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II badische zeitung

m a ga z i n sam s tag, 25. au gu s t 2007

BZ-INTERVIEW

„Der Weg ist


noch sehr weit“
Gespräch mit einem Aufbauhelfer
Die Welthungerhilfe baut im Bezirk Ituri im Os-
ten des Kongos Straßen und Schulen und betreibt
landwirtschaftliche Projekte zur Ernährungssi-
cherung. Rudi Sterz (48) ist Projektleiter für Not-
hilfeprojekte der Organisation. Wir baten Sterz,
der seit 2002 in der Distrikthauptstadt Bunia lebt
und arbeitet, um eine Lageschilderung.

BZ: Herr Sterz, vor einem Jahr fanden im Kongo


Wahlen statt; sie wurden damals auch durch die
Bundeswehr abgesichert. Würden Sie die Wahlen
„Kein guter Job für Soldaten, aber nur Soldaten können ihn machen“: Pakistanische Blauhelme graben sich im Osten Kongos ein F O T O S : S A S S E im Rückblick als Erfolg bezeichnen?
Sterz: Auf jeden Fall sind die Wahlen ein weiterer
wichtiger Schritt in Richtung Normalisierung der
Der Kellner lehnt an der Wand und spielt die Klingel- dem Uniformierten sitzt? Er kann gehen. Ein Wort Weltmarkt exportiert. Und das jahrelang auch mit ei- gesellschaftlichen Verhältnisse gewesen. Aller-
töne auf seinem Handy durch. Ein Uniformierter mit des Offiziers genügt. Und schon ist die Monuc wie- genen Soldaten der „Uganda People Defence Forces“ dings ist der Weg noch sehr weit.
AK-47-Gewehr döst auf einem Plastikstuhl. Matata der weg. Zurück bleiben Kellner, Soldat und Rachid, (UPDF) an der Seite der FNI im Kongo kämpfte. In- BZ: Wie ist die Lage heute im Land?
und ich hocken an einem Tisch. Erschöpft, die Hosen der mir jetzt seine Hand reicht. O. k. Shake hands. zwischen wurde die UPDF abgezogen, zurück blie- Sterz: Die Abgeordneten und der Präsident sind
lehmverschmiert, trinken wir kaltes Primus, als sich Captain Mudassar sitzt in einem Rohrstuhl, blickt ben die Milizen. gewählt, allerdings bestehen noch große Koordi-
plötzlich der Geheimdienstmann mit seinem Militar- über das tiefgrüne Tal und trinkt Kaffee. Seit Septem- „Und was kann man von einem Mann erwarten, nierungsschwierigkeiten zwischen der Haupstadt
yhut vor uns aufbaut. In einem Slang aus Swahili und ber 2005 ist der Pakistaner hier auf der Anhöhe vor den man mit zwölf aus der Schule gerissen und statt und den Provinzen. Viele staatliche Einrichtungen
Französisch herrscht er Matata an: „Ich werde dich Mongbwalu Stadt als zweitranghöchster Offizier mit dem Lehrbuch eine AK-47 in die Hand gedrückt hat auf kommunaler Ebene verfügen nicht über ausrei-
prügeln. Ich werde dich so furchtbar durchprügeln.“ 160 Blauhelmen stationiert. Mission: Peace Kee- . . .?“, fragt Captain Mudassar. „Jetzt bist du einer von chend ausgebildetes Personal, technische Einrich-
Dazu fuchtelt er mit seiner Hand in der Luft, als kön- ping. „Kein guter Job für Soldaten, aber nur Soldaten uns, kämpfe“, haben sie ihm erzählt. Heute ist der- tungen und Infrastruktur.
ne er es kaum abwarten. können ihn machen“, erklärt er. Was hat der Auftritt selbe Junge 22 und alles, was er gelernt hat, ist, zu BZ: Besonders der Osten des Landes war von Bür-
Ich frage, was los sei. Doch der Geheimdienst- vom Geheimdienstmann bedeutet? Ging es nur um töten und zu plündern.“ Düstere Aussichten in ei- gerkrieg beherrscht. Hat sich die Lage im Ost-Kon-
mann ignoriert die Frage und weist Matata an, sich Geld? „Es sind alles Arschlöcher. Und Rachid ist das nem Land, das erst vor einem Jahr die ersten freien go, wo Sie selbst ja arbeiten, verbessert?
zum Uniformierten rüber zu bewegen. „Ich werde größte“, sagt der Captain unverblümt. „Man will Wahlen nach Jahrzehnten abgehalten hat. Sterz: Bei uns in der Provinz Orientale im Bezirk
dich einsperren“, ruft er. Dann wendet er sich an nicht, dass die Öffentlichkeit erfährt, dass und wie in Doch es gibt auch Optimisten in Mongbwalu. Ab- Ituri teilweise schon. Allerdings bahnt sich am See-
mich, den Mzungu, den Weißen: „Ihr wart in den Mi- den Minen nach Gold gesucht wird. Hätten Sie Ra- be Bernard* sitzt auf der verfallenen Tribüne des ufer des Lake Albert, durch den die Grenze zwi-
nen. Das ist verboten.“ chid vorher gesagt, dass Sie in die Minen selbst wol- Fußballfelds seiner Missionsstation, die noch aus der schen Uganda und der Republik Kongo verläuft, ein
„Sie wissen, dass ich eine Erlaubnis für das Minen- len, er hätte sie hingebracht. Allerdings hätten sie belgischen Kolonialzeit stammt. „Die Wahlen verlie- neuer Konflikt um Erdöl an. Von ugandischer Seite
gebiet habe“, antworte ich möglichst ruhig. Was will dort dann keinen einzigen Goldgräber angetroffen.“ fen erstaunlich friedlich. Nach all dem Terror haben aus haben schon erfolgreiche Probebohrungen be-
der Typ? Hatte er doch bereits seine zehn wir nun eine echte Chance“, sagt er. gonnen. Auch sind die Konflikte in Nord- und Süd-
Dollar (ohne Quittung) kassiert, zusätzlich Über denselben Sportplatz kamen einst kivu zwischen der Armee und nicht loyalen Ex-Mi-
zu den 50 Dollar offizieller Gebühr für den die Lendu-Kämpfer der FNI. Jetzt lizen noch nicht beendet.
Besuch der Minenzone. Die Genehmigung spielen hier Kids mit einem Plas- Dies führte in beiden Provin-
steckt in meiner Tasche. Will er sich nur auf- tikball. Eine neue Generation zen in diesem Jahr schon zur
spielen? wächst heran. „Sie haben aufge- Vertreibung von 700 000
„Niemand darf in die Schächte,“ sagt er. hört, Gefechte zu imitieren“, er- Menschen.
„Das hat uns niemand gesagt“, entgegne ich. zählt der Abbe. „Früher mussten BZ: Was stört den Versöh-
„Ich will, dass Sie sich bei mir im Büro mel- wir die Kinder der Grundschule nungsprozess?
den . . . und den Kerl hier sperre ich ein.“ Mit vor dem Unterricht nach Waffen Sterz: Noch nicht beigelegte
großer Gestik weist der Geheimdienstmann durchsuchen.“ Bernard wurde Konflikte unter Volksgruppen
den Uniformierten an, Matata den Gürtel ab- selbst überfallen, musste damals sowie der daraus resultieren-
zunehmen. Der muss Hemd und Stiefel aus- die Kasse der Mission herausge- de Konflikt um Land und Bo-
ziehen, dann fesselt der Uniformierte Mata- ben – und einen Kollegen vom denschätze. Auch wird die Ar-
tas Hände hinter dessen Rücken mit dem Stamm der Hema vor den Lendu mee schlecht bezahlt, be-
Gürtel. Ich nutzte den Moment und rufe per verstecken. „Wir hatten Angst kommt schlechte Verpflegung
Handy die Monuc an, die UN-Blauhelmtrup- um sein Leben.“ und ist undiszipliniert, was zu
pe. Etwa 16 000 Soldaten, die im Kongo seit Und dann läuten wirklich die Übergriffen auf die Zivilbevöl-
1999 Sicherheit gewährleisten sollen – und Glocken der Missionskirche. Es Rudi Sterz FOTO: BZ kerung führt.
allzu oft untätig blieben, während Menschen ist Sonntag. Abbe Bernard eilt zu BZ: Viele Ex-Rebellen wurden
starben. seinem Gottesdienst. Wie viele aktive in die Armee integriert. Gilt das auch für den Osten
Aber die Monuc hat auch selbst Leute ver- Milizionäre und ehemalige Kindersol- des Landes? Man hört von Kämpfen zwischen Re-
loren. Auch hier in Mongbwalu, nur ein paar daten unter den Gläubigen im Kirchen- gierungs- und verfeindeten Rebellentruppen.
Hundert Meter vom „Grand Escale“ ent- schiff singen und beten werden, weiß Sterz: Auch im Osten wurden Ex-Rebellen einge-
fernt, als Lendu-Milizen zwei Militärbe- der Abbe nicht. Und das ist vielleicht gliedert, allerdings spielen im Nord- und Südkivu
obachter der Monuc erschossen, weil diese auch besser so. „Mongbwalu“, sagt der einige Rebellenführer ein doppeltes Spiel.
nicht als Schutzschild für einen befürchteten Mann Gottes zum Abschied, „braucht BZ: Besonders in der Provinz Nordkivu kommt es
Angriff der Hema herhalten wollten. nun einen Neuanfang. Aussöhnung.“ auch immer wieder zu Plünderungen, Morden und
Am Himmel ziehen sich derweil die Unten in der Bar „Grand Escale“ sitzt Vergewaltigungen. Kann die neu gewählte Regie-
schwarzen Wolken dichter zusammen. Eine der Geheimdienstmann. Matata kann rung den Osten nicht kontrollieren?
Regenflut geht auf den Ort nieder, als wolle ihn mit seinem Military-Hut sehen, als Sterz: Die Armee verfügt einfach nicht über ausrei-
Gott all das Gold, das so viel Übel anzog, ein- er mit den anderen Gläubigen von der chende Logistik und gut ausgebildete Soldaten.
fach nur fortspülen. Frauen mit auf den Rü- Belastete Kindheit: Buben im Flüchtlingslager nahe Bunia Missionsstation kommt. Den Vorfall mit BZ: Die Eufor-Truppe wurde 2006 wieder abgezo-
cken gebundenen Babys, andere Brennholz Rachid hat er schon fast vergessen. Es gen, zurück blieb die UN-Mission Monuc. Können
auf dem Kopf balancierend, suchen Schutz ist ja nichts weiter passiert. Morgen die Blauhelme die Sicherheit nicht garantieren?
unter den Vordächern. Mopedtaxis schlittern durch Warum die Geheimnistuerei? „Die Soldaten der früh wird er wieder wie all die anderen Nzengeneurs Sterz: In unmittelbarer Nähe der stationierten UN-
die aufgeweichte Lehmpiste, das wichtigste Trans- Regierungsarmee FARDC sind kaum besser als vor- in die Minen ziehen, durch den flachen Spalt in den Einheiten schon, allerdings sind im Kongo nur ins-
portmittel hier. Autos gibt es kaum in Mongbwalu, her die Rebellen.“ Früher habe die jeweils herr- Schacht kriechen und am Ende des Tunnels das Ge- gesamt 18 000 Blauhelme stationiert, so viel wie in
das auf sichere Weise noch immer nur per Buschflug- schende Miliz die Minenarbeiter erpresst, jetzt ma- stein abschlagen. Liberia und Sierra Leone im Westen Afrikas, aller-
zeug oder UN-Helikopter zu erreichen ist. che es die FARDC selbst. „Wir haben das immer wie- dings ist der Kongo um ein Vielfaches größer.
Vor dem „Grand Escale“ kommen zwei Gelände- der nach oben gemeldet, aber nichts hat sich geän- * Name zum Schutz der Person geändert BZ: Angeblich laufen internationale Kriegsverbre-
wagen der UN zum Stehen. Während vier mit G 3- dert. Man kann es ihnen nicht einmal übel nehmen. cher frei herum. Warum greift Monuc nicht ein?
Gewehren bewaffnete Monuc-Soldaten absitzen und Ein Soldat der Regierung verdient zwölf US-Dollar BZ-Grafik/rec Sterz: Ihr fehlt das ausreichende Mandat, da die Er-
die Straße sichern, kommt ein pakistanischer Offi- pro Monat.“ SUDAN mittlungen vom Gerichtshof aus Den Haag geführt
zier vom „PAKBATT VI“ auf die Bar zu. Der Unifor- Ein Goldgräber wie Matata muss nach jedem Gang AFRIKA werden und vor Ort extrem schwierig sind.
mierte neben Matata springt vom Stuhl auf und salu- in die Minen ein Drittel seiner Ausbeute an das soge- BZ: Ist ein Ende des UN-Einsatzes absehbar?
tiert dem Blauhelm-Offizier. Als dieser den Geheim- nannte „Comité“ abliefern. Ein Teil davon geht an Sterz: Es ist von UN-Seite geplant, die Truppenstär-
Bunia
dienstmann nach seinem Dienstausweis fragt, wühlt die staatliche Minengesellschaft von Kilo Moto – der ke im Ituri 2008 zu verringern und in den Provin-
der hektisch in seinen Taschen, und zeigt schließlich Rest fließt in die Taschen lokaler Machthaber. zen Nord- und Südkivu zu erhöhen. Ich hoffe aber,
eine Plastikkarte vor, auf der sein Name steht: Ra- Priorität, so Mudassar, habe jetzt der politische KONGO-
GO- UGANDA dass die UN ihr Mandat auch über 2008 hinaus ver-
BRAZZA-
ZA-
chid. „Sie sind Muslim?“, fragt der Offizier. „Ja.“ – Wiederaufbau. Und dabei müsse die Monuc mit der
VILLEE Dem. Rep. RUANDA längert, um eine Stabilisierung der Sicherheit im
„Wieso grüßen Sie mich dann nicht mit dem musli- kongolesischen Regierung kooperieren, weil lang- KONGO BURUNDI
Osten zu gewährleisten.
mischen Gruß?“ – „Ähmmm . . . alleikum Salaam.“ fristig nur sie hier die Kontrolle übernehmen könne. Kinshasa BZ: Was leistet die Welthungerhilfe unter diesen
Der Geheimdienstmann spürt wie er an Boden ver- Die Bürokraten in der über 1500 Kilometer entfern- TANSA- Umständen zum Wiederaufbau des Landes?
100 km NIA
liert. Er versucht dem UN-Offizier seine Sicht zu er- ten Hauptstadt Kinshasa würden zwar das Gold wol- Sterz: Sie unterstützt die vertriebene oder durch
klären, und dass er für die Sicherheit des Mzungu len, verstünden aber nicht, was im Ostkongo über- SUDAN den Vulkanausbruch bei Goma 2002 geschwächte
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Kas ai

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Ausschnitt

verantwortlich sei. Doch der Offizier wiegelt ab. Der haupt los ist. Hier gebe es kaum eine Infrastruktur. Bevölkerung durch Nahrungsmittelhilfen. Sie hilft
Mzungu stünde unter dem Schutz der Monuc und Und nicht zuletzt: Mit der Entwaffnung habe die Mo- KONGO
Ko

aber auch beim Straßenbau, durch den Wiederauf-


könne sich frei in Mongbwalu bewegen. Das Betre- nuc zwar das Rückgrat der Milizen gebrochen. Aber bau von Schulen, die Verteilung von Saatgut und
Bunia
ten der Schächte allerdings sei für alle verboten. Der Nachschub an Waffen käme aus Nachbarländern wie Albert- landwirtschaftlichen Werkzeugen und die Grün-
Blick des Offiziers streift mich. Für alle – also auch für zum Beispiel Uganda. Uganda, ein Land, das kaum See dung von landwirtschaftlichen Kooperativen und
UGANDA SAMBIA
die Einheimischen. Was also ist mit Matata, der über eigene Vorkommen verfügt – aber pro Jahr Gold bei der Eindämmung von HIV. rob
(plötzlich nicht mehr gefesselt) noch immer neben im Wert von rund 45 Millionen US-Dollar auf den Kampala 300 km

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