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Hahn, Michael / Dietz, Siglinde: Wege zur rechten Er- ersten sieben Personen gehört haben soll, die in Tibet zu
kenntnis – Buddhistische Lehrbriefe. Frankfurt/M: Insel Mönchen geweiht wurden, als der Buddhismus im 8.
Verlag (Verlag der Weltreligionen) 2008. 486 S. 8°. Lw. Jahrhundert unserer Zeitrechnung dort Einzug hielt. Auch
€ 32,00. ISBN 978-3-458-70013-5. wenn einige der Briefe somit ein Zeugnis der historisch
Besprochen von Martin Delhey: Hamburg/Deutschland, überaus bedeutsamen Begegnung der Tibeter mit der in-
E-Mail: Martin.Delhey@uni-hamburg.de dischen Kultur und dem Buddhismus darstellen, ist die
Eingliederung der zwölf Briefe in den Kanon doch vor al-
https://doi.org/10.1515/olzg-2017-0142
lem ein Glücksfall für die Kenntnis einer Literaturgattung
des altindischen Buddhismus. Denn nur eines dieser
Das zur Rezension vorliegende, an Seitenzahlen umfang-
Werke, der poetisch anspruchsvolle Brief an den Schüler
reiche, aber doch sehr handliche Buch enthält die deut-
(Śiṣyalekha) des Candragomin (Nr. 3), ist im altindischen
sche Übersetzung aller zwölf Briefe, die Aufnahme in den
Original erhalten, und selbst chinesische Übersetzungen
tibetischen buddhistischen Kanon gefunden haben. Hier-
gibt es einzig vom Brief an den Freund (Suhṛllekha, Nr. 1)
bei handelt es sich in der Reihenfolge, in der sie im Buch
des Nāgārjuna (2. Jhdt. u.Z.).
erscheinen, um folgende Werke:1 1. Nāgārjuna: Der Brief
Die Lehrbriefe scheinen keine sonderlich zentrale Li-
an einen Freund, 2. Mātṛceṭa: Der Brief an den großen König
teraturgattung gewesen zu sein, aber man kann nicht
Kaniṣka, 3. Candragomin: Der Brief an den Schüler, 4.
ausschließen, dass eine ganze Reihe ähnlicher Werke
Briefwechsel zwischen Avalokiteśvara und Prakāśa-
ganz und gar verloren gegangen und nicht einmal in his-
kumāra, 5. Jitāri: Der Stufenweg zur Reinigung des Geis-
torischen Quellen erwähnt worden sind. Jedenfalls ist es
tesjuwels, 6. Āraṇyaka: Der Brief an den Lehrer, 7. Sajjana:
klar, dass nur das Übersetzungswerk der Tibeter es uns
Der Brief an den Sohn, 8. Atiśa: Das makellose Juwel, 9.
ermöglicht, überhaupt allgemeinere Aussagen über diese
Mitrayogin: Der Brief an den König Candra, 10. Kamalaśīla:
Art von Texten zu treffen. Die Briefe decken den Zeitraum
Über die verschiedenen Arten des Leids, 11. Buddhaguhya:
vom zweiten Jahrhundert unserer Zeitrechnung (Nr. 1, 2)
Der Brief an die Herrscher und Untertanen Tibets, 12. dPal
bis ungefähr zum Jahr 1200 (Nr. 9) ab. Die im Buch an
dbyangs: Die Zusammenfassung des Wesentlichen.
zehnter bis zwölfter Stelle übersetzen Briefe stehen mit der
Der viele Bände füllende tibetische buddhistische
frühen Missionierung Tibets im achten Jahrhundert im
Kanon enthält nicht nur (im bKaʼ ʼgyur) die heiligen Worte,
Zusammenhang. Dies könnte der Grund dafür sein, dass
die dem historischen Buddha und anderen Lebewesen
sie im vorliegenden Buch direkt aufeinander folgen. Un-
von gleichem Rang zugeschrieben werden, sondern auch
klar ist allerdings, warum hier von dem offenbar grob
(im bsTan ʼgyur) zahlreiche als autoritativ erachtete Kom-
chronologischen Anordnungsprinzip der ersten neun
mentare, Lehr- und Streitschriften buddhistischer Ge-
Briefe abgewichen wurde. Möglicherweise hat die im
lehrter und Meister. In diesem zweiten Teil finden sich die
Werk so nicht anzutreffende Anschauung, dass alle drei
Briefe, wo sie zusammen mit den als zweifellos zu Recht
Briefe von vornherein in tibetischer Sprache und nicht auf
verwandt empfundenen Mahnschriften (sanskrit pari-
Sanskrit abgefasst waren, hier ihre Spuren hinterlassen.2
kathā-) und Beschreibungen oder Unterweisungen/Be-
Im allgemeinen Kommentar zum Band wird zwar eine le-
lehrungen (nirdeśa-) erscheinen.
senswerte Gruppierung der Briefe vorgenommen, doch
Im gesamten tibetischen Kanon finden sich fast aus-
schließlich Übersetzungen von Werken, die aus Indien
stammen oder zumindest als authentische indische Texte
erachtet wurden. Dementsprechend handelt es sich auch
2 Immerhin hat einer der beiden Herausgeber, Michael Hahn, bei
bei den zwölf im vorliegenden Band versammelten Briefen
früherer Gelegenheit diese Ansicht sehr dezidiert vertreten; siehe sei-
vor allem um Zeugnisse des altindischen Buddhismus. ne Besprechung des in Anm. 5 genannten Buches in Bulletin of the
Allerdings richtet sich mindestens einer dieser Briefe School of Oriental and African Studies 49 (1986): 405–407. Als mög-
(Nr. 11) schon seinem Titel nach „an die Herrscher und lich oder wahrscheinlich wird dies auch von der zweiten Herausge-
Untertanen Tibets“, und mindestens ein weiterer Brief berin in einem jüngst erschienenen Enzyklopädiebeitrag zur bud-
dhistischen Briefliteratur bezeichnet; siehe Siglinde Dietz: „Epistola-
(Nr. 12) wurde von einem Tibeter geschrieben, der zu den
ry Literature“, in: Jonathan A. Silk, Oskar von Hinüber, Vincent
Eltschinger (Hrsg.): Brillʼs Encyclopedia of Buddhism. Volume One.
Literature and Languages. (Handbook of Oriental Studies, Section 2
1 Verfassernamen und deutsche Titel sind aus dem besprochenen South Asia 29/1.) Leiden/Boston: Brill 2015, S. 725–733. Zumindest im
Band selbst entnommen; lediglich die Verwendung der wissenschaft- Falle von Buddhaguhyas Brief (Nr. 11) wird aber im vorliegenden
lichen Transliteration im Falle aller Namen stammt vom Rezensen- Band anscheinend eher davon ausgegangen, dass er ursprünglich
ten. auf Sanskrit abgefasst war (S. 431).

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folgt ihre Besprechung auch dort durchgängig der chro- schah im Rahmen einer Dissertation, deren publizierte
nologischen Abfolge (S. 254–259). Fassung,5 obwohl sie in deutscher Sprache abgefasst war,
Die Briefe weisen durchaus vielerlei Unterschiede in große internationale Beachtung und Anerkennung fand,
Inhalt, Aufbau und Stil auf (S. 257). Doch sind sie übli- wie sich schon an der großen Zahl von erschienenen
cherweise vollständig oder größtenteils in Versen abge- Buchbesprechungen ablesen lässt.6
fasst. Weiterhin sind sie fast durchgängig didaktischer Schon die einschlägigen früheren Übersetzungen der
Natur. Sie sollen also bestimmte buddhistische Lehr- beiden Herausgeber waren in der Regel bereits ersichtlich
inhalte vermitteln; Persönliches tritt zumeist ganz in den darauf bedacht, auch einem größeren Publikum ver-
Hintergrund. Adressaten schon der beiden ältesten Briefe ständlich zu sein. Zum gegebenen Anlass wurde auch auf
(Nr. 1, 2), aber auch einer ganzen Reihe späterer Schreiben technische Instrumente des Philologen wie etwa den
(Nr. 5, 8, 9, 11), sind Könige. Hierzu passt es auch gut, dass Einsatz von eckigen Klammern im Text verzichtet, und die
oft moralische Gebote, die der Laie zu befolgen hat und die ans Fachpublikum gerichteten Anmerkungen wurden
ihm eine gute Wiedergeburt sichern können, im Vorder- durch allgemein verständliche Stellenkommentare und
grund stehen und nicht die Unterweisungen, die zur ein Glossar ersetzt. Zugleich wurde es aber nicht ver-
endgültigen Befreiung aus dem Geburtenkreislauf führen. säumt, in den allgemeinen Bemerkungen zu Autor, Ad-
Formale Charakteristika, die die Briefe auch von eng ver- ressat und Werk auf neue Erkenntnisse oder Funde hin-
wandten Texten abgrenzen können, lassen sich am ehes- zuweisen, und die Übersetzungen wurden, wo es nötig
ten jeweils am Anfang und Ende ausmachen (S. 257– erschien, überarbeitet. Michael Hahns Übertragung des
259).3 überaus beliebten und einflussreichen Briefes an einen
Das Buch als Ganzes ist ganz ähnlich aufgebaut, wie Freund (Suhṛllekha) des Nāgārjuna, der ein besonders
man es von anderen Bänden des verdienstvollen Verlags ausführlicher Stellenkommentar (S. 274–349) folgt, wur-
der Weltreligionen kennt: Die zwölf Übersetzungen (S. 11– de sogar eigens für den vorliegenden Band angefertigt.
248) finden sich unmittelbar nach einer knappen Inhalts- Somit ist die Konsultation des Buches auch für Fachleute
übersicht, danach folgen ein umfangreicher Kommentar- unentbehrlich.
teil (S. 249–455), ein Glossar (S. 456–467), ein geglieder- Nicht nur für den Spezialisten, sondern auch und ge-
tes Literaturverzeichnis (S. 468–478), Bemerkungen zur rade für den Vertreter anderer Philologien wäre es si-
Transliteration und Aussprache (S. 479 f.) und schließlich cherlich interessant gewesen, im allgemeinen Kommen-
ein detailliertes Inhaltsverzeichnis (S. 481–486). tarteil (S. 251–262) ein wenig darauf einzugehen, wie groß
Man kann sich keine geeigneteren Übersetzer und die Schwierigkeiten sind, die sich daraus ergeben, dass
Herausgeber des vorliegenden Bandes vorstellen. Michael die meisten Briefe auf Sanskrit abgefasst wurden, aber im
Hahn, der unglücklicherweise mittlerweile verstorbene altindischen Original von einer bereits genannten Aus-
Emeritus der Universität Marburg, gehörte unbestritten zu nahme (Nr. 3) abgesehen nicht erhalten sind. Das positive
den weltweit führenden Experten auf dem Gebiet der Faktum, dass die Tibeter zu sehr wörtlichen Über-
buddhistischen schönen Literatur auf Sanskrit und war setzungen neigten, sofern das ihre anders geartete Gram-
auch ein profilierter Kenner der tibetischen Sprache.4 matik eben zuließ, und dass sie über ein großes Repertoire
Seine Schülerin Siglinde Dietz hingegen hat vor einigen frühzeitig normativ festgelegter Übersetzungsäquivalente
Jahrzehnten viele der hier versammelten Briefe muster- verfügten, mag ja noch weithin bekannt sein. Dass gerade
gültig kritisch ediert, übersetzt und untersucht. Dies ge- im Falle metrischer Texte, mit denen wir es hier ja zum
allergrößten Teil zu tun haben, die Abweichungen notge-
drungen schon etwas größer sein müssen, ist aber auch zu
3 Nicht ganz zu Unrecht wurde aber jüngst angemerkt, daß die
berühmte Juwelenkette (Ratnāvalī) des Nāgārjuna, die einen Adressa-
ten hat, aber als „Predigt“ oder „Mahnschrift“ (parikathā-) klassifi- 5 Die buddhistische Briefliteratur Indiens. Nach dem tibetischen Tan-
ziert wird – und sich selbst übrigens gegen Ende des Werkes so jur herausgegeben, übersetzt und erläutert. (Asiatische Forschungen
nennt –, durchaus auch als Brief (lekha-) betrachtet werden könnte; 84.) Wiesbaden: Otto Harrassowitz 1984.
siehe Jens-Uwe Hartmanns „Poetry: South Asia“ im ersten Band von 6 Die im vorliegenden Band angekündigte Bearbeitung einer alten
Brillʼs Encyclopedia of Buddhism (wie Anm. 2 oben), S. 532–540. tibetischen Handschrift von Nāgārjunas Brief (Nr. 2) durch Siglinde
4 Einen besonders wichtigen Beitrag zur Briefliteratur stellt eine Dietz ist mittlerweile erschienen: „The bŚes paʼi phrin yig of Nāgārju-
(ebenfalls eher auf die Interessen eines breiten Publikums ausgerich- na in the Collection of Tibetan Manuscripts from Dunhuang“, in: Cris-
tete) englischsprachige Monographie Hahns dar: Invitation to Enligh- tina Scherrer-Schaub (Hrsg.): Old Tibetan Studies Dedicated to the
tenment. Letter to the Great King Kaniṣka by Mātṛceṭa. Letter to a Dis- Memory of R. E. Emmerick. Proceedings of the Tenth Seminar of the
ciple by Candragomin. Translated with an Introduction and Notes. IATS, 2003. (Brillʼs Tibetan Studies Library 10/14.) Leiden/Boston:
Berkeley: Dharma Publishing1999. Brill 2012, S. 77–112.

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bedenken. Auch hätte es erwähnt werden können, dass fassen seines Briefes diese Anrufung verwendete, aber er kann genau
wir oft sogar schon bei der genauen Rekonstruktion der so gut irgend eine andere Gottheit angerufen haben; die Möglich-
keiten sind hier zahlreich wie die Sandkörner an den Ufern des
altindischen Originaltitel in Ermangelung von Belegen in
Ganges. Insofern Siglinde Dietz die einzig erhaltene tibetische Fas-
den altindischen Texten auf notorisch unzuverlässige sung ins Deutsche überträgt, ist gegen die Wiedergabe der dort vo-
Angaben dazu in den tibetischen Blockdrucken und rangestellten Anrufung nichts einzuwenden. Im Glossar wird auch
Handschriften angewiesen sind.7 Man muss freilich ein- erklärt, um was für eine Gottheit es sich bei Manjushri (Mañjuśrī)
räumen, dass die fast stets rekonstruierten altindischen handelt. Doch wird ein fachfremder Leser kaum verstehen, warum er
zu einem Jüngling geworden sein soll. Warum Manjuśrī das im
Originaltitel in diesem Band meist gar nicht genannt
Sanskrit zugrundeliegende Epitheton kumārabhūta- trägt und was es
werden, was wohl (ebenso wie der Verzicht auf wissen- alles bedeuten kann, ist in der Forschung durchaus umstritten und
schaftliche Transliterationen der Sanskritnamen und -be- soll hier nicht weiter verfolgt werden. Aber man hätte sich hier doch
griffe in Teilen des Buches) aus dem Wunsch heraus ge- eine Erläuterung gewünscht, warum diese Übersetzung gewählt
schah, ein möglichst großes Publikum nicht von der Lek- worden ist und wie man sie zu interpretieren hat. Man könnte hier
m. E. auch mit gleichem, wenn nicht höheren, Recht „zum Kronprinz
türe abzuschrecken. Aber mindestens in einem Fall (Nr. 8)
geworden“ oder „einer, der [in Gestalt] einem Jüngling gleicht“ als
ist noch nicht einmal abschließend geklärt, wie es zu der wörtliche Bedeutung des Sanskritworts ansetzen, was zugleich auch
zwar sanskritisch klingenden, aber offenbar korrupten weniger enigmatisch für den Leser gewesen wäre.
Namensform Atiśa8 des – für die Geschichte des tibeti- – S. 145: Zu Beginn des Briefes Nr. 8 finden sich ähnliche An-
schen Buddhismus überaus wichtigen – indischen Ver- rufungen. Hier besteht das Problem darin, dass der fachunkundige
Leser nirgendwo im Buch darüber informiert wird, dass es sich bei
fassers gekommen ist. Im einleitenden Kommentar zu
„Bhattarika Taradevi“ um die Göttin (devī-) Tārā handelt, die im
diesem Brief wird nur die Ansicht vertreten, dass es sich späteren indischen und im tibetischen Buddhismus allerhöchste
um einen Ehrennamen handelt, der dem Verfasser in Tibet Verehrung als Verkörperung des buddhistischen Mitgefühls und
verliehen worden ist (S. 416).9 Im Zusammenhang mit der Retterin der Lebewesen genoss.
Tatsache, dass die allermeisten Briefe nur auf Tibetisch – S. 409: Es ist keineswegs richtig, dass der „Brief an den Sohn“
(Nr. 7) das einzige uns bekannte Werk des kaschmirischen Gelehrten
erhalten sind, muss schließlich auch darauf hingewiesen
Sajjana ist, und dieser Umstand ist auch bereits länger bekannt.
werden, dass wir, wie oben bereits am Rande erwähnt, in Insbesondere ist hier ein kurzer metrisch gebundener Text, der Ma-
einigen wenigen Fällen noch nicht einmal sicher sein hāyānottaratantraśāstropadeśa, zu nennen, der im Gegensatz zu
können, dass sie wirklich Übersetzungen darstellen. dem Brief sogar in seiner altindischen Originalsprache erhalten und
10
Die Übersetzungen und Kommentare im vorliegenden bereits vor einigen Jahrzehnten untersucht und ediert worden ist.
Band zeichnen sich durch eine sehr hohe Qualität und – S. 411: Nach der richtigen Übersetzung von tibetisch rig gnas
als Wiedergabe von sanskrit vidyāsthāna- wird die Übersetzungs-
Verlässlichkeit aus. Sehr sporadisch lassen sich dennoch
alternative „Universität“ (vidyālaya-) angegeben. Doch letzteres er-
Fehler oder Unzulänglichkeiten erkennen, die Detail- scheint sehr abwegig. Die fünf Wissensgebiete (vidyāsthāna-) spielen
fragen betreffen. Einige Beispiele seien hier genannt: im indischen Mahāyāna-Buddhismus seit ca. dem vierten Jahr-
– S. 129: „Verehrung dem zum Jüngling gewordenen Manjush- hundert unserer Zeitrechnung eine wichtige Rolle, ihre Erwähnung
ri!“ Hierbei handelt es sich um die Anrufung einer Gottheit, die passt auch hervorragend in den Kontext, und schließlich ist rig (paʼi)
Schreiber von Handschriften, Ersteller von Blockdrucken und Her- gnas das festgelegte tibetische Übersetzungsäquivalent für vidyāst-
ausgeber von Textsammlungen gerne den kopierten Texten voran- hāna-, wohingegen ich keine Belege dafür finden konnte, dass es
stellten. Es ist nicht auszuschließen, dass Sajjana selbst beim Ver- jemals auch für das Sanskritwort vidyālaya- verwendet wurde.
Überhaupt ist zu bezweifeln, dass die Buddhisten dieser Zeit das
Wort vidyālaya- benutzten, um ihre Klosteruniversitäten zu be-
zeichnen. Gängig war hierfür etwa die Bezeichnung mahāvihāra-
7 Der Sanskrittitel von Sajjanas Brief (Nr. 7) etwa wird in aller Regel („Großkloster“).
in der Sekundärliteratur mit Putralekha angegeben, ohne den re-
konstruierten Charakter deutlich zu machen. Doch könnte er auch
genau so gut *Sutalekha gelautet haben; vgl. Kano (unten Anm. 10),
S. 136. An der Bedeutung würde dies allerdings nichts ändern. 10 Jikidō Takasaki (高崎直道): „宝性論 の註釈 Mahāyānottaratant-
8 „Atisha“ in der vereinfachten Transkription des vorliegenden Ban- raśāstropadeśa の写本“ (A Manuscript of the Mahāyānottaratantra-
des. śāstropadeśa, a Sanskrit Commentary on the Ratnagotravibhāga). In:
9 Jüngst ist vorgeschlagen worden, Atiśa als korrupte Form des ur- Indogaku Bukkyōgaku Kenkyū 印度学仏教学研究 (Journal of Indian
sprünglichen altindischen (Ehren-)Namens *Adhīśa zu betrachten and Buddhist Studies) 23,2 (1975): 52–59. Für viele weitere Informa-
(Harunaga Isaacson, Francesco Sferra: The Sekanirdeśa of Maitreya- tionen über Sajjana und seinen Sohn Mahājana, der ja Adressat des
nātha (Advayavajra) with the Sekanirdeśapañjikā of Rāmapāla. Criti- Briefes ist, kann jetzt auf die einschlägige Passage eines jüngst er-
cal Edition of the Sanskrit and Tibetan Texts with English Trans- schienenes Buches von Kazuo Kano verwiesen werden: Buddha-na-
lation and Reproductions of the MSS. With Contributions by Klaus- ture and Emptiness: rNgog Blo-ldan-shes-rab and a Transmission of
Dieter Mathes and Marco Passavanti. (Serie Orientale Roma 107. Ma- the Ratnagotravibhāga from India to Tibet. (Wiener Studien zur Tibe-
nuscripta Buddhica 2.) Napoli: Università degli Studi di Napoli “LʼO- tologie und Buddhismuskunde 91). Wien: Arbeitskreis für tibetische
rientale”, 2014, S. 70 f. Anm. 51). und buddhistische Studien Universität Wien 2016, S. 135–144.

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Kleinere Mängel sind angesichts der sich unter ande- durchgängig widerspiegelt. Zugleich ist der Band so ge-
rem aus der mitunter schwierigen Quellenlage ergeben- staltet, dass sich sein Inhalt einem breiten Leserkreis voll
den Komplexität der Aufgabe mehr als verständlich und und ganz erschließt. Erwerb und Lektüre werden nach-
ändern nichts daran, dass das vorliegende Buch die drücklich empfohlen.
denkbar hohe fachliche Expertise der beiden Herausgeber

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