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Berichte aus den Schattenlanden 1

Leomelia Winterbach berichtet


aus den Schattenlanden
Artikelreihe im Aventurischen Boten von Tyll Zybura.

Vorbemerkung
Als Redakteur der neuen Regionalspielhilfe Schattenlande (2011) habe ich für den
Aventurischen Boten eine Serie von Artikeln geschrieben, die die Spielhilfe vorbereiten
sollten, indem sie die aktuelle Situation in wichtigen Städten darstellen und Hinweise auf die
Kultur ihrer Bewohner und die Stimmung des Settings geben. Die Artikel sind
inneraventurisch von Leomelia Winterbach verfasst, einer Boten-Autorin, die bereits im
Rahmen der Berichterstattung über Ereignisse der Blutigen See verwendet worden war (siehe
folgende Zeitleiste).
Darin wurde Leomelia bereits als neugierig, risikofreudig und abenteuerlustig beschrieben, sie
eignete sich deshalb gut, um auf eine Reise direkt ins Herz der Schwarzen Lande geschickt zu
werden und auf eine Art von dort zu berichten, wie auch Helden es tun könnten, die das erste
Mal aus den freien Landen dorthin reisen.
Leomelia sollte weiterhin für die Schattenlande-Spielhilfe als Helden-Ansprechpartnerin in
Yol-Ghurmak (dem Endpunkt ihrer Reise) vorbereitet werden (mehr dazu und zu ihrer Person
in den Meisterinformationen zum Abschluss-Artikel im AB 142 auf Seite 13).

Bei den folgenden Artikeln ist in Blau jeweils vermerkt, in welcher irdischen Boten-Ausgabe
sie erschienen sind.

Zeitleiste: Leomelias Reise


Diese Zeitleiste ist im AB 142 erschienen, hier sei sie stattdessen zur besseren Übersicht
vorangestellt.

Rondra 1029 BF: Die Perricumer Korrespondentin flieht aus der Stadt, nachdem sie im AB
120 einen Artikel mit Geheiminformationen über Haffax’ Vorstoß auf die tobrische Küste
veröffentlicht hatte, was sie in den Augen von Markgraf Rondrigan Paligan in den Verdacht
der ‘Bündelei mit Schwarzen Kräften’ bringt.
Efferd 1029 BF: Leomelia Winterbach erreicht Mendena und lässt sich unter einer
Tarnidentität nieder. Erster Bericht im AB 122: Dämonenarche auf Irrfahrt. Zweiter Bericht
im AB 123: Haffax erobert Mendena.
Hesinde 1032 BF: Dritter Bericht im AB 136: Vom Gericht des Fürstkomturs.
Firun 1032 BF: Leomelia muss aus Mendena fliehen, da ihre Identität aufzufliegen droht.
Tsa 1032 BF: Vierter Bericht im AB 137: Mit der Kaleschka durch die Schattenlande.
Leomelia erreicht Eslamsbrück.
Ingerimm 1032 BF: Fünfter Bericht im AB 139: Eslamsbrück – düsteres Herz der
Schattenlande. Leomelia reist nach Yol-Ghurmak weiter.
Rondra 1033 BF: Garla Gengris macht ihr das Angebot, eine eigene Zeitung zu gründen: Der
Optolith – Transysilisches Tageblatt. Leomelia schlägt ein.
Efferd 1033 BF: Sechster Bericht im AB 142: Yol-Ghurmak – Kaltes Feuer, heißer Stahl.
Die erste Ausgabe des Optolith erscheint.
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Aventurischer Bote, Hesinde 1032 BF AB 136


Vom Gericht des Fürstkomturs
Leomelia Winterbach berichtet aus Mendena

Unsere tapfere Korrespondentin Leomelia Winterbach hält sich seit dem Efferd 1029 BF
unter falscher Identität in Mendena auf und vermag hin und wieder auf gefährlichem Wege,
Nachrichten an den Aventurischen Boten zu übermitteln. Lest einen Auszug aus ihrem letzten
Bericht, der einen verstörenden Blick in das Leben in Mendena gewährt.

»Wie ein König hält der Fürstkomtur Helme Haffax alle paar Wochen öffentliche
Rechtsprechungen ab – in der Arena Aquatica, wo das Volk sich heute schon auf den unteren
Rängen drängte. Normalerweise finden in dem riesigen Kollosseum Kampfspiele und
Wettrennen statt, wie schon unter Xeraan, und gelegentlich sieht man den Fürstkomtur selbst
in der Heptarchen-Loge dem Spektakel beiwohnen. Heute jedoch wurde Haffax’ Eisenthron
von Burg Talbruck auf einer Tribüne im Kreis der großen Arena aufgestellt, ein Monstrum
aus Metall und scharfen Kanten. Das Volk war in den letzten Tagen aufgerufen worden, seine
Nöte vor den Herrscher zu bringen und Verfehlungen anderer anzuklagen: Eine nicht eben
kleine Menge hatte sich versammelt und gab einem Gardesoldaten ihr Wer und Weshalb zu
Protokoll.
Eine grimmige und eindrucksvolle Gestalt war der Fürstkomtur, wie er in seiner schwarzen
Dämonenrüstung vor uns thronte, das kantige Kinn auf die Faust gestützt, die Klagebringer
mit loderndem Blick fixierend. Die Insignien seiner Herrschaft ruhten an der Seite des
Heptarchen: Der Kronensplitter des Jenseitigen Mordbrenners, verarbeitet im Kopf eines
archaischen Feldherren-Szepters, ruhte auf einem samtenen Kissen, und allein der Anblick
des glühenden Dings erfüllte uns Zuschauer mit kriechendem Grauen; das ölig-glänzende
schwarze Schwert Athai-Naq lehnte am Fuß des Throns, lässig fast und bedrohlich. Hinter
dem Thron hatte der Heptarch seine Leibgarde postiert, unter dem Befehl der Obristin der
Karmoth-Garde Gritta Graustein, einer kleinen, scharfzüngigen Frau mit lauter Stimme.
Mit einem Wink bedeutete der Heptarch seinen Garden, die Anhörung zu beginnen, doch
niemand aus der Menge getraute sich, als erster vorzutreten, furchtsam blickten sie zu Boden
und scharten mit den Füßen. Ein zweiter Wink von Haffax und Obristin Graustein trat
zwischen die Bittsteller und schleifte einen alten Mann vor den Thron: Ich erkannte ihn als
den sonst immer fröhlichen Marktschreier Störrkopp-Sappel. “Sprich, Mann!” forderte Haffax
ihn mit tiefer, ruhiger Stimme auf und Sappel brachte dem Heptarchen zitternd und auf Knien,
mit der Mütze in den Händen zu Gehör, von einem Piraten eines Schmuckstückes bestohlen
worden zu sein. Nachdem er auch dessen Namen nannte – Koppert Garstel – und einige
Zeugen die Geschichte des Marktschreiers durch Zuruf bestätigt hatten, wurde Garstel aus
dem Kerker geholt, wo er wegen trunkenen Pöbeleien erst am gestrigen Abend festgesetzt
worden war. “Bist du nicht nur ein Säufer, sondern auch ein Dieb?” fragte der Heptarch mit
donnernder Stimme und Garstel konnte nicht anders als kreidebleich zu nicken. Da gab
Haffax der Graustein ein Signal und diese hieb dem Mann ohne Federlesen die Hand ab, die
dieser noch um Gnade bettelnd vorgestreckt hatte. Während die Garde den schluchzenden
Piraten davonschleppte zog sich Störkopp-Sappel eilig zurück, um die getane Gerechtigkeit
zu feiern, und auch das Publikum war zufrieden.
Als nächstes trat eine Gardistin der Stadtwache vor den Eisenthron, die fette Rimke
Klöpplerin, und mit bemüht fester Stimme klagte sie die Offizierin Rurijida von Jergan (aus
Haffax’ eigener Roter Legion) an, ihr eine teure Lustsklavin ausgespannt zu haben, worauf ein
Raunen durch die Ränge ging. Obristin Graustein ließ die Beklagte sogleich in die Arena
zitieren und mit feurigem Jähzorn beteuerte diese, nichts davon zu wissen, dass ihre Gespielin
eine andere Herrin gehabt haben solle. Gefragt, ob sie das Mädchen freiwillig an Gardistin
Rimke zurückgeben wolle, spuckte Rurijida nur vor jener auf den Boden, worauf der
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Fürstkomtur die Faust ballte und knurrte: “Dann kämpft!” Das Volk brach in Jubel aus, als ob
es nur darauf gewartet hätte. Der Kampf war kurz und hitzig, und zu aller Erstaunen
vermochte es Gardistin Rimke, die Oberhand zu gewinnen – wie ich später erfuhr, war sie vor
ihrer Anstellung in der Stadtwache eine Veteranin der Schwerter Borbarads gewesen. Mit
dem Gewicht ihrer Leibesfülle und mächtigen Hieben ihres Streitkolbens konnte Rimke die
Schwertkämpferin Rurijida in die Defensive drängen, und als diese sich an einem
hervorragenden Stachel des Eisenthrons verfing und fiel, brach der Fürstkomtur den Kampf
mit einem Handzeichen ab. “Nimm deine Hure zurück,” sprach er knapp zu Rimke und auch
wenn das Publikum sich wohl ein definitives Ende des Kampfes ersehnt hätte, so war auch in
diesem Fall gerecht entschieden worden.
Die Menge auf den Rängen wurde still, als nun ein hochgewachsener, ehrwürdiger Mann in
wallendem blaugrünem Ornat vortrat: Vater Rafim al’Kuthbar, ein erst kürzlich aus
Khunchom angereister Geweihter des Herrn Efferd, den man in Mendena schon lange nicht
mehr verehrt. Die Menge betrachtete den Gottesmann mit Interesse, wie ein Relikt aus einer
fremden Kultur, zumal die stadtbekannte Glaubanya Silbermuschel neben Vater Rafim stand,
eine einflussreiche Priesterin vom Tempel der Tiefen Tochter. Vater Rafim beschwerte sich
zornig und mit vielen Gesten, dass Schwester Glaubanya den Preis auf ein Grundstück
unverschämt hoch überboten habe, das er selber gekauft – nur noch nicht bezahlt – habe, um
darauf mit bereits erteilter Erlaubnis des Heptarchen einen Efferd-Tempel zu errichten.
Haffax’ war anzusehen, dass ihm der Ton des Geweihten nicht gefiel, eine steile Zornesfalte
stand auf seiner Stirn. Aber Vater Rafim redete sich in eine rechte Predigt hinein, geradezu
angestachelt von den samtstimmigen Einwürfen Schwester Glaubanyas, die in unschuldigem
Ton betonte, dass bei ihrem Kauf alles Rechtens und Vater Rafim wohl mit den hiesigen
Gepflogenheiten noch nicht sehr vertraut sei, wenn er eine Kaufsumme nicht schneller
aufzubringen vermochte, als das Gegenangebot ausgezahlt wurde. Die Zuschauer auf den
Rängen der Arena kommentierten das Spektakel nun lautstark, manche beschimpften
Glaubanya als Ränkeschmiedin, andere verlachten Vater Rafim als Dilletanten und Träumer.
Dieser aber tobte: “Fürstkomtur Effendi!” schrie er, “Ihr wart einmal ein rechtschaffener
Mann, steckt denn kein Bisschen Götterfurcht mehr in Eurem Herzen?” Die Menge johlte,
doch der Heptarch sprang auf und brennende Wut loderte in seinem Blick, als er nach Athai-
Naq griff. Fauchend zog die Klinge einen rußigen Bogen – und furchtsame Stille legte sich
schwer über die Ränge, als der Geweihte mit bis zur Brust gespaltenem Schädel zu Boden
sank. Nur Glaubanya fasste sich schnell wieder und mit ergebenem Lächeln verbeugte sie sich
langsam vor dem Fürstkomtur – weniger Demut sprach aus dieser Geste als vollendete
Überheblichkeit. Das entging auch dem Heptarchen nicht, der schwer atmend über seinem
Opfer stand: Mit einer fast beiläufigen Geste durchbohrte er der Priesterin den Leib und
drehte die gierige Klinge noch einmal um. Aus dem Publikum ertönten vereinzelte
Schreckensrufe. Ungläubig starrte Glaubanya ihn an, als sie rückwärts taumelte. Haffax aber
wandte sich von der wimmernd sterbenden Frau ab, warf Athai-Naq angewidert von sich
(kein Blutstropfen fiel vom Schwert zu Boden) und schritt davon, steif und bebend vor Zorn,
eskortiert von Obristin Graustein und seiner Garde.
Die Audienz war damit vorzeitig beendet, das Volk machte sich leise tuschelnd auf den
Heimweg, doch ich blieb noch etwas, versteckt hinter einer Säule. Als die Arena Aquatica
sich geleert hatte, beseitigten einige Soldaten die Leichen, ein Karakil-Dämon trug den
Eisenthron davon. In der Stille hörte man noch den unseeligen Splitter der Dämonenkrone
leise summen, bevor er mit Athai-Naq von einem Zug Karmoth-Gardisten zurück nach Burg
Talbruck transportiert wurde.«

Frau Winterbach heftete folgende Notiz an: »Werde seit Tagen verfolgt und beobachtet. Bin
in Mendena nicht sicher. Gehe auf Reisen ins Inland. Nutze [geschwärzt] zur baldigen
Berichterstattung.« Die Boten-Redaktion sorgt sich um ihre geschätzte Korrespondentin,
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erhofft sich aber auch, der geneigten Leserschaft in kommenden Ausgaben neue Berichte aus
tobrischen Landen bieten zu können.

Aventurischer Bote, Tsa 1032 BF AB 137


Mit der Kaleschka durch die Schattenlande
Leomelia Winterbach berichtet aus Tobrien

Abermals präsentieren wir der geneigten Leserschaft den Report unserer tapferen
Korrespondentin Leomelia Winterbach, die zuletzt aus Mendena berichtete, sich aber im
tiefsten Winter auf die Reise ins Innere des besetzten Tobriens begeben musste.

»Nachdem Mendena zu unsicher für meinen Verbleib geworden war, brauchte ich Hilfe von
[geschwärzt], um die Stadt heimlich über die Mauern zu verlassen. Meine Weiterreise hatte
ich zuvor schon arrangiert: Die fahrende Händlerin Kalinka würde mich in Richtung
Eslamsbrück mitnehmen. Ich hatte die runzlige, ständige plappernde Norbardin, auf dem
Nimmermüden Markt Mendenas kennengelernt, wo es kaum eine Ware gibt, die nicht
gehandelt wird, und keine Währung, die nicht akzeptiert wird. Kalinka hatte meine Dienste
als Schreiberin in Anspruch genommen, als sie die Teile eines – wie sie sagte – vereendeten
Golems aus Transysilien an einen nervösen Südländer verkaufte: Beschlagene, verbeulte
Eisenplatten, haufenweise Räder, Stangen, Nieten, Ketten und andere Einzelteile – trostlose
Reste einer verrückten Kriegsmaschine, wie sie der Mechanicus Leonardo angeblich an
seinen Grenzen patrouillieren lässt. Mit ihr handelte ich eine heimliche Passage aus. Gold
wollte sie nicht annehmen, doch für ein großes Büschel Haare, einen Schank Urin und eines
meiner hochwertigen leeren Notizbücher würde sie mir ein “Bettchen” in ihrem Gefährt bis
Eslamsbrück vermieten.
Ein Bettchen? Was es damit auf sich hatte, erfuhr ich in der Nacht, als ich die Stadtmauer
ungesehen überwunden hatte, und nun in Osterfelde Kalinkas Quartier aufsuchte. Die
freundliche Norbardin empfing mich auf der winzigen Veranda eines schiefen
Turmhäuschens mit drei Stockwerken, das in unmöglicher Weise aus Holzbrettern,
Eisenplatten und Bastgeflecht zusammengestückelt war; Fässer, Kisten und Säcke waren
außen am Haus angeseilt oder auf Balkönchen gestapelt; alles schien von einer zähen
schwarzgrünen Paste zusammengehalten zu werden – und sobald ich eingetreten war, erhob
sich das Häuschen schwankend und knarrend und zockelte die Straße nach Westen hinunter.
Stolz zeigte mir Kalinka mit zahnlosem Grinsen den Dämon, der das Häuschen trug: Ein
riesiger Klumpen schwarzgrünen Gallerts (das gleiche Zeug, das auch die Wände
zusammenhielt), der sich träge über das Pflaster wälzte. Sie nannte ihn ihr “treies Pfierdchen”
und das Häuschen ihre “Kaleschka” …
Mein anfänglicher Schreck wurde bald mit Meskinnes gelindert, als Kalinka ihre Sippe
zusammenrief, um mich vorzustellen: Dem “Männelein”, der “Muhme”, den “faulen
Söhnchen” und “fleißigen Töchterlein”, ingesamt fünf gesunde Erwachsene und sechs
fröhliche Kinder, die in der wankenden ‘Kaleschka’ hausten. Vom Gespräch der Norbarden
verstand ich nichts, nur mit mir sprach man gelegentlich ein blumiges Garethi, aber nie fragte
mich jemand nach meinem Woher und Wohin.
Vom Schnaps gewärmt und von einem deftigen Eintopf gesättigt (das Häuschen hatte sogar
einen schmiedeeisernen Ofen) verschlief ich den Vormittag zwischen Bündeln, Stapeln und
Kisten, mit denen jede kleinste Fläche vollgestellt war – durch das wogende Gleiten unsere
unheimlichen Gefährts fühlte ich mich wie im Bauch einer bornischen Handelskogge.
Im Dörfchen Borowein hatten wir gehalten, Kalinka pries von der Veranda aus fröhlich
krakelend ihre Waren an, ‘Kalinkas Krämerladen’ war hier offenbar bekannt und beliebt.
Wir folgten dann der Reichsstraße am Lauf der Tobimora, machten jedoch größere Umwege,
um auch kleine Dörfer nördlich zu beliefern oder Bastionen auszuweichen, deren Besatzung
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manchmal ‘Zölle eintrieb’. Kalinka handelte mit den normalsten und den erstaunlichsten
Dingen, verkaufte Stoffe und Kleider, Gewürze und Nahrungsmittel, metallenes Gerät und
Steingut (darunter bizzarre nachtschwarze Töpferware aus der Warunkei), aber auch vielerlei
Talismane, Ritualgegenstände und Opfergaben zu Ehren des ‘Grollenden Vaters’, der ‘Tiefen
Tochter’, des ‘Diamantenen Sultans’ oder der ‘Dunklen Mutter’, die die Dörfler allerorten
verwenden, um Missernten, Tobimora-Fluten, die Gier der Obrigkeit oder den Pesthauch der
Warunkei abzuwehren. Ihrerseits kaufte Kalinka vieles, was die Dörfler in den langen
Winternächten hergestellt hatten: Bastkörbe, Wollgewebe und Schnitzereien (altertümlich
‘tobrisch’ anmutende Wolfsköpfe, Wildschweine und Jarlaksfiguren neben Dämonenkronen,
Irrhalken, Bäumen mit feuriger Krone und anderen Symbolen der ‘neuen Götter’), aber auch
Seltsamkeiten wie einen toten Fisch, der am ganzen Leib spitze Zähne hatte (und einen guten
Preis im Tempel der Tiefen Tochter von Mendena erbringen würde).
Ab Keilerau wurde die Reise beschwerlich, denn die schon früher unbequeme Reichsstraße
wird nur schlecht in Stand gehalten. Vielerorts wurde sie schon während der Invasion
Borbarads von der Tobimora über Meilen hinweg fortgespült, danach wurden viele Steine
zum Wiederaufbau von Häusern und Burgen verwendet, so dass man sich heute über lange
Knüppeldämme oder schlammige Pisten müht. Zwischen Uferschilf und den düsteren
Wäldern, die mangels Pflege bis direkt an die Straße wuchern, lauern zudem einige Gefahren,
von denen arme Halunken die geringsten sind. Normalerweise reist man hier laut Kalinka mit
Handelskarawanen und gemieteter Bedeckung (und am besten noch mit einem ‘Priester’ um
den Zorn der ‘Götter’ im Zaum zu halten). Nur hier und da wurde eine alte Burg oder
Tempelruine zu einem halbwegs sicheren Gästehaus umfunktioniert. Kalinkas Sippe kommt
wohl deshalb so gut zurecht, weil ihr seltsames Gefährt eine mittlere Karawane für sich ist,
die schlechten Wege machen dem unermüdlichen ‘Pfierdchen’ kaum etwas aus (es braucht
nicht einmal Atemluft: einmal haben wir das ganze Erdgeschoss ausgeräumt und einen tiefen
Tobimora-Arm gequert – danach wurde gewischt und die auf dem Fußboden gestrandeten
Fische wurden gebraten) und Bedeckung scheint sie nicht nötig zu haben, weil niemand einen
riesigen Dämonenklumpen angreift.
Als wir schließlich in Eslamsbrück ankamen, hatten wir einiges erlebt, wir waren einer
kleinen Patrouille von Mactaleänata begegnet (sie ritten tatsächlich auf Zant-Dämonen,
Rondra steh uns bei!), hatten gesehen, wie ein Borbaradianer-Kloster von Bluttemplern
geschleift wurde (die Bewohner baumelten aufgeknüpft im Wind), hatten einen jungen
Agrimoth-Priester auf Pilgerreise nach Yol-Ghurmak ein stückweit mitgenommen, hatten in
einer Bastion am Hochzeitsfest eines verdienten Haffax’schen Offiziers aus Weiden mit einer
maraskanischen Edeldame teilgenommen (für das Kalinka Wein und Speisen lieferte) und
hatten gemeinsam eine lange Zeremonie ‘zu Ehren’ der Tiefen Tochter durchgeführt, um ein
Monster zu besänftigen, das ein gefährliches Wegstück an den Tesraler Klippen bewacht.
Der Abschied von Kalinka und ihrer Sippe war schwer, denn über die drei Wochen der Reise
war ich wie ein Teil der Familie behandelt worden. Kalinka selbst schluchzte, nannte mich ihr
Töchterchen und schenkte mir einen großen Sack mit wertvollen Lebensmitteln.
Die Reise von Mendena nach Eslamsbrück war so aufregend wie lehrreich – das Tobrien, das
ich einmal kannte, existiert nicht mehr, und sicherlich gibt es hier mehr Leid und Grauen als
früher, doch so wie in Mendena geht auch auf dem Land das Leben der Menschen seinen
Gang und die Menschlichkeit selbst vermögen noch soviele Dämonen den Leuten nicht
auszutreiben.
Eslamsbrück ist nun ein ganz neues Pflaster und ich weiß bislang wenig über die Stadt. Mehr
dazu in meinem nächsten Bericht.«

Im Sinne der Bildung unserer Leserschaft wollen wir folgende Ausrisse aus der
Mendenischen Postille Greifenbalg abdrucken, die ebenfalls mit dem Bericht Leomelia
Winterbachs ankamen, die wir uns inhaltlich und sprachlich jedoch keineswegs zu eigen
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machen! Wir haben vollstes Vertrauen, dass unser Leserschaft Wahrheit und Wirrsinn in den
Zeilen der folgenden Nachrichten auseinanderhalten können wird.

Der Greifenbalg, Mendena, Boron 1032 BF


Stolz und Stärke – Mendena wird neue Hauptstadt
Der Fürstkomtur verlegt seinen Sitz nach Tobrien

Mendena. Wie es die Herolde des Ordensamtes für Reichsangelegenheiten unter der Roten
Hand Circaya Galahan ya Badrese den stolzen Bürgern unserer schönen Stadt bereits
kundgegeben haben, wurde Mendena dieser Tage offiziell zum Hauptquartier,
Befehlszentrum und Regierungssitz der Fürstkomturei ernannt, eine Ehre, die bislang dem
maraskanischen Jergan zukam. Das strategisch bedeutsame und unter der ordnenden
Herrschaft Fürstkomtur Helme Haffax’ prosperierende Tobimora ist damit nicht mehr nur
Protektorat, sondern strahlendes Zentrum der vereinten Fürstkomturei, wofür das tobrische
Volk sich glücklich schätzen sollte.
Fürstkomtur Haffax gedenkt seine Residenz auf Burg Talbruck damit permanent zu machen,
in Personalunion bekleidet er auch weiterhin den Rang des Komturs von Jergan – ein Signal
an die getreuen Kameraden auf der maraskanischen Insel, dass der Fürstkomtur sich ihnen
verbunden fühlt.
Eine briefliche Stellungnahme von Ordenshochmeister Belharion Menning in Jergan war wie
üblich nicht zu erhalten, Meisterin Circaya versicherte dem Greifenbalg jedoch, dass Menning
alle Entscheidungen des Fürstkomturs in persönlicher Verbundenheit siegele und segne.
Kurz vor Drucklegung wurde zudem verkündet, dass das edle Wappen der Fürstkomturei nun
offiziell ohne die siebenstrahlige Krone Borbarads und auch ohne die drei Lilien Maraskans
verwendet wird: Niemand soll mehr über unserem Herrscher stehen und keine territorialen
Grenzen beschränken die Größe unseres Reiches. Fürstkomtur Helme Haffax herrscht
nunmehr nur noch im Zeichen der gekreuzten Schwerter – im Zeichen von Stolz und Stärke!

Der Greifenbalg, Mendena, Hesinde 1032 BF


Glorreicher Sieg der Mactaleänata
Winterliches Scharmützel bei Shamaham

Shamaham. Über ein Jahr ist vergangen, seit Fürstkomtur Haffax im Travia 1031 BF ein
Banner unserer stärksten und stolzesten Kämpferinnen, der Mactaleänata, unter der Führung
ihrer vasallentreuen Königin Nakika Bärenfang nach Süden aussandte, um die geschwärzte
Ruine der gefallenen Amazonen-Burg Kurkum als Absicherung gegen Vorstöße aus
Feindesland vollständig abzuriegeln. Es zeugt von der Weitsicht und Stärke des Fürstkomturs,
dass uns bislang kein Angriff auf Kurkum bekannt geworden ist.
Heute erfahren wir jedoch, dass Königin Nakika mit einer Eskadron ihrer besten
Zantreiterinnen während einer weiträumigen Patrouille westlich der Präfektur Shamaham auf
eine hinterhältig sich anschleichende Bande von Amazonen stieß, die ihrerseits von der
verfehmten Gilia ‘von Kurkum’ angeführt wurde. Zweifellos war Gilia gekommen, um am
Ort der schmählichen Niederlage ihrer vom Heiligen Borbarad zu Staub zermalmten Mutter
Yppolita zu flennen, doch tapfer und mit strenger Härte wurde sie von Königin Nakika in die
Schranken gewiesen und zurück über die Westgrenzen geprügelt. Verluste auf Seiten der
Mactaleänata sind uns nicht bekannt, die feige Gilia aber entkam, indem sie ihre weichliche
Weiberbande fast vollständig opferte, um ihr eigenes Leben zu retten.
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Meisterinformationen zu den Artikeln aus dem Greifenbalg


—Dass Haffax im Boron 1032 BF Mendena zur neuen Hauptstadt der Fürstkomturei
ernannte, entspricht den Tatsachen, wie auch der Rest des Artikels, bis auf die Absegnung
dieser Entscheidung durch Belharion Menning, den Haffax überhaupt nicht mehr konsultiert.
Menning ist darüber nicht erfreut und empfindet die Verlegung der Hauptstadt von Jergan
nach Mendena als erneuten Schlag ins Gesicht, nachdem der Fürstkomtur ihn an der
Eroberung Xeraaniens weder beteiligte noch später in seinen Stab berief, sondern mit Hinweis
auf Mennings religiösen Führungsaufgaben als Hochmeister der Bluttempler in Jergan ‘sitzen
ließ’.
—Die Abriegelung des Vildromtals durch Helme Haffax im Travia 1031 BF, wo in der Ruine
Burg Kurkums immer noch ein intakter Rondra-Tempel als Sanktuarium steht, geschah
aufgrund der Sorge des Fürstkomturs, dass Kurkum als Wegstation des Großen
Donnersturmrennens fungieren könne, von dem er durch Spione in Beilunk Kenntnis hatte.
Dafür stellte Haffax etwa die Hälfte der Mactaleänata und einige Entsatztruppen der
Bluttempler aus Shamaham ab. Nakika Bärenfang, die Königin der Schwarzen Amazonen,
nutzt ihre Position fernab Mendenas jedoch häufig für eigenständige Ausritte ins westliche
Tobrien, wo sie die Konfrontation mit regulären Truppen des Nekromantenrats oder lokaler
Machthaber sucht, ohne aber größere militärische Eroberungen anzustreben.
—Nakikas zufälliger Zusammenstoß mit der Hochkönigin der Amazonen Gilia im Hesinde
1032 BF, die ihrerseits einen gewagten und heimlichen Vorstoß in Richtung Burg Kurkum
unternahm, ging keineswegs so einseitig aus, wie der Greifenbalg behauptet, auch wenn Gilia
sich tatsächlich unter hohen Opfern mit ihren Frauen zurückziehen musste, als Nakika sich in
einem Grenzturm verschanzte und Entsatz aus Shamaham anforderte.

Aventurischer Bote, Ingerimm 1032 BF AB 139


Eslamsbrück – düsteres Herz der Schattenlande
Leomelia Winterbach berichtet aus Tobrien

In den Aventurischen Boten 136 und 137 war bereits zu lesen, wie unsere Korrespondentin
Leomelia Winterbach sich von Mendena aus auf eine Reise ins Inland des besetzten Tobriens
machte. Auf verschlungenen Wegen haben wir nun den Bericht über ihren Aufenthalt in
Eslamsbrück erhalten, lest selbst:

»Die fahrende Krämerin Kalinka, die mich von Mendena aus mitgenommen hatte, hatte
mehrmals erwähnt, dass Handelsfahrende in Eslamsbrück gern gesehen sind, und so gab ich
mich am Stadttor als mendenische Händlerin aus: Ohne weiteres ließen die Stadtwachen der
Roten Legion mich ein und gaben mir auch freundlich den Hinweis auf das Gasthaus
Goldenes Ei, wo ich unter meinesgleichen gastieren könne.
Ich war auf einige Veränderungen vorbereitet, doch die Stadt, in die ich nun meinen Fuß
setzte, hatte nichts mehr gemein mit dem Eslamsbrück, das ich bereits früher besucht hatte:
Tatsächlich wurde die gesamte Stadt offenbar eine oder zwei Meilen weiter nach Osten
verlegt, direkt an die Tobimora-Brücke, die ihrerseits als rechte Festungsbastion mit
Flusshafen ausgebaut wurde. Innerhalb der neuen Stadtmauern leben Arm und Reich, Elend
und Grandeur wild durcheinander, eine Ordnung in Viertel ist nicht zu erkennen, es stinkt und
lärmt in der ganzen umtriebigen Stadt; viele Gebäude wurden offensichtlich von Dämonen
aus dem Boden gestampft, triste Kasernen und Baracken für die Armen, bizarre Türme und
‘Paläste’ für die Wohlhabenden – manche aber auch in traditionellem Fachwerk errichtet, wo
noch menschliche Baumeister das Sagen hatten.
Berichte aus den Schattenlanden 8

Der Grund für die Wanderung der Stadt ist offensichtlich, wenn man nach Westen blickt: Es
gibt kaum einen Ort in der Stadt, wo man nicht die abgebrochene Spitze des Pandämoniums
sieht, jener wahnwitzigen Kultstätte, dessen Bau unter den Heptarchen Galotta, Xeraan und
Rhazzazor begonnen wurde. Ein bedrückender Anblick, den das Auge meidet, denn die Luft
scheint über dem nie vollendeten Pyramidenbau zu flirren und kränklich zu leuchten,
Feuersäulen schießen fauchend in den Himmel, dann wieder treibt ein eisiger Hauch mitten
im Sommer Frost und Schnee in die Stadt; und immer noch wuseln Dämonen und Chimären
um die verwaiste Baustelle herum. Die Eslamsbrücker scheinen es bestmöglich zu ignorieren,
doch das Pandämonium prägt den Ort, auch wenn der Bau schon vor Jahren eingestellt (nach
einem Teileinsturz mit vielen Toten) und ein Besuch des Unheiligtums von Haffax sogar
verboten wurde (ein Verbot, das sich wohl vor allem an pilgernde Priester der neuen Götter
und finstere Beschwörer richtet).
Das ‘neue’ Eslamsbrück scheint zunehmend ein Markt- und Umschlagsplatz für den
innertobrischen Handel zu werden, wie ich im Goldenen Ei, einer feinen, sehr geschäftigen
Unterkunft aufschnappte. Hier konnte ich mich ein wenig umhören, ohne mit meinen Fragen
auffällig zu wirken, denn es gastierten viele Auswärtige, zum Beispiel eine Gruppe
Handelsreisender (Schmuggler wohl eher) aus Vallusa, die mit Kollegen aus Yol-Ghurmak
über den beiderseitig verbotenen – aber offenbar regen – Handel zwischen Schwarz- und
Weißtobrien fachsimpelten. Eine protzig aufgetakelte Vertreterin einer gewissen Loge der
Hoflieferanten des Drachen zu Warunk, die ein Kontor gegenüber dem Ei führte, belauschte
ich dabei, wie sie gegenüber einem schmierigen Priester des Diamantenen Sultans alten
Zeiten nachtrauerte, als man für menschliche und untote Arbeitssklaven noch diese und jene
Preise verlangen konnte. Und ein grimmiger zwergischer Baumeister fiel mir ins Auge,
Garolm Greifer Sohn des Gralkar, dessen rechter Arm mehr wie ein lebendiges Werkzeug
aus Draht und Stahl denn wie ein Glied aus Fleisch und Blut erschien – ein Gesandter
Leonardos, wie sich herausstellte, der hier eine Großlieferung Holz und Metall für den
Weitertransport nach Mendena abzuliefern hatte und dafür eine Karawane mit
Nahrungsmitteln nach Yol-Ghurmak zurück führte.
Trotz des ständig dräuenden Pandämoniums fühlt man sich in Eslamsbrück freier als in
Mendena: Auch wenn die Stadt nominell unter geteilter Herrschaft Yol-Ghurmaks, Warunks
und Mendenas steht, regiert doch faktisch Haffax’ Komturin Nissa ay Komra mit ihren Roten
Legionären über die ‘Präfektur Eslamsbrück’ – doch sie tut das offenbar mit bewusst leichter
Hand. Man sagte mir, der Nekromantenrat sei (der Dunklen Mutter sei Dank) zu sehr mit sich
selbst beschäftigt, um sich mit Haffax’ um Ansprüche zu streiten und Leonardo der
Mechanicus hätte (dem Feurigen Vater sei Dank) seit seiner Machtübernahme kein Interesse
an örtlichem Einfluss gezeigt, auch wenn noch ein Kontingent herzöglich-tobrischer Truppen
in einem Weiler nördlich der Stadt stationiert ist.
So verbrachte ich einige Wochen in Eslamsbrück, trieb mich auf dem Markt herum, der
keinen einzelnen Platz hat, sondern sich über Gassen und Straßen der Stadt verteilt. Die
Waren, die hier feilgeboten werden, sowie ihre Verkäufer und Käufer kommen aus allen
Ecken der Schwarzen Lande, viele haben beschwerliche Wege hinter sich. Waffen und
Werkzeug aus Transysilien, Lebensmittel und Stoffe aus Tobimora, Söldner und Sklaven aus
der Warunkei, aber auch Haushaltswaren, Schmuck und vielerlei mehr sind hier zu sehen.
Man trifft auch bemerkenswerte Menschen: Eines Tages beobachtete ich, wie eine
gutaussehende Söldnerführerin ein lautstarkes religiöses Streitgespräch mit einem
charismatischen Marktprediger führte – er ein Verkünder der Lehre von den Nandus-
Zwillingen, sie offenbar eine Geweihte des Kor. Als ich später mit der Frau ins Gespräch
kam, stellte sie sich als Madalia Tiriona vor, Hohepriesterin des Tempels von Gallys in der
sogenannten Wildermark, die mit kleiner Bedeckung angereist war (ihre Route wollte sie
nicht verraten), um zu schauen, wie es um das Söldnervolk in den Schwarzen Lande bestellt
ist, und um zu predigen, wo es möglich sei. An einem anderen Tag ritt eine raue tobrische
Berichte aus den Schattenlanden 9

Ritterschar mit silbernen Fanfaren und blauweißen Bannern, kriegerischen Lanzen und
Plattenrüstungen durch die Stadt: Herzog Arngrimm persönlich hatte die Sprösslinge seiner
treuesten Barone zu Ritterinnen und Rittern geschlagen und diese kamen nun in die Stadt um
zu feiern.
Mitte Peraine jedoch – am 4. des Mondes hatte Ehrwürden Madalia einen öffentlichen
Gottesdienst zu Ehren der Heiligen Thalionmel abgehalten, besucht immerhin von einigen
Neugierigen – zeigte Komturin Nissa ay Komra, dass sie eine Herrscherin der Fürstkomturei
ist: Aus heiterem Himmel wurden die Tore der Stadt geschlossen, ein Ausgehverbot wurde
bei Androhung der Todesstrafe verhängt (und später rollten tatsächlich die Köpfe einer
Handvoll von Arngrimms frischen Rittern, die im Suff die Sperrstunde ignoriert hatten!) und
mehrere Banner Soldaten marschierten wie aus dem Nichts gekommen durch die Stadt und
über die Tobimora-Brücke. Ein Angriff auf die Warunkei? Wir erfuhren nichts, in der Nacht
jagte dämonisches Kreischen über den Himmel und violette Blitze stieben vom Pandämonium
in den Himmel, alle hatten große Angst und im Goldenen Ei boten manche dem ein
Vermögen, der sie heimlich aus der Stadt bringen könne. Bis der Spuk zwei Tage später
wieder verflog und die wenigen Gerüchte sich bald zu Fakten verdichteten: Die Rondra-
Kirche hatte Warunk erobert und den Nekromantenrat vertrieben! Meine Freude war groß,
doch durfte ich dies nicht zu offen zeigen – die meisten Eslamsbrücker waren bestürzt: Würde
auch Eslamsbrück angegriffen? Was bedeutete es, dass ganz offensichtlich das Pandämonium
Zuflucht für zumindest einige Mitglieder des sinistren Rates geworden war? Doch die
Komturin tat das Vernünftige: Sie ließ zur Tagesordnung übergehen und bald kehrte wieder
Normalität ein, als nicht direkt etwas geschah.
Ach, wie gern würde ich sogleich nach Warunk reisen! Allein, abgesehen von den strengen
Kontrollen an der Brückenbastion, denen ich mich nicht zu stellen wage, glaube ich doch,
dass meine Reise noch nicht beendet ist: So werde ich mich nun der Karawane Garolm
Greifers nach Yol-Ghurmak anschließen und alsbald aus der Hauptstadt Transysiliens
berichten.«

Meisterinformationen: Zeitleiste Eslamsbrück


30. Rondra 1020 BF: Schlacht von Eslamsbrück während der Borbaradianischen Invasion.
Die Kaiserlichen Truppen unterliegen und werden zerstreut.
Mitte Travia 1020 BF: Eslamsbrück fällt endgültig an die Schwarzen Horden.
Boron 1020 BF: Der Bau des Pandämoniums wird begonnen, einer riesigen dreizehnseitigen,
dreizehnstufigen Pyramide zu Ehren des erzdämonischen Pantheons – angeblich liegt
Eslamsbrück im Zentrum eines magisch potenten Dreiecks aus den Heiligen Quellen von
Ilsur, dem Molchenberg von Warunk und Sumus Kate im Yslisee, was dem Ort seine Eignung
gibt. Die Öffnung einer Pforte des Grauens ist jedoch nicht geplant.
Ab Rahja 1021 BF: Entstehung der Heptarchien Rhazzazors (Warunkei), Xeraans
(Xeraanien) und Galottas (Transysilien) in Tobrien. Eslamsbrück etabliert sich als eine Art
neutraler Boden, zum Bau des Pandämoniums steuern alle drei Heptarchien Ressourcen bei.
Die massive Präsenz von Baudämonen, Untoten, Hilfs-Chimären, Paktierern und Blutopfern
verseucht Eslamsbrück. Die Menschen (oft nach Eslamsbrück deportiert) leben in extremem
Elend vor allem als Bausklaven.
Ab 1024 BF: Der Bau des Pandämoniums verschlingt immer mehr Ressourcen, während das
Interesse der Heptarchen sinkt: Galotta baut an seiner Fliegenden Festung, Xeraan verdient
nicht genug daran. Rhazzazor und einige fanatische Dämonenpriester treiben das Projekt
voran.
Frühjahr 1027 BF: Die Erhebung der Fliegenden Festung in Yol-Ghurmak erschüttert das
magische Gefüge Tobriens so sehr, dass ein Teil des Pandämoniums einstürzt, mehr als
hundert Menschen kommen dabei und durch entfesselte Dämonen zu Tode. Bei dem
Berichte aus den Schattenlanden 10

folgenden Arbeiteraufstand werden viele der Baumeister und Priester getötet, zwei Stadtteile
brennen nieder. Für einige Wochen herrschen anarchische Zustände, bis Truppen Xeraans die
Stadt wieder ‘befrieden’. Die Arbeit am Pandämonium kommt zum Erliegen.
Anfang 1028 BF: Xeraan und Leonardo der Mechanicus, neuer Herrscher Transysiliens,
lassen die Stadt durch Baudämonen zwei Meilen nach Osten verlegen, weg vom
Pandämonium. Der Flusshafen wird ausgebaut, Xeraan hofft auf auflebenden Handel, doch
wieder übernehmen fanatische Dämonenpaktierer das Ruder und hoffen, das Pandämonium
bald fertigzustellen.
Ab Herbst 1029 BF: Xeraan fällt, Helme Haffax wird neuer Herrscher über das ehemalige
Xeraanien. Er ernennt Stadt und Land Eslamsbrück zur Präfektur und setzt eine Komturin ein.
Die Bauarbeiten am Pandämonium stellt er ein und verbietet das Betreten der Baustelle. Eine
Reduzierung von Zöllen belebt den Handel, die Tobimora-Brücke und die Wehranlagen
werden ausgebaut.
Das Pandämonium verfällt zu einer gigantischen Bauruine, die nur noch die übelsten Paktierer
anzieht, in deren Katakomben Dämonen und Chimären hausen und in deren Schreinen noch
einige finstere Hinterlassenschaften dreier gefallener Heptarchen liegen mögen.
Peraine 1032 BF: Warunk wird von der Rondra-Kirche erobert, die Reste des
Nekromantenrates um den Seelensammler nisten sich mit dem Splitter der Thargunitoth im
Pandämonium ein. Haffax lässt Truppen in Eslamsbrück aufmarschieren und nimmt
Rauffenberg südlich der Tobimora-Brücke ein.
Diese Situation bleibt zunächst stabil und unverändert.

Aventurischer Bote, Travia 1033 BF AB 142


Yol-Ghurmak – Kaltes Feuer, heißer Stahl
Leomelia Winterbach berichtet aus Tobrien

Es ist noch nicht lange her, dass unserer Korrespondentin Leomelia Winterbach aus
Eslamsbrück im besetzten Tobrien berichtete (siehe AB 139). Ihr neuester – und wie es
scheint: letzter – Bericht erreichte uns nun aus dem schwarzroten Yol-Ghurmak, dem
ehemaligen Ysilia, der gefallenen Hauptstadt der tobrischen Herzöge:

»Umbarmherzig brannte die Rahja-Sonne auf uns herab, als wir Eslamsbrück gen Yol-
Ghurmak verließen: Der schwer bewaffnete Konvoi Garolm Greifers, des grimmigen
zwergischen Baumeisters, umfasste fünf kleine Schiffe, die sich die Tobimora hinaufquälten.
Sie waren hoch beladen mit Lebensmitteln, Leder und Fellen sowie einigen schwer bewachten
Kostbarkeiten für den Hof des Heptarchen Leonardo (auch maraskanisches Endurium, wie ich
herausfinden konnte). Drei der Schiffe wurden angetrieben durch menschliche Ruderer und
Staken, doch eines wurde von zwei beherrschten Krakenmolchen gezogen, und im Leib von
Garolms gepanzertem Kriegsboot werkelte gar eine heulende, Schwefelqualm speiende
Höllenmaschine, die das Boot auf schäumendem Wasser wie von Geisterhand flussaufwärts
schob. Der Zwerg schraubte und hämmerte unentwegt daran herum, denn es fiel ständig der
eine oder andere Teil der Maschinerie aus.
Weiter nördlich, als die Schwarzen Wälder Transysiliens an die Tobimora heranrückten,
wurde die Luft kühl, trocken und stickig. Nachts ankerten wir in der Flussmitte, nur an einem
Abend landeten wir in einem halb im Uferschilf versunkenen Hummerier-Dorf an, das von
den Resten und Nachkommen jener ‘verdienten Einheit’ bewohnt wurde, die 1019 BF an
Bord der Dämonenarche Schwarzer Borkenkäfer den Untergang Ysilias besiegelt hatte.
Garolm Greifer genoss hier Autorität und erhandelte sogar drei Körbe Fisch für unser
Abendessen.
Als wir schließlich durch einen breiten und schwer befestigten Kanal die Sümpfe der Baronie
Falkenberg hinüber in den Yslisee querten, erblickte ich Yol-Ghurmak in der Ferne:
Berichte aus den Schattenlanden 11

Feuersäulen sah ich fauchend in den Abendhimmel stieben, gewaltige Türme sah ich, ihre
Häupter umgeben von Rauchschwaden, die vom Wind zu fratzenartigen Formen zerfetzt
wurden, fliegende Kreaturen sah ich, winzig zwischen den riesigen Gebäuden. Schaurig und
faszinierend zugleich!
Im Hafen Yol-Ghurmaks herrschte reger Betrieb: Fischerboote löschten ihre silbrig
schimmernde Fracht, ein Lastendämon hievte schwarze Baumriesen von flachen Kähnen auf
große Karren, und auch unsere Waren wurden sogleich von Dutzenden Schauerleuten
entgegengenommen. Viele wurden noch am Dock an die höchstbietenden Händler versteigert,
andere von Soldaten zum Heptarchenpalast eskortiert.
Elend hatte ich erwartet, Unterdrückung und Ausbeutung, graue Menschen voller Angst und
Verzagtheit. Doch das Verschwinden des Dämonenkaisers Galotta (kaum jemand hier weiß,
was ihm tatsächlich geschah, und viele nehmen an, er herrsche nun in Gareth über den Rest
der Welt) hat Yol-Ghurmak befreit: Hier leben hart arbeitende Menschen, doch es sind keine
Sklaven (die meisten jedenfalls nicht), sondern Handwerker und Händler, Krämer und
Bauern, die sich – mühsam noch, aber mit steigendem Mut – ein Auskommen erwirtschaften.
Die schwatzhafte Gastwirtin der Ogerhöhle, in der ich für die ersten Wochen unterkam,
berichtete mir, dass sich die Stadt für den Bau der Fliegenden Festung fast zu Tode geschuftet
habe. Doch als der Dämonenkaiser nicht zurückkam, hätte die Kirche des Feurigen Vaters
vieles zum Besseren gewendet. Statt irrsinnige Kriegsmaschinen für nichts und wieder nichts
zu bauen, stelle man jetzt für Lohn und Brot hochwertiges Werkzeug, Waffen, Rüstungen und
Gebrauchsgegenstände her, die sich bis nach Mendena und Warunk verschiffen lassen. Das ist
zwar etwas schöngeredet, denn noch immer werden Bürger für Bauarbeiten Leonardos
geknechtet – doch es ist offensichtlich, wie groß die Sehnsucht nach Normalität und Leben in
der Stadt ist und dass man mittlerweile stolz auf der eigenen Hände Werk sein kann. Von
Galottas Tyrannei ist tatsächlich nicht mehr viel übrig geblieben.
In dieser Hinsicht ist besonders auffällig, dass es fast keine Spur von der einstigen
Staatskirche des ‘Sehenden Sohnes’ mehr gibt (wie der Herr der Rache im hiesigen Pantheon
oft genannt wird). Sein großer Tempel ist schon vor Jahren eingestürzt und wurde überbaut,
habe ich mir sagen lassen. Die Leute sind darüber heilfroh – überhaupt wird erstaunlich offen
abfällig bis hasserfüllt über die Schreckensherrschaft des ‘Dämonenkaisers’ geredet.
Der Heptarch Leonardo wird nach Kräften ignoriert, wie dieser ebenfalls wenig Interesse an
seinem Volk zeigt. Wichtiger ist der Gildenrat der Stadt, dem die Kirche des Feurigen Vaters
vorsteht (die überhaupt sehr mächtig und angesehen gilt) und in dem sowohl klassische
Handwerke vertreten sind als auch zum Beispiel die Gilde der Hofzauberer (wohl die Magier
der Heptagon-Akademie), die Gilde der Schlackeschieber (die offenbar deshalb wichtig sind,
weil die Stadt ohne sie in ihrem eigenen Dreck ersticken würde) und die aufsteigende
Goldene Gilde der Händler.
Das Stadtbild selbst ist überwältigend mit seinen breiten Straßen, riesigen Häusern,
schwindelerregend hohen Brücken und weitläufigen Plätzen. Früher muss der Stadtkern Yol-
Ghurmaks wie ausgestorben gewirkt haben, doch mittlerweile haben normale Leute in vielen
zentralen Kasernen und Palästen, Tempeln und Prunkbauten Quartier bezogen, während ihre
früheren Sklavenpferche und Baracken am Rande der Stadt schnell verfallen. Die
Einwohnerzahl Yol-Ghurmaks ist unmöglich abzuschätzen, doch sie steigt ständig: Während
das Umland (die Mark Ogertrift und Baronie Liliengrund) zunehmend unbewohnbar wird,
verspricht die Stadt vielen ein besseres Auskommen.
Das ist auch das größte Problem Yol-Ghurmaks: Hungersnöte drohen der Hauptstadt eines
verdorrten, ausgezehrten, durchwühlten Landes, in dem man jede Ähre und jeden Apfel unter
hohen Opfern und ständigen Besänftigungsgebeten zum Feurigen Vater gegen
schwarzwuchernde Ranken, gegen Fäulnis und Dürre verteidigen muss. Deshalb wurde auch
unser Schiffskonvoi wie ein Goldtransport bewacht, und deshalb liefert Transysilien selbst auf
Berichte aus den Schattenlanden 12

Gefahr eines Angriffs hin Waffen in die reiche und fruchtbare Fürstkomturei. So wird die
Metropole zur Zeit jedoch recht gut versorgt. (...)
Auch wenn von Ysilia nichts mehr übrig ist, so ist Yol-Ghurmak doch schillernd, umtriebig,
anregend. Wann ich weiterreise (die Nordgrenze sei gar nicht schwer zu passieren, versicherte
mir ein ‘Waldläufer’), bleibt abzuwarten. Hiermit lege ich jedoch meine Arbeit als
Korrespondentin des Aventurischen Boten nieder und widme mich neuen Aufgaben.«

Je nun, fragt sich die Redaktion des Boten: Was ist von diesem Bericht zu halten? Wurde Frau
Winterbach zu einem falschen Report genötigt? Sind ihr die Schrecken der Schattenlande auf
die Seele geschlagen? Der Aventurische Bote muss zunächst den Willen einer seiner
wagemutigsten Korrespondentinnen respektieren, doch darf er sich nicht der Ungewissheit
beugen.
So rufen wir denn andere Mutige dazu auf, in unserem Auftrag ins besetzte Tobrien zu reisen
und die Spur von Frau Winterbach aufzunehmen: Hundert Goldstücke sollen den Tapferen
gehören, die zuverlässig und beweiskräftig vom weiteren Schicksal Frau Winterbachs künden
können.
Lest mit Schaudern auch die folgenden seltsamen Ausrisse, die uns mit dem Bericht Leomelia
Winterbachs erreichten:

Der Optolith – Transysilisches Tageblatt, Efferd 1033 BF


Von Freud und Leid im Mittelreiche

Es jubelt das Reich der Mitte, denn nach langem Schmachten und Sehnen heiratete Prinz
Selindian Hal kürzlich die schöne Tochter des Kalifen: Prinzessin Tulameth die Samtgleiche,
die Milchzarte, die Honigsüße. Sieben Tage währte das rauschende Fest, Freuden und
Genüsse wie aus Rahjas Garten ergötzten die vielen Hundert Gäste. Gekrönt wurden die
Feierlichkeiten am Abend des sechsten Tages mit einem Schleiertanz der Prinzessin selbst:
schmiegsam wie Qasaar, verführerisch wie Hanaestil, lustvoll wie Aphasmayra! Am siebten
Tage aber wurde allen Göttern geopfert, ihren Zorn und Neid zu besänftigen, wie es
vernünftige Menschen tun: Hundert Stiere, stark wie Dharai und wild wie Zant, wurden vor
die Tempel geführt, und ihr Blut floss in den Straßen Punins; Lotoskerzen und Liebesöle
schickten süße Schwaden gen Himmel und funkelnde Schätze, Perlen und Gold wurden den
Priestern zu Füßen gelegt.
Derweil ihr Bruder feierte, trauerte jedoch Kaiserin Rohaja um ihre Mutter, die allseits
geliebte Heldenkaiserin Emer von Gareth, die einst dem schrecklichen Schwarzen Drachen
Rhazzazor die Stirn bot und nach bitterem Martyrium in Warunk verstarb. Möge die Dunkle
Mutter ihre Seele gnädig verschonen! Umso mehr gilt das Mitgefühl der Transysilier der
Kaiserin Rohaja, da ihre Hauptstadt Gareth ebenso unter dem Tyrannen Galotta zu leiden
hatte wie unser stolzes Yol-Ghurmak.
Vom Heptarchenpalast wurde nicht dementiert, dass auch Seine Hoheit Leonardo dem jungen
Prinzen Glückwünsche sandte und die tapfere Kaiserin seiner Anteilnahme versicherte.

XXX KASTEN ANFANG XXX


Kleinanzeigen aus Yol-Ghurmak

Zhulvays Zauberkram! Artefakte und Alchymika – Zauberspeicher – Zauberstäbe, Schalen


der Alchimie, Kristallkugeln, Hexenbesen, Druidendolche (neu und gebraucht) – magische
Metalle – Theriak – Paraphernalia aller Götter und Dämonen – ausgestopfte Chimären. Am
Agrimothäum.
Berichte aus den Schattenlanden 13

Das Handelshaus Güldenglanz sucht: Erfahrenen Karawanenführer und Grenzgänger für


Warentransporte nach Vallusa und Ilsur. Akoluthen des Feurigen Vaters oder der Tiefen
Tochter gern gesehen. Interessenten melden sich bitte in unserem Kontor an der Isirielsallee.

Agribaal im Schmiedefeuer? Ulchuchu im Brunnenschacht? Yel-Arizel in der guten Stube?


Braggu in der Familiengruft? Keine Sorge – denn allzeit bereit ist: Der Exorzist. Zuverlässig.
Ungefährlich. Erschwinglich. Fragt in der Ogerhöhle nach Magister Yerodin Nurhanif
Weidling.

Galotta-Witz der Woche

Staatsbesuch in Yol-Ghurmak. Galotta zeigt Haffax eine Monumentalstatue seiner selbst, von
der er sehr angetan ist. »Dieses Kunstwerk wurde nach meinen eigenen Entwürfen
angefertigt!« tönt er an Haffax gewandt. »Bin ich nicht ganz ausgezeichnet getroffen? Dieses
stolze, gebieterische Antlitz! Diese erhabene Haltung! Diese Ausstrahlung von
Fortschrittlichkeit und natürlichem Adel! Ein Meisterwerk der modernen Kunst! Geradezu ein
Festhalten meines anbetungswürdigen Ichs für die Ewigkeit!« Haffax besieht sich die Statue
und schabt über seinen Stoppelbart. »Eher das Festhalten eines Augenblicks,« äußert er
schließlich. Galotta wundert sich: »Wieso?« Antwortet Haffax: »Die Statue hat den Mund
geschlossen.« XXX [tz] Mit herzlichem Dank an Kathrin Ludwig! XXX
XXX KASTEN ENDE XXX

Meisterinformationen zum Artikel

Der Auftrag des Boten


Die Aufklärung des Schicksals von Leomelia Winterbach kann ein Aufhänger für
Heldengruppen sein, sich in die Schattenlande zu begeben. Offiziell wird dieser Auftrag nicht
weiter thematisiert, Leomelia wird aber dauerhaft in Yol-Ghurmak bleiben.

Leomelia Winterbach
Die Reporterin aus Leidenschaft (*997 BF, quirlig, unauffälliges Äußeres; gute
Schauspielerin) wurde während Borbarads Invasion zur Waise, doch als sie als Boten-
Korrespondentin die Schwarzen Lande bereiste, wuchs ihre Faszination an diesem Land im
Umbruch, in dem jeder Mutige sein Schicksal selbst in die Hand nehmen kann. Leomelias
Abenteuerlust, ihr Pioniergeist und ihre dehnbaren moralischen Grundsätze ließen sie in den
Schattenlanden heimisch werden. So zögerte sie keinen Augenblick, als sie das Angebot
bekam, Schriftleiterin einer neuen Zeitung für Yol-Ghurmak zu werden – dem Optolith.
Leomelia ist überzeugt, die Menschen Transysiliens damit weiter aus der geistigen Knechtung
befreien zu können. Sie knüpft Beziehungen zu reisenden Händlern und Abenteurern
(darunter auch der Phex-Geweihte Tislan Rasket, siehe Posaunenhall (2009)), zu Armen und
Mächtigen Yol-Ghurmaks. Nebenbei verdient sie in der nach sozialem Leben hungernden
Metropole viel Geld mit dem Optolith.
Reisenden Helden kann sie, als Gegenleistung für Reiseberichte und Neuigkeiten aus fernen
Landen, Hilfestellung, Informationen oder Ratschläge geben.

Der Optolith – Transysilisches Tageblatt


Der Optolith (Aureliani für ‘sehender Stein’, also ein Schwarzes Auge) erscheint
unregelmäßig als dünnes Heftchen (2 bis 6 Ausgaben pro Monat) in variabler Auflage. Dank
der höchst leistungsfähigen Druckerpresse kann eine Ausgabe jederzeit schnell nachgedruckt
werden.
Berichte aus den Schattenlanden 14

Die Artikel im Optolith sind betont positiv und eher unpolitisch aber durchaus unabhängig
geschrieben: Gute Nachrichten stehen in Yol-Ghurmak hoch im Kurs, aber belügen lassen
wollen sich die Leute nicht mehr. Neben Darstellungen handwerklicher Errungenschaften,
städtischen Neuigkeiten und Klatsch aus dem Leben der Reichen und Mächtigen gibt es auch
eine Sparte mit Reports aus fremden Landen, in denen vor allem die mittelreichische Politik
und Lebenswelt der letzten zehn Jahre wiederholt wird. Viele Händler und Handwerker
bewerben ihre Waren im Optolith.
Der Optolith hat ein halbes Dutzend Mitarbeiter, dazu kommen etliche Zuträger und
Gelegenheitsschreiber. Die Agrimoth-Kirche unterstützt die Zeitung heimlich. Ihr größter
Feind ist Arngrimm von Ehrenstein, der die unabhängige Berichterstattung gar nicht schätzt.

Großmeisterin Garla Gengris, Hohepriesterin des Agrimoth


Garla Gengris (*989 BF, fett, pragmatisch, gewitzt; I. Kreis der Verdammnis) ist die Graue
Eminenz Yol-Ghurmaks, denn als Oberhaupt der Kirche des Feurigen Vaters und Vorsteherin
des Gildenrats ist sie höchste Glaubensinstanz und Bürgermeisterin in einem.
Schon während der Herrschaft Galottas schürte die charismatische und humorvolle Priesterin,
die ihre Familie durch Verleumdung und Willkürgerichte verlor, im Geheimen den Hass der
Bevölkerung auf die Blakharaz-Tyrannei. Nachdem der Heptarch im Mittelreich verschollen
ging, zerstörte sie die Reste der bisherigen Staatskirche durch Propaganda und handfeste
Verfolgung. Durch dick aufgetragenes Gutmenschentum machte sie die Agrimoth-Kirche zu
einer benevolenten Herrschaftsinstanz.
Garla ist nicht gläubig, die Kirchenführung ist für sie ein Werkzeug. Am ehesten fühlt sie sich
dem philosophischen Borbaradianismus verbunden, der die Freiheitssuche des Menschen
betont. Ihr Ziel ist eine neue Blüte Yol-Ghurmaks als Handelsstadt, ihre größere – noch
geheime – Vision ist gar ein vom Mittelreich akzeptierter Status als Freistadt.
Den politischen Einfluss Leonardos mindert Garla, indem sie ihn zu einem Agrimoth-
Heiligen stilisieren lässt, den man mit weltlichen Angelegenheiten nicht zu belästigen habe.
Vom Optolith erhofft sie sich vor allem eine optimistische Horizonterweiterung der Yol-
Ghurmaker, die langfristig ihre eigenen Interessen abseits von denen der Heptarchen,
Tyrannen und Schwarzmagier verfolgen sollen.

© 2009/2010 Tyll Zybura ~ Quelle: www.wolkenturm.de

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