Aventurischer Bote, Nr.

208

Schwer fassbares Getier Unheimliches Nebelwasser Schwingenrauschen für einen Henker

Eine aufwendige Forschungsexpedition der Universität zu
Methumis macht sich dieser Tage auf ins Mittelreich, genauer
ins Fürstentum Kosch. Zweck der Unternehmung ist die
Suche nach den berüchtigten Kleinchimären, deren Entde-
ckung dem als Genussmensch bekannten Kaiser Valpo von
Almada zugeschrieben wird. Eine wissenschaftliche Beschrei-
bung der Valpodinger wäre nicht weniger als eine Sensation
für die Gelehrtenschaft.
Im Weidenschen, unweit der Grafenstadt Baliho, häufen sich
merkwürdige Sichtungen und unerklärliche Phänomene. Kun-
dige Beobachter, die sich auf die magischen Künste verstehen,
raunen davon, dass Satinavs Griff über die Gegend zu locker
sei. Um den gefährlichen Vorkommnissen auf den Grund
zu gehen und zu verhindern, dass sich eine weitere Wüstenei
­bildet, wurde nach den Antimagiern aus Perricum geschickt.
Zamperi, der vielleicht bekannteste Rechtswahrer des Wilden
Südens, ist tot. Der erbarmungslose und wagemutige S­ treiter
für Recht und Ordnung fand sein Ende ausgerechnet zur
Rosenwoche, der prächtigsten Feier in seiner Heimstadt Drôl.
Der Mörder, ein bekannter Brigant, ist auf der Flucht. Hin-
weise nimmt die Drôler Stadtgarde entgegen, zudem hat auch
die Rechtswahrerin Lucara von Kelb, Zamperis Schülerin, aus
eigener Tasche ein Kopfgeld ausgelobt.

Fantholi, Firun 1043 BF

Das Andenken der Nordfalkin

aliho. Kaum dass Frau Ardariel mit ihren Familien vor Ort. Aus Tobrien

B beim Kampf um den Aarenstein

heldenhaft ihr Leben gelassen
hatte, wurde ihr Leichnam mit allen Ehren
nach Baliho gebracht. Ihre Knappin hielt arg-
wöhnisch die Totenwacht, bis die Gräfin Burg
Räuhharsch erreicht hatte. Dort wurde der
Leichnam hergerichtet und in eine schwarze
Garether Plattenrüstung, ein edles rot-wei-
ßes Waffenkleid mit den silbernen Rädern
Balihos und den schwarzen Falken ihres Hau-
ses darauf gekleidet; allein blieb ihr Antlitz
durch dicke weiße Leinenbahnen verhüllt.
Aufgebahrt wurde der Leichnam der Grä-
fin in der ehrwürdigen Rondrahalle Lohen-
harsch, sodass auch die Bürger der Stadt
Abschied nehmen konnten, denn Zugang zur
Grafenburg ist von alters her nur Personen
von Stand erlaubt, und Tradition ist ehernes
Gesetz in Balihos Grafenstadt.
Offenbar war die Gräfin recht beliebt, denn
viele kamen, um am Katafalk zu kondolieren.
Es kam zu eigenartigen Szenen, als die ein-
fachen Leute versuchten, den Leichnam zu
berühren. Am 12. Tage des Totengedächtnisses
nahm dann die Schwertschwester des Rond-
ratempels, Alinja Leuenklinge von Norburg,
im Beisein vieler hochrangiger Adelsleute und
Gäste aus anderen Provinzen des Mittelreiches
Abschied von der streitbaren jungen Gräfin.
Im Rahmen eines großen Göttinnendiens-
tes rief sie die Donnernde Leuin Rondra an,
die Nordfalkin an ihre Tafel zu geleiten, ver-
brannte eine der roten Locken der Gräfin und
brachte einen Bock als Opfergabe dar.
Der Abschied der Balihoer Barone fiel unter-
schiedlich aus. Mancher, wie die Meierin von
Espen trug offene Trauer zutage; andere, wie der
Teichenberger Baron, blieben distanziert, und
es heißt, dass sogar einer der eigenwilligen und
mächtigen Adelsleute verstohlen ausspuckte
und ein »Recht so, wurde auch Zeit!« hervor-
presste, bevor er sich brüsk abwandte. Während
der Leichnam der Gräfin, nun mit einer lebens-
nahen, fein geschnitzten Totenmaske angetan,
nach Moosgrund, dem Stammlehen der Familie
Nordfalk, gebracht wurde, fand auf dem Platz
vor dem Tempel ein Fest der Erinnerung statt,
dass die eilfertige Kanzlerin der Grafschaft,
Greifgolda von Mersingen, ausgerichtet hatte.
Sie würde für die Herzogin der Weidenlande
auch dafür zu sorgen haben, dass schon bald die
Pandlarilstränen auf ein würdiges Haupt gesetzt
werden würden.
Die eigentliche Beisetzung sollte am
1. Hesinde in den Mauern der altehrwürdi-
gen Feste Moosgrund stattfinden. Hier hat-
ten sich Familie und Freunde versammelt,
dass den Bürgern des kleinen Städtchen ganz
schwindelig vor berühmten Wappen wurde.
Die Stimmung war von echter Trauer geprägt
und die Gäste waren tief von ihrem Ver-
lust getroffen. Die Herzogin Walpurga von
Löwenhaupt selbst war mit ihrem Sohn und
Erben Arlan gekommen, ebenso die Gräfin
Bärwaldes, Griseldis von Pallingen, und ihre
Mutter Walderia von Löwenhaupt, denen
sich die geheimnisvolle Hex’ Gwynna ange-
schlossen hatte. Die Nachbarn und Freunde
der Nordfalkin, wie die Barone von Brach-
felde, Hollerheide und Wolfenbinge, waren
waren die Kanzlerin des Herzogtums und
die ehemaligen Knappinnen der Nordfal-
kin mit ihren Eltern herbeigeeilt, Wesanka
von Korswandt mit ihrer gräflichen Mutter,
Lleara-Dhana von Ilsur mit Großmeisterin
Llezean von Yyoffrynn-Thama, die zur gro-
ßen Überraschung vieler von niemand gerin-
gerem als Prinzessin Yppolita von Gareth
begleitet wurden, die für die Kaiserfami-
lie sprach und davon, wie sehr es Kaiserin
Rohaja schmerze, nicht selbst vor Ort sein
zu können. Offensichtlich schweren Herzens
nahm der Schwertvater der Gräfin, Rondred
Donnerklinge von Salzsteige, Abschied, als
die Moosgrunder Tempelvorsteherin gemein-
sam mit der Blutlöwin Palinai von Kurkum
das rondrianische Zeremoniell abhielt.
Als die Flammen den Leichnam einhüllten,
war es vielen, als stiege der Rauch erst in
Gestalt mächtiger Schwingen, dann in der
einer Falkin gen Alveran empor.
Den Abend und den folgenden Tag verbrach-
ten die Trauernden mit der Erinnerung an die
Falkin des Nordens, und die Chronisten des
Rhodensteins hörten gewissenhaft zu, denn
schon bald sollte der Schild Ardariel abge-
schlossen sein, um das kurze, aber heldenhafte
Leben Ardariel Nordfalks gebührend zu wür-
digen. Auffällig war, dass einige der Gäste sich
immer wieder abseits trafen und später mit sil-
bernen Fibeln gesehen wurden, in Form eines
Schwertes mit Falkenschwingen.
Die Asche der Gräfin wurde in der Familien-
gruft unter dem Rondratempel Leuinstolz
beigesetzt und genau hier bestätigte die Her-
zogin Walpurga die Tochter Ardariels, Avia
Nordfalk, als Baronin von Moosgrund, setzte
aber bis zu ihrer Volljährigkeit Arnôd Pratos
von Grevenstein als Vogt der Baronie ein.
Kein Wort fiel über das Erbe der Grafschaft
Baliho, denn hier scheint die mächtige Herr-
scherin der Mittnacht andere Pläne zu haben.
Ferling Okenheld
(Daniel Simon Richter)

Wegen Mordes gesucht! Proklamation!

Der Wegelagerer Griffone Tarsis, genannt Griffo, mittelgroß,
schulterlanges Haar, brauner Vollbart, bewaffnet mit Reitersäbel, Wer Griffone Tarsis Unterschlupf gewährt,
den wird die göttergerechte Strafe für Vertuschung
Buckler, reitet ein Valaveter Shadif.
und Beherbergung eines Mörders ereilen!
500 Dukaten für einen Hinweis, der zu seiner Ergreifung führt.
Hinweise abzugeben bei der Drôler Stadtgarde. Dafür stehe ich persönlich ein! – Lucara von Kelb
 Regionales & Magie

Aventurischer Bote, Rahja 1043 BF Kosch-Kurier, Rahja 1043 BF

Vom Donnergrollen Entführungsdrama im

im Isenhag Hause Eberstamm
räfliche Vogtei Nilsitz. Berichten aus dem Inneren der Ringmauer der oberir- ngbar. Schreckliches ereignete sich

G möchte ich meinen Lesern heute

von einem lokalen Feiertag, den
die Bewohner der Isenhager Hochebene in
Gedenken an die Erfindung des Katapults
begehen, die im Selbstverständnis der Angro-
schim des Bergkönigreiches Eisenwald auf
einen Sohn Isnatoschs zurückzuführen ist.
Dort am Fuße des Gebirgsmassivs, in der
gräflichen Vogtei Nilsitz, durfte ich im Inge-
rimm in Senalosch jenem Spektakel beiwoh-
nen, das »Isenhager Donnergrollen« genannt
wird und an jedem 10. des Mondes des göttli-
chen Schmiedes gefeiert wird.
Es sei an dieser Stelle erwähnt, dass die
Hauptstadt Isnatoschs den ganzen Ingerimm
hindurch überquillt vor Zwergen, denn aus
dem gesamten Reich unter den Bergen kom-
men die Clans zusammen, um gemeinsam
die bedeutendsten Feiertage im Kalender
der Angroschim zu zelebrieren. Nie sah ich
so viele Angehörige des kleinen Volkes auf
einem Haufen.
Das Donnergrollen selbst kann keinen bes-
seren Namen tragen, denn wenn die Kata-
pulte die riesig anmutenden Gesteinsbrocken
Hesindespiegel, Ingerimm 1043 BF
Mysteriöser Gönner initiiert
Expedition in den Kosch
dischen Stadtteile auf ein in der Ebene vor
der Stadt platziertes Ziel schleudern, ist jedes
Mal ein Grollen zu vernehmen, da Gestein
auf Gestein donnert. Von den Hängen und
Schluchten des Eisenwaldes zurückgeworfen,
versetzt es jedermann in Ehrfurcht vor den
gewaltigen, wirkenden Kräften.
Das Ziel ist dabei übrigens eine Gesteinsfor-
mation, die die Kinder der Stadt – zwergische
wie auch menschliche Buben und Mädchen –
mit bunten Fratzen bemalen, die wohl mit
viel Phantasie Orks, Goblins und manchmal
auch einen Drachen darstellen sollen.
Gewonnen hat dieses Jahr der Vorsteher der
Kriegerakademie der Hämmer von Arxozim
aus dem Kosch – Tharnax Sohn des Thor-
grimm –, sodass der recht unansehnliche
Wanderpokal, der im Entferntesten an eine
eingerissene Burgmauer erinnert, mal wieder
in die Fremde geht, wo doch die Geschützm-
anschaften des Eisenwalder Garderegimentes
Ingerimms Hammer normalerweise das Anrecht
auf den Sieg fast schon gepachtet haben.
Burkhard Ludolfinger
(Stefan Soukup-Meves)
A in einer friedlich anmutenden Nacht
in diesem Perainemond nahe dem
Erlenschloss. Aus der Menagerie des Fürsten
Anshold vom Eberstamm wurde ein Koschfrett-
chen, vom Fürsten liebevoll Kunibald genannt,
entwendet. Glücklicherweise gelang es einer
Wache, die Diebin auf frischer Tat zu ertappen.
Die Wache machte dazu folgende Aussage:
»Ich machte meinen üblichen Rundgang durch die
Menagerie, und da sah ich eine völlig vermummte
Person mit weiblicher Figur mit dem Frettchen
in der Hand. Sie flüchtete, ich setzte ihr nach
und konnte ihr sogar die Kapuze vom Kopf rei-
ßen, wodurch ihre blonden Haare zum Vorschein
kamen. Doch dann stolperte ich und stürzte, und sie
konnte entkommen.«
Fürst Anshold war außer sich vor Wut und
tobte Gerüchten zufolge stundenlang auf dem
Erlenschloss. Leider durften wir den Fürsten
des Kosch nicht befragen, mit der Begrün-
dung, er brauche vorerst Zeit zur Trauer und
Beratung über das weitere Vorgehen. Doch überschüttet werden. Wieso die Täterin nur
seine Meinung wurde ohnehin deutlich, als dieses Koschfrettchen gestohlen hat, wo sich
wenige Tage später Unmengen an Flugblät- doch noch viel wertvollere Tiere im Besitz des
tern in Angbar und der näheren Umgebung Fürsten befinden, ist unklar. Wollen wir hof-
verteilt und an Wände genagelt wurden. Jeder fen, dass dieses Entführungsdrama doch noch
sollte es wissen: Derjenige, der das Kosch- ein gutes Ende nehmen wird.
frettchen Kunibald sowie die Täterin dem Polter Gscheidtner
Fürsten bringen könne, solle mit Dukaten (Maximilian Moormann)
Aventurischer Bote, Praios 1044 BF

ethumis. Seit jeher verfügt die Her-
M zog-Eolan-Universität zu Methumis
über Gönner und Förderer. Nur in
den seltensten Fällen knüpfen diese Mäzene
ihre Fördergelder an bestimmte Vorgaben.
Dabei handelt es sich auch meist nur um Vor-
schläge, welchen Projekten oder Einrichtungen
die Mittel bevorzugt zugutekommen sollen.
Eine außergewöhnlich hohe Zuwendung – die
Universität behält sich vor, den genauen Betrag
nicht zu nennen – ist allerdings an eine exzent-
risch anmutende Bedingung gebunden.
Der großzügige Spender, der es vorzieht,
inkognito zu bleiben, hat die Prämisse
gestellt, dass ein Teil des Betrages für eine
Forschungsreise genutzt wird, die die Exis-
tenz von Valpodingern beweisen soll.
Jeder hat schon einmal Geschichten über
den Brüllhamster oder den Panzerbiber
gehört, doch unter Forschern ist das natür-
Salamander, Ingerimm 1043 BF
Eine Berichtigung
oningen. Sehr geehrte Leserschaft,
liche Vorkommen dieser angeblichen Klein-
chimären immer noch umstritten. Im Fürs-
tentum Kosch, wo Valpodinger ursprünglich
beheimatet sein sollen, will fast jeder schon
einmal eines dieser Tiere gesehen haben,
oder gibt zumindest an, jemanden zu ken-
nen, der bereits einem begegnet sein will.
Einen lebenden Beweis blieb man bisher
aber stets schuldig. Dottora Feodora Pamina
di Castellani aus der Firun-Schule der Her-
zog-Eolan-Universität wurde mit diesem
Forschungsauftrag betraut. In Kürze wird sie
sich in Begleitung einer kleinen Expeditions-
truppe auf den Weg in den Kosch machen.
Dottora di Castellani erklärte sich bereit,
uns Kopien ihrer Reisenotizen zukommen
zu lassen, sodass wir weiter über diese unge-
wöhnliche Reise berichten können.
Hesindio Nestario di Camaro
(Stefan Tannert)
Von daher ist mein korrekter Titel Magister
Temporalmagische Phänomene
in Weiden
Kirchen und Hexen ratlos
aliho. Unglaubliches spielt sich der-
B zeit rund um den sagenumwobenen
Nachtschattensturm ab. Seit dem
letzten Neumond ereignen sich immer wieder
obskure Phänomene, wie wir von den guten
Menschen, die im Umland ihre Felder bestel-
len, erfuhren. So sollen Feldfrüchte innerhalb
eines Tages um ein Vielfaches wachsen, um
tags darauf vollends verdorrt zu sein oder,
man mag es kaum glauben, sich wieder zum
Keimling zurückzuentwickeln. Ein ande-
rer Bauer berichtete, dass seine Rinder
eines Morgens tot im Stall lagen,
offensichtlich an Altersschwäche
gestorben – sogar die Kälber.
Rittfrau Bärlinde von Stitz suchte
eilends den Nachtschattensturm
auf, um den dort lebenden Magier
Thargelion von den Nebelwas-
sern zur Rede zu stellen. Mit dem
Mut der Leuin betrat sie den Turm,
Aufsicht von Praiosgeweihten aus Baliho
haben herzögliche Rundhelme sämtliche
Zugangswege abgeriegelt. Die Diener des
Götterfürsten sprachen von durch Magie
hervorgerufenen Zeitfreveln, doch weder sie
noch die Hexen vom Blautann, die seit jeher
einflussreich im Herzogtum sind, wissen um
eine Möglichkeit, diese zu beenden. Nachdem
sowohl ein Geweihter der Rondra als auch eine
Hexe nicht wieder aus dem Turm zurück-
kehrten, ist es einem jeden untersagt,
ohne Erlaubnis der Priesterschaft
das Gemäuer zu betreten. Fraglich
ist weiterhin, ob Magus Targelion
von den Nebelwassern der Ver-
ursacher dieses Unheils ist oder
nur sein erstes Opfer wurde. Wie
wir erfahren haben, ist Nachricht
nach Perricum geschickt worden,
um Selara Moriani, die Vizespekta-
bilität der Schule der Austreibungen,

H werte Herausgeber,
hiermit möchte ich einige Richtig-
stellungen zu ihrem Artikel »Ehrgeizige Pläne
einer jungen Akademie« anmerken. Schon
im Titel hat sich ein Fehlerdämon eingeschli-
chen, der sich dann im verlauf des Artikels
wiederholt: Beim Collegium der kreuzenden
Kräfte und der magischen Verständigung zu
Honingen handelt es sich mitnichten um eine
Akademie. Die Erhebung in diesen Status ist
bei den Gilden beantragt, aber bislang noch
nicht erfolgt. Von daher steht mir auch nicht
der Titel einer Spektabilität zu, wie ich zuge-
gebenermaßen zwar schmeichelhaft aber lei-
der fälschlicherweise benannt wurde.
Es ist korrekt, dass am Collegium angehende
Magier unterrichtet und ausgebildet werden.
Dies geschieht in dieser Lehreinrichtung
allerdings rein durch private Lehrmeister.
oder höchstens noch, als Leiter der Einrich-
tung, Direktor. Dies wollte ich nur kurz zu
Gehör bringen, damit nicht der Eindruck
entstehen kann, dass ich mich der Titularan-
maßung schuldig mache oder dem Collegium
einen Status einräume, den es noch nicht
innehat. Allerdings muss ich mich sehr über
den schlecht recherchierten Beitrag wundern,
den ich eher von der Brabaker Bilderpostille
erwartet hätte. So kommt es wohl, wenn
man einen Autor beschäftigt, der früher für
ein Klatschblatt geschrieben hat. Sofern ich
richtig informiert bin, hat Herr Thaler einige
reißerische Artikel für den Kusliker Galan
formuliert, die alles andere als einen seriösen
Inhalt besaßen.
Hochachtungsvoll,
Magister Ephraim O. Ilmenblick
(Stefan Tannert)
so berichtete ihr Knappe Sighelm, den
sie zu seinem eigenen Schutz vor dem Turm
zurückließ. Als sie zurückkehrte, so der noch
um Hilfe zu bitten. Besagte Magierin
war bereits bei Untersuchungen des Zeitenf-
revels, der vor fast dreißig Jahren zur Wüste-
immer verstörte Knappe, sei sie eine zahn- nei von Dragenfeld führte, beteiligt. Ob ihre
lose Greisin gewesen. Bevor die Schwäche des Expertise Licht ins Dunkel bringt, wird sich
Alters sie in Borons Hallen eingehen ließ, kün- zeigen. Der Bote wird die Ereignisse weiter im
dete sie noch von dem spurlosen Verschwinden Auge behalten. Mögen die Zwölfe geben, dass
des Magiers, dessen Robe und Stab jedoch in sich alsbald ein Weg findet, diesen finstren
einem dreizehnzackigen Stern liegen würden. Zauber zu beenden.
Leider war es dem Boten nicht gestattet, den Teria dy Casibelli
Nachtschattensturm aufzusuchen. Unter der (Fred Ericson)
Fünfköpfige Weiberkapelle sucht Bühne
Wir verstehen uns auf Tuten und Blasen
Und bringen jedermann zum Jubeln!
Wer unser Orchester in seinem Kleinen Saal spielen lassen will,
suche nach Gagata Tochter der Angritta

Aventurischer Bote 208


Salamander, Rahja 1043 BF
Überraschungen aus Honingen
ie uns Timodeus Thaler im 207. Boten
W berichtete, macht das Collegium zu
Honingen mit einem spannenden
Forschungsprojekt auf sich aufmerksam. Man
begibt sich dort auf die Suche nach einer causa
universalis arcanae in der weltlich-harmonischen
Komponente einer Zauberthesis. Das ist eine
Gemeinsamkeit in den Worten und der
Gestik eines Zauberspruchs über
alle Traditionen hin-
weg. Dies wäre eine
aktive causa efficiens
und damit eine absolute
Neuheit, kannte die Gildenmagie
doch bisher nur eine passive causa universalis aller
magischen Effekte, den Diese mystisch-arkane
Komponente aller Zaubersprüche, die nicht
direkt beschrieben werden kann, ist auf uner-
klärliche Weise durch die Astralkraft vorgege-
ben. Ähnlich wie bei einer Schlange, die durch
diverse Ursachen in Bewegung gesetzt werden
kann, wurde bisher angenommen, dass der
eine universelle Thesiskern durch verschiedene
Zauberhandlungen ausgelöst werden kann.
Aventurischer Bote, Peraine 1043 BF
Rethische Spiele
ethis. Die strahlende Hauptstadt
R des Seekönigreiches lässt von sich
hören! Mit Pauken und Signalgebern
hat Seekönig Palamydas Thaliyin einen großen
sportlichen Wettkampf angekündigt. Anlass
ist die Wiedereröffnung der frisch renovierten
Arena. Die Bauarbeiten wurden von Periklos
von Rethis überwacht, einem Nachkom-
men von Sankt Thimorn, dem Erbauer
des Leuchtturmes von Sylla, dessen
Schrein bis heute in Rethis in
allen Ehren gehalten wird.
Die Rethischen Spiele sol-
len am 15. Ingrimm
beginnen, nach einem
Fackellauf und einem
Fest am Vortag. Zwölf
göttergefällige Wett-
kämpfe soll es im Rah-
men der Spiele geben.
Im ersten Wettbewerb
messen die Athleta ihre
Geschwindigkeit bei
einem Lauf in der Arena
über 800 Schritt. Ihre Geschick-
lichkeit können sie beim Weit- und Hoch-
sprung, beim Zyklopäischen Ringen sowie im
Umgang mit der Schleuder unter Beweis stel-
len. Auf die Ausdauer wird es beim Langstre-
cken- sowie Waffenlauf und beim Schwimmen
ankommen – wofür Teile der Arena tatsächlich
mit Wasser der Zyklopensee geflutet werden.
Die Kraft der Teilnehmer wird beim Gewicht-
heben und Speerwerfen unter Beweis gestellt.
Während die Wagenrennen in der Arena statt-
Imman-Stadtmeisterschafen
zu Gareth
Die Rebellen von Gareth
gegen
die Balljäger von Eschengrund
Am 9. Praios zur zweiten Rondrastunde
im Immanstadion zu Gareth.
Seid dabei!
Haupttribüne: 4 Heller.
Loge: 1 Silbertaler
Magie & Aus aller Welt
Egal ob die Sonne die Schlange auf einen
Stein lockt, sie durch Nahrung zur Bewe-
gung verleitet wird oder sie vor einem Feind
flieht, die Bewegung der Schlange kommt
immer auf dieselbe Weise aus der Schlange
selbst. Sollten die Collegae in Honingen
mit ihrer monokausalen Theorie nun aber
recht haben, dann gäbe es auch nur eine
einzige und universelle aktive
Ursache für das Aus-
lösen eines Thesis-
kerns. Dies wäre ein
Triumph der gilden-
magischen Forschung.
Könnte man die eine Ursache in der Ges-
tik und den Worten einer Zauberhandlung
isolieren, so wären intuitive, mystische
und künstlerische Traditionen wie Hexen,
Derwische oder Zaubertänzer endlich
entzaubert und den Gesetzen der Logik
unterworfen.
Magister minor Raitwin Brunnwacht
(Michael Toppel)
finden, soll der Wettkampf für die einzelnen
Reiter in den Hügeln außerhalb der Stadttore
ausgerichtet werden.
Jeder Sieger wird mit einem Olivenkranz und
einem Überraschungspreis geehrt.
Rund um die Spiele wird es Musik, Theater-
schauspiele und andere Bühnendarbietungen
in der Arena geben und auch die Tavernen
werden ihre Gäste sicher zu unterhalten
wissen. Hier kann man im Licht
der untergehenden Praios-
scheibe die vorbeiziehen-
den Schiffe beobach-
ten und sich von den
Strapazen des Tages
bei Wein, Fladenbrot
und Oliven erholen.
In der Arena werden
schwerpunktmäßig
lokale Theaterstücke
aufgeführt werden:
Der Traum einer Som-
mernacht, Der gute Hirte
von Kutaki, Der Unter-
gang von Siena und viele andere.
Besonders vielversprechend erscheinen die
geplanten Lesungen der Steintafeln des Tyka-
tes. Man munkelt, dass es zum Abschluss der
Festlichkeiten gar ein Feuerwerk am Koloss
von Rethis geben wird. Wir sind gespannt,
welche spannenden Neuigkeiten von der
Sonnenküste noch auf uns zukommen wer-
den. Mögen die Spiele beginnen!
Gorm Rübenbauer
(Marek Mieszkalski)
Aventurischer Bote 208
Zorganer Kurier, Phex 1043 BF
Interne Probleme und neue Gegner
Z
organ. Es gibt schon seit längerer
Zeit Berichte über interne Zwis-
tigkeiten in der Mada Basari. Die
Gesellschaft vom Mondkontor galt lange Zeit
als unantastbar und als Hüter vieler mythi-
scher Geheimnisse. Doch, wie uns zu Ohren
gekommen ist, war die Lage lange nicht mehr
so ernst. Die Sharika ay Mada Basari ist seit
Sybias Verschwinden im Jahr 1038 BF nicht
mehr geeint, und verschiedene Strömungen
sollen sich voneinander entfremden. Gerade
Salomon ibn Dafar und dessen Sohn Samir
wollen die wirtschaftliche Machtstellung wei-
ter ausbauen und auch politisch wieder ver-
mehrt Einfluss nehmen. Andere Mitglieder,
die eng mit der Phexkirche verbunden sind
oder nach wie vor zu Sybia stehen, sehen das
mit großem Argwohn.
Der ehrwürdige Mondsilberne Rat tagt selte-
ner, und es scheint, als ob die Parteien immer
weniger aufeinander zugehen. Zu allem Über-
fluss entwickelt sich in Elburien ein neuer star-
ker Konkurrent, der wichtige Handelsplätze
streitig macht. Der Elburische Bund, wie schon
in einer vorherigen Ausgabe berichtet wurde,
ging zunächst aus der Vereinigung einiger
Großgrundbesitzer und Händler in Yasairabad
Drôler Blüte, Praios 1043 BF
Heimtückischer Mord
zur Rosenwoche
rôl. Während der Feierlichkeiten zur
D Rosenwoche wurde unser beschau-
liches Oberdrôl Schauplatz eines
heimtückischen Mordes. Das Opfer: Niemand
geringeres als der in Chababien und Harodien
allseits bekannte, geschätzte wie gefürchtete
Rechtswahrer Zamperi. Die Legende weilt
nicht mehr unter uns – eine traurige Botschaft
für die gesamte Region, hat Zamperi sich
doch viele Jahre lang in besonderer Weise um
die Sicherheit der ehrlichen Leute zwischen
Tovalla und Loch Harodrôl verdient gemacht.
Er scheute sich niemals, sich im Kampf für
Recht und Gerechtigkeit Feinde zu machen.
Am 27. Rahja jedoch hat die Gesetzlosigkeit
gesiegt. Beim Täter soll es sich um den flüch-
tigen Briganten Griffone Tarsis handeln. Der
skrupellose Geächtete hatte offenbar noch
eine Rechnung mit dem Mann zu begleichen,
der selbst den flüchtigen Markgraf Phrenos
aufzuspüren wusste. Es steht zu vermuten,
dass Griffone ein ehemaliger Anhänger des
Aventurischer Bote, Praios 1044 BF
Tribut statt Blut
ahín. Beni Brachtar – ein Name, der
B untrennbar mit den unruhestiftenden
Novadis Chababiens verbunden ist.
Ihr Sultan, Rastafan II., war hierzulande bekannt
dafür, immer wieder zum Glaubenskrieg gegen
die Zwölfgöttergläubigen aufzurufen. So mach-
ten die Beni Brachtar bisher die Straßen von
Neetha bis Drôl unsicher, überfielen Siedlungen
und griffen sogar Befestigungen an.
Seit einiger Zeit jedoch verhalten sich die
Beni Brachtar anders. Anstatt rigoros und
blitzartig über die Handelszüge und Karawa-
nen herzufallen, zeigen sie sich ganz offen.
Sie lassen sich von den Karawanenführern
Schutzgelder auszahlen für die Sicherung der
Handelsstraßen, wie sie sagen.
»Besser, ich bezahle die Novadis mit Gold statt
mit dem Blut der Reisenden, der Tiere oder gar mit
meinem eigenen«, so ein Karawanenführer aus
Bahín. Diese Form des Pragmatismus scheint
kein Einzelfall, und so atmet der Überland-
handel Chababiens vorsichtig auf.
hervor. Doch entwickelt er sich zunehmend
zu einer Gemeinschaft für das einfache Volk.
Die Bevölkerung Elburiens unterstützt die
auflehnende Haltung gegen das Monopol der
Gesellschaft vom Mondkontor und vielleicht
auch gegen den Zentralismus Zorgans.
Man hört von Mondsilberwesiren der Mada
Basari in Barbrück und Zorgan, dass dieser
neue Elburische Bund die guten Handelssit-
ten außer Acht lässt und sogar schmutzige und
rücksichtslose Methoden anwendet. Oben-
drein soll brutale Gewalt gegen ihre Händler
eingesetzt worden sein! Sie berufen sich dabei
besonders auf den Handel im Sinne Phexens,
doch wie würde der Listenreiche die neue
Konkurrenz sehen? Herausforderungen för-
dern doch den wohlstandschaffenden Han-
del? Wie interne Quellen berichten, will Salo-
mon die Halbinsel jedenfalls nicht kampflos
aufgeben und seine Macht auch im Zorganer
Palast und über die Grenzen Araniens hinaus
erweitern. Ein mögliches Ziel sei Maraskan,
so wird gemunkelt. Wir sind gespannt, wie es
weitergeht, und werden bei Neuigkeiten wie-
der berichten.
Aylalinde saba Sajida
(Max Habersetzer)
Markgrafen ist. Andere Stimmen behaupten,
er habe Zamperi jahrelange Festungshaft in
Morbal zu verdanken.
Eine offizielle Verlautbarung gibt es zu dem
Vorfall noch nicht, allerdings hat Lucara von
Kelb, Zamperis ehemalige Schülerin, die
inzwischen selbst als formidable wie gnaden-
lose Rechtswahrerin von sich reden macht,
das Kopfgeld auf Griffone Tarsis aus ihren
privaten Mitteln erhöht. Hinweise zur Ergrei-
fung des gesuchten nimmt die Drôler Stadt-
garde entgegen.
Drôler Stimmen zufolge hat sich Frau von
Kelb selbst auf die Suche nach dem Mörder
ihres Mentors begeben und soll jedem Rache
geschworen haben, der mit Tarsis gemeine
Sache macht und sich seiner Ergreifung ent-
gegenstellt. Daher besteht an einer praiosge-
fälligen Aufdeckung und Bestrafung dieser
unsäglichen Tat kein Zweifel.
Ascanio ay Gura
(Carolina Möbis)
Was aber hat diesen Wandel ausgelöst? Dar-
über kann man nur spekulieren. Der Name
des alten Sultans Rastafan II. wird kaum noch
genannt. Zeitgleich sprechen die Novadis,
die den Tribut einfordern, von einem Mann
namens Al’Munshahin, was auf Garethi so
viel wie »Graufalke« heißt. Ebenjener hat auf
beiden Seiten der Hohen Eternen seit vielen
Jahren den Ruf eines listenreichen Räubers.
Das würde erklären, warum sich die Novadis
mit dreisten Geldforderungen, die mit kaum
verhüllter Erpressung gleichzusetzen sind,
abfinden. Nicht aber, warum es in diesem
Maße stattfindet.
An anderer Stelle kann man um Bahín immer
wieder Spuren blutiger Kämpfe von Nova-
di-Reitergruppen gegeneinander finden. Sind
dies womöglich Spuren eines blutigen Wech-
sels in der Feste Kobashand? Wir werden der
Wahrheit auf den Grund gehen!
Rosgrimma groschna Alberosha
(Jens Olaf Müller)

Aventurischer Bote, Peraine 1043 BF
Die Queste des
Rosenritters Lanzyber
alaiad. Vor einiger Zeit hatten
Teil III
Y Augenzeugen einen eindrucksvol-
len Stern fallen sehen. Diesen zu
finden, war der Aventurische Bote dem Rit-
tersmann Lanzyber ibn Bastrabal gefolgt.
Jener schlug sich nun durch dichte Mangro-
venwälder des Yalaiads, bis eine Stelle erreicht
wurde, an der Bäume umgeknickt waren wie
Hölzchen. Sie lagen in Sternformation, und in
ihrer Mitte war ein Krater voll schlammigen
Wassers. Lanzyber sprach entzückt zu seinem
Knappen: »Sieh, Kind! Die Bäume in die Knie
gezwungen durch gewaltig’ Himmelsfaust, haben
sich dem Stern ergeben und zeigen ausgestreckt zu
seinem Bette!« Lanzyber durchsuchte den Tüm-
pel – doch der Schatz der Nacht war nicht
dort! Jemand war bereits dort gewesen …
Doch richteten es die Zwölfe ein, dass Lanzy-
ber nicht verzagen musste, denn Wehklagen
drang an sein Ohr, und er fand nicht weit
entfernt eine Frau, deren Ross im Sumpfe
steckte. So sehr sie an seinen Zügeln zog,
das Tier schien verloren! Erneut schritt der
Heldenhafte ein, nicht mit Säbel oder Poesie,
sondern mit flinkem Geist und waghalsigem
Geschick. Ihm gelang es, die versinkende
Stute mit einem Strick an ihrem Sattel und an
dem seines Pferdes zu befreien. Welch Zei-
chen Rahjas! Das dankbare Fräulein konnte
auf ein Fischerdorf in der Nähe verweisen,
das einem Perldrachen, auf sein Wohlsinnen
hoffend, einen vom Himmel gefallenen Ada-
Aventurischer Bote, Ingerimm 1043 BF
Eine zweite Fackel der Hoffnung
ethis. Die Insel Mylamas war bisher
R vor allem Seefahrern im Meer der
Sieben Winde bekannt. Denn hier
weist ihnen ein Leuchtturm, genannt »Fackel
der Hoffnung«, den sicheren Weg nach Hause.
Gelehrte kennen dagegen die dortige Philoso-
phenschule. Sie lockt Denker aus ganz Aventu-
rien, um im Schatten reicher
Olivenhaine frei
über die Welt und
das Wesen der
Götter zu debat-
tieren. Diese hesindege-
segnete Atmosphäre genoss
auch die berühmte Philoso-
phin Polissena di Fruganza,
als sie auf Einladung der
Schule von Mylamas über die
Vervollkommnung des Men-
schen sprach. Die maßgeb-
liche Autorität der
Renascentia-Be-
wegung pries
am Tag, da man
des Falles des Hundert-
türmigen Bosparans gedenkt, den beim Volk
beliebten Herzog von Methumis als Ideal von
Götterfurcht und Erkenntnis sowie Horasien
als ein neues Reich der Freiheit.
Dieser Tag wollte sich bereits gänzlich in die
Harmonielehre der brillanten Rednerin ein-
fügen, so offenherzig und warm nahmen die
Zuhörer ihre Worte auf. Insbesondere der
auf Mylamas hochgeschätzte Zephyros aus
Phrygaios lobte die nandusgefällige Volksbil-
dung in Methumis überschwänglich. Sie lehre
Aus aller Welt
manten als Opfer dargeboten hatte. Lanzyber
ritt eilends. Die Fischer dort bestätigten: Der
Stern war ein großer Diamant – und der Dra-
che hatte ihn bereits beansprucht. In einer
Ruine solle er hausen. Dorthin strebte der
tapfere Lanzyber. Zwischen Lotos ragte die
Stätte uralter Zeit auf, und da war auch der
Drache, eine mächtige Echs’!
Doch statt seine Klinge zu ziehen und Blut aus
den Wunden des Geschuppten dringen zu las-
sen, erklangen Lautenspiel und süßer Gesang:
»Güte und Geben ist frei von Zwängen, mild wie
sanfter Sommerwind, und zieret die mächtigste
Kreatur, die alles kann, alles hat und alles ver-
mag, denn ist doch eine kleine Geste größer als so
manch machtvolle Tat, die in unwürdig’ Gewalt
vollbracht – geistlos und sinnlos – wie das Zertre-
ten junger Pflänzlein. Setz’ die wahre Krone auf,
Drach’  – krön’ mit Gnade dich! Wirf um das
Gewand unvergess’ner Könige, und lass dir einen
Thron geben aus Liebe, nicht aus Furcht.« Nach
weiteren Strophen über Einsamkeit und Gefühl
übergab die von Lanzybers Stimme und sei-
nem Mut angetane – und wahrscheinlich über-
raschte – Echse den Stein an den Rosenritter.
So endete die Queste Lanzybers, der den Him-
melsdiamanten später an die Mada Basari über-
gab – nach zumindest neun Tagen, denn die
Bedingung der – im Übrigen – Drachin waren
mehr Gesang und Gesellschaft gewesen.
Dhara Rotkehlchen
(Diana Rahfoth)
jeden Menschen den Gebrauch seines Ver-
standes und weise ihm so den Weg aus seiner
selbstverschuldeten Unmündigkeit.
An dieser Stelle jedoch griff eine junge Philo-
sophin wutentbrannt in die öffentliche Dis-
putatio ein. Die Wiedergeburt eines allerorten
als glorreich dargestellten Bosparanischen Rei-
ches diene lediglich dazu, den
unterjochten Völkern
den Blick auf ihre
Gefangenschaft zu
verstellen. Die freie
Entfaltung, über die Polis-
sena so wortreich gesprochen
habe, sei auf den Zyklopenin-
seln seit Jahrhunderten nament-
lich bekannt: autos nomos,
das Recht über sich selbst zu
bestimmen – ein Recht, das
auch der fortschrittliche Horas-
kaiser dem Volk des
Seekönigs weiter-
hin jeden Tag ver-
wehre. Anders als
Polissena behaupte, könne
in dieser fremdverschuldeten Unmündigkeit nie-
mand darauf hoffen, vollkommen zu werden.
Eine Herrschaft aber, so fuhr die Unbekannte
unter wachsendem Applaus der Anwesenden
fort, die nicht auf allen Säulen des Sonnengot-
tes ruhe, sei weder gerecht noch praiosgewollt.
Wer anderen die Freiheit verwehre, könne sich
nennen, wie er wolle. Hier auf den Zyklopenin-
seln habe er nur einen Namen: tyrann.
Ariadne Phyrikos
(Alexander Naumenko-Kühne)
Aventurischer Bote 208
Südwind, Praios 1044 BF
Verwirrter Gelehrter
auf Bärenjagd
rabak. Das perplexe Verhalten eines
B Einwohners führte zu einiger Unruhe
in der doch sonst sehr freigeistigen
Hafenstadt. Es begann damit, dass sich ein
Mann am frühen Morgen des Markttages an
eine Straßenecke stellte und mit überschlagen-
der Stimme eine bizarre Tirade über »alptraum-
hafte Bären« und »tödliche Liebkosungen«
hielt, die in der Anweisung gipfelte, notleiden-
den Kindern nicht zu Hilfe zu eilen. Derartige
Ergüsse führten natürlich zu einem Tumult,
dem er nur knapp entging.
In den folgenden Tagen wurde der Aufwieg-
ler, nachdem er als der ortsansässige Händler
und Güldenlandkenner Venturio Columba
erkannt wurde, beobachtet, wie er mehrere
leere Gebäude aufsuchte und an verschiede-
nen Stellen den Müll durchsuchte.
Einen Höhepunkt fand dieser Wahnsinn, als er
einige gutherzige Seelen dabei behinderte, ein durch die Stadt bald wieder auf. Er ist nicht
kleines Kind aus einem Schutthaufen zu retten. gefährlich, aber verwirrt und unberechenbar.
Den Wächtern, die ihn nach einer Tracht Prügel Wer ihm begegnet, möge Vorsicht walten lassen.
in Gewahrsam nahmen, schilderte er eine gro- Bogumil von Quellberg
teske Geschichte. Offenbar war sein Haustier, (Gottfried Straube)
angeblich ein »Alpschmeichler«, ausgebüxt. In
seiner Verwirrtheit schilderte Columba ihn als
einen Bären von der Größe eines Kleinkindes,
welches traurig wimmert und Menschen mit
bloßer Berührung zu töten vermag. Obwohl er
nach Hause geschickt wurde, um sich zu erho-
len, nahm er bedauerlicherweise seine Streifzüge
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