer Sache entgegen, die verschiedene
Seiten und Farben hat; die Herzen wenden sich ihr nicht zu, und der
Verstand zeigt dabei keine Geduld, die Horizonte sind bewölkt und
der Weg verhüllt. Wisset, daß ich, wenn ich eurer Aufforderung ant-
worte, mit euch das verfolgen werde, was ich am besten weiß, und daß
ich nicht auf Rede und Tadel von irgend jemanden höre. Wenn ihr
mich laßt, bin ich wie einer von euch und höre vielleicht am besten
von euch auf den, den ihr mit eurer Sache (d.h. dem Kalifat) betraut,
und bin ihm am gehorsamsten. Ich bin für euch als Wesir besser denn
als Amir™)".
Nach der Auffassung der Zaiditen ist das Imämat zwar auf die
Nachkommen Fätimas beschränkt, doch ist jeder, der seinen Stamm-
baum auf die Tochter des Propheten und Gattin «Alis zurückführen
kann, berechtigt, Imäm zu werden, wenn er die nötigen geistigen und
körperlichen Qualitäten besitzt184). Die Zaiditen erkennen das Kalifat
180
)lBNHAZM: al-Fa$l, IV/74; EI1, Art. „Kkäridjifen", Abschn. III.
"») B 57, lil/125; IH /334 (IV/161). Vgl. - : Ttfrih, HI/512
(VI/3173).
12
) P 159, /85; IH I/372ff. ( /481 f.). Vgl. oben S. 10 f.
18S>
) P 88,1/182; IH I/372ff. (11/170). Vgl. oben S. 12 sowie die Anmerk. 34
und 35.
m
) - 8 : at-Milal wa-'n-nilial, 1/160. BP, Art. „al-Zaidlya,".
Abu Bakrs und njmars als gerecht an und erlauben selbst das Kalifat
'Utraäns185). Die zaiditischc Einstellung könnte in einer Äußerung
«Alis durchschimmern, als man «Utmän huldigte: „Ihr wißt, daß ich
unter den Menschen mehr Recht auf die Huldigung habe als jeder
andere außer mir. Doch bei Gott, ich werde nur solange (meine Rechte)
abtreten, wie die Angelegenheiten der Muslime in gutem Zustand sind
und es keine Tyrannei gibt außer speziell gegen mich. Ich tue das, weil
ich dafür um Gottes Belohnung bitte und auf Seine Gnade hoffe und
nichts wissen will von dem Tand und Zierat dessen, wonach ihr
euch sehnt186)". Über 'Umar soll gesagt haben: ,,Gott schütze das
Land eines bestimmten Menschen (d.h. 'Umar). Er sicherte den
Lebensunterhalt (der Menschen), behandelte die Krankheit und hinter-
ließ (ungewollt) Zwietracht. Er richtete die Sunna auf, ging in reinen
Kleidern einher und hatte nur wenige Fehler. Er erlangte ihr (d. h. der
Welt) Gutes und entging ihrem Bösen; er richtete seinen Gehorsam
auf Gott und fürchtete Ihn, wie es sich geziemt. Er ging und ließ euch
auf auseinandergehenden Wegen zurück; der Irregehende wird nicht
rechtgeleitet, und der Rechtgeleitete ist des richtigen Weges nicht
sicher187)". Die Herrschaft des zweiten Kalifen und seine charakter-
lichen Qualitäten werden voll anerkannt, die Mißstände und Spaltun-
gen in der islamischen Gemeinde werden ihm nicht ausdrücklich zuge-
schrieben. Auf die Tätigkeit 'Alis als Ratgeber cUmars wurde bereits
hingewiesen188), die drei Stellen des Nahg al-Baläga, die aus jener Zeit
stammen sollen, geben keinen Hinweis darauf, daß ( 1 die Herrschaft
des zweiten Kalifen ablehnte.
Die vorherrschende Auffassung über das Imämat und Kalifat in
der vorliegenden Sammlung ist freilich die der Imänüya. „Bei Gott,
jemand hat das Gewand des Kalifats angelegt, obwohl er weiß, daß
meine Stellung zu ihm wie die der Achse an der Mühle ist... Doch
ich sah, daß hierbei Geduld mehr angebracht war, und ich harrte aus,
während im Auge Staub und in der Kehle ein würgender Kloß waren
und ich meine Erbschaft als Beute behandelt sah. Dann ging der
erste (d.h. Abu Bakr) seinen Weg, doch er übertrug das Kalifat einem
18S
) J. SULTAN: Etüde sur Nahj al-Balagka S. 100.
18e
) P 71,1/120f.; IH 1/315 (II/60f.). J. SUI/ : Etüde sur Nahj al-Balagha,
S. lOOf.
187
) P 223,11/249; IH /48 ( /92). Im Kommentar von Ihn ABI 'L-HADID
folgen dann bis S. 99 (181) Ausführungen über den zweiten Kalifen, eine Anzahl
seiner Predigten und Reden sowie eine Aufzählung von Handlungen, die «TJmar
zum Vorwurf gemacht werden; s. hierzu auch den Anhang zu dieser Arbeit.
188
) P 130, II/24f.; IH I/474f. (11/389). P 142, II/39f.; IH I/493f. (II/424f.).
S 270, HI/218; IH 11/429 (IV/372). Vgl. oben S. 10.
18e
) Abu Bakr soll nach seiner Huldigung gesagt haben: „Verbessert mich
(aqUüni), denn ich bin nicht euer Bester!" Diese Überlieferung wird jedoch von
den meisten abgelehnt; sie lautet richtig: „Ich bin zu eurem Herrscher gemacht
worden wulitukum) doch ich bin nicht euer Bester!" — Anmerk. von MUHAM-
MAD «ABDUH.
J9
°) Wohl Sa'd b. Abi Waqqäs der später «Alis Huldigung ablehnte. —
Anmerk. von MUHAMMAD «ABDUH.
m
) Wohl *Abd ar-Rahmän b. 'Auf, der Schwager von «Utmän. — Anmerk.
von MUHAMMAD «ABDUH.
li2
) P 3,1/25ff.; IH I/30ff. (I/50ff.).
aus Selbstsucht; die Seelen der einen waren darauf gierig, und die
anderen geizten damit193)..."
Nr. 64194) der Predigten solJ über das Verhalten 'Alis nach dem
Tode Muhammads Auskunft geben, als die Muhätjirün und Amär sich
in der Saqlfa — dem überdachten Vorraum der Banu Sä'ida in Medina
— um die Nachfolge stritten und die Amär je einen Amir von sich
und den Muhätfirün vorschlugen. < 1 sagte zu den mekkanischen
Emigranten: „Warum beruft ihr euch den Amär gegenüber nicht
darauf, daß der Gesandte Gottes empfohlen hat, den Guten unter
ihnen Gutes zu tun und sich von den Übeltätern abzuwenden?...
Wenn der Oberbefehl ihnen zustünde, hätte das Testament (Muham-
mads) sie nicht (jemandem anders, d.h. (Ali) anvertraut." Dann
fragte cAli nach der Meinung der Quraiä. Man sagte ihm, daß sie sich
darauf beriefen, der Baum des Gesandten Gottes zu sein. er-
widerte: „Sie beriefen sich auf den Baum, doch suchten sie seine
Früchte zu verderben". Auf den Tag der Saqlfa bezieht sich auch eine
Stelle in einem Brief an Mu'äwiya: „... Wir sind einmal überlegener
durch die Verwandtschaft (mit Muhammad) und auf der anderen Seite
besser im Gehorsam. Als die Muhätfirün am Tage der Saqlfa sich gegen-
über den Ansär auf den Gesandten Gottes beriefen, hatten sie gegen
sie Erfolg. Wenn nun der Erfolg dadurch (d.h. durch die Verwandt-
schaft mit der Sippe Muhammads) erzielt wurde, dann ist das Recht
bei uns und nicht bei euch; kam er aber durch etwas anderes, waren
die Amär zu ihrem Anspruch berechtigt195)". Als al-'Abbäs und Abu
Sufyän nach dem Tode Muhammads zu 'Ali kamen, um ihm zu hul-
digen, soll er ihnen erwidert haben: „... (Das Kalifat) ist ein brackiges
Wasser und ein Bissen, an dem sein Esser erstickt. Wer die Früchte
nicht zur Reifezeit pflückt, ist wie ein Sämann ohne sein Land. Wenn
ich etwas sage, heißt es: Er ist gierig auf Besitz geworden, schweige
ich, sagt man: Er hat Angst vor dem Tod... Bei Gott, der Sohn von
Abu Tälib ist vertrauter mit dem Tode als das kleine Kind mit der
Brust seiner Mutter!.. ,196)"
Der oben zitierte Vorwurf, die Qurais hätten versucht, die Früchte
des Baumes des Propheten zu verderben, steht im Nahg al-Baläga
nicht allein. Zwar gehören die Sippen der Umayyaden wie auch der
Häsimiten zu diesem Stamme, doch sind es bei den Schiiten bekannt-
lich nur die 'Aliden, die das Anrecht auf Imämat und Kalifat haben.
193
) P 157, /79 .; IH I/519f. ( /474).
1M
) 1/112; IH 1/284 (H/2).
195
) B 28, /37; IH /237 . ( /445ff.).
19
) P 4,1/3.5 .; IH 1/42 (1/71 f.).