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in vorderorientalischen Reichen
der Eisenzeit
herausgegeben von
Mohr Siebeck
Reinhard Müller, geboren 1972; 2003 Dr. theol.; 2008 Habilitation; seit 2014 Professor für Altes Tes-
tament in Münster.
ISBN 978-3-16-154858-1
ISSN 1869-0513 (Orientalische Religionen in der Antike)
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie;
detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
Vorwort ...................................................................................................................... V
Abkürzungsverzeichnis .............................................................................................. IX
Claus Ambos
Rituale der Herrschaftslegitimation babylonischer und assyrischer Könige................ 67
Karen Radner
Assur’s “Second Temple Period”
The Restoration of the Cult of Aššur, C. 538 BCE ..................................................... 77
Paolo Xella
Self-Depiction and Legitimation: Aspects of Phoenician Royal Ideology .................. 97
William Morrow
Famine as the Curse of Kings:
Royal Ideology in Old Aramaic Futility Curse Series .............................................. 111
Bob Becking
A Voice from Across the Jordan:
Royal Ideology as Implied in the Moabite Stela ....................................................... 125
Angelika Berlejung
Dimensionen der Herrschaftslegitimität:
Ikonographische Aspekte königlicher Selbstdarstellung in den Kulturen
der südlichen Levante der Eisenzeit anhand der Bildwerke
von Balu‘a, Yarih-‘ezer und Askalon ....................................................................... 147
Reinhard Müller
Herrschaftslegitimation in den Königtümern Israel und Juda:
Eine Spurensuche im Alten Testament ..................................................................... 189
Christoph Levin
Das Königsritual in Israel und Juda.......................................................................... 231
Udo Rüterswörden
Das Königtum im Hohenlied .................................................................................... 261
Timothy Harrison
Royal Self-Depiction and Legitimation of Authority
in the Levantine Monarchies of the Iron Age in Light
of Newly Excavated Royal Sculptures at Tell Tayinat ............................................. 277
1. Methodische Vorüberlegungen
1.1 Grundsätzliches
Jede politische Macht bedarf, wenn sie stabil sein will, der Rechtfertigung und Legiti-
mation.1 Solche Legitimation kommt zustande in einem vielschichtigen Wechselspiel
von Begründung und Anerkennung, das sich zwischen Regierenden und Regierten
vollzieht: Machthaber müssen begründen und erklären, weshalb ihre Herrschaft unver-
zichtbar ist; Herrschaftslegitimation ist im Kern nichts anderes als ein Argument, das
von den Machthabern vorgetragen wird. Die Regierten wiederum müssen die Be-
gründung akzeptieren; sie müssen den Eindruck haben, die Herrschaftsform, unter der
sie stehen, an der sie immer auch teilhaben – sei es eher aktiv oder nur passiv –, sei
notwendig und anderen Formen politischer Macht vorzuziehen. Grundvoraussetzung
dieser Akzeptanz ist, dass die Argumente, die zur Legitimation von Herrschaft ver-
wendet werden, Teil der allgemein verbreiteten Weltsicht sind.
Die Konzepte und Strategien, in denen Herrschaftslegitimation entfaltet wird, prä-
gen sich in diesem Wechselspiel aus: Ein Herrscher wird seine Macht so zu begründen
suchen, dass die Beherrschten die Überzeugung gewinnen, seine Herrschaft komme
ihren Bedürfnissen und Befindlichkeiten bestmöglich zugute. Das unvermeidliche
Machtgefälle, das zwischen Herrschern und Beherrschten besteht, wird daher gern als
Mittel zum Zweck der Lebensförderung dargestellt (s.u. 2.7); dabei wird verschleiert,
dass Macht nicht zuletzt um ihrer selbst willen ausgeübt wird und in nicht unerhebli-
chem Maß den Interessen der Herrschenden dient.
Die Notwendigkeit der Legitimation betrifft politische Institution und Regierende
gleichermaßen: Die Herrschenden müssen nicht nur die eigene Macht rechtfertigen,
sondern auch den institutionellen Rahmen, in dem sie ausgeübt wird. Immer wieder
freilich kommt es vor, dass beide Ebenen sich trennen: Ein schwacher Herrscher kann
seine Legitimation verlieren, während die Herrschaftsform als solche unhinterfragt
bleibt; das führt in der Regel dazu, dass ein anderer umso entschiedener beansprucht,
in der gegebenen politischen Institution die rechtmäßige Macht zu übernehmen.
1
Die hier entwickelten Überlegungen zielen auf vormoderne Herrschaftsformen, namentlich das alt-
orientalische Königtum (s.u. 1.2). Moderne Staatskonzeptionen, v.a. die Idee, dass der Staat auf eine
rechtsförmige Verfassung gegründet ist, an der die Legitimität politischer Herrschaft gemessen werden
muss, sind nicht vorrangig im Blick.
2
Vgl. MCLUHAN, Understanding Media, 7–21 („The Medium Is the Message“), 81–88 („The Writ-
ten Word“).
3
Vgl. bes. die sog. Kreter und Pleter am davidischen Hof (2 Sam 8,18; 15,18; 1 Kön 1,38 u.ö.).
4
1 Sam 14,50; 2 Sam 2,8; 8,16.18; 1 Kön 4,4; vgl. DIETRICH, Königszeit, 189–193.
5
Vgl. FRITZ, Stadt, 101–112.
6
Vgl. LEVIN, Israel, 149–156.
wurden, wobei die Berater des Königs sicherlich eine gewichtige Stimme hatten. 7
Vermutlich gingen sogar wesentliche Impulse zur Legitimation der Königsherrschaft
von bestimmten Hofbeamten aus, die dabei sicherlich auch Eigeninteressen verfolgten;
die höfische Elite hatte an der königlichen Macht teil und profitierte davon nicht uner-
heblich.
Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang das Verhältnis zwischen Herrscher und
monarchischer Institution. Je stärker das Königtum institutionelle Strukturen auspräg-
te, desto mehr dürfte der überindividuelle Charakter der Herrschaft in den Vorder-
grund gerückt geworden sein. Man pries das Königtum als gottgewollte Ordnung der
Welt8 und zeichnete den König als Träger eines Amtes, das die Bedeutung seiner Per-
son weit überstieg.9
Wenn ein Usurpator die Macht an sich riss, war das die Ausnahme, welche die Re-
gel bestätigt: Der Usurpator bedurfte einer besonderen Legitimation, wie das Beispiel
des Putschisten Jehu lehrt (2 Kön 9f.; s.u. 2.1, 2.3). Eine Pointe solcher Legitimation
war die Behauptung, die Königsherrschaft sei zuvor in Verfall geraten, der Usurpator
aber habe die Institution wiederhergestellt und zu neuem Glanz gebracht; je schwärzer
man den Vorgänger oder die ganze abgesetzte Dynastie zeichnete, desto heller leuch-
tete das Bild des Helden, der – so erzählte man – nur durch beherztes Eingreifen das
Königtum vor dem Untergang gerettet habe (s.u. 2.10).
Schließlich ist der kulturgeschichtliche Kontext zu beachten, in dem die herr-
schaftslegitimierenden Gedanken aufkamen und verbreitet wurden: In Israels Umge-
bung herrschten seit alters Könige; die sozialgeschichtlichen Prozesse, aus denen die
Königtümer hervorgegangen waren, dürften trotz regionaler und epochenbezogener
Unterschiede10 in Grundzügen vielerorts vergleichbar gewesen sein. In der höfischen
Darstellung der königlichen Herrschaft prägten sich im Einzelnen zwar mannigfache
Unterschiede aus – etwa zwischen Ägypten und den mesopotamischen Reichen –,11
jedoch begegnen immer wieder ähnliche Grundgedanken, etwa die Nähe des Königs
zu den Göttern oder sein göttlicher Auftrag, das Reich vor chaosstiftenden Mächten zu
bewahren. Hochkulturen und Großreiche dürften stärker ihre Peripherien beeinflusst
haben als umgekehrt; bei den kleinräumigeren eisenzeitlichen Königtümern Israel und
7
Bei der literarischen Ausformung der herrschaftslegitimierenden Konzepte dürften die Schreiber
(ספרים, 2 Sam 8,17; 1 Kön 4,3 u.ö.) eine entscheidende Rolle gespielt haben; dazu RÜTERSWÖRDEN,
Beamten, 125–130. Zu vermuten ist, dass aus ihren Reihen nach dem Ende des Königtums die Träger-
kreise der entstehenden alttestamentlichen Literatur hervorgingen. Daneben ließe sich etwa auch an den
königlichen Ratgeber (יועץ, 2 Sam 15,12ff.; Jes 1,26) denken; dazu aaO 151–153.
8
Vgl. CANCIK-KIRSCHBAUM, Menschen, 172–180, zu den verschiedenen Weisen, in denen man in
Mesopotamien die Anfänge des Königtums auf Erden mit dem Gedanken der göttlich errichteten Welt-
ordnung verknüpfen konnte.
9
Ähnlich dem mittelalterlichen Konzept der „zwei Körper des Königs“, das im elisabethanischen
England begrifflich fixiert wurde, namentlich im Blick auf die Vorstellung des unsterblich gedachten
politischen Körpers des Königs, in dem sich die dynastische Kontinuität verdichtet, vgl. die klassische
Beschreibung durch KANTOROWICZʼ, Bodies, bes. 314–450; dazu LORETZ, Götter, 691–714.
10
Vgl. den Beitrag von B. BECKING in diesem Band über die besondere Prägung des Königtums im
ostjordanischen Moab (S. 125–145).
11
Vgl. die klassische Gegenüberstellung der divergenten Konzeptionen Ägyptens und Mesopotami-
ens durch FRANKFORT, Kingship, 15–333.
Juda sind zudem viele Wechselwirkungen mit den syrisch-palästinischen Nachbarn an-
zunehmen, vor allem den ostjordanischen Reichen Ammon, Moab und Edom und dem
nordöstlich angrenzenden Aram-Damaskus, aber auch den philistäischen und phönizi-
schen Stadtkönigtümern im Westen und Nordwesten. Gedanken und Medien, die sich
zur Legitimation königlich-dynastischer Herrschaft eigneten, dürften in diesen Rei-
chen oft von woanders her entlehnt worden sein; bei Hofe dürfte – zumindest in Um-
rissen – bekannt gewesen sein, wie sich die Reiche der näheren und ferneren Nachbar-
regionen inszenierten. Freilich ist auch zu bedenken, dass die kleinen Königtümer in
Palästina und Syrien vielfach miteinander konkurrierten, was immer wieder zu be-
waffneten Konflikten führte. Zur Legitimation der eigenen Herrschaft dürfte man da-
her nicht nur ähnliche Konzepte wie die Nachbarn vorgetragen, sondern auch das un-
verwechselbar Eigene hervorgekehrt haben, um sich von den Nachbarn abzugrenzen;
die Meschastele etwa lehrt, dass der nicht austauschbare Name des Reichsgottes für
die Legitimation der jeweiligen Königsherrschaft großes Gewicht erhielt.12
12
Vgl. MÜLLER, Jahweverehrung.
13
Vgl. das bei RENZ, Inschriften, gesammelte Material; zum neuesten Stand einschließlich des viel-
diskutierten Ostrakons von Khirbet Qeiyafa FINKELSTEIN/SASS, Inscriptions.
14
Vgl. das bei SCHMITT, Herrschaftsrepräsentation, gesammelte Material.
15
Vgl. WEIPPERT, Palästina, 535–540.
16
Vgl. LIPSCHITS, Facts.
17
Etliche Details sind zudem umstritten, namentlich im Blick auf die davidisch-salomonische Herr-
schaft; vgl. z.B. zur kontroversen Bewertung von Khirbet Qeiyafa FINKELSTEIN/FANTALKIN, Khirbet
Qeiyafa; KEIMER/KREIMERMAN/GARFINKEL, Quarry.
18
Vgl. neben der Stele des Königs Mēšaʽ von Moab (KAI 181; WEIPPERT, Textbuch, 242–248) v.a.
die Inschriften KAI 306 (Kerak) und 307 (Amman Citadel), die Tempelweihinschrift des Königs Akisch
von Ekron (AḤITUV, Echoes, 335–340), die Königsinschriften aus Byblos, Sidon, Tyros (KAI 1–17),
Samʼal (KAI 24–25, 214–221), Sfīre (KAI 222–224), Azatiwadaja/Karatepe (KAI 26; RÖLLIG, Inscrip-
tions), Tell Fekheriye (KAI 309; s. dazu den Beitrag von W. MORROW in diesem Band, S. 111–124) und
Kition (KAI 288–290); wichtiges Vergleichsmaterial bieten auch die hieroglyphen-luwischen Inschriften
der Eisenzeit, s. PAYNE, Inscriptions.
19
Dass dort bislang keine königlichen Monumentalinschriften entdeckt wurden, beruht möglicher-
weise auf Zufall, vgl. das Fragment einer wohl höfischen Elfenbeininschrift aus Samaria Nim(8):1 =
ND10150 (RENZ, Inschriften, 128f.), die Inschrift vom Hiskiatunnel (KAI 189; Jer[8]:3 [RENZ, Inschrif-
ten, 178–189]), die eigentümlicherweise den königlichen Auftraggeber des Bauprojekts nicht erwähnt
(dazu s.u. 2.6) sowie die fragmentarische Inschrift aus der Davidstadt Jer(8):32 (RENZ, Inschriften,
190f.; dazu KEEL, Geschichte 414f.).
20
Vgl. BEN ZVI, Production, zur Entstehung der prophetischen Bücher.
21
Vgl. CARR, Formation, 153–179; MÜLLER/PAKKALA/TER HAAR ROMENY, Evidence.
22
Vgl. LEVIN, Entstehung, 10–14; MÜLLER, Kings.
23
Ausnahmen bilden die Bücher Hiob, Qohelet und Hoheslied.
24
Vgl. VEIJOLA, Königtum, 39–99; MÜLLER, Königtum, 119–196.
hypothetisch. Auch ist nicht abschließend geklärt, inwieweit das Bild des nichtkönigli-
chen Gottesvolkes auf Überlieferungen beruht, die bereits in der Königszeit vorla-
gen.25
Immerhin lässt sich durch eine Kombination verschiedener Argumente ein Grund-
bestand von Texten umreißen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit Einblicke in Herr-
schaftslegitimation und Selbstdarstellung der eisenzeitlichen Königtümer Israel und
Juda geben:26 Zu nennen sind ein Teil der Königspsalmen, 27 einige Sprichwörter über
den König, die zum größeren Teil der Älteren Weisheit entstammen, 28 Auszüge und
Exzerpte aus Königsannalen,29 Auflistungen von Königsfamilie und Hofbeamten 30
sowie Erzählungen über Könige, darunter eine auffällige Gruppe von Kriegserzäh-
lungen.31 Diese Stücke stehen oft sperrig in der textlichen Landschaft des Alten Testa-
ments, da sie Gedanken enthalten, die (noch) nicht auf die Vorstellung des von Jahwe
erwählten Volkes bezogen sind, teils ihr sogar widersprechen. Zwar dürfte kaum eine
königszeitliche Überlieferung völlig unverändert ins Alte Testament gelangt sein; die
Texte, die aus der Königszeit stammen, wurden dem Selbstverständnis der entste-
25
Vgl. WEINGART, Stämmevolk, 345–375.
26
Zu beachten ist, dass die alttestamentlichen Quellentexte, auf denen die Rekonstruktion dieser
Konzepte fußt, vielfach implizit oder explizit auf Jerusalem und das dortige Königtum bezogen sind;
dies ist dadurch bedingt, dass das Jerusalemer Königtum gut 130 Jahre länger bestand als das israeliti-
sche, was die Überlieferungswege in hohem Maß bestimmt hat. Inwiefern die aus wahrscheinlich judäi-
schen Quellen (z.B. den frühen Königspsalmen) rekonstruierten Vorstellungen auch für das Königtum
Israel anzunehmen sind, ist von Fall zu Fall zu prüfen, bleibt aber oft unklar. So lässt sich etwa im Blick
auf die Kosmologie vermuten, dass im Norden manch anderer Schwerpunkt gesetzt wurde als im Süden;
z.B. scheint das israelitische Heiligtum von Bet-El anstelle des für die Jerusalemer Weltvorstellung
zentralen Bildes des Berges, auf dem Königspalast und Heiligtum stehen (Ps 48,2f.), auf das Bild des
Himmelstors, zu dem ein Treppenturm führt, bezogen gewesen zu sein – ein Bild, das an meso-
potamische Konzeptionen erinnert (vgl. Gen 28,12.17; dazu HARTENSTEIN, Wolkendunkel, 152–160).
Gleichwohl dürften an den Höfen von Samaria und Jerusalem viele Grundgedanken geteilt worden sein.
Der israelitische Reichsgott „Jahwe von Samaria“ (KAgr[9]:8:2 [RENZ, Inschriften, 61]) und der Jahwe
des Jerusalemer Tempels waren offenbar eng miteinander verwandt, wobei man die beiden – je nach
Blickwinkel – sicherlich stets auch als verschiedene Manifestationen derselben Gottheit sehen konnte.
Dass Jahwe zum Schutzgott beider Nachbarreiche wurde – was im Blick auf die sonstige Singularität
seines Kultes in der Levante religionsgeschichtlich sehr auffällig ist –, könnte auf die Verschwägerung
des israelitischen Königshauses mit dem judäischen zurückgehen, die von Omri eingefädelt wurde und
in der gesamten Omridenzeit bestand (einschließlich der Herrschaft vom Omris Tochter Atalja in Jerusa-
lem); de facto scheint Jerusalem in dieser Epoche ein abhängiges Filialkönigtum Samarias gewesen zu
sein. Möglicherweise wurde der Jerusalemer Jahwekult sogar erst im Zusammenhang dieser politischen
Verbindung etabliert.
27
Die Forschung stimmt weitgehend darin überein, dass königszeitliche Textanteile in den Kö-
nigspsalmen 18, 21, 45 und 72 zu suchen sind; bei Ps 2, 89, 101 und 110 gehen die vorgeschlagenen
Datierungen stärker auseinander, während bei Ps 20, 132 und 144 mehrheitlich eine nachkönigszeitliche
Entstehung angenommen wird.
28
Prov 14,28.35; 16,10.12–15; 19,12; 20,2.8.26.28; 21,1; 22,11.29; 25,2f.5f.; 29,4.14.
29
V.a. das in der im Königebuch verarbeiteten „Synchronistischen Chronik“ enthaltene Material
(z.B. 2 Kön 15); vgl. dazu LEVIN, Excerpt.
30
1 Sam 14,49–51; 2 Sam 5,13–16; 1 Kön 4,2–6.
31
Unter anderem 1 Sam 11*; 31*; 2 Sam 10–12*; 20*; 1 Kön 20*; 22*; 2 Kön 3*; 14*.
32
WELLHAUSEN, Prolegomena, 1.
33
Vgl. PAKKALA, Word.
34
Vgl. die methodisch analoge Suche nach den Anfängen Jahwes: MÜLLER, Jahweverehrung.
35
Ein Beispiel sind die sog. Heilsorakel bei Deuterojesaja (Jes 41,8–13.14–16; 43,1–7 etc.): Wie die
Nähe zu den neuassyrischen Prophetien zeigt (vgl. NISSINEN, Prophets, 97–132), lehnen sie sich an die
Gattung an, mit der ein Prophet dem König vor der Schlacht göttlichen Beistand zusagte, und übertragen
die Redeform auf das erwählte Gottesvolk.
36
Dazu nach wie vor grundlegend FRANKFORT, Kingship.
37
Vgl. MÜLLER, Jahwe, 136–250.
38
Vgl. MÜLLER, Königtum, 162–169.
diesen Zügen wohl erst weit nach dem Ende des Königtums entstand, ihre Macht von
Jahwe (1 Kön 11,31.37; 14,7.14; 16,2 etc.).
Das wichtigste Element des Rituals, das dem König die Amtsgewalt verlieh, war die
Salbung mit Öl.39 Die Königssalbung wird mitunter in annalistisch geprägten Texten
erwähnt, wobei das Stichwort „ משחsalben“ meist pars pro toto für das ganze Ritual
steht (2 Sam 2,4; 5,3; 1 Kön 1,39; 2 Kön 11,12; 23,30). Dabei bleibt offen, welchen
Sinn man der Salbung zuschrieb. Einige Stellen nennen ein Kollektiv als Subjekt der
Salbung (2 Sam 2,4: „die Männer Judas“; 5,3: „alle Ältesten Israels“; 2 Kön 11,12:
eine Gruppe Soldaten; 23,30: „das Volk des Landes“), was darauf schließen lässt, dass
die Salbung die Machtübertragung von einer Gruppe auf einen Einzelnen symboli-
sieren konnte. Entscheidend aber ist, dass die Salbung stets eine theologische Dimen-
sion gehabt haben dürfte. Schon die Tatsache, dass an einer Stelle ein Priester als Sal-
bender genannt wird (1 Kön 1,39; in 1,45 ein Priester und ein Prophet), an einer ande-
ren ein Prophet (2 Kön 9,1–10), lässt vermuten, dass man die Gottheit an der Salbung
beteiligt dachte. In einigen Texten wird dies ausdrücklich gesagt: Mehrfach wird Jah-
we selbst als Subjekt der Salbung genannt (1 Sam 10,1; 15,17; 2 Sam 12,7; 2 Kön
9,3.6.12; Ps 45,8; 89,21). Aussagekräftig ist vor allem die Erzählung vom Putsch des
israelitischen Generals Jehu (2 Kön 9,1–4*), ein Meisterwerk der althebräischen Er-
zählkunst,40 das verfasst sein dürfte, um den Usurpator zu legitimieren:
Und Elisa, der Prophet, rief einen von den Prophetenjüngern und sprach zu ihm: „Gürte deine Lenden
und nimm diese Ölflasche in deine Hand und geh nach Ramot Gilead! Und wenn du dort hineingehst,
sieh dort Jehu ben Nimschi an und geh hinein, lass ihn aufstehen aus der Mitte seiner Gefährten und
führe ihn ins innerste Gemach. Dann nimm die Ölflasche und gieße sie aus auf sein Haupt und sprich:
‚So spricht Jahwe: Ich habe dich zum König über Israel gesalbt.‘ Dann öffne die Tür und flieh und
zögere nicht!“
Dass der „Prophetenjünger“ Jehu im Geheimen salben und sogleich fliehen soll, hängt
wohl damit zusammen, dass die Salbung laut der Erzählung einen Staatsstreich in
Gang setzte; der rituelle Akt übertrug die königliche Amtsgewalt auf einen Usurpator,
dessen erste Handlung darin bestand, den herrschenden König zu töten (2 Kön 9,15–
26*). Umso deutlicher wird betont, dass der Umsturz der Wille des israelitischen
Reichsgottes Jahwe war (V. 3aβ.6b*):
So spricht Jahwe: Ich habe dich zum König über Israel gesalbt.
Eine ganz ähnliche Aussage enthält die Inschrift des Königs Zakkur von Hamath und
Luʽasch (8. Jh. v. Chr.),41 der wahrscheinlich ebenfalls den Thron an sich gerissen
hatte.42 Zakkur erzählt darin von einem Sieg über eine feindliche Koalition, die ihn –
wohl infolge des Umsturzes – angegriffen habe; als er von den Angreifern belagert
worden sei, habe er zum Himmelsgott Beʽelschemayn (dem „Herrn des Himmels“)
gebetet, worauf dieser ihm mit einem prophetischen Orakel geantwortet habe:43
39
Vgl. den Beitrag von CH. LEVIN in diesem Band (S. 231–260).
40
Vgl. WELLHAUSEN, Geschichte, 43.
41
KAI 202.
42
DELSMAN, Inschriften, 626, Anm. 1.
43
Vgl. MÜLLER, Jahwekrieg, 265f.
Beʽelschemayn [wandte sich] zu mir durch Seher und durch Wahrsager. [Und] Beʽelschemayn [sagte]
[zu mir:] Fürchte dich nicht; denn [ich] habe [dich] zum Köni[g] gemacht, [und ich] [werde] dir
[beiste]hen, und ich werde dich befreien von all [diesen Königen, die] eine Belagerung gegen dich
eröffnet haben.44
Der Spruch des Beʽelschemayn „Ich habe dich zum König gemacht“45 ist ein genaues
Gegenstück zu Jahwes Orakel an Jehu „Ich habe dich zum König über Israel gesalbt“.
Beide bringen die göttlich-irdische translatio imperii auf eine kurze Formel.
Das Motiv der Salbung wiederum findet eine nahe Parallele in einem Brief aus Mari
(18. Jh. v. Chr.), dem bislang ältesten Beleg für die Königssalbung (A. 1968):46
… Abija, Prophet des Adad, des Herrn von Aleppo, kam zu mir (scil. einem Hofbeamten des Königs
Zimrī-Lîm) und sprach: „So spricht Adad: ‚Ich habe das ganze Land dem Jaḫdun-Lîm gegeben. Dank
meiner Waffen hatte er keinen Rivalen. Er aber hat das Meine verlassen, so gab ich das Land, das ich
ihm gegeben hatte, dem Šamšī-Addu […] … Ich brachte dich zurück auf den Thron deines Vater-
hauses. Ich gab dir die Waffen, mit denen ich das Meer geschlagen habe. Mit dem Öl meines Schre-
ckensglanzes salbte ich dich. Niemand hat sich gegen dein Angesicht gestellt. …‘“47
Auch hier ist von einem prophetischen Orakel die Rede („So spricht Adad“), das zum
Ausdruck bringt, die Gottheit selbst – in diesem Fall der Wettergott von Aleppo – habe
den König gesalbt. Dass die Salbung überhaupt erwähnt wird, hängt möglicherweise
damit zusammen, dass die dynastische Sukzession unterbrochen war – ähnlich wie in 2
Kön 9 –, auch wenn der Text zu suggerieren scheint, es habe kein Dynastiewechsel
stattgefunden.48 Im Blick auf den Sinn der Salbung deutet sich ein umfassendes Kon-
zept der translatio imperii an, das geradezu geschichtstheologisch entfaltet wird: Als
sich König Jaḫdun-Lîm von Adad abkehrte, strafte dieser das Königreich, indem er es
dem assyrischen Eroberer Šamšī-Addu preisgab. Später aber (leider hat der Text hier
eine Lücke) stellte Adad das Reich wieder her, indem er die Königswürde dem Zimrī-
Lîm übertrug: Er ließ ihn den Thron seines „Vaterhauses“ besteigen und überreichte
ihm die göttlichen Waffen, über die vorher offenbar auch der in Ungnade gefallene
Jaḫdun-Lîm verfügt hatte; mit ihnen hatte der Wettergott in mythischer Vorzeit einst
têmtum, das widergöttliche Meer, besiegt;49 aus einem anderen Text geht hervor, dass
diese Waffen nicht nur in der Vorstellung existierten, sondern als reale kultische Ob-
jekte verehrt wurden.50 Nachdem der König diese Waffen ausgehändigt bekommen
hatte, wurde er gesalbt – beides wohl durch priesterliche Hand. Das Salböl übertrug
den „Schreckensglanz“ (namrīrūtum) des Adad auf den König, so dass seither nie-
44
KAI 202 A:11–15 (zitiert nach DELSMAN, Inschriften, 627).
45
Vgl. A:3f.: „Und Beʽelschema[yn] machte mich zum König [über] [Ha]zrak (scil. wohl die Haupt-
stadt von Luʽasch).“ (DELSMAN, Inschriften, 626)
46
Weitere Belege scheinen v.a. auf eine Verwendung des Rituals im hethitischen Neuen Reich und
dessen Umkreis zu deuten, vgl. KUTSCH, Salbung, 34–38.
47
Text und engl. Übersetzung: NISSINEN, Prophets, 21f.; eigene Übersetzung.
48
In den offiziellen Texten wird Zimrī-Lîm als Sohn des Jaḫdun-Lîm geführt, eine vereinzelte Siege-
linschrift nennt ihn jedoch Sohn eines gewissen Hatni-[Addu] (KUPPER, Art. Mari, 387f.).
49
Zu Kontext, Entstehung und Verbreitung des Mythos SCHWEMER, Wettergottgestalten, 226–237;
AYALI-DARSHAN, Version.
50
A. 1858 (dazu SCHWEMER, Wettergottgestalten, 226f.).
mand ihn anzugreifen wagte. Die Gottheit setzt demgemäß den irdischen König ein,
damit dieser die göttlich errichtete kosmische Ordnung auf Erden vollende.51
In 2 Kön 9 bleiben die konzeptionellen Hintergründe der von Jahwe vollzogenen
Königssalbung im Dunkeln. Es liegt aber nahe, dass Ähnliches mitgedacht war wie bei
Adad von Aleppo. Das lässt der Vergleich mit Ps 89 vermuten, einer monumentalen
Klage über den Sturz des davidischen Königtums, in der die Königssalbung durch
Jahwe erwähnt wird. In diesem Königspsalm sind Motive miteinander verknüpft, die
überraschend deutlich an die Herrschaftsübergabe durch Adad von Aleppo erinnern;
der Psalm zitiert ein längeres Orakel Jahwes (V. 20b–35), das unter anderem folgende
Sätze enthält:
21 Ich fand David, meinen Knecht,
mit dem Öl meiner Heiligkeit salbte ich ihn.
22 An ihm wird meine Hand fest sein,
ja, mein Arm wird ihn stärken.
23 Kein Feind wird ihn anfallen
und kein Frevler ihn bedrücken.
24 Und ich werde vor ihm seine Widersacher zerhauen,
und die ihn hassen, werde ich schlagen. …
26 Und ich werde seine Hand an das Meer legen
und an die Ströme seine Rechte.
Einige Verse vorher ist von Jahwes Triumph über das Meer und den Drachen „Rahab“
die Rede (V. 10f.). Dass Jahwe dem David Macht über Meer und Ströme verleiht
(V. 26), ist also ein Widerhall dieses Sieges – wie bei Adad von Aleppo und König
Zimrī-Lîm. Auch wenn Ps 89 nicht von göttlichen Waffen spricht, ist Jahwes Sieg
über das Meer ( היםin v. 10) mit Adads Sieg über têmtum traditionsgeschichtlich ein-
deutig verwandt.52 Zudem spricht Ps 89 von der göttlichen Salbung auffallend ähnlich
wie das Orakel des Adad:
A.1968: Mit dem Öl meines Schreckensglanzes (šamnam ša namrīrūtīya) salbte ich dich.
Ps 89,21b: Mit dem Öl meiner Heiligkeit ( )בשמן קדשיsalbte ich ihn.
Eine weitere Parallelität besteht darin, dass auf das Motiv der Salbung in beiden Tex-
ten die Rede von der militärischen Überlegenheit des Königs folgt:
A.1968: Niemand hat sich gegen dein Angesicht gestellt.
Ps 89,23f.: Kein Feind wird ihn anfallen
und kein Frevler ihn bedrücken.
Und ich werde vor ihm seine Widersacher zerhauen,
und die ihn hassen, werde ich schlagen.
Ps 89 ist dabei nur ein indirekter Zeuge für die Herrschaftslegitimation im – in diesem
Fall – judäischen Königtum: Was dieser Psalm über die translatio imperii sagt, ist mit
51
VOEGELIN, Ordnung, 62–80.
52
Vgl. SCHWEMER, Wettergottgestalten, 236, Anm. 1626; zur differenzierten Einordnung der in
Ps 89 verarbeiteten Mythologeme AYALI-DARSHAN, Question, 411–415.
Motiven verknüpft, die mit hoher Wahrscheinlichkeit auf die spätere Vorstellung des
Gottesvolkes bezogen sind (V. 16–19); zudem blickt der Psalm auf das Ende der davi-
dischen Herrschaft zurück (V. 39–46), weshalb er erst in nachköniglicher Zeit entstan-
den sein kann.53 Gleichwohl dürften die Aussagen zur göttlichen Legitimation der
davidischen Herrschaft recht genaue Erinnerungen an Konzepte enthalten, die aus der
Königszeit stammen. Obwohl zwischen dem altbabylonischen Adad-Orakel und Ps 89
mehr als tausend Jahre liegen, ist die Motivfolge überraschend ähnlich. Im Sinne der
longue durée dieser Konzepte ist das sicherlich kein Zufall.
Die Vorstellungswelt, die mit dem Gedanken der göttlich-irdischen translatio impe-
rii verknüpft war, wird am genauesten vom Königspsalm 21 beleuchtet. Anders als bei
Ps 89 wurde seine literarische Urgestalt mit Sicherheit am Königshof verfasst. 54 Der
erste Teil des Psalms (V. 2–7) enthält ein Preislied, das zum Ritual der Thronbestei-
gung gehört haben dürfte; auch beim jährlichen Thronbesteigungstag, an dem die Er-
innerung an die Inthronisation gefeiert wurde, dürfte es angestimmt worden sein: 55
2 Jahwe, über deine Macht freut sich der König,
und über deine rettende Tat, wie <jauchzt> er gar sehr!
3 Das Begehren seines Herzens gabst du ihm,
und die Bitte seiner Lippen hast du nicht verweigert.
4 Ja, du begegnest ihm mit Segnungen an Gutem,
du setzt auf sein Haupt ein Diadem aus Feingold.
5 Leben erbat er von dir, du hast es ihm gegeben,
Länge an Tagen für immer und allezeit.
6 Groß ist seine Ehre durch deine rettende Tat,
Hoheit und Glanz legst du auf ihn.
7 Ja, du setzt ihn ein zu Segnungen für allezeit,
du ergötzt ihn mit Freude bei deinem Angesicht.
Das Lied besingt das intime Gegenüber von König und Gottheit, das den unsichtbaren
Hintergrund der Königswerdung bildet: Jahwe hat den König mit einem goldenen Dia-
dem gekrönt (V. 4b), ihm „Hoheit und Glanz“ verliehen (V. 6b) und ihn zu nicht en-
den wollenden „Segnungen“ eingesetzt (V. 7a). Da der König die Segnungen von
Jahwe erhalten hat (V. 4a), besteht sein Amt darin, den Segen weiterzugeben (s.u. 2.6).
„ כבודEhre“, „ הודHoheit“ und „ הדרPracht“ verdankt der König nicht sich selbst,
sondern Jahwes „ ישועהrettender Tat“ (vgl. V. 6 mit V. 2b). Als er Jahwe darum bat,
wurde er mit einem „Leben“ beschenkt (V. 5a), das von Freude in der Gegenwart Jah-
wes erfüllt (V. 7b) und der begrenzten Zeitlichkeit des Menschenlebens entzogen ist
(V. 5b), da es an Jahwes Königsherrschaft Anteil hat (vgl. V. 5b mit Ps 93,5b).56 Bei
all dem steht zunächst nicht die Machtfülle des irdischen Königs im Vordergrund.57
53
HOSSFELD/ZENGER, Psalmen, 587.
54
Zum Beispiel GUNKEL, Psalmen, 85; SPIECKERMANN, Heilsgegenwart, 208–219; SAUR, Kö-
nigspsalmen, 97–112; KRATZ, Reste, 183f.
55
LORETZ, Entstehung, 431.
56
MÜLLER, Leben, 222–228.
57
Erst die zweite Hälfte des Psalms, die einer anderen Textgattung zuzuordnen ist, nimmt in den
Blick, wie der König die göttlich verliehene Macht gebrauchen soll (s.u. 2.3).
Freilich macht der Psalm zugleich deutlich, dass der König der Gottheit viel näher ist
als andere Menschen: Er befindet sich fortwährend in der Audienz vor Jahwes „Ange-
sicht“ (V. 7b),58 weshalb er den göttlichen Segen an die Untertanen weitergeben kann
(V. 7a; s.u. 2.7).59
Der König wurde demgemäß von Jahwe adoptiert, als er in sein Amt eingesetzt wurde.
Diese Vorstellung ist auch im Nathanorakel 2 Sam 7 enthalten, das hinter Ps 89 zu
stehen scheint; im Blick auf Davids Nachfolger (vgl. V. 12) wird hier eine offenbar
geprägte Aussage zitiert, die sich als Adoptionsformel charakterisieren lässt (V. 14):
Ich will ihm Vater sein,
und er soll mir Sohn sein.
Auch im Königreich Israel dürfte der Herrscher als adoptierter Sohn Jahwes gegolten
haben. Das lässt sich indirekt aus Hos 11,1 erschließen, wo das Motiv auf Jahwes Ver-
hältnis zu Israel übertragen ist:61
Als Israel ein Knabe war, gewann ich ihn lieb,
und aus Ägypten berief ich ihn zu meinem Sohn.
58
Vgl. HARTENSTEIN, Angesicht, 259.
59
SPIECKERMANN, Heilsgegenwart, 214f.
60
FOSSUM, Son, 788f.; SJÖBERG, Abstammung.
61
Vgl. NISSINEN, Prophetie, 238f.
62
WESTENHOLZ, Legends, 36–49.
63
Vgl. NISSINEN, Prophetie, 280–290.
64
Vgl. das Bild des Großreiches Davids und Salomos in 2 Sam 8,1–14 und 1 Kön 5,1.
dass die Königreiche Israel und Juda diesen herrschaftslegitimierenden Gedanken mit
manchen Nachbarn teilten.65
Von der Gottessohnschaft und weltweiten Herrschaft des Königs ist auch in Ps 2 die
Rede; in einem viel jüngeren Kontext wird hier Gedankengut zitiert, das im Kern auf
das judäische Königtum zurückgehen dürfte.66 Das Motiv der Gottessohnschaft ist
dabei auf besondere Weise zugespitzt:
7* Er sprach zu mir: „Mein Sohn bist du,
ich bin’s, der ich dich heute (hiermit) gebäre!67
8 Erbitte von mir,
dass ich Völker als dein Erbe gebe
und als deinen Besitz die Enden der Erde!
9 Du wirst sie zerschmettern mit eisernem Szepter,
wie Gefäße eines Töpfers wirst du sie zerschlagen!“
Der Satz „Mein Sohn bist du, / ich bin’s, der ich dich heute gebäre!“ ist ein offenbar
performativer Zuspruch, der wohl einen ähnlichen Zweck erfüllte wie die Adopti-
onsaussagen in 2 Sam 7,14 und Ps 89,27: Am Tag der Thronbesteigung („ היוםheute“)
wurde der König zum Gottessohn. Das Motiv der göttlichen Neugeburt des Königs
scheint allerdings über die reine Adoptionsvorstellung, wie sie in 2 Sam 7,14 und
Ps 89,27 angedeutet ist, hinauszugehen; es könnte sich ägyptischen Einflüssen verdan-
ken:68 Zwar ist von einer göttlichen Geburt des Königs auch vereinzelt im frühen Me-
sopotamien die Rede,69 jedoch entstammen bislang die deutlichsten Parallelen dem
geographisch und kulturgeschichtlich näher benachbarten Ägypten. Aus der Königs-
theologie des Neuen Reiches sind ähnliche Aussagen bezeugt, namentlich aus dem
mythologischen Zyklus von der Geburt des Gottkönigs.70 In der späten Bronzezeit zog
65
Vgl. insbes. die nordwestsemitische Tradition, die durch das ugaritische Kirta-Epos belegt ist: Kö-
nig Kirta gilt dort als „Sohn“ (bn) und „Sprössling“ des Gottes Ilu (KTU 1.16 I 20f. u.ö.); dazu LORETZ,
Götter, 556–569.
66
Mit HARTENSTEIN/JANOWSKI, Psalmen, 98.
67
Vgl. HARTENSTEIN/JANOWSKI, Psalmen, 59 und 105f.
68
Weniger deutlich ist dies für den oft postulierten Zusammenhang der eigentümlichen Wendung
„ אספרה אל חק יהוהIch will erzählen über die Setzung Jahwes“ in Ps 2,7 mit dem ägyptischen König-
sprotokoll (vgl. VON RAD, Königsritual, 208f.; HARTENSTEIN/JANOWSKI, Psalmen, 98–100); der von
den Vertretern dieser These als Synonym zu „ חקSatzung“ angeführte Begriff („ העדותdas) Zeugnis“ in
2 Kön 11,12 dürfte auf den priesterschriftlichen Begriff עדותin Ex 25,16.21f. etc. verweisen, vgl.
LEVIN, Sturz, 46–48. Die singuläre Wendung „ חק יהוהSetzung Jahwes“ (gegen die masoretische Ver-
steilung!) scheint schlicht den Inhalt des nachfolgend zitierten Jahweorakels zu bezeichnen, ohne dass
darin die spezifische Konzeption des Königsprotokolls enthalten sein muss, das die fünf Thronnamen
des Pharao enthält. Dass hinter Jes 9,5 das ägyptische Konzept der fünf Thronnamen steht, wie in die-
sem Zusammenhang oft postuliert wird (z.B. WILDBERGER, Jesaja, 381–384), lässt sich mit guten Grün-
den hinterfragen, zumal der Text nur vier Namen zu enthalten scheint; vgl. den Beitrag von J. F. QUACK
in diesem Band (S. 1–65).
69
Vgl. SJÖBERG, Abstammung, 107, der das Gebet des Gudea von Lagasch an die Stadtgöttin Ga-
tumdu „Ich habe keine Mutter, du bist meine Mutter, ich habe keinen Vater, du bist mein Vater, meinen
Samen hast du empfangen, hast mich im Heiligtum geboren“ (Zyl. A III 6ff.) ausdrücklich mit Ps 2,7
parallelisiert.
70
Vgl. OTTO, Theologie, 34–40; HARTENSTEIN/JANOWSKI, Psalmen, 101–105.
die ägyptische Vorherrschaft über Teile der Levante starke kulturelle Einflüsse auf die
politisch abhängigen Regionen nach sich, und noch in der Eisenzeit lehnte man sich
dort auf mancherlei Weise an ägyptische Traditionen an.71 Es ist daher nicht auszu-
schließen, dass hinter Ps 2,7 ein herrschaftslegitimierendes Konzept steht, das am
Jerusalemer Hof nach ägyptischem Vorbild ausformuliert wurde.72
71
Vgl. den Beitrag von J. F. QUACK in diesem Band (S. 1–65).
72
Vgl. die vorsichtige Zustimmung zu dieser verbreiteten These im Beitrag von J. F. QUACK in die-
sem Band (S. 1–65). Zu denken ist v.a. an die Zeit der mächtigen 25. kuschitischen Dynastie, mit der
sich Juda während des antiassyrischen Aufstands von 705–701 v. Chr. verbündete, sowie an die Zeit der
26. saitischen Dynastie, die für Juda nach dem Zusammenbruch des assyrischen Reiches eine Phase der
ägyptischen Vasallität brachte und zugleich durch ihre Konkurrenz mit dem neubabylonischen Reich in
die Geschehnisse verwickelt war, die schließlich zum Untergang des judäischen Königtums führten.
73
MÜLLNER, Samuelbücher, 126f.
74
Vgl. zu den mythologischen Kontexten SAUR, Tyroszyklus, 237–251.
(2 Sam 14,17.20). Das Motiv der Weisheit Salomos, das in 1 Kön 3,1–15.16–28; 5,9–
14 und 10,1–13 legendarisch breit entfaltet wurde, könnte – trotz später Ausgestaltung
und Übermalung – im Kern auf einen Gedanken zurückgehen, der tatsächlich einmal
zur Legitimation königlicher Herrschaft gedient hat.75 Auffällig ist in diesem Zusam-
menhang, dass eine Sammlung „salomonischer“ Weisheitssprüche den „Männern“ des
judäischen Königs Hiskia zugeschrieben wird (Prov 25,1), was vielleicht darauf deu-
tet, dass man in dieser Epoche begann, überlieferte Spruchweisheit aufzuzeichnen. 76
Insgesamt ist das Motiv der königlichen Weisheit jedoch nur selten und literarge-
schichtlich spät belegt.77
„Weise“ ( )חכםzu sein scheinen die Hofbeamten, die den König umgaben und be-
rieten,78 sich vor allem selbst zugeschrieben zu haben (Prov 21,22):
Eine Stadt von Helden besteigt ein Weiser
und stürzt die Macht, auf die sie sich verließ.
Ein solches Selbstbewusstsein lässt sich ohne einen höfischen Hintergrund kaum er-
klären: „Weisheit“ ist hier nichts anderes als die Fähigkeit, kluge politische Strategien
zu entwerfen. Indem höfische „Weise“ die königliche Politik mitgestalteten und in
eine Richtung lenkten, die dem Reich Erfolge brachte, trugen sie wesentlich dazu bei,
die königliche Herrschaft zu legitimieren.
75
So klassisch GRESSMANN, Messias, 26f.
76
Vgl. GEMSER, Sprüche, 93; MEINHOLD, Sprüche II, 416; zur literarischen Ausgestaltung des Mo-
tivs in Prov 25 WILKE, Kronerben, 218–236.
77
Ein Beispiel ist Prov 20,26, wo in lockerer Anlehnung an Prov 20,8 das Motiv des richtenden Kö-
nigs auf die Ausrottung der Frevler bezogen wird (vergleichbar mit der Fortschreibung von Ps 101*
durch V. 8); dazu s.u. 2.6. Der König wird dabei ausdrücklich „weise“ ( )חכםgenannt.
78
Vgl. 2 Sam 16,23.
79
Vgl. SERGI, King List, 244.
80
Vgl. LEVIN, Excerpt.
81
Historisch ist meist schwer zu fassen, auf welche Weise in den altorientalischen Reichen der
Thronfolger bestimmt wurde; in Israel und Juda ließe das Erbrecht (Dtn 21,15–17) einen Thronanspruch
des Erstgeborenen erwarten, ohne dass sich dies für die Thronfolge nachweisen lässt.
samte Herrscherlinie wird durch die Abstammung vom göttlich erwählten Dynastie-
gründer als legitimiert erwiesen.
Größtmögliche Steigerung erfuhr der dynastische Gedanke im biblischen Idealbild
einer „ewigen“ davidischen Dynastie, das weit über das Alte Testament hinaus Wir-
kung entfaltete. Im Nathanorakel verheißt Jahwe dem David (2 Sam 7,16):
Und verlässlich sei dein Haus und deine Königsherrschaft für immer vor <mir>,
dein Thron sei befestigt ( )נכוןfür immer!
Diese Verheißung wird in Ps 89 differenziert entfaltet (V. 29–38); unter anderem ver-
spricht Jahwe dort (V. 37f.):
37 Seine Nachkommen sollen dasein für immer,
und sein Thron sei wie die Sonne vor mir!
38 Wie der Mond sei er befestigt ( )יכוןfür immer …!
Auch wenn sowohl das Nathanorakel als auch Ps 89 erst einige Zeit nach dem Ende
des judäischen Königreiches abgefasst sein dürften, 82 begegnen in beiden Texten
Gedanken, die mit hoher Wahrscheinlichkeit im Königtum geprägt wurden. Darauf
deutet etwa das Motiv von Sonne und Mond in Ps 89,38, das auch in dem
Königspsalm 72 begegnet (V. 5), dessen Grundbestand aus der Königszeit stammen
dürfte (s.u. 2.6):
<Er lebe lange> bei der Sonne
und vor dem Mond von Geschlecht zu Geschlecht!
Der Wunsch verdeutlicht, dass das Bild des Königs überindividuelle Züge erhält; der
Herrscher verkörpert die gesamte Dynastie. Dieser Gedanke konnte auch mit dem
königlichen Namen verknüpft werden, was ebenfalls aus Ps 72 hervorgeht (V. 17a):
Sein Name währe für immer ()לעולם,
vor der Sonne erblühe sein Name!
In der Vorstellung, dass Name und Thron des Königs in Gegenwart der zeitlosen Ge-
stirne unendlich währen, findet der dynastische Gedanke symbolische Verdichtung;
weil die Gestirne göttlichen Charakter haben, wird er zugleich in einen mythischen
Horizont eingezeichnet: Mit der Thronbesteigung ist der König in die Sphäre der
göttlichen Lebensfülle eingetreten (Ps 21,5; s.o. 2.1). Seine Herrschaft erhält eine
nicht enden wollende Dauer, was auf die dynastische Generationenfolge verweist
(Ps 61,7f.):
82
Vgl. zu 2 Sam 7 WELLHAUSEN, Composition, 254; LEVIN, Verheißung, 251–255; PORZIG, Lade,
171–175.
83
Phu A IV Portal Lion (RÖLLIG, Inscriptions, 54f.).
Entscheidend ist, dass die unbegrenzte Dauer der Königsherrschaft und die „Befesti-
gung“ ( כוןni.) von königlichem Namen und Thron auf das Königtum Jahwes
verweisen (Ps 93,2.4f.*):
2 Befestigt ist ( )נכוןdein Thron seit damals (scil. seit Jahwes urzeitlicher Thronbesteigung),
von jeher an ( )מעולםbist du! …
4 Mehr als das Tosen großer Wasser
<mächtig>, mehr als die Brecher des Meeres
mächtig ist in der Höhe Jahwe,
5* Jahwe für die Länge der Tage (!)לארך ימים
Die Vorstellung einer nicht endenden dynastischen Herrscherfolge fügt sich organisch
in diesen Rahmen ein: Nach Ps 21,5 erhielt der König von Jahwe „Länge an Tagen für
immer und allezeit“ ()ארך ימים עולם ועד, und in seinem „für immer“ ( )לעולםbefes-
tigten Thron (Ps 61,8; 2 Sam 7,16; Ps 89,38) spiegelt sich der Gottesthron.
Zwar ist davon auszugehen, dass das biblische Bild der davidischen Dynastie und
ihrer göttlich garantierten Dauer in manchen Zügen erst auf nachköniglicher Idealisie-
rung beruht: 2 Sam 7 oder Ps 89 dürften entworfen worden sein, als der Untergang des
Jerusalemer Königtums bereits einige Zeit zurücklag; die Verheißungen einer für alle
Zeiten befestigten davidischen Dynastie wollen den faktischen Abbruch der davidi-
schen Herrschaft kompensieren und Hoffnung auf ihre Erneuerung wecken. Gleich-
wohl greifen diese Texte mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Motive und Gedanken
zurück, die einst zur Legitimation der Könige gedient hatten. Dafür sprechen etwa die
auffälligen Parallelen, welche die Aussagen über die von göttlichem Leben gesättigte
Dauer der königlichen Herrschaft (vgl. Ps 21,5) namentlich in nordwestsemitischen
Texten finden.84 Sie lassen vermuten, dass die Ausweitung der göttlich-irdischen trans-
latio imperii auf ganze Dynastien ein verbreitetes Konzept gewesen ist, das am Jerusa-
lemer Hof geteilt wurde.85
Aus dem sog. Nordreich sind vergleichbare Konzepte nicht belegt. Laut den im Al-
ten Testament enthaltenen annalistischen Quellen konnte im Königreich Israel wegen
wiederholter Putsche (1 Kön 15,27; 16,9ff.; 16,21f.; 2 Kön 9f.; 15,10.14.25.30) keine
Herrscherfolge entstehen, die durch ununterbrochene Abstammung zusammengehalten
wurde. Auch dort versuchten die Herrscher aber immer wieder, Dynastien zu etablie-
ren; die Geschlechter der Omriden und Jehuiden, die beide ungefähr vier Generationen
84
MÜLLER, Leben, 222–225.
85
Über die realgeschichtlichen Hintergründe ist damit noch nichts gesagt. Im Blick auf die Königs-
morde, die in den Jerusalemer Annalenexzerpten erwähnt sind (2 Kön 12,21; 14,19; 21,23 – wobei der
Ausdruck קשרq. + [„ ]קשרeine Verschwörung machen“ auch für die Putsche des Nordreiches ge-
braucht wird, vgl. 1 Kön 15,27; 16,9 etc.), sowie die schwer genauer greifbare Verschwägerung von
Israel und Juda zur Zeit der Omriden (2 Kön 8,18ff.), die laut 2 Kön 11 in einer mehr als sechsjährigen
Unterbrechung der davidischen Herrscherfolge gipfelte, sind Zweifel erlaubt, ob die dynastische Sukzes-
sion der Davididen tatsächlich derart ungebrochen war, wie behauptet.
lang regierten,86 waren politisch überaus erfolgreich, und es ist anzunehmen, dass der
theologisch überhöhte dynastische Gedanke auch am Hof von Samaria zur Legitimati-
on der Königsherrschaft diente: Hier wie andernorts dürfte gegolten haben, dass die
ganze Dynastie durch ihren göttlich erwählten Gründer legitimiert war. Die Legitima-
tionserzählung des Jehu in 2 Kön 9f.* bietet dafür ein Indiz: Zum einen spiegelt sich in
ihr, dass der Usurpator offenbar dringend einer göttlichen Legitimation bedurfte, was
darauf schließen lässt, dass die gewaltsam abgesetzten Omriden sich ihrerseits darauf
berufen hatten, durch den Reichsgott Jahwe legitimiert zu sein.87 Zum andern lässt die
kunstvolle Erzählung vermuten, dass Jehus Nachfolger sich in hohem Maß mit dem
göttlich erwählten Dynastiegründer identifizierten und den Anspruch erhoben, als
Jehus Nachkommen genauso von Jahwe legitimiert zu sein.
Ein wesentlicher Aspekt, der vielerorts mit dem dynastischen Gedanken verknüpft
war, hat im Alten Testament nur sehr geringe Spuren hinterlassen: Im Rahmen des Ah-
nenkultes, der – ausweislich der Personennamen – in der gesamten israelitisch-judäi-
schen Königszeit eine erhebliche Rolle spielte88 (wobei vor allem an den Kreis der
Familie zu denken ist89), dürfte den königlichen Ahnen in der Religion des Königs und
seiner Familie große Aufmerksamkeit gegolten haben. Einen indirekten Hinweis ent-
halten die Annalenexzerpte, die im Königebuch zitiert sind: Sie verknüpfen die Nach-
richt vom Tod des Königs fast immer mit seiner Bestattung im väterlichen Grab;90 in
der königlichen Gruft wurde der dynastische Anspruch auf unmittelbare Weise hand-
greiflich. Dass dies für die höfische Religion von erheblicher Bedeutung war, legen
etliche Zeugnisse königlicher Ahnenkulte nahe, die sich aus den altorientalischen
Nachbarkulturen erhalten haben,91 namentlich aus dem nordwestsemitischen Raum. 92
Trotz des scharfen Verbots der Ahnenverehrung, das sich im frühen Judentum infolge
des Ersten Gebots ausbildete,93 sind auch im Alten Testament Spuren dieser Religions-
86
Omri, Ahab ben Omri, Ahasja ben Ahab, Joram ben Ahab; Jehu ben Nimschi, Joahas ben Jehu,
Joasch ben Joahas, Jerobeam ben Joasch, Secharja ben Jerobeam.
87
Unter den Omriden scheint der palästinische Wettergott Jahwe zum israelitischen Reichsgott auf-
gestiegen zu sein, was sich unter anderem in den omridischen Königsnamen spiegelt, die das theophore
Element „Jahwe“ enthalten (Atal-ja, Ahas-ja, Jo-ram); weitere Indizien bieten der Kern der Elia-
Überlieferung, der v.a. in 1 Kön 18,41–46 zu greifen ist, der Grundbestand der Kriegserzählungen in
1 Kön 20 (vgl. V. 13f.), 22 (vgl. V. 6) und 2 Kön 3 (vgl. V. 15–19) sowie das Zeugnis der Mēšaʽ-Stele,
das indirekt eine enge Verbindung zwischen dem Gott Jahwe und der omridischen Herrschaft zu erken-
nen gibt (KAI 181:4–7.14–18).
88
Vgl. SPIECKERMANN, Bild, 271f.; ALBERTZ/SCHMITT, Family and Household Religion, 350–353.
89
Vgl. ALBERTZ, Religionsgeschichte, 61–67; ALBERTZ/SCHMITT, Family and Household Religion,
429–473.
90
Vgl. z.B. 2 Kön 14,20: „Und Joasch legte sich zu seinen Vätern und wurde begraben in Samaria
bei den Königen von Israel.“ 2 Kön 15,7: „Und Asarja legte sich zu seinen Vätern, und sie begruben ihn
bei seinen Vätern in der Stadt Davids.“
91
Vgl. z.B. den Überblick bei HAAS, Geschichte, 238–242, sowie 243–248 zum Ahnenkult der hethi-
tischen Dynastie.
92
Vgl. LORETZ, Götter, 211–336.
93
V.a. Lev 19,31; 20,6.27.
form zu finden.94 Die aus Ugarit bekannte Vorstellung, dass die divinisierten Ahnen
des Königshauses heilende Kräfte besaßen – was dort für die Legitimation der letzten
Herrscherdynastie politisches Gewicht erhalten zu haben scheint,95 steht traditions-
geschichtlich hinter den alttestamentlichen Repāʼîm.96 Auf die Praxis der Ahnenbe-
fragung scheint angespielt zu sein, wenn erzählt wird, dass David um seines kranken
Kindes willen „die Götter“ ( )האלהיםbefragte (2 Sam 12,16).97 Leider sind die im
Alten Testament enthaltenen Spuren des Ahnenkultes insgesamt zu lückenhaft, um ge-
nauer erschließen zu können, in welchem Maß diese Dimension des Dynastiegedan-
kens in Israel und Juda zur Legitimation der Herrscherhäuser gedient hat.
Die Sätze haben einen beschwörenden Klang: Die künftige Wirklichkeit wird per-
formativ ins Leben gerufen. Der Blick in die siegreiche Zukunft ist dabei sprachlich
mit den Aussagen über die göttliche Einsetzung des Königs verknüpft, die im ersten
94
V.a. Gen 31,19.34f.; Ex 21,6; 22,7f.19(?).27; Dtn 26,14; 1 Sam 19,13.16; 28,13; 2 Sam 14,16; Jes
8,19. Vgl. VAN DER TOORN, Art. God (I), 364.
95
LORETZ, Götter, 251f.
96
LORETZ, Götter, 218–272.
97
NIEHR, Text; LORETZ, Götter, 226f.
98
Vgl. MAUL, König, 207–213, mit Schwerpunkt auf dem assyrischen Königtum.
99
Vgl. KRATZ, Mythos; LEVIN, Religion; MÜLLER, Jahwe, 237–248.
Teil des Psalms stehen (vgl. V. 4b: „ תשית לראשו עטרת פזdu [scil. Jahwe] setzt auf
sein Haupt einen Kranz aus Feingold“, und V. 7a: „ כי תשיתהו ברכות לעדja, du setzt
ihn ein zu Segnungen auf ewig“, mit V. 10a*: „ תשיתמו כתנור אשdu [scil. der König]
stellst sie wie einen Feuerofen hin“ und V. 13a: „ כי תשיתמו שכםja, du lässt sie den
Rücken kehren“). Der Sieg, der dem König zugesprochen wird, steht demnach in
engem Zusammenhang mit der Verleihung des Königsamtes durch Jahwe, ja er
erscheint als dessen unmittelbare Folge: Indem der König seine Feinde wie eine böse
Pflanze ausrottet (V. 11),100 vollendet er die kosmische Ordnung, die Jahwe einst
durch seine „rettende Tat“ ( ישועהin V. 2.5) begründet hat.
Ein Lied, das in der zweiten Hälfte von Ps 18 zitiert wird, lässt den kämpfenden
König selbst zu Wort kommen (V. 33–39*):
33 Der Gott, der mich mit Kraft umgürtet
und meinen Weg vollkommen macht,
34 lässt meine Füße den Hirschkühen gleichen
und stellt mich auf meine Höhen.
35 Er lehrt meine Hände zur Schlacht,
und meine Arme spannen den bronzenen Bogen.
38 Ich jage meinen Feinden nach und hole sie ein,
und ich kehre nicht zurück, bis ich sie aufgerieben habe.
39 Ich zerschmettere sie, dass sie nicht aufstehen können,
sie fallen unter meine Füße.
Der Schlusssatz erinnert an das uralte ägyptische Motiv des „Niederschlagens der
Feinde“, das auch am samarischen Königspalast bekannt war:
Abb. 1a: Narmerpalette (ca. 2850 v. Chr.).101 Abb. 1b: Elfenbeinschnitzerei, Samaria (9. Jh. v.
Chr.).102
100
Vgl. MÜLLER, Rede, 38–41, zur Nachwirkung der Motivik im nachköniglich überarbeiteten Dtn.
101
KEEL, Bildsymbolik, Abb. 397; vgl. SCHMITT, Herrschaftsrepräsentation, 110–113.
102
KEEL/UEHLINGER, Göttinnen, Abb. 262b.
Der königliche Sprecher von Ps 18,33–39* gebraucht noch eine weitere Waffe: Wie in
Ps 21,13 wird er mit einem gespannten Bogen gezeichnet (V. 35b). Der voranstehende
Satz „Er lehrt meine Hände zur Schlacht“ (V. 35a) nimmt den göttlich-königlichen
Synergismus in den Blick: Die Gottheit unterweist den König im kriegerischen Hand-
werk. Der Gedanke ist auch in einer Inschrift des Assurbanipal zu finden, die be-
schreibt, wie die Götter dem König bei seinem Heranwachsen zum Mannesalter bei-
standen (K 2867): „Sie (scil. die großen Götter) lehrten mich die Ausübung von
Kampf und Schlacht.“103
Aus Ägypten ist eine eindrucksvolle Abbildung zu vergleichen, die zeigt, wie der
Kriegsgott Month dem Pharao die Arme beim Bogenschuss führt:
Die Pfeile des Gewittergottes treten als Blitze in Erscheinung, wie der Parallelismus in
V. 15 zeigt. Die hier verwendeten Verbformen „ ויפיצםund er zerstreute sie“ und
„ ויהמםund er verwirrte sie“ deuten an, dass der himmlische Bogenschütze eine Schar
103
K 2867:Vs. 13 = STRECK, Assurbanipal II, 210f.; vgl. OTTO, Theologie, 53.
104
KEEL, Bildsymbolik, Abb. 357.
von Feinden auseinandergetrieben hat: Gemeint sind wohl die tosenden Fluten des
Meeres, welche die Erde zu verschlingen drohten; der Wettergott hat sie von den Säu-
len der Erde zurückgedrängt (die Rahmung der Theophanie in V. 4–20* – ein
Danklied des Einzelnen – bezieht den göttlichen Sieg auf die Feinde des Beters, wobei
deren Bild mit dem Bild der chaotischen Fluten verschmilzt, vgl. V. 4f.17f.).105 Wahr-
scheinlich ist Jahwes „ ישועהrettende Tat“, von der in Ps 21 die Rede ist (V. 2.5), auf
nichts anderes zu beziehen. Entscheidend aber ist, dass in Ps 18 durch die Zusammen-
stellung der Theophanie (V. 8–16*) mit dem königlichen Triumphlied (V. 33–39*) der
königliche Bogenschütze (V. 35) als Abbild des himmlischen erscheint.
Das Bild des Gottes mit dem Bogen ist möglicherweise assyrisch beeinflusst, da
dieses Motiv in assyrischen Bildquellen immer wieder auftaucht, 106 während in einer
anderen Bildtradition, die vor allem im Nordwesten Syriens belegt ist, der Wettergott
meist mit Keule und Blitzbündel dargestellt wird.107 So lässt sich die Theophanie von
Ps 18 mit einer eindrucksvollen neuassyrischen Abbildung eines himmlischen Bogen-
schützen vergleichen, der in einem Feuerkranz zwischen tief hängenden Regenwolken
einherfliegt und seine Pfeile verschießt:
Abb. 3: Emaillierter Ziegel aus Assur, mit Inschrift Tukulti-Ninurtas II. (888–884 v. Chr.).108
Unter dem Sturmgott war offenbar ein irdisches Schlachtgeschehen abgebildet.109 Der
göttliche Krieger konnte auch unmittelbar in die Kämpfe des Königs eingreifen. 110
Dass der israelitische König als göttlich beauftragter Krieger inszeniert wurde, war
Teil eines Kriegsrituals, das in einer alttestamentlichen Prophetenerzählung erwähnt
105
Vgl. MÜLLER, Jahwe, 18–42.
106
Vgl. neben der unten gezeigten Darstellung KEEL, Bildsymbolik, Abb. 294, 296, 297, 419;
KEEL/UEHLINGER, Göttinnen, Abb. 284 a und b.
107
Vgl. KEEL, Bildsymbolik, Abb. 291 („Baal au foudre“) und Abb. 292 (Stele aus Djekke) sowie
KEEL, Geschichte, Abb. 164–166a (Stelen aus Tell Ahmar, Niğde und Maraş) und Abb. 265 (Relief aus
dem Tempel des Wettergottes von Aleppo: Wettergott mit Keule, jedoch ohne Blitzbündel).
108
KEEL, Bildsymbolik, Abb. 295.
109
GRESSMANN, Bilder, 95.
110
Vgl. MÜLLER, Jahwekrieg, 270f.
wird (2 Kön 13,14–21); auch in diesem Ritual tritt der König als Bogenschütze in Er-
scheinung. Die Erzählung lässt erkennen, dass der Prophet Elisa, in dessen Auftrag
Jehu laut der Legitimationserzählung in 2 Kön 9f.* zum König gesalbt worden war,
auch weiterhin eine wichtige Rolle für die Legitimation der jehuidischen Dynastie
gespielt hat (2 Kön 13,14–17):
Und Elisa erkrankte an der Krankheit, an der er sterben sollte. Joasch aber, der König von Israel (scil.
der Enkel Jehus), kam zu ihm hinab, weinte auf seinem Angesicht und sprach:
„Mein Vater! Mein Vater!
Du Wagen Israels und <sein Lenker>!“
Elisa aber sprach zu ihm: „Bring Bogen und Pfeile!“ Und er brachte ihm Bogen und Pfeile. Und er
sprach zum König Israels: „Lass deine Hand auf dem Bogen ‚reiten‘!“ Und er ließ seine Hand ‚rei-
ten‘. Und Elisa legte seine Hände auf die Hände des Königs und sprach: „Öffne das Fenster nach
Osten hin!“ Und er öffnete es. Und Elisa sprach: „Schieß!“ Und er schoss. Und er sprach: „Ein Ret-
tungspfeil für Jahwe, und zwar ein Rettungspfeil gegen Aram! Und du wirst Aram schlagen bei Afek,
bis du (es) aufgerieben hast!“
Der Klageruf des Königs „ אבי אביMein Vater, mein Vater!“ lässt den sterbenden Pro-
pheten geradezu als Gründer der Dynastie erscheinen – was mit dem Bild, das in der
Legitimationserzählung Jehus gezeichnet wird, durchaus übereinstimmt (vgl. 2 Kön
9,1; s.o. 2.1). Zugleich hebt die Klage hervor, dass sich in Elisa die militärische Macht
des Reiches manifestiert: Er, der als Mittler zwischen Jahwe und dem König wirkt, ist
sowohl Israels Streitwagen als auch dessen Lenker.
Das anschließend beschriebene Kriegsritual dient dazu, einen vernichtenden Sieg
über die feindlichen Aramäer heraufzubeschwören. Es liegt auf der Hand, dass dieses
Ritual auf die gedanklichen Zusammenhänge bezogen ist, die in Ps 21* und Ps 18*
entfaltet werden; darauf weisen schon die fast gleichen Wendungen „ עד כלהbis du
(es) aufgerieben hast“ in 2 Kön 13,17 und „ עד כלותםbis ich sie aufgerieben habe“ in
Ps 18,38. Indem der Prophet seine Hände auf die Hände des Königs legt, überträgt er
die Kraft seines göttlichen Auftraggebers auf den irdischen Herrscher. Zugleich wird
der Sieg mit dem Ruf „Ein Rettungspfeil für Jahwe!“ wiederum der Gottheit zugeeig-
net.
Das Ritual von 2 Kön 13,15–17 ähnelt einem neuassyrischen Ritual (K 3438a +
K 9912):111
Vor das Angesicht der Götter treten sie hin. … Der König spannt den Bogen vor dem Angesicht des
Šamaš. Er legt (den Bogen) auf den Erdboden. Sie heben (ihn) vom Erdboden auf. Sie spannen (ihn).
Sie nehmen einen Pfeil vom Streitwagen des Nergal. Sie umwickeln seine Spitze mit Wolle. Der
„Bogenschütze der Götter“ legt (den Pfeil) in die Hände des Königs. … Er nimmt den Pfeil entgegen.
Er lässt (ihn) dreimal herumwirbeln. Er küsst (ihn). Er gibt (ihn) dem Bogenschützen. Dieser legt
(ihn) in die Hände des Feldpriesters des Nergal. Er lässt (den Pfeil) auf dem Bogen „reiten“. Der
„Feldpriester des Adad“, der Palastvorsteher, der „Stellvertreter“ fahren mit dem Streitwagen der
Bēlet-Dunāni. Sie lassen ihren Pfeil „reiten“. Sie schießen aber (noch) nicht. … Er (der König?) packt
111
KARNER, „Siegespfeil“; DERS., Elemente, 222–236. KEEL, Bildsymbolik, 247 mit Abb. 356, ver-
gleicht 2 Kön 13,14ff. dagegen mit dem Schießen von Pfeilen in die vier Himmelsrichtungen, das zum
ägyptischen Krönungsritual gehörte.
die Streitwagen. Er wendet. Der „Feldpriester des Nergal“ befiehlt: „Pfeil des Aššur: Geh hinfort!“
Sie schießen den Pfeil in das Herz des Feindes …112
Auch wenn das assyrische Ritual komplexer zu sein scheint und sich en détail manche
Unterschiede zeigen, enthalten beide Rituale dieselbe gedankliche Bewegung: Das
göttlich-königliche Zusammenwirken im Krieg wird rituell inszeniert, um den Sieg
über die Feinde schon vor der Schlacht auf magischem Weg in die Wirklichkeit zu
rufen. Das Ritual in 2 Kön 13,14–17, das im Königtum Israel wohl tatsächlich prakti-
ziert wurde, hatte offenbar an einem Denken teil, das im ganzen Alten Orient verbrei-
tet war.113 Zugleich erweist sich 2 Kön 13,14–17 – neben Ps 18,33–39* und 21,9–14*
(vgl. auch Ps 2,8f. [s.o. 2.2]; 45,4–6*; 89,23f. [s.o. 2.1]; 110,1) als ein weiteres wich-
tiges Indiz dafür, wie grundlegend auch im israelitischen (und judäischen) Königtum
die Vorstellung war, dass Gottheit und König im Krieg zusammenwirken. Dasselbe ist
den meisten alttestamentlichen Kriegserzählungen zu entnehmen. 114 Dass der Gedanke
des göttlich-königlichen Synergismus im Krieg für die Legitimation der Königsherr-
schaft in Israel und Juda höchstes Gewicht erhielt, lässt sich im Licht dieser Zeugnisse
kaum bestreiten.
112
Nach KARNER, „Siegespfeil“, 179–182.
113
Nach KARNER, Elemente, 234, muss keine unmittelbare Abhängigkeit des israelitischen Rituals
von dem neuassyrischen angenommen werden; im Blick auf die neuassyrische Expansionspolitik sei
aber auch nicht auszuschließen, dass das in 2 Kön 13,14ff. erwähnte Ritual beeinflusst von dem assyri-
schen entstand.
114
S. Anm. 31. Diese Erzählungen sind allerdings nach dem Ende des Königtums im Lichte heilsge-
schichtlicher Konzeptionen bearbeitet worden, wodurch die herrschaftslegitimierende Tendenz, die in
den Texten ursprünglich zum Ausdruck kam, in den Hintergrund gedrängt wurde; vgl. MÜLLER, Jahwe-
krieg, 270–281.
115
Vgl. WESTBROOK, Introduction, 25–31.
116
Vgl. etwa die Hinweise auf das königliche Richteramt in den Maribriefen A. 1121 + A. 2731 Z.
52–55 (NISSINEN, Prophets, 19) und A. 1968 Z. 6’–11’ (NISSINEN, Prophets, 22) sowie das ugaritische
Aqhatepos, wo erzählt wird, wie König Danʼilu im Tor den Rechtsfall von Witwe und Waise entschei-
det: KTU 1.17 V 4–8 (DIETRICH/LORETZ, Mythen, 1268; NIEHR, Mythen, 278).
117
Vgl. die Beschreibung der Aufgaben des Gerichts am Zentralheiligtum in Dtn 17,8f., wo freilich
der König keine Erwähnung findet.
Ein weiteres Sprichwort setzt voraus, dass der richtende König durch die Vollmacht
seines Richteramtes über die Fähigkeit verfügt, zweifelsfrei Gut und Böse zu unter-
scheiden (Prov 20,8):120
Ein König, der auf dem Gerichtsthron sitzt,
scheidet mit seinen Augen sichtend alles Böse aus.
Es ist daher ein wesentlicher Teilaspekt des königlichen Amtes, auf der Seite der „Ge-
rechtigkeit“ ( )צדקzu stehen und „Frevel“ ( )רשעzu verabscheuen (Prov 16,12f.):
Der Könige Greuel ist’s, Frevel zu tun,
denn durch die gerechte Tat wird der Thron befestigt.
Der Könige Wohlgefallen sind Lippen voller Gerechtigkeit,
und wer Rechtes spricht, den liebt er.
Der Königspsalm 45 spitzt denselben Gedanken etwas anders zu. Die Liebe zur Ge-
rechtigkeit wird hier geradezu als Bedingung dafür gezeichnet, dass ein Mensch von
der Gottheit zum König gesalbt wird (Ps 45,8):
Du (scil. der angeredete König) liebst Gerechtigkeit ( )צדקund hasst Frevel ()רשע,
darum hat dich <Jahwe>, dein Gott, gesalbt,
mit Freudenöl vor deinen Gefährten.
Auf ähnliche Weise wird in einer hieroglyphisch-luwischen Inschrift des Katuwas von
Karkemisch (10./9. Jh. v. Chr.) die menschliche Eigenschaft der Gerechtigkeit als Vor-
aussetzung für die translatio imperii benannt: 121
… because of my justice the gods raised me in strength … My lord the Storm God, Karhuhas and
Kubaba loved me because of my justice …
Ebenfalls zu vergleichen ist die Inschrift des Jeḥīmilk aus Byblos (10. Jh. v. Chr.), die
im Blick auf die königliche „Gerechtigkeit“ ( )צדקund „Rechtschaffenheit“ ( )ישרden
Wunsch zum Ausdruck bringt, die Königsherrschaft möge lange währen: 122
Es mögen lang machen der Herr des Himmels, die Herri[n] von Byblos und die Versammlung der
heiligen Götter von Byblos die Tage des Jeḥīmilk und seine Jahre über Byblos! Denn ein gerechter
König ( )מלך צדקund ein rechtschaffener König ( )מלך ישרvor den heiligen Göttern von Byblos [ist
er].
118
Zur literargeschichtlichen Analyse vgl. WILKE, Kronerben, 158–216.
119
Dazu WILKE, Kronerben, 165 Anm. 71, 168; Prov 16,10b wird von ihr wegen der übrigen Belege
für מעלals frühestens exilischer Nachtrag gewertet, was freilich zirkulär sein könnte.
120
Vgl. WILKE, Kronerben, 193f.
121
KARKAMIŠ A11a §§ 4 und 7 (Übersetzung: PAYNE, Inscriptions, 67f.).
122
KAI 4:3–7 (Übersetzung in Anlehnung an KAI II, 6).
Eine ähnliche Fluchtlinie hat die Aussage in Prov 16,12, der Königsthron werde
„durch die gerechte Tat“ („ )בצדקהbefestigt“ ()יכון. Mit der „gerechten Tat“ ist dabei
sicherlich nicht allein das königliche Richteramt gemeint, sondern das Regierungs-
handeln des Königs im Allgemeinen, das – wie Ps 45 nahelegt – in seiner Gesamtheit
als „gerecht“ gerühmt werden konnte (V. 7b123):
… ein Szepter der Rechtschaffenheit ( )מישרist das Szepter deiner Königsherrschaft!
Entscheidend ist bei all dem, dass sich im Bild des befestigten Königsthrons der Thron
Jahwes spiegelt, denn auch dieser wurde als „befestigt“ ( כוןni.) gepriesen (Ps 93,2a):
Befestigt ist ( )נכוןdein Thron seit damals (scil. seit Jahwes urzeitlicher Thronbesteigung) …
Dass diese Festigkeit des Gottesthrons wiederum mit der göttlichen Pflege des Rechts
zusammenhängt, deutet eine Aussage in Ps 89,15/97,2 an, die das Fundament ( )מכוןin
den Blick nimmt, auf dem der Thron steht:
Gerechtigkeit und Recht sind die Grundfeste ( )מכוןdeines Throns.
123
V. 7a „Dein Thron, Gott, ist für immer und allezeit“ ist als Beleg für eine Divinisierung des Kö-
nigs – trotz der schwer interpretierbaren Parallele Ez 28,14 – wenig belastbar, da die von BRUSTON,
Texte, 90–92, vorgeschlagene Konjektur „Dein Thron <wird dasein> für immer und allezeit“ (ursprüng-
liches יהיהwurde zu יהוהverlesen und von der elohistischen Redaktion durch אלהיםersetzt), nach wie
vor eine plausible Erklärung des Textes bietet und sich schwerlich ausschließen lässt.
124
Vgl. Ps 36,7: „Deine gerechte Tat ist wie die Berge Els, / dein Recht <wie> die große Urflut.“ Da-
zu MÜLLER, Jahwe, 209f.
125
Für dieses Motiv legt sich ein ägyptischer Hintergrund nahe, da auf unzähligen ägyptischen Ab-
bildungen der Gottes- oder Königsthron auf einem Podest gezeigt wird, das die Form der Hieroglyphe
für Maʽat („rechte göttliche Ordnung“ etc.) hat; die Hieroglyphe scheint von dem Thronpodest abgeleitet
zu sein, das seinerseits ursprünglich den Urhügel zu Beginn der Schöpfung symbolisierte (BRUNNER,
Gerechtigkeit, 393f.); abgesehen von diesem schöpfungstheologischen Hintergrund ist die Aussage in Ps
89,15/97,2 dem ägyptischen Konzept des Thronpodests auffallend ähnlich und könnte davon beeinflusst
sein (HOSSFELD/ZENGER, Psalmen 51–100, 679f.).
126
Göttliche Herrschaft wurde im Alten Orient vielfach als Richteramt gezeichnet, vgl. LORETZ, Göt-
ter, 9–46, 74–84 u.ö. Grundlegend wurde diese Vorstellung namentlich im überaus wichtigen Orakelwe-
sen, vgl. MAUL, Wahrsagekunst, 38f.
127
Vgl. SCHMID, Gerechtigkeit, 14–23 etc.
Dass das dem göttlichen „Recht“ gemäße Urteil am Morgen gefällt werden soll, erin-
nert an das altorientalisch breit belegte Motiv der göttlichen Hilfe bei Sonnenauf-
gang,128 das auch im Alten Testament mehrfach begegnet; 129 was hier als prophetische
Mahnung formuliert wird, dürfte recht genau dem entsprechen, was das tatsächliche
Selbstverständnis der Könige gewesen ist. Zugleich deutet sich in dem Orakel zwi-
schen den Zeilen an, dass die Könige dieser Aufgabe nicht gerecht geworden sind,
weshalb Jahwes Zorn über das Königtum entbrannte. Ganz ähnlich wird bereits im
spätbronzezeitlichen Kirta-Epos aus dem nordsyrischen Ugarit argumentiert. Der tod-
kranke König Kirta wird hier von seinem Sohn aufgefordert, die Königswürde abzule-
gen; er vernachlässige die königliche Pflicht, das Recht zu pflegen und diejenigen zu
verteidigen, die Opfer von Gewalt geworden sind: 130
Wenn die Räuber rauben, redest du nur,
oder die Plünderer, hältst du still,
lässt du tatenlos deine Hand sinken.
Du richtest nicht den Streitfall der Witwe,
du entscheidest nicht den Rechtsfall des Verzagten!
Du vertreibst nicht den Unterdrücker der Armen …
Ein Idealbild des königlichen Amtsethos wird im Königspsalm 101 entfaltet. In seiner
ursprünglichen Gestalt diente der Psalm offenbar als gebetsförmiger Regenten-
spiegel:131
1* Von Huld und Recht will ich singen,
dir, Jahwe, will ich aufspielen!
2b Ich wandle in meines Herzens Vollkommenheit
inmitten meines Hauses:
3 Nicht setze ich vor meine Augen
eine Sache des Verderbens.
Übertretungen zu begehen hasse ich,
nicht klebt es an mir.
4 Ein verdrehtes Herz weiche von mir,
Böses kenne ich nicht.
5 Wer im Verborgenen seinen Nächsten verleumdet,
den vernichte ich.
Wer stolze Augen und ein aufgeblasenes Herz hat,
den ertrage ich nicht.
128
Zu den altorientalischen Belegen vgl. die Zusammenstellung bei JANOWSKI, Rettungsgewißheit.
129
Vgl. z.B. Ps 5,4; 46,6; 57,8–12 (dazu MÜLLER, Herz, 75–80).
130
KTU 1.16 VI 43–48 (Übersetzung nach DIETRICH/LORETZ, Mythen, 1252); vgl. dazu LORETZ,
Götter, 140f.
131
Vgl. SEYBOLD, Psalmen, 393.
Was der offenbar königliche Sprecher in V. 3–7* via negationis aufzählt, 132 ist dassel-
be, was die eröffnende Selbstaufforderung zum Gotteslob (V. 1*) positiv formuliert:
Das gesamte Handeln dieses Beters ist an „Huld“ ( )חסדund „Recht“ ( )משפטausge-
richtet. „ חסדHuld“ bezeichnet die freundliche Zuwendung des Königs zu seinen Un-
tertanen, die vor allem in der königlichen Durchsetzung des Rechts ( )משפטerfahrbar
wurde und auf diejenigen, die vom König ins Recht gesetzt wurden, überwältigend
wirken musste.133 Für wie grundlegend man diesen königlichen Gunsterweis ansah, ist
daran zu erkennen, dass man der königlichen „Huld“ – genauso wie der „gerechten
Tat“ (s.o. zu Prov 16,12) – zuschreiben konnte, die Königsherrschaft zu stabilisieren
(Prov 20,28):134
Huld und Treue ( )אמתbewachen den König,135
er aber stützt durch Huld seinen Thron.
Der zusätzlich genannte Aspekt der „Treue“ ( )אמתhebt die Verlässlichkeit des
königlichen Regierungshandelns hervor. Auch im Blick auf „ חסדHuld“ und אמת
„Treue“ ist der irdische König das Spiegelbild des göttlichen Königs Jahwe, denn
dieser konnte gepriesen werden (Ps 89,15):
Gerechtigkeit und Recht sind die Grundfeste deines Throns,
Huld ( )חסדund Treue ( )אמתkommen deinem Angesicht entgegen.136
In einem Vers, der Ps 101* wohl erst nachträglich beigefügt wurde (V. 8),137 findet das
königliche Amt, am Morgen Recht zu sprechen, ein späteres Echo; dem königlichen
Sprecher wird hier die Aufgabe zugeschrieben, Land und Gottesstadt von sämtlichen
gottwidrigen Elementen zu reinigen: 138
Alle Morgen vernichte ich alle Frevler des Landes,
indem ich ausrotte aus der Stadt Jahwes alle Übeltäter.
132
Vgl. insbes. das negative Sündenbekenntnis des Königs beim babylonischen Akitu-Fest (FARBER,
Rituale, 222) und dazu den Beitrag von C. AMBOS zu diesem Band (S. 67–76).
133
Vgl. zur theologischen Dimension des Begriffes, die in der Vorstellung des Königtums Jahwes
verwurzelt ist, MÜLLER, Jahwe, 201–210.
134
Vgl. WILKE, Kronerben, 203f.
135
S.o. 2.3 zu Ps 61,7f.
136
Auffallend ist, dass חסדund אמתhier als geradezu hypostasierte Größen erscheinen bzw. als
Götter, die zur höfischen Entourage Jahwes zählen. Am ausführlichsten ist dieses Motiv in Ps 85,11–14
entfaltet, vgl. SPIECKERMANN, Schöpfung, 406; MÜLLER, Jahweverehrung 107f.
137
SEYBOLD, Psalmen 395.
138
Gleichzeitig soll der König – wohl im Blick auf die erhoffte Wiederaufrichtung der Monarchie –
das Leben der Frommen fördern, wie der ebenfalls sekundäre V. 6 hervorhebt: „Meine Augen ruhen auf
den Treuen des Landes, / dass sie bei mir wohnen, / wer auf dem Weg der Vollkommenheit wandelt, /
der dient mir.“ Und in dem nachgetragenen V. 2a wird der König selbst als idealer Frommer gezeichnet:
„Ich will achten auf den Weg der Vollkommenheit, / wann kommst du zu mir?“
Das Gebet hebt mit der Bitte an, Jahwe möge „ משפטיםRechtsentscheide“ und צדקה
„gerechte Tat“ an den König weiterreichen (V. 1*). Infolge dieser göttlich-königlichen
translatio breitet sich „Heil ( )שלוםfür das Volk“ aus, von Bergen und Hügeln
getragen (V. 3).140 Gewicht hat dabei offenbar die eigentümliche Aussage, dass dies
„durch die gerechte Tat“ ( )בצדקהgeschieht; damit dürfte vor allem das richtende
Handeln des Königs gemeint sein, das den göttlichen „Rechtsentscheiden“
entspricht.141 Anschließend wird um ein langes Leben des Königs gebeten, wobei über
den einzelnen Herrscher hinaus die unbegrenzte Dauer der Dynastie „vor Sonne und
Mond“ im Blick ist (V. 5; dazu s.o. 2.3). „Gerechtigkeit“ ( )צדקund „Heilsfülle“ ( רב
)שלוםsollen „blühen“, „bis kein Mond mehr ist“, also für immer 142 (V. 7). Und indem
abschließend der Wunsch geäußert wird, der königliche Name solle „vor der Sonne
sprossen“ (V. 17a), wird der fortdauernde Bestand des Königs und seiner Dynastie mit
der nie endenden Herrschaft der Gerechtigkeit parallelisiert.
139
GUNKEL, Psalmen, 305.
140
Mehrere Nachträge, die der sog. Armentheologie zuzurechnen sind (V. 2.4.12–14), haben das kö-
nigliche Richteramt auf die besondere Fürsorge für die „Elenden“ ( )ענייםund „Armen“ ( )אביוניםzuge-
spitzt (LEVIN, The Poor, 335–337), was – trotz der nachköniglichen Entstehung dieser Passagen – in der
Fluchtlinie der altorientalischen Tradition einer besonderen königlichen Verantwortung für die personae
miserae steht (s.o. zum Kirta-Epos).
141
Vgl. Prov 16,12b „ כי בצדקה יכון כסאdenn durch die gerechte Tat wird der Thron befestigt“ (s.o.).
142
Vgl. Hi 14,12 (DELITZSCH, Psalmen, 482).
Der gerechte König wird mit dem Regen verglichen, der die Erde tränkt (V. 5). Das
Bild des blühenden „( צדקGerechtigkeit“) lässt an die Vegetation denken, die durch
den Regen gedeiht. Ein Königtum, in dem die Sphäre des „ צדקerblüht“, bringt dem
Land überreichliche Fruchtbarkeit (V. 16). Und vor der Sonne „sprosst“ der königliche
Name empor (V. 17a). Im Hintergrund dieser Motive dürfte die Überzeugung stehen,
dass der Regen, der das Korn aus der Erde sprießen lässt, von keinem anderen als
Jahwe gespendet wird, der als palästinischer Wettergott in Erscheinung tritt (vgl. Ps
65,10f.; 104,10–15).143 Nach Ps 72* bildet sich der Kreislauf von Regen, Sprossen,
Blühen und Fruchttragen in der gerechten und dauerhaften Königsherrschaft ab. An-
ders gesagt: Dass das Königtum die göttlichen „Rechtsentscheide“ auf die Erde bringt
und dort eine Blütezeit der „Gerechtigkeit“ anbrechen lässt, wirkt im Licht von Ps 72*
geradezu als Voraussetzung dafür, dass die Gottesgabe der Fruchtbarkeit das Land
erfüllt.144
Derselbe Gedanke begegnet im ugaritischen Kirta-Epos: Hier wird erzählt, dass die
Felder vertrocknen, weil der sterbende König sein königliches Amt nicht mehr ausü-
ben kann. Nur durch einen Regenzauber kann die Dürre beendet und die drohende
Hungersnot abgewendet werden.145
143
Vgl. MÜLLER, Jahwe, 133–146 (zu Ps 65), 211–235 (zu Ps 104); DERS., Jahweverehrung, 92–99.
144
Auf ähnliche Weise ist im sog. Krönungshymnus Assurbanipals (VAT 13831 = LIVINGSTONE,
Poetry, 26f.) die göttliche Gabe von Regen und Quellwasser mit dem Motiv der gerechten Königsherr-
schaft verknüpft (Z. 16–20): „Mögen die großen Götter seine Herrschaft befestigen! … Mögen sie ihm
ein gerades/gerechtes Zepter geben … und mögen sie seinen Königsthron auf Dauer befestigen! Mögen
sie ihn segnen tagelang, monatelang, jahrelang und seine Herrschaft beschützen! Möge bestä[ndig]
während seiner Jahre Regen vom Himmel fallen und Flut aus den Quellen aufsteigen!“ (Übersetzung:
ARNETH, Sonne, 59). ARNETH deutet den assyrischen Text als unmittelbare Vorlage des Königspsalms
72; dieser sei für die Krönung des Königs Josia gedichtet worden und habe den assyrischen Hymnus in
subversiv antiassyrischer Tendenz rezipiert (aaO 96–108). Anders DIETRICH, Ritual, bes. 150–154, der
den Text als abgekürzte Aufzeichnung des assyrischen Krönungsrituals wertet, was der Zusammenschau
mit Ps 72 schon in formaler Hinsicht die Grundlage entziehe (aaO 153, Anm. 77).
145
KTU 1.16 III 1–16 (DIETRICH/LORETZ, Mythen, 1246; NIEHR, Mythen, 262).
Das „Gute“ ()טוב, das den Inhalt der Segnungen bildet (V. 4), dürfte vor allem die
landwirtschaftlichen Güter meinen, 146 die als Gottesgabe galten (vgl. v.a. Ps 65,12:
„Du hast gekrönt das Jahr deiner Güte [)“]טובתך. Der König wurde von Jahwe einge-
setzt, damit sich der göttliche Segen auf der Erde ausbreiten kann.
Eine etwas andere Zuspitzung erfährt dieser gedankliche Zusammenhang, wenn der
königliche Gunsterweis in der Audienz147 mit dem fruchtbringenden Regen verglichen
wird (Prov 16,15):
Im Licht des Antlitzes des Königs ist Leben,
und sein Wohlgefallen ist wie eine Wolke des Spätregens.
Das königliche „Wohlgefallen“ ( )רצוןkann auch mit dem todbringenden Zorn des Kö-
nigs kontrastiert werden (Prov 19,12):
Wie eines Löwen Fauchen ist des Königs Zorn,
aber wie Tau auf dem Gras ist sein Wohlgefallen.
146
LORETZ, Entstehung, 430.
147
Vgl. HARTENSTEIN, Angesicht, 179–190.
148
Vgl. WILKE, Kronerben, 168–170, 181f.
149
Wenn es zu einer Dürre kam, dürfte das die Legitimität der gegenwärtigen Königsherrschaft nicht
unerheblich erschüttert haben (vgl. neben der erwähnten Passage aus dem Kirta-Epos 1 Kön 17,1; 18*;
2 Kön 7,24ff.; Jer 14,2–6).
150
Vgl. Ez 17,23; 31,6.12.17; sowie Ri 9,8–15* (s. V. 15a), eine vermutlich königszeitliche Satire
über den herrschaftslegitimierenden Gedanken, der König gewähre Schutz und Segen (dazu MÜLLER,
Königtum, 25–27); zu altorientalischen Parallelen des Schattenmotivs OPPENHEIM, Shadow; BORD-
REUIL, l’ombre.
Ganz ähnlich spricht Panammuwa von Samʼal von der Erhörung seiner Gebete:154
Und was ich von den (meinen?) Göttern erbitte, das haben sie mir im Überfluss gegeben.
Dasselbe Motiv wird in Ps 2 auf die Verleihung der Weltherrschaft bezogen (V. 8)155 –
worin sich vielleicht bereits eine nachkönigliche Idealisierung der ursprünglichen
translatio imperii (s.o. 2.2 zu V. 7) niedergeschlagen hat:
Erbitte von mir,
dass ich Völker als dein Erbe gebe
und als deinen Besitz die Enden der Erde!
Das königliche Lied in Ps 18,33–39* zeichnet den König nicht allein als siegreichen
Krieger, sondern zugleich als frommen Beter (V. 33):
Der Gott, der mich mit Kraft umgürtet
und meinen Weg vollkommen macht …
Der königliche Sänger des Regentenspiegels Ps 101* bezeugt seine Frömmigkeit mit
seiner Selbstaufforderung zum Gotteslob (V. 1*):
Von Huld und Recht will ich singen,
dir, Jahwe, will ich aufspielen!
151
Vgl. KEEL, Bildsymbolik, Nr. 416, 418, 422, 425, 426, Taf. XXVI, 441, 442, 443 etc.
152
Vgl. z.B. die phönizischen Inschriften KAI 5, 6, 7, 10, 15, 16, 17.
153
Vgl. z.B. JANOWSKI/SCHWEMER (Hrsg.), TUAT NF 7.
154
KAI 214:12 (Übersetzung: KAI II, 215 [mit Kursivierung]).
155
Vgl. HARTENSTEIN/JANOWSKI, Psalmen, 107.
Auch einige Klagelieder des Einzelnen, die von auffallender militärischer Motivik ge-
prägt sind (v.a. Ps 3*; 27A*; 35A*; 54*; 59*), lassen an einen königlichen Beter den-
ken, der an das Selbstbild des Kriegers in Ps 18,33–39* (s.o. 2.5) erinnert.156
Die königliche Frömmigkeit verdichtet sich im Ehrentitel des Gottesknechts. Zwar
ist der alttestamentliche Titel „ עבד יהוהKnecht Jahwes“ nur in nachköniglichen Tex-
ten belegt, wo neben Mose, Josua und David auch Propheten, Fromme und sogar das
gesamte Gottesvolk so heißen können. 157 Der Titel dürfte aber aus dem Königtum
stammen und dort für den Herrscher verwendet worden sein, wie sich im Blick auf
Zeugnisse aus den Nachbarkulten nahelegt. Idrimi von Alalah (15. Jh. v. Chr.) etwa
nannte sich „Diener des Teschub, der Hebat und der Schauschka, der Herrin von Ala-
lah, meiner Herrin,“158 das ugaritische Kirta-Epos verlieh dem König Kirta den Titel
ʽbd il „Knecht des Ilu“159, und der kleinasiatische Lokalherrscher Azatiwada nahm für
sich in Anspruch, „ עבד בעלKnecht des Baal“ zu sein.160 Dass auch der alttestamentli-
che Titel „Knecht Jahwes“ ursprünglich dem israelitisch-judäischen König galt, spie-
gelt sich am deutlichsten in den deuterojesajanischen Heilsorakeln (v.a. Jes 41,8f.;
44,1f.21): In ihnen ist eine prophetische Redeform auf das Gottesvolk übertragen, die
einst – wie der Vergleich mit den neuassyrischen Prophetien zeigt – an den König
adressiert war.161
156
Vgl. z.B. HOSSFELD/ZENGER, Psalmen, 56; MÜLLER, Jahwekrieg, 266f., zu Ps 3*.
157
Vgl. u.a. Dtn 34,5; Jos 1,1.13; 8,31; 11,12; 22,2; 24,29 / Ri 2,8; 2 Kön 9,7; 10,23; 18,12; Jes 42,1;
54,17; Ps 18,1; 36,1; 90,16; 2Chr 1,3.
158
DIETRICH/LORETZ, Texte, 502.
159
KTU 1.14 III 51 u.ö. (DIETRICH/LORETZ, Mythen, 1226).
160
KAI 26 A I:1 = RÖLLIG, Inscriptions, 50f.; vgl. die luwische Version KARATEPE 1 § 1 (PAYNE,
Inscriptions, 21, 39).
161
WEIPPERT, Herkunft, bes. 55–57.
162
Vgl. den Beitrag von T. HARRISON zu diesem Band (S. 277–299).
163
Vgl. namentlich die Votivstele des moabitischen Königs Mēšaʽ (KAI 181), die „aus Anlass der
Errichtung eines Höhenheiligtums für den moabitischen ‚National‘gott Kamōš an einem Ort namens
Qarḥō“ (wohl identisch mit dem Fundort Ḏībān) aufgestellt wurde (WEIPPERT, Textbuch, 243).
164
Vgl. FREVEL, Geschichte, 122–143 (mit Literatur).
165
1 Kön 12,25; 15,17.22; 16,24.32; 22,39; 2 Kön 14,22; 15,35; 20,20. Vgl. auch 2 Sam 5,9b, wo
vorausgesetzt zu sein scheint, dass im davidischen Jerusalem bereits ein Tempel stand.
166
Vgl. WEIPPERT, Palästina, 535–537; SCHMITT, Herrschaftsrepräsentation, 139ff.
167
Weil die Omriden nach ihrem Untergang als Götzendiener gebrandmarkt wurden, ist die Stelle
nachträglich so stark überarbeitet worden, dass der ursprüngliche Sinn nur noch schwer zu erkennen ist.
Die Textüberlieferung lässt vermuten, dass hier nicht von einem Baaltempel die Rede war, sondern von
einem „Gotteshaus“ (TIMM, Dynastie, 32f.) oder einem Jahwetempel (PAKKALA, Word, 231–243).
168
Vgl. zum archäologischen Gesamtbild omridischer Bauten FINKELSTEIN, Architecture; SCHMITT,
Herrschaftsrepräsentation, 139–143; FINKELSTEIN/LIPSCHITS, Architecture.
169
Der Zweck von „Teich und Wasserleitung“ war nach dieser Notiz, „das Wasser in die Stadt“ zu
„bringen“, was offenbar den neuen Stadtteil im Westen meint.
170
KAI 189 (WEIPPERT, Textbuch, 328f.).
171
Vgl. WEIPPERT, Textbuch, 329: „Unerklärt ist das geglättete Feld oberhalb von Z. 1, das zur Auf-
nahme einer mehr formellen Einleitung vorbereitet gewesen sein könnte; möglich wäre jedoch auch,
dass dort der Anfang der Inschrift gelöscht worden ist.“
172
DIETRICH/LORETZ, Texte.
173
KAI 215.
174
KAI II, 229–231.
175
MINOKAMI, Revolution, 143f.
176
MÜLLER, Treue, 411f., zum Vergleich mit einem ähnlichen Motiv in der Inschrift des Mēšaʽ.
177
LEVIN, Verheißung, 240, Anm. 158; MINOKAMI, Revolution, 113–123. In nachköniglicher Zeit
veranlasste die Überlieferung von Jehus Kampf gegen die Baalsverehrer umfangreiche geschichtstheo-
logische Fortschreibungen, die teils im Lichte des Ersten Gebots stehen, teils auch Jahwes Anspruch auf
alleinige Göttlichkeit entfalten.
178
LEVIN, Sturz, 85–87.
minderjährige Joasch, der dem Blutbad angeblich entronnen war und schließlich durch
einen Putsch gegen Atalja auf den Thron kam, tatsächlich Davidide war.179 In jedem
Fall bedient sich auch diese Erzählung des Musters, einen abgesetzten Herrscher – hier
die omridische Königstochter und mit ihr die gesamte Dynastie – so finster wie mög-
lich zu zeichnen, um den gegenwärtigen König zu legitimieren.180
Ein nachkönigliches Echo fand die Kontrastierung schlechter und guter Könige, als
– wohl um die Mitte des 6. Jhs. v. Chr. – die Könige der untergegangenen Reiche
Israel und Juda danach beurteilt wurden, ob sie „das Rechte“ ( )הישרoder „das Böse“
(„ )הרעin den Augen Jahwes getan“ hatten (1 Kön 15,3.11f.26.43 etc.). Der wichtigste
Maßstab der Beurteilungen war das Programm eines in Jerusalem zentralisierten Jah-
wekultes, das dem vermutlich spätkönigszeitlichen Urdeuteronomium entlehnt war;
auch andere Maßstäbe gingen in die Bewertung ein, namentlich die Loyalität des Herr-
schers zum Reichsgott Jahwe (1 Kön 16,31f.; 2 Kön 10,28; 21,3).181 Das Bewertungs-
system lebt vom Kontrast zwischen schlechten und guten Königen: Den durchgehend
negativ beurteilten Herrschern des Nordreichs stehen die Jerusalemer Könige gegen-
über, deren Handeln teils als „recht“, teils als „böse“ gewertet wird, wobei sich meist
längere Epochen von guter oder schlechter Regentschaft ergeben.182 Zwar zeigen die
Bewertungen einen idealisierenden Blick auf die zurückliegende Königszeit, zugleich
spiegelt sich in ihnen aber die Hoffnung auf eine Wiederherstellung des judäischen
Königtums. 183 Wahrscheinlich wurden sie von Nachfahren der Jerusalemer Hofbeam-
ten verfasst, in deren Kreisen die alten herrschaftslegitimierenden Konzepte noch
lange weiterlebten.184
Die vorgestellten Aspekte bilden – wie überall im Alten Orient185 – ein weitgespanntes
Netz von Gedanken und Vorstellungen, in welchem letztlich alles mit allem zusam-
menhängt. Je mehr man dieses Netz bis in seine Verästelungen hinein verfolgt, desto
besser lassen sich die gedanklichen Konzepte verstehen.
Das Bild konnte dabei nur skizziert werden. Andere alltestamentliche Quellen und
weitere textliche und bildliche Zeugnisse aus den Nachbarkulturen würden das Mosaik
vervollständigen, stets aber auch verändern. Hinzu kommt, dass bei den im Alten Tes-
tament enthaltenen Quellentexten aus der Königszeit viele Details umstritten sind.
179
LIVERANI, L’historie, 452; SERGI, King List, 243f.
180
Vgl. LEVIN, Sturz, 87: „Es muß geradezu als Aufgabe derartiger Geschichtsschreibung gesehen
werden, die Herrschaft der Herrschenden zu legitimieren. Das tat sie, indem sie dem Mord an dem
unterlegenen Gegner den Rufmord folgen ließ.“
181
LEVIN, Frömmigkeit, 173f.
182
LEVIN, Frömmigkeit, 170.
183
LEVIN, Frömmigkeit, 174–176; MÜLLER, Kings, 78–83.
184
Große Teile des Alten Testaments lassen sich als Transformationen königszeitlicher Konzepte
verstehen, so besonders die Bundestheologie, die um das Erste Gebot kreist, vgl. MÜLLER, Treue, 414–
421.
185
FRANKFORT, Kingship, 3; vgl. MÜLLER, Rede, 29–31.
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