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ILLUSTRIERTE WOCHENSCHRIFT
FÜR KUNST UND LEBEN
1896
BANDI
NR- 1—29
G. HIRTH’5 KUNSTVERLAG
MÜNCHEN & LEIPZIG
UNIVERSITÄTS
BIBLIOTHEK
HEIDELBERG
i -10
Alt unsere Fremde Des reinen Weizens sonder Spreu,
Des Neuen, das gut, des Guten, das neu,
E^a liegt er nun, unser erster Band, Euch bieten in der Quartale Lauf —
Schmuck und gewichtig in unserer Sand, Verehrte LeserI Die Saud darauf! —
Vierhundert Seiten sind's, die sich da einen, Sat uns auch an Feinden nicht gefehlt.
In einem Einband aus rothem Leinen. Was haben sie alles geklagt und geschmält,
Da wär' es glücklich nun gelandet, In ihren Reden und Blättchen und Schriften!
Gekentert nicht und nicht gestrandet, wir follten das Serz der „Jugend" vergiften,
Das Schifflein mit dem bunten Wimpel, Wir hätten von idealer Runst
Nach Sturm und Fährniß mancher Art, Reine» blassen Schein, keinen blauen Dunst,
Seil und bereit zur nächsten Fahrt. And namentlich sei's ein Skandal
Es hat uns freilich mancher Gimpel Bezüglich der sogenannten Moral,
Und mancher Neidhart prophezeit, Wie nackt und bloß in unseren Spalten
Das Boot der „Jugend", es käm' nicht weit: Gar mancherlei verruchte Gestalten
Denn erstlich nähm' es zu wild den Flug Umtrieben ganz ohne Feigenblätter.
Und nicht nach bewährten nautischen Regeln, Es krachte so manches Donnerwetter
Dann hält' es auch zu viel wind in den Segeln, Bon hoher Ranzel auf uns her,
Und fein Ballast sei nicht schwer genug, wir hatten ja allen Respekt vergessen,
Und auch an Mannszucht fehl' es an Bord — Manch wackerem Schwarzrock was aufgemessen,
Wir aber segelten fröhlich fort, Und manchen politischen Rampfhahn schwer
wir hatten tüchtige Mannschaft geheuert, Geärgert, verhöhnt und im Bild geschildert.
Uns halfen rüstiger Arme viel, Gs hieß: Die „Jugend" sei falsch und schlecht,
Voll frischen Muthes und angefeuert Frivol und frech und total verwildert-
Bon einem schönen und hehren Ziel. Nun — dafür machten wir's Andern recht
Und ging's auch durch tosende, schäumende Fluth, Und zwar den Bessern in deutschen Landen,
Die Fahrt war gesegnet, die Fahrt war gut. Und haben die Bessern uns wohl verstanden,
Wir nehmen recht gerne die Schreier in Rauf!
Da liegt er vor uns, der erste Band, Schlagt nur einmal den Band hier auf
Biel tausend Zeilen von krausen Lettern Und auch ein Gegner inuß gesteh'n,
lind schnurrigen Bildwerks allerhand — Es ist nicht wenig darin zu feh'n.
lind wenn wir die bunten Seiten durchblättern wir lassen es freilich lieber bleiben,
Bon vorn nach rückwärts, gesteh'n wir frei, Einen trockenen Index davon zu schreiben,
Mag sein, es ist mancher Schnitzer dabei; Wer wissen will, was im Buche stünde,
Langweilig aber ist's nicht gewesen, Mag selbst d'rin suchen, auf daß er's finde.
Weder zu schauen noch zu lesen. Da sieht er im fröhlichen Wechselspiel
Ist schließlich ja aller Anfang schwer — Stets wechselnd wie in Raleidoskopen
link daß wir in Zukunft immer mehr Der Bilder, der Verse, der Srosa viel,
Da findet er Scherze vom £)ol und den Tropen, Gar viele Gedichte von Lust und Liebe
Und ernsthafte Kunst in Schwarz und Bunt, Und Stimmungsbilder bald licht, bald trübe,
Schmal, breit und hoch, und kantig und rund, Und (Epigramme, Gedankensplitter,
Symbolische Schnörkel gar fein zu deuten, Novellen, Satiren, harmlos und bitter
Porträts von großen und anderen Leuten, Und manche lustige Parodie,
Manch treffliches Blatt zunr greife des Weibes, Und Lieder sanunt Text und Melodie.
Zum Lobe der Schönheit des Menschenleibes, Und manchen Spott auf die perren Philister —
Poetisch - symbolisch - gedankentiefes, Und damit ist unser Znhaltsregister
Sentimentalisches und Naives, Noch lang nicht zu Tnde — blättert nur heiter,
Und schöner holdseliger Frauen Köpfe, Auf daß Ihr findet, im Buche weiter!
Taricaturcn zum pohn auf die Zöpfe,
Und Blumengeranke von zierlichcin Schwung Wir aber, wir rüsten mit frischer Kraft
Und vaterlandsfrohe Begeisterung, Auf's Neue uns für die Wanderschaft,
Und Zägerschwänke in Bild und Wort. Auf's Neue uns für die fröhliche Fahrt.
Und mancherlei Unsinn und mancherlei Sport, Ts gibt noch Dinge so mancher Art,
Sogar aus der pölle find Bilder zu fchau'n Viel Schönes und Gutes in Bild und Gedanken,
Sammt Spukgeschichten aus Nacht und Grau'n, Womit wir befrachten unsere Planken,
Sogar aus dein Pimmel ist was dabei, Dann schütten wir fröhlich für Tuch zu paus
Zn ernster und heiterer Schilderet, Die bunten, schinnnernden Schätze aus,
Madonnen findet Ihr da und Tngel; Die wir heimgebracht aus der Schönheit Mich —
Sogar aus dem blutrothen Ulars dort oben
Sind Bilder und Szenen mit eingewoben; Nur seid auch fruchtbar und inehret Tuch,
Dann findet Zhr Gigerln und Ladenschwengel, So wie Zhr bis heute wuchs't an Zahl!
Und sonst noch viel schnurrige Menschlein vor, Dann können wir auch mit jedem Mal
Und putzigen, neckischen Mädchenflor, von Woche zu Woche, von Jahr zu Jahr,
pikantes findet Zhr auch, Französisches Tuch reicher bedenken immerdar,
Und Deutsch - bureaukratisch - politisch - chinesisches, Scharfäugig stets nach dem Besten lugend
Dann findet Ihr Blätter für Thic und Mode Vom hohe» Mastkorb über die See —
Und grausige Tänze, getanzt von: Tode, Mit diesem Wunsch sagt Tuch Ade
Plakate, Vignetten und Speisekarten, Zn froher Zuversicht
Und Bilder von hundert anderen Arten, die „Äugend".
München, Juni ;8Y6.
1896 . JUGEND ->
Münchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben. — G. Hirth’s Verlag in München & Leipzig.
ALi.fi HECHTE VORBEHALTEN.
JVOEND Münchner Wochenschrift für Kunst und Leben
[ie Erwägung, dass unter den zahl- Und wer nur ein warmes Herz für diesen Künstlerische Beiträge zum Bilder-
reichen in Deutschland erscheinen- Gedanken hat, wer dazu beitragen will und schmuck der «JUGEND» haben wir erhalten,
den illustrirten Wochenschriften die Kraft dazu in sich fühlt, mit uns zusammen oder werden wir erhalten von:
sich keine einzige befindet, welche ein lustiges Blatt an der Wende des Jahrhunderts Henry Albrecht, Peter Bauer, Henri Boutet,
den Ideen und Bestrebungen unseres sich immer zu schaffen, das uns den Uebergang in das A. B'öcklin, Otto Bromberger, Fritz Burger,
reicher gestaltenden öffentlichen Lebens ln Neue zu einem Vergnügen machen und die Caran dl Ache, y. Carben, Cazal, L. Corinth,
künstlerisch durchaus freier Weise Bürde der Jahre erleichtern soll, der ist ebenso Maxim. Dasio, yulius Dietz, O. Eckmann,
gerecht wird, hat uns zu dem Versuche er- höflich, als herzlich eingeladen, sich frohen Fritz Erler, yul. Exter, Hans Fechner,
muthigt, diese offenbare Lücke unserer Zeit- Muthes an dem Leben und Werden der Alexander Frenz, E. Grasset, E. Griitzner,
schriftenliteratur auszufüllen. Wir wollen die JUGEND zu betheiligen und, was er etwa an Guillaume, Hugo Freih. v. Habermann, Louis
neue Wochenschrift Zündstoff auf Lager hat, unserm Laboratorium Herzog, ArthurHirth, HugoHoppener (Fidus),
baldigst anzuvertrauen. y. Huber, Ewald Hirsch, Felix Hollenberg,
JUGEND Dank unserer Programmlosigkeit — einem Olaf yernberg, yossot, E.Kneiss, y. Kerschen-
nennen: damit ist eigentlich schon Alles gesagt. «Programm», das wir strikte aufrecht erhalten steiner, Arthur Kampf, F. A.v. Kaulbach, Al-
Selbstverständlich wenden wir uns nicht an wollen — ist das Feld unserer Thätigkeit ein bert Keller, Max Klinger, Franz v. Lenbach,
die Jahrgänge, sondern an das Herz, auch der so unbegrenzt weites, dass eigentlich jeder Max Liebermann, E. Lugo, A. Mareks, Karl
in der Herbstsonne alter Jahrgänge Gereiften, denkende und herzensfrohe Mensch irgend etwas Marr, O. Melly, P. Meyer-Mainz, Vilma
die so glücklich sind von sich zu sagen: «Altes für die «JUGEND» in petto haben müsste. Parlaghy, Radiguet, A. Rietti, Th. Rocholl,
Herz, was glühest du so!» y. Sattler, H. Schlitt, Arpad Schmidhammer,
Er braucht durchaus kein zünftiger Literat
Ein «Programm» im spießbürgerlichen zu sein! Und jeder Künstler, der wirklich einer y. Schmitzberger, Th. Schmuz-Baudiss, Carl
Sinne des Wortes haben wir nicht. Wir ist, hat bestimmt auch etwas für unser Blatt, Schnebel, Otto Seitz, Rudolf Seitz, Max Sle-
wollen Alles besprechen und illustrieren, was vogt, Steinlen, L. Stockmann, C. Strathmann,
oder kann was für uns machen. Je frischer
interessant ist, was die Geister bewegt; wir und freier eine Arbeit ist, je getreuer und un- Franz Stuck, Hans Thoma, W. Trübner,
wollen Alles bringen, was schön, gut, charak- mittelbarer dasWesen des Künstlers in ihr sich Fritz v. Uhde, C. Vetter, Valloton, H. Zügel.
teristisch, flott und — echt künstlerisch ist. Musikalische Beiträge haben wir er-
spiegelt, desto willkommener wird sie uns sein!
Kein Gebiet des öffentlichen Lebens soll halten, oder werden wir noch bekommen von
Also ! Vorwärts mit frischem Muth, «JUGEND»
ausgeschlossen, aber auch keines in den Vorder- sei’s Panier! den Herren:
grund gestellt werden: hohe, höhere und höchste Ernst Baecker, A. Bungert, Hess, H. Sommer,
Ungefähr wird die vorliegende I. Doppel-
Kunst, Ornament, Dekoration, Mode, Sport, R. Strauss u. A.
nummer unserer Zeitschrift ja zeigen, was wir
Politik, Musik und Literatur sollen heute ernst,
wollen — freilich eben nur ungefähr! Denn Georg Hirth, Herausgeber,
morgen humoristisch oder satirisch vorgetragen
werden, wie es die Situation und der Stoff
wir werden uns noch im Laufe der Zeit mit Fritz V. Ostini, Redakteur
gar Vielem beschäftigen, was hier gar nicht der „JUGEND“.
gerade erheischen. Hiezu sollen alle graphi-
angedeutet ist, mit Vielem, was der Tag erst
schen Künste, soll der «stilvolle Strich», die NB. Die zur Aufnahme gelangenden
bringen wird, was das Leben erst noch reift.
ernste Skizze, die Caricatur, die Photographie Zeichnungen und literarischen Beiträge werden
mobil gemacht werden. Und — «wo gute Reden Literarische Beiträge sind uns schon selbstverständlich «honorirt».
sie begleiten», d. h. umschwärmt von einem zugegangen oder in Aussicht gestellt von: Nicht zur Aufnahme gelangende Beiträge
beweglichen Texte, da wird auch die Mitarbeit Conrad Alberti, Hermann Allmers, Ford. werden so bald als möglich an die verehrlichen
unserer frischmuthigen Illustratoren, der alten Bonn, M. G. Conrad, fuliane Dery, Georg Absender zurückgesandt, wenn Umfang und
wie der jungen, munter fortfliessen. Ebers, Franz Evers, K. E. Franzos, Ludwig Werth der Sendung einigermaßen die Mühe
Keine Form literarischer Mitarbeit soll aus- Fulda, Max Halbe, Otto Erich Hartleben, der Rücksendung lohnen. Genaue Adressen-
geschlossen sein, wenn sie sich nur mit der De- Karl Henkell, Wilh. Hertz, Paul Heyse, angabe wird höflich erbeten.
vise verträgt: «Kurz und gut». Jedes Genre — H. v. Hopfen, Otto v. Leixner, Alb. Matthaei, Sendungen an uns wolle man gef. nicht
das Langweilige ausgenommen — ist gastlich Wilh. Raabe, B. Rauchenegger, P.K. Rosegger, unter einem der obenstehenden Namen adres-
willkommen geheissen: Lyrisches, Epigramma- Frieda Schanz, Richard Schrnid- Cabanis, sieren, sondern einfach an die Redaktion
tisches, Novellistisches, Satirisches, Reim und Arthur Schnitzler, L. Soyaux, yoh. Trojan, der „JUGEND“, Färbergraben 24/n in
Prosa. R. v. Seydlitz. München.
Die JUGEND erscheint allwöchentlich einmal. Bestellungen werden von allen Buch-
und Kunsthandlungen, sowie von allen Postämtern (Postzeitungs-Katalog Nr. 391a) und
Zeitungs-Expeditionen entgegengenommen. Preis des Quartals (13 Nummern) 3 Mk., der einzelnen
Nummer 30 Pfg. Preis für Inserate die vicrgespaltene Colonelzeile 1 Mk.
2
Gruss an die JUGEND
Der „Jugend“ sei mein Gruss geweiht — Die — ob im Grabe mit einem Fuss —
Der Jugend, die niemals veraltet,
Noch schwebt auf den Schwingen des Falters:
Die unberührt von Stunde und Zeit
Ihr bring’ ich jubelnd einen Gruss —
Im Künstlerbusen waltet;
Der Jugend jeden AltersI —
Der Jugend, die aus der Seele stammt, Und macht sich ihr manch Gegner kund,
Und die trotz weisser Haare Sie bleibt doch unbezwungen
Für alles Grosse sich noch entflammt
Von grünlackirten Greisen und
Und Schöne und Gute und Wahre; Von schimmelgrauen Jungen!
Der Jugend, die ewigen Frühling schafft Dem erster’n von diesem Feindespaar
Uns drinnen tief im Herzen Mit Fäusten, emsig-raschen,
Und deren heilige Kraft entrafft Wird sie das fahle Antlitz klar
All irdische Sorgen und Schmerzen; Von falscher Schminke waschen;
Der Göttin, die uns Kindern gleich — Dem andern aber wird sie kühn
Doch kindisch nie — lässt werden, Durch einen kräftig derben
Damit wir schauen das Himmelreich Handgriff dieHös’chen strammer zieh'n,
Schon hier auf dieser Erden; Sie . . . rücklings aufzufärben.
Richard Schmidt-Cabanis
}
Kr. 1 und ä
Tt) GEN Ö
1896
Jugend! Jugend! Wenn aber so ein Ding von etlichen Aber zurück zu den Flegeljahren! Noch
Das Wort ist einer von den Zauber- Jahren frühreif ist und keine Freude am weinen können, wenn die schillernde Glas-
sprüchen, die uns das Herz aufhellen mit Spiele hat, sich nicht balgt mit den An- kugel eines Ideals in Scherben geht, noch
einem Schlag, bevor wir noch Zeit ge- dern, keine Schläge bekommt und keine jauchzen können, blos weil die Welt so grün
funden, ihrem Sinne nachzudenken. Jede austheilt, keine zerrissenen Jacken und ist und die Sonne so hell und das Leben
Sprache hat ein paar solche Worte. In der blauen Beulen nach Hause trägt, über die so überaus lobenswerth! Jugend in der
deutschen heissen sie: Jugend, Frühling, Märlein der Ammenstube die Nase rümpft, Jugend!
Liebe, Mutter, Heimath! Sie klingen, — keine Phantasie hat, aber dafür schon eine 3x3
man nimmt sie auf — und vor unseren Dosis Klassenhochmuth — den gibt’s näm- Gibt aber auch andere! Kerle, die mit
Blicken öffnet sich eine Welt. Und die lich auch in Lumpen —, die Thiere nicht der Brille auf der Nase und mit Tinten-
weiteste von allen diesen Welten ist jene, lieb hat und den Menschen sich nicht an- fingern auf die Welt gekommen scheinen,
die das Wort Jugend erschliesst. In dieser schmiegt — armes altes Ding! Wenn oft Streber auf der Schulbank, Primajungen,
Welt ist im Grunde Alles mit einbegriffen, die Leute wüssten, was für unglückliche die’s dem Herrn Professor sagen, wenn der
was gut ist und froh, licht und warm, rein Geschöpfe ihre Tugendmuster sind!- Hans die Schule geschwänzt hat und der
und gross. ¥ Max über den Zaun des Pfarrhofgartens
Denn die Jugend ist kein Vorrecht der Jedes Alter im Menschenleben muss gestiegen ist, seinem holden Büschen ein
Leute bis zu dreissig oder fünfunddreissig seine Jugend haben. Büschel Reseden zu stehlen! Bürschlein,
Jahren! Dem Jüngsten kann sie fehlen, der Die Flegeljahre! Die ersten Cigarren die immer die besten Noten und ein sanftes
Aelteste kann sie haben! Es gibt vierjährige rauchen, die ersten Verse machen! Zu- Gewissen haben, die keine verbotenen
Grossstadtgewächse, die nicht mehr jung erst an erdichtete, dann an unerreichbare, Schoppen trinken, Liebes- und Freund-
sind, es gibtAchtziger, die bis zu den Ohren dann endlich an wahlverwandte Huldinnen! schaftsträume mit grinsender Verachtung
in Flanell stecken wegen des Zipperleins, Himmlisch stupides Schwärmen für einen ansehen und die Anwartschaft auf eine glän-
die nicht mehr aus dem Lehnstuhl heraus- Backfisch mit flatternden Zöpfen! Hoffen, zende Laufbahn schon als Quartaner in der
kommen — und die doch noch ihr Theil Träumen dem Leben zu! Die Welt sich Tasche tragen. Kerle, die nie über eine
Jugend im Herzen tragen. ausmalen wie einen Garten voll blauer Hecke springen, weil sie die Hose zerreissen
‘•2* Blumen und goldener Früchte, die alle könnten, die alles Lustige und Verbotene
erreichbar sind, ihm, dem Einen, dem nicht etwa aus Grundsätzen, sondern ein-
Jugend ist Daseinsfreude, Genussfähig-
über die Massen Kühnen: dem Ich des fach aus Scheu vor der Haselruthe liegen
keit, Hoffnung und Liebe, Glaube an die lassen.
Menschen — Jugend ist Leben, Jugend ist Träumers!
Für Freundschaft glühen, Jedem, auch Jugend ohne Jugend!
Farbe, ist Form und Licht.
Wem ist sie eigen? Wer hat sie nicht? dem schäbigsten Gesellen das Herz wie
auf dem Teller entgegen tragen und, zehn
$
Jung im rechten Sinn ist noch das Kind, Mit den Mädchen ist es nicht anders!
das zu spielen weiss, mit einem Holzklotz, Mal betrogen, das elfte Mal wieder glauben! Welch ein Götterreiz umkleidet solch ein
einem Lappen und einem Strohwisch, ge- Ueberhaupt ist’s ein Kennzeichen und viel- Wesen zwischen Fratz und Weib, wenn ihm
rade so wie mit einer Pariser Puppe. Das leicht auch das reinste Glück wahrer Ju- gesunde J ugend aus den Augen blinkt, wenn
Kind, das sich seine Namen erfindet für gend, dass der Schein, der schöne Schein es halb Kobold ist und halb Engel, halb
alle Dinge und Leute, das noch mitten im sich zur rechten Zeit immer wieder über Schwärmerin und halb Spottdrossel in an-
Märchen lebt, das in der Weihnacht das irgendeine bittere Wahrheit hinwegtrügt! genehmer Mischung, rein, aber warmblütig,
Christkind an das Fenster klopfen hört, Und mit dem ersten Flaum auf der kindlich, aber weich. Wenn sein Herzzittert
das mit dem Hofhund plaudert und die Lippe, der ersten Liebe im Herzen, und um jedes erschaute fremde Leid und jubeln
Katze küsst, das seiner Puppe Brei in den vielleicht mit der ersten Heldenschmarre kann um jede geglückte Thorheit!
Mund schmiert und gelegentlich auch ein- im Gesicht im Grunde doch noch mild- Und die Andern, die Frühklugen, früh
mal Papa’s Taschenuhr mitderSchuhbürste herzig, weich, ahnungsvoll und spielerisch, Wissenden, die mit 12 Jahren schon an
reinigt. Jung ist das Kind, für das Alles doch noch ein Kind sein!-— eine gute Partie denken, der Stolz und die
lebt und redet, das Alles wissen muss und
hinter jede Staude guckt und Fragen stellt
K Wonne aller verheirathungslustigen Mütter
sind, nicht schwärmen, aber begehren, nicht
Das ist Jugend: in jeden neuen Lebens-
ohne Ende, und das gelegentlich auch ein- abschnitt das Beste vom Jüngstvergangenen sündigen, aber verstehen, nicht ungezogen
mal herzhaft ungezogen ist. Das aber auch mithinübernehmen! Kinderfrohsinn in die sind, aber hart! Sind die jung?
nachher, wenn der Trotz verraucht ist, die Knabenjahre,dieTreuherzigkeit des Knaben 3x3
Hand wieder liebkost, die es gezüchtigt. in die Jünglingszeit, das offene, zuversicht- Himmlisch kann eine Frauenknospe
Jung ist ein Kind, das ein Kind ist in liche Herz des Jünglings in’s Mannesalter, sein in geschmeidiger Kraft und Frische,
Allem, im Guten und im Schlimmen. die Wärme und Festigkeit des Mannes in’s ein Mädchen, das zu tanzen liebt, und durch
3x3 Greisenthum.- die Welt zu jagen, auf Stahlschuh oder
4
1896 JUGEND Nr. 1 und 2
Stahlrad, Pferd oder Boot, ein Mädchen, j ein Verhungernder und dem nichts mehr Und so fort bis in’s Alter, durch die
dem jene Damen vielleicht auch einmal schmeckt, weil sein Magen unrettbar über- Jahre reifer, sicherer Mannheit durch, die
ein shocking! nachrufen, denen nicht mehr fressen ist! Der Narr seines Ich, der Sklave Erntejahre des Lebens, in denen man auf
Alles rein ist! Jugend, Jugend! Und auf seines Schneiders, der Hanswurst seiner Errungenes behaglich niederzusehen an-
der andern Seite wieder die Blüthen ohne Mitmenschen und der Abklatsch seiner Mit- fängt und seine Wünsche mehr auf’s Er-
Duft und Farbe, zu Kochthieren und Dienst- esel! Der arme, arme Mensch, dessen Da- halten richtet, denn auf’s Erwerben!
botenschrecken geboren, von Pensionats- sein mit dem Bewusstsein schon ausgefüllt
vorsteherinnen hochgeschätzt, von Pri- ist, dass er etlichen Pflastertretern heillos
manern nie angehimmelt, eckig bis in die elegant vorkommt! Jugend — sprecht nur
Seele hinein, und im Uebrigen alles Schöne dies schöne Wort nicht aus in einem Athem Die jungen Alten! Alte Gesichter und
und Gute — nur nicht jung! — — — mit dem Namen dieses Gezüchts. junge Herzen! So widerlich und bemit-
leidenswerth ein alter Geck ist, der sich
* * ein paar Jahrzehnte vom Gesicht weg-
Schöner als jede andere fast ist die Was für ein Herrliches ist es um die schminkt und die für seine verspäteten
Jugend in der Zeit der ersten Reife! Stolz Jugendlichkeit des eben erblühten Weibes. Dummejungenstreiche nöthigejugend beim
und Freude am Schaffen hegen, das Wonne- Auch sie lernt nun die erste, wahre Liebe Apotheker kauft, so herrlich ist ein Alter,
gefühl bewusster Kraft gemessen, das herr- kennen. Aber nicht das Bedürfniss, sich dem die Seele frisch geblieben ist und mild,
liche Empfinden, zum ersten Male einen zu versorgen, sondern das Bedürfniss, sich das Auge klar auch für ein Leben, das er
Platz auszufüllen in derWelt! Und die erste, hinzugeben, lenkt ihr das Herz. Mutter- nicht in allen Theilen mehr ganz versteht.
wirkliche Liebe im Herzen nähren nach den schaft! Mutterglück! Dreidoppelte Jugend: Ein Loher des Vergangenen mag er wohl
Eseleien der Tanzstunde! Fähig werden eine junge Mutter! Immer voller erfüllt sein, aber kein Hasser des Neuen. Ein
zu ringen und zu wagen mit Todesmuth sie ihren Beruf, Sonnenschein zu bringen, Schatz an Liebe ist aufgespeichert in seinem
um eines holdseligen Weibes Besitz! Ju- Den jung zu erhalten, dem sie zu eigen Herzen, der sich mehrt, je reichlicher er da-
gend im Mannesalter, wie gut, wie schön! ist, einen Schimmer von Jugendlichkeit auf von gibt! Mit doppeltem Genuss schaut er
Alles zu werfen, was um sie lebt. Sie ist das Schöne um sich her; ist’s doch nicht
fr Alles in Einem in ihrer sieghaften Jugend: mehr für lange Zeit! Ihm ist die Freude
Aber der Andere, der Streber und Krä- Ansporn zum Kampfe und Siegerlohn. Um ein köstlicherTrunk, dem kein Rausch mehr
mer! In Liebe und Hass, Arbeit und Müsse sie, für sie ringt der Mann, sie macht ihn folgt, der die Blicke nur heller macht und
immer Streber und Krämer! Aus Angst treu und beharrlich! Sie schafft ihm ge- den Herzschlag ruhiger. Kein Menschen-
vor einem Schnupfen entsagt er dem Ge- steigerte Pflichten und gesteigerte Kraft alter kann vielleicht so viel Jugend in sich
nuss, von einem Berggipfel aus die Sonne dazu! aufsammeln, als das mit den weissen Haa-
blitzend aufschweben zu sehen aus dem Aber auch das rosige Bild hat sein ren. Ihm kommt sie von aussen und von
Dunst des Morgens! Aus Angst, sich seine Widerspiel: Junge Weiber ohne Jugend! innen. Ihm quillt sie als Erinnerung im
Carriere zu verderben, wagt er es nicht, Blaustrümpfe, Kehrbesenmegären, Männer- Herzen und macht ihm die Seele weit und
den Arm um einen bebenden Frauenleib jägerinnen, berechnende Koketten, eitle froh, ihm drängt sie sich jauchzend um die
zu schlingen! Aus Respekt vor seinen Vor- Närrinnen, die den Zauber ihrer Jugend Knie und stammelt: „Ich hab’ Dich lieb!“
gesetzten würgt er seine politische Ueber- verlieren in dem krankhaften Bestreben, Junges Alter! RosigerSonnenschein über’m
zeugung hinunter! Aus Angst, sich die nur ja nicht älter zu werden! Eis, Weihnachtsrosen unter’m Schnee!
Augen zu verderben, schaut er nicht in die Jugend im Silberhaar, Jugend in gol-
Sonne, aus Angst um seine Stiefel steigt $ denen Locken! Jugend, das Köstlichste aus
er nicht in’s thauige Gras und wenn die Die rechte Jugendlichkeit muss immer jeder Lebenszeit, vom ersten Kinderlachen
schönsten Blumen ihm daraus entgegen- unbewusst sein. Wenn Einer sagt: »heut' bis zum letzten Trunk, den der Greis aus
lachten! Auch Einer! bin ich aber einmal vergnügt!« kommt ihm dem Becher des Lebens thut!
Oder der Lebegreis! Herz, Phantasie das Lachen gewiss nicht von Herzen. Wenn Jugend, Jugend!
und Kopf kahl wie ein Ei! Der Jammer- aber Einer einmal lachen kann und weiss Ein besseres Bannwort hätten wir für
mann, das Rückbildungsprodukt zum Affen, nicht genau warum — der ist sicher froh unser Wagniss nicht finden können! Da-
der Idiot, dessen Ehrgefühl in der Correkt- und fühlt sich jung. Gefühl ist Alles, auch rum sehen wir dem Werdenden mit froher
heit seiner Hosenfalten aufgeht, der Bettler, hier. So ganz mit Worten umzirken lässt Hoffnung entgegen.
der Alles genossen hat und Nichts, der die sich der Begriff nicht! Jung fühlen muss Ganz schlecht kann es nicht ausfallen,
Lebensfreuden in sich hineinschlang wie man sich, nicht jung sein wollen. unser Zeichen ist viel zu gut!
S
Nr. 1 und 2 JUGEND 1896
Vor langer, langer Zeit, da die Geister noch nicht so es war der Berggeist. Der litt an einer Art von Kleptomanie.
selten waren, wie heutzutage, sind einmal dem lieben Gott Der liebe Gott war dem armen Sünder gnädig und erliess
aus seinem Farbenkasten, in dem er die Farben bereit hat ihm die Strafe. Aber wenn Einem einmal das Stehlen im
für’s Abendroth, für Tag und Nacht und die Jahreszeiten, Blute liegt! — Dauerte nicht lange, so hatte der Berggeist die
eine Menge von Farben gestohlen worden. Da gab’s grosse Farben schon wieder und riss aus mit seiner Beute. Die
Untersuchung im Geisterreich und viel Verdruss und der andern Geister ihm nach, als sie es merkten, denn die vier-
liebe Gott sperrte die ganze Geistergesellschaft auf ein paar zehn Tage Fegefeuer hatten sie nicht vergessen! Wie die
Wochen in’s Fegefeuer, bis der Sünder sich gemeldet hätte! wilde Jagd ging’s dahin durch ganz Tirol durch. Der Sünder
Und endlich thaten das böse Gewissen und die Hitze des flüchtete sich schliesslich in eine Hütte — schon glaubten
Fegefeuers ihre Wirkung. Der Schuldige meldete sich — sie ihn zu haben, da fand er noch eine Lücke und sauste
6
Kr. 1 und 2
1896 . JUGEND .
Frauen angestellt werden müssen. Aber Skt. Petrus klagt
hinaus. Die Geister wieder hinter ihm her! Endlich fingen über die Leistungen. Sie sind schwach, sehr schwach.
sie ihn, die Farben fanden sie bei ihm aber nicht mehr. In
jener Hütte hatte er sie in aller Eile wieder versteckt. Man Es gibt Männer, die sich wegen unglücklicher Liebe ver-
giften, aufhängen, erschiessen, oder sogar — das muss sehr
brachte den Berggeist vor den lieben Gott, der nun ernstlich bitter sein — Gedichte schreiben. Narren, dreifache Narren!
böse war und mit grausigen Strafen drohte, wenn die ge- Nicht einzusehen, wie gut es das Schicksal mit ihnen gemeint
stohlenen Farben nicht mehr zur Stelle kämen. In seiner hat. Wäre die Liebe erwidert worden, so hätten sie ja ge-
Todesangst war der Berggeist ja gerne bereit, Alles zu thun, heiratet.
was der liebe Gott verlangte. Aber er fand das Haus nicht Es gibt Männer, die zweizüngig sind. Das sind Weiber
mehr, wo er die Farben versteckt hatte. Denn dazumal war’s niemals. Die sind mindestens dreizüngig.
finstere Nacht gewesen und bei dem Tempo, in dem die Der grösste Mann ist auf dem besten Weg, ein sehr klei-
Hetzjagd abgehalten ward, hatte er auch die Hausnummer ner zu werden, sobald er an Schmeicheleien der Frauen Ge-
nicht aufgeschrieben. Der Berggeist aber musste nun suchen fallen zu finden beginnt.
und suchen — er war so lange verdammt und vom Nektar Die schönen und geistreichen Weiber sind niemals ganz
und Ambrosia ausgeschlossen, bis der Raub wieder ein- zufrieden, wenn man nur schön findet, was ihr Mund spricht.
geliefert sei. Und nun suchte er tagaus, tagein, jahraus, Man muss auch die Lippen bewundern.
jahrein jeden Winkel der Welt ab und konnte die Farben
Hat man jemals etwas von des Teufels Grossvater ge-
nicht finden. Mit dieser verzweifelten Beschäftigung brachte hört? Die mühseligsten gelehrten Forschungen haben ur-
er sechzig Jahre hin und in Momenten der Ruhe fluchte er kundlich nur die Grossmutter nachweisen können. Eine
wie ein Husarenwachtmeister. Aber es fiel ihm partout nicht erfreuliche Bestätigung meiner Ansicht, dass der Ursprung
mehr ein, wo er die Farben bei jener nächtlichen Parforce- des Uebels durch Parthenogenesis in die Welt gekommen sei.
jagd durch die Alpen hingebracht hatte. Als ich das „schöne Geschlecht“ nicht kannte, wie hab
Als der Berggeist nun eines Tages, vom Suchen müde, ich damals dafür geschwärmt! Für einen süssen Blick hätte
in einer Felsschlucht einschlief, erschien ihm ein lichter ich mich in das nächste Weltmeer gestürzt. Jetzt durch-
Genius, der einige passende und gefühlvolle Worte sprach
schaue ich es bis in das Fältelten, wo der Satan drinnen
sitzt. Und, Ironie des Schicksals: ich habe sechs Töchter.
und dem Ruhelosen mittheilte, er habe damals in der Hütte Ich werde einen Knaben adoptiren müssen, um ihm meinen
die Farben in einer Wiege versteckt. Darinnen lag ein neu- Weiberhass zu vererben.-Wenn es meine Frau erlaubt.
geborenes Buberl. Nach Kinderart vergnügte es sich bald
Ich habe oft Gelegenheit, viele Männer der geistigen Be-
damit, wie mit buntem Spielzeug, suchte später Thiere, rufe zu sehen. Was macht unsere Zeit aus uns! Entweder
Menschen, Hütten und Berge getreulich nachzubilden, so mergelt sie uns aus, oder sie bläst uns auf. Enge Brust —
gut es ging; es wuchs heran und strebte als Jüngling und Hängebauch, Scylla — Charybdis. Wenige schiffen glücklich
Mann immer eifriger der hohen Kunst des Malens nach. durch. Zuerst ochsen wir und stopfen das Hirn mit allerlei
Und so sei er nach und nach ein weltberühmter Maler voll, was wir zu vergessen verpflichtet sind. Das nennt man
„Gymnastik des Geistes“. Dann wird unser Wissen geaicht
geworden: und nun treten wir in den Beruf. Die einen sitzen den gan-
„Auf den sein Land so stolz und seine Freunde zen Tag in Schreibstuben aller Art; oder auf Lehrstühlen,
Neidlos mit herzlicher Bewund’rung schau’n.“ um den Schülern zu sagen, was diese zwanzig bis dreissig
Jahre später umlernen müssen, weil es nicht mehr wahr ist;
Und das Buberl von damals und der berühmte Maler von andere rennen Trepp’ auf, Trepp’ ab, um gesunde Menschen
heute — sei der Defregger Franzi! krank zu machen, natürlich streng wissenschaftlich u. s. w.
Weil aber des Berggeists Gaunerei so gut ausgeschlagen, So geht es Tage, Jahre, Jahrzehnte. Toll werden die Nerven,
habe ihm der liebe Gott die Strafe in Gnaden erlassen! die Muskeln schlaff. Und das soll ein Mannesleben sein!
Manchmal, wenn ich auf der Strasse gehe, steigt in mir ein
So wird in einem launigen Festspiel erzählt, das die närrisches Verlangen auf, um mich zu schlagen und dem
Münchner „Allotria“ an dem Defregger-Abend aufführte, den Ersten Besten zuzuschreien: „Kerl, jetzt box’ mit mir, bis
sie, den Jubilar zu feiern, diesen Sommer veranstaltet hat. wir Beiden lauter blaue Flecke am Leibe haben!“ Da fühlte
Und zum Ehrenabend des Franz Defregger zeichnete der man doch wieder, dass auch im Hauen Poesie steckt. Aber
das geht nicht; der Schutzmann hätte kein Verständniss für
Franz Stuck mit markigen Strichen das Conterfei dazu, das meine Culturmüdigkeit und der Herr Richter — ob engbrüstig
wir vorstehend nachgebildet haben. Bild und Märlein sind oder dickbäuchig — verdonnerte mich wegen groben Unfugs.
hübsch genug, dass wir sie unseren Lesern mittheilen dürfen.
Oder nicht? O göttliche Grobheit! Die Gebildeten schmähen dich,
ich aber bete dich an. Wie oft sind sie zu mir gekommen,
die Feinen und Glatten, um mich mit schönen Worten zum
Schuften zu machen; mich zur Untreue gegen mich selbst
zu verführen; für meine Ehre boten sie mir Ehren; ein wenig
bücken sollte ich mich; sollte sprechen für das Unrecht, für
die Lüge — ich könne innerlich glauben, was ich wolle. Und
sie kamen immer wieder und waren nicht abzuschütteln. Da
tratest du zu mir und gabst mir Worte, kräftig, klotzig, hain-
buchern, aber deutsch und wahr. Das erst stieg den Feinen
in die Nase. Seitdem gelte ich als „ungebildet“. Aber wenig-
stens haben sie mich nicht in ihren Model gepresst; ich habe
mein Selbst gerettet — und das danke ich dir, göttliche
Grobheit!
Aus dem Nachlasse des H. Jeremias Grobschmied. Mit innerer Empörung heraus*
gegeben von Otto von Leixner.
7
Nr. 1 und 2 JUGEND 1896
Theaterleute.
Von Ferdinand Bonn.
Der Intendant. Der Liebhaber.
Der Höchste ist der In- Der junge Mensch in heisser Gluth
tendant, Gar oftmals etwas Dummes thut
Oft wird er Exzellenz ge- Und geht zu Grunde, wenn er kann.
nannt. Man nennt’s Tragödie dann und wann.
Er schrieb einmal ein Liebhaber auch in unsrer Zeit,
schönes Stück, Vor Allem sei nicht zu gescheid !
Dass man’s nicht gab, das Er spielt sein Fach jahraus, jahrein,
war ein Glück! Fast jedesmal bei Mondenschein.
Novizinnen der hohen Er lächelt immer — auch im Tod,
Kunst Und schminkt sich nur mit weiss
Erfreuen sehr sich seiner und roth.
Gunst. Die Mädchenschaar schwört nur
Er ist nicht stolz und hat bei ihm
sie gern Und schreibt ihm Briefchen anonym,
Trotz seinem grossen Dies macht ihn schliesslich geistes-
Band und Stern ! schwach —
Hat 25 Jahr man ihn Er geht dann in ein ält’res Fach.
Geärgert stets durch Dick und Dünn,
Beschimpft, gezogen hin und her,
Dann-hält sein Jubiläum er! Der Bonvivant.
Das ist der schöne „Bong-vi-vang“,
<6? Ist bei der Bühne meist schon lang,
Denn bis er die Manieren fand,
So manches liebe Jahr entschwand.
Den Rock, den trägt er offen blos
Und eine Hand im Hinterschooss,
Der Regisseur. Denn das beweist ein froh’ Gemüth,
Dann — dass man auch das Futter sieht!
Ist dieser „Ober“, wie gar oft,
Er von der Kunst längst nichts mehr Auch Schnurrbart hat er dann und wann,
hofft. Weil er ihn meistens brauchen kann.
Einst trug er manches Ideal, Er spielt „natürlich“, aber wie!
Jetzt ist ihm alles ganz egal! Versteht man auch die Hälfte nie !
„Kinder!“ ruft er voll Bonhomie — Tragödie hat er auf dem Strich
Geht’s nicht, dann brüllt er wie ein Vieh! Und ärgern thut ihn fürchterlich,
Dass man Tragöden Orden giebt!
\,Gross“ wird er nie — doch „sehr
// beliebt“!
'5r
Der Charakterspieler.
Der Held. Das ist der böse Franz von Moor,
Das ist der Held, der Hauptathlet. Als Intriguant stellt er sich vor.
„Da seht mal, wie ein König geht!“ Er hat ein Weib und Kinder acht.
Die Rollen kann er meistens nicht, Man glaubt es regnet, wenn er lacht.
Was braucht er das mit dem Gesicht! Den Franz von Moor, den lässt er
Da — wie er sagt — ein Antrag lockt, nicht,
Ist er stets mürrisch und verstockt! Bis ihm dereinst das Auge bricht.
Er spielt die grossen Menschen nur, Er reisst stets zwei Coulissen um,
Das sieht man g'eich an der Statur. Verachtet Press’ und Publikum.
Er hat viel Schulden, auch 'ne Frau, Perrücken hat er „eine“ zwar,
Doch dieses weiss man nicht genau. Doch geht er meist im eignen Haar.
Er hat ein mächtiges Organ, Denn, tritt er auf, so weiss man
Das wendet er auch immer an, schon,
Ob leis, ob laut und auch beiseit, Jetzt kommt der wahre Höllensohn.
Dem Helden ist es wurscht — er schreit! Er ist zumeist ein braver Mensch,
Den Shakespeare kennt er „aus-e-
wend’ch“.
<6?
*
8
1896 JUGEND Nr. 1 und 2
Der Inspicient.
Ein Biedermann, der Inspicient,
Der immer denkt: „Wär’s nur zu End“!
Stets macht er „Bst“, auch wenn’s ganz still.
Er blitzt und donnert, wenn man will,
Der Mann im Kasten — oder Frau —- Macht Sturm und Regen, Feuersbrunst
Wird bald vor Zorn und Aerger grau! Und „schickt hinaus“ mit vieler Kunst,
Dem einen, der grad etwas kann Und ist’s bei einer falschen Thür,
Schreit viel zu laut der gute Mann — So kann er niemals was dafür.
Der andere, den’s nicht interessiert, Wenn Beifall tönt — in schnellem Lauf
Sagt: Schreien Sie nur ungeniert! Kommt er und macht die Klappe auf.
Kommt kein Applaus oder nur dünn „Melkt“ er am Vorhang hin und her,
So schimpft und tobt man gegen ihn : So klatscht man dann noch heftiger.
„Das Vorhangzeichen kam zu spät, Und lässt er gar die Klappe offen,
Die Stimmung da zum Teufel geht!“ — Darf man auf weitern Beifall hoffen !
Der Theaterdiener.
Der weiss genau, woher der Wind,
Ob’s Stück gefällt — wieviel drin sind,
Wer nächstens eine Rolle spielt —
Und wer jetzt im Bureau befiehlt —
Mit wem jetzt die Naive geht —
Wie’s mit des Helden Vorschuss steht —
Warum man die nicht engagiert —
Dass sich der neue Gast blamiert!
Trägt er wo eine Rolle hin,
Geht’s im Galopp mit frohem Sinn !
Doch holt er eine Rolle — ha —
Als Leichenbitter steht er da !
Grabschrift
auf einen grossen Arzt.
Hier ruht von falschen Diagnosen
Ein ordentlicher Professor aus:
Nicht schützten grössere Jodkali-Dosen
Ihn vor dem kleinen Bretterhaus.
Er ward an’s eigne Krankenbett berufen,
Doch eh’ sich auf sich selbst besonnen
Der arme so berühmte Mann,
Stand er schon auf den Himmelsstufen.
Er war kein grosser Geist — ein wenig Streber
Er nahm nicht viel und war kein Filz,
Sein letztes Wort war: „’s sitzt mir in der Milz!
Post mortem aber sass es in der Leber! —
Serenissimus: Sehr hübsch, das Porträt von Gräfin Deggen- Fritz Murner.
dorff! Sehr ähnlich!
Der Herr Direktor: Gestatten Ew. Durchlaucht die unmass-
gebliche Bemerkung, dass das Portät eigentlich im Grunde,
sozusagen, nicht die Gräfin Deggendorff, sondern die Gräfin
Meggendorff darstellt —
Serenissimus: Ach! Die Meggendorff? — Auch sehr ähnlich!
9
Nr. 1 und 2 JUGEND 1896
IQ
1896 J U ©E N D Nr. 1 uad 2
Singsang. Und ich fasste ihre Hand | Er kam von einsamer Küste,
Weis- nicht wie’s geschah. Sein Wort übertönte das Meer,
Wie sehnt’ ich dem Schlafe mich nach! — Ganz verlegen an der Wand Viele Tage gingen zur Rüste,
Schon hielt ich das Glück an den Fäden Stand ich vor ihr da. Doch wachend wanderte er.
Da pochte die Sonn’ an die Läden —
.
Wie sehnt’ ich dem Schlafe mich nach! Woher nahm ich nur den Muth, Der Fels riss die Füsse ihm blutig,
Dass ich nach und nach Sein Haupt umheulte der Föhn,
Aus Träumen nur schwebt es empor, Kühner ward, doch weich und gut 1 Seine Seele aber blieb muthig,
Was all’ Du für Wonnen umschliessest, Also zu ihr sprach: Und er ist in Stürmen noch schön.
Dir heimlich in Lieder ergiessest
Aus Träumen nur schwebt es empor. „Traf Dich just dasselbe Leid, Er hat in den Augen den Willen,
Kind, wie Deinen Freund? Der die Feinde sich bändigen kann,
Rings leuchtet die lachende Welt! Stillverschwieg’ne Einsamkeit Mit seinem Lächeln, dem stillen,
Weh’ — wehe, getrennt sind die Herzen, Hat uns ja vereint! Sagt er: Ich werde ein Mann.
Sie schwelgen in suchenden Schmerzen -
Rings leuchtet die lachende Welt! Komm’, wir plaudern in der Still’! Nun kommt er schon auf die Berge,
Ich erzähle Dir, Seine Stimme ward lauter und voll,
Italisches Blüthengepräng! Was ich sehne, was ich will! Und drunten das Heer der Zwerge
O, reib’ Dir den Schlaf aus den Augen! Mädchen, komm’ mit mir!“ Weiss nicht, was da werden soll.
Was können die Nebel Dir taugen? -
Italisches Blüthengepräng! Doch, wir sassen still und stumm; Dem Ziele näher und näher,
Manchmal seufzt’ ich nur, Und keinen Schritt zurück:
Hab’ Dank, Du mein stolzes Florenz! — Eine Katze schlich herum Er ist ein Wolkenspäher
Tags müssen uns Rosen gedeihen, In dem dunklen Flur. Voll Sturm und Sternenglück.
Tags adelt die Freude den Freien
Endlich fand ich’s, und ich sprach Du mit dem Trotze des Bauern,
Hab’ Dank, Du mein stolzes Florenz!
Ganz verlegen nur, Der Königsthrone sich baut,
Florenz, April 1895. OTTO ERICH HARTLEBEN. Bis ich auf den Knien lag Ich fühle Dein Glück wie ein Schauern,
In dem dunklen Flur. Deine Zukunft hab’ ich geschaut!
Antwort war ein Druck der Hand; . FRANZ EVERS.
Ach, ich will’s gesteh’n,
Dass der Mund zum Mund sich fand,
Keiner hat’s geseh’n.
Mein Aschenbrödel. Doch das Kätzchen dann und wann
Schnurrte schmeichelnd nur,
Auf der Treppe stand sie da, Sah uns ganz verwundert an
In dem dunklen Flur. In dem dunklen Flur.
Auf der Wang’ ich schimmern sah LUDWIG SOYAUX
Heller Thränen Spur.
Alles still im weiten Haus,
Kein Gespräch, kein Wort,
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Nur das Knispern einer Maus;
Brüder, Schwestern fort! So seh’ ich ihn.
Draussen fliegen sie zum Tanz, Ich sehe, vom Licht bezwungen,
Vor der Stadt im Wald, Meere links und Felsen rechts,
Flechten Blatt und Blum’ zum Kranz, Heute den Geist des jungen,
Lust und Lied erschallt. Des kommenden Geschlechts.
1896 JUGEND Nr. 1 und 2
ZWEI FREUNDE \■
Demi-vierge.
Sinngedichte
von Ludwig Fulda.
Wer nach Thalia’s Aufenthalt Ein rechter Gottesfechter,
Noch sucht in kunstgeweihten Räumen, Die echte und grosse Liebe ist Am allerbesten ficht er
Der kann den deutschen Dichterwald Der allerglücklichste Kapitalist; Gen Wichter und Gelichter
Nicht sehn vor lauter Purzelbäumen. Sie erntet Zinsen, an die sie nicht Mit schallendem Gelächter.
denkt,
Und wird stets reicher, je mehr sie Lang Ersonnenes
Merk' dir, eh’ dich Erfolge verblenden: verschenkt. Lähmt die Hände;
Um Ehre geizen, heisst Ehre ver- Frisch Begonnenes
schwenden. Drängt zum Ende.
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1896 JUGEND Nr. 1 und 2
war! Ganz wie ein kleiner Hund, wie Toutou mir treu ist!
Und ich hätte genug Andere haben können! Oh ja! — Und
nun hat er mich nicht mehr lieb und lässt mich einfach
laufen!«
Sie warf sich wieder auf die Ottomane und schluchzte:
»Das ist mein Tod! Ich gehe in die Seine. Du wirst
eines Tages an der Morgue Vorbeigehen und mich kalt und
starr hinter den Glasscheiben liegen sehen. Dann wirst Du
Gewissensbisse bekommen und wieder daran denken, wie
lieb Dich die arme Nichette gehabt hat!«
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»Es war nur zu hübsch, liebes Kind, zu hübsch und zu Mit eintönigem Geknatter sauste der Eilzug durch die
viel. Ich muss aufwachen aus diesem Taumel, sonst ist es Gefilde der Champagne. Die schlechte Beleuchtung und das
um meine hellen Augen auf immer gethan. Verstehst Du Stossen des Wagens machten es Hans schwer, zum zehnten
denn das nicht?« Male den Brief zu lesen, den er in Händen hielt, den Brief,
»Ich verstehe nur, dass Du mich los sein willst! Und der ihn aus Nichette’s Armen nach Hause rief. Ein Glück,
dass ich sehr unglücklich bin! Du weisst, wie treu ich Dir dass die Schrift seines Freundes Ferdinand so gediegen und
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1896
Nr. 1 und 2 JUGEND
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leserlich war. Kein Graphologe der Welt hätte aus diesen Mit allzuviel Behagen fand sich Hans allerdings nicht
Zügen dem Schreiber irgend eine bedenkliche Charaktereigen- in die Rolle des verlorenen Sohnes und er wurde Anfangs
schaft zugesprochen. Der Brief lautete: das Gefühl nicht los, dass der Friede nicht von langer Dauer
»Lieber Hans! sein könne. Für’s Erste freilich tröstete ihn über alles Bangen
Im Aufträge Deines Onkels und Vormundes, des Herrn um die Zukunft die unendliche Güte und Lieblichkeit hinweg,
Engelbert Landgraf in Eisenach, schreibe ich Dir diese Zeilen die ihm Margarete entgegentrug. Sie gestand ihm, als er
und bitte Dich von vorne herein, das Unangenehme, welches sich ihr beim ersten Alleinsein mit vollem Herzen näherte,
sie etwa enthalten sollten, mir nicht persönlich zur Last zu rückhaltlos zu, dass sie ihm immer gut gewesen und gut
legen. Also sei mir darum nicht böse, dass ich es sein muss, geblieben sei. Dann freilich hielt sie erröthend inne und
der zunächst die Hand bietet, Dich einem anscheinend sehr ihre Augen wurden feucht. Wie er aber dann, berauscht
interessanten und vergnüglichen Leben zu entreissen. Aber von ihrer unschuldigen und doch hingebenden Art, den Arm
es wird sich ja Alles zum Guten wenden. um sie schlang und den ersten Kuss von ihren Lippen
Und nun gleich in medias res! pflückte, duldete sie diese Liebkosung doch und erwiderte
Der Onkel lässt Dir Folgendes mittheilen: Dein mütter- sie. Hans durchlebte jetzt Tage stiller Wonne, in welcher
liches Erbe ist bis auf Weniges aufgebraucht und zwar bist alle seine trüben Ahnungen und Bedenken untergingen. Ein
Du, wie du zugeben wirst, mit der stattlichen Summe etwas starker Unterschied war freilich zwischen dem ungebundenen
schnell fertig geworden in Paris. Hättest Du als Künstler Zigeunerleben auf dem Montmartre und der starren, pflicht-
etwas Rechtes erreicht — ich spreche die Meinung Deines treuen Regelmässigkeit, nach welcher Onkel Engelbert das
Onkels aus und mafse mir durchaus kein eigenes Unheil Leben in seinem Hause eingerichtet hatte.
an — so würde er Dir gerne die Mittel zu weiterem Studium Hansens Jugendfreund, Ferdinand Rosner, lebte als Pro-
in Paris gegeben haben. So aber will er von einer Fort- kurist des Onkels fast ganz mit in der Familie. Er war ein
dauer Deines dortigen Aufenthaltes nichts wissen und ver- bescheidener, stiller Mensch, klug genug, um seinen Posten
langt kategorisch, dass du möglichst umgehend nach Hause auszufüllen und jedenfalls von der ehrlichsten Freundschaft
kommst und Dir irgendwie ein geordnetes Leben einrichtest. für Hans beseelt. Der Letztere fand in dem Freunde aber
Ich habe es durchgesetzt, dass Dich keine Vorwürfe, keine das nicht mehr, was er früher an ihm gehabt hatte. Der
unangenehmen Abrechnungen erwarten, soweit sich die letz- Gegensatz zwischen der Jugend des Freundes und dessen
teren nur überhaupt vermeiden lassen. Dein Vormund hat sentenzenreicher und etwas kleinlicher Weltanschauung be-
Dich so lieb wie immer, nur will er Dich in einer Situation rührte Hans oft wie ein Missklang und das liess nicht mehr
wissen, die es Dir ermöglicht, einen Hausstand zu gründen. die alte Freundschaft im Verkehr der beiden jungen Männer
Und weisst Du, an wen er in erster Linie dabei denkt? An aufkommen und hin und wieder geriethen sie mit ihren ver-
Margarete, seine Tochter, die, seit Du von hier fort bist, aus schiedenartigen Lebensbegriffen auch etwas heftig aneinander.
einem unbedeutendem Backfischlein ein prächtiges grosses
Mädchen geworden ist. Es müsste sich wohl Jeder glücklich
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Nr. I und 2 JUGEND 1896
Frauen, die Geist und Herz haben, aber nichts von Eurer und will darum noch einmal Milde walten lassen unter der
legitimen Spiessbürgerlichkeit und hausbackenen Tugend. Und folgenden Bedingung:
diese Frauen machen glückselig wie die Andern, aber ohne Du reisest sofort ab und trittst als Musterzeichner in
jede Beimischung von Langeweile. Es ist ein schönes Ding die Fabrik meines Bruders Theodor in Elberfeld ein, eine
um die Tugend — aber Rasse und Anmuth sind auch nicht Stellung, die er Dir schon lange angeboren hat. Du lebst
übel! Allen Respekt vor der Tadellosigkeit und Reinheit dort ein Jahr streng und treu Deiner Pflicht; sie wird nicht
Eurer Familienmütter und Hausengel! Aber unter denen, leicht und nicht heiter sein. Wenn Du aber ausgehalten
die Ihr verachtet, sind auch Frauen, die liebenswerth sind. und damit gezeigt hast, dass Du noch Willenskraft und sitt-
Und Eure Tugend ist ja doch meist nur Mangel an Lebens- lichen Ernst besitzest, dass man Dir das Geschick eines reinen
muth, Eure gesellschaftliche Moral ist einfach Selbstsucht, Weibes anvertrauen kann — gut! Dann soll von heute ab
die sich die Aussicht verdirbt durch eine Mauer um den in einem Jahr Hochzeit sein. Wenn nicht — auch gut!
eigenen Garten, blos damit die Nachbarn nicht hereingucken Dann bist Du frei und kannst Dein Glück versuchen, wo
können. Wenn Ihr wüsstet, wie süss die Dinge sind, die Ihr Du magst. Denk’ an den Preis, den es gilt, wenn Dir die
Euch selber verboten habt, wie heiss die Sünde küssen kann —.« Probe sauer wird!
»Du scheinst Dich ja sehr gut auszukennen in solchen Du sollst weder mein Kind, noch mich erst nochmals
Dingen?« sehen, sondern sofort abreisen. Das Nöthige überbringt Dir
»Ja! Wenn Ihr es wissen wollt! Ich war zwei Jahre Ferdinand, an dem Du Dir übrigens ein Muster nehmen
durch die Liebe eines Weibes glücklich, das Freund Ferdinand kannst in jeder Beziehung. Dein alter Oheim Engelbert,
mit seinen grossen Worten als »Verlorene« bezeichnen würde der Dir trotz Allem so gerne ein väterlicher Freund bleiben
— und sie hat mich geliebt, hat mich keinen Augenblick möchte.« —- — —
gelangweilt, keinen Augenblick betrogen!« Hans willigte in Alles ein! Es ward ihm selbst bange
»Und sie hat Dir Herz und Hirn vergiftet, hat Dir Deine um seine Zukunft. Margareta’s treue Güte rührte ihn tief
Thatkraft gestohlen und Dein Talent —« Also in Gottes Namen nach Elberfeld!
Hans, dem der Wein und der Aerger über Ferdinands
selbstgenugsame Tugend die Sinne verwirrt hatten, so dass
er viel mehr gesagt, als er wollte und als ihm von Herzen
kam, sprang auf und wollte zum Fenster, um frische Luft Mit einer wahren Wuth stürzte sich der Verbannte auf
in die dumpfe Stube zu lassen. Als er sich dabei umwendete, seinen neuen Beruf, er begann mit sich selbst einen Kampf
sah er Margareta unter der Esszimmerthüre stehen. Sie bis auf’s Messer. Die ödesten und ermüdendsten Aufgaben
hatte seinen ganzen Dithyrambus auf die Frauen nach seinem fasste er gerade mit dem grössten Eifer an. Selbst als der
Geschmacke und sein letztes Geständniss mit angehört und, Onkel verlangte, er solle sich durch einen alten Buchhalter
todtblass geworden, lehnte sie am Thürpfosten. Als ihr in die Geheimnisse der doppelten Buchführung einweihen
Hans erschreckt in’s Gesicht sah, eilte sie unter Schluchzen lassen, unterzog er sich auch dem. Er fügte sich darein, zu
hinaus. Jetzt sahen die Anderen auch, wer Zeugin ihres arbeiten, nicht nach Laune und Stimmung, sondern un-
Streites gewesen war. abänderlich von acht bis zwölf, von zwei bis sieben Uhr
Da brach Herr Engelbert los: jeden Tag. In einem kahlen, engen Raume zeichnete er
»Nun ist meine Geduld zu Ende! Wahrhaftig, Du hast Kattunmuster ohne Ende. So zog ein Monat dahin, ein
Langmuth genug erfahren hier. Wir haben Dich ohne Vor- zweiter, ein dritter begann. Aus Margareta’s Vaterhause
würfe aufgenommen, ich habe Dir die Grete trotz allem Vor- kamen nur kurze, geschäftsmässige Zeilen von Ferdinand.
hergegangenen zur Frau geben wollen, weil ich Dich doch Durch diesen hatte ihm vor der Abreise der Onkel noch
im Grunde für einen braven Kerl hielt. Aber jetzt hast Du sein Ehrenwort abgenommen, dass er, Hans, nie an das
Dein wahres Gesicht gezeigt — Du bist verdorben bis in’s Mädchen schreiben wolle.
Mark hinein. Jetzt könnte ich Dir mein Kind nicht mehr Mit jedem Tage fühlte sich der junge Maler unglück-
anvertrauen, auch wenn ich wollte! Das Nähere hörst Du licher in seiner neuen Stellung, immer härteren Kampf
noch! Komm, Ferdinand!« kostete es ihn, die übernommene Pflicht durchzuführen.
Sie verliessen die Stube. Im Hinausgehen machte Fer- Sein neuer Brodherr quälte ihn. Was Hans wirklich gelang,
dinand dem Freunde ein Zeichen: »Es ist nicht so schlimm, war dem alten Herrn nie recht. Was diesem gefiel, kam
lass’ mich nur machen!« Hans wie ein Verrath an der Kunst vor. Und diese ganze
Umgebung von verknöcherten alten Zahlenmenschen, ge-
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• . 1. schniegelten Commis, geschwätzigen Reisenden, die ihm bei
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jeder Gelegenheit freundliche Belehrung zu Theil werden
Hessen, von misstrauischen Verwandten, die ihm seine Sträf-
Spät Nachts brachte man Hans, der in bitterer Reue lingstellung zu fühlen gaben, so oft sie konnten!
seinem so thöricht verscherzten Glück nachdachte, einen Eines Tages hatte er eine Arbeit beendet, die er mit
Brief des Onkels! Er brach ihn mit fiebernden Händen auf ganz besonderem Fleiss durchgeführt. Herr Theodor Land-
und las: graf nannte sie albernes Zeug. Hans wurde heftig, der alte
»Ich habe Dir gesagt, dass Alles zwischen uns, zwischen Fabrikant beleidigend und als ihm der Maler die Arbeit
Grete und Dir zu Ende sei und würde davon kein Jota zurück- schliesslich zerrissen vor die Füsse warf, nannte ihn jener
nehmen, wenn nicht mein Kind auf den Knien Fürbitte für einen Tagedieb, der nie in seinem Leben auf einen grünen
Dich eingelegt hätte. Sie ist aus Kummer über Dein Ge- Zweig kommen werde!
bahren erkrankt und da habe ich es nicht über’s Herz bringen
können, ihr Flehen unerhört zu lassen. Du weisst nicht,
welchen Engel Du in ihr beleidigt hast und welches Mals
von Liebe sie für Dich hat. Ich Kann es nicht glauben, dass Da verlor Hans die Geduld und sagte, dass er nun seine
so viel Liebe und Güte Dir nicht zum Heile werden sollten Wege gehen werde. Er schrieb einen langen Brief an den
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1896 JUGEND Nr. 1 und 2
Onkel, worin er Alles klar legte und mittheilte, er wolle sich ragte das graue saubere Schieferdach über die Bäume her-
auf eigene Faust eine Existenz schaffen bis zu dem be- vor, da war das Gartengitter, über das blühender Goldregen
dungenen Termin. Dann überschlug er seine kleinen Er- und Flieder in Massen niederquoll.
sparnisse und den Rest seines mütterlichen Vermögens — es Vielleicht konnte er Margarete im Garten überraschen.
reichte bei ruhigem, anständigem Leben auf ein Jahr zur Fort- Richtig — ein lichtblaues Kleid! — Er schlich leise
setzung seiner Studien in Paris. Arbeiten hatte er jetzt gelernt. heran! Da kam sie bis nahe ans Gitter her und neben ihr
Seine Koffer waren bald gepackt: vierundzwanzig Stunden ging Ferdinand. Sie sprachen. Von ihm? Er konnte es ja
später stand er in seinem alten Atelier, das er für das hören. Den Athem anhaltend, lauschte er.
laufende Jahr noch voraus bezahlt hatte. Er fand Alles in
altem Zustand. In einer Ecke allerdings hatte der Concierge ---
r-r
ein kleines Depot von Zwiebeln angelegt und etwas Wäsche
war zum Trocknen über die Staffeleien gehängt. Sonst war
nichts verändert. Das Pastellbild der kleinen Nichette, halb »— und nun meine ich, liebe Margarete, Sie könnten
ausgewischt in der Erregung jener Abschiedsstunde stand mich mit gutem Gewissen endlich erhören. Sie haben lange
noch da, sogar die Cigaretten-Endchen lagen noch auf dem genug gewartet — und überdies, wenn er auch jetzt noch
Teppich, wohin sie das schöne Kind damals mit dem ihm käme, Sie wissen, wie der Vater dazu denkt.«
eigenen Ordnungssinn geworfen. Ein Seufzer antwortete; nicht sehr lang, nicht sehr tief!
Am nächsten Morgen fing Hans zu arbeiten an, jetzt »Ach, Ferdinand, ich weiss ja, wie gut Sie es mit mir
mit Ausdauer und wahrem Eifer! Seine Freunde erfuhren meinen! Und doch! Darf ich denn?«
kaum, dass er da war, für keinen tollen Streich war er mehr »Sie dürfen, gewiss Margarete, Sie dürfen! Hans hat
zu haben. Er fühlte mit jeden Tag, dass er vorwärts kam. bewiesen, dass er nicht so viel inneren Halt hat, dass Sie
Oft hätte er aufjubeln mögen vor Freude darüber! Noch Ihr Geschick in seine Hände legen könnten. Die Leiden-
ein halbes Jahr! Und dann mit dem Errungenen vor die schaft allein gibt uns keine Gewähr wahren Glückes. Dazu
Sittenrichter der Heimath hintreten und sagen: »Da seht! gehören doch Achtung und Vertrauen.«
Das bin ich, durch eigene Kraft! In Freiheit und nicht in »Ferdinand, Sie wissen, dass ich Ihnen Beides in un-
Sack und Asche!« Und dann das traute Weib heimführen, begrenztem Maasse zolle.«
das doch liebenswerther war, als alle dunkeläugigen Hetären »Darf ich das zu meinem Gunsten auslegen, Margareta?
von ganz Lutetia zusammen! Da hinten über dem Kirchendache geht eben der Stern der
Noch einmal streckte die Sünde ihre runden Armen nach Liebe auf. Soll es unser Stern sein? Geliebtes Mädchen —
ihm aus. Nichette kam eines Tages wieder in’s Atelier. darf ich jetzt mit Ihnen zu Ihrem Vater gehen?«
Schöner, voller, eleganter als früher. Aber ein Hauch von »Sie sind ein braver, ehrenhafter Mann! Ich will Ihnen
Schminke lag auf ihrem Gesichtchen und ihre Augen brannten ein treues Weib werden. — Gehen Sie zum Vater!«
heisser und unstäter als vordem. Erst plauderte sie, erzählte, Sie beugte ihr Köpfchen gegen seine Brust und er küsste
dass sie damals wirklich mit dem Russen gewesen und jetzt sie auf das reiche Haar.-
mit einem jungen Engländer sei: Hinter den Gaisblattranken, die das Gitter umzogen,
»Er ist so komisch! So lang, so blond und so mager!« schlug Einer eine helle Lache auf, dass die Zwei im Garten
Sie empfand nicht, dass Hans kaum im Stande war, den auf- erschrocken zusammenzuckten! Eine bekannte Stimme rief
richtigen Ekel zu verbergen, den ihre offenherzigen Bekennt, heiser vor Erregung:
nisse ihm einflössten. Auch ein paar Thränlein, die sie der »Ich habe es ja immer gesagt, dass das Stück keinen
Vergangenheit weihte, nahmen ihn nicht gefangen. Als er zeitgemässen Schluss hat. Der Herr Wolfram von Eschen-
ihre Zärtlichkeit so freundlich abwies, als es ihm möglich war, bach und die Elisabeth müssen sich heirathen — und sie
nannte sie ihn lachend einen Narren, der nicht verdiene, passen so schön zusammen! Ich gratulire!«
dass man nett mit ihm sei. Ein eiliger Tritt verklang auf dem Pflaster.
Sie gaben sich schliesslich das Versprechen, gute Kame- Fort war er. Auf Nimmerwiedersehen.
raden bleiben zu wollen. Das gibt man sich in solchen
Fällen stets, wenn man auf immer Abschied nimmt.
Wieder begann die Arbeit, die auch dafür gut war, das
Gefühl wachsender Unruhe zu übertäuben, das Hans jetzt
oft beschlich, weil der Onkel ihn nie einer Antwort auf jenen
Brief aus Elberfeld gewürdigt hatte. Und dann sagte er sich
auch wieder, dass er ein reines Gewissen habe und sich
nicht zu schämen brauche! Kam er nur erst mit einem Er-
folge nach Hause, dann musste ja Alles gut werden.
Und der Erfolg kam: eine Medaille im Salon! Nur die
zweite, aber doch eine Medaille.
Als der Spruch der Jury gefällt war, packte der Glück-
liche seinen Koffer und fuhr der Heimath zu, die Brust voll
von Hoffnung. Wie unbezwingliche Sehnsucht kam es über
ihn. Nach der Geliebten sehnte er sich, nach der Heimath,
selbst nach dem grollenden Onkel und dem tugendhaften
Freunde!
Nun rollte der Zug schon über die Rheinbrücke! Noch
ein paar Stunden — die Vaterstadt! Er Hess sein Gepäck
auf dem Bahnhofe und eilte zu Fuss durch die wohlbekannten
Gassen dem Hause zu, in dem er die Geliebte wusste. Da
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gewordenen Augen der Schwarzenauer. mehr. Die sassen alle schon wegen Ge- keinen Spazierstock, keine Sackuhren, die
Auch der Titian kostete harte Arbeit, aber fährdung der öffentlichen Moral im Ge- nicht ein geheimnissvolles Fach, ein Löch-
sie gelang; und seine ruhende Venus sah fängnisse. lein zum Durchgucken hatten. Und was
denn auch bald aus wie eine in Binden ge- Auch beim Baden wurde die weit- man da sah! Pfui Teufel!
wickelte Mumie. Einer herrlichen alten gehendste Angezogenheit vorgeschrieben, Es kann nicht verschwiegen werden:
Kölner Madonna, die das Jesuskind an die selbst für die Cabinen, nicht blos für’s Die ehemaligen Mitglieder der Sittencom-
Brust gelegt hatte, malte der Meister den Schwimmbassin. Die gewissenhafte Com- mission waren die eifrigsten Sammler.
Spalt im Kleide schön blau wieder zu und mission guckte durch alle Ritzen und Denn wenn der Löwe einmal Blut ge-
liess die heilige Frau ihr Kindlein mit der Schlüssellöcher und wehe dem, der in un- leckt hat.
Flasche stillen. So ging es weiter in jedem sittlichem Costüm betroffen ward. Nach-
Saal. Selbst das Viehzeug auf der Weide gerade kamen sich die Leute aber auch in
erhielt die nöthigen Retouchen und ein ihren Kleidern nackt vor und sahen sich Es ist nur ein Glück, dass Schwarzenau
mächtiger Stier von Paul Potter war mit gegenseitig daraufhin an und construirten örtlich und die Geschichte vom Fischreiter
einem Pinsel voll blauer Himmelsfarbe sich mit ihren Blicken unter den Kleider- und der Hofdame zeitlich uns so ferne liegt,
schnell zum Ochsen degradirt. Und so falten der Andern deren Gliederbau. so ferne! Ki-ki-ki.
fort mit Grazie! Immer weiter kam man so in der Sitt-
In der Skulpturengalerie war die Ar- lichkeit, immer neue Gebiete erschlossen
beit leicht. Man verhüllte alles Gefähr- sich ihren Bestrebungen. Schliesslich durf-
liche mit weissen Leintüchern. Als die ten auch die Fleischer ihre rosigen Hammel
Commission zum Revidiren kam, hoben die und Kälberviertel nicht mehr unverhüllt in
Herren hier und dort die meisten Falten die Auslagen hängen. Hunde und Pferde,
hoch und constatirten noch einmal, wie Stuhl- und Clavierbeine bekamen Hosen.
nothwendig die Verhüllung gewesen. Sie In den Theatern wurde eine strenge Gen
nahmen es genau mit ihrer Aufgabe. sur für die Costüme eingerichtet: selbst die
schöne Helena musste sich wie eine Herren-
Die öffentlichen Denkmäler in der Stadt huterin anziehen. Tricots durfte Niemand
waren auch schnell aptirt für die wieder- mehr tragen — ausgenommen die Ballet-
gewonnene Moral. Alle nackten Genien ratten der fürstlichen Oper, denn S. Durch-
bekamen so viel Palmzweige und Attri- laucht interessirten sich für die Kunst.
bute in die Hand, dass kein Stückchen Endlich war das Werk gethan.
überflüssigen Fleisches sichtbar blieb. Beim Hofball erstattete der Hofcaplan
Jetzt glaubte man, so ziemlich fertig der Dame Adelaide ausführlichen Bericht
zu sein. Da kam ein Brieflein an die Com- und überreichte ihr die Liste der ausge-
mission: sie sollten doch in den Kirchen tilgten Nacktheiten, sauber gedruckt und
einmal gründlich nachsehen, dort sei aller- für die Mitglieder der Commission mit
hand zu finden, was die tapferen Forscher reichlichen Kupfern versehen. Dieser Ka-
angehe. Und — siehe da — es war so! talog enthielt 4785 Nummern. Die Hof-
dame athmete befriedigt auf und ihr Busen
Da gaukelten um Kanzeln und Altäre, wogte in freudiger Erregung. Man konnte
um Friese und Gewölbzwickel nackte Engel das genau wahrnehmen, denn ihr Kleid
und Englein in hellen Schaaren, da standen war ausgeschnitten bis zur 7. Rippe. Und
heilige Sebastiane von Pfeilen durchbohrt alle Damen rings umher waren ähnlich
und an allen Ecken und Enden andere angethan, theils mit, theils ohne Grund, auf
Märtyrer, die nicht viel mehr anhatten, dem Hofballe zu Schwarzenau, der Metro-
als ihren Heiligenschein, da nährten heilige pole der Sittlichkeit.
Mütter wie jene in der Gemäldegallerie
ihre Bambini mit der Nahrung, die der Das Werk also war vollendet! Welch’
liebe Gott den Neugeborenen bestimmt hat. ein Glück für die Stadt, dass das Fräulein
Im Dom stand ein Sankt Borromäus, der Adelaide von der Zipf früher so lustig
war nackter als nackt, denn er hatte sogar gelebt hatte!
die Haut ausgezogen und trug sie wie einen Denn sonst hätte sie am Ende gar nicht
Plaid über dem Arme. Der musste nun gemerkt, dass der Bube auf dem Delphin
zweimal angezogen werden, zuerst in eine
Haut, dann in einen Mantel. In einer alten
nackt und ein so grosses Aergerniss war;
der Bronzebrunnen hätte immer so weiter
(9 e.. L.oc/.'C /
Votivkirche fanden sie nach Hunderten Seelen vergiftet eine nach der andern und
Täfelchen mit den entsetzlichsten Schil- die andern Nuditäten wären auch nicht aus-
dereien; denn die Leute hatten sich dem gespürt und aus der Weit geschafft worden!
Patron der Kapelle in allen erdenklichen
Nöthen versprochen und selbige sauber ab- In Wahrheit sind die Schwarzenauer
malen lassen. Das wurde summarisch be- freilich nicht besser geworden. Im nächsten Sprüche des Konfusius.
handelt. Man schüttete die Täflein auf Jahre gab’s dort genau so viel Wickelkinder
einen Haufen und lustig prasselten die ohne Väter und Frauen ohne Männer, wie Wenn Dich eine Mücke sticht, darfst
Flammen aus dem ausgedörrten Holzwerk vorher. Es wurden noch um etliche Jüng- Du sie umbringen; wenn Dich ein Elephant
und die Gassenbuben tanzten um den ferlein mehr verführt, die Giftmorde und
Scheiterhaufen. Auch die vielen wächsernen anderen Schandthaten aus Eifersucht nah- tritt, musst Du ihn um Verzeihung bitten!
Glieder, die in der Kirche hingen, konnten men auch nicht ab und die Ehe ward auch
nicht so bleiben, denn die Arme hatten nicht von mehr Leuten heilig gehalten, als *
keine Aermel und die Beine keine Hosen
an. Man schmolz sie ein und machte Altar-
sonst. Auch an Putzwuth und Gefallsucht Sprich stets, wie Du denkst; nicht
ward keine Abminderung verspürt. Mäd- Du deshalb hinausge-
kerzen daraus. Der Küster that sich auch chenjäger, Mitgiftspekulanten und Heirats- jedesmal wirst
etliche Pfund auf die Seite für den Haus- schwindler trieben ihr Gewerbe blühender worfen werden!
gebrauch. als je. Und eine neue Art von Delikten kam £
Und Schwarzenau war, wenigstens nach dazu. Es mussten Viele bestraft werden Wenn die Rosen keine Dornen hätten,
der Aussenseite hin, die keuscheste Stadt wegen heimlicher Verbreitung bedenklicher wären sie mit einer Zunge bewaffnet.
von der Welt geworden. Bis herab zu den Bilder und Schriften. Das Geschäft warf
Pfefferkuchenfiguren hatte der Bekleidungs- jetzt reichen Gewinn ab. Ganz andere
drang gewüthet und der Lebzelter verzierte Dinge, als die, die man verboten oder ver-
seine berühmte Gruppe „Adam und Eva“ kleistert hatte, kamen im Stillen in Um- Wohlthun bringt Zinsen; Nichtsthun
mit schöner Toilette aus Zuckerguss. In lauf. Da gab es bald kein Dös’chen mehr,
das nicht zum Abschrauben war, kein Käst- au sserdem noch Dividenden.
keinem Bilderladen gab es mehr was Nack- B. Rauchenegger.
tes; es gab überhaupt keine Bilderhändler chen ohne doppelten Boden, keine Pfeife,
2Z
Nr. 1 und 2 JUGEND 1896
Der Rechte höchstes ist die Pflicht; Die Frau ist am Schönsten, wenn sie liebt;
zugleich das einzige Recht, auf dessen Aus- der Mann, wenn er für eine gerechte Sache
übung zu verzichten wir kein Recht haben. oder eine neue Idee begeistert ist. So wenigstens
scheint es uns Männern, ■—- möglich, dass es
„Man kann nicht zu gleicher Zeit im Frauen gibt, die umgekehrt urtheilen.
hohen Rathe Mäcenas und daheim Dio-
genes sein.“ Dieser Ausspruch ist mir übel
Wohl dem, der nebst gutem Gewissen einen
vermerkt worden, als Hohn auf die Armuth.
Wie mich das schmerzt! Ich wollte damit nur gesunden und kräftigen Leib hat. Denn im
26
1896
JUGEND Nr. 1 und 2
Nr. 1 und 2 . JUGEND . 1896
. X.D
Ein Orakel. Nobile Trifolium. Orterer Angesicht — Ist wirklich nicht schwer
zu erkennen! —Wer’s einmal nur photographirt
Früher Lieutenant der Husaren, Abbü, Marquise und Marquis — geseh’n — Der muss es auf immer behalten
Jetzo Fürst von den Bulgaren, Gibt's noch ein Kleeblatt so wie sie?
— Es steht ja das ganze Centrumsprogramm
Sitzt der arme Ferdinand, Vertragen die sich nicht — fürwahr — In seinen verkniffenen Falten!
Sohn der Fürstin Clementine, Erscheint’s dem Weisen wunderbar!
55
Trüb, mit langer Nas’ und Miene Sonst pflegt sich fröhlich zu vertragen
In dem neuen Vaterland. Das Pack, sobald es sich geschlagen. Gross und mächtig ist der Zar aller
Versöhnen werden sich auch diese, Reussen! Unumschränkt gebeut er über
War’ ja schön sich Fürst zu nennen, Menschen, Thiere und Bauern seines weiten
Marquis, Abbü und Frau Marquise. Reiches und er hat kein Gesetz über sich.
Aber freilich — anerkennen
Was war denn weiter auch dabei? Jeder im Lande gehorcht dem leisesten
Müsst’ ihn erst die schnöde Welt!
Ein Bis’chen Heu- und Meuchelei, Wink seiner Brauen, Jedem ist des Herren
Und da hat man ihm gerathen: Wunsch Befehl. Bios Einer thut — und
Ein Bis’chen Meineid und Betrügen,
»Nimm Dir halt den Zar als Pathen, manchmal dem Beherrscher aller Reussen
Auf allen Seiten viele Lügen, zum Trotz — auch in Russland, was ihm
Dann ist Alles wohlbestellt!«
Pikante Spuren alter Sünden gutdünkt — der Klapperstorch!
Angethan in Purpurwindel — Und neuer Sünden (kaum zu künden),
Welch’ ein allerliebstes Kindel! — Ein Schielen nach des Nächsten Frau Als dem verhafteten Aaron (auch Arton
Liegt der Erbprinz in der Box; Und ihrem Geld — jesuitisch schlau, genannt) der Polizeicommissär sein Notiz-
Und der Vater rauft die Haare: buch abnahm, fand er darinnen eine lange
Viel Frömmelei, infames Hetzen Reihe Namen von französischen Abgeord-
»Welcher Glaube ist der wahre — Und Vieles noch, was den Gesetzen neten, Beamten und Senatoren aufgeschrie-
Römisch oder orthodox?« Zuwiderhandelt des Gerichts — ben. „Was sind das für Namen?“ fragte
Von Allem etwas — weiter nichts! strenge der Commissär. — „Ach, das sind
»Lass’ ich ihn auf’s Neue taufen, Sammelvermerke!“ erwiderte der brave
Mir des Zaren Gunst zu kaufen?« Nun ist’s vorbei, des Lebens froh Aaron. „Ich bin Lumpensammler.“
Ruft der Herrscher zweifelnd aus — Sind Nayve’s jetzt und Rosselot.
»Trau der Kukuk diesen Tröpfen!« Und hoffentlich wird dann auch schleunig Im ehemaligen Reichstagsge-
Und er zählt an seinen Knöpfen: Die schöne Trias wieder einig. bäude in Berlin ist jetzt eine Barbier-
»Boris oder Nikolaus?« Nun deckt der Nächstenliebe Schleier stube etablirt — man sagt es sei nicht
Auf die vergangenen Abenteuer
schön vom Fiskus, dass er um ein paar
»Ein Orakel sollst Du fragen —« lumpige Tausender den ehrwürdigen Bau
Und heiter sitzen beim Cafe für so was hergibt! Aber im Grunde ist
Hört er eine Stimme sagen — Marquis, Marquise und Abbe! dem Haus das Metier doch nicht so fremd.
»Diese Windel, blüthenrein, Hier hat der deutsche Michel sich schon so
Sei um Deinen holden Jungen 85 manchem Aderlass unterziehen müssen,
Zehn Minuten lang geschlungen, hier wurde mancher brave Zopf geflochten,
Und dann blickt getrost hinein!
Schrecklich! j hier hat so mancher Volksbeglücker seine
Jüngst ist ein empörendes Faktum ge-
Wähler gründlich über den Löffel bar-
Blieb das Linnen ohne Makel, biert, hier wurde gar oft eine Menge
scheh’n — Am Bahnhofperron zu München, — lauschender Hörer von gewandten Diplo-
Spricht bejahend das Orakel Das lässt sich mit matter Entschuldigung — matenhänden gründlich eingeseift, hier
Und der Pope hat das Wort; Nachträglich nicht übertünchen! — Sie haben sind oft die heterogensten Dinge über
Lest ihr And’res aus dem Kissen, den Doktor Orterer — Belästigt mit kecken einen Kamm geschoren worden und
Will der Prinz davon nichts wissen Mancher hat hier Haare gelassen, der
Fragen, — Sie Hessen den grossen Centrums- es unternahm, sich mit einem Stärkeren
Und man jagt den Popen fort!« mann — Nicht ohne Fahrschein zum Wagen! ' zu — „kampeln“.
So geschieht’s. Man harrt mit Bangen, — Man werfe die ganze Verkehrsdirektion —
Bis die Wartezeit vergangen, Mit faulen Aepfeln und Eiern! — Ihr Personal Das Durchschnitts-Einkommen der
Was das Schicksal künden lässt? erkennt nicht einmal — Den Rektor aller Bayern! preussischen Volksschullehrer soll auf
jährlich 900 Mark „hinaufgeschraubt“ wer-
Und mit aufgeregtem Schnaufen — Der Mann, der’s verstand, von der Oppo- den? Wenn aber das rapide Steigen ihres
Kommt die Kinderfrau gelaufen: sition — Wie Keiner zu profitiren — Er musste Einkommens die preussischen Volksschul-
»Euer Durchlaucht, ein Protest!« sich erst vor dem Condukteur — Als Fahrgast lehrer zu Prass, Völlerei, Börsenspiel und
anderen Lastern verführt — wehe der künf-
legitimiren. — Mit tödtlich beleidigtem Selbst-
K gefühl — Erfüllt von grimmigem Hasse — Be-
tigen Generation der preussischen Jugend!
SXT
Die französischen Parlamentarier müssen stieg er mit seinem Freibillet — Dann grollend In Dingsda feierte die 9jährige Klavier-
die erste Klasse. — Von der alten National- virtuosin Bronislawa Meierfrau ihr zehn-
doch ihr Geld werth sein — sonst krankheit — Ist wieder ein Fall zu melden — jähriges Jubiläum als Wunderkind.
hätten die Herren Panamisten sie nicht Diejubilarin wurde mit Lorbeer und Blumen
Das liebe germanische Vaterland — Misskennt überschüttet.
gekauft. seinen grössten Helden! — So ist es dem Fürsten
Bismarck passirt — Von Seiten gewisser Leute In Wien hat sich ein Greis von etlichen
Herr Bourgeois kennt keinen Scherz, Und jetzt ist dem bayerischen Centrumspapst zwanzig Jahren eine Kugel durch den Kopf
Schon hat er den Aaron fangen lassen Geschehen das Nämliche heute. — Man gejagt — als Grund gab er an: aus langer
Weile. Zu bescheiden; er hat wohl eigent-
Am Ende fasst er sich doch noch das Herz, wage die That am Bahnhofperron — Nur ja lich schreiben wollen: aus Rücksicht
Den Herz zu fassen? nicht entschuldbar zu nennen — Des Doktor auf meine Mitmenschen.
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1896
- JUGEND . Nr. 1 und 2
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Nr. 1 und 2 JUGEND 1896
52
Inseraten-Annahme Insertions-Gebühren
1896
JUGEND
durch alle Annoncen-Expeditionen für die
sowie durch
4gesp3.lt. Colonelzeile oder deren
G. Hirth’s Verlag in München No. 1 & 2 Raum M. i.—.
und Leipzig.
HIRTH’S
FORMENSCHATZ.
Eine Quelle der Belehrung und Anregung
für Künstler und Gewerbetreibende.
Jährlich 12 Hefte ä 16 Tafeln hoch 4°. — Preis per Heft Mk, 1.25.
Jahrgang 1877—1895 mit ca. 3 500 Blättern in Cartonmappe
M. 275, in Leinwandmappe M. 31$, in eieg. Halbfranzband
gebd. M. 341.50.
Jahrgang 1877 und 1878 (Formenschatz der Renaissance)
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Jahrgang 1879—1895 in Cartonmappe je M. 15.—, gebunden
— C’est egal, ma Alle, vous je M. 18.50.
pouvez vous variier d’avoir pro- Jede Serie selbständig mit erläuterndem Text.
fite ä mon Service. Avant, vous Das Werk wird fortgesetzt; auch das bisher Erschienene kann
aviez de la mauvaise graisse. nach und nach bezogen werden.
A present, vous etes tout nerfs. (Einzelne Tafeln werden nicht apart abgegeben.)
(»Rire«, Paris.)
„Hirth’s Formenschatz“ ist 111 Wirklichkeit ein Schatz
für jeden Besitzer des Werkes. Das ganze Werk bietet etwa
3500 Blätter. Sie reichen geschichtlich von der alten Welt bis
zum Beginn des gegenwärtigen Jahrhunderts. Bestimmt, eine
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Quelle der Belehrung und Anregung für Künstler und Ge-
werbetreibende zu sein, erfüllt das Werk seine Aufgabe in
einer Weise, dass es sozusagen auf keine Frage die Antwort
schuldig bleibt. Die Benützung des Werkes wird durch sorg-
V' fältige Register erleichtert. Das Werk ist international. Was
der Herausgeber bei irgend einer der Kulturnationen Werth-
volles findet, wird benützt. Dem Werke kann eine grössere
Empfehlung auf seinem Weg nicht mitgegeben werden als
der Hinweis auf seinen riesigen Umfang und seine erfreuliche
Verbreitung.
(Schwab. Merkur, Stuttgart.)
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Nr. 1 und 2 JUGEND 1896
>. . . . Das Buch ist die Frucht einer reichen Erfahrung und
eines umfangreichen Studiums. Hat doch der Autor die hier vor-
getragenen Anschauungen und Grundsätze alle selbst probirt. Man
braucht bloss die Abbildung der Saalpartie in seinem Hause zu
München anzuschauen, um sich darüber klar zu werden, dass wir
es hier mit einem Fachmann ersten Ranges zu thun haben, der
seine Lehren und Grundsätze zuerst bei sich erprobt und richtig
befunden hat.
Wie der „Formenschatz“ zur Kunst pflege im ganzen
deutschen Volke, so fordert das Deutsche Zimmer
zur Kunstpflege im eigenen Hause auf; ers I er es ist
ein Volksbuch, letzteres ein Haus- und Familien-
buch, beide aber verfolgen das gemeinsame Ziel,
die Pracht und Herrlichkeit der alten Kunst zu ver-
stehen und wiederzugewinnen.«
(Prof. Dr. Stockbauer in »Bayer. Gew.-Zeitung« 1890 No. 4.)
Saalpartie in dera Hause Georg Hirth’s zu München.
Das Buch eignet sich besonders als Fest- u. Gelegenheitsgeschenk für Verlobte, Neuvermählte, xu Weihnachten etc. :
Meister-Holzschnitte
aus vier Jahrhunderten.
Herausgegeben von
Georg Hirth und Richard Muther.
Französische Ausgabe unter dem Titel:
QUATRE SIECLES DE GRAVÜRE SUR BOIS.
Complet in Cartonmappe Mk. 40. — , in Halbfranzband
geh. Mk. 50.—.
(Der frühere Subscriptionspreis 10 Lieferungen ä Mk. 3.50 ist erloschen.
Einzelne Blätter werden nicht apart abgegeben.)
Die Sammlung enthält 120 Tafeln in einfachem, und 33 Tafeln
in Doppelformat auf Büttenpapier, mit erläuterndem Text.
J^ünchner illustrierte Wochenschrift für Kunst und Leben. — G. Hirth’s Verlag in München & Leip:
Nr. 3 1896
'S ■Itti'iiCl
Im Sachsenwalde, da lebt ein Mann, Gesä’t? In der Deutschen Herzen Gru.id Gemalt? Ein funkelndes Wappenbild,
Der Alles weiss und der Alles kann, Hat er gelegt für den neuen Bund, Das heute vor jedem anderen Schild
Ist klüger als Tausend zusammen: Den Samen nie welkender Treue! Hindräut über Länder und Meere!
Er hat geschneidert und hat genäht, Die Saat ward mit heiligem Blut genetzt, Gereimt? Jawohl: für das alte Lied
Er hat gedroschen, er hat gesä’t, Dass nie sie ein tückischer Wurm verletzt Von schmählicher Zwietracht, die Deutsch-
Geschmiedet in sprühenden Flammen! Und sie immer erblühe auf’s Neue. land schied,
Das Lied von der Eintracht und Ehre.
Er hat gewebt und er hat gefärbt, Geschmiedet? — Jawohl: ein Nothung-
Er hat gemünzt und er hat gegerbt, schwert Gar trübe sah’s aus vor dem grossen Jahr,
Er wusste zu mauern, zu zimmern, Dem Arme, den erst kaum ein Stecken Es waren dem herrlichen Kaiseraar
Er hat gemalt und er hat gereimt bewehrt — Gebrochen Schwingen und Klauen;
Und kunstreich wieder zusammengeleimt, Und wie hat die Klinge gepfiffen! Die Krone die sank ihm vom stolzen
Was morsch war und elend in Trümmern. Begeisterung gab ihm für’s Eisen die Gluth Haupt —
Und am stahlharten Teutonenmuth Und frevelnde Hände hatten geraubt
Hat er die Schneide geschliffen! Die schönsten der rheinischen Gauen!
Gezimmert? — Jawohl: einen stolzen
Thurm,
Dem schadet kein Feuer, den fällt kein Sturm, Gewebt? Ja, ein unzerreissbar Band Und weil unsern Bismarck die Noth be-
Ob Wind ihn und Wölfe umheulen! Und mit gewaltiger Meisterhand drückt,
Gemauert? — Jawohl: und mit Eisen Verknüpft den Süden und Norden! D’rum hat er den Leimtopf an’s Feuer ge-
und Blut Gefärbt? Mit köstlichem Purpurroth rückt;'
Die Steine verbunden! Der Bau ist gut, Den Kaisermantel, der in der Noth An glühender Herzen Flammen,
Er gründet auf ehernen Säulen. Der Zeiten schäbig geworden! Da kochte er sich einen festen Kitt
Und rührte ihn brav und leimte damit
Geschneidert? — Jawohl: ein bräut- Den Aar und die Lande zusammen!
Gemünzt? Der Vaterlandsliebe Erz,
lich Kleid Das tief erfüllte des Volkes Herz,
Germania, seiner geliebten Maid, Doch von Schutt und von Schlacken um- Ein Vierteljahrhundert hält es schon
Statt der alten, buntscheckigen Flicken! woben ! Und nirgend erblickt man die Spur davon,
Gedroschen? — Jawohl auf der Feinde Lang wussten sie nicht, wie reich sie Dass es nicht auf immer sollt’ halten!
Haupt, sei’n — Und wer nur im Lande sein Handwerk kann,
Die uns die Ehr’ und den Frieden geraubt! Da leuchtete er mit der Fackel drein Der sieht das Werk mit Bewund’rung an
Gegerbt? Manch’ bübischen Rücken! Und der herrliche Hort war gehoben! Und segnet den herrlichen Alten!
So lange Ihr Ihn zum Vorbild wählt, Die Gläser herbei — und das Beste hinein!
Ist’s nimmer um guten Rath gefehlt Und donnert es laut über Weichsel und Rhein,
Im Reiche germanischer Geister: Dass Fenster und Wände beben:
Und heute ist just der rechte Tag, Der Held, der die Deutschen des Fürchtens entwöhnt,
Dass man sein in Ehren gedenken mag, Und der uns in Wälschland den Kaiser gekrönt,
Der aller Künste ist Meister! Der alte Bismarck soll leben! F. v. O.
3S
1896 JUGEND Nr. 3
39
Nr. 3 JUGEND 1896
In drei mächtigen Armeen zogen wir Deutsche an unsere »Franzosen sind’s, vom Korps Frossard, sorglos, denn
Westgrenze. Steinmetz mit der ersten und Prinz Friedrich sie halten den rothen Berg für unerstürmbar.«
Carl mit der zweiten sammelten sich an der Saar. Preussens Wenige Stunden später haben Rheinpreussen und West-
Kronprinz mit der dritten in der Rheinpfalz. falen in glühender Hitze die Höhen erstiegen, die französische
Man glaubte die Franzosen längst gerüstet. Sie haben Uebermacht geschlagen, den Feind in die Flucht gejagt.
nur aus Saarbrücken die kleine tapfere Garnison kurze Zeit Nun den Franzosen nach auf Metz!
verdrängt. Weiter kamen sie nicht vor. Es fehlte ihnen noch Bazaine hatte gewaltigen Vorsprung, Ob er entkommt?
an Allem. »Den Feind aufhalten, wo es geht; ihm westlich zuvor-
Wir aber standen am 4. August vollkommen bereit an kommen ; ihn in Metz einschliessen war das Ziel der Deutschen.
der Grenze und griffen natürlich sofort an. Die Bayern Hart- Es wurde marschiert wie toll.
mann’s stürmten auf Weissenburg. Turko und Zuaven wehrten Am 14. August erreichte man sie wieder.
den Marsch. Erschlagen blieben viele von ihnen liegen; der Bei Colombey Nouilly biss Steinmetz mit seinen West-
Rest entfloh. falen und Ostpreussen an.
Nun liess der Kronprinz die Preussen Kirchbach’s und Ging schwer genug. Aber es half.
Bose’s den Gaisberg angreifen. Hart und blutig war die Auf- Bazaine liess sich aufhalten, und dadurch fand die zweite
gabe. Aber sie gelang. deutsche Armee Zeit, Metz südlich zu umgehen. Am 16. wollte
Unterdessen hatten die Bayern Weissenburg selbst er- Bazaine westwärts abmarschiren. Plötzlich stürmten ihm die
obert — der erste Sieg war erfochten, gemeinsam vergossenes Brandenburger in die Flanke, und wie!
Blut hatte die Waffenbrüderschaft von Preussen und Bayern Alles setzten sie ein!
gekittet. Der Rest der geschlagenen feindlichen Division floh Diese braven Truppen, die Vionville eroberten! Diese
gegen Wörth. Dort stand Mac Mahon mit seinem Korps. todesmuthigen Reiter Bredows, die sich opferten! Und doch
Am 6. August stiess die dritte deutsche Armee auf diesen wäre es umsonst gewesen ohne die Hannoveraner. Die setzten
Feind. Beim V. preussischen Korps gings an. Vorpostenkämpfe. den letzten Athemzug daran. Sie kamen rechtzeitig, stürmten
Das II. bayerische wollte die Kameraden unterstützen. — und der Feind wich nach Metz zurück.
»Vor über die Sauer! Hurrah! Drauf!« Zwei Tage später versuchte es Bazaine zum zweiten
Das war zu früh; sie mussten zurück. Male mit seiner ganzen Armee.
Nun stürmten die preussischen Schlesier vor, den Bayern Nun stand aber Friedrich Carl bereit.
zu helfen. Bei Gravelotte begann das Wüthen, Westfalen und Rhein-
So Stands, als der Kronprinz kam. länder gegen fast uneinnehmbare, stark besetzte Stellungen.
Der sah sich um und sprach: »Es geht. Alle Reserven Das kostete entsetzlich Blut.
heran, und vorwärts!« Links davon Schleswigholsteiner gegen Amanvillers, ein
Wie griffen da Preussen, Bayern und Württemberger an! langes hartes Ringen.
Der Gegner wehrte sich wüthend. Half ihm nichts. Der Hauptkampf aber war nördlich bei St. Privat. Dort
Seine Infanterie wich; seine Artillerie war zusammengeschos- wollte Bazaine um jeden Preis durch. Dort aber haben Garden
sen, seine Reiterei fast ganz vernichtet. Gemeinsam haben und Sachsen ihn gepackt und sind über das freie Feld vor-
wir Eisasshausen und Fröschweiler erstürmt, Mac Mahons gegangen, trotzdem Tausende und Abertausende dem Feindes-
Armee war zerschmettert. blei erlagen, und haben gestürmt und wieder gestürmt, bis
Jetzt lag der Weg frei; die dritte deutsche Armee rückte wirklich — fast war die Kraft zu Ende — der rechte fran-
unaufhaltsam durch die Vogesen in das Herz Frankreichs vor. zösische Flügel geworfen, der Sieg errungen wurde.
Am Tage von Wörth überschritten auch die Vortruppen Nun griffen unten bei Gravelotte noch die Pommern
der ersten und zweiten deutschen Armee die Grenze. ein und brachten auch dort den heiss ersehnten Entscheid.
»Wer steht auf den Höhen von Spichern?« Damit war die Armee Bazaines endgültig nach Metz geworfen.
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1896 - JUGEND Nr. 3
Eine langwierige, unendlich mühevolle Cernirung begann. Sachsen und Garden rechts, die Bayern Hartmann’s, Thüringer,
Bei Regen und Kälte, unter den grössten Strapazen hielten die Hessen und Niederschlesier links ihn völlig umfassen und
Preussen Metz umfasst. ihn sogar von der nahen belgischen Grenze abdrängen. Dann
Einige französische Durchbruchsversuche waren ver- geht’s von allen Seiten drauf, ein Kesseltreiben sondergleichen,
gebens. Am 27. Oktober erlag die bis dahin unbesiegte und trotz tapferster Gegenwehr ist Abends die französische
Festung. Metz ward wieder deutsch. Armee zusammengetrieben, umzingelt, zerschmettert, zer-
Des Kronprinzen Armee rückte unterdessen westwärts vor. schlagen, rettungslos verloren.
Hinter ihr belagerte Werder die Festung Strassburg. In der Nacht wird verhandelt.
Mit viel Eisen und Blei ward um die spröde Maid geworben. Moltke und Bismarck beweisen den französischen Ge-
Am 28. September gab sie sich. neralen, dass es kein Heil mehr gibt. Da fügen sie sich.
Auch Strassburg ward nun wieder deutsch. Die ganze französische Armee, und mit ihr der Kaiser, ist
Der Kronprinz kam bis Barle Duc. Plötzlich hiess es: gefangen und wird nach Deutschland gebracht. Dieser ge-
»Mac Mahon hat Chälons verlassen. Er will Metz befreien.« waltige Schlag warf den Thron der Napoleoniden um; Frank-
Nun hat Moltke sein Meisterwerk geschaffen. reich erklärte sich als Republik.
Im Nu bog die dritte deutsche Armee nordwärts ab, Wir dachten an Frieden, die Feinde noch nicht.
den Franzosen den Weg zu verlegen. Gut; also vorwärts nach Paris!
Tag und Nacht wurde marschiert. Am 30. August war Beide Kronprinzen rückten mit ihren Armeen westwärts
es gelungen. weiter. Am 19. September hatte die dritte Armee die Süd-
Die Gegner ahnten nichts. Sie lagerten bei Beaumont. hälfte, die Maasarmee die Nordhälfte der feindlichen Haupt-
Plötzlich regnet es Granaten, deutsche Granaten. Magde- stadt eingeschlossen. Dabei gab’s manchen harten Strauss.
burger und Bayern stürzen die Höhen herab. Diese Lawine Half den Franzosen aber nichts. In kurzer Zeit zog sich ein
erschlägt, was nicht flieht; die Sachsen stossen nach; ein undurchdringlicher Gürtel von befestigten Stellungen um Paris,
Korps Mac Mahon’s ist vernichtet. Er weicht auf Sedan. Dort und alle Versuche, ihn zu durchstossen, scheiterten an der
^ill er einen Tag rasten. Aber Moltke spinnt die Fäden; die tapferen deutschen Gegenwehr.
Truppen marschieren, marschieren. So dauerte es Monate.
Von Metz her ist Sachsens Kronprinz mit drei Korps Die deutschen Truppen Hessen die belagerten Pariser
gekommen, von Süden führte Preussens Kronprinz die dritte nicht aus der Falle, und wenn sie es doch versuchten, wie
Armee heran. bei Bagneux, Malmaison, Le Bourget und Villiers, dann schlugen
Am 1. September geht’s los. jene so kräftig zu, dass die Anderen trotz ihres verzweifelten
Die Bayern Tann s greifen bei Bazeilles an. Ein fürchter- Muthes zum Rückzug gezwungen waren. Freilich aus mancher
liches Ringen entsteht. Aber es hält den Gegner, bis die Wunde floss auch das Blut der braven Belagerer.
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Nr. 3 JUGEND 1896
Die Tage von Le Bourget haben unseren Garden derb zu- herbe’s, Gewehr bei Fuss; im Südosten trieb Manteuffel mit
gesetzt und das dreitägige Ringen um Villiers schlug tiefe Risse den Pommern und der Werder’schen Armee die Franzosen
in die sächsischen, württembergischen und preussischen Li- Bourbaki’s über Pontarlier in die Schweiz.
nien. Aber es lohnte sich herrlich, denn nicht ein einziger So endete der grosse Krieg.
Durchbruch der Pariser gelang. Am 1. März zogen wir triumphierend in Paris ein; am
Nun versuchten es die Provinzen, die bedrängte Haupt- 2. wurden die Friedenspräliminarien unterschrieben.
stadt zu retten. Gambetta organisirte die allgemeine National- Wir haben von 1,113,254 nach Frankreich ausmarschier-
vertheidigung, den Volkskrieg. ten Deutschen 129,700 Mann verloren,
Zuerst rückte eine Armee im Oktober von der Loire vor. Dagegen 383,841 Franzosen gefangen,
Sie gerieth unter die Fäuste der Bayern von der Tanns und 107 Fahnen,
der Thüringer. Orleans ward von Tann erobert; die erste 7,441 Geschütze erobert,
französische Loirearmee hatte aufgehört zu existieren. Un- 5 Milliarden erhalten.
ermüdlich stampfte Gambetta neue Massen aus dem Boden. Die Hauptsache aber war:
Vor diesen musste Tann eine kurze Strecke weichen. Jetzt »Eisass und Lothringen sind wieder deutsch, und wir
kam der Mecklenburger Grossherzog mit seinen Landeskin- haben, was wir so lange ersehnten, einen Kaiser und ein
dern und den Hanseaten den Bayern zu Hilfe, und die Thürin- einiges deutsches Reich.
ger griffen wieder ein. Hurrah !
In harten Kämpfen, unter unglaublichen Strapazen wies
diese tapfere Armeeabtheilung alle Vorstösse der feindlichen
Uebermacht zurück.
Unterdessen rückte Prinz Friedrich Carl mit der zweiten
Armee von Metz heran. Der fasste die Franzosen im Osten.
Bei Beatme la Rolande hat er sie so erschüttert, dass ihnen dort
die Lust zu weiterem Vordringen verging.
Nun marschierte der Mecklenburger abermals gegen Or-
leans vor. Schlacht auf Schlacht — Loigny etc. — folgte,
blut- und leichenbedeckte Schnee- und Eisfelder bezeichneten
den Weg. Aber es gelang.
Orleans wurde von Tann’s Bayern, von Mecklenburgern,
Hanseaten, Thüringern und Preussen zum zweiten Male er-
obert. Abschied.
Und doch hatten die Franzosen noch nicht genug. Chanzy
Scherzend sagt' ich deinen Lippen
drang mit neuen Massen vor. Zuerst zerschellte er aber am
Lebewohl zum letzten Mal,
Widerstand der Deutschen, des Mecklenburgers bei Beaugency
Aber tobend an die Rippen
Cravant. Und dann kam Prinz Friedrich Carl über ihn, warf
Schlug das Herz in stummer Qual.
ihn gegen die Sarthe zurück und machte mit seinen Branden-
burgern, Hannoveranern und Schleswigholsteinern in der Deiner Augen Todesleuchten
dreitägigen blutigen Schlacht bei Le Mans ihm den Garaus. Glänzte wie aus andrer Welt.
Wer diesen Winterfeldzug an der Loire und Sarthe mit- Manchmal sah ich solches Leuchten —
gemacht, vergisst ihn nie. Er war die schwerste Aufgabe Wenn ein Stern vom Himmel fällt.
des ganzen Krieges.
Auch die französischen Nordprovinzen wollten der Haupt-
stadt beistehen. Faidherbe zog über Hamm südwärts. Er stiess
*
auf Goebens Ostpreussen und Rheinländer und wurde an der
Hallue am 23. und 24. Dezember gründlich geschlagen. Vorbei.
Noch immer gab Gambetta nicht nach. Er trieb im Süd- Das Donnerwetter im Herzen
osten um Dijon neue Massen zusammen. Bourbaki sollte mit
Hat ausgegrollt;
ihnen hinter den deutschen Armeen in Deutschland selbst
Von der Wimper die letzte
einfallen, Garibaldi mit der Vogesenarmee ihm die Flanke Zornige Zähre rollt.
decken. Das war kühn erdacht und unternommen, scheiterte
aber gänzlich an der zähen, todesmuthigen Gegenwehr der Schon wehen kühle Gedanken
Badenser und übrigen Deutschen Werder’s, die bei Villersexel Wie Morgenlüfte her;
und an der Lisaine leisteten, was menschenmöglich war. Wenn wir uns Wiedersehen
Nun blieb Paris sich selbst überlassen; es musste fallen. Ich kenn' dich nicht mehr.
Als äusserstes Druckmittel hatte man mit der Beschiess- ALBERT MATTHAEI.
ung der französischen Hauptstadt begonnen. Dies und der
täglich zunehmende Mangel veranlassten die tapferen Ver-
theidiger zum letzten Versuch. Beim Mont Valerien fielen
100,000 Mann aus und wurden am 19. Januar 1871 durch
Niederschlesier gründlich geschlagen.
Am 18. erstand in Versailles der deutsche Kaiserthron.
Am 28. kapitulierte Paris.
In den Provinzen fiel eine Festung nach der andern in
deutsche Hände; im Süden, Westen und Norden standen
entmuthigt die Trümmer der Armeen Chanzy’s und Faid-
42
1896 JUGEND Nr. 3
\ 43
Nr. 3 Soll
Nach uns von dem bewährten Volksbeglücker Schrullenberger zur Verfügung gestellten Entwürfen hat der Zeichner hier
dargestellt, wie es den Soldaten während ihrer Dienstzeit eigentlich ergehen müsste in der Instruktionsstunde, bei
dem in eine Art von Anschauungsunterricht verwandelten Exerzieren, im Mannschaftscasino, auf dem Marsche, in den
Erholungsstunden und im Arrest — wenn dieser nicht besser ganz abgeschafft wird.
44
Haben 1896
Wie nach
Militär den durchaus
wirkliVh glaubwürdigen Schilderungen
kIu « gmuuwuiuigen des besagten
^ci *-~b^krasse
^icrrn Herrn Schrullenberger
schrulienberger die Söhne desdie Söhi ^_ , 1
Landes
Militär wirklich behandelt werden. Einige besonders Fälle von
Herrn in Obip^tr»
Herrn in Obigem —j Einige besonders krasse Fälle von Misshandlungen sind nach den Berichten c
«ft. u . werden-
a f e'sSetreu abgebildet und im klebrigen ist dargestellt, was die Unglücklichen im Manch
zu erdulden haben, wie ihre Menage und ihre Arrestlokale beschaffen sind.
45
Nr. 3 . JUGEND - 1896
Früher war’s so meine Weise, Ach, und doch - - wo ist ein Weiser,
Abenddämmerung Dass ich stets ein Nein ihm bot; Der mir dieses Räthsel deute!
am See. Stupft’ er mich am Arm nur leise, Scheinen will mir, dass ich heute
Immer wurd’ ich feuerroth. Nicht wie einst dir theuer bin.
Weit draussen auf der glatten Welle
Liegt still ein Segel regungslos; Was er jetzt auch mag verlangen, Und ich quäle mich im Stillen,
Wie von der Nacht gebannt zur Stelle, Immer noch, wie sonst geschah, Denk ich jener schönen Zeiten
Der Nacht, die andringt ruhig gross. Feuerroth glühn mir die Wangen, Voll verstohlner Süssigkeiten —
Sie hält das Schiff am Zauberbande Doch mein Mund sagt immer: Ja! Jene Zeiten sind dahin!
Der schönen Ufer, da zugleich
Des Mondes Licht Gebirge, Lande Jene schönen Tage, Liebchen,
Umgibt mit seinem Geisterreich. & Wo, wenn sich die Augen fanden,
HERMANN VON LINGG. Zitternd wir beisammen standen
Mit erröthendem Gesicht.
Nachher und vorher.
Jene Zeit, wo hold erglühend
Seh’ ich dich nur an, so lachst du, Stets dein Mund: Ich will nicht! sagte,
Kehrst dich nicht mehr ab so thörig; Ich darauf: Warum denn? fragte,
Ruf’ ich dich, die Antwort hör’ ich: Und du sagtest: Warum nicht?
Vorher und nachher. Hier, mein Liebster! Ich bin da. AUS DEM ITALIENISCHEN DES RICCARDO
Was der Priester sprach für Worte, Schöner bist du noch, als früher, SELVATICO VON PAUL HEYSE.
Flog mir nur am Ohr vorbei; Täglich neuen Reiz enthüllst du,
Weiss nur, aus der Kirchenpforte Jeden Wunsch von mir erfüllst du,
Gingen Arm in Arm wir Zwei. Stets erwiderst du nur: Ja.
Wie der Herr Hofburgschauspieler N. N. Unterricht erhält in der Aussprache des englischen „th“.
Sprechen Sie „dshzs“! Sprechen Sie „dzshsz“!
46
1896 JUGEND Nr. 3
Carl Strathmann.
Originalzeichnung von
Oie Jungfrau riecht an der Lilie, Der Kohl hat einen tiefen
Dem duftenden Jungfraun-Symbol, Poetisch-mystischen Sinn:
Und denkt dabei an den neusten Es steckt das Liebesgeheimniss
Symbolischen Blumenkohl. Der Symbolisten drin. A. M.
47
Nr. 3 JUGEND 1896
Hugo v. Habermann.
Nr. 3
1896 . JUGEND
Das Gehirn unsrer lieben schaft zu fassen, — was Männer erdachten, kann nur von
Männern begriffen werden. Das ist göttliche Ordnung*) ■
Schwestern. mulier taceat in ecclesia.“
Das eben, liebe Schwestern, will ich heute zu Eurem
*Unter allen höheren Regungen und Bewegungen un- Frommen an den Pranger stellen, auf die Gefahr hin, als
serer Zeit erscheint mir, rein menschlich betrachtet, als die Verräther am Geheimniss „männlicher Wissenschaft“ be-
schönste und interessanteste der Kampf unserer Schwestern trachtet zu werden: Die ganze Lehre von der Inferiorität
um Gleichstellung mit dem starken, dem herrschenden und des weiblichen Gehirns ist eine fromme Mär, ein
unterdrückenden Geschlecht; ja ich halte es für möglich, dass wissenschaftliches Quiproquo, das eben nur beweist, wie lange
nicht etwa die sozialen und wirthschaftlichen Dissidien der und hartnäckig Männer zu irren im Stande sind. Diese Lehre
Männerwelt — zum Theil recht dumme Sachen — dem kom- beruht auf zwei falschen Voraussetzungen, nämlich erstens,
menden Jahrhundert seinen eigenthümlichen Stempel auf- dass das Gewicht des gesammten Gehirnes ganz direkt als
drücken werden, sondern dass dieses Jahrhundert seine Welt- Massstab für die Intelligenz zu nehmen sei, und zweitens,
signatur recht eigentlich von der Lösung der „Frauenfrage“ dass es statthaft sei, mit statistischen Durchschnitten
erhalten wird. aus Massenbeobachtungen einer Frage auf den Leib zu rücken,
Denn was wir bisher davon erlebt, das war und ist nur in welcher nur mit individuellen Begabungen gerechnet
erst Vorpostengefecht. Man kann zwar nicht leugnen, dass werden darf.
unsere Schwestern schon manche Positionen errungen ha- Beginnen wir mit dem zweiten Trugschluss, so ist es
ben, die früher uneinnehmbar schienen, und dass sie diese doch zunächst klar, dass auch unter Denen vom starken Ge-
mit grossem Geschick vertheidigen und befestigen, aber die schlecht gewiss nur ein mässiger Prozentsatz zu wissenschaft-
eigentlichen „Sperrforts“ der Gleichberechtigung — denn sie lichen Studien und Berufsübungen befähigt ist. Dieser Satz ist
wollen „uns“ ja nicht verdrängen, sie begehren nur Einlass! sogar ziemlich gering, er mag 5 bis 10 Prozent ausmachen,
diese Sperrforts sind noch ausschliesslich in den Händen kaum mehr. Nehmen wir nun an, bei den Weiblein seien
der Männer, und immer noch, wenn die muthige Schaar mit es nur 2 bis 3, ja nur 1 Prozent, — mit welchem Rechte
hellklingendem Kriegsgeschrei neuen Ansturm wagt, ertönt will man dieser Minderzahl die Betheiligung an den wissen-
ihr im tiefsten Basse das „Zurück“ der Thorwächter entgegen. schaftlichen Studien, die der Staat ermöglicht, wehren?
Im tiefsten Basse wissenschaftlicher Ueberzeugungs- Lehrt nicht Jeden schon die persönliche Erfahrung, dass es
treue! Dies „Zurück“ klingt so wahr und so bieder, und ist viele Frauen gibt, die an Intelligenz ihre männliche Umgeb-
doch oft, ja zumeist nichts als geschlechtsegoistische Ueber- ung weit überragen? Und ist nicht schon von vielen Frauen
hebung, mit der wir seit Adams Zeiten unsere ach! so lieben der Beweis geliefert, dass sie mit Erfolg der Erforschung
und ach! so unentbehrlichen Schwestern der Schlangenrolle und Verkündigung der Wahrheit zu dienen vermögen?
zu verdächtigen und zur Strafe dafür auch noch zu terrorisiren, Was aber das ominöse Gewicht des Gehirns anbelangt,
mit Eifersucht zu quälen, zu haremisiren und zu kemenati- so ist es ja richtig, dass im Grossen und Ganzen das
siren gewohnt sind, immer unter dem heuchlerischen Vor- weibliche um ein paar Hundert Gramm leichter ist als das
hände der ritterlichen Fürsorge. Als ob sie was davon hätten, männliche, — was nicht ausschliesst, dass Millionen männ-
ass sie uns wie wir so gerne singen — himmlische Rosen licher Spatzengehirne von Millionen weiblichen Gehirnen auch
ins irdische Leben flechten! an Gewicht weit übertroffen werden. Aber die Hauptsache ist,
Da ist denn das Sperrfort der Universität. Zum hundert- dass nach den neuesten Forschungen auf diesem Gebiete
sten ale wird den wissensdurstigen Frauen von Einem im das Gesammtgewicht des Gehirns für die Beurtheilung der
a ar gesagt. „Da habt Ihr nichts zu suchen!“ Und um Intelligenz überhaupt keine nennenswerte Bedeutung
em Woite den rechten zeitgemässen Nachdruck zu geben, hat. Solche Bedeutung kommt nur verhältnissmässig kleinen
hu mit hichtigthuendem Pathos hinzugefügt: „Wie solltet
hr auch? Euer Gehirn ist zu klein, um unsere Wissen- *) Eigenste Worte eines berühmten Professors der Anatomie.
49
Nr. 3 JUGEND 1896
Partien des Gehirns, vor Allem der „Grosshirnrinde“ zu, aus denen sich u. a. auch unsere Stimme zum Bass ent-
und auch hier stehen die dem höheren Denken dienenden wickelt, und welche jenen Brustton der Ueberzeugung zeitigen,
Nervenkörper neben solchen, welche ganz direkt die Sinnes- der so oft nur leerer Schall ist. Ueberall wo raubthierartige
werkzeuge und die Muskulatur im Zentralorgan vertreten. Die Energie, rohe Kraft, Leidenschaft, Brüllen etc. am Platze sind,
genaue Unterscheidung aller dieser Elemente ist äusserst da wird der Mann der Frau stets überlegen bleiben; er ist
schwierig und erst im Werden begriffen. Das Gesammt- kühner und verwegener in allen Dingen, auch im Denken
gewicht des Gehirns aber steht normaler Weise viel eher und Phantasiren. Dafür ist die Frau feiner, geduldiger, sorg-
zur Körpergrösse, zur leiblichen Entwicklung und Kraft, als licher, mitleidsvoller. Wenn sie nicht alle physischen und die
zur Intelligenz im Verhältniss. Das Riesengehirn eines Bis- meisten moralischen Lasten der Fortpflanzung zu tragen hätte
marck erklärt sich zum grössten Theile aus der ganzen wuch- — wer weiss, ob sie nicht längst unsere gefährliche Rivalin
tigen Persönlichkeit des ungewöhnlich grossen und starken auch im staatlichen Leben wäre!
Mannes; dass darin die Denkzentren einen verhältniss- Wer aber meint, dass das „hysteroi'de Denken“ (wie ich
mässig grossen Raum einnehmen, ist zweifellos. Im klebri- ganz allgemein das sprunghafte und durchlöcherte Denken nen-
gen kann auch ein grosser dummer Kerl ein sehr schweres und nen möchte) ein trauriges Vorrecht unserer lieben Schwestern
grosses, ein zartes und gescheidtes Männlein ein sehr kleines sei, der ist gewaltig im Irrthum. Wir müssten denn, — wollten
Gehirn besitzen, und genau so verhält es sich bei unseren wir gewisse Unzulänglichkeiten in Bau, Ernährung und Ver-
Schwestern. Da die meisten unter diesen von kleinerer Statur knüpfung der Denkzellen als „weibliches Prinzip“ bezeichnen,
und weniger raubthierartig beschaffen sind, als die Männer, — uns zu dem ungeheuerlichen, aber tiefsinnigen Satze ver-
so haben auch die meisten ein leichteres Gehirn, — nicht steigert : „Es gibt unter den Männern mehr Weiber, als unter
weil sie dümmer sind, als die Männer! den Weibern Männer.“ Ist doch die Geschichte menschlicher
Jene Gehirnpartien aber, welche speziell der Intelligenz Grausamkeit undZerstörungswuth, menschlichen Irrthums und
als Grundlage dienen, sind in ihrer Ausbreitung nicht blos Aberglaubens im Wesentlichen nur eine Geschichte männ-
das Produkt der Erbanlage, sondern auch der Uebung und licher Geistesumnachtung!
der durch diese bedingten spezifischen Ernährung. Man ver- Also, verehrte liebe Schwestern, vertrauen Sie getrost
statte dem zu höherer geistiger Thätigkeit veranlagten Frauen- dem göttlichen Funken, mit dem auch Ihr Gehirn geladen
hirn die rechtzeitige Uebung und die stolzen Thorwächter ist; aber vergessen Sie nicht, dass die Lehre »von dem
der Sperrforts werden sich wundern, wie viele geschickte Rechte, das mit uns geboren«, in der männlichen Rechts-
Kolleginnen sich ihnen an die Seite stellen werden. philosophie niemals für die Frau gegolten hat. Was Sie in der
Was der Mann trotzdem im Allgemeinen in fast allen Gleichberechtigung mit uns Männern auf den Gebieten geist-
geistigen Thätigkeiten vor der Frau voraus hat und wohl igen Schaffens erreichen werden, werden Sie uns ab trotzen
immer voraus haben wird, das beruht in der~stärkeren An- müssen in heissem Kampfe und unter Anwendung aller er-
griffsfähigkeit, welche ihrerseits wesentlich von geschlecht- denklichen Kriegslisten. Und darin sind Sie uns ja über-
lichen Verhältnissen abhängt, — von jenen Verhältnissen, legen, — wenn Sie wollen. georg hirth.
Drohend starren in Europa Wird der heil’ge Vater schliesslich Bebel mit der rothen Fahne
Millionen Bajonette, Dulden, dass der Portugiesen Klopft schon leis’ an die Kasernen.
Während Frau von Suttner lieblich König in dem Quirinale Und wir wandeln dunkle Wege
Bläst die Friedens-Klarinette. Seine Liebden lassen grüssen? — Trotz elektrischer Laternen.
50
1896
JUGEND Nr. 3
Aller Orten gährt und kocht es
Wie in einem Hexenkessel; Die bayerischen Reichsräthe im Hofbräuhaus.
Nach den Thronen zischt und pocht es, Des Reiches Räthe, sogar die erblichen, D’rauf sprachen in Weisheit des Reiches
Wackelnd stehn Ministersessel. Trinken Bier so gut, wie die anderen Sterb- Räthe:
Ach! was nützt es, wenn voll Eifer lichen. »Wie wär’s, wenn man’s selber verkosten
Fromme, zartgestimmte Seelen Da ward nun behauptet jüngst in der thäte?«
Späh’n umher zum Wohl des Volkes, Kammer, Gesagt — gethan! Wie Sepperl und Natzl
Wo noch Feigenblätter fehlen! Mit dem Hofbräubier da sei es ein Jammer. Schritten die fürnehmen Herren zum Platz!.
5'
Inseraten-Annahme Insertions-Gebühren
durch alle Annoncen-Expeditionen
sowie durch
G. Hirth’s Verlag in München
und Leipzig. JUGEND G. Hirth’s Kunstverlag in München & Leipzig.
fllr die
4 gespalt. Colonelzeile oder deren
Raum JL I.—.
BffS
Uebernahme von
Kunst auctionen
■■nimm ■■■■■■■■in
W
jeder Art, ganzer Sammlungen sowohl
Steinbacher's BRÜNNTHAL Vorzügliche
wie einzelner guter Stücke.
Hugo Helbing, München, Christophstr. 2.
Knr- nndWasser in MÜNCHEN. Heilerfolge
bei Verdauungs-,
Vom Frühjahr ah eigene,
neuerbaute Oberlichträume.
Aerztlicher Director: Dr. Lahusen. Nerven-, Stoffwechsel-
Herausgeber: Dr. GEORG HIRTH; verantwortlicher Redakteur: F. VON OSTINI; verantwortlich für den Inseratentheil: G. EICHMANN; G. HIRTH’S Kunstverlag; sämmthe
München. Druck von KNORR & HIRTH, Ges. m. beschr. Hftg. in München.
1896 25. J A N U A R
JUGEND I. Jahrgang Nr. 4.
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54
Nr. 4
1896 JUGEND
Sieh! die Messe ist zu Ende —
Und die Gläubigen verlassen
Ihre kleine Kirche, deren
Thurm so spitz, wie eine Spindel.
Bunte, sonntägliche Gruppen
Drängen aus der Kirchenpforte
Und verziehen sich allmälig
Bis es leer wird auf dem Platze.
Aber halt! was für ein grelles
Ding liegt an der Kirchhofsmauer?
Ich trat näher, und vor mir
Lag ein buntes Taschentuch.
Zweifellos verlor es eben
Einer jener Kirchengänger. »Du!« ER, der Rechtsanwalt, mit dem moquanten
Richtig! — dorten in der Ferne »Miez?« Lächeln — sein ganzer Witz besteht aus
Naht ein Weiblein, ängstlich suchend. »Arthur! Setze Dich einmal neben mich! diesem Lächeln — und der Major, der
Schnell heb’ ich das Tuch vom Boden, Nicht gar so nahe — so! Ich habe Dir schon immer hüpft wie eine Naive, um seinen
Will’s der Frau entgegentragen — seit Langem Etwas zu sagen.« Rheumatismus wegzuleugnen, der sanfte
Da entdeck’ ich einen Knoten »Himmel, wie ernsthaft! Wird’s eine Lyriker, der Dich fortwährend mit seinen
Und im Knoten fühl’ ich Schätze. Blicken andichtet, dann der Baron mit den
Strafpredigt?« grossen Schulden und dem kleinen Schnurr-
Was mich antrieb, weiss ich selbst nicht — »Nein — ich will Dir nur sagen — bart — Sie alle machen Dir den Hof und
Kurz, ich öffnete den Knoten: dass wir keine Kinder mehr sind.« beneiden mich um das Vorrecht, Dich Du-
Ach, wie traurig, ach, wie rührend! »Wir?« zen zu dürfen. — Und — Miez! Sag’ ein-
Tiefer Armuth Spuren sah ich! »Du brauchst gar nicht so spöttisch zu mal ehrlich — wie kamst Du überhaupt
Wenige kleine Silbermünzen thun! Auch ich bin kein Kind mehr!« darauf?«
Lagen abgesondert, etwas »Natürlich — siebzehn gewesen!« »Ich kam ja gar nicht darauf — oder
Nickel gab’s. Das Andere »Bald achtzehn! Und ich sehe aus wie doch — aber nicht ganz allein! Mama —
War gemeines Kupfergeld. zwanzig, sagt Mama.« und auch Tante Lina —«
Auch ein Amulet von Messing »Du bist herzig!« »Die Mütter! Mütter! — ’s klingt so
Lag dabei, den Schatz zu hüten; »Nun fängst Du schon wieder an! Und wunderlich! Was haben sie also ausge-
Sankt Franziskus! Dieser aber darum geht es wirklich nicht mehr so weiter heckt?«
Scheint es, inspirirte mich. — eben weil wir keine Kinder mehr sind!«
»Mama fand, dass es an der Zeit sei,
Denn, was ja im Leben jedem »Aber was geht denn nicht mehr, dum- dass wir — ich wiederhole nur ihre Worte
me kleine Miez?« — das kindische Verhältniss abbrächen.«
Menschen einmal kann passiren,
Widerfuhr auch mir: ich hatte »Das ist auch so was! Ich heisse Wil- »Ach und es war so reizend! Jetzt,
Einen lichten Augenblick. helmine.« — wo sie uns die Binde von den Augen reissen,
»Von und zu Bergholz! Weiss ich! weiss ich erst, in welch schönem Garten
Einen blanken Silbergulden Aber was will diese überflüssige Bemerk- wir spazieren gingen. Und gerade, weil das
Band ich zu den andern Schätzen ung sagen?«
In das Tüchlein, legte alles Verhältniss kindisch war, ist es schön ge-
»Kurz das: Wir dürfen nicht mehr so wesen! — Aber wenn Mama befiehlt — Da
Auf den alten Platz und ging. wie bisher zusammen verkehren — nicht meine Hand, schlag’ ein! Auf Sie und Sie!«
Ja, da war sie schon! — Ich stand mehr so —- »Auf Sie und Sie! Und nun sage ich
So, dass sie mich nicht bemerkte. »So frere et co—.« nie wieder Du zu Ihnen!«
Eine arme Bäurin war’s, »Sei nicht ungezogen.« »Und ich sage fortan getreulich Sie
Abgehärmt und früh gealtert. »So kameradschaftlich?« zu Dir!«
Als die Hagre, deren Augen »Ja, nicht mehr so kameradschaftlich! »Und dann noch eins!«
Auf dem Boden gierig forschten, Du bist jetzt schon fünfundzwanzig.«
Das Verlorene entdeckt hat, »Ich sehe aus wie vierundzwanzig, sagt
»Wie Sie befehlen, Wilhelmine.«
Schöpft sie Athem wie erlöst. Papa.« »Mit dem Taufnamen — Herr Doktor
»Sei doch einen Augenblick ernsthaft! — das geht auch nicht mehr an!«
Hastig nimmt sie auf das Tuch
Und befühlt in Angst den Knoten. Ich spasse gar nicht! Also höre: Du bist »Gnädiges Fräulein! Mir ist es, als
V’as ist das? — Sie stutzt! das Ding | fünfundzwanzig, ich fast achtzehn; wir sind
gar nicht verwandt und können nicht länger wäre hinter mir eine Thüre zugeschlagen,
Scheint ihr dicker, als es war. eine Thüre, hinter der es warm und hell
Und mit Fingern, welche zittern, mehr die Nachbarskinder spielen.«
war und vor der nun eine Regennacht liegt!
U eff net sje, schreit »Jesus Christus!« »Diese Wendung ist auch von Deiner Das ist ein hässliches Gefühl! Ein bitter
Sinkt in ihre Knie nieder. Mama!« ernstes jedenfalls, wie bei jedem Abschnitt
Schlägt ein Kreuz und betet laut. »Mag sein! Aber sie hat Recht!« im Leben! Wir sind keine Kinder mehr!
Als ich nun vor wenig Wochen, »Also entfremden wir uns! — Und wie Was ist das Mie — Fräulein v. Bergholz?
Nach so vielen vielen Jahren, sollen wir diese unsere Entfremdung zu Das, was da auf Ihrer Wange glänzt, sieht
Wiederum in’s Dörflein kam, sichtbarem oder hörbarem Ausdruck brin- ganz wie ein Thränlein aus!«
Fand ich nah der alten Kirche gen?« »Oh nein! Ich bin mir nur mit dem
Eine neue Altar-Nische »Wir dürfen nicht mehr — Du sagen Fächer in’s Auge gekommen!«
Für den heiligen Franziskus, zu einander.« »Empfinden Sie also nicht auch einen
w*? 5'n ?'tes Bäuerlein, »Nicht einmal das mehr! Und ich war leichten Geschmack von Bitterniss auf der
Welches ich darum befragte, so stolz darauf, und sie beneideten mich Zunge? — Gar nichts?«
Sagte: Ja, der Heil’ge habe so — die Andern, die Dir den Hof ma- »Ich weiss nicht, was Sie meinen —
Einmal einer frommen alten chen —« das heisst, ich weiss jetzt bestimmt, dass
Frau, die Medizinen brauchte »Mir?« meine Mama nicht gar so unrecht hatte.«
Für den kranken Mann zu Hause. »Ja! Ja! Ja! Eine ganze Menge heirats- »Und seit wann wissen Sie das?«
In ein Tuch, das sie verloren, fähiger Biedermänner macht Dir den Hof. »Seit Sie das mit der Bitterniss sag-
Eingelegt das nöthige Geld. Da ist der lange Amtsrichter, der sich auf ten —«
Die Gemeinde aber habe seinen Vollbart und seine I im Staatskon- »Miez!«
Ihm dafür dies Bild gestiftet. kurs so viel einbildet; der schöne Doktor, »Bitte: Fräulein--
der thut, als dürfe ihn überhaupt kein »Lass’ nur, liebe Miez, Du hast ja
A. WOHLMUTH. , Mädchen ausschlagen, weil er es ist, Er, schon so viel verrathen!« —
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Nr. 4 1896
»Ich verstehe Sie nicht! Was soll denn - Das sehe ich doch nicht ein, Was denn
ich verrathen!« — zum Beispiel.«
-Wie gut ihr das Rothwerden steht! »Dass wir einander nie etwas übel neh-
Goldkind!« men wollten! Den Gontrakt habe ich selbst
»Wenn Sie wollen, dass ich mit Ihnen gebrochen und es Ihnen sehr verübelt, dass
plaudern soll —- Sie heute dem Amtsrichter den Cotillon
»Gut! — Sie haben Recht! Es wäre gaben!«
Schade um dies Plauderstündchen. Was »Oh der! Das ist ja alles nur wegen
liegt auch an dem unverständigen Fürwort! Mama! Sie nickte mir so gebieterisch zu,
Sie oder Du! Soll ich Ihnen was erzählen, als der würdige Mann um den Tanz bat.
gnädiges Fräulein?« Und hinterdrein sagte sie etwas so Kom-
»Wenn es etwas Vernünftiges ist!« isches zu Tante Laura — etwas was ich nicht
»Vernünftig? Nein! Dazu ist es viel verstand — etwas von mehreren Eisen, die
zu hübsch! — Es war zu einer Zeit, da sie im Feuer habe —-
ich Sie noch Miez nennen durfte, Fräulein »Was für eine weitblickende Mama ha-
Wilhelmine, und alle Welt nannte Sie da- ben Sie doch! Und darum das Verbot! —
mals noch Miez, denn Sie waren, verzeihen Und waren Sie mir nicht auch schon oft um
Sie, noch ein Backfisch in des Wortes grün- etwas böse, Mie— gnädiges Fräulein ? War-
ster Bedeutung. Und wie grün war ich! um schmollten Sie denn, als wir neulich
Ich trug die Abiturientenmütze auf den vom Schlittschuhlaufen nach Hause gingen
Locken — oh ja! bitte, damals hatte ich und ich Ihnen die Flügelschuhe tragen woll-
noch Locken —- und hatte das Herz und te? Sie sagten: ,Bitte, ich will Andere Ihrer
den Kopf so voll von Unsinn und über- Galanterie nicht berauben!1 und sagten es
quellendem Gefühl, dass ich meine Em- bitter — wie Galle!«
pfindungen in Reime setzte. Für alles Hohe »Das war, weil Sie sich so viel mit die-
und Ideale schwärmte ich —die Arbeit aus- ser Frau Bartow zu thun machten. Sie ist
genommen — und was meinem Pegasus in eine Sirene, sagt —-
die Quere kam, wurde besungen. Und Sie »Mama!«
waren das einzige Wesen, das Sinn und Ge- »Jawohl! Und alle Welt sagt es! Und
duld für meine Poesien hatte. Und dann! Sie müssen doch nicht glauben, dass dies
Es war ein Abend im Park! Grillengezirp echtes blondes Haar ist! Und ihr Ruf! Der
und Vogelgezwitscher füllte die Luft. Wir kleine Blasswitz von den Husaren soll sich
sassen auf einer Steinbank — sie kann auch ihretwegen erschossen haben — Und sie soll
aus Holz gewesen sein — und schauten zu, gar nicht Wittwe sein — sondern blos ge-
wie der rothe Mond über den flachen Hügeln schieden! Sie hat ihren Mann böswillig ver-
der Ferne heraufstieg. Ich hatte Ihnen eben lassen. Schulden hat sie auch.«
ein Gedicht mit Weltschmerzgedanken vor- »Und mit diesem entsetzlichen Weibe
gelesen, dazu kam der Mond, die Grillen, tanze ich heute den Cotillon!»
der Hollunderduft — und unsere Seelen
wurden weich. Es war nur Freundschaft, »Höhnen Sie nur! — Bis Sie in ihrem
Fräulein Wilhelmine, was wir uns dort Netz zappeln, bis es Ihnen geht wie dem
schworen — aber Freundschaft auf Tod und armen Blasswitz. Ach Arthur — sie wird
Leben.« Sie sehr unglücklich machen, sie ist falsch
»Die will ich Ihnen ja auch —- und so putzsüchtig und sie malt sich —
»Zu viel Güte! — Damals sagten wir ich habe es vorhin ganz deutlich gesehen,
uns, dass wir bis an den Rand des Grabes sie malt sich!«
gute Kameraden bleiben, uns nie etwas »Miez!«
verheimlichen, nichts übel nehmen wollten
unser Leben lang. Wir redeten sehr klug »Ich bitte!«
und sehr geringschätzig von den Leuten, »Das Alles ist schon wieder gegen un-
die eine richtige Freundschaft nicht für mög- sern alten Gontrakt. Wir haben uns doch
lich hielten zwischen Mann und Weib — versprochen, was wir irgend einander mit-
nein, so präcise drückten wir uns nicht aus. zutheilen hätten, gerade heraus zu sagen?«
Wir sagten: zwischen jungen Leuten, wie »Gewiss! Ich thue es ja eben!«
wir. Aber wir wollten es ihnen schon zei- »Sie thuen es nicht und ich habe es
gen ! Alle Welt sollte sehen, dass wir rich- auch nicht gethan. Nun reden wir alle
tige Freunde seien. Und duzen wollten wir Beide schon eine halbe Stunde um die
uns auch, aller Welt zum Trotz — und wenn Sache herum und sagen uns doch nicht,
die Tante Laura darüber explodirte!- was wir uns sagen müssten!«
Wissen Sie noch, wie wir unseren Bund be- »Das verstehe ich nun wirklich nicht!
siegelten? War das hübsch!« Was sagen müssten?«
»Sie sind unartig und waren es damals »Dass es überhaupt mit der alten
auch!« Freundschaftsgeschichte nichts mehr sein
»Aber sie wehrten sich nicht und wir kann!«
meinten es auch so ehrlich und kindisch »Und warum das?«
mit unserm verlegenen Anfängerkuss. So- »Weil — sieh mich einmal an! — weil
gar unsere Nasen gingen uns dabei im Wege wir uns dazu viel zu lieb haben, Herzens-
um, so ungeschickt waren wir.« kind!«
»Wenn Sie nicht aufhören, von so thö- »Aber was Dir einfällt, Arthur —-
richten Dingen zu reden, gehe ich zu Mama »Nein, sind wir dumm, sind wir dumm
hinüber in den Saal!« gewesen! So was nicht glatt weg einzu-
»Ich bin schon zu Ende mit den thörich- sehen! Haben uns lieb und wissen es
ten Dingen und es ist Schade darum! Heim nicht und sagen es einander nicht!«
nun ist eben auch Alles dahin und zu Ende, »Aber ich habe Ihnen —«
was wir uns damals versprochen haben für s »Du, heisst es jetzt, Miez, Du!«
Leben!« »Ich habe ja gar nicht gesagt, dass
»Doch nur, dass wir Du zu einander ich — Sie lieb habe! Es ist auch gar
sagen wollten —« nicht so.«
»Alles Andere auch!« »Und die Eifersucht auf die Sirene?«
Zierleiste von j. Diez.
1896 JUGEND Nr. 4
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Nr. 4 JUGEND 1896
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1896 JUGEND Nr. 4
Gaudeamus-Potpourri.
Wie selbiges der Studiosus philosuffiae Schwuchtibert Sing-
huber auf dem Heimwege vom grossen Scheffel-Kommerse
gedichtet, nachempfunden und in die stille Nacht hinein-
gehaucht hat.
Mel.: »Alt Heidelberg, du feine —«
und zwar behaupten böse Zungen, der Edle habe das Lied
aus Fisis-Moll und in s/7 Takt gesungen.
Wohlauf, die Luft geht frisch und rein,
Fahr’ wohl, mein grauer Hut!
Gibt’s nirgend mehr ’nen Tropfen Wein?
Mir ist so kreidig zu Muth.
Alt Heidelberg, du feine,
'Raus da! Rem blemm! Hollaheh!
Schon friert’s mich an die Beine
Im Lamm zu Niniveh.
Augustus sass im Kaisersaal,
An Durste riesengross:
O Welt, du Katzenjammerthal,
Du süsse, halbvergess’ne Stunde Wir kleben und kommen nicht los.
Alt Heidelberg, du feine
Im grünen Uferlaubgerank, Im schweigenden Ocean,
Wo ich zuerst von ihrem Munde, Ich pfeif’ auf die saueren Weine,
Der Liebe holden Zauber trank! Wir pumpen niemand mehr an.
Ein Windhauch ging durch Liebchens Locken
Zwölf Palmen ragten am Meeresstrand,
So mild, so weich — ein Frühlingstraum Blauäuglein blitzen drein,
Und streute leichte Blüthenflocken Da sprach der Hausknecht aus Nubierland:
Auf uns herab vom alten Baum. Es hat nicht sollen sein!
Alt Heidelberg, du feine,
Die grüne Laube sah ich wieder, Der Schwed’, der Schwed’ ist da!
Den alten Blüthenbaum dabei, Die Wahrheit liegt im Weine,
Wie damals duftete der Flieder, Sit vino gloria!
EDWIN BORMANN.
Wie damals schimmerte der Mai.
Doch meine heissen Augen riefen
Die todte Liebe nicht zurück.
Versunken wie in ferne Tiefen
Lag jene Stunde und ihr Glück.
Der Tag verblich, die Schatten sanken
Und Nebel dampften aus der See,
Schwer lag der Nachtthau auf den Ranken,
Wie auf der Seele stummes Weh,
Es kam die Nacht auf leichten Sohlen —
Da klang’s vom Fischerhause her:
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Nr. 4
1896
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Märkische Stimmung.
Wenn die Wolke graut, die Sonne sticht,
Bleiern der Himmel brütet:
Wand’rer, hab’ Acht! Lang währt es nicht,
Bis der Donner poltert und wüthet.
Der Himmel wird ein Feuermeer,
Der Sturm knickt Fichtenäste —
Und unter Dir und um Dich her
Nur Sümpfe und Moräste.
Doch wie’s gekommen, zieht’s vorbei
Und die Vögel im Laube frohlocken;
Die Erde, die Sonne glänzen wie neu,
Dein Fuss geht sicher und trocken.
D’rum brauchst Du vor dem märkischen
Sand
Nicht wie vor den Alpen zu zittern:
Im Ganzen ist’s ein trock’nes Land —
Trotz seinen schnellen Gewittern.
CONRAD ALBERTI.
Die „Loreley“.
Ich weiss nicht, was soll es bekunden,
Die Jahre orgeln rasch sich ab, Ich hoff’, dass reine Melodei’n Was heute so traurig mich stimmt:
Ich orgle fort bis an mein Grab; Für heuer auf der Walze sei’n! Ich denk an ein Kriegsschiff, das unten
Am fernen Bosporus schwimmt.
Die Luft ist kühl, es will dunkeln
Und glatt liegt bei Stambul die Fluth —
Die „Loreley“ — höre ich munkeln —
Sei lang’ schon zu gar nichts mehr gut.
Die Kanonen — in sichern Verliessen
Des Schiffsraums liegen sie stumm:
Man wagt es,nicht, oben zu schiessen,
Sonst kippte die „Loreley“ um.
So liegt sie seit uralten Zeiten
Vor Anker am nämlichen Fleck,
Der grosse Brummkreisel schien ge- ich so wenig Chic besässe! Weisst Du über-
waltig erbost zu sein, obwohl er eigentlich haupt, was Chic ist! — Du siehst ja aus Das Moos wächst ihr längst an den Seiten
wenig Ursache hatte, und der hölzerne liess wie ein umgekehrter Kirchthurm — hähähä! Und Schwammerln und Seegras auf Deck’
all die hitzigen Vorwürfe stumm über sich — Du hast ja nicht einmal einen anständigen
ergehen. Aber der Brummkreisel schimpfte Bauch!-Ach Gott! Ich vergeude wahr- Die allerunschuldigste Bö’ macht,
und tobte immer weiter wie ein altes Wasch- haftig meine kostbare Zeit und meine kost- Dass sie die Balance verliert:
weib. — bare Lunge an dieses Lumpenpack! Die ver- So stolz wird germanische Seemacht
„Ach Du — Du Lump! — Du hast gar dienend ja gar nicht, dass man sich mit ihrer
keine Berechtigung neben mir zu existiren! Beglückung abgibt!“ Im Ausland repräsentirt.
-Du denkst wohl gar, Du bist meines- Der Holzkreisel war ganz starr, denn
gleichen, Du elender Proletarier Du! Bist er fühlte im Innersten, dass all diese Schelt- Ich glaube, die Wellen verschlingen
Du vielleicht auf die drei blanken Knöpfe worte berechtigt wären und wagte keinen Das Schifflein mit Mann noch und Mans>
da an Deiner Mütze stolz? Oder darauf, Ton zu erwidern; der andere aber fühlte Drum ist es am Besten, wir bringen
dass Du von Holz bist? — pfui Teufel: von sich durch seine wuchtige Rede gewaltig
Holz! — Bettelpack! — Sieh mich einmal Den Kasten bei Zeiten nach Haus!
gekräftigt und erhoben: diesem Gesindel
an: ich bin von Blech! — Du mit Deinem hatte er’s endlich einmal gründlich gegeben! Und kann er soweit nicht mehr laufen,
platten Schädel erkennst natürlich nicht den Da scheuchte ihn eine Hand empor; er
gewaltigen Unterschied! — Ich kann auch musste sich drehen, unermüdlich drehen Ist nicht viel Schaden dabei:
singen, dass alle Menschen entzückt lau- und dazu sein eintöniges Lied brummen, Wir streichen es frisch und verkaufen
schen; ich habe auch goldene, rosenfarbene wie er’s schon tausendmal gethan hatte. Den Türken das Prachtstück für neu.
und dunkelblaue Bänder über Brust und Und neben ihm wirbelte der „pöbelhafte“ KI-KI-Kl’
Bauch — und ein silbernes um den Hals, Holzkreisel. — Freilich nach dem Schlage
während Du — Du dummer Pöbel Du! — einer Peitsche. Aber tanzen mussten sie
Dich mit schmutzigen rothen und grünen beide, so lange ihr Herr—der kleine Knabe —
Streifchen brüstest! — Und Deine ganze es wünschte-höchstens durftedergrosse
Figur! Ich würde mich ja schämen, wenn dabei ärgerlich brummen. l. wetzlar.
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1896
. JUGEND -. Nr. 4
Appartement ä louer.