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Impressum Zum Geleit


Chefredaktion: Jens Arne Klingsöhr Die dritte reguläre Ausgabe des BELEMAN ist nun erschienen. Doch nicht nur dies:
Redaktion Albernia & Windhag: Jan Rodewald (jr)
Zum allaventurischen Adelskonvent, der im November 2004 auf Burg Ludwigstein
Mitarbeiter dieser Ausgabe: abgehalten wurde, kam eine kostenlose Zwischenausgabe heraus, deren Inhalt keine
Robert-Björn Albrecht (rba), Marcus Buss (mb), bloße Vorabveröffentlichung ausgewählter Artikel der vorliegenden Ausgabe war, son-
Marcus Duensing (md), Kevin Gerhard, Martin Groh
(mg), Andreas Kovermann (ak), Georg Morick (gm),
dern echte Neuigkeiten brachte.
Andreas G. Schramm (ags), Florian Zemp (fz) Damit Abonnenten, die nicht auf Burg Ludwigstein anwesend waren, nichts ver-
passen, liegt die Zwischenausgabe der Nummer 3 bei.
Redaktion Andergast: Philipp Seeger (ps)
Neben vielen Artikeln und Geschichten aus den Regionen, die der BELEMAN ab-
Redaktion Nostria: Julian Marioulas (jm) deckt, haben wir auch diesmal wieder Meistermaterial zu bieten:
Mitarbeiter dieser Ausgabe: Außer einer Kurzbeschreibung der albernischen Baronie Lyngwyn (Seiten 12 -
Michael Keil (mk), Tahir Zia Shaik (tzs)
16), findet man auf den Seiten 19 & 20 eine Vorstellung des windhagschen Junker-
Redaktion Thorwal: Volkmar Rösner (vr) gutes Kleinau, das sich wunderbar eignet, um den Abenteuerband DRACHENODEM am
Mitarbeiter dieser Ausgabe: Spieltisch noch etwas farbiger auszugestalten.
Steven Hepp (sh), Jens Arne Klingsöhr (jak), Volk-
mar Lehmann (vl), Frank Mienkuß (fm), Albert
In unserer ersten Ausgabe hatten wir schon angekündigt, die Regionalspielhilfe
Muigg (am), André Schunck (as) UNTER DEM WESTWIND mit weiterem Material zu unterfüttern und zu erweitern - nun
machen wir es wahr: Auf Seite 29 ist eine kurze Beschreibung des nostrischen Boron-
Korrektorat: Jan Rodewald
Klosters Yoledamm zu finden, welches vor kurzem so grausam von habgierigen
Satz und Layout: Jens Arne Klingsöhr Thorwalern heimgesucht wurde. Natürlich finden sich zu dem Ereignis auch Berich-
te: die nostrische Sichtweise kann auf den Seiten 23 & 24 nachgelesen werden, wäh-
Vertrieb und Abobetreuung: Johannes Beier
rend auf den Seiten 44 - 46 der Überfall von den thorwalschen Protagonisten miter-
Titellayout: Simone Ronner, Volkmar Rösner lebt werden kann.
Rein Informatives - sowohl für Spieler wie auch Meister - findet sich ab Seite 47,
Titelbild: Alexander Hajek
denn freundlicherweise stellte sich uns Peter Diehn für ein Interview zur Verfügung.
Abbildungen: Wie immer finden sich im nebenstehenden Kasten die entsprechenden Ansprech-
Caryad (Seite 39) partner, für den Fall, dass man etwas nachfragen möchte. Nun aber genug des Vor-
Clipart (Seite 37)
Alexander Hajek (Seiten 23, 31)
wortes, das diesmal viel eher den Charakter einer Inhaltsangabe hatte. Viel Spaß beim
Nicole Kallenbach (Seite 21) Schmökern, Ausgestalten von Ideen und den abenteuerlichen Spielrunden.
Christoph Pilger (Seite 33)
Jan Rodewald (Seiten 3, 4, 11, 12, 14, 17, 19, 20)
Luzia Sievi (Seite 43)
Ihr
unbekannt (Seite 45)
Sabine Weiss (Seiten 7, 50)
Jens Arne Klingsöhr Redaktionsschluss
Bernadette Wunden (Seite 26)
P.S. Die Ergänzungen zu UNTER DEM für Ausgabe 4
Schmuckbalken und Titelköpfe: WESTWIND werden in Kürze auf unserer
Simone Ronner, Volkmar Rösner, Jan Rodewald
Caryad (UDW-Layout; Homepage)
Homepage Beleman.de hochaufgelöst und 11.03.2005
ausdruckbar zur Verfügung gestellt.
Der Beleman verfolgt keine kommerziellen Interessen.

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Das Reich ist zerbrochen
Albernia ist frei!
ELENVINA. In der Herzogenstadt Elen- fielen über die Kaisermetropole her und ken sei ihre Wahl! Ein Schrei der Entrü-
vina hatte sich der Adel des Neuen Rei- verbreiteten Angst und Schrecken. stung ging durch die Menge, die Krone
ches versammelt, um den Reichskongress Der Herzog der Nordmarken sah sich ward hereingetragen, Empörung ward
abzuhalten und über für uns alle wichtige dabei mit dem berechtigten Vorwurf kon- laut, ein Eid, eine Krönung, ein Gong und
Themen zu beratschlagen. Doch niemand frontiert, warum er das Reich im Stich ge- alles war vorüber. Die Reste des Reiches
hatte erwartet, was dort über die Hohen lassen und seine Truppen nicht nach Gare- sahen völlig überrumpelt den Herzog mit
und Edlen hereinbrechen würde! tien entsandt habe. Doch wie so oft wur- der Krone vor sich.
de auch hier die Dreistigkeit Jast Gorsams Der Adel murrte, aber er beugte sich
Dass der Reichskongress unter einem vom Großen Fluss deutlich, indem er mit und Provinz um Provinz kniete zum Treu-
schlechten Stern stand deutete sich schon Blick auf die albernische Delegation be- eid nieder. Alle beugten sich - bis auf eine.
früh an, wurde der Rat doch nicht von der hauptete, dass man gern Königin Invher Ni Ben-
Reichsregentin Emer Ni Bennain von mehr getan hätte, wenn nain stand allein aber
Gareth eröffnet, sondern von des Reiches man nicht den „Dolch im stolz. „Nein“, sprach sie
Erzkanzler Hartuwal Gorwin vom Gro- Rücken“ spüren würde. mit klarer Stimme. „Da
ßen Fluss. Dieser bat die Anwesenden nun Ein ungeheuerlicher Vor- ist kein Reich mehr, dem
um Kunde aus Wehrheim und Garetien. wurf! wir folgen könnten. Nur
Die Stunde war entsetzlich! Eine Wal- ein Mann, dessen Anma-
purgasbotschaft nach der anderen ereilte Während also diese ßung so grenzenlos ist,
den Adel. Mit zunehmenden Entsetzen Nachrichten auf die wie wie seine Gier nach
folgten die Versammelten den Berichten paralysiert dasitzenden Ed- Macht. Abernia wird Euch
der Boten aus dem Herzen des Reiches: len einprasselten, sah nun ei- nicht folgen!“
Wehrheim ist nurmehr noch Staub und ner seine Zeit als gekommen. Und hinter ihr erhob sich
Stein, Gareth ist in einem Flammenmeer Das Reich bräuchte Führung, ließ Albernias Adel wie ein Mann.
aufgegangen - und selbst die Stadt des sein Erzkanzler verlauten. Wer hätte dem „Ihr verratet das Reich in seiner dun-
Lichts ist nicht mehr. Regentin Emer fiel nicht zustimmen können? Reichserzämter kelsten Stunde!“ giftete der alte Mann aus
in Gareth unter den Klauen des schwar- seien gefallen, neue müssten gewählt wer- Elenvina. „Das Reich hat uns verraten,
zen Drachen, den sie vor kurzem noch so den. Der Adel nickte und folgte. Aus den Herzog, als es uns nicht beistand gegen
mutig herausgefordert hatte. Rohaja, des Reihen der Anwesenden wurden so rasch die Orken, Ihr habt es verraten, wenn ihr
Reiches Erbin ward auf dem Schlachtfeld ein neuer Reichserztruchsess und ein seine Schwächen nutzt, um Eure Macht
vor Wehrheim verschollen. Das Reich Reichserzadmiral gewählt. Der Herr vom zu mehren!“
Rauls des Großen hat aufgehört zu exi- Angbarer See, Orsinio von Falkenhag „Graf Jast Irian Crumold von Breden-
stieren! wurde zum Reichserztruchsess und der hag, wählt zwischen dem Reich und den
In seinen Resten wütet der Schwarze Burggraf von Baliho Avon Nordfalk zum Verrätern“, rief der Herzog und der Graf
Heerbann. Gleich mehrere Heptarchen Reicherzadmiral bestimmt. stellt sich hinter ihn.
hatten sich vor zwei Monden zu einem Doch dann folgte die Farce: In Win- „Gräfin Franka Salva Galahan, wählt!“
gewaltigen Heerzug zusammengeschlos- deseile verkündete Hartuwal Gorwin vom rief er ein zweites Mal und die Gräfin
sen und die Trollpforte durchschritten, wo Großen Fluss, dass das Reich nun auch zögerte. „Ich wähle,“ antwortete sie, „das
sie - beinahe en passant - das Heiligtum einen neuen Reichsregenten brauche. Reich und Albernia“ und stellte sich hin-
Boronia zerstörten. Vor Wehrheim dann Noch während ein verdutzter Prinz Storko ter ihre Königin.
schlugen sie das Heer des Reichserz- dem Adel die Formalia erklärte, verließen So verließ Albernia den Kongress zu
marschalls, marschierten weiter und zer- die Reichserzämter den Saal. Prinz Storko Elenvina um künftig ein freies Königreich
schlugen auch die Verteidigung Gareths. hatte sich kaum gesetzt, da kamen sie auch zu sein und nimmer mehr fremde Knecht-
Dämonenschrecken und Untotenheere schon zurück. Der Herzog der Nordmar- schaft zu ertragen! (rba / jr)

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Albernia wappnet sich!
Gemächlichen Trittes hatte Invher ni Die Königin verhielt und erheischte mit Reitet Albernier, reitet nach Hause. Ruft
Bennain die Edlen ihres nun freien Rei- erhobener Hand ihres Gefolges Aufmerk- zu den Waffen, wer immer eine Waffe tra-
ches vom Kongress gen Westen geführt, samkeit. gen kann. Bemannt Zinnen und Türme
Belemans Atem im Gesicht. Noch schütz- „Albernier“, übertönte ihre Stimme das und entsendet zum Heerbann, wen ihr
te sie der Burgfriede. Zwar war dem Her- Schnauben und Stampfen der Rösser. „Ihr entbehren könnt.
zog gewiss nicht zu trauen, doch solange wie ich kennt den Herzog. Sein Gier mit Die Mark Havena sammle sich zu
das Auge des Reiches noch Macht lässt ihn seit Jahren gen Weidenaus Dun Maraban, auf Burg
auf dem Westen ruh- Westen blicken und nun, mehr als Abagund finde sich Bredenhag zusam-
te, würde es auch je, wird er uns den Frieden nicht men, Honinger nach Honingen unter der
der unersättliche Spross gönnen. Er ist nicht satt. Er Gräfin Banner und Winhall nach Wey-rin-
des Hauses vom Großen Fluss wird es niemals sein. gen zur Cuill Iaun Cyll!
nicht wagen, sein eigenes Gesetz zu Alle Reiche Reitet schnell und handelt entschlos-
brechen. Der Burgfriede schützte d e r sen. Die Zeit drängt. Wenn nach Breden-
sie - bis an die Grenze... We l t hag sein Ritt führt, dem sage ich: Hört
würden ihm nicht auf Herrn Jast von Crumold, Euer
Friedlich passierte der lange Zug den nicht genügen. Doch Graf ist er nicht länger. Er-
alten Grenzstein in Crumolds Osten. Im jemand muss ihm Einhalt ge- schlagt ihn, oder legt ihn in
Süden glitzerte der Flussvater, wie ein trä- bieten. Ich wünsche keinen Krieg, doch Ketten, als Strafe für eine
ger Strom flüssiger Juwelen, während sich ich sehe ihn kommen. Lasst uns vorbe- Heimat, die er verkaufte.
im Norden die dunklen Hänge der Honin- reitet sein. Nun rasch und schnell wie der Wind,
ger Wälder erhoben. Ein Bild des Frie- Wir atmen albernische Luft, kein Frie- reitet!“
dens. Die Ruhe vor dem Sturm! de schützt uns mehr. Darum sage ich: (rba)

Aus Havena, Reich und Ausland

Im Nordwesten nichts Neues?


BERICHTE VON DEN VORAUSSCHEIDUNGEN ZUR ALLAVENTURISCHEN IMMANMEISTERSCHAFT 1027/28 BF IN ANDERGAST

H AVENA/A NDERGAST/S ALZA/THORWAL. aus Kendrar gemeldet hatte, waren die Ver- Ruhm und Ehre des nostrischen Immans
Keine grossen Überraschungen gab es die- anstalter in Salza, dem Heimatort des letz- verteidigen.
sen Frühling an den Ausscheidungs- ten Nostrischen Imman-Meisters, der aber Die Favoriten wankten auch in Ander-
turnieren zur nächsten Allaventurischen zur Titelverteidigung gar nicht mehr antrat gast und in Albernia: In Andergast konnte
Immanmeisterschaft AIM, die im TRAvia (!), auf die Ruhmreichen angewiesen um sich Edelmut Andergast nach einer Nieder-
des nächsten Jahres 1028 BF in Andergast überhaupt eine Meisterschaft durchführen lage gegen Jaguar Joborn bei den Todes-
stattfinden werden. Havena-Bullen, Edel- zu können. Schließlich konnten die Ruhm- hörnchen Thurana bedanken. Bedanken
mut Andergast, Königstreu Salzerhaven reichen doch noch genügend neue Spieler konnten sich auch die Havena-Bullen bei
und Orkan Thorwal holen sich die regio- rekrutieren um antreten zu können, aber die den Abilachter Auerochsen auf dem Weg
nalen Meistertitel. mangelnde Erfahrung ließ sich schlecht ka- zu ihrem dritten albernischen Meistertitel
Dabei war gerade in Nostria nach der schieren. Das neue Ruhmreich Nostria ist in Folge. Nachdem der Ork eine Teilnah-
Seuche unklar, ob es überhaupt eine Im- inzwischen meilenweit von der Mann- me der Mannschaften aus dem Winhall-
man-Meisterschaft geben würde, hatte schaft entfernt, die vor sechs und acht Jah- schen gründlich verdorben hatte, blieben
doch Ruhmreich Nostria mehr als einen ren jeweils das Endspiel der AIM erreicht als ernsthafter Herausforderer der Bullen
Drittel seiner Spieler und Spielerinnen ver- hatte. Königstreu siegte dagegen seit mehr einzig die Honinger Wölfe übrig, den an-
loren. Da sich diesmal, anders als in ver- als zehn Jahren wieder einmal gegen deren Mannschaften wurden höchstens
gangenen Jahren, auch keine Mannschaft Ruhmreich und soll auch in Andergast Außenseiterchancen eingeräumt. Doch

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nicht die einmal mehr enttäuschenden Ereignissen in Harben ist es aber derzeit Mitte die zwei Teilnehmer für Andergast
Wölfe sondern die stark aufspielenden See- fraglich, ob das KIB die verdiente Reise zu ermitteln, wobei sich der Orkan nun
soldaten des Kaiserlichen Immanbanners nach Andergast überhaupt antreten wird. schon zum fünften Mal die thorwalsche
Wellenreiter Harben fügten den Bullen eine In Thorwal, dem Mutterland des Im- Regional-Meisterschaft sicherte. Trauer
überraschende Niederlage zu und nur die mansports, war die Teilnehmerzahl über- dagegen in Olport, wo die Hjaldinga trotz
unglückliche Niederlage gegen Abilacht raschenderweise beschämend mager: Ein- Sieg gegen Pottwal Prem nun schon seit
verhinderte die ganz dicke Überraschung zig die Traditionsfünfzehnen aus Thorwal, neun Jahren auf einen Auftritt auf der
durch die Kaiserlichen. Nach den letzten Prem und Olport traten an um aus ihrer allaventurischen Bühne warten muss. (fz)

Die Ergebnisse:
(kursive Mannschaften haben sich für Andergast qualifiziert)

ALBERNIA (Meister Havena-Bullen, 8. Meistertitel): ANDERGAST (Edelmut Andergast, 2. Titel):


Abilachter Auerochsen vs Honinger Wölfe Edelmut Andergast vs Jaguar Joborn
6 zu 7 13 zu 17

Immanfreunde Farindelwald vs KIB Wellenreiter Harben Todeshörnchen Thurana vs Edelmut Andergast


14 zu 17 17 zu 31

Havena-Bullen vs Abilachter Auerochsen Jaguar Joborn vs Todeshörnchen Thurana


21 zu 5 13 zu 15

Honinger Wölfe vs Immanfreunde Farindelwald 1. Edelmut Andergast 1–1 44 – 34 (+10)


21 zu 27 2. Jaguar Joborn 1–1 30 – 28 (+2)
3. Todeshörnchen Thurana 1–1 32 – 44 (-12)
Havena-Bullen vs KIB Wellenreiter Harben
16 zu 19 NOSTRIA (Königstreu Salzerhaven, 1.Titel):
Abilachter Auerochsen vs Immanfreunde Farindelwald Ruhmreich Nostria vs Königstreu Salzerhaven
11 zu 3 15 zu 21
Honinger Wölfe vs KIB Wellenreiter Harben
7 zu 15 THORWAL (Orkan Thorwal, 5. Titel):
Havena-Bullen vs Immanfreunde Farindelwald Hjaldinga Olport vs Orkan Thorwal
27 zu 5 8 zu 24

Abilachter Auerochsen vs KIB Wellenreiter Harben Hjaldinga Olport vs Pottwal Prem


10 zu 6 15 zu 11

Havena-Bullen vs Honinger Wölfe Orkan Thorwal vs Pottwal Prem


23 zu 7 16 zu 18

1. Havena-Bullen 3–1 86 – 38 (+48) 1. Orkan Thorwal 1–1 40 – 26 (+14)


2. KIB Wellenreiter Harben 3–1 57 – 46 (+11) 2. Pottwal Prem 1–1 29 – 31 (-2)
3. Abilachter Auerochsen 2–2 32 – 37 (-5) 3. Hjaldinga Olport 1–1 23 – 35 (-12)
4. Honinger Wölfe 1–3 44 – 71 (-27)
5. Immanfreunde Farindelwald 1–3 44 – 76 (-32)

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Aus den baronien

Der Fall des Drachen


GLYDWICK. Anfang Peraine 34 Hal rief freundeten Streitern des OZR, darunter Zellentrakt gerufen. So belagerten die
der Kanzler Aedan ui Bennain zum Baihir die Traviageweihte Katheera, brach man ruchlosen Söldlinge des Barons ihre Ge-
in der Ortschaft Glydwick. Am Hofe des auf nach Niamor um den Baron, der erst fangenen zähneknirschend.
Barons Duridan von Niriansee-Wiallainen kürzlich ein Bündnis mit den Familien Unfähig einen Angriff auf den Kerker
sollten Adel und Geweihtenschaft Lösun- Fenwasian und Stepahan eingegangen auszuführen belauerten sie das düstere
gen für die Probleme finden, welche den war, zur Rede zu stellen. Doch die Fen- Gemäuer fast zwei Tage. Dann endlich be-
Nordosten des Königreichs seit Monaten wasian und ihre Begleiter wurden weni- traten, zur großen Überraschung der Ein-
plagten. Aus allen Teilen Albernias tra- ge Meilen vor der Burg Feyrenwall, wel- gekreisten, Baronin Laille und die Krie-
fen Gesandte ein, um über rote Feenwäl- che der Sitz des Barons Muiradh ist, in ger des OZR den Zellentrakt. Über den
der, marodierende praiotische Sekten und einen Hinterhalt gelockt und eingekerkert. Geheimgang gelang allen die Flucht und
eine drohende Abspaltung der Grafschaft Kurz darauf kam es in den Niamorer so erreichte die Gruppe gerade noch recht-
Winhall zu diskutieren. Sogar einige Reihen zu einer Revolte. Muiradhs frev- zeitig den Baihir von Glydwick, um dort
Thorwaler, die als Gäste des Barons von lerisches und eidbrecherisches Verhalten von den Untaten des Barons von Niamor
Otterntal nach Albernia gekommen wa- schien ein schon lange gärendes Fass zum zu berichten.
ren, hatte es nach Glydwick verschlagen. Überlaufen gebracht zu haben. Die Gat- Doch Laille von Niamor-Jasalin und
Nicht wenige der Anwesenden hatten auf tin des Barons, Laille von Niamor-Jasalin, die wenigen Niamorer, die an ihrer Seite
ihrer Anreise die unheimlichen roten floh aus der Burg um südlich der Nia- die Reihen des bleichen Muiradh verlas-
Wälder das erste mal mit eigenen Augen morer Lande Hilfe zu suchen. Die Götter sen hatten, wussten von noch viel schreck-
gesehen. waren ihr gnädig, denn sie stieß einige licheren Schandtaten ihres ehemaligen
Während der Beratungen ergaben sich Meilen hinter Aran auf eine Abordnung Lehensherren zu berichten. Mit großer
schon bald ebenso überraschende, wie des Ordens vom Zorne Rondras. Unter Überraschung und Unbehagen mussten
erschreckende Erkenntnisse. Die Schlie- Führung des Großmeisters Adran von die Ratsteilnehmer erfahren, dass sich nie-
ßung der Winhaller Südgrenze war mit- Bredenhag und des Wächters Alysdair ui mand anderes als Muiradh für die bedroh-
nichten auf Befehle der Gräfin Rhianna Clandryn waren die Streiter der Göttin un- liche Ausweitung der roten Wälder ver-
Conchobair zurückzuführen. Einzig und terwegs in die Grafschaft Winhall. Sie antwortlich zeichnete, die seit Monaten
allein der Niamorer Baron Muiradh von wollten prüfen, wie es um ihre Feste Clach Angst und Schrecken im Nordosten des
Niamor-Jasalin zeichnete sich dafür ver- Taigh bestellt war, von der seit vielen Königreiches verbreitete. Unter Anleitung
antwortlich. Er wollte mit dieser Aktion Wochen keine Nachricht mehr nach Rath eines finstereren Druiden hatten er und
offensichtlich seine vielen anderen Nyallin drang. Zusammen ritten Laille seine Familie seit Jahrzehnten götter-
Schandtaten vor den Augen der Öffent- und die Ordenskrieger auf Schleichwegen lästerliche Rituale vollzogen. Diese bös-
lichkeit verbergen. Richtung Feyrenwall. artigen Machenschaften, welche bis zur
Die Baronin führte die Rondrianer über Regentschaft Muiradhs isoristischer Mut-
Die Umtriebe des bleichen Muiradh Geheimgänge in den Kerkertrakt der ter zurückzureichen schienen, hatten nur
Bereits im Tsa war eine größere Schar Burg, wo mittlerweile erbittert gekämpft ein Ziel: die unheilvolle Beschwörung
von Söldlingen des Barons von Neu- wurde. Kieran Albenbluth, ein Cousin des einer machtvollen Wesenheit aus dem
wiallsburg aus in Aiwiallsfest eingefallen Barons von Niamor, der vor einigen Mon- Feenreich. Durch eine schreckliche Un-
und hatte überraschend die wenigen dort den die Baronin von Windehag geehelicht tat wollte der skrupellose Muiradh nun
stationierten Streiter des Hauses Fen- hatte, gelang es mit wenigen Getreuen, die den letzten Schritt zur Herbeirufung der
wasian überfallen und niedergemacht. Die Inhaftierten zu befreien. Doch die Scher- Fee vollziehen. Der Baron plante die Op-
Festen Tommelgau und Aiwiallsfest wur- gen des Barons hatten die Inhaftierten und ferung seiner eigenen Tochter!
den von Niamorer Kräften besetzt. ihre Befreier schon bald entdeckt und ein- Wie sich im Verlauf des Baihirs her-
Nachricht darüber erreichte die Ober- gekreist. Bald wäre den Fenwasian und ausstellte, schien es sich bei diesem Feen-
häupter der Familie Fenwasian erst Wo- ihren Befreiern ein übles Ende bereitet wesen um einen gefährlichen Gegner der
chen später. Zusammen mit geringer Be- worden, hätte die Geweihte Katheera nicht Farindel selbst zu handeln, was das die
deckung aus eigenen Reihen, sowie be- den göttlichen Segen der Travia über den Aggressivität des Waldes und der Tiere in

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den Grenzbreichen zwischen Rotem und dem ketzerischen Verrückten um nieman- mor-Jasalin tatsächlich um die Beschwö-
Grünem Wuchs erklären mochte. den anderen handelte, als den von ihr ge- rung eines gefährlichen Feenwesens, das
suchten Inquisitor Elias. offenbar seit Ewigkeiten auf dem Grund
Nachricht aus Aiwiallsfest des Niamorer Moores gefangen war. Die
Andere Teilnehmer des Rates brachten Von Magiern und Geweihten Ausbreitung der Roten Wälder und aller
Neuigkeiten aus Aiwiallsfest, wo die Auf dem Baihir waren auch eine Rei- Unbill, die damit einher gegangen war,
Schergen des Niamorers offenbar noch he von Geweihten und Zauberkräftigen hatte seinen Ursprung in der Tag für Tag
mit anderen Gegnern zu kämpfen hatten, erschienen, sie hatten seit langen Mona- stärker werdenden Präsenz dieses Mon-
als mit versprengten Rittern der Fenwa- strums. Allen Anschein nach stand eine
sian. letzte große Zeremonie zur Befreiung die-
Eine mehrhundertköpfige Schar von ses Ungeheuers kurz bevor! Muiradh war
Anhängern des geheimnisvollen Predi- nach Aussage seiner Gattin dem Wahn-
gers, welcher seit dem Winter für so man- sinn anheim gefallen, er erwartete sich
chen Aufruhr unter den Bauern Albernias von der befreiten Monstrosität unendliche
gesorgt hatte, war nach Aiwiallsfest ein- Macht und war sogar bereit seine Tochter
gedrungen. Ein Hauptteil dieser Leute dafür zu opfern.
hatte sich offenbar schon bald in den Rui- Aber Magier und Geweihte vermoch-
nen von Barras Gorbal, denen der Sekten- ten den Anwesenden auch Hoffnung zu
führer irgendeine wirre Bedeutung beizu- machen. Sie hatten deutliche Hinweise auf
messen schien, breitgemacht. Dort, in Gegenspieler des beschworenen Wesens
Sichtweite des Farindel, lauschten die gefunden. Feen die in verschiedenen
landflüchtigen Bauern den verrückten Quellen als die drei Schwestern be-
Hetztiraden des Predigers, die sich nannt wurden, waren von Farindel
hauptsächlich gegen die Verehrung der dazu ausersehen worden, die Macht
Feenwelt richteten. des Widersachers einzudämmen
Zu den Prominentesten Opfern der und ihn auf dem Grunde seines
Sekte schien Ghuno ui Niamad, ein Verlieses zu halten. Diese drei
Sohn des Barons von Otterntal zu mysteriösen Schwestern schienen ihre
gehören. Ein Befreiungsversuch Wachten schon lange verlassen zu haben.
unter Führung der Gattin des Ba- Es gab jedoch diverse Hinweise, die ver-
rons misslang, die Befreier, unter denen sprachen hinter das Geheimnis ihres Ver-
sich auch eine Schar Thorwaler befand, schwinden zu führen. Bald kam man zum
wurde von der Sekte gefangen. Einer Schluss, dass der einzige sichere Weg die
glücklicherweise kurz darauf eintreffen- dunkle Macht des Drachen, wie man den
den Expedition der Inquisita Praiosmin dunklen Widersacher in Anlehnung an das
Ehrwald gelang es die Otterntaler zu be- Muiradh Niamorer Wappentier bald nannte, einzu-
freien, bevor diese ein Opfer der reinigen- dämmen darin bestand, das Geheimnis der
den Flammen wurden (siehe auch den von Niamor Schwestern aufzuklären, diese Wesen zu
umseitigen Bericht VOGELFREI!). Die In- finden und sie wieder ihren alten Aufga-
quisita war ausgezogen, um nach dem seit ten geforscht um die Geheimnisse der ben zuzuführen.
langen Monaten vermissten Inquisitor roten Wälder aufzudecken und nicht we-
Elias Telisar Machera da’Navarra zu su- nige der ihrigen hatten dafür mit dem Von den Räten
chen, ein Auge auf die bedrohlichen Ver- Leben bezahlt. Schnell kamen unzählige unterschied-
änderungen der Umwelt zu werfen und Besonders hervorzuheben sind die jun- liche Informationen zusammen, die den
gegen die ketzerische Sekte vorzugehen, ge Hesindegeweihte Scia Coîonbachair Einzelnen in ihrer Fülle nur verwirren
welche Teile von Bredenhag, Winhall und sowie die Druidin Inaya, die Gemahlin des konnten. So war es nun am Kanzler der
Honingen unsicher machte. Reichsedlen Leomar von Schüttrand zu Königin zu bestimmen, dass drei Räte
Gemeinsam gelang es Inquisita und Lileyan. Sie versorgten den Rat mit einer gebildet werden sollten, die sich im De-
Otterntalern den Sektenführer zu fangen Vielzahl wichtiger Informationen. Zu- tail mit den offenen Problemen zu befas-
und nach Glydwick zu schaffen. Praios- nächst erhärteten sie die Sorgen, welche sen hatten und ihr Ergebnis später der
min Ehrwald musste dabei mit großer die Niamorer Überläufer in die Runde ge- Allgemeinheit vortragen sollten.
Überraschung erkennen, das es sich bei bracht hatten. Es ging Muiradh von Nia- Im Madarat mühten sich Zauberer und

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Geweihte die Geheimnisse, die sich um kommen lassen wollte. Auf Exkursionen ins Feindgebiet
die Schwestern rankten zu lüften. Im Waf- Durch die Arbeit des Waffenrates wur- konnten die Mitglieder des Waffenrates
fenrat war alles fähige Kriegsvolk zusam- de bald klar, dass sich die überraschende außerdem erkennen, wie grausam die
mengekommen. Hier sollte geklärt wer- militärische Stärke des Niamorer Barons Macht des Drachen mittlerweile im Nia-
den welche militärischen Mittel dem Ba- auf eine Schar von Söldlingen zurückfüh- morer Hinterland wütete. Ganze Dörfer
ron von Niamor zur Verfügung standen ren ließ, die anscheinend seit dem Bür- waren entvölkert worden und immer wie-
und mit welchen Hindernissen man bei gerkrieg im Farindel verschollen gewesen der stieß man auf schreckliche Feen-
der Vereitelung seiner Pläne zu rechnen waren und erst kürzlich auf Niamorer Bo- kreaturen. Als unüberwindliches Hinder-
hatte. Als drittes wurde ein Inquisitions- den wieder aus dem Wald herausgefun- nis stellte sich das Zentrum des Übels, das
rat zusammengerufen. Unter Führung der den hatten. Die Jahre des Umherirrens Moor von Niamor, heraus. Mutige Rek-
Inquisita Praiosmin Ehrwald sollte das schienen dabei spurlos an ihnen vorbei- ken die sich dorthin aufmachten, schaff-
gefangene Oberhaupt der ketzerischen gegangen zu sein. Geführt wurde die Ban- ten es nur mit Müh und Not dem harten
Sekte verhört werden. Trotz des offen- de von einer gewissen Rahjanna von Griff verhängnisvoller Einflüsterungen
sichtlichen Wahnsinns des ehemaligen Fairnhain, Spross der einstigen Herren der und bösartiger Kreaturen zu entkommen.
Inquisitionsrats Elias hatte die Inquisiti- Baronie Fairnhain. Eine verfluchte Iso- Eine weitere wichtige Neuigkeit brach-
on Hoffnung, wertvolle Informationen aus ristenfamilie die in den Schlachten des ten die Krieger zurück zum Baihir. Sie
seiner Befragung zu gewinnen. Die Bürgerkriegs ausgelöscht wurde. Mui- hatten die Tochter des Niamorer Barons
Inquisita regte ebenfalls einen Praios- radh, dessen Mutter damals immerhin gefunden. Offenbar hatte der Baron von
dienst an, mit dem sie den gepeinigten eine Verbündete der Fairnhainer gewesen seinem Plan sie dem Drachen zu opfern
Seelen der Niamorer, die sich von ihrem war, gelang es, Rahjanna und ihr Gefolge abgelassen. Wie sich aus dem Verhör des
Herrn abgewandt hatten, Läuterung zu- auf seine Seite zu ziehen. Kindes herausstellte, hatte er ein neues

Vogelfrei!
OTTERNTAL. Nicht nur in Kreisen des gem Suchen fanden sie ihre Befürchtun- verhindert wurde. Jedoch wollten sich
Adels wurde durch Boten des Otterntaler gen bestätigt, hatte sich der Junge doch die irregeleiteten Jünger des einstigen In-
Barons bekannt, dass sich letzterer von in der Tat dem von den Göttern verlasse- quisitionsrates da Navarra nicht so leicht
seinen ältesten Sohn Ghuno Ui Niamad nen Sektenführer Elias Telisar da Navarra ihre Opfer entreißen lassen und so kam
in Zorn und Schmerz losgesagt hat. angeschlossen. es zu einem unerbittlichen Kampf. Nach
Es kam sogar so weit, dass die Ottern- den späteren Aussagen einer Kronen-
Zeugenaussagen zufolge hatte der talerin, ihr Bruder und die Recken aus ritterin habe sich der Otterntaler Sohn
dreiundzwanzigjährige Erbe die Resi- Thorwal trotz unermüdlicher Bemühun- im Gefecht eine schwere Brandverlet-
denz seiner Familie nach einem hefti- gen seitens des Burggrafen bei einem er- zung im Gesicht zugezogen und sei in
gen Streit verlassen. Als er nach Tagen sten Zusammentreffen in elendige Gefan- den Wirren des Kampfes geflohen. Seit-
nicht zurückgekehrt war, wurde Bedwyr genschaft der Sektierer gerieten. Mit Ent- dem sei er spurlos verschwunden.
Ui Niamad und seiner Gemahlin Sylma- setzen musste die Redaktionsstube erfah- Die Nachricht von den Untaten des
da zugetragen, dass sich ihr Sohn wo- ren, dass jener Sprössling des Otterntaler eigenen Sohnes riefen bei der Heimkehr
möglich jenem irrsinnigen Prediger zu- Barons dabei seiner Stiefmutter die Rei- Sylmadas und des Schwagers heftigen
gewandt habe, der mit götterlästerlicher nigung ihres zwölfgöttlichen Glaubens Zorn bei dem Otterntaler Baron hervor,
Rede durch das nördliche Albernia ge- durch Feuer am eigenen Leibe verheißen so dass er seinen Ältesten vor Zeugen
zogen war und dabei eine nicht zu un- haben soll. verdammte und für vogelfrei erklärte. So
terschätzende Anzahl Anhänger um sich Nur dem mutigen und praiosgefälligen entsendete er zudem Boten in eine jede
geschart hatte. Einschreiten Ihrer Hochwürden Praios- Baronie Albernias mit dem zusätzlichen
Die Spur des Ghuno führte nach Nor- min Ehrwaldt in Begleitung einiger Son- Wortlaut, dass ein jeder, der Ghuno Ui
den, woraufhin ihm die Stiefmutter in nenlegionäre und Ritter der Krone, wel- Niamads habhaft werde, ihn der Ge-
Begleitung ihres Bruders, des Burggra- che in höchster Not und zum rechten Zeit- richtsbarkeit übergeben oder auf der
fen von Abagund Niamad Ui Bennain, punkt ebenfalls den Weg zu der Sekte nach Stelle erschlagen möge.
sowie einigen befreundeten Recken aus Aiwiallsfest gefunden hatten, ist es zu ver- Raike Branninger
thorwalschen Landen, folgte. Nach lan- danken, dass hier ein grausames Morden (gm)

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Opfer gefunden und dieses auch bereits hatte sich angeblich erst aus den Tränen mernde Moraine Stepahan.
mit sich ins Moor geschleppt. Es war nie- der drei gebildet. In gefährlichen Questen Als Muiradh mit bestialischem Fau-
mand anderes als Moraine Stepahan, die hatten Zauberer, Geweihte und Krieger chen der nahenden Feinde gewahr wur-
junge Verlobte des Niamorer Thronfol- nach Wegen gesucht den Fluch der auf de, warfen seine Helfershelfer ihre Kut-
gers, welche seit dem vergangenen Som- den drei Feen lag zu brechen und nun zo- ten beiseite unter denen Rüstungen schim-
mer auf Burg Feyrenwall lebte. gen alle Teilnehmer des Baihirs aus nach merten. Es handelte sich bei ihnen um die
Die weisen Forscher des Madarats ar- Niamor, um die Schwestern mithilfe der engsten Vertrauten aus der Ritterschaft des
beiteten währenddessen eiligst daran, hin- gefundenen Erkenntnisse zu befreien. Barons. Übles Gesindel, das der verruch-
ter die Geheimnisse der drei Schwestern Doch die Niamorer Lande steckten ten Familie schon seit Jahrzehnten auf
zu kommen. Bald schon machten sie sich voller Gefahren, das mussten die Streiter ihren dunklen Pfaden gefolgt war. Todes-
auf die Suche nach einem Artefakt das bei wider Muiradh erfahren, als sie sich schon mutig warfen sich diese wenigen der ge-
der Erweckung der Feen hilfreich sein fast am Ziel wähnten. Während die Zau- waltigen Übermacht entgegen, die den
sollte. Hierzu mussten sie gar eine gefahr- berer noch versuchten ihre Rituale zu voll- Schwestern hierher ins Moor gefolgt war.
volle Expedition in die nördlichen Wäl- enden, griff plötzlich eine Meute Niamo- Einige vorschnelle Tapfere waren sofort
der Neuwiallsburgs unternehmen. rer Söldlinge an, die sich offenbar unweit vorgesprengt um die Junge Moraine aus
Die Bemühungen der Baihirteilnehmer nördlich des Weihers, beim Gut Alben- den Klauen des Bösewichts zu befreien,
wurden immer wieder gestört. Verräter bluth versteckt hatten. Doch die Schergen doch ihre Körper prallten schmerzhaft von
und Verschwörer taten alles, um den Fein- des Barons von Niamor wurden schließ- einem Bannkreis ab, der den Opferaltar
den es Niamorers Steine in den Weg zu lich mit vereinten Kräften besiegt und so weiträumig umschloss.
legen. So wurden die Mitglieder des Ma- konnte auch das Ritual vollendet werden. Muiradh erkannte nun die drei Feen,
darats von einer zwielichtigen Kräuterfrau die sich ihm mit langsamen Schritten nä-
vergiftet und verhext. Das Sektenober- Der Fall des Drachen herten. Sie hatten sich bei den Händen
haupt konnte zeitweilig von Anhängern Unter den erstaunten Blicken der Ver- gefasst und ein seltsam bedrückender
aus dem Inquisitionsrat befreit werden. sammelten wandelten sich die verwitter- Singsang drang aus ihren Kehlen. Der
Der Baron von Gemhar fiel sogar einem ten Steine inmitten des alten Weihers zu- Baron schien die Nähe der Wesen kaum
hinterhältigen Attentat zum Opfer, ausge- rück in die anmutigen Feen die sie einst ertragen zu können. Er schien wahrhaftig
führt von seinem eigenen Sohn! Die Ba- waren. Die drei Wesen führten die illu- dem Wahnsinn verfallen, denn kaum ein
ronin von Orbatal wurde als Anhängerin stre Gesellschaft über zehn Meilen weit verständliches Wort entsprang noch sei-
einer dunklen Verschwörung entlarvt und Nordwärts. Bis zum Moor und dann auf nen Lippen, nur fürchterliches Kreischen.
festgesetzt. Was die genauen Hintergrün- vorher unerkannten Pfaden weiter, bis Dann entstand plötzlich Aufruhr in den
de dieser zwielichtigen Gestalten waren zum Zentrum des Übels. Unbekannte hinteren Reihen. Wie aus dem Nichts fiel
und inwiefern sie mit dem Baron von Nia- Kräfte schienen sie direkt zu dem Ort zu eine größere Schar Angreifer über die tap-
mor verbunden waren, drang bisher noch führen an dem der bleiche Muiradh sein feren Streiter her. Sie waren gewandet im
nicht an die Öffentlichkeit. dunkles Ritual zu vollenden plante. Die unheilvollen rot-schwarz des Niamorers.
Ausgeburten des Roten Waldes welche Zweifelsohne handelte es sich um seine
Die Befreiung der drei Schwestern vorangegangenen Expeditionen das Le- Schergen, die auf der Wachenburg aus-
Der Rat der Zauberer und Geweihten ben schwer gemacht hatten schienen nun geharrt hatten. Offensichtlich waren sie
fand schließlich heraus, wohin die myste- vor der Kraft der Feenschwestern zurück- der Gemeinschaft heimlich ins Moor ge-
riösen drei Schwestern verschwunden wa- weichen. Selbst die Niamorer Söldlinge folgt. Ein harter Kampf entbrannte, in dem
ren. Sie hatten vor Ewigkeiten ihre Wacht- auf der nahe des Moors gelegenen Wa- die Schergen des Barons versuchten die
plätze, die in Wäldern auf dem Gebiet des chenburg schienen sich nicht zu trauen, drei Feenschwestern daran zu hindern
heutigen Neuwiallsburgs lagen, verlassen die sicheren Mauern ihrer Feste zu ver- Muiradhs Ritual zu stören. Wieder war ein
und waren nach Osten gezogen. Doch nur lassen. schreckliches Fauchen aus der Kehle des
unweit des Moores auf dessen Grund das Schließlich erreichten die Streiter den verdammten Barons zu hören. Er hieb mit
Wesen gefangen war, das sie bewachen Ritualplatz, eine braunrote, matschige einem Dolch auf sein armes Opfer ein.
sollten, hatte sie der Fluch der Farindel Lichtung hinter der sich im Zwielicht eine Ihr Wimmern wich gellenden Schmer-
ereilt. Ob ihres Verrats wurden die drei Felsformation auftat. Inmitten der düste- zensschreien und plötzlich war deutlich
versteinert und ihre zur Unkenntlichkeit ren Lichtung stand der Baron von Niamor. die Anwesenheit einer neuen Präsenz zu
verwitterten Körper sind noch heute in Der in schwarze Umhänge gehüllte Albi- spüren. Für einen Moment hielten die
einem Weiher beim Ort Albenhain, im no wirkte fast geisterhaft. Er war umringt Kämpfer inne. Überderisches Krächzen
Niamorer Hinterland zu finden. Dieser von einer Schar Gehilfen und vor ihm, auf übertönte jedes Geräusch, ein Schatten
Weiher, dessen Wasser salzig schmeckt, einer Art Altar, lag aufgebahrt die wim- zuckte innerhalb des Bannkreises hin und

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her. Der Baron wähnte sich am Ziel sei- überströmt auf dem Altar lag. Im letzten seines dunklen Kerkers. Die drei Schwe-
ner widerlichen Bestrebungen. Doch nun Moment konnte das Mädchen durch die stern hatten unsere Welt nicht verlassen,
wurde auch der Gesang der Schwestern Heilzauberei eines Magiers gerettet wer- es bestand aller Anlass zur Hoffnung, dass
lauter. Sie traten in den Bannkreis, direkt den. sie in ihre verwaisten Wachten in den Wäl-
auf den kreischenden Schatten zu, der sich Die Suche nach dem entschwundenen dern Neuwiallsburgs zurückgekehrt wa-
ihnen in einem magischen Kampf zu stel- Muiradh blieb erfolglos und auch einer ren, so erklärten es einige der mitgerei-
len schien. Währenddessen hielt es der üblen Ritterin des Barons war offenbar die sten Magier.
bösartige Baron nicht mehr in der Nähe Flucht gelungen. Nur einen Erfolg gab es Es bleibt uns nun zu hoffen, dass der
der Schwestern aus. Er floh aus dem zu verbuchen, ausgerechnet die Ritterin bleiche Baron Muiradh vom düsteren
Bannkreis und da fast alle guten Streiter Laria von Albenbluth-Lichtenhof, welche Moor gefressen worden ist. In Glydwick
sich entweder dem Angriff der Schergen mit der Baronin Laille und Kieran von wurde der Baihir nach der Rückkehr der
des Barons erwehren mussten, oder wie Windehag die Seite des finsteren Muiradh tapferen Streiter fortgesetzt, denn es gab
gebannt auf den Kampf der Feen starr- verlassen hatte, hatte sich auf die Fährte noch viele offene Fragen zu klären. Al-
ten, gelang ihm die Flucht ins düstere des Barons begeben und im Moor den lein darüber wie mit den übergelaufenen
Moor. magischen Ring gefunden, mit dem er den Niamorern zu verfahren sei, stritten sich
Die Schergen des Barons wurden be- Kreaturen des roten Waldes befohlen hat- die Geister. Nicht jeder war bereit sie als
siegt und bald schon schienen die drei te. Die Ritterin übergab das Artefakt vor Freunde zu akzeptieren.
Feen den roten Schatten zu bezwingen. aller Augen an Alysdair ui Clandryn dem Mit Sorge müssen wir auch erkennen,
Sein Kreischen wurde leiser und schwä- Wächter des Ordens vom Zorne Rondras das die drei Burgen auf den Landen Nia-
cher und schließlich fuhr der Schatten mit und zeigte so deutlich das jene Niamorer, mor und Neuwiallsburg, immer noch in
einem letzten Stöhnen in das dunkle Erd- welche die Reihen Muiradhs verlassen den Händen der Schergen des ehemali-
reich. Kurz darauf verschwammen auch hatten, das Vertrauen der Albernier ver- gen Barons von Niamor sind. Es ist zu
die Konturen der drei Schwestern, die bald dienten. bezweifeln, dass dieses Gesindel sie
vor den Augen aufrechten Streiter ver- Bald nun verließen die tapferen Strei- kampflos aufgeben wird. Wir werden die
schwanden. So ergriffen waren die Ver- ter das lebensfeindliche Moor, um sich geneigte Leserschaft über weitere Ent-
bündeten von der Szenerie, dass es ihnen zurück nach Glydwick zu begeben. Der wicklungen im Nordosten auf dem lau-
fast zu spät einfiel sich um die junge Mo- Plan des bösartigen Muiradh war durch- fenden halten.
raine zu kümmern, die immer noch Blut- kreuzt und der Drache wieder am Boden (mb)

Tiefe Trauer in Tommeldomm


Baronin Gwynna von Kataryn verstorben
TOMMELDOMM. Nach längerer Krankheit verstarb vor ei- Vor drei Tagen nun ist die bereits schon vorher geschwäch-
nigen Tagen die letzte Baronin des kleinen Landes Tommel- te Dame ihrem Leiden erlegen. Mit großer Trauer hat die
domm. Hat die im benachbarten Nostria ausgebrochene Tommeldommer Bevölkerung – allen voran ihr Vogt Knut
Keuche damit etwas zu tun? Wer wird ihr Nachfolger auf Knallfaust – vom Tod ihrer letzten Baronin erfahren. Damit
dem Tommeldommer Thron? starb die letzte ihres Geschlechtes derer zu Kataryn und alle
Tommeldommer fragen sich nun, wer wird den verwaisten
Wie bereits in der letzten Ausgabe der Havena-Fanfare Thron besteigen und neuer Baron oder neue Baronin ihres
berichtet, hatte sich der Gesundheitszustand der letzten Ba- Landes werden?
ronin Gwynna von Kataryn zu Tommeldomm dramatisch Dieses weiß wohl keiner besser als der Vogt Knut Knall-
verschlechtert. Schnell kam in der Bevölkerung die Angst faust, doch der Thorwaler hält sich bedeckt. Er meinte nur,
auf, die alte Frau sei Opfer der im benachbarten Nostria es wäre alles geregelt, doch möchte er erst einmal die Trauer-
grassierenden Keuche geworden. Erste Anzeichen der feierlichkeiten abwarten und sich danach Gedanken über
Krankheit sprachen auch im ersten Moment dafür, doch der eine Nachfolge hier in Tommeldomm machen. Aber es wird
Leibarzt gab schnell Entwarnung. Die Baronin leide unter eine Überraschung geben, versprach der derzeitig erste Mann
einer schweren Grippe. der Baronie. (md)

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Traurige Hochzeit in
TOMMELDOMM . Nach-
Tommeldomm möglich sein konnte, dass
dem schon alle Tommel- sie zum letzten Mal ihren
dommer sich auf eine Märchenhochzeit erte nur einige Minuten, da kam der Thor- Mann sehen würde, wenn es zu einem
in ihrem Lande freuten, holten sie die waler leichenblass wieder in den Saal. Die bewaffneten Konflikt zwischen den bei-
aktuellen Geschehnisse der hohen Poli- Musik verstummte und alle starrten auf den Reichen kam, doch jeder betete für
tik auf den Boden der Tatsachen zurück. den Vogt. Dieser hob die Hand und ver- den Thorwaler und ihrem geliebten Vogt,
Es sollte die Märchenhochzeit seit lan- kündete: „Ich habe soeben erfahren, dass dass er wohlbehalten zurück kam. Eng-
gem werden in Tommeldomm, doch der der Konflikt zwischen unserem geliebten umschlungen verließ das frisch vermähl-
Konflikt zwischen Albernia und den Albernia und dem benachbarten Nord- te Paar den Saal und ging hinaus. Dort
Nordmarken ließen diesen Wunsch wie marken zu eskalieren droht. Man hat an wartete schon die Leibgarde Knut Knall-
eine Seifenblase zerplatzen. der Grenze zu unserem Königreich Trup- fausts auf ihren Pferden. Ein jeder wusste
Schon einen Tag vor der Hochzeit zwi- pen zusammen gezogen und laut unserem wie ihrem Vogt zumute war und niemand
schen Vogt Knut Knallfaust und Eillyn Herrn Marschall könnten sie in Albernia sagte ein Wort. Noch einmal fiel die jun-
vom Rauhen Berg herrschte reges Trei- einmarschieren und unser Land besetzen. ge Eillyn ihrem Knut weinend um den
ben im ganzen Tommeldommer Land. Nun sind alle Albernia aufge- Hals und schluchzte: „Ich
Man hatte die Gassen festlich geschmückt rufen, ihr Heimatland zu ver- werde auf dich warten!“
und der Perainetempel Albanshall in den teidigen und für unsere Frei- Dann gab er ihr einen lei-
Mufflon-Klippen erstrahlte im festlichen heit zu kämpfen.“ denschaftlichen Kuss, ging
Glanze. Plötzlich ging die Tür auf zu seinem Pferd und
Es war der 2. Ingerimm 1027 BF, als und herein kam ein Diener mit schwang sich in den Sattel.
sich das Brautpaar auf den Weg nach Alb- einer neuen Uniform über den „Wie gut, dass es dunkel ist,
anshall machte. Bereits jetzt jubelten ih- Arm. Er ging zu Knut Knall- dann sieht man wenigstens
nen die Bevölkerung euphorisch zu und faust und half ihm in die Jacke. nicht, dass ich heule wie ein
am Eingang des Klosters drängten sich Es war totenstill und jetzt blickten Schlosshund“, flüsterte Knut sei-
hunderte von Menschen, um das Paar zu alle auf die junge Braut, die eben noch nem Hauptmann zu, doch dieser nick-
begrüßen. Kein geringerer als der Abt des so freudestrahlend mit ihrem Mann ge- te nur. Noch einmal hob Knut die Hand
Klosters, Dunvallo von Albanshall, tanzt hatte. Die junge Frau schluckte und und hauchte seiner Braut einen Kuss her-
höchstselbst übernahm die Leitung der man sah ihr an, dass sie gegen ihre Trä- über, dann gab er seinem Pferd die Spo-
Hochzeitszeremonie. Laut Berichten von nen ankämpfte. Dann hielt sie es nicht ren und ritt mit seinen Leuten davon.
Gästen war es eine außergewöhnliche mehr aus, lief zu Knut und fiel ihm heu- Eillyn sah ihnen noch eine ganze Wei-
Hochzeitsfeier, bei der selbst der harte lend um den Hals. „Nein, du darfst nicht le nach, auch als die Gruppe längst in der
Thorwaler eine Träne aus dem Auge weg- gehen... du gehörst zu mir, ich will dich Dunkelheit verschwunden war. Nun kam
drücken musste, ganz zu schweigen von nicht verlieren!“ der alte Malortie zur neuen Vögtin und
seiner jungen Braut, die zu Tränen gerührt Der Thorwaler strich ihr sanft übers fasste ihr auf die Schulter. „Eillyn, Ihr
kaum das Ja-Wort herausbrachte. Über- lange Haar. „Aber Eillyn, mein Schatz, müsst hineinkommen, Ihr erkältet Euch.
glücklich verließen sie schließlich unter sei nicht traurig, ich bin doch bald wie- Bitte, kommt herein. Ich habe bereits die
den Klängen der berühmten Silberblatt- der zurück und dann holen wir alles nach. Gäste nach Hause geschickt. Ich nehme
Orgel den Tempel und wurden jubelnd Aber du musst verstehen, dass ich mein an, es war in Eurem Sinne.“
von den wartenden Gästen vor dem Ein- Land nicht im Stich lassen kann. Wir kön- Die junge Frau nickte und ließ sich
gang begrüßt. Der Tross setzte sich in Be- nen nicht zulassen, dass wir unter das Joch vom Hofmeister zurück ins Schloss füh-
wegung Richtung Neue Residenz in Tom- der Nordmarken kommen. Wenn du ren. Wachhabende berichteten, dass Eillyn
meldomm, hier hatte das junge Brautpaar wüsstest, wie gerne ich hier bei Dir blei- noch die ganze Nacht hindurch geweint
zu einer festlichen Hochzeitsfeier gela- ben würde... Ich verspreche dir, dass ich hätte und den ganzen nächsten Tag auf
den. so schnell wie möglich wieder zurück- ihrem Zimmer blieb, weil ihre Augen so
Gerade hatte es die Tanzfläche eröff- komme. Bitte weine nicht mehr!“ angeschwollen waren vom Abschieds-
net, als plötzlich ein Diener zum Vogt Plötzlich hörte man es im ganzen Saal schmerz. Doch es musste weitergehen und
kam, ihm etwas ins Ohr flüsterte und Knut schluchzen und alle fühlten mit der jun- sie war nun die neue Regentin Tommel-
Knallfaust hastig den Saal verließ. Es dau- gen Braut. Jeder wusste genau, dass es gut domms. (md)

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Die Baronie Lyngwyn (Alb-III-04)
von Andreas Kovermann
mit Dank an Kevin Gerhard für die Beschreibung des Dorfes Lyngwyn

Die Baronie für den eiligen Leser Wappen des Lehens: Schild schräglinks ge-
Landschaften: Karether Forst, Hohenfelser Mark, Angrims spalten (blau und silber)
Hain, Lyngwyn, Wiallainen, Kareth Wichtige Familien: Familie Helman, Familie
Gewässer: Tannwalder See im Südosten Kareth, Familie Wiallainen, Familie Toras-
Bevölkerung (1028 BF): 4600 (10% tobrische Flüchtlinge, Wiallainen
50% Elfen) Helden und Heilige: Niamad Ui Bennain (1. Fürst
Wichtige Dörfer: Lyngwyn (540), Niamadshus (280), der Bennaindynastie), der Zwerg Garban (legendärer Stein-
Wiallainen (280), Kareth (250), Lyllstein (200) metz)
Lehens- und Landesherr: Wundersame Orte: dún na tuathal, Angrimshain (speziell die
(bis BOR 1022 BF) Marschall Throndwig Raul Helman Gegend um das Elfendorf)
(danach) Rittmeister Reto Gerbald Helman Festtage: Die im Mittelreich üblichen, dazu (natürlich) der
Wappen des Herrscherhauses: Zwei silberumrahmte schwar- 16. Ingerimm (Vernichtung Havenas durch die Jahrhundert-
ze Balken auf blauem Grund flut) und Geburtstag von König und Königin

Zum Geleit ringe Bevölkerung, die im Wesentlichen in den drei großen


Orten entlang der Reichsstraße und im Nordwesten lebt.
„Geschmiegt an die Ingrakuppen im Südosten, und durch Wege, die diese Bezeichnung verdienen, gibt es in Lyng-
die Reichsstraße von Abilacht nach Elenvina nur zum Teil er- wyn außer der Reichsstraße wenige. Dennoch sind die Karren-
schlossen, liegt die Baronie Lyngwyn. Lichte Laubwälder im wege selbst in Herbst und Spätsommer in leidlich gutem Zu-
Nordwesten gehen in Mischwälder über, die um so verbotener stand. Bruchsteine und Schotter um die Schlaglöcher zu füllen,
erscheinen, je mehr man sich der Heimat der Zwerge nähert. gibt es hier, in der Nähe der Berge, genug.
Und Elfen und sogar Feen soll es hier geben, wie überall in Al- Anders ist das mit Erzen. Die wenigen Brocken Eisenerz
bernia und ganz besonders um meine Heimatstadt Winhall. Kurz abzubauen, die es hier gibt, lohnt den Aufwand kaum und über-
und gut – ein Zauber scheint über der Landschaft zu hängen, stieg die Kraft (und auch Börse) von so manchem der hiesigen
der es mir einfach machte, mich hier einzuleben, als ich im Adligen. Ja - oft genug hat sich eine für teures Geld von den
Hesinde des Jahres 21 nach Hal hierhin gelangte. Zwergen erworbene Konzession im Nachhinein als nahezu
Und, Wanderer, geht es dir wie mir, so versäume auf keinen wertlos herausgestellt. Dies ist um so verwunderlicher, als man
Fall, die stolzen Burgen und Gutshöfe in Augenschein zu neh- sich hier weniger als 100 Meilen – Vogelflug – von Xorlosch
men. Ja – auch ein Abstecher in den Roten Hahn in Kareth ist entfernt befindet.
zu empfehlen, wo allerlei interessantes Volk zu finden ist.“ Dennoch halten sich hartnäckige Gerüchte von großen Sil-
- Baron Throndwig Raul Helman ber- und Goldvorkommen und alle paar Jahre taucht tatsäch-
lich ein Stein mit kleineren Spuren dieser Metalle auf.
Von Bergen und Wäldern - Erste Eindrücke
Von Bewohnern und Geschichte
Die Wälder der Nordwestregion – ungefähr bis zu einer Li-
nie Kareth, Lyngwyn, Wiallainen – bestehen aus Forstbeständen, Viele Herren bestimmten die Geschichte der Baronie
die schon seit Jahrhunderten von den örtlichen Baronen und Lyngwyn, die ihre jetzigen Grenzen erst durch die Reichsgrund-
Edlen genutzt werden. Und derer gab und gibt es in dieser Ge- reform erhalten hat. Von den sechs örtlichen Baronien Baum-
gend viele. Einer Gegend, auf deren sanft rollenden Hügeln wassern, Tannwald, Hohenfels, Kareth, Lyngwyn und Wial-
allerlei Herden, wie Abilachter Fleckvieh und die unvermeidli- lainen wurden die letzten drei durch Beschluss Kaiser Retos
chen Schafherden zu finden sind. zur Baronie Lyngwyn zusammengeschlossen - die drei ersten
Das Bild ändert sich, kommt man nach Südosten. Dort, wo behielten ihre Selbstständigkeit. Die Reform in Lyngwyn war
jenseits des Tannwalder Sees die schroffen Spitzen des Ingram- freilich auch nur möglich geworden, da die Hauptlinien der al-
gebirges in die Höhe ragen, bestimmen urtümliche, kaum er- ten Adelsgeschlechter, die lange Zeit über Kareth und Wiallainen
schlossene Wälder die Landschaft. Auch bedingt durch die ge- geherrscht hatten, inzwischen erloschen waren.

12 Irdisches zu Albernia
Doch auch die Linie des Barons von Lyngwyn an den ihr findet. Doch das scheint hier kaum einen Unterschied zu ma-
Besitz gefallen war, sollte die anderen nur um dreißig Jahre chen, denn auf Altalbernisch bedeutet dieser Name „Festung
überleben. Roban, der älteste Sohn des Barons, fiel bei der der Nordländer“, vielleicht doch ein Hinweis auf das Wirken
Schlacht von Jergan, sein Bruder Brendan acht Jahre später an der Thorwaler?
den Trollzacken. Der Baron selbst wurde während des Alber-
nischen Bürgerkrieges von Answinisten erschlagen. Ungeach- Ort und Region Kareth
tet dieser eher individuellen Geschichte, bleibt zu vermerken, Obwohl Kareth bis zur Reichsgrundreform eine selbständi-
dass die Baronien der Region alle Höhen und Tiefen der Alber- ge Baronie unter der Familie von Kareth war, zählte der Haupt-
nischen Geschichte mitgemacht haben.An der Grenze der al- ort mit seinen Handwerkern, den vier kleinen Höfen und dem
ten Nordmarken des Bosparanischen Reiches gelegen, kamen großen Hof der Baronsfamilie schon damals kaum 200 Ein-
die ersten Siedler im Zuge der Besiedlung Honingens und wohner. Auf dem Gebiet der ehemaligen Baronie finden sich
Abilachts in diese Gegend. Und auch die Thorwalerüberfälle auch sonst nicht viele Menschen. Die etwa zwei Dutzend Höfe
im 1. bis 3. nachbosparanischen Jahrhundert, die selbst in der und die Handvoll Hirtenstellen verlieren sich in der Landschaft,
Nachbarbaronie Otterntal ihre Spuren hinterlassen hatten, gin- die immerhin fast die Hälfte der Fläche der Baronie ausmacht.
gen an diesem Ländchen nicht folgenlos vorbei. Rotes und blon- Bemerkenswert ist die große Anzahl von Waldbauern, die
des Haar sieht man, trotz der Nähe zum Isenhagschen viel und sich vornehmlich im Karether Forst finden. Insgesamt zählt die
der urtümliche Dialekt, der sich abseits der großen Orte erhal- Region wohl 750 Seelen.
ten hat, erinnert ans Seenländische. Fremde aus anderen Teilen BESONDERHEITEN: Eine Empfehlung der besonderen Art ist
des Reiches jedenfalls - vor allem jene, deren Heimat östlich der Rote Hahn, ein Waldgasthaus am Rande Kareths, von wo
des Kosch liegt - werden eine gewisse Zeit brauchen, um den ein Pfad praioswärts zum Wohnturm der Kareths führt. Sein
Sinn bestimmter Ausdrücke zu verstehen. rustikaler Stil lädt zu einem längeren Verweilen. Der Wirt Ektor
Connairson, ein alternder Söldner aus Winhall, braut hier zu-
Von Orten und Weilern - Streifzüge durch Lyngwyn sammen mit seiner Tochter Tika sein weitgerühmtes Bier.
Neben Mythan von Kareth, dem neuen Edlen der Region,
Ort und Region Lyngwyn trifft man hier so schillernde Gestalten wie den Halbelfen Gildo
Keine drei Wegstunden von Abilacht in Richtung Traviarim Sternensang genannt Rotjacke, sowie den Bänkelsänger Joswig
liegt das kleine Städtchen Lyngwyn, ein eher beschaulicher Ort aus Wiallainen. Beide kennen die Region und bringen so man-
mit typisch abagundschen Fachwerkbauten. Mehr als die Hälf- che Neuigkeit in den Roten Hahn.
te der Einwohner sind Handwerker mit ihren Familien. Der Rest Auf halbem Weg zum Karether Turm gelangt man zum Guts-
verteilt sich auf über ein Dutzend kleine und mittlere Höfe, hof derer von Kareth, welcher der Familie seit Generationen zu
sowie den großen Hof des Freibauern Torkyn. eigen ist. Nach einer Wegstunde erhebt sich schließlich ein trut-
Letzterer ist ein gutes Beispiel für die Holzschnitzkunst in ziger alter Turm auf der Spitze eines steilen Hügels. Schon von
der Region und wem einige Minuten Fußmarsch nichts ausma- weitem zeugt der an die dreißig Schritt aufragende viereckige
chen, dem sei empfohlen, einen Blick auf die kunstvoll ge- Turm aus Koschbasalt von seiner Wehrhaftigkeit und seit er im
schnitzten Holzgiebel des Haupthauses zu werfen. Besitz der Familie Kareth ist, wurde er noch nie erobert.
Das Land um den Ort ist das bevölkerungsreichste Gebiet Bis zum Winter 1026 BF lebte Baron Gugi Ronem el´Kara,
der Baronie. Hier finden sich vier Dutzend Gehöfte, darunter der 1022 BF geflüchtete Baron von Arbasien (Markgrafschaft
der Gutshof des Freibauern Ronnelyn. Hinzu kommt eine in- Beilunk), mit einer kleinen Schar von Getreuen aus seiner Hei-
tensive Nutzung als Weideland. Auch der Wald direkt südlich mat hier. Gugi Ronem hatte einen hohen Preis im Krieg be-
von Lyngwyn, Angrims Hain genannt, wird von einigen Wald- zahlt. Die letzten Jahre dämmerte er dahin und träumte von
bauern bewirtschaftet. Alles in allem haben Ort und Region alten Zeiten, wenn ihn sein Freund und Waffengefährte aus
Lyngwyn wohl 1400 Einwohner. Bürgerkriegszeiten, Alt-Baron Throndwig Helman, besuchte.
BESONDERHEITEN: Nicht ganz drei Meilen von Lyngwyn in Schließlich zog die Familie aber zu ihrer Tochter in den
südöstlicher Richtung findet man auf einem kleinen Hügel an Kosch, weit ab von allem Schmerz und traurigen Erinnerun-
dessen Fuß Garbans Pfad weiter nach Burg Lyllstein führt, die gen, um einen neuen Anfang zu versuchen.
Überreste einer alten hölzernen Fluchtburg, von der Satinavs Der Wohnturm der Familie Kareth kann auf eine bewegte
Hörner nur ein planiertes Karree und die Reste von Wällen übrig Geschichte zurückblicken. Gebaut bereits zur Zeit der
gelassen haben. Thorwalerüberfalle (89-291 BF) durch die Barone von Kareth,
Jenes Feld erinnert an die Glydwicker Trollborch, trägt je- wurde er erst gegen Ende dieser Zeit im Jahre 270 BF fertigge-
doch den Namen dún na tuathal (dun na tu-aly), was sicherlich stellt, sodass er nur einmal tatsächlich einem Überfall stand-
nichts mit dem Wort „Düne“ – Thorwalsch dun – zu hat, den halten musste.
man in manchen Ortsnamen entlang der Thorwalschen Küste In späteren Jahrhunderten erfüllte er so manche Funktion,

Irdisches zu Albernia 13
jedoch selten die des Wohnsitzes der Familie Kareth, die es Gut Silberstein, ehemals das zweite große Gut derer von
vorzog, auf ihrem Landsitz zu residieren. Wiallainen. Mit Erlaubnis des Barons hat sich dort ein Ordens-
Heute findet sich auf dem fünfzehn Schritt hohen und felsi- banner – 15 Mann – des Ordens der Schwerter zu Gareth ange-
gen Hügel nur der Turm selbst, an dessen südwestlicher Seite siedelt. Verwaltet wird das Gut durch Hauptmann Gleánu uì
sich seit kurzem (ab Frühling 1027 BF) ein dreistöckiger An- Berycáin seit Vogt Ordhan von Schnittingen-Brüllenbösen 1022
bau anlehnt, und eine heruntergekommene, der Höhenlinie fol- BF in der dritten Dämonenschlacht verschwand.
gende Holzpalisade. Der Koschbasalt aus den Überresten der Das Gut ist eine kleine Anlage, zu dem neben Stallungen
alten Schmiede und der alten Stallungen fand im Erdgeschoss und einer Scheune auch etwas Acker- und Weideland in der
des Anbaus, den neuen Stallungen, Wiederverwendung. Die Umgebung gehört. Seit der Orden das Gut im Jahre 1017 BF
zwei folgenden neuen Stockwerke bestehen indes aus Fach- übernommen hat, hat sich einiges getan. Der einstmals verwahr-
werk und geben dem ansonsten abweisendem Turm nicht nur loste Eindruck, den das Gut machte, ist gewichen. Ein neuer
einen durch zahlreiche Fenster erhellten neuen Rittersaal und Anstrich und Umbauarbeiten haben aus dem Gehöft ein schmuk-
weit angenehmere Wohnräume für die Familie, sondern auch kes Anwesen gemacht, über dem das rot-schwarz-goldene Ban-
eine freundlichere Seite. ner des Ordens flattert.
Erst dieser Anbau macht Die ehemalige Bedeu-
das Gebäude wirklich zu tung jedoch wird Silber-
einem Wohnturm für die stein wohl kaum wieder er-
Familie. ringen, war es doch vor der
Auch die Palisade, soll, Reichsgrundreform der
so bald die Schatulle des Fronhof für viele Bauern,
Edlen es wieder zulässt, die sich nach der Neufest-
durch eine niedrige Mauer legung der Grenze auf
mit Zinnenkranz ersetzt Abilachter Gebiet wieder-
werden. Nicht zu verändern fanden. Insgesamt hat
ist indes der schmale Weg, Wiallainen bei der Reichs-
der sich auf das kleine Pla- grundreform nämlich
teau schlängelt. Reiter und nicht nur seine Selbstän-
schwere Fuhrwerke werden digkeit, sondern auch fast
es auch weiterhin schwer ein Drittel seines Territo-
haben, diesem Pfad ob sei- riums verloren.
ner starken Steigung und Burg Wiallainen nahe
scharfen Kurven zu folgen. der Nordgrenze der Ba-
Belohnt wird der Wanderer ronie Lyngwyn wiederum
nach dem anstrengendem Aufstieg jedoch nicht nur durch die ist Sitz des Edlen Cluain Toras von Wiallainen, einem Schwa-
schöne Aussicht auf das hügelige Umland, sondern auch durch ger Throndwigs von Lyngwyn. Er lebt auf dem Gut mit seiner
den kleinen Hain mit uralten Apfelbäumen, die den Eindruck zweiten Gemahlin, sieben seiner elf Kinder und einigen Be-
vermitteln, als stammten sie noch aus der Zeit der Thorwaler- diensteten. Es handelt sich dabei um den Meier des Gutshofes,
überfälle. Nichtsdestotrotz sorgt Peraine noch jedes Jahr für den Hauslehrer der Familie, einen Forstaufseher mit Gehilfen
eine reiche Ernte. und einen Garderitter.
Es ist also kein Wunder, dass sich die Burg des neuen Her-
Ort und Region Wiallainen ren von Wiallainen, des Edlen, eher bescheiden ausnimmt. Ir-
Die Region um das kleine Dorf Wiallainen ist das am dich- gendwo zwischen einem befestigten Gehöft und einer kleinen
testen besiedelte Gebiet der Baronie Lyngwyn. Seit der Reichs- Burg einzuordnen, nimmt sich die Residenz jedoch inmitten
grundreform liegt es direkt an der Grenze zur Mark Abilacht. der Felder recht malerisch aus.
Es beherbergt außer den freien Handwerkern und Bürgern mit Kaum größer ist die alte Burg Wiallainen, die wie ein mah-
ihren Familien - etwa 200 Menschen - noch ein halbes Dutzend nender Finger aus den Hügeln aufragt, die heute die Abilachter
kleiner Bauernhöfe. In der kleinen Region um das Dorf finden Lande von der Baronie Lyngwyn trennen. Die ausgebrannte
sich dazu noch zwei Dutzend weitere Höfe, darunter die Guts- Ruine der alten Burg kündet von der bewegten Geschichte der
höfe des Edlen, und der Gutshof der Freibäuerin Ailill. Außer- Region, die nach der Jahrhundertflut in Havena Sammelpunkt
dem wird wohl kein anderes Gebiet der Baronie so intensiv als für Albernische Separatisten war, bis sie im Zuge der ‚Umer-
Weideland genutzt. ziehung‘ erstürmt und gebrandschatzt wurde.
BESONDERHEITEN: Erst vor kurzem wieder bezogen wurde das Dies alles zeigt, dass Albernia auch eines ist, nämlich das

14 Irdisches zu Albernia
Land uralter Burgen. So als hätten die Albernier zu allen Zeiten So entschied sich der damalige Baron, den der Burg vorge-
ihre Kraft darauf verwendet, ihrer bewegten Geschichte stei- lagerten Gutshof zu befestigen und durch eine Mauer mit dem
nerne Denkmale zu setzen. Brückenkopf Burg Lyllstein zu verbinden. So besteht die Burg
Die Anzahl der Burgen im Lyngwyner Raum ist dennoch eigentlich aus zwei Teilen, der Insel, sowie dem Gutshof in dem
erstaunlich und wohl vor allem der großen Anzahl kleiner und einige Stallungen und zusätzliche Gästeräume untergebracht
kleinster Herrschaftsbereiche zuzuschreiben. So entstanden sind.
Burgen an Stellen, die allenfalls regional, d.h. im Streit der al- Noch am Ende des Jahres 1026 BF wurde das Torhaus am
ten Adelsgeschlechter, Bedeutung hatten, ohne jedoch zusam- Eingang des Gutshofes zu einer kleinen Kaserne ausgebaut –
men die Fläche einer großen Baronsburg auszumachen, wie man Platz für die Halbschwadron ehemaliger Abilachter Reiter, die
sie in anderen Teilen des Reiches findet. nach der Schlacht von Hammer und Amboss Reto nach Lyng-
wyn gefolgt sind.
Burg Lyllstein und der Südosten Vom Torhaus der Burg führt ein stabiler Holzstieg zum Burg-
„Der Stammsitz des Barons ist eine eindrucksvolle Wasser- dorf. Das Dorf besteht im wesentlichen aus dem Gutshof des
burg am Nordrand des Tannwalder Sees, die von einem mäch- Barons. Hinzu kommen einige Handwerker mit ihren Familien
tigen Burgfried dominiert wird. Im Winter leben hier bis zu 35 - etwa 80 Leute - und drei kleine Höfe von Leibeigenen.
Menschen - die Familie des Barons und die Ritter eingeschlos- Der Südosten ist hügelig und waldreich, so dass sich die we-
sen, eine Zahl die auf 25 fällt, wenn der Baron wieder einmal nigen Höfe und die Waldbauern in dem relativ großen Gebiet
mit seinem Gefolge in Havena weilt, um seinen Aufgaben als verlieren. Etwas abseits, aber noch in der Nähe des Waldweges
Marschall von Albernia nachzukommen.“ von Burg Lyllstein nach Lyngwyn, liegen zudem die Hirten-
- Geschichten aus dem Roten Hahn stellen des Barons. Burg Lyllstein und der Südosten der Baronie
ist Heimstatt für ca. 400 Menschen.
Burg Lyllstein spiegelt wie kaum eine andere Burg der Re- Ebenfalls am Tannwalder See und zwei Meilen nordöstlich
gion das Auf und Ab albernischer Geschichte wieder, sind die der Burg liegen die Pfahlbauten einer kleinen Auelfensippe.
Spuren zahlreicher Umbauten doch nicht zu übersehen. Was Hier leben etwa 20 Auelfen, die sich jedoch nur äußerst selten
heute ein malerisches, kleines Schloss ist, war anfangs ein in den Orten der Baronie sehen lassen.
Fluchtturm, nicht unähnlich dem in Kareth, wenn eben auch
ein gutes Jahrhundert älter. Der Nordwesten
Gesindehaus, Stallungen, Schmiede, zusätzliche Befestigun- Ehemals zu der Baronie Wiallainen gehörend, ist die Regi-
gen, sowie der Gutshof am Seeufer machten die Burg schließ- on im äußersten Nordwesten heute ein recht eigenständiges Ge-
lich im Jahre 493 BF. zum ständigen Sitz des Barons. Zwei biet. Mittelpunkt dieser Gegend ist das kleine Dorf Niamadshus,
weitere Phasen, jeweils im Abstand von etwa 200 Jahren gaben dessen Handwerker und ihre Familien mit den Bewohnern der
der Burg dann das obige Aussehen. etwa ein Dutzend Höfe eine recht eingeschworene Dorfgemein-
Spätestens mit der Reichsgrundreform und der Zusammen- schaft bilden. Nicht weit außerhalb Niamadshus liegen die rest-
legung der Baronien Lyngwyn, Kareth und Wiallainen zeigte lichen Höfe der Region und die Hirtenstellen des Dorfes. Ein-
sich jedoch das grundsätzliche Problem der Anlage. Was einer zig der Hof des Waldbauern Gorwain liegt etwas ab und gehört
kleinen Baronie durchaus angemessen war, erwies sich auf ein- auch nicht mehr zu Dorfgemeinschaft, wiewohl er zu dieser
mal als zu klein. Doch die Insel im Tannwalder See war schon Region gezählt wird.
seit Jahrhunderten vollständig bebaut. Guter Rat war teuer.

die traviagefällige Szenen der Bewirtung und des gemeinsa-


Der Ort Lyngwyn
men Mahles zeigen. Im Obergeschoss befindet sich ein großer
Einwohner: ca. 480
Schlafsaal, in dem Bedürftige, Durchreisende und auch Flücht-
Tempel: TRAvia, PERaine, BORon (Schrein)
linge eine Unterkunft finden können.

Traviatempel Perainetempel
Gemäß dem bescheidenen Auftreten ihrer Geweihten ist der Wie in vielen ländlich geprägten Ortschaften gibt es auch hier
Tempel Travias eher schlicht gestaltet. Das zweistöckige Haus einen Tempel der Göttin des Ackerbaus und der Heilkunde.
ist von außen nur schwer als Gotteshaus zu erkennen. Im Erd- Wobei die Göttin eher als Begleiterin im täglichen Leben eines
geschoss befindet sich der Andachtsraum, der neben einer le- Bauern zu sehen ist. Der Geweihte Bendrich Ui Cualain ist seit
bensgroßen Statue der freundlichen Göttin einen reich ge- sieben Jahren auch der einzige Heilkundige des Dorfes.
schmückten Altar enthält. An den Wänden hängen Holzstiche,

Irdisches zu Albernia 15
Boronanger und -schrein Hemas Krämerladen
Etwas westlich, am Rande des Städtchens, befindet sich Lyng- Hema Conaill ist der Name der freundlichen Krämerin, die in
wyns Boronanger. Abgesehen von den meisterlich geschnitz- Lyngwyn einen gut besuchten Laden unterhält. Allerlei Gemü-
ten hölzernen Halbrädern ziert nur ein kleiner geweihter Schrein se und Gewürze sind hier zu erstehen, zu durchaus bezahlbaren
die sonst so schmucklose Anlage. In schwarze Marmorplatten Preisen, weshalb Hema und ihr Geschäft in der ganzen Umge-
ist das Bildnis eines Raben eingemeißelt, zusammen mit der bung einen sehr guten genießen.
Widmung „Ruhe sanft in Borons Armen“. Der Name des Prie-
sters, der die Segnung des Toten-Schreins durchführte, ist, ganz Rodrom, Sohn des Rogan
nach dem Willen seines Herrn, in Vergessenheit geraten. „Seile, Netze, fein geknüpfte Kettenhemden“ kündigt das höl-
zerne Schild vor Rodroms Laden an, was hier zur Auswahl steht.
Marktplatz Der etwas verwegen aussehende Zwerg, der laut Aussage aus
Einmal im Monat, meist am ersten Marktag, füllt sich der Platz einer Gegend südlich der Ingrakuppen stammt, bietet hier den
zwischen den beiden Tempeln mit Händlern aus Abilacht, Ka- zahlreichen Handwerkern Lyngwyns das nötige Werkzeug um
reth und den umliegenden Dörfern, um ihre Waren in Lyngwyn ihre tägliche Arbeit zu verrichten.
anzupreisen. Auch einige einheimische Stände mit Schnitze-
reien, Gebrauchsgegenständen oder gar Möbelstücken sind dort Handwerkerviertel
zu finden. Drechsler, Fassbender, Schnitzer, Tischler, Zimmermänner und
Wagenbauer haben hier ihr Quartier aufgeschlagen, um sich
Haus des Stadtvogtes mit der Holzbearbeitung ihr Brot zu verdienen. Oftmals ver-
Ein fast schon städtisches Fachwerkhaus, etwas nördlich vom kaufen die in Lyngwyn überwiegenden Handwerkerfamilien
Marktplatz gelegen, ist seit kurzem der Sitz des neuen Stadt- ihre Erzeugnisse an durchreisende Händler weiter oder verkau-
vogts von Lyngwyn. Ein zweistöckiger Bau, der früher einmal fen sie allmonatlich auf dem Markt. Einige haben sich auch in
eine Werkstadt beinhaltete, dient dem Vogt Dunwyn Llanfair ihren bescheidenen Häusern einen kleinen Laden eingerichtet,
als Bürgerhaus und Verwaltungsgebäude des Dorfes. Einige der aber kaum zum konkurrieren ausreicht. Trotzdem ist das
Innenarbeiten sind noch nicht beendet, sodass Ritter Llanfair Handwerkerviertel (Im Volksmund auch Hobelviertel genannt),
sein Arbeitszimmer oft mit einigen hämmerneden Handwer- eines der meist besuchten in Lyngwyn. Hier befinden sich au-
kern teilen muss. ßerdem noch zwei Gasthäuser, die die schwer arbeitenden Ge-
sellen bei Laune halten.
Hof des Bauern Torkyn
Wahrlich einer der besonderen Orte in Lyngwyn stellt der Hof Holzfällerlager
des Freibauern Torkyn dar. Die kunstvoll geschnitzten Holz- Die abgeholzten Baumstämme aus dem Karether Forst oder
giebel des Haupthauses sind ein gutes Beispiel für die Holz- auch aus Angrims Hain werden mit mehreren Wagen hierher
schnitzkunst in der Region. Sie erinnern fast schon an die Ver- transportiert, um sie für die Weiterverarbeitung bereit zu ma-
zierungen, die man auch an thorwalschen Drachenbooten fin- chen. Entästen, und „Schälen“ eines Baumes, sowie die Her-
det. stellung von Balken und Brettern gehören so zu den täglichen
Aufgaben eines Lyngwyner Holzfällers.
Schreibstube der „Gelehrten Dame“ Murrigan von Draustein
Zusammen mit ihrem „Laufburschen“ Bryneich bietet die an- Flüchtlingsbarracken
gesehene Drausteinerin hier ihre Dienste als Schreiberin an. Angesichts der wachsenden Zahl an Flüchtlingen aus Tobrien
Auch nahegelegene Botengänge nimmt sie gerne entgegen, und anderen Gebieten ließ man in Lyngwyn vor einiger Zeit
welche dann aber, auf Grund ihres hohen Alters von ihrem Sohn mehrere Blockhütten aufstellen, um die Bedürftigen aufneh-
erledigt werden. men zu können. Wer seinerseits sogar noch etwas handwerkli-
che Begabung mit sich bringt, der findet sicherlich auch noch
Bognerei des Sean Llanfair eine Anstellung bei einem der vielen Zimmermänner Lyngwyns.
Der Name „Llanfair“ ist wohl mit dem Begriff Bogenbau so Davon abgesehen, wurden die meisten Tobrier und Beilunker
stark verbunden, wie keine andere Familie in ganz Albernia, auf Höfe in der Umgebung verteilt, so dass es in Lyngwyn im
denn sie blickt zurück auf eine lange Ahnenreihe von Hofbogen- Gegensatz zu anderen Baronien keine regelrechten „Flüchtlings-
machern. Auch die Bogenbaukunst des Sean Llanfair ist Tradi- siedlungen“ gibt.
tion in Lyngwyn, und so wundert es keinen, dass er ganze Ar-
mee-Einheiten mit seinen Langbögen versorgt.

16 Irdisches zu Albernia
Unsägliches Chaos im ganzen
Nachdem bekanntermaßen die markgräfli- Windhag? Ungeklärt ist auch weiterhin das Schicksal
che Hauptstadt und der Reichshafen Harben des Markgrafen Radulf Eran Galahan. Verein-
unter dem Banner der aufständischen See- scheint der Umstand, dass zum Reichskonvent zelt wurde berichtet, er stünde im Bunde mit
soldaten liegt, scheint sich auch im restlichen zu Elenvina keine Delegation des Windhag an- den Aufständischen, würde gar einen Teil der
Windhag Chaos zu verbreiten. gereist war! Lediglich der Stadtmeister Kyn- Flotte wieder führen, von anderer Seite hörte
dochs, Efferdan Windock, der nur einen kur- man, er sei bereits in die Hallen des Schweig-
Wie bereits in der Vergangenheit sowohl samen eingezogen. Ebenso unbekannt ist der
in der HAVENA-FANFARE als auch im AVENTU- Aufenthaltsort des Rateral Bedwyr Sanin,
RISCHEN BOTEN zu lesen war, gibt es keine Pfalzgraf von Weißengau und Seeherr von Ila
verlässlichen Nachrichten aus Harben mehr. und Eiras, der nach seiner Abfahrt aus Havena
Was jedoch den Verbleib der Flotte betrifft, nicht wieder gesehen wurde. Als gesichert
scheint es spätestens seit dem Reichskongress kann lediglich gelten, dass er das Ziel seiner
zu Elenvina Gewissheit zu geben: Herzog Cu- Reise, die Pfalz im Herzen des Windhag, nicht
simo Garlischgrötz von Grangor, der Gesand- erreicht hat!
te des Reiches der Horas, forderte offen und So unruhig das gesamte Reich ist, so unru-
lautstark, dass die Piraterie durch die Schiffe hig ist auch der Windhag. Allenthalben scheint
der Harbener Flotte gegen Schiffe und Länder die Ordnungsmacht einzubrechen und es bleibt
der Horas zu unterbinden seien, da dieses ei- zu wünschen, dass mit dem neuen Reichs-
nen Bruch des Vertrages von Weidleth darstel- regenten bald wieder Ruhe und Disziplin nicht
le!1 Da es keine sachlichen Widersprüche sei- nur im Windhag, sondern im ganzen Reich ein-
tens des Reiches Rauls gab, muss angenom- kehren möge!
men werden, dass die Admiralität mittlerwei-
le von der Piraterie ihrer ehemaligen Soldaten zen Weg Für die Harbener Redaktion der Havena-
überzeugt ist. über den Großen Fanfare aus grangorischem Asyl,
Kontrollieren die Aufständischen offenbar Fluss hatte, und der Baron von Arin lod’Fahr (ags)
die uneinnehmbare Hafenstadt und ihr Um- Osthagen, Falk vom Darpat, mit seiner
1
land, so hat dieser Umstand schon zu anwach- Adjutantin Deirdre vom Drachenberg, die ge- Pikanterweise berichtete der Herzog, dass auf-
senden Missständen in der ganzen Mark Wind- grund dieser Piratenakte das Horasreich auch in die-
rade über Albernia gen Osthagen reisten und
sem Jahr die Zahlung der Reparationsleistungen un-
hag gesorgt: Handelszüge, die über den Schat- dabei über Kyndoch kamen, hielten die Fahne terlassen werde, was wiederum dazu führen wird, dass
tengrundpass gen Süden wollen, werden in des Windhag hoch! Wo war der Rest des Wind- das Reich auch in absehbarer Zeit den Seesoldaten und
Harben blockiert und zumeist ausgeraubt – es hager Adels? Matrosen keinen Sold wird zahlen können...
kommen keine Waren mehr in Südhag und den
anderen Ländern südlich Harbens an. Auch
scheint die Stimmung Harbens auf die letzten
noch loyal wirkenden Kämpfer des Markgra- Der Reichskongress
fen, das Banner Markgräflich Windhager Axt-
schwinger, das seit der Zeit des Wurms von zu Elenvina
Windhag (die HAVENA-FANFARE berichtete) bei-
derseits des Schattengrundpasses stationiert ELENVINA. Der Reichskongress zu Elenvina ist beendet und Vieles hat sich für das Raulsche
war, abzufärben: Einzelne Berichte sprechen Reich geändert. Was bedeutet dies für Windhag?
von diszipliniert wirkenden Axtkämpfern, die Zunächst einmal wäre da die Wahl des Avon Nordfalk zu Moosgrund zum Reichserzadmi-
in den Bergen Räuberei betreiben. Aus Wid- ral anzusprechen. Diese Wahl scheint aufgrund der derzeitigen Situation in Harben tatsächlich
dernhall dringt das Gerücht, dass Baron die beste Entscheidung gewesen zu sein, die unter den gegebenen Umständen überhaupt mög-
Gringulf, Sohn des Gromosch nahezu macht- lich war. Zwar hat der Streiter des Reiches und Burggraf zu Baliho keinerlei Erfahrung im
los mitansehen musste, wie die Axtschwinger nautischen Bereich, doch sollte seine Erfahrung als Soldat und Kämpfer für das Reich dies
ihren Rock ablegten und sich verstreuten. Ein- mehr als wettmachen. Der gute Ruf beim Militär sollte bei etwaigen Verhandlungen mit den
zelne, noch immer loyale Soldaten wurden da- Aufständischen sicherlich von Vorteil sein – schließlich ist bekannt, dass der neue Reichserz-
bei teilweise von ihren verärgerten Kamera- admiral nichts von Intrigen hält und stets das offene Wort bevorzugt. Eine Eigenschaft, die von
den angegriffen. denjenigen Seesoldaten, die sich zumindest noch ein Fünkchen Ehre bewahrt haben, geschätzt
Viele derartige Gerüchte werden derzeit im werden sollte. Es steht jedenfalls zu hoffen, dass Avon Nordfalk schnell eine Lösung des Pro-
Windhag gestreut, doch am deutlichsten er- blems gelingt. bitte wenden

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Dies gilt insbesondere, da der horasische gorer, dass es sich das Neue Reich wohl nicht admiral Nordfalk rasch des Problems annimmt.
Herzog Cusimo von Garlischgrötz auf dem erlauben könne, auf den Schutz durch den Inwiefern die Weigerung Albernias, dem
Reichskongress auf ein baldiges Einschreiten Weidlether Vertrag zu verzichten. Viele der An- Reichsregenten Jast Gorsam vom Großen
gegen die Harbener Piraten drängte. Der Her- wesenden fassten dies als eine Drohung der Fluss den Treueid zu leisten, die Situation wei-
zog sprach sogar von einem Bruch des Weid- Horasier auf und Tumulte brachen aus, die nur ter verkompliziert, muss sich allerdings noch
lether Vertrages, was das Horasreich zum An- mühsam unter Kontrolle zu bringen waren. zeigen. Ein Krieg zwischen Albernia und den
lass nahm, die Zahlung der jährlichen 100.000 Dies alles zeigt deutlich, wie angespannt Nordmarken hätte mit Sicherheit große Pro-
Dukaten einzustellen, die im Vertrage festge- die Situation zwischen den beiden Reichen ist bleme für Windhag zur Folge.
schrieben waren. Zudem verkündete der Gran- und wie wichtig es ist, dass sich Reichserz- (jr)

Kleinau vom Drachen


K . Kurz bevor es den Helden des
LEINAU
Windhag gelang, über den fürchterlichen Rie-
zerstört mild sind, doch ohne einen Großteil der Vor-
räte und durch die hohe Zahl an Opfern könn-
senlindwurm zu triumphieren, traf der Zorn talität des Wurms den Verstand verloren. te schon ein nur wenig härterer Wintermonat
des Drachen einen weiteren Ort der Markgraf- Die Kämpfer des örtlichen Junkers Bomil – gar mit einem Rondrikan – schnell das Aus
schaft. Unbestätigten Berichten zufolge soll zu Kleinau sollen nichts gegen den Drachen für das weit ab von jeder Zivilisation liegende
das Dorf Kleinau in der Baronie Südhag durch haben ausrichten können. Nur der Einsatz der Dorf bedeuten. Zumal aus Harben aufgrund
das Wüten des Wurmes zerstört worden sein. späteren Drachentöter selbst habe die völlige der Meuterei keine Hilfe nach Kleinau ge-
Der Wurm hatte unseren Informationen Vernichtung des Dorfes verhindern können. schickt werden konnte und auch der Baron zu
nach, zunächst den als verflucht geltenden Doch wurde dies nicht bestätigt. Es mag gut Südhag, Oldebor von der Froschau, mit eige-
Steinbruch Kleinaus (siehe HAVENA-FANFARE sein, dass die Drachentöter sich dem Wurm in nen Problemen beschäftigt war. Bis heute hat
No. 2) angegriffen und dort unglaubliche Zer- Kleinau noch nicht entgegenstellten und die- die HAVENA-FANFARE jedenfalls keine Neuig-
störungen angerichtet. Viele der Arbeiter sol- se Berichte völlig aus der Luft gegriffen sind keit aus Kleinau erreicht!
len dem rasenden Monstrum innerhalb weni- – scheint es sehr unwahrscheinlich, dass die Es steht zu hoffen, dass dies „nur“ in den
ger Augenblicke zum Opfer gefallen sein. So Helden des Windhag es nicht vermocht hät- Harbener Aufständen begründet liegt und nicht
gewaltig war dessen Wut, dass er sogar das ten, das Untier schon in Kleinau zu erlegen. bedeutet, dass der Wurm noch über seinen
Gestein mit Feuer und Klauen attackierte. Doch auch das Schicksal der Überleben- Tode hinaus Verderben über die Menschen
Als der Wurm hier alles zerstört hatte fiel den von Kleinau bleibt mehr als ungewiss. Da Kleinaus gebracht hat. (jr)
er dann über den Ort selber her. Es heißt, der ein Großteil der eingebrachten Ernte zerstört
Drache habe schlimmer gewütet als je zuvor, wurde und das Drachenfeuer fast alle Gebäu- Über Windhags Berge weit
und es seien mehrere Dutzend Menschen ge- de verbrannt habe, sei unklar, ob Junker Bomil Trägt ein Drache sehr viel Leid.
tötet oder verletzt worden. Der Travia-Geweih- zu Kleinau die Bevölkerung durch den Win- Tötet Vieh und Frau und Mann,
te des Ortes, Vater Radulf, hat aufgrund der ter habe bringen können. Kleinau liegt zwar Wer ist, der dem wehren kann?
unglaublichen Zerstörungswut und der Bru- so weit im Süden, dass die Winter meist recht
Er bringt Not und Graus und Brand,
Verwüstet Dorf und Wald und Land.
Auf Weg und Steg und Pass Gefahr
Freude und Trauer Der Schattengrund geschlossen gar.

HARBEN. Nicht nur am Schattengrund- den des Wind-hag durch ihre tapfere Tat si- Was wir suchen bringet mir!
pass feiert man den Tod des Wurms. Aus cher das Leben gerettet und sie vor dem Opfer- So fordert es das Drachentier.
vielen Dörfern vor allem in Süden pfahl bewahrt! So manche braven Bauersleu- Menschen leiden, jammern, fleh’n,
Windhags werden Freudenfeste gemeldet. te und so manche Dorfschönheit werden die Können’s Untier nicht versteh’n
Der Windhag ist in manchen Teilen wild Drachentöter in ihre Gebete an die Zwölfe ein-
Angst geht um in Dorf und Land
und weit und so dauert es, bis sich die Kun- schließen. Bis es Helden wurd bekannt,
de vom Ende des schrecklichen Tyrannen In ersten Lieder und Versen auf die ehren- dass ein Untier Menschen quält.
in alle Winkel verbreitet hat. Wo die Be- volle Tat werden die Retter des Windhag be- Ob nun Rettung Einzug hält?
völkerung besonders zu leiden hatte, sind reits besungen. Eine Kostprobe wollen wir
Freude und Trauer nahe beieinander. Viele unseren geneigten Lesern nicht vorenthalten. Tapfer, mutig, Spieß voran
verloren Familienmitglieder und Freunde Da es sich nach eigener Aussage des Urhe- Kriegen sie den Drachen dran.
durch den Drachen. Was werden jene den- bers der Verse noch um eine erste, flüchtig ge- Vom Wurm befreit sind Höh und Tal.
Freud und Jubel überall!
ken, die dem barbarischen Brauch des formte Strophenfolge handelt, an der er noch
Jungfrauenopferns nachgingen? Viele wer- zu feilen gedenkt, möchte der Barde vorerst Über Windhags Berge weit
den sich fragen, warum der Drache nicht noch un-genannt bleiben. Daher gilt ihm un- Trug ein Drache sehr viel Leid.
früher zur Strecke gebracht werden konn- ser besonderer Dank, diese Rohfassung ver- Des Drachen Tod kann ich nun melden.
te. Doch einigen Jungfrauen haben die Hel- öffentlichen zu dürfen. (mg) Vivat Hoch auf Windhags Helden!

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Die folgende Beschreibung soll als Hilfe für das Abenteuer „Der Wurm von Windhag“ aus dem Sammelband Drachenodem
dienen. Es präsentiert einen Schauplatz des Abenteuers, den Ort Kleinau, etwas ausführlicher.

Das Junkergut Kleinau


von Jan Rodewald

Das Junkerngut für den eiligen Leser des „zu“ ohne das übliche „von“ stellt eine regio-
Landschaft: Karges Hügelland der Windhaggebirges nale Besonderheit dar, die jeden Herold auf eine
Gewässer: Viele kleine Flüsse durchziehen das Land harte Probe stellt)
Bevölkerung: etwa 210 Wappen: In Blau eine goldene Flamme
Einzige Ortschaft: Kleinau Festtage: 30. Efferd / 1. Travia (Nacht des brennen-
Lehensherr: Junker Bomil zu Kleinau (die alleinige Verwendung den Wassers)

Landschaft, Tier- und Pflanzenwelt aus den Bergen, da die Erde schnell auslaugt. Ohne den jährlichen
Segen wandernder Tsa- oder Peraine-Geweihter zur Saatzeit wür-
Kleinau liegt in der Baronie Südhag nahe der Grenze zum Horas- den die Äcker wahrscheinlich überhaupt keine Früchte tragen. Je-
reich. Doch obwohl das Alte Reich nur wenige Meilen entfernt denfalls behaupten das einige tobrische Flüchtlingsfamilien, die es
liegt, könnten es genausogut hundert oder tausend Meilen sein, so nach der borbaradianischen Invasion bis hierher verschlagen hat.
sehr unterscheidet sich die Lebensweise von der jenseits der Gren- An den schmalen Feldwegen stemmen sich uralte Birnen-, Ap-
ze. Denn das Leben für die Bewohner dieses Landstrichs ist oft fel- und Zwetschgenbäume gegen den stetig wehenden Beleman.
reines Überleben. Die Ernten sind meist mehr als dürftig, und dann Die Äcker und Weiden werden durch Heckenrosen, Haselnuss-
müssen noch die Abgaben für den nicht gerade bescheidenen Adel sträucher und Schlehen vor dem Wind geschützt. In erstaunlich
geleistet werden. Daher wird ein langer Winter fast mehr gefürch- großen Mengen gedeiht der wilde Knoblauch an den Flussläufen.
tet als die Gefahren der Wildnis. Der Verkauf dieser und anderer Wildpflanzen bringt den Einwoh-
Karges Hügelland - von Dutzenden kleinen Bächen durchzogen nern ein zusätzliches Einkommen, was sie auch bitter nötig haben,
- macht ein Großteil der Fläche Kleinaus aus. Einst undurchdring- denn die Armut in Kleinau ist groß.
liche Nadelwälder wurden fast vollständig abgeholzt, um den Die meisten der kleinauer Bürger sind unfrei und müssen sich
Kriegshafen Harben mit Holz zu versorgen. Die Rodungen hinter- um die Schaf- und Rinderherden des Junkers kümmern oder pla-
ließen weite Flächen, die lediglich für Viehwirtschaft nutzbar sind, gen sich für ihren Herrn auf der Scholle. Von größerer Bedeutung
aber noch sind einige der wildreichen Forste erhalten. Die Land- ist weiterhin die Forstwirtschaft. Die Ärmsten der Armen leisten
schaft wird zudem durch das nahe Massiv der Windhagberge ge- jedoch tagtäglich Knochenarbeit im alten kleinauer Steinbruch, in
prägt. Schroffe Grate, tiefe Schluchten und hoch aufragende Steil- dem Kreide abgebaut wird.
wände, schier unglaubliche Felsformationen, dies alles ergibt ein
beeindruckendes und zugleich bedrohliches Bild.
Verschiedene Raubvögel, sogar Königsadler und insbesondere
Das Dorf Kleinau
Sturmfalken ziehen ihre Kreise hoch am Himmel. Aber auch die Kleinau selbst stellt nicht mehr dar, als eine Ansammlung
furchterregenden Harpyien haben im Gebirge ihr Revier. So ver- schlichter Hütten und Höfe am südöstlichen Ufer eines unbenann-
wundert es nicht, dass die Kleinauer unzählige Sagen über die ten Baches. Zu jedem Haus gehört ein kleiner Gemüsegarten, in
Windhagberge kennen. Geheimnisvolle Orte und Wesen soll es dort dem sich Kohl, Rüben, Bohnen, Zwiebeln, Erbsen und auch Lauch
geben, und niemand weiß, ob nicht ein Fünkchen Wahrheit in den den Platz teilen. Zwischen den Katen tummeln sich Schweine, Zie-
Überlieferungen steckt. gen und allerlei Geflügel.
Einige Tierarten des Lieblichen Feldes kann man bereits finden Im Herbst und nach der Schneeschmelze, aber auch nach jedem
(zumindest in den Sommermonaten), z. B. Saphir- und Regenbogen- heftigen Regenfall verwandeln sich die unbefestigten Wege in ei-
fasane, Stinktiere, sowie das Süßmaul, eine Dachsgattung, die sich nen schlammigen Morast, weshalb dann Holzplanken ausgelegt
gern über die Zuckerrüben auf den Feldern hermacht. Ansonsten werden.
gleicht die Tierwelt der des restlichen Windhags. Eine einfache Palisade mit nur einem Tor im Südwesten schützt
Das Klima ist in Kleinau zwar milder als in nördlichen Teilen das Dorf notdürftig gegen Überfälle. Wegen der allgegenwärtigen
der Markgrafschaft, doch aufgrund des kargen Bodens wächst nicht Bedrohung aus den Bergen, sei es durch Tier oder Mensch, trägt
viel auf den Feldern: Hopfen und Gerste, diverse Rüben- und Kohl- jeder Einwohner zumindest ein langes Messer bei sich, wenn er
sorten, sowie Flachs, der zu Segeltuch und Leinen verarbeitet wird. den Schutz des Dorfes verlässt.
Alle zwei, drei Jahre düngen die Bauern die Felder mit Kalk Am Palisadenwall am Ortseingang steht ein kleiner Wachturm.

Irdisches zu Windhag 19
Hier verrichten zwei Kleinauer Bürger - neben ihrer normalen Ar- Mähne, der schon vor Jahren in Kleinau hängengeblieben ist. Er
beit - Dienst als Büttel, der eine vom südhager Baron und der an- hat eine volltönende Stimme und trägt im Gastraum auch gern
dere vom Junker eingesetzt. Die Ordnungshüter sind aber mehr da- thorwalsche Heldenepen vor, wenn man ihn nur darum bittet. Wenn
mit beschäftigt, sich im Auftrag ihrer jeweiligen Herren gegensei- die Praiosscheibe jedoch hinter dem Horizont verschwindet, zieht
tig im Auge zu behalten, als die Bewohner zu schützen oder die Phileas zusammen mit eventuellen Besuchern seines Gasthauses
wenigen Delikte aufzuklären. in die Gans und Fuchs um, denn er liebt Gissas und Mowerts
Nahe der nördlichen Palisade steht ein hübscher Stabtempel, Schnäpse fast so sehr wie echtes Premer Feuer. Es ist schon ein
welcher der Travia geweiht ist. Er sticht durch ihre reichen Holz- eigenartiger Anblick, wenn Phileas und seine Gäste, beladen mit
schnitzereien aus der tristen Umgebung hervor. Die Kirche mit Schemeln, Bänken und dem ein oder anderen Bierfässchen, durch
Wänden aus senkrechten Holzpfählen und steilen, übereinander das halbe Dorf zur Konkurrenz pilgern.
geschichteten Dächern ist an den Giebeln mit fliegenden Gänsen Neben dem Blockhaus der Büttel an der Palisade befindet sich
und an den Türen reich mit Flammen- und Tierornamentik ver- eine kleine Schmiede. Die Schmiedin Susa Angbarer stellt hier nicht
ziert. Die kleinauer Bürger sind zu recht stolz auf ihr Göttinnen- nur Hufeisen, Pflugscharen und anderes Eisenwerkzeug her, son-
haus, und die Familien verwenden gemeinsam einige Zeit darauf, dern auch einfache Messer und Dolche. Ein recht einträgliches Ge-
es in Stand zu halten. Die Armut der Kleinauer verhinderte schäft für Susa ist das Schmieden und Verzieren der Klingen
zuletzt jedoch allfällige (und nur der Klingen)
Arbeiten an Fassade für die im ganzen
und Dachstuhl. Erst die Windhag verbreiteten
großzügige Spende ei- Zweililien.
nes Praios-Geweihten Ansonsten ist Klein-
ermöglichte eine Reparatur über das Notwendigste hinaus, und mitt- au ein ziemlich langweiliges Kaff. Einmal im Jahr jedoch - in der
lerweile erstrahlt das Bauwerk wieder in altem Glanze. Nacht zum 1. Travia - wird die beschauliche Ruhe durchbrochen.
Das Herdfeuer des Tempels, angeblich stammt dieses noch vom Zu dieser Zeit nämlich feiern die Einwohner Kleinaus zu Ehren
göttlichen Feuer, das einst den Lokalheiligen Haldan errettet ha- des Lokalhelden Haldan das Fest des „brennenden Wassers“. Zu
ben soll, hütet schon viele Jahre Vater Radulf (der Onkel des der- diesem Anlass lassen sie mit Talglichtern versehene Schiffchen und
zeitigen Junkers). Der greise, aber ungebeugte Mann entspricht ganz Schalen brennend den Fluss hinabtreiben. Etwa eine Meile west-
und gar nicht dem Bild des immer freundlichen, mitfühlenden lich des Ortes stürzen die Lichter dann einen kleinen Wasserfall
Travia-Geweihten: Radulf hält die Gläubigen mit ungewöhnlicher hinunter. Sollte anschließend noch wenigstens ein Schiff brennen,
Strenge dazu an, die göttlichen Gebote zu achten und fordert die so gilt dies als wohlwollendes Zeichen Travias für den Winter.
unbedingte Einhaltung der Traditionen. Nichtsdestotrotz hilft er,
wo seine Hilfe wirklich benötigt wird und wird von allen Kleinauern Das Herrenhaus Ulmenhöh
geachtet und respektiert.
Vor dem Haus der Travia befindet sich ein kleiner Tempelplatz, Auf einer Anhöhe ein gutes Stück östlich des Dorfes steht trut-
um den sich die wichtigeren Häuser drängen. Auch ein Gehege für zig Ulmenhöh, das Gutshaus des Junkers. Die sogenannte Hohe
die Tempelgänse wurde hier geschaffen. Halle wurde in der für Windhag typischen befestigten Bauweise
Über der Tür eines schiefen Fachwerkhauses dicht am Tempel errichtet. Auf einem viereckigem, mittlerweile komplett mit Efeu
baumelt ein Schild, auf dem man mit viel Mühe die Umrisse einer überwucherten Stumpf aus Bruchgestein steht ein hohes Fachwerk-
Gans und eines Fuchses ausmachen kann. Dies ist das Wirtshaus gebäude, dessen Krüppelwalmdach mit ockergelben Schindeln ge-
Güldene Gans und Roter Fuchs. Von den Kleinauern wird die Schen- deckt ist.
ke ob des schlechten Bildnisses auch scherzhaft Huhn und Köter Eine im Notfall leicht einzureißende Holzrampe führt zum Tor
genannt, aber natürlich nur, wenn die Wirtsleute Gissa und Mowert hinauf, welches sich in etwa dreieinhalb Schritt Höhe und damit
nicht in der Nähe sind. Schließlich möchten man die beiden nicht noch im Stumpf befindet. Das Herrenhaus lässt sich durch diese
verärgern, denn ihre ganz hervorragenden Brände will keiner im Konstruktionsart gut verteidigen, weshalb es der Familie des Jun-
Ort missen. Besonders beliebt ist die Flamme, ein hochprozentiger kers und den wenigen Bediensteten durchaus Schutz vor plündern-
Birnenschnaps, der brennend serviert wird und zu besonderen An- den Goblins und anderem Gesindel zu bieten vermag. Solche Über-
lässen genossen wird. Ansonsten hält man sich eher an das kleinauer fälle sind jedoch hier im Süden weit weniger häufig als in anderen
Bier, was auch nicht so teuer ist. Regionen des Windhag-Gebirges.
Die andere Gaststätte des Weilers ist der Unerschöpfliche Kes- Am Fuß des Hügels erhebt sich eine seltsam gewachsene, über
sel direkt am Ortseingang. Hier steigen die wenigen Reisenden ab, 20 Schritt hohe Blutulme, die dem Gutshaus seinen Namen gab.
die es nach Kleinau verschlägt. Neben dem in vielen windhager An eben dieser Stelle soll einst ein Einhorn getötet worden sein,
Gaststuben üblichen Geweihtenzimmer für reisende Diener der als es eine junge Maid vor einer Horde Orken rettete. Die Legende
Zwölfe gibt es lediglich einen großen Schlafsaal direkt unter dem fand wohl darin ihren Ursprung, dass der Stamm des magischen
Dach, dafür wohnen in den Nachtlagern auch nicht allzuviele ‘Un- Baumes in sich verdreht ist, und so mit etwas Phantasie und gutem
termieter’. Das Haus wird vom Skalden Phileas Oddason geführt, Willen an das Horn eines Einhorns gemahnt.
einem auffällig klein gewachsenen Thorwaler mit inzwischen grauer

20 Irdisches zu Windhag
o 5
er
mm
Nu
Schweigen im rechten Moment
Die Wirren im Mittelreich sollen uns nicht bekuemmern
ANDERGAST. Kaum eine Stellungnahme erkennung und Zusammenarbeit verweigert. Lehenseid.
war bisher aus der Königsburg zu den Ge- Bedeutende Teile des Heeres unseres Nach- König Efferdan hat dem Gesandten des
schehnissen bei unseren südöstlichen Nach- barn sind versprengt und die Angreifer konn- Mittelreiches bereits mitgeteilt, dass auch er
barn zu erhalten, obgleich sich allmählich ten erst bei der Hauptstadt Gareth aufgehal- um den Verlust der Reichsregentin Emer
zu klären beginnt, was dort überhaupt ge- ten werden, wo die bisherige Reichsregentin trauere und er dem neuen Reichsregenten
schehen ist. Diese seien für den Leser kurz Emer von Gareth fiel. Im Anschluss an die Jast Gorsam zu seiner Ernennung die besten
zusammengefasst: Das Mittelreich wurde Ernennung des Herzogs der Nordmarken, Wünsche zu übermitteln bitte. Zur Alber-
offenbar von Transysilien und der Warunkei Jast Gorsam vom Großen Fluss, zum neuen nischen Frage war ihm lediglich zu entlok-
angegriffen, zwei selbsternannten Reichen, Reichsregenten verweigerte Invher ni Ben- ken, dass er sich nicht in die Angelegenheit
welchen auch Andergast bisher jegliche An- nain, die Königin von Albernia, diesem den fremder Reiche einzumischen pflege. (ps)

Prinzessin Irinia und die Diener Sumus


ANDERGAST. Harte Worte hat- gem Wortge- Bote zu Arbogast dem Alten ausgesandt,
te der Sume Sirdan bei der Bei- fecht mit dem welcher sich tatsächlich einige Wochen
setzung Kusmins gesprochen ergrauten Drui- später am Königshof einfand, um sich mit
(siehe A NDERGASTISCHE F REIE den. Obschon der aufgebrachten Priesterin zu unterre-
TROMMEL in BELEMAN-SONDER- wir den genau- den. Diesem muss es wohl schließlich ge-
AUSGABE 2,5), Worte, die Prinzes- en Wortlaut der lungen sein, Irinia zu beruhigen, jeden-
sin Irinia ins Mark trafen. Sie, die Auseinander- falls vernahm man seitdem keine murren-
stets den Fortschritt gefördert setzung der Na- den Worte mehr aus ihrer Kemenate, in
hatte, in der festen Meinung, da- tur der Sache welche sie sich wie vor dem Vorfall zu-
mit das beste für das Wohl des entsprechend meist zurückgezogen hat.
Andergastischen Reiches zu lei- nicht kennen, Aus wohl informierten Kreisen war zu
sten, war es wohl, die er im Auge muss wohl vernehmen, sie arbeite nunmehr an hesin-
hatte, als er von den Grenzen des auch dieses Ge- dianischer Forschung über die Sitten und
menschlichen Strebens sprach. spräch nicht Gebräuche Andergasts.
König Efferdan versuchte of- nach dem Wun- Die ANDERGASTISCHE FREIE TROMMEL
fenbar vergebens, seine Schwä- sche der Rek- wird sich selbstverständlich darum bemü-
gerin zu beruhigen, jedenfalls kin Hesindes hen, dieses Werk in Ausschnitten veröf-
sah man sie einige Tage später in hitzi- ausgegangen sein. So wurde denn ein fentlichen zu dürfen. (ps)

Unruhe an der Nordostgrenze


Vermehrt Angriffe der Orks an der Thaschstrasse
TESCHKAL. Beunruhigende Neuigkeiten gibt es aus den nord- will einen Teil ihrer Herdtruppen, verstärkt durch Freiwillige
östlichen Steppengebieten. Auf der Straße nach Lowangen wur- und Ortskundige, aussenden, um dem Treiben ein Ende zu set-
den zwischen der Messergrassteppe und dem Thasch wieder- zen. Für diese Aufgabe werden noch Helfer gesucht. Bevor-
holt Händler von Orks angegriffen, konnten die Angreifer je- zugt werden dabei Männer ohne Familie, welche mit Waffen
doch zumeist zurückschlagen. Freiherrin Ossyra von Teschkal geübt sind. (ps)

21
Das Andergaster Wetter Die Viertel
Aufgrund der Stücke des Barden Voltago feuchtem Boden führen muss, zeigt Tesch-
Woronesch (siehe ANDERGASTISCHE FREIE
TROMMEL im BELEMAN 2) erreichten uns zahl-
reiche Anfragen, ob denn Andergast wirk-
kalien. Auch hier regnet es sich gerne an den
Hängen des Thasch ab, doch sogleich ver-
sickert das Nass und der Boden bleibt so
Andergasts
lich so verregnet sei, wie es seine Dichtung trocken, dass es zwischen Teschkal und den
glauben macht. Darob haben wir uns ent-
Obgleich sie als Einheiten der Ver-
Thaschbergen keine Quelle und keinen Bach
schlossen, ein wenig näher auf das Wetter gibt, an dem man seine Wasserschläuche fül-
waltung längst abgeschafft sind, sind
in unserem schönen Lande einzugehen, zum len könnte - dies sei auch Reisenden als War- die Viertel Andergasts noch immer vie-
einen für die auswärtigen Besucher, zum an- nung mitgegeben. Manche behaupten, dass len ein Begriff. Fürst Wendohir der Bär-
deren aber auch und gerade für jene unter das Wasser unter der Messergrassteppe ent- tige teilte einst sein Land in folgende
unseren Lesern, welche sich nur in ihrer hei- lang fließe, um als Anval und Bregval, die vier Teile: den Steineichenwald, die
matlichen Region auskennen. Quellflüsse des Ingval, wieder emporzu- Wälder südlich des Ingval, Thuranien
Beginnen wir mit dem Oberwaldviertel, treten. Eine weitere Besonderheit des tesch- und schließlich das obere Ingvaltal. Mit
welches besagter Barde offenbar bereiste, kalischen Wetters sind die Gewitterstürme, den jüngsten Zugewinnen an Land kam
denn in der Tat, kaum eine Gegend vermag welche immer wieder dort toben, wo die noch Teschkalien hinzu, so dass man
sich an Regen und Schnee mit den Südhän- warmen, feuchten Winde aus Westen mit den heute folgende fünf Viertel kennt:
gen des Steineichenwaldes zu messen. Der kalten, trockenen aus dem Orklande zusam- Obwalden, Niedwalden, Thuranien,
stete Südwestwind treibt die regenschweren mentreffen. Blitze zucken, Donner grollt und Oberingvalien und Teschkalien. Manch
Wolken vom Meer der Sieben Winde heran, es ist kein Wunder, wenn man sagt, dass die böse Stimme kennt noch ein sechstes
kaum erreichen diese die Berge, entlassen Herrin Rondra Teschkalierin sei und man- Viertel: das Hinterwaldische, jene Ge-
sie ihre Last auf die Wälder, füllen so die che behaupten, Kreyenhorst seien ihre Stal- biete, die nördlich des Steineichen-
Bäche und machen so das Flößen im Stein- lungen. waldes liegen. (ps)
eichenwald so einfach. So mag es in der Tat Oberingvalien und das Niederwaldviertel
der Plan der Götter sein, dass sie uns hier so teilen das Schicksal, dass die Wolken zu-
reich mit dem Himmelsnass segnen. Im Win- meist über sie hinweg ziehen, um dann erst Windschatten der Koschberge liegt, teilt
ter liegt hingegen der Schnee oft mannshoch, weiter im Nordosten ihre Last abzuladen. weitgehend das Schicksal Obwaldens. Auch
so dass die Schneeschmelze im Frühjahr die In tiefen, oft bizarr geformten Fetzen fegen hier pflegt es lange und ausgiebig zu regnen
wenigen Wege gänzlich unpassierbar macht sie vom Wind getrieben über das Land, wel- und im Winter zu schneien. So ist es auch
- eine bessere Absicherung gen Norden ches so zwar manchen Schauer, doch aber kaum verwunderlich, dass hier die Quellflüs-
könnten wir uns kaum wünschen. selten längeren Regen oder Schneefall kennt. se des Tommel entspringen.
Dass viel Regen nicht zwangsläufig zu Thuranien schließlich, soweit es nicht im (ps)

Aufruf zur Thuranischen Thurney


Wir, Wenzeslaus, Recke Rondras und Kronprinz des Reiches Andergast geben zu wissen und zu kundt:
Ein jeder wehrfähige Mann Thuraniens sey aufgerufen, sich am vierzehnten Tage des Rahjamondes in
Albumin eynzufinden, um daselbst sein Geschick an der Waffe zu zeygen.
Jene, welche bereyts in ihrer thuranischen Heymath sich befinden, begeben sich ohn’ Verzug zu ihrem
Freiherrn, auf dass dieser entscheyde, ob sie sich seynem Aufgebot fyr die Thurney anzuschließen haben.
Jene indes, welche sich befinden in der Fremdt oder in anderen Theylen des Reiches, finden sich am
vierzehnten Tage des Rahja-Mondes in Albumin ein.
Gegeben zu Andergast am ersten des Rahja-Mondes des Jahres 1874 der Unabhängigkeit

Dieser Aufruf ist wohl noch am ehesten mit einer „Teilmobilmachung“ zu vergleichen. (ps)

22
Ausgabe 6
Überfall auf Yoledamm!
YOLEDAMM, PHE 1881. Nach der Seu- zu spät. Ein Pfeilschuss aus den Nebel- ganz deutlich. Blut, so viel Blut.“
che in Nostria suchte weiteres Unheil un- schwaden holte den Gongschläger vom -Frenglion, Novize im Kloster
ser Königreich heim. Das Küstenstädchen Turme. Gleichzeitig brach ein Brüllen wie
Yoledamm mit seinem altehrwürdigen aus Drachenkehlen los, und das Geklirr „Plötzlich standen diese Barbaren dann
Boronkloster wurde das Opfer eines von aufeinander prallenden Klingen be- mitten im Ort. Die Gesichter in irrsinni-
Raubzuges von Piraten aus dem Norden gann. Wir rannten umher, ziellos, hilflos, ger Wut verzerrt, gingen sie auf jeden los,
Thorwals. Sie erschlugen Geweihte, plün- ohne Ausweg. Vorn krachte eine Ramme der sich ihnen in den Weg stellte. Es schien
derten Gräber und machten den Tempel gegen die Torflügel, vom Garten her ka- ihnen nichts auszumachen, dass wir nicht
dem Erdboden gleich. einmal Waffen trugen. Selbst Müt-
terchen Rudane, die nur ihr Schläf-
„Es war ein nebliger Morgen, chen am Dorfbrunnen hielt. Eine
der 13. Phex. Die meisten Bewoh- alte, wehrlose Frau, zerfetzt von
ner Yoledamms schlummerten diesen räudigen Hunden. Häuser,
noch, als Jolper und ich uns auf Speicher und Mühlen plünderten
den Weg zu Fischerbooten mach- sie, alles, wo es Beute gab. Das we-
ten. Früh waren wir aufgestanden, nige, was wir hatten, wurde ein-
damit uns an diesem Tag ein gu- fach genommen, selbst die weni-
ter Fang gelingen würde. Dem ge Vorräte, die nach dem Winter
Seelenrichter schien die Ruhe an geblieben waren. Den Gisbrecht-
diesem Morgen gefällig, und so hof stek-kten sie gar in Brand,
sprachen wir auch kein Wort, als nachdem sie den Hausherren mit
wir am Anger vorbeigingen. Da ihrer Axt erschlugen. Seine Toch-
plötzlich hörten wir einige Stim- ter, die Elysa, ist bis heute ver-
men, leise zunächst, in einer an- schwunden. Mitgenommen haben
deren Sprache. Wir schauten die sie das arme Mädchen bestimmt,
Boronskant herunter und sahen ich will mir gar nicht ausmalen,
ein Schiff, das am Strand ange- was sie jetzt mit ihr anstellen. Es
landet war. Und im Nebel dahin- dauerte unerträglich lange, bis die
ter war noch eins auszumachen. Mir wur- men einige, die sich über die Mauer ge- Thorwaler sich zurückzogen. Viele von
de ganz bange bei diesem Anblick. Thor- schwungen hatten. Da war eine Hünin mit uns haben erst später erfahren, dass im
waler Piraten! Jolper lief los, um das Klo- einer unbändigen Mähne aus rotbraunem Kloster noch viel schlimmer gewütet wur-
ster zu warnen, und ich zurück nach Yole- Haar, die schien ihre Anführerin zu sein. de. Niemand hat sich seiner Tränen ge-
damm. Dann sah ich, wie sie schon mit Als sie der Prior, der früher einmal Ritter schämt, als er der Zerstörung an dem
lautem Kampfgeschrei losstürmten. Wie gewesen war, mit seinem Schwert verletz- Götterhaus, den verkohlten Leichen und
im Traum waren mir die nächsten Mo- te, wurde ihr Toben ein Orkan, und mit den geschändeten Gräbern ansichtig wur-
mente, sosehr ich es auch versuchte, mein einem markerschütternden Schrei trieb sie de.“
Körper war wie gelähmt. Ein Stoßgebet die Axt durch seinen Leib. Was sollten wir -Durin Holzstetter, Handwerker in
kam mir über die Lippen, als ich ihnen tun? Wir waren so wenige, die eine Waffe Yoledamm
ohnmächtig gegenüberstand. Eine Krie- zu führen wussten, und weit und breit kei-
gerin mit blonder Mähne stieß mir ihre ne Rettung! Schwester Silvana stieß mich „Am schlimmsten aber war dieses
riesige Axt in die Seite, und ich verlor die die Kellertreppe hinab und durch die Ge- grausame Lachen aus ihren dreckigen
Sinne.“ heimtür, und kaum hatte sich diese ge- Mäulern. Sie lachten, angetrunken von ih-
-Kasimira, Fischerin aus Yoledamm schlossen, da kam bereits von hinten ein rer Kampfeslust, über unseren Tempel, die
Kerl und schlug Silvana den Kopf ab. Ich Geweihten und uns im Dorf. Wir waren
„Als der Gong schlug, war es bereits sah’s ganz deutlich durch das Guckloch, wehrlos, und dass schien sie erst recht

23
anzuspornen. Es war eine fürchterliche lerische Untat von ehrlosen Piraten, die „In Thorwal nennen sie ihn den Gold-
Erregung, ein unbändiger, animalischer den Göttern keine Achtung entgegenbrin- ghulen und sprechen seinen Namen nicht
Trieb. Noch immer verfolgen mich diese gen. Aus dem Charakter dieses Überfalls mehr aus. Er war es, der mit seinen Man-
Bilder, sobald ich die Augen schließe. entspringt nur eine mögliche Reaktion. nen und Frauen das Gold und Geschmei-
Boron möge ihre Seelen verdammen.“ Sinnlos ist es, wenn wir nun alle Thor- de aus den Gräbern raubte. Über ihnen
-Isegund Spanger, Schreiberin in waler für diese Verbrechen zur Verantwor- kreisten die Raben, als sie die Schätze aus
Yoledamm tung ziehen wollen, zumal dies ohnehin der Gruft trugen. Mit höhnendem Lachen
nicht möglich ist. Vertrauen wir auf das sprach da der Kapitän: „Schaut, ihr drek-
„Der Albio ist ein ganz niederträchti- Urteil der Mächte Alverans, denen es ob- kigen Krähen, die Diener eures Gottes lie-
ger Verräter. Schert sich doch nicht dar- liegt, über die verkommenen Seelen zu gen in Blut begraben. Zehrt an dem toten
um, was in Nostria passiert, solange sein richten, die das Kloster überfielen. Gleich- Fleisch, ich mache es euch zum Ge-
Salza die ganzen Händler anzieht. So ein zeitig ist es notwendiger denn je, gute Be- schenk.“ Da stürzten die Vögel mit mah-
gemeiner, geldgieriger Batzen. Ich wette, ziehungen zu den friedliebenden Elemen- nendem Krächzen auf sie nieder und sta-
dass er mit den Mordbrennern von Yole- ten im thorwalschen Volk aufrecht zu er- chen einer Piratin gar die Augen aus.
damm im Bund steht. Erst hat er sich die halten, auf dass gegenseitige Achtung und Angst befiel da die Frevler, und in eiliger
Thorwaler ins eigene Haus geholt, und gewinnbringende Handelsbande die Si- Hast trugen sie die Beute auf ihr Schiff.
jetzt lässt er sie auf uns los. Genug damit! cherheit und Prosperität unserer Länder Hastig gemahnten sie zum Aufbruch und
Lasst uns zum Kriegszug rüsten. Zuerst gewährleistet. stachen als erste wieder in See, gen Nor-
Albios Kopf, und dann Eldgrimms. Be- Es sei verkündet, dass die Grafschaft den, wo sie sich in Sicherheit glaubten.
freien wir Salza vom Verräter und Kendrar Salza den Menschen von Yoledamm eine Doch kein Glück war ihnen beschert. In
vom Besatzer.“ Hilfsleistung in Form von Baumaterial der Nacht kamen sie vom Kurs ab, dann
-Jagio von Landerwall, Adliger aus der und Nahrungsmitteln zur Verfügung stellt. peitschte ein Sturm sie weiter aufs Meer.
Küstenregion Ein Detachement der Salzeraner Garde Nach drei Tagen erst kamen sie wieder in
wird vor Ort aktive Hilfe beim Wieder- Sichtweite der Küste, als plötzlich ein
„Was in Yoledamm geschah, bewegt aufbau des geschändeten Boronangers Schwarm Raben das Schiff einfing. Sie
uns alle, sowohl in Nostria wie auch in leisten. So hoffen wir einen größeren Bei- zogen den Thorwalern das Fleisch von
Salza. Worte können unsere Trauer dar- trag zum Wohle Yoledamms zu leisten als den Knochen, nahmen ihr Mahl und ver-
über nur unzureichend beschreiben, Mit- nur durch leere Worte, wie sie aus gewis- schwanden dann. So bezahlten die Pira-
gefühl aber wollen wir den Opfern aus- sen Kreisen des Adels zu vernehmen ten ihren Frevel mit dem Leben.“
sprechen, und Beistand jenen, die die sind.“ -erzählt in Trontsand
Plünderung überlebten. Es war eine frev- -Albio III., Graf von Salza (jm)

Die Toten und die Lebenden


NOSTRIA, TSA 1881. Die Tage der jungen, schöpferischen Dem Zeremoniell auf dem Boronsanger folgte der Gang auf
Tsa symbolisierten in diesem Götterlauf mehr denn je einen das Turnierfeld am nördlichen Tommelufer, wo sich viele hun-
Neubeginn. Während auf Flur und Feld Leben einkehrte und dert Menschen einfanden, um der heiligen Segnung von Mensch
sich die Bauern nach den Wintertagen wieder ihrem Tagewerk und Land beizuwohnen. Der Tsa-Geweihte Dario Buntenbrug
zuwandten, galt es in Nostria erst einmal, Abschied zu nehmen nahm zusammen mit der Peraine-Geweihten Nella Frinshof eine
von den Menschen, die das Wüten der Blauen Keuche nicht symbolische Aussaat vor, ließ frische Blüten verteilen, die dann
überlebt hatten. Zusammen mit der Geweihtenschaft von Boron, über dem Feld verstreut wurden. In gläubiger Erwartung schau-
Tsa und Peraine sowie vielen Bürgern im Gefolge zog die Kö- ten die Priester in den Himmel und hofften auf ein Zeichen der
nigin am ersten Tage des Mondes zum Boronsanger vor den Überderischen. Und fürwahr, einzelne Strahlen der Praios-
Toren der Stadt, während schwere Wolken am Himmel standen scheibe brachen durch die Wolkendecke und schienen herunter
und einen passenden Ausdruck der Gemütslage der Nostrianer auf die versammelten Nostrianer. Zunächst zaghaft, mit zwei-
in diesen Tagen darstellten. Vor dem Boron-Tempel wurde in felnder Reserviertheit wurde dieser Moment aufgenommen,
einer stillen Messe den vielen Seuchenopfern gedacht, Mas- einige aber sahen es gar als ein Fanal des Neubeginns. Dann
sengräber eingesegnet und der Grundstein zu einem Gedenk- sprach Königin Yolande einige Worte. „Menschen von Nostria!
schrein gelegt. Mit Blumenkränzen, Kerzen und Räucherwerk Schwere Zeiten liegen hinter uns, eine jede Familie dieser Stadt
wurden die Gräber geschmückt, während die Angehörigen in hat horrende Schmerzen durch das grausame Wüten der Seu-
Klageliedern und Epitaphen ihren Gefühlen freien Lauf ließen. che erlitten. Angesichts dieses Schreckens ist es einfach zu ver-

24
zagen, sich selbst aufzugeben. Dies aber soll nicht unser Schick- aufbauen, was die Seuche zerstört hat. Nicht nur in den Straßen
sal sein. Denn trotz allem standen uns die Götter zur Seite, ha- der Stadt, sondern auch in unseren Herzen.“
ben uns auch in der dunkelsten Stunde nicht verlassen. Nicht Vielfacher Beifall erklang da, und Jubelrufe auf die junge
wenige haben ihre besten Tugenden gezeigt: Selbstlosigkeit, Königin, die bei ihrem zweiten öffentlichen Auftritt ihren Ruf
Mitgefühl und Beistand. Die Mauern Nostrias stehen noch, als sympathische, volksnahe Herrscherin festigen konnte. Mö-
standhaft sind auch seine Menschen. Große Opfer sind nicht gen Weisheit und Glück weiter den Weg ihrer Herrschaft pfla-
selten ein Zeichen für den Neubeginn. Lasst uns also wieder stern! (jm)

Ein neuer Regent für das Raulsche Reich!


ELENVINA, ING 1027 BF. Im Schatten des von der durch lähmendes Entsetzen gezeich- breit, schließlich sei der Prinz nicht einmal
Chaos haben die Mächtigen des Mit- neten Versammlung zu besetzen. volljährig, gab man zu bedenken. Von Graf
telreichs Herzog Jast Gorsam vom Großen Von den aus den Provinzen vorgeschla- Rondrigan Paligan von Perricum bedrängt,
Fluss zum Nachfolger der entschwunden genen Kandidaten konnte sich das Gra- seine eigene Schwester nicht für Tod zu er-
Emer und damit zum neuen Reichsregenten fenkonvent auf Graf Orsino von Falkenhag klären, war es dann Prinz Storko, der seinen
gesalbt. als Reichstruchsess und auf Burggraf Avon Enkel die Augen öffnete.
Nordfalk von Moosgrund als neuen Reichs- „Das Reich wird dir nicht folgen.“
Zum fröhlichen Turniere waren sie an- erzadmiral einigen. Am Rande des Kongres- Von allen Seiten bestürmt, fügte sich der
gereist, zur schlimmen Offenbarung geriet ses tauchten vereinzelt Gerüchte über Stim- junge Großfürst sodann seinem Schicksal
es. Denn statt frohgemuten Parlieren und menkauf auf, die aber keinerlei Beachtung und stellte seinen Anspruch zurück. Da sich
ehrbaren Streiten erwartete die Hohen Leut’ fanden, konnte doch scheinbar jeder mit die- auch sonst kein geeigneter und darüber hin-
bestürzende Kunde und erschütternde Ge- ser Entscheidung leben. aus auch noch rechtmäßiger Erbe auf der
rüchte über die Lage in den zentralen Pro- Doch galt es nicht nur die verwaisten Empore erschien, zogen sich die Reichserz-
vinzen. Reichserzämter zu besetzen, auch ein neuer ämter zur Beratung zurück. Die Verwunde-
In Vertretung einer vermissten oder gar Regent für das Reich musste gefunden wer- rung hielt sich in Grenzen, als die Reichs-
gefallenen Reichsregentin war es an Reichs- den, waren doch sowohl Königin Emer, als krone dem Gastgeber, Herzog Jast Gorsam
erzkanzler Hartuwal vom Großen Fluss, die auch ihre Tochter, die Thronerbin, ver- vom Großen Fluss angetragen und nach sei-
Edlen des Reiches zu empfangen und zu schwunden. Deutlich war den Herrschaften ner Zustimmung von der Praios-Geweihten-
begrüßen. Die in der Folge kund getanen Be- ihre Sorge über die ungewisse Zukunft ins schaft auf sein Haupt gesetzt wurde. So zer-
richte der Späher, Gardeoffiziere und Ge- Antlitz geschrieben, als sich der junge Prinz rissen das Reich politisch ist, so unterschied-
weihten zeichneten ein düsteres, ja grauen- Selindian Hal von Gareth von seinem Plat- lich fielen auch die Reaktionen der Adeli-
haftes Bild der Ereignisse. Reichsregentin ze neben dem Herzog erhob und das Wort gen aus. Von bleichen Gesichtern, bis hin
Emer, bei der Verteidigung des weitläufigen ergriff. Erstaunen, aber auch Amüsement be- zu stillen Zufriedenheit, waren unterschied-
Gebeinfelds südlich der Stadt Gareth vom fiel die Anwesenden, als da Seine kaiserli- lichste Reaktionen auf die Wahl zu erken-
Schwarzen Drachen verschluckt, die Thron- che Hoheit zu aller Verwunderung offen nen.
erbin Rohaja von Gareth bei Wehrheim ver- nach der Kaiserkro-

Jasper der Schuld-


schollen, die wehrhafte Stadt in einem bei- ne heischte.
spiellosen Zerstörungsakt vergangen. Die „Es ist Unsere
Stadt des Lichts, das Heim des Herrn Praios Pflicht, dem Reich

ner gefangen?
auf Dere, zerschmettert von einem dämoni- in dieser schweren
schen Konstrukt unbeschreiblichen Grauens. Stunde eine Stütze
Doch nicht genug! Auch die Residenz der zu sein. Das Reich
Raul’schen Kaiser soll verheert worden sein. braucht einen Kai-
Gegen Trauer und Wut anredend, war es ser. Ich will diese NOSTRIA, ING 1881. Gerüchte, wonach der berüchtigte Räu-
dann auch der Reichserzkanzler, der das Ve r a n t w o r t u n g berhauptmann Jasper von der Stadtgarde gefangen wurde, ver-
Augenmerk auf die dringlichen Aufgaben übernehmen.“ dichten sich. Im Schutze von Nacht und Nebel, so wussten es
zurücklenkte. Denn neben den oben genann- Während einige, die Bettler der Stadt zu berichten, wurde eine vermummte, in
ten, fanden noch weitere Namhafte des Rei- besonders die Edlen Ketten gelegte Gestalt in den Schuldturm der Stadt geführt. Auch
ches den Tod. Beim Sturm über Gareth ist Almadas, das Vor- die rege Betriebsamkeit in und um den Schuldturm nähren die-
der Reichstruchsess Fingorn von Mersingen haben offen unter-
se Vermutung. Bis zum Redaktionsschluss war jedoch nicht zu
zu Boron gefahren, einige Wochen davor stützten, machte
ermitteln, ob es sich bei der Person tatsächlich um Jasper han-
bereits der Reicherzadmiral Rudon von sich anderswo
delt. (tzs)
Mendena. Diese vakanten Posten galt es nun schieres Entsetzen

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Der nun folgende Lehenseid hatte ganz den Saal. Einzig Jast Irian von Crumold, bleibt abzuwarten, ob sich dieser Zwist aus-
eigene Brisanz, machten doch die Gesand- Graf von Bredenhag, folgte dem Ruf seines weitet oder ein rasches Ende findet. In An-
ten der almadanischen Landesständever- Schwiegervaters Jast Gorsam, worauf der betracht der Lage, wäre ersteres wünschens-
sammlung ihrem Unmut Luft und kündig- Graf noch an Ort und Stelle von der Köni- wert, ist doch anzunehmen, dass die Wehen
ten an, Großfürst Selindian Hal im Einklang gin seines Landes entlehnt wurde. Rufe nach des Streites auch die nostrischen Lande be-
mit dem Almadaner Landrechtsbrauch nach Verrat und Festsetzung der albernischen Ge- rühren werden.
Ablauf von 12 mal 12 Tagen zum König von sandtschaft wurde mit dem Verweis auf den - aus der Feder des Schreibers Nostro
Almada zu krönen. Burgfrieden zum Schweigen gebracht. Veringer, der im Gefolge des zum Herzogli-
Während die Gesandten der übrigen Pro- Seltsam mag erscheinen, dass nur die chen Turniers angereisten Herren Muragio
vinzen das Knie vor ihrem neuen Herrscher Provinzen Almada, Darpatien, Garetien, Ansfinion von Kendrar in Elenvina weilte
beugten und ihm die Treue schworen, ver- Greifenfurt, Kosch und die Nordmarken und die dortigen Geschehnisse getreulich
schmähte Königin Invher von Albernia den neben dem Reich auch noch auf die Person aufzeichnete.
Eid und verließ mit ihrem Gefolge erzürnt des Reichsregenten geschworen hatten. Es (tzs)

Schwere Unwetter bedrohen nostrische Deiche


KÜSTE, PER 1881. „Deiche schaften. Von meterhohen
in Gefahr”. Dieser Satz, auch Wellen, die sich mit ungestü-
aus Mündern Unkundiger, mer Kraft ihren Weg in Rich-
reicht aus, um in den nostri- tung Strand bahnen, ist da die
schen Landen selbst gestande- Rede, und dass obwohl man
ne Männer in Angst und doch hier, nördlich von Salza
Schrecken zu versetzen. Noch seit Jahr und Tag keine grö-
ist vielen die verheerende Flut ßere Flut mehr gesehen hat.
vor 30 Götterläufen gut im Bereits jetzt erscheint vie-
Gedächtnis, die so viele nos- len Küstenbewohnern das
trische Männer und Frauen mit sich in den Meer hinaus, gebannt auf Zeichen war- Wetter gespenstisch, und so mag man sich
Tod riss. „Efferd hat die verderbten See- tend. gar nicht ausmalen, was geschieht, soll-
len geholt“, zischelten damals die alten Besonders aus den nördlichen Gefil- ten sich die Unwetter ausbreiten oder -
Weiber voller Geifer. Und so blicken die- den, namentlich dem thorwalsch besetz- Efferd bewahre - noch weiter verstärken.
ser Tage zahllose Augen auf das weite ten Kendrar, vernimmt man unruhige Bot- (tzs)

Und so ist es nun Melanoth


NORDVEST, PHE 1881 Der Frühling ort war er ein Fremder. das Land gebieten wird.
bringt die Entscheidung! Stolz hängen die Was ist aber mit ihren Gegnern? Erin- Von ihren adligen Untertanen ist in
Banner von Land und Königreich von den las, ihr Vetter, stellt sich ihr demonstrativ letzter Zeit nur Gutes über sie zu hören.
Zinnen der alten Grafenburg, auf die nun zur Seite. Auch der alte Ablasion folgt ihr Vorbei die Zeiten, in der man sie als ‚maß-
Melanoth von Ingvalsrohden Einzug hält. nach, als sie das Burgtor durchschreitet. lose Zechprellerin’ bezichtigte und ihr
Sie hat es geschafft, im Ringen um die Nirgends zu sehen ist Sania von Nordvest, vorhielt, junge Bauernburschen auf das
Herrschaft im Norden Nostrias hat sie sich alte Widersacherin Melanoths und ärgste damals ritterliche Gut zu entführen, um
durchsetzen können. Konkurrentin im Kampf um die Grafen- nächtelangen Liebesspielen zu frönen.
Die Menschen applaudieren, werfen würde. Nun ist sie Gräfin Melanoth von Ingvals-
ihr Blumenkränze zu Füßen und singen Man sagt, ein bedauerlicher Jagdunfall rohden, eine stolze, ehrbare Adelsfrau,
Loblieder auf das edle Grafengeschlecht. hätte ihre Reise nach Nostria verhindert, keine bessere kann man sich an der Gren-
Melanoth ist beliebt, sie weiß, wie man wo sie ihre Position vor den Mächtigen ze zu den Thorwal-Barbaren und dem
Vertrauen schafft, trotz vergangener Ta- des Reiches stärken wollte. Stattdessen windigen Albio von Salza vorstellen.
ten. Ihrem Onkel Droderon folgt sie nach, war es Melanoth, die sich die Gunst der Lange war es still auf Nordvest, in die-
der den größten Teil seines Lebens in der Königin sicherte. So ist es zumindest wei- sem Frühling aber kehrt neues Leben ein.
Hauptstadt verbrachte. In seinem Heimat- terhin eine echte Ingvalsrohden, die über Wie sich die Zeiten doch ändern! (jm)

26
Tage des Hoffen und Bangens
AM URFAN, FRÜHLING 1881 cher Ort, den er ungern aufsuchte. Und ment. Ich werde später auf ihn zurückkom-
Der Ritter noch weniger den Burgherren. Die Köni- men.
„Mein Herr, die Stellungen am Urfan gin aber hatte es ihm persönlich aufge- „Ersticken an eurer Suppe sollt ihr,
wurden gesichert. Die verbliebenen Fiol- tragen, und ihren Weisungen folgte er. Vor Graf von Ichensteck. Zu lange schon habt
barer haben sich nach Süden in ihre Ort- dem Residenzsaal hielt er inne, schöpfte ihr euch hier eingenistet, träge haben euch
schaft zurückgezogen.“ Der Ritter schaute kurz Luft. Dann trat er durch die schwere die Jahre der Herrschaft werden lassen,
mit Sorge auf seinen Knappen. „Gibt es Eichentür. Am Ende einer langen Tafel saß euren Verstand eingeschläfert und euren
Nachricht aus Nostria? Hat der Hof et- der Flussgraf in seiner beleibten Herrlich- Leib gerundet. Es liegt nicht an mir zu
was verlautbaren lassen?“ keit und schlürfte eine wohlriechende entscheiden, welche Halunken in der Pro-
„Nein, seit Marschallin Sappenstiels Suppe. Den Herold bemerkte er erst, als vinz ihre Hoheit vertreten. Ich verkünde
Depesche kam kein Wort aus der Haupt- dieser ihm eine kurze, frostige Begrüßung einzig den Willen der Königin. Seid aber
stadt. Auch haben unsere Späher nieman- entgegen warf. „Euer Hochwohlgeboren. gewarnt, dass eure ungebührlichen Aus-
den auf dem Weg nach Fiolbar entdeckt.“ Die Königin verlangt zu wissen, wie es sagen auf dem Harodfelsen kein Wohl-
Vielleicht waren sie nicht aufmerksam um eure Grafschaft bestellt ist. Berichte wollen hervorrufen werde. Vor allem sei
genug. „Ist gut Reffel, erstatte nun im von einem Angriff aus euch versichert, dass Yo-
Lager Bericht.“ Der Knappe nickte und dem Mirdiner Land ha- lande Kasmyrin nicht so
tat, wie ihm geheißen. Varigio Belafin ben den Hof erreicht. kurzsichtig ist wie es der
aber blieb in seinem Zelt. Er war von Un- Fiolbar soll in Bedräng- alte Kasimir war. Labt
ruhe gepackt, und das schon seit Tagen. nis geraten sein. Doch euch an eurer Würde, so-
Alles war gut verlaufen, die Frankfrei- darüber wisst ihr sicher- lange ihr sie noch inne-
schaft Klingenfiolbar erwies sich nicht als lich mehr zu berichten.“ habt. Denn bald schon
ernsthafter Gegner seines Bündnisses. Der Graf schaute sein wird sie ein Ende finden.
Vom Flussgrafen war keine Reaktion ge- Gegenüber für einige Au- Auf Wiedersehen, Graf.“
kommen, der fette Bombast hatte mit Si- genblicke beinahe ungläubig „Für euch Flussgraf!“,
cherheit noch immer nicht geschnallt, dass an, dann nahm er ein Stück schallte es Arrio noch hinter-
der Angriff seinen Territorien galt. Der Brot, tunkte es in die Suppe und her, als er schweren Schrittes den
östliche Uferstreifen war schnell genom- schlang es herunter. Langsam Saal verließ.
men, mehrere Höfe nun unter Mirdiner schmatzend hob er die Stimme. „Die Kö-
Kontrolle. Es wäre nur eine Frage der Zeit nigin? Meint ihr dieses junge Ding, dass Der Vogt
gewesen, bis der Herr auf Klingenfiolbar sich sein Erbe durch das Missgeschick der Auf dem Marktplatz herrschte zu die-
seine Niederlage eingestanden hätte. Seuche verdiente?“ Ohne die Antwort des ser Nachmittagsstunde schon kein Trei-
Doch war die Planung nicht über das Ge- Herolds abzuwarten, fuhr er fort. „Ihr er- ben mehr. Bauern und Händler wagten
schehen in der Hauptstadt erhaben. Im gebener Untertan, meine Wenigkeit, hat sich ohnehin kaum mehr nach Fiolbar, seit
Namen der Königin kam die Warnung, ihr folgendes mitzuteilen. Zerbrecht nicht die Mirdiner losgezogen waren. Die mei-
ausgesprochen aber von der Sappenstiel. euer kluges Köpfchen über Dinge, die sten Einwohner hielten sich in ihren Häu-
Die Fürstedle von Harmlyn, und nun wie- euch doch nur sorgen würden. Fiolbar sern versteckt, wo sie der Dinge harrten,
der Marschallin. Sie war nicht in der Seu- weiß sich selbst zu helfen, und so auch die da kommen würden. Eine paar muti-
che umgekommen, wie sein Informant Ichensteck. Sollten wir Hilfe von eurer ge Mannen und Frauen hatten sich dage-
ihm vor dem Angriff versichert hatte. Ein Königsmacht benötigen, so werden wir gen Dolch und Knüppel gegürtet und den
Dilettant, den er noch richten würde. Spä- nicht zögern es mitzuteilen. Für den Mo- wenigen verbliebenen Streitern ihre Un-
ter, denn seine ganze Aufmerksamkeit galt ment bedarf es dieser Hilfe nicht.“ terstützung zugesagt. Worte des Beistands
dem Kriegszug, den er anführte. Er musste Müde musterte Arrio den Flussgrafen. waren aus Bärengrund und Elgern-Schar-
zu Ende gebracht werden, ein Zurück gab Der lange Ritt von Nostria saß ihm in den ten, ja selbst von den Wojwoden im Osten
es nicht mehr. Knochen, der Regen auf Mantel und der Grafschaft gekommen, doch keine
Haupt. Dafür war er also gekommen, für Waffenhilfe. Völliges Schweigen dagegen
Der Herold diese Worte. Nicht einmal der Versuch vom Flussgrafen, dem nominellen Herren
Hastig schritt Arrio Radenhus die Stu- vom Bombasten, seine Verachtung zu ver- dieses Landes. Etwas anderes war auch
fen der Grafenburg hinauf. Kalt war es, hehlen. Dieser Fettwanst möchte in Ruhe nicht zu erwarten gewesen. Ichensteck
modrig, dunkel und zugig. Ein unwirtli- gelassen werden. So sei es, für den Mo- war verkommen unter seiner Ägide. Und

27
Fiolbar würde nun den Preis dafür zah- Der Frankfreie durchritt, Wasserspritzer benetzen sein
len. Sie waren allein. Sie hatte ihm tief in die Augen geblickt, Gesicht und sorgten für eine angenehme
Vor den Mauern der Stadt lagerten die und wohl auch in seine Gedanken. Ob Frische. Er war zurück, dies war seine
Kämpfer des Trutzbundes, in Kopfzahl Magie dabei gewesen war? Das also ist Heimat. Beinahe wollten ihm Tränen in
und Kampferfahrung den Belagerten unsere Königin. Wie sehr sich doch die die Augen steigen, die er aber vorerst zu-
überlegen. Eine aussichtlose Situation, in Dinge geändert haben. Balpher war sich rückhielt. Dafür war ein andern Mal Zeit.
der die Aufgabe das einzig Vernünftige nicht sicher, was davon zu halten war. Zwei Wegmeilen später hatte der
schien. Der Vogt war sich noch unsicher, Zwei Götterläufe war er notgedrungen aus Frankfreie Fiolbar erreicht. Die Mirdiner
was zu tun sei. Ausharren, bis vielleicht Nostria ferngeblieben, seit jenem schick- Späher zu umgehen war nicht schwer ge-
ein paar Streiter der Marschallin eintref- salsträchtigen Tag, als er mit einigen Mit- wesen, er kannte sich noch gut in der Ge-
fen würden? Sich zum Kampf stellen und streiter versucht hatte, Kasimirs lethargi- gend aus. Am Erdwall der Palisade gab
das Ganze zu Ende bringen? Oder doch scher Politik ein Ende zu setzen. Es war es einen geheimen Durchgang, durch den
die Kapitulation? Sinnlos, alles abzuwä- fehlgeschlagen, kurz darauf waren sie al- er in den Ort gelangte. Zumindest hatte
gen. So oder so hat Varigio gewonnen. lesamt des Hochverrats angeklagt und sich hier nichts verändert, die Häuser und
Niemand wird uns beistehen, eine kleine, zum Tode verurteilt worden. Er war mit Straßen waren noch immer dieselben,
unwichtige Frankfreischaft die wir sind. schierem Glück entkommen, jemand an- auch wenn es ungewohnt dunkel und still
Ichensteck liegt am Boden, Nostria bereits deres wurde an seiner Statt im Fluss er- war. Selbst aus der Urfanschänke dran-
im Sterben. Wer ist schon Yolande? Sie tränkt. Das lag nun hinter ihm. Sein Titel gen kaum ein Geräusch, nur gedämpftes
wird uns auch nicht helfen können. war nicht mehr der eines Kronbellius, nun Flüstern. Varigio, das wirst du mir büßen.
Defätismus und Verzweiflung hatten war er wieder Frankfreier, so wie schon Kein Leben im meinen schönen Fiolbar.
ihn völlig eingenommen. Mit gesenktem einmal, in den Jahren vor 1870. Yolande Eine laute, angetrunkene Stimme ließ ihn
Kopf, beinahe beschämt, setzte er sich zu Kasmyrin hatte ihn in alte Würden einge- aufschrecken: „Wer seid ihr, dass ihr euch
seinen Mannen, die im Wachturm das setzt. Klingenfiolbar war wieder seins. töricht zu dieser Stunde auf die Straße
Mirdiner Lager im Auge behielten. Sie Und in größter Bedrängnis. wagt? Die Mirdiner könnten jederzeit
reichten ihm eine Becher Lyckschnaps, Es war eine schöne Nacht, das Licht angreifen. Geht zurück in euer Heim.“
den er dankend annahm. So konnte er sei- der Sterne spiegelte sich in den Fluten des Es war der Vogt. Mit einem Lächeln
ne Sorgen zumindest bis zum morgigen Urfan, der beschaulich durch das sanfte antwortete Balpher. „Dies ist mein Heim.
Tag ertränken. Dann wäre ohnehin alles Hügelland floss. Ein paar Frösche quak- Und mit meinem Leben werde ich es ver-
vorbei. ten, als Balpher die Furt an der Mistelau teidigen.“ (jm)

Schrecken des Seenlands zieht nach Norden


SEENLAND, TSA 1881. Neuesten Be- lich des Tommel gefunden. Auch eine Königin anzuhalten, die Stelle neu zu be-
richten zufolge breitet sich der Schrecken, Edelfrau wurde Opfer des unbekannten setzen.
der nun schon seit einigen Monden das Grauens, schrecklich verstümmelt fand Von königlicher Seite liegt uns jedoch
Nostrische Seenland und angrenzende man sie auf ihrem Gut unweit des Ortes folgendes Zitat vor: „Wir haben dem
albernische Gebiete unter seine Knute Elger. Erstmals hat der königliche Jagd- Frankfreien zu Finsterwasser unser Ver-
zwingt, nach Norden aus. Selbst von To- meister Selvirion Schattenlauf Schritte trauen ausgesprochen und ihm versichert,
desfällen am Tommel ist nun zu hören. unternommen, um der dreuenden Gefahr dass er bei seinen Handlungen Rücken-
Herr zu werden. Höfischen Quellen zu- deckung erhält!“
Es muss wohl zu Beginn des Tsa- folge, brach der Jagdmeister Mitte Tsa Wie weit diese Rückendeckung jedoch
mondes gewesen sein, als man die er- nach Albernia auf, um sich dort ein Bild reicht, weiß so recht niemand. Es bleibt
schreckenden Neuigkeiten aus der Graf- von den Verwüstungen zu machen. Ge- abzuwarten ob und wann der Jagdmeister
schaft Ichensteck erstmals vernahm. Das rüchten zufolge schickte man den Nostrier mit neuen Erkenntnissen aus dem Süden
Treiben des Seenlands, das vor einigen sogleich nach Osten weiter. Ergebnisse zurückkehrt und welche Schritte er dann
Monden um das Dorf Varnyth herum sei- liegen uns bisher nicht vor. unternehmen wird. Doch bis dahin wird
nen Anfang fand, hatte sich nach Norden Es muss festgestellt werden, dass ein die Opferzahl wohl weiterhin ansteigen.
über den Tommel ausgebreitet. Mittler- Handeln längst überfällig erscheint, was
weile ist die Opferanzahl auf 17 angestie- eine Handvoll Wojwoden dazu veranlasste Ferdilas Zollmeister
gen. Von diesen wurden gleich vier nörd- von Reichsverrat zu sprechen und die (mk)

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Das Boronskloster zu Yoledamm
Wie es kam Auf einer Visionsqueste fand sie in den Grüften des verlasse-
Im Kloster von Yoledamm residieren die Diener des Seelen- nen Klosters Schriften, die vom Wirken Burdanios kündeten
richters Boron, eine um die zwanzig Köpfe zählende Gemein- und beschloss, die Verehrung Borons an diesen Ort erneut auf-
schaft von Priestern und Mönchen, die sich dem kontemplati- leben zu lassen. So zogen im Jahr 963 wieder gläubige Laien
ven Dienste an ihrem göttlichen Herrn verschrieben haben. Ihre und Priester in das Kloster, das zu dieser Zeit um mehrere Ge-
Ursprünge finden sich, so man den ältesten Aufzeichnungen bäude erweitert wurde, so das Novizenhaus und den Turm der
Glauben schenken darf, in den Jahren nach dem Krieg der Trä- Seelenruhe.
nen, etwa um 300 v. BF herum. Zu dieser Zeit fehlte es in Nostria
an einer Geweihtenschaft des Totengottes, und so nahmen Gei- Klosterleben
stererscheinungen und Untote in vielen Regionen des Landes Obzwar die Exerzitien, also die stillen Entsagung an das welt-
Überhand. liche Leben, die Grundlage des Konventes darstellen, pflegt man
Erst das Wirken des legendären Burdanio konnte diesen Um- auch Kontakte zu den Küstenbewohnern. Die Klosterbrüder und
trieben ein Ende setzten. Der stumme Gottesdiener erschien -schwestern sind bei ihnen hoch angesehen, stellen ein Vorbild
unvermittelt dort, wo die Toten wüteten und bezwang sie allein in Frömmigkeit und Demut vor den Überderischen dar, und
mit der Kraft, die er aus seinem Glauben zog. Ebenso wichtig man sucht ihren Rat in Fragen des Todes und des Seelenheiles.
waren die von ihm geschaffenen Todesriten. So ist der Sang Zu einem überregionalen Brauch hat sich die Ernennung der
des Heiligen Burdanio im Norden Nostrias noch immer Teil Namenshüter durch den Prior des Klosters entwickelt. Aus der
einer jeder Bestattung. ganzen Küstenregion kommen dann die Jugendlichen zusam-
In späteren Jahren sammelte er seine Anhänger an der Kü- men. Nicht wenige der Erwählten finden in dieser Aufgabe ei-
ste, wo er ihnen auftrug, dem Herren Boron den ersten Tempel nen starken Glauben an Boron. Nicht verstummen wollen Ge-
auf nostrischem Boden zu errichten. Als das Gotteshaus fertig- rüchte, nach denen es einigen flüchtigen Visaristen gelang, im
gestellt und von seinem Gott für würdig befunden war, starb Kloster Unterschlupf zu finden. Angeblich soll sogar ihr be-
Burdanio. Aus dieser Zeit stammten noch die Grüfte und die rüchtigter Anführer Vitus Verdegast in Yoledamm gesehen wor-
Burdanskammer in der Großen Abtei. Die seinem Erbe ver- den sein. Auf Fragen diesbezüglich antwortet die Mönche aber
pflichtete Klostergemeinschaft durchlebte in ihrer langen Ge- nur mit borongefälligem Schweigen.
schichte viele Höhen und Tiefen, bevor sie im Jahr 614 BF ein
Ende fand, als der letzte Mönch in Yoledamm einsam starb. Weitere Informationen zum Ort Yoledamm und den Namens-
Es bedurfte einer Auswärtigen, der Havener Boron-Geweih- hütern finden sie in der Spielhilfe Unter dem Westwind auf
ten Stellana Mortadh, um die Heilige Stätte neu zu begründen. S.149. (jm)

Das Klostergelände

1. Große Abtei mit Priorsturm und Burdanskammer


2. Galerie der Gründer
3. Wildgarten
4. Verbindungsgang
5. Treppe zu den Grüften
6. Haus der Mönche
7. Turm der Seelenruhe
8. Kräutergarten
9. Brunnen
10. Werkstätten und Lagerräume
11. Haus der Reinigung
12. Haus der Studien und Scriptorium
13. Novizenhaus
14. Statue des Hl.Burdanio
15. Boronsanger
16. Haus der Toten
17. Tafel der Helden

Irdisches zu Nostria 29
Der Schwarzpelz ist geschlagen!
VILNVAD. In heftigen Kämpfen um das von den Orken belagerte Vilnvad konnte der Feind nun endlich vernichtend geschlagen und
in seine Heimat zurückgetrieben werden. Nach den schrecklichen Geschehnissen, über die wir in den letzten Ausgaben berichten
mussten, können die Bewohner des Bodirtales wie ganz Thorwals nun endlich aufatmen. Doch lassen wir jene zu Wort kommen, welche
die Ereignisse aus nächster Nähe miterlebten:

Faenwulf Walkirsson, der Hetja der Besonders arg konnten die Orken uns mit Kenntnis von der Kunst des Heilens ihr Eigen
Hjalskari, berichtet: ihrem Katapult zusetzen: nach drei Tagen der nannten, gelangten schnell an die Grenzen ih-
Die hranngarverfluchten Schwarzpelze hat- Belagerung war dieses fertiggestellt, und nach rer Leistungsfähigkeit: zu groß war die Zahl
ten uns also in dem Dorf eingekreist. Zwar ge- einem weiteren Tag waren sie im Umgang an Verletzten, die in kurzer Zeit zu versorgen
lang es mehreren Boten, bei Nacht und Nebel damit bereits so geschickt, dass sie die Wälle waren. Viele Menschen im Dorf, die nicht im-
durch den Fluss schwimmend Vilnvad zu ver- an mehreren Stellen schwer beschädigen konn- stande waren zu kämpfen, boten sich dem Läk-
lassen, sodass sowohl die Jarle des Bodirtales ten. Wir schafften es, diese Löcher notdürftig nir aus meiner Otta und den anwesenden Heil-
als auch Herkonnunger und Herstjori in Thor- auszubessern und unsere Gegner zurückzuwer- ari als Helfer an. Viele der Rekker holten sich
wal über die Lage bescheid wussten. Jedoch fen, doch auch dabei lichteten sich die Reihen jedoch so schwere Verletzungen, dass die Ver-
war es unmöglich, frische und ausgeruhte Rek- der Verteidiger mehr als gut für uns war. In sorgung mit ein paar Verbänden nicht getan
ker, Ausrüstung oder Nahrung herbeizuschaf- der Nacht sahen wir uns gezwungen, trotz des war, mehrere verloren Gliedmaßen oder ein
fen. hohen Risikos und der absehbar hohen Verlu- Auge, und manch ein treuer Kampfgefährte
Im Zuge zweier Ausfälle konnten wir in den ste einen Ausfall zu wagen, um diese Bedro- starb den Heilari unter den Händen weg, nach-
ersten beiden Tagen noch Flüchtlinge an den hung auszuschalten. dem es zwei Tage lang so ausgesehen hatte,
Schwarzpelzen vorbei in das Dorf bringen, Genauso begannen sich abseits der direk- als ob er gerettet wäre.
danach tauchten keine weiteren Menschen in ten Kampfhandlungen die Schwierigkeiten zu Einen Moment des Schreckens erlebten wir
un-serer Sichtweite auf, auch waren derartige mehren: Mit den naskheimer Flüchtlingen, den als an einem Abend ein Säugling unter den
Aktionen gegen die mittlerweile dichter an- Hjalsrekkern, den Reisenden, welche, von den Naskheimern hohes Fieber und starken Hu-
einander liegenden und gut gesicherten Stel- Kampfhandlungen im Tal überrascht, in das sten entwickelte, und am nächsten Tag meh-
lungen der Belagerer zu riskant geworden. befestigte Dorf geflohen waren sowie den Rek- rere Personen, die in der gleichen Halla über-
Schon bald begannen sich die üblichen Pro- kern aus den Nachbardörfern, die gleich zu nachtet hatten, ebenfalls fiebrig wurden. Swaf-
bleme einer solchen Situation bemerkbar zu Beginn zu Hilfe geeilt waren, war Vilnheim nir und Travia sei Dank, es gelang der Travia-
machen: die Orks wurden nicht müde, bei Tag reichlich übervölkert. Die drückende Enge in geweihten aus Vilnvad, Mutter Hjalma, eine
wie bei Nacht mit kleineren Gruppen die Pali- den Jolskrimi, das Geschrei der Kinder und Ausbreitung der Krankheit mithilfe einiger
saden zu berennen. Zwar war es nicht schwer das Stöhnen der Verletzten beanspruchte un- Kräuter und Mittelchen schnell zu verhindern.
diese Angriffe zurückzuwerfen, doch ihr Sinn sere Geduld bis über ihre Grenzen hinaus und Vor diesem Hintergrund ist es nur zu verständ-
war augenscheinlich nicht, durchzubrechen, sorgte für einigen Zwist, selbst wenn es nur lich, dass Unruhe unter den vielen Menschen
sondern die Verteidiger zu zermürben. Auch um Kleinigkeiten wie die Verteilung der in Vilnvad entstand. Merklich angespannter
konnte sich nicht vermeiden lassen, dass wir Schlafplätze ging. Mehr als einmal mussten wurde das Verhältnis zwischen Einheimischen
trotz allem bei diesen Angriffen mehrere gute Hetfrau Malina und ich sehr harte Worte, sel- und Flüchtlingen, zwischen Hjalsrekkern und
Rekker verloren, während der Feind seine Ver- ten gar sanfte Gewalt anwenden, um auch nur den Thinskari der Hetleute des Bodirtales,
luste selbst bei dieser für ihn riskanten Vorge- zum Beispiel eine Pritsche für einen schwer- zwischen jenen, die kämpften, und jenen, die
hensweise gering zu halten verstand. verletzten Rekker frei zu bekommen. auf andere Weise mithalfen (denn ein Jeder
Zwischen diesen zahllosen Vorstößen star- Die Vorräte im Dorf hätten zwar ausge- tat, was ihm möglich war, um das Dorf und
teten die Schwarzpelze mehrere größer ange- reicht, um die Vilnvader für längere Zeit zu die vielen Leben zu retten). Bald schon ent-
legte Versuche, die Wälle zu stürmen. Bei die- versorgen, mit den zahlreichen anwesenden standen üble Gerüchte, dass die eine Gruppe
sen Gelegenheiten wurde auch immer der Oger Kämpfern und Flüchtlingen zeichnete sich je- der anderen gegenüber bevorzugt würde oder
zum Einsatz gebracht, welcher eine besonde- doch schnell ab, dass wir streng einteilen dass die Einen die Anderen den Orken als Preis
re Gefahr darstellte, da wir ihn um jeden Preis müssten, wer wie viel Nahrung am Tag bekä- für deren Abzug ausliefern wollten, und es kam
davon abhalten mussten, die Palisade einzu- me, um die Zeit der Belagerung zu überste- zu einigen Raufereien aus den nichtigsten An-
reißen. Unter großem Aufwand konnten wir hen. Gerade ich selbst machte mich mit Maß- lässen, die glücklicherweise alle ohne Einsatz
zwar verhindern dass der Feind ins Dorf ein- nahmen wie diesen bei den Vilnvadern wie von Waffen abliefen und schnell geschlichtet
drang, der Preis dafür, den wir in wertvollen auch bei vielen anderen recht unbeliebt, zu- werden konnten.
Menschenleben zahlten, war jedoch immens. mal ich den Rekkern natürlich größere Ratio- Um all dies kurz zusammenzufassen: es war
So ist es nicht verwunderlich, dass die Moral nen zugestehen musste als manch Anderem, schnell absehbar, dass wir unter diesen Bedin-
der Rekker auf den Wällen zusehends um sie kampfbereit zu halten. gungen dem Feind nicht ewig die Stirn bieten
schwand. Die wenigen Personen im Dorf, die tiefere können würden.

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Auf den Wällen veränderte sich die Stim- Die ganze Nacht über hatten die Trommeln pelze Verstärkung durch ihre herbeieilenden
mung also im Laufe der Zeit. So wollen wir ohne Unterlass gedröhnt und einem jeden in- Brüder erhalten!
als Beispiele einige Berichte von unter- nerhalb der Palisaden den Schlaf geraubt. Alle Ich und einige weitere Rekker hasteten von
schiedlichen Tagen der Belagerung veröf- die eine Waffe halten konnten, hielten abwech- unseren Plätzen auf den Wällen zum Ort des
fentlichen. selnd Wacht, starrten in die undurchdringli- Geschehens und warfen uns ins Getümmel.
Vom ersten Tag liegt uns ein Bericht des che Finsternis, vergeblich Ausschau haltend Mit einigen schweren Hieben machten wir den
Skalden Hjore Asgardson vor: nach den Schwarzpelzen, die irgendwo da wenigen Orken der Vorhut, die noch standen,
Jetzt saßen wir also schon wieder hinter draußen ihren unvermeidlichen Angriff vor- den Garaus. Zu viele waren wir nun, als dass
Palisaden und warteten auf die stinkenden bereiteten. Trotz der Jahreszeit wurden man- sie mehr als die ersten paar Schläge hätten ab-
Schwarzpelze. Doch diesmal würden sie sich chem die Finger klamm, denn ein leichter, aber wehren können. Während Torstor und ich ge-
ne blutige Nase holen! Die Rekker der Hjals- kalter Nieselregen setzte ein. meinsam mit ein paar Naskheimern in Win-
kari würden schon dafür sorgen! Die Nask- Bei Tagesanbruch hörten die dumpfen deseile die Kadaver der erschlagenen Feinde
heimer brannten förmlich darauf, Rache zu Schläge auf und eine geradezu unheimliche vor das Tor warfen und die Leichen der Uns-
üben, die Hjalsrekker strahlten zuversichtliche Stille trat ein. Langsam schälten sich die Kon- rigen hereinzerrten, sodass das Tor wieder ge-
Ruhe aus, die Vilnvader vertrauten auf ihre Be- turen der Bäume am Waldrand aus dem Dun- schlossen werden konnte, stemmten sich an-
festigungen und die anderen Rekker aus den kel des aufkommenden Tages, aber dort war dere bereits gegen dessen schwere Flügel.
umliegenden Dörfern konnten sich nicht vor- nicht die geringste Bewegung zu erkennen, Durch den vom vergossenen Blut glitschigen
stellen, dass für eine solche Streitmacht ein kein einziger Ork auszumachen. Boden, in dem unsere Schuhe keinen
paar Orks eine Bedrohung sein könnten. Wir Was hatte das zu bedeuten? guten Halt fanden, sah es anfangs
würden ihnen eine ordentliche Schlacht lie- Hatte sich die Horde tatsäch- jedoch so aus, als wür-
fern, das wohl! Nur der Oger machte mir ein lich zurückgezogen? Oder den die Ka-
paar Sorgen. Wenn der wieder auftauchen wür- handelte es sich um eine meraden die
de, würde es ernst werden. Ein harter Brok- List? Torflügel nie
ken, dieser stinkende Riese. Aber das sagte ich Gerade als das Tor im zu bewegen vermö-
den braven Vilnvader nich, es genügte, wenn’s Westen einen Spalt ge- gen. Gerade noch
die Leute von der Hjalskari wussten. öffnet wurde, um die rechtzeitig schloss sich
Da kamen sie also wieder angestürmt. Eine Kundschafter hin- das Tor, die ersten der her-
Gruppe Orks auf ihren kleinen struppigen auszulassen ge- beistürmenden Schwarzpelze
Ponys. Wollen die uns niederreiten? Die Pali- schah es: zu glei- wären fast mit ihren flachen
sade würden die kleinen Ponys nie schaffen. cher Zeit gab es ei- Nasen dagegen gelaufen.
Doch was machte diese Hranngarsbrut? Stopp- nen Trommel- Schwer atmend standen wir
te vor den Wällen und überschüttete uns mit schlag, der allen das da, das aufmunternde Lächeln, das wir uns zu-
Pfeilen, der ganze Himmel schien voll davon! Mark in den werfen wollten, wurde zur Grimasse in unse-
Wir natürlich sofort die Köppe eingezogen, Knochen ren vor Anstrengung verzerrten Gesichtern. Da
doch als ich meinen wieder hoch streckte, sah erzit- ertönten auch schon die Rufe von der Palisa-
ich ungefähr zwei Dutzend von diesen Stin- tern de: „Herauf, alle hier herauf! Sie versuchen’s
kern wie sie versuchten, Bäumchen an die Pa- l i e ß wieder über’n Wall!“
lisade zu legen und Seile zu werfen, um daran und unmit- „Ihr da, zu mir! Sie kommen von Norda!“
hochklettern zu können. „Alle zu mir! Sie telbar neben dem Tor erhoben sich plötzlich Keine Rast war uns vergönnt, es ging gleich
wollen über die Wälle!“ über ein Dutzend vor Dreck starrende Gestal- weiter, und das auch noch von mehreren Sei-
So machten wir uns sofort daran, die Seile ten aus dem Schlamm. Die Klänge der zahl- ten. Müde hoben wir unsere Waffen und klet-
abzuschneiden, die Bäumchen umzuschmei- reichen orkischen Kriegspauken ließen die terten zurück auf unsere Positionen.
ßen und jeden Schädel, der so frech war über Luft geradezu schwingen, als die Späher nie-
der Mauer aufzutauchen, zu spalten, bei Swaf- dergestreckt wurden und die Orks sich durch Am fünften Tag schließlich bekam un-
nir! Am Anfang dachte ich, da tauchen für je- das halb geöffnete Tor zu drängen versuch- ser Zuträger in Vilnvad vom Rekker Stir-
den Orkkopp zwei neue auf, doch nach eini- ten. Gleichzeitig kam Bewegung am Waldrand björn Iskirsson Folgendes zu hören:
ger Zeit, die mir ewig erschien, ebbte der An- auf: Von allen Seiten stürmten Schwarzpelze Ich kann nicht mehr! Seit gestern Abend
sturm ab und wir sahen die letzten Mauer- auf den Palisadenwall zu, die Luft erfüllend war ich unentwegt auf dem Wall, keine Ah-
stürmer Fersengeld geben. Das war noch mal mit ihrem unsäglichen Kriegsgeheul und dem nung mehr wie oft wir dieses Orkgeschmeiß
gut gegangen. Doch jetzt brauche ich erstmal Schlagen von Waffen auf die Schilde. zurückgeworfen haben, oder wann ich zuletzt
eine Pause, beim nächsten Ansturm würde ich Im Tor entbrannte ein wilder und heftiger etwas zu essen hatte. Ich habe das Gefühl ich
dieser Hrangarrsbrut wieder eins auf die Müt- Kampf: die Orks waren in der Minderzahl, spüre meine Arme nicht mehr. Liflind, die die
ze geben, das wohl! doch sie hieben wie wahnsinnig um sich, den ganze Nacht lang an meiner Seite stand, wäre
Wachen keine Gelegenheit bietend, das Tor heute morgen beinah über die Palisade hinun-
Bereits am zweiten Tag jedoch zeichnete wiederum vollständig zu schließen. Schnell ter gesprungen, wollte sich in die Klingen der
die vilnvader Thinsrekker Wulfhilda färbte sich der Boden rot vom Blut. Viel Zeit Orken werfen, nur um der Sache ein Ende zu
Livkasdottir in ihrer Erzählung ein deut- blieb den Verteidigern nicht, in wenigen Au- machen. Ein Bein hatte sie schon auf der an-
lich düstereres Bild der Lage: genblicken schon würden die ersten Schwarz- deren Seite. Erst als Hetfrau Malina sie mit

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einem Kinnhaken bewusstlos schlug, konnte Schwarzpelze ihren Ring um uns schlossen. Kampfgeschrei. Unsere Kameraden waren ent-
man sie in ihr Jolskrim hinunter bringen. Ich Wir konnten sie durch einen gewagten und deckt worden! Jetzt galt es schnell zu handeln.
kann es ihr nicht verübeln, auch ich habe schon auch verlustreichen Ausfall in die Sicherheit Mit einem lauten Kriegsschrei stürmten wir
mit dem Gedanken gespielt, gleich zu Swafnir der Befestigung retten. Und genau so eine auf das Lager zu, die ersten Orks tauchten
zu gehen, anstatt das scheinbar Unvermeidli- wagemutige Aktion mit unsicherem Ausgang schemenhaft aus dem Dunkel auf. Diejenigen,
che hinauszuzögern. Allein der Gedanke an mussten wir nun erneut starten. Unser Ziel war die noch konnten, wichen vor uns zurück – in
meine kleine Eyvin, meine Tochter, hat mich diesmal nicht die Rettung von Flüchtlingen, der Dunkelheit konnten sie nicht richtig ab-
zurückgehalten. wir wollten das große Katapult zerstören. Ich schätzen, wie viele wir waren. Unser Ansturm
Vorhin, als die Schwarzpelze dann noch frage mich noch heute, wie die tumben geriet ins Stocken, als immer mehr Gegner aus
einen ernsthaften Sturm versuchten, waren wir Schwarzpelze darauf gekommen sind. Eine der Nacht auftauchten. Jetzt begann für uns
alle so erschöpft, dass sie fast durchgedrun- grobe Holzkonstruktion, ein großer Löffel, der Kampf ums Überleben. Wenn es uns nur
gen wären. Drei oder vier von ihnen waren gehalten von groben Stricken. Aber die Wurf- gelänge, den anderen ein wenig Ablenkung zu
schon auf der Plattform, von der aus wir ver- kraft reichte aus, um Tod und Verderben über schaffen. Unsere Gebete wurden erhört – im
zweifelt versuchten, den Oger mit unseren uns zu bringen. Zu Anfang waren sie langsam Lager der Orks griffen helle Flammenfinger
Speeren am Einreißen des Walles zu hindern. und ungeübt. Das hat sich leider geändert. Die gierig in den nachtdunklen Himmel. Im Feu-
Zwei meiner Freunde, Lingard und Rekki, Einschläge der groben Steine wurden zuneh- erschein war zu erkennen, dass das Katapult
konnten sie hinunterstürzen, bis die Hjals- mend treffsicherer, schließlich hatten sie da- brannte. Swafnir war bei uns, Thibor hatte Er-
rekker uns zur Hilfe kamen. Rekki lebte noch, mit unser Sijdtor geknackt. Den folgenden folg gehabt, zumindest wenn man die Sache
als er am Fuße der Palisade lag, das habe ich Angriff konnten wir gerade noch zurückwer- mit sehr kühlem Kopf betrachtete: Im Licht
genau gesehen. Aber es gab nichts, was wir fen, seitdem bildeten umgestürzte Wagen und der Flammen war nur zu gut zu erkennen, wie
für ihn tun konnten. Nur Herzschläge später eilig errichtete Palisaden unser neues Tor. Wie er und die letzten seiner Gefährten von den
wurde er von einem dieser Orkponys tot ge- lange es wohl halten würde? Schwarzpelzen niedergemacht wurden. Rian-
trampelt. Heute nacht war eine Entscheidung fällig garda gab mit Tränen in den Augen den Be-
Ich lege mich jetzt schlafen, wer weiß, – so oder so. Entweder wir konnten das Kata- fehl zum Rückzug, wir konnten es uns nicht
wenn Swafnir mir wohlgesonnen ist, ist viel- pult zerstören oder wir verloren unser Leben erlauben, noch mehr Kämpfer für die Stadt zu
leicht alles vorbei, wenn ich wieder aufwache und damit wertvolle Rekker für das Dorf. Es verlieren. Unsere Rache musste warten, noch.
– oder er ist gnädig und lässt mich nicht mehr ging los, wir waren am Turm. Vor mir stieg Es gelang uns nur knapp, uns von den Geg-
erwachen... Alfgang aus der geöffneten Pforte ins Dun- nern zu lösen. Eine wilde Flucht durch die
kel. Keiner von uns hatte Fackeln oder Later- stockdunkle Nacht begann. Ab jetzt zählte je-
Wie schon erwähnt, wurde es in der nen dabei. Unsere einzige Beleuchtung war die der Atemzug. Hinter uns hörten wir eifrige Be-
Nacht vom dritten zum vierten Belage- schmale Sichel des Madamals. Mehr schien fehle und das Bellen dieser verfluchten Hun-
rungstag nötig, einen Ausfall zu wagen um auch nicht notwendig, kannten wir doch das de. Was soll ich noch lange erzählen? Es ge-
das orkische Katapult zu zerstören. Gelände vor der Stadt seit unserer Kindheit. lang uns mit knapper Not die Stadt zu errei-
Lest dazu den Bericht vom vilnheimer Die neu errichteten Stellungen der Orks hat- chen. An eilig herabgeworfenen Seilen wur-
Thinsrekker Ulfhard Klingenbrecher: ten wir uns in den letzten Tagen gut einge- den wir in die vermeintliche Sicherheit der Be-
Vor der Halla sammelten wir uns. Einige prägt. Leise und vorsichtig schlichen wir ins festigung gezogen.
der Gesichter waren ängstlich, einige aber auch Dunkel. Nach einigen hundert Schritten hör- Von den Palisaden konnten wir die vergeb-
voller Zorn und Wut. Viele von uns hatten Hab ten wir einen leisen Pfiff, gefolgt von einem lichen Löschversuche unserer verhassten Fein-
und Gut oder sogar geliebte Menschen verlo- kurzen Röcheln. Jolme war auf eine Wache de sehen. Das Katapult, unsere größte Bedro-
ren. Jetzt war die Zeit des Handels gekommen, getroffen und hatte sie ausgeschaltet. hung, war ausgeschaltet. Doch um welchen
endlich. Im Halbdunkel waren gedämpfte Ge- An der alten knorrigen Eiche teilten wir uns Preis?
sprächsfetzen zu hören. Nicht, dass ich den in zwei Gruppen auf. Thibor sollte mit eini- Wir hatten teuer für unseren Ausfall be-
leisen Unterhaltungen folgen konnte, aber al- gen von uns direkt das Katapult angreifen, zahlt, hoffentlich würde sich das Opfer aus-
leine aus ihrem Klang war die Anspannung Riangarda sollte sich mit den Ihren, unter de- zahlen. Die gefallenen Kämpfer werden uns
und Unsicherheit zu erkennen. Thibor Jalsen- nen auch ich mich befand, in Reserve halten, bei den nächsten Angriffen fehlen. Und diese
son kam auf uns zu und gab das Zeichen zum um notfalls eingreifen zu können. Angriffe würden nicht lange auf sich warten
Aufbruch. Die kleine Gruppe um Thibor war nur leicht lassen. Aus dem Dunkel hörten wir die bedroh-
Leise folgten wir ihm durch dunkle Stra- gerüstet, um sich schnell und leise bewegen lichen donnernden Trommeln der Orks – wie
ßen, unser Ziel war der Rundturm, der den zu können. Ihre wichtigste Waffe waren die vor jedem ihrer Anstürme.
sijdwesdlichen Eckpunkt der Befestigung un- Ölschläuche, die sie mit sich trugen. Damit
seres Dorfes bildete. Von dort aus sollten wir sollten sie das Katapult übergießen und an- Die Entscheidungsschlacht
uns durch eine enge Mannpforte nach drau- zünden. Wie aus vorher Gesagtem bereits ersicht-
ßen bewegen. Nach draußen! Dort vor dem Sie waren noch nicht lange in Richtung des lich, war es nur eine Frage der Zeit, bis man in
Dorf befanden sie sich, die stinkenden und hin- Lagers verschwunden, als wir von dort zorni- Vilnvad vor die Wahl gestellt wurde, sich in-
terhältigen Orks. Seit Tagen schon hielten sie ges Kläffen und Bellen hörten. Die Orkhunde! nerhalb des Dorfes der letzten, entscheiden-
uns in unserem eigenen Dorf gefangen. Die Sie schienen unsere Kameraden gewittert zu den Schlacht zu stellen, oder den Kampf vor
letzten Flüchtlinge kamen am zweiten Tag der haben. Was tun? Kurze kehlig gebrüllte Be- die Wälle des Dorfes zu tragen: die Vorräte
Belagerung an, am gleichen Tag, an dem die fehle, nur wenig später Waffenlärm und gingen allmählich zur Neige, zumal es den

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Schwarzpelzen gelungen war, zwei Häuser in der Vorwärtsbewegung eine Keilformation ein- die unsere Feinde am Bodirufer errichtet hat-
Brand zu schießen, wodurch die in ihnen ge- nehmen sollten. So wollten wir die gegneri- ten, und warfen uns auf sie. Schild an Schild
lagerten Lebensmittel vernichtet wurden. Zu- schen Stellungen, die sijdlich des Ortes den rückten wir vor, und hackten und hieben auf
dem hatten die Orken nach der Zerstörung ih- Abschluss ihres Belagerungsringes zum Bodir- das Geschmeiß ein. Bald schon war kein le-
res ersten Katapultes sofort mit dem Aufbau ufer hin bildeten, überrennen, von dort nach bender Schwarzpelz mehr in dieser ersten Stel-
eines Neuen begonnen, welches am sechsten Westen schwenken und die weiteren Ork- lung übrig, und Hetja Faenwulf gab das Kom-
Tag der Belagerung beinahe fertiggestellt war. gruppen, zu denen wir durchkamen, in ihrer mando für den Schwenk nach rechts. Wir
Dazu kam, dass durch die laufenden Verluste Flanke angreifen. Die Spitze dieses Keils sollte stürmten weiter in die zweite und dritte Anla-
unter den Verteidigern ein Ausfall nicht mehr die Hjalskari bilden, die Außenseiten die ge- ge des Belagerungsringes und hinterließen zer-
ewig möglich sein würde, wollte man diesen übten Rekker aus den Dörfern des Bodirtales, störte Verschläge und Orkleichen, bis schließ-
nicht nur zu dem Zwecke beginnen, ruhmvoll während die Ungeübteren, im Inneren der lich die Hauptmacht des Feindes zu unserer
und geschlossen in Swafnirs Hallen Einzug zu Formation platziert, aus zweiter Reihe kämp- Rechten auftauchte. Erneut schwenkten wir,
halten. So entschieden die Hetleute im Dorf, fen und entstehende Lücken schnell wieder doch bevor noch alle Unseren neu ausgerich-
dass man sich vor den Toren dem Feind stel- schließen sollten. tet waren, hatten die Vilnvader, die unter ihrer
len würde. Ein Hoffnungsschimmer war, dass Als Zeitpunkt für den Ausfall legten wir Hetfrau Malina die rechte Flanke bildeten,
von Vilnvad aus einige Aktivitäten um Bodon den frühen Morgen des nächsten, siebenten Kontakt mit der Spitze der Orkfront.
beobachtet worden waren, welche man dahin- Tages der Belagerung fest. Um unseren Brü- Da wir Hjalsrekker durch den unvollstän-
gehend deutete, dass sich die Entsatztruppen dern und Schwestern, die wir in der Nähe ver- digen Schwenk ein Stück vor Malina zu ste-
der Jarle des Bodirtales sammelten. sammelt wähnten, zu signalisieren, dass un- hen gekommen waren, versuchten wir uns zu
ser letzter Kampf begann, beschlossen wir, ihnen durchzuschlagen, doch schon hatten sich
Hetja Faenwulf Walkirsson berichtete zum einen während dem Sturm aus dem Tor größere Gruppen des Feindes zwischen uns
über die Vorbereitungen: jedes Horn zu blasen und jede Trommel zu und die Vilnvader gedrängt. Hinter mir begann
Nun, nachdem die Entscheidung gefallen schlagen, die wir im Dorf auftreiben konnten, Hetja Faenwulf zu fluchen: im Morgendunst
war, dass wir unserem Schicksal außerhalb der sowie ein großes Floß in Brand zu setzen und war der riesenhafte Umriss des Ogers aufge-
Wälle begegnen wollten, beratschlagten Het- auf den Bodir hinauszuschieben, sodass auch taucht, der auf die Thinskari um die Hetfrau
frau Malina, Hetman Sven Thorbjørnson von weiter entfernte Späher unsere Signale wahr- zuhielt. Verzweifelt schlugen wir auf die
den Naskheimern und ich über das Wie. An- nehmen konnten. Schwarzpelze ein, die sich uns in den Weg
fänglich überlegten wir, in zwei Gruppen zu In dieser Nacht ließen drängten, doch schnell hatten diese eben-
operieren, doch aufgrund der hohen Verluste wir die Verteidigungsan- falls einen Schildwall geformt und
die wir bereits bis zu jenem Zeitpunkt zu ver- lagen mit dem absoluten wir konnten Malina nicht zu Hilfe
zeichnen hatten, war es uns schließlich zu un- Minimum an Leuten be- kommen. Während wir uns also
sicher, unsere Kräfte aufzuteilen. mannen, um möglichst vie- mit jenen Gegnern herum-
Was uns an geübten Rekkern geblieben len Rekkern eine ange- schlugen und
war, waren neununddreißig meiner einstmals messene Ruhe vor dem immer wieder
aus einer halben Hundertschaft bestehenden entscheidenden Mo- einen Blick in
Otta der Hjalskari, zwanzig Mannen und Frau- ment zu gönnen. Etwa eine die Richtung
en von der vilnvader Thinskari sowie ein Dut- Stunde vor Sonnenaufgang versam- des Menschenfressers
zend von jener aus Naskheim, und die acht melten wir uns schließlich auf dem Dorfplatz, warfen, der mehr und mehr Rekker erschlug,
Rekker, die von den ehemals zehn uns zu Hil- während die Posten auf den Wällen von eini- hörten wir plötzlich einen schier unmenschli-
fe geeilten Bodonern überlebt hatten. Dazu gen Alten und Halbwüchsigen abgelöst wur- chen Schrei und sahen wie Hetfrau Malina und
kamen ungefähr hundertvierzig Vilnvader, die den, auf dass es für den Feind möglichst lan- mehrere ihrer Thinsrekker, wohl in tiefste
fähig waren, eine Waffe zu führen, sechzig ge so aussähe, als würde dieser Tag einer wie Swafskari verfallen, die Formation verließen
ehemalige Mitglieder der Naskheimer Bür- all jene zuvor. und ihre eigene Sicherheit nicht achtend mit
gerwehr, abgekämpfte und teilweise eher schweren Hieben auf den Oger eindrangen.
schlecht ausgerüstete Gestalten, sowie zwan- Der Hjalsrekker Ulfgar Beornhildson Zwei menschliche Leiber sahen wir in hohem
zig Waffenfähige unter den übrigen Flüchtlin- schilderte uns seine Beobachtungen wäh- Bogen davonfliegen, doch dann brach das
gen, die sich ins Dorf gerettet hatten. rend der großen Schlacht: Monster plötzlich nieder, stürzte auf die Knie,
Uns dreihundert Menschen gegenüber stan- Ich selbst stand zusammen mit meinen Ka- wurde gleich von mindestens vier Äxten
den unseren Schätzungen zufolge etwa drei- meraden von der Hjalskari ganz vorne an der schwer getroffen, und sank schließlich nach
hundertzwanzig Orks, besser geübt und aus- Spitze unseres Keils. Gleich nachdem wir das vorne. Hetfrau Malina, deren Axt wohl den
gerüstet als der Großteil unserer Leute, mit Tor im Sijdan passiert hatten, brach ein Lär- tödlichen Schlag vollführt hatte, indem sie dem
ihrem guten Dutzend an Kampfhunden und men und Brüllen los, wie ich es noch nie er- knienden Oger die Brust und den Bauch auf-
unterstützt von ihrem Oger, dem alle Treffer, lebt hatte: unsere Horn- und Trommelsignale gerissen hatte, verschwand unter dem fallen-
die wir ihm im Laufe der Belagerung zuge- und unser Kriegsgeschrei vermischte sich mit den Leichnam. Einen Moment lang sah es so
fügt hatten, nicht ernsthaft zur Gefahr gewor- den Alarmrufen der Orks, dass man glauben aus, als ob die Front der Unseren in dem Mo-
den waren. konnte, Hranngar selbst sei mit ihrer komplet- ment, da Hetfrau Malina fiel, an jener Stelle
Unser Plan sah vor, dass wir Vilnvad durch ten Brut erschienen, um Dere den Garaus zu einbrechen würde, doch plötzlich gelang es uns
das ohnehin zerstörte Sijdtor verließen und in machen. Wir stürmten auf die Verschläge los, Thinsrekkern, den orkischen Schildwall vor

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uns zu durchbrechen, wohl weil einige der Irgendwann, es kam mir wie unendlich vie- Notfall schneller am Ort des Geschehens zu
Schwarzpelze, die um den Oger gruppiert ge- le Stunden des Kampfes vor, doch im Nach- sein, dort aber noch auf die Mannen und Frau-
wesen waren, kurzzeitig zurückwichen, wo- hinein betrachtet war es wohl nur knapp eine, en der anderen Ottas unseres Jarltums zu war-
durch hinter jenen, die uns im Wege standen, änderten sich die Geräusche in unserer Um- ten. Auch entsandte ich immer einige Beritte-
der Druck nachließ. gebung. Anfangs konnte ich nicht genau sa- ne, die von den Hügelkämmen aus das bela-
So gelangten wir also an die Stelle, da das gen was es war, ich war so konzentriert, dass gerte Dorf im Auge behalten sollten. Zu die-
Monster und die wackere Hetfrau ihr Ende ich allein schon einige Zeit brauchte um zu sem Zeitpunkt waren die Vilnvader bereits
gefunden hatten, und es gelang uns, wieder bemerken, dass sich etwas tat, doch dann ris- zwei Tage lang eingeschlossen, sie schienen
zu einer geschlossenen Formation zurückzu- kierte ich einen schnellen Blick, und was ich sich aber ganz gut zu halten.
kehren, auch wenn unsererseits nun endgültig sah, ließ mein Herz höher schlagen: Schräg Einen Tag später kam Jarl Algard vom
keine Vorwärtsbewegung mehr möglich war. hinter uns waren Rufe und Hornstöße ertönt. Vaenstre Bodrdal auf unsere Flussseite her-
Ich weiß nicht, wie lange wir so standen Auf dem Hügelkamm im Sijdan waren Ge- über, in seinem Gefolge sechzig Rekker. Da
und kämpften, Rekker um Rekker fiel, doch stalten zu sehen, die sich schnell näherten, und auch er noch auf weitere Aufgebote warten
von hinten rückten stets die tapferen Bodirtaler gleich darauf konnten wir erkennen, dass es wollte, beschlossen wir, erst am achten Tag
nach, auch wenn sie wussten, dass sie hier ihr sich um thorwalsche Rekker handelte – der der Belagerung unseren Angriff zu beginnen.
Ende finden würden. herbeigesehnte Entsatz war angekommen! Nun, am siebten Tag, wir hatten zu jenem
Doch auch wir hielten blutige Ernte unter Sowie diese Rekker herangekommen wa- Zeitpunkt eine Stärke von etwa hundertachtzig
den Feinden, und immer mehr Leichen von ren, und die ersten Schläge gegen unsere Geg- Rekkern, erreichte uns die Nachricht vom Aus-
Mensch wie Ork lagen in ihrem Blut, dazwi- ner ausführten, spürten wir, dass auch die fall unserer Brüder und Schwestern. Da ga-
schen die Kadaver von Kampfhunden, die es Wucht der orkischen Angriffe in unserem Ab- ben Algard und ich natürlich den sofortigen
glücklicherweise nur selten schafften, an un- schnitt der Schlachtreihe nachließ, und gleich Abmarschbefehl. Als wir in Sichtweite des
seren Schilden vorbeizukommen, und von den darauf wandten sich die ersten Schwarzpelze Schlachtfeldes kamen, bot sich uns ein
Leuten in der zweiten Reihe sehr schnell er- zur Flucht. Noch einmal warfen wir uns mit grässliches Bild: Die Unseren waren von den
schlagen wurden. aller Kraft dem Feind entgegen, und plötzlich orkischen Horden eingekreist worden, um sie
bewegten wir uns alle herum lagen Dutzende Leichen von Orken wie
vorwärts. Noch einige Menschen, überall war Blut verspritzt und Ge-

Schrecken am Hjaldorpass Orken gerieten unter


unsere Axtblätter,
därm verteilt, und dazwischen erblickten wir
auch viele Verletzte, die sich in Schmerzen
dann plötzlich hielt wanden. Grob geschätzt mochten noch gut
FELSTEYN. Wie nachträglich len der Zwerge, deren Eingän- Hetja Faenwulf den zweihundert Thorwaler knapp dreihundert
bekannt wurde, haben die Orks ge sorgsam hinter dem letzten Kopf ihres Anführers, Orken gegenüberstehen, als wir eintrafen.
nicht nur im oberen Bodirtal Fliehenden verschlossen wur- auf einem Speer auf- Sofort stürmten wir in die Schlacht, und
zugeschlagen, sondern auch an den. Allerdings verhinderten gespießt, in die Höhe tatsächlich gelang es uns, ausgeruht und zorn-
anderer Stelle ihre Macht de- schwer bewaffnete Angroschim, und schrie seinen Sie- erfüllt, wie wir waren, den bereits lange im
monstriert. dass die Felsteyner weit in die gesschrei hinaus, und Kampf stehenden Schwarzpelzen schnell grö-
Während, wie berichtet, an- Stollen vordringen konnten. da begannen alle Fein- bere Verluste zuzufügen. Als dann Hetja Faen-
dernorts schreckliche Kämpfe Der Ort lag den Orks fast de zu rennen. Wir hat- wulf und seine Hjalsrekker im Zentrum des
wüteten, marschierte ein gro- schutzlos ausgeliefert, doch ten gesiegt! Kampfgeschehens den feindlichen Häuptling
ßer Orktrupp nach Felsteyn zum Verwundern aller, wurde erschlagen konnten und seinen Kopf auf ei-
und versetzte die Menschen in kaum etwas zerstört. Zum Be- Bericht des Jarles nem Speer präsentierten, war die Sache ge-
Angst und Schrecken. Zum dauern der betroffenen Famili- von Höjre Bodrdal, laufen: die Orken wandten sich zur Flucht.
Glück gab es kaum Tote, da en setzten es sich aber leider ei- Grodir Stelgardson: Doch, bei Swafnir, wir verfolgten sie, fast hun-
größere Kämpfe ausblieben. nige Bewohner in den Kopf, Ich war sofort nach dert dieser Bastarde fielen uns noch in die
Die hier nach Edelmetallen den Ork aufzuhalten, oder ihm Eintreffen der Berich- Hände und die Vilnvader und Naskheimer nah-
schürfenden Zwerge sahen zumindest nicht kampflos den te über die Belagerung men an eben jenen blutige Rache.
schon von weitem die heranna- Ort zu überlassen. Das Ergeb- Vilnvads mit meiner So trauern wir nun um die vielen guten
henden Orks und warnten die nis war eine Tragödie, denn vierzig Mann starken Menschen, welche ihren Weg zu den Göttern
Bürger des Ortes. Daraufhin keiner der gegen die Orks an- Jarlskari nach Auplog antraten besonders um meine treue Freundin
packte ein jeder sein wichtig- getretenen überlebte das Mas- gezogen, wo Hetmann Hetfrau Malina, welche ihr Leben ließ, als sie
stes Hab und Gut und rettete saker. Kaerngar bald darauf den Oger zur Strecke brachte, dadurch aber
sich in die Berge, deren Höhen Der Ort an sich wurde kaum fünfzig Rekker in Ab- die Leben vieler Anderer rettete. Zugleich dan-
und Tiefen niemand so genau angerührt, lediglich der kleine marschbereitschaft ken wir Swafnir, dass er uns die Güte erwies,
kennt wie die Felsteyner. Ingerimm-Tempel wurde zer- versetzt hatte. Wir be- Vilnvad halten zu können. Ich werde mich
Gebrechliche und Kinder, stört. Aus welchem Grund dies schlossen, etwa eine noch diesen Mond mit Jarl Algard und den
solche Personen also, die nicht geschah und weshalb die Orks halbe Wegstunde Hetleuten und Hersiren der Region treffen, und
gut zu Fuß sind, fanden hinge- danach wieder abzogen, ist der- flussabwärts von Viln- wir werden die Konsequenzen aus diesen Vor-
gen Unterschlupf in den Stol- zeit noch ungeklärt. (jak) vad unser Lager auf- fällen zu ziehen wissen, das wohl!
zuschlagen, um im (sh / vl / am / as)

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Es gibt Neues zu berichten
aus der besetzten Hauptstadt
Verrat in Muryt Friedloser. Kannst du dir vorstel-
len, zu welchen Taten ich erst fä-
Njurunsgards. Die Verbündeten
sind aktiv geworden und haben
Die Belagerung von Befreiung hig sein werde, wenn ich wie-
der Jarl bin? Die Jarlskari wer-
die Stadt umzingelt. Niemand de ich als kleine Armee ausbau-
kann die Stadt verlassen oder sie betreten, ohne wärtige Schwein sich an? Doch noch ehe sie en und alle deine und meine Feinde ausrot-
die Stellungen der Belagerer zu passieren. Das Thurske angemessen etwas entgegnen konn- ten! Gråbjergen wird brennen! Kein Mann,
gilt sowohl für den Land- wie auch dem See- te, lachte dieser plötzlich vergnügt auf. „Nein, keine Frau, erst recht kein Greis und kein Kind,
weg. Nur diesem Umstand ist es zu verdan- das war ein Spaß, liebste Jurga. Selbstverständ- wird mir und meinen Mannen entkommen
ken, dass wir hier an dieser Stelle von einigen lich bist du nicht meine Untertanin. Was ich können. Nur zwei Personen lasse ich übrig:
Tatsachen und Entscheidungen berichten kön- von dir will? Ich biete dir eine Allianz mit mir Die Jarlin Firnlind Sæhntilsdottir wird lange
nen, die den Verräter Thurske sicher sehr in- an. Wir beide zusammen würden Thorwal be- und unbeschreibliche Qualen erdulden für ihre
teressieren dürften. Doch lesen Sie selbst! herrschen und das Reich von seinen Feinden Frechheiten die sie mir einstens an den Kopf
bereinigen. Wir beide – du als meine Gemah- warf. Und natürlich lasse ich deine Freundin
Vom Besuch Jurgas bei Thurske in lin – werden das von deinem Vater hinterlas- Marada am Leben. Erniedrigt und zutiefst ge-
Muryt sene Reich vergrößern. Andergast, Nostria, demütigt werde ich sie dir zu Füßen legen. In
MURYT. Mit hinter dem Kopf verschränk- Albernia und das Gjalskerland werden einge- Ketten geschmiedet wird sie dich um Gnade
ten Armen lehnte er sich auf seinem Thron gliedert und mit Thorwal zusammen zu einem anwinseln, sie wird um ihr jämmerliches Le-
zurück und schaute sein Gegenüber mit einem Großreich vereint, wie es auch das Mittelreich ben flehen, dich mit tränenerstickter Stimme
selbstgefälligen Grinsen an. Missbilligend und das Horasreich welche sind. Wir beide zu- anbetteln ihr den Gnadenstoß zu verpassen...“
wanderte Jurgas Blick über seine Sitzgelegen- sammen...“ „Besonders wegen letzterem Punkt, wäre
heit – ein Thron, dem albernischen Königs- „Thurske, ich bin nicht hier um mit dir zu- dies schon zu überlegen“, schmunzelte Jurga,
thron nachempfunden und keine Woche alt. sammen deinen Tagträumen nachzuhängen. der eine gefangene Marada durchaus gefallen
Die Muryter Handwerker hatten ganze Arbeit Und hör auf mir den Deppen vorzuspielen. würde. „Aber niemand in Thorwal wird sich
geleistet. Sie selbst musste mit einem specki- Sag, weshalb du mich zu sprechen wünschst.“ damit einverstanden erklären können, Fried-
gen und schmutzigen Scherenstuhl vorlieb Thurske verzog eine missbilligende Mie- lose in einem Jarltum offiziell ansiedeln zu
nehmen – wenn sie nicht auf dem Boden sit- ne. „Habe ich dir erlaubt zu sprechen? Ich glau- lassen.“
zen wollte. Keiner der beiden sagte ein Wort, be nicht. Aber ich will dir noch mal verzei- „Bahhh, wer spricht denn von den Fried-
sondern musterte den jeweils anderen unent- hen, weil du mit den hiesigen Gepflogenhei- losen. Mir ist schon klar, dass du dein Erfolgs-
wegt. Thurske fühlte sich sichtlich wohl. Er ten nicht vertraut bist. Die Sache mit unserer erlebnis haben musst, um die Spinner die der-
war in neugeschneiderte Kleider gehüllt, Klei- Vermählung sollten wir vielleicht auch ein an- zeit in deinem Umfeld sind, beruhigen zu kön-
der die mit Borten und Ornamentstickerei ge- deres Mal diskutieren, wenn die vornehmliche nen. Aber auch der Greis und der Krüppel wer-
radezu übersät und aus teurem Brokat gefer- Sache erledigt ist.“ den dich lobend ansehen, wenn du ihnen die
tigt waren. An seinen Fingern glitzerten wert- Wenn nicht so viele Menschenleben von Friedlosen bringst, die Muryt besetzt halten.
volle Ringe und er hatte sich eine mittel- ihrem Gespräch mit dem Friedlosen abhingen, Verstehst du was ich meine? Setz mich als Jarl
reichische Amtskette um den Hals gelegt, die wäre Jurga schon längst aufgestanden und ge- ein und ich präsentiere dir als erstes Geschenk
er irgendjemanden geraubt haben musste. Ein gangen. So aber machte sie gute Miene zum die Köpfe meiner derzeitigen Gefolgsleute.
Mädchen, kaum zwölf Jahre alt und in halb- bösen Spiel und ging auf ein. „Genau Thurske, Meinetwegen kannst du sie auch ganz haben,
durchscheinende Gewänder gehüllt, servierte lass uns zuerst das Dringendste beratschlagen. um an ihnen selbst ein Exempel zu statuieren.“
ihrem „Herrn“ gerade ein Horn warmen Mets, Später ist immer noch Zeit um über unsere ge- Jurga war entsetzt, versuchte aber sich
ließ Jurga aber unbeachtet. Thurske nickte dem meinsame Zukunft zu sprechen.“ nichts anmerken zu lassen. Wollte Thurske
Mädchen selbstgefällig zu, tätschelte dann ih- Über Thurskes Gesicht huschte ein Lä- wirklich seine eigenen Leute verraten und sie
ren Po. Verängstigt-scheu lächelte sie ihm ent- cheln. Er war schon immer davon überzeugt, an den Galgen liefern? Jurga trat an das Fen-
gegen. Jurga ahnte schon, was ihr Gegenüber dass die Trondestochter etwas für ihn übrig ster. Ihre Gedanken kreisten. Der Plan sah vor,
dachte und vermutlich spätestens heute Abend hatte, und sah sich nun bestätigt. „Mein liebe zum Schein auf Thurske einzugehen und ihn
durchzuführen beabsichtigte. Jurga, wie du weißt, gehört dieses Jarltum ei- dazu zu bewegen, sich als Jarl im Thorwaler
„Thurske, was willst du von mir?“ durch- gentlich mir. Dieser hinterhältige Hundsfott Swafnirtempel bestätigen zu lassen. Sie war
brach sie das nervtötende Schweigen. Der An- Bærjan Runenhand hat gegen mich intrigiert davon überzeugt, ihn auch zu dieser Reise
gesprochene richtete seinen Blick auf die ober- und leider durchschaute dein Vater diese Hin- bewegen zu können, um ihn dann zu ergreifen
ste Hetfrau, nachdem er dem davonhuschenden terhältigkeit nicht. Aber mir gehört nun mal – ohne die Muryter Bevölkerung in Gefahr
Mädchen sehnsuchtsvoll nachgeblickt hatte. der Titel des Jarls, mir gehört Njurunsgard.“ zu bringen. Jurga stand eine ganze Zeit lang
„Was ich von dir will, Hetfrau? Ich habe nach Verschwörerisch beugte sich Thurske über den am Fenster und hing ihren Gedanken nach. Als
dir geschickt und dich an meinen Hof befoh- Tisch. „Ich bitte dich darum, mich wieder als sie sich entschlossen umdrehte, schüttelte sie
len. Und wie es treuen Untertanen geziemt, Jarl einzusetzen. Das hat Vorteile für dich. Du nur leicht den Kopf. Thurske hatte sich schon
hast du diesem Ruf folge geleistet.“ Jurga trau- siehst, welche Macht ich schon habe und dies wieder heißen Met bringen lassen, diesmal je-
te ihren Ohren nicht. Was maß dieses wider- obwohl ich derzeit nichts anderes bin als ein doch gleich von zwei jungen Mädchen. Der

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einen schob er gerade das Gewand über die bot, der Al’Anfa in die Knie gezwungen hatte ten, sollte und durfte dem wahnsinnigen
Hüfte und zog sie an sich. und nun...“ Thurske auch nicht gelingen. Keiner
Jurga räusperte sich. „Wenn wir heiraten „Thurske? Hörst du mich noch?“ Jurga war schränkt einen Njurunsgarder in seiner Frei-
wollen, muss das aufhören, Thurske!“ befahl in ernstem Zweifel, ob Thurskes Gesundheit. Er heit ein! Von hier aus war leider nur zu gut
sie in strengem Ton. saß mit verdrehten Augen in seinem Thron zu- zu erkennen, dass noch keine Verbündeten
Wie einem Knaben, der bei etwas Verbote- sammengesunken, ein Speichelfaden troff ihm im Sidjan vor der Stadt eingetroffen waren.
nem erwischt wurde, schoss dem Angespro- aus dem Mundwinkel und ein glückliches Stöh- Im Golf vor der Stadt lag die Gullen Drak-
chenen das Blut in den Kopf. Umgehend stieß nen drang zwischen seinen fauligen Zähnen her- ker, das Schiff Jurgas. Dazu noch zwei wei-
er das Mädchen von sich, das unsanft auf dem vor. Auf Jurgas Rufe hin, kam er wieder zu sich. tere Begleitschiffe.
Boden landete. Sofort sprang er auf und trat Nach einigen Momenten der Selbstfindung, hatte Selbst von hier oben aus sahen die Mau-
auf das Mädchen ein. „Ihr verfluchten Weiber er sich scheinbar wieder im Griff. Glücklich ern bedrohlich hoch aus. Ein Sturm auf die
sollt eure Finger von mir lassen, wie oft soll nahm er Jurgas Hände in die seinen und lächelte Stadt schien unmöglich zu sein, wir brauch-
ich euch das noch sagen“, schrie er. Das Mäd- sie wie ein verliebter Jüngling an. „Oh, welch ten mehr als nur bloßen Mut und Kraft. Mit
chen wimmerte und rollte sich zusammen. hübsche Hände du hast. Und erst die feinglied- Hilfe von Leitern und Rammböcken woll-
Schützend verschränkte es die Arme über ih- rigen Finger. So ebenmäßig wie alles an dir, Dein ten wir es aber dennoch wagen. Hoch oben
ren Kopf. Thurske jedoch prügelte weiter auf Haar...“ auf den Mauern konnten wir einige Bewaff-
sie ein. Die Tür schlug schmetternd auf und Ole Son- nete erkennen. Das waren bestimmt die
„Auch das musst du sein lassen, Thurske. narson hetzte in den Raum. Thurske war so gu- Friedlosen, die einzigen Freunde, die Thur-
Ich kann ja verstehen, dass die Frauen und ter Laune, dass er seinem Kumpan zusäuselte: ske noch verblieben sind. Nur wenige Jols-
Mädchen ganz wild auf dich sind“, heuchelte „Hei, was ficht dich an du Schlingel, mich in krimi standen in Muryt, hatten doch die
Jurga, „aber wenn du einst Herrscher über einem intimen Beisammensein mit meiner Lieb- priesterkaiserlichen Besatzer die Stadt nach
Thorwal sein willst, musst du dich beherrschen sten zu stören?“ dem Vorbild ihrer eigenen Städte geprägt.
und darfst nicht drauf losschlagen. Sonst Ole beugte sich zu Thurske hinüber und raun- Größere Schäden an den Gebäuden waren
kommst du später aus dem Prügeln gar nicht te ihm etwas ins Ohr. Schlagartig verfinsterte sich nicht zu sehen, zumindest konnten wir nichts
mehr heraus, so viele Frauen werden dann um Thurskes Gesicht. Er wirbelte herum und sah derartiges erkennen. Aus den Rauchabzü-
dich herum sein und dich begehren, wenn du Jurga hasserfüllt entgegen. „Du widerliche Hexe! gen der Häuser stiegen weiße Rauchfahnen
oberster Hetmann bist.“ Du Metze deiner ganzen Sippe! Du Hranngar- auf, doch waren die Straßen und Plätze der
Thurske hielt in seinem Ausbruch inne und Buhlin! Du wolltest mich nur in Sicherheit wie- Stadt nahezu leer. Nur wenige Menschen
sah Jurga schief an. Dann plötzlich lächelte gen, während deine Leute die Stadt angreifen. und Fuhrwerke bewegten sich zwischen den
er, richtete sich auf und strich seine Kleidung Wie gut, dass Ole so aufmerksam ist! Dein Plan Häusern. Das schien doch recht ungewöhn-
glatt. Jovial meinte er zu dem verprügelten ist durchschaut und dein Leben verwirkt. Schaff lich, zumal für eine Stadt dieser Größe. So-
Mädchen: „Komm, steh auf und lass dir ein sie weg, Ole!“ gar die Fischerboote am Hafen lagen alle
Bad bereiten. Das wird dir gut tun. Und jetzt an Land, lediglich fünf Drachen waren im
– husch, husch – lass mich mit Jurga alleine, Die Belagerung beginnt! Wasser des Hjaldinggolfs.
wir haben wichtiges zu besprechen.“ Das ge- „Wir kamen zusammen mit Ragnar Toreson Da wir hier waren, um die Stadt zu be-
schundene Mädchen richtete sich mühsam auf und seinen Mannen aus Skjolden vor unserer lagern und nicht zu betrachten zogen wir
und wurde von ihrer Freundin hinausbeglei- Hauptstadt Muryt an. Von hier aus waren es nur nach der Rast die Klippen hinunter. Es dau-
tet, die während der Prügelorgie sich ängst- noch wenige hundert Schritte Vogelflug bis zur erte eine gute Weile, bis wir mit unserer klei-
lich an der Wand zusammengekauert hatte. besetzten Stadt. Wir selbst mussten erst einen nen Streitmacht am Fuß der steilen Felsen
„Lieber Nellgards Sohn, mein lieber Thur- Weg durch die kantigen Felsen nach unten fin- ankamen, doch schließlich standen wir in
ske, ich habe über deine Wünsche nachge- den. Doch nach dem langen und kräftezehren- den Wäldern vor Muryt. Etwas weiter, auf
dacht. Wir werden zwar noch über das eine den Marsch lagerten wir zunächst hoch oben auf den Feldern vor der Stadt würden wir unser
oder andere detaillierter sprechen müssen, aber den steilen Klippen, um uns ein wenig Ruhe vor Lager aufschlagen, gut sichtbar für die Wa-
als Großes und Ganzes gesehen, spricht eigent- dem Sturm zu gönnen. chen auf der Mauer. Am geeigneten erschien
lich nicht viel dagegen, dir deine Absicht Jarl Aus unserer erhöhten Position konnten wir uns, direkt hinter der Brücke über den Merek
zu werden, zu verwehren.“ die alten Zwingfeste vor der eigentlichen Stadt zu lagern. So konnten wir schnell die Stadt
Jurga sprach zwar noch weiter, doch Thur- sehen. Ein düsterer und bedrohlich wirkender erreichen, waren aber doch sicher vor Pfeil-
ske hörte sie nicht mehr. Als er mitbekam, dass Bau aus der Zeit der mittelreichischen Besatzung beschuss der Besatzer. Kaum waren wir aus
Jurga ihm – vermeintlich – zustimmte, da über- Muryts. Von der Zitadelle waren nur noch rauch- dem Wald herausgetreten, kam Bewegung
wältigten ihn sofort seine Visionen. Er sah sich geschwärzte Ruinen und einsam in den Himmel auf die Mauern. Sprachfetzen wurden vom
selbst als Herrscher des Großreiches Thorwal, ragende Türme erhalten geblieben. Satinav und Wind zu uns geweht, doch zu bruchstück-
das dem Horasreich eine vernichtende Nieder- unsere Vorfahren hatten dafür gesorgt, dass jeg- haft, um sie verstehen zu können. Sie wuss-
lage bereitet hatte, dem die Kleinstaaten Nos- liches Leben aus den dicken Mauern verschwand. ten, dass wir da waren. Auch wir machten
tria und Andergast ihm in unterwürfigster Wei- Aus sicherer Quelle wusste ich, dass seitdem Gei- uns bemerkbar. Mit lauter Stimme, unter-
se Tributzahlungen darbrachten, dem das Mit- ster und Unholde hier ihr Unwesen trieben. Seit stützt von unseren Lurenbläsern erklangen
telreich um Hilfestellung bat, sowohl in mili- diesen Tagen betrat auch kein Mensch mit kla- unsere Kriegs- und Schlachtlieder. Einige
tärischer, wie auch in ziviler Hinsicht, und ihm rem Verstand mehr die Festung. Was die Priester- von uns verblieben zunächst am Waldrand.
dafür die Provinzen Albernia und Windhag an- kaiser und ihre Schergen damals nicht vermoch- Sie sollten Holz aus dem Forst schlagen, mit

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dem wir einen Rammbock und Leitern her- auf die letzte Reise gehen, auch von denen, Schaudern bemächtigte sich Garsvirs.
stellen konnten. Als nächstes sollte die Brük- die aus dem Innenhof zurückkamen, waren „Komm, Jungske“, ertönte eine bekannte
ke gesichert werden. Drei Hände voll Rekker viele verletzt. Einige bleiben wohl bis an ihr Stimme hinter dem jungen Rekker: Brafyr
sollten dort eine vorgeschobene Position ein- Ende mit den erlittenen Verbrennungen und Anwedmyr, der Hetmann von Ardahn und
nehmen, während der Rest mit dem Errichten Wunden gezeichnet. Aus sicherer Entfernung Kampfgefährte der storsjer Hetfrau legte Gars-
der mitgebrachten Zelte begann. sammelten wir uns wieder und verhörten den vir den Arm auf die Schulter. „Der Jarl ruft
Dann geschah etwas, das wir kaum für Gefangenen. Er erzählte uns, was wir bereits nach den Hetleuten und deren Vertretern. Du
möglich gehalten hatten – das Nordator öff- ahnten. Diejenigen Friedlosen, die am Nor- wirst Asgrimas Auge, Ohr und Stimme sein.“
nete sich und heraus strömten Bewaffnete. Es dator stationiert waren, ergriffen die anschei- Mit sanfter Gewalt drängte der Ardahner
waren bestimmt vier Hände voll – wir dage- nend letzte Gelegenheit und versuchten sich ihn zum Eingang des prunkvollen Zeltes Bær-
gen hatten annähernd die fünffache Anzahl. und ihre Beute aus der Stadt in Sicherheit zu jans. Sofort verspürte Garsvir wieder das glei-
Unsere Gegner waren schwer beladen, sie führ- bringen. Dieses Verhalten war selbst für Fried- che mulmige Gefühl, das ihn auch vor dem
ten sogar ein bepacktes Pony mit sich. Das sah lose ehrlos und überaus feige. Es zeigte uns Hjalding so sehr verunsichert hatte. Auch wenn
gar nicht nach einem Ausfall aus. Das Tor hin- aber, dass Thurske seine eigenen Verbündeten er sich nach und nach daran gewöhnte, seinen
ter ihnen blieb sogar sperrangelweit geöffnet. nicht Vollendens im Griff hatte. Vielleicht Leuten ein Anführer zu sein, so fühlte er sich
Verblüfft sahen wir uns an, nein das war mit konnten wir diese Tatsache für uns nutzen. Der doch nach wie vor unwohl, wenn er mit den
Sicherheit kein Ausfall der Friedlosen. Unser Gefangene flehte auf Knien um sein erbärmli- Hetleuten und Hersiren zusammentraf, um als
Hetmann Brafyr nutzte die Gelegenheit und ches Leben – es nutzte ihm nichts. Sein Kopf Gleichwertiger mit ihnen zu pla-
befahl den Lurenbläsern das Angriffssignal zu diente uns fortan als Standarte auf einem nen und zu verhandeln. Sei-
geben. Jetzt gab es kein Halten mehr, wir rann- unserer Speere. ne Sorge war ihm wohl
ten los. Der alte Wettstreit zwischen Ardahn Wir richteten unser Lager ein und er- deutlicher anzusehen, als er
und Skjolden war wieder entbrannt. Vereint warteten die Ankunft von Marada Geras- gehofft hatte, denn Brafyr
in Njurunsgard, vereint gegen Jurga – aber ge- dottir und der anderen Njurunsgarder. fügte zwinkernd hinzu: „Jetzt
trennt, wenn es Ruhm und Ehre für das eige- - Bericht des Skalden Fredin Gwenad aus denk dir nicht zuviel wegen der ach
ne Dorf zu erlangen galt. Aber der Streit war Ardahn so hohen Leute auf dem Rat: Die mei-
im Laufe der Jahre sichtlich entspannter. Nur sten von ihnen waren vor knapp zwan-
einmal in der jüngsten Vergangenheit, beim Der Kriegsrat vor den Toren der Stadt zig Wintern vor Rührung den Tränen na-
Zwischenfall mit einem horasischen Schiff, das Garsvir stand auf dem Hügel im Sijd- he, als sie dich auf ihren Knien reiten
im Hjaldinggolf gestrandet war, kochte der westion Muryts, auf dem Bærjan mit der ließen!“ Lachend betraten die beiden
Konflikt kurzzeitig wieder hoch. Aber das al- Jarlskari sein Lager aufgeschlagen hatte, und Männer das Zelt.
les schien jetzt nicht mehr wichtig zu sein, galt blickte zum Ufer Schlagartig wurde Garsvir wieder
es doch einen neuen Wettstreit zu gewinnen. des Merek hin- ernst, als er der versammelten Hetleute und
Einige der Friedlosen bekamen es ob des An- unter. Soeben Hersire gewahr wurde. Eine große Tafel war
blicks mit der Angst zu tun und eilten sich, waren die Rek- aufgebaut und an deren Kopfseite thronte Jarl
wieder hinter die schützenden Mauern zu kom- ker aus dem Hin- Bærjan, die Runenhand, während an den Sei-
men. Einige versuchten vor uns zu fliehen – terland vor den Wällen des Freihafens aufmar- ten all jene saßen, die ihre Rekker vor die Stadt
keinem ist es gelungen. Es gelang uns sogar, schiert, und hier, einige hundert Schritt vor den geführt hatten. Der Storsjener entdeckte die
einen noch lebend zu erwischen. Unser Sturm- Mauern hatten sie begonnen, ihre Lager auf- Gesichter vieler einflussreicher Personen aus
angriff erreichte das Tor, wie Wogen im Golf zuschlagen. Das geschäftige Treiben auf den dem Jarltum, aber auch Unbekannte wie eine
ergossen wir uns in einen kleinen Innenhof, flachen Weiden um die Stadt, auf denen Dut- Frau in norbardischer Tracht, die wohl fünf-
an den sich ein weiteres offenes Tor anschloss. zende Zelte, Verschläge und Feuerstellen er- zig Winter gesehen haben mochte und aus Her-
Aus einer Ausfallpforte strömten die Friedlo- richtet wurden, faszinierte den Hetmannssohn, achinnen stammte, ein dicker Mann der sich
sen in den Hof, um uns am Betreten der Stadt der sich von Tag zu Tag in seiner Rolle als als Torfinn aus Siljen vorstellte oder eine rot-
zu hindern. Ein heftiger Kampf – Rekker ge- Anführer der storsjer Rekker wohler fühlte. haarige, über und über tätowierte Kriegerin,
gen Friedlose entbrannte. Nicht alle der Fried- Calhiser und Storsjer waren von Ostion her die ihrem Dialekt nach aus Uddahjal kam, wa-
losen waren feige. Sie kämpften sogar recht gekommen, um Thurske Nellgardson kalten ren anwesend.
tapfer, hatten sie doch nichts zu verlieren. Auf njurunsgarder Stahl schmecken zu lassen. Am Der greise Jarl Njurunsgards hob an zu
ein Signal hin, zogen sie sich zurück, gleich anderen Merekufer hatten die Alderbjerger sprechen: „Ich grüße Euch, Njurunsgarder.
darauf erkannten wir warum. Von Pechnasen ihren Lagerplatz bezogen, und im Norda der Auch Ihr, Rekker aus Gråbjergen und aus dem
wurden wir mit heißem Öl übergossen, kinds- Stadt konnte man im morgendlichen Dunst Höjland, die Ihr uns zu Hilfe kamt, in dieser
kopfgroße Felsen und Pfeile folgten nach. Hier schemenhaft die Zelte der Rekker aus Skjolden düsteren Zeit, Euch heiße ich willkommen in
war unser Weg scheinbar zu Ende – kein Feind, und Ardahn ausmachen, und in seinem Rük- diesem Kriegsrat. Euch allen gebührt Dank für
dem man gegenübertreten konnte. Nur feiger ken, so wusste Garsvir, lagerten die Card- Euer Erscheinen, Eure Treue, und Eure Wert-
Beschuss aus sicherer Höhe. Es gab kein havner und die Nunnur Herachin. Die Luft war schätzung gegenüber alten Banden und
Durchkommen für uns, wir mussten uns zu- erfüllt von Rufen, von Hammerschlägen und Freundschaften. Ihr alle wisst, was geschehen
rückziehen. Im ersten Überschwang hatten wir Äxten, die sich in die zu fällenden Bäume fra- ist, so wollen wir nun sehen, wie es um unsere
wohl die Situation unterschätzt. Nicht wenige ßen. Der Tatendrang der njurunsgarder Rekker Lage bestellt ist. Nennt uns nun reihum die
blieben im Hof zurück, sie würden mit Swafnir war fast körperlich spürbar, und ein wohliges Zahl Eurer Rekker, danach wollen wir ein

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Vorgehen finden, um Thurske Nellgardson aus „Nun denn“, ergriff der alte Bærjan wieder dann zusammen in den Hafen von Muryt zu-
Muryt zu vertreiben.“ das Wort, „mit den dreißig Jarlsrekkern und rückzukehren. Zwar waren sie an Hägars
Brafyr Anwedmyr machte den Anfang: den fünfunddreißig Klingen aus Calhis stehen Schiff vorbeigekommen, doch hatte die grüne
„Fünfundsiebzig Klingen zogen aus, gegen gut dreihundertfünfzig Rekker bereit. Lasst uns Patina des Schiffes und die überhängenden
Thurske zu streiten. Nach unsrem ersten An- also sehen, wie wir diese am besten zum Ein- Baumwipfel hier an der Küste bei der Tarnung
griff auf die Stadt verbleiben nur noch sech- satz bringen können, das wohl! Unsere Hetfrau geholfen. Hägar stand am Drachenhals. Gleich
zig. Aber von diesen verbleibenden ist eine Jurga wird wohl noch zu uns stoßen, bisher war es soweit...
jede durstig nach dem Blut der Friedlosen, das habe ich noch keine Nachricht von ihr vernom- Mit einem urweltlichen Brüllen entblößte
wohl!“ men. Brafyr, erkläre uns, warum du den Be- Hägar den Kopf seines Schiffes. Die Gwen-
„Fünfunddreißig Rekker aus Skjolden ste- fehl gabst, dass Nordator alleine zu stürmen. Petryl-Augen des Drachenkopfes funkelten
hen bereit, und, bei Swafnir, wir werden Thur- Auch hätte uns der gefangene Friedlose wohl auf. Geschockt saßen die Späher der Friedlo-
ske zeigen, wie wir mit Verrätern umzugehen noch einige wichtige Informationen aus Muryt sen in ihren Booten. Ein grüner Drache mit
wissen, bei Swafnir!“ schloss sich Ragnar erzählen können. Berichte uns vom Ardahner leuchtenden Augen rasten nun auf sie zu!
Toreson an. Übermut und seinen Folgen.“ Kurz darauf war Hägar lachte, als die Schreckensaug die Boote
„Aus Alderbjerg stehen dreiunddreißig im Zelt eine wilde Diskussion entbrannt. erreichte und dann war es auch schon vorbei.
Rekker der Raechnarg-Sippe und ein Dutzend Wer nicht aufgab, wurde mit Speeren und Axt-
von den Branurg bereit, Bærjan!“ schloss sich Aus dem Kriegsrat würfen zu Hranngar geschickt! Grimmig, aber
Gissa Jågesdottir an. Während des Kriegsrates vor den Toren der zufrieden starrte Hägar Horribsson vor sich
Es folgte die Hetfrau der besetzten Stadt: Stadt wurden auch die Berichte der Späher und hin. Das klappte ja ausgezeichnet. So blieben
„Dreißig Muryter stehen vor ihrer eigenen dem Bericht von Hägar Horribsson gehört. Wir die Friedlosen in Muryt unwissend, was sich
Stadt, doch ich will nicht Yasma Torbensdottir wollen sie dem Leser nicht vorenthalten. im Umland tat und das war gut so.
heißen, wenn nicht ein jeder Wellenbrecher
und noch viele andere Bewohner Muryts zu Der Hetmann der Schreckensbringer-Otta- Jurgas Flucht aus Muryt
den Waffen greifen, wenn wir erst die Geiseln jasko, Hägar Horribsson, hatte die Aufgabe Von gleich sechs Friedlosen schwer be-
befreit haben.“ übernommen, die Späher des Feindes im Golf wacht wurde Jurga durch die Stadt zum alten
„Aus Uddahjal bin ich allein vor Ort. Doch und an Land um Muryt auszuschalten. Wäh- Hafenturm gebracht. Dort sollte sie in Gewahr-
Marada ist im Golf und verhindert das Thurske rend er auf seinem Drachen in der Nähe des sam bleiben. Ole Sonnarson hatte ihr die Hän-
Nachschub bekommt“, sprach die tätowierte Muryter Hafens lauerte, zog seine Tochter Vin- de auf dem Rücken gefesselt und stieß sie
Kriegerin. mada mit einigen Ottamitgliedern durchs Um- immer wieder unsanft voran. Die Passanten
So berichteten der Reihe nach alle Anwe- land, um die Kundschafter der Friedlosen auf- schauten ihr und ihren Bewachern teils ängst-
senden über die Stärke ihrer Aufgebote. zuspüren. lich, teils voller Abscheu entgegen. Viele er-
Als sich als Letzter Garsvir erhob, spürte „Da sind sie!“ Latan flüsterte Vinmada kannten die obersten Hetfrau, wagten aber
er seinen heftigen Herzschlag, gerade so wie Helgasdottir ins Ohr und nickte mit dem Kopf nicht ihr zu Hilfe zu eilen, denn die Friedlo-
vor einem Kampf, und er hatte das Gefühl, gen Norda. Vier Männer stapften geradewegs sen hatten viele Kinder als Geiseln genommen
dass sein Gesicht sich rötete, in dem Augen- auf ihr Versteck zu, eine kleine Buschgruppe und beim kleinsten Aufbegehren der Bevöl-
blick, als er zu sprechen anhob: „Dreiund- vor einem größeren Wäldchen. Grimmig nick- kerung würden ein paar von ihnen bestialisch
siebzig Blitzspötter konnte ich vor die Stadt te sie. „Also dann!“ Sie sprang auf und rannte hingerichtet.
führen, mich selbst eingeschlossen. Meiner so schnell sie konnte von der Buschgruppe Einer Gruppe junger Muryter war dies aber
Mutter wäre es eine Ehre an Euer aller Seite fort, in Richtung des Birkenhains. Mit erstaun- herzlich egal - sie wollten sich einen Namen
zu stehen, doch sie ist noch nicht aus dem Nor- tem Aufschrei folgten die Friedlosen der machen, in den Sagas und Sängen der Skal-
da zurück und weiß wahrscheinlich nichts über scheinbar Fliehenden. den unsterblichen Ruhm erlangen, als dieje-
diese Vorfälle.“ „Jetzt!“ brüllte Vinmada. Gleichzeitig nigen, die es schafften die oberste Hetfrau zu
Gerade als der junge Rekker sich wieder schlug neben ihr ein Pfeil in einen Baum ein. befreien. Als die Gruppe sich dem Turm nä-
setzen wollte, öffnete sich hinter ihm der Ein- Beinahe hätte der Friedlose sie erwischt! Aus herte, rannten die Jugendlichen los - einer warf
gang zum Zelt, und Swantew Bærjansson so- dem Wald stürmte nun ein Großteil der Leute, einen Speer, der auch tatsächlich einen der
wie ein unbekannter, aber offensichtlich die Hägar seiner Tochter mitgegeben hatte. Die Bewacher streifte, der Rest warf sich gegen
kampferfahrener Rekker traten ein. Späher der Friedlosen würden nun von Jäger die Friedlosen. Diese jedoch reagierten schnell
„Da komme ich ja genau im richtigen Mo- zum Gejagten und wandten sich zur Flucht, und wie geübte Rekker. Sie drehten sich rasch
ment um dieser Versammlung der besten doch die Falle war längst zugeschnappt. Das um und noch ehe die Angreifer heran waren,
Freunde, die man in Thorwal haben kann, bei- Fischernetz senkte sich über die fliehenden hatten sie mit ihren emporgerissenen Schilden
zuwohnen“, sprach der Hetmann von Calhis. Späher. Sie hatten ihre Häscher im ersten einen dichten Schildwall gebildet, den die Ju-
„Mein Begleiter ist bekannt als Lund Lolfgren, Busch nicht bemerkt, zu sehr hatten sie sich gendlichen nicht durchbrechen konnten. Die
Hetja der Hjalskari, der auf Geheiß Jurgas mit auf Vinmada und Latan konzentriert. Dieser Passanten standen nur voll hoffnungsvoller Er-
seiner halben Hundertschaft an Rekkern an lachte laut. „Nun sind es schon acht!“ wartung herum und gafften dem Geschehen
unserer Seite in die Schlacht gegen Thurske entgegen.
ziehen wird. Die beste Gelegenheit, wie ich Beinah lautlos dümpelte die Otta der Jurga sah die Aktion mit gemischten Ge-
finde, um Rekker aus Norda und Sijdan zu- Schreckensbringer auf den Treffpunkt der drei fühlen - zwar war sie hocherfreut über den Mut
sammen in eine Schlacht zu führen.“ Späherschiffe zu. Sie trafen sich im Golf, um der Muryter Jugend, hatte aber zugleich auch

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Angst um sie. Wie ber echtigt dies war, zeigte Bord holte. Doch nun richteten sich die Ge- mehr entkommen konnten, alles daran setzen
sich schon sehr bald. Denn kaum prallten die schütze der Stadt selbst auf die Gullen Drak- würden die Verfolger aufzuhalten und sollte
Angreifer am Schildwall ab, da kam auch ker... es sie ihr Leben kosten. Jurga befahl, in einer
schon der Befehl Ole Sonnarson, ihnen nichts Bucht in sicherer Entfernung zu Muryt zu an-
anzutun, er selbst wolle sich um sie kümmern. Jurga im Golf kern und bis zum nächsten Tag abzuwarten.
Er riss seine gewaltige Axt aus dem Gürtel und Die Geleitboote der Gullen Drakkar sand- Als sie den Schlachtenlärm hörte drängte al-
stürmte auf die Jugendlichen ein, die nun ih- ten einen feurigen Gruß nach dem anderen auf les in ihr ihren Leuten zu Hilfe zu eilen, doch
rerseits sich mit ihren Waffen dem Hünen ent- die Geschütztürme, die die Stadt Muryt sicher- Greandor Freydisson, der Kapitän der Gullen
gegenstemmten. ten. Zwischendurch schleuderten sie mehrere Drakker, legte ihr eine Hand auf die Schulter
Es brauchte nur wenige Augenblicke, bis Fass Steine auf die Friedlosen, die am Ufer und sprach beruhigend auf sie ein. Ja, sie konn-
keiner der Jugendlichen mehr auf den Beinen standen. Die ungeübten Friedlosen in den Tür- te nicht in das Schlachtgetümmel gegen die
stand. Dafür lagen mehrere abgeschlagene men hatten keine Chance gegen die erfahre- Friedlosen eilen, es waren zu viele und Jurga
Gliedmaßen, neben sich windenden sterben- nen Sjahskari. Bald schon brach einer der bei- wäre in den sicheren Tod gestürmt. So warte-
den Körpern im Straßendreck. Aus großen den Türme mit einem Donnergetöse in sich ten sie bis in den Morgengrauen als die Nebel
Wunden quoll Blut und Gedärm hervor. Ole zusammen, der zweite folgte nicht viel später. über den Wassern lagen. Erst spät in der Nacht
grinste die entsetzte Bevölkerung herausfor- hatte der Lärm von aufeinanderschlagenden
dernd an, ganz so als wartete als wolle er ei- Waffen und Todesschreie tapferer Streiter,
nen nächsten Angriff provozieren. Jurga, die gleich von welcher Seite, nachgelassen. Nun
in der Zwischenzeit von nur einem Mann be- am Morgen fischte die Gullen Drakker Ver-
wacht wurde, riss das Bein hoch und hieb ihre letzte aus dem Wasser, pflegte die eigenen Leu-
Ferse in das Gemächt des Kerls. Stöhnend te, gab dem Feind aber den Todesstoß. Die
krümmte er sich zusammen. Jurga hingegen Gullen Drakker war noch nicht wieder ableg-
wirbelte herum und brachte ihn mit einem bereit, als ein Schiff aus dem Nebel schoss.
gezielten Fußtritt ins Gesicht zu Fall. Noch ehe Eine schlanke Otta, voll besetzt mit blutdür-
Ole oder einer der anderen heran waren, sprang stigen Streitern an deren Waffen noch immer
sie – noch immer mit gefesselten Händen – das Blut von Jurgas Mannen troff. Im Bug
ins Hafenbecken und tauchte unter. Ole und stand, hoch aufgerichtet und im wehenden
seine Leute rannten am Ufer hinterher, da Jurga Umhang, die kräftige Gestalt von Ole, die eine
aber nicht auftauchte und sie im schmutzigen Hand in die Seite gestemmt, die andere seine
Wasser nicht zu sehen war, konnten sie sie gewaltige Axt haltend.
nicht finden. Schon wurden Passanten ange- Sie waren auf der Jagd, auf der Jagd nach
halten nach ihr zu suchen, diese befolgten den der Gullen Drakker. Doch lag diese gut ver-
Befehl zögerlich und mit einigem Widerwil- borgen in ihrer Bucht und so fuhr die schlan-
len. ke Otta an ihr vorbei. Gegen Nachmittag be-
Jurga ging langsam die Luft aus. Prustend fahl Jurga abzulegen. Es dauerte etwa eine
kam sie an die Wasseroberfläche zurück. Di- Stunde bis in der Ferne zwei Schiffe sichtbar
rekt vor ihr war eine ältere Frau, die nach ihr wurden, die miteinander im Kampfe lagen.

Jurga
suchte. Sie sah der obersten Hetfrau scheu Bald schon erkannte Jurga sie. Es waren die
entgegen, zwinkerte ihr nach einem kurzen Otta, die sie verfolgt hatte, und das Drachen-
Moment aber zu. Jurga verstand und tauchte schiff ihrer Gegnerin Marada. Die Männer und
wieder ab – diese Frau würde sie nicht verra-
ten. Unter einem Steg wollte Jurga wieder auf-
Trondesdottir Frauen lagen im schweren Kampfe miteinan-
der, Maradas Seite schien zu unterliegen. Ins-
tauchen, um ihren gequälten Lungen neue Luft besondere Ole holte mit seiner riesigen Axt
zu verschaffen. Sie nahm gerade noch wahr, Doch die Begleitboote der Gullen Drakker er- unaufhörlich aus und schlug Arme ab, ampu-
wie nahe bei ihr etwas in Wasser klatschte, litten vorher mehrere Treffer und gerieten in tierte Beine und riss Bäuche auf. Auch wenn
konnte aber nicht mehr erkennen, das es der Schlagseite. Auch das Flagschiff entkam dem es Jurga recht gewesen wäre, wenn Marada
blutige Kopf der Frau war. Sie wurde von ei- Beschuss trotz seiner Panzerung nicht unbe- von dem Unhold ebenfalls zusammengehau-
nem anderen Passanten – ihrem Nachbarn – schadet. en würde, konnte sie doch nicht zulassen, dass
verraten, als dieser sah, wie sie Jurga deckte. Von Muryt aus machten sich die Friedlo- ein Friedloser den Sieg erringt. So drehte die
Zwar musste sie noch ein paar Male auf- sen an die Verfolgung. Die fünf Drachen der Gullen Drakker bei und schon stürmte die
tauchen und innehalten, konnte ihren Verfol- Friedlosen wurden bemannt und ihre Rojer Hetskari auf die beiden Schiffe um gegen die
gern aber schließlich entkommen. Als die das machten schnelle Fahrt. Weitere, kleinere Friedlosen zu fechten. Jurga sah es als ihre
Hafenbecken verlassen hatte, schwamm sie Schiffe folgten. Gegen diese Übermacht hatte Pflicht sich dem Unhold zu stellen und eilte
direkt auf die Gullen Drakker zu. Pfeile Jurgas Streitmacht nichts auszurichten. auf Marada zu. Diese konnte sich den wuchti-
klatschten neben ihr in den Hjaldinggolf – sie Zu Jurgas Leidwesen mussten sie auf ihrer gen Hieben von Ole gerade noch erwehren,
war entdeckt. Flucht die angeschlagenen Begleitboote zu- doch es war deutlich zu sehen, wie sie schwä-
Doch genau dies erweckte auch die Auf- rücklassen. Traurig schaute sie auf die tapfe- cher wurde. Ihr Hemd und Hose waren blut-
merksamkeit ihrer Hetskari die sie schnell an ren Männer und Frauen die nun, da sie nicht verschmiert, doch das meiste stammte schein-

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bar von erschlagenen Gegnern, die so zahl- auf Marada verhieß nichts Gutes, denn diese waren beide Frauen zurückgedrängt und be-
reich auf den Planken lagen und im Wasser erkannte die Möglichkeit ihre ungeliebte Het- hinderten sich nun unabsichtlich gegenseitig
trieben. Ihr Fuß rutschte auf dem blutig-glit- frau der Hetleute elegant loszuwerden. Den in ihrem Kampf. Wieder glitt Marada aus, die
schigen Deck aus. Marada verlor den Halt und ersten Hieben des Ungetüms konnte sie noch an diesem Tag schon wesentlich länger focht
mit einem dumpfen Aufprall schlug sie auf die ausweichen, doch dann stand sie mit dem Rük- als Jurga und demzufolge schwächer war.
Planken. Der Unhold lachte auf und holte zu ken zur Reling. Im letzten Moment erst warf Ohne Jurga aus den Augen zu lassen, sauste
einem wuchtigen Hieb aus. Gerade so konnte ihr Marada ein Schwert zu – auch sie wollte das Breitschwert von Ole direkt auf den Hals
Marada sich dem tödlichen Stahl mit einer nicht mit Friedlosen gemeinsame Sache ma- der „Wölfin“ zu, um sie zu enthaupten. Doch
Rolle entwinden. Ein zorniges Knurren ent- chen. Nachdem Jurga den folgenden Attacken Jurga warf sich dazwischen, ihr eigenes Le-
rang sich der Kehle Oles, als die Schneide sei- nur mehr schwerlich ausweichen und parie- ben missachtend um das ihrer Konkurrentin
ner Axt tief in das Holz der Planken schnitt. ren konnte, wechselten die beiden Frauen ei- zu schützen. Sie nahm einen schwereren Tref-
Mit einem Ruck riß er sie heraus, Splitter wir- nen knappen Blick und waren sich einig. Sie fer durch die Axt hin, konnte den Schwertarm
belten durch die Luft. Mit einem Satz sprang beide würden nun gegen den Unhold streiten, aber soweit ablenken, dass er Marada nur noch
er der sich gerade wieder aufrichtenden Mara- eine alleine hatte keine Chance. streifte. Jurga wusste selbst nicht, woher sie
da entgegen. Doch da ging nun Jurga dazwi- Mit der neuen Situation konfrontiert, lach- die Kraft zum Angreifen nahm, doch nun pras-
schen. Gleich ihr erster Hieb traf Ole in die te Ole wieder laut auf. Sein Lachen drang über selten Schlag um Schlag auf den stiernacki-
Seite, doch zu ihrem Entsetzen quoll kaum die Decks aller drei Schiffe und ließ die Kämp- gen Hünen ein. Er lachte nun nicht mehr als
Blut aus der Wunde. Schon musste sie sich fenden kurz innehalten. Während er auf die er seinerseits zurückgedrängt wurde. Sein Ge-
seinen Hieben erwehren und stellte fest, dass beiden Frauen zustürmte zog er ein Breit- sicht zeigte einen überraschten Ausdruck, als
sie ebenso wie zuvor Marada sehr schnell er- schwert und hieb nun mit der „Axt-Rechten“ nun auch wieder Marada auf ihn einstach.
müdete – die Hiebe des Unholds waren zu nach Jurga, während er mit der „Schwert-Lin- Langsam aber stetig wurde er von den beiden
wuchtig, um sie lange parieren zu können. Als ken“ nach Marada drosch. Einen tapferen aber so unterschiedlichen Frauen bis zur anderen
er erkannte, wen er vor sich hatte, hielt er mit dummen Mann von Jurgas Hetskari hieb er Seite des Schiffes gedrängt, schließlich stand
einem kalten Lächeln kurz inne, um die ober- im vorbeigehen den Kopf von den Schultern, er mit dem Rücken zur Reling. Doch da ge-
ste Hetfrau als schwächliches Mädchen zu ver- als sich dieser zwischen ihn und Jurga stellen schah etwas Ungewöhnliches, etwas Unerklär-
höhnen. Sogleich darauf prasselte eine Serie wollte. Obwohl Jurga noch Marada es nicht bares. Für einen kurzen Augenblick ließ er
entsetzlicher Schläge auf Jurga ein, von de- für möglich gehalten hätten, hatten sie auch beide Waffen sinken, hob sein Haupt und stieß
nen sie nicht mehr alle abwehren konnte. Bald gemeinsam einen schweren Stand gegen den einen Schrei in den Himmel empor. Alle An-
schon war sie nicht mehr kräftig genug, ihr Hünen. Zwar versetzten sie ihm immer wie- wesenden schwören noch heute, dass sich dar-
Schwert zu halten und es entglitt ihren Fin- der einige Treffer und hinterließen deutliche aufhin der Himmel kurz verdunkelte und ein
gern, als wieder ein schwerer Axthieb auf ihre Spuren an seinem Leib, doch drang noch im- einzelner Blitz, jedoch ohne Donnergrollen,
Klinge traf. Jurga stand ihm nun schutzlos mer kein Blut hervor. Was war das nur für ein auf ein Riff niederfuhr und es pulverisierte.
gegenüber. Ein hoffnungsvoller Seitenblick finsterer Zauber der ihn schützte? Inzwischen Ebenso schwören sie Stein und Bein, dass der
Brustkasten des Hünen anschwoll und er um
ein paar Finger wuchs, seine Muskeln traten
Nach dem Kampf gegen Ole Sonnarson deutlich hervor und in seine Augen verdreh-
ten sich so, dass nur noch das Weiße darin zu
„Jurga hat dir das Leben gerettet.“ Es Schultern. „Jedenfalls wenn du nichts tust, sehen war.
klang in Maradas Ohren wie ein Vorwurf kannst du deinen Kampf um die Hetwürde Doch noch ehe Jurga oder Marada die
und genau so hatte es Ivar Hermson auch gleich aufgeben. Warum sollte man dich zur Chance ergreifen konnten, den Hünen ins Jen-
gemeint. obersten Hetfrau wählen, wenn du selbst seits zu schicken, warf er sich mit neuer Kraft
„Ich habe sie nicht darum gebeten“, gif- Jurgas Hilfe annehmen musst? Und dabei nicht nur auf die beiden Frauen, sondern gleich
tete sie zurück und warf einen vernichten- wird es niemanden interessieren, dass auch auf die gesamte Mannschaft. Seine eigenen
den Blick auf ihre politische Gegnerin. Jurga unterlegen gewesen wäre, wenn sie – Leute waren mittlerweile besiegt. Er drosch
„Außerdem habt ihr gemeinsame Sache wie du zuvor – alleine gegen den Hünen eine furchtbare Schneise in den Menschenring,
gemacht. Das ist nicht gut. Du hättest sie hätte kämpfen müssen. Unternimm irgend- der sich um ihn gebildet hatte. Und wo immer
verrecken lassen sollen“, meinte da ihre etwas Unerwartetes.“ seine Axt und sein Breitschwert waren, trafen
Kampfgefährtin Hjura. „Sie wird es zu ih- Marada dachte über die Worte ihrer sie ihr Ziel. Keine Waffe konnte den seinen
rem Vorteil nutzen und verbreiten, dass sie Kampfgefährtin nach. „Etwas Unerwarte- standhalten, viele zerbrachen oder wurden
dich aus dem Schlamassel gezogen hat. Und tes. Etwas wodurch mein Name in aller fortgewirbelt. Keine Rüstung konnte den töd-
wenn sie es nicht tut, wird ihre Hetskari dies Munde ist. Etwas wodurch Jurga gedemü- lichen Hieben widerstehen und so sank Mann
verkünden.“ Hjura nickte zu ihren Worten, tigt wird, wogegen sie aber nichts unterneh- und Frau leblos zu Boden, wohin immer er
wie um sie zusätzlich zu bestätigen. men kann. Ich glaube ich weiß da etwas. hieb. Als er sich seinen Weg zu anderen Seite
„Ach und was soll ich jetzt eurer Mei- Marada Gesicht bekam einen verschlage- des Schiffes gebahnt hatte sprang er behände
nung nach tun?“ Marada wurde immer wü- nen Ausdruck. „Wir waren schon lange ins Wasser und ward nicht mehr gesehen. Jurga
tender. nicht mehr in Nostria, nicht wahr?“ und Marada hatte dieser Ausbruch ebenfalls
„Keine Ahnung.“ Ivar zuckte mit den (jak) schwer erwischt, doch waren beide noch am

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Leben und würden auch rasch wieder gene- du Verräter, den ich nicht meine Stiefel lecken Hetleute und Hersire hatten erhebliche Mühe,
sen. So konnte zwar ein weiteres Friedlosen- lassen würde, weil mir das Leder zu schade zu verhindern, dass nicht noch mehr der Ihren
schiff unschädlich gemacht werden, doch der wäre! Ich, der wahre Jarl, habe dein Urteil einem sinnlosen Tod in die Arme rannten.
Hüne Ole Sonnarson entkam in den dunklen schon gesprochen: Du bist ein Utlagi! Du bist Schließlich fand Jarl Bærjan seine Sprache
Fluten des Hjaldinggolfes. friedlos, seit zwei Jahren schon, und seiest es wieder. „So soll es denn sein!“ rief er. „Rekker
auf immerdar, in dieser und in jeder anderen Njurunsgards, seid ihr bereit zum Sturm?“
Der Angriff im Sijdan Welt, und du sollst sterben, noch heute! Tosendes Geschrei erklang aus deren Reihen.
Garsvir Asgrimasson, der Sohn der storsjer Kommt, ihr erbärmliches Geschmeiß, die ihr „Rekker Njurunsgards, zum...“
Hetfrau, stand in der vordersten Reihe der ver- aus euren armseligen Holzhütten in den Ber- „Haltet ein!“ unterbrach eine Stimme den
sammelten Rekker. Die Aufgebote aller nju- gen und an den Fjorden hierher angekrochen Jarl. Die Worte waren nicht einmal besonders
runsgarder Ottas und Sippen hatten Aufstel- kamt! Ihr alle seid Verräter, ihr seid alle Utlagi, laut gesprochen, und doch von einer Schärfe,
lung bezogen und warteten auf den Befehl zum und Eure Strafe, diesen, meinen Boden zu dass jeder Mann und jede Frau in der langen
Sturm auf die Mauern. Die Ardahner waren betreten, werdet ihr heute erfahren!“ Schlachtreihe sie vernahm. Garsvir kannte die-
zusammen mit den Skjoldenern wieder ans Thurskes Gelächter schloss sich seinen se Stimme! Als er, wie alle anderen, sich um-
Nordator zurückgekehrt. Der Morgen nach Worten an, und es war das Lachen von einem wandte, erblickte er Thundjar, den Visenda-
dem Kriegsrat war angebrochen, doch die er- Klang, wie man es von Geisteskranken kennt. mader. Thundjar war ein Druide, der im Seuf-
sten Strahlen der Sonne, die im Rücken der Wie gelähmt standen die Njurunsgarder da, zermoos lebte und bei den Storsjern als Heilar
Rekker langsam über den Horizont krochen, keiner rührte sich, keiner wagte, seine Empö- und Godi ebenso geachtet wie gefürchtet war.
vermochten noch wenig gegen die klamme rung hinauszuschreien, zu entsetzt war man Er konnte mit den Geistern sprechen, mächti-
Kälte und die Dunkelheit der sich nur lang- von dieser Rede. Erneut schallte Thurskes ge Zauber wirken, und er war es auch der das
sam zurückziehenden Nacht auszurichten. Stimme von den Mauern. „So seht gut hin, ein- jährliche Kindsopfer an das Seufzermoos dar-
Feuchte Nebelfetzen trieben durch das Tal fältiges Pack, was der Lohn für eure Treue zu brachte. Der Visendamader bahnte sich einen
heraus auf den Golf, und die vielen Fackeln diesem Verräter ist, der sich die Runenhand Weg durch die Reihen der Krieger und trat auf
und Feuer brannten, sowohl vor, wie auch auf nennt!“ Drei der Friedlosen aus seinem Ge- Bærjan zu. Sofort bauten sich zwei Jarlsrekker
den Zinnen der Stadtmauer. Dort oben, wo folge waren neben ihm auf den Zinnen erschie- vor ihm auf. Einer von ihnen fuhr in an. „Bist
man die Schemen von Thurskes Mannen er- nen, zwei von ihnen hielten jeweils ein Kind du verrückt, Mann? Wer bist du, dass du es
ahnen konnte, tauchten sie die Szene in ein in festem Griff, einer jedoch eine Frau. Kraft- wagst dem Jarl in diesem Moment ins Wort zu
unheimliches, unruhiges Licht, ließen die Il- los hing sie in den Armen ihres Peinigers, of- fallen?“
lusion von Bewegung entstehen, wo keine war. fensichtlich war sie lange gefoltert und gequält Thundjar blickte ihr kurz in die Augen und
Angespannt warteten die Njurunsgarder, worden. „Dies ist eine Verräterin aus meiner schüttelte dann den Kopf. „Schweigt, Narren!
und die Spannung stieg ins Unermessliche, als Stadt. Sie hat sich gegen meine Herrschaft und Ich bin einer jener Männer die noch hören,
der greise Jarl Bærjan, auf seinem Schild thro- Ordnung aufgelehnt. Und dies sind ihre Kin- was ihr verlernt habt wahrzunehmen. Thundjar
nend und von den Jarlsrekkern flankiert, nach der. Sie wird nun ihre Strafe erhalten, doch nennt man mich, und Visendamader nennt man
vorne getragen wurde. nicht mehr lange, und ihr alle werdet nach- jene, welche das gleiche Wissen und Können
„Thurske Nellgardson!“ erhob jener seine vollziehen können, was sie in diesem Moment aufweisen, wie ich!“
Stimme. „Dies ist deine letzte Gelegenheit! empfindet, denn ein jeder von euch, der die- „So sprich zu uns, Thundjar, und bring uns
Verlasse die Stadt, ergib dich, und ich verspre- sen lächerlichen Versuch, die Stadt zu nehmen, die Kunde, die dir auf den Lippen liegt!“, for-
che dir, dein Fall wird vor das Hjalding getra- überlebt, wird seine eigene Strafe so erleben derte Bærjan den Druiden auf.
gen werden. Du wirst gerecht behandelt wer- dürfen, wie es dieser Kreatur hier vergönnt ist.“ „Die Geister haben zu mir gesprochen, mir
den, nach den Traditionen und Gesetzen un- Thurske machte eine abfällige Bewegung aus den Schlaf geraubt. Noch bevor die Sonne ih-
serer Vorväter. Lehnst Du ab, so sollen die dem Handgelenk, als wolle er eine lästige Flie- ren höchsten Punkt erreicht hat, werden Erde,
Waffen sprechen, soll das von Swafnir gesand- ge verscheuchen, und die beiden Utlagi, die Fels und Wasser rot vom Blut sein, werden
te Schicksal dein Urteil sein. Glaube einem die Kinder hielten, stürzten diese von den Zin- Feuer in der Stadt und Eis in den Herzen ihre
Mann, der viele Winter ins Land ziehen sah: nen in die Tiefe. Feste feiern, wird der Wind sein Klagelied sin-
Swafnir kann ein harter und gnadenloser Von den Lippen ihrer Mutter, die man weit gen in den Ruinen der Häuser, die zerstört
Lögmader sein!“ über die Mauerkrone hinausgelehnt hatte, werden. Ihr habt Swafnir um Beistand gebe-
„Swafnir?“, tönte Thurskes vor Hohn trie- sodass sie den Sturz mit ansehen musste, er- ten, doch die Welt der Geister ist der Unsrigen
fende Stimme von den Zinnen. „Du elender scholl ein spitzer Schrei, während die Kinder näher, und ohne ihre Unterstützung, so pro-
Wurm, du verkalkter Tattergreis, dem die Vor- in die Tiefe stürzten, ein zweiter, noch schril- phezeiten sie mir, wird Eurem Vorhaben kein
gänge in dieser Sphäre schon zu schwer ver- lerer, als die kleinen Körper mit einem dumpf- Erfolg beschert sein. Die Geister fordern ein
ständlich geworden sind, wagst es, seinen Na- feuchten Geräusch am Boden aufschlugen. Opfer, auf dass sie Euch gewähren lassen, und
men in den Mund zu nehmen? Du willst die Ihre Schreie gingen in dem Gebrüll unter, das sie haben bereits eines ausgewählt.“
anderen Sphären in diesen Kampf mitein- von den Njurunsgardern ausging, einige Rek- Thundjar wandte sich der Schlachtreihe zu,
beziehen? Du selbst hast ihn verraten, als du ker stürmten vor, wurden jedoch sogleich von und da, wo er hinblickte, gleich neben Garsvir,
auf dem Hjalding vor zwei Jahren gegen mich einigen Pfeilen der Utlagi auf der Mauer nie- bildete sich eine Gasse zwischen den Rekkern.
zu intrigieren wagtest und damit seine göttli- dergestreckt. Hindurch trat ein barfüßiges Mädchen von
che Ordnung durcheinander brachtest, denn Bærjan hatte die Arme erhoben, wollte die vielleicht sechs Götterläufen, gekleidet in ein
ich bin Jarl von Swafnirs Gnaden! Komm nur, Ordnung in den Reihen erhalten, und die einfaches, knöchellanges, weißes Kleid. Zwi-

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schen langen blonden Haaren sah man ein nicht mehr sagen, waren die Rekker vorge- doch unseren gescheiterten Ansturm nur noch
schmales, bleiches Gesicht, durch das zwei stürmt und hatten versucht das Tor in Brand zu gut in Erinnerung. Auch das Winken und
wasserblaue Augen stumpf in Richtung des zu setzen und einzuschlagen, doch wie auch Rufen der Personen am Tor legten wir zunächst
Druiden blickten. Sie schienen leer, als sähen die Male zuvor hatten sie sich unter dem star- noch als Falle aus, zumal sie sich schnell wie-
sie nicht ihre Umgebung, sondern das Reich ken Beschuss mit Pfeilen und dem Einsatz von der hinter die schützenden Mauern zurückzo-
der Geister, von dem Thundjar gesprochen siedendem Öl zurückziehen müssen. Jedes Mal gen. Wer in seinem Wahn unschuldige Kinder
hatte. Um ihre blassen Lippen spielte ein Lä- waren einige Kameraden am Fuße der Mauer von den Mauern stürzt, dem ist alles an Heim-
cheln. Die Storsjer wussten, was nun kommen liegen geblieben. Auch die anderen Aufgebo- tücke zuzutrauen. Erst als uns die Nachricht
würde. Viele von ihnen sanken auf die Knie, te, die zu seiner Linken und Rechten mit Lei- unserer Verbündeten im Sidjan der Stadt er-
einige streckten ihre Hände nach dem Mäd- tern und Wurfhaken ihr Glück versuchten, reichte, wurde uns klar, dass es diesmal kein
chen aus, einige Rekker küssten ihre Hände hatten sich zurückgezogen. Hinterhalt war. Die Muryter Bevölkerung hatte
und den Saum ihres Kleides. Als die Kleine Nun hatte der junge Storsjer mit Swantew sich gegen die Besatzer durchgesetzt. Die vor-
beim Druiden angekommen war, drehte auch Bærjansson und einigen Hersiren hier im angegangene Ermordung der Kinder war wohl
sie sich zur Schlachtreihe um, hob den Blick Sijdan der Stadt einen gemeinsamen Angriff der berühmte letzte Tropfen, um jetzt der Wut
gen Himmel und sprach: „Ihr Geister, die Ihr mit aller Macht, die man noch aufzubieten ver- und dem Hass freien Lauf zu lassen. Es war
mich ruft, ich bin bereit! Nehmt mich als Euer mochte, vereinbart. Die Storsjer wollten au- schon immer wenig ratsam, Njurunsgarder zu
Opfer an, ich bitte Euch!“ ßerdem versuchen, den Baumstamm, den sie reizen.
„Ihr Geister, wir bitten Euch! Ihr Geister, schon bei den früheren Versuchen als Ramme Das Angriffssignal kam und wieder stürm-
wir bitten Euch!“ Die Storsjer nahmen das benutzt hatten, diesmal etwas länger einzuset- ten Ardahner und Skjoldener vereint los. Nur
Gebet auf, das Thundjar vorsprach, wiederhol- zen – mit mehr Rekkern, die mit großen Schil- die Verletzten, die nicht laufen konnten, blie-
ten die Worte immer und immer wieder, und den ausgerüstet waren, wollte man den Leu- ben im Lager zurück. Mit raschen Schritten
begannen dabei in deren Rhythmus mit ihren ten an der Ramme bessere Deckung geben. war die Distanz zwischen unserem Lager und
Waffen auf die Schilde zu trommeln, und auch Auf Swantews Kommando hin stürmte man der Stadt überwunden. Schnell war das offene
viele der anderen Njurunsgarder fielen in Ge- schreiend vor. Wieder fielen einige den Pfei- Tor erreicht, doch diesmal stürzten wir uns
bet und Getrommel ein. Garsvir fühlte wie sein len zum Opfer, wieder wurde man am Tor von nicht blind in den Innenhof, sondern sahen uns
Geist befreit wurde von Ängsten und Sorgen, Steinen und Öl empfangen. Doch plötzlich genau an, was sich auf den Mauern tat. Zu un-
aufging im Gemurmel und dem Takt der Schlä- wurde eine Veränderung spürbar: weniger serer Erleichterung gab es keinen Hinterhalt.
ge, wie ein Gefühl der Verzückung glühend- Geschosse schlugen den Njurunsgardern ent- Das innere Tor war offen, dahinter sahen wir
heiße Wellen in seinem Körper schlug, und er gegen, und durch den Krach, den sie selbst einige gekrümmte und leblose Gestalten am
wusste dass es allen Rekkern in diesem Mo- verursachten, glaubte Garsvir nun auch aus Boden liegen. Wütende Schreie und Kampf-
ment so erging. Als der Hetmannssohn dach- dem Inneren der Mauern Kampflärm zu ver- lärm drangen aus den Straßen an unsere Oh-
te, gleich innerlich zerbersten zu müssen, hörte nehmen. ren. Hinter dem Tor wurden wir schon von ei-
er das glockenhelle Lachen des kleinen Mäd- Nach schweren Schlägen mit der Ramme nigen Murytern erwartet und kurz über die ak-
chens, er riss die Augen auf und sah wie der gegen das verbarrikadierte Tor gelang es nun tuelle Lage im Norda der Stadt aufgeklärt. Die
Visendamader von hinten an sie herantrat und endlich, dieses einen Spalt weit aufzudrücken, Friedlosen an den Toren waren von der aufge-
ihr mit seinem Dolch aus grünem Glas die sodass sich die ersten Rekker hindurch- brachten Menge niedergemacht worden. Da-
Halsschlagader aufschlitzte. Mit einem woh- zwängen konnten, und tatsächlich waren auf mit stand uns der Zugang zur Stadt offen und
lig klingenden Seufzen sank das Opfer in die der anderen Seite einige Muryter zu sehen, wir konnten im Kampf gegen die Friedlosen
Knie, kippte auf die Seite, und bevor ihr Blick welche den Utlagi arg zusetzten. Im gleichen unterstützen. Und das taten wir! Auch wenn
brach, glaubte Garsvir, ein Leuchten darin zu Moment gelangten auch die ersten Njuruns- es zunächst schwierig war, den Feind über-
erkennen. garder über die Leitern auf die Wehrgänge. haupt zu erkennen, die Muryter halfen uns nur
Trommeln und Murmeln verstummten, ei- „Die Geiseln! Die Kinder sind frei!“ tön- zu gerne dabei. Ein jeder, der vor uns flüchte-
nen Moment lang war es totenstill, dann brüllte ten ihnen Rufe entgegen. Ein Muryter lief auf te, wurde gestellt und zur Verantwortung ge-
Thundjar einen Jubelschrei hinaus, den die Garsvir zu: „Ich hab’s selbst gesehen. Irgend- zogen. Meist endete es mit dem Tod des Ban-
Rekker Njurunsgards begeistert aufnahmen, wer konnte die Kinder befreien, sie sind wohl- diten. Thurske selbst, so erfuhren wir bald,
und auch wenn das Gesicht von so Manchem auf. Jetzt lassen wir die Äxte sprechen, die viel hatte sein Lager in der Markthalle aufgeschla-
bleich geworden war, sah Asgrimas Sohn doch zu lange zum Schweigen verdammt waren!“ gen. Eilig hasteten wir los, um den Verräter
in ihren Augen ein ähnliches Glänzen wie in Unter diesen Umständen hatten die restli- und seine Kindermörder in unsere Hand zu
jenen des Mädchens im Moment ihres To-des. chen Getreuen Thurskes den Angreifern nicht bekommen. Überall in den Straßen und Plät-
Erst als sein Blick auf einen weiter hinten ste- mehr viel entgegenzusetzen, und so wurde auf zen der Stadt wurde Jagd auf die Friedlosen
henden Geweihten der Travia fiel, der wohl jene, welche auf den Wällen als schier unbe- gemacht. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie
aus Muryt stammte, bemerkte er, dass sich des- zwingbare Gegner erschienen waren, nur Herz- einer von ihnen in einer Seitengasse von der
sen Gesicht soeben von der Blässe des Schrek- schläge später quer durch die Gassen der Ha- aufgebrachten Bevölkerung erschlagen wur-
kens zur Röte des Zornes verfärbte. fenstadt eine wilde Jagd veranstaltet. de. Sein Kopf endete als Trophäe auf einer
Lanze. Sie konnten keine Gnade erwarten,
Einige Zeit später blickte Garsvir erschöpft Der Angriff im Norda nicht nachdem, was sie Muryt angetan hatten.“
in Richtung des Sijdtores. Bereits zum fünf- „Im ersten Augenblick waren wir vom weit - Bericht des Skalden Fredin Gwenad aus
ten oder sechsten Mal, so genau konnte er es geöffneten Nordator überrascht, hatten wir Ardahn

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Die Magd Janna berichtet von den letzten unserem Versteck. Wir zitterten am ganzen den Weg in den Wald ab. Er erkannte, dass er
Befehlen Thurskes an die verbliebenen Fried- Leib, hatten wir doch den Befehl von Thurske keine Möglichkeit zur Flucht hatte. Gehetzt
losen. Er hatte einige seiner Leute um sich nur zu gut gehört. Er legte den Finger auf sei- bog er in Richtung der verfluchten Zwingfeste
versammelt, um für den befürchteten Angriff ne Lippen, und wandte sich um, zu der zu- ab, die er ohne zu zögern betrat. Wir hielten
auf die Stadt vorbereitet zu sein. sammengesunkenen Gestalt auf dem Thron. kurz davor an, um zu beratschlagen, sollten
„Sorgt für Ruhe in den Straßen und vor den „Was nun Thurske, willst du nicht kämpfen, wir es wagen, die Festung betreten? Was ein
Toren. Notfalls erschlagt ein oder zwei Mu- wie du es den anderen befohlen hast? Laß uns Friedloser riskierte, konnten wir schon lange,
ryter, macht ihnen deutlich, wer die wahren gehen und noch ein paar letzte Schädel spal- immerhin hatte jeder seinen Talisman dabei.
Herren der Stadt sind. Gebt den verdammten ten. Ich für meinen Teil will mit der Axt in der Eilig überquerten wir den Innenhof. Über uns,
Njurunsgarder keine Gelegenheit, in die Stadt Hand zu Swafnir gehen.“ stand er an einem Fenster. Da erst erkannten
zu kommen. Keinen Fuß sollen sie in das be- „Ansgar, letzter und treuer Diener, geh’ wir, wenn wir verfolgten. Mit irrem Blick und
freite Muryt setzen, es ist meine Stadt!“ Beim hinaus und sterbe wie du es für richtig hältst. schrillen Lachen verspottete er uns. „Wagt
letzten Satz verdrehte er die Augen und Spei- Ich selbst werde dieser Stadt den Rücken keh- nicht, Hand an mich zu legen, ihr wertlosen
chel rann ihm aus dem Mund. Träumerisch ren. Jawohl, ich werde fliehen – diesmal we- Geschöpfe. Ihr werdet mich nicht lebend fan-
blickte er zur Decke, dieser Moment wurde nigstens. Aber ich werde wiederkehren. Mit gen, nein, nicht ihr. Seht wie Muryt brennt, es
jedoch jäh von einem Boten unterbrochen. Er anderen, tüchtigeren Getreuen werde ich mei- brennt für meine Rache an Njurunsgard! Thur-
brachte die Nachricht, dass das Tor im Sidjan ne Rache vollenden, mein großer Plan wird ske Nellgardson habt ihr um sein wahres Erbe
der Stadt gefallen war. Thurske war wie von gelingen. Ja, mein Plan wird gelingen, mein betrogen und nun nehme ich Rache!“ Wir
Sinnen, er warf mit einem Krug nach uns. Plan... Die Metze Jurga wird blickten uns um, und sahen tatsächlich über-
Dann sprach aufgeregt zu seinen Leuten. „Sie schon sehen, was sie all in der Stadt lodernde Flammen und Rauch
werden mich nicht kriegen, sie werden keinen von ihrem Verrat aufsteigen. Selbst von hier aus sah das Feuer
von uns kriegen. Zumindest nicht lebend. Kei- an mir hat. Geh groß und furchterregend aus. Mit einem wahn-
nen von uns werden sie dieser Buhlin Jurga endlich, los, geh!“ sinnigen Lachen floh er vom Fenster. Ha-
vorführen. Nicht zu Gericht werden sie sitzen Wir sahen, wie stig trennten wir uns, um ihn zu fassen.
über uns. Keiner wird verurteilt nach ihren fal- Thurske mit irrem Ich weiß nicht, warum mir Swafnir
schen Gesetzen, keiner!“ Das letzte Wort schrie Blick nach draußen hetzte. Ansgar, so hieß die Ehre zuteil werden ließ,
er laut aus. Seine letzten Getreuen drängten der Mann vor uns, drehte sich um und sagte: Thurske zu entdecken.
sich um seinen Thron, einige wenige blickten „Wartet noch kurz, und rennt dann in Rich- In einer weitläufigen
ängstlich, doch den meisten stand offene tung eines der Tore, es wird euch nichts ge- Halle trafen wir
Mordlust in den Augen. Ängstlich klammerte schehen.“ Er wandt sich um und verließ den schließlich aufeinan-
ich mich an Irnsga, meine Gefährtin; hinter Raum mit schnellen Schritten. Wir warteten der. Feige, wie er war, flüchtete er eilig vor
einem umgeworfenen Stuhl konnten wir uns noch eine kleine Weile und rannten dann los. mir. In seiner Hand hatte er eine brennende
schließlich verstecken. Ein weiterer Bote ha- Das Haus brannte schon, aber wir gelangten Fackel, wollte er auch die alte Festung anzün-
stete herein und berichtete vom Fall des Tores ohne Gefahr nach draußen. So schnell wir den? Sein Weg führte zu einer Treppe nach
im Norda. Thurske war außer sich, wütend trat konnten, rannten wir los, nach Hause, in Si- oben, ich verfolgte ihn, ohne nachzudenken.
er seinen Thron um, mit schriller Stimme cherheit.“ Er erwartete mich auf dem nächsten Stock-
schrie er seine Mannen an: „Geht hinaus und werk, mit einem Breitschwert in der Hand. Die
kämpft, kämpft um einen Platz in der Halla Vom Ende des Thurske Nellgardson Fackel schleuderte er mir entgegen, um mich
des großen Herrn der Rache zu erlangen!“ Ei- „Wir standen Wache am Nordator, damit von seinem ersten Angriff abzulenken, ich
nige der Anwesenden blickten ihn erstaunt an. nicht einer der swafnirverfluchten Verbrecher wich beidem mit knapper Not aus. Seine wü-
„Schont sie nicht, schon keinen der verfluch- entkommen konnte. Der schrille, aufgeregte tenden Hiebe prasselten auf mich ein, wie ein
ten Muryter! Nehmt Rache für den Verrat an Schrei eines kleinen Klippenseglers ließ mich Besessener schlug er zu. Wieder und immer
die niederen Njurunsgarder, nehmt Rache für durch das Tor, vor die Stadt blicken. Dort sah wieder. Woher er wohl die Kraft dafür nahm?
meine Mutter! Tötet alle Mägde und Knechte ich, wie ein großer Findling nach vorne kipp- Doch Swafnir schütze mich, ich konnte seine
und die verbleibenden Geiseln. Brennt die ver- te und das Nest des brütenden Vogels mit sich Angriffe abwehren, ohne jedoch selbst anzu-
fluchte Stadt nieder! Sie alle sollen brennen! riss. Aus dem entstehenden Loch – wie wir greifen. Nach und nach wurde er langsamer.
Das Feuer des Hasses und der Rache soll ihre später herausfanden, ein vergessener Geheim- Jetzt war die Gelegenheit für meine Gegenan-
Seelen reinigen. Verschont keinen, sie werden gang der Mittelreicher – entstieg ein sich ha- griffe. Ein wildes Gefecht mit einigen knap-
auch euch nicht verschonen. Opfert sie auf dem stig umblickender Mann. Als er mich bemerk- pen Paraden auf beiden Seiten begann. Plötz-
Altar des Feuers und der Rache. Schickt sie te, wandte er sich eiligst zur Flucht. Ich wusste lich bemerkte ich hinter mir Hitze und ein ver-
zu Blakharaz, das wohl!“ Erschöpft von der zu diesem Zeitpunkt noch nicht, wer aus der trautes Prasseln. Fieberhaft arbeitete es in
Hassrede sank er in sich zusammen. Die Fried- Öffnung stieg. Ich machte mich mit Jörn Köppi meinem Kopf – die geworfene Fackel – Holz-
losen waren wie gefangen von der Rede. Es und Idar Feuerfaust an die Verfolgung, woll- fußboden – es brannte. Thurske schien seine
dauerte einen Augenblick, dann schrieen sie ten wir doch keinen ohne Strafe entkommen flammende Rache zu bekommen. Ich drängte
laut ihre Wut hinaus und stürzten aus dem Saal. lassen. Auf unsere Aufforderung stehen zu ihn weg von den Flammen, um mir selbst ein
Nur noch wenige waren verblieben. Einer da- bleiben und sich zu ergeben kam keine Ant- wenig Abstand zu verschaffen. Er floh eine
von, ein großer, grob aussehender Mann mit wort. Unsere verletzten Kameraden im Lager weitere Treppe nach oben, in einen Turm. Ich
vielen Narben kam heran und bemerkte uns in hatten sie Situation erkannt und schnitten ihm hetzte ihm nach. Auf der Treppe sah ich mich

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kurz um. Der Raum stand in Flammen, der gab. Mit lauten Lachen blickte er auf uns her- ist dem Feuer zum Opfer gefallen. Einige Ge-
trockne Holzboden war anscheinend eine gute ab. „Niemand richtet über mich, niemand bäude sind bis auf die Grundmauern nieder-
Nahrung für das Feuer. Die ersten Flammen spricht Recht über Thurske Nellgardson. Seht gebrannt. Jurga versprach schnelle Hilfe und
griffen bereits auf den Turm über. Schnell be- wie Eure Stadt brennt und mit ihr meine Ra- tatsächlich kamen schon bald etliche Hand-
eilte ich mich höher zu kommen. Vielleicht gab che.“ Die Flammen hatten ihn erreicht, schon werker aus Thorwal die mit dem Wiederauf-
es weiter oben noch eine Gelegenheit den Turm stand seine Kleidung in Flammen. Mit einem bau begannen. Jeder Familie bekam das Thur-
zu verlassen. Thurske hatte mich erwartet. Eine irren Lachen wandte er sich von uns ab und gold für ihre Gefallenen. Die Friedlosen konn-
Unachtsamkeit von mir bot ihm Gelegenheit, sprang hinab in den Merek. Ich habe heute ten nicht in ihre Gerichtsbarkeit übergeben
mich zu treffen. Seine Klinge drang durch noch dieses Lachen in den Ohren. Und bis werden. Zu groß war der Zorn der Muryter
meine Rüstung, der Schmerz ließ mich nach heute ist keiner von uns sicher, ob es Thurskes und der Njurunsgarder, es gab keine Gnade
hinten taumeln. Ein Tritt von Thurske stieß Lachen war. Nicht wenige meiner Gefährten für die Mordbrenner von Muryt.
mich die Stufen hinunter. Gierig leckten die meinen, dass dieses Lachen nicht von dieser Die getöteten Kinder und die anderen Ge-
Flammen an mir, als ich fiel. Der Aufprall Welt stammte. Aber wir wollen es auch nicht fallenen wurden mit einer großen Zeremonie
nahm mir die Luft. Sollte dies meine letzte genau wissen, schließlich gibt es in der ver- auf ihre letzte Reise in den Hjaldinggolf ge-
Stunde sein? Doch meine Zeit schien noch fluchten Feste Geisterwesen.“ schickt. Die alte Zwingfeste, Zeichen der Un-
nicht gekommen zu sein. Meine Gefährten fan- - Asan Klippentrozer, Rekker aus Ardahn terdrückung und Fremdherrschaft in Muryt
den mich und brachten mich in den Hof, raus berichtet sollte in den nächsten Wochen geschleift wer-
aus dem brennenden Gebäude. Gemeinsam den. Die Leiche von Thurske Nellgardson in-
sahen wir, wie der Turm hell in Flammen stand. An dieser Stelle endet der Bericht über die des, ist bis auf den heutigen Tag nicht gefun-
Hoch oben auf der Plattform stand Thurske. Geschehnisse aus Muryt. Als Jurga wieder vor den...
Die Flammen leckten schon nach ihm. Er ahnte der Stadt eintraf, konnte sie das ganze Bild
wohl, dass es für ihn keine weitere Flucht mehr der Zerstörung sehen. Ein Großteil der Stadt (sh / am / fm / jak)

MEER DER SIEBEN WINDE. Marada Vor Yoledamm ten Jurga befehlen lassen würden,
Gerasdottir stand im Bug ihres sondern ihren eigenen Kopf haben.
Drakkars, der Walbiß, und hing ih- Dass jedoch auch der sogenann-
ren Gedanken nach. Der Wind spielte mit ihren Haaren und te „Goldghul“ mit seiner Otta mitfuhr, passte ihr hingegen über-
wehte sie ihr immer wieder ins Gesicht; geistesabwesend strich haupt nicht. Er war nicht einzuschätzen und hätte nicht mal
sie die Strähnen unablässig zurück. Seit sie vor den Olport- Skrupel Swafnir selbst zu verhöhnen. Auch akzeptierte er nicht
steinen gemeinsam mit der obersten Hetfrau gekämpft hatte, ihre Befehlshoheit bei dieser Fahrt, im Gegensatz zu allen an-
nagte tiefe Abneigung gegen sie in ihrem Herzen - mehr noch deren die mitfuhren. Er hatte sich ihr in Höhe von Kord einfach
als nach der nur knapp verlorenen Wahl. Lieber wäre sie von angeschlossen - woher er wohl von ihrem Strandhögg wußte?
dem Hünen in Stücke gehauen worden, als von Jurga gerettet Welchen Ort sie in Nostria besuchen würden, war ihr ziem-
zu werden. Doch das Schicksal wollte es anders. Seitdem wur- lich gleichgültig. Es war nur wichtig, den Hjaldingern zu zei-
de sie von einigen ihrer Leute bespöttelt, solange zumindest gen, das sie ihren eigenen Kopf hatte und ihn durchzusetzen
bis sie klar gemacht hatte, dass sie keineswegs der obersten wusste. Immerhin konnte sie sich sicher sein, bei ihrer Rück-
Hetfrau unterlegen sei. kehr auf breite Zustimmung zu stoßen, nicht nur unter ihren
Diese Klarstellung hatte ein Mann aus ihrer Ottajasko nicht Landsleuten im Norda, auch viele Thorwaler im Sijdan waren
überlebt, doch seitdem war Ruhe. Wenn sie zurück waren, würde mit der Entscheidung Jurgas, Nostria in Ruhe zu lassen, nicht
sie mit einigen ein ernstes Wörtchen reden müssen. Zum Glück einverstanden. Sie wollte den Schreckensruf „Die Thorwaler
gab es aber auch andere, auf die sich Marada blind verlassen kommen!“ wieder in aller Munde wissen, wenn sie und ihres-
konnte. Ivar Hermson, aber auch Hjura und Gerskir, sowie ein gleichen vor den Küsten kreuzten. Daher würde der Ort, an
paar andere. dem das Schicksal sie lenkte, komplett niedergemacht. Kein
Die Idee nach Nostria zu fahren um zu beweisen, dass sie Kind, kein Greis nicht einmal die Diener der fremden Götter
sich keineswegs dem Willen Jurgas beuge, die immerhin nach würden verschont werden.
dem Kendrar-Feldzug keine weitere gewalttätigen Aktionen in Nach und nach schälte sich ein felsiger Küstenstreifen aus
dem Land der Salzarele wünschte, war gut. Dadurch würden dem Morgennebel hervor. Ein langsam erwachendes Dorf war
die Spötter verstummen. Noch besser aber war, dass sie so nicht auszumachen, wie auch ein Kloster des Rabengottes.
nur ihre Schmach loswurde, sondern der ganzen Welt gleich Marada lächelte schief. Nun würden die Nostrier merken,
noch zeigen konnte, aus welch hartem und unnachgiebigen Holz dass sie keineswegs sicher waren, nur weil Jurga keine weitere
die wahren Thorwaler geschnitzt waren, diejenigen aus dem Expansion wollte. „Macht euch bereit“, rief Marada den ande-
Norda des Landes, die sich keineswegs von der verweichlich- ren Hetleuten zu „Wir greifen an!“ (jak)

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Y OLEDAMM . Röchelnd Strandhögg in Nostria beinig baute sie sich über ihm
brach der Mönch in die Knie, auf, hob nun wieder ihr
seine Hände umklammerten Schwert und trieb es durch
verzweifelt den Schaft des Speeres der ihm in den Weg, zwar auch mit der Boronskutte seinen vor Entsetzen weit aufgerissenen
in der Brust steckte. Er hörte die heran- bekleidet, doch mit einem Schwert in der Mund bis ins Erdreich hinein.
rennenden und brüllenden Thorwaler Hand. Er wusste es auch gut zu führen, Die Hetfrau schaute sich um. Das Klo-
schon nicht mehr, stattdessen vernahm er denn auf seinem Weg zu Marada, die er ster brannte lichterloh, ein Nebengebäude
ein Rausch in den Ohren – ein Rauschen als die Anführerin erkannte, hieb er sich fiel schon ein. Im Hauptgebäude stellten
wie von gewaltigen Schwingen. Im Augen- den Weg frei und hinterließ so manch sie eine junge Frau – fast ein Mädchen noch
blick des Todes zierte ein Lächeln sein schwerwiegende Blessur an den Thor- – wie sie eine Geheimtür schloss und so
Gesicht und seine Lippen formten tonlos walern. einem Novizen zur Flucht verhalf. Sie wei-
den Namen Golgari. Marada ließ ihr Breitschwert sinken und gerte sich standhaft den verborgenen Me-
Mit einem Ruck riss Hjura dem Toten zog ihre Orknase. Schon stürmte der Kle- chanismus zu betätigen um die Türe zu öff-
ihren Speer aus der Brust und hetzte wei- riker auf sie ein, ungestüm und wild, von nen, was zur Folge hatte, dass Marada ihr
ter. Die Schreckensstarre wich von seinem Zorn beherrscht. Er trieb seine Geg- ohne viel Aufhebens zu machen, das Haupt
den anderen Mönchen, die nun ihre nerin einige vom Rumpfe trennte. Zum Erstaunen vie-
Roben rafften und ins Kloster eilten. Schritt zurück ler ihrer Begleiter zog es sie danach ins
Nur einer von ihnen, ein wagemuti- – oder Scriptorium.
ger, weißbärtiger Greis hob sein sil- ließ sie Der in Thorwal so genannte „Gold-
bernes Boronsrad-Amulett und schritt ghoul“ schickte sich indes an, die Gräber
den auf ihn zuhetzenden Thorwalern der Geweihten zu plündern. Als
entgegen. Seine Lippen formten Ver- Marada mit einem Stapel Perga-
wünschungen und Boronsflüche, mentrollen unter dem Arm, das
doch noch ehe er sie vollenden konn- Scriptorium verließ und sah wie er
te schlug der Hüne Ivar Hermson dem Skelette achtlos beiseite warf und die
Greis mit einem einzigen Hieb seiner Grabbeigaben plünderte, wurde ihr
Axt die obere Schädeldecke weg. Die sein Verhalten aber doch zu viel. Sie
Hälfte seiner Hirnmasse spritzte fort stellte sich zwischen ihm und seinem
und verteilte sich in groben klebrigen Ziel, und provozierte so einen
Klumpen auf dem Rasen. Kampf unter ihresgleichen, denn so-
Eine blonde Kämpferin sprang ei- wohl dessen Getreue, wie auch
nem der fliehenden Mönche in den Maradas Hjörnen-Ottajasko hoben
Rücken und malträtierte diesen mit ihre Waffen, bereit aufeinander ein-
einer Unzahl an Hieben. In ihren Fäu- zuschlagen.
sten hielt sie kleine Eisendorne, so Nachdem die Hetfrau das gefähr-
dass schon nach nur kurzer Zeit der liche Funkeln in des „Goldghoulen“
Rücken des Mönchs eine blutig-breiige sich zurücktreiben? Nun stand sie schon Augen sah, ein Funkeln das auf dessen
Masse war. mit dem Rücken zum niedrigen Mauerchen Wahn hinwies, gab sie nach, machte aber
Die Thorwaler setzten mit einem – spielte sie mit ihm? Ihr Gesicht zeigte deutlich dass er auf eigene Faust handele
Sprung über die niedrige Klostermauer und Verzweiflung, das ihres Gegners Hochmut und sie es nicht guthieß.
verteilten sich in dem Gelände. Schmer- und Siegesgewissheit. Sie ging in die Knie Auf dem Boronsanger erblickte die
zens- und Todesschreie die aus den Gebäu- und ihr Rücken bog sich nach hinten durch, Hetfrau eine schwarze Basaltplatte mit ei-
den drangen, waren die Folge. Aus einem während sie die Schläge ihres Gegenübers ner Vielzahl an Namen darauf eingemei-
der Fenster loderte schon eine Flammen- abwehrte. Schon musste sie sich zusätzlich ßelt. Es dauerte nicht lange und dann hatte
säule. Während noch andere Mönche ge- mit der anderen Hand abstützen. Ein un- auch sie sich in der thorwalschen Runen-
jagt wurden, schleppten bereits einige gläubiges Lachen entrang sich der Kehle schrift dort für alle Zeiten verewigt und
Thorwaler Beutegut zu den Schiffen. des Priors, als er Marada verletzte, doch Gefolgsleute von ihr setzen noch einen
Widerstand gab es nicht. Fast wäre Ma- da schnellte ihr Fuß vor und hebelte das Zusatz darunter: „Marada, die Tochter
rada Gerasdottir schon enttäuscht gewesen, Standbein des Geweihten aus. Er kam ins Geras, Het-frau der Hjörnen brachte ihrem
denn bisher lief alles zu leicht, doch da Straucheln, doch fiel er erst, als ihm Mara- Volk Ruhm und Ehre.“
stellte sich ihr ein großgewachsener Kerl da ihre Axt in seinen Bauch trieb. Breit- Daraufhin machten sie und ihre Getreu-

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en Jagd auf entflohene Mönche, von de- Einige junge Frauen und Männer wur- ursacht.
nen diejenigen, die Widerstand leisteten, den von den Nordleuten ausgewählt und Einzig der „Goldghoul“ und seine Ge-
lebend zur Küste geschleift wurden. Zur verschleppt, von den übrigen verlor jeder sellen hatte gelitten: Nachdem er die Grä-
Abschreckung anderer wurden sie dort Zweite eines seiner Glieder – gleich ob ber der Geweihten aufbrach, schälten sich
gepfählt. Alle anderen Mönche wurden auf Kind oder Greis, Mann oder Frau. Viele aus dem Nebel Gestalten, schrecklich an-
die Schnelle niedergestochen. verbluteten, die Überlebenden würden ihr zuschauen, durch ihre halbverwesten Ge-
Im Dorf hatte Thorn Beornsson, der als künftiges Leben als Krüppel verbringen die sichter und durchscheinenden Körper. Der
Dritter mitgesegelt war, und seine Leute versorgt werden mussten. „Goldghoul“ wich schreckensbleich zu-
schon ganze Arbeit geleistet. Die Überle- Nun schien es plötzlich, als dass die rück, nicht jedoch ohne auf die Grabes-
benden wurden zusammengetrieben – in Thorwaler ihre Lust am Töten verloren. Sie beute zu verzichten. Nun stießen Krähen
einem Rund mussten sie kniend im packten ihre Beute, die sie noch nicht ver- hinab und hackten einer Thorwalerin die
Schlamm verharren, während die blutrün- staut hatten und gingen zu ihren Schiffen. Augen blutig. Aus einem Grab schälte sich
stige Meute Thorwaler rings um sie stand. Die meisten Getöteten hingegen wur- eine Knochenhand und packte den Knö-
Jeder Dörfler, der Widerstand geleistet oder den enthauptet, die Köpfe auf Pfähle ge- chel eines weiteren Thorwalers. Dieser
sich seiner Gefangennahme widersetzt hat- spießt und an der Küste zwischen den Ge- stolperte und brach sich das Genick. Oder
te, wurde niedergemacht. Diejenigen die pfählten aufgestellt. Dies war ein letzter war die Knochenhand vielleicht doch nur
verschont wurden, mussten ihre Schafe und Gruß der Thorwaler, denn daraufhin leg- eine Wurzel der mächtigen Boronsweide
Rinder, wie auch all ihre Habe auf die Ottas ten sie ab und verschwanden im Nebel. die hier stand?
bringen, danach diejenigen Hütten in Unter ihnen gab es nicht ein einziges Op- Noch vor Marada und Thorn stach der
Brand stecken, an die bisher noch kein fer zu beklagen, nur wenige Blessuren, vor- „Goldghoul“ panikerfüllt in See. Seitdem
Feuer gelegt wurde. wiegend von dem kämpfenden Prior ver- wurde er nimmer mehr gesehen. (jak)

Meisterinformation
Blaue Keuche auf Thorwaler Boden?
Ein Blick aus der Sicht nordwärts des Ingvals.
Viel Sorge bereiteten in den letzten nach Norden hin vor allem das Ziel ver- der Sieben Winde zugezogen, was je-
Monden die Nachrichten um die tödli- folgte, das verschreckte Thorwal für die doch in der allgemeinen Seuchenhys-
che Seuche in nostrischen Landen bei nächste Zeit von Übergriffen auf Nos- terie niemand erkannt hat.
ihren nördlichen Nachbarn. Nur zu gut trisches Gebiet abzuhalten. Zum Glück für Nostria steht nicht
hat man noch die Sagas in Erinnerung, Der Erfolg dieser Bemühungen ist je- zu erwarten, dass jemand die Thorwaler
die von Tod und schlimmer Not kün- doch eher zweifelhaft, denn gerade die über die wahren Hintergründe aufklä-
den, welche vor wenigen Jahrhunder- Nostria freundlich gesinnten Teile Thor- ren wird, dem sie auch genügend Glau-
ten das Land Thorwal überfluteten. wals entlang der gemeinsamen Grenze ben schenken würden. Die wahren Ge-
Lange hatte es gedauert, bis sich die haben sich aufgrund der Seuchen-Propa- winner dieses Winters sind Eldgrimm
Bevölkerung von diesen schweren ganda gegenüber Nostria zur Zeit wieder der Weise für seine großzügige Geste
Schlägen erholte. Dementsprechend deutlich verschlossen, während anders gegenüber Nostria und vor allem Vater
heftig waren die vielfältigen Reaktio- gesinnte Thorwaler die Gunst der Stunde Travianus, der sich mit seinem muti-
nen auf Flüchtlinge aus angeblich ver- nutzten, um das geschwächte Nostria an- gen und selbstlosen Handeln den Re-
seuchtem Gebiet, wie die Berichte in zugreifen, wie der Überfall auf das Klo- spekt vieler Südthorwaler aber auch
der letzten BELEMAN-Ausgabe gezeigt ster Yoledamm jüngst zeigte. Nostrier verdient hat.
haben. Dass sie in vielen Fällen auch Ironischerweise ist auch der Kendrarer Aufgrund seines Einflusses auf die
überzogen waren, würde den Nord- Travia-Priester Vater Travianus kein Op- Nordleute wird er in Zukunft sicherlich
leuten nie in den Sinn kommen, doch fer der nostrischen Seuche geworden, son- öfters von nostrischer Seite kontaktiert
sind sie oftmals einfach der Propagan- dern hat sich seine schwere Erkältung werden, wenn es um Belange auf Ken-
da Nostrias aufgesessen, das mit einer während der Schiffsreise auf dem offe- drarer Boden geht.
bewussten Überzeichnung der Lage nen Drakkar durch das winterliche Meer (vr)

46
Das Interview: Peter Diehn
Beleman: Hallo Peter, vielen Dank, dass du dich für dieses Inter- Abenteuer der Gezeichneten-Kampagne einbringen, und schließ-
view bereit erklärt hast. lich durfte ich am AVENTURISCHEN ALMANACH mitschreiben und
rutschte immer tiefer in die Arbeit am offiziellen DSA hinein. Mit
Peter Diehn: Das mache ich gerne. Asseln im Gemäuer gab es meine erste Abenteuerpublikation in
Bevor es losgeht, möchte ich aber erst einmal noch viele Grüße an der Anthologie DER PREIS DER MACHT, für die ich zusammen mit
die Macher und Leser des BELEMAN loswerden und zu der gelunge- Gregor Rot die Redaktion inne hatte. Nach ZAUBEREI & HEXEN-
nen Erstausgabe1 gratulieren! Weiter so! WERK war ich dann einfach in der Redaktion dabei... Als wichtigste
Publikationen folgten seitdem noch STÄBE, RINGE, DSCHINNENLAMPEN
Beleman: Danke. Wir werden uns bemühen. gemeinsam mit Anton Weste und kürzlich DRACHENODEM; Planun-
Auch wenn es kein neuer Einstieg ist: Uns würde erst einmal inter- gen für künftige Publikationen laufen.
essieren, wie dein DSA-Lebenslauf ausschaut. Wie hast du den Ich bekam also keinen plötzlichen Ritterschlag aus dem Nichts und
Sprung in die DSA-Redaktion geschafft? war dann DSA-Redakteur. Das passiert nicht „einfach so“, son-
dern ist, wie man an meinem Beispiel sieht, ein Prozess, der sich
Peter: Das ist insgesamt ein naturgemäß recht vielschichtiges The- über einen längeren Zeitraum hinzieht. Unabdingbar sind da auch
ma, das auch einer etwas weiter reichenden Antwort bedarf. gute Kenntnisse von DSA und Aventurien, Verständnis für gesamt-
Meinen aventurischen Erstkontakt hatte ich 1986. Das Prinzip des aventurische Zusammenhänge (wozu auch der Blick über den pro-
Rollenspiels kannte ich da bereits, und DSA als Name war mir vinziellen Tellerrand gehört), guter schriftlicher Stil, aktive Betei-
ebenfalls schon bekannt – die Cover der damaligen Boxen und Aben- ligung an der Ausgestaltung des Spiels (und dies meint nicht nur
teuer, abgedruckt in Spielzeugkatalogen, faszinierten mich so sehr, das Schreiben von Texten, sondern auch Unterstützungs- und Zu-
dass ich mich noch heute daran erinnere. In jenem Jahr entdeckte trägerarbeiten in Diskussionen und Brainstorming-Runden hinter
ich dann auch die damalige Basis-Box bei einem Freund, und alles den Kulissen) und – ganz wichtig – Team- und Kompromiss-
nahm seinen weiteren Lauf... (Demnächst wird es übrigens ein Ta- fähigkeit.
schenbuch zum Thema 20 Jahre DSA geben, in dem einige Redak-
tionsmitglieder ausführlich von ihrem jeweiligen Einstieg erzäh- Beleman: Aus der Art deiner bisherigen Veröffentlichungen kann
len – und auch sonst viel aus dem Nähkästchen plaudern.2) man schließen, dass dir die Magie sehr am Herzen liegt. Was faszi-
Anfangs verlief es nach dem für Rollenspiel-Neulinge üblichen niert dich an dem Thema?
Schema: Dungeons plündern, Monster metzeln, Schätze und Aben-
teuerpunkte sammeln. Richtiges Rollenspiel wurde daraus erst nach Peter: „Magie“ ist ja ein recht weitläufiger Begriff in DSA und
und nach. Es dauerte aber nicht lange, da gestalteten wir bereits schließt auch solche Dinge ein wie Zauberbücher, Alchimie oder
ganze aventurische Regionen aus, betätigten uns also deutlich krea- das Gildenwesen der Magier, ist zudem verknüpft mit Mythologie
tiver als viele andere, noch ehe die ersten Regionalmodule publi- und Kosmologie – man muss sich nur mal den Inhalt von ZAUBEREI
ziert wurden. & HEXENWERK, oder der Vorgängerbox GÖTTER, MAGIER UND GE-
Ab 1995 beteiligte ich mich am Lehensspiel und mehreren ande- WEIHTE vor Augen halten. Ein ziemlich großes Feld also, auf dem
ren Briefspielen, schrieb Beiträge für Fanzines und andere fanische eigentlich alle fündig werden können.
Arbeiten. Mein bekanntestes Werk jener Zeit ist sicherlich die mon- Was es genau ist, das mich an dem Thema fasziniert, vermag ich
ströse Sammlung der aventurischen Zauberbücher, Die Magische nicht zu sagen. Vielleicht, weil es etwas ist, das es in unserer realen
Bibliothek, die der THORWAL STANDARD schließlich auf seiner CD Welt nicht gibt, echte Fantasy also. Vielleicht ist es auch die Viel-
veröffentlichte (obgleich damals wie heute unvollendet, da ich sie schichtigkeit. Und sicherlich ein Grund ist auch, dass ich von der
nie abgeschlossen, sondern immer nur daran weitergearbeitet habe). dama-ligen Box GÖTTER, MAGIER UND GEWEIHTE hellauf begeistert
Das Werk ist heute beliebt wie eh und je, wie die momentanen Ak- war und vor allem mit ihr (die Auslöser waren genauer gesagt die
tualisierungsarbeiten zahlreicherer Fans auf www.dsa4.de zeigen, Zhayad- und Nanduria-Zeichen; danke, Ralf!) tiefer ins offizielle
und bereitete Jahre später auch den Boden für das Kapitel im COM- DSA rutschte.
PENDIUM SALAMANDRIS und das Heft Die Magische Bibliothek in Ein besonderes Steckenpferd im großen Komplex der Magie ist für
ZAUBEREI UND HEXENWERK. mich die Alchimie, mit der ich mich auch irdisch recht intensiv
In jener Zeit hatte ich auch zunehmenden Kontakt mit DSA-Auto- beschäftigt habe – allerdings nur theoretisch, und auch die Rezep-
ren und Redakteuren, vor allem Stefan Küppers und Hadmar von tur für den Roten Leu habe ich noch nicht entschlüsselt... (lacht)
Wieser. Anton Weste und ich haben schon damals häufig zusam-
mengearbeitet und uns gegenseitig ergänzt. Die Brainstorming- 1
Das Interview wurde bereits letztes Jahr kurz nach Erscheinen der Beleman-Aus-
Runden von damals sind mir heute noch in guter Erinnerung. Durch gabe 1 geführt.
inhaltliche Lektorate konnte ich mich unter anderem in die letzten 2
Inzwischen erschienen unter dem Titel MAGISCHE ZEITEN.

Aus irdischen Gefilden 47


Beleman: Wenn du zur Box GÖTTER, MAGIER UND GEWEIHTE ein den einzelnen Autoren relativ wenig Arbeit hängen, was manches
weiteres Vorwort für die Mysteria Arkana über das Wesen der auch wieder einfacher macht – zumal mehrere Abenteuer leichter
aventurischen Magie hättest schreiben können, was wäre dir da auch verschiedene Geschmäcker zufrieden stellen können. Auch
wichtig gewesen? das sprach für eine Anthologie.

Peter: Puh, das ist schwierig zu beantworten; Vorworte zähle ich Beleman: Und wie kam es dazu, dass du die Redaktion für diesen
für mich zu den schwierigsten Dingen beim Schreiben. Und glück- Band übernommen hast?
licherweise musste ich mir für die Mysteria Arkana keine Gedan-
ken dazu machen. Peter: Wie oben erwähnt, habe ich ein Faible für Drachen. Es kam
Ich kann jedes der drei Vorworte vertreten, keines von ihnen nimmt nicht nur die Idee von mir (bereits vor fast vier Jahren übrigens,
eine radikale Einstellung ein, ein jedes hat seine Berechtigung und woran man sieht, wieviel Vorlaufzeit manche Projekte haben kön-
sollte bedacht werden – und in ihnen wird eigentlich alles Wichti- nen), ich leistete auch die nötigen Vorarbeiten mit der Erstellung
ge gesagt, so dass es da eher nichts hinzuzufügen gibt. des Konzeptes. Insofern war es fast zwangsläufig, dass ich als Dra-
Denkbar und aventurisch passend wäre vielleicht ein Motto „We- cologe der Redaktion auch die Bandredaktion übernommen habe.
niger ist mehr“ gewesen, eingehend auf die Rolle der Magie im
aven-turischen Alltag, ihre Häufigkeit, gesellschaftlichen Auswir- Beleman: Wie hat man sich deine Arbeit als Redakteur bei dieser
kungen. Anthologie vorzustellen?

Beleman: Gibt es noch andere Themen, die dich ähnlich stark in- Peter: Zusammengefasst in einem Wort: Stressig! Es ist schon ein
teressieren? großer Unterschied, ob man als einfacher Autor ein eigenes Aben-
teuer zum Gesamtband beiträgt, oder ob man als Redakteur zu-
Peter: Eine ganze Menge sogar! Nahezu jedes Thema, zu dem ich sätzlich auch noch alle Arbeiten koordinieren und den Gesamtüber-
etwas schreibe oder an dem ich sonstwie arbeite, interessiert mich blick wahren muss. Während man als Autor auf schon vorhandene
in jener Zeit sehr, selbst wenn es ansonsten nicht so mein Ding ist. Ideen und ein Gesamtkonzept zurückgreifen und darauf aufbauen
Neben Magie und Alchimie sind es vor allem Kosmologie und My- kann, sich also „in ein gemachtes Bett legen kann“ (wenngleich
thologie sowie natürlich Drachen, mit denen ich mich ebenfalls dieser Spruch der zweifellos investierten Mühe der Autoren nicht
auch irdisch sehr stark beschäftige (die Literatur- und Film- gerecht wird), beginnt die Redaktion auch bereits einige Zeit vor-
empfehlungen in der Anthologie kommen nicht von ungefähr). her.
Während der Arbeit an DRACHENODEM habe ich auch sehr viel Ge- Die Grundidee stand eigentlich von Anfang an (siehe oben): meh-
fallen am Windhag gefunden, wie ich gestehen muss. rere Abenteuer um Drachen, darunter auch ein größer angelegtes
Daneben sind es auch viele Kleinigkeiten, die mich reizen: Troll- Drachenhatz-Abenteuer, wie es Der Wurm vom Windhag wurde.
zacker Barbaren und Waldschrate, die echsischen und vielbeinigen Das Konzept kam gut an, aber da wir gerade auch an DER PREIS DER
Rassen und überhaupt alle etwas ungewöhnlicheren Kreaturen, die MACHT zu arbeiten begannen und das neue DSA4-Regelwerk an-
Warunkei und allerlei Untote sowie ganz allgemein klassischer Hor- stand, verschoben wir alles erst einmal. Ich behielt das Konzept in
ror, alte Kulte und mysteriöse Gemeinschaften und vieles andere Erinnerung, verfeinerte es ständig und sammelte auch die ersten
mehr – immer mal mehr, mal weniger, ständig variierend. Interessierten, ehe Drachen! (so der Arbeitstitel) dann wieder in
die Veröffentlichungsplanung aufgenommen wurde. Anfang 2003
Beleman: Kommen wir zu dem von dir eben erwähnten Sammel- begann ich mit den Vorarbeiten für den Windhager Wurm und
band DRACHENODEM. Wie entstand die Idee, eine Anthologie zum verfasste den ersten Artikel für den AVENTURISCHEN BOTEN in seiner
Thema Drachen zu veröffentlichen? Jubiläumsausgabe 100, und dann gingen die Planungen für den
ganzen Band rasch voran.
Peter: Der Grundgedanke war da relativ simpel: Drachen gehören Manche der Autoren hatte ich bereits vor den Detailplanungen ge-
zu den faszinierendsten Geschöpfen der Fantasy, sie sind in DSA wonnen, ebenso wie manche der groben Ideen, Drachen und Re-
unübersehbar präsent. Dennoch gibt es kaum Publikationen, die gionen schon umrissen und geplant waren, so dass Dopplungen
sich intensiver mit ihnen beschäftigen, und noch weniger Abenteu- bereits im Vorfeld vermieden werden konnten, was die Arbeit durch-
er, die sie in den Mittelpunkt rücken. Das wollte ich ändern. aus erleichterte. Natürlich müssen die verschiedenen Plots dennoch
Anstelle eines einzelnen Abenteuers um den Wurm vom Windhag, aufeinander abgestimmt werden, und auch die Thematik der ge-
mit dem sich bei weitem nicht die ganze Palette möglicher Drachen- samten Anthologie musste ständig im Auge behalten und daran
begegnungen abdecken ließe (selbst der ganze Band mit all seinen erinnert werden.
verschiedenen Abenteuern und dem dracologischen Anhang schei- Termine und Textlängen müssen vorgegeben werden, über ihre Ein-
tert zwangsläufig an einem solchen Anspruch), boten sich mehrere haltung gewacht. Obwohl jeweils großzügige Reserven eingeplant
Abenteuer einfach an – zumal ein Plot wie jener um den Wind- wurden, wurde es am Ende doch recht eng – sowohl vom Platz als
hager Wurm nicht unbedingt der aventurische Regelfall ist. auch dem Termindruck. Dennoch: Mein ehrgeiziges Ziel, immer
Obgleich der organisatorische Aufwand für eine Anthologie ge- ausführlicher werdende Abenteuerabhandlungen hier im Drachen-
genüber einem Einzelabenteuer ungleich gewaltiger ist, bleibt an band auf das Wesentliche zu konzentrieren, ließ sich immerhin teil-

48 Aus irdischen Gefilden


weise erfüllen; mit Ausnahme des Wurms vom Windhag, der von zumal ich ein Gebirge haben wollte. Tobrien schied durch seinen
vornherein ausführlicher geplant wurde, sind die Abenteuer kom- borbaradianischen Status aus, ebenso Weiden, da die Schwarze Si-
pakter ausgefallen, als es bislang bei Anthologie-Beiträgen üblich chel ebenfalls mehr oder weniger umkämpftes Gebiet und in ande-
war. re Planungen eingebunden ist. In erster Linie blieben hier Greifen-
Da man den Autoren bei ihrer Arbeit für gewöhnlich nicht über die furt mit dem Finsterkamm, Garetien mit dem Raschtulswall sowie
Schulter sehen kann, muss man immer wieder den momentanen Windhag.
Stand nachfragen, Kontakt halten, sanften Druck ausüben und Ver- Ursprünglich hatte ich mit Greifenfurt geplant, doch der sich spä-
trauen darauf haben, nicht im Stich gelassen zu werden, zugleich ter abzeichnende Orkenplot hätte das Drachenabenteuer womög-
aber auch Alternativen gegenüber offen zu sein, falls etwas dazwi- lich stark beeinflusst, so dass ich mich anderweitig umsah – schließ-
schenkommt. So hatte einer der eingeplanten Autoren kurz vor Ab- lich sollte sich das Abenteuer um einen Drachen drehen, nicht
gabe einen irreparablen Hardwareschaden nebst Komplettverlust orkische Gefahren. Dass es dann der Windhag war, für den ich mich
aller Daten und wegen einer Diplomarbeit nicht mehr die Zeit, noch- entschied, und nicht der Raschtulswall, liegt wohl daran, dass er-
mal von vorne zu beginnen, so dass ich schnell einen Nachrücker sterer ein wenig besser zu meinen Ideen passte.
finden musste, der bereit war, ein thematisch ähnliches Abenteuer Im Nachhinein hat sich der Windhag als echter Glücksfall heraus-
zu schreiben. Glücklicherweise ist für DRACHENODEM alles gut ge- gestellt, da sich bestehende Ideen um die Region sehr gut mit den
gangen. meinen verknüpfen ließen. Wer das Aben-
teuer aufmerksam studiert und auch sonst die
Beleman: Was ist für dich das Besondere Augen offen hält, erahnt vielleicht ein paar
an dem Sammelband? Gibt es etwas, auf das dieser Ideen.
du besonders stolz bist?
Beleman: Vielleicht kannst du uns einfach
Peter: Es gibt viele besondere Dinge an mal erzählen, wie du an das Schreiben die-
DRACHENODEM. Unter anderem, dass die An- ses Abenteuers herangegangen bist? Was war
thologie der erste Abenteuerband im Hard- die ursprüngliche Idee und wie ging es von
cover-Format ist (vom Sammler RÜCKKEHR da an weiter?
DER FINSTERNIS mal abgesehen, bei dem es
sich aber ja um eine Neuauflage moderner Peter: Die ursprüngliche Idee entspricht
Klassiker handelt), dazu der bis dato umfang- durchaus dem vereinfachten Plot: Ein Dra-
reichste Abenteuerband (wiederum abgese- che sucht eine Region heim, brennt Dörfer
hen von diversen Klassiker-Sammlungen). nieder, futtert Jungfrauen und wird nach ei-
Das ist natürlich erst einmal ein hoher An- ner Drachenhatz schließlich von Helden be-
spruch, auch in Anbetracht des Themas, dem zwungen. Der Hintergrundgedanke hierbei
auch der Inhalt gerecht werden musste – und war, dass es bislang praktisch kein angemes-
ich denke, das hat wunderbar geklappt. Das senes Drachenhatz-Abenteuer gab, sondern
Team hat wirklich tolle Arbeit geleistet, alte nur unausgearbeitete Zwischen- und End-
Haudegen wie Lena Falkenhagen arbeiteten gegner ohne Format, und ich dem Abhilfe
dabei ebenso mit wie Neulinge wie Elias leisten wollte.
Moussa. Insofern ist es auch das Autorenteam, auf das ich stolz Verfeinert wurde das Konzept erst, nachdem der Windhag als Schau-
bin, und ohne das dieser Band nicht möglich geworden wäre. platz feststand. In dieser Phase kamen die Überquerung des
Als Highlight des Bandes empfinde ich persönlich allerdings den Schattengrundpasses, die Begegnung mit Greifax, das seltsame
Anhang Karfunkelsplitter, zahlreiche aventurische Zitate mit vie- Geheimnis der Suche des Drachen nach Waffen und Rüstzeug und
len Spekulationen über die Drachen des Schwarzen Auges, aber andere Dinge hinzu.
auch fundierte Informationen, vergleichbar dem Kapitel Vom Wer-
den der Welt in GÖTTER, MAGIER UND GEWEIHTE. Eine unabdingbare Beleman: Auch wenn es wenig Offizielles zu Windhag gibt, fin-
Grundlage für alle, die sich näher mit den Heißschuppigen Deres den sich doch unglaublich viele Details aus z.T sehr alten Quellen
beschäftigen wollen. in deinem Abenteuer wieder. Wie behältst du bei der Vielzahl von
Publikationen von DSA da eigentlich noch den Überblick?
Beleman: Nun zu deinem Abenteuer Der Wurm vom Windhag. War
es von Anfang an geplant, es im verhältnismäßig wenig beschrie- Peter: Für Details habe ich ein relativ gutes Gedächtnis, und ein
benen Windhag anzusiedeln? noch besseres für Quellen; häufig brauche ich zu einem Stichwort
nur kurz zu überlegen, in mein DSA-Regal zu greifen und kurz zu
Peter: Zu Beginn der frühesten Planungen vor fast vier Jahren noch blättern, und schon habe ich die Stelle gefunden. Anhand „gedank-
nicht. licher Querverweise“ hangle ich mich dann oft durch weitere DSA-
Als klassisches Drachentöter-Abenteuer, also grob mittelalterlich Publikationen, bis alle Fragen geklärt sind. Wobei das jetzt einfa-
und mitteleuropäisch, gab es nicht viele Regionen zur Auswahl, cher klingt, als es tatsächlich ist: Auf diese Art von Recherche ver-

Aus irdischen Gefilden 49


wende ich sicherlich ebenso viel Zeit wie für die eigentliche Schreib- Peter: Sie wird das Angesicht Deres verändern und auf die eine
arbeit. Im Resultat lohnt es sich meiner Meinung nach aber, sonst oder andere Art auch die Lande des BELEMAN betreffen. Auch im
gäbe es all diese Details nicht im Abenteuer. Windhag wird sich manches tun, die letzten AVENTURISCHEN BOTEN
Dazu kommt der Vorteil Verbindungen: Mittels Mails an die richti- haben da ja erste Entwicklungen mit sich gebracht (vom Wurm
gen Leute werden viele aufkommende Fragen rasch beantwortet einmal abgesehen).
und man bekommt dabei auch noch zahlreiche Ideen und Vorschlä-
ge dazu. Für das Abenteuer waren mir insbesondere die Briefspieler Beleman: Was gefällt dir grundsätzlich an der Markgrafschaft –
des Windhag eine echte Unterstützung, da sie mir nicht nur bei der und was liegt dir nicht so sehr?
Recherche eine unbezahlbare Hilfe waren, sondern mir auch ihre
Ideen zur Region zur Verfügung stellten und dabei stets zu Anpas- Peter: Die Mythologie des Windhaggebirges sagt mir sehr zu, eben-
sungen und Kompromissen bereit waren, damit sich am Ende alles so die urtümliche, kaum besiedelte Wildnis mit ihren Bewohnern
zu einem großen Ganzen fügt. und dem beängstigenden Schattengrundpass. Weniger etwas für
mich die Gegend am Großen Fluss selbst – sie gehört jedoch eben-
Beleman: Es ist ungewöhnlich, dass ein Abenteuer über eine solch so zur Region wie Schattengrundpass oder Harben. Alles in allem
lange Zeit im AVENTURISCHEN eine bislang zwar weitgehend
BOTEN vorbereitet wird, wie du unbeachtete, aber dennoch unge-
es für Der Wurm von Windhag mein faszinierende Region
getan hast. Was waren die Grün- Aventuriens, mit sehr viel Poten-
de dafür? tial.

Peter: Schon in Anbetracht des Beleman: Dann fällt dir die fol-
knappen Platzes wollte ich ein gende kleine Aufgabe wahr-
paar Dinge vorbereiten und aus- scheinlich auch nicht schwer:
lagern. Vor allem aber wäre es Könntest du uns in maximal fünf
unangemessen gewesen, einen Sätzen ein Abenteuerszenario
Riesenlindwurm nur sehr knapp skizzieren, welches deiner Mei-
einzuführen und für ein Abenteu- nung nach das typische Flair
er quasi aus dem Hut zu zaubern Windhags einfängt?
– und ihn dann auch gleich zu
erschlagen. Der Drachenterror im Windhag, die Furcht der Bewoh- Peter: Im Auftrag eines havenischen Handelshauses sollen die Hel-
ner, Menschenopfer, alles Dinge, die es notwendig machten, die den ein wertvolles Objekt, das bei einem der Piratenüberfälle vor
Ereignisse bereits lange vor dem Abenteuer einzuleiten. Windhags Küste (siehe AB 105) gestohlen wurde, finden und zu-
Die Alternative wäre gewesen, einen bereits sesshaften und nam- rückbringen. Die Piraten, desertierte Matrosen und Seekrieger aus
haften Drachen zu verwenden. Doch da gab es keinen, der für den Harben mit einer Bireme, haben ihren Unterschlupf in einer in den
Plot gepasst hätte. Felsen liegenden Bucht, doch das geraubte Objekt wurde von
Schmugglern bereits über einen geheimen Pfad durch die Berge
Beleman: Ist dein Abenteuer (oder ein anderes aus DRACHENODEM) gebracht. Die Heldengruppe verfolgt die Spur durch bizarre Tropf-
mit der geheimnisvollen Kampagne „The Next Big Thing“ ver- steinhöhlen, seit Jahrtausenden verlassene Zwergenstollen und auf
knüpft? einem unterirdischen Fluss entlang, durch enge Schluchten und über
felsige Hänge und begegnet dabei Goblins, Grottengrolmen und
Peter: Sagen wir mal, dass allerlei Dinge in DRACHENODEM noch Harpyien. Nach der Durchquerung des Gebirges gelangen die Hel-
von großer Bedeutung sein werden, für „The Next Big Thing“ eben- den nach Kyndoch, wo die Schmuggler ihren Unterschlupf haben
so wie für andere Planungen ... Manche dieser Details sind offen- und ihr Schmuggelgut an Flussschiffer verkaufen, die nicht nach
sichtlich, andere gut versteckt, und ein paar sind falsche (oder auch der Herkunft der Ware fragen und sie nach weit aufwärts des Gro-
andere) Spuren. ßen Flusses, etwa in Elenvina oder Albenhus, verkaufen. Die Hel-
den heben das Schmugglernest aus und erbeuten auf einem schwan-
Beleman: Da du ja mittlerweile der Experte für Windhag gewor- kenden Flusskahn schließlich das gesuchte Objekt.
den bist, kannst du uns vielleicht verraten, ob die andere große
Kampagne „Das Jahr des Feuers“ irgendetwas für die Markgraf- Beleman: Vielen Dank für das Gespräch
schaft bereit hält? Das Interview führte Jan Rodewald

50 Aus irdischen Gefilden


Büchertipps
reitete Informationen – und die er-
Titel: Die abenteuerliche Welt der Wikinger bringt dieses Buch.
aus der Serie „Wahnsinns Wissen“ (Und nur dem Kenner der Mate-
Autor: Terry Deary / Salah Nauora rie fallen ein-zwei nebensächliche
Verlag: Loewe-Verlag Ungereimtheiten auf, die offenbar
ISBN: 3-7855-4673-4 durch die Übersetzung aus dem eng-
Preis: 8,90 Euro lischen entstanden sind.)
Im handlichen DIN-A5-Format
Man kennt das: man durchstöbert die Regale einer Buchhand- mit knapp 130 Seiten, die auch nicht
lung nach neuer Fachlektüre zu seinem Lieblingsthema und findet, zu eng beschrieben sind, bietet sich
wenn überhaupt, nur ein paar Standardwerke. Zwischendurch mal dieses Buch gerade für Einsteiger der
ein Buch von einem unbekannten Autoren, welches sich aber schnell Materie an. Der leicht verständlich
als kalter Kaffee erweist. So viele neue Erkenntnisse gewinnt man geschriebene Text lässt sich gut auf-
innerhalb weniger Jahre meistens nicht, dass sie ein neues Buch nehmen und wird von einer Vielzahl
rechtfertigen würden und so findet man nur Altbekanntes - mehr Bilder unterstützt, die eher Comics sind und teilweise einen schon
oder minder gut aufbereitet. Die Bilder sind ehedem meist die Glei- makabren Humor aufweisen. Ich hab’s mit einem Grinsen genos-
chen. sen.
So lenkte ich dieses Mal nach Durchsicht des Lagerverzeich-
nisses der Buchhandlung meine Schritte in die Abteilung für Kinder- Für den Einsteiger, der beim Lesen noch ein wenig Spaß haben
sachbücher und wurde wenigstens dort fündig. will, bietet dieses Buch für den Preis von nicht mal 9 Euro einen
Man sollte natürlich keine hochwissenschaftlichen Fakten in ei- angemessenen Gegenwert.
nem Kinderbuch erwarten, aber zumindest einfach und klar aufbe- (vr)

die Holzhäuser mit dem


Titel: Die Leute von Birka Vieh dazwischen und
Autor: Sven Nordquist (Illustrationen) den angrenzenden Gär-
Mats Wahl (Geschichte) ten, im Hintergrund
Björn Ambrosiani (Infoteil) Drakkars in einem sanft
Verlag: Oettinger behügelten Fjord – das
ISBN: 3-7891-5111-4 ist Hjalsingor. Der Ha-
Preis: 14,90 Euro fen mit den vielen stroh-
und holzgedeckten Häu-
Noch ein Buch aus der Kinderabteilung – aber beileibe nicht sern in Stabbauweise,
nur für Kinder. im Hintergrund die Pa-
In ihm wird mit einfach verständlichen Worten die Geschichte lisade der Ottaskin – das
von Vigdis erzählt, der Tochter Sigurds, des Bronzegießers aus ist Ljasdahl. Das Ge-
Birka, welche geraubt und nach Haithabu verschleppt wird – und dränge auf dem Markt, Händler aus aller Herren Länder – das ist
von ihrem Bruder Holmsten, der aufbricht, seine Schwester zu be- der Sommermarkt von Overthorn.
freien. Eine einfache, kleine Geschichte – nicht zu vergleichen mit Die Häuser mit den langen Bänken und dem Feuergraben in der
SPECKSEITES OSTSEEFAHRT. Aber das Faszinierende an dem Buch sind Mitte könnten in ganz Thorwal stehen.
ja auch die vielen Illustrationen. Gezeichnet wurden sie von Sven Das Buch hat ein Format von 25x25 cm und umfaßt 100 Seiten,
Nordquist - ...ja, genau den von PETTERSON UND FINDUS. wovon die eigentliche Geschichte knapp 60 Seiten lang ist, daran
Bei den liebevoll gemalten Illustrationen wirken die Menschen fügt sich eine umfangreich illustrierte Abhandlung über die Wikin-
manchmal wirklich wie Kinderbuchfiguren, aber zum größten Teil ger, ihre Sozialstruktur, ihre Lebensweise, ein Sachregister mit Wort-
geben sie recht akribisch und im typischen Nordquist-Stil ein sehr erklärungen usw. an. Vieles wird anschaulicher erklärt, als man es
stimmiges Wikinger-Bild wieder. Und was die Darstellung der Um- in den trockenen Texten der Bücher „für Erwachsene“ finden kann.
gebung betrifft, kann ich mich eines „Wow!!!“ nicht enthalten. Die Es hat Spaß gemacht, dieses anschauliche Buch zu lesen, das nicht
Bilder der Hafenorte, der Märkte, der Häuser außen und innen... – nur für Kinder gut ist. Nebenbei: es wurde für den deutschen Ju-
so kann ich mir gut eine ganze Reihe Orte in Thorwal vorstellen: gendliteraturpreis nominiert – mit Recht, finde ich. (vr)

Aus irdischen Gefilden 51

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