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Die Rückkehr der Göttin Nehalennia

Book · January 2008

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Gunivortus Goos

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Die Rückkehr der Göttin


Nehalennia
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Diese Publikation ist in der Deutschen Nationalbibliografie der
Deutschen Nationalbibliothek verzeichnet; detaillierte bibliografische
Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© Copyright: GardenStone, Usingen 2008


E-Mail: GardenStone@boudicca.de
Internet: www.boudicca.de
Die Illustration des Buchumschlags wurde erstellt von Vönix,
erreichbar unter http://www.voenix.de.
Korrektur, Lektorat und Gestaltung: Hannelore Goos, Usingen.
Alle Rechte der Verbreitung und der Übersetzung, auch durch Film, Funk
und Fernsehen, der fotomechanischen Wiedergabe auf Ton- und Datenträgern
jeder Art und des auszugsweisen Nachdrucks sind vorbehalten.

ISBN 978-3-8370-4496-6
Herstellung und Verlag: Books on Demand GmbH, Norderstedt
Inhaltsverzeichnis
Vorwort ………………………………………………………………………… 5
Einführung ……………………………………………………………………… 7
Das Hier und Jetzt …………………………………………………………… 13
Zeeland …………………………………………………………………… 13
Colijnsplaat und Nehalennia …………………………………………… 15
Anekdote 1 …………………………………………………………… 16
Domburg und Nehalennia ……………………………………………… 21
Das Archeon und Nehalennia …………………………………………… 25
Anekdote 2 …………………………………………………………… 25
Die Rückkehr der Göttin ………………………………………………… 31
Die Domburger Funde ……………………………………………………… 35
Steine auf dem Strand …………………………………………………… 37
Die Würdigung der Funde …………………………………………… 43
Die Zerstörung ………………………………………………………… 48
Die Altäre 1647 …………………………………………………………… 51
Die Funde bei Colijnsplaat …………………………………………………… 101
Der Fischkutter ……………………………………………………………101
Die Altäre – 1970 und danach ……………………………………………104
Matronenaltäre ……………………………………………………………… 141
Die Altarseiten ……………………………………………………………… 149
Neptun und Hercules ……………………………………………………149
Füllhorn ……………………………………………………………………152
Akanthus …………………………………………………………………153
Menschen …………………………………………………………………156
Für die Altäre benutzte Steinsorten ………………………………………… 159
Die Stifter der Altäre (Dedikanten) ………………………………………… 161
Woher kamen sie? …………………………………………………………161
Welche Berufe übten sie aus? ……………………………………………164
Kelten, Germanen, Römer? ………………………………………………168
Ihre Reisen über Land und Wasser ………………………………………171
INTERMEZZO … DAMALS … ………………………………………171
Über Land ……………………………………………………………… 173
Über Flüsse …………………………………………………………… 179
Über die Nordsee ……………………………………………………… 183
INTERMEZZO … DAMALS … ………………………………………185

1
Die Steinmetze ……………………………………………………………189
Das Zuhause der Göttin ……………………………………………………… 193
Die niederländische Nordseeküste in der Antike ………………………193
Germanische Bewohner …………………………………………………196
INTERMEZZO … DAMALS … ………………………………………202
Die Besiedlung des Scheldedeltas …………………………………………205
Handel und Hafen ……………………………………………………… 209
Die Nachbarn der zeeuwschen Germanen ………………………………213
Die Römer in Zeeland ……………………………………………………221
Ende und Neuanfang ……………………………………………………225
Die Göttin …………………………………………………………………… 229
INTERMEZZO … DAMALS …………………………………………229
Ihr Name …………………………………………………………………231
Ihre Herkunft ……………………………………………………………239
Symbolik …………………………………………………………………249
Der Hund ……………………………………………………………… 252
Äpfel …………………………………………………………………… 257
Birnen ………………………………………………………………… 259
Füllhorn – Obstkorb ………………………………………………… 260
Ruderschaft …………………………………………………………… 262
Schiffsteil – Schiffsvordersteven ……………………………………… 263
Pflanzenbüschel ……………………………………………………… 264
Vorhang………………………………………………………………… 266
Thron und Baldachin ………………………………………………… 268
Die Einflusssphären der Göttin …………………………………………270
Zurück im Hier und Jetzt …………………………………………………… 275
Nehalennia in der modernen Kunst ………………………………………276
Musik ………………………………………………………………… 276
Malerei ………………………………………………………………… 278
Plastische Kunst – Sandskulpturen …………………………………… 283
Tanz – das Nehalennia Projekt ……………………………………… 286
Rückkehr in der Religion …………………………………………………289
Asatru ………………………………………………………………… 289
Wicca ………………………………………………………………… 297
Die Priesterinnen von Avalon ………………………………………… 300
Wissenschaftliche Erforschung …………………………………………303
Diverses und Kurioses ………………………………………………… 304
Gedankt wird … …………………………………………………………… 305

2
Liste der aufgeführten Dedikanten ………………………………………… 307
Bildverzeichnis ……………………………………………………………… 309
Kartennachweis ……………………………………………………………… 311
Literaturliste ………………………………………………………………… 313
Weblinks ……………………………………………………………………… 321
Stichwortverzeichnis ………………………………………………………… 323

Nehalennia-Steine
Dauerausstellung im „Rijksmuseum van Oudheden“ in Leiden, Niederlande

3
Einführung
Nehalennia ist eine Göttin, deren Kult scheinbar in einem sehr beschränkten
Gebiet, der heutigen niederländischen Provinz Zeeland, über wenige Jahrhun-
derte nach der Zeitenwende (n.d.Z.) gepflegt wurde. Deshalb ist es eigentlich
erstaunlich, wie präsent sie bis heute ist. Aber nicht alle Erwähnungen dieser
Göttin haben die gleiche Qualität.
Um die Gestalt der Nehalennia wird in Büchern, Zeitschriften und elektro-
nischen Medien neben guten Beiträgen von Fachleuten auch sehr viel Wunsch-
denken geäußert. So soll Nehalennia die Göttin der Niederlande gewesen sein.
Befremdend ist eine solche Äußerung eigentlich schon, da doch zwischen der
Blütezeit des Nehalenniakults in den ersten Jahrhunderten n.d.Z. und der Ent-
stehung der Niederlande mehr als tausend Jahre liegen. Die heutigen Provinz-
und Landesgrenzen gab es also damals gar nicht, der südliche Teil gehörte zum
römischen Reich, während das restliche bewohnbare Gebiet unterschiedliche,
meist kleinere Stämme beheimatete, die ihre eigenen Götter hatten. Sogar der
Name „Zeeland“ für die Provinz der Niederlande, die mit Nehalennia verbun-
den ist, ist nicht bis so weit zurück bezeugt. Außerdem ist es ohnehin fragwür-
dig und nicht nachprüfbar, ob die heutigen Niederländer mehrheitlich von den
damaligen Bewohnern abstammen.
Darüber hinaus kommen praktisch alle Personen, von denen überliefert ist,
dass sie der Göttin einen Altar schenkten, aus Städten und Gegenden, die heu-
te zu Deutschland, Belgien, Frankreich, Italien und der Schweiz gehören. Die
öfters angeführte Behauptung, Nehalennia sei praktisch nur in Zeeland bekannt
gewesen, wird dadurch schon entkräftet, zusätzlich wurden auch in Köln-Deutz
einige ihrer Altäre gefunden. Leider sind diese wieder verloren gegangen, denn
sie wurden beim Bau des Deutzer Kastells als Baumaterial benutzt, und können
daher nicht weiter berücksichtigt werden; da aber angenommen wird, dass die-
se Altäre nicht abgeholte Aufträge für eins der Heiligtümer an der Nordseeküs-
te waren, ist das auch keine Katastrophe.
Mit der Anfangsbemerkung sollte aber nicht der Eindruck erweckt werden,
alle Beiträge von Fachleuten seien nun fundierter. Das ist sicher nicht richtig.
Einerseits erwiesen sich ältere Sichtweisen durch neuere Ergebnisse als über-
holt, andererseits beruhen viele Darstellungen von Wissenschaftlern (man darf
in diesem Zusammenhang zu Recht fragen, ob es sich dabei tatsächlich immer
um Geschichtswissenschaftler handelt) nicht auf eigener Forschung, sondern sind
anscheinend übernommen worden, häufig sogar aus eher halbwissenschaftlichen

7
Quellen. Manche Darstellungen stammen offensichtlich ganz aus der Welt der
Fantasie, wie z. B. im Buch über den ‚Wirklichen Standort Trojas‘, wo behauptet
wird:

„Homer war kein Grieche, sondern Kelte. Er wurde geboren und starb nur einen Steinwurf ent-
fernt von der Stadthalle Middelburgs, in der Mitte von Hades‘ Insel, jetzt Walcheren, in Zeeland.
Zu Homers Zeit war dort das Hauptzentrum der Druiden für Initiationen, Teil der tiefsten gnosti-
schen Mysterien der Circe-Nehalennia, …“
Andere schreiben mit Überzeugung:

„Nehalennia ist eine friesische Göttin aus vorchristlichen Zeiten.“

Noch weiter geht es im „Ura Linda Buch“, einem historischen Witz, von vielen
unverständlicherweise als seriös angesehen, in dem gesprochen wird von ‚Nyhelle-
nia‘ und ‚Hellenia‘, die gleichzeitig auch ‚Min-erva‘ heißt und friesischer Herkunft
sein soll, wie eigentlich alles, denn in diesem Werk fängt die ganze Weltgeschich-
te bei den Friesen an:

„563 Jahren nachdem Atiand (Atlantis) versunken war, saß hier eine weise Burgmagd, Min-erva
ihr Name, von Seeleuten Nyhellennia genannt. Dieser Beiname war gut gewählt, denn der Rat,
den sie gab, war neu (Ny) und klar (helle) über allem.“
Genannte und sogar noch abenteuerlichere Behauptungen um Nehalennia ver-
leiteten den forschungsfrohen Autor dieses Buches dazu, sich in die vielen Dar-
stellungen von Forschungsergebnissen zu stürzen und selber nachzusuchen.
Leitmotiv wurde der Wunsch, wenigstens fantastisches Wunschdenken einerseits
und historische Möglichkeiten und Wahrscheinlichkeiten andererseits vonein-
ander trennen zu können. Daraus entwickelte sich ein intensives, mehrjähriges
Projekt, in dem viel Überraschendes zutage trat. Das jetzt vorliegende Buch bil-
det den Abschluss dieser Arbeit.
Mindestens eins hat dieses Buch mit vielen der benutzten (wissenschaftlichen)
Quellen gemein; er enthält viele Worte, wie ‚hätte, könnte, wäre, wenn - dann,
wahrscheinlich, möglicherweise‘. Das heißt, wer hier nach harten Fakten oder
Beweisen sucht, wird nur wenige finden. Es werden aber viele Wahrscheinlich-
keiten, Möglichkeiten, Vorschläge, Überlegungen und Gedankengänge dargestellt,
die in vielfältigen Bildern versuchen, die damalige Zeit wieder lebendig werden
zu lassen; der Nachdruck liegt hier auf dem Plural, denn es sind durchaus unter-
schiedliche Anschauungen möglich. Kritisch Lesen, Mitdenken und Hinterfra-
gen ist also angesagt, ebenso wie der bewusste Wechsel des Blickwinkels.

8
Kurz bevor ich anfing dieses Buch zu schreiben, sprach ich mit einem Histori-
ker, der sehr bewandert in einigen der Themen ist, die auch mich interessieren.
Als ich ihm eine meiner vielen Überlegungen bezüglich der mögliche Herkunft
Nehalennias auseinandersetzte, meinte er, und seine Bemerkung war positiv-kri-
tisch gemeint: „Tja, unmöglich ist das nicht, aber was heißt das schon? Das heißt
nur, dass man das Gegenteil der Behauptung nicht beweisen kann, weil es sich
dabei eben um eine reine Spekulation ins Blaue hinein handelt. Hypothesen - egal
in welche Richtung - sind in diesem Fall reine Spekulation. Und an dergleichen
beteilige ich mich ungern, weil ich bestens damit leben kann, nicht alles wissen
zu müssen und ergründen zu wollen.“
Zu seinem Fazit: Sicher, damit kann auch ich leben, das werde ich am Ende
wohl müssen.
Wenn man sich aber – aus welcher Sicht denn immer – für Nehalennia inter-
essiert und über sie mehr wissen möchte, wieso sollte man dann solche Überle-
gungen nicht anstellen? Wenn niemand das tut, verliert jegliche Forschung ihren
Anreiz. Viele archäologische und historische Untersuchungen fingen an mit:
„Wenn … dann …“ – und das waren oft am Anfang nicht einmal Hypothesen,
sondern Ideen und Spekulationen. Eine solche Vorgehensweise ist häufig der ein-
zige Weg zu wenigstens halbwegs befriedigenden Antworten. Ohne diese Ant-
worten kann man sicher prima weiterleben, aber ist Spekulation nicht eines der
Gewürze des Lebens, die es schmackhaft machen? Also stelle ich Überlegungen
an über Themen, die mich interessieren. Das bringt Spaß in mein Leben. Und
ich bringe diese auch noch unter die Augen einer interessierten Leserschar, in
der Hoffnung, dass sie dieses ‚Gewürz‘ gleichfalls mag.

Alle dargestellten Fakten, Hypothesen, Überlegungen und möglichen Schlussfol-


gerungen zusammen sollen Nehalennia aus der Sphäre des fantastischen Wunsch-
denkens holen und Anreize bieten, sich selber weiter mit dieser Göttin zu befassen,
und zu eigenen Überlegungen und Schlussfolgerungen zu kommen auf der Basis

9
historischer und sprachwissenschaftlicher Hinweise und Indizien. Mehr darf nicht
verlangt werden, denn vor und während der Zeit, als die Römer große Teile Mit-
tel- und Westeuropas beherrschten, gab es in den angesprochenen Gebieten eine
Vielfalt an Ethnizitäten und Sprachen und viele größere und kleinere kulturelle
Unterschiede. Da wir heute davon meist keine detaillierten Kenntnisse haben
und die wenigen vorhandenen Quellen mehrdeutig sind, gehen Forschungser-
gebnisse und Überlegungen über das gleiche Thema oftmals weit auseinander.
Der objektive Mangel an Wissen und die subjektiven Vorurteile lassen in vielen
Fällen nicht mehr zu als schlussfolgernde Gedankengänge, die im besten Fall auf
akzeptablen Hinweisen beruhen. Das ist aber immer noch besser als – inspiriert
vom Buch der großartigen Fantasyautorin Marion Zimmer Bradley ‚Die Nebel
von Avalon‘ – aus dem Gefühl heraus öffentlich zu proklamieren, dass Nehalen-
nia die von der Insel Avalon zurückgekehrte Göttin Morgaine sei, wie eine bel-
gische Hexengruppe verbreitet.
Die vielen, oftmals wagemutigen Überlegungen in diesem Buch bieten kei-
ne Fakten, keine Wahrheiten, sie können sowohl ein zustimmendes Nicken als
auch grausige Abscheu erzeugen; beide entstehen durch das eigene Nachden-
ken der Leser, und so sollte es auch sein. Das Buch ist stark darauf ausgerichtet,
das eigene Denken zu stimulieren und rührt unbekümmert in Kochtöpfen vol-
ler Gefühle und Emotionen.
Obwohl viel ernsthafte Literatur zur Hilfe gezogen wurde, war schon zuvor
beabsichtigt, einen akademischen Status für dieses Buch nicht beanspruchen zu
wollen. Es ist für ein größeres, meist nicht wissenschaftlich geschultes Publikum
gedacht. Fachsprache ist deshalb entweder vermieden oder so gut wie möglich
erläutert, ebenso sind zur besseren Lesbarkeit Verweise auf Stellen in benutzter
Literatur vermieden, sowohl im Text als auch in Form von Fußnoten. Für Inter-
essenten, Kritiker und Gläubige ist am Ende eine Liste der verwendeten Litera-
tur aufgeführt, die es, wenn auch manchmal mühsam, aber jedenfalls möglich
macht, die Originalquellen selber zu durchforschen.

10
Zuletzt noch einige Bemerkungen zur Darstellung und zum Sprachgebrauch.

Niederländische Nehallenia-Briefmarke aus dem Jahr 

Der Weihestein, der auf dieser Briefmarke abgebildet ist, wird, wie auch alle ähn-
lichen Steine, die später vorgestellt werden, A l t a r genannt. Bei diesem Wort
denkt man meistens zuerst an einem Opfertisch; in römischer Zeit wurden auf
solchen Tischen, meistens aus Stein hergestellt, den Göttern Opfer gebracht, Räu-
cherwerk abgebrannt und Gaben gelegt wie Obst oder Fleisch. Diese Art Altar ist
hier nicht gemeint, hier bezeichnet das Wort einen Gedenkstein, der der Göttin
geschenkt wurde als Versprechen, Dank oder Erinnerungsbild für von der Göt-
tin geleistete Hilfe.
Zur Illustration sind im aktuellen Teil zwei „Anekdoten“ wiedergegeben, per-
sönliche Erfahrungen des Autors beim Sammeln von Materialien für dieses Buch.
An einigen Stellen ist ein ‚Intermezzo‘ eingefügt; es handelt sich hierbei um kur-
ze, fiktive Geschichten zur Unterstützung der notwendigen Vorstellungskraft,
die beim Lesen erforderlich wird; dokumentarischen Wert haben diese Einschü-
be weiter nicht.
Der Begriff ‚germanisch‘ wird in diesem Buch an vielen Stellen benutzt; es sei,
und nicht nur in diesem Zusammenhang hoffentlich unnötigerweise, darauf hin-
gewiesen, dass es sich dabei nicht um die Charakterisierung einer Menschenrasse
handelt, sondern an erster Stelle um die Benennung einer zusammenhängenden
Gruppe, die bestimmte Sprachen benutzte. ‚Germanen‘ waren nach heutiger Sicht
diejenigen, für die eine dieser Sprachen Muttersprache war. Die Völker, die als
germanisch bezeichnet werden, benutzten Sprachen, die aus dem sog. ‚Proto-
Germanisch‘ abgeleitet waren, einer Sprache, die wahrscheinlich in der 2. Hälf-
te des letzten Jahrtausends v.d.Z. entstand.

11
Bei germanisch, keltisch, slawisch und römisch handelt es sich jeweils vornehm-
lich um Bezeichnungen, die auf Gruppen mit zusammenhängenden Sprachen
hinweisen, auch kulturelle und ethnische Eigenheiten der diese Sprachen spre-
chenden Völker werden damit sehr oft benannt, aber auf keinen Fall irgendeine
Rasse oder rassische Merkmale; solche Rassen hat es nicht gegeben.

Die Geschichte der Göttin Nehalennia spielt hauptsächlich in der niederlän-


dischen Provinz Zeeland, deren Name oft mit ‚Seeland‘ übersetzt wird. Dieses
ist jedoch nicht eindeutig, auch die dänische Insel Seeland und die britischen
Insel Sealand heißen im Deutschen so. Deshalb wurde der Deutlichkeit halber
die niederländische Bezeichnung Zeeland und das zugehörige Eigenschaftswort
zeeuwsch (seeländisch, gesprochen sé-ufs) beibehalten.

Genug der Vorrede. Jetzt soll angefangen werden, von einer Göttin zu lesen, über
die wir angeblich so wenig wissen. Manchmal darf man sich bei einigen Abschnit-
ten fragen, was das Dargestellte mit Nehalennia zu tun hat. Spätestens am Ende
des Buchs sollte sich aber bestätigt haben, dass alles nötig war, um der Göttin,
ihrer Zeit und ihren Verehrern insgesamt doch viel Farbe zu verleihen.

12
Die Rückkehr der Göttin
Die Wiederentdeckung der Göttin Nehalennia nahm ihren Anfang, als die See
Steine freilegte, die offensichtlich aus der Zeit stammen mussten, als Zeeland Teil
des römischen Reiches war. Ihre lateinischen Inschriften gaben unzweifelhaft die
Existenz einer Göttin preis, die sich bis dahin so gut verborgen gehalten hatte,
dass ihr Name in keiner der bekannten alten Quellen aufgezeichnet war. Auf die
ersten Funde folgten, verteilt über mehrere Jahrhunderte, viele mehr. Inzwischen
muss man sich fragen, warum ein derart umfangreicher Kult in keiner einzigen
römischen Quelle verzeichnet ist. War Nehalennia vielleicht doch eher eine Göt-
tin der einheimischen, von den Römern geringschätzig als barbarisch betrachte-
ten Bevölkerung? Funde und Inschriften sprechen eine andere Sprache, wie im
Folgenden noch ausführlich erläutert werden wird.
Entdeckt wurden bei Domburg und Colijnsplaat insgesamt um die 160 fast
unversehrte Weihesteine. Außerdem tauchten noch Bruchstücke auf, aus denen
weitere Altäre fast vollständig rekonstruiert werden konnten. Darüber hinaus
gibt es noch viel mehr Fragmente von Altarsteinen. Schließlich fand man in die-
sem Zusammenhang zusätzlich noch viele andere bearbeitete Steine, die auf die
ersten Jahrhunderte unserer Zeitrechnung hinweisen. Alle diese Funde gehörten
teilweise zu Tempelanlagen, teilweise zu Häusern gallo-römisch-germanischer
Hafensiedlungen und römischer Armee-Anlagen.
Wichtig ist dabei das Material der Altarsteine. Die meisten sind aus Kalkstein
hergestellt, eine kleine Gruppe ist aus Sandstein gefertigt und wenige sind aus
Kohlekalkstein. Dies sind Steinsorten, die in der Nähe der Nordseeküste Zee-
lands nicht in der Natur vorkommen. Die Nehalennia-Altarsteine müssen also
aus einer ganz anderen Gegend kommen, weit weg von ihrem Aufstellungs- und
späteren Fundort. Eine genaue Beschreibung der Steinqualitäten und ihrer Her-
kunft ist ab S. 159 zu finden.
Aus der großen Menge an Altarsteinen wurde für diese Publikation eine Aus-
wahl getroffen, die einerseits repräsentativ ist für die Gesamtheit der Artefakte,
andererseits berücksichtigt, dass die schönsten hier gezeigt werden. Wichtig bei
der Auswahl war auch, häufig wiederkehrende Elemente zu charakterisieren und
alle Aspekte der Göttin, die sich in ihren Weihesteinen zeigen, entsprechend dem
Stand der heutigen Forschung darzustellen. Die nachfolgenden Darstellungen
über die Funde in Domburg und Colijnsplaat unterscheiden sich deutlich; das
hängt direkt mit der jeweiligen Fundgeschichte zusammen und der unterschied-
lichen Behandlung der Artefakte in der Zeit danach.

31
Viele Altäre sind leicht bis schwer beschädigt, eine ganze Reihe sind durch Was-
ser und Wind stark verwittert. Dadurch sind oft viele Details nicht mehr klar zu
erkennen, wie an folgendem Beispiel zu sehen ist.

Verwitterungsschäden
an einem Altar
(rechts Detail)

Noch einige klärende Bemerkungen, bevor die Einzeldarstellungen der Votiv-


Altarsteine beginnen:

 Im letzten Jahrhundert v.d.Z. und in den ersten Jahrhunderten danach kann-


ten die Römer für ihre eingeschriebenen Bürger ein reguläres System der
Namensgebung, das aus drei Teilen bestand (TRIA NOMINA):
Vorname (PRAENOMEN),
Familienname (NOMEN GENTILE) und fakultativer, aber häufiger
Beiname (COGNOMEN).
Dieses System wird wohl nicht zu hundert Prozent gegolten haben, aber es
ist besonders in den Provinzen ein guter Leitfaden für die Feststellung, ob
jemand anerkannter Bürger des römischen Reiches war.
In den besetzten Gebieten war wahrscheinlich dieses Unterschei-
dungsmerkmal wichtiger als in Rom selbst. Bürger Roms hatten bestimmte
Vorrechte, die andere nicht hatten; in der Provinz waren diesbezüglich die
schwerwiegendsten, dass sie ein Recht hatten auf Schutz durch die Armee
und bei Verstößen nur der römischen Rechtsprechung und Gerichtsbarkeit
unterworfen waren.

32
Viele Inschriften auf den Steinen enden mit einem Kürzel, einige fangen auch
damit an. Als Bedeutungen solcher öfters benutzter Kürzel wurden ermittelt:

 V.S.L.M. (VOTUM SOLVIT LIBENS MERITO = er hat sein Gelübde gern und
nach Gebühr eingelöst). Als andere Formen dieses Kürzels findet sich:
V(oto) S(olvit) L(ibens) M(erito),
V(otum) S(olvens) L(ibens) M(erito),

 V.S.L.M. (VOTUM SOLVERUNT LIBENTES MERITO = sie haben ihre Gelüb-


de gern und nach Gebühr eingelöst). Andere Formen:
V(oto) S(olverunt) L(ibentes) M(erito),
V(otum) S(olverunt) L(ibens) M(erito),
V(ota) S(olverunt) L(ibentes) M(erito)

 V.R.L.M. (VOTUM RESOLVIT LIBENS MERITO = er hat sein Gelübde freu-


dig und nach Gebühr eingelöst).

 V.S.L.L.M. (VOTUM SOLVIT LIBENS LAETUS MERITO = er hat sein Gelüb-


de gern, freudig und nach Gebühr eingelöst). Auch hier kommen mehrere
Versionen vor.

 P (POSUIT oder POSUERUNT = er hat bzw. sie haben errichtet).

 IN.H.D.D. (IN HONOREM DOMUS DIVINAE = zu Ehren des göttlichen Kai-


serhauses).

 F (FILIUS = Sohn).

 EX IMPERIO IPSIUS (IPSEUS) = durch die Gottheit selber beauftragt.

Bei den Inschriften auf den Altären sind oftmals Vornamen nur als Anfangs-
buchstaben verzeichnet. In der Literatur zu römischen Inschriften werden die-
sen Abkürzungen Vornamen zugeordnet. Sie werden hier bei den Erläuterungen
der Inschriften ausgeschrieben. So wird ein ‚M‘ zu MARCUS.
Derartige Interpretationen sind freilich nicht absolut gesichert; sie gehen davon
aus, dass nur gängige Namen so abgekürzt, seltenere Namen aber ausgeschrie-
ben wurden. Dies steht jedoch nicht wirklich fest.

33
Einige der häufig vorkommenden und abgekürzten römischen oder romanisier-
ten Männernamen sollen danach sein:

A AULUS PRO PROCULUS


APP APPIUS Q QUINTUS
C GAIUS SER SERVIUS
D DECIMUS SERV SERVIUS
K KAESO S SEXTUS
L LUCIUS SEX SEXTUS
M MARCUS SEXT SEXTUS
M‘ MANIUS SP SPURIUS
MAM MAMERCUS T TITUS
N NUMERIUS TI TIBERIUS
OPIT OPITER TIB TIBERIUS
P PUBLIUS V VIBIUS
POST POSTUMUS

34
Die Domburger Funde
Während der Römerzeit gab es an der Stelle des heutigen Zeelands weder ein
Inselgebiet, noch eine Siedlung mit dem Namen Domburg an der zeeuwschen
Nordseeküste. Wahrscheinlich wurde das heutige Domburg im 9. Jahrhundert
gegründet. Kurz zuvor war die Insel Walichrum (Walcheren) im Jahr 837 von
Wikingern geplündert und ab 850 für kurze Zeit sogar von den dänischen Wikin-
gern Harald und Rurik mit ihren Männern besetzt worden. Nachdem diese weg-
gezogen waren, bauten die Einheimischen, möglicherweise auf Geheiß eines
karolingischen Fürsten, in der Küstenregion verschiedene Ringwälle als Flucht-
burgen für die Bevölkerung. Domburg soll seinen Namen so einer ‚Duinburg‘
(Dünenburg) verdanken.
In den ersten Jahrhunderten, als es noch keine Insel Walcheren gab, soll es
etwa an gleicher Stelle, wo sich jetzt Domburg befindet, eine Siedlung gegeben
haben. Vermutet wird an manchen Stellen, dass der Name dieses Ortes ‚Walac-
ria‘ war, woraus der Name der später entstandenen und ab dem 6. Jahrhundert
bewohnbaren (Halb-)Insel abgeleitet wurde. Beweise dafür oder klare Hinweise
darauf gibt es aber nicht.
Andere Namen, die ebenfalls kursieren, sind Walacra, Gualacra, Walachria,
Walicrum, Walkaria, Walchra und Walachia. Wenn es sich dabei um römische
Namen handeln sollte, dann ist das ‚W‘ wohl fehl am Platz, das müsste dann schon
ein ‚V‘ sein. Ein germanisches ‚W‘ als Namensbeginn ist dann möglich, wenn
es sich um einen romanisierten germanischen Namen gehandelt hat. Da damals
dort vermutlich Germanen wohnten, scheint dies nicht unmöglich.
Die älteste urkundliche Erwähnung von Domburg bzw. ‚Dumburgh’ findet
man auf einer Güterliste eines Klosters aus Echternach in Luxemburg aus der
Zeit um 1200. Seitdem besteht der Ort bis in die heutige Zeit fort.

35
Domburg Altar C
Zeichnung nach einem Foto von Hondius-Crone

57
Inschrift auf dem Stein: Inschrift komplettiert:
DEAE NEHALEN DEAE NEHALEN
NIAE C EXOM NIAE CAIUS EXOM
NIANIVS VERVS NIANIUS VERUS
DD DONO DEDIT
Übersetzung und Erläuterung:
Der Göttin Nehalennia gab Caius Exomnianius Verus dieses Geschenk.
Der dreiteilige Name bezeichnet einen römischen Bürger, der romanisierte
Name ‚Exomnianius‘ ist keltisch und bedeutet ‚ohne Angst oder Scheu‘‘.
Material: unbekannt Maße der Rekonstruktion:
Höhe 102 cm, Breite 65,5 cm, Tiefe 17,5 cm

Nehalennia hält auf allen drei Bildern ihre linke Hand unter eine Schüssel mit
Obst, Hund und Korb fehlen. Auf dem rekonstruierten Altar liegt (hier nicht gut
sichtbar) ein rechteckiges Stück geweihtes Brot. Auf Bild A ruht die rechte Hand
auf dem Knie, auf den anderen beiden Darstellungen wird nicht deutlich, ob sie
vielleicht noch etwas in der Hand hält.
Die Inschrift zeigt wohl auf den gleichen Dedikanten, ob es aber auch um
den gleichen Altar geht, ist zweifelhaft. B und C zeigen große Ähnlichkeit, die-
se Zeichnung mag jedoch auch als Hilfe bei der Rekonstruktion gedient haben.
Kleinere Unterschiede sind allerdings sichtbar, wie an der Obstschüssel und den
Thronpfosten links und rechts der Beine zu erkennen ist.
Es sind aber gravierende Unterschiede zwischen diesen beiden Bildern und
der Zeichnung aus dem Jahr 1696 festzustellen, so
 ist der Muschelbaldachin unterschiedlich gestaltet,
 ist die Bodenform auf Zeichnung A rechteckig, auf den anderen halbrund,
 sind die Verzierungen oben an den beidseitigen Säulen nicht identisch,
 sitzt Nehalennia bei A auf einer Bank, nicht auf einem niedrigen Thron,
 werden Haare bzw. Kopfschmuck der Göttin unterschiedlich dargestellt,
 ist die Position ihres linken Arms nicht gleich,
 befindet sich in der Mitte des Giebels ein anderes Ornament.
Es bleibt damit die ungeklärte Frage, ob der Zeichner von Bild A nicht genau
gearbeitet hat, oder ob es vielleicht doch zwei unterschiedliche Altäre vom glei-
chen Dedikanten, vielleicht auch vom gleichen Steinmetz, gegeben hat.

58
Domburg Altar C
Quelle: Janssen

70
Inschrift auf dem Stein: Inschrift komplettiert:
NEHALENNIAE NEHALENNIAE
L•IVSTIVS•SATTO•ET LUCIUS IUSTIUS SATTO ET
NI
L•SECVND IVS•MODERATVS LUCIUS SECUNDINIUS MODERATUS
FRATRES•V•S•L•M FRATRES VOTUM SOLVERUNT
(3. Zeile eingemeißelte Namenskorrektur) LIBENTES MERITO

Übersetzung und Erläuterung:


Der Nehalennia haben die Brüder Lucius Justius Satto und Lucius Secundini-
us Moderatus ihr Gelübde gern und nach Gebühr eingelöst.
Die beiden Dedikanten sind Brüder, von ihren Namen ist keine keltische oder
germanische Herkunft herzuleiten. Es könnte sich hierbei um ein Familien-
unternehmen gehandelt haben; wenn einer der Brüder Arbeitnehmer bei dem
Anderen gewesen wäre, dann hätte wohl nur der Namen des Arbeitgebers in
der Inschrift gestanden.
Material: unbekannt Maße (nach Cannegieter):
Höhe 132 cm, Breite 91 cm

Wenn die Maße stimmen, dann muss dies wohl einer der größten bisher gefun-
denen Votivaltäre für Nehalennia gewesen sein.
Die Göttin steht auf einem niedrigen Podest. Sie trägt über ihrem langen, in
Falten fallenden Gewand ein geschlossenes Schultercape. Der Rock ist einsei-
tig gerafft, weil der etwas angehobene linke Fuß auf einem (nicht mehr vorhan-
denen) Vorderteil eines Schiffes gestanden haben soll. Ihre linke Hand fehlt, sie
könnte damit, nach Janssen, ein Füllhorn gehalten haben.
Ein Teil des rechten Armes ist beim Ellbogen abgebrochen; wenn dieser am
Körper gelegen hätte, wäre das wahrscheinlich nicht passiert. Daher zeigten Arm
und Hand wohl vom Körper weg, möglicherweise, weil sie damit ursprünglich
ein Schiffsruder gehalten hat.
Ihr Kopf ist stark verwittert, auf 5B ist das stärker angegeben als bei 5C. Bei
5A hat der Zeichner den Kopf wieder nach eigenem Empfinden vervollständigt.
Gleiches gilt für den Hund, der zu ihrer Rechten sitzt.
Die Muschel oben in der Nische haben alle Darstellungen gemein, der Win-
kel des Dachgiebels ist bei 5C größer als bei 5A und 5B.
Da es keinen Korb mit Äpfeln gibt, haben die Dedikanten von der Göttin
wahrscheinlich nur ihren Schutz während der Reise erbeten.

71
Domburg Altar  Domburg Altar  Domburg Altar 

Linke Seite der Altäre: Neptun

Bei den hier abgebildeten Altären ist bei denjenigen, die auf der einen Seite ein
Neptunbild tragen, auf der gegenüberliegenden Seite des gleichen Altars Her-
cules abgebildet.
Hercules ist nicht gleichzusetzen mit dem griechischen Herakles. Von den Etruskern übernahmen
die Römer die Heldenfigur ‚Hercle‘, latinisiert Hercules. Zwar war dieser von der griechischen Kul-
tur beeinflusst, kannte aber eine eigene, autonome Entwicklung. Die Römer vermischten Hercules
und die griechischen Herakles-Heldentaten und fügten noch weitere mythologische Elemente
dazu. Obwohl Herakles nach den Mythen ein Mensch bzw. Halbgott war, wurde Hercules in Rom
als Gott verehrt und verschiedene Imperatoren identifizierten sich mit ihm. Deshalb wurde hier
die lateinische Schreibweise beibehalten und nicht die deutsche Heldenbezeichnung ‚Herkules‘
verwendet.
Symbolisch stand Hercules für Kraft und Mut. Er war beliebt bei den Soldaten als Gott des Sieges, er
war Schutzherr des Handels und des Gewinns und seine Präsenz schützte Reisende vor Unglück.

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