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Pozuzo in Peru
Mitten im Urwald Perus steht ein Dorf, das sich als "einzige österreichisch-
deutsche Kolonie der Welt" bezeichnet. Die Nachfahren der Einwanderer pflegen
in Pozuzo alte Traditionen - mit Tanzgruppen und Blasmusik.
Von Anne Passow

Wiener Schnitzel mit Kartoffelsalat sind der Renner. "Das bestellen die Touristen
gerne", sagt Andrés Egg. Aber auch die Pozuziner Würstchen mit frittierten Yucas
oder der legendäre Bananenstrudel seiner Ehefrau Hilda werden gern genommen.
"Eigentlich heißt es ja Apfelstrudel. Aber wir haben hier nun mal keine Äpfel", sagt
Hilda Ruiz.
Das Ehepaar lebt mitten im peruanischen Urwald. Genauer gesagt in Pozuzo. Mit
seinen geschwungenen, grünen Hügeln, seinen Kuhweiden und den Holzhäusern mit
Spitzdächern und Balkonen erinnert die kleine Gemeinde ein wenig an ein Tiroler
Dorf. Auch Bewohner wie Andrés Egg, groß gewachsen, blaue Augen, verraten etwas
über die europäische Komponente in der Geschichte dieses abgeschiedenen Ortes.
Eggs Ururgroßvater, der Priester Joseph Egg, war vor über 150 Jahren einer der
Gründer Pozuzos. 1857 führte er eine Gruppe von rund 200 Tiroler Landwirten an, die
sich aus dem österreichischen Dorf Silz aufmachte, um in Peru eine neue Heimat zu
finden.

Siedler aus Tirol und dem Rheinland


In Österreich sahen die Bauern damals keine Zukunft mehr, sie litten unter der
Industrialisierung, hohen Steuern, Schulden und Hunger. Viele Menschen folgten
deshalb dem Ruf des hessischen Forschers Damian Freiherr von Schütz-Holzhausen:
Der hatte mit der peruanischen Regierung vereinbart, im Laufe von sechs Jahren 10.000
deutsche Bauern katholischen Glaubens im peruanischen Urwald anzusiedeln. "Weil er
in Deutschland nur ein paar Rheinländer für das Projekt begeistern konnte, warb er auch
in Tirol", erklärt Eva Solleder. Die heute 59-Jährige kam 1953 mit ihren Eltern und
Geschwistern aus dem bayerischen Straubing nach Pozuzo.
Sie leitet den historischen Kulturverein Asociación de Historia y Cultura de Pozuzo und
das Heimatmuseum Schafferer und setzt sich dafür ein, dass die Vergangenheit des
Dorfes nicht in Vergessenheit gerät. "Die peruanische Regierung wollte damals das
Urwaldgebiet besiedeln, um später eine Eisenbahnlinie von Lima über die Anden und
durch den Dschungel zu bauen", sagt sie. Der Transportweg sollte an die Wasserwege
des Amazonas angebunden werden und so eine Verbindung zwischen Atlantik und
Pazifik herstellen. Das Projekt wurde jedoch niemals realisiert.
Die Tiroler und Rheinländer, die 1857 die lange Reise nach Pozuzo antraten, wurden
bei ihrer Ankunft in Peru bitter enttäuscht. Nach einer viermonatigen Schiffsreise und
einem schwierigen Marsch nach Cerro de Pasco mussten sie dort feststellen, dass die
peruanische Regierung den versprochenen Pfad nach Pozuzo nicht gebaut hatte. Viele
setzten sich deshalb von der Gruppe ab und suchten ihr Glück als Arbeiter in einer der
vielen Minen Perus. Andere blieben und bauten auf eigene Faust einen Weg durch die
Wildnis nach Pozuzo.
Im Juli 1859, etwa zwei Jahre nach der Abreise aus Europa, erreichten von den 300
aufgebrochenen Europäern etwa 170 Pozuzo. 1868 folgte eine zweite Gruppe mit etwa

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200 Tirolern und Bayern. Danach kam niemand mehr. Denn der Weg nach Pozuzo ist
weit und das Leben war anfangs bei weitem nicht so, wie es den Auswanderern vorher
versprochen wurde. Der Dschungel, Hunger, Krankheit und Heimweh machten den
Menschen in den Anfangsjahren sehr zu schaffen. Die fruchtbaren Böden und das gute
Klima der Region jedoch gaben den Bauern Mut, weiterzumachen. Sie fingen an, Kühe
und Schafe aufzuziehen und Mais, Reis, Kaffee und Früchte anzubauen.
Tourismus als neue Einnahmequelle
Mit Erfolg. Heute leben Pozuzos Einwohner gut von ihrer Landwirtschaft. Als zweite
Einnahmequelle haben sie den Tourismus entdeckt und verkaufen ihr Dorf als "einzige
österreichisch-deutsche Kolonie der Welt".
Wer sich aber aus der Hauptstadt Lima nach Pozuzo aufmacht, muss Zeit und Ausdauer
mitbringen. Etwa zwölf Stunden quält sich der Reisebus die knapp 400 Kilometer über
die Anden, vorbei am 4800 Meter hohen Ticliopass bis in den 10.000-Einwohner-Ort
Oxapampa. Dort fahren Minibusse die restlichen 80 Kilometer, ruckeln zwischen von
Nebelschwaden durchzogenen grünen Hängen über einen unbefestigten, schmalen
Weg, bleiben immer wieder in quer über den Pfad verlaufenden Wasserfällen stecken
und kommen kaum um die engen Kurven. Links fallen die Hänge steil ab, unten strömt
braun und reißend der Huancabamba-Fluss.
Aufatmen können die Fahrgäste erst nach vier Stunden. Rechts und links tauchen dann
Hostels und Restaurants auf mit Namen wie Gästehaus Schmidt, Pizzeria Wolfgang oder
Tiroler Adler. Hier gibt es österreichische, deutsche und Pozuziner Küche - und wenn
man Glück hat, trifft man auf Gastwirte wie Andrés Egg, der seine Gäste mit einem "Grüß
Gott" begrüßt und auf Deutsch - mit tirolisch-spanischem Akzent - drauflosredet. "Als
Kind haben unsere Eltern nichts anderes als Tirolisch mit uns gesprochen. Deshalb kann
ich das noch", sagt der 66-Jährige.
Seine Tochter, Odila Egg, spricht dagegen nur noch Spanisch. Sie möchte das aber
ändern. "Seit kurzem werden hier Deutschkurse angeboten. Ich finde es wichtig, dass
die junge Generation die Sprache wieder lernt. Viele Besucher erwarten das, wenn sie
nach Pozuzo kommen", sagt die 32-Jährige. Sie hat in Lima Tourismus und Hotellerie
studiert und kümmert sich um das Restaurant ihrer Eltern.
Ein Hauch von Oktoberfest im Dschungel
Im Moment überwacht sie die Renovierungsarbeiten am Tiroler Adler. Von Mai bis
Oktober geht die Touristensaison. Vor allem Peruaner sind neugierig auf das Tiroler Dorf
im Urwald. Aber auch Österreicher und Deutsche machen auf ihrer Peru-Reise immer
mal wieder einen Abstecher nach Pozuzo.
Richtig voll ist es in der letzten Juliwoche. Dann feiert Pozuzo die Ankunft der ersten
Einwanderer. Die Tanztruppe des historischen Kulturvereins zeigt deutsche Tänze,
Mädchen laufen in deutschen und österreichischen Trachten herum, und der Tourist
kann bei einem kühlen Bier mitten im peruanischen Urwald bayerische Blasmusik
genießen.
Doch auch über die Folklore hinaus gibt es Verbindungen zu Europa. So lernte Andrés
Egg vor zwei Jahren mit einigen anderen Gründer-Nachfahren den Ort seiner Ahnen
kennen: Silz im Oberinntal. Für ihn war es die erste Flugreise seines Lebens. "Mir hat es
sehr gefallen. Überall hat man uns groß empfangen und uns alles gezeigt", erzählt er.
Trotzdem war Egg auch froh, als er wieder in Pozuzo war. "Hier ist es schön, hier bin ich
wer. Woanders kennt mich doch niemand."

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Eva Solleder, deren Familie erst in den fünfziger Jahren nach Peru auswanderte, kam
noch in Bayern zur Welt. "Erinnern kann ich mich aber nur noch an das Leben hier in
Pozuzo", sagt sie. Auch sie besuchte vor einigen Jahren ihre Familie in Ascha, dem
bayerischen Dorf ihrer Eltern - und war beeindruckt. "Alles war so schön und geordnet.
Ich stand vor dem Haus meines Großvaters und konnte nicht verstehen, warum uns mein
Vater damals nach Peru gebracht hat." Doch als eine Tante ihr anbot, nach Deutschland
zu kommen, lehnte sie ab. "Ich bin in Pozuzo aufgewachsen, mit all den guten und
schlechten Dingen, die hier passiert sind. Hier bin ich verwurzelt, also bleibe ich."

Fuente:
https://www.spiegel.de/consent-a-
?targetUrl=https%3A%2F%2Fwww.spiegel.de%2Freise%2Ffernweh%2Fpozuzo-in-
peru-oesterreichs-groesstes-dschungel-camp-a-
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