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MÜNCHNER

ILLUSTRIERTE WOCHENSCHRIFT
FÜR KUNST UND LEBEN

1896

BANDI
NR- 1—29

HERAUSGEBER: GEORG HIRTH — REDAKTION: FRITZ v. OSTINI

G. HIRTH’5 KUNSTVERLAG
MÜNCHEN & LEIPZIG
UNIVERSITÄTS
BIBLIOTHEK
HEIDELBERG

Druck von Knorr & Hirth (G. m. m. b. H.), München.

i -10
Alt unsere Fremde Des reinen Weizens sonder Spreu,
Des Neuen, das gut, des Guten, das neu,
E^a liegt er nun, unser erster Band, Euch bieten in der Quartale Lauf —
Schmuck und gewichtig in unserer Sand, Verehrte LeserI Die Saud darauf! —
Vierhundert Seiten sind's, die sich da einen, Sat uns auch an Feinden nicht gefehlt.
In einem Einband aus rothem Leinen. Was haben sie alles geklagt und geschmält,
Da wär' es glücklich nun gelandet, In ihren Reden und Blättchen und Schriften!
Gekentert nicht und nicht gestrandet, wir follten das Serz der „Jugend" vergiften,
Das Schifflein mit dem bunten Wimpel, Wir hätten von idealer Runst
Nach Sturm und Fährniß mancher Art, Reine» blassen Schein, keinen blauen Dunst,
Seil und bereit zur nächsten Fahrt. And namentlich sei's ein Skandal
Es hat uns freilich mancher Gimpel Bezüglich der sogenannten Moral,
Und mancher Neidhart prophezeit, Wie nackt und bloß in unseren Spalten
Das Boot der „Jugend", es käm' nicht weit: Gar mancherlei verruchte Gestalten
Denn erstlich nähm' es zu wild den Flug Umtrieben ganz ohne Feigenblätter.
Und nicht nach bewährten nautischen Regeln, Es krachte so manches Donnerwetter
Dann hält' es auch zu viel wind in den Segeln, Bon hoher Ranzel auf uns her,
Und fein Ballast sei nicht schwer genug, wir hatten ja allen Respekt vergessen,
Und auch an Mannszucht fehl' es an Bord — Manch wackerem Schwarzrock was aufgemessen,
Wir aber segelten fröhlich fort, Und manchen politischen Rampfhahn schwer
wir hatten tüchtige Mannschaft geheuert, Geärgert, verhöhnt und im Bild geschildert.
Uns halfen rüstiger Arme viel, Gs hieß: Die „Jugend" sei falsch und schlecht,
Voll frischen Muthes und angefeuert Frivol und frech und total verwildert-
Bon einem schönen und hehren Ziel. Nun — dafür machten wir's Andern recht
Und ging's auch durch tosende, schäumende Fluth, Und zwar den Bessern in deutschen Landen,
Die Fahrt war gesegnet, die Fahrt war gut. Und haben die Bessern uns wohl verstanden,
Wir nehmen recht gerne die Schreier in Rauf!
Da liegt er vor uns, der erste Band, Schlagt nur einmal den Band hier auf
Biel tausend Zeilen von krausen Lettern Und auch ein Gegner inuß gesteh'n,
lind schnurrigen Bildwerks allerhand — Es ist nicht wenig darin zu feh'n.
lind wenn wir die bunten Seiten durchblättern wir lassen es freilich lieber bleiben,
Bon vorn nach rückwärts, gesteh'n wir frei, Einen trockenen Index davon zu schreiben,
Mag sein, es ist mancher Schnitzer dabei; Wer wissen will, was im Buche stünde,
Langweilig aber ist's nicht gewesen, Mag selbst d'rin suchen, auf daß er's finde.
Weder zu schauen noch zu lesen. Da sieht er im fröhlichen Wechselspiel
Ist schließlich ja aller Anfang schwer — Stets wechselnd wie in Raleidoskopen
link daß wir in Zukunft immer mehr Der Bilder, der Verse, der Srosa viel,
Da findet er Scherze vom £)ol und den Tropen, Gar viele Gedichte von Lust und Liebe
Und ernsthafte Kunst in Schwarz und Bunt, Und Stimmungsbilder bald licht, bald trübe,
Schmal, breit und hoch, und kantig und rund, Und (Epigramme, Gedankensplitter,
Symbolische Schnörkel gar fein zu deuten, Novellen, Satiren, harmlos und bitter
Porträts von großen und anderen Leuten, Und manche lustige Parodie,
Manch treffliches Blatt zunr greife des Weibes, Und Lieder sanunt Text und Melodie.
Zum Lobe der Schönheit des Menschenleibes, Und manchen Spott auf die perren Philister —
Poetisch - symbolisch - gedankentiefes, Und damit ist unser Znhaltsregister
Sentimentalisches und Naives, Noch lang nicht zu Tnde — blättert nur heiter,
Und schöner holdseliger Frauen Köpfe, Auf daß Ihr findet, im Buche weiter!
Taricaturcn zum pohn auf die Zöpfe,
Und Blumengeranke von zierlichcin Schwung Wir aber, wir rüsten mit frischer Kraft
Und vaterlandsfrohe Begeisterung, Auf's Neue uns für die Wanderschaft,
Und Zägerschwänke in Bild und Wort. Auf's Neue uns für die fröhliche Fahrt.
Und mancherlei Unsinn und mancherlei Sport, Ts gibt noch Dinge so mancher Art,
Sogar aus der pölle find Bilder zu fchau'n Viel Schönes und Gutes in Bild und Gedanken,
Sammt Spukgeschichten aus Nacht und Grau'n, Womit wir befrachten unsere Planken,
Sogar aus dein Pimmel ist was dabei, Dann schütten wir fröhlich für Tuch zu paus
Zn ernster und heiterer Schilderet, Die bunten, schinnnernden Schätze aus,
Madonnen findet Ihr da und Tngel; Die wir heimgebracht aus der Schönheit Mich —
Sogar aus dem blutrothen Ulars dort oben
Sind Bilder und Szenen mit eingewoben; Nur seid auch fruchtbar und inehret Tuch,
Dann findet Zhr Gigerln und Ladenschwengel, So wie Zhr bis heute wuchs't an Zahl!
Und sonst noch viel schnurrige Menschlein vor, Dann können wir auch mit jedem Mal
Und putzigen, neckischen Mädchenflor, von Woche zu Woche, von Jahr zu Jahr,
pikantes findet Zhr auch, Französisches Tuch reicher bedenken immerdar,
Und Deutsch - bureaukratisch - politisch - chinesisches, Scharfäugig stets nach dem Besten lugend
Dann findet Ihr Blätter für Thic und Mode Vom hohe» Mastkorb über die See —
Und grausige Tänze, getanzt von: Tode, Mit diesem Wunsch sagt Tuch Ade
Plakate, Vignetten und Speisekarten, Zn froher Zuversicht
Und Bilder von hundert anderen Arten, die „Äugend".
München, Juni ;8Y6.
1896 . JUGEND ->

Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben. — G. Hirth’s Verlag in München & Leipzig.
ALi.fi HECHTE VORBEHALTEN.
JVOEND Münchner Wochenschrift für Kunst und Leben
[ie Erwägung, dass unter den zahl- Und wer nur ein warmes Herz für diesen Künstlerische Beiträge zum Bilder-
reichen in Deutschland erscheinen- Gedanken hat, wer dazu beitragen will und schmuck der «JUGEND» haben wir erhalten,
den illustrirten Wochenschriften die Kraft dazu in sich fühlt, mit uns zusammen oder werden wir erhalten von:
sich keine einzige befindet, welche ein lustiges Blatt an der Wende des Jahrhunderts Henry Albrecht, Peter Bauer, Henri Boutet,
den Ideen und Bestrebungen unseres sich immer zu schaffen, das uns den Uebergang in das A. B'öcklin, Otto Bromberger, Fritz Burger,
reicher gestaltenden öffentlichen Lebens ln Neue zu einem Vergnügen machen und die Caran dl Ache, y. Carben, Cazal, L. Corinth,
künstlerisch durchaus freier Weise Bürde der Jahre erleichtern soll, der ist ebenso Maxim. Dasio, yulius Dietz, O. Eckmann,
gerecht wird, hat uns zu dem Versuche er- höflich, als herzlich eingeladen, sich frohen Fritz Erler, yul. Exter, Hans Fechner,
muthigt, diese offenbare Lücke unserer Zeit- Muthes an dem Leben und Werden der Alexander Frenz, E. Grasset, E. Griitzner,
schriftenliteratur auszufüllen. Wir wollen die JUGEND zu betheiligen und, was er etwa an Guillaume, Hugo Freih. v. Habermann, Louis
neue Wochenschrift Zündstoff auf Lager hat, unserm Laboratorium Herzog, ArthurHirth, HugoHoppener (Fidus),
baldigst anzuvertrauen. y. Huber, Ewald Hirsch, Felix Hollenberg,
JUGEND Dank unserer Programmlosigkeit — einem Olaf yernberg, yossot, E.Kneiss, y. Kerschen-
nennen: damit ist eigentlich schon Alles gesagt. «Programm», das wir strikte aufrecht erhalten steiner, Arthur Kampf, F. A.v. Kaulbach, Al-
Selbstverständlich wenden wir uns nicht an wollen — ist das Feld unserer Thätigkeit ein bert Keller, Max Klinger, Franz v. Lenbach,
die Jahrgänge, sondern an das Herz, auch der so unbegrenzt weites, dass eigentlich jeder Max Liebermann, E. Lugo, A. Mareks, Karl
in der Herbstsonne alter Jahrgänge Gereiften, denkende und herzensfrohe Mensch irgend etwas Marr, O. Melly, P. Meyer-Mainz, Vilma
die so glücklich sind von sich zu sagen: «Altes für die «JUGEND» in petto haben müsste. Parlaghy, Radiguet, A. Rietti, Th. Rocholl,
Herz, was glühest du so!» y. Sattler, H. Schlitt, Arpad Schmidhammer,
Er braucht durchaus kein zünftiger Literat
Ein «Programm» im spießbürgerlichen zu sein! Und jeder Künstler, der wirklich einer y. Schmitzberger, Th. Schmuz-Baudiss, Carl
Sinne des Wortes haben wir nicht. Wir ist, hat bestimmt auch etwas für unser Blatt, Schnebel, Otto Seitz, Rudolf Seitz, Max Sle-
wollen Alles besprechen und illustrieren, was vogt, Steinlen, L. Stockmann, C. Strathmann,
oder kann was für uns machen. Je frischer
interessant ist, was die Geister bewegt; wir und freier eine Arbeit ist, je getreuer und un- Franz Stuck, Hans Thoma, W. Trübner,
wollen Alles bringen, was schön, gut, charak- mittelbarer dasWesen des Künstlers in ihr sich Fritz v. Uhde, C. Vetter, Valloton, H. Zügel.
teristisch, flott und — echt künstlerisch ist. Musikalische Beiträge haben wir er-
spiegelt, desto willkommener wird sie uns sein!
Kein Gebiet des öffentlichen Lebens soll halten, oder werden wir noch bekommen von
Also ! Vorwärts mit frischem Muth, «JUGEND»
ausgeschlossen, aber auch keines in den Vorder- sei’s Panier! den Herren:
grund gestellt werden: hohe, höhere und höchste Ernst Baecker, A. Bungert, Hess, H. Sommer,
Ungefähr wird die vorliegende I. Doppel-
Kunst, Ornament, Dekoration, Mode, Sport, R. Strauss u. A.
nummer unserer Zeitschrift ja zeigen, was wir
Politik, Musik und Literatur sollen heute ernst,
wollen — freilich eben nur ungefähr! Denn Georg Hirth, Herausgeber,
morgen humoristisch oder satirisch vorgetragen
werden, wie es die Situation und der Stoff
wir werden uns noch im Laufe der Zeit mit Fritz V. Ostini, Redakteur
gar Vielem beschäftigen, was hier gar nicht der „JUGEND“.
gerade erheischen. Hiezu sollen alle graphi-
angedeutet ist, mit Vielem, was der Tag erst
schen Künste, soll der «stilvolle Strich», die NB. Die zur Aufnahme gelangenden
bringen wird, was das Leben erst noch reift.
ernste Skizze, die Caricatur, die Photographie Zeichnungen und literarischen Beiträge werden
mobil gemacht werden. Und — «wo gute Reden Literarische Beiträge sind uns schon selbstverständlich «honorirt».
sie begleiten», d. h. umschwärmt von einem zugegangen oder in Aussicht gestellt von: Nicht zur Aufnahme gelangende Beiträge
beweglichen Texte, da wird auch die Mitarbeit Conrad Alberti, Hermann Allmers, Ford. werden so bald als möglich an die verehrlichen
unserer frischmuthigen Illustratoren, der alten Bonn, M. G. Conrad, fuliane Dery, Georg Absender zurückgesandt, wenn Umfang und
wie der jungen, munter fortfliessen. Ebers, Franz Evers, K. E. Franzos, Ludwig Werth der Sendung einigermaßen die Mühe
Keine Form literarischer Mitarbeit soll aus- Fulda, Max Halbe, Otto Erich Hartleben, der Rücksendung lohnen. Genaue Adressen-
geschlossen sein, wenn sie sich nur mit der De- Karl Henkell, Wilh. Hertz, Paul Heyse, angabe wird höflich erbeten.
vise verträgt: «Kurz und gut». Jedes Genre — H. v. Hopfen, Otto v. Leixner, Alb. Matthaei, Sendungen an uns wolle man gef. nicht
das Langweilige ausgenommen — ist gastlich Wilh. Raabe, B. Rauchenegger, P.K. Rosegger, unter einem der obenstehenden Namen adres-
willkommen geheissen: Lyrisches, Epigramma- Frieda Schanz, Richard Schrnid- Cabanis, sieren, sondern einfach an die Redaktion
tisches, Novellistisches, Satirisches, Reim und Arthur Schnitzler, L. Soyaux, yoh. Trojan, der „JUGEND“, Färbergraben 24/n in
Prosa. R. v. Seydlitz. München.

Die JUGEND erscheint allwöchentlich einmal. Bestellungen werden von allen Buch-
und Kunsthandlungen, sowie von allen Postämtern (Postzeitungs-Katalog Nr. 391a) und
Zeitungs-Expeditionen entgegengenommen. Preis des Quartals (13 Nummern) 3 Mk., der einzelnen
Nummer 30 Pfg. Preis für Inserate die vicrgespaltene Colonelzeile 1 Mk.
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Gruss an die JUGEND
Der „Jugend“ sei mein Gruss geweiht — Die — ob im Grabe mit einem Fuss —
Der Jugend, die niemals veraltet,
Noch schwebt auf den Schwingen des Falters:
Die unberührt von Stunde und Zeit
Ihr bring’ ich jubelnd einen Gruss —
Im Künstlerbusen waltet;
Der Jugend jeden AltersI —
Der Jugend, die aus der Seele stammt, Und macht sich ihr manch Gegner kund,
Und die trotz weisser Haare Sie bleibt doch unbezwungen
Für alles Grosse sich noch entflammt
Von grünlackirten Greisen und
Und Schöne und Gute und Wahre; Von schimmelgrauen Jungen!
Der Jugend, die ewigen Frühling schafft Dem erster’n von diesem Feindespaar
Uns drinnen tief im Herzen Mit Fäusten, emsig-raschen,
Und deren heilige Kraft entrafft Wird sie das fahle Antlitz klar
All irdische Sorgen und Schmerzen; Von falscher Schminke waschen;
Der Göttin, die uns Kindern gleich — Dem andern aber wird sie kühn
Doch kindisch nie — lässt werden, Durch einen kräftig derben
Damit wir schauen das Himmelreich Handgriff dieHös’chen strammer zieh'n,
Schon hier auf dieser Erden; Sie . . . rücklings aufzufärben.
Richard Schmidt-Cabanis

}
Kr. 1 und ä
Tt) GEN Ö
1896

Jugend! Jugend! Wenn aber so ein Ding von etlichen Aber zurück zu den Flegeljahren! Noch
Das Wort ist einer von den Zauber- Jahren frühreif ist und keine Freude am weinen können, wenn die schillernde Glas-
sprüchen, die uns das Herz aufhellen mit Spiele hat, sich nicht balgt mit den An- kugel eines Ideals in Scherben geht, noch
einem Schlag, bevor wir noch Zeit ge- dern, keine Schläge bekommt und keine jauchzen können, blos weil die Welt so grün
funden, ihrem Sinne nachzudenken. Jede austheilt, keine zerrissenen Jacken und ist und die Sonne so hell und das Leben
Sprache hat ein paar solche Worte. In der blauen Beulen nach Hause trägt, über die so überaus lobenswerth! Jugend in der
deutschen heissen sie: Jugend, Frühling, Märlein der Ammenstube die Nase rümpft, Jugend!
Liebe, Mutter, Heimath! Sie klingen, — keine Phantasie hat, aber dafür schon eine 3x3
man nimmt sie auf — und vor unseren Dosis Klassenhochmuth — den gibt’s näm- Gibt aber auch andere! Kerle, die mit
Blicken öffnet sich eine Welt. Und die lich auch in Lumpen —, die Thiere nicht der Brille auf der Nase und mit Tinten-
weiteste von allen diesen Welten ist jene, lieb hat und den Menschen sich nicht an- fingern auf die Welt gekommen scheinen,
die das Wort Jugend erschliesst. In dieser schmiegt — armes altes Ding! Wenn oft Streber auf der Schulbank, Primajungen,
Welt ist im Grunde Alles mit einbegriffen, die Leute wüssten, was für unglückliche die’s dem Herrn Professor sagen, wenn der
was gut ist und froh, licht und warm, rein Geschöpfe ihre Tugendmuster sind!- Hans die Schule geschwänzt hat und der
und gross. ¥ Max über den Zaun des Pfarrhofgartens
Denn die Jugend ist kein Vorrecht der Jedes Alter im Menschenleben muss gestiegen ist, seinem holden Büschen ein
Leute bis zu dreissig oder fünfunddreissig seine Jugend haben. Büschel Reseden zu stehlen! Bürschlein,
Jahren! Dem Jüngsten kann sie fehlen, der Die Flegeljahre! Die ersten Cigarren die immer die besten Noten und ein sanftes
Aelteste kann sie haben! Es gibt vierjährige rauchen, die ersten Verse machen! Zu- Gewissen haben, die keine verbotenen
Grossstadtgewächse, die nicht mehr jung erst an erdichtete, dann an unerreichbare, Schoppen trinken, Liebes- und Freund-
sind, es gibtAchtziger, die bis zu den Ohren dann endlich an wahlverwandte Huldinnen! schaftsträume mit grinsender Verachtung
in Flanell stecken wegen des Zipperleins, Himmlisch stupides Schwärmen für einen ansehen und die Anwartschaft auf eine glän-
die nicht mehr aus dem Lehnstuhl heraus- Backfisch mit flatternden Zöpfen! Hoffen, zende Laufbahn schon als Quartaner in der
kommen — und die doch noch ihr Theil Träumen dem Leben zu! Die Welt sich Tasche tragen. Kerle, die nie über eine
Jugend im Herzen tragen. ausmalen wie einen Garten voll blauer Hecke springen, weil sie die Hose zerreissen
‘•2* Blumen und goldener Früchte, die alle könnten, die alles Lustige und Verbotene
erreichbar sind, ihm, dem Einen, dem nicht etwa aus Grundsätzen, sondern ein-
Jugend ist Daseinsfreude, Genussfähig-
über die Massen Kühnen: dem Ich des fach aus Scheu vor der Haselruthe liegen
keit, Hoffnung und Liebe, Glaube an die lassen.
Menschen — Jugend ist Leben, Jugend ist Träumers!
Für Freundschaft glühen, Jedem, auch Jugend ohne Jugend!
Farbe, ist Form und Licht.
Wem ist sie eigen? Wer hat sie nicht? dem schäbigsten Gesellen das Herz wie
auf dem Teller entgegen tragen und, zehn
$
Jung im rechten Sinn ist noch das Kind, Mit den Mädchen ist es nicht anders!
das zu spielen weiss, mit einem Holzklotz, Mal betrogen, das elfte Mal wieder glauben! Welch ein Götterreiz umkleidet solch ein
einem Lappen und einem Strohwisch, ge- Ueberhaupt ist’s ein Kennzeichen und viel- Wesen zwischen Fratz und Weib, wenn ihm
rade so wie mit einer Pariser Puppe. Das leicht auch das reinste Glück wahrer Ju- gesunde J ugend aus den Augen blinkt, wenn
Kind, das sich seine Namen erfindet für gend, dass der Schein, der schöne Schein es halb Kobold ist und halb Engel, halb
alle Dinge und Leute, das noch mitten im sich zur rechten Zeit immer wieder über Schwärmerin und halb Spottdrossel in an-
Märchen lebt, das in der Weihnacht das irgendeine bittere Wahrheit hinwegtrügt! genehmer Mischung, rein, aber warmblütig,
Christkind an das Fenster klopfen hört, Und mit dem ersten Flaum auf der kindlich, aber weich. Wenn sein Herzzittert
das mit dem Hofhund plaudert und die Lippe, der ersten Liebe im Herzen, und um jedes erschaute fremde Leid und jubeln
Katze küsst, das seiner Puppe Brei in den vielleicht mit der ersten Heldenschmarre kann um jede geglückte Thorheit!
Mund schmiert und gelegentlich auch ein- im Gesicht im Grunde doch noch mild- Und die Andern, die Frühklugen, früh
mal Papa’s Taschenuhr mitderSchuhbürste herzig, weich, ahnungsvoll und spielerisch, Wissenden, die mit 12 Jahren schon an
reinigt. Jung ist das Kind, für das Alles doch noch ein Kind sein!-— eine gute Partie denken, der Stolz und die
lebt und redet, das Alles wissen muss und
hinter jede Staude guckt und Fragen stellt
K Wonne aller verheirathungslustigen Mütter
sind, nicht schwärmen, aber begehren, nicht
Das ist Jugend: in jeden neuen Lebens-
ohne Ende, und das gelegentlich auch ein- abschnitt das Beste vom Jüngstvergangenen sündigen, aber verstehen, nicht ungezogen
mal herzhaft ungezogen ist. Das aber auch mithinübernehmen! Kinderfrohsinn in die sind, aber hart! Sind die jung?
nachher, wenn der Trotz verraucht ist, die Knabenjahre,dieTreuherzigkeit des Knaben 3x3
Hand wieder liebkost, die es gezüchtigt. in die Jünglingszeit, das offene, zuversicht- Himmlisch kann eine Frauenknospe
Jung ist ein Kind, das ein Kind ist in liche Herz des Jünglings in’s Mannesalter, sein in geschmeidiger Kraft und Frische,
Allem, im Guten und im Schlimmen. die Wärme und Festigkeit des Mannes in’s ein Mädchen, das zu tanzen liebt, und durch
3x3 Greisenthum.- die Welt zu jagen, auf Stahlschuh oder

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1896 JUGEND Nr. 1 und 2

Stahlrad, Pferd oder Boot, ein Mädchen, j ein Verhungernder und dem nichts mehr Und so fort bis in’s Alter, durch die
dem jene Damen vielleicht auch einmal schmeckt, weil sein Magen unrettbar über- Jahre reifer, sicherer Mannheit durch, die
ein shocking! nachrufen, denen nicht mehr fressen ist! Der Narr seines Ich, der Sklave Erntejahre des Lebens, in denen man auf
Alles rein ist! Jugend, Jugend! Und auf seines Schneiders, der Hanswurst seiner Errungenes behaglich niederzusehen an-
der andern Seite wieder die Blüthen ohne Mitmenschen und der Abklatsch seiner Mit- fängt und seine Wünsche mehr auf’s Er-
Duft und Farbe, zu Kochthieren und Dienst- esel! Der arme, arme Mensch, dessen Da- halten richtet, denn auf’s Erwerben!
botenschrecken geboren, von Pensionats- sein mit dem Bewusstsein schon ausgefüllt
vorsteherinnen hochgeschätzt, von Pri- ist, dass er etlichen Pflastertretern heillos
manern nie angehimmelt, eckig bis in die elegant vorkommt! Jugend — sprecht nur
Seele hinein, und im Uebrigen alles Schöne dies schöne Wort nicht aus in einem Athem Die jungen Alten! Alte Gesichter und
und Gute — nur nicht jung! — — — mit dem Namen dieses Gezüchts. junge Herzen! So widerlich und bemit-
leidenswerth ein alter Geck ist, der sich
* * ein paar Jahrzehnte vom Gesicht weg-
Schöner als jede andere fast ist die Was für ein Herrliches ist es um die schminkt und die für seine verspäteten
Jugend in der Zeit der ersten Reife! Stolz Jugendlichkeit des eben erblühten Weibes. Dummejungenstreiche nöthigejugend beim
und Freude am Schaffen hegen, das Wonne- Auch sie lernt nun die erste, wahre Liebe Apotheker kauft, so herrlich ist ein Alter,
gefühl bewusster Kraft gemessen, das herr- kennen. Aber nicht das Bedürfniss, sich dem die Seele frisch geblieben ist und mild,
liche Empfinden, zum ersten Male einen zu versorgen, sondern das Bedürfniss, sich das Auge klar auch für ein Leben, das er
Platz auszufüllen in derWelt! Und die erste, hinzugeben, lenkt ihr das Herz. Mutter- nicht in allen Theilen mehr ganz versteht.
wirkliche Liebe im Herzen nähren nach den schaft! Mutterglück! Dreidoppelte Jugend: Ein Loher des Vergangenen mag er wohl
Eseleien der Tanzstunde! Fähig werden eine junge Mutter! Immer voller erfüllt sein, aber kein Hasser des Neuen. Ein
zu ringen und zu wagen mit Todesmuth sie ihren Beruf, Sonnenschein zu bringen, Schatz an Liebe ist aufgespeichert in seinem
um eines holdseligen Weibes Besitz! Ju- Den jung zu erhalten, dem sie zu eigen Herzen, der sich mehrt, je reichlicher er da-
gend im Mannesalter, wie gut, wie schön! ist, einen Schimmer von Jugendlichkeit auf von gibt! Mit doppeltem Genuss schaut er
Alles zu werfen, was um sie lebt. Sie ist das Schöne um sich her; ist’s doch nicht
fr Alles in Einem in ihrer sieghaften Jugend: mehr für lange Zeit! Ihm ist die Freude
Aber der Andere, der Streber und Krä- Ansporn zum Kampfe und Siegerlohn. Um ein köstlicherTrunk, dem kein Rausch mehr
mer! In Liebe und Hass, Arbeit und Müsse sie, für sie ringt der Mann, sie macht ihn folgt, der die Blicke nur heller macht und
immer Streber und Krämer! Aus Angst treu und beharrlich! Sie schafft ihm ge- den Herzschlag ruhiger. Kein Menschen-
vor einem Schnupfen entsagt er dem Ge- steigerte Pflichten und gesteigerte Kraft alter kann vielleicht so viel Jugend in sich
nuss, von einem Berggipfel aus die Sonne dazu! aufsammeln, als das mit den weissen Haa-
blitzend aufschweben zu sehen aus dem Aber auch das rosige Bild hat sein ren. Ihm kommt sie von aussen und von
Dunst des Morgens! Aus Angst, sich seine Widerspiel: Junge Weiber ohne Jugend! innen. Ihm quillt sie als Erinnerung im
Carriere zu verderben, wagt er es nicht, Blaustrümpfe, Kehrbesenmegären, Männer- Herzen und macht ihm die Seele weit und
den Arm um einen bebenden Frauenleib jägerinnen, berechnende Koketten, eitle froh, ihm drängt sie sich jauchzend um die
zu schlingen! Aus Respekt vor seinen Vor- Närrinnen, die den Zauber ihrer Jugend Knie und stammelt: „Ich hab’ Dich lieb!“
gesetzten würgt er seine politische Ueber- verlieren in dem krankhaften Bestreben, Junges Alter! RosigerSonnenschein über’m
zeugung hinunter! Aus Angst, sich die nur ja nicht älter zu werden! Eis, Weihnachtsrosen unter’m Schnee!
Augen zu verderben, schaut er nicht in die Jugend im Silberhaar, Jugend in gol-
Sonne, aus Angst um seine Stiefel steigt $ denen Locken! Jugend, das Köstlichste aus
er nicht in’s thauige Gras und wenn die Die rechte Jugendlichkeit muss immer jeder Lebenszeit, vom ersten Kinderlachen
schönsten Blumen ihm daraus entgegen- unbewusst sein. Wenn Einer sagt: »heut' bis zum letzten Trunk, den der Greis aus
lachten! Auch Einer! bin ich aber einmal vergnügt!« kommt ihm dem Becher des Lebens thut!
Oder der Lebegreis! Herz, Phantasie das Lachen gewiss nicht von Herzen. Wenn Jugend, Jugend!
und Kopf kahl wie ein Ei! Der Jammer- aber Einer einmal lachen kann und weiss Ein besseres Bannwort hätten wir für
mann, das Rückbildungsprodukt zum Affen, nicht genau warum — der ist sicher froh unser Wagniss nicht finden können! Da-
der Idiot, dessen Ehrgefühl in der Correkt- und fühlt sich jung. Gefühl ist Alles, auch rum sehen wir dem Werdenden mit froher
heit seiner Hosenfalten aufgeht, der Bettler, hier. So ganz mit Worten umzirken lässt Hoffnung entgegen.
der Alles genossen hat und Nichts, der die sich der Begriff nicht! Jung fühlen muss Ganz schlecht kann es nicht ausfallen,
Lebensfreuden in sich hineinschlang wie man sich, nicht jung sein wollen. unser Zeichen ist viel zu gut!

S
Nr. 1 und 2 JUGEND 1896

Vor langer, langer Zeit, da die Geister noch nicht so es war der Berggeist. Der litt an einer Art von Kleptomanie.
selten waren, wie heutzutage, sind einmal dem lieben Gott Der liebe Gott war dem armen Sünder gnädig und erliess
aus seinem Farbenkasten, in dem er die Farben bereit hat ihm die Strafe. Aber wenn Einem einmal das Stehlen im
für’s Abendroth, für Tag und Nacht und die Jahreszeiten, Blute liegt! — Dauerte nicht lange, so hatte der Berggeist die
eine Menge von Farben gestohlen worden. Da gab’s grosse Farben schon wieder und riss aus mit seiner Beute. Die
Untersuchung im Geisterreich und viel Verdruss und der andern Geister ihm nach, als sie es merkten, denn die vier-
liebe Gott sperrte die ganze Geistergesellschaft auf ein paar zehn Tage Fegefeuer hatten sie nicht vergessen! Wie die
Wochen in’s Fegefeuer, bis der Sünder sich gemeldet hätte! wilde Jagd ging’s dahin durch ganz Tirol durch. Der Sünder
Und endlich thaten das böse Gewissen und die Hitze des flüchtete sich schliesslich in eine Hütte — schon glaubten
Fegefeuers ihre Wirkung. Der Schuldige meldete sich — sie ihn zu haben, da fand er noch eine Lücke und sauste
6
Kr. 1 und 2
1896 . JUGEND .
Frauen angestellt werden müssen. Aber Skt. Petrus klagt
hinaus. Die Geister wieder hinter ihm her! Endlich fingen über die Leistungen. Sie sind schwach, sehr schwach.
sie ihn, die Farben fanden sie bei ihm aber nicht mehr. In
jener Hütte hatte er sie in aller Eile wieder versteckt. Man Es gibt Männer, die sich wegen unglücklicher Liebe ver-
giften, aufhängen, erschiessen, oder sogar — das muss sehr
brachte den Berggeist vor den lieben Gott, der nun ernstlich bitter sein — Gedichte schreiben. Narren, dreifache Narren!
böse war und mit grausigen Strafen drohte, wenn die ge- Nicht einzusehen, wie gut es das Schicksal mit ihnen gemeint
stohlenen Farben nicht mehr zur Stelle kämen. In seiner hat. Wäre die Liebe erwidert worden, so hätten sie ja ge-
Todesangst war der Berggeist ja gerne bereit, Alles zu thun, heiratet.
was der liebe Gott verlangte. Aber er fand das Haus nicht Es gibt Männer, die zweizüngig sind. Das sind Weiber
mehr, wo er die Farben versteckt hatte. Denn dazumal war’s niemals. Die sind mindestens dreizüngig.
finstere Nacht gewesen und bei dem Tempo, in dem die Der grösste Mann ist auf dem besten Weg, ein sehr klei-
Hetzjagd abgehalten ward, hatte er auch die Hausnummer ner zu werden, sobald er an Schmeicheleien der Frauen Ge-
nicht aufgeschrieben. Der Berggeist aber musste nun suchen fallen zu finden beginnt.
und suchen — er war so lange verdammt und vom Nektar Die schönen und geistreichen Weiber sind niemals ganz
und Ambrosia ausgeschlossen, bis der Raub wieder ein- zufrieden, wenn man nur schön findet, was ihr Mund spricht.
geliefert sei. Und nun suchte er tagaus, tagein, jahraus, Man muss auch die Lippen bewundern.
jahrein jeden Winkel der Welt ab und konnte die Farben
Hat man jemals etwas von des Teufels Grossvater ge-
nicht finden. Mit dieser verzweifelten Beschäftigung brachte hört? Die mühseligsten gelehrten Forschungen haben ur-
er sechzig Jahre hin und in Momenten der Ruhe fluchte er kundlich nur die Grossmutter nachweisen können. Eine
wie ein Husarenwachtmeister. Aber es fiel ihm partout nicht erfreuliche Bestätigung meiner Ansicht, dass der Ursprung
mehr ein, wo er die Farben bei jener nächtlichen Parforce- des Uebels durch Parthenogenesis in die Welt gekommen sei.
jagd durch die Alpen hingebracht hatte. Als ich das „schöne Geschlecht“ nicht kannte, wie hab
Als der Berggeist nun eines Tages, vom Suchen müde, ich damals dafür geschwärmt! Für einen süssen Blick hätte
in einer Felsschlucht einschlief, erschien ihm ein lichter ich mich in das nächste Weltmeer gestürzt. Jetzt durch-
Genius, der einige passende und gefühlvolle Worte sprach
schaue ich es bis in das Fältelten, wo der Satan drinnen
sitzt. Und, Ironie des Schicksals: ich habe sechs Töchter.
und dem Ruhelosen mittheilte, er habe damals in der Hütte Ich werde einen Knaben adoptiren müssen, um ihm meinen
die Farben in einer Wiege versteckt. Darinnen lag ein neu- Weiberhass zu vererben.-Wenn es meine Frau erlaubt.
geborenes Buberl. Nach Kinderart vergnügte es sich bald
Ich habe oft Gelegenheit, viele Männer der geistigen Be-
damit, wie mit buntem Spielzeug, suchte später Thiere, rufe zu sehen. Was macht unsere Zeit aus uns! Entweder
Menschen, Hütten und Berge getreulich nachzubilden, so mergelt sie uns aus, oder sie bläst uns auf. Enge Brust —
gut es ging; es wuchs heran und strebte als Jüngling und Hängebauch, Scylla — Charybdis. Wenige schiffen glücklich
Mann immer eifriger der hohen Kunst des Malens nach. durch. Zuerst ochsen wir und stopfen das Hirn mit allerlei
Und so sei er nach und nach ein weltberühmter Maler voll, was wir zu vergessen verpflichtet sind. Das nennt man
„Gymnastik des Geistes“. Dann wird unser Wissen geaicht
geworden: und nun treten wir in den Beruf. Die einen sitzen den gan-
„Auf den sein Land so stolz und seine Freunde zen Tag in Schreibstuben aller Art; oder auf Lehrstühlen,
Neidlos mit herzlicher Bewund’rung schau’n.“ um den Schülern zu sagen, was diese zwanzig bis dreissig
Jahre später umlernen müssen, weil es nicht mehr wahr ist;
Und das Buberl von damals und der berühmte Maler von andere rennen Trepp’ auf, Trepp’ ab, um gesunde Menschen
heute — sei der Defregger Franzi! krank zu machen, natürlich streng wissenschaftlich u. s. w.
Weil aber des Berggeists Gaunerei so gut ausgeschlagen, So geht es Tage, Jahre, Jahrzehnte. Toll werden die Nerven,
habe ihm der liebe Gott die Strafe in Gnaden erlassen! die Muskeln schlaff. Und das soll ein Mannesleben sein!
Manchmal, wenn ich auf der Strasse gehe, steigt in mir ein
So wird in einem launigen Festspiel erzählt, das die närrisches Verlangen auf, um mich zu schlagen und dem
Münchner „Allotria“ an dem Defregger-Abend aufführte, den Ersten Besten zuzuschreien: „Kerl, jetzt box’ mit mir, bis
sie, den Jubilar zu feiern, diesen Sommer veranstaltet hat. wir Beiden lauter blaue Flecke am Leibe haben!“ Da fühlte
Und zum Ehrenabend des Franz Defregger zeichnete der man doch wieder, dass auch im Hauen Poesie steckt. Aber
das geht nicht; der Schutzmann hätte kein Verständniss für
Franz Stuck mit markigen Strichen das Conterfei dazu, das meine Culturmüdigkeit und der Herr Richter — ob engbrüstig
wir vorstehend nachgebildet haben. Bild und Märlein sind oder dickbäuchig — verdonnerte mich wegen groben Unfugs.
hübsch genug, dass wir sie unseren Lesern mittheilen dürfen.
Oder nicht? O göttliche Grobheit! Die Gebildeten schmähen dich,
ich aber bete dich an. Wie oft sind sie zu mir gekommen,
die Feinen und Glatten, um mich mit schönen Worten zum
Schuften zu machen; mich zur Untreue gegen mich selbst
zu verführen; für meine Ehre boten sie mir Ehren; ein wenig
bücken sollte ich mich; sollte sprechen für das Unrecht, für
die Lüge — ich könne innerlich glauben, was ich wolle. Und
sie kamen immer wieder und waren nicht abzuschütteln. Da
tratest du zu mir und gabst mir Worte, kräftig, klotzig, hain-
buchern, aber deutsch und wahr. Das erst stieg den Feinen
in die Nase. Seitdem gelte ich als „ungebildet“. Aber wenig-
stens haben sie mich nicht in ihren Model gepresst; ich habe
mein Selbst gerettet — und das danke ich dir, göttliche
Grobheit!
Aus dem Nachlasse des H. Jeremias Grobschmied. Mit innerer Empörung heraus*
gegeben von Otto von Leixner.

Im Anfang hat es nur Männer auf der Welt gegeben.


Yarencso edel, brav, friedfertig, dass alle nach dem Tode
sorort zu Engeln ernannt worden sind. Als aber der Andrang
sann der liebe Gott auf Aushilfe und erschuf
' "Eider. Diese brachten es fertig, die Mannsleute so zu
verderben, dass es im Himmel jetzt oft an Engeln fehlt und

7
Nr. 1 und 2 JUGEND 1896

Theaterleute.
Von Ferdinand Bonn.
Der Intendant. Der Liebhaber.
Der Höchste ist der In- Der junge Mensch in heisser Gluth
tendant, Gar oftmals etwas Dummes thut
Oft wird er Exzellenz ge- Und geht zu Grunde, wenn er kann.
nannt. Man nennt’s Tragödie dann und wann.
Er schrieb einmal ein Liebhaber auch in unsrer Zeit,
schönes Stück, Vor Allem sei nicht zu gescheid !
Dass man’s nicht gab, das Er spielt sein Fach jahraus, jahrein,
war ein Glück! Fast jedesmal bei Mondenschein.
Novizinnen der hohen Er lächelt immer — auch im Tod,
Kunst Und schminkt sich nur mit weiss
Erfreuen sehr sich seiner und roth.
Gunst. Die Mädchenschaar schwört nur
Er ist nicht stolz und hat bei ihm
sie gern Und schreibt ihm Briefchen anonym,
Trotz seinem grossen Dies macht ihn schliesslich geistes-
Band und Stern ! schwach —
Hat 25 Jahr man ihn Er geht dann in ein ält’res Fach.
Geärgert stets durch Dick und Dünn,
Beschimpft, gezogen hin und her,
Dann-hält sein Jubiläum er! Der Bonvivant.
Das ist der schöne „Bong-vi-vang“,
<6? Ist bei der Bühne meist schon lang,
Denn bis er die Manieren fand,
So manches liebe Jahr entschwand.
Den Rock, den trägt er offen blos
Und eine Hand im Hinterschooss,
Der Regisseur. Denn das beweist ein froh’ Gemüth,
Dann — dass man auch das Futter sieht!
Ist dieser „Ober“, wie gar oft,
Er von der Kunst längst nichts mehr Auch Schnurrbart hat er dann und wann,
hofft. Weil er ihn meistens brauchen kann.
Einst trug er manches Ideal, Er spielt „natürlich“, aber wie!
Jetzt ist ihm alles ganz egal! Versteht man auch die Hälfte nie !
„Kinder!“ ruft er voll Bonhomie — Tragödie hat er auf dem Strich
Geht’s nicht, dann brüllt er wie ein Vieh! Und ärgern thut ihn fürchterlich,
Dass man Tragöden Orden giebt!
\,Gross“ wird er nie — doch „sehr
// beliebt“!
'5r
Der Charakterspieler.
Der Held. Das ist der böse Franz von Moor,
Das ist der Held, der Hauptathlet. Als Intriguant stellt er sich vor.
„Da seht mal, wie ein König geht!“ Er hat ein Weib und Kinder acht.
Die Rollen kann er meistens nicht, Man glaubt es regnet, wenn er lacht.
Was braucht er das mit dem Gesicht! Den Franz von Moor, den lässt er
Da — wie er sagt — ein Antrag lockt, nicht,
Ist er stets mürrisch und verstockt! Bis ihm dereinst das Auge bricht.
Er spielt die grossen Menschen nur, Er reisst stets zwei Coulissen um,
Das sieht man g'eich an der Statur. Verachtet Press’ und Publikum.
Er hat viel Schulden, auch 'ne Frau, Perrücken hat er „eine“ zwar,
Doch dieses weiss man nicht genau. Doch geht er meist im eignen Haar.
Er hat ein mächtiges Organ, Denn, tritt er auf, so weiss man
Das wendet er auch immer an, schon,
Ob leis, ob laut und auch beiseit, Jetzt kommt der wahre Höllensohn.
Dem Helden ist es wurscht — er schreit! Er ist zumeist ein braver Mensch,
Den Shakespeare kennt er „aus-e-
wend’ch“.
<6?
*
8
1896 JUGEND Nr. 1 und 2

Der Souffleur. Ihm gieng die Stimmung längst dahin,


Er knurrt in seinem Kasten drin
Und schnupft und schneuzt als wie ein Bär,
Zu Neujahr wird er freundlicher.

Der Inspicient.
Ein Biedermann, der Inspicient,
Der immer denkt: „Wär’s nur zu End“!
Stets macht er „Bst“, auch wenn’s ganz still.
Er blitzt und donnert, wenn man will,
Der Mann im Kasten — oder Frau —- Macht Sturm und Regen, Feuersbrunst
Wird bald vor Zorn und Aerger grau! Und „schickt hinaus“ mit vieler Kunst,
Dem einen, der grad etwas kann Und ist’s bei einer falschen Thür,
Schreit viel zu laut der gute Mann — So kann er niemals was dafür.
Der andere, den’s nicht interessiert, Wenn Beifall tönt — in schnellem Lauf
Sagt: Schreien Sie nur ungeniert! Kommt er und macht die Klappe auf.
Kommt kein Applaus oder nur dünn „Melkt“ er am Vorhang hin und her,
So schimpft und tobt man gegen ihn : So klatscht man dann noch heftiger.
„Das Vorhangzeichen kam zu spät, Und lässt er gar die Klappe offen,
Die Stimmung da zum Teufel geht!“ — Darf man auf weitern Beifall hoffen !

Der Theaterdiener.
Der weiss genau, woher der Wind,
Ob’s Stück gefällt — wieviel drin sind,
Wer nächstens eine Rolle spielt —
Und wer jetzt im Bureau befiehlt —
Mit wem jetzt die Naive geht —
Wie’s mit des Helden Vorschuss steht —
Warum man die nicht engagiert —
Dass sich der neue Gast blamiert!
Trägt er wo eine Rolle hin,
Geht’s im Galopp mit frohem Sinn !
Doch holt er eine Rolle — ha —
Als Leichenbitter steht er da !

(Die zart’re Hälfte der Materie


Behandelt eine weit’re Serie!)

Grabschrift
auf einen grossen Arzt.
Hier ruht von falschen Diagnosen
Ein ordentlicher Professor aus:
Nicht schützten grössere Jodkali-Dosen
Ihn vor dem kleinen Bretterhaus.
Er ward an’s eigne Krankenbett berufen,
Doch eh’ sich auf sich selbst besonnen
Der arme so berühmte Mann,
Stand er schon auf den Himmelsstufen.
Er war kein grosser Geist — ein wenig Streber
Er nahm nicht viel und war kein Filz,
Sein letztes Wort war: „’s sitzt mir in der Milz!
Post mortem aber sass es in der Leber! —
Serenissimus: Sehr hübsch, das Porträt von Gräfin Deggen- Fritz Murner.
dorff! Sehr ähnlich!
Der Herr Direktor: Gestatten Ew. Durchlaucht die unmass-
gebliche Bemerkung, dass das Portät eigentlich im Grunde,
sozusagen, nicht die Gräfin Deggendorff, sondern die Gräfin
Meggendorff darstellt —
Serenissimus: Ach! Die Meggendorff? — Auch sehr ähnlich!
9
Nr. 1 und 2 JUGEND 1896

Zeichnung von F. A. v. Kaulbac«

IQ
1896 J U ©E N D Nr. 1 uad 2

Singsang. Und ich fasste ihre Hand | Er kam von einsamer Küste,
Weis- nicht wie’s geschah. Sein Wort übertönte das Meer,
Wie sehnt’ ich dem Schlafe mich nach! — Ganz verlegen an der Wand Viele Tage gingen zur Rüste,
Schon hielt ich das Glück an den Fäden Stand ich vor ihr da. Doch wachend wanderte er.
Da pochte die Sonn’ an die Läden —
.

Wie sehnt’ ich dem Schlafe mich nach! Woher nahm ich nur den Muth, Der Fels riss die Füsse ihm blutig,
Dass ich nach und nach Sein Haupt umheulte der Föhn,
Aus Träumen nur schwebt es empor, Kühner ward, doch weich und gut 1 Seine Seele aber blieb muthig,
Was all’ Du für Wonnen umschliessest, Also zu ihr sprach: Und er ist in Stürmen noch schön.
Dir heimlich in Lieder ergiessest
Aus Träumen nur schwebt es empor. „Traf Dich just dasselbe Leid, Er hat in den Augen den Willen,
Kind, wie Deinen Freund? Der die Feinde sich bändigen kann,
Rings leuchtet die lachende Welt! Stillverschwieg’ne Einsamkeit Mit seinem Lächeln, dem stillen,
Weh’ — wehe, getrennt sind die Herzen, Hat uns ja vereint! Sagt er: Ich werde ein Mann.
Sie schwelgen in suchenden Schmerzen -
Rings leuchtet die lachende Welt! Komm’, wir plaudern in der Still’! Nun kommt er schon auf die Berge,
Ich erzähle Dir, Seine Stimme ward lauter und voll,
Italisches Blüthengepräng! Was ich sehne, was ich will! Und drunten das Heer der Zwerge
O, reib’ Dir den Schlaf aus den Augen! Mädchen, komm’ mit mir!“ Weiss nicht, was da werden soll.
Was können die Nebel Dir taugen? -
Italisches Blüthengepräng! Doch, wir sassen still und stumm; Dem Ziele näher und näher,
Manchmal seufzt’ ich nur, Und keinen Schritt zurück:
Hab’ Dank, Du mein stolzes Florenz! — Eine Katze schlich herum Er ist ein Wolkenspäher
Tags müssen uns Rosen gedeihen, In dem dunklen Flur. Voll Sturm und Sternenglück.
Tags adelt die Freude den Freien
Endlich fand ich’s, und ich sprach Du mit dem Trotze des Bauern,
Hab’ Dank, Du mein stolzes Florenz!
Ganz verlegen nur, Der Königsthrone sich baut,
Florenz, April 1895. OTTO ERICH HARTLEBEN. Bis ich auf den Knien lag Ich fühle Dein Glück wie ein Schauern,
In dem dunklen Flur. Deine Zukunft hab’ ich geschaut!
Antwort war ein Druck der Hand; . FRANZ EVERS.
Ach, ich will’s gesteh’n,
Dass der Mund zum Mund sich fand,
Keiner hat’s geseh’n.
Mein Aschenbrödel. Doch das Kätzchen dann und wann
Schnurrte schmeichelnd nur,
Auf der Treppe stand sie da, Sah uns ganz verwundert an
In dem dunklen Flur. In dem dunklen Flur.
Auf der Wang’ ich schimmern sah LUDWIG SOYAUX
Heller Thränen Spur.
Alles still im weiten Haus,
Kein Gespräch, kein Wort,
£
Nur das Knispern einer Maus;
Brüder, Schwestern fort! So seh’ ich ihn.
Draussen fliegen sie zum Tanz, Ich sehe, vom Licht bezwungen,
Vor der Stadt im Wald, Meere links und Felsen rechts,
Flechten Blatt und Blum’ zum Kranz, Heute den Geist des jungen,
Lust und Lied erschallt. Des kommenden Geschlechts.
1896 JUGEND Nr. 1 und 2

ZWEI FREUNDE \■

EIN KÖNNER vnd EIN KENNER

BÖCKLIN vnd BAYERSDORFER


SO SETZTE ICH DEN EINEN, UND DEN ANDERN STELLTE ICH HINTER IHN, IN MEINEM GARTEN ZU
MÜNCHEN, ALS WIR WEIN VOM DEUTSCHEN RHEIN GETRUNKEN HATTEN, AM 18. JULI 1894. MIT DIESEM
LICHTBILDE WOLLTE ICH EIN KLEINES INTIMES DENKMAL SETZEN DER MERKWÜRDIGEN FREUNDSCHAFT
ZWEIER ÄCHT DEUTSCHER KUNSTMENSCHEN, WELCHE, SO GRUNDVERSCHIEDEN, SICH ERGÄNZEN
UND JEDER IN SEINER ART DEM KUNSTVERSTAND UNSERER ZEIT ZUR HOHEN EHRE GEREICHEN.
INDEM ICH HIER DEN GROSSEN UNVERGLEICHLICHEN ARNOLD UND SEINEN FEINSINNIGEN GELEHR-
TEN RUHMKÜNDER ADOLF BILDLICH VEREINIGTE, KONNTE ICH AUCH DEM AMMENMÄRCHEN VON
DER NOTHWENDIGEN GEGNERSCHAFT ZWISCHEN KÖNNERN UND KENNERN EINS VERSETZEN. DENN
DAS IST JA DAS SCHÖNE, DASS WIR ANDEREN, DIE WIR NICHT SELBER BILDEN, DAS WALTEN DER
KÜNSTLERISCHEN PHANTASIE LEBHAFT ANFÜHLEN KÖNNEN, WEIL WIR VON DEN KÜNSTLERN, UND
NICHT BEOS VON EINEM, GELERNT HABEN, DIE NATUR MIT IHREN AUGEN ZU SEHEN. UNSER GEIST
IST DOCH SO GEMACHT, DASS WIR VIELERLEI ANDEREN GEIST IN UNS AUFNEHMEN UND VERGLEICHEN
UND DAS VERGLICHENE, MIT ODER OHNE EIGENE ZUTHAT, ZURÜCKSTRAHLEN KÖNNEN. DARUM HAT
DIESES EINFACHE LICHTBILD EINEN TIEFEN SINN, UND DER FREUNDLICHE LESER DER JUGEND MÖGE
AUS DEM ANBLICK DIESER BEIDEN EWIG JUNGEN HOFFNUNG UND FREUDE SCHÖPFEN FÜR SEIN KÜNST-
LERISCHES MENSCHENTHUM, UND MÖGE SICH DURCH DIE DIABOLISCHE ERSCHEINUNG DES IN WIRK-
LICHKEIT EBENSO GUTHERZIGEN ALS GEISTREICHEN UND GELEHRTEN ADOLF NICHT ABHALTEN LASSEN,
- DEM GROSSEN ARNOLD RECHT TIEF IN DIE HELLEN KLAREN AUGEN ZU BLICKEN UND DEN BEIDEN
•- FÜR IHREN DER DEUTSCHEN KUNST SO ERSPRIESSLICHEN FREUNDSCHAFTSBUND ZU-
-DANKEN. MÖGE DIESER BUND NOCH RECHT LANGE INS NEUE JAHR-
-HUNDERT HINEIN WÄHREN, UND MÖGE DER STARKEN --
--- HAND, DIE HIER DIE ZIGARRE HÄLT, EINE-
-TIZIANISCHE LEBENSDAUER---
---BESCHIEDEN SEIN! --
_GEORG HIRTH-—-
Nr. 1 und 2 JUGEND 1896

Demi-vierge.

3. (Horreur! eile est cul-de-jatte)


Pardon Mademoiselle, Voilä sans doute ce que les Frangais
1. Elle: Je ne puls resister ä tant d’amour. . . apellent une demi-vierge ! Radiguet (Paris).
fuyons dans une autre patrie

Wie geht es ihr?


Zum zweiten Mal ward er in’s Städtchen verschlagen,
Wo er kühn einst umschwärmt zweier Augen Zier,
Und er fragt unter hundert anderen Fragen:
»Sagt einmal, Freunde, wie geht es ihr?«
»Sie alterte rasch, nachdem du geschieden.
So geht’s den Gesichtern wie Milch und Blut.
Doch sie lebt so weiter. Sie ist zufrieden.
Sie gibt ihre Stunden. Es geht ihr gut.« —-
O du, der du einstmals die Liebliche küsstest,
In’s Herz ihr gegriffen, gewandt und dreist,
Sie ist zufrieden, — o wenn du wüsstest,
Zufrieden, Frevler, — was das so heisst!
Nachdem der Gram ihr die Kräfte zerrüttet,
Nachdem sie gebrochen von innrem Streit,
Nachdem sie all' ihre Thränen verschüttet,
Kam ihr die müde Zufriedenheit.
Sie hat ihre Jugend zu Grabe getragen,
Gehungert, gefiebert nach dir, nach dir,
Der jetzt flüchtig, unter viel' anderen Fragen
2. Lui: O Joie! (II l’enlfive) Die Frage hinwirft: »Wie geht es ihr?« Frida Schani.

Sinngedichte
von Ludwig Fulda.
Wer nach Thalia’s Aufenthalt Ein rechter Gottesfechter,
Noch sucht in kunstgeweihten Räumen, Die echte und grosse Liebe ist Am allerbesten ficht er
Der kann den deutschen Dichterwald Der allerglücklichste Kapitalist; Gen Wichter und Gelichter
Nicht sehn vor lauter Purzelbäumen. Sie erntet Zinsen, an die sie nicht Mit schallendem Gelächter.
denkt,
Und wird stets reicher, je mehr sie Lang Ersonnenes
Merk' dir, eh’ dich Erfolge verblenden: verschenkt. Lähmt die Hände;
Um Ehre geizen, heisst Ehre ver- Frisch Begonnenes
schwenden. Drängt zum Ende.

14
1896 JUGEND Nr. 1 und 2

war! Ganz wie ein kleiner Hund, wie Toutou mir treu ist!
Und ich hätte genug Andere haben können! Oh ja! — Und
nun hat er mich nicht mehr lieb und lässt mich einfach
laufen!«
Sie warf sich wieder auf die Ottomane und schluchzte:
»Das ist mein Tod! Ich gehe in die Seine. Du wirst
eines Tages an der Morgue Vorbeigehen und mich kalt und
starr hinter den Glasscheiben liegen sehen. Dann wirst Du
Gewissensbisse bekommen und wieder daran denken, wie
lieb Dich die arme Nichette gehabt hat!«

Eine ganz alte Geschichte aus dem modernen Leben, erzählt


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von F. v. Ostini.
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Illustrirt von R. W. Hans wischte schweigend an seinem Pastell herum. Das


Der Maler Hans Bergen ging mit nervösen Schritten in Mädchen schluchzte fort.
seinem engen Atelier auf und nieder, hoch oben auf dem »Oder ich weiss, was ich thue. Ich gehe mit Wertakoff!
Montmartre in Paris. Hin und wieder blieb er zerstreut vor Er hat mir erst neulich geschrieben.«
seiner Staffelei stehen und wischte mit dem Finger irgend »Er ist reich und obendrein ein Russe. Das ist ja auch
etwas aus in einer halbvollendeten Pastellskizze. Sie stellte ein Vorzug!«
den Kopf eines Mädchens dar, der unter der Krempe eines »Oh! Du bist abscheulich! Und diesem Menschen war
blumenbedeckten Riesenhutes herauslachte; sündhaft ver- ich treu! Zwei und ein viertel Jahr! Wie mich das reut!«
gnügt blickten ein paar braune, grosse Augen aus dem netten »Wie sie das reut!«
Gesichtchen. Der leichtgeöffnete Mund schien irgend ein »O spotte nur! Du hast mich nie geliebt — und nun
übermüthiges Chanson zu trällern. In den lichtgelben Hinter- geh’ Verräther!«
grund des Bildes hatte Hans mit blauer Schrift geschrieben: In Wahrheit ging sie, nahm ihren Pinscher unter den
»Mont-joie-Montmartre«. Arm und näherte sich der Thüre. Hans ging ihr ein paar
Schritte nach, dann zwang er seine weiche Regung nieder.
Es war besser so.
»Leb’ wohl, Schatz!«
Die Augen waren ihm doch feucht geworden über dem Ab-
Auf einer Ottomane unter dem hohen Fenster lag das schiednehmen und als die Thüre zugeschlagen war zwischen
Original des Bildes — Nichette. Sie schluchzte zum Herz- Nichette und ihm, warf er ihr eine Kusshand nach!
brechen und rauchte Cigarretten dazu. Sie liebkoste mit »Es war doch schön! Und nun schnell uavon, bevor
ihren Fussspitzen einen kleinen hässlichen Pinscher, der auf sie etwa wieder kommt!«
dem Fussende der Ottomane lag und dann stiess sie ihn Ein Viertelstunde später war er mit seinem Handkoffer
wieder so heftig, dass er laut aufquickste! — — unten beim Concierge, dem er auftrug, auf seine Sachen
»Nein, nein, nein! Hans, das kann nicht Dein Ernst wohl Acht zu geben. Eine Kutsche kam heran: »Zum Ost-
sein!« bahnhof!« Mit Höllengepolter rollte das Gefährte die steile,
»Und er ist es doch, mein Kind! Es geht nicht mehr schlechtgepflasterte Strasse hinab.
weiter so! Ich komme nicht vorwärts, ich vergeude meine Hans wendete sich noch einmal um. Da glänzte das
Zeit, mein Geld, mein Talent! Was male ich denn! Nichette, Baugerüst der schwerfälligen Herz-Jesu-Kirche auf dem Mont-
Nichette, Nichette! Nichette lachend und weinend, Nichette martre in der Abendsonne, dort ein Flügel der alten Wind-
als Nonne, als Nixe, als Eva und als Pierrette, als büssende mühle. Auf den äusseren Boulevards wogte dichtes Menschen-
Magdalena und als Plakatfigur für ein Cafe chantant. Ich gewimmel, Arbeiter mit ihren Schätzchen, Bummler, Künstler,
habe Dich als Velocipedistin gemalt, als Zigeunerin, als Soldaten. In der Schenke zur »Todten Ratte« stimmten die
Madonna und letztes Jahr — als die grossen Holzschuhe Zigeunermusikanten ihre Geigen. Ein paar Dämchen mit
Mode waren — sogar als Kartoffelleserin. Aber wo war ein grotesken Hüten sassen vor der Kneipe bei ihrem Absinth,
Erfolg? Wo ist die Kunst? — Das muss ein Ende haben! ihrem Glase Bier. Modelle! Sie nickten dem vorüberfahrenden
Es ist trostlos!« Hans zu. Lachen, Scherzen!
»Trostlos bist Du mir gerade nicht vorgekommen die Das fröhliche Dämmerungstreiben auf dem Zauberberge
Jahre her — Du Undankbarer!« begann.
Sie stand auf und schlang ihre Arme um seinen Hals. »Mont-joie-Montmartre I«
»Denke nur, wie wir vergnügt waren, mein deutscher Berg der Freude Berg der Qual!
Brummbär! Hast Du Alles vergessen? Alle die herrlichen
Soupers im Bois, die Sonntage in Versailles, die Kahnfahrten
z._ C--
auf der Marne, die Dejeuners dann in den grünen Lauben, . ... .
w—w—— ———>

die Ausflüge nach Fontainebleau! — Und das nennt er


trostlos I«
MM 1 ' i =— t—1¥—

»Es war nur zu hübsch, liebes Kind, zu hübsch und zu Mit eintönigem Geknatter sauste der Eilzug durch die
viel. Ich muss aufwachen aus diesem Taumel, sonst ist es Gefilde der Champagne. Die schlechte Beleuchtung und das
um meine hellen Augen auf immer gethan. Verstehst Du Stossen des Wagens machten es Hans schwer, zum zehnten
denn das nicht?« Male den Brief zu lesen, den er in Händen hielt, den Brief,
»Ich verstehe nur, dass Du mich los sein willst! Und der ihn aus Nichette’s Armen nach Hause rief. Ein Glück,
dass ich sehr unglücklich bin! Du weisst, wie treu ich Dir dass die Schrift seines Freundes Ferdinand so gediegen und

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1896
Nr. 1 und 2 JUGEND

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Mademoiselle la Premiere. Zeichnung von Steinlen (Paris).


1896 JUGEND Nr. 1 und 2

leserlich war. Kein Graphologe der Welt hätte aus diesen Mit allzuviel Behagen fand sich Hans allerdings nicht
Zügen dem Schreiber irgend eine bedenkliche Charaktereigen- in die Rolle des verlorenen Sohnes und er wurde Anfangs
schaft zugesprochen. Der Brief lautete: das Gefühl nicht los, dass der Friede nicht von langer Dauer
»Lieber Hans! sein könne. Für’s Erste freilich tröstete ihn über alles Bangen
Im Aufträge Deines Onkels und Vormundes, des Herrn um die Zukunft die unendliche Güte und Lieblichkeit hinweg,
Engelbert Landgraf in Eisenach, schreibe ich Dir diese Zeilen die ihm Margarete entgegentrug. Sie gestand ihm, als er
und bitte Dich von vorne herein, das Unangenehme, welches sich ihr beim ersten Alleinsein mit vollem Herzen näherte,
sie etwa enthalten sollten, mir nicht persönlich zur Last zu rückhaltlos zu, dass sie ihm immer gut gewesen und gut
legen. Also sei mir darum nicht böse, dass ich es sein muss, geblieben sei. Dann freilich hielt sie erröthend inne und
der zunächst die Hand bietet, Dich einem anscheinend sehr ihre Augen wurden feucht. Wie er aber dann, berauscht
interessanten und vergnüglichen Leben zu entreissen. Aber von ihrer unschuldigen und doch hingebenden Art, den Arm
es wird sich ja Alles zum Guten wenden. um sie schlang und den ersten Kuss von ihren Lippen
Und nun gleich in medias res! pflückte, duldete sie diese Liebkosung doch und erwiderte
Der Onkel lässt Dir Folgendes mittheilen: Dein mütter- sie. Hans durchlebte jetzt Tage stiller Wonne, in welcher
liches Erbe ist bis auf Weniges aufgebraucht und zwar bist alle seine trüben Ahnungen und Bedenken untergingen. Ein
Du, wie du zugeben wirst, mit der stattlichen Summe etwas starker Unterschied war freilich zwischen dem ungebundenen
schnell fertig geworden in Paris. Hättest Du als Künstler Zigeunerleben auf dem Montmartre und der starren, pflicht-
etwas Rechtes erreicht — ich spreche die Meinung Deines treuen Regelmässigkeit, nach welcher Onkel Engelbert das
Onkels aus und mafse mir durchaus kein eigenes Unheil Leben in seinem Hause eingerichtet hatte.
an — so würde er Dir gerne die Mittel zu weiterem Studium Hansens Jugendfreund, Ferdinand Rosner, lebte als Pro-
in Paris gegeben haben. So aber will er von einer Fort- kurist des Onkels fast ganz mit in der Familie. Er war ein
dauer Deines dortigen Aufenthaltes nichts wissen und ver- bescheidener, stiller Mensch, klug genug, um seinen Posten
langt kategorisch, dass du möglichst umgehend nach Hause auszufüllen und jedenfalls von der ehrlichsten Freundschaft
kommst und Dir irgendwie ein geordnetes Leben einrichtest. für Hans beseelt. Der Letztere fand in dem Freunde aber
Ich habe es durchgesetzt, dass Dich keine Vorwürfe, keine das nicht mehr, was er früher an ihm gehabt hatte. Der
unangenehmen Abrechnungen erwarten, soweit sich die letz- Gegensatz zwischen der Jugend des Freundes und dessen
teren nur überhaupt vermeiden lassen. Dein Vormund hat sentenzenreicher und etwas kleinlicher Weltanschauung be-
Dich so lieb wie immer, nur will er Dich in einer Situation rührte Hans oft wie ein Missklang und das liess nicht mehr
wissen, die es Dir ermöglicht, einen Hausstand zu gründen. die alte Freundschaft im Verkehr der beiden jungen Männer
Und weisst Du, an wen er in erster Linie dabei denkt? An aufkommen und hin und wieder geriethen sie mit ihren ver-
Margarete, seine Tochter, die, seit Du von hier fort bist, aus schiedenartigen Lebensbegriffen auch etwas heftig aneinander.
einem unbedeutendem Backfischlein ein prächtiges grosses
Mädchen geworden ist. Es müsste sich wohl Jeder glücklich
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preisen, der um sie werben dürfte und es hat auch schon


Mancher um sie an Vaters Thür gepocht. Aber ich glaube, Es war eines Sonntags nach Tische. Man hatte ein paar
sie denkt immer noch an den Vetter in Paris und aus der Flaschen Rheinwein ausgestochen und als das Ergebniss ge-
Kinderfreundschaft ist nach und nach eine stille, treue Liebe ringfügiger Ursachen lag eine Stimmung zu Widerspruch
geworden. Sie hat oft geweint um Dich, wenn man hart und Streit in der Luft. Herr Engelbert Landgraf war auf
von Dir redete. Wenn Dich auch nichts Anderes bewegen sein Lieblingsthema gekommen, die deutsche Frau und ehr-
sollte, den Wünschen Deines Vormundes zu entsprechen, liche deutsche Minne auf Kosten der Weiber aller fremden
ich denke, Du wirst es doch darum thun, weil er zugleich Rassen und fremden Liebesverhältnisse kräftig herauszu-
Margaretens Vater ist. streichen. Ferdinand secundirte ihm energisch und wandte
So kehre denn in Bälde zu uns zurück, lieber Freund, seinen ganzen Reichthum an Redensarten auf, Hans in die
und zwar mit heiterem Gesicht, Du gehst ja dem Glück Enge zu treiben »mit seinen Französinnen«, wie sie es
entgegen. Auf mich kannst Du in allen Dingen zählen, wir nannten, obwohl sie über das Verhältniss, in dem er in Paris
bleiben die Alten, nicht wahr! zum Weibe gestanden, noch sehr im Unklaren waren.
Es umarmt Dich herzlich in Gedanken und hoffentlich Ferdinand beendete eben eine längere Rede:
bald in Wirklichkeit Dein treuer Freund Ferdinand.« ’ und die ist allein die würdige Genossin des Mannes,
Hans schloss die Augen, als er den Brief wiederum zu die still und rein mit ihm lebt und eigentlich immer ihr
Ende gelesen hatte, und vor seinem Geiste stieg nun immer Myrthenkränzlein auf dem Kopfe behält! Die ihr Glück in
holder und greifbarer das Bild des blonden, schlanken Mäd- dem engen Kreise sucht und findet, den Ihr die Sitte vor-
chens auf, das um ihn geweint und das er im Taumel des schreibt, und die über diesen nie hinausstrebt. Die in dem
Lebens fast vergessen hatte. Ein bitteres Ding, gemischt Gatten ihren Herrn sieht und an seiner Ueberlegenheit
aus Heimweh und aus Reue, quoll in seinem Herzen! nicht rüttelt in Dingen, die ihn allein angehen in Beruf und
Und während er dann endlich doch, immer von der öffentlichem Leben. Die nicht begehrt, nicht befiehlt und
Jugendgespielin träumend, einschlief, donnerte der Zug der keine andere Herrschaft im Hause sich anmafst, als die der
Grenze Deutschlands zu. höheren Sittlichkeit; die nicht die Geliebte ihres Mannes ist,
sondern sein Weib in dem Sinne, in dem die Frau die be-
rufenste Hüterin der heiligen Gesetze unserer gesellschaft-
lichen Moral ist.«
Im Hause Landgraf hielt man Wort. Hans ward ein Hans, der sich schon durch das ganze vorhergegangene
freundlicher Empfang zu Theil, kein Gericht ward für’s Erste Gespräch gereizt fühlte, fuhr jetzt heraus:
über ihn gehalten und selbst, als der Onkel mit dem Heim- »Aber Ihr wisst ja gar nicht, was Frauen sind, Ihr in
gekehrten über das verbrauchte Geld Abrechnung hielt, fiel Eurem Krähwinkel! Oder Ihr wisst wenigstens nicht, dass
kein hartes Wort von Seite des alten Herrn. es noch etwas Anderes gibt, als Eure blonden Madonnen-

17
Nr. 1 und 2 j [G E N D
1896
Nr. I und 2 JUGEND 1896

Frauen, die Geist und Herz haben, aber nichts von Eurer und will darum noch einmal Milde walten lassen unter der
legitimen Spiessbürgerlichkeit und hausbackenen Tugend. Und folgenden Bedingung:
diese Frauen machen glückselig wie die Andern, aber ohne Du reisest sofort ab und trittst als Musterzeichner in
jede Beimischung von Langeweile. Es ist ein schönes Ding die Fabrik meines Bruders Theodor in Elberfeld ein, eine
um die Tugend — aber Rasse und Anmuth sind auch nicht Stellung, die er Dir schon lange angeboren hat. Du lebst
übel! Allen Respekt vor der Tadellosigkeit und Reinheit dort ein Jahr streng und treu Deiner Pflicht; sie wird nicht
Eurer Familienmütter und Hausengel! Aber unter denen, leicht und nicht heiter sein. Wenn Du aber ausgehalten
die Ihr verachtet, sind auch Frauen, die liebenswerth sind. und damit gezeigt hast, dass Du noch Willenskraft und sitt-
Und Eure Tugend ist ja doch meist nur Mangel an Lebens- lichen Ernst besitzest, dass man Dir das Geschick eines reinen
muth, Eure gesellschaftliche Moral ist einfach Selbstsucht, Weibes anvertrauen kann — gut! Dann soll von heute ab
die sich die Aussicht verdirbt durch eine Mauer um den in einem Jahr Hochzeit sein. Wenn nicht — auch gut!
eigenen Garten, blos damit die Nachbarn nicht hereingucken Dann bist Du frei und kannst Dein Glück versuchen, wo
können. Wenn Ihr wüsstet, wie süss die Dinge sind, die Ihr Du magst. Denk’ an den Preis, den es gilt, wenn Dir die
Euch selber verboten habt, wie heiss die Sünde küssen kann —.« Probe sauer wird!
»Du scheinst Dich ja sehr gut auszukennen in solchen Du sollst weder mein Kind, noch mich erst nochmals
Dingen?« sehen, sondern sofort abreisen. Das Nöthige überbringt Dir
»Ja! Wenn Ihr es wissen wollt! Ich war zwei Jahre Ferdinand, an dem Du Dir übrigens ein Muster nehmen
durch die Liebe eines Weibes glücklich, das Freund Ferdinand kannst in jeder Beziehung. Dein alter Oheim Engelbert,
mit seinen grossen Worten als »Verlorene« bezeichnen würde der Dir trotz Allem so gerne ein väterlicher Freund bleiben
— und sie hat mich geliebt, hat mich keinen Augenblick möchte.« —- — —
gelangweilt, keinen Augenblick betrogen!« Hans willigte in Alles ein! Es ward ihm selbst bange
»Und sie hat Dir Herz und Hirn vergiftet, hat Dir Deine um seine Zukunft. Margareta’s treue Güte rührte ihn tief
Thatkraft gestohlen und Dein Talent —« Also in Gottes Namen nach Elberfeld!
Hans, dem der Wein und der Aerger über Ferdinands
selbstgenugsame Tugend die Sinne verwirrt hatten, so dass
er viel mehr gesagt, als er wollte und als ihm von Herzen
kam, sprang auf und wollte zum Fenster, um frische Luft Mit einer wahren Wuth stürzte sich der Verbannte auf
in die dumpfe Stube zu lassen. Als er sich dabei umwendete, seinen neuen Beruf, er begann mit sich selbst einen Kampf
sah er Margareta unter der Esszimmerthüre stehen. Sie bis auf’s Messer. Die ödesten und ermüdendsten Aufgaben
hatte seinen ganzen Dithyrambus auf die Frauen nach seinem fasste er gerade mit dem grössten Eifer an. Selbst als der
Geschmacke und sein letztes Geständniss mit angehört und, Onkel verlangte, er solle sich durch einen alten Buchhalter
todtblass geworden, lehnte sie am Thürpfosten. Als ihr in die Geheimnisse der doppelten Buchführung einweihen
Hans erschreckt in’s Gesicht sah, eilte sie unter Schluchzen lassen, unterzog er sich auch dem. Er fügte sich darein, zu
hinaus. Jetzt sahen die Anderen auch, wer Zeugin ihres arbeiten, nicht nach Laune und Stimmung, sondern un-
Streites gewesen war. abänderlich von acht bis zwölf, von zwei bis sieben Uhr
Da brach Herr Engelbert los: jeden Tag. In einem kahlen, engen Raume zeichnete er
»Nun ist meine Geduld zu Ende! Wahrhaftig, Du hast Kattunmuster ohne Ende. So zog ein Monat dahin, ein
Langmuth genug erfahren hier. Wir haben Dich ohne Vor- zweiter, ein dritter begann. Aus Margareta’s Vaterhause
würfe aufgenommen, ich habe Dir die Grete trotz allem Vor- kamen nur kurze, geschäftsmässige Zeilen von Ferdinand.
hergegangenen zur Frau geben wollen, weil ich Dich doch Durch diesen hatte ihm vor der Abreise der Onkel noch
im Grunde für einen braven Kerl hielt. Aber jetzt hast Du sein Ehrenwort abgenommen, dass er, Hans, nie an das
Dein wahres Gesicht gezeigt — Du bist verdorben bis in’s Mädchen schreiben wolle.
Mark hinein. Jetzt könnte ich Dir mein Kind nicht mehr Mit jedem Tage fühlte sich der junge Maler unglück-
anvertrauen, auch wenn ich wollte! Das Nähere hörst Du licher in seiner neuen Stellung, immer härteren Kampf
noch! Komm, Ferdinand!« kostete es ihn, die übernommene Pflicht durchzuführen.
Sie verliessen die Stube. Im Hinausgehen machte Fer- Sein neuer Brodherr quälte ihn. Was Hans wirklich gelang,
dinand dem Freunde ein Zeichen: »Es ist nicht so schlimm, war dem alten Herrn nie recht. Was diesem gefiel, kam
lass’ mich nur machen!« Hans wie ein Verrath an der Kunst vor. Und diese ganze
Umgebung von verknöcherten alten Zahlenmenschen, ge-
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• . 1. schniegelten Commis, geschwätzigen Reisenden, die ihm bei
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jeder Gelegenheit freundliche Belehrung zu Theil werden
Hessen, von misstrauischen Verwandten, die ihm seine Sträf-
Spät Nachts brachte man Hans, der in bitterer Reue lingstellung zu fühlen gaben, so oft sie konnten!
seinem so thöricht verscherzten Glück nachdachte, einen Eines Tages hatte er eine Arbeit beendet, die er mit
Brief des Onkels! Er brach ihn mit fiebernden Händen auf ganz besonderem Fleiss durchgeführt. Herr Theodor Land-
und las: graf nannte sie albernes Zeug. Hans wurde heftig, der alte
»Ich habe Dir gesagt, dass Alles zwischen uns, zwischen Fabrikant beleidigend und als ihm der Maler die Arbeit
Grete und Dir zu Ende sei und würde davon kein Jota zurück- schliesslich zerrissen vor die Füsse warf, nannte ihn jener
nehmen, wenn nicht mein Kind auf den Knien Fürbitte für einen Tagedieb, der nie in seinem Leben auf einen grünen
Dich eingelegt hätte. Sie ist aus Kummer über Dein Ge- Zweig kommen werde!
bahren erkrankt und da habe ich es nicht über’s Herz bringen
können, ihr Flehen unerhört zu lassen. Du weisst nicht,
welchen Engel Du in ihr beleidigt hast und welches Mals
von Liebe sie für Dich hat. Ich Kann es nicht glauben, dass Da verlor Hans die Geduld und sagte, dass er nun seine
so viel Liebe und Güte Dir nicht zum Heile werden sollten Wege gehen werde. Er schrieb einen langen Brief an den
20
1896 JUGEND Nr. 1 und 2

Onkel, worin er Alles klar legte und mittheilte, er wolle sich ragte das graue saubere Schieferdach über die Bäume her-
auf eigene Faust eine Existenz schaffen bis zu dem be- vor, da war das Gartengitter, über das blühender Goldregen
dungenen Termin. Dann überschlug er seine kleinen Er- und Flieder in Massen niederquoll.
sparnisse und den Rest seines mütterlichen Vermögens — es Vielleicht konnte er Margarete im Garten überraschen.
reichte bei ruhigem, anständigem Leben auf ein Jahr zur Fort- Richtig — ein lichtblaues Kleid! — Er schlich leise
setzung seiner Studien in Paris. Arbeiten hatte er jetzt gelernt. heran! Da kam sie bis nahe ans Gitter her und neben ihr
Seine Koffer waren bald gepackt: vierundzwanzig Stunden ging Ferdinand. Sie sprachen. Von ihm? Er konnte es ja
später stand er in seinem alten Atelier, das er für das hören. Den Athem anhaltend, lauschte er.
laufende Jahr noch voraus bezahlt hatte. Er fand Alles in
altem Zustand. In einer Ecke allerdings hatte der Concierge ---
r-r
ein kleines Depot von Zwiebeln angelegt und etwas Wäsche
war zum Trocknen über die Staffeleien gehängt. Sonst war
nichts verändert. Das Pastellbild der kleinen Nichette, halb »— und nun meine ich, liebe Margarete, Sie könnten
ausgewischt in der Erregung jener Abschiedsstunde stand mich mit gutem Gewissen endlich erhören. Sie haben lange
noch da, sogar die Cigaretten-Endchen lagen noch auf dem genug gewartet — und überdies, wenn er auch jetzt noch
Teppich, wohin sie das schöne Kind damals mit dem ihm käme, Sie wissen, wie der Vater dazu denkt.«
eigenen Ordnungssinn geworfen. Ein Seufzer antwortete; nicht sehr lang, nicht sehr tief!
Am nächsten Morgen fing Hans zu arbeiten an, jetzt »Ach, Ferdinand, ich weiss ja, wie gut Sie es mit mir
mit Ausdauer und wahrem Eifer! Seine Freunde erfuhren meinen! Und doch! Darf ich denn?«
kaum, dass er da war, für keinen tollen Streich war er mehr »Sie dürfen, gewiss Margarete, Sie dürfen! Hans hat
zu haben. Er fühlte mit jeden Tag, dass er vorwärts kam. bewiesen, dass er nicht so viel inneren Halt hat, dass Sie
Oft hätte er aufjubeln mögen vor Freude darüber! Noch Ihr Geschick in seine Hände legen könnten. Die Leiden-
ein halbes Jahr! Und dann mit dem Errungenen vor die schaft allein gibt uns keine Gewähr wahren Glückes. Dazu
Sittenrichter der Heimath hintreten und sagen: »Da seht! gehören doch Achtung und Vertrauen.«
Das bin ich, durch eigene Kraft! In Freiheit und nicht in »Ferdinand, Sie wissen, dass ich Ihnen Beides in un-
Sack und Asche!« Und dann das traute Weib heimführen, begrenztem Maasse zolle.«
das doch liebenswerther war, als alle dunkeläugigen Hetären »Darf ich das zu meinem Gunsten auslegen, Margareta?
von ganz Lutetia zusammen! Da hinten über dem Kirchendache geht eben der Stern der
Noch einmal streckte die Sünde ihre runden Armen nach Liebe auf. Soll es unser Stern sein? Geliebtes Mädchen —
ihm aus. Nichette kam eines Tages wieder in’s Atelier. darf ich jetzt mit Ihnen zu Ihrem Vater gehen?«
Schöner, voller, eleganter als früher. Aber ein Hauch von »Sie sind ein braver, ehrenhafter Mann! Ich will Ihnen
Schminke lag auf ihrem Gesichtchen und ihre Augen brannten ein treues Weib werden. — Gehen Sie zum Vater!«
heisser und unstäter als vordem. Erst plauderte sie, erzählte, Sie beugte ihr Köpfchen gegen seine Brust und er küsste
dass sie damals wirklich mit dem Russen gewesen und jetzt sie auf das reiche Haar.-
mit einem jungen Engländer sei: Hinter den Gaisblattranken, die das Gitter umzogen,
»Er ist so komisch! So lang, so blond und so mager!« schlug Einer eine helle Lache auf, dass die Zwei im Garten
Sie empfand nicht, dass Hans kaum im Stande war, den auf- erschrocken zusammenzuckten! Eine bekannte Stimme rief
richtigen Ekel zu verbergen, den ihre offenherzigen Bekennt, heiser vor Erregung:
nisse ihm einflössten. Auch ein paar Thränlein, die sie der »Ich habe es ja immer gesagt, dass das Stück keinen
Vergangenheit weihte, nahmen ihn nicht gefangen. Als er zeitgemässen Schluss hat. Der Herr Wolfram von Eschen-
ihre Zärtlichkeit so freundlich abwies, als es ihm möglich war, bach und die Elisabeth müssen sich heirathen — und sie
nannte sie ihn lachend einen Narren, der nicht verdiene, passen so schön zusammen! Ich gratulire!«
dass man nett mit ihm sei. Ein eiliger Tritt verklang auf dem Pflaster.
Sie gaben sich schliesslich das Versprechen, gute Kame- Fort war er. Auf Nimmerwiedersehen.
raden bleiben zu wollen. Das gibt man sich in solchen
Fällen stets, wenn man auf immer Abschied nimmt.
Wieder begann die Arbeit, die auch dafür gut war, das
Gefühl wachsender Unruhe zu übertäuben, das Hans jetzt
oft beschlich, weil der Onkel ihn nie einer Antwort auf jenen
Brief aus Elberfeld gewürdigt hatte. Und dann sagte er sich
auch wieder, dass er ein reines Gewissen habe und sich
nicht zu schämen brauche! Kam er nur erst mit einem Er-
folge nach Hause, dann musste ja Alles gut werden.
Und der Erfolg kam: eine Medaille im Salon! Nur die
zweite, aber doch eine Medaille.
Als der Spruch der Jury gefällt war, packte der Glück-
liche seinen Koffer und fuhr der Heimath zu, die Brust voll
von Hoffnung. Wie unbezwingliche Sehnsucht kam es über
ihn. Nach der Geliebten sehnte er sich, nach der Heimath,
selbst nach dem grollenden Onkel und dem tugendhaften
Freunde!
Nun rollte der Zug schon über die Rheinbrücke! Noch
ein paar Stunden — die Vaterstadt! Er Hess sein Gepäck
auf dem Bahnhofe und eilte zu Fuss durch die wohlbekannten
Gassen dem Hause zu, in dem er die Geliebte wusste. Da
21
Nr. 1 und 2 JUGEND . 1896

„Les Habits de nos amis sont nos Habits.“

— Rendons ä Cdsar ce qui appartient ä Cdsar!


Comme j’ai grandi!
— <Ja tombe ä pic: j’en ai besoin ce soir.
Zeichnung von Jossot (Paris).

22
;S6
JUGEND Nr. 1 und 2

Ein Conterfei von HERMANN ALLMERS von Franz


v. Lenbach gemalt und signirt. Die Handschrift des Künst- wie Hermann Allmers das Marschenland der Weser und der
ers wurde allerdings deutlich genug in diesem Bilde stehen, Elbe beschrieben hat. Den Reichthum seines Empfindens
stunde sie auch nicht darauf. Der Dichter der Marschen, und die Schärfe seiner Beobachtung nahm der Dichter frei-
geistvoller Kopf so helläugig in’s Leben blickt, war lich auch in fremde Lande mit; wer die „ewige Stadt“ ge-
ptuloc das rechte Modell für Meister Lenbach; es ist sehen hat und rückwärts schauend ihre Herrlichkeiten, die
Pnptpn”1 h lges Vnd Knorriges in den Zügen des greisen Besonderheiten italienischen Volkslebens wieder gemessen
jp ■ ’ de*sen tiefwurzelndes, unverfälschtes Deutschthum will, der nehme Allmers „Römische Schlendertage“ zur Hand,
dip^p^v-" -lösend unseres Volkes gar nützlich zum Vorbild die noch populärer geworden sind, als das „Marschenbuch“.
sein MaS 6 k Ba‘d vierz‘g Jahre sind vergangen seit zuerst Was der Poet an Lied- und Spruchdichtung, an Dramen
hpiccf'if«uenbuchI erschien, ein Werk, in dem jede Zeile und Kulturschilderungen geschrieben hat, kann hier nicht
jp .e zur Heimath athmet; und nur ein Land, an aufgezählt werden — es trägt Alles seine edle künstlerische
j .. .. lnnig hangt, vermag ein Gottbegnadeter so fein Marke. Ein ganzer Mann schafft nichts Halbes! Im Fiebrigen
lg zu schildern mit seiner Natur und seinem Leben, feiert Herrmann Allmers am 11. Februar des nächsten Jahres
seinen 75. Geburtstag — Glück auf!
Nr. 1 und 2 JUGEND 1896

Zeit der Kirche zu. Einem Gassenbuben,


der ihr dabei in die Quere kam, gab sie
einen Klaps und sagte etwas von unan-
ständigem Gesindel.
Nach ein paar Stunden kam die Dame
mit einem sehr hageren und sehr schwarzen
Männlein wieder und das schaute sich auch
das nackte Büblein an. Da wurde es gleich-
falls nach längerem Betrachten ganz wüthig.
Und später brachte das Männlein wieder An-
dere mit, den Schultheiss der Stadt, einige
Magister, Räthe und andere fürtreffliche
Stützen des Gemeinwesens. Mit hochrothen
Köpfen tuschelten sie und deuteten in tie-
fer Empörung nach dem alten Erzbild, aus
dessen Muschel das Wasser so rein und
silbern in dieBrunnenschaale niederrieselte,
wie damals vor anderthalb Jahrtausenden,
als es irgend ein feister römischer Prätor
hatte aufstellen lassen.
Wirklich und wahrhaftig! Der Bube war
splitterfaselnackt und schämte sich nicht
einmal! Geschlecht um Geschlecht hatte
so sein Anblick verdorben, ohne dass man
daran dachte. Die Schwarzenauer waren ein
sündhaftes Volk, das stimmte — was Wun-
der auch! Sie konnten bei dieser conti-
nuirlichen Brunnenvergiftung nicht anders
werden! Jetzt endlich sah man es ein —
wenn es nur nicht zu spät war! — —
Seit jenem Tage ward die Sittlichkeit
wieder Mode in Schwarzenau.
Wie die Tugend einzog in noch nie die Augen davor niedergeschlagen. Zunächst wurde der Spängler gerufen
Denn es ging den Schwarzenauern mit der und der machte dem schamlosen Fischreiter
Schwarzenau. Nacktheit des Knäbleins, wie es dem Adam ein kupfernes Feigenblatt, so gross, dass es
und seiner Frau bezüglich ihrer eigenen für den Riesen Goliath auch gross genug
— und eines Tages wurde in Schwar- Nacktheit gegangen hatte im Paradies — gewesen wäre. Dann setzten sie eine Com-
zenau die Sifisamkeit wieder Mode! vor der Geschichte mit dem Apfel und dem, mission ein, die in der ganzen Stadt Alles
Es war da nämlich eine alternde Hof- I was d’rum und d’ran hing! aufspüren sollte, was an ähnlichen Aerger-
darne, die früher eine junge Hofdame ge- Eines Tages kam die Hofdame des We- nissen etwa noch vorhanden war, damit
wesen war, und zwar länger und intensiver, ges in ganz besonders ungnädiger Stimm- man einschreiten könne, austilgend und
als sie das hätte sein sollen. ung. Vapeurs und Gauchemars hatten sie bessernd. Ehrenpräsidentin ward die Hof-
Die Hofdame Frl. Adelaide von der Zipf zur Nacht heimgesucht und im unruhigen dame.
ging täglich zweimal über den Schwarzen- Halbtraum waren ihr allerhand Bilder aus Sie suchten mit Feuereifer, suchten und
auer Marktplatz; einmal in die Kirche, wo vergangenen Zeiten erschienen, Bilder, fanden, und bald ward an allen Ecken und
ein beliebter junger Prediger den Teufel deren Scene weltabgeschiedene Lauben bil- Enden der Stadt gekleistert und gemeisselt
mit unbeschreiblicher Porträttreue an die deten und lauschige, dämmerige Boudoirs, und vernagelt, dass es eine Freude war für
Wand malte, und einmal in das Magdalenen- deren Helden wechselten wie die Wolken jedes tugendhafte Gemüth.
stift, dessen dame patronesse sie war. Hier am Himmel; bald trugen sie Puderper- Reiche Ausbeute lieferte zunächst der
wurden lasterhafte Mägdelein in reumüthige rücken und gestickte Fräcke,bald pralle Uni- Schlossgarten des fürstlichen Palais. Da
Magdalenen verwandelt unter Anwendung formen und Dragonerschnauzbärte. Auch fand man Putten, Götter und Göttinnen
von vielen vielen Erbauungsstunden und ein schöner Jahrmarktsherkules war dabei. in hellen Haufen und das lustige Marmor-
allen anderen Mitteln geistlicher Heilgym- Dann liefen auch schmerzliche Gedanken gesindel war genau so sittenlos unmontirt
nastik bis auf eins: die Menschenliebe. dazwischen. Da war eine Nichte des Hof- wie der Junge auf dem Delphin. Sie wurden
Dazu gab es viele Arbeit und etwas Brenn- fräuleins, die auch Adelaide hiess und ihrer entsprechend verbessert, oder durch an-
suppe. Die Damen der Hofgesellschaft Tante ähnlich war „wie aus dem Gesichte ständigere Bilderwerke ersetzt, wie sich’s
Hessen alle feinen Handarbeiten dort aus- geschnitten“. So ganz einsam wuchs sie thun Hess. Eine Flora, die hoch oben auf
führen - im Magdalenenstift machte man auf, fern in einem Kloster, das arme Ding! dem Dache eines Pavillons schwebte, er-
ihnen das Alles staunenswerth billig! Der Tante Adelaide that das Mädchen von hielt einen Rock aus Blech. Eine Abun-
' '• Denn Adelaide verfolgte das Gedeihen Herzen leid! — — dantia wurde, da ihre Stellung das Bekleiden
ihrer Schützlinge mit tiefer Theilnahme. Und dann das Altwerden. technisch unmöglich machte, mit der Feile
Einem alten lahmen Seemann thuts wohl, so weit abgeraspelt, dass ihr Torso jetzt
wenn er vom Ufer aus hin und wieder ein Die Zofe fand jeden Tag neue graue auch hätte einem Apollo angehören können.
Segel sieht. Haare auf dem Kopfe des Fräuleins und Dem Pfau der J uno setzten sie ein neues Rad
' Zweimal im Tage also ging die Hof- das Fräulein fand jeden Tag ein neues ein, dessen Federn die Göttermutter bis zum
dame über den Markt. In dessen Mitte war Haar in der Suppe des Lebens, die ihr Halse zudeckten; ein Herkules erhielt einen
ein Brunnen aufgestellt mit einer Bronze- jetzt, seit die pikanten Zuthaten von einst- completen steinernen Schlafrock und als er
gruppe; er stand dort schon drei hundert mals fehlten, oft recht schaal und dünn dann dem hellenischen Recken nicht mehr
Jahre lang. Damals hatten sie die Gruppe vorkam. ähnlich sah, setzten sie ihm noch ein paar
aus der Erde gegraben, ein Bildwerk aus Nach jener Nacht ging sie um ein halb Hörner auf und nannten ihn Moses. Die
römischer Zeit. Es stellt ein Knäblein dar Stündlein früher zur Kirche als sonst. schöne Dame Leda mit dem verfänglichen
auf einem Delphin, das Wasser aus einer Als das Fräulein über den Markt kam, Schwan ward kunstreich in ein „Gänse-
Muschel goss und nackt war; nur einen blieb sie, zum ersten Male in ihrem Leben, mädchen“ travestirt. Sie trieben ihr Hand-
Schilfkranz trug es im Haar. In Römer- vor dem alten Brunnen stehen, hob das werk mit viel Abwechslung und Geschmack.
zeiten hatte es wohl schon ungefähr auf goldene Lorgnon, das ihr einst Prinz Dann ging es an die Bildergalerie. Dort
dem gleichen Platze glitzerndes Wasser Conradin im Irrgarten des Schlossparks war’s nun ganz schlimm! Zwei Monate hatte
in eine Brunnenschaale geschüttet, das gelegentlich eines Schäferstündchens zu der Hofmaler allein mit dem Rubenssaal zu
Knäblein. Füssen gelegt, an’s Auge und sah sich thun, bis er ihn durch aufgemalte Drape-
Die Blicke vieler Geschlechter hatten den nackten Fischreiter an. Lange und ein- rien, Guirlanden, Schmuck, Waffen und
mit argloser Freude auf dem Ding geruht dringlich! Mit böserem Gesicht noch und kühn über’s Fleisch hereingebogene Zweige
und die Schwarzenauer Jungfrauen hatten rascheren Schritten ging sie nach geraumer nothdürftig hergerichtet hatte für die rein-

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1896 JUGEND Nr. 1 und 2

gewordenen Augen der Schwarzenauer. mehr. Die sassen alle schon wegen Ge- keinen Spazierstock, keine Sackuhren, die
Auch der Titian kostete harte Arbeit, aber fährdung der öffentlichen Moral im Ge- nicht ein geheimnissvolles Fach, ein Löch-
sie gelang; und seine ruhende Venus sah fängnisse. lein zum Durchgucken hatten. Und was
denn auch bald aus wie eine in Binden ge- Auch beim Baden wurde die weit- man da sah! Pfui Teufel!
wickelte Mumie. Einer herrlichen alten gehendste Angezogenheit vorgeschrieben, Es kann nicht verschwiegen werden:
Kölner Madonna, die das Jesuskind an die selbst für die Cabinen, nicht blos für’s Die ehemaligen Mitglieder der Sittencom-
Brust gelegt hatte, malte der Meister den Schwimmbassin. Die gewissenhafte Com- mission waren die eifrigsten Sammler.
Spalt im Kleide schön blau wieder zu und mission guckte durch alle Ritzen und Denn wenn der Löwe einmal Blut ge-
liess die heilige Frau ihr Kindlein mit der Schlüssellöcher und wehe dem, der in un- leckt hat.
Flasche stillen. So ging es weiter in jedem sittlichem Costüm betroffen ward. Nach-
Saal. Selbst das Viehzeug auf der Weide gerade kamen sich die Leute aber auch in
erhielt die nöthigen Retouchen und ein ihren Kleidern nackt vor und sahen sich Es ist nur ein Glück, dass Schwarzenau
mächtiger Stier von Paul Potter war mit gegenseitig daraufhin an und construirten örtlich und die Geschichte vom Fischreiter
einem Pinsel voll blauer Himmelsfarbe sich mit ihren Blicken unter den Kleider- und der Hofdame zeitlich uns so ferne liegt,
schnell zum Ochsen degradirt. Und so falten der Andern deren Gliederbau. so ferne! Ki-ki-ki.
fort mit Grazie! Immer weiter kam man so in der Sitt-
In der Skulpturengalerie war die Ar- lichkeit, immer neue Gebiete erschlossen
beit leicht. Man verhüllte alles Gefähr- sich ihren Bestrebungen. Schliesslich durf-
liche mit weissen Leintüchern. Als die ten auch die Fleischer ihre rosigen Hammel
Commission zum Revidiren kam, hoben die und Kälberviertel nicht mehr unverhüllt in
Herren hier und dort die meisten Falten die Auslagen hängen. Hunde und Pferde,
hoch und constatirten noch einmal, wie Stuhl- und Clavierbeine bekamen Hosen.
nothwendig die Verhüllung gewesen. Sie In den Theatern wurde eine strenge Gen
nahmen es genau mit ihrer Aufgabe. sur für die Costüme eingerichtet: selbst die
schöne Helena musste sich wie eine Herren-
Die öffentlichen Denkmäler in der Stadt huterin anziehen. Tricots durfte Niemand
waren auch schnell aptirt für die wieder- mehr tragen — ausgenommen die Ballet-
gewonnene Moral. Alle nackten Genien ratten der fürstlichen Oper, denn S. Durch-
bekamen so viel Palmzweige und Attri- laucht interessirten sich für die Kunst.
bute in die Hand, dass kein Stückchen Endlich war das Werk gethan.
überflüssigen Fleisches sichtbar blieb. Beim Hofball erstattete der Hofcaplan
Jetzt glaubte man, so ziemlich fertig der Dame Adelaide ausführlichen Bericht
zu sein. Da kam ein Brieflein an die Com- und überreichte ihr die Liste der ausge-
mission: sie sollten doch in den Kirchen tilgten Nacktheiten, sauber gedruckt und
einmal gründlich nachsehen, dort sei aller- für die Mitglieder der Commission mit
hand zu finden, was die tapferen Forscher reichlichen Kupfern versehen. Dieser Ka-
angehe. Und — siehe da — es war so! talog enthielt 4785 Nummern. Die Hof-
dame athmete befriedigt auf und ihr Busen
Da gaukelten um Kanzeln und Altäre, wogte in freudiger Erregung. Man konnte
um Friese und Gewölbzwickel nackte Engel das genau wahrnehmen, denn ihr Kleid
und Englein in hellen Schaaren, da standen war ausgeschnitten bis zur 7. Rippe. Und
heilige Sebastiane von Pfeilen durchbohrt alle Damen rings umher waren ähnlich
und an allen Ecken und Enden andere angethan, theils mit, theils ohne Grund, auf
Märtyrer, die nicht viel mehr anhatten, dem Hofballe zu Schwarzenau, der Metro-
als ihren Heiligenschein, da nährten heilige pole der Sittlichkeit.
Mütter wie jene in der Gemäldegallerie
ihre Bambini mit der Nahrung, die der Das Werk also war vollendet! Welch’
liebe Gott den Neugeborenen bestimmt hat. ein Glück für die Stadt, dass das Fräulein
Im Dom stand ein Sankt Borromäus, der Adelaide von der Zipf früher so lustig
war nackter als nackt, denn er hatte sogar gelebt hatte!
die Haut ausgezogen und trug sie wie einen Denn sonst hätte sie am Ende gar nicht
Plaid über dem Arme. Der musste nun gemerkt, dass der Bube auf dem Delphin
zweimal angezogen werden, zuerst in eine
Haut, dann in einen Mantel. In einer alten
nackt und ein so grosses Aergerniss war;
der Bronzebrunnen hätte immer so weiter
(9 e.. L.oc/.'C /
Votivkirche fanden sie nach Hunderten Seelen vergiftet eine nach der andern und
Täfelchen mit den entsetzlichsten Schil- die andern Nuditäten wären auch nicht aus-
dereien; denn die Leute hatten sich dem gespürt und aus der Weit geschafft worden!
Patron der Kapelle in allen erdenklichen
Nöthen versprochen und selbige sauber ab- In Wahrheit sind die Schwarzenauer
malen lassen. Das wurde summarisch be- freilich nicht besser geworden. Im nächsten Sprüche des Konfusius.
handelt. Man schüttete die Täflein auf Jahre gab’s dort genau so viel Wickelkinder
einen Haufen und lustig prasselten die ohne Väter und Frauen ohne Männer, wie Wenn Dich eine Mücke sticht, darfst
Flammen aus dem ausgedörrten Holzwerk vorher. Es wurden noch um etliche Jüng- Du sie umbringen; wenn Dich ein Elephant
und die Gassenbuben tanzten um den ferlein mehr verführt, die Giftmorde und
Scheiterhaufen. Auch die vielen wächsernen anderen Schandthaten aus Eifersucht nah- tritt, musst Du ihn um Verzeihung bitten!
Glieder, die in der Kirche hingen, konnten men auch nicht ab und die Ehe ward auch
nicht so bleiben, denn die Arme hatten nicht von mehr Leuten heilig gehalten, als *
keine Aermel und die Beine keine Hosen
an. Man schmolz sie ein und machte Altar-
sonst. Auch an Putzwuth und Gefallsucht Sprich stets, wie Du denkst; nicht
ward keine Abminderung verspürt. Mäd- Du deshalb hinausge-
kerzen daraus. Der Küster that sich auch chenjäger, Mitgiftspekulanten und Heirats- jedesmal wirst
etliche Pfund auf die Seite für den Haus- schwindler trieben ihr Gewerbe blühender worfen werden!
gebrauch. als je. Und eine neue Art von Delikten kam £
Und Schwarzenau war, wenigstens nach dazu. Es mussten Viele bestraft werden Wenn die Rosen keine Dornen hätten,
der Aussenseite hin, die keuscheste Stadt wegen heimlicher Verbreitung bedenklicher wären sie mit einer Zunge bewaffnet.
von der Welt geworden. Bis herab zu den Bilder und Schriften. Das Geschäft warf
Pfefferkuchenfiguren hatte der Bekleidungs- jetzt reichen Gewinn ab. Ganz andere
drang gewüthet und der Lebzelter verzierte Dinge, als die, die man verboten oder ver-
seine berühmte Gruppe „Adam und Eva“ kleistert hatte, kamen im Stillen in Um- Wohlthun bringt Zinsen; Nichtsthun
mit schöner Toilette aus Zuckerguss. In lauf. Da gab es bald kein Dös’chen mehr,
das nicht zum Abschrauben war, kein Käst- au sserdem noch Dividenden.
keinem Bilderladen gab es mehr was Nack- B. Rauchenegger.
tes; es gab überhaupt keine Bilderhändler chen ohne doppelten Boden, keine Pfeife,

2Z
Nr. 1 und 2 JUGEND 1896

Der Rechte höchstes ist die Pflicht; Die Frau ist am Schönsten, wenn sie liebt;
zugleich das einzige Recht, auf dessen Aus- der Mann, wenn er für eine gerechte Sache
übung zu verzichten wir kein Recht haben. oder eine neue Idee begeistert ist. So wenigstens
scheint es uns Männern, ■—- möglich, dass es
„Man kann nicht zu gleicher Zeit im Frauen gibt, die umgekehrt urtheilen.
hohen Rathe Mäcenas und daheim Dio-
genes sein.“ Dieser Ausspruch ist mir übel
Wohl dem, der nebst gutem Gewissen einen
vermerkt worden, als Hohn auf die Armuth.
Wie mich das schmerzt! Ich wollte damit nur gesunden und kräftigen Leib hat. Denn im

)A sagen, dass der künstlerische Geist sich nimmer-


mehr blos in hohltönenden Reden, sondern in
kranken oder schwachen Körper lebt die Seele,
als ob sie ein zum Schemen verdorrtes Schling-
gewächs wäre und über einem Sumpfe schwebte,
der Durchdringung des intimsten Lebens äussern
müsse. Das Walten solchen Geistes führt zu der sie heute zu verschlingen, morgen schutz-
los den Winden preiszugeben droht.
jener edlen Harmonie, welche auch in den
unscheinbarsten Dingen und Anordnungen der
Tl ärmsten Hütte, und gerade hier in ergreifender Je traurigere Erfahrungen wir an unseren
Sprache, zu uns redet. Nichts ist so rührend, Freunden machen, desto nachsichtiger werden
nichts beweist so klar eine vornehme Lebens- wir gegen unsere Feinde.
auffassung, als die künstlerische Verklärung der
Armuth.
* Die Gesundheit ist das herrlichste, aber
auch das grausamste Erbe unserer Väter, da sie
In nebelhafter Ferne erkennen wir die uns zwingt, immer wieder kraftvoll aufzuleben,
entschwindenden Bilder besser als die neu auch dann, wenn wir am liebsten die Augen
auftauchenden; und diese um so deutlicher, schliessen und in das Meer der Ewigkeit tauchen
ie sicherer wir die entschwundenen in der Er- möchten.
innerung haben. Denn die Kunst des klaren (fSt
Voraussehens ist nichts anderes als glückliche Die Entdeckung besonderer Denkzentren
Anwendung des Wissens und der Erfahrung. in unserem Gehirn, denen wir, wie ich glaube,
Aber es gibt nur Wenige, deren Urtheil nicht auch ein besonderes Triebleben zuerkennen
durch Magen, Herz und Nerven beeinflusst ist. müssen, erklärt es uns hinlänglich, warum her-
Glücklich der ewig Hoffende: lieber fortgesetzte vorragend geistig begabte Menschen ihre gleich-
Enttäuschungen, als trostlose Schwarzseherei. falls sehr starken niederen Triebe nicht nur ein-
dämmen, sondern zeitweilig ganz unterdrücken
Das sind die schlimmsten Spiessbürger können; insbesondere wird es uns so erklärlich,
nicht, die auf ihren Spiess sich noch was ein- warum bei stärksten Geistern die Liebe — so
bilden oder ihn gar für ein Geschenk der Götter sehr sie ihr auch zugethan sein mochten —
halten. Sie wirken erheiternd. Schlimmer sind fast immer nur eine nebensächliche Rolle ge-
die verkappten Nachtwächter, die sich bei Tage spielt hat, und warum sie instinktiv jedes lästige
ihres Spiessleins schämen und damit nur im Joch, in das ihr Denken durch Liebe und Eifer-
Dunkeln und rücklings ihre Opfer überfallen. sucht gerathen, abzuschütteln gestrebt haben.
G. Rth.

Randleiste von O. Eckmann.

26
1896
JUGEND Nr. 1 und 2
Nr. 1 und 2 . JUGEND . 1896
. X.D

Ein Orakel. Nobile Trifolium. Orterer Angesicht — Ist wirklich nicht schwer
zu erkennen! —Wer’s einmal nur photographirt
Früher Lieutenant der Husaren, Abbü, Marquise und Marquis — geseh’n — Der muss es auf immer behalten
Jetzo Fürst von den Bulgaren, Gibt's noch ein Kleeblatt so wie sie?
— Es steht ja das ganze Centrumsprogramm
Sitzt der arme Ferdinand, Vertragen die sich nicht — fürwahr — In seinen verkniffenen Falten!
Sohn der Fürstin Clementine, Erscheint’s dem Weisen wunderbar!
55
Trüb, mit langer Nas’ und Miene Sonst pflegt sich fröhlich zu vertragen
In dem neuen Vaterland. Das Pack, sobald es sich geschlagen. Gross und mächtig ist der Zar aller
Versöhnen werden sich auch diese, Reussen! Unumschränkt gebeut er über
War’ ja schön sich Fürst zu nennen, Menschen, Thiere und Bauern seines weiten
Marquis, Abbü und Frau Marquise. Reiches und er hat kein Gesetz über sich.
Aber freilich — anerkennen
Was war denn weiter auch dabei? Jeder im Lande gehorcht dem leisesten
Müsst’ ihn erst die schnöde Welt!
Ein Bis’chen Heu- und Meuchelei, Wink seiner Brauen, Jedem ist des Herren
Und da hat man ihm gerathen: Wunsch Befehl. Bios Einer thut — und
Ein Bis’chen Meineid und Betrügen,
»Nimm Dir halt den Zar als Pathen, manchmal dem Beherrscher aller Reussen
Auf allen Seiten viele Lügen, zum Trotz — auch in Russland, was ihm
Dann ist Alles wohlbestellt!«
Pikante Spuren alter Sünden gutdünkt — der Klapperstorch!
Angethan in Purpurwindel — Und neuer Sünden (kaum zu künden),
Welch’ ein allerliebstes Kindel! — Ein Schielen nach des Nächsten Frau Als dem verhafteten Aaron (auch Arton
Liegt der Erbprinz in der Box; Und ihrem Geld — jesuitisch schlau, genannt) der Polizeicommissär sein Notiz-
Und der Vater rauft die Haare: buch abnahm, fand er darinnen eine lange
Viel Frömmelei, infames Hetzen Reihe Namen von französischen Abgeord-
»Welcher Glaube ist der wahre — Und Vieles noch, was den Gesetzen neten, Beamten und Senatoren aufgeschrie-
Römisch oder orthodox?« Zuwiderhandelt des Gerichts — ben. „Was sind das für Namen?“ fragte
Von Allem etwas — weiter nichts! strenge der Commissär. — „Ach, das sind
»Lass’ ich ihn auf’s Neue taufen, Sammelvermerke!“ erwiderte der brave
Mir des Zaren Gunst zu kaufen?« Nun ist’s vorbei, des Lebens froh Aaron. „Ich bin Lumpensammler.“
Ruft der Herrscher zweifelnd aus — Sind Nayve’s jetzt und Rosselot.
»Trau der Kukuk diesen Tröpfen!« Und hoffentlich wird dann auch schleunig Im ehemaligen Reichstagsge-
Und er zählt an seinen Knöpfen: Die schöne Trias wieder einig. bäude in Berlin ist jetzt eine Barbier-
»Boris oder Nikolaus?« Nun deckt der Nächstenliebe Schleier stube etablirt — man sagt es sei nicht
Auf die vergangenen Abenteuer
schön vom Fiskus, dass er um ein paar
»Ein Orakel sollst Du fragen —« lumpige Tausender den ehrwürdigen Bau
Und heiter sitzen beim Cafe für so was hergibt! Aber im Grunde ist
Hört er eine Stimme sagen — Marquis, Marquise und Abbe! dem Haus das Metier doch nicht so fremd.
»Diese Windel, blüthenrein, Hier hat der deutsche Michel sich schon so
Sei um Deinen holden Jungen 85 manchem Aderlass unterziehen müssen,
Zehn Minuten lang geschlungen, hier wurde mancher brave Zopf geflochten,
Und dann blickt getrost hinein!
Schrecklich! j hier hat so mancher Volksbeglücker seine
Jüngst ist ein empörendes Faktum ge-
Wähler gründlich über den Löffel bar-
Blieb das Linnen ohne Makel, biert, hier wurde gar oft eine Menge
scheh’n — Am Bahnhofperron zu München, — lauschender Hörer von gewandten Diplo-
Spricht bejahend das Orakel Das lässt sich mit matter Entschuldigung — matenhänden gründlich eingeseift, hier
Und der Pope hat das Wort; Nachträglich nicht übertünchen! — Sie haben sind oft die heterogensten Dinge über
Lest ihr And’res aus dem Kissen, den Doktor Orterer — Belästigt mit kecken einen Kamm geschoren worden und
Will der Prinz davon nichts wissen Mancher hat hier Haare gelassen, der
Fragen, — Sie Hessen den grossen Centrums- es unternahm, sich mit einem Stärkeren
Und man jagt den Popen fort!« mann — Nicht ohne Fahrschein zum Wagen! ' zu — „kampeln“.
So geschieht’s. Man harrt mit Bangen, — Man werfe die ganze Verkehrsdirektion —
Bis die Wartezeit vergangen, Mit faulen Aepfeln und Eiern! — Ihr Personal Das Durchschnitts-Einkommen der
Was das Schicksal künden lässt? erkennt nicht einmal — Den Rektor aller Bayern! preussischen Volksschullehrer soll auf
jährlich 900 Mark „hinaufgeschraubt“ wer-
Und mit aufgeregtem Schnaufen — Der Mann, der’s verstand, von der Oppo- den? Wenn aber das rapide Steigen ihres
Kommt die Kinderfrau gelaufen: sition — Wie Keiner zu profitiren — Er musste Einkommens die preussischen Volksschul-
»Euer Durchlaucht, ein Protest!« sich erst vor dem Condukteur — Als Fahrgast lehrer zu Prass, Völlerei, Börsenspiel und
anderen Lastern verführt — wehe der künf-
legitimiren. — Mit tödtlich beleidigtem Selbst-
K gefühl — Erfüllt von grimmigem Hasse — Be-
tigen Generation der preussischen Jugend!
SXT
Die französischen Parlamentarier müssen stieg er mit seinem Freibillet — Dann grollend In Dingsda feierte die 9jährige Klavier-
die erste Klasse. — Von der alten National- virtuosin Bronislawa Meierfrau ihr zehn-
doch ihr Geld werth sein — sonst krankheit — Ist wieder ein Fall zu melden — jähriges Jubiläum als Wunderkind.
hätten die Herren Panamisten sie nicht Diejubilarin wurde mit Lorbeer und Blumen
Das liebe germanische Vaterland — Misskennt überschüttet.
gekauft. seinen grössten Helden! — So ist es dem Fürsten
Bismarck passirt — Von Seiten gewisser Leute In Wien hat sich ein Greis von etlichen
Herr Bourgeois kennt keinen Scherz, Und jetzt ist dem bayerischen Centrumspapst zwanzig Jahren eine Kugel durch den Kopf
Schon hat er den Aaron fangen lassen Geschehen das Nämliche heute. — Man gejagt — als Grund gab er an: aus langer
Weile. Zu bescheiden; er hat wohl eigent-
Am Ende fasst er sich doch noch das Herz, wage die That am Bahnhofperron — Nur ja lich schreiben wollen: aus Rücksicht
Den Herz zu fassen? nicht entschuldbar zu nennen — Des Doktor auf meine Mitmenschen.
-8
1896
- JUGEND . Nr. 1 und 2

LI EBE I N WÖRIS

Zeichnung von Henry Albrecht.


Nr. 1 und 2 JUGEND 1896

Nachdruck und Vervielfältigung verboten.


Copyright Au g. Bungert, Berlin 1895.

Frau Maria an der Wiege.


(Altes Gedicht.)
comp, von August Bungert.
Neue Volkslieder op. 49 Nr. 71 III. Band.
Andante tranquillo,

Dort hoch auf dem

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Nr. 1 und 2 JUGEND 1896

52
Inseraten-Annahme Insertions-Gebühren
1896

JUGEND
durch alle Annoncen-Expeditionen für die
sowie durch
4gesp3.lt. Colonelzeile oder deren
G. Hirth’s Verlag in München No. 1 & 2 Raum M. i.—.
und Leipzig.

Humor im Ausland. G. HIRTH’S KUNSTVERLAG in MÜNCHEN & LEIPZIG.

HIRTH’S
FORMENSCHATZ.
Eine Quelle der Belehrung und Anregung
für Künstler und Gewerbetreibende.
Jährlich 12 Hefte ä 16 Tafeln hoch 4°. — Preis per Heft Mk, 1.25.
Jahrgang 1877—1895 mit ca. 3 500 Blättern in Cartonmappe
M. 275, in Leinwandmappe M. 31$, in eieg. Halbfranzband
gebd. M. 341.50.
Jahrgang 1877 und 1878 (Formenschatz der Renaissance)
in Cartonmappe je M. 10.—, gebunden je M. 13.50.
Jahrgang 1879—1895 in Cartonmappe je M. 15.—, gebunden
— C’est egal, ma Alle, vous je M. 18.50.
pouvez vous variier d’avoir pro- Jede Serie selbständig mit erläuterndem Text.
fite ä mon Service. Avant, vous Das Werk wird fortgesetzt; auch das bisher Erschienene kann
aviez de la mauvaise graisse. nach und nach bezogen werden.
A present, vous etes tout nerfs. (Einzelne Tafeln werden nicht apart abgegeben.)
(»Rire«, Paris.)
„Hirth’s Formenschatz“ ist 111 Wirklichkeit ein Schatz
für jeden Besitzer des Werkes. Das ganze Werk bietet etwa
3500 Blätter. Sie reichen geschichtlich von der alten Welt bis
zum Beginn des gegenwärtigen Jahrhunderts. Bestimmt, eine
■3\
/- y/* • '
Quelle der Belehrung und Anregung für Künstler und Ge-
werbetreibende zu sein, erfüllt das Werk seine Aufgabe in
einer Weise, dass es sozusagen auf keine Frage die Antwort
schuldig bleibt. Die Benützung des Werkes wird durch sorg-
V' fältige Register erleichtert. Das Werk ist international. Was
der Herausgeber bei irgend einer der Kulturnationen Werth-
volles findet, wird benützt. Dem Werke kann eine grössere
Empfehlung auf seinem Weg nicht mitgegeben werden als
der Hinweis auf seinen riesigen Umfang und seine erfreuliche
Verbreitung.
(Schwab. Merkur, Stuttgart.)

Heueintratenden Abonnenten stabt ein Inbaltaverzeiohni33


der erschienenen 19 Jahrgänge gratis zur Verfügung.
Das erste Heft 1896
kann durch jede Buchhandlung zur Ansicht vorgelegt werden.

Französische Ausgabe unter dem litel: L ART PRATIQUE


Recueil de documents choisis dans les ouvrages des grands
maitres fran^ais, Italiens, allemands, nüerlandais etc. etc.

Aufgaben der Kunstphysiologie


2 Halbfranzbänden gebunden .Mk. io.—. Eine französische Uebersetzung von Lucien Arr6at
ist unter dem Titel: Physiologie de l’Art im Verlage von F61ix Alcan in Paris,
_ „ O D rt.nl rtvmt*n I Thrmntn Ul! 1 l /Th • T-v \
108 Boulevard St. Germain, publizirt. (Preis Fr.

Lokalisations-Psychologie oder die Anwendung der Lokalisationstheorie


' ci auf psychologische Probleme. Beispiel: Warum
sind wir
TD rv a.zerstreut*?
_ Vir A.zerstreut c von
Mit- f»inf»r czD,-,Von
Uitn 1Georg . Georg
Hirth.
_ r-» ZweiteHirth. " ' ’ ' und vermehrte
umgearbeitete
Auflage. Mit einer Einleitung von Dr. L. Edinger. — 136 Seiten 8° in eleganter Aus-
stattung. Preis broschirt M. 1.50, in Leinwandband M. 2.—. Eine französische Ausgabe von
Lucien Arrüat ist unter dem Titel: Les localisations cörebrales en psychologie — pourquoi
fO sommes-nous distraits ? im Verlage von Fülix Alcan in Paris, 108 Boulevard St. Germain, publizirt
(Preis Fr. 2—, gebund. Fr. 2.50).
Für was der Bart gut ist! Ls handelt sich hier um eine prinzipiell bedeutsame Programmschrilt, weicne aer
(A«s dem »Life« Newyork.) logie neue Wege zeigt, indem der Versuch gemacht wird, die psychologischen Thatsachen
Ergebnissen der modernsten Gehirnforschung ganz direkt und bedingungslos in Einklang
Lokalisations-Psychologie.

Zu beziehen durch alle Buch- und Kunsthandlungen.

35
Nr. 1 und 2 JUGEND 1896

Das Deutsche Zimmer


der Gothik und Renaissance,
des Barock-, Rococo- und Zopfstils.
Anregungen zu häuslicher Kunstpflege
von Georg Hirth.
-—-- Dritte stark vermehrte Auflage. 1 H-
464 Seiten hoch 40 mit 370 Illustrationen. Eleg. brosch. M. 10.—,
eleg. gebunden M. 13.—, in Lederband M. 20.—.

>. . . . Das Buch ist die Frucht einer reichen Erfahrung und
eines umfangreichen Studiums. Hat doch der Autor die hier vor-
getragenen Anschauungen und Grundsätze alle selbst probirt. Man
braucht bloss die Abbildung der Saalpartie in seinem Hause zu
München anzuschauen, um sich darüber klar zu werden, dass wir
es hier mit einem Fachmann ersten Ranges zu thun haben, der
seine Lehren und Grundsätze zuerst bei sich erprobt und richtig
befunden hat.
Wie der „Formenschatz“ zur Kunst pflege im ganzen
deutschen Volke, so fordert das Deutsche Zimmer
zur Kunstpflege im eigenen Hause auf; ers I er es ist
ein Volksbuch, letzteres ein Haus- und Familien-
buch, beide aber verfolgen das gemeinsame Ziel,
die Pracht und Herrlichkeit der alten Kunst zu ver-
stehen und wiederzugewinnen.«
(Prof. Dr. Stockbauer in »Bayer. Gew.-Zeitung« 1890 No. 4.)
Saalpartie in dera Hause Georg Hirth’s zu München.

Das Buch eignet sich besonders als Fest- u. Gelegenheitsgeschenk für Verlobte, Neuvermählte, xu Weihnachten etc. :

Meister-Holzschnitte
aus vier Jahrhunderten.
Herausgegeben von
Georg Hirth und Richard Muther.
Französische Ausgabe unter dem Titel:
QUATRE SIECLES DE GRAVÜRE SUR BOIS.
Complet in Cartonmappe Mk. 40. — , in Halbfranzband
geh. Mk. 50.—.
(Der frühere Subscriptionspreis 10 Lieferungen ä Mk. 3.50 ist erloschen.
Einzelne Blätter werden nicht apart abgegeben.)
Die Sammlung enthält 120 Tafeln in einfachem, und 33 Tafeln
in Doppelformat auf Büttenpapier, mit erläuterndem Text.

Das Werk, welches die Entwicklung des Holz-


schnittes in übersichtlicher Aufeinanderfolge vorführt,
umfasst das 15. bis 18. Jahrhundert und alle Länder, in
welchen die Kunst geblüht hat. Neben dem geschicht-
lichen Zweck verfolgen die Herausgeber zugleich die Ab-
sicht, den Freunden der Kunst durch ihre Publikation
eine Anzahl Unica und seltener Blätter zugänglich
zu machen, so dass sich mit dem kunstgeschichtlichen
Interesse auch das des Raritätensammlers verbindet.

G. HIRTH’S KUNSTVERLAG in MÜNCHEN & LEIPZIG.


34
1896 JUGEND Nr. 1 und 2

G. HIRTH’S KUNSTVERLAG in MÜNCHEN & LEIPZIG.

Kulturgeschichtliches Bilderbuch aus drei Jahrhunderten.


Herausgegeben von GEORG HIRTH. — Zweite Auflage.
Französische Ausgabe unter dem Titel : „LES GRANDS ILLUSTRATEÜRS DU i6„ 17. ET 18. SIEGLES."
Folio. Preis a Lieferung Mk. 2.40, ä Band complet broschirt Mk. 30. , gebunden Mk. 35.—. (Liebhaber-Ausgabe [einseitig bedruckt,
losen Blattern] ä Lieferung
M o n a 11 leh erscheint eine Lieferung. ■<*—
Mk. e l 6 .
Hirth’s Kulturgeschicht- Um den Besitzern der ersteren
liches Bilderbuch umfasst im Bände der früheren Auflage dieses
Ganzen sechs Bände (72 Liefer- Werkes das Abonnement auf die
ungen), es sind darin gegen 360 Fortsetzung zu ermöglichen, wird
darstellende Künstler vertreten die Drucklegung der zweitenAuf-
und haben über 3500 inter- lage in derselben Weise und Aus-
essante Blätter eine technisch stattung erfolgen, wie bei der ersten
vollendete Wiedergabe gefunden, die Auflage.
Publikation bildet eine in ihrer Art ein-
zige Kunstsammlung — ein Kupfer-
JederBand ist einsein käuflidt.
stichkabinet für den Hausgebrauch. ..Aus dem ungeheueren
Hervorragende Meister dreier Illustrationsschatze, den die Künstler
Jahrhunderte und verschiedener dreier Jahrhunderte (1500 — 1800)
Nationen: Dürer, Cranach, Burgk- uns hinterlassen haben, sind von
mair, Hopfer, Schäufelein, Holbein, dem bekannten kunstverständigen
Bekam, Aldegrever, Virgil Solis, Herausgeber, dem wir schon eine
Hogenberg, Amman, Stimmer, Bol, ganze Reihe kunstwissenschaftlicher
van Dyck, Golt^ius, Kilian, Chr. de Publikationen der verschiedensten
Passe, Rubens, Ahr. de Bosse, Callot Art (Formenschatz, deutsches Zim-
Wendel Hollar, Merian, Rembrandt, mer, Liebhaberbibliothek alter Illu-
G. Terburch, Berghem, Bega, Doiu, stratoren, Meisterholzschnitte etc.
Dusart, Ewerdingen, de Hooglie, etc.) verdanken, die markantesten
Claude Lorrain, Mignard, Adr. van Blätter ausgewählt und photo-
Ostade, Rigaud, Ruysdael, Teniers, mechanisch originalgetreu reprodu-
Wouverman, Boucher, Schmidt, Graff, ziert worden. So kann man wirklich
Grenze, Hogarth, Laueret, Moreau, sagen, dass das Kulturhistorische
Nilson, Vanloo, Watteau, Cliodowiecki, Bilderbuch ein Kupferstichkabi-
Mettenleiter etc. etc. liefern in über- nett in nuce ist, und zwar wohl-
reicher Fülle den Stoff zu diesem geordnet, mit Registern und Reper-
Werk. Porträts berühmter und in- torien bestens versehen. Ein Jahr-
teressanter Persönlichkeiten, Kostüm- zehnt lang hat der Herausgeber die
und Genrebilder, Darstellungen von werthvollsten Sammlungen perlu-
Jagden, Kriegs- und Gerichts-Scenen, striert und den kolossalen Stoff in
Spielen, Tänzen und Bädern, Fest- immer engere und engere Kreise
Xügen, Schilderungen des höfischen ziehend, auf jenen Kern reduziert,
und bürgerlichen Lebens, Städte- als den sich das fertige Kultur-
ansichten und Marktbilder, endlich geschichtliche Bilderbuch präsen-
moralische und politische Allegorien, tiert. In dem Atelier des Malers,
Mysterien, Curiosa u. s. w. wechseln in dem Studierzimmer des Histo-
in der mannigfaltigsten Weise in rikers, in der Hausbibliothek der
der Publikation ab, welche an Origi- kunstsinnigenFamilie, an allen diesen
nal ität, sowie an kunsthistor- Orten wird das »Hauskupferstich-
ischem Werth von keiner kabinett« die besten Dienste thun.“
ähnlichen übertroffen wird. (Die Kunst für Alle, München, i. Nov. 1891.)

Zu beziehen durch alle Buch- und Kunsthandlungen.


35
Nr. 1 und 2 JUGEND 1896

Die Preisausschreiben der „J ugend“.


--——--

IN der Absicht, unsern künf- Wettbewerb I. Wettbewerb III.


tigen Lesern und Abonnenten Entwürfe für unsere Titelblätter. Politische Caricaturen.
künstlerische Anregungen in
neuer Form zu bieten, und Jede Nummer erscheint mit neuem Grösse der Zeichnung nicht über
zugleich unsere Bestrebungen zur För- Titelblatt. 40 cm. Einfarbig, im Verhältniss des
derung der modernen Kunst in einer Die Entwürfe sollen einfarbig oder Formates dieser Zeitschrift ausgeführte
nützlichen und fruchtbaren Weise zu in mehreren Tönen, jedoch so ausge- Zeichnungen in Strichmanier, welche
bethätigen, hat sich der Verlag der führt sein, dass sie auf autotypischem die Herstellung zinkographischer Cli-
„Jugend“ entschlossen , eine Reihe oder zinkographischem Wege mit 2, che’s ermöglicht.
künstlerischer Wettbewerbe zu eröffnen, höchstens z Platten reproduzirt werden Das Thema ist irgend einem po-
die sich nach und nach auf alle erdenk- können. Die Titelbilder erhalten eine litischen Vorgang der jüngsten Zeit zu
lichen Kunstgebiete erstrecken sollen. Höhe von 28, eine Breite von 20 cm, entnehmen oder soll doch eine die
Wir hoffen, dadurch zahlreiche jüngere die Entwürfe sollen im Formate nicht Gegenwart bewegende politische oder
Kräfte zu selbstständigem, erfinder- mehr als das Doppelte dieser Grösse soziale Frage in einer Weise behandeln,
ischem Schaffen anzuregen, und schicken betragen. Ausgeschlossen ist jede An- welche eine Veröffentlichung der Zeich-
voraus, dass bei den Entscheidungen lehnung an einen bestimmten alten Stil. nung in unserem Blatte möglich er-
unseres Preisgerichts immer von rein Dem Inhalte nach sollen sich die Zeich- scheinen lässt. Die Caricaturen müssen
künstlerischen Gesichtspunkten aus ge- nungen im weitesten Sinne irgendwie auf im Allgemeinen im Sinne einer freien
urtheilt werden soll. den Begriff „Jugend“, wie ihn unser Pro- Weltanschauung und deutsch-nationalen
Unsere ersten Preisausschreiben spekt darstellt, beziehen. Es können also Gesinnung gehalten sein, sollen sich
umfassen folgende Themen: z. B. die Bilder Bezug haben auf: Früh- aber nicht mit speziellen Parteiange-
ling, Liebe, Kindheit, Brautzeit, Mutter- legenheiten befassen. Bei der Beurtheil-
I. Entwürfe für Titelblätter glück, Spiel, Mummenschanz, Sport, ung kommt die Handhabung einer ori-
Schönheit, Poesie, Musik u. s. w. Fol- ginellen und charakteristischen Zeichen-
der Zeitschrift „Jugend“. gende Preise sind ausgesetzt: technik wesentlich mit in Betracht und
II. Entwürfe für Menukarten. I. Preis 200 Mark den Einsendern nach dieser Richtung
III. Politische Caricaturen. II. „ 150 „ ausgezeichneter Arbeiten steht fort-
2 Preise ä 100 Mark. dauernde Mitarbeiterschaft in Aussicht.
IV. Carneval-Plakate. Der Verlag der „Jugend“ behält I. Preis 80 Mark
sich vor, weitere Entwürfe ä 5° Mark II. „ 60 „
An den Concurrenzen kann sich anzukaufen und als Titelzeichnungen
jeder deutsche Künstler betheiligen,
III- „ 40 „
zu verwerthen, oder sie in verkleinerter
und zwar Jeder an jeder einzelnen Den Ankauf weiterer Arbeiten be-
Nachbildung gegen Honorar in dieser
Concurrenz mit mehreren Entwürfen. Zeitschrift zum Abdruck zu bringen. hält sich der Verlag der „Jugend“ vor.
Die eingereichten Arbeiten müssen
in ihrer Art soweit fertig sein, dass 7)?
7&
direkt nach ihnen gearbeitet werden
kann. Jede Einsendung ist mit einem Wettbewerb II. Wettbewerb IV.
Motto zu versehen, Name und genaue Entwürfe für Menukarten. Carneval-Plakate.
Adresse des Künstlers in einem mit
dem Motto bezeichnten verschlossenen Die Karten müssen in einer Farbe Höhe der Zeichnung nicht über
Couvert anzugeben. Bei Sendungen, herstellbar, eventuell so gezeichnet sein, 80 cmtr. Mehrfarbig oder einfarbig;
die von auswärts kommen, darf der dass sie ein- oder mehrfarbig gedruckt jedenfalls nicht über vier Farben. Die
Name auch nicht auf der Post-Paket- werden können. Höhe der Zeichnung Entwürfe sollen sich auf irgend welche
Adresse ersichtlich sein. Die Arbeiten nicht über 40 cm. Ausgeschlossen ist carnevalistische Veranstaltung, Masken-
sollen nicht in Rollen, sondern zwischen auch hier jede Anlehnung an einen zug, Maskenball, Narrenversammlung
Pappetafeln eingeschickt werden. bestimmten alten Stil. Die Preise be- beziehen und zinkographisch im Kleinen
Einlieferungs • Termine: Für tragen : reproduzirbar, aber auch im Grossen
Wettbewerb I: i5-Januar *896, II: I. Preis 80 Mark in anderem Verfahren auszuführen, flott,
8. Januar 1896, III: 8. Januar 1896, IV: II. „ 60 „ aber decent genug für öffentliche Ver-
15.Januar 1896.
III. „ 40 „ wendung sein.
Die prämiirten oder angekauften
Der Verlag der „Jugend“ behält >1. Preis 120 Mark
sich vor, weitere Entwürfe zu je 20 Mk.
Entwürfe gehen mit sämmtlichen Rech-
anzukaufen oder sie in verkleinerter II. „ 80 „
ten in den unbeschränkten Besitz des
Nachbildung in der „Jugend“ wieder- III. » 5o „
Verlages der „Jugend“ über. zugeben. Der Ankauf weiterer Arbeiten Vor-
behalten.
$
Heran« K n HIRTH- verantwortlicher Redakteur: F. VON OSTIN1; verantwortlich für den Inserat entheil: G EICHMANN; G. HIRTH’s Kunstverlag; sämmtlicb in
Herausgeber: Dr. GEORG HIRTH, verantwortllcne^^^ Druck von KNORR & HIRTH, Ges. m. heschr. Hftg. in München.
*896 ‘ *8. Januar JUGEND I. Jahrgang Nr. 3

J^ünchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben. — G. Hirth’s Verlag in München & Leip:
Nr. 3 1896

'S ■Itti'iiCl

Aller Künste Meister


Zum 18. Januar

Im Sachsenwalde, da lebt ein Mann, Gesä’t? In der Deutschen Herzen Gru.id Gemalt? Ein funkelndes Wappenbild,
Der Alles weiss und der Alles kann, Hat er gelegt für den neuen Bund, Das heute vor jedem anderen Schild
Ist klüger als Tausend zusammen: Den Samen nie welkender Treue! Hindräut über Länder und Meere!
Er hat geschneidert und hat genäht, Die Saat ward mit heiligem Blut genetzt, Gereimt? Jawohl: für das alte Lied
Er hat gedroschen, er hat gesä’t, Dass nie sie ein tückischer Wurm verletzt Von schmählicher Zwietracht, die Deutsch-
Geschmiedet in sprühenden Flammen! Und sie immer erblühe auf’s Neue. land schied,
Das Lied von der Eintracht und Ehre.
Er hat gewebt und er hat gefärbt, Geschmiedet? — Jawohl: ein Nothung-
Er hat gemünzt und er hat gegerbt, schwert Gar trübe sah’s aus vor dem grossen Jahr,
Er wusste zu mauern, zu zimmern, Dem Arme, den erst kaum ein Stecken Es waren dem herrlichen Kaiseraar
Er hat gemalt und er hat gereimt bewehrt — Gebrochen Schwingen und Klauen;
Und kunstreich wieder zusammengeleimt, Und wie hat die Klinge gepfiffen! Die Krone die sank ihm vom stolzen
Was morsch war und elend in Trümmern. Begeisterung gab ihm für’s Eisen die Gluth Haupt —
Und am stahlharten Teutonenmuth Und frevelnde Hände hatten geraubt
Hat er die Schneide geschliffen! Die schönsten der rheinischen Gauen!
Gezimmert? — Jawohl: einen stolzen
Thurm,
Dem schadet kein Feuer, den fällt kein Sturm, Gewebt? Ja, ein unzerreissbar Band Und weil unsern Bismarck die Noth be-
Ob Wind ihn und Wölfe umheulen! Und mit gewaltiger Meisterhand drückt,
Gemauert? — Jawohl: und mit Eisen Verknüpft den Süden und Norden! D’rum hat er den Leimtopf an’s Feuer ge-
und Blut Gefärbt? Mit köstlichem Purpurroth rückt;'
Die Steine verbunden! Der Bau ist gut, Den Kaisermantel, der in der Noth An glühender Herzen Flammen,
Er gründet auf ehernen Säulen. Der Zeiten schäbig geworden! Da kochte er sich einen festen Kitt
Und rührte ihn brav und leimte damit
Geschneidert? — Jawohl: ein bräut- Den Aar und die Lande zusammen!
Gemünzt? Der Vaterlandsliebe Erz,
lich Kleid Das tief erfüllte des Volkes Herz,
Germania, seiner geliebten Maid, Doch von Schutt und von Schlacken um- Ein Vierteljahrhundert hält es schon
Statt der alten, buntscheckigen Flicken! woben ! Und nirgend erblickt man die Spur davon,
Gedroschen? — Jawohl auf der Feinde Lang wussten sie nicht, wie reich sie Dass es nicht auf immer sollt’ halten!
Haupt, sei’n — Und wer nur im Lande sein Handwerk kann,
Die uns die Ehr’ und den Frieden geraubt! Da leuchtete er mit der Fackel drein Der sieht das Werk mit Bewund’rung an
Gegerbt? Manch’ bübischen Rücken! Und der herrliche Hort war gehoben! Und segnet den herrlichen Alten!

So lange Ihr Ihn zum Vorbild wählt, Die Gläser herbei — und das Beste hinein!
Ist’s nimmer um guten Rath gefehlt Und donnert es laut über Weichsel und Rhein,
Im Reiche germanischer Geister: Dass Fenster und Wände beben:
Und heute ist just der rechte Tag, Der Held, der die Deutschen des Fürchtens entwöhnt,
Dass man sein in Ehren gedenken mag, Und der uns in Wälschland den Kaiser gekrönt,
Der aller Künste ist Meister! Der alte Bismarck soll leben! F. v. O.

3S
1896 JUGEND Nr. 3

Originalzeichnung von Werner Schuch.

Das sind die Ursachen des Krieges von 1870.


Ein kleiner Anlass, geschickt vom Bundeskanzler Nord-
deutschlands, vom Grafen Bismarck benützt, erwirkte den
Ausbruch.
Ein Hohenzollernprinz auf Spaniens Thron passte den
Franzosen nicht. König Wilhelm von Preussen blieb der
Sache fern; der erwählte Prinz verzichtete, und damit wäre
Alles gut gewesen.
Nun sollte aber König Wilhelm sich für alle Zukunft
verpflichten, eine ähnliche Wahl zu verbieten.
Das war eine unannehmbare Zumuthung.
Da ging’s los.
Der Krieg von 1870. Das ganze Deutschland erhob sich wie Ein Mann. König
Preisarbeit in 1870 Worten von Tanera. Ludwigs von Bayern Beispiel hatte auch den Süden mitge-
rissen. Jene unentschiedenen Parteien, welche von Neutralität
Einen Nordbund und einen Südbund, zwei verknüpfte sprachen, verschwanden in der allgemeinen Begeisterung.
Theile aber kein Ganzes - Das hatte uns der Krieg von 1866 »Es braust ein Ruf wie Donnerhall!«
hinterlassen. Das Sehnen nach einem ungetheilten Deutsch- So erscholl es an der Weichsel, Elbe, Weser und Donau, und
land war nicht erfüllt. im ganzen deutschen Vaterland klang es wieder.
In Frankreich aber schäumte es über von Neid und Eifer- »Zum Rhein, zum Rhein, zum deutschen Rhein.
sucht ob Sadowa. Wer will des Stromes Hüter sein?«
»Nieder mit Preussen! Dann sind wir gerächt!« So er- Dies hatten die Feinde nicht erwartet. So wurden sie politisch
scholl es durch’s Land, und der Kaiser folgte dem Druck. geschlagen, noch eh’ die Waffen blitzten.

39
Nr. 3 JUGEND 1896

In drei mächtigen Armeen zogen wir Deutsche an unsere »Franzosen sind’s, vom Korps Frossard, sorglos, denn
Westgrenze. Steinmetz mit der ersten und Prinz Friedrich sie halten den rothen Berg für unerstürmbar.«
Carl mit der zweiten sammelten sich an der Saar. Preussens Wenige Stunden später haben Rheinpreussen und West-
Kronprinz mit der dritten in der Rheinpfalz. falen in glühender Hitze die Höhen erstiegen, die französische
Man glaubte die Franzosen längst gerüstet. Sie haben Uebermacht geschlagen, den Feind in die Flucht gejagt.
nur aus Saarbrücken die kleine tapfere Garnison kurze Zeit Nun den Franzosen nach auf Metz!
verdrängt. Weiter kamen sie nicht vor. Es fehlte ihnen noch Bazaine hatte gewaltigen Vorsprung, Ob er entkommt?
an Allem. »Den Feind aufhalten, wo es geht; ihm westlich zuvor-
Wir aber standen am 4. August vollkommen bereit an kommen ; ihn in Metz einschliessen war das Ziel der Deutschen.
der Grenze und griffen natürlich sofort an. Die Bayern Hart- Es wurde marschiert wie toll.
mann’s stürmten auf Weissenburg. Turko und Zuaven wehrten Am 14. August erreichte man sie wieder.
den Marsch. Erschlagen blieben viele von ihnen liegen; der Bei Colombey Nouilly biss Steinmetz mit seinen West-
Rest entfloh. falen und Ostpreussen an.
Nun liess der Kronprinz die Preussen Kirchbach’s und Ging schwer genug. Aber es half.
Bose’s den Gaisberg angreifen. Hart und blutig war die Auf- Bazaine liess sich aufhalten, und dadurch fand die zweite
gabe. Aber sie gelang. deutsche Armee Zeit, Metz südlich zu umgehen. Am 16. wollte
Unterdessen hatten die Bayern Weissenburg selbst er- Bazaine westwärts abmarschiren. Plötzlich stürmten ihm die
obert — der erste Sieg war erfochten, gemeinsam vergossenes Brandenburger in die Flanke, und wie!
Blut hatte die Waffenbrüderschaft von Preussen und Bayern Alles setzten sie ein!
gekittet. Der Rest der geschlagenen feindlichen Division floh Diese braven Truppen, die Vionville eroberten! Diese
gegen Wörth. Dort stand Mac Mahon mit seinem Korps. todesmuthigen Reiter Bredows, die sich opferten! Und doch
Am 6. August stiess die dritte deutsche Armee auf diesen wäre es umsonst gewesen ohne die Hannoveraner. Die setzten
Feind. Beim V. preussischen Korps gings an. Vorpostenkämpfe. den letzten Athemzug daran. Sie kamen rechtzeitig, stürmten
Das II. bayerische wollte die Kameraden unterstützen. — und der Feind wich nach Metz zurück.
»Vor über die Sauer! Hurrah! Drauf!« Zwei Tage später versuchte es Bazaine zum zweiten
Das war zu früh; sie mussten zurück. Male mit seiner ganzen Armee.
Nun stürmten die preussischen Schlesier vor, den Bayern Nun stand aber Friedrich Carl bereit.
zu helfen. Bei Gravelotte begann das Wüthen, Westfalen und Rhein-
So Stands, als der Kronprinz kam. länder gegen fast uneinnehmbare, stark besetzte Stellungen.
Der sah sich um und sprach: »Es geht. Alle Reserven Das kostete entsetzlich Blut.
heran, und vorwärts!« Links davon Schleswigholsteiner gegen Amanvillers, ein
Wie griffen da Preussen, Bayern und Württemberger an! langes hartes Ringen.
Der Gegner wehrte sich wüthend. Half ihm nichts. Der Hauptkampf aber war nördlich bei St. Privat. Dort
Seine Infanterie wich; seine Artillerie war zusammengeschos- wollte Bazaine um jeden Preis durch. Dort aber haben Garden
sen, seine Reiterei fast ganz vernichtet. Gemeinsam haben und Sachsen ihn gepackt und sind über das freie Feld vor-
wir Eisasshausen und Fröschweiler erstürmt, Mac Mahons gegangen, trotzdem Tausende und Abertausende dem Feindes-
Armee war zerschmettert. blei erlagen, und haben gestürmt und wieder gestürmt, bis
Jetzt lag der Weg frei; die dritte deutsche Armee rückte wirklich — fast war die Kraft zu Ende — der rechte fran-
unaufhaltsam durch die Vogesen in das Herz Frankreichs vor. zösische Flügel geworfen, der Sieg errungen wurde.
Am Tage von Wörth überschritten auch die Vortruppen Nun griffen unten bei Gravelotte noch die Pommern
der ersten und zweiten deutschen Armee die Grenze. ein und brachten auch dort den heiss ersehnten Entscheid.
»Wer steht auf den Höhen von Spichern?« Damit war die Armee Bazaines endgültig nach Metz geworfen.

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1896 - JUGEND Nr. 3

Ans dem Kriegsskizzenbuche Ludwig von Nagels;


nach wahrer Begebenheit.

Eine langwierige, unendlich mühevolle Cernirung begann. Sachsen und Garden rechts, die Bayern Hartmann’s, Thüringer,
Bei Regen und Kälte, unter den grössten Strapazen hielten die Hessen und Niederschlesier links ihn völlig umfassen und
Preussen Metz umfasst. ihn sogar von der nahen belgischen Grenze abdrängen. Dann
Einige französische Durchbruchsversuche waren ver- geht’s von allen Seiten drauf, ein Kesseltreiben sondergleichen,
gebens. Am 27. Oktober erlag die bis dahin unbesiegte und trotz tapferster Gegenwehr ist Abends die französische
Festung. Metz ward wieder deutsch. Armee zusammengetrieben, umzingelt, zerschmettert, zer-
Des Kronprinzen Armee rückte unterdessen westwärts vor. schlagen, rettungslos verloren.
Hinter ihr belagerte Werder die Festung Strassburg. In der Nacht wird verhandelt.
Mit viel Eisen und Blei ward um die spröde Maid geworben. Moltke und Bismarck beweisen den französischen Ge-
Am 28. September gab sie sich. neralen, dass es kein Heil mehr gibt. Da fügen sie sich.
Auch Strassburg ward nun wieder deutsch. Die ganze französische Armee, und mit ihr der Kaiser, ist
Der Kronprinz kam bis Barle Duc. Plötzlich hiess es: gefangen und wird nach Deutschland gebracht. Dieser ge-
»Mac Mahon hat Chälons verlassen. Er will Metz befreien.« waltige Schlag warf den Thron der Napoleoniden um; Frank-
Nun hat Moltke sein Meisterwerk geschaffen. reich erklärte sich als Republik.
Im Nu bog die dritte deutsche Armee nordwärts ab, Wir dachten an Frieden, die Feinde noch nicht.
den Franzosen den Weg zu verlegen. Gut; also vorwärts nach Paris!
Tag und Nacht wurde marschiert. Am 30. August war Beide Kronprinzen rückten mit ihren Armeen westwärts
es gelungen. weiter. Am 19. September hatte die dritte Armee die Süd-
Die Gegner ahnten nichts. Sie lagerten bei Beaumont. hälfte, die Maasarmee die Nordhälfte der feindlichen Haupt-
Plötzlich regnet es Granaten, deutsche Granaten. Magde- stadt eingeschlossen. Dabei gab’s manchen harten Strauss.
burger und Bayern stürzen die Höhen herab. Diese Lawine Half den Franzosen aber nichts. In kurzer Zeit zog sich ein
erschlägt, was nicht flieht; die Sachsen stossen nach; ein undurchdringlicher Gürtel von befestigten Stellungen um Paris,
Korps Mac Mahon’s ist vernichtet. Er weicht auf Sedan. Dort und alle Versuche, ihn zu durchstossen, scheiterten an der
^ill er einen Tag rasten. Aber Moltke spinnt die Fäden; die tapferen deutschen Gegenwehr.
Truppen marschieren, marschieren. So dauerte es Monate.
Von Metz her ist Sachsens Kronprinz mit drei Korps Die deutschen Truppen Hessen die belagerten Pariser
gekommen, von Süden führte Preussens Kronprinz die dritte nicht aus der Falle, und wenn sie es doch versuchten, wie
Armee heran. bei Bagneux, Malmaison, Le Bourget und Villiers, dann schlugen
Am 1. September geht’s los. jene so kräftig zu, dass die Anderen trotz ihres verzweifelten
Die Bayern Tann s greifen bei Bazeilles an. Ein fürchter- Muthes zum Rückzug gezwungen waren. Freilich aus mancher
liches Ringen entsteht. Aber es hält den Gegner, bis die Wunde floss auch das Blut der braven Belagerer.

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Nr. 3 JUGEND 1896

Die Tage von Le Bourget haben unseren Garden derb zu- herbe’s, Gewehr bei Fuss; im Südosten trieb Manteuffel mit
gesetzt und das dreitägige Ringen um Villiers schlug tiefe Risse den Pommern und der Werder’schen Armee die Franzosen
in die sächsischen, württembergischen und preussischen Li- Bourbaki’s über Pontarlier in die Schweiz.
nien. Aber es lohnte sich herrlich, denn nicht ein einziger So endete der grosse Krieg.
Durchbruch der Pariser gelang. Am 1. März zogen wir triumphierend in Paris ein; am
Nun versuchten es die Provinzen, die bedrängte Haupt- 2. wurden die Friedenspräliminarien unterschrieben.
stadt zu retten. Gambetta organisirte die allgemeine National- Wir haben von 1,113,254 nach Frankreich ausmarschier-
vertheidigung, den Volkskrieg. ten Deutschen 129,700 Mann verloren,
Zuerst rückte eine Armee im Oktober von der Loire vor. Dagegen 383,841 Franzosen gefangen,
Sie gerieth unter die Fäuste der Bayern von der Tanns und 107 Fahnen,
der Thüringer. Orleans ward von Tann erobert; die erste 7,441 Geschütze erobert,
französische Loirearmee hatte aufgehört zu existieren. Un- 5 Milliarden erhalten.
ermüdlich stampfte Gambetta neue Massen aus dem Boden. Die Hauptsache aber war:
Vor diesen musste Tann eine kurze Strecke weichen. Jetzt »Eisass und Lothringen sind wieder deutsch, und wir
kam der Mecklenburger Grossherzog mit seinen Landeskin- haben, was wir so lange ersehnten, einen Kaiser und ein
dern und den Hanseaten den Bayern zu Hilfe, und die Thürin- einiges deutsches Reich.
ger griffen wieder ein. Hurrah !
In harten Kämpfen, unter unglaublichen Strapazen wies
diese tapfere Armeeabtheilung alle Vorstösse der feindlichen
Uebermacht zurück.
Unterdessen rückte Prinz Friedrich Carl mit der zweiten
Armee von Metz heran. Der fasste die Franzosen im Osten.
Bei Beatme la Rolande hat er sie so erschüttert, dass ihnen dort
die Lust zu weiterem Vordringen verging.
Nun marschierte der Mecklenburger abermals gegen Or-
leans vor. Schlacht auf Schlacht — Loigny etc. — folgte,
blut- und leichenbedeckte Schnee- und Eisfelder bezeichneten
den Weg. Aber es gelang.
Orleans wurde von Tann’s Bayern, von Mecklenburgern,
Hanseaten, Thüringern und Preussen zum zweiten Male er-
obert. Abschied.
Und doch hatten die Franzosen noch nicht genug. Chanzy
Scherzend sagt' ich deinen Lippen
drang mit neuen Massen vor. Zuerst zerschellte er aber am
Lebewohl zum letzten Mal,
Widerstand der Deutschen, des Mecklenburgers bei Beaugency
Aber tobend an die Rippen
Cravant. Und dann kam Prinz Friedrich Carl über ihn, warf
Schlug das Herz in stummer Qual.
ihn gegen die Sarthe zurück und machte mit seinen Branden-
burgern, Hannoveranern und Schleswigholsteinern in der Deiner Augen Todesleuchten
dreitägigen blutigen Schlacht bei Le Mans ihm den Garaus. Glänzte wie aus andrer Welt.
Wer diesen Winterfeldzug an der Loire und Sarthe mit- Manchmal sah ich solches Leuchten —
gemacht, vergisst ihn nie. Er war die schwerste Aufgabe Wenn ein Stern vom Himmel fällt.
des ganzen Krieges.
Auch die französischen Nordprovinzen wollten der Haupt-
stadt beistehen. Faidherbe zog über Hamm südwärts. Er stiess
*
auf Goebens Ostpreussen und Rheinländer und wurde an der
Hallue am 23. und 24. Dezember gründlich geschlagen. Vorbei.
Noch immer gab Gambetta nicht nach. Er trieb im Süd- Das Donnerwetter im Herzen
osten um Dijon neue Massen zusammen. Bourbaki sollte mit
Hat ausgegrollt;
ihnen hinter den deutschen Armeen in Deutschland selbst
Von der Wimper die letzte
einfallen, Garibaldi mit der Vogesenarmee ihm die Flanke Zornige Zähre rollt.
decken. Das war kühn erdacht und unternommen, scheiterte
aber gänzlich an der zähen, todesmuthigen Gegenwehr der Schon wehen kühle Gedanken
Badenser und übrigen Deutschen Werder’s, die bei Villersexel Wie Morgenlüfte her;
und an der Lisaine leisteten, was menschenmöglich war. Wenn wir uns Wiedersehen
Nun blieb Paris sich selbst überlassen; es musste fallen. Ich kenn' dich nicht mehr.
Als äusserstes Druckmittel hatte man mit der Beschiess- ALBERT MATTHAEI.
ung der französischen Hauptstadt begonnen. Dies und der
täglich zunehmende Mangel veranlassten die tapferen Ver-
theidiger zum letzten Versuch. Beim Mont Valerien fielen
100,000 Mann aus und wurden am 19. Januar 1871 durch
Niederschlesier gründlich geschlagen.
Am 18. erstand in Versailles der deutsche Kaiserthron.
Am 28. kapitulierte Paris.
In den Provinzen fiel eine Festung nach der andern in
deutsche Hände; im Süden, Westen und Norden standen
entmuthigt die Trümmer der Armeen Chanzy’s und Faid-

42
1896 JUGEND Nr. 3

Plötzlich stiess er einen kurzen, jauchzenden Laut aus,


Frühlingswind. hob sie auf seine Arme und stürmte mit ihr vorwärts. Sie
»Die haben sich lieb, die haben sich lieb!« sagte ein wollte sich wehren: »Was thust Du — was thust Du?« Er
Maiglöckchen und wiegte sich hin und her. drückte sie nur fester an seine breite, junge Mannesbrust.
»Ja, sie haben sich lieb«, sagte die alte Eiche, und Nun Hess er sie los, blieb schwerathmend stehen, fasste
grösste mit ihren Zweigen wohlwollend herab zu dem jungen ihr Gesichtchen mit beiden Händen — und küsste sie auf
Paar, das zu ihren Füssen sass. Und der Frühlingswind, der Stirn und Augen, dazwischen sprechend:
verliebte Geselle, hauchte so warm und liebkosend auf die »O Du, - Du! Du kleines - Du liebes -. Und Deine guten
Wange des jungen Mädchens, dass es erschrocken aufsah, Augen! Siehst Du, die werde ich nicht vergessen, wenn ich da
weil es meinte, ihr Gefährte beuge sich so nahe zu ihr, um draussen bin; die werde ich immer vor mir sehen — und
sie zu küssen. Aber so weit waren sie noch nicht; sie werde immer an Dich denken müssen — immer — immer —«.
blickten sich nur zärtlich in die Augen und sprachen hie
und da ein liebes, verwirrtes Wort. »Jetzt lass’ mich ein wenig in Ruhe mit Deinem Ge-
»Freilich haben sie sich lieb«, sagte der Wind befriedigt; tändel«, sagte die alte Eiche zum Frühlingswind, der in ihren
er hatte mit seinem leisen Wehen einen Strom von Frühlings- Blättern spielte. »Ich will nachdenken«.
duft hineingetragen in das enge Städtchen, und so die Beiden »Nachdenken?« lachte der Schelm und zupfte sie noch
herausgelockt; er wusste wohl, warum. Nun jagte er ein mehr.
paar Schmetterlinge zu den kleinen Frühlingsblüthen, »weil »Jawohl! Davon verstehst Du natürlich nichts.« Sie
sie gar zu neugierig hinüberschauten.« Das konnten sie jetzt schüttelte ärgerlich die Zweige. — »Ich muss immer an das
nicht mehr, denn sie hatten mit sich selbst zu thun. junge Menschenpaar denken, das da einmal im Frühling vor
Langsam sank die Sonne und umfing Alles umher mit mir sass. Zehn Ringe habe ich derweilen angesetzt, das
ihrem Glorienschein. sind Jahre für die Menschen. Und ich denke nun darüber
Er nahm seinen Hut, den sie mit einem Blätterkranz nach, warum sie nicht zu mir gekommen sind.«
geschmückt hatte. »Wie gut Du bist!« sagte er und küsste »Ich will Dir den Gefallen thun und nachspüren«, sagte
ihre Hände. Dann legte er mit stiller Bewegung den Kopf der Wind.
auf ihren Schooss. Husch! war er im Städtchen. Er hatte es leicht, in die
Sie wagte sich nicht zu rühren; der alte Baum meinte, Häuser zu schauen, die Fenster waren fast überall geöffnet.
ihr Herz klopfen zu hören. — Er'suchte und suchte und fand — sie. Einen Brief in der
»Wir müssen heim«, sagte sie endlich. Als sie den Hand haltend, blickte sie in Gedanken verloren vor sich hin.
Hügel hinuntergingen, kam die Mondsichel über den Bäumen »Marie!«
hervor. Sie fuhr auf, als hätte sie geträumt, legte das Blatt aus
»Sing’ mir ein Lied«, bat er. der Hand und folgte dem Rufe. Offen lag der Brief da:
»Was für ein Lied?« Verehrte, gnädige Frau!
»Ein schönes!« In den nächsten Tagen führt mich mein Weg durch
Er legte den Arm um sie und fasste ihre Hand. Lang- meine Vaterstadt. Ich werde nicht verfehlen, Ihnen und
sam schritten sie über die Wiesen und durch die stille Ihrem werthen Gatten meine Aufwartung zu machen. Ich
Frühlingsdämmerung bebte ihr weiches Stimmchen: freue mich sehr, Sie wiederzusehen; dann wollen wir von
»Ach, wie ist’s möglich dann, vergangenen Tagen reden und lachen — — —
Dass ich Dich lassen kann«-— »Lachen« — —, das Wort hatte sie veranlasst, so vor
_ _Feierlich standen die Bäume und lauschten. sich hinzustarren. —
Im Nu war der Wind bei der Eiche und erzählte ihr,
»Du hast die Seele mein, was er nun wusste.
_ _ So ganz genommen ein«- »Ich begreife das nicht«, meinte diese.
Als sie fertig war, sagte er leise: »Ich komme mehr unter die Leute«, sagte der Wind.
Wir wollen diesen Abend nie vergessen!« »Er hat es gemacht, wie die Andern auch. Weisst Du, wie
»Nein, nie!« sie das nennen? Jugendeselei! Und sie lachen dabei und
Sie waren nicht weit von der Stadt; schon leuchteten zucken die Achseln über sich selbst.«
ie enster auf und zwinkerten wie schelmische Menschen- »Das ist abscheulich!« sagte der alte Baum.
augen zu ihnen herüber »Ich finde es sehr lustig«, rief der Wind und eilte davon.
LISBETH UNDEMANN.

\ 43
Nr. 3 Soll

Nach uns von dem bewährten Volksbeglücker Schrullenberger zur Verfügung gestellten Entwürfen hat der Zeichner hier
dargestellt, wie es den Soldaten während ihrer Dienstzeit eigentlich ergehen müsste in der Instruktionsstunde, bei
dem in eine Art von Anschauungsunterricht verwandelten Exerzieren, im Mannschaftscasino, auf dem Marsche, in den
Erholungsstunden und im Arrest — wenn dieser nicht besser ganz abgeschafft wird.

44
Haben 1896

Wie nach
Militär den durchaus
wirkliVh glaubwürdigen Schilderungen
kIu « gmuuwuiuigen des besagten
^ci *-~b^krasse
^icrrn Herrn Schrullenberger
schrulienberger die Söhne desdie Söhi ^_ , 1
Landes
Militär wirklich behandelt werden. Einige besonders Fälle von
Herrn in Obip^tr»
Herrn in Obigem —j Einige besonders krasse Fälle von Misshandlungen sind nach den Berichten c
«ft. u . werden-
a f e'sSetreu abgebildet und im klebrigen ist dargestellt, was die Unglücklichen im Manch
zu erdulden haben, wie ihre Menage und ihre Arrestlokale beschaffen sind.

45
Nr. 3 . JUGEND - 1896

Früher war’s so meine Weise, Ach, und doch - - wo ist ein Weiser,
Abenddämmerung Dass ich stets ein Nein ihm bot; Der mir dieses Räthsel deute!
am See. Stupft’ er mich am Arm nur leise, Scheinen will mir, dass ich heute
Immer wurd’ ich feuerroth. Nicht wie einst dir theuer bin.
Weit draussen auf der glatten Welle
Liegt still ein Segel regungslos; Was er jetzt auch mag verlangen, Und ich quäle mich im Stillen,
Wie von der Nacht gebannt zur Stelle, Immer noch, wie sonst geschah, Denk ich jener schönen Zeiten
Der Nacht, die andringt ruhig gross. Feuerroth glühn mir die Wangen, Voll verstohlner Süssigkeiten —
Sie hält das Schiff am Zauberbande Doch mein Mund sagt immer: Ja! Jene Zeiten sind dahin!
Der schönen Ufer, da zugleich
Des Mondes Licht Gebirge, Lande Jene schönen Tage, Liebchen,
Umgibt mit seinem Geisterreich. & Wo, wenn sich die Augen fanden,
HERMANN VON LINGG. Zitternd wir beisammen standen
Mit erröthendem Gesicht.
Nachher und vorher.
Jene Zeit, wo hold erglühend
Seh’ ich dich nur an, so lachst du, Stets dein Mund: Ich will nicht! sagte,
Kehrst dich nicht mehr ab so thörig; Ich darauf: Warum denn? fragte,
Ruf’ ich dich, die Antwort hör’ ich: Und du sagtest: Warum nicht?
Vorher und nachher. Hier, mein Liebster! Ich bin da. AUS DEM ITALIENISCHEN DES RICCARDO
Was der Priester sprach für Worte, Schöner bist du noch, als früher, SELVATICO VON PAUL HEYSE.
Flog mir nur am Ohr vorbei; Täglich neuen Reiz enthüllst du,
Weiss nur, aus der Kirchenpforte Jeden Wunsch von mir erfüllst du,
Gingen Arm in Arm wir Zwei. Stets erwiderst du nur: Ja.

Aus einer Wiener Karikaturenmappe.

Gezeichnet von O. Böhler.

Wie der Herr Hofburgschauspieler N. N. Unterricht erhält in der Aussprache des englischen „th“.
Sprechen Sie „dshzs“! Sprechen Sie „dzshsz“!

46
1896 JUGEND Nr. 3

Carl Strathmann.
Originalzeichnung von
Oie Jungfrau riecht an der Lilie, Der Kohl hat einen tiefen
Dem duftenden Jungfraun-Symbol, Poetisch-mystischen Sinn:
Und denkt dabei an den neusten Es steckt das Liebesgeheimniss
Symbolischen Blumenkohl. Der Symbolisten drin. A. M.
47
Nr. 3 JUGEND 1896

Hugo v. Habermann.
Nr. 3
1896 . JUGEND

Das Gehirn unsrer lieben schaft zu fassen, — was Männer erdachten, kann nur von
Männern begriffen werden. Das ist göttliche Ordnung*) ■
Schwestern. mulier taceat in ecclesia.“
Das eben, liebe Schwestern, will ich heute zu Eurem
*Unter allen höheren Regungen und Bewegungen un- Frommen an den Pranger stellen, auf die Gefahr hin, als
serer Zeit erscheint mir, rein menschlich betrachtet, als die Verräther am Geheimniss „männlicher Wissenschaft“ be-
schönste und interessanteste der Kampf unserer Schwestern trachtet zu werden: Die ganze Lehre von der Inferiorität
um Gleichstellung mit dem starken, dem herrschenden und des weiblichen Gehirns ist eine fromme Mär, ein
unterdrückenden Geschlecht; ja ich halte es für möglich, dass wissenschaftliches Quiproquo, das eben nur beweist, wie lange
nicht etwa die sozialen und wirthschaftlichen Dissidien der und hartnäckig Männer zu irren im Stande sind. Diese Lehre
Männerwelt — zum Theil recht dumme Sachen — dem kom- beruht auf zwei falschen Voraussetzungen, nämlich erstens,
menden Jahrhundert seinen eigenthümlichen Stempel auf- dass das Gewicht des gesammten Gehirnes ganz direkt als
drücken werden, sondern dass dieses Jahrhundert seine Welt- Massstab für die Intelligenz zu nehmen sei, und zweitens,
signatur recht eigentlich von der Lösung der „Frauenfrage“ dass es statthaft sei, mit statistischen Durchschnitten
erhalten wird. aus Massenbeobachtungen einer Frage auf den Leib zu rücken,
Denn was wir bisher davon erlebt, das war und ist nur in welcher nur mit individuellen Begabungen gerechnet
erst Vorpostengefecht. Man kann zwar nicht leugnen, dass werden darf.
unsere Schwestern schon manche Positionen errungen ha- Beginnen wir mit dem zweiten Trugschluss, so ist es
ben, die früher uneinnehmbar schienen, und dass sie diese doch zunächst klar, dass auch unter Denen vom starken Ge-
mit grossem Geschick vertheidigen und befestigen, aber die schlecht gewiss nur ein mässiger Prozentsatz zu wissenschaft-
eigentlichen „Sperrforts“ der Gleichberechtigung — denn sie lichen Studien und Berufsübungen befähigt ist. Dieser Satz ist
wollen „uns“ ja nicht verdrängen, sie begehren nur Einlass! sogar ziemlich gering, er mag 5 bis 10 Prozent ausmachen,
diese Sperrforts sind noch ausschliesslich in den Händen kaum mehr. Nehmen wir nun an, bei den Weiblein seien
der Männer, und immer noch, wenn die muthige Schaar mit es nur 2 bis 3, ja nur 1 Prozent, — mit welchem Rechte
hellklingendem Kriegsgeschrei neuen Ansturm wagt, ertönt will man dieser Minderzahl die Betheiligung an den wissen-
ihr im tiefsten Basse das „Zurück“ der Thorwächter entgegen. schaftlichen Studien, die der Staat ermöglicht, wehren?
Im tiefsten Basse wissenschaftlicher Ueberzeugungs- Lehrt nicht Jeden schon die persönliche Erfahrung, dass es
treue! Dies „Zurück“ klingt so wahr und so bieder, und ist viele Frauen gibt, die an Intelligenz ihre männliche Umgeb-
doch oft, ja zumeist nichts als geschlechtsegoistische Ueber- ung weit überragen? Und ist nicht schon von vielen Frauen
hebung, mit der wir seit Adams Zeiten unsere ach! so lieben der Beweis geliefert, dass sie mit Erfolg der Erforschung
und ach! so unentbehrlichen Schwestern der Schlangenrolle und Verkündigung der Wahrheit zu dienen vermögen?
zu verdächtigen und zur Strafe dafür auch noch zu terrorisiren, Was aber das ominöse Gewicht des Gehirns anbelangt,
mit Eifersucht zu quälen, zu haremisiren und zu kemenati- so ist es ja richtig, dass im Grossen und Ganzen das
siren gewohnt sind, immer unter dem heuchlerischen Vor- weibliche um ein paar Hundert Gramm leichter ist als das
hände der ritterlichen Fürsorge. Als ob sie was davon hätten, männliche, — was nicht ausschliesst, dass Millionen männ-
ass sie uns wie wir so gerne singen — himmlische Rosen licher Spatzengehirne von Millionen weiblichen Gehirnen auch
ins irdische Leben flechten! an Gewicht weit übertroffen werden. Aber die Hauptsache ist,
Da ist denn das Sperrfort der Universität. Zum hundert- dass nach den neuesten Forschungen auf diesem Gebiete
sten ale wird den wissensdurstigen Frauen von Einem im das Gesammtgewicht des Gehirns für die Beurtheilung der
a ar gesagt. „Da habt Ihr nichts zu suchen!“ Und um Intelligenz überhaupt keine nennenswerte Bedeutung
em Woite den rechten zeitgemässen Nachdruck zu geben, hat. Solche Bedeutung kommt nur verhältnissmässig kleinen
hu mit hichtigthuendem Pathos hinzugefügt: „Wie solltet
hr auch? Euer Gehirn ist zu klein, um unsere Wissen- *) Eigenste Worte eines berühmten Professors der Anatomie.

49
Nr. 3 JUGEND 1896

Partien des Gehirns, vor Allem der „Grosshirnrinde“ zu, aus denen sich u. a. auch unsere Stimme zum Bass ent-
und auch hier stehen die dem höheren Denken dienenden wickelt, und welche jenen Brustton der Ueberzeugung zeitigen,
Nervenkörper neben solchen, welche ganz direkt die Sinnes- der so oft nur leerer Schall ist. Ueberall wo raubthierartige
werkzeuge und die Muskulatur im Zentralorgan vertreten. Die Energie, rohe Kraft, Leidenschaft, Brüllen etc. am Platze sind,
genaue Unterscheidung aller dieser Elemente ist äusserst da wird der Mann der Frau stets überlegen bleiben; er ist
schwierig und erst im Werden begriffen. Das Gesammt- kühner und verwegener in allen Dingen, auch im Denken
gewicht des Gehirns aber steht normaler Weise viel eher und Phantasiren. Dafür ist die Frau feiner, geduldiger, sorg-
zur Körpergrösse, zur leiblichen Entwicklung und Kraft, als licher, mitleidsvoller. Wenn sie nicht alle physischen und die
zur Intelligenz im Verhältniss. Das Riesengehirn eines Bis- meisten moralischen Lasten der Fortpflanzung zu tragen hätte
marck erklärt sich zum grössten Theile aus der ganzen wuch- — wer weiss, ob sie nicht längst unsere gefährliche Rivalin
tigen Persönlichkeit des ungewöhnlich grossen und starken auch im staatlichen Leben wäre!
Mannes; dass darin die Denkzentren einen verhältniss- Wer aber meint, dass das „hysteroi'de Denken“ (wie ich
mässig grossen Raum einnehmen, ist zweifellos. Im klebri- ganz allgemein das sprunghafte und durchlöcherte Denken nen-
gen kann auch ein grosser dummer Kerl ein sehr schweres und nen möchte) ein trauriges Vorrecht unserer lieben Schwestern
grosses, ein zartes und gescheidtes Männlein ein sehr kleines sei, der ist gewaltig im Irrthum. Wir müssten denn, — wollten
Gehirn besitzen, und genau so verhält es sich bei unseren wir gewisse Unzulänglichkeiten in Bau, Ernährung und Ver-
Schwestern. Da die meisten unter diesen von kleinerer Statur knüpfung der Denkzellen als „weibliches Prinzip“ bezeichnen,
und weniger raubthierartig beschaffen sind, als die Männer, — uns zu dem ungeheuerlichen, aber tiefsinnigen Satze ver-
so haben auch die meisten ein leichteres Gehirn, — nicht steigert : „Es gibt unter den Männern mehr Weiber, als unter
weil sie dümmer sind, als die Männer! den Weibern Männer.“ Ist doch die Geschichte menschlicher
Jene Gehirnpartien aber, welche speziell der Intelligenz Grausamkeit undZerstörungswuth, menschlichen Irrthums und
als Grundlage dienen, sind in ihrer Ausbreitung nicht blos Aberglaubens im Wesentlichen nur eine Geschichte männ-
das Produkt der Erbanlage, sondern auch der Uebung und licher Geistesumnachtung!
der durch diese bedingten spezifischen Ernährung. Man ver- Also, verehrte liebe Schwestern, vertrauen Sie getrost
statte dem zu höherer geistiger Thätigkeit veranlagten Frauen- dem göttlichen Funken, mit dem auch Ihr Gehirn geladen
hirn die rechtzeitige Uebung und die stolzen Thorwächter ist; aber vergessen Sie nicht, dass die Lehre »von dem
der Sperrforts werden sich wundern, wie viele geschickte Rechte, das mit uns geboren«, in der männlichen Rechts-
Kolleginnen sich ihnen an die Seite stellen werden. philosophie niemals für die Frau gegolten hat. Was Sie in der
Was der Mann trotzdem im Allgemeinen in fast allen Gleichberechtigung mit uns Männern auf den Gebieten geist-
geistigen Thätigkeiten vor der Frau voraus hat und wohl igen Schaffens erreichen werden, werden Sie uns ab trotzen
immer voraus haben wird, das beruht in der~stärkeren An- müssen in heissem Kampfe und unter Anwendung aller er-
griffsfähigkeit, welche ihrerseits wesentlich von geschlecht- denklichen Kriegslisten. Und darin sind Sie uns ja über-
lichen Verhältnissen abhängt, — von jenen Verhältnissen, legen, — wenn Sie wollen. georg hirth.

An der Seine, wo von jeher Wie wird der Bulgarenfürste


Rückblick u. Ausschau. Art und Sitte gar so fein sind, Festigen sein schwankend’ Thrönchen?
Von Ibykus. Zittert man vor einem Menschen, Wird den rechten Glauben finden
Dessen Hände gar nicht rein sind. — Er für sein durchlaucht’ges Söhnchen? —
Wieder nach des Jahres Wende
Aus dem Harem trat der Kranke Wer kann’s wissen? — Und tief unten
Blick ich sinnend und verwundert
Auf das menschliche Getriebe Mann, und Said Pascha rief er. Geht ein Grollen durch die Masse.
Doch den Pascha packt ein Grausen; Mit der Armuth bitterm Jammer
In dem sinkenden Jahrhundert.
Schleunigst um die Ecke lief er. — Bündet sich der Neid, der blasse.
Die civilisierten Völker Ueberall ein Zukunftsbangen, Den Enterbten Glück verheissend
Bringen durch die fernsten Meere Ueberall ein banges Zagen. Und das Ende ihrer Nöthen
Höhere Cultur und Bildung Selbst die Mächtigen der Erde Seh ich durch die Lande schleichen
Und — die Repetiergewehre. Stehen stumm vor solchen Fragen: Hassverbreitende Propheten.

Drohend starren in Europa Wird der heil’ge Vater schliesslich Bebel mit der rothen Fahne
Millionen Bajonette, Dulden, dass der Portugiesen Klopft schon leis’ an die Kasernen.
Während Frau von Suttner lieblich König in dem Quirinale Und wir wandeln dunkle Wege
Bläst die Friedens-Klarinette. Seine Liebden lassen grüssen? — Trotz elektrischer Laternen.

50
1896
JUGEND Nr. 3
Aller Orten gährt und kocht es
Wie in einem Hexenkessel; Die bayerischen Reichsräthe im Hofbräuhaus.
Nach den Thronen zischt und pocht es, Des Reiches Räthe, sogar die erblichen, D’rauf sprachen in Weisheit des Reiches
Wackelnd stehn Ministersessel. Trinken Bier so gut, wie die anderen Sterb- Räthe:
Ach! was nützt es, wenn voll Eifer lichen. »Wie wär’s, wenn man’s selber verkosten
Fromme, zartgestimmte Seelen Da ward nun behauptet jüngst in der thäte?«
Späh’n umher zum Wohl des Volkes, Kammer, Gesagt — gethan! Wie Sepperl und Natzl
Wo noch Feigenblätter fehlen! Mit dem Hofbräubier da sei es ein Jammer. Schritten die fürnehmen Herren zum Platz!.

Denn die Welt ist schlecht, und lange


Schon sie nimmermehr gefällt mir,
Weil der Menschen planlos’ Treiben
Alle Freude dran vergällt mir. —

Sachte, Freund! Noch Eines giebt es,


Welches immer int’ressant ist,
Wo die Energie des Strebens
Und Empfindens hochgespannt ist.
Dieses Eine wirst du immer
Sehn die schönsten Blüthen treiben,
Und in Ernst und toller Laune
Wird es gleich erfreulich bleiben.
Mag herum das Unkraut schiessen,
Dort gedeihet noch die Tugend.
Freu’n wir uns, dass wir es haben
Dieses Eine, s’ist die Jugend.

Topp! Jedoch das Heer der Thoren


Möchten wir nicht ganz entbehren,
Weil wir oft aus ihren Thaten
Ziehen unsre besten Lehren.
Bis vom Kopfe der Bavaria
Man ein Häusermeer nur schau’n wird, —
Bis der Wittelsbacher Brunnen
Von der Sonne kaffebraun wird, —
Stirbt sie noch nicht aus, die Thorheit,
Und aus unserm Fenster lugend,
Wollen wir sie recht betrachten
Und belachen, wir,
die „JUGEND“.

Das war der Graf Grapski auf Klazkowo


Im Lande der Bettelstudenten,
Dem musste ein löbliches Schöffengericht
Vor Kurzem ein Strafmandat senden.
Das war der Graf Grapski auf Klazkowo
Der hat seine Wuth nicht gezügelt
Und — weil ihm der Freche die Hand nicht
geküsst, — Sie kosteten lange und schlürften tief Und wo noch solches vorhanden war
Einen deutschen Beamten geprügelt. Und mancher durchlauchtige Mund ward Stand ihnen zu Berge hoch ihr Haar.
Drauf hat man verdonnert zu fünfzig Mark schief. Da riefen Hochwohl- und Hochgeboren:
Den temperamentvollen Grafen — Und drinnen in höchstihren Eingeweiden »O weh ! Da ist Hopfen und Malz verloren.«
Doch dass ihn der Andere nicht wieder Fühlten sie’s bohren und sägen und
verhau’n, schneiden.
Das soll man empfindlicher strafen!
Den hätt’ ich vom Amte suspendiert
Der Nieverlegene
Bis dass eine Quittung ihm schriebe Wenn in schwersten Schicksalslagen Einen wird es nie gelingen,
Der edle Graf Grapski auf Klazkowo — Alle Weisheit will versagen, In Verlegenheit zu bringen.
Für die wieder erhaltenen Hiebe! Wenn die klügsten Diplomaten Alles weiss und weiss er besser,
Der bekannte _ Herr Professor
r*-~„c
Im Erwägen, im Berathen,
GEORG BÖTTICHER.
Zögernd steh’n und stumm: Vom Gymnasium.

5'
Inseraten-Annahme Insertions-Gebühren
durch alle Annoncen-Expeditionen
sowie durch
G. Hirth’s Verlag in München
und Leipzig. JUGEND G. Hirth’s Kunstverlag in München & Leipzig.
fllr die
4 gespalt. Colonelzeile oder deren
Raum JL I.—.

abdrucken. Der Humor lässt sich ja selten aus


einer Sprache in die andere übersetzen.
Der Cicerone
in der
Das Titelblatt dieser Nummer, das den
alten Bismarck so trefflich schildert, wie er den
Kgl. Aelteren Pinakothek in München zerbrochenen Reichsadler wieder zusammen-
Eine Anleitung zum Genuss und Verständniss leimt, ist von Rudolf S e i t z , desgleichen die
der hier vereinigten Kunstschätze. reizende Titel-Vignette unter dem „Gruss an
die Jugend“ in unserer ersten (Doppel-)Nummer.
Herausgegeben von
Georg Hirth und Richard Muther. Unsere Mitarbeiter: Zugegangen oder in
Aussicht gestellt sind uns künstlerischeBei-
336 Seiten kl. 8° mit 190 Illustrationen. träge von: Julius Adam, Henry Albrecht,
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Der Cicerone ner, Fritz Burger, Caran cPAche, J. Carben,
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Königl. Gemäldegalerie in Berlin. lius Diez, L. Dill, O. Eckmann, Fritz Erler,
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der hier vereinigten Kunstschätze. Hugo Freiherr v. Habermann, Helleu, Louis
Herausgegeben von Hertzog, Paul Hey, Arthur Hirth, E. Hirsch,
Georg Hirth und Richard Muther. Hugo Höppener (Fidus), E. Hollenberg, A-
500 Seiten kl. 8° mit 200 Illustrationen. Horstig, J. Huber, Ibels, Jeanniot, Olaf Jern-
Preis brosch. Mk. 3.—, geb. ä la Baedeker Mk. 3.50. berg, Jossot, Arthur Kampf, F. A. v. Kaul'
bach, A. Keller, Max Klinger, J. Kerschen-
steiner, E. Kneiss, Franz Kozics, Lautrer, Le-
Diese Führer haben den Zweck, dem Besucher
die künstlerische und kunstwissenschaftliche Bedeutung ander, Franz v. Lenbach, Max Liebermann,
der Schätze der Gemäldegalerien zu erklären. Es ge- E. Lugo, A. Mareks, Karl Marr, v. Meissl,
schieht dies in einer allgemeinen Einleitung von Georg 0 Melly, Metivet, P. Meyer-Mainz, L. v. Nagelt
Hirth, ferner in einer pragmatischen Darstell- Vilma Parlaghy, Radiguet, A. Rietti, Th. Rocholl
ung der Bilder von Richard Muther.
Leo Samberger, J. Sattler, Scheuermann, fl-
Illustration von Robert Anning Bell zu „A Midsummer Schlitt, Arfad Schmidhammer. J. Schmitzbergeft
Nigth’s^Dream”, London, J. M. Dent.
Th. Schmuz-Baudiss, Carl Schnebel, Otto Seith
Rudolf Seitz, Werner Schuch, Max Slevogti
Steinten, L. Stockmann, C. Strathmann, Front
Stuck, Hans Thoma, W. Trübtier, Fritz v. Uhdtt
Ch. Vetter, Valloton, H. Zügel.
Literarische Beiträge von: Conrad
Alberti, Hermann Almers, Ferd. Bonn, M. G>
Conrad, Juliane Dery, Georg Ebers, Fran1
Fvers, K. E. Franzos, Ludwig Fulda, Mn*
ILalbe, Otto Erich Hartleben, Karl Henkell
Wilh. Hertz, Paul Heyse, G. Hirth, H.
Briefkasten. Hopfen, Otto v. Leixner, Hermann Lingg, Ali-
Matthaei, F. v. Ostini, Wilhelm Raabe, I"
Frl. A. L. Augsburg. Wenn Sie Ideen Rauchenegger, 0. Roese, P. K. Rosegger, Friede
haben für Bilder und Text und ihnen nicht künst- Schanz, Rieh. Schmid- Cabanis, Arth. Schnitzlet'
lerischen Ausdruck geben können — kritzeln L. Soyaux, C. Tanera, Joh. Trojan, R. v. Seyd-
Sie Ihre Bilder getrost so kindlich als Sie wol- litz, Paul Verlaine, R. Voss.
len, auf ein Blättchen Papier, wir haben Künst- Originalcompositionen von: Frnsl
ler genug an der Hand, welche zeichnen kön- Baecker, A. Bungert, Emil Hess, IL. Somntey
nen, aber um Ideen verlegen sind. Ebenso Richard Strauss, L. Thuille u. A.
braucht eine gute Idee in Worten nicht druck- Von den uns eingesandten Arbeiten „Del
reif eingesandt zu werden — wir nehmen das Krieg 1870—71 in 1870 Worten" ha1
Kind Ihrer Muse oder Ihres Humors schon in sich als die Geeignetste ergeben die von Kan
orthopädische Kur! Also getrost einsenden. v. Tanera, k. Hauptmann a. D. (Berlin). Die'
L. v. M., Berlin. Da die „Jugend“ es ser wurde der erste Preis (200 Mark) zu Theil-
sich zur Aufgabe gemacht hat, ihre Leser auch Den zweiten Preis (60 Mark) erhält die Arbeit
mit hervorragenden ausländischen Künstlern be- von Max Dittrich in Dresden. Den dritten
kannt zu machen und die Mehrzahl von diesen, Preis (40 Mark) erhält die Arbeit von Josef
namentlich die Herren Karikaturenzeichner ihre Riemerschmidt in Ehrenberg.
Texte zu den Bildern selbst schreiben, so müs- In unserer nächsten Nummer bringen »-It
Zeichnung von Dudley Hardy im »Courrier franfais«. j sen wir wohl oder übel, um ihr künstlerisches ein Lied: „Wenn . . .“ von Carl Busse, Origi'
Ensemble nicht zu stören, jene Worte im Urtext n a 1 - C10 m p o s i t i o n von Richard Strauss.

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Herausgeber: Dr. GEORG HIRTH; verantwortlicher Redakteur: F. VON OSTINI; verantwortlich für den Inseratentheil: G. EICHMANN; G. HIRTH’S Kunstverlag; sämmthe
München. Druck von KNORR & HIRTH, Ges. m. beschr. Hftg. in München.
1896 25. J A N U A R
JUGEND I. Jahrgang Nr. 4.

Munchnei illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben. — G. Hirth’s Verlag in


ALLE RECHTE VORBEHALTEN.
München & Leipzig.
Nr. 4
JUGEND
1896

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54
Nr. 4
1896 JUGEND
Sieh! die Messe ist zu Ende —
Und die Gläubigen verlassen
Ihre kleine Kirche, deren
Thurm so spitz, wie eine Spindel.
Bunte, sonntägliche Gruppen
Drängen aus der Kirchenpforte
Und verziehen sich allmälig
Bis es leer wird auf dem Platze.
Aber halt! was für ein grelles
Ding liegt an der Kirchhofsmauer?
Ich trat näher, und vor mir
Lag ein buntes Taschentuch.
Zweifellos verlor es eben
Einer jener Kirchengänger. »Du!« ER, der Rechtsanwalt, mit dem moquanten
Richtig! — dorten in der Ferne »Miez?« Lächeln — sein ganzer Witz besteht aus
Naht ein Weiblein, ängstlich suchend. »Arthur! Setze Dich einmal neben mich! diesem Lächeln — und der Major, der
Schnell heb’ ich das Tuch vom Boden, Nicht gar so nahe — so! Ich habe Dir schon immer hüpft wie eine Naive, um seinen
Will’s der Frau entgegentragen — seit Langem Etwas zu sagen.« Rheumatismus wegzuleugnen, der sanfte
Da entdeck’ ich einen Knoten »Himmel, wie ernsthaft! Wird’s eine Lyriker, der Dich fortwährend mit seinen
Und im Knoten fühl’ ich Schätze. Blicken andichtet, dann der Baron mit den
Strafpredigt?« grossen Schulden und dem kleinen Schnurr-
Was mich antrieb, weiss ich selbst nicht — »Nein — ich will Dir nur sagen — bart — Sie alle machen Dir den Hof und
Kurz, ich öffnete den Knoten: dass wir keine Kinder mehr sind.« beneiden mich um das Vorrecht, Dich Du-
Ach, wie traurig, ach, wie rührend! »Wir?« zen zu dürfen. — Und — Miez! Sag’ ein-
Tiefer Armuth Spuren sah ich! »Du brauchst gar nicht so spöttisch zu mal ehrlich — wie kamst Du überhaupt
Wenige kleine Silbermünzen thun! Auch ich bin kein Kind mehr!« darauf?«
Lagen abgesondert, etwas »Natürlich — siebzehn gewesen!« »Ich kam ja gar nicht darauf — oder
Nickel gab’s. Das Andere »Bald achtzehn! Und ich sehe aus wie doch — aber nicht ganz allein! Mama —
War gemeines Kupfergeld. zwanzig, sagt Mama.« und auch Tante Lina —«
Auch ein Amulet von Messing »Du bist herzig!« »Die Mütter! Mütter! — ’s klingt so
Lag dabei, den Schatz zu hüten; »Nun fängst Du schon wieder an! Und wunderlich! Was haben sie also ausge-
Sankt Franziskus! Dieser aber darum geht es wirklich nicht mehr so weiter heckt?«
Scheint es, inspirirte mich. — eben weil wir keine Kinder mehr sind!«
»Mama fand, dass es an der Zeit sei,
Denn, was ja im Leben jedem »Aber was geht denn nicht mehr, dum- dass wir — ich wiederhole nur ihre Worte
me kleine Miez?« — das kindische Verhältniss abbrächen.«
Menschen einmal kann passiren,
Widerfuhr auch mir: ich hatte »Das ist auch so was! Ich heisse Wil- »Ach und es war so reizend! Jetzt,
Einen lichten Augenblick. helmine.« — wo sie uns die Binde von den Augen reissen,
»Von und zu Bergholz! Weiss ich! weiss ich erst, in welch schönem Garten
Einen blanken Silbergulden Aber was will diese überflüssige Bemerk- wir spazieren gingen. Und gerade, weil das
Band ich zu den andern Schätzen ung sagen?«
In das Tüchlein, legte alles Verhältniss kindisch war, ist es schön ge-
»Kurz das: Wir dürfen nicht mehr so wesen! — Aber wenn Mama befiehlt — Da
Auf den alten Platz und ging. wie bisher zusammen verkehren — nicht meine Hand, schlag’ ein! Auf Sie und Sie!«
Ja, da war sie schon! — Ich stand mehr so —- »Auf Sie und Sie! Und nun sage ich
So, dass sie mich nicht bemerkte. »So frere et co—.« nie wieder Du zu Ihnen!«
Eine arme Bäurin war’s, »Sei nicht ungezogen.« »Und ich sage fortan getreulich Sie
Abgehärmt und früh gealtert. »So kameradschaftlich?« zu Dir!«
Als die Hagre, deren Augen »Ja, nicht mehr so kameradschaftlich! »Und dann noch eins!«
Auf dem Boden gierig forschten, Du bist jetzt schon fünfundzwanzig.«
Das Verlorene entdeckt hat, »Ich sehe aus wie vierundzwanzig, sagt
»Wie Sie befehlen, Wilhelmine.«
Schöpft sie Athem wie erlöst. Papa.« »Mit dem Taufnamen — Herr Doktor
»Sei doch einen Augenblick ernsthaft! — das geht auch nicht mehr an!«
Hastig nimmt sie auf das Tuch
Und befühlt in Angst den Knoten. Ich spasse gar nicht! Also höre: Du bist »Gnädiges Fräulein! Mir ist es, als
V’as ist das? — Sie stutzt! das Ding | fünfundzwanzig, ich fast achtzehn; wir sind
gar nicht verwandt und können nicht länger wäre hinter mir eine Thüre zugeschlagen,
Scheint ihr dicker, als es war. eine Thüre, hinter der es warm und hell
Und mit Fingern, welche zittern, mehr die Nachbarskinder spielen.«
war und vor der nun eine Regennacht liegt!
U eff net sje, schreit »Jesus Christus!« »Diese Wendung ist auch von Deiner Das ist ein hässliches Gefühl! Ein bitter
Sinkt in ihre Knie nieder. Mama!« ernstes jedenfalls, wie bei jedem Abschnitt
Schlägt ein Kreuz und betet laut. »Mag sein! Aber sie hat Recht!« im Leben! Wir sind keine Kinder mehr!
Als ich nun vor wenig Wochen, »Also entfremden wir uns! — Und wie Was ist das Mie — Fräulein v. Bergholz?
Nach so vielen vielen Jahren, sollen wir diese unsere Entfremdung zu Das, was da auf Ihrer Wange glänzt, sieht
Wiederum in’s Dörflein kam, sichtbarem oder hörbarem Ausdruck brin- ganz wie ein Thränlein aus!«
Fand ich nah der alten Kirche gen?« »Oh nein! Ich bin mir nur mit dem
Eine neue Altar-Nische »Wir dürfen nicht mehr — Du sagen Fächer in’s Auge gekommen!«
Für den heiligen Franziskus, zu einander.« »Empfinden Sie also nicht auch einen
w*? 5'n ?'tes Bäuerlein, »Nicht einmal das mehr! Und ich war leichten Geschmack von Bitterniss auf der
Welches ich darum befragte, so stolz darauf, und sie beneideten mich Zunge? — Gar nichts?«
Sagte: Ja, der Heil’ge habe so — die Andern, die Dir den Hof ma- »Ich weiss nicht, was Sie meinen —
Einmal einer frommen alten chen —« das heisst, ich weiss jetzt bestimmt, dass
Frau, die Medizinen brauchte »Mir?« meine Mama nicht gar so unrecht hatte.«
Für den kranken Mann zu Hause. »Ja! Ja! Ja! Eine ganze Menge heirats- »Und seit wann wissen Sie das?«
In ein Tuch, das sie verloren, fähiger Biedermänner macht Dir den Hof. »Seit Sie das mit der Bitterniss sag-
Eingelegt das nöthige Geld. Da ist der lange Amtsrichter, der sich auf ten —«
Die Gemeinde aber habe seinen Vollbart und seine I im Staatskon- »Miez!«
Ihm dafür dies Bild gestiftet. kurs so viel einbildet; der schöne Doktor, »Bitte: Fräulein--
der thut, als dürfe ihn überhaupt kein »Lass’ nur, liebe Miez, Du hast ja
A. WOHLMUTH. , Mädchen ausschlagen, weil er es ist, Er, schon so viel verrathen!« —

55
Nr. 4 1896

»Ich verstehe Sie nicht! Was soll denn - Das sehe ich doch nicht ein, Was denn
ich verrathen!« — zum Beispiel.«
-Wie gut ihr das Rothwerden steht! »Dass wir einander nie etwas übel neh-
Goldkind!« men wollten! Den Gontrakt habe ich selbst
»Wenn Sie wollen, dass ich mit Ihnen gebrochen und es Ihnen sehr verübelt, dass
plaudern soll —- Sie heute dem Amtsrichter den Cotillon
»Gut! — Sie haben Recht! Es wäre gaben!«
Schade um dies Plauderstündchen. Was »Oh der! Das ist ja alles nur wegen
liegt auch an dem unverständigen Fürwort! Mama! Sie nickte mir so gebieterisch zu,
Sie oder Du! Soll ich Ihnen was erzählen, als der würdige Mann um den Tanz bat.
gnädiges Fräulein?« Und hinterdrein sagte sie etwas so Kom-
»Wenn es etwas Vernünftiges ist!« isches zu Tante Laura — etwas was ich nicht
»Vernünftig? Nein! Dazu ist es viel verstand — etwas von mehreren Eisen, die
zu hübsch! — Es war zu einer Zeit, da sie im Feuer habe —-
ich Sie noch Miez nennen durfte, Fräulein »Was für eine weitblickende Mama ha-
Wilhelmine, und alle Welt nannte Sie da- ben Sie doch! Und darum das Verbot! —
mals noch Miez, denn Sie waren, verzeihen Und waren Sie mir nicht auch schon oft um
Sie, noch ein Backfisch in des Wortes grün- etwas böse, Mie— gnädiges Fräulein ? War-
ster Bedeutung. Und wie grün war ich! um schmollten Sie denn, als wir neulich
Ich trug die Abiturientenmütze auf den vom Schlittschuhlaufen nach Hause gingen
Locken — oh ja! bitte, damals hatte ich und ich Ihnen die Flügelschuhe tragen woll-
noch Locken —- und hatte das Herz und te? Sie sagten: ,Bitte, ich will Andere Ihrer
den Kopf so voll von Unsinn und über- Galanterie nicht berauben!1 und sagten es
quellendem Gefühl, dass ich meine Em- bitter — wie Galle!«
pfindungen in Reime setzte. Für alles Hohe »Das war, weil Sie sich so viel mit die-
und Ideale schwärmte ich —die Arbeit aus- ser Frau Bartow zu thun machten. Sie ist
genommen — und was meinem Pegasus in eine Sirene, sagt —-
die Quere kam, wurde besungen. Und Sie »Mama!«
waren das einzige Wesen, das Sinn und Ge- »Jawohl! Und alle Welt sagt es! Und
duld für meine Poesien hatte. Und dann! Sie müssen doch nicht glauben, dass dies
Es war ein Abend im Park! Grillengezirp echtes blondes Haar ist! Und ihr Ruf! Der
und Vogelgezwitscher füllte die Luft. Wir kleine Blasswitz von den Husaren soll sich
sassen auf einer Steinbank — sie kann auch ihretwegen erschossen haben — Und sie soll
aus Holz gewesen sein — und schauten zu, gar nicht Wittwe sein — sondern blos ge-
wie der rothe Mond über den flachen Hügeln schieden! Sie hat ihren Mann böswillig ver-
der Ferne heraufstieg. Ich hatte Ihnen eben lassen. Schulden hat sie auch.«
ein Gedicht mit Weltschmerzgedanken vor- »Und mit diesem entsetzlichen Weibe
gelesen, dazu kam der Mond, die Grillen, tanze ich heute den Cotillon!»
der Hollunderduft — und unsere Seelen
wurden weich. Es war nur Freundschaft, »Höhnen Sie nur! — Bis Sie in ihrem
Fräulein Wilhelmine, was wir uns dort Netz zappeln, bis es Ihnen geht wie dem
schworen — aber Freundschaft auf Tod und armen Blasswitz. Ach Arthur — sie wird
Leben.« Sie sehr unglücklich machen, sie ist falsch
»Die will ich Ihnen ja auch —- und so putzsüchtig und sie malt sich —
»Zu viel Güte! — Damals sagten wir ich habe es vorhin ganz deutlich gesehen,
uns, dass wir bis an den Rand des Grabes sie malt sich!«
gute Kameraden bleiben, uns nie etwas »Miez!«
verheimlichen, nichts übel nehmen wollten
unser Leben lang. Wir redeten sehr klug »Ich bitte!«
und sehr geringschätzig von den Leuten, »Das Alles ist schon wieder gegen un-
die eine richtige Freundschaft nicht für mög- sern alten Gontrakt. Wir haben uns doch
lich hielten zwischen Mann und Weib — versprochen, was wir irgend einander mit-
nein, so präcise drückten wir uns nicht aus. zutheilen hätten, gerade heraus zu sagen?«
Wir sagten: zwischen jungen Leuten, wie »Gewiss! Ich thue es ja eben!«
wir. Aber wir wollten es ihnen schon zei- »Sie thuen es nicht und ich habe es
gen ! Alle Welt sollte sehen, dass wir rich- auch nicht gethan. Nun reden wir alle
tige Freunde seien. Und duzen wollten wir Beide schon eine halbe Stunde um die
uns auch, aller Welt zum Trotz — und wenn Sache herum und sagen uns doch nicht,
die Tante Laura darüber explodirte!- was wir uns sagen müssten!«
Wissen Sie noch, wie wir unseren Bund be- »Das verstehe ich nun wirklich nicht!
siegelten? War das hübsch!« Was sagen müssten?«
»Sie sind unartig und waren es damals »Dass es überhaupt mit der alten
auch!« Freundschaftsgeschichte nichts mehr sein
»Aber sie wehrten sich nicht und wir kann!«
meinten es auch so ehrlich und kindisch »Und warum das?«
mit unserm verlegenen Anfängerkuss. So- »Weil — sieh mich einmal an! — weil
gar unsere Nasen gingen uns dabei im Wege wir uns dazu viel zu lieb haben, Herzens-
um, so ungeschickt waren wir.« kind!«
»Wenn Sie nicht aufhören, von so thö- »Aber was Dir einfällt, Arthur —-
richten Dingen zu reden, gehe ich zu Mama »Nein, sind wir dumm, sind wir dumm
hinüber in den Saal!« gewesen! So was nicht glatt weg einzu-
»Ich bin schon zu Ende mit den thörich- sehen! Haben uns lieb und wissen es
ten Dingen und es ist Schade darum! Heim nicht und sagen es einander nicht!«
nun ist eben auch Alles dahin und zu Ende, »Aber ich habe Ihnen —«
was wir uns damals versprochen haben für s »Du, heisst es jetzt, Miez, Du!«
Leben!« »Ich habe ja gar nicht gesagt, dass
»Doch nur, dass wir Du zu einander ich — Sie lieb habe! Es ist auch gar
sagen wollten —« nicht so.«
»Alles Andere auch!« »Und die Eifersucht auf die Sirene?«
Zierleiste von j. Diez.
1896 JUGEND Nr. 4

»Es war ja nur um Ihr Glück! Ich


— ach Gott, auf mich kam es ja gar nicht
an! Ich hätte Keinem was merken lassen
und wenn mir das Herz gebrochen wäre —«
»Aber lieb hast Du mich nicht?«
»Ich hätte die Zähne zusammenge-
bissen und gelacht und wäre eine alte
Jungfer geworden —«
»Trotz Mama, Tante Laura, Amts-
richter, Doktor und Major! — Ja aber
warum denn das Alles, wenn Du mich
gar nicht lieb hast?«
»Ach — Du!«
»Aber nun zurück zu Mama!«
»Herr Doktor, wo bleiben Sie denn
so lange mit meiner Kleinen?«
»Mama, wir hatten — ich habe —«
»Miez und ich hatten uns so viel zu
sagen. Gelt Miez, Du erzählst es Deiner
Mama? Ich muss zur Quadrille! —«
»Aber Ihr duzt Euch ja noch!«
»Verzeihen Sie, gnädige Frau — wir
duzen uns — wieder!«
»Siehst Du, Laura, ich hatte Recht!
Es ging prächtig! Man musste die jungen
Leutchen nur auf den rechten Weg bringen
— ich glaube, die wären ihr Lebtag nicht
darauf gekommen, dass sie sich lieb haben,
hätte ihnen mein Verbot nicht dazu ver-
helfen ! — Und Arthur bekommt das Ma-
jorat, wenn sein Onkel stirbt!«
f. v. OST1NI.
Originalzeicbming von L. Corinth.
Ein Geheimniss!

Wenn die bleichen Träume bluten,


Verwehte Klänge Die in meiner Stirne sind,
aus den Gärten der neuen geistigen Kunst. Jauchz’ ich wie ein Sommervogel,
Von unserem Spezial-Symbolisten. Der voll bunter Federn ist.
ANKLANG.
DA WEINT’ ER..
War es das Klingen der goldenen Bleche
Von Ambraduft ein kräuselndes Gewölk
Dort am chinesisch gekräuselten Thurm?
War es der Lenzwind der lüsterne, freche, Und Rosenblätter,
Weckend Narzissen zu brünstigem Sturm? Die auf des Perserteppichs dunklem Bunt
Hinwelkend blichen
Weil mich ein schmerzliches Klirren durchzückte Und eines Abendwölkchens goldner Glanz
Wie vom venetisch geschliffnen Pokal, Im Blau zerfliessend —
Welchen nach all zu bacchantischem Mahl Das wars, was mir den amethystnen Blick
In herrischen Fingern der Doge zerdrückte. - Zu Thränen trübte....
VIA DOLORIS. IRRES DÄMMERN.
Führe mich die rauhe Strasse, Auch denk’ ich noch an jene stumme Stunde,
Die voll scharfer Kiesel ist, Die langsam-schwer die sammtne Schleppe schleifte
Führe mich zur Dornenhecke, Und mit dem seltsam engelländ’schen Munde
Die voll spitzer Stacheln ist. In scheuem Kusse meine Locken streifte.
Flicht mir eine Dornenkrone, Den Purpurpfühl, d’rauf meine Glieder ruhten,
Die voll spitzer Stacheln ist, Stach scharf und kalt ein violetter Strahl
Flicht sie eng um meine Stirne, Und in der Dämmrung lethe-bleiche Fluthen
Die voll bleicher Träume ist. Sank meiner Schwermuth zitternder Opal...

57
Nr. 4 JUGEND 1896

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1896 JUGEND Nr. 4

»Du wirst Dir den Schnupfen holen


Literatur-Ballerino. So ohne Paletot, Nachts am Meer!«
Zwischen sieben Spiegeln tanzt er:
Nackt die Brust und nackt die Beine,
Um die Lenden ein gluthroth Tuch.
Zwischen sieben Spiegeln tanzt er;
Sieben Feuer werfen Scheine
Auf die wirbelnden Arme und Beine,
Auf das gluthrothe Lendentuch.
Und er lächelt — und bedenkt sich;
Und er faltet seine Brauen;
Und er schlägt sich und — bedenkt sich
Und drapirt das rothe Tuch.
Zwischen sieben Spiegeln tanzt er,
Schlägt ein Gong und singt — ein Buch.

Gaudeamus-Potpourri.
Wie selbiges der Studiosus philosuffiae Schwuchtibert Sing-
huber auf dem Heimwege vom grossen Scheffel-Kommerse
gedichtet, nachempfunden und in die stille Nacht hinein-
gehaucht hat.
Mel.: »Alt Heidelberg, du feine —«
und zwar behaupten böse Zungen, der Edle habe das Lied
aus Fisis-Moll und in s/7 Takt gesungen.
Wohlauf, die Luft geht frisch und rein,
Fahr’ wohl, mein grauer Hut!
Gibt’s nirgend mehr ’nen Tropfen Wein?
Mir ist so kreidig zu Muth.
Alt Heidelberg, du feine,
'Raus da! Rem blemm! Hollaheh!
Schon friert’s mich an die Beine
Im Lamm zu Niniveh.
Augustus sass im Kaisersaal,
An Durste riesengross:
O Welt, du Katzenjammerthal,
Du süsse, halbvergess’ne Stunde Wir kleben und kommen nicht los.
Alt Heidelberg, du feine
Im grünen Uferlaubgerank, Im schweigenden Ocean,
Wo ich zuerst von ihrem Munde, Ich pfeif’ auf die saueren Weine,
Der Liebe holden Zauber trank! Wir pumpen niemand mehr an.
Ein Windhauch ging durch Liebchens Locken
Zwölf Palmen ragten am Meeresstrand,
So mild, so weich — ein Frühlingstraum Blauäuglein blitzen drein,
Und streute leichte Blüthenflocken Da sprach der Hausknecht aus Nubierland:
Auf uns herab vom alten Baum. Es hat nicht sollen sein!
Alt Heidelberg, du feine,
Die grüne Laube sah ich wieder, Der Schwed’, der Schwed’ ist da!
Den alten Blüthenbaum dabei, Die Wahrheit liegt im Weine,
Wie damals duftete der Flieder, Sit vino gloria!
EDWIN BORMANN.
Wie damals schimmerte der Mai.
Doch meine heissen Augen riefen
Die todte Liebe nicht zurück.
Versunken wie in ferne Tiefen
Lag jene Stunde und ihr Glück.
Der Tag verblich, die Schatten sanken
Und Nebel dampften aus der See,
Schwer lag der Nachtthau auf den Ranken,
Wie auf der Seele stummes Weh,
Es kam die Nacht auf leichten Sohlen —
Da klang’s vom Fischerhause her:
59
Nr. 4
1896

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Der Wolke" Original vo.. I?iJn» (H. I lö, p ilci).


Nr. 4 JUGEND 1896

Märkische Stimmung.
Wenn die Wolke graut, die Sonne sticht,
Bleiern der Himmel brütet:
Wand’rer, hab’ Acht! Lang währt es nicht,
Bis der Donner poltert und wüthet.
Der Himmel wird ein Feuermeer,
Der Sturm knickt Fichtenäste —
Und unter Dir und um Dich her
Nur Sümpfe und Moräste.
Doch wie’s gekommen, zieht’s vorbei
Und die Vögel im Laube frohlocken;
Die Erde, die Sonne glänzen wie neu,
Dein Fuss geht sicher und trocken.
D’rum brauchst Du vor dem märkischen
Sand
Nicht wie vor den Alpen zu zittern:
Im Ganzen ist’s ein trock’nes Land —
Trotz seinen schnellen Gewittern.
CONRAD ALBERTI.

Die „Loreley“.
Ich weiss nicht, was soll es bekunden,
Die Jahre orgeln rasch sich ab, Ich hoff’, dass reine Melodei’n Was heute so traurig mich stimmt:
Ich orgle fort bis an mein Grab; Für heuer auf der Walze sei’n! Ich denk an ein Kriegsschiff, das unten
Am fernen Bosporus schwimmt.
Die Luft ist kühl, es will dunkeln
Und glatt liegt bei Stambul die Fluth —
Die „Loreley“ — höre ich munkeln —
Sei lang’ schon zu gar nichts mehr gut.
Die Kanonen — in sichern Verliessen
Des Schiffsraums liegen sie stumm:
Man wagt es,nicht, oben zu schiessen,
Sonst kippte die „Loreley“ um.
So liegt sie seit uralten Zeiten
Vor Anker am nämlichen Fleck,
Der grosse Brummkreisel schien ge- ich so wenig Chic besässe! Weisst Du über-
waltig erbost zu sein, obwohl er eigentlich haupt, was Chic ist! — Du siehst ja aus Das Moos wächst ihr längst an den Seiten
wenig Ursache hatte, und der hölzerne liess wie ein umgekehrter Kirchthurm — hähähä! Und Schwammerln und Seegras auf Deck’
all die hitzigen Vorwürfe stumm über sich — Du hast ja nicht einmal einen anständigen
ergehen. Aber der Brummkreisel schimpfte Bauch!-Ach Gott! Ich vergeude wahr- Die allerunschuldigste Bö’ macht,
und tobte immer weiter wie ein altes Wasch- haftig meine kostbare Zeit und meine kost- Dass sie die Balance verliert:
weib. — bare Lunge an dieses Lumpenpack! Die ver- So stolz wird germanische Seemacht
„Ach Du — Du Lump! — Du hast gar dienend ja gar nicht, dass man sich mit ihrer
keine Berechtigung neben mir zu existiren! Beglückung abgibt!“ Im Ausland repräsentirt.
-Du denkst wohl gar, Du bist meines- Der Holzkreisel war ganz starr, denn
gleichen, Du elender Proletarier Du! Bist er fühlte im Innersten, dass all diese Schelt- Ich glaube, die Wellen verschlingen
Du vielleicht auf die drei blanken Knöpfe worte berechtigt wären und wagte keinen Das Schifflein mit Mann noch und Mans>
da an Deiner Mütze stolz? Oder darauf, Ton zu erwidern; der andere aber fühlte Drum ist es am Besten, wir bringen
dass Du von Holz bist? — pfui Teufel: von sich durch seine wuchtige Rede gewaltig
Holz! — Bettelpack! — Sieh mich einmal Den Kasten bei Zeiten nach Haus!
gekräftigt und erhoben: diesem Gesindel
an: ich bin von Blech! — Du mit Deinem hatte er’s endlich einmal gründlich gegeben! Und kann er soweit nicht mehr laufen,
platten Schädel erkennst natürlich nicht den Da scheuchte ihn eine Hand empor; er
gewaltigen Unterschied! — Ich kann auch musste sich drehen, unermüdlich drehen Ist nicht viel Schaden dabei:
singen, dass alle Menschen entzückt lau- und dazu sein eintöniges Lied brummen, Wir streichen es frisch und verkaufen
schen; ich habe auch goldene, rosenfarbene wie er’s schon tausendmal gethan hatte. Den Türken das Prachtstück für neu.
und dunkelblaue Bänder über Brust und Und neben ihm wirbelte der „pöbelhafte“ KI-KI-Kl’
Bauch — und ein silbernes um den Hals, Holzkreisel. — Freilich nach dem Schlage
während Du — Du dummer Pöbel Du! — einer Peitsche. Aber tanzen mussten sie
Dich mit schmutzigen rothen und grünen beide, so lange ihr Herr—der kleine Knabe —
Streifchen brüstest! — Und Deine ganze es wünschte-höchstens durftedergrosse
Figur! Ich würde mich ja schämen, wenn dabei ärgerlich brummen. l. wetzlar.

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1896
. JUGEND -. Nr. 4
Appartement ä louer.

Für die „Jugend1* gezeichnet von M. Radiguet (Pari»).


Et dans toutes les pieces, des placards ä pouvoir cacher des regiments
une petite dame maride! entiers .... c’est ?a qui est commode pour
1896
Nr. 4 JUGEND
Krieg lebt, schliesst endlich Frieden mit die-
sen und rückt in den Rang der siebenten
Grossmacht auf. Russland tritt Sibirien an
die räumlich etwas beschränkte Republik
San Marino ab. England überlässt Deutsch-
land ein Vogelriff im atlantischen Ozean
(15 Dm Oberfläche) und erhält dafür die
deutschen Colonien in Ost-, West- und Süd-
afrika. Ausserdem bekommt es den Rest
von Afrika, ganz Asien, Südamerika, Au-
stralien, Hannover, Sachsen - Goburg - Go-
tha, die noch unentdeckten Polarländer,
die uns zugekehrte Seite des Mondes und
den Ring des Saturn. Die Ansprüche auf
die Kugel des Letzteren hat England gross-
müthig Deutschland überlassen. Dem
Königreich Bayern wird ausser der Mark-
grafschaft Bayreuth, welche unter Co-
sima I. wieder hergestellt wird und der
Lehensherrschaft Fuchsmühl, die sich
unter dem Präsidenten Grillenberger als
Republik erklärt, auch noch die Mühe,
Kehr’ Jeder vor der eig’nen Thür’ —- Mit warmer Ueberzeugung Pathos für die Rheinpfalz zu sorgen, abgenom-
Die Meisten haben Grund dafür! — — Und mit der Tugendmiene Cato’s men. Diese bekommen die Spanier, da-
Ais jüngstens von der rechten Seite Vertreten der Enterbten Rechte mit sie, da ihnen Cuba doch verloren geht,
Ein Mann in’s Weite ging und Pleite In spitzgeführtem Wortgefechte. in Zukunft wenigstens etwas zu rauchen
Als Fälscher und gemeiner Dieb, Fritz Friedmann heisst der biedre Knabe, haben. Dafür gibt Spanien an die Eng-
Der eh’dem viel Artikel schrieb, Der eben griff zum Wanderstabe länder den Landstrich nördlich von Gib
Wie Tugend man im Land verbreite, Und sachte durchging „mit avec“ raltar bis zu den Pyrenäen ab. Irland
Und für Altar und Krone streite, Zu vieler arg Betrog’nen Schreck. macht sich unter Gladstone als Königreich
Wie unreell in Wettbewerben ,Wie ein gehetztes Edelwild“ — selbständig. J apan,das wegenseinerMacht-
Die Juden, die das Volk verderben, Ich brauche hier sein eignes Bild, stellung das Bewusstsein, eine Insel zu sein,
Und wie sie oft um ihr Vermögen I Entfloh der stramme Demokrat entschieden schmerzlich empfindet, wird
Die Leute raffinirt betrögen, — Den Rackern von Justiz und Staat, als Festland erklärt. Grönland wird
Als dieser floh und überdies Nahm fremde Gelder mit als Raub den deutschen Sozialdemokraten überlas-
Sich vielfach sonst „so-so“ erwies, Und noch als Lump mit Eichenlaub sen; Singer, Liebknecht und Bebel richten
Beim Baccarat und Ecarte Drapirt er sich, mit Phrasenfetzen, dort einen Zukunftsstaat ein. Palästina
Und auch im Chambre separee: Und spricht von Hunden, die ihn hetzen. wird unter Hirsch I. wieder ein Königreich
Der Herr Baron von Hammerstein, Genau so hat’s der Hammersteiner wie früher. Der Kirchenstaat wird wie-
Wie ein gehetztes wildes Schwein Gemacht — nicht gröber und nicht feiner: der hergestellt; es fragt sich nur wo? Das
Ward er verfolgt und seine Leute Und schaut man sich nur gründlich um, Herzogthum Lauenburg geht an Eugen
Von grimmer Bracken wilder Meute. Ist allerseits was schief und krumm. Richter über. Tirol bekommen di: Kapu-
Da goss man Spott und Gift und Hohn Es hat manch braver Centrumsmann ziner, die Jesuiten und die Franziskaner
Auf alle „Edlen der Nation“ Schon Hammersteinisches gethan, zu gleichen Theilen. Berlin wird durch
Und die um Richter und um Singer Und mancher Held von Singers Schaar zwangsweise Abschiebungen aus anderen
Erhoben warnend ihre Finger War besser nicht, als Friedmann war, Städten zur Fünfmillionenstadt ergänzt und
Und riefen laut: „Nein, so was Schlechts Und der Antisemiten Zahl ward erhält den Beinamen „Kopf der Welt“. Die
Passirt gottlob nie links, nur rechts!“ — Von Gott bestraft mit Meister Ahlwardt. Vereinigten Staaten siedeln nach Chi-
Doch ging es hier wie überall, Auch bleibt’s der Nachwelt unverloren, na über, um die dort schon vorhandene chi-
Es kam der Hochmuth vor dem Fall: Wie Stöcker fast „vorbeigeschworen“ — nesische Mauer in Betrieb zu nehmen. Die
Es wird das Gleiche jetzt bekannt, So hat halt jegliche Partei in Nordamerika frei werdenden Gebiete fal-
Von Einem, der mehr linkswärts stand Im Wandschrank ihr Skelett — auch zwei len dann natürlich an England. Für die
In Politik und Religion Und überall ist Grund dafür, 357 Millionen Chinesen, die dadurch ob-
Und der gar oft in scharfem Ton Zu kehren vor der eig’nen Thür! dachlos werden, muss erst ein neuer Auf-
enthaltsort gefunden werden; vielleicht No-
waja Sem 1 ja. Oder Island? Aber hier
denkt sich ja Ferdinand von Coburg als Lan-
Geehrte Redaktion! desvater niederzulassen, da Russland die
Selbständigkeit und das Königreich werden
Die Lorbeeren des vir pacificus in den gehobenen und heiteren Stimmung. Aber Bulgarien nur unter der Bedingung zuge-
„Preussischen Jahrbüchern“ haben mich wenn schon, denn schon! Bei fraglicher steht, dass Boris sofort die Zügel der Re-
nicht schla- nein, im Gegentheil: sie haben Vertheilung kamen viele Länder und Per- gierung ergreift. Man kann auf die Thron-
mich schlafen lassen, sonst hätte ich ja den sonen zu kurz, das war nicht Recht! Nach rede des jungen Monarchen sehr gespannt
unten mitgetheilten Ergänzungstraum zu und nach entwickelte sich in mir ein hoch- sein. Die Schweiz erhöht die Zahl ihrer
den „Politischen Träumereien“ nicht träu- gesteigertes Machtgefühl. Ich vertheilte die Cantone auf 150; jeder davon bekommt
men können, die der oben genannte Fii> Welt, Alles fügte sich meinen Anordnungen. seine eigene Verfassung. Montenegro
densmann in besagter Monatsschrift ver- Hier sind sie: bekommt von Russland noch ein Tagwerk
öffentlicht hat. Mein Traum hängt mit dem Reuss ältere Linie verpflichtet sich, end- und drei Dezimalen Grund und das alleinige
Weihnachtsgeschenk einer liebevollen alten lich das deutsche Reich anzuerkennen und Privilegium zum Hammelstehlen auf der
Tante zusammen. Sie schickte mir ein paar bekommt dafür Madagaskar; Argentinien, Balkan-Halbinsel. Wenn allenfalls sonst
Flaschen guten alten Rhum, eine Flüssig- Portugal, Griechenland und Monaco werden noch irgend was übrig ist, bekommen es die
keit, die mit etwas warmem Wasser ver- unter König Milan von Serbien zu einem Engländer.-
mischt ein wohlschmeckendes und anregen- Königreich Pumponia vereinigt; derLandes- Dieses ist mein Ergänzungstraum. Er
des Getränk bildet. Ich leerte das Tröpflein herr betreibt die Geschäfte von Monaco in kommt Ihnen vielleicht ein wenig confus
auf das Wohl der braven Dame und las eigener Regie und zahlt aus den Erträgnis- vor. Aber schliesslich, ärger als der Träu-
während ich mit der ersten halben Flasche sen dieses Betriebes nach und nach die mer der „Preussischen Jahrbücher“ habe
beschäftigt war — später hinderte mich ein Schulden der genannten Länder; Ungarn ich es auch nicht gemacht.
akuter Fall von Augenschwäche am Lesen bekommt seinen eigenen Globus, Böhmen Und dann bedenken Sie, die zwei Fla-
— die politischen Träumereien des vir pa- sogar sein eigenes czechisches Planeten- schen Rhum!
cificus. Diese Umwerthung aller politischen system ; das Fürstenthum Liechtenstein, das Hochachtungsvoll
Werthe ge