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3,70
Impressum Zum Geleit
Chefredaktion: Jens Arne Klingsöhr Bei allen Zwölfen! Das war eine schwere Geburt!
Redaktion Albernia & Windhag: Jan Rodewald (jr)
Mitarbeiter dieser Ausgabe: Leider kam es mal wieder zu Verzögerungen bei der lang erwarteten Ausgabe
Robert-Björn Albrecht (rba), Michael Borth (mib), 6 des Beleman. Nein, der tödliche Griff des Winters, der in dieser Ausgabe
Marcus Buss (mb), Stephanie Danne (scd), Martin
Groh (mg), Nina Hassmann (nh), Peter Reif (pr), Albernia, Windhag, Andergast, Nostria und Thorwal ergriffen hat, hat nicht auch
Martina Schmaltz (ms), Heinrich Schmidt (hs), Jo- die Beleman-Redaktion gepackt. Die Gründe sind rein irdischer Natur. Das ver-
chen Zowe (jz)
spätete Erscheinen des Beleman geht zu einem guten Teil auf meine Kappe, da
Redaktion Andergast: Philipp Seeger (ps) ich nebenbei noch mit dem Verfassen meines ersten offiziellen Abenteuerbeitrags
Mitarbeiter dieser Ausgabe: für die kommende Anthologie STROMSCHNELLEN beschäftigt war. Dazu kamen dann
Marc Thorbrügge (mt)
noch Probleme beim Satz des Beleman und die vielen anderen unvorhergesehe-
Redaktion Nostria: Julian Marioulas (jm) nen Kleinigkeiten, die sich dann leider zu dieser Verspätung aufsummiert haben.
Mitarbeiter dieser Ausgabe:
Tahir Zia Shaikh (tzs), Gerrit Gerricke (gg)
Doch nun halten Sie endlich, endlich die neue Ausgabe des Beleman in den
Redaktion Thorwal: Albert Muigg (am) Händen, und wir hoffen, dass der Inhalt die Verspätung mehr als ausgleicht. Ne-
Mitarbeiter dieser Ausgabe:
Kristina Dostall (kri), Detlev Erdmann (de), Steven ben den ausführlichen Berichten und Geschichten aus den vom unnatürlich har-
Hepp (sh), Jens Arne Klingsöhr (jak), Volkmar ten Winter geplagten Regionen, haben wir auch wieder ein Szenario im Angebot:
Lehmann (vl), Ragnar Schwefel (rs)
'Die Schuldnerbande' von Tahir Shaikh und Julian Marioulas spielt in Nostria
Korrektorat: Jan Rodewald und vermittelt natürlich viel Nostrisches Flair.
Satz und Layout: Jens Arne Klingsöhr
In unserer Interview-Serie hat sich diesmal die bekannte DSA-Zeichnerin
Vertrieb und Abobetreuung: Johannes Beier Caryad unseren Fragen gestellt und uns alles über ihre Vorbilder, die Verände-
Titellayout: Simone Ronner, Volkmar Rösner
rungen an ihrem Zeichenstil und vieles andere mehr verraten.

Titelbild: Bernadette Wunden Doch wer uns mal auf der anderen Seite des Mikrofons erleben und vielleicht
Abbildungen: etwas mehr über die Hintergründe des Beleman erfahren will, der findet derzeit
Marcus Buss (Seite 10) auf den Seiten von Borons Reich ein Interview mit der Redaktion des Beleman
Caryad (Seite 28)
Alexander Hajek (Seiten 24, 33)
(http://www.borons-reich.de/index.php?id=1463). Das Interview ist Teil der si-
Nina Hassmann (Seite 3) cherlich für viele interessanten Artikel-Serie "Die Dinosaurier: Fanzines Gestern
Jan Rodewald (Seiten 5, 13, 14, 16, 19) und Heute".
Volkmar Rösner (Seiten 47, 48)
Martina Schmaltz (Seite 8)
Nicole Schmidt (Seite 18) Für die nächste Ausgabe suchen wir natürlich auch wieder Artikel und Ge-
Luzia Sievi (Seiten 30, 34, 36)
Bernadette Wunden (Seiten 20, 39, 41)
schichten aus den Landen unter dem Beleman, aber auch Szenarioideen oder
Jochen Zowe (Seite 12) selbst kreierte magische Lehrmeister und andere Hintergründe. Wer Ideen hat,
kann sich gerne bei den jeweiligen Regional-Redaktionen melden, die Kontakt-
Schmuckbalken und Titelköpfe:
Simone Ronner, Volkmar Rösner, Jan Rodewald adressen stehen links auf dieser Seite im
Caryad (UDW-Layout; Homepage) Impressum.
Der Beleman verfolgt keine kommerziellen Interessen.
Redaktionsschluss
„DAS SCHWARZE AUGE“ und „DSA“ sind eingetragene Wa-
renzeichen der Fa. Fantasy Production, Erkrath. Die Rechte für
Ansonsten bleibt mir nur noch, Ihnen
viel Spaß beim Lesen des Beleman 6 zu
für Ausgabe 7
hier veröffentlichte Auszüge aus den DSA-Regelwerken und wei-
teren DSA-Publikationen von FanPro liegen bei der Firma Fantasy
Production, Erkrath.
wünschen! Bleiben Sie uns gewogen,
Ihr Jan Rodewald
01.05.2006
Die Rechte für die Artikel und Zeichnungen liegen bei den jewei-
ligen Autoren bzw. Künstlern und dürfen ohne vorherige Geneh-
migung weder komplett noch ausschnittweise kopiert, noch in ir-
gendeiner Form veröffentlicht werden.

Ansprechpartner Aboregelungen
Redaktion Albernia/Windhag:
redaktion-albernia@beleman.de Der Preis für die Printausgabe kostet jede Ausgabe wegen des er-
redaktion-windhag@beleman.de richtet sich nach der Seitenzahl und höhten Portos 1,10 Euro mehr. Fra-
Redaktion Nostria: schwankt daher zwischen 3,30 und gen zum Abonnement beantwortet
redaktion-nostria@beleman.de 3,90 Euro für Abonnenten. Der gerne vertrieb@beleman.de.
Redaktion Andergast: Mindestbetrag für ein Abo liegt bei Überweisungen gehen bitte auf
redaktion-andergast@beleman.de
11,-- Euro (entspricht drei Ausga- folgendes Konto:
Redaktion Thorwal: ben) und kann beliebig aufgestockt
redaktion-thorwal@beleman.de
werden. Das Restguthaben ist auf Empfänger: Johannes Beier
Abonnementbetreuung: dem Adressaufkleber in der rech- Konto: 99 03 66
vertrieb@beleman.de BLZ: 700 520 60
ten unteren Ecke ausgewiesen.
Für alle weitere Fragen: Für Auslandskunden (Europa) Bank: Sparkasse Landsberg
chefredaktion@beleman.de
Die Belagerung Weidenaus
WEIDENAU. Wie in der letzten Ausgabe der den Rittersaal geleitet und berichteten, die Osten Albernias und auch die wahren Boten,
Havena-Fanfare bereits berichtet, hat Oberst Königin habe bereits Entsatz gen Weidenau die die Königin von Burg Feenquell geschickt
Lupold von Greifenberg, Kommandant des geschickt. Die Baronin solle einen Ausfall hatte. Letztere überbrachten nun die Nachricht,
Söldnerheers Isoras, im Firun Weidenau er- wagen und das Entsatzheer werde dann die die Königin werde Söldner als Entsatz nach
reicht. Das letzte als solches zu bezeichnende Zange um die Belagerer schließen. Weidenau schicken und solange solle die Burg
Hindernis auf seinem Weg nach Havena. Noch während des Berichts der Boten wur- um jeden Preis gehalten werden.
de Frau Macha eine gesiegelte Botschaft des Auf dem Weg nach Weidenau waren die
Die Ortschaft Weidenau selbst, sowie die Rondra-Geweihten aus dem Ort Weidenau Boten von dem Freikorps Meinhardts von
umliegenden Dörfer und Weiler wurden rasch überbracht. Dieser bat die Baronin, ihn in ver- Leihenhof, genannt der Mordbrenner, entdeckt
aufgegeben, die Bevölkerung in die Burg Dun traulicher Angelegenheit alleine und im ‘Ge- und gefangen genommen worden, wie sie be-
Maraban gebracht. Auch die Einwohner richteten. Um sich zu hervorzutun, hatte be-
Giegenaus, welches der Edle selbst in Brand sagter Meinhardt ohne das Wissen des Obri-
gesteckt hatte, um es nicht in die Hände der sten Lupold von Grei-fenberg eine eigene
Eindringlinge fallen zu lassen, weilten schon Kriegslist geplant. Er hatte die falschen Boten
hier. Wie auch Draustein und Hanufer zuvor, gesandt, um die Verteidiger zu einem vorzei-
sollte die malerische Wasserburg, der Stamm- tigen Ausfall zu bewegen. Zum gleichen
sitz des Hauses Arodon, nach dem Plan Lu- Zweck hatte er die Baronin mit einer gefälsch-
polds durch List und Verrat in die Hände der ten Botschaft in den Tempel gelockt, wo er
Invasoren fallen. sich mittels Magie als der Rondra-Geweihte
Die Baronin Weidenaus, Macha Aro-don ausgegeben hatte. Der echte Geweihte je-doch
von Weyringhaus-Rabenmund, saß mit ihren hatte unterdessen auf wundersame Weise eine
Rittern zu Rate, wie die Burg gegen die Bela- geistige Botschaft an einen Glaubensbruder
gerer, die sich vor den Mauern sammelten, zu vom Zornesorden gesandt. Einige Zornesritter
verteidigen sei, als ihr Waffenmeister eintrat
Dun Maraban waren also in den Tempel geeilt und hatten
und zwei Eindringlinge vor sie zerrte. Diese den falschen Geweihten enttarnt. Jedoch war
hatte er überrascht, als sie sich über die Mau- wand des Fuchses’ im Tempel aufzusuchen. es Mein-hardt gelungen, zu entkommen. Als
er in die Burg schlichen, und nach einem kur- So verließ sie über geheime Pfade die Burg die Ordensleute mit der Baronin aus der Stadt
zen Handgemenge festgesetzt. Auf der Stelle gen Weidenau. zur Burg hatten fliehen wollen, waren sie auf
wurden die beiden von der Burgherrin und Ihre Ritter indes führten das Gespräch mit die Gruppe von Freiheitskämpfern getroffen,
ihren Getreuen verhört und gaben sowohl den Rittern der Krone fort. Diese hatten mitt- welche gerade die Boten der Königin befreit
Namen der Belagerer als auch die Truppen- lerweile das Misstrauen der Wei-denauer ge- hatten, deren Gefangennahme sie beobachtet
stärken preis. Doch so sehr diese Nachrichten weckt und verstrickten sich im-mer mehr in hatten. Zusammen hatten sie sich nach Dun
auch zur Sorge gereichten, viel mehr noch alar- Widersprüche. Doch in dem Moment, da sie Maraban durchgeschlagen.
mierte die Auskunft, dass sich unter den Ver- endgültig enttarnt wurden, hatte schon einer Gemeinsam beriet man nun also auf der
teidigern selbst ein Verräter befinden sollte, mit von ihnen sein Schwert an die Kehle des Burg und ein jeder berichtete, was ihm wider-
dem die Eindringlinge in Kontakt treten woll- Waffenmeisters gesetzt. So mussten sich die fahren war. Da erschien ein weiterer
ten. Ritter widerstrebend den Angreifern ergeben Zornesritter auf der Burg. Der Mann war völ-
Lupolds Plan jedoch war vorerst vereitelt, und gefangen setzen lassen. lig erschöpft, denn er hatte sich alleine und
seine Mietlinge in den Kerker verbracht. Nun Die falschen Boten befreiten sodann auch verwundet von der Ordensburg Rath Niallyn
widmete man sich im Lichte der neuen Infor- die beiden anderen Mietlinge aus dem Kerker bis nach Dun Maraban geschleppt. Seine
mationen über das Belage-rungsheer wieder und verbarrikadierten sich mit den gefange- Nachricht war eine wahre Walpurgasbotschaft:
dem Verteidigungsplan. Alsbald schickte man nen Rittern im Rittersaal. Nicht viel später je- Die Ordensfeste war gänzlich vom Mordbren-
die beiden anwesenden Schildmaiden zum doch wurde die Saaltür von einer dritten Par- ner zerstört worden, einzig er war entkommen.
Wachposten am Burgtor, um die Anweisun- tei unerwartet durchbrochen. Die Neuan- Den Ordenswächter, Alysdair ui Clandryn
gen der Baronin weiterzugeben. Am Tor wur- kömmlinge bezwangen im Handumdrehen die hatte er mit einem Kind auf dem Arm fliehen
den die beiden Zeugen, wie zwei Männer und anwesenden Söldner und befreiten die Gefan- sehen, verfolgt von mehreren Schergen
eine Frau in den Röcken der Kronenritter den genen. Unter den Befreiern befanden sich die Meinhardts.
Belagerungsring durchbrachen und sich im Baronin Macha selbst, sowie Streiter vom
letzten Moment in die Mauern der Burg retten Orden des heiligen Zornes der Göttin Rondra, Am folgenden Tag schloss sich der Belage-
konnten. Die drei Ritter wurden sogleich in einige Partisanenkämpfer aus dem besetzten rungsring und die Söldner griffen in ersten

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Wellen die Burg an, da die anderen Pläne, die Baron von Crumold, Ilaen Crumold, der sich keinen Glauben. Wie sehr kam ihnen dieser
Burg durch eine Täuschung einzunehmen, zuvor dem Heer Lupolds angeschlossen hat- angeblich albernische Verrat doch zupass im
fehlgeschlagen waren. Nicht einmal die Or- te, schlug sich auf die Seite der Verteidiger. Moment ihrer Niederlage.
densritter, die bis zu diesem Zeitpunkte ihre Somit wandte er sich gegen das Familienober- So sammelten sich die Söldlinge erneut
Neutralität in diesem Konflikt gewahrt hatten, haupt derer von Crumold, den Grafen von zum Sturm auf die Burg. Angriffswelle um
ließen die götterlästerlichen Söldlinge mehr Bredenhag, der treu zum Herzog steht. Angriffswelle brandete gegen die alten Mau-
aus der Burg hinaus. Auch der Forderung der Das Aufeinandertreffen der Duellanten hielt ern und es war nur eine Frage der Zeit, bis der
Ordensleute, den Mordbrenner ausgehändigt noch eine weitere Überraschung parat. Als sich Widerstand der zahlenmäßig weit unterlege-
zu bekommen, um sein Verbrechen an ihrem die Gegner nach einem Göttinnendienst ge- nen Verteidiger gebrochen würde. Das erste
Orden zu bestrafen, kam Oberst Lupold von genüberstanden, trat ein Ritter aus dem Ge- Tor fiel, dann das zweite, bis schließlich die
Greifenberg nicht nach. So sahen sich die folge Lupolds vor und hob zu sprechen an. In letzten verbliebenen Streiter sich im Burgfried
Zornesritter schließlich gezwungen, auf Sei- Händen trug der Ritter, der Edle Galdor von verbarrikadierten. Alle Hoffnung schien schon
ten der Verteidiger in die Kämpfe einzugrei- Grafenstift, Schwert und Schild der alberni- verloren und schließlich, da erste Brandpfeile
fen. Ein Ordensbruder wurde als Unterhänd- schen Königin, welche in der Schlacht von flogen und es keine weitere Rückzugsmöglich-
ler ausgesandt und es wurden zwölf Duelle Crumolds Auen in die Hände der Nordmärker keit mehr gab, entschied man sich, einen letz-
vereinbart, die als Göttinnenurteil über die gefallen waren. Diese übergab er an die Al- ten Ausfall zu wagen.
Preisgabe der Burg oder das Abziehen der Be- bernier und reihte sich in die Linie der alber- Ein gnadenloses Gefecht entbrannte im
lagerer entscheiden sollten. nischen Streiter ein. Burghof, als sich die letzten verbliebenen Ver-
Zwölf Streiter wurden also bestimmt. Der Man sagt, die Kriegsgöttin ist mit den Tap- teidiger mit dem Mut der Verzweiflung gegen
Baronin selbst, in der Schlacht von Crumolds feren, und an diesem Tag war Rondra mit den die Söldner warfen. Dun Maraban schien dem
Auen schwer verwundet, war es nicht mög- albernischen Verteidigern. Duell um Duell Untergang geweiht und mit der alten Burg auch
lich, gegen den Oberst Lupold von Greifen- gewannen sie gegen die Söldner Lupolds und das freie Albernia. Denn fiele die Burg, so wäre
berg zu fechten. Mit ihm verbindet die Baro- der Abzug des feindlichen Heeres schien schon der Weg nach Havena frei. Da durchbrachen
nin eine innige persönliche Feindschaft, raubte in greifbarer Nähe. Da brach plötzlich einer mit einem Male Hörnerrufe den Kampfeslärm.
sie ihm doch das Licht eines Auges. Neben der Söldner zusammen, Schaum vor seinem Die Königin hatte Wort gehalten! In der aller-
zweien ihrer Ritter, den Zornesrittern und an- Mund. größten Not erreichte der versprochene Ent-
deren Edelleuten kämpfte deshalb die Baro- „Verrat!“, erklang es sofort aus einem Dut- satz die Burg und die Nordmärker Söldner
nin Merewyn von Crumold-Conneleigh auf zend Kehlen und die Invasoren zogen sich auf konnten zurückgeschlagen werden. Vorerst ist
ihre Bitte an der Baronin statt. Und noch ein der Stelle zurück. Den Entscheid der Göttin der freie Westen sicher!
weiterer Streiter aus dem Hause Crumold focht erklärten sie für nichtig, dem Rondra-Geweih-
wider Erwarten auf albernischer Seite. Der ten, der über die Duelle wachte, schenkten sie (nh)

Jahrhunderthochwasser
am Großen Fluss
Flut stoppt Vormarsch Nordmärker Truppen.
Zuletzt schien es, dass die Nordmärker liches Hochwasser, das Truppenbewegungen te. Mancher Albernier spricht deshalb auch
Truppen unter der Führung der Verräterin Isora nahe des Großen Flusses praktisch unmöglich von der Flut als Zeichen dessen, dass der Wi-
von Elenvina bis nach Havena durchmarschie- gemacht haben soll. Dieses Hochwasser, ge- derstand gegen die Besatzer eine gerechte und
ren würden. Angst und Verzweiflung machte waltiger als alles an das sich selbst die Älte- göttergefällige Sache ist!
sich im freien Albernia und entlang des Gro- sten erinnern können, ist den Berichten zufol- Die Berichte sind allerdings widersprüch-
ßen Flusses breit - denn wer sollte den Vor- ge maßgeblich mitverantwortlich, dass sich die lich und können die Situation kaum erhellen.
marsch noch stoppen? Nordmärker nicht weiter Havena nähern konn- Tatsache ist aber: Auch wenn das Hochwasser
ten. Es heißt sogar, dass ein ganzes nordmär- den Vormarsch der Nordmärker gestoppt hat,
Von der großartigen Wende bei der Belage- kisches Heer in den Fluten versank oder von so hat es doch auch viele Ländereien entlang
rung Dun Marabans durch den rechtzeitigen einer mächtigen Flutwelle mitgerissen wurde. des Großen Flusses in großes Unglück ge-
Entsatz Königin Invhers wurde bereits anders- Viele sprechen davon, dass der ewige Ef- stürzt. Länder, die zuvor schon unter dem ei-
wo berichtet (siehe vorherigen Bericht), doch ferd (oder auch der geheimnisumwitterte und sigen Griff des Winters schwer gelitten hat-
auch ein weiteres Ereignis soll hier nicht ver- undeutbare Flussvater) es nicht hatte zulassen ten.
schwiegen werden. Denn neben dem Sieg in wollen, dass die Nordmärker Havena zu Nahe Doch für den Moment bleibt der Westen,
Weidenau stoppte anscheinend noch etwas an- kämen oder die Stadt gar besetzten, weshalb bleibt Havena frei und ungebrochen! Mit uns
deres den Nordmärker Vormarsch: Ein plötz- er das Jahrhunderthochwasser geschickt hät- Efferd und die Zwölfe! (jr)

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Die große Flut in Altenfaehr
… als die Regenfälle wolkenbruchartig zu- dem sie Jahr und Tag gelebt hatten. Die mei- diese von der Flut heimgesucht wurden.
nahmen und auch der Grosse Fluss über die sten Einwohner des Dorfes Altenfaehr fanden Die Flut stieg. Sie stieg bis fast ein Drittel
Ufer trat, hatten die meisten Einwohner der Zuflucht in der Wasserburg Faehrwacht, die der Baronie überflutet war. Inseln ragten aus
Flussdörfer Eichenfurt und Altenfaehr ohne- dem flachen Meer, auch dort, wo das Wasser
hin schon alle wichtigen Habseligkeiten ver- nur niedrig stand war es schwierig zu gehen,
staut. Sie hatte damit gerechnet, dass die frem- da der Boden sumpfig war. In den Dörfern am
den Söldnerscharen, die nach den Gerüchten Fluss stand das Wasser jedoch mehrere Fuß
unaufhaltsam dem Flusslauf folgten und schon hoch und riss alles mit sich, was nicht fest mit
in die Nachbarorte vorgedrungen waren auch dem Boden verbunden war.
nach Altenfaehr kommen würden. Zwar war Der Baron, der mit der siegreichen Land-
der Baron mit dem größten Teil der noch be- wehr zurückgekehrt war, beruhigte die Men-
stehenden Landwehr (einem kümmerlichen schen und sagte ihnen Hilfe zu. Die Flut –
Rest von höchstens 3 Dutzend Männern und obwohl nicht ohne Gefahren und Schäden –
Frauen) nach Weidenau gezogen um bei der müsse von den Göttern geschickt sein, da ein
Verteidigung zu helfen, doch hatte er schon weiteres Söldnerheer des Feindes nun zum Teil
vorher den Befehl gegeben, sich auf eine Eva- in der Flut ertrunken und weggeschwemmt
kuierung vorzubereiten. Die Gerüchte von worden sei. Die Überlebenden seien nun ohne
Misshandlungen und Tötungen der Einwoh- Vorräte und Verstärkung und es sei nicht da-
ner der Dörfer längs des Flusses hatten ein mit zu rechnen, dass sie weiter vorzurücken
übriges getan … wagten. Dies wurde von den Fischern bestä-
Nun, jene Gefahr war vorerst gebannt: Die tigt, die Leichen von Nordmärkischen und
Söldner Isoras waren von einem Heer geschla- Ausrüstungsteile im Fluss hatten treiben se-
gen worden, das der Ehemann Königin In- hen. Albernia, die Königin und auch Alten-
vhers, Romin Galahan von Kuslik zur Unter- faehr seien damit gerettet worden.
stützung entsandt hatte, und die Überleben- Dann ging die Flut zurück, ließ jedoch eine
den waren geflüchtet. eisige Fläche zurück … zur Freude der Kin-
Nun kam die Flut … Bewohner Eichenfurts verteilten sich auf der, jedoch nicht der Erwachsenen. Es war
Den Göttern sei Dank, dass die Albernier Faehrwacht, Grauweiden und Hoppingen. Ihre schließlich Winter und Wasser und Eis wür-
wenigsten gewarnt waren. Es gab zwar Trä- Habe und ihr Vieh führten sie mit. Nur einige den den Pflanzen und Gebäuden schweren
nen, doch die Naturgewalten waren etwas mit Büttel blieben zur Wache in den Dörfern, bis Schaden zufügen. (pr)

Nachdem die Flut zurückging


HANUFER, Firun 35 Hal Familien heute tun, einheimische Fischer wie Wie Tarbos, der Efferd-Geweihte, der die
tobrische Flüchtlinge. Wenn man verzweifelt verbleibenden Fischer um sich versammelt hat,
Der Regen fällt noch immer. Stunde um versucht die kranke Mutter zu pflegen, wie die Mut zuspricht, an seiner Seite ein Wachmann,
Stunde, manchmal mit Schnee zusammen, kleine Joan es tut, das Dach undicht ist und gerettet aus den Fluten, sein Leben dem Gott
manchmal mit Eis. Verwandelt Wege in Matsch die Fensterläden fehlen. der Meere versprochen, noch immer das Un-
und Wiesen in Morast. glauben in seinem Gesicht.
Ja, es gibt viele Gründe, den Regen zu ver-
Doch auch Regen hat sein Gutes, wenn man fluchen in diesen Tagen in Hanufer. Der Fluss Wie viele andere, die sich darauf besinnen,
es sehen will. So betrachtet es zumindest mag wieder in sein Bett zurückgekehrt sein, was sie erreichen können. Die den Söldnern
Adeptus Dohôm, als er Eimer um Eimer von doch was soll es? Kein Ort, kein Flecken Land, aus dem Weg gehen, ebenso wie dem Bürger-
Schlamm aus seinem Keller trägt. Immerhin der nicht nass und von Wasser durchweicht meister, die feststellen, dass Ressourcen bes-
muss er die Eimer nicht weit tragen, nur auf ist. Kein Mann, keine Frau, niemand, der nicht ser verborgen bleiben, sofern man sie behal-
der Strasse ausleeren. Der Regen macht den nach draußen muss, in Kälte und Regen, um ten will und nicht der großen Sache Isoras die-
Rest, spült alles in den Großen Fluss. Ja, Re- Schäden zu beheben oder Freunde zu unter- nen, die feststellen, dass man Arbeitsdienste
gen hat sein Gutes, wenn man in Schlamm stützen. besser vermeidet, sofern man nicht Söldner
steht. werden will um der großen Sache Isoras die-
Manchen fällt es leichter als anderen. Die- nen, die feststellen, dass man Unmut über Be-
Doch man kann auch anderer Meinung jenigen, die Hanufer zu ihrer Blüte geführt schlagnahmungen besser sehr leise äußert,
sein. Wenn man etwa das Dach des Kornhauses haben, sie wissen, wie etwas aufzubauen ist. sofern man nicht als abschreckendes Beispiel
reparieren muss, wie Dachdecker Ott. Wenn Diejenigen, die auf ein Leben voller Kampf der großen Sache Isoras dienen will.
man etwa in den Trümmern der Fischerhütten oder Reisen zurückblicken, sie wissen, wie
nach seinem Hab und Gut sucht, wie es viele man mit Krisen umzugehen hat. Manchen fällt es schwerer als anderen.

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Wenn das Leid zu groß ist. Wenn die Not ei- Fluss, für die Fähre, ein Leben im Glauben an Wasser ist eisig, ihr Wille erloschen. Das Ende
nen erdrückt. Efferd, doch jetzt, ein Ende wie ein Dolch- kommt schnell.
stoß, grausam und ohne Warnung hat das Was-
Manche geben auf. ser ihr ihren Lutz genommen, ihr den Lebens- Und der Regen fällt noch immer. Stunde
inhalt geraubt. Koras Gesicht zeigt Trauer, als um Stunde, manchmal mit Schnee zusammen,
Wie Kora, die auf ein Leben an der Seite sie, unbeobachtet und alleine, die Kleider ab- manchmal mit Eis.
ihres Mannes zurückblickt, ein Leben für den legt und sich den kalten Fluten anvertraut. Das (mb)

Kriegsgeschichten
GRENZAU, Hohelucht, im Tsamond schwang der Ritter sich auf sein Pferd, das erste mal in den vergangenen Gene-
Sidech von Hohelucht blickte mit zu- wieder einmal froh um seine nivesische rationen, dass die Barone am Großen
sammengekniffenen Augen über den Gro- Abstammung. Die für sie unvertrauten Fluss Piraterie eindeutig unterstützten ...
ßen Fluss. Mit Mühe konnte er einige Ge- Gesichtszüge machten es den Frauen und Blieb nur zu hoffen, dass sich alle Betei-
bäude Hanufers ausmachen, doch ohne Männern schwerer, seine Gedanken zu ligten auch daran hielten, nur gegen die
Sehrohr war es vergebens, Personen aus- erraten; so mochten sie seinen aufmun- Nordmärker vorzugehen.
machen zu wollen, geschweige denn zu ternden und zuversichtlichen Worten viel-
unterscheiden, ob sie zur Bevölkerung leicht sogar Glauben schenken. Sidech Müde lenkte der junge Ritter sein Ross
von Niriansee oder den nordmärkischen hielt sich für einen schlechten Lügner. auf den Weg, der ihn durch den nasskalten
Besatzern gehörten. Spätwintertag von Grenzau zurück nach
Mit einem tiefen Seufzer drehte sich Wenn der Krieg nicht wäre, hätte Broirwick bringen sollte. Nun schon seit
der Ritter wieder um und betrachtete skep- Sidech sein Weg unten am Anleger an mehreren Wochen hatte er kaum noch
tisch die beiden Büttel, die an einer Holz- zahlreichen Flusskähnen und Fischerboo- geschlafen; seit ihn die Baronin mit der
konstruktion auf Rädern hantierten. ten vorbeigeführt, doch nun waren ledig- Verteidigung Hoheluchts und der Aushe-
Vor zwei Wochen war Vögtin Sihandra lich zwei große Ruderbarken am Steg bung neuer Landwehr beauftragt hatte.
mit den Plänen dafür hier in Grenzau an- vertäut, die gemächlich dümpelnd darauf Seine Gedanken eilten die Tage seither
gekommen: „Katapulte, Sidech, Katapul- warteten, im Bedarfsfall rasch einige zurück, zu einer Zeit, als der Jahrhundert-
te! Falls die Nordmärker versuchen soll- Truppen flussabwärts zu bringen. winter Fluss und Heide noch fest in sei-
ten, den Fluss zu überqueren!“ Die Fischerboote waren fast alle ver- nen eisigen Klauen hielt, und das Herz
Es war nicht leicht gewesen, an genü- schwunden, nur wenige lagen kieloben seiner jungen Herrin von ebenso kalten
gend geeignetes Holz zu gelangen, doch ein Stück die Böschung hochgezogen. Mit Fingern umklammert schien ...
die Windhager Nachbarn hatten sich als einem schweren Hammer waren Löcher
äußerst hilfreich erwiesen. hineingeschlagen worden, damit sie für CAHIR ARDABHA, BROIRWICK, im Firunmond
Nicht, dass es etwas nutzen würde ... die Nordmärker uninteressant waren. „Oarwyn! Weshalb verlässt du deinen
Vor drei Tagen hatten die Verdraig-Zwil- Tatsächlich waren die meisten dieser Posten?“
linge, die eine Stellmacherei im Ort be- Boote schon seit Jahren nicht mehr in Be- Der alte Baeltiann, wegen eines lahmen
trieben, das zweite Kriegsgerät fertigge- nutzung gewesen, hatten leck oder morsch Beines vom Waffendienst im Felde be-
stellt; voll funktionsfähig, aber mangels in irgendwelchen Bootsschuppen vor sich freit, und ob seiner Erfahrung zum Ersten
geübter Richtschützen nahezu völlig nutz- hingemodert, eines hatte sogar im Gärt- der Burgwache ernannt, kannte seine Leu-
los. Sidech war schon froh, dass die qua- chen der Fischersfrau Rudraighe mit Erde te gut. Trotz seiner allmählich nachlassen-
derschweren, mit Flussgeröll gefüllten gefüllt als Kräuterbeet gedient. den Sehkraft, hatte er die junge Frau so-
Fässer, die ihnen als Munition dienten, tat- Sie sollten die Nordmärker nur von der fort erspäht, die über einen schmalen frei-
sächlich in Richtung Fluss flogen, und noch Tatsache ablenken, dass alles was geräumten Pfad im schneebedeckten Hof
keiner der Büttel, die man zur Bedienung schwimmfähig war und über einen ent- vom Bergfried zum Kücheneingang
abkommandiert hatte, ernsthaft zu Scha- sprechend geringen Tiefgang verfügte, schlich, obwohl sie doch in der obersten
den gekommen war. Aber dass sie im schon vor geraumer Zeit in den seichten Turmkammer Wache halten sollte.
Ernstfall ein Schiff auf dem Fluss treffen Nebenläufen und toten Seitenarmen der Das Mädchen – beinahe noch ein Kind,
würden war ... mehr als unwahrscheinlich. hiesigen Auwälder verschwunden waren. und keinesfalls älter als fünfzehn – be-
merkte Baeltiann, hielt schuldbewusst
Ein angedeuteter Rondragruß, dann Sidech grinste innerlich. Dies war wohl inne und blickte zu ihm hinüber. „Die

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Herrin ist oben. Sie hat mich fortge- klaren Verstandes aus seinen Fieberträu- eingetroffen war. Keiner konnte ihr von
schickt“, rechtfertigte sie sich. men erwacht, dass er mitbekam, was um einer Verbesserung in seinem Gesund-
„Dann wartest du oben vor der Tür, ihn herum vorging. Ailill war dankbar, heitszustand berichten, nach allem was sie
damit du sofort, wenn sie wieder geht, dass sie sich hatte verabschieden können, wusste, konnte er ebenso gut tot sein.
zurück an deinen Platz gehen kannst. So- viel länger hätte sie die Reise nicht hin- Auch von ihren Kindern wusste niemand
fort. Haben wir uns verstanden?“ auszuzögern gekonnt. etwas zu berichten.
Die Wache nickte beklommen und Ebenfalls ein Jahr war es her, dass sie Vielfach hatte sie seither versucht
machte wieder kehrt, nicht ohne einen sich von ihren Söhnen verabschiedet hat- Nachrichten und Briefe nach Weiden zu
letzten bedauernden Blick in Richtung te. Borckhardts Erstgeborener Ilkhold senden oder zu bekommen. Wahrschein-
Küche zu werfen, wo sie sich zweifels- hatte, wie sein Vater es ihn nach weiden- lich hatten die meisten Albernia nicht ein-
ohne ein wenig Wärme und vielleicht ei- er Art gelehrt hatte, versucht, seinen Kum- mal verlassen.
nen Kanten Brot oder sogar einen Schluck mer wie ein Mann und ohne Tränen zu
heiße Brühe erhofft hatte. tragen, dennoch war er überdeutlich in Die Dämmerung brach bereits herein,
sein Kindergesicht geschrieben gewesen. als die Gestalt am Fenster sich zum Ge-
Die in wärmende Pelze gehüllte Ge- Der kleine Belfionn Baerowein, ihr eige- hen wandte. Der eisige Beleman hatte die
stalt am offenen Fenster der Wachstube ner Erbe, war hingegen damals erst ein Tränen auf ihrem Gesicht zu glitzernden
hatte von dem kurzen Dialog, viele Schritt gutes Jahr alt gewesen, und gar nicht in Kristallen erstarren lassen, nach denen
unterhalb von ihr im Hof, nicht mitbekom- der Lage gewesen zu verstehen, dass er jetzt die Wärme der Wachfeuer begehr-
men. Gedankenverloren starrte sie durch seine Mutter lange Zeit nicht wiederse- lich griff, als sie in die Burg zurückging.
die Öffnung im Mauerwerk nach Südwe- hen würde. Vergnügt glucksend hatte er
sten. Hätte sie nach Osten geblickt, viel- mit seinen kleinen Händen an Ailills gol- ***
leicht hätten die von Ferne erkennbaren denen Locken gezupft, sich dann aber
Gestalten der Menschen, die im tief ver- wieder ohne Geschrei in die Arme seiner Die Familie hatte sich in der großen
schneiten Dörfchen Broirwick ihren Ge- Amme gekuschelt, während seine Mutter Halle versammelt. Rauchgeschwärzte
schäften nachgingen, ihre Aufmerksam- mit den aufsteigenden Tränen kämpfen Deckenbalken spannten sich zwischen
keit auf sich gezogen. Im Norden hätte musste, und danach zügig Burg, Stadt und festen, rauen Steinmauern über den Köp-
sie hinüber nach Neuhaven und bis nach sogar Provinz hinter sich gelassen hatte. fen einiger Burgmägde und Knechte, die
Weidenau blicken können, oder die Eis- sich Zeit damit ließen, im unsteten Licht
schollen betrachten, die den Großen Fluss Ein Jahr, welches im wesentlichen und der behaglichen Wärme der Feuer-
hinunter getrieben kamen, und sich an Leid, Kummer und Krieg gebracht hatte. stelle die Reste des Abendmahles zu be-
seinen Ufern zu bizarren Gebilden auf- Sie war entsetzt gewesen über den Fall seitigen, bevor ihre Pflichten sie wieder
türmten. Wehrheims, welches so dicht an ihrer Wei- in kältere, ungemütlichere Teile des alten
Doch ihr Blick fiel lediglich über die dener Heimat lag. Mit Schrecken hatte sie Gemäuers rief.
gleichförmig weiße winterliche Einöde, die Kunde von dem Verhängnis vernom- Djannan Verdraig, der Edle von Broir-
welche sich im Südwesten bis zum Hori- men, welches über die Kaiserstadt Gareth wick, blickte auf, als seine älteste Toch-
zont erstreckte, wo sie, kaum erkennbar, hereingebrochen war. Sie hatte ihre Pflicht ter und Lehnsherrin den Raum betrat. Er
in den windgepeitschten, wolkenverhang- getan, war ihrer Königin in den Wieder- überließ seinen fünfzehnjährigen Sohn
enen Winterhimmel überging, der bereits stand und die Reichsacht gefolgt. Hatte Rhonwian, der mit Laute und volltönen-
wieder einige vereinzelte Schneeflocken zahllose Schlachten und Scharmützel ge- der Stimme ein lustiges Lied über schein-
hervorbrachte. Weit und breit nichts, dass gen die Nordmärker gefochten. bar von Feen gefoppte Nordmärker vor-
sie von ihren Gedanken ablenken konnte. Doch jeden Tag fiel es ihr schwerer, trug, der uneingeschränkten Bewunde-
morgens aus dem Bett zu steigen, das rung seiner drei jüngsten Schwestern und
Auf den Tag genau einen Götterlauf Schwert zu gürten und zu tun, was getan setzte sich neben Ailill, die sich soeben
war es her, dass die Hochgeborene Frau sein musste. Des Nachts verwehrte der den Schwertgurt von der Hüfte genom-
Ailill Ni Bennain von Brauningen-Bins- Herr Boron ihr zunehmend seine Gnade, men und sich auf den ihr vorbehaltenen
böckel zu Hohelucht schweren Herzens grübelnd lag sie immer öfter bis in die gepolsterten hohen Lehnstuhl fallen ge-
das Krankenlager ihres Gemahls verlas- frühen Morgenstunden wach. lassen hatte.
sen hatte, um der Lehnspflicht an ihrer Schmerz und Ungewissheit hielten ihr Sie sah müde aus, mager. Sorgen hat-
Königin Folge zu leisten und zum Baihir Herz und ihren Geist umfangen, raubten ten tiefe Furchen in ihr junges Antlitz ge-
nach Albernia zu reiten. ihr den Atem, jeden Tag ein wenig mehr, zogen, düstere Schatten unter die einst so
Zum ersten Mal seit Tagen war Borck- seit damals zum Hoftag in Elenvina die strahlenden braunen Augen gemalt. Er
hardt an jenem Morgen wieder genügend Weidener Delegation ohne Borckhardt ergriff ihre Hand mit der seinen.

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„Kind...“ Ailill das kleine Mädchen einige Herz- nen?“
Für gewöhnlich hätte sie sich ihm jetzt schläge lang an, bis dessen Frage zur Gän- Die junge Baronin von Hohelucht
entzogen, und ihn angefahren, sie nicht ze zu ihr durchgedrungen war. Dann musste schlucken. „Ich bete jeden Tag zu
so zu nennen, doch heute ließ sie ihn ge- streckte sie die Arme nach ihm aus und den Göttern, dass du das eines Tages
währen. Mehr noch, sie hob den Kopf und hob es auf ihren Schoß. kannst. Und ich wünschte mir mehr als
suchte seinen Blick. „Weil ich mir Sorgen mache, um mei- alles andere, dass sie jetzt hier wären.“
„Ich habe Angst um Belfionn.“ ne Familie“, erklärte sie schließlich, wäh- „Warum schreibst Du ihnen dann nicht
Ihre Stimme war leise, tonlos. „Die rend sie dem Kind durch die hellbraunen einen Brief, dass sie herkommen?“
Nordmärker sind nicht dumm. Früher „Du bist ein kluges Mädchen, kleine
oder später werden sie herausfinden, dass Branwen. Genau das habe ich schon ver-
er noch in Weiden ist, und versuchen, ihn sucht – aber es ist Krieg da draußen, und
in ihre Fänge zu bekommen. Und wie zu gefährlich zum Reisen für Kinder.“
kann ich gegen sie kämpfen, wenn sie Sie schlang die Arme um ihre kleine
meinen Erben haben?“ Schwester und drückte sie fest an sich.
Mitfühlend sah Djannan seiner Toch- Diese jedoch war mit ihrem Gedanken
ter in die Augen. „Dein Gemahl wird nie- noch nicht am Ende angelangt.
mals zulassen, dass ein Nordmärker Hand „Dann musst du sie abholen und be-
an euer Kind legt“, entgegnete er nach- schützen. Du hast doch ein Schwert!“
drücklich. Energisch deutete sie auf die Waffe, die
„Aber was, wenn er gar nicht in der in ihrer kostbar verzierten Scheide an
Lage ist, ihnen Widerstand entgegenzu- Ailills Sitz lehnte.
setzen? Wenn er immer noch krank ist? „Die Zwölfe mögen mir beistehen, ich
Oder sogar ...“ Ihre Verzweiflung war für wünschte, ich könnte genau das tun.“
einen Augenblick deutlich hörbar, dann
fasste sie sich wieder. Branwen spürte, dass ihre Schwester
„Und wenn er sich ihnen entgegenstellt nicht weiter über dieses Thema reden
– was wird dann aus ihm? Er kann sich würde, und so kuschelte sie sich wortlos
nicht einfach dem Reichsregenten verwei- tiefer in deren Schoß. Gemeinsam lausch-
gern, ohne mit Konsequenzen rechnen zu ten sie wieder ihrem Bruder, der mittler-
müssen ...“ weile eine melancholische Weise ange-
Hilflosigkeit sprach aus ihrem Blick, stimmt hatte, die er während seiner allzu
dann wandte sie ihn ab, um in das Spiel der kurzen Zeit auf Burg Abagund von der
Flammen in der Feuerstelle zu schauen. Ailill Ni Bennain von Edlen Merewyn gelernt hatte. Die trauri-
Brauningen-Binsböckel ge Melodie der Albernischen Rosen drang
Die fünfjährige Branwen hatte sich zu Hohelucht in die dunklen Ecken der alten Halle und
vom Lautenspiel ihres Bruders losgeris- in die Herzen der Zuhörer vor, doch es
sen, und starrte, wie so häufig, die große, Locken fuhr und sich ein Lächeln abrang. war nicht nur der bewegende Text über
fremde Frau an, die diesen Winter bei ih- Die Kleine runzelte nachdenklich die das traurige Schicksal der Abilachter Rei-
nen lebte, an die sie sich kaum erinnern Stirn. ter, welcher Ailill eine Gänsehaut über den
konnte, aber von der man ihr gesagt hat- „Aber wir sind doch deine Familie!“, müden Rücken und die erschöpften Arme
te, dass sie ihre ältere Schwester sei. Zö- stellte sie sodann fest. jagte.
gerlich stand sie auf und ging zum Ende „Ich habe noch eine andere Familie,
des Tisches hinüber, wo sie einige Zeit weit weg, in Weiden. Einen Mann, Borck- ***
scheu hinter dem Stuhl ihres Vaters stand, hardt, und zwei Söhne, Ilkhold und Bel-
der schweigend und sorgenvoll das älte- fionn. Die beiden sind deine Neffen, das „Vielleicht sollte ich es tatsächlich tun.“
ste seiner sieben Kinder beobachtete. heißt, du bist ihre Tante.“ Djannan blickte von dem Brief auf, in
Schließlich überwand sie sich, und ging Branwen konnte mit der Vorstellung, dem Vögtin Sihandra ihnen von den be-
die letzten paar Schritte zu dem großen jemandes Tante zu sein, nichts anfangen, sorgniserregend schnell dahinschwinden-
Lehnstuhl hinüber. doch die Aussicht auf neue Verwandt- den Vorräten in Murkathen und Paerans-
„Warum bist du so traurig?“, verlang- schaft entzückte sie. hain berichtete, und sah seine Älteste in
te sie zu erfahren. „Warum sind sie nicht auch hier bei voller Rüstung und mit Schnee in den
Aus ihren Gedanken gerissen starrte uns? Kann ich sie nicht bitte kennen ler- Haaren vor die große Feuerstelle treten.

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„Was tun?“ Vater hinüber, setzte sich kurz auf den Hand auf die Schulter.
„Nach Weiden reiten. Borckhardt se- Stuhl neben ihm, nur, um sogleich wie- „Schlaf eine Nacht darüber, wenn du
hen. Mein Kind holen.“ der aufzuspringen und unruhig im Raum willst. Niemand sagt, dass es leicht wür-
Flackernd spiegelte sich der Schein der umherzustreifen. Der ältere Mann blieb de, aber ich glaube, dass du es tun soll-
tanzenden Flammen auf den blanken Rin- gelassen, und folgte den Bewegungen sei- test. Du wirst sonst daran zerbrechen, dass
gen ihres Kettenpanzers, in ihren Augen ner Tochter ruhig mit dem Blick. du es nicht wenigstens versucht hast, und
hingegen flackerten Hoffnung und Sehn- „Aber du willst es“, entgegnete er lei- nur, wenn du dir nicht ständig Gedanken
sucht. Ihr Vater ließ das Pergament sin- se, doch bestimmt, „weil Du in deinem um meinen Enkel machen musst, kannst
ken, und betrachtete sie einige Zeit lang Innersten weißt, dass es richtig ist. Du und du deiner Tante mit aller Kraft folgen.“
schweigend, strich sich nachdenklich über Borckhardt, ihr seid vor den Zwölfen ver- Er schenkte ihr noch ein aufmuntern-
das rote, mittlerweile sacht ergrauende bunden, und alle Nordmärker in der Welt des Lächeln, dann wandte er sich zum
Haar. können das nicht ändern. Wir alle hier sind gehen, und ließ die junge Baronin nach-
„Ja“, beschied er dann. deine Familie – aber wir könnten niemals denklich in der Halle zurück.
„Vater!“, Ailill fuhr abrupt zu ihm her- deinen Sohn ersetzen.“
um, Unglauben ins Gesicht geschrieben. „Aber ich habe Verpflichtungen. Ich ***
„Ich erzähle dir davon, damit du es mir kann nicht einfach losreiten, nur weil ich
mit vernünftigen, wohlgesetzten Worten Sehnsucht nach meinem Kind habe.“ Die tief stehende Wintersonne hatte
ausredest!“ Unentschlossen trat Ailill von einem Bein sich einen Weg gebahnt durch die schnee-
„Warum sollte ich das tun?“ Im grau- auf das andere, hin und her gerissen zwi- schweren Wolken, und das sanfte Strei-
en Zwielicht der Halle bildete die helle schen den widerstreitenden Vorstellungen, cheln ihrer goldenen Finger ließ ver-
Haut des Edlen gegen seine schwarze was sie tun zu müssen glaubte, und dem schneiten Dächer der Burg glitzern, als ob
Kleidung einen harten Kontrast, doch in was sie sich wünschte. sie mit Diamantstaub anstelle von Ifirns-
dem weißen Gesicht waren seine grauen „Sihandra verwaltet die Baronie gut, sternen bedeckt seien. Laut hallte einige
Augen dunkel von Wärme und Mitgefühl. sie ist deine Vögtin. Sidech kann deine Herzschläge lang das Klappern beschla-
„Weil es unmöglich ist! Der Winter Leute ins Feld führen. Aber niemand an- gener Pferdehufe auf dem Pflaster im
geht dem Ende zu, ich muss Truppen aus- deres als Belfionn ist dein Erbe, und du Gewölbe des Torhauses wider, dann hat-
heben und in den Krieg ziehen. Im Reich bist diejenige, die dem Perainensteiner die ten die beiden Reiterinnen, von den Wach-
herrscht vermutlich immer noch das Cha- Hand zum Traviabund gereicht hat. Man- habenden respektvoll gegrüßt, den Hof
os, und ich weiß nicht einmal, was mich che deiner Pflichten können von Freun- erreicht, und der dicke, weiße Teppich aus
in Perainenstein erwarten würde. Ganz zu den wahrgenommen werden – diese Firuns Element warf die sanfte Stille der
schweigen davon, dass wir allesamt un- nicht.“ Wintertochter über das Geräusch und
ter Reichsacht stehen!“ Djannan erhob sich und legte seiner dämpfte es zu einem leisen Knirschen.
Erregt schritt die junge Frau zu ihrem Tochter, welche jetzt stehen blieb, die (ms)

Niederhoningen ist verwaist


HAVENA / HONINGEN. Aus der alten Hauptstadt Albernias, nun von Thronräuberin Isora schändlich besetzt, erreichte uns
überraschende Kunde: Rahjalyn Herlogan von Niederhoningen ist verschwunden!

Spät erst drang dies ins freie Havena durch, doch spät erfuhr es Gier auf den Kniefall der so tief gefallenen Herlogan.
auch die Usurpatorin. So schnell sich die Baronin für den Verrat an Sie ließen die Besucherin vor und wie erstaunt waren sie, als an-
Albernia entschieden hatte, so lang schien sie sich mit dem Knie- stelle der Erwarteten eine andere vor sie trat! Es war die Edle von
fall vor der Fürstin von Jast Grausams Gnaden Zeit lassen zu wol- Andoain, albernisch gekleidet, doch von südländischem Aussehen.
len. Am 1. Phex 1028 BF, dem letzten Tag der von Isora gesetzten Sie verneigte sich vor der falschen Fürstin und ihrer Gräfin und sprach:
Frist, kamen endlich drei Reiter aus Niederhoningen – eine in den „Ich weiß, Ihr erwartet meine Herrin, die Baronin von Niederhoningen,
Farben der Baronie gewappnete Frau und zwiefaches, wenn auch doch ich bringe arge Kunde. Verschollen ist Ihre Hochgeboren Rah-
unbewaffnetes Geleit. jalyn Herlogan, heute seit Vierteljahr und Tag. Nicht zum ersten Mal
Hochwohlgeboren Franka Salva Galahan, die unerschrocken und vertrete ich sie als Vögtin, doch vermag ich nach Praios’ Geboten
tapfer für Albernia kämpft, hätte sofort erkannt, dass dies niemals nicht, den Lehenseid an ihrer Statt zu leisten.“ Sie kniete nieder, die
die Baronin sein konnte, trug diese doch stets grün und weiß, die rechte Faust am Herzen und den Kopf nach Sitte der freien Albernier
Farben ihres Hauses! Doch die Buhle Rhianna und die angebliche erhoben. „Doch schwöre ich Euch vor den Zwölfen in Alveran, dass
Ulaman Isora ahnten nichts davon, in Albernia fremd und voller Niederhoningen bis zu dem Tag, an dem sich seine Herrin zum Treu-

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eid niederkniet, Euch unter meiner Führung treu Gefolgschaft lei- eines der ältesten und einflussreichsten Häuser Albernias in Er-
stet.“ Es folgten weitere Formeln der Versicherung, die beiden mangelung einer Familie kaum noch diese Bezeichnung.
Kronräuberinnen, so heißt es, waren es alsbald zufrieden. So bestä- Kaum jemand in den Honinger Landen mag den Stimmen glau-
tigten sie die Edle als Vögtin von Niederhoningen und sicherten ihr ben, die Baronin sei von einem einsamen Ausritt zur von ihr auch
Hilfe auf der Suche nach der verschollenen Baronin zu. im Winter hochgeschätzten Beizjagd nicht zurückgekehrt. Sollte
Wie kam es zu deren Verschwinden und was verbirgt sich da- sie wirklich mitten im Krieg ganz allein zur Jagd geritten sein, wo
hinter? Darüber kann nur spekuliert werden. Nach der Rückkehr sie als Verräterin die albernischen Freiheitskämpfer wohl ebenso
vom Schandreichskonvent zu Elenvina hatte sich Rahjalyn Her- sehr zu fürchten hat wie die Invasoren? Dies erscheint wenig wahr-
logan unverzüglich zum neuen ‘Reichsregenten’ bekannt, was zum scheinlich. Sollte sie nicht albernischen Freiheitskämpfern in die
Bruch des ehemals so einigen Hauses führte. Ardach Herlogan, Hände gefallen sein, sondern ihren nordmärkischen Freunden – als
Vogt Havenas und ein Vetter der Baronin, steht ebenso treu zur Opfer einer Verwechslung oder unter Missachtung ihres Bündnis-
Königin wie Rhonwian Herlogan, der einige Jahre jüngerer Bruder ses (den Mordmärkern wäre dies allemal zuzutrauen!)? Sollte
der Verräterin und ein beherzter Ritter, der sich im Kampf gegen Rhonwian Herlogan zurückgekehrt sein, um seine eigene Schwester
die Invasoren als charismatischer und offenbar fähiger Anführer zu richten? Doch wo mag dann ihr Leichnam, wo ihr Grab sein?
erweist. Caillinnis Herlogan, bisher kaum in der Öffentlichkeit in Und die Gedanken auf der Suche nach einer Erklärung schwei-
Erscheinung getreten, hat den Entschluss ihrer Schwester eben- fen weiter. Kein Herlogan ist mehr in Niederhoningen, das Tor
falls verurteilt. Im Volksmund heißt es, sie sei aus Verzweiflung Albernias zum ersten Mal seit den Zeiten Selma Bragolds nicht
über das Zerbrechen ihrer Familie mit dem einzig verbliebenen Kind mehr vom Einhorn bewacht. Auch wenn zuletzt Verrat das Tor öff-
der Baronin fort gegangen (einige Verwegene munkeln gar, in den nete, so wird dies so manchen Albernier mit Unbehagen erfüllen.
Farindel!). So verdient das ehemals allseits respektierte Oberhaupt Linai Travor Pergan (scd)

Der Rote Baron


herrscht unangefochten
WINHALL. Wie die Fanfare in den vergan- eingebracht haben. lässig als „Hexe“ und „Schwarzkünstlerin“ ti-
genen Ausgaben berichtete, musste der Kampf Zusätzlich beäugten die Inquisitoren die tulierte.
des albernischen Adels gegen den abscheuli- anwesenden Zeugen gegen Muiradh mit Miss- Am 30. des Praios 1028 BF verkündete der
chen Baron Muiradh von Niamor-Jasalin auf- trauen. Allesamt gehörten sie dem Königin Inquisitionsrat Irion Praiophann von Föhren-
grund der überraschenden Ereignisse während Invher verbundenen Albernia an, so musste stieg schließlich sein Urteil, welches von den
des Reichskongresses, sowie des Einmarsches ihnen der treu zum Reich stehende Muiradh Feinden Muiradhs mit großem Murren ver-
der Truppen Jast Gorsams, abgebrochen wer- ein Dorn im Fleische sein. Die Abgesandten nommen wurde. Der Baron von Niamor wur-
den. des Hauses Fenwasian de für schuldig erkannt, mannigfaltiges Un-
standen zudem für viele recht begangen zu haben. Doch der Tod sollte
Die Baronie Niamor der Nordmärker nicht we- ihm erspart bleiben. Die Inquisition sah die
wurde in der Folge von niger im Verdacht, mit den Hauptschuld in den Intrigen seines ehemali-
nordmärkischen Kräften Feen des Farindel zu pak- gen Beraters, über dessen Schicksal uns lei-
besetzt und diese begangen tieren, als der angeklagte der keine genauen Informationen vorliegen.
schon bald die vergange- Muiradh, welcher nun im- Muiradh selbst wurde dazu verpflichtet zwei
nen Ereignisse, die zum merhin seine Vergehen Diener des Praios in sein Land zu holen und
Kommen und Gehen der einsah und nach Läuterung mit ihnen fürderhin gegen die unheiligen Feen-
unheimlichen Roten Wäl- suchte. kulte zu kämpfen.
der geführt hatten, zu untersuchen. Nord- Die Hauptzeugin gegen den Roten Baron, Seit diesen Tagen hat der Baron Muiradh
märkische Inquisitoren leiteten die Untersu- seine Gattin Laille, welche sich von ihm ab- anscheinend versucht, mit Hilfe der ihm bei-
chungen und Verhöre. gewandt und bald mit den Fenwasian gegen stehenden nordmärkischen Kontingente, sei-
Schon zu Beginn der Verhandlungen ließ ihren ehemaligen Gatten gekämpft hatte, war ne Macht über Niamor und Neuwiallsburg
sich erahnen, dass die Ergebnisse der Praioten nicht einmal auf Feyrenwall erschienen, um wieder zu festigen. Genaue Nachrichten aus
dem freien Albernia kaum gefallen würden. gegen ihren Mann auszusagen. Die von der der Region erreichen uns nur spärlich. Es soll
Der üble Muiradh hatte schließlich selbst nach Krone zur Vögtin über Niamor und Neuwialls- im Sommer an der Grenze zwischen Niamor
der Nordmärker Inquisition gerufen und stell- burg bestallte Laille mochte die Inhaftierung und Weyringen zu vereinzelten Auseinander-
te sich nun als reuiger Sünder dar. Auch seine durch die Nordmärker fürchten. In den Augen setzungen mit dem Haus Fenwasian gekom-
Untaten, die kurz zuvor zum Fall Honingens der Inquisitoren bekräftigte ihr Fernbleiben men sein. Über erfolgreiche Übergriffe in das
beigetragen hatten, mochten ihm Sympathien Muiradhs Hetztiraden, in denen er sie unab- Stammland der Schwarzen Distel haben uns

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allerdings noch keine Nachrichten erreicht. Winters auf Weidenau marschierten, ließ es Kämpfen um Dun Maraban wieder in ihr
Überraschend scheint es noch im Rondra sich die herzensgute Vögtin nicht nehmen, ihre Windehager Exil zurückgekehrt. Es bleibt die
einem Angriff von Niamor aus auf Neuwialls- wenigen Gefolgsleute auszuschicken, um den Frage, wie lange sich die Vögtin mit einem
burger Gebiet gegeben zu haben, wo sich die Verteidigern Weidenaus beizustehen. Leben fern des ihr von der Krone zugeteilten
Vögtin Laille und ihre Anhängerschaft aufhiel- Im Süden Winhalls ist es derweil still ge- Lehens abfinden wird.
ten. Erst vor kurzem erfuhren wir von dieser worden, Niamor und Neuwiallsburg sind in (mb)
schändlichen Attacke, welche die Vögtin und Gänze unter Kontrolle des dunklen Muiradhs
die Verteidiger Neuwiallsburgs überrumpelte. und seiner Nordmärkischen Verbündeten.
Im Zusammenhang stehende Artikel:
Laille und wenigen ihrer Getreuen gelang die Noch immer liegt der grimme Winter über dem
BELEMAN 3, S. 6, „Der Fall des Drachen“
Flucht zur Verwandtschaft in Winde-hag. Land, welcher Raubzüge in das nördliche Win- BELEMAN 4, S. 4, „Der Süden Winhalls...“
Als die Scharen des Lupold Greifenberg hall unmöglich macht. BELEMAN 5, S.10, „Das Reich eilt...“
dann schließlich trotz des derzeitigen harten Laille und ihre Gefolgschaft sind nach den Internet: http://niamor.koenigreich-albernia.de

Verrat in Brüllenbösen
Eine Nordmärkische Geschichte
Ein ohrenbetäubendes Krachen erklang. was machte dieser elende Hund, er läuft ein- „Ihr Kinson von Khorogar wart Galdors
Die Türe des Thronsaales flog auf und ein fach zum Feind über.* Knappe. Ich will dass Ihr ihn findet! Bringt
Bediensteter konnte sich gerade noch in Si- Der Vogt drehte sich und wies mit der ihn mir lebendig.“
cherheit bringen als ein Stuhl hinter ihm Axt auf die anderen Edlen, welche in einer „Zu Befehl, Euer Hochgeboren.“
durch die Türe flog und an der gegenüber Ecke standen. „Hiermit nehme ich Galdor von Grafen-
liegenden Wand zerbarst. „Ich will diesen Verräter und zwar leben- stift dem Verräter und seiner Familie alle
„BEI ANGROSCH, ER WAGT ES dig! Dieser Hund soll ehrlos wie ein Gemei- seine Güter und Ansprüche. Er sei ab dem
MICH ZU VERRATEN!“ ner hingerichtet werden. Aber erst werde ich heutigen Tage für vogelfrei erklärt. Jeder der
Vogt Barox Sohn des Burgamon von ihm alle Knochen brechen die er besitzt!“ ihm Schutz oder Unterkunft gewährt han-
Brüllenbösen stand mit hoch rotem Kopf im Ein weiterer Wutausbruch überkam den delt gegen mich, Herzogtum und das Reich.
Saal. Die anwesenden Edlen zuckten zusam- Vogt und wenige Augenblicke später steck- Die Strafe dafür wird ebenfalls der Galgen
men als die Streitaxt des Vogtes wieder hin- te die schwere Streitaxt zitternd in einem sein! Euch Kinson von Khorogar ernenne
absauste und einen weiteren Stuhl zerstör- Holzpfeiler des Saales. ich im Namen des Herzogs zum neuen Herrn
te. Xorgolosch verkniff sich dieses eine Mal des Gutes Grafenstift mit allen Ländereien
Der einzige der ruhig an die Wand ge- eine spitze Bemerkung und grinste nur ein und Titeln die dazu gehören. Ab sofort sollt
lehnt da stand war der Edle Xorgolosch Sohn weiteres Mal in seinen Zwergenbart. Der ihr den Namen Kinson von Khorogar zu
des Fanderam zu Erzwacht. Vogt wetterte weiter. Grafenstift tragen und des Herzogs und mein
„Wenn ihr so weitermacht mein Vogt, „Und wenn ich jede Zwergensippe mei- treuer Untergebener sein! Schwört hier und
dann werdet ihr auf dem Fußboden sitzend ner Verwandtschaft ausheben und alle jetzt Seiner Hoheit Jast Gorsam vom Gro-
speisen müssen!“ Albernier von hier bis Havena erschlagen ßen Fluß und mir Barox Sohn des Burgamon
„Erzwacht, macht jetzt keine Scherze muss, ich werde diesen Hund in meine Fin- des Herzogs Vogt die Treue!“
sonst werfe ich Euch von den Zinnen mei- ger bekommen.“ Der junge Kinson kniete nieder und lei-
ner Burg!“, schrie der Vogt den Zwerg an. Er schritt auf die Adligen zu welche mit stete den Treueschwur.
Xorgolosch grinste nur hinter seinem bleichen Gesichtern zusammen standen. Es war ein ungewöhnlicher Anblick, denn
Bart, er wusste dass der Vogt es schwer hät- „Sollte einer von Euch auch nur wagen der junge ehemalige Knappe war ein Hüne
te dies zu tun. daran zu denken mich oder den Herzog zu von einem Mann und überragte den Vogt,
Noch einmal überflog Barox mit hoch verraten, dem werde ich bei lebendigem Leib obwohl er kniete, immer noch um zwei
rotem Kopf das schreiben Oberst Lupolds die Haut abziehen und ihn an der höchsten Spann.
von Greifenberg. Sein Edler Galdor von Zinne meiner Burg hängen.“ „Erhebt Euch Wohlgeboren Khorogar.
Grafenstift hatte den Auftrag gehabt das Barox beruhigte sich langsam. Mit Eure erste Aufgabe, Wohlgeboren, wird sein,
Schwert und Schild der Reichsverräterin schnellen Schritten durchmaß er den Raum, mir diesen Verräter zu bringen! Lebendig!“
Invher ni Bennain dem Oberst zu überge- nahm einen Humpen Bier von einem Tisch Der bittere Beigeschmack von Verzweif-
ben, damit dieser die Insignien der ehemali- leerte ihn in einem Zug, nur um ihn dann an
gen Königin Albernias im Kampf gegen die die Wand zu werfen. Noch einmal Schritt er *) Siehe „Die Belagerung Weidenaus“ in
Verräter des Reiches einsetzen konnte. Doch zu den Adligen. dieser Ausgabe der Havena-Fanfare

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lung und Zorn trübte Kinsons Stolz, zum nen Edlen. „Ihr, von Erzwacht, werdet mich in den
Edlen ernannt worden zu sein. Galdor hatte „Wie geht es Euch von Schellenberg?“ Kosch nach Wegenholm begleiten, wo sei-
Kinson unbedingte Reichstreue anerzogen, Halmar von Schellenberg zu Ackerfelde ne Hoheit Fürst Blasius von Eberstamm ge-
und nun hatte er selbst das Reich verraten. trug nach seiner schweren Verwundung, die laden hat! Es ist eine weite Reise, denn wir
Zu allem Überfluss sollte der neue Edle auch er sich bei der Schlacht auf den Auen Cru- werden zuerst nach Elenvina reisen und am
noch gegen seinen Mentor antreten. Gleich- molds zugezogen hatte, immer noch seinen Hofe von dem Verrat berichten! Sorgt für den
wohl Kinson Galdor kannte wie wohl kein linken Arm in der Schlinge. reibungslosen Ablauf!“
Zweiter, war ihm doch unbehaglich bei dem „Danke, gut, mein Vogt! Der Arm heilt Xorgolosch verbeugte sich und verließ
Gedanken daran zu mute. Hoffentlich wür- gut und Euer Medicus ist zuversichtlich, dass grinsend den Raum.
de er seinen Vogt nicht schon bei seiner er- ich ihn in einem Mond wieder ohne Ein- „Ihr, von Landwacht, werdet in meiner
sten Aufgabe enttäuschen. schränkung bewegen kann.“ Abwesenheit gut auf die Vogtei achten. Sorgt
„Dann wollen wir hoffen, dass er schnell dafür, dass der Handel reibungslos weiter-
Das Gemüt des Vogtes hatte sich beru- heilt, denn ich habe eine Aufgabe für Euch, läuft und sendet mir bei Problemen soforti-
higt. Er stand an einem Fenster und blickte von Schellenberg. Ihr werdet Euch ein Halb- ge Nachricht!
zum Hafen des Ortes Steinfriedsweiler. Auf banner zwergischer Axtschwinger nehmen Sorgt auch dafür dass unsere Gefange-
der anderen Seite der Rodasch erhob sich und mit Odelinde von Neidenstein, der Ba- nen, der Ritter Amando und die Bäckerin,
Albernia. ronin von Nablafurt nach Ottertal reisen, um die sich für Invher ausgab, nicht fliehen!
„Wo bist du von Grafenstift! Wo versteckt die Baronie dem Reich zurück zu holen. Behandelt den Ritter der Krone wie es sich
sich die Maus vor dem Adler? Genieße dei- Nehmt außerdem noch eine Rotze mit für einen Adligen geziemt, auch wenn der
ne Tage Verräter, denn dein Tod ist näher als Geschützmannschaft mit! Sorgt für den Er- Reichsregent dies anders sieht, ich ehre je-
du denkst!“ folg, ich kann mir einen weiteren Fehler den tapferen Kämpfer, ob Freund oder Feind.
Der Diener des Vogtes hatte sich wieder nicht leisten!“ Was die Bäckerin betrifft, sobald der Reichs-
in den Raum gewagt und sammelte nun „Ich werde mein Bestes tun, mein Vogt!“ herold die Burg verlassen hat, holt auch sie
kopfschüttelnd die Reste der zertrümmerten „Davon bin ich überzeugt, von Schellen- aus dem Kerker und versorgt sie wie eine
Möbel zusammen. berg! Ich zweifle nicht am Erfolg der Mis- Adlige! Ich habe Respekt vor so viel Mut
Barox drehte sich um und blickte zu sei- sion!“ und wie ich den Reichsregenten kenne, wird
sie nicht lange ihr Leben genießen können.
Sorgt gut dafür von Landwacht! Jetzt lasst
Albenhuser Bund mich allein ich will mir noch einige Gedan-
ken machen! Die Götter mit Euch, meine

nimmt Stellung Freunde!“


Schnell verließen die Edlen den Raum.
Barox schritt zu einem Stuhl und setzte sich.
Schnell reichte man dem alten Zwerg einen
ELENVINA. Meldung erreichte die Re- Grund dafür sei der Konflikt zwi-
Krug Bier.
daktion der Havena-Fanfare aus Elen- schen dem Raulschen Reich und dem
Der Vogt bemerkte wie Filius, sein Kam-
vina vom erst jüngst gegründeten Zu- Königreich. Der Bund erklärte, er wolle merdiener, mit hochrotem Kopf versuchte,
sammenschluss von Händlern am Gro- nicht „gegen den Willen des Reichsre- die schwere Streitaxt aus dem Holzpfeiler
ßen Fluss, dem Albenhuser Bund. genten Jast Gorsam vom Großen Fluss“ zu ziehen. Ein Lächeln huschte über sein
handeln, weshalb man die Han- Gesicht.
In den vergangenen Mona- delsbeziehungen vorerst auf „Lass sie stecken Filius, ich werde sie mir
ten schienen gewisse Kreise Eis lege. nachher selbst holen. Mach bitte meine Sa-
in den Nordmarken Stim- Dass diese Verlautba- chen für die Reise in den Kosch bereit!“
mung gegen den Alben- rung, besonders auf „Wie Ihr wünscht, mein Vogt!“ Filius
huser Bund zu machen, wo- albernischer Seite, doch un- verließ schnell den Raum.
gegen sich der Bund immer ter vorgehaltener Hand auch Barox leerte seinen Krug und schritt zum
wieder zu wehren versuchte. in den Nordmarken, nicht Pfeiler. Ohne Probleme zog er die Axt aus
Anscheinend musste sich der überall Zustimmung fand, war dem Holz und stellte sie in die Halterung an
Händlerbund nun allerdings dem mancher Orts durchaus zu verneh- der Wand.
Druck des Nordmärker Herzogs beugen. men. Zudem wurden vereinzelt Stimmen „Genieße die wenige Zeit wo dir bleibt,
Laut dem Sprecher des Händlerbundes, laut, dass der Albenhuser Bund keines- Galdor, ich werde dich finden! Warum hast
Phexhilf Ehrwald, stellte der Bund nun wegs den Handel eingestellt hätte und du das getan mein Freund? Warum dieser
Verrat?!“ Kopfschüttelnd verließ der Vogt
alle Handelsbeziehungen mit Albernia unter der Hand weiter mit dem freien
den Saal.
bis auf weiteres ein. Albernia handle. (jz/jr)
(jz)

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Blutiger Zwischenfall bei
Lebensmittel-Requirierung
WINDHAG. Feldlager vor Harben. „Dünne der sich ungefragt über ihre Speisekammer auch dem Landadel empfindliche Strafen an-
Suppe, schwacher Arm“, so lautet eine alte hermachen wollte. Das sich anschließende gedroht, sollte dieser nicht seine Scheunen und
Söldner-Binsenweisheit und während die Handgemenge forderte weiteren Blutzoll un- Speicher für die Versorgung des gemeinsamen
Truppen Herzog Cusimos vor den Toren Har- ter den Soldaten und der Sipp- Aufgebots öffnen.
bens darauf warten, dass die Vorräte der Ver- schaft der streitbaren Frau. So verzweifelt scheint die Lage
teidiger zur Neige gehen, stellt nun im Winter Condottiere Zandor von Ner- in einigen Gegenden Windhags in-
auch die Versorgung des Belagerungsheeres vuk, Statthalter von Phecadien und zwischen zu sein, dass so mancher
ein ernsthaftes Problem dar. Befehlshaber der Goldenen Legion, Junker versucht, sich als Raubritter
ließ daraufhin bekannt machen, dass über den Winter zu retten und dass
Überall in der Markgrafschaft tauchten in die Truppen Herzog Cusimos grund- einige Edelmänner und -frauen des tief
den letzten Wochen die Versorgungsoffiziere sätzlich nicht gegen die Brüder und verschneiten Landes nun miteinander
der Goldenen Legion mit ihren schwer gerü- Schwestern im Windhag kämpften, im Kampf um den letzten Schinken in
steten Waffenknechten auf und beschlagnahm- schließlich stehe man vor Harben, um in Fehde liegen. Gerüchte, dass der Junker
ten, was nicht niet- und nagelfest war. Bangte Praios Sinne Recht und Ordnung wieder von Kleinau, dessen Junkergut traurige
das Landvolk in diesem harten Winter bereits herzustellen; und wenn es unter seinem Berühmtheit erlangte, als der Wurm vom
um sein tägliches Brot, so bedroht nun der Kommando tatsächlich zu Entgleisungen Windhag dieses fast völlig zerstörte, sich
Appetit der um die Markgrafenstadt versam- käme, so würden diese verfolgt und ohne nunmehr als Raubritter verdingt konn-
melten Landsknechte so manche Familie in Ansehen von Stand und Person geahndet. ten noch nicht bestätigt werden.
Windhag und Phecadien mit dem Ruin oder Dennoch scheint es, dass die Ritter Die Herolde des Herzogs verkün-
gar dem Hungertod. des Windhager Landes sich furchtsam den jedenfalls unablässig, die Mo-
Besonders hart betroffen sind wegen ihrer in ihren festen Häusern verkriechen, ral der eigenen Soldaten sei gut, und
Nähe zur Stadt Harben der Süden und Westen ihre Schutzbefohlenen der Willkür ei- das in Harben eingeschlossene
des Windhags, wo es mittlerweile sogar zu blu- niger der grangorischen Verbündeten, Piratengesindel sei nur deshalb so
tigen Auseinandersetzungen zwischen Bewaff- unbestätigten Gerüchten zufolge un- schwer von den Mauern zu
neten und der Bevölkerung kam. Auslöser war ter anderem Truppen des Hauses schießen, weil es vom Hunger
ein Zwischenfall im Reichsland Wettershag, Streitebeck, überlassen und ansonsten hoffen, ausgezehrt nur noch ein halbes Ziel biete.
wo die Bäuerin Fenalind aus der Borgrun- dass der Kelch der Inanspruchnahme an ih- Daher sei der Fall Harbens nur noch eine Fra-
familie einen Söldling mit dem Beil erschlug, nen vorübergehen möge. Hat der Herzog doch ge der Zeit. (hs/jr)

Die Klauen des Winters


KYNDOCH. Aus verschiedenen Teilen Windhags sind Schreckens- und einzelne Gehöfte plündern. Eine Heilerin aus dem nördlichen
meldungen über den bitteren Winter zu uns gedrungen. Nach den Gebirge wurde angeblich von einer Sippe Schwarzpelze in die Berge
furchtbaren Ereignissen um den Wurm vom Windhag, fragen sich die verschleppt, nachdem der Hof auf dem sie weilte, angegriffen und in
Menschen nun, ob die Prüfungen für die Windhager Familien und Brand gesteckt worden war.
Sippen denn nie ein Ende nehmen werden. Fernia Siebenbrück, eine Geweihte der Lebensspenderin, die sich
Vielen scheint es, dass Windhag im Vergleich zu Nordmarken und im Herbst aufgemacht hatte, das aufziehende Leid zu mindern, wurde
Albernia ungewöhnlich stark vom frühen und tödlichen Winterein- ebenfalls ein Opfer des harten Winters. Ein Kyndocher Händler fand
bruch getroffen wurde. Während die meisten dies als Ammenmärchen die Geweihte wenige hundert Schritt vor der rettenden Pfalz Weißen-
abtun, schließlich gäbe es häufiger strenge Winter im Windhaggebirge, stein erfroren im Schnee liegen. Der Säugling, den sie in den Armen
scheinen einige dies auch für eine Strafe der Götter, ob der Frevel der hielt und den sie anscheinend zur Burg hatte bringen wollen, war zwar
Meuterei in Harben zu halten. Ein Untergangsprophet, der einen ewi- stark unterkühlt, überlebte jedoch wie durch ein Wunder.
gen Winter für die Lande nahen sah und Chaos und Tod heraufbe- Selbst die Westwinddrachen Windhags scheinen unter dem harten
schwor, wurde in die Obhut der Boron-Geweihten am Schattengrund- Winter zu leiden. Ein Fischer berichtete, dass eine ganze Schar der
pass verbracht, wo er schließlich verstarb. Drachen in Richtung Westen über das Meer verschwand, ja, geradezu
Andere Windhager glauben, die Orks und Goblins der Berge wä- zu fliehen schien. Einer von ihnen sei jedoch nicht hinter seinen Ka-
ren für die eisigen Tage und Nächte verantwortlich, werden diese doch meraden hergekommen und sei urplötzlich wie ein Stein vom Himmel
verstärkt in den Niederungen gesichtet, wo sie nach Nahrung suchen gefallen und in das Meer der Sieben Winde gestürzt. (jr)

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Winter über Widdernhall
Widdernhall: Erfolglose Jagd. Wilder Mann gibt Rätsel auf.
So manches Märchen erzählt von der alten gezogen. Von „weit gereisten Recken“ war da kurzer Diskussion, was mit dem Gefangenen
Feindschaft zwischen dem Einhorn und dem die Rede, wobei die Mitwirkung von zumin- zu geschehen habe, entschied man sich dafür,
Auerochsen und davon, wie es dem klugen dest einem ausgewiesenen Zauberkundigen ihn vorläufig im Hundezwinger des Fuhrhofes
Einhorn gelingt, den jähzornigen Stier zu über- besonders hervorzuheben ist. Durchführbar zu verwahren, wo zwei kräftige Mägde zurück-
listen und ihm immer wieder zu entfliehen. wurde das Unterfangen erst durch die einfalls- blieben, um ihn zu bewachen.
Und während das Einhorn allgemein als Sym- reiche Verwendung von Schneeschuhen, wie
boltier von Nandus göttlicher Weisheit gilt, so man sie aus den Nordlanden kennt, denn die Nachdem zunächst allerlei Volk herbeige-
ist es mehr als ungewiss, welchem Herrn die ungewöhnlich ergiebigen Schneefälle hatten strömt war, um den Wilden Mann aus der Nähe
wilden Rinder dienen. Hört man doch von den Feld und Flur unter einer mehrere Spann dik- zu sehen, drängte man sich bald danach im
Orks, sie verehrten einen gehörnten Götzen in ken weißen Decke verschwinden lassen. Aus- Saal des Gasthauses, um die abenteuerliche
Stiergestalt, und auch bei den Tulamiden sol- gestattet mit den dichtesten Winterpelzen und Geschichte der Ausgezogenen zu hören. Meh-
len heidnische Kulte um Kuhgottheiten exi- den solidesten Waffen, welche verfügbar wa- rere Teilnehmer der Jagd wiesen Blessuren auf,
stieren, ja selbst vom Tanz um ein goldenes ren, drang die Gesellschaft in die verschnei- denn man war mit einem Rudel Waldwölfe
Kalb will man schon gehört ha- ten Bergwälder vor. Wenn es auch aneinander geraten, welches zwar von der ent-
ben. So ist also von dem wilden als dem Firun gefällig gilt, sich schlossen auftretenden Gruppe schnell in die
Vieh im Allgemeinen nichts unter Einsatz des eigenen Le- Flucht geschlagen werden konnte, ihr aber in
Gutes zu erwarten, und die bens den Herausforderungen den folgenden Stunden stets auf den Fersen
gemeine Frau tut gut dar- von Wildnis und Witterung blieb, was sichtlich an den Nerven so man-
an, ihnen aus dem Wege zu stellen, so erfüllte ches armen Landmannes gezehrt hatte. Außer-
zu gehen. Als besonders ebendies die einfachen dem war eine der gedungenen Streiterinnen
launisch und aggressiv Landleute nicht mit von der Kreatur bösartig zerkratzt worden.
gelten dabei die auch in Freude, denn die fühlten Diese hatte sogar versucht, sie zu beißen, bis
unseren Wäldern verbreite- sich eher den fürsorglichen ihre Gefährten den Wüterich schließlich über-
ten Auerochsen. Und es ist Göttinnen Travia und Pe- wältigen konnten.
ein Exemplar dieser Gattung, raine verbunden als dem hart-
welches seit einigen Jahren im herzigen Wintergott. Wie zu hören war, hatte man lange suchen
östlichen Windhag von sich reden müssen, ehe man im Schnee auf die erste fri-
macht. Der so genannte Alte vom Chattenwald Tage bangen Wartens vergingen, in wel- sche Fährte eines Auerochsen stieß. Als diese
– benannt nach dem für seine Wildkatzen be- chen die Dörfler ängstlich um die sichere sich jedoch zwischen den Felsen verlor, teilte
kannten Forst, in welchem er zuerst gesichtet Rückkehr ihrer wagemutigen Angehörigen man sich in mehrere kleine Gruppen, um die
wurde – gilt als gefährlicher Einzelgänger, und für den Erfolg der Jagd beteten. Was gab Spur wieder zu finden. Bei dieser Gelegen-
über den im Volke allerlei schaurige Geschich- das für ein Hallo, als am vierten Abend end- heit äußerte bereits der erste den Verdacht, er
ten erzählt werden. lich die Ankunft der Truppe gemeldet wurde. fühle sich beobachtet. Und tatsächlich berich-
Was jedoch Aufsehen erregte, war die Tatsa- tete die Gruppe fahrender Recken, wie sie von
Nach dem frühen und harten Winterein- che, dass man mitnichten das Gehörn und das einem zunächst unsichtbaren Beobachter ver-
bruch im Monat Travia und einigen merkwür- zottige Fell des weißen Ochsens als Trophäe folgt wurde und wie es ihr schließlich gelang,
digen Vorfällen in der Windhager Baronie mit sich führte, sondern einen großen, buckli- diesen zu entdecken und dingfest zu machen.
Widdernhall, machte sich im Monat Boron gen, an Händen und Füßen gebundenen Mann. Letzteres gelang jedoch erst nach einer wil-
eine Jagdgesellschaft auf, um den als Bedro- Dieser wurde mehr von seinem verfilzten, wild den Verfolgungsjagd, die quer durch den ver-
hung erscheinenden Auerochsen zu finden und wuchernden grauen Haar als von den spärli- schneiten Winterwald, über einen gefrorenen
das Untier zur Strecke zu bringen. Durch die chen Lumpen seiner völlig unzureichenden Wasserfall und scharfkantige Klippen hinweg
verwegene Jagd hoffte man zudem, den grim- Kleidung bedeckt. Die abstoßend platte – führte. Hatte man zunächst an ein wildes Tier,
migen Firun im Angesicht eines drohenden womöglich gebrochene – Nase war kaum un- vielleicht sogar einen Waldschrat, geglaubt, so
Hungerwinters milde zu stimmen und des ter dem struppigen Bart zu erahnen und die erwies sich das Ungeheuer schließlich im
Weiteren ein wenig Ruhm auf windhagsche Nägel seiner Finger und Zehen waren zu huf- Kampf als geifernder Derwisch von animali-
Schilde zu heften. Für das von dem zu jener artigen Klauen gewachsen. Nicht nur sein Aus- scher Wildheit, doch mit menschlichen Zügen.
Zeit in Xorlosch weilenden Baron Gringulf sehen, auch sein Gebaren erinnerten mehr an Trotz angedrohter Gewalt war es nicht mög-
Sohn des Gromosch autorisierte und vom ört- ein wildes Tier, als an einen Menschen. Ein lich, sich mit dem Wilden Mann zu verständi-
lichen Bauernmeister Leuthwin Eisenblatt aus Blick aus seinen blutunterlaufenen Augen und gen, da er auf keine ihm gestellte Frage mit
Udamans Sippe angeführte Unternehmen wur- ein leises Grollen aus seiner Kehle genügten, verständlichen Worten antwortete, stattdessen
den neben den wackersten Einwohnern Wid- um die sich neugierig nähernden Kinder wirres Zeug brabbelte, grimmig knurrte oder
dernhalls auch ortsfremde Spezialisten hinzu- schreiend auseinander stieben zu lassen. Nach hysterisch zu kreischen begann. Dies alles war

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so entsetzlich anzuhören und anzusehen, dass Menschen zur Tür hinaus, wo sie überrascht die ganzen Geschehnisse der letzten Tage, vom
einige der Anwesenden wie von Furien gehetzt auf die beiden Wächterinnen stießen, welche Auftauchen der Fremden angefangen, nur eine
das Weite suchten oder vor Furcht nur noch sich von Neugier getrieben von ihrem Posten unheilige Inszenierung. Aus diesem Grund
unverständlich lallen konnten. Doch schließ- entfernt hatten, um auch zu hören was gespro- wurden erneut Wachen eingeteilt und ein gro-
lich gelang es den Tapfersten, den Unhold zu chen wurde. Unverzüglich begab man sich nun ßer Götterdienst für den nächsten Morgen an-
bändigen und zu binden, woraufhin Leuthwin, zum am Rande des Dorfes gelegenen Fuhr- gesetzt, um das Dorf mit alveranischem Bei-
der Bauernmeister Widdernhalls, die Jagd für hof, von wo das Geräusch gekommen war. Das stand vor Unheil zu bewahren. Wie sich spä-
beendet erklärte. Den Gefangenen nehme man Licht des vollen Mondes beschien eine unheil- ter zeigte, waren die fremden Glücksritter be-
mit, denn je weniger solches Gelichter den volle Szenerie: Der aus massiven Bohlen ge- reits zu Beginn der Versammlung unverzüg-
Windhag unsicher mache, umso besser. zimmerte Hundezwinger war geborsten wie lich aufgebrochen, nachdem der Magier, wie
ein geplatzter Kürbis, die armdicken Stangen ein Augenzeuge gesehen haben will, mit be-
Die Luft im Saal des Gasthauses hätte man geknickt wie Zahnstocher, die Fesseln zerris- sorgtem Gesichtsausdruck mehrere Zauber-
schneiden können, so heiß und stickig war es sen, der Unhold nirgends mehr zu sehen. Trotz sprüche auf seine verwundete Gefährtin ange-
mittlerweile geworden, und die Diskussion er- eilig herbeigeholter Fackeln und Laternen, war wendet hatte.
hitzte sich an der Frage, was man nun mit dem es nicht möglich, die Spur des Flüchtigen auf-
Wilden Mann anfangen solle. Die einen woll- zunehmen, da der Boden in der Umgebung zu- Das Auftauchen und Verschwinden des
ten ihn sofort erschlagen, damit er nicht ihre vor von unzähligen Schaulustigen zertrampelt Mannes aus den Wäldern gibt weiterhin Rät-
Kinder fresse, andere – allen voran die junge worden war. Allein den zerschmetterten Kör- sel auf. Über seine Herkunft und seinen Ver-
Geweihte der Tsa – wollten ihn studieren und per eines Hundes fand man anbei im blutigen bleib ist nichts bekannt, ebenso wenig darüber,
lehren und wieder andere wollten ihn gar an Schnee. Erwartungsvoll blickte man sich nach wie es ihm möglich war, seine Fesseln zu
einen Schausteller verkaufen. Mehrere rieten, dem reisenden Magier und seinen Gefährten sprengen und sein Gefängnis zu zerstören –
die Rückkehr Baron Gringulfs aus Xorlosch um, da man sich von ihnen eine Erklärung der hätte es doch dazu der Kräfte eines rasenden
abzuwarten, da eine solche Entscheidung nicht unerhörten Ereignisse erhoffte. Es stellte sich Bullen bedurft.
dem Dorfrat obläge, sondern allein der adli- jedoch heraus, dass diese offenbar den Tumult Baron Gringulf von Widdernhall zeigte sich
gen Herrschaft. Mitten in diese Debatte platz- genutzt hatten, um den Ort klammheimlich zu bei seiner Rückkehr erschüttert und versprach
te ein gedämpft klingendes Knallen und Ber- verlassen, was sogleich zu Spekulationen dar- demjenigen eine Belohnung, dem es gelänge,
sten, welches von weit her durch das nächtli- über führte, ob nicht die Fremden gar Kom- das Geheimnis des Wilden Mannes vom
che Dorf hallte. Erschrocken drängten die plizen des Wilden Mannes gewesen seien und Windhag zu lüften. (hs)

Neuer Nordmärker
Diplomat in Kyndoch
ELENVINA. Es war früh am Morgen. Die ersten wiesen in Richtung des einlaufen- Schiff und trat direkt vor Rotger von
Praiosscheibe erhob sich über dem gro- den Schiffes. Bienenturm.
ßen Fluß und tauchte die seichten Bewe- Auch Rotger von Bienenturm blickte „Euer Wohlgeboren! Es ist mir und
gungen des Wassers in ein schönes oran- gespannt auf das herannahende Schiff. meiner Mannschaft ein außerordentliches
ge. Niemand konnte es glauben als man Vergnügen Euch nach Kyndoch zu beglei-
Viel Adel hatte sich am Kai versam- das stolze Schiff erkannte, aber es hielt ten. Seid versichert, dass ihr mit dem be-
melt um Rotger von Bienenturm viel genau auf die kleine Gruppe zu. sten Schiff reist das den großen Fluß zur
Glück auf seiner Reise zu wünschen. Den Die Schwan von Albenhus war es, die Zeit beschifft. Es wird so schnell kein Pi-
meisten war bewusst, dass der Herr von den Gesandten nach Kyndoch geleiten rat wagen die Schwan von Albenhus an-
Bienenturm es nicht einfach bei seiner sollte. zugreifen. Er würde bei diesem Versuch
Aufgabe haben würde. Schön sah sie aus, der weiße Schwan unweigerlich versenkt werden. Ich soll
Diplomat in Kyndoch. am Bug des Schiffes vor der aufgehen- Euch auch die besten Glückwünsche im
Ja selbst die Reise in das Dreiländer- den Praiosscheibe. Die Segel voll gebläht Namen des Albenhuser Bundes zu Eurer
dreieck war in diesen Zeiten eine Heraus- vom Wind lief das stolze Schiff des erst Ernennung überbringen.“
forderung. Lautstark plauschte der Adel vor kurzem gegründeten Albenhuser Bun- „Seid bedankt Kapitän. Es ist auch mir
am Kai und rätselte gespannt welches des in den Hafen Elenvinas ein. ein Vergnügen die Schwan von Albenhus
Schiff von Bienenturm nach Kyndoch Schon kurze Zeit später hatte die in Aktion zu erleben.“
bringen sollte. Endlich tauchten Segel am Schwan von Albenhus angelegt und Ka- Der Abschied ging rasch von statten
Horizont des großen Flusses auf und die pitän Halmar von Streglitz verließ sein und die Güter des Bundes waren eben-

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falls schnell geladen. Er musste ehrlich zu sich selbst sein, es aber auch sicher seinen Reiz. Sein Kopf
So bestieg Rotger von Bienenturm das er konnte nicht im geringsten einschätzen schmerzte von so vielen Gedanken die
stolze Schiff um sein Amt in Kyndoch an- auf was er sich da eingelassen hatte. Sei- ihm durch den Kopf gingen. Wie hatte
zutreten. ne Mutter sagte nur zu ihm, das wäre die Mutter das nur geschafft, einen Auftrag
einmalige Chance nicht irgendwann ein- des Herzogs zu erlangen.
Elenvina war nur noch klein am Hori- mal mit leeren Händen dazustehen. Als Nun sei es darum, so kann ich bewei-
zont zu erkennen. Rotger von Bienenturm jüngster Spross von dreien war das durch- sen, dass ’Das Kücken auch zu etwas nut-
lehnte am Bug der Schwan von Albenhus. aus möglich. So ließ er sich darauf ein, ze ist.
Seinen rechten Arm auf einen Flügel der gerade in so schwierigen Zeiten wie die- Entschlossen und doch leicht verunsi-
Figur gelehnt ging er seinen Gedanken sen, in ein Dreiländerdreieck zureisen, das chert von so vielen Fragen die offen blie-
nach. er als Nordmärker lieber gemieden hätte. ben, schaute er auf die Wassermassen, die
Nachdenklich schaute Rotger auf die Was- Kyndoch! das Schiff zur Seite schob ...
sermassen die das Schiff zur Seite schob. Diplomatisch und wirtschaftlich hätte (jz)

Neues aus Windhags Norden


KYNDOCH. Bedingt durch Umstürze, Kälte und Hunger getrieben, Banden von Fischer weiß doch mehr, als er preiszu-
Witterung und Krieg konnten wir unsere Vogelfreien, aber auch Wolfsrudel herun- geben bereit ist. Widersprüchliches hört
geschätzten Leser in den letzten Ausga- ter. Die Verhältnisse werden von einigen man aus der Baronie Rondbirge. So heißt
ben nur unzureichend über die Vorgänge Augenzeugen als chaotisch bezeichnet. es einmal, die Baronin und ihr Junker von
aus der nördlichen Mark- Als gesichert kann jedoch Quellenbruch gewährten einem Piraten-
grafschaft unterrichten. gelten, das Baron Jando schiff Unterschlupf, während andere be-
Doch inzwischen ist es von Fuxwalden ver- zeugen, dass Bewaffnete unter dem Wap-
gelungen, genug Berich- schwunden ist, angeblich pen des Junkers von Quellenbruch hart
te von Reisenden zusam- wurde er aber am Rande gegen Piratengesindel durchgriffen. Die-
menzutragen, um einen des mysteriösen Fuxwald se Berichte sind jedoch schon einige Wo-
Überblick zu geben. gesehen. Vom ehemali- chen her. Seit der extremen Kälte hat man
gen Baron von Grenz- noch nichts Neues gehört.
Die Lage in den nördli- marken gehen Gerüchte,
chen Baronien: wonach er plant, Materi- Der Winter und die Kälte:
Wie vielleicht bekannt al nach Norden gen Wei- Der lange und strenge Winter setzt den
ist, gibt es im Norden denau schaffen zu lassen Bewohnern arg zu. Viele Einsiedelhöfe
Windhags den einen oder oder dies sogar schon ge- werden verlassen und man zieht in die näch-
anderen Adligen, vor al- tan hat. Es muss aber wei- ste größere Siedlung. Dies führt dort zu ei-
lem unter den Nieder- tere Unterstützer geben. ner Verknappung der Vorräte. Die Versu-
adligen, der in der Vergan- Die Berichte von kleinen che durch Jagd die Mägen zu füllen wer-
genheit mit dem heute abtrünnigen Al- Gruppen Bewaffneter, die gen Albernia den durch die grimme Kälte und den tiefen
bernia sympathisierte. Daran scheint sich streben und sich nach Invhers Heer erkun- Schnee behindert. Ein zunehmendes Pro-
nur wenig geändert zu haben. Die Ent- digen, reißen nicht ab. blem sind Räuber-, Ork- und Gob-
eignung der Barone von Fuxwalden und linbanden und Wolfsrudel, die versuchen
Grenzmarken hat zu Unruhe unter den Piraten vor der Küste: in den verstreuten Siedlungen Nahrung und
Adligen des Nordwindhag geführt. Wäh- Immer wieder kommt es auch vor der Unterschlupf zu finden. Viele Siedlungen,
rend wenige offenbar auf der Seite der Küste Nordwindhags zur Sichtung von Einsiedelhöfe und Sippen sind eingeschneit
Enteigneten stehen – sei es aus Sympa- Schiffen, die unter der Flagge des reni- und abgeschnitten. Seit Wochen kam kei-
thie oder aus Angst, selbst auch enteignet tenten Piratenadmirals Radulf Eran Gala- ne Nachricht mehr. Die Adligen befürch-
zu werden – gibt es auch die, die aufrecht han oder gar ganz ohne Kennzeichen fah- ten zahlreiche Tote. Das könnte für man-
und loyal zur praiosgefälligen Ordnung ren. Auffällig ist, wie wenig die an der chen Junker im Frühjahr zum Problem
stehen. Andere nutzen die Umstände, um Küste ansässigen Fischer darüber zu wis- werden, angesichts der sowieso geringen
alte Konflikte für sich zu entscheiden. In sen scheinen. Entweder haben die Pira- Zahl der Bewohner im Windhagschen, denn
jüngster Zeit drängen aus den Bergen, von ten ein gutes Versteck, oder manch ein wer wird die Felder bestellen? (mg)

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Eine Geschichte
von der roten Fee
wie sie im Nordwindhagschen erzählt wird*
In den Hügeln des Windhag lebte ein- helfen, wollte als Preis aber das Herz sei- milie davon aß, sooft stand es am näch-
mal ein Mann mit seiner Frau und den nes Hauses. Schweren Herzens ging der sten Tag wieder munter in ihrer Hütte.
Kindern. Sie wohnten in einer kleinen, Mann nach Hause und überlegte den gan- Und so überstanden sie mit Hilfe der ro-
aber festen Hütte mit steinernen Grund- zen Weg über, was er tun sollte. Schließ- ten Fee den Winter - doch schon der erste
mauern. Das karge Land gab gerade ge- lich besprach er Zuhause alles mit seiner milde Frühlingswind brachte das Dach der
nug her, um sie zu ernähren und trotz der Frau. Hütte zum Einsturz, denn die Gaben der
Armut lebten sie einige Jahre froh zu- Feen sind trügerisch ...
sammen. Doch da kam ein heißer und
trockener Sommer wie es manchmal *) Die rote Fee wird in anderen Ge-
passiert und der dritte Teil der Pflan- schichten oft auch die rote Weise vom
zen verdorrte. Berg oder die rote Frau geheißen
Der Mann verzagte nicht und sag-
te zu seiner Frau: „Dann müssen wir Meisterinformation:
eben etwas weniger Essen, dann wird So fand ich noch eine ältere Vari-
es schon reichen. Hauptsache wir ha- ante der Geschichte von der Roten
ben ein festes Dach über dem Kopf.“ Fee, in der von einer roten, alte Wei-
Es wurde Herbst und die Zeit der sen die Rede ist. Dies, zusammen mit
Ernte nahte. Doch viel früher als sonst weiteren Indizien (der rote Fellmantel
kamen Frost, Schnee und Eis und ein des Jägers, seine hässlichen Zähne,
weiteres Drittel der Ernte erfror und die Sippe, das Ferkel, ...) lassen mich
war verloren. Da wurde dem Mann vermuten, dass es sich im Kern um
doch bange, denn mit dem, was er eine Rotpelzsippe und bei der roten
noch retten konnte, würden sie den Frau um eine alte mächtige Schama-
Winter nicht überstehen. Jeden nin handelt. Alles hat also offenbar
Abend, wenn der Sturm dichte nichts oder nur sehr wenig mit Feen
Schneeflocken über den Windhag jag- zu tun.
te, klagte er und betete zu den Göt- (aus den Aufzeichnungen von Au-
tern. Als es wieder einmal abends stürm- „Wenn wir unseren Herzstein herge- rentian Melcher von Quellenbruch, Ma-
te, klopfte es an der Türe. Ein frierender ben, wird unsere Hütte bald einstürzen. gier, forschte nach Feentoren, seit 34 v.
Jägersmann – ganz in einen roten Fell- Wo sollen wir leben, wo unsere Kinder Hal in den Windhagbergen verschollen).
mantel gekleidet und mit hässlichen Zäh- aufziehen?“, fragte die Frau.
nen – bat um Einlass und Unterkunft für Der Mann antwortete: „Wenn wir erst Aurentian vermutet richtig, bei der ‚ro-
die Nacht. Der Mann ließ den Fremden den Winter überstanden haben, und alles ten Fee‘ handelt es sich in Wahrheit um
ein. besser wird, können wir leicht einen neu- eine Goblin-Schamanin. Die Geschichte
„Bleiben kannst du wohl, doch zu Es- en Herzstein suchen und ein neues Haus zeigt, dass es offenbar in der Vergangen-
sen haben wir nichts mehr.“ bauen. So lange wird die Hütte noch hal- heit durchaus auch Zusammenarbeit zwi-
Der Jäger sah die Not und weil sie ihm ten. Hauptsache, wir leben!“ schen Menschen und Goblins gab. Für das
geholfen hatten, beschrieb er ihnen den So brach er das Herz ihrer Hütte aus Ferkel vergleiche Stäbe, Ringe, Dschin-
Weg zum Tal der roten Fee, die ihnen wohl dem gemauerten Herd in der Mitte der nenlampen S. 58, die Schweine des ewi-
Rat geben könnte. Am nächsten Tag schon Hütte und brachte es der roten Fee. Die gen Schinkens, dieser Teil des Märchens
machte sich der Mann auf und fand das war zufrieden und gab dem Mann ein Fer- ist sicher übertrieben. Vermutlich entstand
Tal wo die rote Fee mit ihrer Sippe wohn- kel mit, das sie den Rest des Winters er- die Variante mit der Fee in Zeiten, als man
te. Ihr erzählte er von dem Jäger und bat nähren würde. Und tatsächlich, sooft der mit den Goblins nicht gut auskam.
um Hilfe. Die rote Fee versprach ihm zu Mann das Ferkel schlachtete und die Fa- (mg)

17
o 8
er
mm
Nu
Der Schändliche ist tot
ROMMILYS/ANDERGAST. Nicht nur schlim- Sofort sandte man Boten nach Ander-
mes dringt in diesen Zeiten aus dem Osten gast, um von diesem wichtigen Schlag ge-
an unser Ohr, auch gute Nachricht findet in gen den gemeinsamen Feind zu berichten,
den Kämpfen dort ihren Ursprung. Er, des- denn der Schändliche war einer der
sen Namen für alle Zeiten aus den Annalen schlimmsten Widersacher nicht nur unse-
getilgt ist und der nur noch mit dem Beina- rer Heimat, sondern auch des Mittelreiches.
men ‘der Schändliche’ bezeichnet wird, ist Und so verbreitete sich die Nachricht wie
tot. Er stiftete seinen Neffen dazu an, unse- ein Lauffeuer, so dass wir uns an dieser Stel-
ren in alle Zeiten hoch verehrten König le die Verzeihung des Geneigten Lesers er-
Wendolyn und dessen Sohn Wenzeslaus den bitten wollen, wenn ihn diese frohe Kunde
Jüngeren zu töten. Er versuchte jüngst erst, bereits von anderer Seite erreichte.
die Kroninsignien Andergasts zu stehlen. Vielleicht mag der Leser uns verzeihen,
Doch nun hat seine Strafe ihn ereilt. wenn wir ihm gleichsam mit einer Anek-
Er versuchte, die Stadt Rommilys, in der dote entschädigen. Denn als Prinz Wendel-
mittelreichischen Provinz Darpatien gele- mir, der Sohn des Recken Rondras und
gen, einzunehmen. Weit schon war er vor- Kronprinzen Wenzeslaus des Älteren, vom
gedrungen, allein der Tempel der Travia hielt Tode des Schändlichen erfuhr, sprach er
ihm noch stand. Da geschah das Wunder, grimmig „Da hat er Glück, dass er mir ent-
welches die Stadt errettete: Der Tempel öff- kommen ist“.
nete seine Pforten und die hungernden Be- Und wahr gesprochen, zeigte der Prinz
lagerer wurden gespeist und versöhnten sich
mit jenen, die drinnen ausgeharrt hatten. Der
Prinz Wendelmir doch unlängst sein Geschick mit der Waf-
fe, als er eigenhändig mehrere nostrische
Schändliche versuchte noch zu fliehen, allein es war zu spät, er Strolche zum Verschicken bereit machte, die im Nieder-
fand sein Schicksal von der Hand der Verteidiger der Stadt waldischen die Ingvalstraße bedrohten.
Rommilys. (ps)

Besorgnis erregende Kunde aus dem Raulschen Reich


Zerfällt das Mittelreich gänzlich?
ANDERGAST/MITTELREICH. Wieder ein- Mittelreiches, erwies sich als der erwar- nungsschimmer: Answin von Raben-
mal geht unser besorgter Blick über die tet fähige Interimsherrscher. Allein in mund, ein erfahrener Feldherr und Herr-
sicheren Grenzen unserer geliebten Hei- Albernia gelangen ihm zwar bedeutende scher, sorgte für Entsatz der überforder-
mat gen Osten, wo unsere Verbündeten militärische Siege, doch die von ihm ein- ten Markgräfin Irmenella von Wert-lingen
und Freunde aus dem Raulschen Reiche gesetzte Fürstin Isora von Elenvina ver- und warf den Ork mit starker Hand zu-
sich erneut schweren Prüfungen gegen- mochte es dennoch nicht, diese Provinz rück in seine Grenzen. Die junge Prinzes-
übersehen. Schreckliches ist geschehen zu befrieden. Dadurch blieben weite Tei- sin Rohaja hatte zu diesem Zeitpunkt ver-
und Schlimmes droht bevorzustehen. le der militärischen Macht der Nord- säumt, die Ostgrenze des Mittelreiches zu
Doch beginnen wir vorne: Zunächst marken und des gesamten Mittelreiches halten, obgleich ihr die kampferprobtesten
schien die Lage sich zu beruhigen. im Westen gebunden. Truppen zur Verfügung standen, zu de-
Reichsregent Jast Gorsam vom Großen Als dann der Ork sich erneut gen Süd- nen ihr Bruder Se-lindian Hal noch
Fluss, der Herzog der Nordmarken, einer osten aufmachte und die Greifenfurter Almadanische Freiwillige hinzugefügt
der wenigen intakten Provinzen des Mark bedrohte, zeigte sich ein neuer Hoff- hatte. Erst als auch hier Answin von

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Rabenmund eingriff, fielen auch ihr er- ist dabei vor allem, dass selbst ein Herr- sprüche Selindian Hals an, welcher dort
kennbare militärische Erfolge zu. scher wie Herzog Jast Gorsam vom Gro- denn auch zum Kaiser gekrönt wurde.
Anstatt in dieser Situation die Hand zur ßen Fluss, der seine Klugheit deutlich Gewiss, es ist eine innere Angelegen-
Versöhnung zu reichen und den kleinli- unter Beweis gestellt hat, diesem Treiben heit des Raulschen Reiches, wer dieses als
chen Streit ihres Hauses mit dem Retter keinen Einhalt gebot. Auffällig ist jedoch, Kaiser regiert, doch jede Erfahrung zeigt,
beizulegen, wandte sie sich gegen ihn und dass eine der ersten Amtshandlungen dass Frauen nicht dazu geschaffen wur-
zwang ihn erst dazu, sich gegen sie zu stel- Rohajas war, die Rechte der Provinzen so den, eine Krone zu tragen. Der Gründer
len. Bei Gareth kam es zu einer Schlacht, weit zu stärken, dass man kaum mehr von des Reiches, Raul der Große, erkannte
in der Answin den Sieg errang, bis plötz- einem Kaiserreich sprechen kann, son- dies - und ohne Not geschah die Ände-
lich der einstmals verschollene Kaiser Hal dern es sich vielmehr um eine Ansamm- rung dieses weisen Ratschlusses - Not je-
auf Rohajas Seite eingriff. lung von Fürstentümern handelt. Ange- doch entsprang dann der Abkehr von die-
Auf dem anschließenden Reichskon- sichts der Person auf dem Thron zu Gareth ser Sitte, Not, welche nun auch unsere
gress kam es dann zum Eklat: Kronprinz sicher nicht die schlechteste denkbare Heimat bedroht, denn noch immer gibt es
Selindian Hal wurde seiner Rechte be- Lösung. Andererseits fragt man sich, war- Feinde jenseits des Mittelreiches, die sich
raubt und Rohaja, die sich - wie wir se- um Rohaja jenes Reich, dessen Krone sie nun in seinem Herzen eingenistet haben
hen konnten - bisher allein dadurch aus- so dringend tragen wollte, jetzt zerschlägt. und mit gierigem Blick auf unser blühen-
gezeichnet hatte, dass sie im rechten Mo- König Efferdan hat sich jedenfalls bereits des Land schauen und jede Schwäche aus-
ment die Lorbeeren an sich riss, welche dazu entschlossen, auch an die einzelnen zunutzen trachten. Seien wir also daher
andere verdient hatten, wurde zur Kaise- Herzogs-, Fürsten- und Königshöfe des- wachsam und auf der Hut und hoffen, dass
rin gekrönt. sen, was einst das Mittelreich war, Ge- Kaiser Selindian Hal seine viel verspre-
In Gareth geht damit die Verderben sandtschaften zu entsenden. chenden Anfänge bestätigt, auf dass un-
bringende Weiberwirtschaft, die schon Eine Sonderstellung nimmt hier gewiss ser Nachbar bald wieder zu Frieden und
unter Regentin Emer das Mittelreich fast der Gesandte in Punin ein. Denn allein Ordnung zurückfinde.
zugrunde gehen ließ, weiter. Erstaunlich Almada erkannte die gerechtfertigten An- (ps)

Halgern von Orks befreit


TALSCHAFT BUCHHEIM. Frohe Kunde erreichte uns vor kurzem aus Vieh im Schlepptau nicht schnell bewegen konnten und unterwegs ei-
den abgelegenen Gebieten im Steineichenwald, aus dem im strengen nen Hof plünderten, um dort Halt zu machen. Einzig den jungen Sohn
Winter keine Nachrichten kamen. Natürlich hat unser wackeres Volk des Bauern ließen sie am Leben, damit er sie bewirten könne. Als der
auch diesen Winter überstanden, so heftig er auch gewütet haben mag Junge kurz vor Einbruch der Nacht draußen Holz für den Kamin hack-
und blickt nun voller Zuversicht in die Zukunft. Doch nicht nur das te, erreichten die Buchheimer den Hof und hätten ihn wohl angegrif-
andergastsche Durchhaltevermögen, sondern auch der Mut und die fen, hätte der Junge ihnen nicht davon abgeraten. Stattdessen riet er
Schläue eines jeden Andergasters, sei er noch so niedrig von Geburt, den Buchheimer zu einer List und erklärte ihnen seinen Plan. Der von
wurden in diesem Winter bewiesen. So erreichen die Hauptstadt immer den Überderischen mit beispiellosem Einfallsreichtum gesegnete Jun-
wieder Gerüchte von einer kleinen Talschaft, die während des Winters ge schritt nun wieder ins Haus und entzündete den Kamin. Während er
von marodierenden Schwarzpelzen besetzt wurde, die wohl zu faul nun die Orks bewirtete erzählte er ihnen schauderhafte Geschichten
waren, selbst um ihr Überleben zu sorgen. Zunächst mussten die Be- über Geister, die mit schrecklichem Pfeifen des Nachts durch die Wäl-
wohner des kleinen Weilers Halgern die unerwünschte Gäste ertragen der zögen, um die Leichen der Verstorbenen zu sammeln. Zunächst
und sie bewirten, auf dass sie kein Blutbad unter der Bevölkerung an- mochten ihm die Orks nicht glauben, aber als der Junge die Fensterlä-
richten, doch im Laufe des Winters stieg der Hass auf die Besatzer den schloss, begann draußen ein ohrenbetäubendes Pfeifen. Die Orks
immer mehr, sodass den Orks Angst und Bange wurde und sie beschlos- sollen daraufhin panisch das Weite gesucht haben, ohne die im Ge-
sen das Weite zu suchen. Allerdings stahlen sie vorher noch das Vieh büsch hockenden Buchheimer auszumachen, die sich Sumus Atem aus
der Halgerner und versuchten damit wieder in die Lande hinter dem dem Leib pfiffen. So siegten die Bauern mit erstaunlicher Schläue über
Steineichenwald zu fliehen. Nun besagen die Gerüchte, dass einer der die gierigen Schwarzpelze und brachten das Vieh zurück. Ob dieser
Halgerner sich daraufhin in das etwas größere Dorf Buchheim aufmach- Bericht tatsächlich der Wahrheit entspricht, wird sich erst später klären
te, was ihn einige Anstrengung und aufgrund seiner Eile wohl auch das lassen, da die Täler im Steineichenwald immer noch nicht ganz zu-
Leben kostete. Bevor er jedoch seinen letzten Atemzug tat, erreichte er gänglich sind.
Buchheim und berichtete den dortigen Männern von den Schwarzpelzen, Uns bleibt nur zu hoffen, dass nicht auch andere Banden von Schwarz-
die mit dem Vieh aus dem Wald in die Steppe fliehen wollten. Der pelzen auf diese verachtungswürdige Idee kamen, und dass nicht noch
Aldermann des Buchheimer Tals versicherte dem sterbenden Halgerner, mehr Dörfer im Norden von ihnen besetzt sind. Doch dieser Bericht macht
dass er sich sofort mit den Männern des Dorfes auf die Jagd machen uns allen Mut und lässt auf einen freudigen Frühling hoffen, wenn sich
würde. So hetzten die Buchheimer den Orks hinterher, die sich mit dem auch unser Land aus der Kältestarre zu alter Pracht erhebt. (mt)

19
Ausgabe 9
Grimmiger Winter über dem Königreich
NOSTRIA, WINTER 1882. Es war nicht Vorräte das Gebot der Stunde. Schon spra- Kältesturz. Langsam erstarrte die Welt in
lange nach dem Hoftag, da kündigten ge- chen die Älteren von einem Wolfswinter, einem bitterkalten Gemälde aus Weiß und
schwind von Norden heraufziehende Wol- der das Land selten heimsucht, dann aber Grau. Weder die dünnen Holzwände ei-
ken den Winter an. Die Tage waren zu- mit der geballten Macht der Elemente zu- ner Bauernkate noch die steinernen Mau-
nehmend in Zwielicht gehüllt und brach- schlägt. Wer diesen Warnungen in den er- ern der stolzen Höhenburgen boten mehr
ten beständig sinkende Temperaturen. sten Wintertagen noch nicht ernst nahm Schutz vor den niederhöllischen Tempe-
Unter diesen Vorzeichen bemühte sich die wurde schnell eines besseren belehrt: in raturen. Nahrung gefror selbst in tief-
Königliche Verwaltung unter Majordo- der Nacht des 30. Boron war vielerorts gelegenen Kellern, und so auch das Was-
mus Toran vom Lichte, die Versorgung der das Heulen der Wölfe zu hören. Seit ei- ser in den Brunnen. Erfrierungen bei
Hauptstadt für den kommenden Monde ner Generation war ein solche Zusammen- Mensch und Tier waren an der Tagesord-
zu sichern, und ließ im Umland große kunft in Nostria nicht bezeugt gewesen, nung, selbst wer keinen Schritt vor die Tür
Mengen an Getreide und Fleisch einho- nun stellte sie die endgültige Ankündi- wagte konnte nur hoffen, dass Herdfeuer
len. Zumindest war eine reichliche Ernte gung dar für die schweren Wochen, die und wärmende Decken zumindest die
eingefahren worden, und so blieb man zu- da kommen sollten. gröbsten Auswüchse der Winterkälte ver-
versichtlich, dass die Vorräte für die Win- treiben würden.
termonde reichen würden. Ähnlich ge-
schah es in Salza. Graf Albio, nach der Nach der Blauen Keuche vor gerade
Rückkehr aus Nostria zunächst als Gast- einmal 15 Monden erlebte Nostria im
geber auf der Hochzeit seiner Tochter ge- Jahrhundertwinter erneut viele leidvolle
sellschaftliche Aufgaben verrichtend, ord- Momente, auch wenn in der Stadt dank
nete in der zweiten Hälfte des Boron- des strickten Regiments der Verwaltung
mondes die Protokollierung aller Getrei- die Ordnung aufrecht erhalten blieb. Kar-
devorräte an. Als dies getan war erließ der ge Rationen wurden wöchentlich vor den
Commerzienrat prompt einen Ausfuhr- Speichern ausgeteilt, Weizenkleie und ein
stopp für Getreide und Fisch, da sonst die Stück Brot mussten an den meisten Ta-
Versorgung der Stadt während der kom- gen ausreichen. Glücklich konnte sich nur
menden Wochen nicht gewährleistet sei. schätzen, wer selbst vorgesorgt und die
Gräfliche Gardisten überwachten die Zu- Keller rechtzeitig mit Vorräten gefüllt hat-
fahrtswege nach Salza und das Umland Im Hesinde lagen viele Ortschaften te. Zusammen mit Kriegern der Nostri-
der Stadt sowie den Hafen, auf dass jeder von der Außenwelt abgeschlossen, Rei- schen Wehr wachte die Stadtgarde an den
Versuch, das Handelsverbot zu umgehen sen und Überlandhandel fanden kaum Ausgabeposten, und wehe dem der ver-
verhindert würde. mehr statt. Selbst die Küstenstraße lag suchte, mehr an sich zu nehmen als er-
unter schritthohen Schneemassen verbor- laubt war. Solcherart schändliches Trei-
Gegen Ende des Boronmondes über- gen, und weder in Nostria noch in Salza ben wurde mit einem Tag Kerkerhaft be-
zogen heftige Sturmwinde das gesamte wagte es irgendwer in See zu stechen. straft, wer auch darauf keine Besserung
Königreich. Hinzu kam dichter Schnee- Heftige Stürme von Norden her wühlten zeigte musste gar einen vollen Mond in
fall und ein Temperatursturz weit unter das Meer auf und trugen eisige Wellen Gewahrsam verbringen und dabei bei
den Gefrierpunkt. Schnell erstarb das Le- über die Deiche. Große Eisschollen auf kläglicher Versorgung hungern. Das har-
ben in den Städten und Dörfern, Bauern Ingval und Tommel brachten auch die te Durchgreifen zeigte Erfolg, nach den
zogen sich in ihren Hütten zurück, und Flussschiffahrt völlig zum Erliegen. Je- ersten Wochen kam es kaum mehr zu Zwi-
auch der Adel bezog Quartier hinter den der, der genügend Brennholz und Vorräte schenfällen bei der Nahrungsausgabe.
schützenden Wänden seiner Burgen. Es besaß, nistete sich zuhaus ein und betete Größere Revolten, wie sie die Stadt nach
war abzusehen, dass dieser Winter hart zu den Göttern um ein schnelles Winter- der Seuche noch erschütterten, blieben
und lang werden würde, und so war das ende. Das sollte vorerst nicht kommen, gänzlich aus. Einzig auf der Hafeninsel
maßvolle Abwägen der angesammelten brachte der Firun doch einen weiteren soll es wiederholt zu Kämpfen zwischen

20
einigen Unterweltgrößen gekommen sein, Brennholz kurzerhand über den Ingval die Siedlung der Seuchenflüchtlinge bei
wobei dies in den allerkältesten Nach- setzten und einen Weiler mitsamt der Be- Elger, in der inzwischen die ersten festen
stunden des Tsamondes einige Tote for- völkerung in Flammen aufgehen ließen. Hütten stehen. Im letzten Götterlauf war
derte. Als Zeugnis dieser Auseinanderset- Auch der unheimliche andergaster es dort zu schweren Überflutungen ge-
zung in den Schatten fanden einige Her- Schwarzzottel soll wieder in den Wäldern kommen, dieses Mal aber hielten die
umtreiber die Leichen der finsteren Ge- umhergegangen sein und mit seinen Küstenbefestigungen den Wassermassen
sellen am folgenden Tag auf einer Eis- mächtigen Klauen unbedarfte Bauern nie- stand.
scholle im Hafenbecken. Auch in Salza dergestreckt haben. Gesicherte Zeitung
harrte die Bevölkerung aus und sah da- aus Arraned berichtet, dass die Stadt für Inzwischen blüht das Land in der
von ab, den Unmut über Firuns eisigen über einen Mond von einem Pack aus Frühlingsmilde wieder auf, und auch
Griff an der Obrigkeit auszulassen. Hin- Niederadligen und Räubern belagert wur- wenn immer wieder ungewohnt heftige
gegen kam es zum Zwist unter den Strei- de. Inzwischen haben sie sich in den Gewitter die Bauern sorgen lassen, so hat
tern des Grafen und der Königin. Dieser Gordelwald Arraneds zurückgezogen, wo das Wetter sich doch beruhigt. Berichte
dauert bis zum heutigen Tage an, es steht ihre Burg verborgen liegt. aus dem zentralen Mittelreich, das sehr
gar zu befürchten, dass die Fehde zwi- viel stärker vom Jahrhundertwinter heim-
schen den Grafen Albio von Salza und Erst gegen Ende des Phexmondes gesucht wurden, sorgen nun in Gelehrten-
Muragio von Kendrar weiter eskalieren konnte man im Königreich aufatmen, als kreisen für reichliche Spekulationen. So
wird. endlich die Temperaturen den Gefrier- lautet das Postulat der Erleuchteten Syn-
punkt überstiegen und der Schnee inner- ode des Herren Praios von Trontsand, dass
Eine Zahl für die Opfer des Winters zu halb weniger Tage schmolz. In einigen der nun vergangene Winter nicht dieser
nennen ist schwer. Es mögen weit über höhergelegenen Regionen der Wald- Sphäre entstamme, sondern das Werk der
hundert im gesamten Königreich sein, wildnis kam es daraufhin zu neuen Pro- Verderbnis sei. Diese habe die gegenwär-
wenn man die Toten der Küste aufrech- blemen, als nämlich Schmelzwasser die tige Schwäche der Menschheit ausgenutzt
net. Dafür erzählt man sich schon jetzt Täler überflutete und viele Wege unbe- und niederhöllische Kälte über die Lande
gräuliche Geschichten über die vergange- gehbar wurden. Am Urfan soll angeblich Aventuriens gebracht. Ob auch in Zukunft
nen Monde. So brachte ein Vagant Kun- ein Trupp mirdiner Kundschafter, ausge- solcherlei Übel zu erwarten sei, darauf gab
de aus dem Thuranischen, wo ein schickt durch Varigio Belafin von Mirdin, die Synode keine eindeutige Antwort.
schinderischer Ritter mitsamt seinem von den reißenden Fluten des Flusses „Die Mächte der siebten Sphäre sind die
Gefolge über Dörfer hergefallen, Kinder mitgerissen worden sein. Schlimm traf es Mächte des Chaos, und so ist nicht vor-
entführt und verspeist haben soll. Eine ebenfalls die Bewohner eines Wehrhofes herzusagen, welcherlei ihre verdorbenen
Variante dieser ungeheuerlichen Mär, her- am Tommel, die nach mehreren Tagen des Ränke sein werden.“ (jm)
angetragen aus dem Norden, erzählt von Hochwassers ihre Heimstatt vollends auf-
Thorwalern, die auf der Suche nach geben mussten. Verschont blieb dagegen

Aufruf zur Plackerei!


NOSTRIA, HESINDE 1882. Wie durch den Königlichen Majordo- manns verstümmelt. Einige Arbeiter sind einfach verschwunden,
mus Toran vom Lichte zu erfahren war, sucht man in der Haupt- als hätte sich die Erde aufgetan und sie verschluckt. Auch wenn
stadt händeringend nach tatkräftigen Gesellen, die bereit sind, die einige glauben, sie seien einfach nach Albernia geflohen, um der
kommende Plackerei auf der Seenländer Platte zu überwachen. In Schufterei zu entkommen, bleibt ihr Verschwinden rätselhaft. Ob-
allen Schänken der Stadt und vor dem Nostrischen Uffiz finden zwar der Deichgraf Haldur Vesselbek in königlichem Auftrag viele
sich Anschläge, in denen gute Bezahlung versprochen wird für alle Unfreien Bauern, Knechte und Tagelöhner aus den Landen südlich
freiwilligen Helfer beim Austreiben und Sammeln des Heidekrauts. des Tommel zusammen gezogen hat, besteht immer noch ein gro-
ßer Bedarf an Arbeitskräften, um die riesige Fläche zu bearbeiten.
Das Heidekraut, welches turnusgemäß nur alle 25 Götterläufe Selbst einige Fischer wurden bereits abgestellt und ins Seenland
zu ernten ist, verspricht einen guten Gewinn bei hohem Einsatz. geordert, um die dortigen Arbeiter zu unterstützen. Gerüchten nach
Immer wieder kommt es zu tragischen Unfällen auf dem schlüpfri- glaubt Toran vom Lichte, der bei der letzten Ernte zu gegen war,
gen Untergrund, und mehr als ein guter Nostrier hat bei der letzten nicht an Zufälle und erhofft sich durch die Entsendung auswärtiger
Ernte sein Leben gelassen. Ertrunken in unsichtbaren Tümpeln, Aufseher einen reibungslosen Ablauf. Sobald der Frühling die
von wilden Tieren gerissen, oder von der Riede (Stab mit scharfer Schneedecke über dem Seenland vertreibt, soll mit der Arbeit be-
waagerechter Klinge am Fuß – Anm. der Redaktion) des Neben- gonnen werden. (tzs)

21
SALZA, WINTER 1882.
Schon lange brodelte der
Unruhen in Salza Büttel und Gardisten so-
wie die beiden Händler
Zwist unter der Oberflä- ungewollt im Wirtshaus
che. Und für viele war es nur eine Frage der Zeit, bis die Fehde Salzarelenschmaus zusammen trafen, nahm das Unglück sei-
– so muss man es wohl nennen – zwischen Graf Albio III. von nen Lauf. Ein Wort gab das andere und noch ehe sich Unbetei-
Salza und dem exilierten Grafen von Kendrar Muragio Ansfinion ligte einen Weg aus der Schänke bahnen konnten, flogen die
einen neuen Höhepunkt erreicht. Hatte man sich während der Fäuste und Bierkrüge. Über Ausgang und Verlauf dieser Keile-
Besatzung Lyckmoors durch die Nostrische Wehr (siehe rei, an deren Ende die völlige Zerstörung des Schankraums
NOSTRISCHE POSTILLE 4) noch friedlich geeinigt, so war es kürz- stand, gibt es viele Varianten, doch ist der tote Gardist Ihrer
lich vor und während des Hoftages ihrer Majestät Yolande II. Majestät mehr als nur ein Hinweis darauf, wie heftig sie ausge-
zu mehreren heftigen Wortgefechten zwischen den beiden fochten wurde.
Bombasten gekommen. Nunmehr dreht sich die Spirale der
Gewalt ungehindert. „Wir sind maßlos empört ob dieses Vorfalls und verlangen
Satisfaktion von den Garden des Grafen und dem thorwalschen
Die neuerliche Auseinandersetzung begann mit dem harm- Barbaren, der unseren Gardisten auf dem Gewissen hat“, ließ
losen Streit eines nostrischen und eines thorwalschen Händlers Muragio Ansfinion von Kendrar am nächsten Tag von der Salz-
vor den Toren Salzerhavens. Da sie sich nicht einigen konnten, feste aus erzürnt verlauten. Davon wollten freilich weder die
wer denn nun zuerst seine Waren die Stadt karren durfte, kam ansässigen Thorwaler, noch der Graf von Salza etwas wissen
es erst zu wüsten Beschimpfungen und wenig später zu einer und sprachen in diesem Zusammenhang von einem bedauerli-
handfesten Schlägerei mit zwei herbeigeeilten Büttel. Einige chen ‘Unfall’, den der betreffende Gardist erlitten habe. Kurz
Königliche Gardisten, die sich zu diesem Zeitpunkt auf dem darauf sperrten Kgl. Krieger unter Ritter Modrick von Knyn
Rückweg in ihre Garnison befanden, gerieten ebenfalls in den kurzerhand die Zugangswege nach Salza, um subversive Ele-
Streit. Während die Salzaraner Büttel sich dies als eine Einmi- mente aufzufinden und schwarzmagische Aktivitäten zu unter-
schung in die Angelegenheiten der Stadt verbaten, verwiesen binden, wie sie den brüskierten Händlern kühl Kund taten,
die Gardisten darauf, dass Salzerhavener Büttel vor den Stadt- während sie in aller Seelenruhe die Karren und Planwagen
toren nichts zu sagen hätten und die Angelegenheit in ihren durchsuchten. Ein nordischer Händler soll gar auf die Salzfeste
Zuständigkeitsbereich fiele. Nur die bittere Kälte verhinderte gebracht und in die Verliese gesperrt worden sein. Eine Reakti-
eine weitere Eskalation, und so einigten sich die streitenden on des Grafen war bisher nicht zu erhalten, doch drohen nun
Parteien darauf, zunächst den Nostrier in die Stadt zu lassen, die Waffen zu sprechen.
da dieser weniger wetterfeste Kleidung trug. Als dann am Abend (tzs)

Duryn und das Nachtmahr


Eine Mär aus dem Mirdiner Land
Im Winter, wenn Sturm und Kälte die abgelegenen Wei- Lebensjahr erreichte, da packte ihn der Übermut, und er
ler in den Wäldern heimsuchen, sammelt man sich am hei- machte sich eines Morgens in die Ferne auf. Seine Eltern,
mischen Feuer und verbringt die Zeit im Schoß der Dorfge- ein altes, ehrenwertes Paar, vergossen darüber manch eine
meinschaft und Familie. Dann ist die Zeit der Sagen und Träne und überwanden den Schmerz seines Fortgangs nicht.
Märchen, die manch langen Winterabenden ihre Trostlosig- Alle paar Götterläufe erreichte ein Brief das Dorf im Wald,
keit nehmen und die Gedanken von Jung und Alt auszu- in denen ihr Sohn von seinen aberwitzigen Abenteuern be-
schmücken vermögen. Eine dieser Geschichten sei hier zur richtete. Schließlich starben beide vor Gram, ohne Duryn
Erbauung und Belehrung wiedergegeben. noch einmal gesehen zu haben.

Duryn Mangold wuchs auf in einem kleinen Dorf, das Zwei Dekaden später kam ein Fremder in das Dorf und
mitten im Antrimwald gelegen war. Als er sein fünfzehntes erkundigte sich nach den beiden. Nicht lange, und heraus

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kam, dass es Duryn war, den nach all dass es von einem Feuer herrührte, neben seine Knie fallen. „Fasst meine Hand,
den Reisen in fremde Länder die Sehn- dem er ein altes Weib sitzen sah. Dies er- Duryn“, sagte die Alte, „ich will Euch
sucht nach der Heimat befallen hatte. schütterte seinen Glauben etwas, da kein ein Ross reiten lassen, das euch bald
Als er hörte, dass Vater und Mutter tot Heiliger ihn führte, und er fragte sich, wie an das Ziel bringen soll.“ Mit diesen
auf dem örtlichen Anger lagen, da dieses Feuer vor ihm hatte herziehen kön- Worten führte sie ihn auf den Weg und
schien er voller Kummer und später nen. das Feuer ging vor ihnen her. Es über-
Reue. Er bat das Dorf um Vergebung, steigt menschlichen Verstand, zu sagen,
denn nie war es ihm der Wunsch ge- „Im Namen des Heiligen Grimbold“, wie solcherlei möglich ist, aber es ging
wesen, die Eltern zu vergessen. Mor- sprach er da, „wie vermag dieses Feuer fort, leuchtende Flammenzungen aus-
rian aber, die weise Verkünderin der sich vor mir bewegen, und wie vermag streckend und heftig prasselnd.
göttlichen Schwestern Travia und Pe- dieses alte Weib daneben zu sitzen.“
raine, der es gegeben war, mit den Gei- Kaum waren diese Worte verklungen, da Jetzt gelangten sie zu einer Höhle
stern der Erde zu sprechen, legte ihm stand er, ohne einen weiteren Schritt ge- an einer Hügelwand. Die Alte rief laut
einen Bußgang auf zum Heiligtum des tan zu haben, neben dem Feuer. Die alte mit kreischender Stimme nach ihrem
Grimbold, dem Helden des Antrim- Frau kaute ihr Abendessen und schaute Pferd. In einem Augenblick brauste ein
waldes. Dort solle er um Vergebung nun zornig auf Duryn. Ihre Augen waren pechschwarzes Pferd aus seinem dun-
bitten, vielleicht werde ihm dann der nicht von einer natürlichen Farbe, sondern keln Stall hervor und der Felsenboden
Wunsch gewährt, noch einmal seine schimmerten in einem feurigen Rot, als ertönte schauerlich, als die schallenden
Eltern zu sehen. seinen sie nicht mehr als ein Spiegel der Hufen darüber her schurrten. „Aufge-
Flammen. War zunächst sein Erstaunen sessen, Bursche!“ schrie die Hexe und
Duryn war sogleich bereit dazu und über das Feuer groß gewesen, so wunderte ihn mit übernatürlicher Kraft packend
in der Absicht keine Stunde zu verlie- er sich beim Anblick des Weibes umso zwang sie Duryn, sich auf den Rücken
ren, begann er seine Reise noch am mehr, und auch Furcht befiel ihn, denn er des Pferdes zu setzen. Duryn, jeden
selben Nachmittag. Noch bevor er aber urteilte, und zwar mit Recht, dass sie ei- Widerstand vergeblich findend, mur-
weit kam, verdunkelten dichte Wolken nes guten Vorhabens wegen nicht an ei- melte bitter: „Hätte ich nur Sporen!“
den Himmel und tauchten das Unter- nem so einsamen Ort ihr Abendessen ver- und versuchte in die Mähne des Ros-
holz in Dunkelheit. Die Nacht kam zehre, zumal so spät, denn es war tiefste ses zu greifen, doch er griff nach ei-
schnell, und mit ihr zog dichter Nebel Nacht. Sie aber sprach nicht, sondern kau- nem Schatten. Dieser nahm ihn gleich-
zwischen die Bäume. So weitgereist er te leise weiter. wohl auf, sprengte fort, bald über ei-
auch war, in den heimatlichen Wäldern nen gefährlichen Abgrund setzen, bald
fand sich nur schwerlich zurecht. Sein „Wie heißt Ihr?“ fragte endlich die über das wild zerrissene Bett eines
Eifer, das Heiligtum zu erreichen war Hexe und ein Schwefelhauch kam aus Flusses fliegend. Gleich einem dun-
zwar groß, doch ohne einen Führer ge- ihrem Mund, wobei sie die Nüstern auf- keln, mitternächtigen Strom rauschte
lang es ihm kaum mehr, den Weg im blies und ihre Augen noch mehr funkel- das Ross über die Hügel und Wälder,
Unterholz auszumachen. Es wird kurz ten, nachdem sie die Frage getan hatte. nach Ysraeth, der Wachsamen und bis
vor der Mitternachtsstunde gewesen Seine ganze Herzlichkeit aufbietend ant- zum Brunnen im Tal der schönen Grä-
sein, als er schließlich nicht weit ent- wortete er: „Duryn Mangold, Euch zu die- fin. Dem unwilligen Reiter schwanden
fernt ein Licht erblickte, das schwach nen“; doch waren die letzten Worte bloß alsbald die Sinne, und alle Bilder ver-
durch den Nebel schimmerte. Er ging als eine Höflichkeit gemeint. schwammen in einem dunklen Traum.
darauf zu, aber es kam auch nach vie-
len hundert Schritt nicht näher. Zu- „Hoho!“ rief da die Alte, „Das wird Am folgenden Morgen ward Duryn
nächst darüber verwundert, nahm Du- sich bald zeigen!“ und das rote Feuer ih- Mangold von einigen Wallfahrern ent-
ryn dies als ein Zeichen des Grimbold, rer Augen verwandelte sich in ein blass- deckt, die vom Heiligtum des Grim-
das ihn zu seinem Heiligtum geleiten grünes Schimmern. So kühn und furcht- bold zurückkehrten. Er lag, auf dem
sollte. los auch Duryn war, zitterte er doch hef- Rücken ausgestreckt, unter einem stei-
tig, als er den grauenhaften Ruf vernahm. len Abhang, von welchem er herab ge-
So wanderte er lange durch den Er wollte auf seine Knie fallen und den fallen war. Bei der Enthaltsamkeit Tra-
Wald, immer, wie er glaubte, dem Licht heiligen Grimbold oder sonst einen Hei- vias gelobte er, nie wieder mit Schnaps
sich nähernd, welches plötzlich wieder ligen anrufen, war aber dermaßen von auf eine Wallfahrt aufzubrechen.
in weiter Entfernung gerückt war. Als Schrecken erstarrt, dass er sich nicht im
er ihm endlich nahe kam bemerkte er, geringsten rühren konnte, geschweige auf - nach einem irischen Märchen (jm)

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Die Kirchen der Zwölfgötter in Nostria
Teil 1: Von Praios bis Hesinde
Der Götterglaube in den Streitenden Königreichen ist durch eine Grenzgebieten. Schwertbruder Paricio Lafanti tritt in der Haupt-
starke Einbindung von Überlieferungen und Bräuchen, der Vereh- stadt häufig lautstark auf, um seine Ehrvorstellungen an die Men-
rung von Naturgeistern und Lokalheiligen geprägt und weniger schen zu tragen. Als Berater des Grafen Muragio Ansfinion macht
durch das Wort der Kirchenoberhäupter, die ohnehin allesamt im sich hingegen die Kriegerin Belaphana zunehmend einen Namen.
Ausland residieren. So haben sich auch in Nostria viele Strömun- Sie stammt ursprünglich aus den Reihen seiner Krieger, nach der
gen und Überzeugungen des Glaubens zu eigenen Kulten entwik- erneuten Eroberung Kendrars aber nahm sie die niederen Weihen
kelt. Dies findet sich in UdW S. 143 beschrieben. Im folgenden an und sorgt nun dafür, dass die Gebote der Göttin bei den Aktio-
soll auf die Position der zwölfgöttlichen Kirchen eingegangen wer- nen im thorwalschen Hinterland nicht zu sehr ins Hintertreffen ge-
den, ihren Einfluss und ihre Eigenheiten. raten.

„Wir sind das Reich“, pflegte König Kasimir IV. in Be- Zweifellos den größten
zug auf seine Familie stets zu sagen, und so sieht es Einfluss auf die Geschicke des
auch die hiesige Praios-Kirche. Zu schwach, um Königreichs hat die Bruder-
sich gegen die Selbstkrönung des Monarchen zu schaft von Wind und Wogen. Die
erheben, beschloss man seinerzeit, den An- Menschen an der Küste wissen, dass
spruch des Hauses Kasmyrin auf den Königs- sie auf das Wohlwollen des launenhaf-
titel zu unterstützen, wollte man doch nicht ten Efferd angewiesen sind und opfern ihm
gegen die praiosgefällige Herrschaft versto- eifrig. An Schreinen verehrt man dort nicht
ßen. Nominell ein Teil der Ordo Gryphonia, nur ihn, sondern auch die Winde aus sei-
sind ihre Bindungen zu den mittelreichschen ner Gefolgschaft. Der alljährlichen Ritus
Erhabenheiten nach dem Tode des am Stein von Nosteria, bei dem die Fisch-
Inquisitionsrates Gambert von Thuranien königin erwählt wird, findet stets unter den
und dem Abfall Albernias vom Reich weiter Augen eines Efferd-Geweihten statt. Auch
im Schwinden begriffen. Nur zwei wichtige die Krönung Königin Yolandes wurde von der
Tempel besitzt die Kirche in Nostria, die Halle Priesterschaft Efferds durchgeführt. Tiefe
der erleuchteten Synode (des hiesigen Kirchenra- Verehrung genießt die Heilige Elida von
tes) in Trontsand und der Tempel des reini- Salza - und das nicht nur in ihrer Heimat-
genden Himmellichtes in Arraned. Die Inqui- stadt. Mit dem Perlmutt-Tempel im Thuran-
sition ist nach einigen fragwürdigen Prozessen im Jahr 1851 see beherbergt Nostria (oder Andergast, je
nicht mehr in Nostria anzutreffen gewesen. Nach dem Willen nach Sichtweise) gar ein Heiligtum des Gottes in seinen Gren-
der Königin soll dies auch so bleiben. zen. Da die Kirche ohnehin nicht besonders hierarchisch orga-
nisiert ist und die Individualität der Geweihten als heilig gilt, hat
In Nostria sitzt das Schwert locker, das zeigen nicht erst die es in Nostria viele Formen der Efferdverehrung.
unzähligen Kriege mit dem Erzfeind Andergast. Wen wundert es
da, dass der Rondra-Kirche eine besondere Rolle zukommt? Ob- Auch Travia wird im Volk in vielerlei Form verehrt, und es ist
zwar der Adel Nostrias sich besonders durch hochtrabende Reden wohl dieser Umstand, der für eine sehr starke Lokalprägung der
und ausgefallene Festakte zu Ehren der donnernden Leuin auszeich- Kirche sorgt. So existieren zwar größere Tempel in Nostria, Salza
net, zu nennen ist das ausschweifende Königsturnier im Rondra- und Elger, deren Geweihte dem mittelländischen Kanon folgen.
mond, so soll doch nicht verschwiegen werden, dass die Kirche Anders sieht es auf dem Land aus, wo sie sich im Rahmen der ört-
besonders auf den Erhalt der Kriegsehre pocht, drohte diese doch lichen Gebräuche bewegen und wo das Leben als Teil der Dorfge-
in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder in Kriegswirren und meinschaft wichtiger ist als die Verkündungen weit entfernter Kir-
taktischen Überlegungen unterzugehen. Besonders zahlreich sind chenfürsten. So ist die Göttin vielerorts im Glauben der Menschen
die Geweihten der Rondra nicht, sie wissen aber durch Auftreten zu finden und auch durch Priester vertreten, von einer organisier-
auch an entlegenen Orten den Glauben an die Kriegsgöttin zu ver- ten Travia-Kirche lässt sich aber kaum sprechen.
mitteln. So sind ihr auch nur wenige Tempel, dafür aber umso mehr
Schreine geweiht, gerade in den Jahrhunderte lang umkämpften Dass die Boron-Kirche eine dauerhafte Beschäftigung im Land

24 Irdisches zu Nostria
zwischen Ingval und Tommel erfährt, dürfte niemanden verwun- die das Kloster von Yoledamm neu begründete. Seit der Zerstörung
dern. Nicht herumgesprochen hat sich, dass sie mit Lyckmoor prak- desselbigen sieht er es als seine göttergegebene Pflicht an, jedem
tisch über eine freie Reichsstadt verfügt, verwaltet doch der hiesi- Thorwaler, der ihm begegnet einen schnellen Tod zu bringen.
ge Boron-Geweihte Boronian Trochas Stadt und Umland für die
gerade mal 12 Sommer zählende Baronin Lysandra von Lyckmoor, Von einer Präsenz der Hesinde-Kirche ist wenig zu spüren, ein-
welche jüngst ihr Noviziat im Orden des heiligen Golgari antrat. zig durch die Madaschwesternschaft ist sie in Nostria vertreten.
Nostria ist die Heimstatt einiger geschichtlicher und gegenwärti- Diese hat aber im Verborgenen einiges an Einfluss und Wissen sam-
ger Strömungen der Boron-Verehrung. Darunter fallen die Visaristen meln können und schickt häufig angeworbene Recken auf der Su-
in Ingfallspeugen, deren Kult 1014 BF ein Ende nahm, aber auch che nach weiteren Geheimnissen aus. Daneben sind Geweihte der
das kürzlich zerstörte Kloster von Yoledamm. Nicht übersehen Hesinde sowohl am Königlichen Hof von Nostria wie auch in der
werden sollte, dass viele Geweihten nach eigenem Ermessen durch Verwaltung Salzas als Berater anzutreffen. Die Spektabilität der hie-
das Land ziehen und sich nicht als Teil einer Kirche, sondern des sigen Magierakademie, Yasmina von Lyckmoor, stand für einige Zeit
heimatlichen Todeskultes sehen. Berüchtigt ist insbesondere Luthas in Briefkontakt mit dem Pentagon-Tempel in Gareth, dieser Austausch
Mortadh, ein Wanderprediger und Nachfahre der Stellana Mortadh, fand aber nach der Schlacht in den Wolken ein Ende. (tzs/jm)

Von den Lumpenhändlern Nostrias


„Morgen ist es wieder soweit. Großvater wartet schon seit Ta- ob nun aus dem Nachbardorf oder von weit entfernt. So auch die
gen. Und auch ich kann es kaum erwarten, dass er endlich da ist. In Mythen und Sagen anderer Regionen, die sie des Abends am wär-
aller Morgenfrühe werde ich aufstehen, den Kamin befeuern und menden Feuer im Kreise der Dörflern vortragen. Kaum ein Mann
einen guten Tee aufsetzen. Letzten Praiostag hat Großvater das letzte oder Frau wird als herumfahrender Händler geboren, häufig ist es
bisschen Kraut in seiner Pfeife geraucht. Da wird es höchste Zeit, eine Laune des Schicksals, die sie von zuhause forttreibt. Viele
dass er endlich kommt und Neues bringt. Vielleicht darf ich mich bleiben zeitlebens ohne feste Bindung, sollten sie aber den Travia-
schon morgen zu ihnen setzen und den Gesprächen lauschen. Viel- bund vollziehen, so versuchen sie zumeist auch, ein festes Heim zu
leicht darf ich auch wieder eine seiner Tauben streicheln. Große, finden, denn ihr Gewerbe reicht schon kaum aus, um eine Person
fette, graue Dinger hält er in einem kleinen Schlag an seinem Wa- durchzubringen. Auch wenn immer mal wieder ein Landesherr
gen. Überhaupt hat der alte Lumpenhändler immer so viel zu er- gegen sie vorgeht und ihr Treiben als unehrlich brandmarkt, so sind
zählen. Manchmal denke ich, Großvater kennt ihn schon seit sei- sie doch bei der Obrigkeit besser gelitten als andere Fahrende wie
ner Kindheit. So vertraut sind sie miteinander. Das letzte Mal hat Bänkelsänger, Scharlatane und Quacksalber. Und nicht selten sind
der Lumpenmann erzählt, dass in Vinkenberg eine dreiköpfige Kuh Lumpenhändler selbst Auftraggeber für wagemutige Recken.
geboren worden ist. Jetzt bin ich schon gespannt, was mit ihr pas- Schließlich findet sich auf ihren Kutschen nicht selten ein altes
siert ist. Wahrscheinlich hat Bauer Mersengelt sie geschlachtet, aber Buch, das sich nicht öffnen lässt, ein Amulett, das wenn man es
vielleicht gibt sie ja auch Milch für drei? Oder ist’s ein Zeichen der nur leicht berührt, zu leuchten beginnt oder ein Brief, den ein toter
Dämonen? Wäre es doch schon morgen früh. Ich kann es kaum Wanderer am Wegesrand bei sich trug und der jetzt zu seinem Be-
erwarten...“ stimmungsort gebracht werden muss.
-Wirgo, Bauernjunge im Hinteringvalschen
Fenn Huchsvell – ein Lumpenhändler
Dort, wo gut organisierte Botenreiter und Postkutschen rar sind, Die Töpfe scheppern, die Räder knarren laut über die steinige
kommt dem Fahrenden Volk eine große Bedeutung zu. In Nostria Straße und über allem Gurren die Tauben – so hört es sich an, wenn
sind es die Lumpenhändler, die das Straßenbild prägen. Mit ihren Fenn Huchsvell mit seinem bunt bemalten Kastenwagen von Dorf
klapprigen Leiter- oder Kastenwagen fahren sie über die lehmigen zu Dorf zieht. Die beiden wohlgenährten Zugpferde Ruta und Raul
Straßen von Dorf zu Dorf. Zumeist sind ihre Wagen gefüllt mit ächzen schwer unter der Last des voll gepackten Wagens. Ein paar
wertlosem Tand: alte Kleidung, ausgetretene Lederschuhe, Kreide- Meilen fahren, einen Tag Pause – an diese Regel halten sich fast
stummel, stumpfe Waffen. Wahrlich, ein großes Geschäft kann man alle Lumpenhändler. Sie machen es Fenn Huchsvell gleich, einem
bei ihnen nicht machen. Trotzdem sind die fahrenden Händler gern Mann in den Mitvierzigern, schlank und groß. Obwohl er seinen
gesehene Gäste, da sie Geschichten aus fernen Landstrichen mit Leib nur in einfache Fuhrmannstracht hüllt, ist sein Äußeres stets
ins öde und harte Dorfleben bringen. So ist ihre Ankunft eine will- gepflegt, das blonde Haar ordentlich auf Schulterhöhe geschnitten,
kommene Abwechslung für jeden Bauern, der Tag um Tag nur sei- das Gesicht rasiert und die Nägel sauber. Das einzige Schmuck-
ne Scholle sieht. stück, das er um den Hals trägt, ist ein silberner Fuchs. Kein Wun-
der, denn Phex ist der Schutzgott der umherziehenden Lumpen-
Lumpenhändler sind die klassischen Informanten abseits der gro- händler. Seine freundlichen graublauen Augen blicken jeden Frem-
ßen Städte. Bei ihnen kann man die neuesten Geschichten hören, den aufmerksam und neugierig an. Neben sich auf dem Kutschbock

Irdisches zu Nostria 25
steht zumeist ein großes Fass Bier. Die Zahl derjenigen, denen er aufgeschnappt hat. Oder besser: er singt sie seinen gefiederten Lieb-
begegnet, ohne sie zu kennen, nimmt stetig ab. Schließlich durch- sten vor:
reist Fenn Nostria bereits seit vielen, vielen Jahren. Er kennt fast
jeden Stock und Stein, kennt Ammen, Bauern und Ritter. Gerade „Über Stock und über Stein
deshalb nimmt er gerne Wanderer ein Stück des Weges mit, trinkt das ist der Weg, der soll es sein.
mit ihnen und lässt sich Geschichten erzählen. In fester Begleitung Stetig, stetig geht’s voran
reist Fenn jedoch fast nie. Seine Freunde sind die Tauben, die in mal bergab und mal bergan.
einem grob gezimmerten Schlag am Heck des Wagens gemütlich Von Dorf zu Dorf, so ziehen wir
vor sich hin dösen oder um den Wagen fliegen. Ihnen erzählt er die Überall wird Halt gemacht – das gute Bier.“
Geschichten, Sagen und Neuigkeiten, die er auf seinem langen Weg (gg/tzs)

Die Schuldnerbande
Ein Szenario für 3-5 unerfahrene Helden
Von Tahir Zia Shaikh und Julian Marioulas

Ort und Zeit der Handlung: Nostria gelangt ist nicht von Relevanz. Sorgen sie nur dafür, dass
Nostria und Umgebung, Mitte Phex 1027 BF die Helden im Phex 1027 BF im Hotel Nostrischer Hof verweilen.

Hintergrund Andere Wege ins Abenteuer


Seit Ende des Jahres 1026 BF/1880 d.U. kam es im Umland der * Die Helden werden auf ihrer Reise durch Nostria Zeuge oder
nostrischen Hauptstadt vermehrt zu Überfällen auf Reisende, Händ- Opfer des neuesten Raubzugs der Schuldner. Ob sie nun aus
ler und Adelsgesellschaften. Schon bald war allerorts von der Gerechtigkeitssinn, Ehrgefühl oder aus der Notwendigkeit, ihr
Schuldnerbande und ihrem Anführer Jasper die Rede. Nach der gestohlenes Gut wiederzugewinnen handeln, hängt von Ihrer
Seuche in den Monaten Rondra und Efferd 1027 BF weitete Jasper Spielrunde ab. Bestimmte Charaktere neigen dazu, einen höhe-
seine Untaten auch auf die Hauptstadt aus und versuchte, dort ei- ren Grad an Motivation zu fordern. Sorgen Sie aber dafür, dass
nen festen Bandensitz zu errichten. Dabei geriet er schnell mit den die Helden keinen unnötig großen Groll gegen Jasper persön-
Grünkappen aneinander, die ihn nach nur wenigen Tagen überwäl- lich hegen, damit sie ihm später hilfreich zur Seite stehen kön-
tigten. Danach lieferten sie Jasper der Stadtgarde aus, und er wur- nen.
de im Schuldturm der Stadt festgesetzt. Schon bald aber entkam er * Als Abschluss ihres letzten Abenteuers werden die Helden von
dank der Betörungskünste seiner Kumpanin Noraleth Windhuser einem Haufen übereifriger Königlicher Gardisten verdächtigt,
und eines Handels mit dem Grolm Krum’pur. mit der Bande im Bund zu stehen. Jetzt müssen sie beweisen,
dass dem nicht so ist und die Schuldner überführen.
Einstieg ins Abenteuer * Die Krönung der neuen Königin gibt Helden sicherlich Argu-
Dieses Kurzabenteuer bietet Ihnen die Möglichkeit, die Helden mente, das abgelegene Nostria zu besuchen. Gerade nach der
an den Ereignissen teilhaben zu lassen, die den Räuberhauptmann Seuche gibt es genügend Gründe, mal ‚nach dem Rechten’ zu
Jasper aus Nostria forttreiben und ihn schließlich in die Waldwildnis schauen.
am Ornib verschlagen. Das Szenario ist zwar für Einsteigerhelden
ausgelegt, sie sollten aber eine erste Begegnung mit den Schuld- Anwerbung
nern überleben können. Da ein Teil des Szenarios in den weitläufi- Die Helden werden vom Königlichen Majordomus Toran vom
gen Wäldern spielt, bieten sich Helden wie Jäger, Kundschafter Lichte persönlich im Hotel Nostrischer Hof angesprochen. Er führt
oder Hexe gut an. Zumindest ein Held sollte einen guten Leumund sie in einen vornehmen Salon, die Schankmaid des Hauses bringt
besitzen oder von Stand sein, damit die Anwerbung durch den Gebäck und Tee. Sobald die Atmosphäre entspannt ist, kommt der
Majordomus erfolgen kann. Überwiegend städtisch geprägte Hel- Majordomus zum Thema und bittet die Helden, im Namen der Kö-
den, sei es der Streuner oder der stets um ein gutes Aussehen be- nigin nach einem flüchtigen Verbrecher zu suchen. Es handele sich
mühte Höfling, dürften im ersten Teil glänzen, dafür aber in der um Jasper den Schuldner, der in den letzten Monden immer häufi-
Wildnis Schwierigkeiten haben. Wie die Gruppe letztlich nach ger Überfälle auf Bürger und Adel begangen hat. Obwohl man sei-

26 Irdisches zu Nostria
ner bereits habhaft war, entfloh der gewitzte Wirrkopf dem Schuld- Geweihten zu befragen, stehen sie erst einmal vor dem Problem,
turm Nostrias und verschwand in den weiten Wäldern. Seither sind diesen zu finden, hat der Tempel doch keinen dauerhaften Stand-
drei Wochen vergangen, und schon wurde von neuen Überfällen ort. Es gilt nun, den fahrenden Wagen des hiesigen Vogtvikars
im Umland der Stadt berichtet. Die Königin hoffe, mit Hilfe der Melsarion Kustodis aufzuspüren. Melsarion ist von kräftiger Sta-
Helden dem berüchtigten Räuberhauptmann endlich das Handwerk tur, trägt einen Schnauzbart und hat funkelnde, helle Augen, die
zu legen. Sie ist sich im Klaren, dass ihre Gardisten mit dieser zwischen seinen immerroten Wangen hervorblinken. Er verzichtet
Aufgabe überfordert sind und setzt nun alle Hoffnungen in fremde gerne auf konventionelle Anreden und Höflichkeitsfloskeln, beson-
Hände. Sollten Ihre Helden Ausrüstung benötigen, wird das eine ders Fremden tritt er aufgeschlossen und interessiert entgegen, so
oder andere Hilfsmittel bereitgestellt. auch ihren Helden. Seinen fahrenden Tempel bezeichnet Melsarion
gerne als Schattenbörse. Hier wird stets gehandelt – weniger mit
Erste Ermittlungen Geld als mit Informationen. Seien es die neuesten Gerüchte vom
Vermutlich werden Ihre Helden als erstes versuchen, in der Stadt Hofe, aus der Provinz oder gar geheimnisvolles Wissen längst ver-
Informationen zu sammeln. Da es bekanntlich nicht vorhersagbar ist, gangener Tage. Obwohl Melsarion bevorzugt die Küste und die
an wen genau sie sich wenden, hier eine Auswahl möglicher An- Tommellande bereist, ist er so auch über Neuigkeiten aus fernen
sprechpartner. Für die weitere Ausgestaltung der Stadt empfiehlt sich Teilen „Liebnostrias“ im Bilde. Selbstverständlich ist Melsarion
die Beschreibung Nostrias in UNTER DEM WESTWIND. So ist natürlich bestens über die Aktivitäten von Jasper unterrichtet, spendet dieser
im Umfeld der Grünkappen einiges zu erfahren, nur ist schon der doch dem Phex jedes Mal einen nicht unerheblichen Teil seiner
Versuch, mit ihnen in Kontakt zu treten, kein Zuckerschlecken. Die Beute. Genauso selbstverständlich wird er den Helden keine Infor-
städtische Verwaltung hingegen ist froh, dass Jasper kaum mehr in mationen über Jasper und seine Truppe zukommen lassen. Einem
der Stadt aktiv ist und kümmert sich wenig um die Angelegenheit. geschickten Helden mag es vielleicht (!) gelingen, durch kluges
Fragen etwas über Jaspers Helfershelfer in der Stadt heraus zu fin-
Lübbert Ochsenschenk, Hauptmann der Stadtgarde den.
Der stets überarbeitete Hauptmann der Stadtwache ist ein Vete-
ran der unzähligen Grenzkriege mit Andergast, dessen Zornesfalte Im Schuldturm
sogleich die Aufmerksamkeit eines jeden Betrachters auf sich zieht. Nachdem die Helden begonnen haben die ersten Spuren aufzu-
Übelgelaunt, wie es seine Art ist, wird er den Helden im Verlauf nehmen, wird schnell ersichtlich, dass Jasper und seine Bande so-
des Abenteuer keine große Hilfe sein. Wenngleich er ihre Ziele wohl in der Stadt, als auch außerhalb Hilfestellung genießen. Nur
offiziell begrüßt, kann sich Lübbert schon jetzt genau ausmalen, so ist zu erklären, wie er dauernd in die Stadt und wieder hinaus
welchen Schmähungen er und seine Truppe wieder mal ausgesetzt gelangen kann. Es gilt nun zuvorderst, diese Helfershelfer aufzu-
sein würde, sollten die Helden ihr Vorhaben erfolgreich zu Ende spüren und zu überführen.
führen, waren sie doch außer Stande, Jasper und seine Bande auf-
zuspüren. Lübbert wird den Helden zwar keine (größeren) Steine Schließlich ist im Schuldturm einiges zum Tathergang zu erfah-
in den Weg legen, aber jede ihrer Bewegungen missmutig beäu- ren. Der am Tag von Jaspers Flucht wachhabende Gardist Tomelio
gen. Sollte er eine Möglichkeit sehen, den Erfolg der Helden für Urdinger verbringt inzwischen die meiste Zeit mit dem Sauberma-
sich verbuchen zu können, wird er sie nutzen. Die meiste Zeit hängt chen der Latrinen. Unter dem Versprechen, nichts an Hauptmann
er missmutig in der Flinken Flunder herum. Ochsenschenk zu verraten, weiß er schamvoll zu berichten, dass
eine junge hübsche Dame (Noraleth) ihn mit einem Haufen von
Gaspario Syffersen, Goldschied und Hehler Fragen zur Stadtgarde für einige Zeit abzulenken wusste, und kurz
Der rundliche Mittfünfziger mit der altersbedingten Halbglatze darauf Jasper verschwunden war. Die Beschreibung Noraleths trifft
ist Jaspers erste Adresse um Beute loszuschlagen. Gaspario kennt ziemlich genau auf die Schankmaid zu, der die Helden im Nos-
kaum Skrupel, wenn es um die Vermehrung seiner geliebten Gold- trischen Hof begegneten.
dukaten geht und ist darum mehr als willig, Jaspers Waren zu ei-
nem guten Preis anzunehmen. Er ist aber schon nach leichter Ein- Zurück im Nostrischen Hof
schüchterung bereit, alles über seine Verbindung zu dem Schurken Jaspers Verbindung in der Stadt ist die Schankmaid Noraleth
auszuplaudern. Wo genau sich dieser aufhält, vermag auch er nicht Windhuser, die im Nostrischen Hof arbeitet und ihn so über die
zu sagen. Jasper soll aber über ein Versteck im Wald verfügen, das Absichten der Helden informieren kann. Sie ist es auch, die ihn
er zwischen seinen Raubzügen regelmäßig aufsucht. Wenn die Hel- regelmäßig im Heuwagen unbemerkt an den Torwachen vorbei in
den geschickt vorgehen und ihm versprechen, dass er ungeschoren die Stadt schleust. Nur so ist er in der Lage, seine reichhaltige Beu-
davon kommt, ist er einverstanden, Jasper bei seinem nächsten Be- te in Brand und Geschmeide umzusetzen. Vorwürfe der Mittäter-
such zu verraten, so dass sie ihm unbemerkt in sein Waldversteck schaft wird Noraleth von sich weisen. Einem besonders einfühlsa-
folgen können. Gasparios ‚Schmiede’ ist im Alten Zeughaus der men Helden mag es aber gelingen, ihr das ein oder andere abzu-
Stadt untergebracht. schwatzen. Sie gibt dann zu verstehen, dass Jasper eigentlich schon
lange mit dem Schurkendasein brechen will, was ihm aber auf-
Die Schattenbörse grund seiner Bekanntheit wohl auf ewig verwehrt bleiben wird.
Sollten die Helden auf die Idee kommen, den örtlichen Phex- Wenn die Helden es gar schaffen, ihr Vertrauen zu gewinnen, wird

Irdisches zu Nostria 27
sie ihnen auch von dem unterschriebenen Schuldschein erzählen, hen. Sollten die Helden aber rücksichtslos ihren Weg durch die
mit dem Krum’pur Macht über Jasper ausübt. Wenn die Helden zum Teil unberührte Landschaft bahnen, erweist sich der Wald-
geduldig abwarten, können sie Noraleth auf ihrem Weg ins Ver- geist als rachsüchtiger Quälgeist, der jeden Frevel an ‚seinem’ Wald
steck der Bande folgen (dies kann aber auch erst nach einigen Ta- unbarmherzig verfolgt. Folgen können wohlmöglich eine gerisse-
gen geschehen). In diesem Fall werden sie von Jasper in Lager- ne Bogensehne oder ein flinker Difar sein und richtet sich nach
nähe überrascht, der ihnen, so er von der Aufrichtigkeit der Helden dem Schaden am Wald. Lebensgefährlich sind die Attacken nicht,
überzeugt, hernach von seinem Problem erzählt und um ihre Hilfe wohl aber unliebsam und nervenaufreibend, schrecken die Dry-
bittet. aden doch auch vor einer längeren Verfolgung nicht zurück. Dies
mag auch eine Möglichkeit für den Meister sein, unliebsame Aus-
Der Weg in den Wald rüstungsgegenstände ihrer Helden loszuwerden und ihnen den nö-
In der zum Teil unüberschaubaren Wild- tigen Respekt vor der Umwelt zu vermit-
nis der nostrischen Lande steht Jasper der teln.
verschlagene Krum’pur zur Seite, ein erfah-
rener grolmischer Späher und Magiedilet- Das Versteck der Bande
tant, der nach einigen Untaten in Greifen- Durch unwegsames Gelände führt der
furt bei den Spießgesellen Jaspers unterkam. Weg die Helden an der Küste entlang zu ei-
Mit seiner Hilfe gelang es dem Räuber- nem Wald aus Fichten und Eichen, der sich
hauptmann, seinen Häschern über einen nach einiger Zeit sehr verdichtet (auf den
Götterlauf immer wieder zu entschlüpfen. Karten ‚Nordwest-Aventurien’ und ‚Das
Er ist inzwischen auch die treibende Kraft Fürstentum Albernia’ nordwestlich von
in den Reihen der Schuldner und der eigent- Nostria-Stadt an der Straße nach Trontsand).
liche Gegenspieler der Helden, zwingt er Ob sie nun Noraleth heimlich folgen, oder
doch Jasper mittels eines mit Blut unter- aber selbst den Weg zum Versteck gefun-
schriebenen Schuldscheins zu immer wag- den haben, spielt keine Rolle. So oder so
halsigeren Unternehmungen. Bisher ist es werden sie am zweiten Tag bei Einbruch der
Jasper nicht gelungen, den magischen Fo- Dämmerung den Schlupfwinkel erreichen.
kus in die Finger zu bekommen, da ihn der Dort aber sehen sie sich einem Dutzend Ha-
Bann davon abhält, Krum’pur zu wehren. lunken gegenüber, die sie nur schwerlich mit
Sein Stolz und seine Reputation dagegen Gewalt niederringen können. Jetzt gilt es
verhindert, dass er der Bande von dem einen findigen Weg zu beschreiten, Jasper

Toran vom Lichte


Schuldschein erzählt. von seinen Kumpanen zu trennen. Im Fol-
genden gehen wir davon aus, dass die Hel-
Mögliche Zufallbegegnungen den sich der Sache selbst annehmen und
Während der Reise bietet sich die Möglichkeit, ihre Helden in nicht in Nostria Hilfe anfordern.
das Flair des nostrischen Landes einzuführen. Es regnet unentwegt, Hinter dichtem Gestrüpp liegt gut verborgen eine kleine Lich-
kaum eine Menschenseele verirrt sich bei diesem Wetter unnötig tung, die Jasper und seiner Truppe derzeit als Hauptquartier dient.
ins Freie. Und wenn doch, dann kann man sicher sein, einen der Neben einer kleinen Holzhütte stehen hier einige braune Leinen-
grummeligen Köhler, verlumpten Vaganten oder einsamen Fischer zelte, vor denen Männer, Frauen und sogar Kinder sitzen. Seile
zu begegnen. Hier zählt allein das Recht des Stärkeren. Und ein führen zu versteckten Wohnbereichen in den Baumkronen und im-
jeder nennt das sein Eigen, was er mit dem Schwert oder dem mer wieder sieht man eine Gestalt behände den Baum emporstei-
Dreschflegel in der Hand verteidigen kann. In den Weiten der Wäl- gen. Etwas abseits gelegen und von zahlreichen Sträuchern flan-
der gibt es viele bisher kaum erforschte Gebiete, in denen immer kiert, zeichnet sich der steile Eingang einer natürlichen Höhle ab.
wieder geheimnisvolle Kreaturen hausen können. Besonders tük- Hier befinden sich neben dem Beutegut, welches die Bande nicht
kisch, aber auch sehenswert sind die vielerorts anzutreffenden problemlos in Nostria umschlagen konnte, auch die Wohnstätte
Hexenlöcher, aus denen dunstartige, grünliche Nebelschwaden auf- Krum’purs. Ziel der Helden ist es, in diese Höhle zu gelangen, um
steigen und in denen der unvorsichtige Wanderer langsam, aber Jaspers Schuldschein an sich zu bringen.
beständig zu versinken droht.
Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass Ihre Helden, beim An-
Waldgeister blick der Räuber alle Vorsicht fahren lassen und sich der Bande
Bei ihrem Weg durch in der Wildnis mag den Helden durchaus offen entgegen stellen. Dies wäre sehr gefährlich, würden doch die
einer der geheimnisvollen Waldgeister begegnen. Wie sich dieses Helden im darauf folgenden Kampf vermutlich unterliegen. Soll-
Zusammentreffen gestaltet, hängt stark vom bisherigen Verhalten ten sie jedoch offensichtlich im Besitz des Schuldscheins sein, wird
der Helden ab. So sie umsichtig vorgehen und den Wald nicht un- sich Jasper augenblicklich auf die Seite der Helden schlagen, sieht
nötig schädigen, z.B. Feuerholz vom Boden sammeln, etc., wird er doch in ihnen die letzte Möglichkeit, seiner unliebsamen Situa-
ihnen der kauzige Forsthüter vielleicht gar helfend zur Seite ste- tion zu entkommen.

28 Irdisches zu Nostria
Das Finale dankbar zeigen. Im Folgenden gehen wir davon aus, dass die
Wenn die Helden in der Lage sind, den Schuldschein in ihre Helden mit Jasper Freundschaft schließen und ihm die Freiheit
Hände zu bringen, ist das Ende des Grolms abzusehen. Er wird schenken. Sollten sie ihn dagegen gefangen nehmen, wird er
versuchen zu fliehen, sobald er eine Chance dazu erhält. Kann nach einigen Wochen erneut ausbrechen. Schon bald wird er
er den Helden nicht entkommen, wird er bis zum Schluss kämp- sich dazu entschließen, sein Glück am anderen Ende des Kö-
fen und dabei jeden schmutzigen Trick und jedes greifbare Hilfs- nigreiches zu versuchen und die Bande neu aufzubauen.
mittel einsetzen, um doch noch zu entkommen. Dabei schreckt
er auch vor Kratzen und Beißen nicht zurück. Es mag durchaus Toran vom Lichte zeigt sich über den Ausgang der Ereignisse
sein, dass sich ein Streit zwischen den Räubern ergibt, so dass wenig erfreut, denn was die Helden ihm auch erzählen, Fakt ist,
sich einige auf Seiten der Helden schlagen, andere dagegen dass Jasper entkommen konnte. So bleibt eine materielle Belohnung
Krum’pur folgen. Sobald der Kampf vorüber geht wird Jasper aus. Trotzdem konnten die Helden einige Erfahrungen sammeln und
seine gesamte Eloquenz aufbieten (und seinen Charme gegen- so empfehlen wir 150 - 200 AP und spezielle Erfahrungen auf Gassen-
über einer weiblicher Heldin ausspielen?) und sich aufrichtig wissen, Fährtensuchen oder andere passende Talente.

Dramatis Personae
Toran vom Lichte, Königlicher Majordomus Habe zu erleichtern. Nachdem er von Königlichen Gardisten fest-
Der mittlerweile in Ehren ergraute Majordomus erweist sich gesetzt wurde, gelang ihm eine Aufsehen erregende Flucht aus dem
zunehmend als Glücksgriff für die angeschlagene Bürokratie in Schuldturm der Stadt. Seither erreichen seine Raubzüge ganz neue
Nostria, die in den letzten Jahren immer ungenierter um sich ge- Dimensionen.
griffen hat. Vormals unter König Kasimir als Hoher Herold oft in
den nostrischen Landen unterwegs, schenkt ihm auch Königin Herausragende Eigenschaften:
Yolande das Vertrauen. Der kleingewachsene Höfling mit dem stän- MU 14, CH 14; Gutaussehend, Glück; Eitelkeit 8, Goldgier 8
dig währenden Lächeln eines tulamidischen Basarverkäufers und Herausragende Talente:
den listig blitzenden Augen verdankt seinen rasanten Aufstieg der Schlösser knacken, Singen, Taschendiebstahl
prächtig gewobenen Fassade eines großväterlichen Freundes. So Kampf-Sonderfertigkeiten:
mimt er lediglich den unfähigen Geck, der von allen belächelt wird, Aufmerksamkeit, Finte, Schnellziehen, weitere nach Meister-
dahinter verbirgt sich jedoch ein messerscharfer Verstand ohne jede entscheid
Skrupel. So ist er zwar Königin und Vaterland treu ergeben, doch
in der Wahl seiner Mittel ist der Mann mit dem kunstvollen Bak- Krum’pur
kenbart wenig zimperlich. Der für einen Grolm ungewöhnlich kämpferische Krum’pur hat
es auf dunklen Wegen geschafft, Jasper einen mit Blut unterschrie-
Noraleth Windhuser, Schankmaid benen Schuldschein abzuhandeln. Nur mit diesem Pfand erklärte
Die junge und hübsche, wenngleich nicht besonders kluge sich Krum’pur bereit, Jasper bei seiner Flucht zu unterstützen. Der
Schankmaid hat ihr Herz schon früh an den einnehmenden Beutel- unbekümmerte Jasper willigte ein und ist seitdem gezwungen sei-
schneider Jasper verloren. Anfangs beschenkte er sie mit Schmuck nen Befehlen folgen. Der gerissene Grolm stammt ursprünglich
und Geschmeide, das er auf seinen Raubzügen erbeutet hatte, spä- aus dem Finsterkamm, musste aber wegen seiner verbrecherischen
ter zog er sie immer tiefer in seine Machenschaften hinein. Sich Umtriebe fliehen. Mit der Hilfe von Jaspers Bande hat er es zu
anfangs in der Rolle der beneideten Räuberbraut wohl fühlend, folg- einem ansehnlichen Vermögen gebracht.
te sie Jasper bereitwillig auf seinem Weg. Erst als die Aktionen der
Schuldner immer brutaler und gefährlicher wurden, keimten Zwei- Herausragende Eigenschaften:
fel in ihr auf. Seit kurzem versucht sie vergeblich, Jasper zur Um- KL 13, GE 14, KK 11; Gefahreninstinkt; Goldgier 7
kehr zu bewegen. Auch nach seiner Flucht trauert Noraleth ihm Herausragende Talente:
nach und spielt mit dem Gedanken, das Leben in der Hauptstadt Fährtensuchen, Rechnen, Sinnenschärfe
aufzugeben und ihm ins Ungewisse zu folgen. Kampf-Sonderfertigkeiten:
Ausweichen II, Improvisierte Waffen, Wuchtschlag, weitere nach
Jasper, genannt ‚Der Schuldner’ Meisterentscheid
Als Sohn eines Schäfers 1000 BF in Trontsand geboren, geriet Besonderheiten:
der naive, strohblonde Wirrkopf mit den strahlend blauen Augen Krum’pur beherrscht grolmische Magie, insbesondere die Merk-
schon früh auf die schiefe Bahn. Um das luxuriöse Leben zu finan- male Objekt, Herrschaft und Eigenschaft. Seine AE beträgt 25.
zieren, nach dem er stets strebte, verschuldete er sich immer wei- Informationen zur grolmischen Repräsentation sind in MWW
ter, bis er dazu überging, heimkehrende Marktbesucher um ihre S. 120-121 zu finden.

Irdisches zu Nostria 29
Wandel um Storsjen
Im Heimatdorf der Blitzspötter kam es in den letzten Monden zu einigen Veränderungen. Doch nicht nur Gutes gibt es zu
berichten, denn ein wüster Streit zwischen den Storsjern und Muryt musste gar vor den Jarl getragen werden, und dessen
Richtspruch wird die Verhältnisse im Merektal nachhaltig beeinflussen.

Doch lassen wir den Storsjer Skalden, Bjarni Bjarnildasson, berichten, was sich in Storsjen und im Jarltum Njurunsgard
zutrug:

Heimkehr der Herferder und Wahl des Hetmanns


„Aus dem Norda und dem Reich der es doch, die uns jene Stellung in der Re- mer noch um sein Leben rang. So waren
Eishexe kehrten wir heim. Lange hatte gion und unter den Ottajaskos unseres nun auch Geschichten von jenen Rekkern
unsere Fahrt gedauert, und viele unserer Volkes sicherte, die wir heute einnehmen. und allerlei Gerüchte um die Schlacht und
Rekker hatten im Eis den Tod und in Ifirns Manch ein Fass wurde auf ihr Wohl an- die Lage in Albernia zu hören.
Ozean ihr Grab gefunden, die
anderen waren von den Stra- Zur Mittagsstund’ des näch-
pazen und ihren zum Teil sten Tages wurden wir in der
schweren Verletzungen ge- Halla der Arinbeornsons,
zeichnet. So fehlten uns eini- Asgrimas Sippe, die seit der
ge Hände auf der Ørnsvinge, Gründung der Blitzspötter de-
was unsre Fahrt verzögerte, ren Hetmann stellt, zusammen-
und wir erreichten erst zu Be- gerufen, und Isliva, die Swaf-
ginn des Sturmmondes den nirsdiarin, verkündete, dass es
Hjaldingolf und die Mündung gelte einen neuen Hetmann zu
des Merek. Nicht später hätte wählen, auf dass die Blitz-
unsere Heimkehr erfolgen dür- spötter nicht ziel- und orientie-
fen, denn nur wenige Tage dar- rungslos der Dinge harrten, die
auf fiel der erste Schnee und da kommen würden. Ich trug
Eis bildete sich am Fluss, die die alten Texte vor, die seit den
Fahrt merekaufwärts wäre un- Tagen unserer Vorväter regel-
möglich gewesen. ten, wie solch eine Wahl abzu-
laufen hatte, dann forderte
So aber kamen wir, die wir Isliva die Blitzspötter auf, Vor-
die Herferd überlebt hatten, schläge einzubringen, wer sich
bald darauf in Storsjen an, und, da uns geschlagen, manch ein Thin auf sie ge- denn als Hetmann eignen würde.
die Nachricht unserer Rückkehr voraus- leert, und selbst jenen Blitzspöttern, die „Valadur Asgrimasson!“ So tönten die
geeilt war, wurden wir mit einem stürmi- ihr Tun zeitlebens oft bemängelt hatten, Rufe aus den Reihen der Skipmader, und
schen Fest begrüßt. Doch nicht nur unse- stiegen beim Andenken an sie die Tränen wie aus einer Kehle riefen sie den Namen
re Heimkehr wurde gefeiert, wir gedach- in die Augen. des älteren Sohnes der Hetfrau. „Asgrima
ten auch der gefallenen Brüder und Auch uns Heimkehrende erwartete bit- hat ihn seit Kindesbeinen auf diese Auf-
Schwestern. Viele Geschichten aus ihrem tere Kunde: das thorwaler Aufgebot in gabe vorbereitet, er weiß die Skeidh zu
Leben waren in den Hallas und um die Albernia hatte in der Schlacht am Rodasch führen und die Rekker zu leiten. Er kennt
große Feuerstelle am Flusshafen zu hö- schwere Verluste hinnehmen müssen. die Bräuche und Gesetze die uns seit Hun-
ren, doch über keinen anderen wurde so Lialin Korsbörn war gefallen, und auch derten von Jahren gelten, er kennt die an-
viel geredet, wie über unsere gute Hetfrau von den anderen sechs Blitzspöttern, die deren Hetleute Thorwals und weiß mit
Asgrima. Nicht nur ihr Opfer im Kampf Invher zur Hilfe geeilt waren, hatten nur welchem wie umzugehen ist.“ Der Alte
gegen die Höllenhunde der Eishexe, auch die Askrasson-Zwillinge überlebt, von Faenwulf war’s, der so sprach. Jahrelang
all ihre früheren Taten lobten wir, war sie denen der schwer verwundete Eirik im- war er mit Asgrima gefahren, und er

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wusste wie wohl kein Zweiter, was sich die Sorgen und Probleme von sieben von Wahl zu stellen.“
die Hetfrau für die Zukunft der Ottajasko acht Blitzspöttern kennt, und nicht einer, Anerkennendes Gemurmel folgte, und
gewünscht hatte. der gerade mal jedem achten ein Anfüh- da sich kein weiterer Blitzspötter der Wahl
„Valadur? Kaum erinnere ich mich an rer sein kann! Garsvir Asgrimasson, stel- stellen wollte, rief nun Isliva die Versam-
seinen Namen!“ schallte es da aus dem le dich der Wahl, und meine Stimme hast melten auf, für Valadur die Hand zu he-
Munde von Solvi Rotnase, dem Brauer du!“ ben, um ihm ihre Unterstützung zu versi-
und Schnapsbrenner. „Seit er auf Dere Sofort nach Solvis Rede brach wildes chern, und auch die Hände derer, die nicht
wandelt, fährt er mit seiner Mutter zur Gezänk los, und Garsvir, der das Wort zur See fuhren, schnellten in die Höhe,
See! Das ist schön und gut für euch ergreifen wollte, schaffte es anfangs nicht, als hätte es nie einen Zweifel gegeben.
Skipmader, doch bedenket, dass kaum sich Gehör zu verschaffen. Erst als er ei-
einer von acht Blitzspöttern zu euch zählt! nen irdenen Becher an der Wand zer- So haben wir Blitzspötter einen neuen
Wir sind ein Binnendorf, unsere Ottajasko schmetterte und dessen Inhalt und Scher- Hetmann, und sein Name ist Valadur
ist nicht, wie viele andere, zuallererst ben durch die Halla spritzten, verstumm- Asgrimasson!
Schiffsbesatzung, sondern Dorfgemein- ten die Zankenden. Sogleich begannen die Vorbereitungen
schaft, auch wenn wir uns aus Tradition „Ich sprach für euch auf dem Hjalding für ein weiteres Fest, Valadur und seinem
Ottajasko nennen. und ich führte euch in den Kampf gegen Bruder Garsvir zu Ehren, dessen Anse-
Und so denke ich an das letzte Hjal- Thurske, das wohl. Und doch wünschte hen in den Augen vieler durch seine Be-
ding: wo war da Valadur? Der machte an ich mir bei beiden Gelegenheiten, mein scheidenheit und sein so ernsthaft geleb-
der Seite seiner Mutter Jagd auf die Wal- Bruder würde an meiner Stelle stehen. Ich tes Andenken an seine Mutter noch wei-
jäger. Das ist ein guter Dienst an Swafnir, kann und will nicht euer Hetmann sein, ter gestiegen war. Frohen Mutes waren wir
keine Frage, aber den besseren Dienst an weil meine Mutter es anders wollte, und in den Abendstunden, denn einig standen
der Gemeinschaft tat sein Bruder Garsvir, weil ich bei jedem Misserfolg das Gefühl wir hinter unsrem neuen Hetmann, und
der vor den Hetleuten für die Blitzspötter hätte, ihr Andenken zu verraten. Nein, nichts, so schien es, konnte einer so star-
und ihre Interessen eintrat. Und was war Valadur ist’s, den ich selbst wählen wer- ken Gemeinschaft zur Gefahr werden. So
bei den Kämpfen um Muryt? Valadur war de, und dem ich folge, wohin auch im- nahm die Feier bald überschwängliche
immer noch mit Asgrima unterwegs, doch mer er die Blitzspötter führen wird. Gern Züge an, und im Gegensatz zum Abend
Garsvir führte uns vor die Stadt und bin ich jenen unter euch, die dem Land zuvor, an dem auch die Trauer um die
kämpfte an unserer Seite gegen die Utlagi. näher sind als dem Meer, ein Sprecher und Toten in unseren Köpfen Platz fand, such-
So sage ich: ein Mitglied der Arin- Vertreter vor dem Hetmann, doch jenes ten wir an jenem Abend nur Freude und
beornson-Sippe soll’s wohl sein, der un- Amt ist nichts für mich, allein meine Zerstreuung.“
ser neuer Hetmann werde, doch einer, der Zweifel verbieten es mir schon, mich der (am)

Streit mit Muryt und das Urteil des Jarls


„Auch als Swantew Bærjansson, der der Empörung wurden laut, doch Valadur opfer dargebracht, wie es bei uns im Dorfe
Sohn unseres Jarls und Hetmann von hob besänftigend die Arme, und als sich seit ältesten Zeiten Brauch und Sitte war
Calhis, mit einer Handvoll Jarlsrekker der erste Tumult gelegt hatte, lud er Swan- (Anm. d. Red.: die Thorwal Standarte
über die Aldiarbrücke ins Dorf geritten tew ein, sich zu setzen und genau zu er- berichtete in ihrer XXIV. Ausgabe). Nun
kam, luden wir ihn heiter und ohne daran klären, was der Grund für die Klagen war. bezichtigten uns die Mittelländer, die mit
zu denken, dass er schlechte Nachrichten So erklärte der calhiser Hetmann, dass jedem Götterlauf mehr und mehr Einfluss
bringen könnte, ein, sich in die Halla der am Tag zuvor eine Gesandtschaft der Bür- in Muryt gewonnen hatten, finstere Ma-
Arinbeornsons zu setzen und mit uns zu ger Muryts, namentlich jener, die mittel- gie zu wirken, gar mit Dämonen im Bunde
singen und zu zechen. Jener aber schritt ländischer Abstammung waren, unter der zu stehen, jedenfalls aber gegen göttliche
mit ernster Miene auf Valadur zu, der auf Führung der Travia-Geweihten jener Gesetze zu verstoßen, und forderten vom
dem Platz der Hetleute saß, und sprach: Stadt, nach Calhis gekommen und vor den Jarl, „mit harter Hand gegen das namen-
„Höret, Blitzspötter, mein Vater schickt Jarl getreten war, um die Ottajasko der lose Pack“ vorzugehen, wie sie es aus-
mich! Manch eine Klage ist bei ihm ein- Blitzspötter zu verklagen: vor der Schlacht drückten.
gegangen über eure Bräuche, und die Dia- um ihre besetzte Stadt hatten die Rekker Als wir diese Worte vernahmen, brach
ren der Stadt Muryt fordern den Schieds- aus Storsjen um den Beistand der Geister neuerlich ein Tumult los unter den Stors-
spruch von Bærjan Runenhand, dem Jarl.“ gebeten und in einer vom Visendamader jern, manch einer griff gar nach der Waf-
Alle Versammelten sprangen auf, Rufe Thundjar geleiteten Zeremonie ein Kinds- fe, und die Jarlskari bildete schon einen

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Halbkreis um Swantew. Rufe wurden laut, Rondras, Valpor Ruben, angereist. Blan- unter seiner Führung zuließ und billigte;
dass diese Aussagen allein schon der Blut- ker Hass blitzte uns aus den Augen von und sechs Jahre Verbannung für die El-
rache würdig wären, und dass man die so manch einem Muryter entgegen. Doch tern des getöteten Mädchens, welche die-
Stadt auch ein zweites Mal stürmen könn- auch unter den Calhisern fand sich manch ser grausamen Tat wohl zugestimmt hat-
te, wenn die feigen Bürger es darauf an- einer, der uns seltsame Blicke zuwarf oder ten. Das und nicht weniger sind unsere
legten. gar offensichtlich aus dem Weg ging, die Forderungen, bei der Herrin Travia!“
Valadur und Garsvir, aus deren Gesich- meisten jedoch begegneten uns wie im- Als daraufhin unsere Seite das Wort
tern das Blut gewichen war im Schrecken mer – gab’s doch kaum einen Calhiser, erteilt bekam, sprach als erstes Hetmann
über diese Vorwürfe, schafften es jedoch, der keine Verwandten in Storsjen hatte Valadur: „Jeder der angeklagten Blitz-
die erhitzten Gemüter zu beruhigen. So und umgekehrt. spötter, und auch Thundjar der Druide,
wurde vereinbart, dass man in zwei Wo- steht unter meinem Schutz und dem un-
chen vor den Jarl treten wollte, zeitgleich Also traten wir vor Jarl Bærjan Runen- serer Gemeinschaft gleichermaßen, das
mit den Klägern, auf dass jener über die hand Hjaldarsson. Der Greis hieß uns wie sei vorausgeschickt. Keinen von ihnen
Sache richten möge. auch die Gegenseite mit knappen Worten will ich in eure Hände kommen lassen,
Und so reisten wir an jenem Tage nach und ernstem Blick willkommen, und niemals sollen sie verbannt sein, es sei
Calhis, um uns den Vorwürfen zu stellen, nachdem er uns in fast schon ritualisierter denn ihr verbannt uns alle mit ihnen! Seit
klar zu zeigen, dass wir sehr wohl auf der Weise die alten Gesetze zum Ablauf ei- Generationen kämpfen unsre Leute für ihr
Seite der Götterfürchtigen stünden, dass nes solchen Gerichtes vorgetragen und bescheidenes Überleben am Rande des
wir aber dennoch nicht von unseren Bräu- darauf hingewiesen hatte, dass alle Betei- Seufzermooses, und genauso lange opfern
chen, die hunderte von Jahren zählten, ligten während ihres Aufenthaltes in sei- wir den Geistern, auf dass sie uns milde
lassen wollten, nur weil unser Brauchtum nem Dorf und auf dem anschließenden gestimmt sind und uns nicht nehmen was
den Mittelländern fremd war. Weg in ihre Heimatorte durch das Gast- wir zum Leben brauchen. Die Calhiser
Eine kleine Gruppe war’s die sich auf recht geschützt wären, erteilte er das Wort und auch der Jarl wussten dies wohl, auch
diesen schweren Weg begab: neben Vala- den Anklägern, für die Traviadan, der vielen Murytern war’s nicht unbekannt.
dur und Garsvir traten Thundjar, der Vi- Traviasdiar sprach: Nun, da wir an eurer Seite gegen Thurske
sendamader, Isliva, die Swafnirsdiarin und „Jarl Bærjan und ihr Njurunsgarder, gekämpft, da wir unser Blut vergossen für
ich selbst vor den Jarl. Begleitet wurden höret unsere Klage: Wir alle sahen die eure Stadt und eure Freiheit, dankt ihr’s
wir von fünf Rekkern der Thinskari, die Ottajasko der Blitzspötter, allen voran je- uns so. Ich kann und will nicht wissen,
eher den Rang des Hetmanns unterstrei- nen Druiden und den jungen Garsvir, wie was euch dazu trieb, ich sage nur: ihr seid
chen als uns wirklich beschützen sollten. sie vor den Toren Njurunsgards ein un- scheinheilige, undankbare Menschen,
Gerne wären mehr Blitzspötter mit uns ge- schuldiges Kind töteten, und sie taten dies denen wir keine Rechenschaft schulden!
kommen, um „den abgehobenen Pfaffen auf bestialische Weise und im Ablauf ei- Niemals werden wir von unsren Bräuchen
unsern Standpunkt einzutrommeln“, wie ner Andacht für die Zwölfe gleich. Jene und Traditionen lassen, nur weil ihr rei-
es ein junger Veidimader ausdrückte, doch aber würden ein solches Opfer von Blut chen Handelsherren und ihr von euren
schnell war Firun dieses Jahr übers Land niemals gutheißen! Sinn dieses Opfers Schäfchen gemästeten Pfaffen keine Ah-
gekommen, und die frühe Kälte und der war die Beschwörung von Kräften, wel- nung habt vom harten Leben das wir zu
Mangel an Wild hatten nicht nur die Wölfe che nicht alveranischen Ursprungs, son- führen haben!“
viel zu früh aus den Grauen Bergen her- dern den Menschen und ihrer Welt ganz Immer lauter war der Hetmann gewor-
absteigen lassen, auch einige Banden von und gar Feind sind, Mächten der Sphäre den, sein Gesicht war rot und seine Hän-
Utlagi kamen aus den Schluchten und des Chaos und der Dämonen. So wollen de zitterten, so aufgebracht war er von den
dem Seufzermoos um sich Vorräte zu- wir, die Geweihtenschaft der Stadt Muryt Worten des Traviadan. Isliva, die Swaf-
sammenzurauben. So hatte der Hetmann sowie der Rat eben jener Stadt, nicht ra- nirsdiarin, legte ihm schließlich die Hand
beschlossen, dass möglichst viele Klin- sten noch ruhen, bis dass diese Unsitte ein auf die Schulter und drückte ihn auf die
gen im Dorf bereitstehen sollten, sollte es für allemal in diesem unserem Jarltum un- Bank zurück, wohl um zu verhindern,
hart auf hart kommen. tergegangen, die Ottajasko der Blitz- dass Valadur noch beleidigender wurde.
In Calhis angekommen, trafen wir als- spötter auf einen den Zwölfgöttern gefäl- Sie war es auch, die als Nächste sprach,
bald auf die Gesandten der Hafenstadt: ligen Weg zurückgeführt und die Schul- deutlich ruhiger zwar, doch wer sie kann-
neben Traviadan und Jelisande, dem Vor- digen und Paktierer ihrer Strafe zugeführt te, sah ihr die gleiche Aufregung an, die
steherpaar des Travia-Tempels, die von sind, als da wären: Verbannung bis zu sei- auch die Söhne Asgrimas ergriffen hatte:
einigen jüngeren Geweihten begleitet nem Tode für den Druiden Thundjar, der „Einige Dinge gibt’s zu berichtigen an der
wurden, waren auch Mitglieder des Ra- das Kind tötete; zwölf Jahre Verbannung Anklage der Muryter: niemals wurden
tes der Kaufherren und der greise Diar für Garsvir Asgrimasson, der das Opfer Dämonen beschworen, niemals wurde

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Geschöpfen der Sphären des Chaos ge- seine Kapuze geworfen hatten, wurde die Muryts hoben die Hand zum Schwur, die
opfert, und niemals solche Wesen verehrt Gestalt durchgelassen, und, beim Het- andre legten wir auf das Schwert des Jarls,
in Storsjen oder von einem Blitzspötter. mann angekommen, stellte er sich hinter das uns sein Sohn Swantew hinhielt (der
Nicht früher und nicht heute, mein Wort, diesen, ohne sich uns zu erkennen zu ge- Jarl selbst war ja kaum noch in der Lage
euer Pfand. Und was das Opfern von Blut ben, während Bærjan wieder das Wort er- es zu halten).
betrifft: wird dies nicht auch von der griff: „So lautet mein Urteil: das Dorf Stors-
Runajasko betrieben? Werden nicht auch „Ihr Muryter, ihr Diaren, seid ihr’s jen und die Ottajasko der Blitzspötter sol-
Schwüre vor den Zwölfen, vor Swafnir denn zufrieden, wenn ich Storsjen vom len fortan nicht mehr zum Jarltum Nju-
gar, mit Blut besiegelt? Fordert ihr nicht Jarltum Njurunsgard löse, auf dass es kei- runsgard zählen, der Aldiar sei die neue
von jedem Gläubigen, den letzten Bluts- ne Verbindung mehr gebe zwischen euch Grenze.“
tropfen zu geben, im Kampf gegen die und ihnen mit ihren Bräuchen?“ Lauter Während die Runenhand so sprach
Dämonen? Meine Ottajasko opfert den Widerspruch kam von unsrer Seite, doch warf der Unbekannte seine Kapuze zu-
Geistern, und mit der Geister Hilfe steht der Jarl hob beschwichtigend seine zit- rück. Kaum wagten wir zu glauben was
sie den namenlosen Schrecken gegenüber, ternde Hand, und wir, die wir ihn als wir sahen: Lärk Reonson war’s, der Jarl
die im Seufzermoos auf unsre Seelen lau- sehr klugen und umsichtigen Mann von Vaskr Höjland und
ern. Was ist das anderes als der aufopfern- kannten, mussten uns in diesem langjährige Handels- und
de Kampf, das Opfer unsres Blutes, im Moment darauf verlassen, Bündnispartner Asgrimas.
Sinne der Götter?“ dass er wusste, Bærjan sprach weiter:
Daraufhin sprangen wiederum Muryter was er tat. „In Richtung des Jarltums
auf und schrieen ihre Vorwürfe durch die Kurz berieten Vaskr Höjland mögt ihr
Halla, dann die Unsren, die sich genauso sich die Muryter, euch wenden! Ansonsten
lautstark eben dieser Vorwürfe erwehrten, schließlich gelte der Schwur, und weh
und der Streit wogte hin und her, bis stimmten sie zu. dem, der ihn bricht, der
Bærjan schließlich einschritt: So wandte mag im Diesseits wie im
„Ihr Njurunsgarder, hört mich an! Ich sich Bærjan an Jenseits keinen Frie-
kann nicht die Blitzspötter allesamt ver- uns: „Und ihr, den mehr finden, bei
bannen, denn sie tun, was sie seit jeher Blitzspötter, seid Swafnir und den
taten, und sie tun es mit besten Absich- ihr einverstan- Zwölfen.“
ten, nach bestem Wissen und Gewissen. den, wenn ihr Jarl Lärk war auf
Mit Sicherheit stehen sie nicht mit Dämo- weiter euren die Söhne Asgrimas
nen im Bunde, und das wäre wohl der ein- Bräuchen nach- zugeschritten, schüt-
zige Grund, den ich mir vorstellen könn- gehen könnt, be- telte ihnen nun die
te, über eine ganze Ottajasko die Verban- schränkt jedoch Hand, umarmte sie
nung zu sprechen. Die einzelnen Ange- auf euer Dorf gar – der Wechsel in
klagten wollen sie aber nicht herausge- und dessen di- das neue Jarltum war
ben, von der Bestrafung jener wollen and- rekte Umge- vollzogen.
rerseits die Muryter nicht abweichen. Ich bung, und doch
kann aber auch nicht die Muryter, die nicht recht- und heimatlos werdet?“ Wie sich später herausstellte, hatte
Geweihten gar, unbeachtet lassen, denn Was blieb uns anderes, als weiter auf Bærjan, der vorausgeahnt hatte, wie die
ihre Klagen, auch wenn sie manch ein unsren Jarl zu vertrauen und dieses An- Sache ablaufen würde, bereits im Vorfeld
Missverständnis enthielten, sind doch in gebot anzunehmen, was auch immer er nach Jarl Lärk geschickt. So hatte er nicht
ihrem Kerne wahr und berechtigt. Was sich dabei dachte? So stimmten auch wir nur ein weises und für alle Seiten annehm-
also soll mein Urteil sein?“ zu. bares Urteil fällen können, sondern,
Da trat eine Gestalt aus dem Schatten „So schwöret denn, dass ihr keine wei- schlau wie ein Fuchs, beiden Seiten auch
im hinteren Teil der Halla, in einen dik- teren Feindseligkeiten aus diesem Grun- noch den Schwur entlockt, keine weite-
ken Umhang gehüllt und die Kapuze tief de austragen wollt, dass keine Blutrache ren Kämpfe, sei’s mit dem Wort, sei’s mit
ins Gesicht gezogen. Der Unbekannte, an daraus erwachsen möge und dass Land der Axt, um diese Frage zu führen.
der Statur war wohl zu erkennen, dass es und Wasser von keiner Seite und in kei- Ein Hoch auf Jarl Bærjan Runenhand
sich um einen Mann handelte, schritt auf ner Weise genutzt werden, der andren zu und ein Hoch auf das Jarltum Vaskr Höj-
Jarl Bærjan zu. Die Jarlsrekker hielten ihn schaden! Schwört dies bei den Göttern land, unsere neue Heimat, bei Swafnir!“
wohl kurz an, doch nach kurzem Gemur- und bei eurer Ehre, das wohl!“
mel und nachdem sie einen Blick unter Und wir, wie auch die Gesandten (am)

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Der Winter in Thorwal
Schrecklich hat unser Land in diesem Jahr unter dem Winter zu leiden, so schrecklich, dass sich selbst die Alten nicht an etwas
Vergleichbares erinnern. Aus vielen Gegenden gelangten seit den ersten Schneefällen keine Meldungen mehr in die Hjaldingstadt,
und die Berichte, die bei uns eintrafen, können nur unvollständig wiedergeben, was Firun in diesen Monden über uns brachte.
Und dennoch lassen uns allein die Begebenheiten, von denen wir Kunde erhielten, nicht nur vor Kälte erschaudern und erstarren.

In einem Jolskrim irgendwo im nördli- gen um sie alle gemeinsam im Frühling hoch hinauf.
chen Thorwal begraben zu können oder eine Feuerbe- Laske hatte sich beim Kampf mit dem
Die Familie saß dicht gedrängt um das stattung abzuhalten, wenn man es wieder Hofbesitzer verletzt. Jeder wusste, dass
winzige Kochfeuer inmitten des Jols- wagen konnte Holz für andere Zwecke dies sein Todesurteil bedeutete. Und tat-
krims. Sie alle waren so dick in Felle ge- außer für das Heizen zu verschwenden. sächlich brach er zusammen, lange bevor
hüllt, dass man meinen könnte, eine Sofern dann überhaupt noch jemand am man zu Hause war. Obwohl noch Leben
Bärenfamilie vor sich zu haben und nicht Leben war. in seinen Augen flackerte, beraubte man
Menschen. Sie froren ihm seiner Kleidung
erbärmlich. Obwohl die und Fellstiefel. Nackt
Familie zu den Reichen wurde er einfach liegen
gehörte und sie sich ei- gelassen. Schon bald
nen Stall für das Vieh bedeckte eine dünne
leisten konnte, befan- Schneeschicht seinen
den sich die Tiere mit erkaltenden Körper.
im Wohnbereich des Der Anführer murmel-
Jolskrims – man konn- te gefühllos: „Ein Esser
te auf ihre Körperwär- weniger.“
me nicht verzichten. Doch kaum war die
Die winzigen Fenster- nächste Hügelkuppe er-
luken waren dicht ver- klommen und die Män-
rammelt und jede Ritze ner und Frauen voll-
des Gebäudes mit Stroh kommen außer Atem,
und Mist abgedichtet. wegen der außerordent-
Der Rauch des Feuers lichen Anstrengung in
fand keinen Abzug und dem immer höher wer-
die Luft war dadurch denden Schnee bergauf
schneidend dick. Eine gehen zu müssen, da
Unterhaltung war nicht stoppte der kleine
möglich, zum einen, weil beim Reden die Im Waskirer Hochland Trupp. Rogur hatte Schatten gesehen,
Zähne klapperten und man kaum einen Eine Dutzende Schlitten umfassende Schatten wie von großen Wölfen. Aller-
sinnvollen Satz über die Lippen brachte, Karawane zog durch die schneebedeck- dings war er sich nicht sicher, bei dem
zum anderen, weil immer irgendjemand ten Hügel. Grimmig schauten die Kämp- Schneefall konnte man sich leicht irren.
laut Husten musste, entweder weil er er- fer immer wieder zu den Hügeln und Doch Rogur hatte sich nur in seiner
kältet war, oder weil der Rauch die Atem- Baum- und Buschgruppen ringsum. Sie Interpretation dessen, was er zu sehen ge-
wege reizte. Meistens kam beides zusam- erwarteten jeden Augenblick einen Über- glaubt hatte, geirrt – da war tatsächlich
men. Auch der gerade ein paar Monate fall. Und dies wo sie doch selbst gerade etwas, wenn auch keine Wölfe. Noch grü-
alte Säugling gab ein heiser-krächzendes erst einen Hof überfallen hatten; nicht ei- belte Rogur darüber nach, was dort vorne
Husten von sich. Doch er wurde bestän- ner der Überfallenen blieb am Leben. Al- auf ihn und seine Leute lauern mochte.
dig schwächer. Nach einer Stunde ver- les was vom Hof nutzbar war – vorwie- Zwar hatte er die Bewegungen nicht mehr
stummte er ganz. Die Eltern wechselten gend warme Kleidung, Brennmaterial und gesehen, zog aber trotzdem mit seiner
ein Blick und waren sich stumm einig. Sie Nahrung – wozu auch die geschlachteten behandschuhten Hand seine Orknase aus
würden das Kleine am nächsten Morgen Hofhunde gehörten – befand sich nun auf dem steif gefrorenen Gürtel. Ein rascher
zu seinen Geschwistern in den Stall le- den Schlitten und türmte sich zu Bergen Blick auf seine Leute zeigte ihm, dass sie

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es ihm gleichtaten. Da passierte es auch ziemlich enttäuscht, als sie merkte, dass Redaktion ausgelassen worden.)
schon. Wie aus dem Nichts sprangen wir uns nicht ausfragen ließen. Ich hätte 15. FIR: Noch immer herrscht die Käl-
schlanke, aber dennoch muskelbepackte ihr ja gerne etwas über Marada erzählt, te. Noch immer fällt Schnee. Noch im-
Tierleiber auf sie zu und binnen Sekun- aber der grimme Blick meines Begleiters mer drängt Eis an die Küsten. Viele sind
den richteten sie ein Massaker unter sei- ließ mich verstummen. erfroren – selbst hier in der Stadt. Im Golf
nen Leuten an. Der Kampf dauerte nicht 6. HES: Wir sind gefangen! Nicht von von Prem treiben riesige Eisschollen, oft-
lange. Außer ihm hatten noch zwei wei- Jurga, aber der Winter macht eine Heim- mals gar ganze Eisberge. Die Inseln sind
tere schwer verletzt überlebt. Von den reise unmöglich. Heute morgen waren von der Außenwelt vollkommen abge-
anderen waren nur noch blutige Schleif- sämtliche Häfen von einer dicken Eis- schnitten. Das im Norden dräuende Hjal-
spuren übriggeblieben – Schleifspuren die schicht eingeschlossen. Die Rümpfe der dormassiv ist eine einzige weiße Bergket-
der Schneefall langsam verwischte. Schiffe die nicht an Land gezogen wor- te. Keiner hat einen solchen Winter bis-
Bevor Rogur bewusstlos wurde und in den waren, sind nun allesamt vom Druck her erlebt – selbst die Alten wissen keine
den weichen Schnee sank dachte er nur des Eises zersplittert, im Kriegshafen üben Sagas in denen ein solch harter und lan-
noch eins: „Säbelzahntiger? Hier?“ sich Unverdrossene im Kufenlaufen auf ger Winter beschrieben wird. Wenn es hier
der dicken Eisschicht. schon so kalt ist: Wie wird es erst im Nor-
In Thorwal-Stadt 19. HES Nachmittags: Es wird immer den des Landes aussehen?
Aus dem Tagebuch des Nicolo de kälter. So kalt, wie ich es sonst nur aus Mir wurde untersagt Holz zu verbren-
Tregese dem Norden des Landes kenne. Dazu hat nen um die Tinte aufzutauen und Kerzen
5. HES: Gestern waren wir in die Stadt Schneefall eingesetzt, so dicht, dass man zu entzünden um Schreiben zu können.
gekommen, um Vorräte einzukaufen, nur knappe 5 Schritt weit sehen kann. Der Die ist mein letzter Eintrag. Möge FIRun
denn der Winter begann schon früh und Schneefall dämpft die Gespräche der we- ein Einsehen haben und IFirn uns gnädig
es hieß, Olport wäre schon von einer Eis- nigen Passanten zu fast unhörbarem Ge- sein. Oder ist der Winter wirklich auf das
schicht umgeben. murmel. Auf den Plätzen der Stadt hat Wirken der Eishexe zurückzuführen, wie
5. HES Abends: Die Einkäufe waren man eher das Gefühl sich mitten in der viele glauben? Rächt sie sich nun am
getätigt, aber wir konnten noch nicht fort. Wildnis zu befinden – so einsam fühlt man thorwalschen Volk für das sommerliche
Jurga wollte uns sprechen, um die Lage sich. Vorgehen der Hetfrau der Hetleute?
in Uddahjal zu erfahren. Sie war aber (Etliche Eintragungen sind von der (jak)

Der Hjaldingolf im Würgegriff von Frost und Packeis


Härter, viel härter als sonst ist der Win- ser kreuzen, die vollkommen von Eis be- wehr gibt und Mann und Frau und Kind
ter dieses Jahr. Erbarmungslos bläst deckt, sodass man trockenen Fußes von gleichermaßen das Leben nimmt.
Frenjara, die eisige von Norda her und Overthorn nach Brendhil käme, doch Für viele andere wiederum ist dieser
treibt viel Packeis aus Ifirns Ozean vor wäre dies ein lebensgefährliches Unter- fast ewig währende Winter ein Zeichen
sich her durch die Grabjergener Rinne bis fangen, da das Eis ständig in Bewegung dafür, dass Thorwal nicht hart genug ge-
schließlich direkt in den Hjaldingolf, wo ist und unverhofft sich unter dem Wande- gen die Dämonenbuhle vorgegangen ist,
sich die riesigen Eisschollen unter- und rer grundlose Spalten auftun können, nur welche Firuns weiße Macht verhöhnt und
übereinander schieben und sich zu Eis- um sich kurz darauf wieder über ihm zu pervertiert und rufen im Namen der güti-
gebirgen, höher als ein Großmast auftür- schließen, als wäre hier nimmer ein Le- gen Ifirn zu einem neuerlichen Feldzug
men. Durch Wind und Tidenhub in stän- ben verschlungen worden. gegen Glorana auf. Hoch wogt die Stim-
diger Bewegung geht ein Ächzen und mung hie und her, doch das Eis kühlt auch
Stöhnen durch den Golf, als würde das So mancher Fluch gegen Jurga Tron- das heißeste Blut und so nimmt man die
Meer höchstselbst unter der Last erschau- desdottir weht hier der Wind von den andere Gesinnung des Nachbarn nur zum
ern. Tags wie nachts ist es ein Scharren schrundigen Lippen – gegen Jurga und all Vorwand, um ihn mit einem Strandhögg
und Kratzen, wenn das Eis aneinander jene, die ihr auf ihre leidige Herferd folg- der letzten Nahrungs- und Brennmittel-
reibt, ein Jaulen und Heulen, wenn die ten, gegen die Eishexe, die nun kalte Ra- vorräte zu berauben, die man selber zum
eisige Frenjara hindurchfegt, wie wenn che nimmt für das, was sie ihr angetan. Überleben braucht. Für lange Blutfehden
Gloranas Eisdämonen hier ein Hjalding Was sie mit ihrer Klinge ihr zugefügt, reichen die Kräfte nicht.
abhielten. das zahlt Glorana nun tausendfach heim
Kein Schiff kann mehr diese Gewäs- mit dem Eis, gegen das es keine Gegen- Die Speicher des Kornmeisters in

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Overthorn sind prall gefüllt, doch schafft Saatgut für das neue Jahr hätte werden sol- ben müssen und die kampferprobten
es bei dieser Witterung kaum eine Sippe len. Doch wenn es nichts zu säen gibt, gibt Rekker zum Schutze der Vorräte als
oder Ottajasko, sich den weiten Weg durch es auch nichts zu ernten, was im folgenden Hetskari in Jurgas Namen verpflichten
Schnee und Eis zu bahnen, um sich ihren Winter noch mehr Opfer zur Folge haben zu können.
Teil abzuholen. So wacht Hjaldar Thur- wird. Die Knochenbrecher-Ottajasko hat
boldson selbst mit eiserner Hand darüber, So harrt man hier knurrenden Magens zwar auf der Glorana-Herferd einen
dass sich nicht nur die Overthorner an den und grimmen Blickes der Zeit der großen deutlichen Blutzoll entrichten müssen,
Vorräten vergreifen, denn dem weisen Schmelze – wohlwissend, dass mit der Be- doch ist sie mit Beute hoch beladen und
Kornmeister ist nur zu klar, dass ihm hier fahrbarkeit des Golfes auch die Gefahr der vielen ruhmreichen Sängen wieder zu-
die Zukunft Thorwals anvertraut liegt, Überfälle wieder ansteigen wird – und das rückgekommen und musste sich um
denn wenn dieser Winter wirklich irgend- nicht nur durch Friedlose und Piraten. Zulauf keine Sorgen machen, sodass sie
wann enden sollte, werden in die meisten Lange Abende hat es den Kornmeister inzwischen wieder volle Kampfstärke
Orten und Siedlungen die Getreidevorrä- gekostet, die ansässige Ottajasko der Kno- hat. Möge die gütige Ifirn verhüten, dass
te vollkommen aufgebraucht sein, ein- chenbrecher davon zu überzeugen, dass die auf den eisigen Winter ein blutiger Früh-
schließlich dem wichtigen Anteil, der das Vorräte zum Wohle aller unangetastet blei- ling folgt! (de)

In Ardahn „Ich bemerkte, dass sich die Tie-


re eilten, ein Quartier für die kalte
länger, wir mussten ernten – gefrorene
Rüben kann man schließlich nicht es-
Jahreszeit zu finden. Kaum noch sen. Auch das Vieh trieben wir vor der
Aus Ardahn, gelegen am nördlichen Beute kam vor meinen Bogen. Im Schnee Zeit in die Ställe zurück. Seit dem Über-
Hjaldingolf, drang folgende Kunde zu fiel es mir zunächst leicht, ihren Spuren zu fall der Wölfe vor einigen Wintern sind
uns. Um eine bessere Lesbarkeit zu ge- folgen, aber ich fand nur schwache und alte wir alle sehr vorsichtig geworden.“
währleisten, hat unser Korre- Tiere, die von Gurm Ardson,
spondent die einzelnen Stim- ihren Herden Bauer aus dem ardahner Umland
men in eine chronologische im Stich gelas-
Ordnung gebracht. sen wurden. Ardahn, gefangen in der eiskalten
Ahnten die Tie- Faust des Winters
Berichte über die Zeit vor re schon damals „Brennholz, der ganze Streit nur
dem Grimmwinter etwas von dem wegen Brennholz. Nun ja, die Hjander-
„Der Winter, ihr wollt harten Winter, sons brauchen jetzt keines mehr. Es fing
wirklich wissen, wie der Win- der uns allen damit an, dass der Vater von Brang
ter war? Er begann sehr früh bevorstand? Er- Hjanderson starb. Ist wohl erfroren, im
hier oben bei uns am Hjal- kannten sie die eigenen Bett. Schade um ihn, ich hatte
dingolf. Schon zu Beginn des Zeichen des den alten Hjolv gemocht. Tja und dann
Sturmmondes fegten die er- grimmigen Fi- drehte Brang durch und wollte sich un-
sten eisigen Winde über die run schon zu ser Holz holen. Aber wir hatten selbst
Klippen. Sie brachten auch dieser Zeit? gerade genug und konnten nichts abge-
den ersten Schnee mit sich, Vielleicht hätte ben. In unsere Hütte wollte er auch nicht
verdammt früh in diesem das eine War- ziehen, dabei hatten wir Platz genug,
Jahr. Die Wacht am alten Turm wollte nung für uns sein sollen. Das hätte Leid und seit unsere Kinder vor Muryt fielen.
schon bald keiner mehr übernehmen – zu Not gemindert.“ Brang wollte bei seinem toten Vater
heftig blies der Beleman. Konnte es ja Juaen, bleiben. Weil wir ihm kein Holz geben
nicht verantworten, dass einer von den Jäger und Fallensteller aus Ardahn konnten, wurde er handgreiflich. Was
Klippen fiel. Als dann der Golf selbst zu- soll ich noch sagen, es kam zum Kampf
fror, machten Wachen am Turm keinen „Wir begannen die Ernte einzubringen. Nachbar gegen Nachbar. Traurig, aber
Sinn mehr, kein vernünftiger Seemann War schade, einige der Winterrüben waren leider wahr. Als hätten wir keine ande-
wagt sich mit seinem Schiff bei einem noch sehr klein. Die hätten alle noch wach- ren Sorgen gehabt. Am Ende haben wir
solchen Wetter aufs offene Wasser hin- sen müssen, so kümmerlich wie die aussa- Brennars gewonnen, doch der Preis war
aus.“ hen. Aber die Sonne hatte all ihre Kraft ver- hoch. Zu hoch, wie ich mittlerweile den-
Asan Klippentrotzer, loren, der Schnee bedeckt alles, ganz wie ke. Ich sitze jetzt alleine mit meiner al-
Kapitän aus Ardahn ein Leichentuch. Es ging einfach nicht mehr ten Mutter in unserer großen Hütte –

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meine Frau Jöndi, ihr Vater Lalfhold und „Die Wölfe kamen, sie kamen wieder Stimmen zum Ende des Winters
die kleine Hjildis liegen steifgefroren in zu uns ins Dorf. Erst waren es nur Spu- „Unsere Gebete wurden erhört, die
der Scheune. Direkt daneben die ren, die wir bei unseren immer seltener gütige Ifirn erbarmte sich und setzte der
Hjandersons. Zumindest hatten sie noch werdenden Jagden fanden. Es dauerte klirrenden Macht ihres düsteren Bruders
einige Möbel, die ich verfeuern konnte.“ nicht allzu lange, dann wagten sich die ein Ende. Es fällt schon seit drei Tagen
Thorste Brennar, Bestien sogar ins Dorf hinein. Auch sie kein neuer Schnee mehr. Vielleicht geht
aus Ardahn suchten nach Nahrung, sie schienen mir der Winter ja doch noch zu Ende. Ich mag
halb verrückt vor Hunger zu sein. Aber noch gar nicht daran denken, wie viele
„An einigen Tagen war es unmöglich unser Vieh stand sicher in den Jolskrimi aus dem Dorf die umbarmherzige Kälte
ins Freie zu kommen. Der Schnee lag ein- – oder war der eisigen Kälte schon zum nicht überlebt haben. Swafnir stehe ihnen
fach zu hoch vor der Tür. Die Halla war Opfer gefallen. Unser Zorn wider die und uns bei. So einen strengen Winter ha-
überfüllt von denen, die kein Brennholz Wölfe war schier endlos. Seit dem Über- be ich noch nie erlebt, es schien eine Prü-
mehr hatten oder nur mit wenigen Perso- fall vor wenigen Wintern jagen wir sie un- fung der Götter zu sein. Ich hoffe, dass
nen in einer zu großen und zu schwer zu erbittlich. Damals trieben sie ihr Unwe- sie jetzt endlich vorbei ist.“
heizenden Hütte wohnten. In der Not steht sen im Ardahner Land und erbeuteten Rilar Südkind,
die Gemeinschaft zusammen, egal welche unser Vieh. Als wir sie schließlich zum Netzknüpferin aus Ardahn
Sippe oder welche Familie leidet. Sogar Kampf stellen konnten, begann das Tö-
einen aus Gråbjergen würde ich aufneh- ten. Am Ende blieben wir siegreich, aber „Ich hatte kein gutes Gefühl, als ich
men. Wir alle im Dorf hatten aus dem die grauen Bestien rissen einige der uns- mich dem Jolskrim der Brennars näherte.
Vorfall der Brennars und der Hjandersons rigen mit in den Tod, darunter unser Het- Schon seit einigen Tagen kam kein Rauch
gelernt. Ab und an haben wir es dennoch man Swafwoul Dagier (Anm. d. Red.: vgl. mehr aus dem Schornstein. Und ich soll-
geschafft, nach draußen zu kommen. Der THORWAL-STANDARTE XIV). Ich selbst trug te Recht behalten mit meiner Vorahnung.
Wind peitschte mit eisigen Nadeln ins schwere Wunden davon, die Narben kann Thorste lag erfroren vor der erkalteten
Gesicht. Lange konnten wir uns draußen ich heute noch vorzeigen. Es war verab- Feuerstelle, seine Mutter fand ich im Bett,
nicht aufhalten. Dennoch musste ich se- redet, dass ein jeder beim Hornsignal aus ob sie verhungert oder erfroren war, kann
hen, ob es allen in Ardahn gut ging. Meist seiner Unterkunft stürmen sollte. Der ich nicht sagen. Swafnir hatte die Familie
kehrte ich mit schlechten Nachrichten zu- Kampf war schnell vorbei, nicht ein Wolf am Ende des Winters wieder vereint.“
rück. Der frostige Tod hielt seine Ernte entkam unserem Grimm. Ab jetzt gab es Brafyr Anwedmyr,
im Dorf.“ wieder Fleisch in Ardahn – und auch zwei Hetmann in Ardahn
Brafyr Anwedmyr, hungrige Mäuler weniger.“
Hetmann in Ardahn Jörn Köppi, Getreulich zusammengetragen und
Schneider aus Ardahn berichtet von Fredin Gwenad,
„Selbst die kümmerlichsten Rüben Skalde aus Ardahn (sh)
wurden immer und immer wieder in der
Suppe gekocht; sie wurde von Mal zu Mal
dünner. Die getrockneten ardahner Stock-
fische konnten in der Not auch gelutscht
Finstre Rituale!
werden. Das habe ich schon einmal auf
Wie wir in Erfahrung bringen konnten, wurden in der Umgebung von Ala, Norrevik
einer Kaperfahrt mitgemacht. Als sich die
und Tjanset einige Schreine der gütigen Ifirn entweiht. Immer wieder fanden veräng-
Nachricht vom Tod der Hjandersons ver-
stigte Jäger und Waldbauern früh morgens verbrannte, mit Blut bespritzte Vögel und
breitete, wagte ich mich nach draußen.
kleine Nagetiere vor dem Bildnis der Göttin. Das Blut soll von ungewöhnlich dunkler
Habe mich durch den eisigen Wind ge- Farbe gewesen sein und in einer Menge vorhanden gewesen sein, die unmöglich nur
kämpft. Das Schneetreiben war so dicht, von den aufgefundenen toten Tieren gestammt haben kann. Die Bildnisse der Göttin
daß ich beinahe nicht mehr zurück in un- selbst waren zumeist bis auf den blanken Stein zerkratzt und hervorspringende Merk-
ser Heim gefunden hätte. Es hat sich ge- male abgeschlagen worden. In einem Fall ist sogar von einem getöteten Schwan die
lohnt, ich bekam noch etwas Trockenfisch Rede. Welch Frevel, das der Göttin heilige Tier vor ihrem Schrein zu morden!
aus den Vorräten der Hjandersons ab. Und
wenn der Frühling kommt, gehen hoffent- Was jedoch immer wieder auffiel war die Tatsache, dass innerhalb eines Kreises von
lich meine Erfrierungen an den Zehen mehren Schritt Durchmesser keine Pflanze mehr wuchs. Kein Grün regte sich hier mehr.
zurück. Sie sind schon ganz schwarz.“ Die geknickten und abgestorbenen Pflanzen schienen wie verbrannt. Tief verängstigt
Solms Trendholm, wurde nach den örtlichen Hetleuten und nach den Diaren geschickt. Wir werden weiter
Einwohner von Ardahn berichten. (sh)

37
MERSKE. Nach dem har-
ten Winter ist es jetzt erst-
Eine Stadt in Trümmern zunichte. Aufs Neue gab es
Tote, Verletzte und schier
mals wieder möglich unbeschreibliche Schäden
Nachrichten zwischen den Städten in Berensens entbrannte ein Streit um Feu- am östlichen Rand der Stadt, wo ein nahe
Thorwal auszutauschen, doch die spärli- erholz, denn beide fürchteten um das gelegener Hügel von den Wassermengen
chen Neuigkeiten geben keinen Grund Überleben ihrer Lieben. Erst das beherz- unterspült wurde und sich mit dem Was-
zum Aufatmen. te Eingreifen Galbas Romasons konnte ser vermengte. Die Schlammmassen ris-
Der Winter war außergewöhnlich hart Mord und Todschlag verhindern. sen Häuser ein oder verschütteten sie. Hier
und schneereich, neben dem Mangel an Durch den Mangel an Feuerholz wa- stand kein Stein mehr auf dem anderen,
Brennholz wurde die Nahrung bald ren einige Merskaner gezwungen ihr und es konnten noch nicht alle aus den
knapp. Dieser Bericht zeigt die katastro- Heim aufzugeben und zu größeren Trümmern geborgen werden.
phalen Auswirkungen in Merske: Familienverbänden zu ziehen. Einige der Doch die größte Katastrophe in
aufgegebenen Häuser wurden, trotz der Merske, die in ganz Thorwal Trauer her-
Das Langhaus der Hagaarsens hielt Gegenwehr ihrer ehemaligen Bewohner, vorrufen wird, betrifft das Lager des so
den Schneemengen nicht stand, brach zu Brennholz verarbeitet um die restlichen köstlichen Merskeraner Gelben. Unter
unter ohrenbetäubendem Getöse ein und Häuser warm zu halten und so die größte den gewaltigen Schnee- und Schlamm-
begrub die gesamte Sippe unter sich. Die Not zu lindern. massen der Mure brach das Dach der La-
schlechte Witterung machte es aber un- Als das Futter für die Tiere knapp wur- gerstätte ein und begrub sämtliche Vorrä-
möglich jemanden zu bergen. Auch eini- de, und man keinen anderen Ausweg mehr te unter sich. Die ganze Produktion des
ge andere Gebäude waren dem strengen sah, mussten viele notgeschlachtet wer- letzten Jahres muss als verloren und ver-
Winter nicht gewachsen. Durch die anhal- den. So gab es zwar für kurze Zeit wieder dorben gelten.
tende Kälte erfroren viele erbärmlich in Fleisch, doch als auch dieses knapp wur-
ihren eigenen Häusern. Besonders de, mehrten sich Krankheit, Streit und So viele sind in diesem Winter gestor-
schlimm traf es Familien mit kleinen Kin- Tod. ben, fast alle Häuser sind zerstört oder be-
dern, wie die Arvas, die nun - die erst im Einige Personen gelten noch als schädigt, von den Viehbeständen ist so gut
Herbst geborenen Zwillinge Jurga und vermisst. Es wird gemunkelt, dass Elgar wie nichts geblieben - die Menschen sind
Baerhild - noch vor ihrem ersten Tsatag Kjamthorn und seine Sippe etwas damit verzweifelt. Obwohl die Aufräumarbeiten
betrauern müssen, aber auch Arn, zu tun haben… sie schienen von der Hun- begonnen haben, ist es ungewiss, ob die
Thorfield, die alte Merenja, 3 Knechte und gersnot verschont geblieben zu sein. Menschen hier, unter diesen Umständen,
4 Mägde verloren haben. Als das Wetter wieder besser wurde, genug Vorräte für den nächsten Winter an-
Zwischen der Sturmbringer Ottajasko wollte man schon aufatmen, doch eine sammeln können um so den Fortbestand
und ihren nächsten Nachbarn, den Mure machte diesen Ansatz von Hoffnung der Stadt zu sichern. (kri)

Ein Hoch auf Trondes Voraussicht


Wer den Skjellsgronder Jarlssitz, das beschauliche Liskor an Trondes Tod blieb die letzte Unterstützung aus Thorwal aus und
der Thosselmündung, aus früheren Jahren kennt, wird bei ei- Jurga wies auch den bisher hier stationierten Hjalskari andere
nem Besuch in diesen Tagen nicht über einige Veränderungen Aufgaben zu.
im Bild der Ortschaft hinwegsehen können, denn sowohl etli- Der Winter war hier in Skjellsgrond wie überall in thor-
che Langhäuser als auch die Werft sind offensichtlich ver- walschen Landen überaus hart und auch die letzten Brennholz-
schwunden. Letzteres Gebäude ist Teil des Planes unseres ver- vorräte gingen zur Neige, als Ende Goimond immer noch keine
flossenen Hetmanns der Hetleute Tronde gewesen, hier durch Besserung der Wetterlage eingetreten war. Guter Rat war teuer,
die Gründung eines Marktes und eben jener Werft eine weitere denn wiederholt kam es zu Diebereien oder blutigen Schläge-
Planke für sein Projekt eines Staatsschiffes zu verankern und reien und Hetmann Paremo Karveson bangte mit Recht um die
diese mithilfe einer Burg der Hjalskari zu schützen. Dies er- Existenz des Ortes, hatte der Winter in Liskor doch bereits viele
wies sich jedoch als Fehlplanung. Die Werft kam niemals auf Todesopfer nicht nur unter den Älteren und ganz Jungen gefor-
einen grünen Zweig und der Markt blieb bedeutungslos, denn dert und von den abseits gelegenen Höfen war schon lange nichts
die Konkurrenz in Vidsand und Overthorn war zu stark. Mit mehr zu hören gewesen. Hinaus vor die schützenden und durch

38
die Hjolmskari bewachten Palisaden wagte sich niemand mehr, ohne dass mehr Holz verbrannt worden wäre. Insgesamt, so
wegen der Wolfs- und anderen Gefahren, die in der klirrenden berichtete Hetmann Karveson, wurden die Werftschuppen und
Kälte lauern mochten. Schließlich wurde vorgeschlagen, leer zehn Häuser zu Kleinholz verarbeitet und nach Maßgabe des
stehende oder Häuser, in denen weniger als fünf Personen leb- Hetmanns und unter Aufsicht der Hjolmskari gerecht auf die
ten, in ihre Einzelteile zu zerlegen und das anfallende Holz als verbliebenen Feuerstellen verteilt. So hat Trondes Werft wohl
Brennmaterial zu verwenden. Die betroffenen Familien und Per- doch noch etwas Gutes für Liskor gehabt, wie mancher im Nach-
sonen wurden mit ihrem Hausrat in anderen Häusern oder in der hinein, wohl mit einem Augenzwinkern feststellte. Nur schade,
von den Hjalskari verlassenen Burg untergebracht. dass man das nicht mit allen von Trondes Plänen machen kann,
Dann fing das große Hauen und Sägen an, das über mehrere ohne dass man damit Leute verbrennt.
Tage dafür sorgte, dass fast keiner der Liskorer frieren musste,
(vl)

Die Njurunsgarder Herferder


Die Recken, die nach dem Befreiungs- nimmt, hätte ich ihnen nichts gegeben. sein kann?“
kampf von Muryt ihre Heimat verließen, Sei’s drum. Meine Familie hat überlebt, Osgrin Laetthelm aus Ardahn,
sind wieder im Jarltum angekommen. Es ich hoffe für die Leute um Osgrin jetzt Anführer der Skargarim
sind viele im Norda geblieben, doch in Laetthelm das gleiche.“
den Sängen der Skalden sind sie unver- Arnulf Bärenfresser aus Ardahn (sh)
gessen.
„Erst der
„Die Helden der Nordlandfahrt sind Kampf in Muryt,
zurück. Aber was haben sie uns gebracht danach die Her-
mit ihrer Herferd gen Glorania? Was ferd gen Norda.
glaubst Du wohl, warum der Winter die- Wir fochten wider
ses Jahr so lang und so unerbittlich ist? die Fjarninger
Das ist ihre Strafe. Mein Nachbar meint und Gloranas
zwar, dass der olle Firun uns seine Strafe Schergen. Dann
schickt, doch ich kann mich ihm nicht der Überfall in
anschließen. Wofür auch sollte er uns stra- Oblarasim. Unse-
fen? Da steckt eindeutig diese Glorana re kleine Gemein-
dahinter, das wohl.“ schaft schwand
Gehört in den Straßen von Muryt immer mehr. Ich
konnte fünfzehn
„Ja, sie sind wieder zurückgekehrt. von ihnen aus
„Skargarim“ nennen sie sich jetzt, und dem Norda nach
Schätze hatten sie dabei. Hab’ gehört, dass Njurunsgard brin-
sie sich irgendwo an der Küste einen al- gen. Tjalf Lind-
ten Hof gekauft haben. Auch Vieh und hölm wollte wie-
Vorräte für den Winter. Wollen hoffen, der zu seiner Fa-
dass es genug war, den Winter zu überle- milie, wir übrigen
ben. Sonst hätten sie gleich im Norda bei siedelten am alten
den Fjarningern bleiben können.“ Skargar-Hof. Au-
Vladusch Tabaljeff, ßer mir überleb-
norbadischer Händler ten nur neun an-
dere den Winter.
„Ja, die Leute von Osgrin Laetthelm Ob ich wenig-
waren hier, und sie haben mir einen Teil stens dem Rest
der Vorräte abgekauft. Hätte ich geahnt, unserer Schar ein
dass der Winter solch einen Verlauf guter Hetmann

39
Die folgenden beiden Texte waren für die Spielhilfe UNTER DEM WESTWIND bestimmt, konnten dort jedoch -
rein aus Platzgründen - nicht mehr untergebracht werden. Da sie aber sowohl Information als auch Stimmung
bergen, wollen wir sie den Lesern des Beleman auf diesem Wege zukommen lassen:

Behandlungskosten
»Es ist eine Zahlung für den Knochen zu leisten, wenn Mal zahlbar, wenn ein Ausbrennen erforderlich ist. Als
ein Knochen sich von einer Wunde löst, so klein er auch Lohn für den Läknir ist ein Ring pro Mond zu zahlen,
sein mag, wenn er, wenn man ihn schüttelt, in einem zusätzlich des Gegenwertes seines Bedarfs an Mehl und
Helm widerhallt: Dann ist an den Läknir ein Ring*) zu Butter für zwei Monde. Derjenige, der die Wunde ver-
zahlen, aber wenn man einen Knochen entfernen kann, ursacht hat, ist verpflichtet zu zahlen.«
der so groß ist, dass man sechs Löcher hineinbohren – ein von allen Jarltümern auf der Premer Halbinsel
kann, dann ist ein Reif zu zahlen, obwohl die Zahlung verabschiedetes Gesetz, 1025 BF
für den Knochen niemals diese letzte Summe überschrei-
ten darf. Aber wenn eine Wunde Ausbrennen erfordert, *) siehe thorwalsche Zahlungsmittel in „Von Wandel
dann ist ein Ring zu zahlen, und diese Summe ist jedes und Handel, UDW S. 19 (rs)

Zentren der thorwalschen


Waffen- und Rüstungsfertigung
Im Eisenhof in der Stadt Thorwal werden Ketten- In Muryt findet sich ein weiteres Zentrum thor-
hemden und –mäntel, Axtblätter für Schneidzähne und walscher Schmiedekunst. Hier werden neben Axt-
Skrajas, Speerspitzen, Enter- und Hjalsmesser, Schild- blättern, Speer- und Pfeilspitzen, Enter- und Hjalsmesser,
buckel sowie Glockenhelme in großer Zahl gefertigt. Die auch die typischen Breitschwerter gefertigt. Auch auf
importierten albernischen Klingen werden hier mit die Herstellung guter Kettenhemden, Schuppenpanzer
thorwalschen Heften versehen – kurze Parierstange, ein und Spangenhelme versteht man sich. Im allgemeinen
Knauf mit bärtigem Gesicht und ein lederumwickelter ist die Qualität besser als im Eisenhof, dafür kann nicht
Griff. in der Menge produziert werden. Außerdem fehlt hier
der Ruf eines Meisterschmiedes.
Da auf Schnelligkeit gearbeitet wird, fällt die Quali-
tät eher durchschnittlich aus. Will man ein besonderes Das dritte Zentrum liegt in Olport. Hier wird zwar
Stück haben, wendet man sich an den alten Meister mit Ausnahme von Glockenhelmen und weiterverarbei-
Hardsger, dessen Waffen und Rüstungen im ganzen Land teten albernischen Klingen alles hergestellt, was es in
einen ausgezeichneten Ruf genießen. Allerdings muss Thorwal an Rüstungen und Waffen gibt, jedoch nur auf
man für ein solches Stück auch tief in die Geldkatze Bestellung. Lediglich Hailanzen und die Olportmesser
greifen. Neben dem Schmiedezeichen des Meisters tau- werden auf Vorrat gefertigt und überallhin geliefert.
chen auf der Rüstung oder Waffe auch die Initialen des
Auftraggebers auf. Immer wieder hört man auch von Schmieden in den
einzelnen Ortschaften, die das eine oder andere
Wenn heraus kommt, dass der alte Meister sich nur Rüstungsteil, die eine oder andere Waffe ganz ausge-
noch selten selbst an den Amboss stellt und die mei- zeichnet zu fertigen verstehen. Im Allgemeinen jedoch
sten Aufträge sein noch nicht ganz die Klasse seines ist es schwierig, bis fast unmöglich, diese Schmiede-
Vaters erreichender Sohn erledigt, wird sich die Sippe meister dazu zu überreden einen Fremdauftrag anzuneh-
des Schmiedemeisters auf mehrere Blutfehden mit ge- men, und machen sie es doch, wird es außergewöhnlich
täuschten Kunden einstellen müssen. teuer. (jak)

40 Irdisches zu Thorwal
Winter in Thorwal
Der Winter hat das Land der Hjaldinger fest im Griff. ten und Skalden nicht zu erinnern. Im Norden beginnen
Fing er auch eher gewöhnlich an, so zeigte er doch schon Mitte Sturmmond (Boron) die Seen und Bäche zuzufrie-
bald sein wahres, grausames Gesicht. Selbst die ältesten ren, die südlicheren Seen und Bäche folgen Ende Sturm-
Thorwaler können sich nicht an einen ähnlich strengen Win- mond (Boron).
ter erinnern.
Dabei sind Unterschiede zwischen Nord- und Südthorwal Im Frostmond (Hesinde) beginnt es unentwegt zu schnei-
nur am Anfang zu beobachten. en und unter den Lasten der Schneemassen stürzen Dächer
Die Flüsse sind komplett zugefroren, ebenso zu großen ein, Orte in den Gebirgen werden förmlich vom Schnee zu-
Teilen der Hjaldingolf. Olport ist von einer kompakten Eis- geschüttet. Der Boden gefriert und der Verbrauch von Brenn-
masse fest umschlossen, Dörfer im Binnenland versinken material und heißem Met steigt schlagartig an.
im Schnee. Brennholz wird ein so begehrtes Gut, dass man Olport ist bereits fest vom Eis umschlossen, zwischen
dafür selbst den Nachbarn überfällt. Wer nach Sonnenun- den Olportsteinen kommt der Schiffsverkehr zum Erliegen,
tergang seine Hütte verlässt, muss verrückt sein oder so dick der Hjaldingolf beginnt an den Rändern zuzufrieren, im Golf
in Umhänge und Mäntel eingehüllt, dass er sich kaum mehr von Prem zeigen sich erste Eisschollen. In und bei den Ge-
bewegen kann und trotzdem riskiert er lebensgefährliche birgen gibt es viele Erfrierungstote. Wer nun länger im Frei-
Erfrierungen. Am Tag ist es dabei nur unmerklich wärmer. en ist, wird unweigerlich Erfrierungen erleiden. Die Skal-
Dick eingehüllt kann man durch die meterhohen Schnee- den singen an den wärmenden Herdfeuern vom Wolfswinter,
verwehungen langsam zum nächsten Dorf oder Hof stapfen den sie aus den Erzählungen der Nivesen kennen.
und dabei hoffen, dass man am Ende des Tages sein Ziel
erreicht, wofür man im Sommer gerade mal ein oder zwei Im Grimfrostmond (Firun) kommt es zu einem weite-
Stunden gebraucht hat. ren Kälteeinbruch. Selbst die großen Flüsse wie Nader,
Orte im oder nahe bei einem Gebirge, ebenso wie alle Merek und Bodir frieren nun zu weiten Teilen zu. Die Grauen
Inseln, sind von der Außenwelt abgeschnitten und müssen Berge, das Hjal-
zusehen wie sie zurecht kommen. dormassiv und
Feuchtigkeit in den Haaren gefriert zu festen Eisklumpen. die Große
Olochtai liegen
Überall in Thorwal fragt man sich bibbernd weswegen unter einer dich-
Firun das Land so fest in seinem eisigen Griff hat. Oder ist ten Panzer-
es gar nicht auf Firun zurückzuführen? Ist der diesjährige schicht aus Eis
Winter nicht eher das Werk der Eishexe Glorana, die nun und Schnee.
grausame Rache nimmt wegen Jurgas Herferd die sie im Selbst im Golf
Sommer unternahm? Zumindest im Norden des Landes ist von Prem trei-
dies eine feste Gewissheit. ben nun Eisber-
ge und viele Kü-
Wir wollen dem Leser hier einen Überblick über den zeit- stenstreifen sind
lichen Ablauf geben: fest vom Eis ein-
geschlossen. Er-
Bereits im frühen Sturmmond (Boron) ist es empfind- frierungen sind
lich kalt und es fällt Schnee, der nur noch sporadisch taut. an der Tagesord-
Während dies im Norden des Landes höchstens für ein Stirn- nung. Die Skal-
runzeln sorgt, ist es im Golf von Prem das Gesprächsthema. den sprechen
In und bei den Gebirgen - Graue Berge, Hjaldormassiv, Gro- von einem Win-
ße Olachtai und Steineichenwald - kommt der Winter früh ter, der niemals
und hart, man versucht so schnell und so gut es geht die enden wird und
Proviant- und Brennholzvorräte aufzustocken. An einen der alles Leben
solch frühen Wintereinbruch vermögen sich selbst die Al- beendet.

Irdisches zu Thorwal 41
Und es scheint sie haben Recht damit, denn der wolken- begutachten kann, die der Winter hinterlassen hat.
lose und blassblau vor Kälte klirrende Himmel deutet in Doch noch liegen die Berge im ganzen Land unter einem
keiner Weise an, dass es im Goimond (Tsa) besser wird – Eis- und Schneepanzer,. Endlich aber bricht auch dieser auf.
ganz im Gegenteil. Die Temperatur sinkt noch einmal wei- Gewaltige Schneebretter brechen ab und gehen als Lawine
ter. Überlebende Wildtiere kommen aus ihren Unter- donnernd zu Tal. Dabei begraben sie alles unter sich, was
schlupfen hervor und nehmen sich was sie brauchen – Bä- ihnen im Weg steht. Manche Ortschaft verschwindet und
ren und Wolfsrudel die über Gehöfte herfallen sind nun ein muss später wieder aufgebaut werden.
gewöhnlicher Anblick. Auch die südthorwalschen Trolle neh- Doch der wahre Schrecken kommt erst noch. Durch das
men keine Rücksicht mehr, sondern verhalten sich nach dem viele Schmelzwasser und den Regen werden Ende Eimond
Recht des Stärkeren. An den Grenzen zum Orkland kommt (Peraine) selbst kleinere Bäche zu gewaltigen Strömen,
es zu beständigen Überfällen durch Orks, vereinzelt auch denen sich nichts und niemand widersetzen kann. Orte nahe
durch Oger. Selbst Säbelzahntiger rotten sich zusammen und diesen Flüssen werden zu Teilen mitgerissen, die Uferwiesen
jagen im Rudel. werden bis weit ins Landesinnere überschwemmt. Der Bodir
transportiert das Fünffache seiner normalen Wassermenge
Obwohl es üblicherweise zu dieser Jahreszeit zumindest und setzt Thorwal-Stadt fast zur Gänze unter Wasser.
im südlichsten Zipfel Thorwals wieder wärmer werden
müsste, ändert sich die Situation nicht. Im Friskenmond Anfang / Mitte Faramond (Ingerimm) normalisiert sich
(Phex) kommt sogar noch eine weitere Gefahr hinzu: die die Lage. Das ganze Land steht wie vor einem einzigen rie-
des Menschen. Wer nichts mehr hat, überfällt den Nachbarn sigen Trümmerhaufen. Es gibt keine Ortschaft die nicht in
um Holz und Nahrung für sich und seine Familie zu besor- Mitleidenschaft gezogen wurde, keine Sippe, die nicht
gen. Eine relative Sicherheit besteht nur innerhalb der Sip- schmerzliche Verluste hat hinnehmen müssen.
pen und Ottajaskos und in den größeren Städten, was zum Während die einen sich an den Wiederaufbau machen
großen Teil auf das verstärkte Auftreten der Hjolmskaris und auch die Toten bestatten die während des Winters in
zurückzuführen ist. Es gibt kaum noch eine Familie die nicht dem steinhart gefrorenen Boden nicht begraben werden
über Erfrierungstote und amputierte Gliedmaßen zu klagen konnten, erinnern sich die anderen daran, dass selbst Nach-
hat. barn und Freunde während des Winters zu Feinden wurden,
Alte und Schwache sterben wie die Fliegen - es gibt kaum die Gehöfte überfielen um Nahrung und Heizmaterial zu
ein Kind unter einem Jahr das überlebt hat. rauben. Blutfehden werden ausgerufen und man zieht los
Das Hausvieh hat nichts mehr zu Fressen und wird not- um es dem Nachbarn blutig heimzuzahlen, die daheim ge-
geschlachtet. Dadurch hat man zwar wieder Fleisch für die bliebenen verstärken Wälle und Palisaden.
nächste Zeit, doch auch dies braucht sich zu schnell auf. Einzig in den großen Städten und auf einigen Inseln -
Selbst die größten Optimisten fangen an zu zweifeln, ob eben dort, wo man während des Winters lieber gemeinsam
dieser Winter jemals enden wird. starb, als den Nachbarn zu bestehlen - herrscht weitest ge-
hende Einigkeit.
Es ist Mitte Friskenmond (Phex) als man in Kendrar
bemerkt, das die Eisberge im Golf von Prem kleiner wer- Einige von Jurgas Anhänger und Vertraute bekritteln nun
den, daß der Schneefall sich zu Schneeregen wandelt; hier ihre Fahrt in den Norda, denn die Menschen finden keine
und da lugt bereits ein Blümlein durch die Ifirnsdecke. andere Erklärung für diese wahrhaft „gloranische“ Katastro-
Ende Friskenmond (Phex) sind endlich wieder weite phe. Aber auch Iskir verliert Anhänger, denn war nicht auch
Teile von Südthorwal eis- und schneefrei. er mit im Norda unterwegs? Einzig auf Marada fällt keine
Kritik, doch schafft sie es nicht größere Mengen der abge-
Es dauert jedoch noch bis Mitte Eimond (Peraine) bis auch fallenen Anhänger ihrer Kontrahenten auf ihre Seite zu zie-
der Norden des Landes wieder aufatmen und die Schäden hen. (jak)

42 Irdisches zu Thorwal
Das Interview: Caryad
Beleman: Auch wenn Du als beliebteste DSA-Zeichnerin den Meine Mutter hat gemalt, vielleicht war ich deshalb so früh
meisten Lesern bekannt sein dürfest, dennoch die Frage: Wer schon so begeistert.
verbirgt sich hinter dem Künstlernamen Caryad?
Beleman: Wie wichtig ist Dir das Zeichnen?
Caryad: Oh je, schwer zu sagen. Deshalb beschränke ich mich
auf ein paar Eckdaten: Ich bin 32 Jahre alt, habe einen Sohn Caryad: Na ja, ich verdiene damit meinen Lebensunterhalt
namens Rowan, bin mit dem DSA-Redakteur Thomas Römer und ich liebe meine Arbeit. Die Priorität liegt also hoch.
liiert, trage fast nur Schwarz und schaue mir leidenschaftlich
gerne Horrorfilme an. Beleman: Hast Du Vorbilder?

Beleman: Wo würdest Du Dein Schaf- Caryad: Klar habe ich die. Früher war
fen für DSA ansetzen? das Boris Vallejo, er brachte mir viel
über menschliche Anatomie und Licht
Caryad: Ich bestimme ein wenig die und Schatten bei. Mittlerweile gefal-
Optik von DSA. Vor allem was die Per- len mir seine Motive nicht mehr so
sonen angeht, ich habe dutzende von sehr. Wendy Pini habe ich auch sehr
Porträts gezeichnet. Dann wäre da die verehrt. Heute orientiere ich mich
Kleidung, obwohl ich mich da stark an mehr bei Brom, Alfred Belasco und
die Beschreibung des Autors halten John Bolton. Auch Fotografie inspiriert
muss. Aber ich versuche dem Ganzen mich sehr, ich schätze die Arbeiten von
doch noch eine eigene Note zu geben. Irina Ionesco und Jan Saudek.
In letzter Zeit entwerfe ich auch einige
der Schriften und Symbole mit, das Beleman: Welche Techniken benutzt
macht sehr viel Spass, besonders die Du?
magischen Runen der Thorwaler.
In meiner Eigenschaft als Rollen- Caryad: Ich zeichne in Bleistift, Tu-
spielerin halte ich meine Arbeit für sche und Aquarell (letzteres hört sich
DSA nicht für so wichtig. Wenn ich komisch an, aber ich betrachte das
spiele brauche ich keine Bilder dazu, Malen mit schwarzer Aquarellfarbe
eine gute Beschreibung ist mir wichti- doch eher als Zeichnen). Das Zeich-
ger. Das reicht um in meiner Phantasie nen mit Tusche variiert in der Ausfüh-
einen regelrechten Film entstehen zu
lassen. Vieles allzu Phantastische bleibt
Caryad rung bei mir, früher habe ich viel Punk-
tiert und heute schraffiere ich meistens
auch lieber ungezeichnet, da sich vieles einfach nicht zweidi- in Verbindung mit Bleistift. Dafür benutze ich sogenannte
mensional darstellen lässt. Rapidographen, die normalerweise fürs Technische Zeichnen
Wichtiger erachte ich die werbetechnische Wirkung meiner benutzt werden.
Arbeit. Für viele Käufer zählt ein attraktives Äußeres, d.h. Malen tue ich in Öl, Aquarell, Buntstift und Pastellkreide.
vor allem auch die Bilder.
Beleman: Du hast ja bereits erwähnt, dass sich deine Zeichen-
Beleman: Seit wann zeichnest Du und wie bist Du dazu ge- technik geändert hat. Wie kamst du zur Entscheidung, nicht
kommen? mehr zu punktieren? Oder, um ein neueres Beispiel zu neh-
men, wie kamst du darauf, vermehrt auch Tusche zu verwen-
Caryad: Ich zeichne solange ich mich zurückerinnern kann. den?
Ich habe mit 10 Jahren dann eine wahre Massenproduktion
angefangen und ganze Hefte vollgezeichnet. Caryad: Punktieren ist eine Zeichentechnik die sehr zeitauf-
wendig ist. Mit vermehrter Auftragsfülle war es mir nicht mehr

Aus irdischen Gefilden 43


möglich, diese Technik für DSA beizubehalten. Der Zeitauf- Caryad: Nein. Seit ich mit dem Illustrieren meinen Lebens-
wand muss auch in passender Relation zum Honorar sein, das unterhalt verdiene und meinem Sohn Rowan seine Weih-
war nicht der Fall. nachts- und Geburtstagswünsche erfüllen muss, kann ich mir
Tusche/Bleistift und Aquarell sind die besseren Alternativen. kreative Löcher nicht mehr leisten. Für meine privaten Arbei-
Ich zeichne und male in vielen unterschiedlichen Techniken, ten habe ich so viele Entwürfe, dass es für die nächsten 3 Jah-
z.B. auch mit Pastellkreide und Policromos (Buntstifte). Ich re reicht. Da gibt es also auch ohne Bildbeschreibungen der
wähle eine Technik für einen Auftrag aus, die mir passend Autoren keinen Notstand.
erscheint. Sowohl stimmungsmäßig als auch dem Honorar an-
gemessen. Beleman: Wenn Du ein Motiv zeichnest, was ist die größte
Außerdem ist es nicht gut für einen Künstler immer nur das- Hürde?
selbe zu machen, ich möchte mich schließlich auch weiter-
entwickeln. DSA erlegt mir da ohnehin schon starre Regeln Caryad: Darauf Lust zu haben. Es gibt viele Motive die mich
auf, da bin ich froh mal was anderes zu machen als nur zu überhaupt nicht reizen, aber zeichnen muss ich sie trotzdem.
schraffieren oder zu punkten.
Beleman: Welche Ansprüche stellst Du an Dich selbst?
Beleman: Gab es für Dich immer nur den Beruf Künstlerin,
oder hast Du erst was „normales“ gelernt? Caryad: Mich weiterzuentwickeln - in jeder Hinsicht.

Caryad: In der 9. Klasse habe ich noch mit dem Gedanken Beleman: Wie bist Du zum Rollenspiel gekommen?
gespielt was „normales“ zu erlernen. Aber das dann auch
schnell verworfen und ein Fachabitur in Gestaltung gemacht. Caryad: Durch das Zeichnen für das Fantasy-Fandom bin
Anschließend wollte ich Kunst studieren, aber da wollte mich ich zu DSA gekommen. Und durch das Zeichnen für DSA
keiner haben. Da ich zu diesem Zeitpunkt schon angefangen bin ich zum Rollenspiel gekommen. Ich habe früher mehr DSA
hatte für DSA zu illustrieren habe ich den Gedanken ans Stu- gespielt als heute, jetzt ist es „Buffy“ oder „Deadlands“.
dieren bald aufgegeben. Ich lernte sozusagen im Selbststudi-
um, und hoffe, dass ich dies auch immer noch tue. Der Ge- Beleman: Was bedeutet für Dich die Faszination Fantasy?
danke an keinerlei Weiterentwicklung gefällt mir nicht. Ich
versuche immer noch mich zu verbessern. Caryad: Ich habe selbst eine recht rege Phantasie, deshalb
passt dieses Genre ganz gut zu mir. Ich lese sie quasi auch
Beleman: Welche Musik hörst du beim Zeichnen? andauernd, noch mehr als ich sie spiele. Darum bildet sie ei-
nen Großteil meines Lebens, würde ich sagen.
Caryad: Beim Arbeiten höre ich alles mögliche, z.B. Film-
musik, „DeadCanDance“, „Placebo“ oder die Ramones. Beleman: Hast Du einen DSA-Lieblingsautor?

Beleman: An welchen Projekten arbeitest Du gerade? Caryad: Lena Falkenhagen hat meistens sehr nette
Illuvorschläge. Aber ansonsten kann ich nur sehr wenig dazu
Caryad: Gerade jetzt arbeite ich an „Die Rückkehr des Kai- sagen, da ich DSA nur noch selten spiele und auch von den
sers“ und einer Kinderbuchillustration*. Romanen nur wenige gelesen habe. Vermutlich zeichne ich
zu viel für DSA um noch anderweitig großes Interesse auf-
Beleman: Wie viele Bilder zeichnest Du in der Woche/im bringen zu können.
Monat?
Beleman: Welche DSA-Figur liegt Dir besonders am Her-
Caryad: Das ist natürlich sehr unterschiedlich. Es können zen?
z.B. 12-20 Illustrationen für DSA sein im Monat. Oder weni-
ger Illustrationen und ein Farbbild. Dazu kommen dann noch Caryad: Ich habe sie massenhaft gezeichnet, die gelten vor
1-5 private Zeichnungen oder Bilder. mir alle gleich.

Beleman: Gibt es bei so vielen Werken auch „kreative“ Lö- Beleman: Vielen Dank für das Gespräch.
cher?
* Das Interview wurde bereits im September 2005 geführt. Das Interview führte Tahir Zia Shaikh

44 Aus irdischen Gefilden


Über zwanzig Jahre
In den Archiven einer unserer Mitarbeiter fanden wir die Aufzeich- sen. DSA gehört in Hefte, und die in Boxen. Ich vertraue der Redakti-
nung eines Gesprächs dreier Rollenspieler, das auf einem Con vor on, dass sie es so belässt und keine Experimente wagt. Am Ende hät-
zehn Jahren stattfand. Aus Rücksicht auf ihre Identität wollen wir die ten wir dann alle Regelwerke noch in doppelter Ausführung, in Boxen
drei im folgenden nach ihrem prägendsten äußerlichen Merkmal be- und in Büchern.
nennen. Da wäre der Computergeek (C), der Heavy-Metaler (M) und L: Das wäre wirklich lächerliche Geldmache.
der Larper (L) M: Ach, auch ein neues Regelwerk wird nicht helfen, echtes
Charakterspiel zu erlauben. Die sollten einen Wert für Menschlichkeit
C: Habt ihr schon mit der Kampagne um die sieben Gezeichneten einführen, dann klappts vielleicht. Aber sag mal, was glaubst du denn,
angefangen? Da geht’s ja richtig hoch her. wie sich Aventurien weiter entwickelt? Soll es immer so fade bleiben
M: Ach ja? Was passiert denn? wie jetzt?
C: Das verrat ich doch nicht. C: Aber nein, Borbarad ist doch zurückgekehrt, das sagte ich dir
M: Mach schon, mir egal. schon. Es kommen spannende Zeiten auf uns zu. Fiese Bösewichte,
C: OK, aber verrat niemandem was, wenn er die Kampagne noch die das Land zu verwüsten suchen, und denen die Spieler mit echt
spielen will. flüsternd Borbarad kehrt zurück! starken Herrschern wie Brin und Waldemar gegenübertreten. Ich hab
L: Borbarad. Cool, den spiel ich beim nächsten Mal. Oder, nein, ist es in den Prophezeiungen der GMG-Box gelesen: eine Heldenzeit
nicht so cool. Wie soll ich den denn darstellen. Ist doch voll stark der. bricht an.
C: Warum soll das ein Problem sein? L: Heldenzeit? Wir konnten aber auch Helden ohne eine Helden-
L: Du weißt doch, wir spielen alle Abenteuer live. Und wie zaube- zeit spielen. Was waren dann die letzten zehn Jahre?
re ich als Borbarad? M: Das ist wohl das Motto des neuen DSA. Alles größer, besser,
M: Was für eine hirnrissige Idee, ihn zurückzubringen. Der absolut toller. Größere Schlachten, mächtigere Gegner, mehr Zerstörung, mehr
böse und mächtige Schwarzmagier. Wo bleiben da die moralischen Storylöcher. Am Ende sehen wir noch, wie ein Ufo aus ‘Independence
Konflikte? Day’ Gareth zerstören will, nur damit Brin es aufhält. Oder noch bes-
C: Ich vertraue der Redaktion, die kriegen das hin. Das Böse hat ser Emer, die Autoren sind sowieso alles Alice-Schwarzer-Verschnit-
seine ganz eigene Faszination, und Borbarad vertritt diese. Einer un- te. Bald sind überall nur noch Frauen an der Macht. Mit Peitsche und
serer Helden wollte sogar überlaufen, aber das habe ich als Meister Kette wäre das ja noch OK, aber wir kriegen nur Mannweiber.
nicht gestattet. Und sowieso, wenn du so was willst, dann bleibt doch C: Ich vertraue der Redaktion, so was macht die nicht. Die gehen
bei Vampire oder Shadowrun. mit dem richtigen Maß ans Werk. Und sowieso, ein bisschen Feminis-
M: Und du bei deinem ‘Bienchen und Blümchen’-DSA, wo jeder mus schadet DSA nicht. Da könnten sich deine Rollenspiele was von
Gegner ein Leuchtschild mit der Aufschrift ‚Ich bin böse’ trägt. Ich abschneiden.
stelle Aventurien so dar, wie es sein sollte. Bei uns gibt es auch einen L: Ufos über Gareth? Wie sollen wir das denn nachspielen? Schlach-
Staat, in dem Dominas herrschen und die Menschen durch Sex ver- ten gefallen mir auch nicht, sind auch nicht leicht zu inszenieren. Wo
sklaven. sind die guten alten Zeiten, als die Räuberbande und der Ork noch
C: errötend Nein, so was passt nicht, das will ich nicht in meiner echte Feinde waren? Ich fand den Orkenzug sowieso blöd. Da waren
Runde. sie auf einmal geeint und berennen Gareth. Und das, nachdem der
L: Hört sich cool an. Bin mir aber nicht sicher, ob unsere Mädchen letzte Krieg mit ihnen 400 Jahre zurücklag. Wäre schlimm, wenn jetzt
das mitmachen würden. Solangs nicht offiziell wird... das wäre ein alle Jahre wieder die Orks losbrechen. Stell dir vor, dann stehen Orks
Zeichen, dass DSA auf die Schiene ‘sex sells’ aufspringt und die Ide- bald schon in Albernia.
en ausgehen. C: Nein, das passiert nicht, da kommen die doch gar nicht hin.
M: Da wären anderen Sachen sehr viel schlimmer. M: Oder wenn jetzt Mordor nach Aventurien verfrachtet wird, mit
C: Ach was zum Beispiel? Ein neues Regelwerk? Das würde mir bösen Herrschern und allem. Und sich dann mit Aliens verbünden,
sogar gefallen. Aber dann müssten die Regeln schnittiger werden, nicht um an ihre Ufos zu kommen. An jeder Ecke Dämonen, Untote und
so stark verteilt über viele Boxen und mit wenigen Kernmechanismen. Drachen.
Stellt euch vor, da kommt die 4. Edition, und man muss sich fünf L: Oder untote Drachen. Verdammt, wie soll ich das hinkriegen?
verschiedene Regelwerke kaufen. Wer soll das bezahlen? Wir Studen- Weißt du wie schwer es ist, schon einen Geist einzubringen?
ten etwa, wo wir eh kein Geld haben? M: Brauchst du nicht, wenns soweit kommt, wird eh niemand mehr
M: Dann landen wir bei AD&D. Ein Band für Kämpfer und deren DSA kaufen.
Waffen, einer für Magier und deren Artefakte und so weiter. Was ich C: Wisst ihr was? Ihr malt hier voll den Teufel an die Wand. Sowas
mir wünschte, wären Hardcover. Damit würde DSA endlich den Kin- wird nicht passieren.
derschuhen entwachsen. M: Sobald die guten Ideen ausgehen, bestimmt. Wenn der Punkt
L: Hardwas? Ist das die Bezeichnung für Musikcover in deiner erreicht ist, geht jede Logik flöten.
Szene? C: Nicht bei DSA. Ach, du hast doch keine Ahnung, das ist eine
M: Hardcover, keine Boxen, sondern feste Einbände. Fantasywelt, da herrschen andere Gesetze. Wenn z.B. entschieden
C: Du willst doch nur DSA deinen Lieblingsrollenspielen anpas- würde, irgendeinem Orden die Herrschaft über Darpatien zu geben,

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dann sollten wir das nicht hinterfragen. Oder wenn irgendein Herr- neue Wege für DSA bereiten. Und dann wirst du im Regen stehen.
scher plötzlich sein Gedächtnis verliert und in der Wildnis Holz hak- L: Nichts gegen den Regen, das ist Ambiente.
ken geht. So ist das eben. Wenn daraus ein Abenteuer entsteht, ist es M: Was für’n Scheiß, so was brauche ich nicht. Wenn sich da nur
gut. Langweiler wie du tummeln kann ich mir ausmalen, was da abgehen
L: Das wäre uncool, welcher Orden sollte denn Darpatien bekom- wird. Nämlich nichts.
men? C: Ihr werdet schon sehen. Das Internet...
M: Genauso gut wie Ufos über Gareth? M: Kannst mir gerne mit deinem Internet gestohlen bleiben. Ich
C: Das ist was anderes, das ist nicht Fantasy. bleib bei Pen & Paper. Wenn ich mich mit anderen Fans austauschen
L: Aber deine anderen Gesetzte sind es? will, dann auf Treffen wie diesem oder über Fanzines. Ohne die wäre
C: Du hast doch keine Ahnung. Bleib du bei deinen dunklen Rol- DSA sowieso nur halb so gut. Ich bin mir sicher, dass sie auch nach
lenspielen, ich bleib bei meinen. über zwanzig Jahren einen frischen Wind an Ideen bringen werden.
L: Verkriech dich doch hinter deinem blöden Computer, dann bleibst Oder um es aventurisch zu sagen: der Beleman weht durch Lande,
du der Welt erspart. streichelt sie sanft oder wirbelt sie auf, immer bedacht und mit dem
C: Keine Sorge, das werde ich sogar machen, denn der Computer rechten Maß. So bewahrt er ihren Reiz und bringt sie zur Blüte.
wird auch für DSA wichtig sein. Ich sage dir, über das Internet wirst C: Pah, was bringt der Beleman schon mit außer Fischgestank und ...
du bald die ganze Welt virtuell bereisen können. Dort wirst du genug
DSA-Spieler treffen. Und wenn die Redaktion zusammentritt, wird An dieser Stelle ging das Gespräch im Lärm unter, als jemand es
davon auch exklusiv berichtet werden. In Diskussionsrunden werden lustig fand, Macarena ganz laut aufzudrehen und damit einen guten
Fans ihre Ideen austauschen und gesittet diskutieren, nicht so rum- Teil der Conbesucher zu lächerlichen Tanzbewegungen animierte.
grölen wie es auf Cons der Brauch ist. Glaub mir, das Internet wird (jm)

Büchertipps
Titel: Lexikon des alten Handwerks: Vom Spätmit- und wie groß die Speziali-
telalter bis ins 20. Jahrhundert sierung in den einzelnen
Herausgeber: Reinhold Reith Handwerken sein konnten.
Verlag: C. H. Beck Man kann zum Beispiel
ISBN: 3-406-34470-4 von den Unmengen an
Preis: 19,90 Euro Spezialisierungen bei den
Metallhandwerkern oder
Mit DSA 4 und der Einführung der Professionen können den Bäckermeistern erfah-
wir DSAler nun nicht mehr nur Krieger und Magier, Phex-Ge- ren, oder dass die Bäcker
weihte und Elfen spielen, sondern haben mittlerweile einen von Honig- und Lebku-
ganzen Fundus an Handwerksprofessionen zur Erschaffung chen (die so genannten
eines eher bodenständigeren Helden zur Hand. Allerdings ist Lebzelter) mitunter in ganz
dem Spieler des 21. Jahrhunderts oftmals nur noch wenig dar- eigenen Zünften zusam-
über bekannt, wie das Handwerk im Spätmittelalter und der mengeschlossen waren.
Renaissance ausgesehen haben könnte. Das LEXIKON DES ALTEN Aus der Darstellung der
HANDWERKS kann hierbei Abhilfe schaffen. Berufe und Betonung der
Das Buch versammelt auf über 300 Seiten Artikel verschie- Bedeutung des Zunft-
dener Autoren zu den unterschiedlichsten Handwerken der Ver- wesens bieten sich unzäh-
gangenheit. Vom Bader über den Müller bis hin zum Zinngie- lige Ansatzpunkte für ein
ßer werden hier alle Handwerker mit einem meist zwischen lebendiges Rollenspiel,
vier bis fünf Seiten kurzen Kapitel in sachlichem Ton vorge- nicht nur für die Spieler eines Schornsteinfegers sondern gera-
stellt. Der Stil entspricht dabei tatsächlich zumeist einem aus- de auch für den Meister für ein spannendes und realistisch wir-
führlichen Lexikoneintrag und vermittelt viele lebendige De- kendes Spiel in den Städten und Dörfern. Immer wieder fällt
tails auf engem Raum. einem ein überraschendes Detail auf, mit dem man den Reich-
Besonders interessant sind die Artikel zu Handwerken, die tum einer altertümlichen Welt darstellen kann.
in heute eher unbekannt sind, wie das des Feilenhauers, des Ein sehr zu empfehlendes Buch für Spieler und Meister, auch
Knopfmachers, des Nadlers oder des Strumpfwirkers. wenn man sich manchmal eine erläuternde Illustration mehr
Man erhält vielerlei Einblicke in die Welt des Handwerks gewünscht hätte. (jr)

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Titel: Vergessene Künste: Bilder vom alten Handwerk handwerker“, „Arbei-
Autor: John Seymour ten im Feld“, „In der
Verlag: Urania Werkstatt“ sowie
ISBN: 3-332-00707-6 „Handwerk im Haus“,
Preis: 16,95 Euro und jedes Kapitel ist
reich bebildert. Man er-
Erläuternde Illustrationen bietet „Vergessene Künste: Bil- fährt zum Beispiel so
der vom alten Handwerk“ dagegen zuhauf. Das 180 Seiten starke einiges über das Kalk-
Werk aus dem Urania-Verlag präsentiert (teilweise in Farbe) brennen, das Anlegen
Bilder und Erklärungen zu verschiedenen mehr oder weniger eines Kohlenmeilers,
vergessenen Handwerkstätigkeiten, wobei der zeitliche Fokus das Fassmachen oder
hier offensichtlich doch um einiges später liegt als im oben das Sieden von Seife,
vorgestellten Lexikon, meist ist es bereits das 19. Jahrhundert - das sich auf Aventurien
genauer das viktorianische England. Damit sind die vorgestell- übertragen lässt. Mit ei-
ten Handwerkstätigkeiten auch recht deutlich auf die Traditio- ner gewissen Vorsicht
nen beschränkt, die damals in England üblich waren. in Bezug auf die Epo-
Trotzdem kann das Buch auch für DSA-Spieler einige inter- che kann das Buch des-
essante Beschreibungen liefern. Im Gegensatz zum Lexikon des halb eine nette Ergänzung sein, auch wenn Mittelalter-Puristen
alten Handwerks liegt nämlich das Augenmerk etwas mehr auf sicherlich nicht so ganz glücklich mit dem Buch werden und
den Tätigkeiten, die im Hause oder auf dem Hof getätigt wur- gerade die Kritik des Autors an der modernen Welt oft allzu
den (z.B. das Besenbinden), und weniger auf den zunftmäßig sehr in den Vordergrund rückt. Einen interessanten Einblick in
organisierten Handwerksberufen, obwohl der Aspekt des nor- die Alltagswelt des beginnenden 19. Jahrhunderts bietet das
malen Handwerkers auch nicht zu kurz kommt. Das Buch ist Buch aber allemal.
grob eingeteilt in die Kapitel „Holzhandwerker“, „Bau- (jr)

Titel: Ritter und Söldner im Mittelalter vom späten 11. bis ins frühe
Autor: Gerry Embleton 16. Jahrhundert. Der Verfas-
Verlag: VS-Books ser gehört mit zu den besten
ISBN: 3-932077-06-7 militärgeschichtlichen Illu-
Preis: 17,40 Euro stratoren und ist auch rege in
der Reenactment-Szene tätig.
Und wieder ein großartiger Bildband von VS-Books! Hier hat er mit großer Sorg-
Dieses Paperback im „Fast-A4-Format“ widmet sich mit falt Darsteller ausgesucht, de-
hervorragend inszenierten Farbfotos und reich bebilderten ren Bekleidung sich exakt an
Illustrationsseiten den Rüstungen und auch der alltäglichen mittelalterlichen Vorlagen ori-
Bekleidung mittelalterlicher Kombattanten und Trossscharen entiert und herausgekommen
sind aufschlussreiche Ergeb-
nisse. Im Text finden sich vie-
le Erklärungen, warum etwas
gerade so und nicht anders ge-
tragen wurde, wie es auch an vielen zeitgenössischen Darstel-
lungen des Mittelalters in Bild und Skulptur zu sehen ist, und
es erweist sich, dass die mittelalterliche Mode in keiner Weise
einfach nur skurril ist, sondern sich genauso bequem wie die
heutige tragen lässt, wenn man sie richtig anzieht.
Man merkt den Darstellern an, dass sie mit Spaß und Enga-
gement bei der Sache waren – dementsprechend gut und vor
allem auch anschaulich sind die Fotos geworden.
Als historisches Nachschlagewerk wie auch als Ideenvor-
lage für LARPer mit einem dicken Sternchen zu empfehlen!
Da wird schon fast das AVENTURISCHE ARSENAL überflüssig.
(vr)

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