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a. Diachronische Dimension:
Historische bachground
Im Jahre 1923 erreichten die Wirren der Nachkriegszeit ihren Höhepunkt. Die im
Herbst 1929 einsetzende Wirtschaftskrise, die Deutschland besonders hart trifft,
verschärft die sozialen und politischen Spannungen in der Weimarer Republik.
Besonders der wirtschaftlich bedrohte Mittelstand, die traditionelle Wählerschaft
der liberalen Parteien, rückt von der Republik ab und wendet sich nach rechts. Die
bisher bedeutungslose nationalsozialistische Bewegung Adolf Hitlers, die extrem
antidemokratische Tendenzen und einen wütenden Antisemitismus mit
cheinrevolutinärer Propaganda verband, gewann seit 1930 sprunghaft an Gewicht
und wurde 1932 stärkste Partei. A m 30 Januar 1933 wurde Hitler Reichskanzler.
Die "Machtergreifung" vom 30 Januar bedeutet nicht nur das Ende der Weimarer
Republik, sondern auch die Beseitigung der seit 1871 bestehenden
bundesstaatlichen Ordnung des Deutschen Reiches (zum Schutz von Volk und
Staat).
II.
a. Wolfgang Borchert: kurze Biographie:
b. B o r c h e r t s S t e l l u n g n a h m e z u m Krieg i n :
In seinem Drama "Draussen vor der Tür", das im Jahre 1946 entstand und zum
Erfolgstück der Nachkriegsjahre wurde, schildert im ähnlichem Sinne die
Aufschrei dieser Generationen im Namen Beckmann.
Auf eine Frage: W a s haben Sie denn so bis jetzt gemacht?, antwortete der Held:
"Nichts, Krieg, Gehungert, Gefrorren, G e s c h o s s e n , Krieg s o n s t nicht."
Diese Generation lernte nur töten, verwüsten. Sie erfuhr, daß man töten muß, um
nicht getötet zu werden.
Als der Krieg aus war, kam Beckmann aus Sibirien in seine eigene mit allen
Werten verwüstete Heimat und stand draussen vor seinem eigenen Haus. Seine
Frau hatte die lange Trennung nicht durchgehalten und hatte einen anderen
geheiratet. Alle überlieferten Rechts-und Ordnungsbegriffe waren fragwürdig
geworden. Metzler bringt den weiteren Verlauf des Lebens von Beckmann
folgendermassen zum Ausdruck:
Beckmann ist ein Held der Generationen, die einer sinnlosen, ungerechten, ja
verbrecherischen Idee geopfert worden waren. In diesem Prosastück verdichten
sich die Stimme von Millionen von Lebenden und Toten, von vorgestern,
gestern, heute und morgen, zur Anklage und Mahnung.
Der Held, in dem sich auch Borchert selber verkörpert hat, ruft "NEIN" gegen den
Krieg in alle Welt.
2. in seinen Kurzgeschichten:
W i e diese Aufschrei von Beckmann hat Wolfgang Borchert die Klage und Anklage
von Millionen wiedergegeben. Er hat etwa 40 K u r z g e s c h i c h t e n hinterlassen, in
denen in vielfältigen Variationen die Katastrophe und die bittere Erfahrung des
Krieges, der Gewaltherrschaft und des ausweglosen Kriegendes gestaltet wurden.
Borchert hat niemals vom ICH gesprochen und keineswegs sein Schicksal auf die
Erlebnisse des Kollektivs übertragen. Er hat nur versucht, das S c h i c k s a l der
verratenen Generation und die schmerzlice Gruppenerfahrung darzustellen. Die
Kurzge schichte "Generation ohne Abschied" ist ein typisches Beispiel der
sogenannten W i r - E r f a h r u n g . "Wir sind Generationohne Bindung und ohne Tiefe.
uß, um als ein Manifest an, daß er durch die bereits erwähnte Wiederholung an die
heutige Wohlstandsgesellschaft Kritik ausübt, und läßt sich die Menschen
t allen mahnen, wobei die Zeit der Katastrophe des Krieges nicht vergessen werde
Seine sollte. 12
nderen Wo Borchert den Kriegsschauplatz schildert, zitiert er das Bild von den
kmann "Kegelbahn" das Kriegsgeschehen durch ein Kegelspiel, in das das Grauen des
Krieges hineinplatzt:
Der erste Faktor bei der Kriegskatastrophe die größte Rolle spielt, ist der
Mensch selbst. Nun ist die Frage: Welcher Mensch? Antwort: Wir alle
Menschen."Wir sind die Kegler." W i r sind die Spieler, wir sind von allen
Lebewesen durch die Fähigkeit zum logischen Denken und Sprechen
unterscheidet. Das heißt, daß wir alles ausdenken können, was und wie das Spielt
gespielt wird. Also die Menschen sind selbst die Verursacher des
Kriegsgeschehens: Denn wir haben die Waffe erfunden, die mehr tausendmal, in
der Minute schieät und in der Imstande ist, alle Menschen zu vernichten und die
Welt total zu verstören.
Borcherts Stellungnahme wird manchmal durch eine ausführliche Gründe und
Gegengründe sorgfältig abwägende Darstellung gelöst. Er gibt Urteile ab, das sich
auf Argumente stützen.ln vielen Fällen aber äußert er seine knappe, nur auf das
Wesentliche bezogene argumentierende Meinung. Deswegen ist die
Kurzgeschichte "Mein bleicher Bruder" Aufschrei, Anruf und Anklage d e s
Dichters. Die Ordnungsruhe wird durch den Krieg zerrissen und der Krieg
zerschnitt plötzlich das Menschenleben und erniedrigt die Menschen. Das ist in
dieser Kurzgeschichte die schwerste Erfahrung Borcherts. 14 "Wer ist jetzt mein
bleicher Bruder hängendes Lid? W i e ? W e r denn, mein Lieber die oder ich? Ich
etwa? 15
Der Krieg wird in der Kurzgeschichte "An diesem Dienstag" sehr realistisch und
ungeschminkt dargestellt. Es gehört zum Gesetz des Krieges, daß es Einzelnen
ins Kollektiv wirft und ihm seiner Individualität beraubt; Je länger ein Krieg dauert
und je härter er wird, umso unmöglicher wird es, die Persönlichkeit zu behaupten.
Die existentielle Bedrohung macht den Einzelnen unwichtig, ob er Genie oder
Analphabet ist, die Kugel treffen wahllos ihr Ziel. Sein Überleben hängt nur noch
von dem Zufall ab, und die soldatischen und bürgerlichen gelten dort nicht
mehr. 16
In diesem Prosastück steht der Leser unmittelbar vor einem Kriegsgeschehen,
damit erzwingt Bordiert sich jedem persönliche Stellungnahme zu dieser
Katastrophe zu enthalten.
Wolfgang Bore herí beabsichtigt a u s jedem Abschnitt, a u s jedem Satz, a u s
jeder Zeile und aus jedem Wort seine Meinung zum Krieg zu äußern und er
konnte seine Stellungnahme zum Krieg durch die erlebten Vorfälle zu einer
literarischen Gestalt gelingen: In den letzten Jahren des Zweiten Weltkrieges
wurden die deutschen Städte % 70 zerstört und deren Lage war sehr entsetzlich.
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Nicht nur Fabriken, Banken und Wohnhäuser sanken in Trümmer, sonder auch
alle gültigen Normen und Maßstäbe der Menschheit. In dem Text ist es, "Alles Ist
w e g " Alles ist w e g . Alles stellen sie s i c h vor, Alles weg.f 7
Bordiert ließ schon a m Anfang der Kurzgeschichte "Nachts schlafen die Ratten
doch" seine Leser denken, ohne sich einzumischen, daa der grausame Krieg die
kleinen unschuldigen Kinder vernichtet und ins Elend führt. Es ist hier auch
bemerkenswert, daß auf die Schultern der Kinder der Last des Krieges eben so
wie auf die Schultern der Alten abgeladen worden ist. E s ist sicher eine Regel
des H u m a n i s m u s , daß die Kinder und die Alten im Krieg nicht getötet
werden d ü r f e n . Aber hier ist der neunjährige Jürgen und sein toter Bruder sind
die typische Beispiele der leidtragenden Kinder.
Jürgens Aussagen zeigt sich deutlich, wie der Krieg eine unbegreiflich
grauenhafte mörderische Beschäftigung ist:
(...)
Er w a r viel kleiner als ich, erst vier, f 8
C
Der Erfinger Der General
wie Fabrikbesitzer, Forscher, ürzte, Pfarrer, Pilote usw. aufgezählt hat, unter allen
Umst,nden "NEIN" zu sagen.20
Er entwirft auch ein bildhafte Vision von dem, was dann geschehen müßte, wenn
sie nicht "NEIN" sagen würden: