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Sonderdruck

Lexikon zur
Übersee­geschichte
Herausgegeben von Hermann Hiery
im Auftrag der ­Gesellschaft für Überseegeschichte

unter Mitarbeit von


Markus Denzel, Gita Dharampal-Frick, Thomas Fischer,
Horst Gründer, Mark Häberlein, Achim von Oppen, Horst Pietschmann,
Claudia Schnurmann, Bernhard Streck, Wilfried Wagner,
Hermann Wellenreuther und Michael Zeuske

Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2015


C a r onde l e t, Lu i s F r a n c i s c o H é c to r B a r ón d e

ben herausgearbeitet, daß die C. historisch in mehreren und förderte die Zuckerindustrie (→Zucker). Weiterhin
Wellen verlaufen, insb. nach pol. u. mentalen Großkri- ging er gegen Expansionsversuche der →Vereinigten
sen (Erster u. Zweiter Weltkrieg). Während die C. gegen Staaten entlang des →Mississippi vor. 1797 wurde er
Ende der 60er Jahre des 20. Jh.s deutlich nachließen, so als Präs. in die Audienz von Quito entsandt. Sein Amt
daß schon vom Verschwinden der C. gesprochen wurde, trat C. jedoch erst 1799 an. Ähnlich wie in Louisiana
ist st. der Jahrtausendwende ein Wiederaufleben der C. und in gleicher Weise vom aufgeklärten Ideal des Fort-
zu erkennen, eine Tendenz, die in den letzten Jahren eher schritts und Gemeinwohls geprägt, ergriff C. eine Reihe
noch zunimmt. Folgt man der o.a. These, daß C. insb. zu von Maßnahmen zur Verbesserung der Infrastruktur und
Zeiten von Großkrisen auftreten, bedeutete dies im Um- der Wirtschaft in der Audienz. In der Hauptstadt veran-
kehrschluß, daß wir uns heute in einer solchen befinden. laßte er den Bau der Friedhöfe von San Diego und El
C. besaßen eine pointiert antieurop. Tendenz, die sich Tejar, den der Kathedralkuppel und des Reg.spalasts.
teilweise auch gewalttätig manifestierte. Da sie diese Weiterhin regelte C. den Einsatz von Nachtwachen,
auch nach der →Dekolonisation noch besitzen, ist eine den Betrieb von Spielhäusern und Hahnenkämpfen und
Interpretation als antikoloniale Bewegung fragwürdig, setzte sich für den Anbau von →Tabak und Chinarin-
es sei denn man postulierte, daß sich ein Neokolonialis- denbäumen im Nordwesten und Süden der Audienz ein.
mus breitmacht. Eine bewußte Infragestellung etablierter In diesem Zusammenhang schickte er mehrere Behälter
Machtstrukturen, egal ob indigen oder europ., durch die mit Proben der vielversprechenden Chinchona-Pflanze
C. erscheint jedoch plausibler. Ebenso erklärt die einfa- zur Linderung der →Malaria nach Madrid. Im Zeichen
che Subsumtion der C. als Ausdrucksformen u. regiona- des „Regalismo“ gründete C. die säkularisierte „Real
ler Variablen eines indigenen Christentums nur einzelne Universidad de Santo Tomas“, für die die vom Domi-
Aspekte der C. Die Bezüge zum AT u. NT u. insb. die nikanerorden geführte Universität mit dem ehem. Jesu-
Berufung auf prophetische Gaben dienen in einer stark itenkolleg (→Jesuiten, →Kollegium) San Luis zusam-
durch das Christentum geprägten Kultur u. Gesellschaft mengelegt wurde. Eine weitere Initiative bestand im Bau
eher als Rechtfertigung für eine sonst nicht legitimierte der Verbindungsstraße „Malbucho“ zwischen Quito und
Usurpation von Befehlsgewalt als daß sie konstitutive der Provinz Esmeraldas. Dabei bat C. auch um die Kon-
Elemente einer synkretistischen Religion repräsentieren. zession des →Freihandels mit der an der Nordwestküste
Q: Zahlreiche unveröffentlichte Manuskripte über liegenden Insel La Tola, dem Anlegeplatz von Händlern
Cargo-Kultbewegungen in allen Teilen der Erzdiözese aus →Panama. Auf diese Weise sollte der nördliche An-
Rabaul im MSC-Archiv Vunapope u. im Diözesanarchiv denraum der Audienz an den Welthandel angeschlossen
ebd. Ähnlich ausführliche Aufzeichnungen protest. Pas- und die Abhängigkeit von den Häfen in →Guayaquil
toren i. Archiv des Missionswerks d. Ev.-Luth. Kirche i. und →Lima verringert werden. Hierfür holte sich C. die
Bayern i. Neuendettelsau (darunter Friedrich Wagner, Unterstützung der ebenfalls vom aufgeklärten Geist be-
The Outgrowth and the Development of the Cargocult, einflußten Wissenschaftler Antonio Meló, Pedro Muñoz
Ms. 1964, 203 S.). L: Kenelm Burridge, Mambu, Prince- und des Neu Granadiners Francisco José de Caldas.
ton, NJ 1960, 21995. Friedrich Steinbauer, Die Cargo- Schließlich unterstützte C. die wissenschaftlichen →Ex-
Kulte, 2 Bde., Diss. Erlangen-Nürnberg 1971. Peter peditionen von Juan Tafalla und Agustín Manzanilla und
Lawrence, Road belong Cargo, Manchester 1964, 21967. die Forschungsreise von Alexander von →Humboldt und
Peter Worsley, The Trumpet Shall Sound, London 1957, Aimé Bonpland, die sich 1802 in der Audienz aufhielten.
2
1968. HE RMANN HI E RY C. starb in Quito und wurde in der Kathedrale beerdigt.
Der während seiner Amtszeit errichtete Reg.spalast trägt
Carondelet, Luis Francisco Héctor Barón de, * 1748 heute noch seinen Namen und gilt als Metonymie für die
Bouchain, † 10. August 1806 Quito, □ Grabstätte in der Reg. der Rep. →Ecuador.
Iglesia de la Catedral / Quito, rk. Carlos Manuel Larrea, El vigésimono presidente de la
Adeliger, wallonischer Herkunft. Sohn von Juan Luis Real Audiencia de Quito, Quito 1970.
Chislain, Barón de C. y de Noyelles und Angelina G A LA X IS BO R JA G O N ZÁ LEZ
Bernarda Bosoist, Vicomtesse von Langle. Trat sehr früh
in das Wallonische Regiment der span. kgl. Garde ein Carrera de Indias. Bezeichnet sowohl die Route als
und war bereits 1775 Befehlshaber der Vierten Divi- auch das Konvoisystem der span. Flotte („Indienflotte“,
sion im Feldzug gegen Algerien, 1781 kämpfte C. unter flota de Indias) für den Handel mit den am. Besitzun-
Führung von Bernardo de Gálvez, dem Gouv. des span. gen. Spanien beanspruchte das alleinige Recht auf wirt-
Louisiana, in der Schlacht von Pensacola für die Rück- schaftliche Ausbeutung seiner überseeischen Kolonien.
eroberung Floridas von den Briten. 1787 kehrte er nach Ausländer waren grundsätzlich seit dem Vertrag von
Spanien zurück und wurde zum Infanterie-Oberst beför- Tordesillas (1494, →Bullen) von diesem Monopol aus-
dert und im gleichen Jahr zum Ritter des Malteserordens geschlossen. 1503 wurde in Sevilla die →Casa de Con-
geschlagen. Zwischen 1788 und 1792 war C. Intendant tratación gegründet und 1524 dem Consejo de Indias
und Gouv. der Provinz San Salvador im Kapitanat von unterstellt. Die Schaffung dieser Institution zur Verwal-
→Guatemala. Für seine Erfolge wurde er zum Feldmar- tung und staatlichen Überwachung des Überseehandels
schall befördert und zum Gouv. Louisianas und Westflo- verwirklichte den Ausschließlichkeitsanspruch der kasti-
ridas erhoben. Während seiner Reg.szeit bemühte sich lischen Krone auf die Ausbeutung ihrer am. Besitzungen.
C. um die wirtschaftspolitische Entwicklung von New Doch ebenso schnell begannen auch andere Mächte, ihr
Orleans, begann mit der Installation von Straßenlaternen Interesse an den Gewinnen aus den span. Kolonien, v. a.
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Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen
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G eo g ra p h i e

fließenden Reichtümer. Bedeutende Seesiege über die einer aufgebrachten Menschenmenge getötet; der Bota-
Pisaner (1284) und die Venetianer (1298) etablierten die niker Jussieu verlor den Verstand, währenddessen seine
Hegemonie im westlichen Mittelmeer und brachten den Pflanzensammlung auf dem Weg nach Europa verloren
Gewinn von ganz Korsika und Elba, so daß im nächsten ging und Morainville erlitt einen tödlichen Unfall in der
Jh. bis zum Höhepunkt des Chioggia-Krieges von 1378 Nähe von Riobamba. 1741 nahm Louis Godin nach Be-
bis 1381, meist im Bündnis mit dem Kgr. Ungarn, die endigung seiner Aufgaben und auf Grund finanzieller
Grundlagen venezianischer Macht in der Adria angegrif- Engpässe die Stelle als Astronom in der Universität San
fen werden konnten. Im Verlauf des 15. Jh.s wurden alle Marcos in →Lima an und hatte später einen Lehrstuhl
wichtigen Posten und Besitzungen im Schwarzen Meer für Mathematik inne. Sein Cousin, Jean Godin des Odo-
und in der Ägäis preisgegeben – großenteils den Türken, nais, der die Tochter eines frz.-stämmigen →Kreolen
das zyprische Famagusta den Venetianern. Korsika blieb geheiratet hatte, kehrte nach Europa zurück, mußte aber
ein schwieriger, wiederholt nur mit Hilfe fremder Poten- in Cayenne auf die Erlaubnis zur Einreise nach Portugal
taten zu behauptender Besitz und war gegen innere Frei- warten. 1769 unternahm Isabella Godin des Odonais die
heitsbewegungen tatsächlich schon verloren gegangen, Reise von Quito nach Guayana, wo sie nach zahlreichen
als Frankreich es G. 1766 abkaufte. Umwegen erst 1773 eintraf. Die Begebenheiten auf ihrer
Steven A. Epstein, Genoa and the Genoese, 928–1528, Reise entlang des →Amazonas wurden bald in den euro-
Chapel Hill / London 1996. Roberto S. Lopez, Storia päischen Periodika veröffentlicht. In den 1740er Jahren
delle colonie Genovesi nel Mediterraneo, Genua 1996. machten sich auch die restlichen Expeditionsteilnehmer
WOL F GANG ALT GE L D auf den Weg nach Europa auf. 1743 fuhr Pierre Bouguer
den Magdalena-Strom hinab; 1744 durchquerten La
Geodätische Expedition (1735–1743). Bezeichnet eine Condamine und Maldonado den Amazonas-Fluß bis zur
am 16.5.1735 vom Hafen La Rochelle aus gestartete wis- Atlantikküste →Brasiliens. Die G. gilt als Vorreiterin
senschaftliche →Expedition in die Audienz von →Quito. künftiger Landexpeditionen in die außereuropäischen
Ziel war die Längenmessung eines →Breitengrades in Gebiete. In Europa erregten die Forschungsreisenden in
der Nähe des Äquators, um die Größe und Form der der wissenschaftlichen Welt und der allg. Öffentlichkeit
Erde zu bestimmen. Damit sollte der wissenschaftliche große Aufmerksamkeit, was sich wiederum in zahlrei-
Streit zwischen den Anhängern von Giovanni Dome- chen zeitgenössischen Publikationen niederschlug. Im
nico Cassini und Isaac Newton beigelegt und die Frage Zusammenhang mit der G. sind wichtige Studien zur
geklärt werden, ob die Erdrotation eine Abplattung an Botanik, →Geographie und Gesellschaft über die An-
den Polen oder am Äquator verursache. Die frz. For- denregion entstanden. Pierre Bouguer verfaßte sein Werk
schungsreise verlief zeitgleich mit der ebenfalls von der „La Figure de la Terre“ (Paris 1749). In Amsterdam ver-
Pariser Académie des Sciences geförderten Lappland- öffentlichte La Condamine den „Extracto del Diario de
Expedition von Pierre Louis Moreau de Maupertuis. Observaciones de la Provincia de Quito al Para por el río
Die Ergebnisse beider geodätischer Unternehmungen Amazonas Y del Para a [...] Amsterdam“ (1744); diesem
bestätigten Newtons ellipsenförmiges Modell der Erde. folgte die „Relation abrégée d’un voyage fait dans l’inté-
In der Literatur ist sie allg. als „La Condamines wis- rieur de l’Amérique méridionale depuis la côte de la mer
senschaftliche Expedition“ bekannt. Zwar gehörte der du Sud jusqu’aux côtes du Brésil et de la Guyane, en des-
frz. Mathematiker und Geograph Charles-Marie de La cendant la rivière des Amazones“ (Paris 1745) sowie di-
Condamine zur Forschergruppe, geleitet wurde diese verse Abhandlungen zum Chinarindebaum (chinchona),
allerdings vom Mathematiker und Astronomen Louis curare-Gift und Kautschuk. Hierfür stützte er sich auf das
Godin. Weitere Teilnehmer waren der Astronom Pierre heilkundliche →Wissen der indigenen Bevölkerung und
Bouguer, der Techniker Jean Godin des Odonais, der der →Jesuiten. Pedro Vicente Maldonado zeichnete die
Zeichner Morainville, der Botaniker Joseph de Jussieu, „Carta de la Provincia de Quito y sus adyacentes“, die er
der Chirurg Jean Senierges und der Uhrenhersteller Hu- 1746 in Paris an La Condamine übergab und die posthum
got. Im Auftrag des span. Kg.shauses schlossen sich in gedruckt wurde. Die span. Beamten Jorge Juan y Santa-
→Cartagena de Indias die Marinenoffiziere →Jorge Juan cilia und Antonio de Ulloa verfaßten u. a. die „Relación
y Santacilia und Antonio de →Ulloa der Expedition an. histórica del viaje hecho de orden de su Majestad a la
Im Nov. 1735 in →Guayaquil angekommen, stieß der América Meridional“ (Madrid 1748) und die „Noticias
aus Quito stammende Mathematiker und Kartograph Secretas de América, sobre el estado naval, militar y
Pedro Vicente Maldonado zu der Gruppe. Die Forscher- político del Perú y provincia de Quito“ (1748, in Madrid
gruppe hielt sich bis 1743 in der Audienz von Quito auf. 1803 erschienen). Der Aufenthalt der G. in der Audienz
Die Durchführung der wissenschaftlichen Expeditions- von Quito wurde als Anlaß für die Namensgebung der
aufgaben wurde durch die klimatischen Gegebenheiten Rep. →Ecuador nach ihrer Loslösung von →Großko-
und die soziokulturellen Verhältnisse in der kolonialen lumbien 1830 genommen.
Gesellschaft erschwert. Persönliche Streitigkeiten führ- Antonio Lafuente und Antonio Mazuecos, Los Caballeros
ten ebenfalls zu Konflikten innerhalb der Gruppe, v. a. del Punto Fijo, Barcelona 1987.
zwischen La Condamine und Bouguer. Das Erreichen der G A LA X IS B O R JA G O N ZÁ LEZ
Expeditionsziele wurde zuletzt durch mehrere Schick-
salsschläge verzögert. Unmittelbar nach der Ankunft in Geographie. Wissenschaft von der Erdoberfläche und
der Audienz verstarben zwei Mitglieder der Forscher- der mit ihr in Beziehung stehenden Prozesse. Kartogra-
gruppe; in der Stadt Cuenca wurde Jean Senierges von phische Repräsentationen (→Kartographie) und Länder-
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G u eri lla i n Latei n a m eri k a

Mahagoni und Campeche-Holz (→Campeche) schlugen text der bourbonischen Reformen wurde das Corregi-
und ausführten. Gegen Ende des 17. Jh.s erholte sich miento 1761 zur Gobernación von G. umstrukturiert. Ab
die wirtschaftliche Lage, als erneut Indigo und zudem 1803 fiel die Verwaltung von →Justiz, Militär und Finan-
Viehzucht, der Verkauf von Häuten und Talg einen Auf- zen unter die Gerichtsbarkeit des Vize-Kg.s in →Lima
schwung nahmen. Zu Beginn des 18. Jh.s waren die Han- und nicht mehr unter die des Präs. der kgl. Audienz von
delsrouten zweigeteilt: der Norden betrieb seinen Außen- Quito. Anders jedoch verhielt es sich mit der Kontrolle
handel via Veracruz, während der Süden über →Panama über den Handel, der weiterhin Neu-Granada unterstellt
Güter ein- und ausführte. Erst mit der Liberalisierung der blieb. Diese juristisch nicht unproblematische Trennung
span. Handelsrouten ab 1778 konnte der Handel direkt der Gerichtsbarkeiten führte zu Konflikten zwischen den
über zentralam. Häfen erfolgen. Im 18. Jh. kam es zu Handelskonsulaten in →Cartagena und Lima. Die un-
vermehrten Konflikten zwischen der Audiencia und den durchsichtige Situation hielt bis 1820 an, wobei de facto
im Stadtrat von Santiago de G. vertretenen Kaufleuten G.s Handel sich mehr an Peru und weniger an Neu-Gra-
und Großgrundbesitzern, da die Krone mit verschiede- nada anschloß. Seit dem 17. Jh. entwickelte sich G. zu
nen Maßnahmen versuchte, den Einfluß der städtischen einer der bedeutendsten Hafenstädte und Werftstandorte
Elite zurückzudrängen. Insb. die Einführung des In- an der Pazifikküste Südamerikas. Über den Hafen von G.
tendantensystems 1785 traf den Stadtrat, der bis dahin wurde Holz, →Tabak, Chinarinde und seit den 1770er
Steuerpächter für das gesamte Audienciagebiet war, da Jahren v. a. →Kakao nach Lima, →Panama und →Aca-
nun die Verwaltung dezentralisiert wurde und den neu pulco exportiert. Seit Beginn des 17. Jh.s bestand außer-
geschaffenen Intendencias die Funktion zukam, Steuern dem ein direkter Handel mit den Häfen Mittelamerikas;
einzutreiben und zu verwalten. Als Intendencias wurden ab 1774 wurde der →Freihandel mit Neu-Spanien, Neu-
Chiapas inkl. Soconusco, Comayagua, Nicaragua und als Granada, Peru und →Guatemala von der span. Krone
neue Verwaltungseinheit El Salvador eingerichtet. Dem zugelassen und seit 1813 auch mit den →Vereinigten
Gouvernement G. stand weiterhin der Generalkapitän Staaten und Großbritannien erlaubt. Die Plantagenwirt-
vor, Costa Rica blieb Gouvernement. Letztlich war die schaft an der Küste G.s führte zu verstärkter Migration
Macht der Kaufleute der Hauptstadt trotz der Intendan- indigener Bevölkerung aus dem Hochland. Waren es An-
tenreform ungebrochen. Sie kontrollierten gegen Ende fang des 19. Jh.s noch 50 000 Ew. in der Gobernación
des 18. Jh.s weiterhin Außenhandel und Kreditwesen. von G., so stieg diese Zahl binnen 40 Jahren auf 86 000.
Auf Grund ihrer ökonomischen Vorherrschaft gestaltete Auch die Stadt G. wies eine steigende demographische
sich der Unabhängigkeitsprozeß in Zentralamerika zu- Entwicklung auf. Während der ersten Hälfte des 18. Jh.s
nächst als Konflikt zwischen den hauptstädtischen Eliten lebten dort ca. 5 000 Menschen. Zu Beginn des 19. Jh.s
und denen der übrigen Provinzen. So halfen Kaufleute hatte die Stadt über 13 000 Ew., und 1840 betrug die Ew.-
aus G.-Stadt in 1811 mit, eine Revolte in El Salvador zahl 18 000 – 20 000 Menschen. Am 9.10.1820 erklärte
niederzuschlagen. Erst als Mexiko 1821 seine Unabhän- G. die Unabhängigkeit von Spanien und gab sich den
gigkeit von Spanien erklärte, trieben auch Händler der Status der Provincia Libre de G. unter der Reg. von José
Hauptstadt den Prozeß voran und erklärten gemeinsam Joaquín de Olmedo. 1822 kamen die Unabhängigkeits-
mit dem Generalkapitän am 15.9.1821 die Unabhängig- kämpfer Simón →Bolívar und José de →San Martín in
keit. Am 5.1. 1822 bildete Zentralamerika eine Union mit der Stadt zusammen und bestimmten – ohne die Bürger
Mexiko, die allerdings nur bis 1823 Bestand hatte. G.s in ihre Entscheidung einzubeziehen – die Einglie-
Murdo J. Mc.Leod, Spanish Central America, Berkeley derung der Provinz G. in den Distrito Sur der Rep. von
1973. Jorge Luján Muñoz (Hg.), Historia General de Gu- →Großkolumbien. Nach der Auflösung von Großkolum-
atemala, Bd. 2 und 3, Guatemala 1994. Edelberto Torres bien schloß sich G. am 19.5.1830 der neu gegründeten
Rivas (Hg.), Historia General de Centroamérica, Bd. II Rep. von Ecuador an.
und Bd. III, Madrid 1993. MÓNI CA AL BI Z ÚRE Z GI L Michael T. Hamerly, A Social and Economic History of
the City and the District of Guayaquil During the Late
Guayana →Essequibo, →Schomburgk, Robert Colonial and Independence Periods, Ann Arbor 1970.
Jorge Núñez, Guayaquil, una ciudad colonial del tró-
Guayaquil. Hauptstadt des gleichnamigen corregimiento pico, Guayaquil 1997. G A LA X IS B O R JA G O N ZÁ LEZ
in der Audienz von →Quito (im heutigen →Ecuador).
Mehrmals zwischen 1534 und 1542 gegründet; unter Guerilla in Lateinamerika. G. ist die Verkleinerungs-
dem Namen Santiago de G. endgültig am 25.7.1547 am form vom span. Wort guerra und kann mit Kleinkrieg
Westufer des Flusses Guayas errichtet. 1692 Verlegung übersetzt werden. Unter G. versteht man im Deutschen
der Stadt wegen wiederholter Brände, →Seuchen und Pi- zumeist eine Gruppe oder Organisation, die den Klein-
ratenangriffe; seitdem Unterscheidung zwischen Ciudad krieg als Methode zur Durchsetzung ihrer Ziele zur An-
Vieja und der nach span. Schachbrettmuster angelegten wendung bringt. Wer heute im weltgeschichtlichen Kon-
Ciudad Nueva. Als Bezirk der Audienz von Quito ge- text über G. spricht, bezieht sich üblicherweise auf anti-
hörte das Corregimiento von G. zum →Vize-Kgr. von koloniale Kriege und Aufstandsgewalt in außereuropäi-
→Peru. 1717 wurde es in das neu gegründete Vize-Kgr. schen Regionen. Dabei liegt der Schwerpunkt auf der
von Neu-Granada (→Jesuiten in Span.- und Port.-Ame- Zeit des Kalten Krieges. Dies trifft auch auf L. zu, doch
rika, 4.) eingebunden. Zwischen 1723 und 1739 stand reicht in dieser Weltregion das Phänomen G. bis in die
G. erneut unter der Gerichtsbarkeit von →Lima; danach Unabhängigkeitskriege zwischen 1810 und 1825 zurück.
kehrte G. unter die Hoheit von Bogota zurück. Im Kon- Fast in jeder Phase der geschichtlichen Entwicklung des
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Ra b at

sowie Indios, widergespiegelt haben. In dem mit insg. und Bildungsaufgaben. Vom Ende des 17. Jh.s bis in die
über 20 000 Ew. und fast 100 Jahre bestehenden und 1720er Jahre erlebte die Stadt einen Bevölkerungsrück-
also eher untypischen Q. in Palmares im brasilianischen gang, der überwiegend die indigenen Ew. betraf. Verant-
Nordosten war auch →Sklaverei verbreitet. Im 20. Jh. wortlich hierfür waren die Epidemien sowie die Migra-
wurden gerade der Q. von Palmares und dessen Anführer tions- und Fluchtbewegungen in ländliche Gebiete und
gleichwohl zum Symbol des Widerstandes der afr.-stäm- an die Küste. Nach 1780 begann sich die Ew.-zahl Q.s zu
migen Bevölkerung gegen Diskriminierung und Unter- erholen und verzeichnete einen stetigen, wenn auch lang-
drückung. Manche Siedlungen, besonders in ländlichen samen Anstieg. Laut zeitgenössischer Volkszählungen
Gebieten, sind aus Q. hervorgegangen. Nicht zuletzt we- wohnten in der Stadt 1780 ca. 22 000 und 1797 zwischen
gen der damit verbundenen Rechtsansprüche auf Land 20 000 und 22 500 Menschen. Im Gegensatz zum dyna-
existieren in Brasilien heute zahlreiche Q., die sich von mischen Geistesleben ihrer Hauptstadt war die Audienz
anderen Ansiedlungen auch durch eine besondere Kre- von Q. wirtschaftlich eher von marginaler Bedeutung
olsprache (→Pidgin- und Kreolsprachen) unterscheiden für die span. Kolonialverwaltung. Abgesehen von Tex-
können. Wegen der verhältnismäßig schwachen Quellen- tilwaren, die nach Peru ausgeführt wurden, produzierte
lage blieben die Q. in der Forschung umstritten; dies gilt die Provinz nur wenige Exportwaren. Die Ausnahme
etwa für Fragen nach ihrer Rolle als Teil oder Gegenpol stellte der seit den 1770er Jahren betriebene Kakaohan-
einer Sklavenhaltergesellschaft, oder nach der in ihnen del (→Kakao) mit den Küstenregionen – allen voran Gu-
wirkenden Kontinuität afr. Traditionen. ayaquil – dar. Demgegenüber war die Wirtschaft in den
Flávio dos Santos Gomes, A Hidra e os pântanos, São interandinen Gebieten von den Gewinnen aus →Bergbau
Paulo 2005. Flávio dos Santos Gomes / João José Reis und v. a. Textilwirtschaft abhängig und auf den Einsatz
(Hg.), Liberdade por um fio, São Paulo 1996. von →Zwangsarbeit (→mita und Sklavenarbeit) ange-
CHRI S T I AN HAUS S E R wiesen. Im Kontext der bourbonischen Reformen brach
die obrajes-Wirtschaft zusammen. Das veranlaßte die
Quingdao →Kiautschou Produzenten Q.s dazu, als Ersatz für diesen eingebro-
chenen Markt die Handels- und Kommunikationsverbin-
Quito. In vor-span. Zeit ein wirtschaftlich und strate- dungen mit Santa Fe und →Panama stärker auszubauen,
gisch wichtiger Handelsplatz in den nördlichen Anden. wodurch sich die regionale Teilung zwischen Küste und
Archäologische Funde indizieren, daß die Hochebene Sierra innerhalb der Audienz intensivierte. Dieser Ent-
Q’s. bereits seit ca. 1500 v. Chr. besiedelt war. Unter der wicklung kam nicht zuletzt eine maßgebliche Rolle für
Herrschaft der Inka in der zweiten Hälfte des 15. Jh.s ent- den Verlauf der sog. „Revolution von Q.“ vom 10.8.1809
wickelte sich Q. zum religiös-politischen Zentrum, das zu. Die Audienz von Q. wurde 1822 nach dem Sieg der
→Cuzco die Hegemonie innerhalb des Tahuantinsuyo Unabhängigkeitskämpfer aufgelöst und als Distrito Sur
streitig machte. Der Chronist →Cieza de León gibt Q. als der Rep. →Großkolumbien angeschlossen.
Geburtsort des Inka →Atahualpa an. Als koloniale Stadt Andrien J. Kenneth, The Kingdom of Quito 1690–1830,
wurde Q. am 6.12.1534 unter dem Namen San Francisco Cambridge 1995. Martin Minchom, The People of Quito
de Q. von dem span. Conquistador Sebastián de Benal- 1690–1810: Change and Unrest in the Underclass, Lon-
cázar gegründet. Seit 1563 war sie auch Hauptstadt der don 1994. Galo Ramón Valarezo, El poder y los noran-
gleichnamigen kgl. Audienz (→Audiencia) und wurde dinos: la historia en las sociedades norandinas del siglo
als solche von einem (Gerichts-) Präs. und Generalkapi- XVI, Quito 2006. G A LA X IS B O R JA G O N ZÁ LEZ
tän regiert. Die Audienz von Q. – auch „Provinz von Q.“
genannt – unterstand zunächst dem Vize-Kg. von →Peru, Rabat. Die an der Atlantikküste nahe der Mündung des
seit 1717 dem von Neu-Granada (→Jesuiten in Span.- Bou Regreg (arab. Abû Raqrâq) gelegene Hauptstadt
und Port.-Amerika, 4.). Nach Angaben des Oidors Juan →Marokkos (arab. ar-Ribât, „Wehrkloster“, „Ordens-
Romualdo Navarro umfaßte die Audienz in den 1760er burg“) ist – neben Fes, Marrakesch und Meknès – eine
Jahre fünf gobernaciones: Popayán, Quijos, Jaén, Esme- der vier traditionellen marokkanischen „Kg.sstädte“.
raldas und Maynas; 10 corregimientos: Pastos, Ibarra, Bis ins 20. Jh. hinein wurde R. nach dem älteren Salé
Otavalo, Q., Tacunga, Riobamba, Chimbo, →Guayaquil, (Slâ, arab. Salâ) am gegenüberliegenden (rechten) Ufer
Cuenca und Loja und 16 tenencias. Auch die Diözesen des Flußes auch „Neu-Salé“ (Salâ Djadîda) genannt, hat
von Q. und Popayán waren der Präsidentschaft Q’s. un- sich die „Schwesterstadt“ und frühere Rivalin mittler-
terstellt. Auf 2 810 m in einem Hochtalgelegen, war der weile aber komplett einverleibt („Metropolis R.-Salé“)
urbane Raum Q’s. landschaftlich durch tiefe Schluchten und stieg so mit ca. 1,9 Mio. Ew. (2008) zur zweitgröß-
und Flußläufe geprägt. Q. war in fünf Pfarrgemeinden ten Stadt des Landes nach Casablanca auf. Schon seit
aufgeteilt. Q. war auch Sitz der religiösen Orden und dem 4. Jh. v. Chr. existierte in der Region eine kartha-
wies ferner eine hohe Konzentration von Vertretern des gische Niederlassung; sie fiel 40 n. Chr. an die Römer
Klerus auf. Als erste ließen sich zwischen 1535 und 1541 (Sala Colonia) und bildete bis zu ihrer Räumung 250 den
die Franziskaner, Mercedarier und Dominikaner nieder. südwestlichsten Außenposten des Imperiums. Gegen
Mitte der 1560er Jahre gründeten die Barmherzigen 1000 entstand Salé als erste Neugründung nach der arab.
Brüder ein Krankenhaus (Hospital San Juan de Dios). →Eroberung (um 700), fiel aber 1146 den vorrückenden
Seit 1573 waren Augustiner und fünf Jahre später auch Almohaden (1121–1269) zum Opfer. Diese errichteten
→Jesuiten in der Stadt anwesend. Die religiösen Ge- in unmittelbarer Nähe einen „Ribât“, der zur namenge-
meinschaften übernahmen katechetische, seelsorgerische benden Keimzelle des jetzigen R. wurde. Als Residenz
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S a ns i b a r

→Lima,, wo er am 28.7.1821 die Unabhängigkeit Perus dem Sturz von Sultan Jamshid wurde im Jan. 1964 auf S.
ausrief und zum Protektor des Landes ernannt wurde. ein sozialistisches Regime errichtet. Mit der Vereinigung
Andauernder span. Widerstand und Unruhen in seiner von S. und Tanganjika am 26.4.1964 begann ein neues,
Armee veranlaßten ihn, Simón Bolívar um militärische wenn auch keineswegs spannungsfreies Verhältnis von
Unterstützung zu bitten. Verhandlungen darüber am Festland und Insel.
26./27.7.1822 in Guayaquil hatten den Rückzug von S. Q: BArchiv Berlin (RKoIA). Politisches Archiv des Aus-
zur Folge, so daß Bolívar die Armee übernahm. 1824 wärtigen Amts. Zanzibar National Archives, Sansibar. L:
ging S. nach Europa, wo er 1850 in Nordfrankreich starb. Heinz Schneppen, Sansibar und die Deutschen, Münster
1880 wurden seine sterblichen Überreste nach Argenti- 2006. Abdul Sheriff, Slaves, Spices & Ivory in Zanzibar,
nien gebracht und in der Kathedrale von →Buenos Aires Oxford 1987. H EIN Z SC H N EPPEN
in einem Mausoleum beigesetzt. Benannt nach ihm sind
die Stadt San Martín in der Provinz Buenos Aires sowie Santa Cruz y Espejo, Eugenio Francisco Xavier de la,
weitere Orte, z. B. die Plaza General San Martín in Bu- * 21. Februar 1747 Quito, † 27. Dezember 1795 Quito,
enos Aires. □ unbek., rk.
John Lynch, Caudillos in Spanish America, 1800–1850, Sohn des aus Cajamarca / →Peru stammenden Quechua-
Oxford 1992. Horst Pietschmann, José de San Martin, Indianers Luis Santa Cruz Espejo und der in Quito ge-
in: Populisten, Revolutionäre, Staatsmänner. Politiker in bürtigen Mulattin María Catalina Aldaz y Larraincar.
Lateinamerika, hg. v. Nikolaus Werz, Frankfurt/M. 2009, Besuchte als Kind die Schule des Dominikanerordens
50–78. MI CHAE L MÜL L E R und später das Jesuitenkolleg (→Jesuiten, →Kollegium)
San Luis in Quito. Studium der Philosophie, der Medizin
Sansibar. Geographisch ein Teil Afrikas, kulturell der und des weltlichen und kanonischen →Rechts. Trotz Zu-
Welt des →Ind. Ozeans zugeordnet, war die Insel vor schreibung zur mestizischen Bevölkerungsgruppe, trat
der Küste →Tansanias in ihrer Geschichte eng mit der S. als Vertreter der kreolischen (→Kreole) Interessen in
arab. Halbinsel verknüpft. Hier entstand eine einzigar- der Stadt Quito auf und geriet damit in Konflikt mit der
tige merkantile, maritime, urbane, islamische Kultur. kolonialen Obrigkeit. Ende der 1770er Jahre verfaßte er
Die „Stone Town“ in S. erinnert an eine vergangene Zeit die als Dialogstücke angelegte Trilogie „El Nuevo Lu-
historischer Größe. Sie war eng mit der Herrschaft der ciano de Quito“ (1779), „Marco Porcio Catón“ (1780)
Sultane von Oman verbunden, die im Laufe des 17. Jh.s und „La Ciencia Blancardina“ (1781). Diese Schriften
die Portugiesen aus dem westlichen Teil des Ind. Oze- beanstandeten den Zustand von Bildung und Wissen-
ans verdrängten. 1840 verlegte Sultan Said (1806–1856) schaft in der Audienz und riefen heftige Reaktionen der
seine Residenz von Maskat nach S. 1861 regelte ein brit. Ordensgemeinschaften hervor, in deren Händen sich die
Schiedsspruch die Teilung des omanischen Besitzes in Erziehungsanstalten befanden. 1783 weigerte sich S.,
einen afr. und einen arab. Teil. Die Gewürznelke wurde die Stelle des Hauptarztes in Francisco Requenas Grenz-
zum wichtigsten Erzeugnis der Insel, die sonst weitge- expedition anzutreten. Hierauf folgte seine erste Gefan-
hend vom Güterumschlag lebte. Daneben waren die vom genschaft auf Befehl des Präs. José García de León y
Festland „importierten“ Sklaven S.s wichtigstes Han- Pizarro. 1785 verfaßte S. die „Reflexiones acerca de un
delsprodukt. Erst im Laufe des 19. Jh.s ist es den Briten método para preservar a los pueblos de las viruelas“,
gelungen, den Sklavenhandel einzudämmen. 1890 wurde die im Zusammenhang mit einer verheerenden Pocken-
der Sklavenmarkt auf S. geschlossen, 1897 die →Skla- epidemie (→Pocken) in der Stadt erschien und sich als
verei als legale Institution beseitigt. Durch seine Lage eindeutige Kritik an der unzureichenden Situation des
auf dem Seeweg nach →Indien war S. schon früh für Medizinstudiums und ärztlicher Versorgung verstand.
Briten und Franzosen von Bedeutung. Deutschlands In- Die „Reflexiones“ wurden 1786 in Madrid in der „Diser-
teresse war auf den Handel beschränkt. Waren seit 1859 tación médica“ von Francisco Gil, Arzt der kgl. Medizin-
die Hansestädte durch einen Honorarkonsul auf S. ver- akademie gedruckt. 1786 schrieb S. die „Defensa legal a
treten, so ernannte 1884 →Bismarck den Afrikaforscher favor de los derechos de los curas de este Obispado [...]“
Gerhard →Rohlfs zum ersten Berufskonsul des Reiches und 1787 folgten die „Cartas Riobambenses“. In beiden
auf der Insel. Aber kurz nach seinem Dienstantritt wurde Schriften wies S. auf Mißbräuche bei der Entrichtung
sein Verhältnis zum Sultan durch die Ankunft von Carl des Indianertributes hin und forderte die Verbesserung
→Peters belastet, der auf seiner Festlandsexpedition Ge- der sozialen und wirtschaftspolitischen Verhältnisse in
biete in Besitz nahm, die der Sultan als die seinen be- der Landwirtschaft und Textilmanufaktur. Als S. ange-
trachtete. Durch den dt.-brit. Vertrag von 1.11.1886 sah schuldigt wurde „El retrato de Golilla“, eine Satire gegen
sich Sultan →Bargasch auf einen schmalen Küstenstrei- →Karl III., verfaßt zu haben, kam er 1787 zum zweiten
fen reduziert, den sein Nachfolger Khalifa am 28.4.1888 Mal ins Gefängnis. Daraufhin reiste er nach Bogotá, um
an die →Dt.-Ostafr. Gesellschaft verpachtete. Aber diese seinen Fall dem Vize-Kg. persönlich vorzutragen. In der
Regelung war bald durch den „→Araberaufstand“ und Hauptstadt Neu Granadas lernte er die zukünftigen Un-
das militärische Eingreifen des Dt. Reiches überholt. Im abhängigkeitskämpfer Antonio Nariño, Francisco Anto-
→Helgoland-S.-Vertrag von 1890 einigten sich Groß- nio Zea und Juan Pío Montúfar kennen. 1791 nach Quito
britannien und das Dt. Reich auf eine Abgrenzung ihres zurückgekehrt, gründete S. die „Sociedad Patriótica de
Besitzes in Ostafrika, wobei Bismarck den Engländern Amigos del País“ mit dem Ziel der Förderung von Hand-
das →Protektorat über S. konzedierte. Am 10.12.1963 werk, Landwirtschaft und Handel. S. war auch Hg. von
erlangte das brit. Protektorat seine Unabhängigkeit. Nach „Las Primicias de la Cultura de Quito“, dem Publika-
Urheberrechtlich geschütztes Material. Jede Verwertung außerhalb der engen
712 Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar.
Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen
und die Einspeicherung und Verarbeitungen in elektronischen Systemen.
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Sã o Pa u lo

tionsorgan der Gesellschaft und ersten Zeitung in der denen sich zunächst indigene Bevölkerungsgruppen an-
Audienz. Im Apr. 1792 wurde diese vom Präs. Luis An- siedelten und denen Stadträte aus der indigenen Adels-
tonio Muñoz de Guzmán, der dem publizistischen Pro- schicht vorstanden. Die größten waren Parcialidad de los
jekt zunächst wohlwollend gegenüber gestanden hatte, Guatimaltecas de Jocotenango, Santo Domingo und San
verboten. Ab 1792 war S. Direktor der öffentlichen Bü- Francisco. Im Lauf der Zeit ließen sich auch Mitglieder
cherei in Quito, deren ca. 40 000 Bücher ursprünglich aus anderer ethnischer Gruppen, darunter auch verarmte
den Beständen der ehem. jesuitischen Kollegsbibliothek Spanier, in den Randbezirken nieder. Ab ca. 1700 bil-
stammten. Als in der Nacht zum 21.10.1794 Stoffbänder deten die Ladinos – ethnisch nicht mehr eindeutig zuzu-
an die Steinkreuze vor den bedeutenden Kirchen Quitos ordnen, aber an der span. Kultur orientiert – die größte
mit der lateinischen Aufschrift „Liberi sto felicitatem et Bevölkerungsgruppe. Die ersten Schulen und das Cole-
gloria consecuunto Salva Cruce“ (Macht euch frei – Er- gio de Santo Tomás gründete im 16. Jh. Bischof Fran-
ringt Glück und Ruhm – Rette, Kreuz Christi) befestigt cisco Marroquín (ca. 1478–1563). Die Universität San
wurden, beschuldigte die koloniale Obrigkeit S. der Tä- Carlos wurde 1676 vom span. Kg. Karl II. gegründet. In
terschaft dieser subversiven Aktion. 1795 mußte S. er- der Stadt schrieb Bernal →Díaz del Castillo seine Chro-
neut ins Gefängnis, wo er schwer erkrankte und im Alter nik über die →Eroberung Neu-Spaniens und Guatemalas
von 48 Jahren starb. (La Verdadera y Notable Relación del Descubrimiento y
Ekkehard Keeding, Das Zeitalter der Aufklärung in der Conquista de la Nueva España y Guatemala, 1551), und
Provinz Quito, Köln / Wien 1983. Carlos Paladines, Eu- zwei Jh.e später entwickelte dort der Jesuit Rafael Lan-
genio Espejo – Pensamiento fundamental – Estudio, se- dívar sein Projekt einer kreolischen (→Kreole) Nation
lección y notas, Quito 2007. (Rusticatio Mexicana, 1781). Das Leben in der Stadt war
GAL AXI S BORJA GONZ ÁL E Z immer bestimmt von häufigen Erdbeben, die besonders
heftig 1717, 1751 und 1773 auftraten. Das letzte Erdbe-
Santiago de Guatemala. Am 25.7.1524 gründete der ben, genannt das Erdbeben von Santa Marta, führte zu
Spanier Pedro de Alvarado im Gebiet der Cakchiquel in einer intensiven Debatte über eine erneute Verlagerung
der Region Iximché im Hochland von →Guatemala die der Stadt. 1775 entschied die Krone, die Stadt in das Tal
Stadt S. Der Name der Siedlung, die anfangs einem Mi- Ermita zu verlegen, wo sich die Hauptstadt der heutigen
litärlager glich, ehrte den Apostel Jakobus (span.: Santi- Rep. Guatemala befindet.
ago). Auf Grund der Bedrohung durch die benachbarten Inge Langenberg, Urbanisation und Bevölkerungsstruk-
indigenen Völker wurde die Stadt am 22.11.1527 in das tur der Stadt Guatemala in der ausgehenden Koloni-
Tal von Almolonga am Fuß des Agua-Vulkans verlegt. alzeit, Köln u. a. 1981. Christopher H. Lutz, Santiago
Starke Zerstörungen durch einen Erdrutsch führten dazu, de Guatemala 1541–1773, Norman 1994. Jorge Luján
die Stadt 1542 in das wenige km entfernte Tal von Pan- Muñoz, Antología de artículos de historia del arte, ar-
choy an den Fluß Pensativo umzusiedeln. 1543 tagte quitectura y urbanismo, Guatemala-City 2006.
erstmals der Stadtrat, und am 10.6.1566 gab →Philipp MÓ N IC A A LBIZÚ REZ G IL
II. ihr den Namen Ciudad de Santiago de los Caballeros
de Guatemala. Die Stadt bildete von Beginn an das reli- São Paulo. Liegt im südöstlichen Binnenland →Brasi-
giöse, kulturelle und administrative Machtzentrum der liens, ca. 80 km vom →Atlantischen Ozean entfernt auf
Region. Im 17. Jh. war sie mit 30 000 Ew. eine der größ- einer durchschnittlichen Höhe von 795 m über dem Mee-
ten Städte Hispanoamerikas. Der gitterförmige Grundriß resspiegel. Der Ort S. geht auf die Missionstätigkeit der
der Stadt basierte auf dem Entwurf von Juan Bautista →Jesuiten zurück. Die Mönche Manuel da →Nóbrega
Antonelli. Wie in den meisten hispanoam. Städten kam und José de →Anchieta hatten am 25.1.1554, dem Fest
dem Hauptplatz, der Plaza de Armas, eine zentrale Rolle der Bekehrung des Apostels Paulus, in der Region der
für das Leben der städtischen Gemeinschaft zu. An der Flüsse Rio Tietê und Rio Pinheiros ein Jesuitenkolleg
Südseite des Platzes diente der kgl. Palast als Sitz der (→Kollegium) gegründet, das als Ausgangspunkt für die
→Audiencia und Residenz des Generalkapitäns, an der Missionsarbeit unter der ansässigen Tupi-Guarani-Bevöl-
Nordseite befand sich das Rathaus. An der Ostseite stand kerung dienen sollte. Die bekehrten indigenen Gruppen
die 1669–1686 erbaute Kathedrale, die den Höhepunkt versuchten sie in der Siedlung (vila) SP dos Campos de
des architektonischen Schaffens in S. darstellt. Sie wurde Piratininga anzusiedeln. In unmittelbarer Nachbarschaft
ebenso wie die wichtigsten Sakralbauten von Joseph de war unterdessen die Frontiersiedlung (→Frontier) Santo
Porres konstruiert, der 1687 zum obersten Architekten André da Borda do Campo entstanden (1550), mit der es
der Stadt ernannt wurde. Das Zentrum wurde begrenzt zu Rivalitäten kam. 1560 mußte auf Geheiß des Gouv.s
von Alleen, auf denen sich in großer Zahl bis heute er- Mem de Sá die Bevölkerung Santo Andrés nach SP um-
haltene öffentliche Waschbecken und Brunnen befanden. siedeln, da sie Ziel steter indigener Angriffe geworden
Die soziale Schichtung innerhalb der Stadt bestimmte war. Aus dieser temporären Zusammenführung resultier-
sich zum einen durch Zugehörigkeit zu einer der städ- ten die Anfänge des späteren SP, das bis ins 18. Jh. hinein
tischen Bevölkerungsgruppen: Indios, Schwarze, Mu- relativ isoliert und klein blieb. Die Plantagenwirtschaft
latten, Mestizen (→Casta) oder Spanier. Zum anderen in der Region war nicht sehr produktiv, so daß lange Zeit
stellten Seniorität des Landbesitzes, familiäre und ge- eine Subsistenzwirtschaft vorherrschte. Erst im 17. Jh.
schäftliche Beziehungen sowie militärische Funktionen wurden in der Gegend Getreideüberschüsse für den Ex-
wichtige Kriterien für den sozialen Status der Ew. dar. port erzielt. Bedeutung erlangte die Siedlung in dieser
An den Stadträndern entstanden ab ca. 1550 Viertel, in Periode v. a. als Ausgangspunkt der „bandeiras“ (Fahnen)
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Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen
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