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Markus Hundt, Wolf-Andreas Liebert,
Thomas Spranz-Fogasy, Berbeli Wanning,
Ingo H. Warnke und Martin Wengeler
Band 28
Chinesisch-Deutscher
Imagereport
Herausgegeben von
Friedemann Vogel und Jia Wenjian
ISBN 978-3-11-054208-0
e-ISBN [PDF] 978-3-11-054426-8
e-ISBN [EPUB] 978-3-11-054228-8
ISSN 1864-2284
www.degruyter.com
Inhalt
Vorwort der Herausgeber IX
Zur Einführung
Caja Thimm
China im Spiegel der Printmedien – Zwischen Verdammung und Überhöhung?
Medieninhalte und Expertenperspektiven zur Berichterstattung in
Deutschland 29
Friedemann Vogel
Linguistische Imageanalyse Chinas
Theoretisch-methodische Grundlagen und exemplarische Analyse 48
Li Jing
„Reich der Mittel“
Linguistische Imageanalyse zu Chinas Wirtschaft (2000–2013) 73
VI Inhalt
Elisa Lang
„China wirkt ja vor allem so bedrohlich und unsympathisch, weil die Chinesen
so übermotiviert sind, so ekelehrgeizig.“
Chinesische Bildung in deutschen Medien 102
Zhao Jin
Die Wechselwirkung des Selbstbildes und des Fremdbildes
Analyse von Medienberichten zu Sino-Afrika-Beziehungen 139
Zhou Haixia
Das Bild von Überseechinesen in den deutschen Leitmedien
Analysiert am Beispiel von DIE ZEIT und DER SPIEGEL (2000–2010) 154
Su Fu
Kontrastive Untersuchung zu den medial konstruierten Tibetdiskursen
Am Beispiel deutscher und chinesischer Enzyklopädien 172
Liang Shanshan
Die Dynamik von Stereotypen
Analyse der Deutschland-Stereotype im chinesischen Nachrichtenmagazin
„Lifeweek“ 187
Monika Lehner
Graphisches Erzählen über China
Chinabilder in Comics und Graphic Novels 257
Chen Zheng
Interkulturelle Analyse der kommunikativen Wirkung chinesischer Image-Filme
Vergleich einer chinesischen mit einer deutschen Zielgruppe 282
Anhang
Autorenverzeichnis 312
Vorwort der Herausgeber
Der vorliegende Band dokumentiert das vorläufige Zwischenergebnis eines drei-
jährigen Forschungsprojektes (2014–2016) unter dem gleichnamigen Titel „Chine-
sisch-Deutscher Imagereport“ in Kooperation der Beijing Foreign Studies Univer-
sity (China, unter Leitung von Prof. Dr. Jia Wenjian) und der Universität Freiburg
(Deutschland, unter Leitung von Prof. Dr. Friedemann Vogel). Ziel des Projektes
wie auch dieses Bandes war und ist erstens, einen Überblick über die bisherige
Forschung zu Ethnostereotypen über China bzw. Chinesen in der deutschspra-
chigen Medienöffentlichkeit zu gewinnen. Zweitens geht es um die interdiszipli-
näre Entwicklung und Durchführung kontrastiver linguistischer Imageanalysen
zur computergestützten, semiautomatischen Untersuchung von Ethnostereoty-
pen (insb. Chinas und Deutschlands) auf Basis sehr großer Sprachdatenmengen
(Textkorpora), wie sie in diesem Band auch exemplarisch vorgestellt werden.
Drittens unternehmen wir hier den Versuch, auf Basis des aktuellen Forschungs-
standes vorsichtige Schlussfolgerungen und Empfehlungen für die zukünftige
deutsch-chinesische, interkulturelle Kommunikation und Zusammenarbeit zu
formulieren. Sollte es uns gelingen, mit diesem Band zu einer weiteren Sensi-
bilisierung für bestehende Stereotype, Vorurteile und ihre medialen, musterhaft
erscheinenden Formen und damit letztlich zu einer besseren Kulturverständi-
gung beizutragen, wäre viel gewonnen.
Wir bedanken uns an dieser Stelle bei dem Deutschen Akademischen Aus-
tauschdienst (DAAD) und dem China Scholarship Council (CSC) für die dreijäh-
rige finanzielle Förderung, die uns und zahlreichen Nachwuchswissenschaft-
lerInnen eine gute Basis für die Zusammenarbeit ermöglicht hat; dem National
Social Science Fund of China (No. 14@ZH036) danken wir besonders auch für
die Finanzierung dieses Bandes. Dank gilt auch dem Reihenherausgeber, Prof.
Dr. Ekkehard Felder (Heidelberg), für die Aufnahme des Bandes in die Reihe
„Sprache und Wissen“, und Tang Meng (Beijing) für die umsichtige Übersetzung
der erweiterten Aufsatzabstracts ins Chinesische. Dank gilt schließlich allen
Beteiligten, die zum Gelingen dieses transnationalen und interdisziplinären Pro-
jektes beigetragen haben.
DOI 10.1515/9783110544268-203
Zur Einführung
Friedemann Vogel und Jia Wenjian
Das Bild Chinas im deutschsprachigen Raum
Ein Forschungsüberblick zu Ethnostereotypen und Vorurteilen
über das „Reich der Mitte“ und Perspektiven für die
interkulturelle Kommunikation
1 Einführung
Wissen über fremde Länder, Völker und Kulturen fasziniert die Menschen seit
jeher. Genauso lange sind die Zugangsmodalitäten für solches Wissen sozial und
medial determiniert. Zu einer Zeit, in der Reisemobilität ein wertvolles und kost-
spieliges Privileg darstellte, speiste sich das Wissen über „das Fremde“ vor allem
aus Erfahrungsberichten und Reisedokumenten in der Regel von einer kleinen
Gruppe Wohlhabender (vgl. zu China etwa Liu 2001). Der absoluten Mehrheit der
Bevölkerung war ein eigenes Bild mangels direkten Zugangs verwehrt. Mit der
Technisierung des 19. Jahrhunderts und der Mediatisierung aller Lebensberei-
che (insb. durch Presse, Rundfunk, Fernsehen und Internet) spätestens ab der
zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts änderte sich das grundlegend. Auch wenn
Reisen mit dem Zug oder Flugzeug mittlerweile für die soziale Mittelschicht
erschwinglicher wurden, bildeten (und bilden) diese Massenmedien bis heute
den zentralen Zugang zum „Anderen“ (Butterwegge 2006; Ernest W. B. Hess-
Lüttich 1992; Luhmann 2004). Dies wäre kein Problem, würden von den Rezi-
pientInnen zugleich auch die jeweiligen Konstitutionsbedingungen, die interne
Arbeitslogik dieser Wissensarchive (im Sinne Foucaults) reflektiert. Tatsächlich
werden die Faktoren, nach denen mediale Wahrheit – das heißt weitreichende
Annahmen über die Beschaffenheit der Welt als „historisches Apriori“ (Foucault
1974, S. 204) – diskursiv konstituiert wird, meist völlig ausgeblendet.
Anmerkung: Der Beitrag wurde unter anderem unterstützt durch den National Social Science
Fund of China (No. 14@ZH036).
Vogel, Friedemann, Prof. Dr., Juniorprofessor für Medienlinguistik, Institut für Medienkulturwis-
senschaft, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Deutschland
Jia, Wenjian, Prof. Dr., Professor für Interkulturelle Kommunikation, Prorektor für Lehre, Beijing
Foreign Studies University (BFSU), China
DOI 10.1515/9783110544268-001
4 Friedemann Vogel und Jia Wenjian
wir wissen, dass sie zum Antreiben von Maschinen genutzt werden können:
Menschliche Muskelkraft, Holz und Kohle in Verbindung mit Wasser und Ther-
modynamik, Benzin oder Diesel, Strom oder einfach nur der Wind. Das Stereotyp
von einem Verkehrsfahrzeug zum Transport von Menschen Ende des 19. Jahr-
hunderts war jedoch ein „Dampfwagen“, in den 1980er Jahren ein „Benziner“
und heute gibt es mehr und mehr Elektrofahrzeuge. Das Beispiel macht deut-
lich, dass bestimmte Eigenschaftsketten in der Abhängigkeit von Zeit und Raum
‚stabiler‘ oder ‚typischer‘ sind als andere. Mit anderen Worten: Die Eigenschaften
(z. B. Energiequelle), die uns mit Blick auf eine Person oder einen Gegenstand
(z. B. Fahrzeug) als erstes einfallen, sind prototypischer als andere, durch aktives,
evaluierendes Erinnern zugängliche Eigenschaften. Das Stereotyp einer Person,
einer Gruppe oder eines Gegenstands besteht – heuristisch gesehen – aus den
Eigenschafts-Prototypen der jeweiligen Kategorie.
Wir unterscheiden an dieser Stelle zwischen Stereotypen als wertneutralem
Oberbegriff für eine bestimmte, prototypisch gewichtete Wissensform und Vorur-
teilen. Letztere sind solche Stereotype, die sich in einer abwertenden Weise auf
eine Person, eine Gruppe oder einen Sachverhalt in der Welt beziehen (Konerding
2006). Sprachliche Realisierungen von Vorurteilen sind etwa Alle Deutschen sind
Nazis oder Chinesen essen Würmer.
Stereotype sind – soweit wir wissen – weder angeboren, noch folgen sie meta-
physischer (göttlicher, übernatürlicher usw.) Eingebung, sondern sie werden
wie jedes andere Wissen durch Sozialisierung erlernt. Eine wichtige Rolle für
die Aneignung von Stereotypen spielt die regelmäßige, direkte Kommunikation
(z. B. im Gespräch face-to-face) mit vertrauten Bezugspersonen (Ingroup, „peer-
groups“), insbesondere Eltern, Familienmitgliedern, Lehrern, Freunden und
engeren Bekannten, also Personen und Gruppen, denen eine kontinuierliche,
intensive und auch emotional gefärbte Orientierungsfunktion für die Einordnung
und Bewertung unserer (sozialen) Welt zukommt (zur sog. „Kontakthypothese“
vgl. Nelson 2006, S. 262). Dabei lässt sich die Übernahme von Stereotypen –
etwa die elterliche Sicht auf bestimmte gesellschaftliche Gruppen oder Sachver-
halte – weniger als kontrollierter Lernvorgang verstehen, denn mehr als passive
Aneignung. Stereotypes Wissen wird auch ‚auswendig gelernt‘, mehr noch aber
durch kontinuierliche, ‚alltägliche‘ Präsentation inkorporiert, zu Eigen gemacht,
schlicht deshalb, weil es unsere ‚natürliche‘, ‚vertraute‘ Umgebung bildet und
damit als ‚normal‘ angenommen wird (zur diskursiven Herstellung des Normalen
vgl. auch grundlegend Link 2013).
Eine weitere wichtige, wenn heutzutage nicht sogar die viel wichtigere Quelle
für die Aneignung von kulturellen Stereotypen bildet die mediale Berichterstat-
tung. Medien – Zeitungen, Radios, Fernsehen, Blogs, Wikipedia, Social Media
usw. – beliefern die Menschen in industrialisierten Kulturen heute nahezu lücken-
6 Friedemann Vogel und Jia Wenjian
los mit Informationen zu allen erdenklichen Themen weit über den individuellen
direkten Wahrnehmungs- und Handlungshorizont hinaus. Der vielzitierte Satz
„Was wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben, wissen,
wissen wir durch die Massenmedien.“ (Luhmann 2004, S. 9) bringt es auf den
Punkt: Vor allem diejenigen Sachverhalte, aber auch Gruppen, Völker, Lebens-
weisen usw., zu denen uns ein direkter Kontakt verwehrt bleibt, kennen wir allein
medienvermittelt. Medien tragen damit zu einer grundlegenden Kohärenz in der
Wahrnehmung von Kultursemantik und zur Normalisierung von Erwartungen
und Handlungsoptionen bei (K. Merten 1994; Krämer 1998; Hans-Bredow-Institut
für Medienforschung an der Universität Hamburg 2008; Meyer 2004; Dreesen et
al. 2012). Mit anderen Worten: Wer Zugang zu den Produktions- und Distributi-
onswegen von Massenmedien und Mediendiskursen besitzt, hat damit potentiell
(nicht automatisch faktisch1) auch weitreichenden Einfluss auf das Denken und
Handeln der Bevölkerung. Eine rechtlich garantierte Medienvielfalt und Mei-
nungsäußerung – wie sie etwa in Deutschland existiert – sollte diese Gefahr einer
zunehmenden Homogenisierung eigentlich verhindern. Die globale Marktlibera-
lisierung des Mediensektors zeigt jedoch seit einigen Jahrzehnten eine gegen-
läufige Tendenz, zunächst in Form einer Akkumulation unabhängiger Medien
(Zeitungen, Radios usw.) durch Übernahme weniger global agierender Medien-
konzerne (wie Springer, Bertelsmann u. a.) sowie durch Aussterben regionaler
und lokaler Angebote (dazu ausführlich Prott 1994). Die wenigen verbleibenden
Einzelmedien zwingt die Rationalisierung zu einer internen Arbeitslogik, die
immer häufiger auf eigenständige Recherche vor Ort, Quellenprüfung und Auto-
renvielfalt verzichtet und stattdessen Agenturangebote übernimmt. An die Stelle
sorgfältiger Themenabwägung und Hintergrundinformationen treten Event- und
Gelegenheitsjournalismus (wobei die Events und Gelegenheiten auch noch selbst
geschaffen werden, vgl. Knobloch und Vogel 2015). Die Entwicklung des Internets
und dort die ressourcengünstige Publikation von unabhängigen, weltweit leicht
zugänglichen Homepages oder Blogs und insbesondere das „Web 2.0“ (d. h. jeder
Leser ist potentiell auch Autor) boten in den ausgehenden 90er und ersten 2000er
Jahren wiederum eine Alternative –, doch im Geflecht aus staatlichen, ökonomi-
schen und militärischen Interessen, sich das Netz anzueignen, schaffen sich nur
1 Medienrezipienten sind Massenmedien nicht einfach passiv ausgeliefert, sie haben durchaus
die Möglichkeit, Informationen zurückzuweisen, Nachrichten zu filtern, kritisch zu prüfen usw.
Das in manchen Teilen der Kommunikationswissenschaft zu findende Diktum, Medien „wirk-
ten“ auf Menschen, unterstellt häufig ein verkürztes, an die informationstechnische Datenüber-
tragung angelehntes Zeichen- und Kommunikationsmodell, das moderne Grundlagen der Kog-
nitions- und Sprachpsychologie völlig ausblendet.
Das Bild Chinas im deutschsprachigen Raum 7
wenige Angebote eine nachhaltige Grundlage (Rilling 1998). Vor diesem Hinter-
grund gewinnt die medienvermittelte Produktion und Verteilung von Stereotypen
eine besondere Relevanz und Brisanz.
Einmal erworben, erfüllen Stereotype wichtige Funktionen im (sozial-)kog-
nitiven Haushalt ihrer Träger: Als leicht abrufbare Rahmen erleichtern sie die
Verarbeitung von Handlungsoptionen und die Lösung von Entscheidungsfin-
dungsprozessen, insofern sie die – prinzipiell unendlich komplexe – Wahrneh-
mungswirklichkeit schematisch (d. h. auch vereinfachend, pauschalisierend,
vom Einzelnen abstrahierend) aufbereiten und damit eine effiziente, erprobte
und von anderen Kulturangehörigen antizipierbare Handlungsgrundlage bereit-
stellen. Auf diese Weise erst ist es möglich, mit beschränkten kognitiven Ressour-
cen in kurzer Zeit etwa auf einem Gemüsemarkt im dichten Gedränge mit anderen
Kunden seinen Bedürfnissen – nämlich dem Einkauf – nachzukommen. Diese
Vorgänge sind also hochgradig automatisiert, ritualisiert (Goffman 2002 [1967])
und laufen überwiegend unbewusst ab. Die kognitive Entlastung durch Stereo-
type wird meist nur dann bewusst, wenn sie fehlt: z. B. als Reisender in einem
fremden Land, als Gast in ungewohnter Umgebung oder als Milieufremder. Die
Rede ist dann etwa von „fehlender Routine“ oder „Überforderung“.
Insofern Stereotype die Wahrnehmung vereinfachen, tendieren sie auch
dazu, sich selbst zu stabilisieren, sich gegen Veränderung zu immunisieren:
wahrnehmbare Aspekte der sozialen Lebenswirklichkeit, die bestehenden Ste-
reotypen widersprechen, werden schlicht ausgeblendet, um eine einfache Ent-
scheidungsstruktur aufrecht zu erhalten.
Stereotype sind in ihrer Ausprägung gruppen- (milieu-) und kulturspezifisch.
Ein typischer Restaurantbesuch sieht – im Hinblick auf Handlungsabläufe, invol-
vierte Personen, Sitzanordnung, Essenswahl, Bezahlung, Trinkgeld usw. – für
einen in Berlin Aufgewachsenen deutlich anders aus als für einen in Madrid,
Beijing oder Kapstadt Sozialisierten. Zahlreiche Probleme der interkulturellen
Kommunikation lassen sich auf unkontrollierte, d. h. von den Interaktanten nicht
reflektierte kulturspezifische Stereotype zurückführen (vgl. etwa Kotthoff 1993;
Günthner 1994; Busch 2007). Sie führen vor allem dann zu Missverständnissen,
Unmut und ggf. Konflikten, wenn grundlegende Annahmen über die Erwartbar-
keit von (un)angemessenen Verhaltensregeln voneinander abweichen.
Die Untersuchung von Stereotypen gestaltet sich – so wie jede Wissensana-
lyse – insofern schwierig, als dass Wissen nie direkt, sondern immer nur mittel-
bar auf symptomatischer Ebene beobachtbar ist. Methodologisch finden sich in
der Stereotypenforschung im Wesentlichen drei Ansätze:
1. Mit Hilfe von Befragungstechniken (Fragebogen, Interviews) kann der Wis-
sensstand erfragt werden, entweder auf einer Metaebene (‚was glauben die
Befragten zu wissen‘) oder indirekt in Form von sachbezogenen Wissensfra-
8 Friedemann Vogel und Jia Wenjian
gen. Die Beiträge von Caja Thimm und Chen Zheng in diesem Band beruhen
teilweise auf dieser Methode. Befragungstechniken kämpfen in der Regel mit
verschiedenen Herausforderungen, die vor allem aus der Interaktion zwi-
schen Fragenden und Befragten heraus entstehen. Selbsteinschätzungen
von Probanden können mangels Reflexionsfähigkeit falsch oder unvollstän-
dig sein oder – noch problematischer – der Befragte kann sich so äußern,
wie er glaubt, dass er aus Höflichkeit, Eitelkeit oder allgemeiner Akzeptanz
antworten sollte (Soziale Erwünschtheit, vgl. Edwards 1957).
2. Ethnographische Studien versuchen häufig, von beobachtbaren Verhal-
tensmustern auf zugrundeliegende stereotypisierte Wissensrahmen rück-
zuschließen. Beobachtungsstudien erlauben, Selbsteinschätzungen von
Befragten zu eigenem Wissen und Verhalten mit deren tatsächlichem Ver-
halten in der Praxis zu kontrastieren. Bei ihrer Umsetzung – zum Beispiel in
Form teilnehmender Beobachtung – stellen sich jedoch ähnliche Schwierig-
keiten wie in Befragungssituationen infolge der körperlichen oder technisch
vermittelten (Kameras, Mikrofone usw.) Kopräsenz des Analysierenden (vgl.
exemplarisch Spranz-Fogasy und Deppermann 2001).
3. Qualitative, (philologisch-)hermeneutische Ansätze versuchen ebenso von
äußerlich wahrnehmbaren Zeichen auf zugrundeliegendes Wissen zu schlie-
ßen, bedienen sich jedoch vor allem medialen Repräsentationen von sozialer
Interaktion, d. h. schriftlichen Äußerungen in Texten, Fotographien, Comics,
ggf. Filmmaterial. Die theoretischen Fundierungen und praktische Operatio-
nalisierung dieses Grundansatzes, der auch den meisten hier versammelten
Beiträgen zugrunde liegt, differieren teilweise erheblich. Zu den etablierten
und häufigsten Ansätzen zählen die Inhaltsanalyse (vgl. insb. Früh 2011;
Mayring 2010; Merten 1995; Krippendorff 2009), die soziologische Wissens-
analyse (Keller 2008), die linguistische Diskursanalyse (Felder 2006; Warnke
2007; Warnke und Spitzmüller 2008; Vogel 2009) und die kritische Diskurs-
analyse (Jäger 2004; Fairclough und Wodak 1997). Eher jüngeren Datums
sind computergestützte, respektive korpuslinguistische Ansätze, die qualita-
tiv-hermeneutische Methoden um eine (semi-)automatische Auswertung von
großen Massendaten (große Textkorpora) und unter Einsatz von computer-
linguistischer Software ergänzen (etwa Baker 2006; Bubenhofer 2008; Vogel
2012 u. a.).
Das Bild Chinas im deutschsprachigen Raum 9
2 Für Unterstützung bei der Recherche danken wir Martin Jank und Kai Zwettler.
3 Zur medialen Repräsentation Chinas in anderen Ländern und Kulturen vgl. Assmann et al.
2008; mit Blick auf ‚den Westen‘: Spence 1998; Mackerras 1999; Zhang 2010 bzw. spezieller die
USA: Akhavan-Majid und Ramaprasad 2000; Stone und Xiao 2007; Wu 2010. Zum Bild Deutsch-
lands in chinesischen Medien vgl. Tang 1993; Huawei 2014.
4 Inhalts- und Diskursanalyse: Wilke und Achatzi 2011; Bürger et al. 2014; Huawei 2014; Willnat
und Luo 2011; Poerner 2009; Richter et al. 2010; Peuckmann 2010; Trampedach 1999; Bieber
2011; Befragungen und Experteninterviews: Bürger et al. 2014; Gerhard und Zubayr 2008; Hua-
wei 2014; Langer 2003; Peuckmann 2010; Historische Aktenanalyse und literaturwissenschaftli-
che Untersuchungen: Gollwitzer 1962; Franke 1962.
5 Zum Image Chinas während der Weimarer Republik vgl. Mende 1975, zum Image bei den Na-
tionalsozialisten vgl. Leutner 1986; zur Steuerung der Nachrichten über China (und Japan) im
dritten Reich vgl. Hübner 2012.
6 Zum Bild Chinas in der Vergangenheit: Umfassend: Franke 1962; Leutner 1986; Liu 2001; Zur
habituellen Stigmatisierung von Chinesen als gelbe Schlitzaugen und hinterhältige Lügner vgl.
Leutner 1986. China in der deutschen Literatur der Aufklärungszeit (vgl. Schuster 1977, 1988;
Berger 1990) und im frühen 20. Jhr. (Harth 1995); zur Wahrnehmung des Konfuzianismus vgl. Lee
2003. Methodisch nicht unproblematisch, aber inspirierend auch die Arbeit von Dawson 1967. Zu
den Spuren von China-Stereotypen in der deutschen Sprache früher und heute vgl. Sons 1996;
zum Schlagwort der „gelben Gefahr“ (Gollwitzer 1962).
10 Friedemann Vogel und Jia Wenjian
„dass etwas mehr als die Hälfte dieser Beiträge sich lediglich in allegorischer und stereo-
typisierender Form auf China bezieht. Das bedeutet, dass in einer Vielzahl von Medienbei-
trägen der Bezug Chinas zur jeweils postulierten Thematik nicht näher beleuchtet wird,
sondern bestimmte offensichtlich gesellschaftlich inhärente Vorstellungen und Klischees
über das Land unreflektiert kolportiert werden. Dabei prägen normativ abwertende Bilder
von China bspw. als ‚Unterstützer von Schurkenstaaten‘, als ‚Klimasünder‘, als ‚Billigpro-
duzent‘ oder als Land mit unbändigem ‚Rohstoffhunger‘ den Diskurs, obwohl insbesondere
im Wirtschaftsbereich auch scheinbar positiv besetzte Bilder vom ‚attraktiven Wachstums-
markt‘ und ‚interessanten Produktionsstandort‘ vorkommen. Insgesamt lässt sich hier aber
von einer fortlaufenden Verbreitung existierender Stereotypen durch die Medien sprechen,
die sich eher an gesellschaftlich verankerten Symbolen und Floskeln orientieren, statt ihre
eigentliche Aufgabe des Hinterfragens dieser Bilder wahrzunehmen.“ (Richter et al. 2010,
S. 10)
Zu einem ähnlichen Schluss kommt auch Poerner (2009c), den konkreten Ereig-
nissen vor Ort seien die Medienartikel nicht gerecht geworden. Auch wenn die
Schematisierung im Laufe der Olympischen Spiele 2008 nachgelassen habe,
bleibt die Berichterstattung überwiegend ablehnend. (Peuckmann 2010; vgl.
auch – eher kommentierend denn empirisch: Digel 2008)
„[Trotz] der diagnostizierten quantitativen Diversität der Themenfelder
herrscht eine auf Konflikte und Gewalt fokussierende Kernagenda in der China-
Berichterstattung vor.“ (Richter et al. 2010, S. 11)
8 Vgl. auch Frahne 1989 mit einer Fallanalyse zur Berichterstattung des Peking-Korresponden-
ten Herbert Kremp in den 70er und 80er Jahren; zu einer Kritik an deutschen „China-Experten“
vgl. Näth 1995.
9 Die Bedeutung des interkulturellen Kontaktes für die Entwicklung von Medien zeigt auch
Hetze (1989) (exemplarisch für das Bild Chinas).
12 Friedemann Vogel und Jia Wenjian
hat sich mit der Verbreitung der neuen chinesischen Literatur in Deutschland
und deren Einfluss auf die Entstehung des China-Bildes beschäftigt.
Drittens finden sich Studien über Kommunikationsstrategien zur effektiven
Gestaltung des China-Images, wobei Deutsche als Zielgruppe anvisiert werden.
Wang / Long / Jiang (2012) haben die Wahrnehmung und Akzeptanz der kultu-
rellen Soft Power Chinas in Deutschland quantitativ untersucht. Chen (2013) hat
sich mit der Rezeptionspsyche der Deutschen in der interkulturellen Kommuni-
kation auseinandergesetzt und entsprechende Kommunikationsstrategien vor-
geschlagen. Wu (2015) hat Methoden bei der Übersetzung chinesischsprachiger
Nachrichten ins Deutsche zusammengefasst.
Über die obigen Fachaufsätze hinaus sind zwei Forschungsarbeiten zu
würdigen. Zhou (2012) hat chinabezogene Berichterstattungen in „Der Spiegel“
(2000–2010) und „Die Zeit“ (2000–2010) erforscht. Diese von der Beijing Foreign
Studies University ausgezeichnete Dissertation ist insbesondere durch ihre solide
Datenbasis und reichhaltigen Erkenntnisse gekennzeichnet. Wang (2016) hat
eine Kombination von quantitativen und qualitativen Methoden angewendet und
das China-Bild in der deutschen Gesellschaft von verschiedenen Blickwinkeln
betrachtet.
„Im ganzen gesehen war im 19. und frühen 20. Jahrhundert im Abendlande die Bereitschaft
zum Verständnis Chinas noch erheblich geringer als in China die Bereitschaft zum Ver-
ständnis des Westens. Gestützt auf die durch bessere Kanonen gewährleistete Vorherrschaft
des Weißen Mannes in allen Ländern der Erde, sah dieser in der Regel keine Veranlassung
zu einer ernsthaften Beschäftigung mit den lediglich als Objekte kolonialer Ausbeutung
gewerteten Völkern Asiens.“ (Franke 1962, S. 120)
„Die hochmütige und überlegene Haltung des Abendlandes gegenüber China weicht seit
dem letzten Jahrzehnt [= 50er/60er Jahre] mehr und mehr einer weitgehend durch Furcht
und Haß charakterisierten Einstellung. Das Klischee vom kommunistischen, und daher
14 Friedemann Vogel und Jia Wenjian
2003 bis 2013. Theoretisch und methodisch zugrunde liegt eine Rahmenanalyse
(Frameanalyse), die mit einer kritischen Diskursanalyse (CDA) kombiniert wird.
Im vierten Teil des Bandes werden schließlich drei Studien zum Bild Chinas
in visuellen und audiovisuellen Medien dokumentiert.
Friedemann Vogel und Maximilian Haberer gehen mittels einer multimo-
dalen Imageanalyse der Schematisierung Chinas in deutschsprachiger Werbung
nach. Zu diesem Zweck werten sie rund 220 Werbemittel unterschiedlicher
Formate aus (Plakate, Produktverpackungen, TV-Spots, Radiobeiträge). Im Fokus
stehen zum einen die formseitigen Muster (z. B. die Farben gelb und rot; Mao-Sym-
bole; Abbildung von Stäbchen; Luftwirbel-Sounds), die von den Werbenden zur
„Komponierung“ chinesischer Stereotype herangezogen werden, zum anderen
die semantischen Attributfelder, die mittels dieser Formmuster konstituiert und
zum Zwecke der Werbung auf das Produkt übertragen werden (z. B. Exotik, tradi-
tionelle Gesundheitsmedizin usw.). Im Ergebnis zeigen sich vier wiederkehrende
China-Bilder deutschsprachiger Werbung, nämlich das ›traditionelle China‹, das
›moderne China‹, das ›fremd-exotische China‹ und das ›kulinarische China‹.
Monika Lehner untersucht graphisches Erzählen über China in Comics und
Graphic Novels. Diese kreieren ein breites Spektrum von China-Bildern zwischen
dokumentarischem Anspruch und exotischer Skurrilität. Sie verstärken dadurch
jeweils dominierende China-Bilder zwischen Exotik und ‚Gelber Gefahr‘, zwischen
Verniedlichung und Dämonisierung und nutzen dabei alle Genres graphischen
Erzählens. Wenngleich es im Wandel der Zeit unterschiedliche Interpretationen
gibt, so bleiben die zur Markierung von China und Chinesischem verwendeten
Symbole und Marker weitgehend unverändert. Für den mit der Geschichte Chinas
Vertrauten ergibt sich so eine zusätzliche Ebene, die dem breiten Publikum ver-
borgen bleibt. Die deutschsprachigen Comics und Graphic Novels sind überwie-
gend Übersetzungen, die mit mehr oder weniger großem zeitlichem Abstand zur
Erstveröffentlichung erschienen sind, sodass die darin transportierten Chinabil-
der mit dem aktuell dominierenden Bild nicht immer übereinstimmen.
Chen Zheng schließlich widmet sich in einer interkulturellen Analyse der
kommunikativen Wirkung chinesischer Image-Filme. Zu diesem Zweck wurde
einer deutschen und einer chinesischen Zielgruppe ein (staatlicher) chinesischer
Image-Film vorgeführt und im Anschluss narrative Interviews durchgeführt. Auf
Grundlage des Feedbacks erfolgte ein interkultureller Vergleich. Das Feedback
wird in erster Linie inhaltlich analysiert und zeigt, dass der nationale Charakter,
die kulturellen Standards usw. von Chinesen und Deutschen an verschiedenen
Stellen bestehen bleiben. Der Autor äußert die Hoffnung, dass aus dem Feedback,
welches auf jeweils unterschiedlicher deutscher und chinesischer Perspektive
beruht, konstruktive Anregungen für die Verbreitung chinesischer Image-Filme
Das Bild Chinas im deutschsprachigen Raum 19
6 Literaturverzeichnis
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Das Bild Chinas
in der deutschsprachigen Presse:
Überblicksanalysen
Caja Thimm
China im Spiegel der Printmedien –
Zwischen Verdammung und Überhöhung?
Medieninhalte und Expertenperspektiven zur Berichterstattung
in Deutschland
1 Einleitung
Nicht nur in Deutschland hat das Interesse an China in den letzten Jahren rasant
zugenommen – auch aus globaler Perspektive weckt das riesige Reich mit seinen
1,3 Milliarden Einwohnern vielfältige mediale Aufmerksamkeit.
Dabei ist die Haltung China gegenüber höchst polarisiert – während in
manchen Ländern China Hoffnungen weckt, schürt es durch seine wirtschaftliche
und politische Expansion anderen Ortes Befürchtungen und Ängste. So zeigt eine
Studie des renommierten amerikanischen PEW-Instituts, wie stark sich China
entweder kritischer oder positiver Wertung in der ganzen Welt ausgesetzt sieht
(PEW 2013). Dabei verdeutlicht diese Studie zum „Global Attitudes Project“ einen
hoch interessanten Befund. Für einige Länder auf dem südamerikanischen und
dem afrikanischen Kontinent ist China Hoffnungsträger, ganz anders dagegen in
Europa und den USA – hier ist das Image ausgesprochen ambivalent. Weder traut
man den Chinesen in Bezug auf ihre Verlässlichkeit, noch sieht man sie als fairen
Partner. Vielmehr herrscht Misstrauen und Sorge vor der als unkalkulierbar emp-
fundenen Supermacht.
Diese Einblicke geben wichtige Hinweise auf Einstellungen, Erwartungen
und Hoffnungen in Bezug auf andere Länder, diese wiederum können als starke
Treiber politischer Prozesse gelten (Kleinstäuber 1991, Wilke 1989). Ausgehend
von dieser Annahme erweist sich dann auch die Frage nach der medialen Präsenz
Chinas in den deutschen Medien als nicht nur wissenschaftlich-theoretisch inte-
ressante Fragestellung, sondern auch als politisch höchst relevant. Dabei ist
jedoch zu berücksichtigen, dass Forschung zur Berichterstattung über China
Anmerkung: Ich danke der „Bonner Akademie für Forschung und Lehre praktischer Politik
(BAPP)“ für die Unterstützung dieses Forschungsprojektes.
Thimm, Caja, Prof. Dr., Professorin für Medienwissenschaft und Intermedialität, Rheinische
Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Deutschland
DOI 10.1515/9783110544268-002
30 Caja Thimm
in deutschen Medien recht spärlich ist. Richter et al. stellen fest, dass „der For-
schungsstand zum China-Bild in deutschen Medien noch recht unterentwickelt”
(Richter und Gebauer al. 2010, 26) sei. Bisherige Studien beschäftigen sich vor-
nehmlich mit der Betrachtung zeitlich eng umrissener Ereignisse. Dies ist etwa
die Rückgabe Hongkongs an China, die Trampedach anhand einer Analyse exem-
plarischer Texte erforscht hat (Trampedach 2000). Ein Großteil der Analysen sind
allerdings „methodisch wenig ausgereift […]“ und reflektieren über das China-
bild „eher anhand einiger kursorisch ausgewählter Beispiele“ (Richter et al. 2010,
27). Einige Jahre nach der umfangreichen Studie der Heinrich Böll-Stiftung steigt
aber das Interesse in Wirtschaft und Gesellschaft am Verhältnis Deutschland/
China, zu nennen sind hier bspw. die Umfrage „Das Asienbild deutscher Eliten“
der Körber Stiftung oder die Huawei Studie „Deutschland und China – Wahr-
nehmung und Realität“. Dieses Interesse reflektiert die gewachsene Bedeutung
Chinas für Deutschland. Allerdings stellt sich umso deutlicher die Frage, wie
dieses Verhältnis im öffentlichen Diskurs gestaltet wird.
Diese Ausgangsbeobachtungen sind handlungsleitend für die hier darge-
stellten Studien. Im Mittelpunkt stehen diejenigen Bilder und Stereotype über
China, die in der deutschen Öffentlichkeit in ausgewählten Medien kommuni-
ziert werden und die von Chinakennern auf ihrem persönlichen Erfahrungs-
hintergrund kommentiert werden. Die Kombination dieser beiden Perspektiven
verdeutlicht, wie komplex sich Erwartungen und Einstellungen gestalten (zur
Gesamtstudie s. Thimm/Bürger/Kuhn 2014).
2.1 Themendistribution
Von den untersuchten Zeitungen berichten insgesamt F.A.Z.1, SZ, Welt und taz
am häufigsten über Themen mit dem Schwerpunkt China. Allein aufgrund ihres
täglichen Erscheinens liegt der Anteil der China-Berichterstattung in den Tages-
zeitungen naturgemäß wesentlich höher als bei den wöchentlich erscheinenden
untersuchten Medien. Im Vergleich zur Analyse von Richter und Gebauer (2012)
lässt sich feststellen, dass die Anzahl der Artikel, die einen starken Bezug zu
China aufweisen, in vielen Sachgebieten weit unter dem Prozentsatz von 2008
liegt – es lässt sich also auf den ersten Blick eher eine geringere Berichterstattung
im Jahresvergleich konstatieren:
1 Aus forschungsökonomischen Gründen wurde bei der F.A.Z. auf eine systematische Stichpro-
benziehung zurückgegriffen, denn für das gesamte Jahr wurden allein für die F.A.Z. insgesamt
5.067 Artikel mit Bezug zu China festgestellt. Für den Zeitraum Oktober bis Dezember 2012 wur-
den alle Artikel der F.A.Z. vollständig codiert. Um die Struktur der Beiträge abzubilden, wurden
mittels der Systematik einer künstlichen Woche 131 Artikel ausgewählt und codiert. Bei den üb-
rigen untersuchten Medien wurde jeweils eine Vollerhebung durchgeführt.
32 Caja Thimm
Tab. 1: Beiträge mit starkem und mit schwachem Bezug zu China (Einfachzuweisung)
In Bezug auf die Sachgebiete findet sich eine klare Ausrichtung: Wirtschaft &
Finanzen dominieren. Aber auch das Sachgebiet Kultur & Gesellschaft ist stark
vertreten. Der Anteil der Artikel, die sich im Schwerpunkt mit einem kulturellen
Thema beschäftigen, ist mit 24,7 Prozent, gemessen an der Gesamtzahl aller Bei-
träge, beachtlich. Deutlich wird bei der genaueren Betrachtung der kommuni-
zierten Inhalte, dass sich im Bereich Wirtschaft häufiger Bedrohungsszenarien in
Bezug auf China als Konkurrent finden, während kulturelle Themen eher positiv
konnotiert sind. So macht die Solarindustrie „für ihre Misere vor allem die chine-
sische Konkurrenz verantwortlich“2. Nach der Solarindustrie wird nun auch die
Windenergiebranche als bedroht diskutiert: „Billig-Konkurrenz aus China wird
stärker: Droht bald ein Absturz wie in der Solarindustrie?“3
Der Bereich Innenpolitik ist ebenfalls von hoher Relevanz. Hier werden häufig
westliche Vorstellungen von Demokratie als Vergleichsfläche herangezogen und
Krisenszenarien geschildert. So wird in der SZ kritisch über die Zensur und das
chinesische Mediensystem berichtet: „Der Kampf gegen die Korruption ist mit
diesem System nicht zu gewinnen. Dazu bräuchte es unabhängige Medien und
eine unabhängige Justiz. Also nicht weniger als eine neue KP.“4
Mit 162 Artikeln ist das Gebiet Internationales das am drittstärksten im Unter-
suchungszeitraum vertretene. SZ (40,1 %), taz (23,5 %), Welt und F.A.Z. berichten
Bei der genaueren Analyse der Inhalte im Hinblick auf die kommunizierten Bewer-
tungen fällt auf, dass die am häufigsten vergebene Wertung null, also neutral ist:
Fast dreiviertel aller Artikel wurden während der Auswertung als neutral gewich-
tet. Im negativ/kritischen Bereich, also entweder mit -1 oder -2 bewertet, wurden
insgesamt nicht ganz 25 Prozent. Dagegen war jedoch die Anzahl der Artikel, die
mit einer klar positiven Wertung versehen waren, deutlich geringer. Denn als 1
(positiv) oder 2 (sehr positiv) wurden lediglich 9 Prozent eingestuft. Betrachtet
man die Wertungen genauer, so verschiebt sich das Bild jedoch. Je mehr Artikel
zu einem Thema vorhanden sind, desto differenzierter fällt die Bewertung letzt-
lich aus. Zu beobachten ist dies in der Kategorie Innenpolitik: Von knapp 230 Arti-
keln zu diesem Themenblock sind zusammen 78 Artikel mit -1 oder -2 bewertet,
145 neutral und nur sechs im Bereich zwischen 1 und 2. Eine Ausnahme stellt
Wirtschaft & Finanzen dar. Obwohl es die Kategorie mit den meisten Artikeln ist,
überwiegt die Anzahl neutraler bis positiv wertender Artikel: Von 330 Artikeln
fallen 81 Prozent unter die Wertung neutral, elf Prozent in den negativen und
sieben Prozent in den positiven Bereich. Es wird an dieser Kategorie deutlich, wie
positiv die wirtschaftliche Entwicklung Chinas im Jahr 2012 eingeschätzt wurde.
Einige Themenkomplexe, die aus westlicher Sicht weniger kritisch gesehen
werden (wie Kunst & Architektur, Reisen & Tourismus und Sport) sind fast aus-
schließlich neutral bis positiv formuliert. Auch Bildung, Wissenschaft & Technik
tendiert eher zu positiven Wertungen und würdigt Chinas Errungenschaften in
diesen Sektoren. Gesellschaftspolitisch eher kritisch rezipierte Themen wie Sozi-
ales, Militär, Rüstung &Verteidigung und Tibet hingegen befinden sich im Bereich
neutral bis negativ. Umwelt & Gesundheit steht ebenfalls häufig in der Kritik. Ver-
gleicht man die Bewertungen der untersuchten Themenkomplexe, dann genie-
ßen vor allem Themen aus dem Bereich Wirtschaft & Finanzen einen eher neutral
bis positiven Tenor.
36 Caja Thimm
Das Sachgebiet Kultur & Gesellschaft rangiert weit oben in der Statistik,
sowohl in Bezug auf die Artikelmenge als auch auf die Bewertungsstrukturen.
Mit insgesamt 108 Beiträgen liegt es nur knapp hinter dem Gebiet Soziales. Die
Themenkomplexe in diesem Sachgebiet sind vielfältig und reichen von der Inter-
netzensur durch die Regierung über den Literaturnobelpreis und die Frankfurter
Buchmesse bis hin zu Film,- Musik- und Konzertrezensionen.
Einen zusammenfassenden Überblick über die Wertung der Sachgebiete gibt
die nachstehende Tabelle:
Es wird schon allein an der Menge der Artikel ersichtlich, dass das Thema China
längst einen festen Platz in der deutschen Medienberichterstattung innehat.
Allem voran ist der Themenkomplex rund um die wirtschaftliche Bedeutung
Chinas in den untersuchten Medien führend, aber auch die Beziehungen zu
anderen Staaten und das politische Personal werden von den Medien aufmerk-
sam beobachtet und kommentiert. Andererseits werden langfristig existente
Themen wie der Tibetkonflikt aus den Zeitungen verdrängt und erfahren weniger
Aufmerksamkeit. Waren die Olympischen Spiele 2008 noch ein Anlass für die
Berichterstattung über soziale Unruhen und Zensur, so spielen diese Themen
nun eine deutlich geringere Rolle. Allerdings rückten soziale Themen innerhalb
der letzten Jahre auch immer wieder aufgrund von Berichten über die Arbeitsbe-
China im Spiegel der Printmedien – Zwischen Verdammung und Überhöhung? 37
rutiert werden. Die meisten Teilnehmer befinden sich in der Altersgruppe 31–50
Jahre (47%). Die Zugehörigkeit zu den vier Gruppen war relativ gleichmäßig ver-
teilt: 26 Experten ordneten sich der Interessen-/Beschäftigungsgruppe Politik zu,
27 der Gruppe Wirtschaft. Den Gruppen Kultur und Wissenschaft ordneten sich
jeweils 25 Experten zu.
3.1 Assoziationen zu China
Insgesamt wird die Rolle der Medien in Bezug auf das Chinabild in Deutschland
als sehr hoch bewertet. In allen vier Gruppen stimmte jeweils die Mehrzahl der
Experten und Expertinnen der Aussage „Die Medienberichte beeinflussen unsere
Einstellung“ zu. Die größte Zustimmung kam dabei aus den Gruppen der Poli-
tiker mit 96% bzw. der Gruppe der Wissenschaftler mit 91,7% Zustimmung. Der
Aussage „Die deutschen Medien berichten vielseitig, sodass man sich seine
eigene Meinung [in Bezug auf China] bilden kann“ konnten die Befragten nur
teilweise bzw. überhaupt nicht zustimmen. Am wenigsten Zustimmung kam hier
aus der Gruppe der Politiker, in welcher 40% mit „trifft eher nicht zu“ bzw. „trifft
gar nicht zu“ antworteten.
Im Gegenzug waren sich die Teilnehmer in allen Gruppen mehrheitlich einig,
dass in den Medien besser und ausführlicher über China berichtet werden müsse.
Tab. 3: Einschätzung der Wichtigkeit der Medien für das Chinabild durch die Experten
Die Experten äußerten sich in vielen Fällen sogar ausgesprochen kritisch gegen-
über der deutschen Berichterstattung zu China. Diese Kritik kam auch in den
freien Aussagen explizit zum Ausdruck:
„Die Vielseitigkeit in China wird kaum in Deutschland wahrgenommen. Über Themen, wie
Wanderarbeiter wird nur schlecht berichtet, nicht differenziert […] Sowas wollen die Deut-
schen nicht hören, weil die sowieso schon ihre Meinung darüber gebildet haben.“ (Experte
Nr. 9)
Auch die konfliktorientierte Kernagenda der Medien wurde an vielen Stellen kri-
tisiert:
„Die meisten Touristen sind begeistert von China und kommen in der Regel wieder, aber in
den Medien sieht das anders aus, man wartet immer darauf, dass was schief geht. Immer
40 Caja Thimm
wenn was Schlimmes passiert, lese ich aus den Zeitungen so eine gewisse Häme heraus,
„Wir haben ja gesagt, dass das nicht gut gehen kann“. Das ist aber kein chinaspezifisches
Problem, das ist ein medienspezifisches Problem.“ (Experte Nr. 22)
Besonders wurde dabei von einigen Befragten auf die Häufung von Stereotypen
in der Berichterstattung hingewiesen.
„Die deutschen Journalisten, die ich in China kenne, die beklagen sich, dass wenn sie
positive Geschichten schreiben, es viel schwerer ist. Allgemein ist es so, dass wir schlechte
Nachrichten stärker wahrnehmen, als die guten Nachrichten und die Erfolgsstories.“
(Experte Nr. 1)
„Die Deutschen tun sich grundsätzlich sehr schwer, was die Berichterstattung über große
Länder angeht. China ist mehr als Peking und Shanghai. Vielfalt entgeht der Medienbericht-
erstattung komplett. Stereotypen überwiegen. In China werden unter schlechten Bedingun-
gen Waren hergestellt, die Machthaber interessieren sich nicht für ihr Volk usw. Die ganze
positive Dynamik der Menschen, die dort sind, auf allen Ebenen, wird völlig ausgeblendet.
Das wird nicht verstanden, das will man auch nicht verstehen, weil es dem Stereotyp nicht
entspricht. Der ganze Fortschritt, der sich in den letzten 30 Jahren entwickelt hat, findet
sich in den deutschen Medien kaum wieder.“ (Experte Nr. 22)
„In China arbeiten weniger als 15 akkreditierte Journalisten/zeitweise weniger als 10.
Alleine in New York sind derzeit über 70 Journalisten für deutsche Medien tätig. Unser
China-Medien-Bild wird aus zu wenigen Quellen gespeist.“ (Experte Nr. 12)
China im Spiegel der Printmedien – Zwischen Verdammung und Überhöhung? 41
Ein anderer Experte sieht das Problem einerseits in der zu geringen Relevanz, die
dem Thema China beigemessen wird, andererseits aber auch in der wenig infor-
mativen Berichterstattung der Printmedien:
„Ich glaube, Zeitungsleser sagen sich mittlerweile, diesen Kram, den ich aus der Zeitung
kriege, den brauch ich eigentlich nicht, das bestätigt mein Bild, wenn ich mehr will, gehe
ich sowieso ins Internet. […] China ist eben auch für die meisten Deutschen gar kein Thema,
das ist ein Riesending weit weg. Wenn man sich schon kaum über Italien und Frankreich
informieren kann, wieso sollte man sich dann über China informieren?“ (Experte Nr. 22)
„Die deutschen Medien berichten einseitig, sie haben eine sehr begrenzte Auswahl an
Themen. China ist groß und hat viele relevante Ereignisse und Trends zu verzeichnen, […]
von denen der Großteil nicht berücksichtigt wird. Man hat den Eindruck, dass nur eine
negative China-Berichterstattung eine gute China-Berichterstattung ist. Ich hab manch-
mal den Eindruck, dass größere internationale Medien eine breitere Fächerung an Themen
bieten.“ (Experte Nr. 50)
Das eher negative Bild Chinas in der deutschen Presse wird von den Befragten
einerseits mit Chinas gestiegenem Einfluss und andererseits mit der allgemeinen
Mentalität der Deutschen erklärt:
„Es hat auch mit der Politik zu tun. Früher war China noch ein Land, das sich positiv gezeigt
hat, es war einfach noch nicht so mächtig. Heute wird China als übermächtig angesehen
und deshalb wird es anders bewertet und kritischer beäugt. Die Menschenrechtsverlet-
zungen waren früher vielleicht viel schlimmer als sie es heute sind. […] China wird heute
negativer betrachtet, als in den letzten 30 Jahren. Früher hat man den Chinesen allgemein
einen Bonus entgegengebracht, z. B. „Die arbeiten hart“, „Die sind fleißig“ usw. Heute ist
das quasi umgekehrt, heute heißt das, „Die nehmen unsere Arbeitsplätze weg“, „Die klauen
unsere Technologie“, es sind überwiegend negative Stereotype. Wenn ich mit chinesischen
Kadern spreche, sind die total entsetzt, wie negativ über China in Deutschland berichtet
wird.“ (Experte Nr. 1)
42 Caja Thimm
Allerdings gab es auch einige Experten, die grundsätzlich mit der China-Bericht-
erstattung zufrieden waren:
„Das aus den deutschen Medien zu entnehmende Bild Chinas ist in der Regel differenziert,
hoch seriös recherchiert und beruht auf sehr guten Kenntnissen der Korrespondenten
(Sprache, Kultur) vor Ort. Ein Medienbashing ist nicht angebracht.“ (Experte Nr. 25)
„Eigentlich sind die deutschen Medien nicht so schlecht. Die deutschen Medien haben
natürlich auch immer den Auftrag, ihre Produkte zu verkaufen, die müssen gewisse Stereo-
type bedienen. Und das führt dazu, dass sie Dinge des Alltages oder Dinge, die im deutsch-
chinesischen Verhältnis eigentlich wichtig wären, ausblenden. Zum Teil liegt das in der
Natur der Medien, nur schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten. […] Der Alltag und
das, was in China abläuft, bleiben außen vor. Das kann man den deutschen Medien aber
wirklich nur zu einem geringen Teil vorwerfen, das ist einfach in der Logik von Medien
verwurzelt.“ (Experte Nr. 23).
„Aber: das Niveau ist hoch bei deutschen China-Korrespondenten, der Großteil berichtet
sehr differenziert mit hohem Standard. Fehler in der Berichterstattung kommen häufig eher
aus den Redaktionen“ (Experte Nr. 39)
Um China besser einschätzen zu können, betont eine Vielzahl von Experten die
Wichtigkeit von Erfahrungen aus erster Hand:
„Die Diskrepanz zwischen dem, was in Deutschland bekannt ist und dem was in China
passiert, ist extrem groß. Meiner Erfahrung nach ändert ein China-Aufenthalt, auch wenn er
nur von kurzer Dauer ist, die Perspektive um 180 Grad. Den meisten Leuten fehlt der direkte
Kontakt. Und wenn der direkte Kontakt da ist, dann ist die Offenheit viel größer, die Leute
sind wesentlich positiver und wesentlich unvoreingenommener.“ (Experte Nr. 50)
Die Mehrzahl der Experten betonte allerdings, dass es allgemein schwierig sei,
China auf Grund seiner Vielfalt und Größe richtig einzuschätzen. Dies sei selbst
für Ausländer, die dort schon einige Zeit gelebt haben, schwierig.
„Man sollte ein stärkeres Bewusstsein dafür entwickeln, dass man China nur in Teilaspek-
ten begreifen kann, niemals als Ganzes. Dafür ist das Land zu groß und zu differenziert.
Man sollte Berichte mehr in Relationen setzen und ein Gefühl dafür vermitteln, dass es sich
bei dem Land nicht um einen festen Monolithen, sondern um eine Vielzahl völlig unter-
schiedlicher Provinzen handelt, die ihre spezifischen Eigenheiten haben. Zentrale Vor-
schriften werden auf lokaler Ebene den Umständen entsprechend interpretiert und umge-
setzt. Zum Guten und zum Schlechten. Dieses Gefühl der Komplexität lässt es erst zu, dass
China im Spiegel der Printmedien – Zwischen Verdammung und Überhöhung? 43
man Informationen in den richtigen Kontext setzen kann und nicht ein Land mit der Größe
eines Kontinents auf einzelne Faktoren reduziert.“ (Experte Nr. 44)
„Auf jeden Fall beklagen sich die Kader aus der KP Westeuropa über deutsche Medien,
besonders den Spiegel. Die bemühen sich auch, Einfluss zu nehmen, aber das machen die
nicht clever genug. Also das China-Image nehmen die ernst, wenn man den Brandname
China verkaufen will und dann vielleicht denkt, nachher werden unsere Produkte negativ
vom Markt auf Grund dieses schlechten allgemeinen China-Images behandelt werden, wäre
das mittel- und langfristig furchtbar.“ (Experte Nr. 1)
Wichtig war vielen Experten auch, die Berichterstattung in ihrer Rolle zu relati-
vieren und auf die Vergleichbarkeit mit anderen Länderberichten hinzuweisen:
„Auf der anderen Seite sollten die Chinesen ein bisschen Gelassenheit entwickeln in Bezug
auf Themen, mit denen man sich einfach auseinandersetzen muss. Das geht nicht mehr,
dass man sagt, das passt uns nicht und deswegen gibt es das nicht. Die Chinesen haben viel
getan, sind aber in der Beziehung unglaublich sensibel.“ (Experte Nr. 32)
Politisch gesehen wird China eher ambivalent eingeschätzt. Der Aussage „China
ist eine Großmacht“ stimmte die Mehrzahl der Befragten zu. Am meisten Zustim-
mung kam dabei aus der Gruppe der Wirtschaft. Die geringste Zustimmung aus
der Gruppe der Wissenschaftsvertreter. Ein Experte äußerte sich allerdings sehr
euphorisch, was Chinas wirtschaftliches Bild in der Welt angeht:
„Die Zeiten sind vorbei, wo China Plagiate hervorbrachte und billig produzierte. China wird
die wirtschaftliche Supermacht des 21. Jahrhunderts sein. Die Zeit der „Schande“ ist vorbei,
die letzten 400 Jahre werden ein kurzes Intermezzo der Schande sein, das Reich der Mitte
kehrt zurück in die Mitte“ (Experte Nr. 61)
Ein etwas schwächeres Bild zeigte sich bei der Aussage „China sieht sich als den
USA ebenbürtig“. Auch dieser Aussage stimmte jedoch ein Großteil der Exper-
ten grundsätzlich zu. Ein Fünftel aller Befragten aus der Wissenschaftsgruppe
44 Caja Thimm
konnte dieser Aussage allerdings nicht zustimmen, auch eine geringe Anzahl von
Experten aus der Wirtschaftsgruppe stimmte dieser Aussage nicht zu.
In den geschlossenen Fragen des Fragebogens zeigte sich außerdem beson-
ders, wie die chinesische Kultur wahrgenommen wird. So stimmte die Mehrzahl
der Befragten der Aussage „Die Chinesen sind stolz auf ihre Jahrtausende alte
Kultur“ vollständig zu. Die größte Zustimmung kam hier aus den Gruppen Wirt-
schaft und Kultur. Am wenigsten Zustimmung kam aus der Gruppe der Wissen-
schaft.
Tab. 4: Experteneinschätzung zum Thema „Chinesen sind stolz auf ihre Tradition“ (n= 67)
Zwar wird der alten Kultur Chinas und deren Stellenwert unter Chinesen durch-
aus Anerkennung gezollt, dennoch scheint Chinas aktuelle Kulturszene in
Deutschland nur wenig bedeutsam zu sein. Der Aussage im Fragebogen „Aus
China kommen viele erfolgreiche Künstler“ konnten die meisten Befragten nur
teilweise zustimmen. Am wenigsten Zustimmung kam hier aus der Gruppe der
Kulturvertreter. Auch die meisten Befragten aus der Gruppe der Wirtschaftsver-
treter konnten dieser Aussage kaum bis gar nicht zustimmen, aus dieser Gruppe
wurde auch besonders häufig mit „weiß nicht“ geantwortet.
Ein noch klareres Bild zeigte sich bei den Themenbereichen von Ökologie
und Menschenrechten. Der Aussage „Chinas Wirtschaftswachstum geht auf
Kosten der Umwelt“ stimmte die überwiegende Mehrheit der Experten zu. Aller-
dings antworteten immerhin knapp 8% der Teilnehmer mit „trifft überhaupt
nicht zu“. Auch die Aussage „China missachtet Menschenrechte“ wurde vom
Großteil der Teilnehmer unterstützt. Auch hier wurde nur einmal mit „trifft eher
nicht zu“ geantwortet. Die größte Zustimmung kam aus den Gruppen Politik und
Wirtschaft. Zu der Lage der Menschenrechte in China herrschte allerdings auch
Uneinigkeit unter den Experten. So wurde auch Deutschlands Rolle in diesem
Konflikt kritisiert:
„[…] China ist viel mehr als seine Regierung. Vor der Normalbevölkerung habe ich den
allergrößten Respekt. Mich nervt der Hype um Liao Yiwu, Ai Weiwei etc. zur allgemeinen
Beruhigung des deutschen schlechten Gewissens und die wissen gar nicht, dass sie instru-
mentalisiert werden!“ (Experte Nr. 35)
„Dieser Bürgerrechtler ist dort geschunden worden, da geht’s den Menschen schlecht, da
werden Wirtschaftsbeziehungen gepflegt, obwohl die Menschenrechte nicht eingehalten
werden und dann reist Politiker xy da hin und sagt garantiert, ich hab auch die Menschen-
rechte angesprochen’. Da werden all die Dinge abgeliefert, die der deutsche Zeitungsleser
auch haben will.“ (Experte Nr. 22)
So sei die Lage für den Durchschnittschinesen auch entspannter, als es die west-
lichen Medien darstellten:
„[D]a geht man davon aus, es gibt eine Einparteienherrschaft, überall steht die Geheimpoli-
zei, man kann nichts sagen und das Internet ist zensiert. Da vergisst man einfach, dass die
Mehrheit der Chinesen genau wie die Mehrheit der Deutschen nur ins Internet schaut um zu
wissen, wie sie von A nach B kommt, wenn sie sich neue Kleider kaufen wollen oder wissen
wollen wie das Urlaubswetter wird.“
4 Fazit
Im Mittelpunkt unserer Untersuchungen standen verschiedene Ansätze zur
Sichtbarmachung von Images, Einstellungen und Stereotypen über China in der
deutschen Medienöffentlichkeit und ausgewählten Bevölkerungsgruppen. Dabei
wurden medien- und rezeptionsanalytische Ansätze kombiniert, um eine mög-
lichst facettenreiche Perspektive zu den jeweiligen Konzepten zu erhalten. Dieser
46 Caja Thimm
5 Literaturverzeichnis
Kleinsteuber, Hans. „Stereotype, Images und Vorurteile – Die Bilder in den Köpfen der
Menschen“. Die häßlichen Deutschen: Deutschland im Spiegel der westlichen
und östlichen Nachbarn. Hg. Günter Trautmann. Darmstadt: Wissenschaftliche
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Wilke, Jürgen. „Imagebildung durch Massenmedien. In: Bundeszentrale für politische Bildung“.
Völker und Nationen im Spiegel der Medien. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung,
1989. 11–22.
Friedemann Vogel
Linguistische Imageanalyse Chinas
Theoretisch-methodische Grundlagen und exemplarische
Analyse
„Öffentliche Medienimages sind Teil global-diskursiver Ereignisse, die sich in Form typi-
scher, d. h. wiederkehrender, ko(n)textsensitiver Sprachmuster manifestieren und damit
ausdrucksseitige Vorlagen für spezifische Standardwerte in Frames bzw. Stereotypen bereit-
stellen.“ (Vogel 2010a, S. 350)
Der Begriff des Medienimages dient allein heuristischen Zwecken und bezieht
sich auf transtextuelle, sich auf ein- und denselben Sachverhalt beziehende,
sprachliche Muster in Massendaten als Indizien für diskursiv wirksame Denk-
schemata. Anders formuliert: Wenn vielfältige Medien (Zeitungen, Zeitschrif-
ten, Online-Blogs usw.) in ähnlicher, teilweise identischer Form (Formmuster:
bedeutungsverwandte Substantive, Adjektive, Adverbien, Mehrworteinheiten
usw.) über einen gewissen Zeitraum und hochfrequent über einen Sachverhalt
berichten, entwickelt sich über die Einzeltexte hinweg eine mehr oder weniger
1 Siehe hierzu den einleitenden Beitrag von Jia Wenjian und Friedemann Vogel in diesem Band.
Vogel, Friedemann, Prof. Dr., Juniorprofessor für Medienlinguistik, Institut für Medienkulturwis-
senschaft, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Deutschland
DOI 10.1515/9783110544268-003
Linguistische Imageanalyse Chinas 49
2 Besonders eignet sich hierfür die frei zugängliche und empirisch fundierte Kookkurrenzdaten-
bank am Institut für Deutsche Sprache in Mannheim, entwickelt von Cyril Belica (Belica 2008;
Keibel und Belica 2007; http://corpora.ids-mannheim.de/ccdb/, 17.02.2016).
Linguistische Imageanalyse Chinas 51
2 Das CDI-Korpus
Dem CDI-Projektteam – und auch der nachfolgenden Überblicksanalyse – liegt
ein gemeinsames Kern-Textkorpus zugrunde, bestehend aus insg. 238.595 Texten
(d. h. 155,43 Mio. Token) von 15 verschiedenen deutschsprachigen Print- und
Onlinemedien (überwiegend aus Deutschland, einzelne aus Österreich und der
Schweiz). Bei der Auswahl der Medien wurde darauf geachtet, sowohl domänen-
übergreifende als auch ausgewählte domänenspezifische (Wirtschaft, Autoin-
dustrie), sowohl überregionale als auch regionale sowie Tages- und Wochenzei-
tungen zu berücksichtigen. Das zeitliche Intervall umfasst sämtliche Texte, die
zwischen dem 01.01.2000 und dem 31.12.2013 erschienen sind und mindestens
einmal einen Ausdruck der Minimalhypothese enthalten.
Medium Datenbankvorrat
Focus-Money Ab 30.03.2000
Impulse Ab 01.01.19984
Tabelle 1: (fortgesetzt)
Medium Datenbankvorrat
Stern Ab 08.01.1998
Wirtschaftsblatt Ab 05.01.1996
Die Texte entstammen der Datenbank LexisNexis5 und wurden mithilfe des Tree-
Taggers (Schmid 1994) sowie dem Tool „Corpustransfer“6 Part-of-Speech anno-
tiert sowie lemmatisiert. Die Wortart-Annotation erlaubt selektive Filterungen,
etwa Analysen ausschließlich mit Fokus auf Autosemantika.
7 Das heißt, Texte, die ausschließlich einen falsch-positiven Ausdruck, aber keinen der Ausdrü-
cke der Positiv-Liste enthielten, wurden aus dem Korpus getilgt.
8 Friedemann Vogel, http://friedemann-vogel.de/index.php/software/33-kleine-helfer-fuer-den-
alltag, 17.02.2016.
56 Friedemann Vogel
Einen ersten Eindruck über die Existenz und Beschaffenheit von stereotypen
Schemata zu ›China‹ und ›Chinesen‹ in deutschsprachiger Presse bietet die
Auswertung all jener Belege, in denen sich Textautoren metadiskursiv über das
Bestehen von Stereotypen, Vorurteilen oder Klischees äußern. Zu diesem Zweck
wurden mit der entsprechenden Suchanfrage (formuliert als regulärer Ausdruck)
((China|[Cc]hines).{1,100}([Kk]lischee|[Ss]tereotyp|[Vv]orurteil)) |(([Kk]lischee|[Ss]tereotyp|
[Vv]orurteil).{1,100}(China|[Cc]hines))
insgesamt 511 Belege erfasst und nach Domänen bzw. Objekten und den ihnen
zugeschriebenen Attributen sortiert. Für die Auswertung ist dabei irrelevant, ob
die Existenz eines Vorurteils bejaht oder verneint oder gar widerlegt wird. Die
Tatsache, dass ein mögliches Stereotyp angenommen wird, ist entscheidend ins-
besondere im Kontext eines massenmedialen, adressatenorientierten und damit
auch Stereotype reproduzierenden Journalismus.
Ein Großteil der Belege konstatiert Stereotype in der Domäne der ›Kultur‹,
insbesondere zu ‚chinesischen‘ Nahrungsmitteln und Nahrungsaufnahme, aber
auch zu Kunst, Erziehung, typischen Kulturartefakten und Medizin. Die Belege
zeugen überwiegend von der Annahme einer distanzierten, befremdeten und
ablehnenden Rezipientenhaltung, wenn es um vermeintlich typisch ‚chinesi-
sche‘ seltsame Lebensmittel (sehr oft: Hundefleisch, Katzen- und Rattenfleisch,
Glutamat, Schwalbennester u. ä.) und Essenskultur (Spucken, Schlürfen) geht.
Prototypisch gelten auch Lebensmittel wie Glückskekse, Frühlingsrolle, Ente süß-
sauer, Chinakohl. Zuweilen scheinen bestimmte Lebensmittel sozial stigmatisiert
zu sein, etwa von Superreiche[n], die teure Bordeauxweine angeblich gleich contai-
nerweise horten. Vorurteile werden auch konstatiert hinsichtlich überehrgeiziger
Erziehungs- und Bildungspraktiken (Drill, Abrichtung, Ganztagesbeschäftigung
für Kinder) sowie komplementär chinesischen Wunderkindern (v. a. in Instrumen-
talbeherrschung), exotischer Kunst (Verklärung der ewigen Schönheit der Natur;
der typische chinesische Künstler sei Maler, männlich und aus Peking; chinesi-
sches Feuerwerk als Klischee asiatischer Kultur schlechthin) und einseitiger, auch
personalisierter Filmkultur (v. a. Kung-Fu, Jackie Chan). Als typische Gegenstände
chinesischer Kultur gelten: Roter Lampion, Stäbchen, Seidenfächer, winkende
Linguistische Imageanalyse Chinas 57
3.2 Eigenschaftszuschreibungen (Prädikationen):
China|Chinesen sind X
Prädikationen ermöglichen die expliziteste Form der Eigenschaftszuschreibung.
Für deren statistische Auswertung wurden die ersten 1000 hochsignifikanten (t
≥ 2,3)9 Kookkurrenzen im Intervall von bis zu fünf Wörtern rechts des Suchaus-
drucks [Cc]hina|[Cc]hines sein [= Lemmata] erhoben und durch Prüfung der damit
verbundenen Einzel-Kotexte (via Konkordanzen) kategorisiert. Zu unterscheiden
sind tendenziell positiv, negativ und wertneutral konnotierende (bzw. auch deno-
tierende) Prädikationen.
Nr. Ausdruck (KKP) t-score f / 10.000 Nr. Ausdruck (KKP) t-score f / 10.000
Neben Orten rufen zahlreiche Kookkurrenzen bestimmte Akteure auf, die eine
domänenübergreifende Rolle spielen: Volk, Bevölkerung und Bürger pauschali-
sieren bzw. generalisieren akteursbezogene Eigenschaftszuschreibungen. Das
Thema chinesische Kinder wird presseseitig in zahlreichen Kontexten als ‚Pro-
blemfeld‘ bearbeitet (insb. Ein-Kind-Politik, Erziehungsmethoden), wobei das
weibliche Geschlecht (Mädchen – ‚stigmatisiert, oft abgetrieben‘, Frauen und
Mütter – ‚Emanzipation‘ und ‚Erziehung‘; Männer, Jungen oder Väter spielen
statistisch hier keine Rolle!) oft im Fokus steht. Das gleiche gilt generell für den
hervorgehobenen gesellschaftlichen Status von Familie und Eltern. Die übrigen
Linguistische Imageanalyse Chinas 63
11 An dieser Stelle sei dabei noch einmal betont: Die Tatsache, dass bestimmte Kookkurrenzen
und Themen hier nicht genannt oder berücksichtigt wurden, heißt nicht, dass sie in der China-
Berichterstattung nicht existieren oder keine Rolle spielen würden. Sie zählen am Maßstab des
gesetzten Signifikanzniveaus aber im statistischen Sinne nicht zu den TOP-Themen.
12 Die Verwendung des Modalverbs müssen erlaubt prinzipiell an dieser Stelle zwei sich ergän-
zende Lesarten: Zum einen kann der Autor damit eine Erwartungshaltung an China/Chinesen
für zukünftige Handlungen formulieren (China muss viel mehr Produkte selbst entwickeln); zum
anderen kann eine zurückliegende, China/Chinesen zugeschriebene Handlung autorseitig als
64 Friedemann Vogel
‚notwendig‘ und ,zu erwartend‘, ggf. sogar als ‚alternativlos‘ markiert werden. Beide Lesarten
sollen an dieser Stelle erfasst werden.
Linguistische Imageanalyse Chinas 65
13 Den Kontext von Forderungen gegenüber mehr Distanz zum Iran bilden vor allem wirtschaft-
liche Investitionen und Fördermaßnahmen Chinas (etwa auf dem Feld der Atomenergie).
66 Friedemann Vogel
bei der ‚wahrheitsgetreuen‘ Gestaltung von Lehrbüchern (in denen etwa die
chinesische Mauer größer gemacht werde als sie in Wirklichkeit sei).
›Das ‚typische‘ China ist groß und anders (exotisch-fremd). China ist das Land der Superla-
tive: Menschenmassen, überdimensionale Regionen und Megastädte, gigantisches ökono-
misches Wachstum, attraktivstes Produktions- und Niedriglohnland, schnellster Fortschritt
und Aufbau. Es führt eine problematische Innenpolitik, die Menschen immerfort in Wissen
und Handeln kontrollierend, jegliche Kritik im Keim erdrückend, kurz: totalitär, kommunis-
tisch, unwestlich. Der chinesische Staat und seine reicher werdenden Eliten sind korrupt;
sie unterwerfen Umwelt, Mensch, Natur und fremdes Gedankengut (Ideen) dem Primat
des eigenen Wachstums. China ist der größte Umweltverschmutzer der Welt, unbelehrbar.
Zugleich wandelt sich China in den letzten Jahren, ist kapitalistisches Schwellenland, hält
sich aber (noch) nicht an internationale Spielregeln hinsichtlich Handelsbeschränkungen
und Geldpolitik. Es ist zunehmend wichtiger Handelspartner (für Deutschland und Europa),
Investitionsmarkt der Zukunft. China giert ökonomisch und politisch nach Weltmacht, ist
Konkurrent gegenüber USA und Europa; man muss es sorgfältig im Auge behalten. Seine
Waren sind mangelnder Qualität; China entwickelt aber zunehmend eigene, innovative
Technologien (insb. im IT-, Automobil- und Energiesektor). China verfügt als altes Reich
Linguistische Imageanalyse Chinas 67
über eine lange Geschichte, Kultur und Medizin. Zur Kultur Chinas zählen spezifische Arte-
fakte [die hier nicht erneut aufgezählt werden, vgl. 2.3].‹
›Der ‚typische‘ Chinese ist klein, sprachlich [aus deutscher Perspektive] sprachgehandicapt,
gelbhäutig und schlitzäugig. Er pflegt eine seltsame Essenskultur (ungewöhnliche Nah-
rungsmittel – außer Ente süß-sauer, Chinanudeln und Glückskekse – und Essensgewohnhei-
ten) und äußerst strenge, nicht kindgerechte Erziehungsmethoden. Er ist sehr höflich und
zurückhaltend, bescheiden und dem Kollektiv schicksalhaft ergeben, nicht durchschaubar
(geheimnisvoll oder verschlagen, schlitzäugig), stolz. Er verfügt über besondere, tradierte
Kenntnisse im Bereich der Kampfkunst und der Medizin, er trinkt viel Tee. Chinesen haben
nur ein Kind und am liebsten Jungen. Sie haben außergewöhnlich hohen Respekt gegen-
über den Eltern und der Familie.‹
Es sei an dieser Stelle noch einmal betont: Das oben formulierte Stereotyp ist
eine Paraphrase eines als idealtypisch existierend angenommenen Weltwissens
des – seinerseits eine pauschalisierende Chimäre – ‚Durchschnitts-Deutschen‘
oder ‚Durchschnitts-Europäers‘ der sozialen Mittelschicht (analog zur gewähl-
ten Datengrundlage). Als ein solches folgt es keiner sachlichen Logik, es kann
auch widersprüchliche Anteile umfassen. Die Pauschalisierung in jeder Hinsicht
zeichnet schematisiertes Denken aus. Wollte man gruppenspezifischere Hypo-
thesen formulieren, bedürfte es allerdings spezialisierter Korpora und insb. auch
die Berücksichtigung anderer Medien (von Boulevardpresse wie der Bildzeitung
bis hin zu Privatfernsehen und Social Media).
Die Gründe für dieses sowohl negative (mehr) als auch positive (weniger)
Anteile beinhaltende Stereotyp sind schließlich vielseitig und können hier nicht
im Einzelnen diskutiert werden (vgl. hierzu auch den Beitrag von Caja Thimm in
diesem Band). Es seien nur zwei wichtige Gründe herausgegriffen, die zugleich
auch mögliche Ansätze zu ihrer Korrektur bieten (ausführlicher im Beitrag von Jia
Wenjian und Friedemann Vogel in diesem Band):
1. Stereotype und Vorurteile speisen sich umso mehr aus dem medialen Hin-
tergrundrauschen, je weniger persönlicher Kontakt und Austausch zwischen
den involvierten Personengruppen besteht. Im direkten Kontakt werden Chi-
nesen in Deutschland (aber wohl auch andernorts) vor allem als Touristen
wahrgenommen, sie bleiben damit anonym und können keinen Ersatz für
eine interpersonale, d. h. auch interkulturelle Auseinandersetzung bieten.
Man kann es daher nicht oft genug betonen: Nur durch eine entsprechende
starke – deutlich verstärkte! – Politik zur Förderung des interkulturellen Aus-
tausches auf allen Ebenen (Schule, Universitäten, Gemeindepartnerschaften
usw.) lässt sich das China-Stereotyp bzw. China-bezogene Vorurteile ersetzen
durch differenzierte, gesprächs- und lernoffene Wissensschemata. Wandel
durch Dialog, der gegenseitiges Vertrauen und Verständnis schafft.
68 Friedemann Vogel
2. Ein zweiter Grund liegt in der Logik medialer Praxis, insb. der Auslandsbe-
richterstattung: Auch wenn China aufgrund seiner ökonomischen und politi-
schen Rolle in der Welt heute fest in der Auslandsberichterstattung verankert
ist, so bleibt es vom globalen Wandel der Medienbranche – v. a. Aussterben
von Lokalredaktionen und Akkumulation der Medien in wenigen, global
agierenden Medienkonzernen – nicht unberührt. In der Folge schrumpft
die Anzahl kundiger journalistischer Auslandskorrespondenten weiter und
fokussiert sich lediglich auf die großen Metropolen. Entsprechend homogen
verarmt die Berichterstattung zum jeweiligen Ausland. In Anbetracht der
Größe Chinas sind die Folgen dieser Entwicklung nicht zu unterschätzen.
5 Literaturverzeichnis
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Linguistische Imageanalyse Chinas 69
1 Einleitung
Die vorliegende Untersuchung ist eine linguistische Imageanalyse, die sich als
Teilstudie aus dem CDI-Projekt1 ergibt und sich der Domäne Wirtschaft widmet.
Sie schließt sich den gedanklichen und methodischen Ansätzen der linguisti-
schen Imageanalyse an (Vogel 2010a, 2010b, 2014), wie sie im Beitrag von Friede-
mann Vogel in diesem Band eingeführt werden, und versucht auf der Basis eines
sorgfältig aus dem gesamten CDI-Korpus generierten Wirtschafts-Kernkorpus
einen Einblick in die verschiedenen Fassetten des wirtschaftsbezogenen China-
Bildes zu vermitteln.
Bei der Untersuchung geht es zugespitzt formuliert vor allem um folgendes:
Was sind die Gegenstände und in welcher Form wird wie häufig berichtet, wenn
in deutschsprachigen Printmedien von Chinas Wirtschaft die Rede ist. Damit setzt
sie sich das Ziel, auf Basis von korpuslinguistischen Verfahren2 die relevantesten
Themen und Zuschreibungen herauszuarbeiten und sie in einem strukturierten
und verständlichen Zusammenhang transparent zu beschreiben.
In diesem Beitrag wird zunächst skizziert, wie man durch einen mehrstufigen
Filterprozess das für die Untersuchung bereitzustellende Wirtschafts-Kernkorpus
generiert. Im Anschluss daran werden die Ergebnisse aus drei unterschiedlich
fokussierenden Datenauswertungsprozessen (einer Überblicksstudie und zwei
Fokusstudien) dargestellt und diskutiert, die aus unterschiedlichem Blickwinkel
interessanten Aufschluss über das medienbasierte Image chinesischer Wirtschaft
1 Ausführlicher dazu im Beitrag von Friedemann Vogel und Jia Wenjian in diesem Band.
2 Überblick bei Lemnitzer/Zinsmeister 2006, Scherer 2006; zur diskurslinguistischen Anwen-
dung vgl. ferner Vogel 2010a, 2010b, 2014, Baker 2006, Bubenhofer 2008.
Anmerkung: Die vorliegende Untersuchung wird finanziert durch die National Social Science
Foundation of China (No. 14@ZH036) und China Scholarship Council 留金欧 [2014] 6013/[2016]
6041.
Li, Jing, Dr., Rechts- und Medienlinguistik, Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Beijing Foreign
Studies University (BFSU), China
DOI 10.1515/9783110544268-004
74 Li Jing
geben sollen. Dieses wird zum Schluss mittels einer zusammenfassenden Hypo-
these beleuchtet.
7 Der reguläre Ausdruck [Aa]bsatz in der Suchanfrage kann z. B. die Zeichenfolgen Absatz, Ab-
satzmarkt, Absatzmenge, Autoabsatz usw. abrufen.
„Reich der Mittel“ 77
Die aus der Überprüfung resultierte Modifizierung konnte entweder durch die
Umformulierung der regulären Ausdrücke in der Anfangssuchanfrage (für
Suchstring 1 im Subcorpus) oder durch die Erstellung einer Negativliste (für
Suchstring 2 im Subcorpus) realisiert werden. Im Folgenden findet man die Liste
mit überarbeiteten regulären Ausdrücken:
\bAbsatz\S|[Aa]ktie[^r]|[Aa]rbeitsplatz|[Aa]usfuhr|[Bb]ank\b|[Bb]eschäftigte|\bBörse|\
Sbranche|[Dd]evisen|[Dd]ienstleistung|[Ee]infuhr|k[aä]uf|[Ee]xport|\bFabrik\b|[Ff ]
inanz|[Ff]irma\b|[Ff]irmen|\bGeld[^o]|\bGeschäft\b|[Gg]ewerb[^u]|[Hh]andel\b|[Hh]
andels.[^l]|[Hh]ersteller|[Ii]mport[^a]|[Ii]ndustri|[Ii]nvest. [^g]|[Kk]apital[^i]|[Kk]onjunktur|
[Kk]onzern|[^\s|\||r]kosten|\bKonsum[^e|i]|\bKredit|\Skredit\b|\bKunde|[Mm]arkt.
[^n|r]|nachfrage\b|[Öö]konomie\b|\bPatent[^l|r]|[Pp]rodukt.[^v]|\Ssektor|[Uu]msatz|\bUn-
ternehmen|\Sunternehmen\b|[Uu]nternehmer|[Vv]ertriebs|[Ww]anderarbeiter|\bWare\
b|[Ww]irtschaft[^\/].[^l]|[Zz]oll\b
{0,500}([Cc]hina|[Cc]hines|Peking|Beijing|Schanghai|Shanghai)
Somit entstand die endgültige Suchanfrage in Form der drei Suchstrings, die im
Subcorpus eingesetzt wurden:
– Suchstring 1 (Positivliste)
((\bAbsatz\S|[Aa]ktie[^r]|[Aa]rbeitsplatz|[Aa]usfuhr|[Bb]ank\b|[Bb]eschäftigte|\
bBörse|\Sbranche|[Dd]evisen|[Dd]ienstleistung|[Ee]infuhr|k[aä]uf|[Ee]xport|\bFabrik\
b|[Ff]inanz|[Ff]irma\b|[Ff]irmen|\bGeld [^o]|\bGeschäft\b|[Gg]ewerb[^u]|[Hh]andel\
b|[Hh]andels.[^l]|[Hh]ersteller|[Ii]mport[^a]|[Ii]ndustri|[Ii]nvest.[^g]|[Kk]apital[^i]|[Kk]
onjunktur|[Kk]onzern|[^\s|\||r]kosten|\bKonsum[^e|i]|\bKredit|\Skredit\b|\bKunde|[Mm]
arkt.[^n|r]|nachfrage\b|[Öö]konomie\b|\bPatent[^l|r]|[Pp]rodukt.[^v]|\Ssektor|[Uu]
msatz|\b Unternehmen|\Sunternehmen\b|[Uu]nternehmer|[Vv]ertriebs|[Ww]anderar-
beiter|\bWare\b|[Ww]irtschaft [^\/]. [^l]|[Zz]oll\b).{0,500}([Cc]hina|[Cc]hines|Peking|Be
ijing|Schanghai|Shanghai))|(([Cc]hina| [Cc]hines|Peking|Beijing|Schanghai|Shanghai).
{0,500}(\bAbsatz\S|[Aa]ktie[^r]|[Aa]rbeitsplatz|[Aa]usfuhr|[Bb]ank\b|[Bb]eschäftigte|\
bBörse|\Sbranche|[Dd]evisen|[Dd]ienstleistung|[Ee]infuhr|k[aä]uf|[Ee]xport|\bFabrik\
b|[Ff]inanz|[Ff]irma\b|[Ff]irmen|\bGeld[^o]|\bGeschäft\b|[Gg]ewerb[^u]|[Hh]andel\
78 Li Jing
b|[Hh]andels.[^l]|[Hh]ersteller|[Ii]mport[^a]|[Ii]ndustri|[Ii]nvest.[^g]|[Kk]apital[^i]|[Kk]
onjunktur|[Kk]onzern|[^\s|\||r]kosten|\bKonsum[^e|i]|\bKredit|\Skredit\b|\bKunde|[Mm]
arkt.[^n|r]|nachfrage\b|[Öö]konomie\b|\bPatent[^l|r]|[Pp]rodukt.[^v]|\Ssektor|[Uu]msatz|\
bUnternehmen|\Sunternehmen\b|[Uu]nternehmer|[Vv]ertriebs|[Ww]anderarbeiter|\bWare\
b|[Ww]irtschaft[^\/].[^l]|[Zz]oll\b))
– Suchstring 2 (Negativliste)
[Dd]atenbank|[Gg]enbank
– Suchstring 3 (Kontextindikatoren)
[Cc]hina|[Cc]hines|Peking|Beijing|Schanghai|Shanghai
Schritt 4: Mit der modifizierten Suchanfrage aus Schritt 3 wurde das für die
vorliegende Untersuchung bereitzustellende Wirtschafts-Kernkorpus aus dem
Ausgangskorpus gefiltert und abgespeichert. Aufgenommen wurden diejeni-
gen Texte, bei denen sowohl eine bestimmte Anzahl an wirtschaftsrelevanten
Wörtern (Suchstring 1, f ≥10) als auch eine bestimmte Anzahl an chinabezogenen
Kontextindikatoren (Suchstring 3, fB ≥ 20) vorhanden waren:
Abb. 2: Eingrenzung der Textauswahl mittels Suchstring 1 (f) und Suchstring 3 (fB)
Zum Schluss wurden noch über manuelle Überprüfung die vereinzelten proble-
matischen Texttreffer (Inhaltsverzeichnis als Text; englischsprachiger Text) aus-
gefiltert. Das dadurch entstandene endgültige Wirtschafts-Kernkorpus enthält
1234 Texte mit insgesamt 1.920.401 Tokens.
„Reich der Mittel“ 79
In der vorliegenden Untersuchung lässt sich auf Basis von einer umfassenden
Keyword-Analyse ein Überblick zum Medienimage chinesischer Wirtschaft erar-
beiten. Zunächst wurden mit Hilfe von AntConc statistisch relevante Schlüssel-
wörter für das Wirtschafts-Kernkorpus generiert (AntConc, Funktion Keyword
List, Referenzkorpus Pilotkorpus mit 8000 Texten) und aus diesen die ersten 100
Schlüsselwörter herausgenommen und zur weiteren Kookkurrenzanalyse und
KWIC-Analyse bereitgestellt. Bei jedem dieser 100 Schlüsselwörter wurden die
wichtigsten Kookkurrenzpartner ermittelt (AntConc, Funktion Collocates, Kontext
China oder chinesisch, t ≥ 2,3). Zu den gewonnenen Kookkurrenzpartnern wurden
mit Fokus auf Autosemantika KWIC-Analysen durchgeführt. Die jeweils abgerufe-
nen KWIC-Belege wurden induktiv gruppiert, um wiederkehrende Themenkate-
gorien und Zuschreibungsmuster in Bezug auf das entsprechende Schlüsselwort
herauszuarbeiten. Die dadurch entstandenen Ergebnisse vonseiten jedes Schlüs-
selwortes wurden wiederum zusammengelegt und zu größeren schlüsselwort-
übergreifenden Themenfeldern gruppiert.
a) Substantive
Die meisten Schlüsselwörter sind Substantive. Diese lassen sich in mehrere Kate-
gorien untergliedern.
Die erste Kategorie der Substantive bilden ORTE. Zu ORTEN gehören zunächst
die verschiedensten Bezeichnungen, mit denen auf China verwiesen wird: China,
Volksrepublik, Land, Reich, Mitte (Reich der Mitte). Ferner handelt es sich um
Wörter, die geographische Befindlichkeit (Fernost, Asien) oder die politische
Struktureinheit Chinas im Allgemeinen (Provinz, Stadt, Land) – als relevante
wirtschaftliche Handlungsräume – darstellen. In vielen Kontexten wird mit den
beiden – eigentlich breit konzipierten – geographischen Lagen Fernost und
Asien überwiegend auf China verwiesen, was dessen besonderen wirtschaftli-
chen Status in der Region markiert:
8 Ausführlicher dazu vgl. auch die Überblicksanalyse von Friedemann Vogel in diesem Band.
„Reich der Mittel“ 81
Afrikas Staaten profitieren von der Wirtschaftsförderung aus Fernost / auch die deutsche
Wirtschaft profitiert vom Boom in Fernost / Beschäftigung wird gänzlich nach Asien verlagert.
China ist dann die neue Weltmacht Nummer eins.
9 In der vorliegenden Untersuchung wird mit INSTITUTIONEN eine Übergangskategorie an-
genommen, und zwar mit fließenden Grenzen zu der vorstehenden Kategorie ORTE (mehr als
Handlungsräume) und der nachstehenden Kategorie AKTEURE (mehr als handelnde Subjekte).
82 Li Jing
10 In den ersten 100 Schlüsselwörtern kommt lediglich die Wortform „Joint“ vor.
„Reich der Mittel“ 83
b) Verben
Die 6 Verben unter den ersten 100 Schlüsselwörtern lassen sich in zwei große
Kategorien einteilen. Die eine Kategorie (kaufen, investieren, produzieren,
bauen) bezieht sich auf HANDLUNGEN, die von bestimmten personellen bzw.
institutionellen Akteuren (chinesischen/ausländischen Unternehmen/Firmen/
Konzernen/Herstellern/Investoren/Banken usw.) im Rahmen bestimmter Hand-
lungsräume (China, Provinz, Stadt; Ausland, Westen, Afrika; Werk, Fabrik usw.)
in Bezug auf bestimmte Objekte (Geld investieren, Auto/Ware/Staatsanleihe/
Rohstoff kaufen, Auto produzieren/bauen usw.) durchgeführt werden. Die andere
Kategorie (wachsen, steigen) bezeichnet eine nach oben gerichtete Entwick-
lungstendenz von verschiedenen SACHVERHALTEN bzw. EREIGNISSEN (mit
tendenziell positiven Folgen: Wirtschaft, BIP/Bruttoinlandsprodukt, Wohlstand,
Markt, Export, Import; mit tendenziell problematischen bis negativen Folgen:
Inflationsrate, Preis, Lohn, Energieverbrauch).
11 In den ersten 100 Schlüsselwörtern kommt lediglich die Wortform „Know“ vor.
12 Ähnlich verhält sich das Schlüsselwort umgerechnet. Es dient hauptsächlich zur veran-
schaulichenden Darstellung einer Geldsumme anhand einer für die Adressaten nachvollziehba-
ren Währung: 1940 Yuan im Monat (umgerechnet 230 Euro).
84 Li Jing
c) Adjektive
Die 12 Adjektive unter den ersten 100 Schlüsselwörtern fungieren meistens als
Attribute zu relevanten AKTEUREN bzw. INSTITUTIONEN: chinesische/westli-
che/ausländische Unternehmen/Firmen/Konzerne/Hersteller/Investoren/Unter-
nehmer, staatliche Banken, lokale Partner/Firmen in Bezug auf Joint-Venture-
Gründungen, kommunistische Partei/Führung, Pekinger Regierung/Führung,
Shanghaier Börse/Aktienbörse) oder dienen zur Prädikation von SACHVER-
HALTEN bzw. EREIGNISSEN (billiger/e/es Yuan/Werkbank/Ware/Produkt, wirt-
schaftliche/er Öffnung/Aufstieg/Aufschwung/Erfolg/Entwicklung/Stärke, große/
er/es Wirtschaft/Volkswirtschaft/Markt/ Automarkt/Absatzmarkt/Produzent/
Hersteller/Autobauer/Exporteur/Problem/Herausforderung/Risiko, ausländische
Investition/Direktinvestition, verkaufen/ exportieren/importieren mehr Autos/
Wagen/Fahrzeuge).
Das Schlüsselwort mehr tritt im vorliegenden Textkorpus sowohl als Adjektiv als
auch als Adverb auf. Die beiden statistisch relevantesten Syntagmen mit mehr
(als Adverb) sind nicht mehr und immer mehr. Nicht mehr markiert eine Wende
von einem bestimmten Zustand (vor allem Werkbank / billiger Produktionsstand-
ort) zu einem anderen und postuliert eine Pluralisierung der wirtschaftlichen
Rollen, die China in der gesamten Wirtschaftswelt einnimmt. Immer mehr ver-
weist ähnlich wie wachsen und steigen auf eine ansteigende Tendenz in Bezug
auf verschiedene SACHVERHALTE bzw. EREIGNISSE oder HANDLUNGEN (z. B.
Investition). Beide Syntagmen unterstreichen die dynamische Entwicklung der
chinesischen Wirtschaft.
d) Sonstiges
Diese Kategorie umfasst zum einen Funktionswörter (in: Präposition zur lokalen
bzw. temporalen Angabe; d: Artikelwort) und zum anderen textsorten- bzw. zeit-
schriftenspezifische Zeichen (|, Quelle, MONEY). Diese Gruppe spielt keine große
Rolle bei der Herausbildung von wirtschaftlich relevanten Themenfeldern.
Die in diesem Abschnitt vorgestellten Themenfelder ergeben sich aus dem Zusam-
menschluss der wiederkehrenden Themenkategorien und Zuschreibungen, die
„Reich der Mittel“ 85
man aus der Untersuchung einzelner Schlüsselwörter gewonnen hat, und sollen
wichtigen Aufschluss über das Medienimage der chinesischen Wirtschaft geben.13
Um die Darstellung zu strukturieren, wird ein Beschreibungsraster zugrunde
gelegt, das basierend auf der Analyse von drei „Kern-Schlüsselwörtern“ (Wirt-
schaft / Volkswirtschaft / wirtschaftlich14) entwickelt wurde. Es umfasst vier
zentrale Aspekte:
– Zustand der chinesischen Wirtschaft
– Hauptstützen der chinesischen Wirtschaft
– Probleme der chinesischen Wirtschaft
– Chinesische Wirtschaft im globalen Wirtschaftskontext
das Wachstum der chinesischen Wirtschaft war im letzten Quartal 2009 mit 10,7 Prozent
wieder zweistellig / von 1991 bis 2003 stieg das chinesische Bruttosozialprodukt um durch-
schnittlich 9,7 Prozent pro Jahr / Chinas Wirtschaft wächst in großen Schritten / die chinesi-
sche Wirtschaft wächst und wächst und wächst / das rasante Wirtschaftswachstum, das seit
Jahren alle anderen Volkswirtschaften weit in den Schatten stellt / nirgends ist das Wachstum
so stark wie in China.
13 Es muss angemerkt werden, dass die einzelnen Themenfelder aus heuristischen Zwecken
erarbeitet werden und nicht immer scharf voneinander abzutrennen sind.
14 Die drei Wörter erweisen sich wegen ihrer Semantik als zentral für die Thematik „Chinas
Wirtschaft“.
15 Hier werden nur die Schlüsselwörter aufgelistet, mit denen hauptsächlich das Themenfeld
generiert wird.
86 Li Jing
Neben dem Wirtschaftswachstum wird viel über die wirtschaftliche Stärke, die
China inzwischen erreicht hat, berichtet. Insgesamt hat sich das Bild einer florie-
renden/boomenden Wirtschaft etabliert. Der Wirtschaftserfolg wird häufig mit der
Phrase die X-größte Volkswirtschaft der Welt (gemessen am BIP/Bruttoinlandspro-
dukt) spezifiziert. Im vorliegenden Korpus mit einem zeitlichen Intervall von 14
Jahren (2000 bis 2013) lässt sich ablesen, dass China immer einen der vorderen
Plätze im internationalen Vergleich belegt: von der sechstgrößten Volkswirtschaft
in der Anfangsphase über die viertgrößte Volkswirtschaft in der Mittelphase bis
zur zweitgrößten Volkswirtschaft in der Endphase.16 Hinzu kommt noch die wie-
derkehrende positive Prognose, dass China in der Zukunft die größte Volkswirt-
schaft der Welt werde. Auch bei der mehrfach vorkommenden Mehrwortverbin-
dung Chinas Aufstieg zu X kommt der Verweis auf die wirtschaftliche Stärke am
häufigsten vor (Chinas Aufstieg zur Wirtschaftsmacht Nummer 1 / Chinas Aufstieg
zur wirtschaftlichen Supermacht / Chinas Aufstieg zur reichen Weltmacht). Darüber
hinaus wird immer wieder thematisiert, dass China die größte Devisenreserve auf
der ganzen Welt besitze (die weltweit größte Devisenreserve / die größte Devisen-
reserve der Welt / die größte Devisenreserve / die größte Devisenreserve der Erde).
Besonders herausragend sind die Ad-hoc-Bildung Reich des Geldes (aus Reich der
Mitte) und die interessanten Metaphern China ertrinkt im Geld / China schwimmt
gerade im Geld. Sie bestärken den Eindruck, dass China insgesamt über sehr viel
Geld verfügt. Es wird auch wiederholt von zunehmendem/steigendem/wachsen-
dem Wohlstand berichtet.
Die oben dargestellte, eher das gesamte Wirtschaftsvolumen fokussierende
Perspektive erweist sich als eine dominante Betrachtungsperspektive in Bezug
auf den wirtschaftlichen Zustand Chinas. Dementgegen erscheint das noch ganz
bescheidene Pro-Kopf-Wirtschaftsvolumen (vor allem via Bruttoinlandsprodukt
pro Kopf) weniger pointiert in den Berichten.
In Bezug auf Investitionen konzentrieren sich die Belege auf drei Themenkatego-
rien: ausländische Investitionen in China; chinesische Investitionen im Ausland;
chinesische Investitionen im Inland.
China wird in erster Linie als ein Land dargestellt, das wegen Markt17, billiger
Arbeitskraft18, billiger Währung19 Investition/Geld von verschiedenen Ländern
und Regionen (vielfach Europa, Deutschland, Japan) in großer bzw. zunehmen-
der Menge anzieht. Die interessante Strom-Metaphorik (immer mehr ausländi-
sches Geld strömt ins Land / [es] fließt derzeit viel Geld nach China) unterstreicht
in besonderem Ausmaße die Menge und Bewegungsdynamik der Investitionen.
Wichtige Akteure bei dieser Art Investitionstätigkeit sind ausländische Unter-
nehmen/Firmen/Konzerne/Investoren. Nicht wenig wird auch über die negativen
Einfluss-Faktoren berichtet, die ausländische Investoren unsicher machten. Dazu
gehören a) unfreiwillige und unerwünschte Kooperation und Technologietrans-
fer, die eventuell zu späteren Konkurrenzverhältnissen auf dem globalen Markt
Während die vergangenen Dekaden von ausländischen Investoren in China geprägt waren,
rollt nun eine Welle chinesischer Investitionen auf den Rest der Welt zu.
grund niedriger Preise schaffe. In diesem Zusammenhang wird auch häufig von
den abwehrenden Reaktionen (Strafzoll) anderer Länder berichtet.
In Bezug auf Chinas Importgeschäft stehen im Mittelpunkt aller gesichte-
ten Belege Rohstoffe und Energie (vor allem aus Afrika). Die diesbezüglich wie-
derkehrende bzw. übertreibende Phrase Markt/Weltmarkt leer kaufen und die
negativ konnotierten Metaphern Riesenstaubsauger/Rohstoff-Hunger verstärken
das Rohstoffe und Energie begehrende Image Chinas. Neben Afrika hebt sich
auch Deutschland als relevanter Handelspartner aus den Belegen heraus. Es wird
vielfach über den steigenden Export von Deutschland nach China berichtet (vor
allem von Autos).20
Dieses Themenfeld verschmilzt im Grunde mit zwei weiteren Themenfeldern:
›Produktion in China‹, ›Markt und Konsum‹. Diese verdienen allerdings wegen
thematischer Relevanz als eigenständige Kategorien aufgeführt zu werden.
– Themenfeld ›Produktion in China‹, Schwerpunkt-Schlüsselwörter: pro-
duzieren, bauen, Produkt, Ware, Werkbank, Fabrik, Markt, Unterneh-
men, Firma, Konzern, Joint-Venture, Hersteller, Arbeiter, billig
a) unfreiwillige Kooperation:
denn wer in China produzieren will, darf das nur in einem „ Zwangs-Joint-
Venture“ mit ansässigen Firmen tun / ausländische Firma dürfen in China nur
gemeinsam mit chinesischen Staatsunternehmen Autos produzieren / wie ein
mächtiger Platzwart wies sie ausländischen Firmen lokale Partner zu
b) Probleme bzw. Ärger in Bezug auf Technologietransfer (Industriespionage /
Kopieren von High-Tech-Geräten / billige Klone).
Zahlreiche Belege verweisen auf die Wichtigkeit des chinesischen Marktes für ver-
schiedene Länder, Unternehmen/Firmen/Konzerne/Hersteller und ihre Produkte.
Die Autobranche gilt als die am meisten thematisierte Branche im Zusammen-
hang mit Markt und Konsum. Neben der enormen Größe (Riesenmarkt / riesiger
Binnenmarkt / gewaltiger Markt / riesiger Absatzmarkt) wird auch der dynami-
sche Zuwachs des Marktes und des Konsumpotentials immer wieder betont, der
vor allem mit dem steigenden Wohlstand in China in diskursiven Zusammen-
hang gebracht wird. Die vielfach verwendete Militär-Metaphorik zum Beispiel
in Phrasen wie chinesischen Markt erobern, die wiederkehrende Attribuierung
mit Superlativ-Formen (der größte Markt / der wettbewerbsintensivste Markt / der
dynamischste Markt der Welt) und nicht zuletzt einzelne wortspielerische Formu-
lierungen wie wer den größten Markt der Welt verliert, der verliert den Weltmarkt,
all das unterstreicht die strategische Bedeutung des chinesischen Marktes im glo-
balen Wirtschaftskontext aus Sicht der Berichterstatter.
– Themenfeld ›Auto‹, Schwerpunkt-Schlüsselwörter: Auto, VW, SAIC,
BYD, bauen, produzieren, kaufen, Markt, mehr
Die Autobranche gilt als die einzige konkrete Industriebranche, deren Bedeut-
samkeit durch 4 branchenspezifische Schlüsselwörter (Auto, VW, SAIC, BYD)
gekennzeichnet ist. Auf der einen Seite wird China als ein riesiger Autoabsatz-
markt dargestellt. Besonders bemerkenswert ist, dass in diesem Zusammenhang
häufig mit dem Schüsselwort mehr Vergleiche formuliert werden, bei denen ent-
weder traumhaftes Absatzwachstum (z. B. 130 Prozent mehr Autos als im Vorjahr)
oder Überlegenheit des Absatzvolumens auf dem chinesischen Markt gegenüber
anderen Märkten (z. B. Marktführer Volkswagen verkauft in China sogar bereits
mehr Autos als auf seinem Heimatmarkt) thematisiert wird. Auf der anderen Seite
gilt China als weltweit relevanter Autoproduktionsstandort, und zwar sowohl in
Zusammenarbeit mit ausländischen Autofirmen (z. B. mit VW) als auch – mitt-
lerweile – in eigenständiger Entwicklung unter eigenen Marken (z. B. BYD). Die
wiederkehrende Kritik konzentriert sich vor allem auf a) die als nicht fair qua-
lifizierte Kooperationsform (z. B. Zwangs-Joint-Venture / Konkubinenwirtschaft22)
und b) Plagiate (Copy-Shop / Plagiat / kaufen und kopieren / fälschen).
– Themenfeld ›Währung‹, Schwerpunkt-Schlüsselwörter: Währung, Yuan,
Renminbi, Dollar, billig, Regierung, Peking
22 „Konkubinenwirtschaft“ nennt sich diese Art der Zusammenarbeit. So wie sich chinesische Kai-
ser einst ihre (Teilzeit-)Gefährtinnen aussuchten, wählt die heutige Führung Chinas ausländische
Unternehmen aus, die gemeinsam mit einem einheimisch Partner im Land produzieren dürfen. Die
Volksrepublik nötigt die Hersteller zu diesen Kooperationen.
92 Li Jing
Wenn von chinesischer Währung die Rede ist, handelt es sich vor allem um zwei
Aspekte: a) die künstlich niedrig gehaltene Währung und b) die Aufwertung der
Währung.
Es wird vielfach behauptet, dass die chinesische Regierung (Staat als Akteur;
auch Peking als stellvertretender Referenzausdruck) die chinesische Währung
künstlich niedrig halte (billiger Yuan / „substantiell“ unterbewertet / am stärks-
ten unterbewertete Währung weltweit). Dies wird wiederholt explizit durch finale
Konnektoren (um …zu / damit) mit der Förderung von Chinas Exportgeschäft ver-
knüpft. Dadurch wird ein starkes Mittel-Zweck-Verhältnis geprägt. Während die
Unterbewertung der Währung aus exportantreibendem Motiv eher als Faktizität
diskursiv dargestellt wird, handelt es sich bei dem zweiten Aspekt – Aufwertung
der Währung – überwiegend um Inhalt/Proposition von direktiven Sprechakten
(wollen / verlangen / fordern / drängen / appellieren) anderer Staatenakteure (USA
als in diesem Zusammenhang besonders herausragender Einzelstaat; sonst nur
Staatenkollektive wie westliche Industrieländer / Westen / alle Welt).
Dieses Themenfeld hängt eng mit den beiden Themenfeldern ›Außenhandel‹
und ›Produktion in China‹ zusammen.
In den gesichteten Belegen wird die Überhitzung (Blase / Kollaps / Inflation / die
Preise steigen drastisch/kräftig) als ein großes Problem der chinesischen Wirt-
schaft benannt. Die viel angesprochenen Blasen-Branchen sind Immobilien und
Börse. Als Ursache werden schnelles/hohes Wachstum, von der Regierung in Form
von Krediten in die Wirtschaft gepumptes Geld, nationales bzw. internationales
Spekulationsgeld geltend gemacht. Es wird auch mehrfach von der Bemühung
der Regierung berichtet, solcher Überhitzung entgegenzuwirken (bremsen / dros-
seln / verhindern / eindämmen / verlangsamen / gegensteuern).
– Themenfeld ›Verbrauch von Energie/Rohstoff‹, Schwerpunkt-Schlüs-
selwörter: Wirtschaft, Volkswirtschaft, Investition, kaufen, Import,
steigen, wachsen, Wachstum, Wirtschaftswachstum
der Vergleich mit den USA liefert den Beweis: China verbraucht für einen Dollar des BIP jähr-
lich drei- bis viermal mehr Energie / Mit den Abfällen ihrer boomenden Wirtschaft vergiften
die Chinesen sich selbst und den Rest den Welt / die Zerstörung der Natur ist der Preis für
Chinas Wachstum / drei Jahrzehnte ungestümes Wirtschaftswachstum haben Luft, Wasser
und Erde verdreckt.
Bei der Analyse der Schlüsselwörter ist aufgefallen, dass sich bei bilatera-
len Wirtschaftsverhältnissen zwischen China und anderen Volkswirtschaften –
abhängig von dem betreffenden „Interaktionspartner“ – ein unterschiedlicher
diskursiver Fokus herausbildet. Trotz einzelner Diskussionen bei den Kategorien
und Themenfeldern werden an dieser Stelle nochmal die sich aus den Belegen
heraushebenden bilateralen Wirtschaftsverhältnisse (Indien, Deutschland, Afrika,
USA) zusammenfassend und zugespitzt aufgegriffen:
– China vs. Indien: China und Indien befinden sich überwiegend in einem
kopulativ verknüpfenden (und, auch, Komma) syntaktischen Kontext. Sie
teilen wegen ähnlicher wirtschaftsbezogener Konstellationen Gruppenetiket-
tierungen wie Schwellenländer / Schwellenstaaten / BRIC-Staaten23 / Boom-
länder / Aufsteigerländer / Aufsteigernationen. Hervorgehoben wird dabei
ihre wachsende und florierende Volkswirtschaft.
– China vs. Deutschland: Das deutsch-chinesische Wirtschaftsverhältnis ist
durch regen Handelsaustausch und enge Verknüpfung im Hinblick auf Inves-
tition und Produktion gekennzeichnet. Die Autobranche gilt dabei als die am
meisten fokussierte Branche quer durch alle oben genannten Tätigkeitsbe-
reiche.
– China vs. Afrika: Das afrikanisch-chinesische Wirtschaftsverhältnis ist
ebenfalls durch enge Wirtschaftskooperation gekennzeichnet. Anders als bei
Deutschland handelt es sich bei Afrika überwiegend um massenhafte Liefe-
rung von Energie bzw. Rohstoffen nach China, und zwar oft im Austausch
gegen Investitionen in Form von billigen Krediten aus China.
– China vs. USA: Die zwei auffälligsten Kontexte, in denen China und die USA
gemeinsam thematisiert werden, bilden die Diskussionen über Chinas riesige
Devisenreserve und Chinas billige Währung. Zum Unterstreichen seiner rie-
sigen Devisenreserve wird wiederholt der Status Chinas als der größte Gläu-
biger der USA hervorgehoben. Im Kontext der Währungskontroverse treten
die USA als am meisten fokussierter Einzelstaat-Akteur auf, der Druck auf
die chinesische Regierung (Peking) in Bezug auf die Aufwertung chinesischer
Währung ausübe.
3.2 Fokusstudie: Technologietransfer
met. Sie beruht auf einer gründlichen KWIC-Analyse des Schlüsselwortes Know(-
how) mit Hilfe der folgenden fokussierenden Regex-Abfrage:
(Know.{0,100}([Cc]hina|[Cc]hines|Peking|Beijing|Schanghai|Shanghai))|(([Cc]hina|[Cc]hine
s|Peking|Beijing|Schanghai|Shanghai).{0,100}Know)
Aus der Suche ergaben sich insgesamt 148 Belege. Sie wurden auf das berichtete
Verhältnis zwischen China und Know-how überprüft. Die Ergebnisse lassen sich
in folgenden Großkategorien zusammenfassen:
Abb. 3: Relative Verteilung der 148 Belege in Bezug auf das postulierte Verhältnis zwischen
China und Know-how in Großkategorien
Die folgende Graphik zeigt nochmal zusammenfassend die genaue Verteilung der
148 Belege, und zwar eingeteilt in den oben skizzierten Subkategorien:
„Reich der Mittel“ 97
Abb. 4: Genaue Verteilung der 148 Belege in Bezug auf das postulierte Verhältnis
zwischen China und Know-how
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„Reich der Mittel“ 101
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Elisa Lang
„China wirkt ja vor allem so bedrohlich
und unsympathisch, weil die Chinesen so
übermotiviert sind, so ekelehrgeizig.“
Chinesische Bildung in deutschen Medien
DOI 10.1515/9783110544268-005
Chinesische Bildung in deutschen Medien 103
1 Ausführlicher dazu im Beitrag von Friedemann Vogel und Jia Wenjian in diesem Band.
104 Elisa Lang
Nutzung eines CDI-Subkorpus, das zum Thema ›Bildung‹ relevante Texte enthält,
sowie einen kurzen Überblick des analytischen Vorgehens.
Am Anfang der Subkorpuserstellung stand die kontrollierte Bildung einer
Minimalhypothese, das heißt einer Liste an wertneutralen Ausdrücken, die erst
mutmaßlich, dann geprüfter Maßen mit dem Zielkonzept ›Bildung‹ assoziiert
werden. Zu diesem Zweck wurden mithilfe der Kookkurrenzdatenbank (CCDB)
am Institut für Deutsche Sprache in mehreren Durchgängen wertneutrale,
gebrauchsverwandte Ausdrücke zum Ausgangswort Bildung ermittelt.
Das Ergebnis dieser Wortfeldanalyse ist eine Liste mit folgenden – bereits als
regular expression formulierten – Ausdrücken:
(A) [Bb]ildung|bilde|[Ss]chul|[Ll]ehr|[Aa]bsolvent|[Aa]usbildung|[Uu]nterricht|[Ss]
chüler|[Ww]issensvermittlung|[Uu]niversitä|[Dd]idakti|[Pp]ädagog|[Ss]tudi|[Pp]rofess|[Dd]
ozent|[Aa]kademie
Mithilfe dieser Liste wurden über eine Zufallsstichprobe 1000 Texte aus dem CDI-
Kernkorpus (mit insg. 238.595 Texten; vgl. den Beitrag von Friedemann Vogel,
Kap. 2) erhoben, die jeweils mindestens einen dieser Ausdrücke (mindestens
einmal) enthalten. Über eine Kompositawortliste wurden für dieses Stichproben-
korpus anschließend alle Ausdrücke erhoben, die ganz oder teilweise einen der
obigen Listenausdrücke enthielten (insb. Komposita), und via Konkordanz- und
Volltextansicht auf ihre thematische Einschlägigkeit geprüft. Auf diese Weise
konnten missverständliche bzw. falsch positive Treffer aussortiert werden. Für die
Auswahl der Subkorpus-Texte wurde damit neben einer Positiv-Liste (A) zugleich
eine Negativ- bzw. „Stop“-Liste (B) zugrunde gelegt, so dass nur jene Texte prin-
zipiell aufgenommen wurden, die mindestens einen der Ausdrücke aus (A) und
zugleich keinen der Ausdrücke aus (B) enthielten.
(B) studio\b|\bStudio.{4,10}\b|[Ss]chulz|[Ss]kilehrer|[Ss]chuld|[Pp]rofession|[Ss]
chulte|[Ss]chultz|[Bb] ilder| [Ss]tudienreise|[Uu]mbildung|[Aa]bbildung|[Ss]
chultrig|[Ff]ahrschul|[Dd]esign(studio|studie)| [Hh]erausbildung|[Ss]chult|[Ff]
ahr|[Ff]ahrschüler|[Uu]niversitätsklinik|[Ll]ehrter|[Ss]chulkino|[Ss]chulmedizin| [Ss]
chulesse|[Bb]aumschulenweg|[Rr]egierungsbildung|[Gg]artenakademie|[Nn]achbil
dung|[Bb]aumschule|[Ss]tudies|[Kk]onzeptstudie|[Ll]ehrke|[Mm]achbarkeitsstudie|[Mm]
ißbildung|[Ww]üstenbildung| [Hh]armonielehre|[Ss]enatsbildungsverwaltung|[Bb]
odenbildung|[Ee]inbildung| [Ee]rnährungslehre|[Ff]allstudie|[Ff]ruchtbildung|[Ll]
angzeitstudie|[Rr]ückenschule|[Ss]tudienautor|[Uu]niversitätskrankenhaus |[Kk]
ommandozentrale|[Kk]leinwagen|[Vv]iertürer|[Ss]traßenbild|[Hh] unde|[Ff]lug|[Uu]
nbelehrbar|[Ff]eldstudie|[Gg]ehörbildung|[Jj]ugendbildungsverein|[Kk]lima|[Kk] och|[Ll]
ehrmeinung|[Ll]ehrpfad|Lehr-te|[Ll]eserakademie|\bStudie.{0,1}\b|[Mm]aschulik|[Mm]ein
ungsbild|[nN]eubild|Neueinstudierung|[Pp]reisbildung|[Rr]udelbildung|[Ss]chulenburg|\
bSchulp\b| [Tt]auchschule|Tauchlehrer|[Ee]volution|[Ff]arb|[Ff]ehl|Jantschulowa|[Gg]
artenbau|[Kk]undendienst|Lehrmann|[Mm]arken|[Mm]itarbeiter.{0,15}(schul|bild)|Patsc
huli|Mengenlehre|[Rr]ückbildung|\bStudio\b|\bSchuler\b|\bBlasenbildung\b|\bLehr\b|\
bStudiVZ\b|\bstudied\b|\bEstudiantes\b|\bVermög ensbildungsfonds\b|\bMatschull\b|\
bMattschull\b|\bSchulke\b|\bLehrian\b|\bSchuller\b|\bStudigroo ve\b|\bStudioschein-
werfer\b|\bLehrl\b|\bTonstudios\b|\bTropfenbil-dung\b|\bTümpelgartenschule\b| \bBla-
senbildungen\b|\bLehrs\b|\bPigmentbildung\b|\bPädagogs\b|\bSchulien\b|\bStudivz\b|\
bWuestenbildung\b|\bLochbildung\b|\bprofess\b|\bprofesses\b|\bRealismusStudio\b |\
bSchauspielstudios\b| \bstudiously\b|\bstudiVZ\b
106 Elisa Lang
Auf diese Weise wurden all jene Texte erfasst, die zumindest an einer Stelle das
Konzept ›Bildung‹ sprachlich zum Ausdruck brachten. Um nun zugleich darunter
wiederum nur jene Texte auszuwählen, die sich überwiegend oder ausschließlich
(und nicht nur am Rande) mit China beschäftigen, musste ein Text neben der
Erfüllung der oben genannten Bedingungen jeweils auch mindestens sieben Mal
einen der nachfolgenden Ausdrücke enthalten:
(C) [cC]hina|[pP]eking|[bB]eijing|[sS]changhai|[sS]hanghai|[Cc]hines
Das Ergebnis ist ein Subkorpus (SK1) mit 135 Texten, die sich maßgeblich mit Bil-
dungsaspekten der VR China beschäftigen und die qualitativ untersucht wurden.
Für eine korrespondierende quantifizierende, korpuslinguistische Auswertung
wurde ferner ein Subkorpus (SK2) gebildet, dessen insgesamt 10.600 Texte min-
destens fünf Mal einen der Ausdrücke der Liste (C) enthielten.
Die Auswertung der beiden Korpora erfolge im Einzelnen analog zum Ver-
fahren, wie es im Beitrag von Friedemann Vogel und Li Jing beschrieben wird.
Zunächst wurde auf Basis des Subkorpus SK2 eine statistische Kookkurrenzana-
lyse zu den Ausdrücken der Liste (A) durchgeführt, das heißt all jene Wörter ermit-
telt, die überzufällig häufig im Kotext-Intervall von [+8/-8] Wörtern gemeinsam
mit einem der Ausgangswörter vorkommen. Die ersten 150 hochsignifikanten,
autosemantischen Kookkurrenzen (Substantive, Verben, Adjektive) wurden mit-
hilfe von Konkordanzen und Volltextanalyse genauer betrachtet und die damit
verbundenen Belege im Paradigma der Pragmasemiotik hermeneutisch-induktiv
nach thematisch-konzeptuellen Clustern (Ereignisse, Orte, Akteure, Handlungen
usw. ›chinesischer Bildung‹ usw.) und rekurrenten Eigenschaftszuschreibungen
gruppiert. In einem weiteren Schritt wurde auch das Subkorpus SK1 rein quali-
tativ auf wiederkehrende Sachverhalte und Referenzobjekte untersucht und die
Ergebnisse mit der korpuslinguistischen Analyse kontrastierend zusammenge-
führt.
3 Ergebnisse
Im Folgenden stelle ich die Ergebnisse der Untersuchung vor, zunächst mit Blick
auf angrenzende Themenfelder, die in der deutschsprachigen Berichterstattung
wiederholt mit dem Fokusthema ›chinesische Bildung‹ verknüpft werden (3.1). Im
Anschluss wird der Kern der medialen Berichterstattung und Prädikationen zu
›chinesischer Bildung‹ dokumentiert.
Chinesische Bildung in deutschen Medien 107
Ein Teil der Belege bezieht sich nicht im engeren Sinne auf das Bild chinesischer
Bildung in den Medien, sondern auf angrenzende Themenfelder. Die Analyse
dieser Belege zeigt textübergreifende semantische Felder, die sich aus den wie-
derkehrenden Sprachmustern ableiten lassen. Es wurden fünf Kategorien oder
Oberbegriffe ermittelt, denen die in den Beiträgen behandelten Sachverhalte
zugeordnet werden können.
Im Zusammenhang mit dem Bildungskontext spielt in zahlreichen Belegen
›China als Wirtschafts- und Wissenschaftsnation‹ diskursiv eine große Rolle.
Zahlreiche Belege konstatieren in diesem Kontext die wachsende Bedeutung des
Zukunftsmarktes China für die Aus- und Weiterbildung innerhalb Deutschlands:
China und Zukunft, diese Begriffe gehören jetzt zusammen; in 20 Jahren wird die asiatische
Welt auf dem Globus eine ganz andere Bedeutung haben als heute.
Vor diesem Hintergrund spielt die Vermittlung der chinesischen Sprache und
Kultur an deutschen Bildungseinrichtungen eine zunehmend wichtige Rolle: Von
der vorschulischen Ausbildung (Eröffnung der ersten deutsch-chinesisch bilingu-
alen Kita) über die wachsende Attraktivität von Schulaustauschpartnerschaften
zwischen deutschen und chinesischen Schulen und dem Trend, Chinesischunter-
richt an deutschen Schulen anzubieten (mit Englisch und Chinesisch kommt man
überall klar) bis hin zum Aufbau neuer Studiengänge mit China-Schwerpunkt
(diverse Studiengänge und Weiterbildungen bereiten gezielt auf den Zukunftsmarkt
China vor; Chinesischkenntnisse als Zusatzqualifikation).
Die ›deutsch-chinesischen Kooperationen‹ stellen die zweite Kategorie
dar. Bildungs- und Wissenschaftsfragen sowie globalisierungsbedingte, bil-
dungspolitische Herausforderungen für Deutschland und für China werden
in zahlreichen Belegen angesprochen (auch Bildung wird global). Studierende
werden dabei von den Textautoren dargestellt als mobiles wirtschaftliches Poten-
tial (kulturelles Kapital im Sinne Bourdieus), das zu zunehmender Konkurrenz
auf dem Welt(arbeits-)markt führen werde.
Die dritte Kategorie umfasst Belege, die sich mit der ›prekären Ausbildungs-
struktur in den ländlichen Gebieten‹ Chinas beschäftigen und einen kausalen
Zusammenhang zu Urbanisierung und letztlich Bildungs(un)gerechtigkeit kons-
tatieren:
als Folge der Urbanisierung sind rund die Hälfte der Grundschulen durch Schließung oder
Zusammenschluss weggefallen; immer länger werdender Schulweg und schlechte Erziehungs-
108 Elisa Lang
angebote produzieren immer mehr Schulabbrecher, psychische Defekte einer ganzen Genera-
tion von Kindern, die von ihren Eltern meist alleingelassen werden.
Der Begriff Bildung steht vorrangig im Zusammenhang mit Reform- und Trans-
formationsprozessen der chinesischen Bildung. Dabei werden die steigenden
Investitionen für Bildung in China häufig thematisiert (chinesische Regierung
steckt viel Geld in die Ausbildung eigener Experten; Bildungswesen ist unterfinan-
ziert). Aufbruchstimmung und neue Möglichkeiten werden betont (Ausgaben stark
erhöhen; Wohlstand soll alle erreichen; jeder soll von der Frucht der Entwicklung
etwas abbekommen). Ähnlich häufig finden in Beiträgen verschiedene Konferen-
zen zur Verbesserung der deutsch-chinesischen Kooperation in Bildungs- und
Wissenschaftsfragen Erwähnung (Zusammenarbeit optimieren). Durchgängig
Chinesische Bildung in deutschen Medien 109
es zieht chinesische Schüler und Studenten nach Deutschland; deutsche Abschlüsse können
das Einkommen in China um das Drei- bis Vierfache steigern; in Deutschland ausgebildeter
Stardirigent Yu Long.
Chinas Studenten müssen regelmäßig am politischen Unterricht teilnehmen, wo sie die leeren
Marxismustheorien des KP-Führers auswendig lernen.
Hierbei werden von den deutschen Autoren auch ein ›mangelhafter Forschungs-
betrieb und schlechte Ausbildung‹ an chinesischen Hochschulen kritisiert.
110 Elisa Lang
Im Zusammenhang mit der Prädikation staatlich steht ferner häufig der ›Aus-
schluss einzelner Bevölkerungsgruppen‹ vom staatlichen Schulsystem (Land-
bevölkerung, „überzählige“ Kinder). Die staatlichen Akademien in China finden
Erwähnung in Zusammenhang mit Bestrebungen der chinesischen Regierung,
politische Propaganda und kapitalistische Technik einzuführen.
Eine ›tendenziöse, verfälschende historische Ausbildung‹ Chinas wird
schließlich im vielfach erwähnten Schulbuchkonflikt zwischen China und
Japan konstatiert. Fragen der Selbst- und Fremdwahrnehmung und damit zusam-
menhängende Vorwürfe Chinas an Japan werden dabei vorgetragen (nationalisti-
sche Schulbücher; beschönigen die Kriegsverbrechen).
Ein Großteil der Belege lässt Stereotype erkennen, die unter dem Oberbegriff
›Leitideen und Methoden chinesischer Bildung‹ zusammengefasst werden
können. Die Belege weisen überwiegend auf eine ablehnende Rezipientenhal-
tung hin, was chinesische Erziehungs- und Bildungsmethoden und -leitideen
betrifft.
›Inhumane Prüfungskultur‹: Belege zur Hochschulaufnahmeprüfung „Gao
Kao“ spielen in ihrer Häufigkeit eine hervorgehobene Rolle. Der „Gao Kao“ wird
als Spiegelbild der chinesischen Tradition der Prüfungskultur dargestellt (Mutter
aller chinesischen Prüfungen; Ausläufer eines uralten Auswahlsystems; härtester
Test in der chinesischen Schullaufbahn). Er diene der ›traditionellen Elitenrekru-
tierung‹ und ›ermögliche den Weg zum sozialen Aufstieg‹:
bietet den Besten des Landes die Chance, ohne Ansehen von Herkunft oder Person in die
Beamtenschar aufzusteigen; entscheidet über die künftige Universität und meist auch über
den weiteren Werdegang
Indessen wird der „Gao Kao“ auch als erstarrte Tradition bezeichnet, der aus
Sicht von Eltern und Reformpädagogen einer grundlegenden Reform unterzogen
werden müsse. Die Hochschulaufnahmeprüfung wird als ›dramatisches Ereignis
für alle Beteiligten‹ dargestellt:
Ambulanz steht bereit; Schüler und Eltern brechen zusammen; bewaffnete Polizei bringt Prü-
fungsbögen in gepanzerten Geldtransportern; Schüler müssen Mobiltelefon abgeben)
und verweist damit auf ›große Konkurrenz und unmenschlichen Druck‹, unter
dem chinesische Schüler stünden. Auch im Sportkontext wird dies deutlich
(harte Ausbildung; hartes Training).
›Konfuzius als Erzieher der Nation‹: Als wichtiger Funktionsträger und
als Leitfigur im Bildungszusammenhang wird von den Textautoren wiederholt
der chinesische Philosoph Konfuzius als Erzieher der Nation stilisiert. Im Gegen-
satz zur deutschen Lehrer-Schüler-Beziehung werde bei der konfuzianischen
Tradition die ›lebenslange, wechselseitige Verantwortungsbeziehung zwischen
Schülern und Lehrern‹ betont. Konfuzius findet im Kontext mit traditionellen
Lerninhalten in der Schule und dem tendenziell negativ umrahmten „Nachah-
mungslernen“ häufig Gebrauch (viel nachahmen, wenig diskutieren).
›Strenge Methoden chinesischer Bildung‹: Traditionelle2 Erziehungs-
methoden (Respekt ist ein höheres Bildungsziel als analytisches Denken und
die Fähigkeit, Kritik zu üben), strenge Lernmethoden und -inhalte (auswendig
lernen; von Konfuzius lernen; Kunst des geduldigen Schlangestehens lernen; mehr
lernen und weniger spielen) und ݟberfordernde, auf Gehorsam disziplinierende
Leistungsanforderungen‹ (für viele Lehrer und Familien gibt es nur noch einen
Maßstab: gute Noten) bildeten die wesentlichen Pfeiler chinesischer Erziehung.
Das Konzept ›Erziehung durch Einschränkung‹ zeigt sich in zahlreichen Kookkur-
renzen, etwa auch in den deontisch gebrauchten Verben dürfen und verbieten,
die auf ›übertriebene elterliche Ge- und Verbote‹ verweisen (keinen Freund haben
dürfen) oder auf ›unmenschliche Sanktionen‹ (drastische Gegenmittel; Elektro-
schock wird inzwischen verboten).
Unter den Bereich ›Produktion von Bildungseliten‹ fällt das in der Presse
vieldiskutierte Thema Schul- und Leistungssport. Dabei wird in der Regel eine
›unerbittliche Zurichtung‹ von jungen Sportlern mit ›ungewöhnlichen Methoden‹
konstatiert:
Ausdrücke aus dem Militärjargon und der Perspektive vom ›leidenden Opfer‹
bestimmten die Rahmen zahlreicher bildungsbezogener Beiträge, vorneweg die
auch statistisch hochsignifikanten Schlagwörter Drill und Tortur. Die stereotype,
wiederkehrende Darstellung disziplinierender Erziehungsmaßnahmen mit mili-
2 Traditionell wird tendenziell als positiv konnotierende Eigenschaftszuschreibung oft mit Ge-
lehrsamkeit und Bildung, chinesischer Medizin und Körperentspannungsmethoden verbunden.
112 Elisa Lang
tärischen Begriffen erweckt den Eindruck, dass diese feste Bestandteile chinesi-
scher Bildung seien.
Eine vergleichsweise untergeordnete und dennoch statistisch signifikante
Rolle spielt der Unterricht in China, der vor allem mit ›ideologischen Kontrol-
len an (Hoch-)Schulen‹ in Verbindung gebracht wird (KP organisiert allerorten
Polit-Schulungen; den fortschrittlichen Charakter der KP festigen; Unterricht gegen
Korruption). Die Texte tragen dabei oft einen ironisch-distanzierenden Unterton
(Jintao versucht derzeit mit allerlei Methoden, den Einfluß der Partei zu stärken;
vom Westen kommen alle Übel).
Einige Kookkurrenzen rufen bestimmte Orte der Ausbildung auf, welche auf
wiederkehrende bildungsrelevante Institutionen und Regionen hinweisen: Die
chinesische Schule wird vor allem kontrastiv zu deutschen Schulen beschrie-
ben, meist mit Blick auf ›die Dimension und Disziplinierung‹ (ganz anders; rie-
sengroß und voll; strikt organisiert; streng). Dabei wird das Bild eines ›anonymen
und anonymisierenden Ortes‹ erzeugt, an dem eine ›große, uniforme Masse‹ an
Schülern „durchgeschleust“ werde. Sportschulen werden auf der einen Seite in
ihrer herausragenden Qualität beschrieben (insbesondere Turnen und Artistik:
Artisten-Lehrgänge in der chinesischen Schule gehören zu den besten der Welt), auf
der anderen Seite in Zusammenhang mit extremem Leistungs- und Erfolgsdruck.
Die tendenziell positiv konnotierte Eigenschaftszuschreibung renommiert
wird häufig verbunden mit dem ›schweren Zugang zu den besten Universitäten‹
in China und damit auch mit einer ›unsicheren Zukunftsperspektive‹ für junge
Chinesen. Spöttisch berichtet wird in diesem Zusammenhang auch davon, dass
Zeugnisse renommierter Universitäten gekauft werden könnten (vortäuschen;
dick auftragen wollen). Ausführlich wird mehrfach über verschiedene Fälle von
Festnahmen chinesischer, regierungskritischer Intellektueller berichtet, welche
an renommierten chinesischen Universitäten studiert haben.
Das Konfuzius-Institut wird in einigen Belegen als Ausbildungsort und
wichtige Institution der Kultur- und Fremdsprachenvermittlung genannt (vermit-
telt chinesische Kultur und Sprache).
Die Sonderverwaltungszone Hongkong, der eine Schlüsselrolle bei der
Wirtschaftsreform zugeschrieben wird, steht in häufigem Gebrauchszusammen-
hang mit der tendenziell positiv konnotierenden Prädikation modern. Dabei wird
Hongkong im Gegensatz zu Festland-China auch in der Bildung als besonders
fortschrittlich dargestellt (hochspezialisiert; lebendig; fit).
Chinesische Bildung in deutschen Medien 113
Web-Junkies; Druck von Eltern und Schule lässt keine Luft und treibt sie in die Parallelwelt des
Webs; brechen vor Erschöpfung zusammen.
treiben Schüler an; üben Druck aus; verlangen Gehorsam; haben hohen Anspruch; ambitio-
nierte chinesische Eltern; bestrafen.
wissen ganz genau, was sie von ihrem Kind erwarten: hervorragende Leistung; für viele Lehrer
und Familien gibt es nur noch einen Maßstab: gute Note = gutes Kind.
sie bezahlen – nach Möglichkeit – Eliteschulen mit hohem Schulgeld; besonders für die
Bildung des Nachwuchses sind die Eltern bereit, enorme Ausgaben zu tätigen und die eigenen
Bedürfnisse auf ein Minimum zurückschrauben; sind besorgt, selbstlos
nesische Kampfmutter, als Frau mit Engelsgesicht, das zur Monster-Mom mutiert,
zum ›Dämon chinesischer Pädagogik‹ erklärt.
Ein häufig genannter Akteur, der sich identifizieren lässt, sei nicht zuletzt
die chinesische Regierung und ihr ›politisch restringierender, leistungsfordern-
der Einfluss auf die Universitäten‹ (Druck erhöhen; Internet-Diskussionsforen
schließen; politische Propaganda verschärfen). Die Regierung sorge aber auch für
Investitionen in Bildung und die Verbesserung der Ausbildung sowie der Berufs-
chancen für Akademiker durch erschwerte Zugangsmöglichkeiten an chinesi-
schen Hochschulen. Im Zusammenhang mit der Olympiade in Peking erscheint
die Regierung als ›Erzieherin ihrer Bürger‹: westliches Benehmen beibringen;
Schlange stehen üben; nicht mehr öffentlich spucken.
Weitere Akteure weisen auf soziale Konfliktfelder wie die Landbevölkerung
und das starke Wohlstandsgefälle zwischen Land (viele Familien sind zu arm, um
die Schulgebühr zu bezahlen) und Stadt (wo die Elite des Landes lebt) hin.
3.2.5 Bildungsmotivation
Bildung sei in der chinesischen Erziehung generell sehr wichtig; mit ihrem Einkommen können
[die Eltern] sich eine eigene Wohnung leisten und eine gute Schule für den Sohn oder die
Tochter finanzieren; für die Bildung des Nachwuchses sind die Eltern bereit, enorme Ausga-
ben zu tätigen und die eigenen Bedürfnisse auf ein Minimum zurückzuschrauben.
Man muss sich den Erfolg erarbeiten; harte Arbeit und Fleiß seien die Gründe für Erfolg; die
für Eltern entscheidende Frage sei: was muss ich tun, damit mein Kind erfolgreich wird; der
Erfolg des Kindes bestimmt dann auch das Ansehen der Familie.
lung von elitären Sozialskills‹ wie Golf-Spielen: Golfspielen nützt für zukünftige
Karriere; Sozialismus war gestern, heute ist Golf.
Der Wettbewerb um Arbeitsplätze zeigt sich auch auf deutscher Seite als
relevantes Thema: deutsche Kinder sollten die Chance nicht verpassen und Chi-
nesisch in der Schule wählen, um auf dem Arbeitsmarkt künftig beste Möglich-
keiten zu haben (Eltern glauben, dass Chinesisch einmal so viel Bedeutung wie
Englisch haben wird). Im Konkurrenzkampf der Wissenschaftsnationen werden
Deutschland sehr gute Chancen attestiert, in diesem Zusammenhang wird auch
häufig erwähnt, dass Chinesen gerne in Deutschland studieren und dankbar
sind für die kostenlose Ausbildung.
4 Fazit
Die Untersuchung des Images chinesischer Bildung in den deutschsprachigen
Medien wurde auf zwei Ebenen vorgenommen: Zur Untersuchung einzelner Text-
sequenzen im Rahmen von Diskursen wurde in der vorliegenden Untersuchung
zum einen eine quantitative Inhaltsanalyse vorgenommen, zum anderen konnten
qualitative Inhaltsanalysen von Medientexten dazu beitragen, sprachliche
Muster herauszuarbeiten, die auf Chinas Bildungswesen (Themen, Gegenstände,
Personen, Gruppen usw.) referieren.
Auf Grundlage der hier vorgestellten Imageanalyse kann abschließend
eine zusammenfassende, pauschalisierend-zuspitzende (vgl. Vogel 2010a: 3)
Hypothese zu einem potentiell wirksamen Stereotyp ›chinesischer Bildung‹ bei
deutschsprachigen MedienrezipientInnen formuliert werden:
›Chinesische Ausbildung und Erziehung ist leistungsorientiert, autoritär
und inhuman. Zuhause und in den Bildungseinrichtungen dominieren äußerste
Strenge, Druck und Disziplin, Militär-gleiche Abrichtung (Drill) und die Forderung
unbegrenzter Leidensfähigkeit (Tortur). Unnachgiebige Lehrer bedienen sich tra-
ditioneller, erstarrter Unterrichtsmethoden wie Auswendiglernen und Nachahmen.
Chinesische Schüler werden von ihren unnachgiebigen Eltern angetrieben, sind
zugleich ehrgeizig, diszipliniert und duldsam (d. h. die Autorität passiv hinneh-
mend). Es herrscht unbarmherzige Konkurrenz, Bildung ist harter Wettbewerb.
Staatliche Aufnahmeprüfungen (wie der „Gao Kao“) dienen der Elitenauslese, sie
sind darum bei Eltern und Schülern der Schlüssel zum Erfolg. Die herausgeho-
bene Bedeutung von Bildung in der chinesischen Gesellschaft ist innerstaatlich
schätzenswert, denn sie ermöglich dem Einzelnen sozialen Aufstieg und Erfolg.
Bildung gilt in China als wichtige Ressource für wirtschaftlichen Erfolg und Moder-
nisierung, was sich auch in den Anstrengungen beim Fremdsprachenerwerb zeigt.
Chinesische Bildung in deutschen Medien 117
Doch die hohe Disziplin(ierung) chinesischer Schüler und der Erfolg chinesischer
Hochschulabsolventen ist außerstaatlich auch eine Gefahr, die den Westen flut-
ähnlich zu überschwemmen droht und Arbeitsplätze für deutsche Absolventen
gefährdet.‹
Auf mögliche Gründe für das überwiegend negativ geprägte, deutsch-mittel-
europäische China-Stereotyp auch auf der Domäne der ›Bildung‹ für den Zeitraum
2000–2013 weisen bereits die Beiträge von Vogel und Thimm in diesem Band hin.
Hier sei darum nur ein Aspekt hervorgehoben: In den hier untersuchten Texten
zeigt sich immer wieder der diskurstrategische Versuch, über die pauschalisie-
rende Abwertung ›chinesischer Bildungskonzepte‹ als ›asiatisch-autokratisch‹
den eigenen, in diesem Kontext ebenso als ›mitteleuropäischen‚ partnerschaft-
lich-sozialintegrativ‹ pauschalisierten Erziehungsstil abzugrenzen und aufzu-
werten.3 Das stigmatisierende „mediale Hintergrundrauschen“ lässt sich wohl
nicht (allein) durch eine konkurrierende Berichterstattung, sondern mittel- und
langfristig nur durch einen verstärkten interkulturellen Austausch lösen.
5 Literatur
Adick, Christel (2014): „Deutschland als Bildungsexportland“, In: Zeitschrift für Pädagogik
(05/2014), S. 744–763.
Anthony, Laurence (2012): AntConc (3.2.4w) [Computer Software]. Waseda University.
Tokyo. Online verfügbar unter http://www.antlab.sci.waseda.ac.jp/, zuletzt geprüft am
22.05.2013.
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schooling in the early twentieth century. Routhledge, London / New York.
Fu-sheng Franke, Renata / Müller, Wolfgang (eds.) (2003): Das Bildungswesen in China. Reform
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Guo, Shibao / Guo, Yan (Eds.) (2016): Spotlight on China. Changes in Education under China’s
Market Economy. Sense Publishers, Rotterdam.
Huawei/TNS Infratest (2012): Deutschland und China – Wahrnehmung und Realität. Huawei
Technologies Deutschland GmbH, Berlin.
Kreft, Heinrich (2010): „Chinas Aufstieg – eine Herausforderung für den ‚Westen‘“. In: Aus
Politik und Zeitgeschichte, 39/2010; 27.09.2010, S. 35–40.
Kuang, Peng (2014): Das Chinabild im deutschen öffentlich-rechtlichen Fernsehen: eine
Inhaltsanalyse am Beispiel der China-Berichterstattung des ZDF im Jahr 2008.
Tectum-Verlag, Marburg.
Lee, Thomas H. C. (2000): Education in traditional China: a history. In: Altenmüller, H. et al.
(Eds.), Handbuch der Orientalistik, Abt. 4, China; Bd. 13, Brill, Leiden / Boston / Köln.
1 Einleitung
In diesem Beitrag möchten wir Textpassagen betrachten, in denen Begegnungen
zwischen dem deutschen und dem chinesischen Kulturraum mittels sprachlicher
Verfahren der Übertragung wie der Metapher und der Metonymie geschildert
werden, und zwar beim Essen. Uns scheint der kulinarische Diskurs aus zwei
Gründen besonders geeignet, um kulturelle Selbst- und Fremdzuschreibungen
in der Sprache zu untersuchen: Erstens materialisiert sich beim Essen Kultur – in
dem wörtlichen Sinne, dass die Zubereitung von Lebensmitteln in hohem Maße
kulturell kodiert und in semiotische Verweissysteme verwoben ist. Das Essen ist
demnach der Vorgang, in dem kulturelle Semiose in Körperlichkeit mündet und
Leiber über biochemische Stimulierung zu Kontextualisierungshinweisen model-
liert (zur semiotischen Dimension der Kulinaristik vgl. Posner/Wilk 2008). Auf
der anderen Seite sind nationale, regionale und lokale Küchen ein Schulbeispiel
für die transkulturelle Perspektive, die Kulturen als Verwirbelungen semiotischer
Ströme in lokalen Identitätsspielen auffasst (Mittler 2013) – man denke nur an
die globale Erfolgsgeschichte der Nudel als Stifterin kollektiver Identität (Neid-
hart 2007). Insofern ist die semiotische Herstellung von Identität und Alterität
ganz besonders erfolgreich am kulinarischen Diskurs zu untersuchen. Zweitens
spricht für den kulinarischen Diskurs auch noch das aus der Kunstwissenschaft
bekannte Morelli-Prinzip, das besagt, dass Zuschreibungen von Bildern an
Künstler besonders effektiv an solchen Details vorgenommen werden können,
die nicht im Fokus des Bildes stehen, sondern ganz nebensächlich erscheinen
(vgl. dazu Ginzburg 2002: 8139). Da nämlich griffen die routinisierten Bewälti-
gungspraktiken viel stärker, während man bei den zentralen Bildelementen ggf.
versuche, einen bestimmten Stil oder eine Schule zu imitieren. Gleichermaßen
kann man annehmen, dass Autorinnen und Autoren beim Reden über die Küche
Müller, Marcus, Prof. Dr., Professor für digitale Linguistik, Universität Darmstadt, Deutschland
Becker, Maria, M. A., Germanistische Linguistik, Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abtei-
lung Zentrale Forschung, Institut für Deutsche Sprache Mannheim, Deutschland
DOI 10.1515/9783110544268-006
120 Marcus Müller und Maria Becker
1 Diesem Umstand verdankt sich auch das hier zugrunde gelegte Korpus: Marcus Müller war im
Jahr 2014 Gastdozent an der Beijing Foreign Studies University (BFSU) und leitet, gemeinsam
mit dem Bandherausgeber Jia Wenjian, das deutsch-chinesische Graduiertennetzwerk ‚Fachkul-
turen – Sprachkulturen‘. Das hier analysierte Korpus entstand ursprünglich für eine Lehrveran-
staltung an der BFSU.
Von Hunden, Hürden und Brücken. 121
2 Wir danken Johanna Meyer für ihre wertvolle Unterstützung bei der Korpusrecherche für die-
sen Beitrag.
122 Marcus Müller und Maria Becker
Bhabha etabliert den Begriff des Thirdspace, des Dritten Raums, den er als Differenzprin-
zip versteht, „aus dem heraus dieser unabschließbare Aushandlungsprozess stattfinden
muss“. […] Bhabha wendet sich gegen die Vorstellung, dass kulturelle Bedeutungssysteme
auf ein ‚ihnen Eigenes‘ reduziert und damit von allen anderen getrennt betrachtet werden
können. Er schreibt: „Der interpretatorische Pakt besteht nie einfach in einem Akt der Kom-
munikation zwischen dem in der Aussage festgelegten Ich und Du. Um Bedeutung zu pro-
duzieren, ist es erforderlich, daß diese beiden Orte in eine Bewegung versetzt werden, bei
der sie einen Dritten Raum durchlaufen. Der Dritte Raum ist auf verschiedenen Ebenen in
erster Linie ein Äußerungsraum. Gleichzeitig ist er ein Begegnungsraum. Ein Ich und ein
Du sind nicht singulär zu verstehen.“ Die Interaktion zwischen Ich und Du generiert Bedeu-
tung. Sie ist ein Diskurs, den Bhabha räumlich denkt. Bedeutung kristallisiert sich in einem
Zwischenraum heraus, bleibt dabei stets beweglich und wandelbar. Sie ist das Dazwischen,
und der Dritte Raum konstituiert sich aus Differenzen.
Der kulturelle dritte Raum, um den es im Folgenden geht, formiert sich als
sprachlicher Reflex auf die „Schwellensituation“ (Parr 2011) der kulinarischen
Begegnung mit dem Fremden. Unsere nochmalige thematische Verengung auf
Metaphern und Metonymien zielt damit auf eine Zuspitzung eben dieses Hybrid-
charakters sprachlicher Kulturentwürfe im kulinarischen Diskurs, und zwar auf
je unterschiedliche Weise: Metaphern sind Paradefälle von dritten Räumen im
hier eingeführten Sinn. Am deutlichsten wird das im Modell der Blending Theorie
(Fauconier/Turner 2002, s. u.), wo ihre Wirkung damit beschrieben wird, dass auf
eine kontextsensitive und dynamische Weise zwei Wissensbereiche überblendet
werden. Metonymien wiederum werden als Tropus der Verschiebung oft einge-
setzt, um kognitive Fokussierungen vorzunehmen. Um in dem Bild der Optik zu
bleiben: Metonymien fungieren als Ringblenden, mit denen zentrale Motive einer
Situation hervorgehoben werden, so wie im bereits oben zitierten Fall: „Lautes
Schlürfen kühlt die heiße Flüssigkeit ab, schmatzendes Einsaugen, tief über die
Schale gebeugt, bringt die Nudeln leichter in den Mund“.
3 Als neuere Beispiele der germanistischen Forschung seien die Bände von Lefèvre (2014) und
Spieß/Köpcke (2015) genannt.
Von Hunden, Hürden und Brücken. 123
Lakoff/Johnson (1980) ist es zu verdanken, dass Metaphorik nicht mehr als sin-
guläres Phänomen gedacht wird, das an einzelnen Ausdrücken festzumachen
ist, sondern vielmehr als ein Grundprinzip der kognitiven Erschließung der Welt,
dessen Spuren sich allerorts in der Sprache finden. Metaphern sind nach der
Bestimmung Lakoffs und Johnsons zweidimensionale konzeptuelle Bereiche, die
entstehen, wenn zwei Konzepte aufeinander bezogen werden – ein ‚Ausgangsbe-
reich‘ und ein ‚Zielbereich‘ der Metapher werden demnach in einem metaphorical
concept übereinander projiziert. Es entstünde eine Vorstellung als ein Drittes. Der
metaphorische Prozess fände also nicht zwischen zwei Ausdrücken statt, sondern
vielmehr zwischen zwei mentalen Bereichen. In dem einflussreichen kognitiven
Metaphernmodell Fauconniers und Turners (2002) wird von vier Dimensionen
des metaphorischen Prozesses ausgegangen: Aus Quellbereich („Input I“) und
Zielbereich („Input II“) fließen auf der Basis gemeinsamer Grundlagen („Generic
Space“) Eigenschaften in einen Überblendungsbereich ein („Blend“). Hier ist
nun wichtig, dass metaphorische Verfahren zur kognitiven Erschließung der Welt
einerseits ubiquitär sind, also die gesamte Sprache durchziehen, andererseits
aber immer auch in Verdichtungen greifbar werden. Wir können also zwischen
transparenten und salienten metaphorischen Verfahren unterscheiden. Im Fol-
genden interessieren wir uns für Spuren salienter Blendingprozesse als Praktiken
der Konstitution dritter Räume im kulinarischen Diskurs.
Metonymien spielen eine ebenso elementare Rolle in Sprachwandel, Spra-
cherwerb und Sprachgebrauch. Allerdings werden Metonymien in der Forschung
nicht ganz so prominent behandelt, oft als eine Art Anhängsel in Metaphern-Ana-
lysen. Zudem ist der linguistische Begriff von Metonymie äußerst unscharf. Hier
meinen wir damit einen Prozess der kognitiven Verschiebung von Sachverhalt A
auf Sachverhalt B innerhalb einer Wissensdomäne auf der Basis von Kontiguitäts-
beziehungen (vgl. Croft/Cruse 2004: 216). Diese können logisch, ontologisch oder
kulturell bestimmt sein (Brinker 2010). Die häufigsten Typen von Metonymien
führen Croft/Cruse (2004: 2017) auf:
(a) Part-whole
Part for a whole: I noticed several new faces tonight.
Whole for part: Do you need to use the bathroom?
(b) Individual-class
Individual for a class: He’s no Heifetz.
Class for individual: Postman, this letter is covered in mud!
(c) Entity-attribute
Entity for attribute: Shares took a tumble yesterday.
Attribute for entity: He’s a size ten.
(d) Different values on same scale
Hyberbole: It’s practically absolute zero in here – shut the window!
Understatement: I’m feeling a bit puckish – I haven’t eaten for three days.
124 Marcus Müller und Maria Becker
(e) Opposites
Irony: Now let’s move on to the small matter of the £300,000 you owe us.
Metaphern und Metonymien interessieren uns hier also als Verfahren der sprach-
lichen Verdichtung der kulturell aufgeladenen kulinarischen Begegnung. Aller-
dings sind metonymische Prozesse ausweislich unseres Korpus diskursstruktu-
rell wesentlich bedeutender als metaphorische.
Das Korpus, das dieser Studie zu Grunde liegt, besteht aus deutschen Pressear-
tikeln zur chinesischen Küche. Es ist mittels der Mediendatenbank LexisNexis
zusammengestellt worden. Der Zugriff darauf erfolgte am 12.09.2013 mit folgen-
der Suchanfrage: ([china ODER chine! ODER Peking] I50 [Küche ODER kulinar!
ODER ess! ODER gegessen]) Die Erhebung erfolgte für den Zeitraum von 2012 und
2013. Es wurden also alle Dokumente gesucht, die im Radius von höchstens 50
Wörtern erstens entweder den Ausdruck “China”, ein Adjektiv oder Substantiv
mit dem Wortbestandteil “chine” oder “Peking” aufwiesen und zweitens den
Ausdruck “Küche”, ein Wort mit dem Bestandteil “kulinar” oder eine verbale
oder substantivische Flexionsform des Lemmas “essen” enthielten. Das Risiko
von Fehltreffern (false positives) wurde mit dem breiten Radius bewusst in Kauf
genommen, um auch solche Dokumente zu erheben, in denen das Thema ‘Essen’
nur am Rand eine Rolle spielt. Als Quelle wurde “Deutsche Zeitungen” eingege-
ben, die Duplikatsanalyse wurde mit der Einstellung “identisch” durchgeführt,
das heißt, das vollkommen identische Duplikate von Artikeln von der Erhebung
ausgeschlossen wurden. Artikel, die anderen lediglich ähnlich oder passagen-
weise identisch sind, wurden aber erhoben. Auf diese Weise entstand ein Korpus
mit 834 Dokumenten und 556.698 laufenden Wörtern (Tokens).
Das Korpus wurde in die Analyseumgebung CQPweb (Hardie 2012) auf der
Analyse-Plattform Discourse Lab (http://discourselab.de/) importiert. Durch
den Abgleich mit einem Referenzkorpus wurde anschließend zunächst eine Key-
wordliste erstellt. Bei dem Referenzkorpus handelt es sich um ein Pressetextkor-
pus zur aktuellen Asyldebatte, das mithilfe von LexisNexis anhand des Wort-
stamms -Asyl- erstellt wurde und aus 5110 Texten mit insgesamt 1.205.652 Tokens
Von Hunden, Hürden und Brücken. 125
besteht. Die auf diese Weise erstellte Keywordliste enthält insgesamt 16 Ausdrü-
cke aus dem semantischen Feld Essen, dies sind die im Folgenden aufgeführten
Lemmata: Essen, essen, Fisch, Fleisch, Food, Gemüse, Geschmack, Koch, kochen,
Küche, kulinarisch, Lebensmittel, Nudel, Restaurant, Speisen und Teller. Anschlie-
ßend wurden die Kotexte der Schlüsselwörter gesichtet und manuell auf meto-
nymische und metaphorische Praktiken hin untersucht. Die auf diese Weise eru-
ierten relevanten Textpassagen wurden anschließend kategorisiert und mittels
der Methodik der hermeneutischen Textarbeit (vgl. Felder/Müller/Vogel 2012) als
Verfahren der Herstellung von kultureller Identität und Alterität analysiert. Im
Folgenden stellen wir Analysen metaphorischer und metonymischer Praktiken
vor, um exemplarisch daran diejenigen Prozesskategorien aufzuzeigen, die uns
im oben beschriebenen Verfahren als bedeutsamste aufgefallen sind. Wir unter-
nehmen aber keinen quantifizierenden, sondern einen qualitativ kategorisieren-
den Zugriff auf unsere Daten.
4.2 Metaphorische Verfahren
Der erste Beleg steht für metaphorische Verfahren als Zeichen kultureller Abgren-
zung: Es geht um eine Rezension des Dokumentarfilms „Brenz Band goes China“,
der die Geschichte einer Konzerttour einer Ludwigsburger Musikgruppe erzählt.
Dort heißt es:
[Textbeleg 1]
Aber der 50-minütige Film hat nicht nur diese nachdenklichen Momente. Er ist auch sau-
komisch und lässt die Zuschauer laut rausprusten. Dann nämlich, wenn die europäischen
Musiker mit dem chinesischen Essen kämpfen. Vor Stäbchen, Reis oder glitschigen Nudeln
126 Marcus Müller und Maria Becker
sind alle gleich. Und alle nehmen es sehr gelassen in dem sehr beschwingten Film. (Stutt-
garter Zeitung, 03.12.2012)
Die Andersartigkeit der chinesischen und deutschen Kultur wird hier durch die
metaphorische Beschreibung der Tätigkeit des Essens als Kampf dargestellt. Stäb-
chen, Reis und glitschige Nudeln als prototypische Vertreter des semantischen
Feldes Chinesisches Essen erscheinen so als Gegner, die es zu besiegen gilt. Auf
diese Weise wird zum einen auf die für viele Europäer ungewohnte und schwierig
erscheinende Essenspraxis der Chinesen hingewiesen, zugleich wird aber auch
die Fremdheit der chinesischen Kultur für die deutsche Musikgruppe verdeutlicht.
Es sei darauf hingewiesen, dass in dem Satz „Vor Stäbchen, Reis oder glitschigen
Nudeln sind alle gleich“ mit alle nicht – wie ein Blick auf den weiteren Kotext
verrät – Deutsche und Chinesen gleichermaßen gemeint sind, sondern lediglich
die verschiedenen Mitglieder der zwölfköpfigen Band, von denen ein großer Teil
eine geistige Behinderung hat. Das chinesische Essen bzw. die Fähigkeit, nach
chinesischer Tradition mit Stäbchen zu essen, wird so zum Abgrenzungsmerkmal
zwischen den deutschen Musikern und deren chinesischen Gastgebern.
Der folgende Beleg steht exemplarisch für ein metaphorisches Verfahren der
Annährung kultureller Räume, und zwar mit der hegemonialen Praktik (Müller/
Becker im Druck, s. u.), die als fremd konzeptualisierten Nahrungsmittel mit
den vertrauten europäischen Wahrnehmungsgestalten zu überblenden. In dem
folgenden Textbeispiel, das aus einer Restaurantkritik eines Stuttgarter Lokals
stammt, bedient sich der Autor also einer kulinarischen Metaphorik, um auf die
Kompatibilität der deutschen und der chinesischen Küche – und Kultur – zu ver-
weisen:
[Textbeleg 2]
Serviert werden im Dim Sum Dishes neben chinesischen Maultaschen asiatische Tapas in
ungewöhnlichen Kombinationen, neudeutsch Fusion Food genannt. Das klingt urban und
entsprechend ist auch die Einrichtung des Lokals. (Stuttgarter Zeitung, 17.05.2013)
Die Rede ist hier von Fusion Food, worunter die Kombination unterschiedlicher,
zumeist internationaler Küchen und Kochkünste zu verstehen ist. Hierauf hat sich
auch das beschriebene Restaurant Dim Sum Dishes spezialisiert, das asiatische
Tapas und chinesische Maultaschen anbietet. Indem die Maultasche, eine Spezia-
lität der schwäbischen Küche, hier mit dem Attribut „chinesisch“ verknüpft wird,
Von Hunden, Hürden und Brücken. 127
wird die Kombinierbarkeit, die Kompatibilität der chinesischen und der schwäbi-
schen Küche, die traditionellerweise als gegensätzlich, ja geradezu unvereinbar
erscheinen mögen, in den Fokus gerückt. Ebenso wie mit der Maultasche eines
der regelmäßig als typisch deutschen Speisen gelisteten Gerichte angeführt wird,
werden auch die Tapas als prominente Vertreter der spanischen Küche genannt
und durch die Verknüpfung mit dem Attribut „asiatisch“ als Fusion Food aus-
gewiesen. Hier werden also jeweils prototypische Repräsentanten verschiedener
Landesküchen angeführt und durch attributive Verknüpfungen mit der chinesi-
schen bzw. asiatischen Küche verbunden. Dass derartige Kombinationen im sich
anschließenden Nebensatz als „ungewöhnlich“ bezeichnet werden, verweist auf
die oben bereits erwähnte Gegensätzlichkeit der entsprechenden Küchen. Die
asiatischen Tapas werden somit gemeinsam mit der chinesischen Maultasche
nicht nur zum Zeichen für kulinarische Kombinierbarkeit, sondern lassen sich
zugleich im metaphorischen, bedeutungsübertragenden Sinne, als sprachliche
Bewältigung, als Auflösung von ursprünglicher Fremdheit und somit zugleich als
Symbol der kulturellen Annäherung im kulinarischen Diskurs interpretieren.
4.3 Metonymische Verfahren
[Textbeleg 3]
Für ein sicheres und angenehmes Reisegefühl erwarteten Chinesen im Ausland beispiels-
weise, ein „Stück Heimat als Rückzugsort vorzufinden“. Dazu gehörten chinesisches Essen,
Zugang zu chinesischen Medien oder „ein Wasserkocher im Hotelzimmer, um jederzeit Tee
oder Instantnudeln“ zubereiten zu können. (Südwestpresse, 05.01.2013)
Chinesisches Essen wird hier ebenso wie Tee oder Instantnudeln durch die Dekla-
ration als „ein Stück Heimat“ zum pars pro toto für chinesische Kultur. Tee und
Nudeln als typische Bestandteile chinesischer Kultur werden als „Rückzugsort“
für chinesische Touristen in Deutschland thematisiert. Durch chinesisches Essen
und Trinken, das hier als Kernstück chinesischer Identität dargestellt wird, wird
so das Bekannte in die fremde Kultur transportiert, ohne dabei jedoch selbst Teil
dieser zu werden.
[Textbeleg 4a]
Ist es möglich, Maultaschen mit Stäbchen zu essen? Diese Frage können sich chinesische
Urlaubsgäste bei praktischen Übungen selbst beantworten. Denn sie werden neben Messer
und Gabel immer öfter auch Stäbchen vorfinden. Die Zahl der chinesischen und indischen
Urlauber im Schwarzwald steigt stark. Zwischen Januar und Mai 2013 gab es bei Gästen aus
Asien und aus Israel jeweils zwischen zehn und 20 Prozent Plus. (Südwestpresse, 22.07.2013)
Dass der Bericht der Südwestpresse über die steigende Anzahl von Touristen aus
Asien und die damit einhergehenden Veränderungen und Anpassungen in der
Tourismusbranche mit der Frage eingeleitet wird, ob es möglich sei, Maultaschen
mit Stäbchen zu essen, verweist zunächst auf die Frage der ‚Kombinierbarkeit‘
verschiedener kultureller Kontexte. Dass eine solche Kombination möglich und
insbesondere auch praktizierbar ist, erfährt der Leser hier am Beispiel von Gast-
ronomiebetrieben im Schwarzwald, die ihren Gästen einerseits Gerichte der deut-
schen Küche servieren, bei der Wahl des Bestecks jedoch auch auf die Herkunfts-
länder der Gäste bedacht sind. Gleichzeitig wird der Kulturkontrast durch die
Von Hunden, Hürden und Brücken. 129
[Textbeleg 4b]
Nicht nur in China, auch in Brasilien und Russland sei eine „reisefreudige und kaufkräftige
Mittelschicht“ entstanden, die hohe Anforderungen an die Gastgeber stelle, berichtet die
Tourismus-Gesellschaft. Sie appelliert an Gastgeber, Gastronomen und Hoteliers, sich auf
diese Gäste und deren Kultur einzulassen ohne sich und das eigene Brauchtum zu verbie-
gen. Authentisch bleiben, heißt die Devise. (Südwestpresse, 22.07.2013)
Als Motiv für die kulturelle Annäherung – ja Anpassung („sich auf diese Gäste
und deren Kultur einzulassen“) – fungiert hier die Beschreibung der auslän-
dischen Gäste als „reisefreudige und kaufkräftige Mittelschicht“. Gleichzeitig
wird jedoch die Wichtigkeit betont, eigene Traditionen zu repräsentieren und
hervorzuheben – wobei zunächst nicht näher darauf eingegangen wird, worin
die Brauchtümer genau bestehen –, das Schlüsselwort ist hier Authentizität.
Dieses setzt sich aus den griechischen Wörtern „autos“ („selbst“) und „ontos“
(„seiend“) zusammen. Authentisch zu sein bedeutet demgemäß seinem wahren
Selbst entsprechend zu handeln (Harter 2002) und scheint daher zunächst nur
schwerlich in Verbindung zu bringen zu sein mit dem Konzept kultureller Annä-
herung. Gerade die Balance zwischen der Wahrung von Authentizität und des
Sich-Einlassens auf eine der eigenen fremde Kultur stellt also eine große Heraus-
forderung dar. Hier ist gut zu besichtigen, wie sprachliche Identitätsarbeit im von
Bhabha beschriebenen dritten Raum funktioniert: Die Versicherung des Eigenen
scheint als Möglichkeit erst in der Thematisierung des Fremden als Möglichkeit
des Eigenen auf. Das „Brauchtum“ wird hier ja gerade als Modus der Positionie-
rung im Angesicht der „Gäste“ konzeptualisiert. Der Beleg geht weiter:
[Textbeleg 4c]
Genau das könnte zu Konflikten führen. Denn echte Schwarzwälder nehmen, wenn sie
authentisch sind, kein Blatt vor den Mund und kaum Rücksicht auf die Bedürfnisse zart-
besaiteter Gäste. Deshalb könnte schon ein kleines „Nein“ zu Irritationen führen. Chinesen
könnten sich in ihrem Harmonie-Empfinden gestört fühlen […]. (Südwestpresse, 22.07.2013)
Hier wird nun auf die zuvor noch offen gebliebene Frage nach der genauen
Beschaffenheit der Brauchtümer, die in der Begegnung mit anderen Kulturen
130 Marcus Müller und Maria Becker
[Textbeleg 4d]
Wenn sich der Schwarzwald für asiatische Gäste öffnen möchte, sollten die Gastgeber mit
den zahlungskräftigen und konsumfreudigen Urlaubern umgehen können. […] Und sie
sind bereit, für guten Service gut zu bezahlen. Chinesen erwarten deshalb, dass neben dem
Teller Stäbchen liegen. Wenn diese dann auch noch aus echt Schwarzwälder Tannenholz
geschnitzt wären, wäre die Begeisterung perfekt. (Südwestpresse, 22.07.2013)
[Textbeleg 5]
Lust auf chinesische Erdbeeren, das hat im Gemeinderat keiner. Und diese Früchte sollten
auch den Kindern in der noch zu bauenden Kindertagesstätte in Stetten nicht serviert
werden. Darin waren sich die Stadträte von L.-E. am Dienstagabend in der Zehntscheuer
einig. […] SPD-Stadtrat Erich Klauser machte klar: ‚Niemand hat Lust auf chinesische Erd-
beeren.‘ (Stuttgarter Zeitung, 11.10.2012)
Die Tiefkühlerdbeeren aus China, die, wie im weiteren Verlauf des Artikels deut-
lich wird, Auslöser einer Brechdurchfallerkrankung von über 11.000 Menschen,
vorwiegend Kindern und Jugendlichen, waren, fungieren hier als pars pro toto für
schlechte Qualität und mangelnde Frische des Essens in Schulen und anderen
Einrichtungen. Dabei fällt auf, dass das Attribut „chinesisch“, das zuvor noch
in Verbindungen wie „chinesische Maultasche“ (siehe Textbeleg 2) auf die Kom-
patibilität der deutschen und der chinesischen Küche und Kultur verwies, hier
nun vielmehr als Abgrenzungsmarker fungiert: Lebensmittel aus China werden
132 Marcus Müller und Maria Becker
[Textbeleg 6 und 7]
Es war die chinesische Tiefkühlerdbeere, die im Herbst eine Brechdurchfall-Epidemie
auslöste. Allein in Berlin ging es 3.000 Kindern schlecht. Sie hatten ein mit Noroviren ver-
seuchtes Dessert gegessen, das ein Caterer an Kitas und Schulen in Ostdeutschland geliefert
hatte. (taz, 09.02.2013)
Wir leben in einer schnelllebigen Zeit. Und deshalb ist fast schon in Vergessenheit geraten,
dass im Herbst 2012 mehr als 11 000 Schüler an schwerem Brechdurchfall erkrankten,
nachdem sie chinesische Tiefkühl-Erdbeeren gegessen hatten. (Stuttgarter Zeitung,
16.02.2013)
[Textbeleg 8]
Im Mai sind 15 Zehntklässler des Marbacher Friedrich-Schiller-Gymnasiums (FSG) nach
China gereist. Rund drei Wochen lang haben sie das Land erkundet und Partnerstädte und
-schulen besucht. Die Chinesischlehrerin Marion Rath war dabei und berichtet im Gespräch
von ihren Erlebnissen.
(lacht): Nein, auf dem alltäglichen chinesischen Speiseplan steht der auch eigentlich nicht.
Die Chinesen essen – wie wir auch – viel Schwein und Rind. (Stuttgarter Nachrichten,
07.06.2013)
Der entscheidende Punkt ist hier die erste Frage des Journalisten, in welcher
durch das Stereotyp vom Hund als prototypischer chinesischer Speise gleich zu
Beginn des Interviews die Unterschiede zwischen der chinesischen und der deut-
schen Küche in den Fokus gerückt werden, was allerdings von der interviewten
Lehrerin als nicht zutreffend zurückgewiesen wird. Zur Beschreibung der chinesi-
schen Kultur wird hier, wie bereits in Textbeleg 4c, herangezogen, was als typisch
gilt, wobei die Typik sich vor allem als Differenzeffekt zur deutschen Kultur kon-
stituiert – auch hier zeigt sich der dritte Raum Bhabas. Auch im Hinblick auf
weitere Texte erweist sich der Hund als debattenbeherrschendes Lebensmittel
des deutsch-chinesischen kulinarischen Diskurses. Dass sich gerade diesbezüg-
lich kulinarische und zugleich kulturelle Inkompatibilitäten herauskristallisie-
ren, unterstreicht auch folgender Beleg aus der Onlineausgabe des Spiegels, in
welchem ein Besucher des jährlichen „Hundefleisch-Festivals“ im chinesischen
Yulin folgendermaßen zitiert wird:
[Textbeleg 9]
„Wenn ihr aufhört Rind zu essen, hören wir auch auf, Hund zu essen“, sagt ein Festival-
Teilnehmer. „Es schmeckt gut und ist nahrhaft“, behaupten andere. Hundefleisch zu essen,
bringt Glück, so der weitverbreitete Irrglaube. (Spiegel Online, 22.06.2015)
Durch das Nebeneinander von Hund und Rind als Nahrungsmittel wird hier
metonymisch eine Parallele zwischen der deutschen und chinesischen Kultur
gezogen, die jedoch vielmehr deren Differenzen als Gemeinsamkeiten hervor-
hebt. Denn während die Frage, ob sie in China Hund gegessen habe, von der Leh-
rerin in Textbeleg 8 noch verneint und mit einem Hinweis auf Gemeinsamkeiten
in der Wahl von Lebensmitteln abgewiegelt wurde („Die Chinesen essen – wie
wir auch – viel Schwein und Rind“), wird Hundefleisch hier von dem Festival-
besucher als wohlschmeckend und nahrhaft beschrieben. In dem sich anschlie-
ßenden Verweis auf einen „weitverbreitete[n] Irrglaube[n]“, demzufolge es Glück
bringe, Hundefleisch zu essen, lässt sich eine Entindividualisierung des Fremden
134 Marcus Müller und Maria Becker
5 Fazit
In unseren Daten hat sich auf vielfältige Weise gezeigt, wie sich in der Analyse
des kulinarischen Diskurses Vorstellungen von kollektiver Identität und kultu-
reller Begegnung widerspiegeln und in diesem Sinne Aufschluss geben über
Bewältigungsverfahren der Begegnung mit demjenigen, was jeweils als das
Andere erfahren wird. Wir haben den Fokus unserer Analyse dabei auf meta-
phorische und metonymische Prozesse der Bedeutungskonstitution gelegt, die
wir als Basisverfahren der sprachlichen Bewältigung des Anderen beschrieben
haben. Dabei hat die Korpusanalyse gezeigt, dass metaphorische Prozesse eher
in lokalen Verdichtungen von Annährung oder Abgrenzung wirken, während
metonymische Verfahren die diskursstrukturell äußerst bedeutsamen tiefense-
mantischen Figuren konstituieren. Dabei kristallisieren sich zweierlei, sich wech-
selseitig beeinflussende Verfahren heraus, nämlich die semiotische Herstellung
von Identität und Alterität (vgl. Müller/Becker im Druck). In der durch den Tropus
erreichten konzeptuellen Verdichtung konstituiert sich ein hybrider Raum, in
dem das Eigene durch das Fremde als Eigenes aufscheint und dadurch erst als
kognitive Bewältigungsgestalt des als fremd Wahrgenommenen fungieren kann.
Dadurch haben die in unseren Korpusbelegen analysierten Konzepte die Form
von „dritten Räumen“ im Sinne Bhabhas (2000).
Dass das Reden und Schreiben über das Essen eng verwoben ist mit einer
Manifestation von Kultur, hat sich in den Belegen verschiedentlich gezeigt, etwa
in der Thematisierung der aus Schwarzwälder Holz geschnitzten Essstäbchen als
Symbol kultureller Annäherung und Anpassung oder anhand des Stereotypen
vom Hund als chinesischem Nahrungsmittel, das als Sinnbild der Fremdheit der
chinesischen Kultur aus deutscher Perspektive fungiert. Die Tropen sind hierbei
ein Katalysator der Dialektik der Begegnung im dritten Raum: Die metaphorischen
und metonymischen Markierungen des Fremden sind als Markierung oft eben
nicht fremd, sondern vertraute Bestandteile des interkulturellen Diskurses, z. B.
der Tee, der Hund als vermeintliches Grundnahrungsmittel oder die Stäbchen als
Essbesteck. Wenn nun neue „Schwellensituationen“ (Parr 2011) entstehen, etwa
Von Hunden, Hürden und Brücken. 135
durch den Tourismus, in denen vertraute Stereotype durch neue Erfahrungen her-
ausgefordert werden, dann dienen die vertrauten Fremdheitsmarkierungen dazu,
das Neue zu thematisieren und kognitiv zu bearbeiten – das Neue liegt aber nicht
selten darin, dass im vermeintlich Fremden das Eigene entdeckt wird oder aber
das immer schon Fremde nach und nach zum Eigenen wird. Im kulinarischen
Diskurs als kulturpolitischem Nebengleis lassen sich solche Prozesse wesentlich
besser und prägnanter beobachten als in weltpolitischen Diskursen, die durch
Deutungsrahmen wie Demokratie und Diktatur oder das Links-Rechts Schema
überlagert sind. Insofern meinen wir Anzeichen dafür gefunden zu haben, dass
gerade die Analyse tropischer Verdichtungen beim Reden über das Essen ein
Gradmesser für die Festigkeit oder Dynamik kultureller Kontexte sein kann.
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Das Bild Chinas in der deutschsprachigen Presse:
Fokusstudien II – Inhalts- und Diskursanalysen
Zhao Jin
Die Wechselwirkung des Selbstbildes und
des Fremdbildes
Analyse von Medienberichten zu Sino-Afrika-Beziehungen
1 Einleitung
Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung und der immer wichtigeren Rolle Chinas
in der Weltpolitik nehmen in Deutschland auch die Berichterstattungen über
China zu, so dass auf der wissenschaftlichen Ebene zahlreiche Forschungsar-
beiten zu deutschen Medienberichten über China bzw. zum deutschen Chinabild
in den letzten Jahren zustande gekommen sind. Neben themenübergreifenden
Forschungen (z. B. Jia 2008, Ritta/Gebrauer 2010, Bieber 2011, Braun 2011) sind
insbesondere Untersuchungen zu einem bestimmten Ereignis auffällig, wie zum
Beispiel über die Olympischen Spiele 2008 in Beijing (Pfeifer 2009, Shen 2009,
Peuckmann 2010, Zhao 2010), über die Weltausstellung Expo 2010 in Shanghai
(Gu 2011), über die „Tibet-Frage“ (Wang 2010), über das Diaoyu Dao1-Ereignis (Li
2014) usw., aber auch das wirtschaftsbezogene Chinabild wird schwerpunktmä-
ßig erforscht (Wang 2009, Zhao 2010, Zhou/Wang 2011). Dabei betrifft ein wich-
tiger Aspekt die (Wirtschafts-)Beziehungen zwischen China und Afrika. Denn in
der von Carola Richter und Sebastian Gebauer durchgeführten Studie Die China-
Berichterstattung in den deutschen Medien (2010), die die Berichte in sechs Zei-
tungen und Zeitschriften sowie zwei Fernsehsendungen über China im Jahr 2008
untersucht hat, wurde herausgefunden, dass 1,2% aller untersuchten Beiträge
sich dem Thema chinesisch-afrikanische Beziehungen widmen (vgl. S. 151). Ins-
gesamt ruft das chinesische Engagement in Afrika heftige Kritik bzw. Vorwürfe
aus dem Westen hervor (vgl. Zhao 2010: 417 f.) und wird als Neokolonialismus
1 Diaoyu Dao oder die Senkaku-Inseln sind eine unbewohnte Inselgruppe auf dem Festlandso-
ckel im Ostchinesischen Meer. Es besteht Streit zwischen der Volksrepublik China sowie Taiwan
und Japan bezüglich des territorialen Anspruches auf diese Inselgruppe.
Zhao, Jin, Prof. Dr., Professorin für germanistische Linguistik, Deutsche Fakultät, Tongji-Univer-
sität, China
DOI 10.1515/9783110544268-007
140 Zhao Jin
bezeichnet (vgl. Wang 2009: 65, Richter/Gebauer 2010: 158), aber „ohne dieses
Bild näher zu hinterfragen“ (Richter/Gebauer 2010:151).
In der Tat spielen die sino-afrikanischen Beziehungen in der chinesischen
Außenpolitik eine wichtige Rolle. Beispielsweise hat der chinesische Staatsprä-
sident Xi Jinping die erste Auslandsreise kurz nach seinem Amtsantritt nach
Afrika unternommen. Hinsichtlich dieser außenpolitischen Präsenz Chinas in
Afrika finden sich sowohl in deutschen als auch in chinesischen Medien zahl-
reiche Berichte bzw. Kommentare über die sino-afrikanischen Beziehungen.
Der vorliegende Beitrag wird insofern versuchen, die neokolonialistische Dis-
kursentfaltung deutscher Medienberichte in Kontrast zu den Gegenargumenten
der chinesischen zu analysieren und die möglichen Gründe für die Unterschiede
des deutschen Chinabildes und des chinesischen Selbstbildes diesbezüglich zu
untersuchen.
Insgesamt sind sechs Beiträge von der F.A.Z., fünf von der Welt, ein Beitrag
im Spiegel2 sowie 29 Beiträge der Wenhui Zeitung und 67 der Volkszeitung im Zeit-
raum vom 16. bis zum 31. März 2013 über die sino-afrikanischen Beziehungen
anlässlich des Besuchs Xi Jinpings in Afrika vorgekommen. Darunter haben sich
drei deutsche Beiträge jeweils aus der Welt, der F.A.Z. und dem Spiegel sowie
drei chinesische Beträge aus der Wenhui Zeitung mit dem neokolonialistischen
Diskurs auseinandergesetzt, diese werden in der vorliegenden Arbeit als Korpus-
texte dienen.
Methodisch basiert die Analyse auf dem diskurslinguistischen Analyse-
modell (vgl. Spitzmüller/Warnke 2011), d. h., die Korpustexte werden auf der
intratextuellen Ebene hinsichtlich der Wortwahl, der Satzstruktur sowie des
Textaufbaus untersucht, um die Diskursstränge herauszuarbeiten. Auf der tran-
stextuellen Ebene gilt zu fragen, welche relationalen Informationen mit dem
Kernsachverhalt in Texte einbezogen werden, welche strukturellen sowie inhalt-
lichen Funktionen solche Kombinationen aufweisen; ob es durch Wiederholun-
gen entstandene Stereotypen von dem Referenzierten gibt, die die Wahrnehmung
der Rezipienten beeinflussen können; ob die eigene Perspektive als Maßstab bei
der Betrachtung und Bewertung des Fremden angelegt wird; ob die Aussagen von
dem eigenen Interesse ausgegangen sind und welche Ideologie als Stütze bei der
Argumentation dient.
2 Der Spiegel-Text ist zwar vom 18. Nov. 2013, aber bezieht sich ebenfalls auf den Staatsbesuch
von Xi Jinping in Afrika, insofern wird er auch in das Korpus aufgenommen.
Die Wechselwirkung des Selbstbildes und des Fremdbildes 141
2 Untersuchungsergebnisse
In den untersuchten drei deutschen Beiträgen wird zum einen China der Neoko-
lonialismus direkt zugesprochen:
Beispiel 1:
„[Sanusi sagte,] China trage mit einer neuen Form des Imperialismus3zur Unterentwick-
lung des Kontinents bei.“ („Vom losen Bündnis zur festen Ehe“)
Beispiel 2:
„Die südafrikanische Mitgliedschaft nutzt alleine China, dessen Unternehmen sich mit
rasanter Geschwindigkeit in Afrika ausbreiten. Und damit dieses Streben nach Hegemonie
nicht allzu rüde wirkt, verkleidet Peking es geschickt als Solidarpakt der ehedem Unter-
drückten.“ („Kolonialismus 2.0“)
Beispiel 3:
„China kopiert ungeniert das Geschäftsmodell der alten Kolonialmächte, nennt es aber
‚Handel unter Gleichen‘.“ („Kolonialismus 2.0“)
Beispiel 4:
„[Chef der Zentralbank von Nigeria, Lamido Sanusi findet,] China betreibt eine neue Form
der Kolonisierung.“ („Kolonialismus 2.0“)
Beispiel 5:
„Lamido Sanusi, Gouverneur der Zentralbank Nigerias, verspürt schon einen ,Hauch von
Kolonialismus’.“ („Der Drache und der Strauß“)
Beispiel 6:
„In den Townships werden die neuen Einwanderer ,yellow masters’ geschimpft, gelbe
Kolonialherren. Die Chinesen seien gierig, rücksichtslos und oft auch rassistisch.“
(„Der Drache und der Strauß“)
Beispiel 7:
„Bagamoyo war einmal die Hauptstadt der Kolonie Deutsch-Ostafrikas von 1888 bis
1891, dann wurde der Verwaltungssitz nach Daresssalam verlegt, weil das Gestade für einen
richtigen Seehafen zu flach war. Seither scheint hier die Zeit stehen geblieben. ,Aber bald
wird in Bagamoyo nichts mehr so sein wie es immer war’, sagt Marie Schaba. ,Denn jetzt
kommen die neuen Herrscher der Welt, die Chinesen.’“ („Der Drache und der Strauß“)
Beispiel 8:
„,Die Geschichte wiederholt sich’, sagt Marie Schaba, die Kulturaktivistin. ,Früher wurden
über Bagamoyo Elfenbein und Sklaven exportiert, heute sind es Bodenschätze.’“ („Der
Drache und der Strauß“)
Beispiel 9
„Das Reich der Mitte stieg zum wichtigsten Wirtschaftspartner Afrikas auf, es hat die
alten Großmächte – Großbritannien, Frankreich und die USA. – überholt.“ („Der Drache
und der Strauß“)
Beispiel 10:
„,West is best’– das war einmal. Enttäuscht von Europa und Amerika[…] schauten die Afri-
kaner in den Fernen Osten. Dort fanden sie einen starken Verbündeten – einen, der vor
Die Wechselwirkung des Selbstbildes und des Fremdbildes 143
allem Big Business machen möchte und sich nicht in ihre inneren Angelegenheiten ein-
mischt.“ („Der Drache und der Strauß“)
Beispiel 11:
„In autoritären Staaten wie Äthiopien, Uganda oder Ruanda ist das Leitbild der chinesi-
schen Entwicklungsdiktatur längst eine willkommene Alternative zur liberalen Demo-
kratie, mehr Wachstum, weniger Freiheit.“ („Der Drache und der Strauß“)
Beispiel 12:
„Afrika wurde gerade zum zweiten Mal aufgeteilt, wie damals, 1885, auf der Berli-
ner Konferenz der europäischen Kolonialmächte, sagt Shaba.“ („Der Drache und der
Strauß“)
Aus den obigen Beispielen sind zwei Kontrastmuster herauszulesen, nämlich das
diachronische und das synchronische. Zeitlich wird das heutige China mit den
Kolonialmächten in der Geschichte verglichen – zum Beispiel mit dem Bild der
Chinesen als neue Herrscher der Welt in der Hauptstadt der ehemaligen deut-
schen Kolonie (Beispiel 7), dem Vergleich des afrikanischen „Exports“ von Elfen-
bein und Sklaven an die Kolonialmächte in der Geschichte mit dem Export der
Bodenschätze nach China von heute (Beispiel 9), und dem Vergleich der Auftei-
lung Afrikas auf der Berliner Konferenz der europäischen Kolonialmächte in der
Geschichte mit der erneuten Aufteilung Afrikas vor allem durch China von heute
(Beispiel 12). Durch diese Kontrastierung wird China den alten Kolonialmächten
vergleichbar gemacht. In dem synchronischen Muster wird China in Gegensatz zu
dem Westen gebracht, wie zum Beispiel das Reich der Mitte als wichtigster Wirt-
schaftspartner Afrikas vs. die alten Großmächte mit reduziertem wirtschaftlichen
Einfluss in Afrika (Beispiel 9), Europa und Amerika mit politischen Konditionen
bei der Entwicklungshilfe vs. chinesisches Wirtschaftsinteresse ungeachtet der
politischen Verantwortung (Beispiel 10), chinesische Entwicklungsdiktatur vs.
westliche liberale Demokraten (Beispiel 11). Durch diese Kontraste wird China
einerseits als Nachahmer oder Nachfolger der alten Großmächte betrachtet und
andererseits aufgrund seines Verhaltens im Unterschied zum heutigen Westen
moralisch wie politisch in ein negatives Licht gerückt.
Zum dritten wird das chinesische neokolonialistische Bild indirekt konstru-
iert, und zwar aus verschiedenen Perspektiven:
1. Wirtschaftlich zielten die chinesischen Aktivitäten in Afrika darauf ab,
– Rohstoffe auszubeuten und Absatzmärkte zu erschließen bzw. auszu-
bauen:
144 Zhao Jin
Beispiel 13:
„[Nigerias Zentralbankchef Lamido Sanusi sagte,] das Land kaufe preiswert Rohstoffe und
exportiere seine daraus produzierten Produkte dann wieder nach Afrika.“ („Vom losen
Bündnis zur festen Ehe“)
Beispiel 14:
„Dass China afrikanische Rohstoffe mit Infrastruktur bezahlt, ist noch der beste Teil der
inzwischen sehr einseitigen Handelsbeziehungen. Dass Peking aber gleichzeitig Afrika
mit seinen Billigprodukten überschwemmt und damit jede heimische Produktion
abwürgt, ist der weniger schöne Teil“ („Kolonialismus 2.0“)
Beispiel 15:
„Dass der Schwerpunkt der Unterstützung auf den Aufbau einer industriellen Infrastruktur
in Afrika gelegt wird, glaubt zuerst jedenfalls niemand. Es wird wohl daher auf die Finan-
zierung chinesischer Exporte hinauslaufen.“ („Kolonialismus 2.0“)
Beispiel 16:
„China, die Wirtschaftsgroßmacht aus Asien, ist hungrig nach Bodenschätzen, Energie,
Nahrungsmitteln und Absatzmärkten.“ („Der Drache und der Strauß“)
Beispiel 17:
„Sie erließen Schulden, gewährten Milliardenkredite, besiegelten Rüstungsgeschäfte, ver-
teilten großzügige Entwicklungsgeschenke. Vor allem aber sicherten sie sich den Zugriff
auf Afrikas Rohstoffe.“ („Der Drache und der Strauß“)
Beispiel 18:
„Sie würden Afrika nur ausbeuten, seine Märkte mit Billigprodukten überschwem-
men und die ohnehin schwache heimische Industrie ruinieren.“ („Der Drache und der
Strauß“)
Beispiel 19:
„[…] dann entpuppt sich Brics vor allem als ein Vehikel für chinesische Wirtschaftsin-
teressen. […] Handel wohlgemerkt, nicht Investitionen. Aus dieser Sicht ist Brics nichts
Die Wechselwirkung des Selbstbildes und des Fremdbildes 145
Beispiel 20:
„Von langfristigen Investitionen etwa in Produktionsstätten, die helfen würden, die
Arbeitslosigkeit zu senken, ist dabei kaum die Rede.“ („Kolonialismus 2.0“)
Auch die Brics-Gruppe (Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika) wird
als Mittel des einseitigen chinesischen Wirtschaftsinteresses interpretiert. Dabei
gehe es nicht um egalitäre Zusammenarbeit, auch nicht darum, Südafrika wirt-
schaftlich zu unterstützen (Beispiel 19), sondern nur um die Eigennützigkeit
Chinas, die anderen Mitgliedsländer auszunutzen und seine Wirtschaftsinteres-
sen durchzusetzen.
2. Politisch unterstütze China die einheimischen Herrschaftsgruppen und
sichere indirekt ihre Macht:
Beispiel 21:
„China knüpft keinerlei politische Konditionen an die wirtschaftliche Zusammenarbeit,
im Gegensatz zum Westen. Deswegen schätzen auch Despoten wie Simbabwes Präsident
Robert Mugabe die Genossen aus China so: Die Kooperation füllt die leeren Haushaltskas-
sen und sichert ihre Macht. Und Afrikas Diktatoren werden nicht geschurigelt, wenn sie
ihre Völker unterdrücken und ausplündern.“ („Der Drache und der Strauß“)
Beispiel 22:
„Chinas staatliche Nachrichtenagentur Xinhua unterhält mittlerweile 28 Büros in Afrika,
mehr als jeder westliche Konkurrent. Das Staatsfernsehen CCTV, das im Vorjahr eine
neue Propagandazentrale in Nairobi eingerichtet hat, zählt immer mehr Zuschauer.
Denn statt der üblichen Katastrophenberichte verbreitet der Sender überwiegend „good
news“ aus Afrika und präsentiert China als „wahren Freund.“ („Der Drache und der Strauß“)
146 Zhao Jin
Auch kulturell habe China westliche Konkurrenten hinter sich gelassen und
seinen Einfluss in Afrika schnell ausgebreitet, indem es zahlreiche Büros von der
staatlichen Nachrichtenagentur einrichte und immer mehr Zuschauer zum CCTV
anziehe. Die Methode dazu sei „Propaganda“ durch die Verbreitung von „good
news“ und durch Selbstinszenierung als „wahren Freund“.
4. Chinas wirtschaftliche Aktivitäten assoziieren militärische Aktivitäten:
Beispiel 23:
– „Chinesische Unternehmen erobern den schwarzen Kontinent […].“
– „Chinas ökonomische Offensive in Afrika begann vor der Jahrtausendwende.“
– „Der ,Einfall’ Chinas […]“
– „[…] er warnt vor einer zweiten Welle der Eroberung.“
– „Im derzeitigen Boom, der vor allem durch Chinas Offensive beflügelt wird, [ …]“
(„Der Drache und der Strauß“)
Zwar gibt es keine militärische Aktivität von China in Afrika, aber seine wirt-
schaftlichen Aktivitäten werden in eine militärische Metaphorik gekleidet. Denn
„erobern“, „Eroberung“, „Offensive“ und „Einfall“ stammen ausnahmslos aus
dem Bereich des Militärs.
Aus der obigen Analyse ist ersichtlich, dass China entweder dem (Neo)Kolo-
nialismus direkt zugeschrieben oder eine Analogie zwischen China und den alten
Kolonialmächten gezogen wird. Indirekt wird China aus den wirtschaftlichen,
politischen, kulturellen und militärischen Perspektiven auch als (neo)kolonia-
listisch profiliert, was den Charakteristika des (Neo)Kolonialismus-Begriffs ent-
spricht. Denn Kolonialismus macht „Kolonien[…] [des] ,Mutterland[es]’politisch,
wirtschaftlich und kulturell abhängig“, um v. a. beim „[a]us Ethnozentrismus
resultierende[n] kulturelle[n] Überlegenheitsgefühl […] ,primitive’ Völker [zu
modernisieren]“, „(billig[e]) Rohstoff[e] und (günstig[e]) Absatzmärkt[e] für
die heimische Wirtschaft [zu sichern]“ sowie „ein[e] profitabl[e] Kapitalver-
wertung (Investition) und ein[en] hohen Lebensstandard[…] für die inländische
Bevölkerung [zu sichern]“ (Hillmann 52007: 434 f.). Dagegen wird Neokoloni-
alismus betrieben, um „die gesellschaftlichen Strukturen und die politischen
und wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnisse der ehemaligen Kolonial-
gebiete nach ihrer politischen staatlichen Souveränität aufrechtzuerhalten“,
was oft „in offenen oder gedeckten militärischen Interventionen zum Schutz
traditioneller und von den Industrieländern gestützter und abhängiger einhei-
mischer Herrschaftsgruppen ebenso wie in einer Entwicklungs- und Kapi-
talhilfe“ gehandhabt wird (Hillmann 52007:614 f.). Die chinesisch-afrikanischen
Aktivitäten werden in ihrer wirtschaftlichen Rohstoffausbeutung und Absatz-
markterschließung mittels der Entwicklungs- und Kapitalhilfe, dem indirek-
ten politischen Schutz der einheimischen Herrschaftsgruppen, der kulturellen
Die Wechselwirkung des Selbstbildes und des Fremdbildes 147
In den chinesischen Medien sind drei Beiträge zu finden, die sich mit dem neo-
kolonialistischen Vorwurf auseinandersetzen. Die Gegenargumente richten sich
v. a. an die Ansicht Lamido Sanusis, dass China Afrika ausbeute und kolonisiere,
und werden im Zeitungsartikel „Das chinesische Wirtschaftswachstum wird
bestimmt dem Wohl Afrikas dienen“ wie folgt dargestellt:
schen und der afrikanischen Wirtschaft China nicht einseitig Nutzen aus der bei-
derseitigen Wirtschaftsbeziehung gezogen habe, sondern Afrika auch viel davon
profitiert habe.
Gegenargument 2 bezieht sich auf die kolonialistische Kritik an China und
versucht, aus der Definition von Kolonialismus heraus zu begründen, dass die
Kolonialherrschaft der westlichen Großmächte in der Geschichte sowohl in der
Ursache, der Zielsetzung als auch in der Folge mit den heutigen chinesischen
Aktivitäten in Afrika nichts zu tun habe. Darüber hinaus wird auch angedeutet,
dass die entkolonialisierten afrikanischen Länder aufgrund ihrer Kolonialge-
schichte Kolonialismus besser kannten, aber selber keine kolonialistische Kritik
an China geübt hätten.
Gegenargument 3 hat mit dem Zitat von Ọbasanjọ, dem ehemaligen Präsi-
denten von Nigeria sowie einem nigerianischen Experten der chinesisch-afrika-
nischen Beziehung von dem afrikanischen Standpunkt her ausgesagt, dass die
afrikanischen Einheimischen die chinesischen Wirtschaftsaktivitäten in Afrika
wünschen und auch schätzen. Ähnliche Meinungen haben auch Sassou, der Prä-
sident von Kongo („Das große Kooperationsprojekt zwischen China und Kongo
möglichst schnell in Angriff zu nehmen wird angestrebt“), sowie Kikwete, der
Präsident von Tansania, geäußert („Wünscht, dass der große chinesische Traum
in Erfüllung geht“). Dies hat die Zurückweisung des kolonialistischen Vorwurfs
gegen China weiterhin verstärkt.
Darüber hinaus gibt es noch weitere Argumente aus den drei Beiträgen, um
China als Partner von Afrika darzustellen und indirekt der Beschuldigung der
Kolonialisierung zu widersprechen:
Argument 1: China und afrikanische Staaten sind Entwicklungsländer und haben ähnliche
historische Erfahrungen und gleiche Kampfziele. (中非双方都是发展中国家, 具有相似的历
史遭遇和相同的奋斗目标。) („Das chinesische Wirtschaftswachstum wird bestimmt dem
Wohl Afrikas dienen“)
Argument 2: Die chinesisch-afrikanische Beziehung basiert nach wie vor auf der Gleich-
berechtigung und Freundschaft. (中非关系始终建立在平等友好的基础上。) („Das große
Kooperationsprojekt zwischen China und Kongo möglichst schnell in Angriff zu nehmen
wird angestrebt“) („Wünscht, dass der große chinesische Traum in Erfüllung geht“)
Argument 3: Alte Freunde sind wie echtes Gold, dessen Farbe durch hundertfache Läu-
terung auch nicht verändert wird. (故交如真金, 百炼不变色。) („Das chinesische Wirt-
schaftswachstum wird bestimmt dem Wohl Afrikas dienen“)
3 Erklärungsversuche
Die Analyse der deutschen und der chinesischen Medienberichte über sino-afri-
kanische Beziehungen führt zu weit voneinander entfernten deutschen China-
und chinesischen Selbstbildern: Ersteres zeichnet das Bild einer wirtschaftlich
motivierten kolonialistischen Invasion Chinas in Afrika mit allen Merkmalen des
Kolonialismus während letzteres eine freundschaftlich gebundene Partnerschaft
Chinas zu Afrika darstellt.
Um nach der Ursache dieser großen Diskrepanz zu suchen, soll ein Blick auf
die Geschichte geworfen werden, denn ein (Nationen)Bild ist „eine Mischung
aus erzählter Historie, Erinnerungen an vergangene Ereignisse, Geschichten und
Gesprächen [sic] usw. plus einer großen Menge gewöhnlich schlecht verarbeite-
ter und oberflächlich gesammelter aktueller Informationen.“ (Boulding 1969:424,
zitiert nach Peuckmann 2010:22). Die geschichtlichen Ereignisse spielen zur
Bildung des Fremdbildes und des Selbstbildes insofern eine wichtige Rolle.
Wie bei der Konstruktion des kolonialistischen Chinabildes China häufig im
Vergleich zu den alten Kolonialmächten betrachtet wird, schwingt in dem ganzen
chinabezogenen neokolonialistischen Diskurs eine historische Erinnerung an die
Kolonialgeschichte Europas mit. Ende des 19. Jahrhunderts wurde der afrikanische
Raum aufgeteilt und zum größten Teil in europäische Kolonialreiche eingegliedert
(vgl. Seitkamp 2005:13). Dabei verfügte Deutschland mit dem geographischen
Schwerpunkt in Afrika nach Großbritannien, Frankreich und den Niederlanden
über das viertgrößte europäische Kolonialreich (vgl. Conrad 2008: 22, 28). Nach
Conrad (2008:18) „stand [der deutsche Kolonialismus] im Zusammenhang der
weltwirtschaftlichen Konkurrenz und der Suche nach Rohstoff- und Absatz-
märkten für die jungen Industrien, der weltpolitischen Konflikte zwischen
den europäischen Großmächten und der Ideologie des Evolutionismus und
Sozialdarwinismus, die zunehmend von Begriffen der ‚rassischen‘ Differenz
überlagert wurden.“ Möglicherweise haben die deutschen Medien diesen global-
geschichtlichen Rahmen von damals in den heutigen chinesischen Engagements
in Afrika wieder abgesteckt gefunden. Denn China mit seinem schnellen Wirt-
schaftswachstum wird zunehmend als Konkurrent der westlichen Länder ange-
sehen, „als Globalisierungsweltmeister […] zur größten Herausforderung unseres
sozialen, wirtschaftlichen und damit politischen Systems.“ (Seinitz 2006:1), der
„eine Konkurrenzsituation (China – „Westen“) schafft“ (Heberer 2010:284). Sein
Engagement in Afrika wird deswegen „in Europa und den USA vielfach als Bedro-
hungsfaktor für westliche Interessen interpretiert und als Teil einer chinesischen
Strategie zur Ausplünderung afrikanischer Rohstoffquellen“ (Heberer 2010: 281),
eine „Furcht, dass der Westen den Wettlauf mit China um Wohlstand und Werte
verlieren könnte“ (Sandschneider 2007: 2 f.). Dabei haben das politische System
Die Wechselwirkung des Selbstbildes und des Fremdbildes 151
und die Ideologie Chinas im Unterschied zum Westen eine entscheidende Rolle
gespielt und China wird somit als das Andere oder das Fremde in Gegensatz zum
westlichen Selbstverständnis gesetzt.
Auch das chinesische Selbstbild als afrikanischer Partner ist geschichtlich
motiviert und steht im Kontrast zu dem chinesischen Fremdbild des Westens hin-
sichtlich Afrikas. China sieht sich selbst im selben Lager wie Afrika, beide Seiten
haben sich ähnlich von der westlichen Kolonisierung bzw. Halbkolonisierung
befreit, gehörten gemeinsam der Dritten Welt an und zählen zu den Entwicklungs-
ländern (vgl. Zhang 2012: 40). Die brüderliche Freundschaft wurde bereits nach
der Gründung der Volksrepublik China entwickelt, wobei schon in den 1950er
und 1960er Jahren zahlreiche afrikanische Staaten diplomatische Beziehung mit
China hergestellt haben (vgl. Zhang 2012: 31). Die Grundlage der wirtschaftli-
chen und technischen Entwicklungshilfe bzw. Zusammenarbeit mit Afrika wurde
bereits in den 1960er Jahren anlässlich des Besuches des ersten Premierministers
der Volksrepublik China, Zhou Enlai, zwischen dem 14. Dezember 1963 und dem
4. Februar 1964 geschaffen und der Kern der Prinzipien sei „Gleichberechtigung
und gegenseitiger Nutzen“ sowie „Akzeptanz der Souveränität anderer Staaten
und Nichteinmischung in innere Angelegenheiten“ (vgl. Zhang 2012:41 f.). Inso-
fern hat im chinesischen Verständnis die partnerschaftliche Beziehung zwischen
China und Afrika eine lange Geschichte und wurde bereits auf die Probe gestellt.
Dagegen sieht China den Kolonialismus als das europäische Projekt im ausge-
henden 19. Jahrhundert an, in dem die westlichen Großmächte durch Besatzung
der afrikanischen Länder und durch den Sklavenhandel die afrikanische Gesell-
schaftsstruktur ruiniert, seinen Zivilisationsprozess zerstört und die Rassen-
diskriminierung herbeigeführt haben, insofern waren die Beziehung zwischen
dem Westen und Afrika die zwischen Souveränstaaten und Kolonien (vgl. Zhang
2012:42 f.). Auch die Beziehung zwischen dem Westen und Afrika selbst nach der
nationalen Unabhängigkeit der afrikanischen Länder wird von China als hierar-
chisch betrachtet, denn der Westen verlange immer politische Konditionen und
versuche, den Afrikanern mittels der Entwicklungshilfe die westliche Kultur und
eigene politische Werte aufzuzwingen, was gegen die Gleichberechtigung ver-
stoße (vgl. Zhang 2012:44–50).
Die obige Analyse gibt zu erkennen, dass die Fremdeinschätzung in Wechsel-
wirkung mit der Eigeneinschätzung steht, und umgekehrt. Denn „bei Definition
des Fremden [kommen] nicht tatsächliche oder ,objektive’ Kriterien zur Geltung,
sondern dass letztlich unsere Beziehung zu diesem Anderen darüber entscheidet,
wie ,fern’ oder fremd es für uns ist. […] Wir definieren uns immer im Verhältnis
zu anderen – und umgekehrt.“ (Bolten 2001:53). Oder im Sinne von Hegel: „Im
Fremden das Eigene zu erkennen, in ihm heimisch zu werden, ist die Grundbe-
152 Zhao Jin
wegung des Geistes, dessen Sein nur Rückkehr zu sich selbst aus dem Anderssein
ist.“ (Gadamer 72010: 19 f.)
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Die Wechselwirkung des Selbstbildes und des Fremdbildes 153
5 Anhang
In den deutschen Medien:
„Vom losen Bündnis zur festen Ehe“, geschrieben von Christia Putsch. Die Welt (27. Mär. 2013)
„Kolonialismus 2.0“, geschrieben von Thomas Scheen. Frankfurter Allgemeine Zeitung (27. Mär.
2013)
„Der Drache und der Strauß“. Der Spiegel 47 (18. Nov. 2013)
In den chinesischen Medien:
“中国经济增长定会为非洲带来福祉” (舒运国)(„Das chinesische Wirtschaftswachstum wird
bestimmt dem Wohl Afrikas dienen“, geschrieben von Shu Yunguo) Wenhui Zeitung (17.
März 2013)
“争取早日上马中刚大型合作项目” (钱彤、韩冰)。(„Das große Kooperationsprojekt zwischen
China und Kongo möglichst schnell in Angriff zu nehmen wird angestrebt“, geschrieben
von Qian Tong und Han Bing) Wenhui Zeitung (20. März 2013)
“祝伟大的‘中国梦’梦想成真” (卢山、张晓春)。 („Wünscht, dass der große chinesische Traum
in Erfüllung geht“, geschrieben von Lu Shan und Zhang Xiaochun) Wenhui Zeitung (25.
März 2013)
Zhou Haixia
Das Bild von Überseechinesen in den
deutschen Leitmedien
Analysiert am Beispiel von DIE ZEIT und DER SPIEGEL
(2000–2010)
Anmerkung: Die der vorliegenden Arbeit zugrunde liegenden Forschungen werden im Rahmen
des Projektes „Chinesisch-deutscher Imagereport (2000–2013)“ von CSC (No. 14@ZH036) und
DAAD kofinanziert, und auch im Rahmen des Projektes „Das Chinabild in den Augen der deut-
schen Medien und des deutschen Publikums“ aus der Projektreihe “Qingnian Yingcai Jihua”
von dem Bildungsausschuss der Stadt Peking finanziert (Nr. YETP 0828).
Zhou, Haixia, Prof. Dr., Associate Professorin für Germanistik, Department of German, Beijing
Foreign Studies University (BFSU), China
DOI 10.1515/9783110544268-008
Das Bild von Überseechinesen in den deutschen Leitmedien 155
Das der vorliegenden Arbeit zugrunde liegende Korpus beruht auf den
Berichterstattungen über Überseechinesen in den deutschsprachigen Leitmeiden
DER SPIEGEL und DIE ZEIT während des Zeitraums von 2000 bis 2010. Mithilfe
der im Internet heruntergeladenen digitalisierten Volltexte der einzelnen Aus-
gaben der beiden Printmedien ist zuerst eine eigene Datenbank erstellt worden.
Die Texte, die mindestens einmal den Ausdruck „Chinese“ bzw. „Chinesin“ oder
die Zeichenfolge „chines“ enthalten, bilden zusammen erst die Vorversion des
Korpus. Anschließend wurde manuell jeder Text durchgelesen, und alle Texte,
die inhaltlich gar nichts mit dem Thema Überseechinesen zu tun haben oder Chi-
nesen lediglich kurz erwähnen, ohne sie konkret zu beschreiben, wurden ausge-
nommen. Die übrigen Berichterstattungen, die Überseechinesen als Hauptthema
oder eines der Unterthemen haben, bilden auf diese Weise das endgültige Korpus
der Arbeit. Zu betonen ist, dass wegen beschränkter Zeit- und Personalaufwände
im Rahmen des Forschungsprojektes nicht alle Berichterstattungen zum Thema
Überseechinesen während des obengenannten Zeitraums als Forschungsmateri-
alien ins Korpus aufgenommen wurden, sondern nur die in jeder vierten Ausgabe
der Zeitschrift bzw. Zeitung enthaltenen Artikel, nämlich jeweils in der Ausgabe
2, 6, 10, 14, … Nach diesen Kriterien wurden letztlich insgesamt 33 Texte gewon-
nen, die zusammen das Korpus der vorliegenden Arbeit bilden.
Als theoretische Grundlage dienen hier die Kenntnisse aus dem Bereich
der Medienkommunikationswissenschaft, wie Selektivität und Perspektivität
der Medien. Die von der Medienpraxis immer wieder und bis heute immer noch
behauptete Objektivität existiert eigentlich nicht. Nach den Forschungsergebnis-
sen herrscht dort die sogenannte Objektivität nur als „strategisches Ritual“ (vgl.
Schmidt und Weischenberg 1994, 227). Die Berichterstattungen sind eben keine
einfache Widerspiegelung der Wahrheit in der Gesellschaft, sondern Produkte
eines nach medieninternen und -externen Prinzipien vollzogenen Auswahlpro-
zesses, der durch Selektivität und Perspektivität des Mediensystems gekenn-
zeichnet ist (vgl. Schmidt 1993, 116). Da es hier um das Bild der Überseechinesen
in den deutschen Medien geht, werden außerdem Begriffe aus dem Bereich der
interkulturellen Kommunikation eingeführt, wie Eigenbild, Fremdbild, Ethno-
zentrismus usw. Methodisch wird hauptsächlich die kritische Diskursanalyse von
dem Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung (DISS) herangezogen.1
Wie oben genannt, enthält das Korpus alle den Auswahlkriterien entsprechenden
Diskursfragmente zum Thema Überseechinesen. Diese Diskursfragmente lassen
sich dann je nach Unterthema wiederum innerhalb des gesamten Diskurses zu
1 Zu den eingeführten Begriffen wie Diskursfragment, -ereignis, -strang usw. im Rahmen der
KDA siehe Jäger und Jäger 2007.
156 Zhou Haixia
Eine der vielen Facetten des gesamten Überseechinesen-Bildes bildet das Wort
„Menschenschmuggel“. Insbesondere das Ereignis, dass 58 Chinesen auf dem
Weg nach Dover qualvoll starben (vgl. Falksohn et al. 2000), ist innerhalb des
Diskursstrangs zum Diskursereignis dieses Unterthemas entwickelt worden. Das
häufige Thematisieren dieses Ereignisses in den deutschen Medien vermittelt
einerseits den deutschen Rezipienten den Eindruck, dass es eine große Menge
von Chinesen gebe, die illegal ins Ausland einwandern würden, andererseits
wird das Stereotyp bzw. Vorurteil bezüglich der Überseechinesen verstärkt, dass
sich unter den Überseechinesen im Westen sehr viele illegale Einwanderer ver-
stecken. DER SPIEGEL meint z. B., dass die chinesische Provinz Fujian wegen
ihrer geographischen Lage an der Küste eine jahrhundertelange Tradition des
Schmuggels habe (vgl. Falksohn et al. 2000). Was die Hauptursache des Phäno-
mens angeht, vertreten sowohl DER SPIEGEL als auch DIE ZEIT die Ansicht, dass
dies daran liege, dass Chinesen, insbesondere die chinesische Landbevölkerung,
in Not und Armut leben (vgl. o.V. 2000b) und sich daher nach dem Wohlstand
in westlichen Ländern sehnen (vgl. Falksohn et al. 2000). Deswegen sei es laut
den beiden Printmedien „kein Wunder, dass die Geschäfte der Schlepper blühen“
(o.V. 2000b).
Den Berichterstattungen nach haben die USA und die europäischen Länder
Maßnahmen gegen illegale Zuwanderung ergriffen. Laut derer setzte Washington
im Kampf gegen illegale Einwanderer aus der Volksrepublik China auf psycholo-
gische Kriegsführung (vgl. o.V. 2000a). Die Amerikaner sollten durch die bedrü-
ckenden Filmmaterialien der gescheiterten Flucht versuchen, potentiellen chine-
sischen Flüchtlingen Angst und Schrecken einzujagen und ihnen die Botschaft
zu vermitteln: Auf Flüchtlinge warten Tod oder Deportation (vgl. o.V. 2000a).
Im Anschluss daran appellieren die deutschen Medien auch, dass der gemein-
same europäische Kampf gegen die hoch professionellen Fluchthelfer verbessert
werden sollte (vgl. Falksohn et al. 2000).
Dem in den deutschen Medien konstruierten Überseechinesen-bezogenen
Stereotyp bzw. Vorurteil entsprechend, dass zahlreiche Chinesen illegal in westli-
che Länder zugewandert wären und illegal dort lebten, setzen DER SPIEGEL und
DIE ZEIT beide in Zweifel, dass die Zahl der offiziell angemeldeten Einwohner der
Siedlungsgebiete von Überseechinesen sich seit Jahren nicht ändere oder dass
eine genaue Zahl der Einwohner solcher Siedlungsgebiete im statistischen Sinne
überhaupt nicht existiere (vgl. Schmidt-Häuer 2000; Smoltczyk 2007). In einem
Artikel aus dem Jahr 2000 in DIE ZEIT steht:
158 Zhou Haixia
„Niemand weiß genau, wie viele Chinesen in Budapest leben. […] die Leichen der Menschen
sind unauffindbar. Seit einem Jahrzehnt. […] Wer stirbt, verschwindet. Bisher spurlos. Nur
sein Pass kommt einem neuen chinesischen Einwanderer zugute.“ (Schmidt-Häuer 2000)
„Sicher ist, dass die Zahl der Aufenthaltsgenehmigungen lange Jahre vollkommen konstant
war. Keiner kam, keiner ging, keiner starb. Jetzt kommen sie wieder. Aber gestorben wird
immer noch nicht.“ (Smoltczyk 2007)
Laut des Artikels sollte die römische Polizei eine Sonderkommission auf das Mys-
terium der toten Chinesen angesetzt haben, weil in Italien verschiedene Gerüchte
und Vermutungen bezüglich dessen verbreitet seien, und viele davon seien alles
andere als harmlos, wie z. B. [dass die Chinesen dort] „die Toten in die Suppe
schneiden“ (Smoltczyk 2007). Den mystisch wirkenden Überseechinesen wird
offenbar alles zugetraut, nicht nur in Budapest und in Rom, sondern auch in den
deutschen Medien.
Die Zweifel der deutschen Medien an der tatsächlichen Zahl der Einwohner
im Siedlungsgebiet der Überseechinesen implizieren die Einstellung, dass es sehr
üblich wäre, illegale Einwanderer unter den Überseechinesen zu finden, was wie-
derum an das Thema Menschenschmuggel erinnern sollte. Gleichzeitig spricht
das sogenannte „Mysterium der toten Chinesen“ (Smoltczyk 2007) auch dafür,
dass Überseechinesen in den Augen der westlichen Gesellschaft rätselhaft und
mystisch wirken. Sie zeigen sich als illegal ins Ausland eingewanderte Menschen-
gruppen und sollen nach den Medien dort ein in sich geschlossenes Gruppenle-
ben führen.
Hier ist zu betonen, dass eines der Attribute des Unterthemas „illegale
Zuwanderung“ sich darauf bezieht, dass die Siedlungsgebiete der Überseechine-
sen, wo die illegalen Einwanderer aus China normalerweise gelandet sind, als
Unsicherheitsfaktoren im Gesellschaftsleben des jeweiligen Landes dargestellt
werden. In den Berichterstattungen steht z. B., die neu gelandeten Einwanderer
chinesischer Herkunft könnten keinen Job finden, und „manche versuchen sich
auf den Straßen als Masseure für Touristen, andere sinken in die Kriminalität
ab, wobei die Opfer meistens ebenfalls Chinesen sind.“ (Falksohn et al. 2000)
Die Polizei aus Budapest solle eine Regel der Kriminalität im Siedlungsgebiet der
Überseechinesen feststellen können, laut der
Das Bild von Überseechinesen in den deutschen Leitmedien 159
„sich Erpressungen, Entführungen und Morde jeweils zwischen Januar und März häuften.
[…und] dieser regelmäßige Anstieg der Kriminalität mit dem Mondneujahr zusammen-
hing – da muss man die Schulden begleichen.“ (Falksohn et al. 2000)
„Fast allen Köchen wurde gleich nach ihrer Ankunft der Pass abgenommen. Nach Welkes
Erkenntnissen wurden die Pässe teilweise von anderen Personen dafür benutzt, Spielka-
sinos zu besuchen oder Gelder nach China zu transferieren. Die Ermittler halten es auch
für möglich, dass mit diesen Pässen Chinesen illegal in die EU geschleust werden.“ (Ulrich
2009)
„Geldwäsche übernehmen mit Vorliebe auch große und kleine Spielclubs, die offen oder
über Strohmänner Chinesen gehören […] Rubel-Milliarden fließen schwarz an der Staats-
kasse vorbei – direkt nach China oder in das Netz halb legaler chinesischer Unternehmen
im Gastland.“ (Mettke 2002)
gelbe Flut (vgl. Mettke 2002). So wie in dem Siedlungsgebiet von Überseechinesen
in Budapest „das Labor für Pekings Interessen“ (Schmidt-Häuer 2000) gesehen
wird, steht hier in den Berichterstattungen auch ähnliches:
„Wiktor Ischajew, Gouverneur von Chabarowsk, hält die ‚einigen hunderttausend illegal in
Fernost wohnenden Chinesen‘ nicht nur für ein Sicherheitsrisiko. Er glaubt, dass Peking
ein geheimes Programm zur Aneignung russischer Erde ausgeheckt habe, ein besonders
raffiniertes.“ (Mettke 2002)
Nach den deutschen Medien „glauben mehr als 70 Prozent der Russen der Pri-
morje-Hauptstadt weiterhin an einen chinesischen Generalplan zur Eroberung
des Fernen Ostens“ (Voswinkel 2004). Wegen der großen Anzahl der dort leben-
den Überseechinesen meinen die deutschen Medien, dass Chinesen die an China
grenzenden Städte erobert hätten (vgl. Voswinkel 2004), und deren Siedlungs-
gebiete werden entsprechend als „eine illegale Kolonie Chinas“ (Mettke 2002)
bezeichnet.
Aber anders als das von den deutschen Medien konstruierte Bild der Überse-
echinesen in den entwickelten mitteleuropäischen Ländern ist das Bild der Über-
seechinesen in den russischen Grenzstädten nicht nur einseitig negativ geprägt,
sondern zeigt auch gewisse positive Facetten. Die deutschen Medien erkennen
hier noch einen gewissen Beitrag der Überseechinesen für diese Grenzstädte an.
Laut den Berichterstattungen hätten die Überseechinesen mit ihren Waren die
einheimischen Einwohner „vor dem Waren-Hungertod gerettet“ und billig „von
Kopf bis Fuß eingekleidet“ (Mettke 2002). Die chinesischen Waren hätten den von
Moskau vergessenen Fernen Osten ernährt und gekleidet. (vgl. Voswinkel 2004)
Ferner ist zu erwähnen, dass sonst oft in Bezug auf Chinesen genannte Ste-
reotype wie „Fleiß“ oder „Herstellung und Verkauf billiger Waren“ im Kontext der
in den russischen Grenzstädten lebenden Chinesen auch thematisiert werden, so
wie in den Berichterstattungen über Überseechinesen in den entwickelten euro-
päischen Ländern.
Ein anderer Artikel im Korpus handelt davon, dass Überseechinesen in den
an China grenzenden Städten Laos Geschäfte und Handel betreiben. Der Unter-
titel des Artikels lautet: „Weitgehend unbemerkt verschiebt China seine Grenzen
nach Süden. Investoren aus dem Riesenreich pachten ganze Ortschaften und
lassen die Einwohner vertreiben.“ (Thielke 2012) Dem Artikel nach sei das eine
„moderne Form des Kolonialismus“ (Thielke 2012), denn in diesen Gebieten
werde ausschließlich Mandarin gesprochen, die Schriftzeichen an den Geschäf-
ten seien chinesisch, die Währung sei der Yuan, und die Uhren zeigen die Zeit von
Peking an und nicht die von Vientiane, der laotischen Hauptstadt. (vgl. Thielke
2012) Der Artikel weist darauf hin, dass Überseechinesen sich große Ackerflä-
Das Bild von Überseechinesen in den deutschen Leitmedien 163
chen, etwa in Sambia, Uganda oder im Kongo sichern würden, und ordnet auch
dies der sogenannten modernen Form des Kolonialismus zu. Das entspricht den
Berichterstattungen in den deutschen Medien über Chinas Präsenz in Afrika, in
denen China immer wieder als „neue Kolonialherren“ (vgl. Lorenz und Thielke
2007; Grill 2006) gebrandmarkt wird. Als Sicherheitsrisiko werden die Überse-
echinesen auch hier betrachtet. Dem Artikel nach hätten die Überseechinesen
den Ort zu einer „chinesischen Stadt“ gemacht, indem sie die Wirtschaft dort
völlig unter Kontrolle hätten. Die meisten Laoten, die einst dort lebten, wären
zum Umziehen gezwungen worden.
„Und weil in Boten vornehmlich das Laster lockt, trauen sich Laoten nicht mehr in diesen
Teil ihres Heimatlandes. Sowohl Glücksspiel als auch Prostitution sind den Laoten unter-
sagt. Und die wenigen Laoten, die hier noch leben, halten Abstand zu den Eroberern aus
dem Nachbarland.“ (Thielke 2012)
Zusammenfassend ergibt sich aus der Analyse, dass die Siedlungsgebiete von
Überseechinesen im Ausland, egal ob sie sich in Europa oder in den Grenzstäd-
ten der Nachbarländer Chinas befinden, von den deutschen Medien meistens als
eine Art Bedrohung dargestellt werden. Wenn diese sich in den wirtschaftlich
entwickelten Ländern befinden, werden die Überseechinesen eher als Sicher-
heitsrisiko aus armen Ländern betrachtet und deren Bild ist eher von Illegalität
und Kriminalität geprägt, während die in den wirtschaftlich unterentwickelten
ausländischen Grenzstädten lebenden Überseechinesen eher für „Kolonialher-
ren“ gehalten werden, die sich aggressiv zeigen und die betreffenden Gebiete im
Ausland erobern würden oder erobert hätten. Aber sowohl in dem ersten Bild der
Überseechinesen als auch in dem zweiten ist die These der „Gelben Gefahr“ und
die sogenannte „chinesische Bedrohung“ zu spüren.
Anders als die anderen Subgruppen von Überseechinesen ist das von den deut-
schen Medien konstruierte Bild der in Deutschland bzw. im Ausland studieren-
den Chinesen wesentlich positiver. Nicht nur die chinesischen Studierenden
in Deutschland, sondern auch chinesische Studierende im Ausland allgemein
werden in den deutschen Medien neutral bis positiv betrachtet. Ein markantes
Merkmal der Gruppe chinesischer Studierender ist laut den Berichterstattungen
„Fleiß“ und „Studierwille“: „Der eiserne Studierwille ist weltweit zum Marken-
zeichen chinesischer Studenten geworden.“ (Blume 2002) Ferner sind die chine-
sischen Studierenden in den Augen der deutschen Medien durch hohe fachliche
164 Zhou Haixia
„Im Westen wurden Chinas kluge Köpfe zur Elite ausgebildet. Jetzt rüsten sie die Volksrepu-
blik zur technologischen Supermacht des 21. Jahrhunderts auf.“ (Blume 2005)
Eine andere Gruppe von Chinesen in Deutschland bzw. in Europa, denen in den
deutschen Medien Aufmerksamkeit geschenkt wird, bilden die chinesischen Tou-
risten. Anders als die anderen Subgruppen leben sie nicht langzeitig im Ausland,
sondern bleiben nur kurz als Reisende dort. Daher ist das Bild der Gruppe „chi-
nesischer Touristen“ in den deutschen Medien auch ganz anders geprägt als das
der anderen Subgruppen, die langzeitig im Ausland leben. Der Schwerpunkt liegt
nämlich nicht mehr darauf, wie sie dort ihr Leben führen, sondern wie sie sich
im Ausland benehmen, d. h. es geht hier eher um kulturelle Unterschiede zwi-
schen China und Deutschland wie Sitten und Gewohnheiten. In DER SPIEGEL
steht z. B.:
„Chinesen entdecken Europa als Urlaubsziel. Hotels und Gaststätten stellen sich auf den
Ansturm aus Fernost ein, tun sich aber noch schwer mit manchen Gebräuchen.” (Jung 2006)
Durch diese als Untertitel dienenden Sätze ist zu erschließen, dass die chinesi-
schen Touristen einerseits wegen ihrer großen Menge rein wirtschaftlich profi-
torientiert als Kunden bzw. Konsumenten willkommen sind, aber andererseits
wegen kultureller Unterschiede nicht gerade beliebte Gäste in Deutschland sind.
Zu dem Trend, dass immer mehr Chinesen nach Deutschland bzw. Europa
reisen, vertreten die deutschen Medien die Ansicht, dass sich dies auf die Wirt-
schaftsentwicklung Chinas zurückführen lasse. Nach den Berichterstattungen
sollen Chinesen nach jahrelangem „Schuften“ und Sparen sich etwas gönnen
wollen, zumindest jene drei Prozent der Gesellschaft, die es sich leisten könnten.
(vgl. Jung 2006) Die deutschen Medien betrachten es als eine von der Mittelschicht
und den Neureichen Chinas neu entdeckte Freizeitmöglichkeit, ins Ausland zu
reisen. Daher zeigen sich die in Deutschland bzw. in Europa reisenden Chine-
sen in den deutschen Medien hauptsächlich als wohlhabend und konsumfreudig
und -fähig, oder sogar -gierig. Den Berichterstattungen zufolge würden unter chi-
Das Bild von Überseechinesen in den deutschen Leitmedien 167
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass das Bild der chinesischen Tou-
risten in Deutschland bzw. Europa aus zwei Perspektiven zu betrachten ist. Auf
der einen Seite sind sie wegen ihrer Konsumfähigkeit und der dadurch entstande-
nen Vorteile für die deutsche Tourismusindustrie willkommen, auf der anderen
Seite sind sie aber als Gäste aus Fernost mit unterschiedlichen Kulturprägungen
bei Deutschen nicht gerade beliebt. Das Bild der chinesischen Touristen in den
deutschen Medien tendiert eher zum Negativen. Durch die getroffene Wortwahl
„Ansturm [aus Fernost]“ (Blume 2002), womit die gestiegene Zahl an Touris-
ten aus China gemeint sind, ist in gewissem Sinne der Unterton der negativen
Tendenz zu erschließen.
kel 2004). Der Wortgebrauch dieser Art hat seine tiefen Wurzeln in dem historisch
entwickelten kollektiven Gedächtnis Deutschlands über China und Chinesen.
Dabei war das deutsche kollektive Gedächtnis über die sog. „Gelbe Gefahr“ für
lange Zeit nicht mehr aktiv, ist aber in dem Kontext der Überseechinesen in den
deutschen Medien wieder ins Leben gerufen worden. Das besagt einerseits, wie
hartnäckig die in der Geschichte entstandenen Vorurteile bzw. Stereotype über
eine andere Menschengruppe aus fremden Kulturen sein können, die zwar mit
der Entwicklung der Zeit in Vergessenheit geraten, aber sofort reaktiviert werden
können, wenn ähnliche oder vergleichbare Kontexte wieder da sind, wo sie einst
entstanden waren oder existiert hatten. Andererseits ist durch die Reaktivierung
des Begriffs „Gelbe Gefahr“ wiederum zu spüren, wie negativ das Bild der Überse-
echinesen in den deutschen Medien ist. Wie oben bereits erwähnt, betrifft es hier
hauptsächlich die für längere Zeit im Ausland lebenden Überseechinesen bzw.
die Siedlungsgebiete der Überseechinesen im Ausland. Sie gelten in den Augen
der Einheimischen bzw. aus der Perspektive der deutschen Medien als Outgroup
und sogar als Bedrohung gegenüber der Ingroup. Außerdem ist zu betonen, dass
es auf die etwa in den letzten 25 Jahren in Deutschland bzw. im Westen wahrge-
nommene Bedrohung durch den Wirtschaftsaufschwung Chinas sowie den damit
einhergehenden weltweiten Machtzuwachs Chinas zurückzuführen ist, dass die
These der „Gelben Gefahr“ oder andere Varianten dieses Ausdrucks in Bezug auf
Chinesen reaktiviert worden sind.
Was die chinesischen Touristen angeht, die nur kurzfristig nach Deutsch-
land bzw. Europa reisen, fokussieren die deutschen Medien ihre Aufmerksamkeit
eher auf die andersartigen Verhaltensweisen dieser Gruppe und interpretieren
sie ethnozentristisch mit der eigenen Kultur als Maßstab. Als Bedrohung werden
die chinesischen Touristen nicht betrachtet, sondern eher als konsumfähige
und gewinnbringende Kunden, die nur aufgrund ihrer Andersartigkeit nicht
gerade beliebt sind. Dieser Unterschied der Einstellungen lässt sich auch auf der
Ebene der Wortwahl beobachten: In Bezug auf die Touristen aus China wird das
befremdlich wirkende Wort „Fernost“ zwar auch gebraucht, aber der Ausdruck
„Gelbe Gefahr“ und seine Varianten kommen jedenfalls nicht mehr in den ent-
sprechenden Berichterstattungen vor.
Das überwiegend negative Bild der Überseechinesen in den deutschen
Medien entspricht nicht nur dem zum Negativen tendierenden Chinabild in den
deutschen Medien der letzten Jahre als Ganzem, sondern auch den Ergebnissen
der Meinungsumfragen über das Chinabild in den Augen der deutschen Bevöl-
kerung durch bestimmte Forschungsinstitute im Westen. Laut den entsprechen-
den Ergebnissen von 2007 bis 2015 ist das Chinabild in Deutschland fast immer
überwiegend negativ, und zwar oft mit Abstand negativer als das Chinabild in
den meisten westlichen Ländern: Dem PEW Research Center zufolge beträgt bei-
170 Zhou Haixia
spielsweise der Anteil der befragten Deutschen, die China nicht mögen, vom Jahr
2007 bis 2015 jeweils 54%, 68%, 63%, 61%, 59%, 67%, 64%, 64% und 60%. (vgl.
PEWResearchCenter 2015) Vor diesem Hintergrund ist es nicht schwer zu verste-
hen, dass das gesamte Bild der Überseechinesen in den deutschen Medien nicht
gerade positiv gestaltet wird. Nicht schwer zu verstehen ist es auch, dass das alte
Vorurteil der „Gelben Gefahr“ reaktiviert worden ist. Wie sich durch die Analyse
bereits gezeigt hat, existiert die sogenannte Objektivität im Sinne des Realismus
in der medialen Praxis eigentlich nicht. Jede von den Medien vollzogene Beob-
achtung eines Objektes ist beobachterabhängig und keinesfalls die objektive
Widerspiegelung der Wahrheit. Das gilt für das konstruierte Bild der Überseechi-
nesen in den deutschen Medien, das insofern eindeutig von deren eigenen Pers-
pektiven sowie deren Standpunkt geprägt ist – so wie man im Fall des Berichtens
über eine andere Kulturgruppe typischerweise oft die eigene Kultur und die Inte-
ressen des eigenen Landes als Ausgangspunkt und Maßstab nimmt. In diesem
Sinne spiegelt sich in dem Bild der Überseechinesen in den deutschen Medien als
Fremdbild eben deren Eigenbild wider: WIR sind anders als IHR, WIR sind besser
als IHR, und WIR haben manchmal auch Angst vor EUCH Fremden.
4 Literaturverzeichnis
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Das Bild von Überseechinesen in den deutschen Leitmedien 171
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Wiarda, Jan-Martin. „Von Kanton nach Clausthal“. Die Zeit 35 (2006).
Su Fu
Kontrastive Untersuchung zu den medial
konstruierten Tibetdiskursen
Am Beispiel deutscher und chinesischer Enzyklopädien
1 Einleitung
Im Zeitalter der sogenannten Informationsgesellschaft stellt Medienkommunika-
tion ein weit verbreitetes und bedeutsames Phänomen dar. Medien „bieten das
Material für unser Weltverstehen, unser Weltbild“1 und ermöglichen den Aufbau
von Wissen, das zugleich dazu beiträgt, eine Medienrealität zu konstruieren, die
nicht zwangsläufig die wahre Widerspiegelung der Außenwelt ist. Dabei besteht
die Gefahr, dass aus dem selben Tatbestand je nach verschiedenen Bezugsrah-
men unterschiedliche Medienrealitäten abgeleitet werden könnten.
Hinsichtlich der Tibetdiskurse haben sich auch in China und Deutschland
zwei verschiedene Medienrealitäten herausgebildet, die in den vergangenen
Jahren eine nicht übersehbare Rolle bei der Verstimmung der Beziehungen zwi-
schen beiden Ländern gespielt haben. Aus diesem Grund wird in der vorliegen-
den Arbeit versucht, die verschiedenen Mediendiskurse über Tibet in China und
in Deutschland gegenüberzustellen, einen Überblick zu vermitteln und Gründe
zu analysieren.
Der Grund, warum sich Tibet zu einem Fokuspunkt entwickelt hat, hängt eng
zusammen mit dessen Geschichte.
Su, Fu, Prof. Dr., Professorin für Interkulturelle Kommunikation, Capital Normal University
(CNU), China
DOI 10.1515/9783110544268-009
Kontrastive Untersuchung zu den medial konstruierten Tibetdiskursen 173
Errichtung des Protektorat-Modells für Offizielle Errichtung des Amts für eine
die tibetisch-chinesischen Beziehun- Verwaltung Tibtes unter der Leitung
gen eines Tibet-Ministers
1911 Vertreibung der chinesischen Truppen Vertreibung der Truppen und des Tibet-
und Behörden in den Wirren der chine- Ministers der Qing-Dynastie durch
sischen Revolution von 1911 probritsche Kräfte Tibets in den Wirren;
blutige Ermordung der Patrioten unter
den Adligen und in der religiösen
Führungsschicht
1914 Zuspruch der Teile von Osttibet an Teilung Tibets ins „äußere“ und
China auf der Konferenz von Simla; „innere“ Tibet mit Jinsha-Fluss als
Unabhängigkeit des größten Teils Grenze auf der Konferenz von Simla,
von Tibet de facto; Nichtanerkennung die von Großbriannien initiiert wurde;
Chinas Nichtanerkennung der Teilung durch
die Delegierten aus China
1940 Feierliche Einführung des 14. Dalai- Feierliche Einführung des 14.
Lama, an dessen Hof sich ab 1946 H. Dalai-Lama unter der Leitung von
Harrer aufhielt. Reting-Lama und Wu Zhongxin, dem
Sondergesandten für mongolische und
tibetische Angelegenheiten der Zent-
ralregierung der Republik China
Kontrastive Untersuchung zu den medial konstruierten Tibetdiskursen 175
1949 Erneuerter Anspruch Chinas auf Tibet Forderung nach der Befreiung Tibets
unter Ausnutzung der Rivalität zwi- und Vereinigung des Vaterlands v. a.
schen Dalai-Lama und Pantschen-Lama von dem 10. Pantschen-Lama
Diese Tabelle zeichnet jeweils zwei parallel laufende Geschichten, die den
Rezipienten eindeutig unterschiedliche Informationen weitergeben. Der Haup-
tunterschied findet sich in den Beziehungen zwischen Tibet und der Zentralre-
gierung. – Abgesehen davon, dass Großbritannien die Oberhoheit Chinas über
Tibet anerkannte, als es Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts in Tibet eindrang,
wird im Brockhaus kaum etwas über die Zugehörigkeit Tibets geäußert, die aber
von der chinesischen Erzählung hervorgehoben wird, was sich durch folgende
Beschreibungen bestätigen lässt.
a) Zur Zugehörigkeit Tibets im dreizehnten Jahrhundert: Im Brockhaus wird
lediglich erwähnt, dass Tibet sich der Mongolei unterworfen habe. Nicht
erwähnt wird, dass im dreizehnten Jahrhundert die Mongolei über das ganze
China regierte und das Kaiserhaus den Namen Yuan trug. In der chinesischen
Erzählung wird dieser Zeitpunkt als ein Meilenstein in den Beziehungen
betrachtet.
b) Über die Beziehungen zwischen Tibet und der Zentralregierung in der Ming-
und Qing-Dynastie: Das Wort „beanspruchen“ betont den einseitigen Wunsch
und die einseitige Forderung seitens der Ming- und Qing-Dynastie. Dagegen
weist die chinesische Enzyklopädie auf die Fortsetzung der Beziehung seit
der Yuan-Dynastie hin. Hierdurch wird zum Ausdruck gebracht, dass es ein
Tatbestand ist, dass Tibet in der Ming- und Qing-Dynastie zu China gehörte,
nicht bloß ein Wunsch.
c) Über die Besatzung von den Dsungaren: Obwohl die Vertreibung von Dsun-
garen als ein wichtiges Ereignis in beiden Büchern erzählt wird, ist doch
die Beschreibung über das Ergebnis differenziert – im Brockhaus sei Tibet
Protektorat Chinas geworden, in der chinesischen Erzählung dagegen seien
Ruhe und Ordnung in Tibet wiederhergestellt.
d) Über die Verwaltung durch die Qing-Dynastie: der Brockhaus betont das
Modell eines Protektorats, während in der chinesischen Erzählung der Tibet-
Minister eine umfassende Verwaltungsarbeit ausführte.
176 Su Fu
e) Über Tibet in der Zeit der Republik China: Laut Brockhaus habe sich der
große Teil von Tibet zu jener Zeit in Unabhängigkeit befunden, im Gegensatz
bringt die Enzyklopädie Chinas die Fortsetzung des Hoheitsrechts gegenüber
Tibet zum Ausdruck.
f) Über die Zeremonie der Reinkarnation: im Brockhaus wird hier die Passiv-
form verwendet und dabei derjenige, der diese Zeremonie geleitet hat, weg-
gelassen. Die chinesische Enzyklopädie weist dagegen eindeutig darauf hin,
dass Vertreter der Zentralregierung diese Zeremonie geleitet haben.
g) Über Tibet nach 1949: Bezüglich der Zugehörigkeit Tibets wird im Brockhaus
die Phrase „Anspruch auf etw. erneuern“ verwendet und dabei der einsei-
tige Wunsch Chinas hervorgehoben, während in der chinesischen Erzählung
betont wird, dass die Befreiung Tibets dem Wunsch des tibetischen Volkes
entsprochen habe.
h) Über Tibet in der Periode zwischen 1950–1951: dem Ausdruck „Einseitig-
keit“ entsprechend werden bei der Beschreibung der Volksbefreiungsarmee
Verben wie „eindringen“ und „besetzen“ gebraucht, dagegen wird „stationie-
ren“ von der chinesischen Seite verwendet.
eine probritische Minderheit unter dem tibetischen Volk die Vertreibung pro-
voziert, also war Großbritannien der Urheber der Vertreibung.
Trotz dieser Differenzen über die Geschichte Tibets deckt sich die chronologische
Beschreibung auf beiden Seiten im Großen und Ganzen. Die wichtigen geschicht-
lichen Ereignisse werden trotz der unterschiedlichen Gewichtung von beiden
Seiten erwähnt.
Dadurch, dass Geschichte nicht einfach niedergeschrieben, sondern auch
umgeschrieben und interpretiert wird, wird Geschichte umhüllt mit einem halb-
durchsichtigen Seidentuch und ist nicht mehr transparent und eindeutig – Brock-
haus und chinesische Enzyklopädie haben mit ihren jeweiligen Erzählungswei-
sen, geschichtlichen Perspektiven, ihrer Rhetorik und Grammatik zwei Bilder
gezeichnet, die sich teils überschneiden und teils unterscheiden: dem Brockhaus
zufolge behaupte China zwar stets die Hoheit über Tibet, in der Tat herrsche es
auch zeitweilig über das Land, sei aber immer ein unwillkommener Fremder.
Laut der chinesischen Enzyklopädie aber sei Tibet seit der Yuan-Dynastie ein Teil
Chinas und werde von der Zentralregierung verwaltet. Diese Beziehung werde
auch vom tibetischen Volk anerkannt. Tibet gerate erst seit der Einmischung der
britischen Kolonialmacht in Spaltungsgefahr.
178 Su Fu
Über den aktuellen Zustand in Tibet seit der Gründung der Volksrepublik China
sprechen die beiden kulturellen Gruppen in China und Deutschland tatsächlich
unterschiedliche Sprachen, was auf verschiedene Faktoren wie z. B. das unter-
schiedliche Wissen zurückzuführen ist.
Im Brockhaus wird der Zustand Tibets in drei Phasen eingeteilt. Die erste
Phase dauert von 1951 bis zur Kulturrevolution:
Die VR China begründete ihre Legitimation mit historischen (»seit der Tangzeit«), politi-
schen (»Befreiung des tibetischen Volkes vom Feudalismus«) und wirtschaftlichen Argu-
menten (»Modernisierung«). Mit dem Bau strategisch wichtiger Fernstraßen zu den benach-
barten chinesischen Regionen und Provinzen, für den viele Tibeter unter unmenschlichen
Bedingungen zwangsverpflichtet wurden, sowie durch die Anlage von Flugplätzen konnte
sie die Abgeschlossenheit Tibets durch eine immer stärkere Bindung an die VR China erset-
zen.
Am 9. September 1965 wurde dem etwa um die Hälfte seines Territoriums reduzierten
Tibet offiziell der Status einer Autonomen Region der VR China eingeräumt; große Gebiete
gliederte man administrativ den chinesischen Nachbarprovinzen Yunnan, Sichuan und
Qinghai an.4
Aus der obigen Erzählung ist zu schlussfolgern, dass die chinesische Regierung
in dieser Phase auf folgende Art und Weise versuchte, die Herrschaft über Tibet
zu verstärken:
a. Begründung der Legitimation der Herrschaft;
b. Straßenbau und Bau des Flughafens;
c. Gliederung großer Gebiete in Nachbarprovinzen.
In der Erzählung zu den oben genannten drei Punkten hat der Brockhaus zwei
grundverschiedene Diskursstrategien verwendet: Bezüglich der Hoheit Tibets
hat der Brockhaus durch das Verb „begründen“ seine Neutralität zum Ausdruck
gebracht. – Nur die chinesische Seite versuche, sich zu rechtfertigen, die Legi-
timität zu behaupten, aber der Brockhaus habe keinen Standpunkt dazu geäu-
ßert. Ein deutlicher Unterschied dazu stellt die Strategie im zweiten und dritten
Punkt dar. Hierbei verliert der Brockhaus offensichtlich die Neutralität und ist
zur Rolle eines Kritikers übergegangen: Es ist allgemein bekannt, dass der Bau
und die Pflege der Infrastruktur für alle Länder sowohl von politischer als auch
wirtschaftlicher Bedeutung ist. Doch im Brockhaus wird nur die politische Seite
hervorgehoben, die wirtschaftsfördernde Bedeutung verschweigt man. Daraus
Nachdem bis 1966 bereits viele buddhistische Klöster und Tempel zerstört worden waren,
kam es in den Wirren der chinesischen Kulturrevolution zur Verwüstung fast aller noch ver-
bliebenen (mit Ausnahme von 13). Die Bauern und auch die Nomaden wurden zum Leben in
Volkskommunen gezwungen; Tausende Tibeter starben in Arbeitslagern, durch Verfolgung
oder Hungersnöte.6
Unter Deng Xiaoping ließ die kommunistische Führung Chinas seit 1979 eine vorsichtige
Öffnung Tibets zu, förderte die Entwicklung der Wirtschaft, die aber mit einer rücksichts-
losen Ausbeutung der natürlichen Ressourcen verbunden wurde, und duldete unter stren-
ger Aufsicht eine begrenzte Wiederbelebung der einheimischen religiösen und kulturellen
Traditionen (Wiederaufbau einiger Tempel und Klöster). Gleichzeitig betrieb die VR China
eine strikte Sinisierungspolitik (Ansiedlung besonders von Han-Chinesen, die bereits in
allen größeren Städten die Bevölkerungsmehrheit bilden; Geburtenkontrolle unter der tibe-
tischen Bevölkerung, Zerstörung der alten Städte durch Abriss ganzer historischer Viertel
und Neubau chinesischer Siedlungen) und sicherte ihre Macht durch starke Militärpräsenz
(Stationierung hunderttausender Soldaten).8
Obwohl hier zum ersten Mal einige positive, die Wirtschaftsentwicklung för-
dernde Maßnahmen erwähnt werden, ist die positive diskursive Wirkung darin
durch die Verwendung von Konnektoren wie „zwar …aber“ oder Redemittel wie
„vorsichtig“ auf der einen Seite und „strikt“, „streng“ auf der anderen Seite in
großem Maße abgeschwächt. Genau wie die Diskursposition in der ersten und
zweiten Phase ist die Hauptmelodie hier die Beschreibung der Maßnahmen und
Politik der chinesischen Regierung zur Zerstörung der Kultur in Tibet.
Darunter wird die drastische Zunahme der Zahl der Han-Chinesen in Tibet
als eindeutiger Beweis dafür angeführt, dass die chinesische Regierung das tibe-
tische Volk auszurotten versucht habe. In diesem Punkt sind die statistischen
Daten im Brockhaus, dass Han-Chinesen die Mehrheit in Tibet ausmachen, weit
entfernt von den Daten Chinas. Die Daten der 5. Volkszählung aus dem Jahr 2000
sehen wie folgt aus:
Zahl der Han- 80584 19673 10968 12500 7510 3543 23792 158570
Chinesen
Es ist darauf hinzuweisen, dass es deswegen eine große Diskrepanz zwischen der
Jahresstatistik und Volkszählung gibt, weil unterschiedliche Kriterien erhoben
worden sind. Die Daten in der Jahresstatistik schließen diejenigen nicht ein, die
nicht polizeilich angemeldet sind, dagegen deckt die Volkszählung alle Men-
schen ab, die an einem Ort länger als fünf Monate gelebt haben. Daraus kann man
schlussfolgern, dass mehr als die Hälfte der Han-Chinesen in Tibet kein Fami-
lienbuch hat. Diese Gruppe von nicht Ortsansässigen ist vor dem Hintergrund
des mit der Durchführung der neuen Politik seit der Reform- und Öffnungspolitik
einhergehenden Florierens der Privatwirtschaft in Tibet entstanden, und schließt
Privatladenbesitzer, Händler, Leute in der Diensleistungsbranche, Gastronomie,
Handwerker etc. ein. Es handelt sich dabei um ein weit verbreitetes Phänomen,
nicht um ein speziell tibetisches, da es in China seit der Reform- und Öffnungs-
politik eine generelle Tendenz zu zunehmender Mobilität der Bevölkerung gibt.
Auch in diesem Fall macht die Zahl der Han-Chinesen in Tibet laut der Statistik
aus China eine Minderheit aus.
Darüber hinaus ist die Familienpolitik eine leitende Staatspolitik, die lan-
desweit umgesetzt wird. Und diese Politik „differenziert je nach Regionen und
Ethnien. In Tibet z. B. wird keine Familienplanungspolitik durchgeführt“10, was
unter dem chinesischen Volk allgemein bekannt ist und eine unbestrittene Tat-
sache darstellt.
Weil im Brockhaus dieser Punkt unerwähnt bleibt und weil dem Wort „Gebur-
tenkontrolle“ das präpositionale Attribut „unter der tibetischen Bevölkerung“
folgt, wird die Behauptung verstärkt bestätigt, dass die chinesische Regierung
eine strikte Sinisierungspolitik durchführe.
Wenn man sagt, dass in der Geschichte Tibets die Erzählungen von der chi-
nesischen und deutschen Seite jeweils parallel verlaufen, so kann behauptet
werden, dass die Erzählungen über den Stand Tibets seit der Gründung der Volks-
republik China zwei eindeutig entgegengesetzte Richtungen darstellen: In dem
Diskurs Deutschlands ist das, was die chinesische Regierung in Tibet gemacht
hat, unmenschlich und grausam. Alle Maßnahmen und die Politik zielen darauf
ab, die Religion, Kultur und das Volk in Tibet zu vernichten. Die chinesische
Erzählung dagegen zeichnet das Bild eines florierendes Tibet.
Betrachtet man die Erzählungen über die Geschichte, den Zustand im deutschen
und chinesischen Diskurs, so kann festgestellt werden, dass sich die Widersprü-
che und Gegensätze auf folgende Punkte konzentrieren:
a. Zugehörigkeit Tibets: Die Frage, ob Tibet in der Geschichte zu China gehörte,
wird im Brockhaus nur sehr vage angedeutet. Dagegen ist die Äußerung, dass
Tibet in der Neuzeit de facto unabhängig sei, klar und eindeutig. Dass Tibet
seit der Yuan-Dynastie ein fester Bestandteil Chinas ist, bildet ein wichtiges
diskursives Ereignis in der chinesischen Erzählung. In der Enzyklopädie
Chinas ist an diesem Punkt nicht zu zweifeln.
b. Die Verwaltung der Kommunistischen Partei Chinas: Der Brockhaus zeigt
den Rezipienten eine grausame Regierung, die hohen Druck auf Tibet ausübt
und die Kultur und Religion Tibets zu unterdrücken versucht. Im Weißbuch
„Die Zugehörigkeit und Menschenrechte in Tibet“ wird die positive Entwick-
lung in Tibet in Sachen Menschenrechten (einschließlich Religion, Kultur,
Bildung etc.) und Wirtschaft seit der Gründung der VR China gezeigt.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Erzählung im Brockhaus die legi-
time Basis für Chinas Hoheit und Verwaltung Tibets in Frage stellt. Insofern ist
es auch nicht erstaunlich, wenn die Beschreibung über die Brutalität der Kom-
munistischen Partei Chinas bei den Rezipienten Ressentiments gegen China und
Sympahie für die Exiltibeter hervorruft.
Obwohl der Brockhaus in seiner Weite und Breite das Bedürfnis der Fach-
leute und Forscher nicht decken kann, erreicht er eine breite Leserschaft, die
Antwort auf Fragen und Unklarheiten sucht, und wird als Nachschlagwerk von
den Massen als eine Autorität und eine Wissensquelle betrachtet. So wird gene-
rell an dessen Informationsangebot und Seriosität, Wahrheitsgehalt, Neutralität
sowie Objektivität kein Zweifel gehegt. Das gilt selbstverständlich auch für die
Vorstellung über Tibet.
Aber nach einer vertieften Analyse sind im Brockhaus eine emotional
geprägte Erzählungsweise in Bezug auf Tibet sowie die Verwendung von zum
Teil nicht überzeugendem Material festzustellen. Dieses Phänomen spiegelt sich
nicht nur in der Rhetorik wider, sondern auch in den folgenden zwei Punkten:
Kontrastive Untersuchung zu den medial konstruierten Tibetdiskursen 183
11 Die Konformität lässt sich daran erkennen, dass Informationen aus dem Brockhaus sich mit
denen aus der Autobiographie vom 14. Dalai Lama decken.
12 Brockhaus Multimedial 2007.
184 Su Fu
Landschaft sei ein heiliges und reines Shangri-La. Seit langer Zeit aber werde
das Volk unterdrückt. Dagegen versuche sich das tibetische Volk zu wehren.
Vereinzelt gibt es auch Gegendiskurse, die sich inhaltlich auf die Offenle-
gung der Schattenseite in den Klöstern konzentrieren. Bisher werden noch
keine Publikationen gefunden, die sich in Bezug auf den aktuellen Zustand
Tibets gegen den herrschenden Diskurs ausgesprochen haben.
e. Kategoriesierung der Autoren. Den angegebenen Informationen zufolge
können die Autoren der Publikationen in zwei Gruppen eingeteilt werden:
die eine Gruppe umfasst Autoren aus den westlichen Ländern, die andere
umfasst überwiegend Exiltibeter einschließlich des 14. Dalai Lama. Von den
über 1000 Werken sind es 392, die den 14. Dalai Lama betreffen, davon haben
52 Publikationen den 14. Dalai Lama als Hauptthema und 111 wurden von
dem 14. Dalai Lama verfasst (die verschiedenen Auflagen desselben Werks
nicht eingeschlossen).
f. Zusammenfassung der Werke des 14. Dalai Lamas. In den 111 Publikationen
gibt es nur 10 Werke, die Politik als Thema haben. 25 Publikationen erzählen
über Buddhismus. Im Rest der Werke wurde Lebensphilosophie als Haupt-
thema behandelt. Das bedeutet aber auf keinen Fall, dass es keine inhaltliche
Überschneidung zwischen diesen Werken gibt. Ganz im Gegenteil, in vielen
Publikationen über Buddhismus und Lebensphilosophie wird über die Lage
in Tibet berichtet, und in Publikationen über Politik wird auch buddhisti-
sche Lehre interpretiert. Darüber hinaus sind Titel in solchen Publikationen
charakterisiert durch Wörter wie „Frieden“, „Freiheit“, „Weisheit“, „Ehr-
lichkeit“, „Warmherzigkeit“, „Sympathie“, „Liebe“. Auffallend ist überdies
die breite Anerkennung, die die Publikationen gewonnen haben, was sich
daran erkennen lässt, dass viele dieser Werke hohe Auflagen haben. Allein
die Autobiographie, die der 14. Dalai Lama nach dem Erhalten des Friedens-
nobelpreises veröffentlicht hat, wurden in den 16 Jahren von 1992 bis 2008 17
mal gedruckt.
Die obige Untersuchung zeigt, dass die Bedeutung des Begriffs „Tibet“ im Diskurs
Deutschlands weitaus die von anderen Gegenden in China überragt. Längst hat
es die Grenze eines rein geographischen Begriffs überschritten und trägt die sym-
bolische Bedeutung, die Geheimnis, Frieden und Warmherzigkeit in sich vereint
hat. Bedauerlicherweise fehlt unter den vielen Publikationen nur der Diskurs aus
China, was bewirkt hat, dass die Exilgruppe unter der Führung des Dalai Lama
eine Monopolstellung bezüglich Tibets innehat. Darüber hinaus ist darauf hin-
zuweisen, dass, egal welche Tätigkeiten der 14. Dalai Lama in der Tat ausübt,
seine Worte keine politische Figur, sondern viel mehr ein Image als einen spiri-
tuellen Führer und wegweisenden Lehrer aufgebaut haben. Genau das spricht
186 Su Fu
diejenigen gut an, die versuchen, vor dem Missstand in der modernen Gesell-
schaft zu fliehen und nach Zuflucht für die Seele suchen. Der 14. Dalai Lama hat,
dank seines Heiligenscheins, im großen Maß von dem so genannten Halo-Effekt
profitiert: Alle weltlichen Übel wie Betrug, Gewalt und Machtbesessenheit sind
unmöglich in einem spirituellen Führer zu finden.
3 Schlusswort
Aus der obigen Untersuchung ist zu schlussfolgern, dass zwei unterschiedliche
Tibetbilder im chinesischen und deutschen Diskurs dargestellt werden. In der
Darstellung und von den Publikationen über Tibet in China und in Deutschland
wird außerdem ersichtlich, dass der Diskurs in Deutschland sehr stark von der
Zuneigung nicht nur zu Tibet, sondern auch zum 14. Dalai Lama geprägt ist.
Die Komplexität der Lage kann auf verschiedene Faktoren zurückgeführt
werden. Ein unübersehbarer und wichtiger Faktor davon ist, dass sie u. a. in
einem engen Zusammenhang mit dem jeweiligen Wissen steht, das in großem
Maße auf den unterschiedlichen Wissensquellen aufgebaut worden ist. Jede Seite
behauptet die Authentizität der eigenen Quellen. Die Selektivität beim Prozess
der Kognition ist zwar schwer zu überwinden, dennoch könnte sie durch einen
effektiven Austausch gemindert werden, an dem es zur Zeit offensichtlich fehlt.
4 Literaturverzeichnis
Brockhaus Multimedial, 2007.
Enzyklopädie Chinas. Beijing: Encyclopedia of China Publishing House, 2002.
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Zhang, Yun. Geschichtsforschung Tibets. Beijing: Verlag für Tibetforschung, 2006.
Liang Shanshan
Die Dynamik von Stereotypen
Analyse der Deutschland-Stereotype im chinesischen
Nachrichtenmagazin „Lifeweek“
1 Einleitung
Stereotype sind stabil und änderungsresistent. Das ist wohl eines der bekanntes-
ten Charakteristika der Stereotype. Allerdings bedeutet dieses Charakteristikum
der Stabilität nicht, dass Stereotype sich im Laufe der Zeit nicht ändern sowie
entwickeln, sondern die Dynamik des Stereotyps wird aufgrund seiner relati-
ven Stabilität oft übersehen. Besonders im heutigen Zeitalter mit dem schnellen
Informationsaustausch sowie großen Einflüssen durch Medien wird der Entwick-
lungsprozess der Stereotype beschleunigt und die Dynamik der Stereotype ist
immer deutlicher zu erkennen.
Dieses Charakteristikum der Dynamik analysiert der vorliegende Artikel am
Beispiel von Deutschland-Stereotypen in Anzeigen des chinesischen Nachrich-
tenmagazins „Lifeweek“. „Lifeweek“ zeigt seit langem traditionelle Stereotype in
Bezug auf Deutschland wie „Deutschland als Land mit fortschrittlicher Techno-
logie und technischen Anlagen“, „Made in Germany als Bezeichnung für hohe
Qualität“, usw. Über diese traditionellen Stereotype hinaus erleben deutsche Ste-
reotype in Anzeigen auch Änderungen, wenn man sie diachronisch beobachtet:
Manche Stereotype tauchen in den letzten Jahren auf, werden allmählich akzep-
tiert und verbreiten sich im Laufe der Zeit, während andere Stereotype verschwin-
den.
Anmerkung: Die vorliegende Untersuchung wurde unterstützt durch die National Social Science
Foundation of China (No. 14@ZH036).
DOI 10.1515/9783110544268-010
188 Liang Shanshan
2 Das Stereotyp
Der Begriff des Stereotyps setzt sich aus „den zwei griechischen Wörtern stereos
(starr, hart, fest) und typos (Entwurf, feste Norm, charakteristisches Gepräge)“
zusammen. Ursprünglich wurde dieser Begriff von dem Franzosen Firmin Didot
Ende des 18. Jahrhunderts zur „Bezeichnung eines Vorganges in der Drucktech-
nik“ gewählt. 1922 wurde der Begriff des Stereotyps durch den amerikanischen
Journalisten Walter Lippmann in seinem Buch „Public Opinion“ in die Sozialwis-
senschaften eingeführt. Lippmanns These war,
„dass wir Menschen häufig nicht als Individuen, sondern als Teil einer Gruppe sehen und
Personen entsprechend der vorgefassten Meinung über diese Gruppe – ganz ähnlich dem
drucktechnischen Verfahren – einen Stempel aufdrücken“ (vgl. Petersen et al. 2008, 21).
Darauf geht die heute noch allgemein gebräuchliche Verwendung des Begriffs
„Stereotyp“, d. h. des Stereotyps „als Bezeichnung für stark vereinfachende, ja
verzerrende Schematisierung sozialer Formationen (Gruppen, Ethnien, Berufe,
Institutionen u. ä.)“ (Klein 1998, 26) zurück.
An diese Begriffsbestimmung angelehnt wird Stereotyp in diesem Artikel
folgendermaßen definiert: Stereotype sind allgemein akzeptierte kognitive Kon-
zepte sowie Vorstellungen über alle Mitglieder eigener sowie fremder Gruppen,
die unmittelbar von einer Generation zur anderen weitergegeben werden und
vereinfachend auf verbalisierte Weise die Realität widerspiegeln. Im Vergleich zu
Vorurteilen, die eindeutig negativ und einseitig sind, enthalten Stereotype eher
neutrale Aussagen und können sowohl richtig als auch falsch sein. Stereotype
sind ziemlich änderungsresistent und werden benutzt, um alle Gruppenmitglie-
der zu beschreiben. An diesen Punkten unterscheiden sie sich von Images, die
über Nacht aufgebaut oder zerstört werden und sich sowohl auf ein einzelnes
Individuum als auch auf Gruppen beziehen können.
Stereotype werden nach Prokop in „nationale und soziale Stereotype“ spezi-
fiziert. Bei nationalen Stereotypen handelt es sich darum,
„wenn sich Fremd- oder Selbstbilder an der Nationalität oder Ethnie einer Gruppe festma-
chen lassen und sie beruhen auf Verallgemeinerungen positiver und negativer Erfahrungen
mit unterschiedlichen Völkern und Staaten“.
Soziale Stereotype bezeichnen „die Selbst- und Fremdbilder, die über die Zuge-
hörigkeit zu einer sozialen Gruppe definiert werden“ (vgl. Prokop 1995, 192–200).
Die Dynamik von Stereotypen 189
Die Stabilität sowie die Änderungsresistenz sind typische Charakteristika des Ste-
reotyps. Allerdings heißt das nicht, dass Stereotype nicht dynamisch sind und
sich nicht ändern, sondern sie entwickeln sich im Vergleich zu anderen sozialen
Phänomenen nur mit einem sehr langsamen Tempo. Die Dynamik des Stereotyps
wird aufgrund seiner relativen Stabilität oft übersehen.
Mit der gesellschaftlichen Entwicklung wandeln Stereotype sich ebenfalls:
Neue Stereotype bilden sich heraus, bestehende Stereotype ändern sich bzw.
verschwinden. Nur im Vergleich zu anderen sozialen Phänomenen geschieht
dieser dynamische Entwicklungsprozess sehr langsam (Weis 2009, 29–32). Mit
anderen Worten kann man sagen: Stereotype sind historisch bedingt, oder haben
eine begrenzte Lebensdauer (Ye Xumin et al. 2004, 160). Das Charakteristikum
der Dynamik zeigt sich auch daran, dass einige Stereotype durch den Einfluss
einer bestimmten historischen Phase entstehen und mit dem geschichtlichen
Wandel allmählich außer Gebrauch kommen können, eventuell ihre Dynamik
sowie Akzeptanz verlieren oder durch neue Stereotype ersetzt werden. In einem
besonderen historischen Kontext können allerdings diese schon lange nicht
mehr benutzten oder längst vergessenen Stereotype wieder aktiviert und verbrei-
tet werden, wie z. B. „Yellow Peril“ (Jiang Zhiqin 2007, 20), ein Ausdruck, der im
neunzehnten Jahrhundert entstanden ist und schon lange beim Publikum nicht
mehr benutzt wird, aber jetzt wieder im Hintergrund von Chinabedrohungsthe-
orien in den westlichen Medien vorkommt. Das zeigt, dass das Charakteristi-
kum der Dynamik mit dem historischen sowie gesellschaftlichen Hintergrund in
engem Zusammenhang steht. Der geschichtliche und gesellschaftliche Kontext
kann Stereotype beeinflussen und veranlasst ihre Entwicklung sowie Verände-
rung.
Insbesondere in der heutigen Gesellschaft, in der Medien immer wichti-
ger werden und das Leben tiefer beeinflussen, zeigt sich das Charakteristikum
der Dynamik der Stereotype deutlicher. Die Indirektheit der Stereotype bedingt
nämlich, dass Stereotype nicht durch persönliche Erlebnisse und Erfahrungen,
sondern während der Sozialisation lediglich übernommen werden. Im Gegensatz
zu anderen traditionellen Formen der Sozialisation spielen Medien wie Fernse-
hen und Internet beim Erwerb der Stereotype durch ihre jetzige explosionsartige
Entwicklung eine noch bedeutendere Rolle. Durch Medien lernen Menschen
andere Kulturen im Vergleich mit der Vergangenheit viel schneller und in viel
mehr Facetten kennen, was zur rapiden Informationsaktualisierung führt. Damit
wird der Entwicklungsprozess der Stereotype beschleunigt und dessen Dynamik
verstärkt. Daher wird in der jetzigen Gesellschaft, in der die Informationsmenge
Die Dynamik von Stereotypen 191
förmlich explodiert, das Charakteristikum der Dynamik wie noch nie zuvor deut-
lich.
Von diesem theoretischen Ausgangspunkt ausgehend wird unten das Charak-
teristikum der Dynamik der Stereotype am Beispiel der Analyse von Stereotypen
in Bezug auf Deutschland in der chinesischen Zeitschrift „Lifeweek“ erläutert.
Stereotype sind dynamisch und diese Dynamik zeigt sich einerseits durch das
Auftreten neuer Stereotype und andererseits durch Änderungen bzw. das Ver-
schwinden bestehender Stereotype. Im Folgenden wird das Charakteristikum der
Dynamik am Beispiel von Anzeigen mit Stereotypen in Bezug auf Deutschland
erläutert.
192 Liang Shanshan
– Umweltschutz
Bei der Anzeige von VW (2010/31) kann man sich inhaltlich auf die Schlagzeile
„Fokus auf den Umweltschutz und diese Gelegenheit“ konzentrieren. Hier spielt
der Umweltschutz in dieser Anzeige die bedeutendste Rolle. Im Fließtext „Nur
mit langsichtigem Denken kann man die Entwicklungstendenz des Umweltschut-
zes genau erkennen. Der PASSAT von VW Shanghai führt die Aktion „Wunsch
Blau“ durch und lädt Sie dazu ein, die Zukunft zu sichern und den großartigen
„blauen“ Plan zu entwerfen“ wird Umweltschutz in den Mittelpunkt gerückt.
Solche Inhalte von Anzeigen der VW-Autos passen genau zu der Entwicklung des
Umweltschutzbewusstseins in Deutschland. Der Satz
Die Dynamik von Stereotypen 193
„Neue Besitzer von PASSAT werden die Gelegenheit erhalten, zur deutschen Halle der Expo
zu kommen, die menschliche Technologie-Fabrik von VW zu besichtigen und bei Meister-
fotografen zu lernen“
– Mitmenschlichkeit
In dieser Anzeige des neuen VW-Bora aus dem Jahr 2009 wird mit dem Titel des
Fließtextes „solide Fürsorge, Fünf-Sterne-Zuverlässigkeit“ zuerst auf den Sale
Point, nämlich „Mitmenschlichkeit“ sowie „Zuverlässigkeit“ hingewiesen. Der
Fließtext
„Das fortschrittliche Sicherheitssystem des neuen VW-Bora schafft durch mehrfache elek-
tronische Technologien mehr Sicherheit. Fußgängern wird ein Schutz nach dem europäi-
schen Standard geboten. Der neue VW-Bora hat beim C-NCAP Fünf-Sterne-Sicherheitssys-
tem gewonnen“
zeigt nochmals die Betonung der Fürsorge für Fußgänger. Diese Betonung der
Sicherheit und der darüber hinaus gehenden Fürsorge ist vorher in Anzeigen zu
Autos aus anderen Ländern in „Lifeweek“ fast nie zu sehen. Im bildlichen Hin-
tergrund steht ein neuer VW-Bora. Im Vordergrund links befindet sich ein Vater
mit einem Baby im Arm, das lächelnd nach links blickt. Das ganze Bild versucht,
menschliche Liebe in den Vordergrund zu stellen. In der Mitte stehen noch fünf
Sterne mit der Erklärung „Zuverlässigkeit“. Unten steht eine Serie von Fotos
des VW-Bora. Diese Anzeige von VW-Bora drückt nicht nur durch den Text Mit-
menschlichkeit aus, sondern es wird mit der Vater-Baby-Szene eine Atmosphäre
von Liebe und Wärme geschaffen. Im Unterschied zu anderen Autoanzeigen wird
die Sicherheitseigenschaft des Autos durch neue Inhalte dargestellt.
Die Dynamik von Stereotypen 195
Auf der formalen Ebene wird der Titel des Fließtextes, gleichzeitig der wich-
tigste Sale Point, mit einer größeren Schrift fett gedruckt. Im Fließtext wird noch-
mals auf diesen Sale Point hingewiesen. Durch die Formulierungen „die mensch-
liche Fürsorge“ sowie „Mehr Fürsorge für Fußgänger“ werden die Sorgen um
die Mitmenschen mehrmals betont. Der Vater-Baby-Hintergrund, der eigentlich
wenig mit der Autoanzeige zu tun hat, ruft indirekt bei Lesern durch die Darstel-
lung der natürlichen Zuneigung des Vaters zum Kind die Assoziation der mensch-
lichen Liebe sowie Fürsorge hervor, die mit dem Thema dieser Autoanzeige im
Zusammenhang steht. Die Atmosphäre der Liebe wird in der Anzeige eindeutig
durch den Text sowie das Bild geschaffen.
Die Mitmenschlichkeit wird auch in der Anzeige des VW-Polo von 2005 darge-
stellt. Darin steht „Polo mit der von VW geerbten Wertschätzung der Menschen“.
Im Vergleich zu anderen Autoanzeigen, wo bildlich ausschließlich Autos und
Technologien gezeigt werden, tauchen seit 2008 immer mehr Familienszenen in
VW-Autoanzeigen auf, wie z. B. beim VW-Bora (2008, 2010/4), beim Turan (2011)
und einigen anderen. Ein Vater füttert Kinder, die ganze Familie umarmt sich
oder blickt einander an, solche Szenen brechen die traditionellen technischen
Darstellungen der Autoanzeigen auf und schaffen im Gegensatz dazu eine neue
menschliche Atmosphäre. Dadurch können diese Autoanzeigen einerseits die
Erwartungen der Konsumenten über einige bestimmte Wagen mit der Zielgruppe
Familie in Bezug auf bestimmte Wagen erfüllen, andererseits nähert sich das Auto
dem realen Leben und schafft durch die Darstellung von Menschen statt nur von
Technologien bei Konsumenten neue Wahrnehmungen. Außerdem sieht man das
Stereotyp der Mitmenschlichkeit auch in anderen Werbetexten, wie denen von
Vaillant-Heizgeräten (2007/12) mit „mitmenschliche Technologien“, von Siemens-
Waschmaschinen mit „computergesteuertes Programm voller Mitmenschlichkeit
(2005/13)“ usw.
– Fortschrittliches Industriedesign
Die erste Anzeige, in der der deutsche Preis „Red Dot Design Award for Design
Concepts“ auftauchte, erschien im Jahr 2009 für das Produkt Haier-Warmwasser-
boiler. Danach liest man oft über „den deutschen Preis Red Dot“ in Anzeigen von
„Lifeweek“. Die Erwähnung dieses deutschen Preises zeigt einerseits die Auto-
rität und die Anerkennung dieses Preises im Industriedesignbereich und führt
andererseits allmählich zur Entstehung eines neuen Stereotyps in Bezug auf
Deutschland. Unten wird dieses neu entstandene Stereotyp über fortschrittliches
deutsches Industriedesign am Beispiel von VW-CC erklärt.
196 Liang Shanshan
In dieser VW-CC-Anzeige aus dem Jahr 2010 weist inhaltlich gesehen der Titel
des Fließtextes („geschicktes Design von CC fügt dem eleganten Leben Vitalität
hinzu“) auf den Sale Point hin. Der Fließtext
„Geschickt entworfene Kurven, weil nur die Rückansicht meistens gesehen wird. Vom ele-
ganten Rücken aus wird jede Kurve mit Herzen entworfen.“
stellt die Gestalt von CC sowie ihre Kurvenentwürfe dar. Am Ende des Fließtextes
wird erwähnt, dass
„VW-CC bei dem deutschen Preis Red Dot 2009 die hervorragende Bezeichnung „beste Qua-
lität sowie Geschmack“ („Best oft the Best“) gewonnen hat“.
In dem Schaubild wird ein fahrender VW-CC gezeigt, was im Vergleich zu anderen
Anzeigen mit einem stehenden Auto anders ist. Der zum Teil verschwommene
Hintergrund veranschaulicht genau das schnell fahrende Auto und entspricht
der Beschreibung „Rückansicht“ im Fließtext.
Formal gesehen tauchen im Werbetext Ausdrücke wie „geschicktes Design“,
„Kurve mit dem Herzen entworfen“ usw. auf, was den besonderen Entwurf von
VW-CC besonders hervorhebt. Basierend auf diesen Inhalten ist der Gewinn des
deutschen Preises „Red Dot“ nicht verwunderlich. Vor der Bezeichnung „beste
Qualität sowie Geschmack („Best of the Best“)“ wird noch das Adjektiv „her-
vorragend“ zum Ausdruck des hohen Ansehens des Preises benutzt, was seine
Stellung im Industriedesign nochmals betont. Die Verwendung der englischen
Formulierung „Best of the Best“ in einem chinesischen Kontext versucht, über
die chinesische Sprache hinaus durch eine einfache englische Formulierung, die
zweimal den Superlativ enthält, den Preis sowie das Designniveau zu unterstrei-
Die Dynamik von Stereotypen 197
chen. Das Auto wird nicht von hinten gezeigt, sondern eher leicht von der Seite,
damit die Leser eine optimale Perspektive haben, aus der sie das durch den Preis
ausgezeichnete Design des Autos sowie die im Fließtext beschriebene Kurve des
Autos erkennen können. Dieser durch den deutschen Industriedesignpreis aus-
gezeichnete Entwurf wurde von VW-CC als Sale Point für sein Produkt benutzt
und etabliert indirekt auch das neue Stereotyp, dass Deutschland im Industrie-
design weltweit bekannt und anerkannt ist.
Über diese Werbung hinaus wird im Jahr 2011 in der Audi-Anzeige dieser
deutsche Industriedesignpreis erwähnt und ausführlich vorgestellt. Im Werbetext
wird dieser Preis als Oscar-Preis im Designbereich bezeichnet. In der Anzeige von
Peugeot aus dem Jahr 2011, von Haier-Warmwasserboilern sowie der Klimaanlage
aus den Jahren 2009, 2010, 2011, der Delongh-Kaffeemaschine aus dem Jahr 2010
usw. tauchen ähnliche Ausdrücke auf: „Der langfristige Entwurf gewinnt den
deutschen Red Dot Preis“ (Lifeweek 2010/8) und „aufgrund von perfekter Kunst-
dekoration wird der deutsche Red Dot Preis verliehen“ (Lifeweek 2011/17). In der
Anzeige des Hisense-Kühlschranks aus dem Jahr 2012 manifestiert sich dieses
neue Stereotyp in Bezug auf Deutschland im Werbetext „Herkunft von deutschen
Top-Entwurfsideen“ (Lifeweek 2012/37) noch deutlicher.
3.2.2 Verschwundene Stereotype
Die Dynamik besteht nicht nur im Auftreten neuer Stereotype, sondern auch im
Verschwinden alter Stereotype. Im Gegensatz zu den oben analysierten Stereo-
typen in Anzeigen, die in den letzten Jahren neu entstanden sind, offenbart sich
das Stereotyp, dass Deutschland bzw. deutsche Herkunft für exklusiven Status
stehen, nur eine Weile in Anzeigen der „Lifeweek“. Hier wird eine Anzeige über
Immobilien mit diesem Stereotyp aus dem Jahr 2004 als Beispiel ausgewählt.
198 Liang Shanshan
Deutschland lässt sich die Vorstellung eines höheren und exklusiveren Status
erkennen und es wird suggeriert, dass man auch seinen eigenen Status erhöhen
könne, wenn man diese Immobilien kaufe.
2004 veröffentlichte Shimaobinjiang noch zwei andere ähnliche Immobilien-
Anzeigen mit diesem Stereotyp in „Lifeweek“. Nach diesen drei Immobilien-
Anzeigen kam das Deutschland-Stereotyp von exklusivem Status nicht mehr vor.
– Direkte Widerspiegelung
Wie oben erwähnt, gehören Stereotype zur Wahrnehmung von fremden Kultu-
ren. Sie spiegeln vereinfachend die Realität wider und geben Aufschluss über die
gesellschaftliche Entwicklung. Das Stereotyp über deutschen Umweltschutz stellt
genau diese neue gesellschaftliche Entwicklung in Deutschland unmittelbar dar.
Mit der raschen Industrie- sowie Wirtschaftsentwicklung zählt „der Schutz
von Umwelt und Klima zu den globalen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts
und genießt weltweit, besonders aber in der deutschen Politik, in Publizistik und
in der Zivilgesellschaft einen hohen Stellenwert“. Deutschland gilt international
als eine der Vorreiternationen beim Klimaschutz und als Pionier beim Ausbau
erneuerbarer Energien. „Schon seit Jahren verfolgt Deutschland einen Weg, der
Klima- und Umweltschutz im Sinne nachhaltigen Wirtschaftens zusammen-
führt. Als bedeutendes Rückgrat der deutschen Industrie investiert die Autoher-
stellungsbranche viel in umweltfreundliche Motoren, um sich besser auf einen
zukünftig nachhaltigen umweltfreundlichen Weg vorzubereiten“1. Dazu gehört
1 http://www.tatsachen-ueber-deutschland.de/de/umwelt-klima-energie/startseite-klima/we-
ge-zu-einer-mode rnen-klima-und-energiepolitik.html
200 Liang Shanshan
auch die „Think Blue“-Aktion von VW zur Verbreitung von Umweltschutz und
Energieeffizienz als Ideen zur Realisierung der Ziele für eine nachhaltige Ent-
wicklung. Passend zu dieser umweltfreundlichen Entwicklungstendenz tauchen
allmählich Inhalte über Umweltschutz in Anzeigen der deutschen Produkte in
„Lifeweek“ auf. Deutsche Haushaltsgeräte- sowie Automobilhersteller benutzen
gerne „umweltfreundlich“, „energiesparend“, „Technik mit hoher Energieeffizi-
enz“ und andere ähnliche Ausdrücke sowie entsprechende Bilder bzw. Fotos z. B.
vom Fahrradfahren in ihren Anzeigen. Dafür setzt VW ferner die „Think Blue“
Werbekampagne mit entsprechenden Anzeigen für Umweltschutz und nach-
haltige Entwicklung ein. Durch diese im Laufe der Zeit immer mehr werdenden
Anzeigen ist das Deutschland-Stereotyp des Umweltschutzes entstanden und sta-
bilisiert sich.
Auf eine andere Art und Weise zeigt das Stereotyp „exklusiver Status“ direkt
den Einfluss der historischen sowie gesellschaftlichen Situation. Das Stereo-
typ „Deutschland steht für exklusiven Status“ erschien nur in Anzeigen der
Shimaobinjiang-Immobilien. Als Shimaobinjiang-Immobilien keine Anzeigen
mehr veröffentlichte, verschwand dieses Stereotyp auch aus „Lifeweek“. Die Her-
kunft dieses Stereotyps in Bezug auf Deutschland ist schwer zu ermitteln und zu
erklären. Es fehlt ein historischer sowie gesellschaftlicher Hintergrund, auf den
das Stereotyp zurückzuführen ist. Beschreibungen wie „grüner Schwanensee
im deutschen Stil“, „Aus dem deutschen Adelsleben stammen die grüne Fläche
und das Zusammenspiel von Wasser und Himmel“ kann wohl nur im Kontext mit
„englischer Landschaft auf dem Land“ sowie „französischem Garten“ (Quelle:
Lifeweek 2004/39) erläutert werden. Denn diese Anzeige zielt nur darauf ab, den
Status der Shimaobinjiang-Immobilien auf das europäische Niveau zu erhöhen,
das im Vergleich zum damaligen China ein eleganteres sowie wohlhabenderes
Leben symbolisierte. Daher versucht die Anzeige der Shimaobinjiang-Immobilien
ihre Produkte im Zusammenhang mit Europa, insbesondere mit den drei bekann-
testen europäischen Staaten England, Frankreich sowie Deutschland, zu setzen.
Aus der chinesischen Kognition sind die englische ländliche Landschaft und der
französische Königshof – besonders der von Louis XIV sowie dessen Hofleben –
sehr bekannt. Daher liest man im Fließtext über entsprechende Inhalte wie „fas-
zinierende englische ländliche Landschaft“ sowie „französischer Hofgarten“. Im
Gegensatz dazu kannte man wenig von Deutschland außer dessen Technik und
deswegen musste man etwas Elegantes Europäisches extra für Deutschland erfin-
den, was die Tatsache ignoriert, dass Adlige aus Deutschland den Chinesen kaum
bekannt sind. Dieser Zusammenhang zwischen Deutschland und dem exklusiven
Status ist vermutlich gezielt von den Werbestrategen geschaffen worden. Wegen
fehlender wahrer historischer sowie gesellschaftlicher Hintergründe konnte
dieses erfundene Stereotyp in Bezug auf Deutschland als Symbol für exklusiven
Die Dynamik von Stereotypen 201
Status, nicht vom Publikum übernommen werden und daher nicht lange existie-
ren. Das zeigt vermutlich den Einfluss des gesellschaftlichen Hintergrundes auf
die Entstehung sowie die Entwicklung der Stereotype. Ohne tatsächliche histori-
sche Grundlagen, die den Rezipienten der Werbung bekannt sind, können erfun-
dene Stereotype nicht lange bestehen.
– Indirekte Widerspiegelung
Im Gegensatz zum Deutschland-Stereotyp Umweltschutz, das direkt die gesell-
schaftliche Entwicklung in Deutschland widerspiegelt, veranschaulichen die Ste-
reotype „Mitmenschlichkeit“ sowie „fortschrittliches Industriedesign“ indirekt
einen solchen Wandel.
Wenn man auf die Produkte der Anzeigen mit letzteren Stereotypen zurück-
geht, bemerkt man, dass unter den beworbenen Produkten Haushaltsgeräte und
Autos sind, die früher eigentlich in „Lifeweek“ sehr oft mit traditionellen Stereo-
typen wie gute deutsche Qualität und ausgezeichnete Technik beworben wurden.
Allerdings verschärft sich mit dem Auftritt der gleichen Art von Produkten anderer
Länder auf dem chinesischen Markt die Konkurrenz und wenn deutsche Produkte
in dieser neuen Situation die Aufmerksamkeit der chinesischen Kunden immer
noch auf sich ziehen wollen, müssen sie neue Sale Points entdecken. Daher
kommen in diesen Produktanzeigen neue Werbeinhalte vor, wie „menschliche
technische Grundlage“, „hervorragende intelligente deutsche Technik integriert
die Mitmenschlichkeit“, „als Oscar im Industriedesignbereich bezeichneter deut-
scher Red Dot Preis“, „fantastisches Design gewinnt den hochkarätigen deut-
schen Industriedesignpreis“ usw. Diese „neuen“ Deutschland-Stereotype „Mit-
menschlichkeit“ sowie „fortschrittliches Industriedesign“, die eigentlich schon
seit langem existieren und keine neuen Phänomene sind, versuchen deutsche
Produkte beim chinesischen Publikum gewissermaßen einzupflanzen, damit sie
auf dem chinesischen Markt immer noch attraktiv bleiben und durch diese neu
eingeführten Sale Points chinesische Kunden gewinnen können.
Im Vergleich zum Deutschland-Stereotyp „Umweltschutz“ verdeutlichen die
deutschen Stereotype „Mitmenschlichkeit“ sowie „fortschrittliches Industrie-
design“ zwar nicht unmittelbar den gesellschaftlichen Wandel, aber durch das
Auftreten dieser Stereotype kann die Entwicklung der chinesischen Wirtschaft
indirekt beobachtet werden: Das Wachstum der chinesischen Wirtschaft und der
immer größere sowie attraktivere Markt führen zur verschärften Konkurrenz auf
dem chinesischen Markt, worauf deutsche Hersteller mit neuen Ideen wie Ein-
führung neuer Stereotype in der Werbung reagieren.
202 Liang Shanshan
4 Schlusswort
Durch die oben geführte Untersuchung über Stereotype in Bezug auf Deutsch-
land in Anzeigen der Zeitschrift „Lifeweek“ kann beobachtet werden, dass außer
einigen traditionellen stabilen Stereotypen andere Stereotype auch Änderungen
erleben. Entsprechend aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen können neue
Stereotype entstehen, während andere Stereotype wegen fehlender historischer
Grundlage nur für kurze Zeit existieren. Diese in Verbindung zu einem bestimm-
ten gesellschaftlichen Hintergrund entstandenen Stereotype tendieren nach der
Entstehung dazu, weiterhin wieder stabil zu bestehen. Aus dieser Untersuchung
kann die Schlussfolgerung gezogen werden, dass Stereotype trotz des grundsätz-
lichen Kennzeichens der Stabilität auch eine Dynamik besitzen. Infolge des jetzi-
gen umfangreichen weltweiten Informationsaustausches wird der Entwicklungs-
prozess der Stereotype immer schneller und ihre Dynamik wird sich dadurch
deutlicher als zuvor zeigen.
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1 Einleitung
Die Chinabild-Forschung kann in China auf die 1990er Jahre zurückgeführt
werden (vgl. Liu/Zhou/Duan2002, 270). Nach dem von Li Xiguang und Liu Kang
publizierten „Hinter der Dämonisierung von China“ (1996) haben die Veröffentli-
chungen zur Chinabild-Forschung drastisch zugenommen. Während 1999 nur 25
Artikel in wissenschaftlichen Zeitschriften zu finden waren, belief sich die Zahl
2013 auf 228, fast zehnmal so hoch. Allerdings wird das politische Chinabild in
deutschen Medien seltener als Forschungsgegenstand betrachtet.
China erfährt in der Auslandsberichterstattung deutscher Medien zuneh-
mend Beachtung. Als eines der wichtigsten politischen Ereignisse zieht der Nati-
onale Volkskongress (NVK), das Parlament der Volksrepublik China, große Auf-
merksamkeit von Seiten der deutschen Medien auf sich.
Da die Leitmedien beim Agenda Setting bzw. der Konstruktion des Natio-
nenbildes eine bedeutende Rolle spielen, wendet sich die vorliegende Arbeit der
Berichterstattung über Chinas NVK im Spiegel zu. Das Nachrichtenmagazin Der
Spiegel wird nämlich aufgrund seines Einflusses auf die öffentliche Meinungsbil-
dung als ein Leitmedium in Deutschland bezeichnet.
Ziel der vorliegenden Arbeit1 ist es, durch die Analyse der Berichte über
Chinas NVK das politische Chinabild im Spiegel zu ermitteln, es in gewissen
sozialen, politischen und kulturellen Kontexten offenzulegen und kritisch zu
beleuchten. Konkreter wird dabei auf folgende Fragen eingegangen:
1) Was für ein politisches Chinabild wird anlässlich des NVK konstruiert?
Li, Yuan, Prof. Dr., Professorin für German Studies, Institut für German Studies, Zhejiang Uni-
versität, China
Ye, Xiangmei, Institut für German Studies, Zhejiang Universität, China
DOI 10.1515/9783110544268-011
Das politische Chinabild 205
Untersucht werden alle Berichte von 2003 bis 2013 im Spiegel2, die während des
NVKs veröffentlicht wurden und den NVK als Hauptthema behandelten. Die the-
oretische Grundlage bilden die Rahmenanalyse (Framing) sowie die Kritische
Diskursanalyse (CDA), welche gleichzeitig als Untersuchungsmethoden dienen.
2 Die Berichte sind aus dem Spiegel und Spiegel Online ausgewählt. Obwohl die Berichte in bei-
den nicht immer identisch sind und sich ihr Stil auch manchmal unterscheidet, gehören beide
zur Spiegel-Gruppe und verfügen über viele Gemeinsamkeiten. Aus ökonomischen Gründen wird
in der vorliegenden Arbeit „Der Spiegel“ als Sammelbegriff für beide angewendet.
206 Li Yuan und Ye Xiangmei
cursive practice“) und eine Instanz der sozialen Praxis („an instance of social
practice“) angesehen (Fairclough 1992, 4). Fragen der Macht und Ideologie stehen
hier im Mittelpunkt.
Zunächst lässt sich ein deutlicher Anstieg der Anzahl der Berichte erkennen, von
einem im Jahr 2003 bis fünf im Jahr 2007 und schließlich 11 im Jahr 2013 (Abbil-
dung 1). Daraus könnte geschlussfolgert werden, dass Der Spiegel an Chinas NVK
stetig Interesse hat und diesem seit den letzten Jahren immer mehr Aufmerksam-
keit geschenkt wird.
Abb. 1: Anzahl der Chinaberichterstattungen des Spiegel von 2003 bis 2013
Das politische Chinabild 207
Was die Themenbereiche betrifft, sind die Berichte ihrer Hauptthemen gemäß in
drei Kategorien einzuordnen: Wirtschaft, Politik und Menschenrechte. Demnach
gehören 13 Artikel zur Wirtschaft, neun zu Menschenrechten und 28 zur Politik.
Alle 50 Berichte dienen als Untersuchungsmaterialien der vorliegenden Arbeit,
der Schwerpunkt liegt jedoch auf 37 Berichten, die der Kategorie „Politik“ und
„Menschenrechte“ zugeordnet sind, weil hier das politische Chinabild zu ermit-
teln ist.
Generationswechsel 10 27
Menschenrechte 9 24
Militär 2 5,5
Delegierte 2 5,5
Innenpolitik 11 30
Summe 37 100
Abb. 2: Themenkomplexe
die Rolle der Sicherheitskräfte thematisiert. In den Berichten Nr. 18, 30, 33 und
37 werden z. B. die Aufrüstung der Polizei sowie der Streitkräfte und deren harte
Maßnahmen gegen „Regimekritiker und ausländische Korrespondenten“ hervor-
gehoben. Als beliebtes Thema im Spiegel gelten der „Kritiker der Regierung“ Ai
Weiwei und „Bürgerrechtler“ wie Hu Jia und Teng Biao.
Zur Rubrik „Taiwan und Tibet“ gehören drei Berichte. Die zwei Berichte über
die Taiwan-Frage beziehen mehrere Aspekte ein, einschließlich der Beziehung
zwischen Taiwan und dem Festland China sowie des Kriegsgesetzes bzw. des
Anti-Sezessionsgesetzes Chinas gegen Taiwan, falls sich Taipei für unabhängig
erklären sollte. Beide Berichte erschienen im Jahr 2005, wo eine neue Krise zwi-
schen China und Taiwan entstand und im März 2005 ein Anti-Abspaltungsgesetz
vom NVK verabschiedet wurde (Bericht Nr. 5, Nr. 7). In Bezug auf Tibet wird der
Schwerpunkt auf den Umgang mit dem Dalai Lama, den Unruhen, dem Chaos
und der Selbstverbrennung gelegt. Beispielsweise wurde der Dalai Lama von chi-
nesischer Regierung für die Selbstverbrennung im Jahr 2012 beschuldigt (Bericht
Nr. 38). Die Taiwan- und Tibet-Frage habe problematische Konsequenzen für die
internationalen Beziehungen, beispielsweise die Beziehung zu den USA. Die USA
haben mit Waffenverkäufen an Taiwan und mit dem Empfang des Dalai Lama
beim Präsidenten „die chinesische Souveränität“ verletzt, wodurch es auch zu
„ernsthafte(n) Störungen“ der Beziehungen zwischen China und den USA gekom-
men sei (Bericht Nr. 29).
Die Berichte zum Thema „Militär“ stellen die Aufrüstung Chinas dar (Nr. 39
und Nr. 43) und in den Berichten Nr. 35 und 44 rücken die Delegierten ins Zentrum.
Die Tendenz bezieht sich anscheinend zunächst nicht auf die Haltung des Maga-
zins Spiegel zu China, sondern hängt von den Themen der Berichte ab. Wenn
die Berichte ein negatives Thema zum Gegenstand haben, z. B. „Das Internet:
Chinas Staatsfeind“ (Bericht Nr. 3), „Volkskongress: Chinas Führung legt Kriegs-
gesetz gegen Taiwan vor“ (Bericht Nr. 5), „Nervöse Führung: China setzt erneut
ausländische Journalisten fest“ (Bericht Nr. 30), dann werden sie in die Kategorie
„negatives Thema“ eingeordnet. Und wenn es um positive Ereignisse geht, z. B.
den Erfolg der olympischen Spiele in Peking, dann ist die Tendenz überwiegend
positiv. Wenn die Berichte den Volkskongress z. B. nur darstellen, dann sind sie
neutral.
Das politische Chinabild 209
Jahre 03 04 05 06 07 08 09 10 11 12 13 Summe
Gesamtzahl 1 1 4 3 3 4 1 4 2 5 9 37
Neutrales Thema 0 0 2 0 2 2 0 0 0 1 7 14
Negatives Thema 1 1 2 3 1 2 1 4 2 4 2 23
Anteil mit negativen Themen (%) 100 100 50 100 33,3 50 100 100 100 80 22,2 62,2
Abb. 3: Anzahl und Proportion der neutralen und negativen Themen im Bereich Politik
In Abbildung 3 ist auffällig, dass es keine positive Berichterstattung bei den aus-
gewählten Materialien gibt. Mehr als die Hälfte (62,2%) der Gesamtberichte im
Bereich Politik behandeln negative Themen. Außerdem ist deutlich, dass sich
alle Berichte in den Jahren 2003, 2004, 2006, 2009, 2010 und 2011 auf negative
Themen beziehen. Daraus kann geschlussfolgert werden, dass Der Spiegel dazu
neigt, negative Themen über den Volkskongress auszuwählen und davon zu
berichten.
In Abbildung 4 wird der Anteil der neutralen und negativen Themen in einzel-
nen Themenbereichen der Politik dargestellt. Am auffälligsten ist, dass die auf
„Menschenrechte“ und „Taiwan und Tibet“ bezogenen Berichte eine ausschließ-
lich negative Tendenz aufweisen. In den Themenbereichen „Generationswechsel“
und „Militär“ zeigen fast alle eine neutrale Tendenz. In Bezug auf „Generations-
wechsel“ gibt es nur einen negativen Bericht, der von der schwierigen Aufgabe
der neuen Generation erzählt (Bericht Nr. 42). Die übrigen berichten hauptsäch-
lich neutral über das Vorgehen der Wahl des Staatspräsidenten usw. In Bezug auf
210 Li Yuan und Ye Xiangmei
„Militär“ sind die zwei Berichte über die Aufrüstung des Militärs auch neutral
gehalten. Darüber hinaus sind die Themenbereiche „Delegierte“ und „Innenpoli-
tik“ sowohl als neutrales Thema als auch als negatives Thema zu lesen.
Bei eingehender Analyse lässt sich schließlich herausarbeiten, dass die
Tendenz der Themenbereiche des Spiegel in erster Linie nicht von den Themen
der Berichte abhängt, sondern die politische oder weltanschauliche Orientie-
rung des Spiegel ausdrückt. Ob ein positives oder negatives Chinabild vermittelt
wird, hängt von der Wahl der Themen ab. Die Auswahl bestimmter Themen ist
nichts anderes als die Wahl, eher negative Ereignisse oder positive Dinge an die
Leserschaft heranzutragen. Dazu kommt, dass Begriffe wie „Menschenrechte“
und „Demokratie“ nicht die gleiche Bedeutung, Geschichte und Konnotation in
beiden Ländern haben, aber immer davon ausgegangen wird.
4.1 Textanalytische Praxis
Zur Analyse der textanalytischen Praxis gehören die Analyse des Titels, der lexi-
kalischen Auswahl und der Überlexikalisierung.
4.2 Titel
Der Titel des Berichts hat eine semantische Funktion, indem über den „inhalt-
lichen Kern“ des Textes informiert wird (Harweg 1984, 78). In Bezug auf prag-
matische Funktionen kündigt der Titel an, was in dem Bericht zu erwarten ist.
Außerdem hat Brandt (1991, 238) bei seiner Untersuchung der Überschriften von
Zeitungstexten festgestellt, dass der Titel die Funktion des „Informierens“ und
des „Appellierens“ übernehmen kann.
Dieser Teil beschäftigt sich mit den Titeln der Berichterstattungen. Als Bei-
spiele werden nun die Titel in Bezug auf die Menschenrechte (im Anhang mit *)
Das politische Chinabild 211
analysiert. Allein an den Titeln ist bereits eine kritische Einstellung des Spiegel
gegenüber den Menschenrechten Chinas zu erkennen. Als „Staatsfeind“ wird das
Internet bezeichnet, das in China nicht willkommen ist. Mit dem Titel „die Partei
greift durch“ wird die Partei indirekt für ihre Eingriffe in die Meinungsfreiheit
und Redefreiheit durch Internet-Zensur und Internetcafé-Verbot kritisiert. Mit dem
Titel „Menschenrechte: Chinesischer Bürgerrechtsanwalt spurlos verschwunden“
weist der Journalist nicht nur auf das Verschwinden des Bürgerrechtsanwalts hin,
sondern auch auf das der Menschenrechte. „Gespielte Pressefreiheit“ weist direkt
darauf hin, dass es in China keine reale Pressefreiheit gibt und dass der Umgang
mit der Pressefreiheit in China zu kritisieren ist. Als Beweis sind beispielsweise
„die erneute Festnahme der ausländischen Journalisten“ und „willkürliche Voll-
macht“ für Chinas Polizei wegen der Nervosität der chinesischen Regierungen
genannt.
Anhand der Beispiele wird klar, dass die Titel die Einstellung der Medien
gegenüber dem Sachverhalt offenlegen. Hier kann man sehen, dass Der Spiegel
die Situation der Menschenrechte in China kritisch und überwiegend negativ
beurteilt.
4.2.1 Lexikalische Wahl
Die Entscheidung für eine bestimmte Lexik wird nicht per Zufall getroffen. Die
lexikalische Wahl verrät wichtige Informationen zur Einstellung der Autoren
(Simpson 1993, 141). Jede Äußerung lässt sich „mit dem vergleichen, was nicht
gesagt worden ist, aber was auch hätte gesagt werden können“ (Pollak, 35). „Lexica
choice is an element aspect of discourse in which hidden opinions or ideologies may
surface“ (Van Dijk 1988, 177). Die lexikalische Wahl beeinflusst die ideologische
Struktur. Daher ist es sinnvoll, die ausgewählten Berichte zuerst auf der lexikali-
schen Ebene zu analysieren.
die Führung/ 72 (1), (2), (4), (5), (12), (14), (16), (17), (27), (30), (33),
der Führer (34), (35), (36), (38), (39), (40), (41), (42), (43), (45),
(47), (48), (49)
4.2.2 Die Überlexikalisierung
In Abbildung 6 werden die Bezeichnungen für den NVK aufgelistet. NVK ist
das höchste politische Organ Chinas. Der Spiegel beschreibt den NVK wieder-
holt als „Scheinparlament“, „Pseudoparlament“ und „Abnickparlament“. Dabei
wird „Pseudoparlament“ am häufigsten benutzt. Wenn ein Deutscher das Wort
sieht, dürfte er sich wohl an die Geschichte des Scheinparlamentarismus des
NS-Regimes erinnern, wo in der Einparteiendiktatur Parlamentswahlen abge-
halten wurden. „Pseudo-“ wird in der Regel abwertend verwendet, drückt aus,
„dass jemand/etwas in Wirklichkeit nicht das ist, was sie zu sein vorgibt oder zu
sein scheint.“ (Langenscheidt 2007, 871). Den NVK mit einem „Pseudoparlament“
gleichzusetzen, wird bei den Lesern den Eindruck erwecken, dass der NVK kein
Parlament im realen Sinne ist.
Der Spiegel bezeichnet den NVK außerdem oft als „das sogenannte Parla-
ment“, „Pekings zahnloses Parlament“, „dem nicht frei gewählten Parlament“.
Mit den Attributen „zahnlos“, „nicht frei gewählt“ und „sogenannt“ wird ein kri-
tisches und problematisches Bild des NVK gestaltet.
Durch eine Anzahl „von wiederkehrenden Vorstellungen, Formulierungen und
Symbolen“ werden Stereotype aufgebaut (Seibt 2010, 22). Mittels der Überlexi-
kalisierung von Wörtern wie „das Scheinparlament“ verweisen die Berichte auf
ein Bild des NVK, nach dem es in China keinen realen Volkskongress und daher
keine reale Demokratie gibt, was als Stereotyp verfestigt wird.
Aus der obigen textanalytischen Praxis wird klar ersichtlich, dass Sprache
kein neutrales Medium ist. Sowohl der Einsatz eines bestimmten Titels als auch
die Auswahl und Wiederholung der Lexik drücken eine bestimmte Absicht aus,
die mit der politischen und weltanschaulichen Einstellung verbunden ist.
214 Li Yuan und Ye Xiangmei
4.3 Diskursive Praxis
Die diskursive Praxis verbindet die Textebene und die Ebene der sozialen Praxis.
Im Unterschied zur textanalytischen Praxis, bei der sprachliche Komponenten
im Vordergrund stehen, wird hier auf die internen Beziehung zwischen dem Text
und der Gesellschaft eingegangen. Konkret heißt dies, zu analysieren, wo der
Text herkommt und wie er entstanden ist. Da jeder Text „Fragmente von anderen
Texten in sich“ beinhaltet (Fairclough 2003, 36) und „ein Flickenteppich von
Zitaten“ ist (Kristeva1986, 37), kann ein Text ohne die intertextuellen Verbindun-
gen zu anderen Texten nicht existieren. In der diskursiven Praxis gelten folglich
Informationsquelle, Handlungsträger und Zitate sowie Intertextualität als Gegen-
stand der Analyse.
4.3.1 Informationsquelle
und erlebte dort unter anderem die Protestbewegung von 1989. Seit 1999 lebt er
wieder in China, von wo aus er bis Ende 2010 für den Spiegel schrieb.7
Als ein wichtiger Teil des Diskurses drücken auch Zitate die Haltung und Stand-
punkte von Autoren aus. Aber Zitate, sowohl die direkte als auch die indirekte
Rede, tragen dazu bei, den Eindruck bei Lesern zu erwecken, dass die Nachrich-
ten keine persönlichen Ansichten des Autors vertreten. Die Objektivität und die
Überzeugungskraft einer Berichterstattung hängen also zum großen Teil von
Zitaten ab. Handlungsträger sind „Personen oder Gruppen, die im Beitrag als
Sprecher in Erscheinung treten oder wesentlichen Raum als Beschriebene bekom-
men.“ (Richter und Gebauer 2010, 20) Die Untersuchung der Handlungsträger
dient dazu, die Herkunft der Zitate zu analysieren und zu bewerten, ob die Zitate
sachlich sind.
In dieser Arbeit sind die Handlungsträger in Anlehnung an Richter und
Gebauer (2010) in zehn Kategorien unterteilt (Abbildung 8). Auffällig ist, dass
die meisten betroffenen Handlungsträger chinesische Repräsentanten des Staats
sind. Trotz des starken Bezugs der chinesischen Handlungsträger lässt sich aber
andererseits beobachten, dass die Handlungsträger meistens ohne genaue Hin-
weise auf Name, Beruf, Status usw. angeführt werden, z. B. „Augenzeugen berich-
ten, Beamte des Staatssicherheitsdienstes hätten ihn entführt.“ (Bericht Nr. 18)
Hier wurden die Handlungsträger nur als „Augenzeugen“ benannt, aber konkrete
Informationen darüber, wer sie sind, wurden nicht angegeben. Mittels dieser
Strategie wird die Tatsache anscheinend objektiv bewiesen, aber nach genauerer
Analyse ist die Glaubwürdigkeit der Informationen fraglich.
7 http://www.koerber-stiftung.de/edition-koerber-stiftung/autoren/details/autor/andreas-lo-
renz.html. Zugriff am 04.11.2013.
216 Li Yuan und Ye Xiangmei
Abb. 8: Anteil der direkten Rede und indirekten Rede bei verschiedenen Handlungsträgern
4.3.3 Intertextualität
Der Diskurs, der immer einen anderen Diskurs „absorbiert“ und „transformiert“
(Kristeva 1986, 37) verfügt über die Eigenschaft von „Intertextualität“. „Die inter-
textuelle, beziehungsweise interdiskursive Analyse fragt, wie Texte diese sozialen
und historischen Grundlagen kombinieren oder verändern und wie sich Diskurse
und Genres vermischen.“ (Kristeva 1986, 37). Die folgenden Sätze sind typische
Beispiele der Intertextualität.
Satz a) erschien 2012 und Satz b) stammt von 2013. Offensichtlich sind der Inhalt
und die Struktur der beiden Sätze fast identisch. Daher könnte man vermuten,
dass die Information im Jahr 2013 nicht durch aktuelle Recherche vermittelt wird.
Trotz der Gemeinsamkeit darf man die Unterschiede auf keinen Fall vernachläs-
sigen. Durch die Verwendung des Verbs „sind“ wirkt die Einschätzung im Satz a)
hundertprozentig sicher, während der Konjunktiv „dürften“ in Satz b) die Über-
zeugungskraft der Einschätzung stark verringert. Die Leser würden wohl vermu-
ten, dass China sehr viel für Militär ausgibt, was zwangsläufig zur Angst der Deut-
schen vor dem Aufstieg Chinas führen könnte.
Außerdem werden „die UdSSR und die arabischen Diktaturen“ auch in die
Berichte miteinbezogen, um China mit ihnen zu vergleichen und den Begriff
Diktatur zu unterstreichen (Bericht Nr. 42). „Die ehemalige UdSSR und die arabi-
schen Diktaturen“ geben nur ein ausschließlich negatives Bild der sozialistischen
Gesellschaftsordnung wieder. Im Folgenden finden sich weitere Beispiele:
a) „Auf erstaunlich entlarvende Weise bezieht die Parteiführung das Schicksal der vertrie-
benen arabischen Autokraten auf sich selbst.“ (Bericht Nr. 33)
b) „Die Nazis köpften Hörer von BBC-Rundfunksendungen, Europas kommunistische
Regime wurden vom Westfernsehen zersetzt. Allabendlich, beschwerte sich damals ein
Sowjetpropagandist nach einer DDR-Reise, sitzt in Ostdeutschland „der Klassenfeind mit
am Kamin“. Das einzige noch völlig unabhängige Nachrichtenmittel in Wladimir Putins
Russland sind die russischen Online-Dienste.“ (Bericht Nr. 3)
c) „Eines hat China der UdSSR und den arabischen Diktaturen voraus: wirtschaftlichen
Erfolg und, bei allen Ungleichgewichten, eine beeindruckende Bilanz in der Armutsbe-
kämpfung. Etwas anderes aber teilt das Land mit diesen Verblichenen der Weltgeschichte:
China ist keine Demokratie, sein Volk kann die Entscheidungen der Partei und des Volks-
kongresses höchstens im Internet kommentieren, mitzubestimmen hat es nichts.“ (Bericht
Nr. 42)
4.4 Soziale Praxis
Jeder Diskurs ist eine „Form der sozialen Praxis“, die die sozialen Verhältnisse
nicht nur reflektiert, sondern zugleich konstituiert und organisiert (vgl. Fair-
clough/Wodak 1997, 265). Im Anschluss an die Analyse auf der textuellen und
diskursiven Ebene folgt die Analyse der sozialen Praxis. Hier wird dem Einfluss
der sozialen Kontexte der kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Praxis auf
die Auswahl der Diskurse besondere Aufmerksamkeit geschenkt, um erklären zu
können, warum China anlässlich des NVK in den Berichterstattungen so darge-
stellt wird. Welche soziokulturellen Faktoren könnten darauf Einfluss nehmen?
4.4.1 Kulturelle Praxis
Seit der Aufklärung im 18. Jahrhundert ist die westliche Kultur die führende
Kultur der Welt geworden und es bis heute geblieben. Die Europäer betrachten
sich als überlegen und sehen die anderen Kulturen als fremd und primitiv an.
Außerdem wird die europäische Kultur als „Bewertungsmaßstab für andere Kultu-
ren“ dargestellt (Haller und Shore 2005, 17). Die westlichen entwickelten Länder
neigen dazu, mit ihrer eigenen Kultur in andere Länder einzudringen und die dort
vorhandene umzugestalten oder sogar zu ersetzen. Außerdem sind die Medien
ein wichtiges Mittel für die Europäer, ihre eigenen Vorstellungen und ihre Inter-
essen durchzusetzen.
Als erstarkter und weiter aufsteigender Staat ist China auch zu einer Groß-
macht auf der Weltbühne und gleichzeitig zu einem großen Konkurrenten für
andere Länder geworden. Wegen ihres Eurozentrismus und der Angst und Furcht
vor China neigen die Deutschen stetig dazu, die eigene Kultur als Schablone zu
nehmen und das Phänomen China aus ihrer Perspektive und nach ihren Stan-
dards zu beurteilen und zu kritisieren.
4.4.2 Wirtschaftliche Praxis
Die wirtschaftliche Entwicklung Chinas leistet einen großen Beitrag zur Stabili-
tät und Entwicklung der Weltwirtschaft. 84 Prozent der Bundesbürger halten die
Wirtschaftsbeziehungen zum Reich der Mitte für ebenso wichtig wie die zu den
USA. Knapp die Hälfte der Deutschen (49 Prozent) haben jedoch Angst vor der
wirtschaftlichen Stärke Chinas, 86 Prozent sehen China vor allem als Standort
für Massenproduktion8. Und diese Stimmung reflektiert oft die Berichterstattung.
In der heutigen Welt spielt China vor allem nach der Weltwirtschaftskrise im
Jahr 2008 eine wichtige Rolle auf der Weltbühne. China hat 2007 Deutschland im
Export eingeholt, ist seit 2010 vor Japan die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt
und ist derzeit auf dem Weg, die USA als größte Handelsnation abzulösen. Zudem
hält China die weltweit höchsten Devisenreserven (rund 3,5 Bill. USD).9 Dagegen
wurde Deutschland durch die Weltwirtschaftskrise stark beeinträchtigt.
Deutschland ist seit mehr als 30 Jahren Chinas größter Handelspartner in
Europa. „Im Jahr 2002 gelang es China sogar, zum ersten Mal Japan zu übertref-
8 http://www.welt.de/wirtschaft/article124977430/Deutsche-haben-Angst-vor-Chinas-Wirt-
schaftsmacht.html 18.02.2014. Zugriff am 20.03.2016.
9 Vgl. http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/China/Wirt-
schaft_node.html. Zugriff am 14.12. 2013.
220 Li Yuan und Ye Xiangmei
fen und der größte Handelspartner Deutschlands in Asien zu sein.“10 Trotz der
engen Handelsbeziehungen wird China aufgrund der aktuellen Entwicklung eher
als Konkurrent und weniger als Partner betrachtet. Deutschland fühlt sich durch
China bedroht. Obwohl die „Gelbe Gefahr” kein neues Argument ist, löst diese
Bedrohung eine echte Panik aus, nachdem China relativ schnell die Weltwirt-
schaftskrise überstanden hatte. (Zhou und Wang 2011, 39–47).
4.4.3 Politische Praxis
In Bezug auf die politische Praxis sollten zuerst die Unterschiede des politischen
Systems der beiden Länder erkannt werden. Das politische System Chinas ist
anders als das in Deutschland. Chinas Beibehaltung des Kommunismus führt zu
einer Feindschaft Deutschlands gegenüber dem politischen System in China.
Kommunismus wird nach der Oktoberrevolution und der Errichtung der
UdSSR mit brutalem Terror, der asiatischen Bedrohung Europas durch Bestiali-
tät und der Umwertung aller Werte gleichgesetzt.11 Wenn die Berichterstattungen
„den kommunistischen Staatscharakter“ (Bericht Nr. 3) Chinas beschreiben und
die chinesische Regierung als „Chinas kommunistische Machthaber“ (Bericht
Nr. 11) und als „die Kommunistische Führung in China“ (Bericht Nr. 43) betrach-
ten oder China sogar als „immer noch kommunistisch geprägtes China“ (Bericht
Nr. 44) ansehen, dann dürfte wohl das kollektive Gedächtnis der DDR-Geschichte
hervorgerufen werden, was zu einem Chinabild voller Stereotypen und Vorurteile
führt.
Außerdem werden die Schätzungen der amerikanischen Regierung (Beispiel
a und b in 4.3.3.) beim Thema der Militärausgaben miteinbezogen. China ist ein
großer Konkurrent der USA und die Glaubwürdigkeit der Einschätzung der US-
Regierung wirkt deshalb fragwürdig, weil sich das Interesse des Landes und
der regierenden Partei hinter jedem Wort einer Regierung verbirgt. Hinter der
Einschätzung der US-Regierung versteckt sich die Ideologie der USA. Zweitens
wird keine genauere Quelle angegeben als „amerikanische[n] Regierung“ und
„US-Regierung“. Deshalb könnte die Glaubwürdigkeit der Einschätzung proble-
matisch sein. Aber die Einschätzung der USA könnte einen Einfluss auf die Leser
ausüben und sie dazu bringen, nicht an die Angaben der Militärausgaben seitens
10 Vgl. http://german.china.org.cn/politics/archive/chn-ger/txt/2006-05/19/content_2238388.
htm. Zugriff am 16.12.2013.
11 Vgl. https://gegen-kapital-und-nation.org/de/gespensterjagd-zur-ideengeschichte-des-anti-
kommunismus. Zugriff am 04.11.2013.
Das politische Chinabild 221
der chinesischen Behörden zu glauben. Dadurch wird die Transparenz der chine-
sischen Regierung wiederum angezweifelt.
Die deutschen Medien, die sich als „vierte Gewalt“ bezeichnen, sehen sich
als unabhängige Informationsdienstleister, die die Verletzung der Bürgerrechte
verhindern sollen. Deshalb ist Der Spiegel generell kritisch und würde auch „über
die USA oder die deutsche Bundesregierung ähnlich kritisch berichten“ (Hansen
2008, 1). Aber wie oben erwähnt, sind deutsche Medien unweigerlich durch deut-
sche Ideologie und andere Faktoren beeinflusst. Deshalb bleibt die Haltung des
Spiegel gegenüber China in der Regel kritisch.
5 Zusammenfassung
Die vorliegende Arbeit hat sich das Ziel gesetzt, das vom Spiegel vermittelte poli-
tische Bild Chinas im Zeitraum von 2003 bis 2013 anlässlich des NVK zu erfor-
schen. Wie zu Beginn ausgeführt, zielt die Arbeit darauf, sich kritisch damit
auseinandersetzen, was das politische Chinabild ist und wie und warum es so
dargestellt wird.
Als Untersuchungsmaterialien dienten hierbei die Berichterstattungen, die
während der Veranstaltung des NVK von 2003 bis 2013 vom deutschen Leitme-
dium Spiegel (Print und online) veröffentlicht wurden und den NVK als Haupt-
thema behandeln. Als Untersuchungsmethoden wurden die Rahmenanalyse und
die CDA eingesetzt.
An einem deutlichen Anstieg der Anzahl der Berichte lässt sich erkennen,
dass dem NVK immer mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird. Die meist behan-
delten Themen sind Innenpolitik, Generationswechsel und Menschenrechte. Der
Spiegel neigt dazu, negative Themen über den Volkskongress auszuwählen und
darüber zu berichten.
Außerdem legt Der Spiegel einen besonderen Schwerpunkt auf das Thema
„Menschenrechte“: die Berichte hierzu wurden in Hinsicht auf die Titel, die lexika-
lische Auswahl und die Überlexikalisierung untersucht. In Bezug auf Menschen-
rechte tauchen überwiegend negativ konnotierte Wörter und Formulierungen
auf, die bewusst selektiert und wiederholt werden, oft nicht nur in den Texten,
sondern bereits in Titeln, durch die ein kritisches Gefühl gegenüber Chinas
Menschenrechten hervorgerufen wird. Durch die Wahl dieser Wörter dürfte der
Spiegel suggerieren, dass die chinesische Regierung aus Angst vor der Informati-
onsverbreitung durch das Internet willkürlich Macht ausübe, um Dissidenten zu
unterdrücken und Webseiten zu blockieren. Die Verstärkung der Medienkontrolle
und der Internet-Zensur könnten zu Anspannungen, harscher Kritik, Unzufrie-
222 Li Yuan und Ye Xiangmei
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Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Deutschland
DOI 10.1515/9783110544268-012
230 Friedemann Vogel und Maximilian Haberer
China, Chinese, Chinesin, Chinesisch, Chinesischen, Asien, Asiatisch, Asia, Asiat, Asiatin,
Asiatischen, Peking, Shanghai, Hongkong, Hong Kong, Beijing, Shaolin, Konfuzius, ni hao,
Mao, Kung Fu, Gongfu, Qigong, Tai-Chi, Wushu, Meditation, Meditieren
ausdrücke sind entweder bekannte Metropolen der Region oder während der
Recherche vermehrt aufgetretene, kontextverwandte Begriffe.2
Schließlich wurden auch Belege vor Ort in Filialen erhoben. Im Zeitraum Mai
bis Juli 2014 wurden hierfür in Supermärkten und Drogerien der Stadt Freiburg im
Breisgau Produktverpackungen fotografiert, die entweder der Beschreibung nach
Produkte aus China beinhalteten, eines der Schlagworte (siehe oben) verwende-
ten oder über visuelle Merkmale verfügten, die der restlichen Datenerhebung
zufolge auf den ostasiatischen Bereich verwiesen (vgl. 3.3).
Die Auswertung der Belege erfolgte in drei Schritten: Im ersten Schritt wurden
sämtliche Korpusbelege im Hinblick auf wiederkehrende Darstellungen auf der
Formseite erhoben und als Formmuster systematisiert (vgl. das nachfolgende
Kapitel). Dabei wurden folgende Formebenen berücksichtigt: Ebene der Sprache,
auditive Ebene (Musik, Soundeffekte, prosodische und Artikulationsbeson-
derheiten usw.) und visuelle Ebene (von Farbgebung über Typoghraphie bis zu
Figur-Grund-Konstellationen). Im zweiten Schritt erfolgte eine ähnliche Systema-
tisierung auf der Ebene der semantischen Zuschreibungsmuster. Hierfür wurde
jeder einzelne Beleg ausgezeichnet nach folgenden Kategorien: a) beworbenes
Produkt, b) präsupponierte China-Attribute und assoziierende Formen sowie c)
semantische Funktion der Attribute im Hinblick auf das beworbene Produkt.
3.2 Auditive Formen
(c) Ein letzter Typus auditiver Formmuster sind asiatische bzw. chinesische
Musik und Klänge. Diese werden vor allem durch die Verwendung pentatoni-
scher Skalen (Levis 1963) und traditionell chinesischer Instrumente (Jin 2011)
kenntlich. Entsprechend lässt sich im Korpus diverse Musik identifizieren, die
auf einen der fünf traditionell chinesischen pentatonischen Modi (kung, shang,
chiao, chih oder yü) basiert und sich dadurch melodisch von der dem Rezipienten
vertrauten westeuropäischen Musik deutlich abgrenzt. Zudem zeichnet sich die
beispielsweise von einer Xiao (chinesische Flöte), einer Erhu (chinesisches zwei-
saitiges Streichinstrument), einer Yangqin (chinesisches Zupfinstrument), einer
Guan (chinesisches Holzblasinstrument) oder auch einer Guzheng (chinesische
Zither) gespielte Musik aufgrund der von europäischen Instrumenten unterschei-
denden Bauweise und Materialien durch eine ebenso differierende Klangfarbe
aus.4 Durch diese offenbare Abweichung von europäischen Hörgewohnheiten
entsteht der Vermutung nach beim Rezipienten vorerst eine schnelle Assoziation
mit ›Fremde‹ und in der Folge, durch das womögliche Erkennen genuin chinesi-
scher Melodie- und Klangcharakteristika, eine Verknüpfung mit dem asiatischen
Kulturraum und eine entsprechende Interpretation des Gesamtkontextes. Empi-
risch zu prüfen wäre auch die Vermutung, dass durch die Verwendung traditio-
nell chinesischer Musik beim Rezipienten eine Verbindung des Produktes nicht
nur mit dem asiatischen Kulturraum aktiviert wird, sondern auch eine Verbin-
dung des Produktes mit ›Natur‹ (Pentatonik), ›Präzivilisatorischem‹ bzw. Zivili-
sationen in einer sehr frühen Ausführung/Ancient Cultures und ›Exotischem‹
(Klangfarbe). Durch das Abspielen dieser Art von Musik trägt die Werbung somit
effektiv zur wissensseitigen Rahmung des beworbenen Produktes mit Teilen des
China-Stereotyps bei.
3.3 Visuelle Formen
(a) Als ‚chinesisch‘ (oder zumindest ‚asiatisch‘) eingeführte oder von den
Werbemachern präsupponierte Personen tragen – in Abhängigkeit von der
ihnen zugedachten Rolle – alle sehr ähnliche physiognomische Merkmale. Rol-
lenübergreifend zeigen sie alle tendenziell eine runde Gesichtsform, mandel-
förmige Augen, markante Wangen- und Kieferknochen, schwarze Haare (wenn
nicht, dann weiße Haare oder Glatze), kleine Nasen und Lidfalte. Darüber hinaus
lassen sich – in Kombination mit weiteren visuellen Kontexthinweisen (vgl. dazu
b und c) – fünf wiederkehrende, hier idealtypisch skizzierte Rollen differenzie-
ren5:
– ‚(Feld-)Arbeiter‘: trägt idealtypisch farbiges Gewand und einen flach-kegel-
förmigen Sonnenhut aus Bambus (Dou Li, 斗笠); oft auch lange Haare, meist
weibliche Personen; sofern die Mimik erkennbar ist, zeigt sie Lächeln oder
Lachen;
– ‚Mao-Anhänger‘: meist grauer oder grüner Kittel und Mao-Schildkappe (Hong
Jun Mao, 红军帽, Hut der Roten Armee);
– ‚chinesischer Weiser‘: langer weißer Kinnbart und Schnurrbart (Fu Manchu);
dunkle oder weiße Kutte; runde Nickelbrille und eine schildlose Kappe (地主
帽, Hut der Landbesitzer);
– ‚Mönch‘: Personen mit Glatze; Kutte; die Augen geschlossen und in ruhender
Haltung (meditierend); ähnlich auch ‚Buddha‘: kräftiger, halbnackter, haar-
loser Mann mit Tuch in sitzend-meditierender Haltung;
– ‚Kämpfer‘: jüngerer Mann mit traditioneller Kutte; Haar-Dutt und in kämpfe-
rischer Haltung.
5 Für Hinweise zu den Originalbezeichnungen der Kopfbedeckungen danken wir Dr. Haixia
Zhou (Beijing Foreign Studies University).
Das China-Image in der deutschsprachigen Werbung 239
China-Tourism
Auch bestimmte Tiere finden sich wiederkehrend abgebildet, allen voran Ente
(meist als Peking Ente mitteleuropäischer Fassung, d. h. als frittierte halbe Enten-
brust), Pandabär (bekannt auch als WWF-Symbol), Schlange (meist symbolisch
für Verrat) sowie – als Fabelwesen – der Drache, vor allem auch vertreten in zahl-
reicher (künstlicher) Ornamentik.
Als china-typische Handlungen und Rituale werden wiederholt abgebildet:
– aus der Domäne der chinesischen Medizin: Akupunktur und fiktive Formen
traditioneller Heilkunst (z. B. Zubereitung von Ricola-Kräuter-Bonbons);
– aus der Domäne des Sports: Kampf und Kampfkunst;
– aus der Domäne der Kultur: historisches Schattentheater, Kalligraphie, Tanz,
Karaoke, Nahrungsmittelzubereitung und -servierung (insb. Teezuberei-
tung).
RAG 2009
Die häufigsten, benennbaren (und häufig auch im Kontext benannten) Orte sind
Shanghai (Panorama), der Platz des Himmlischen Friedens (Peking) sowie unbe-
nannte Baustellen. Sofern in visuelle oder audiovisuelle Werbung Elemente der
Naturumgebung eingebunden werden, sind es vor allem Berge, Bambus, Seen
und Reisfelder, Teeplantagen, Blütenbäume sowie Blumen fast ausschließlich
in den Farben weiß und rot. Gelegentlich wird auch Smog, meist als gräulicher
Dunst vor Großstadt-Skyline, wiedergegeben.
Schließlich finden sich weitere, sehr verschiedene und thematisch nicht
immer motivierte Gegenstände oder räumliche Formen im China-stereotypi-
sierenden Repertoire deutschsprachiger Werbung.
– Häufig: Schiffe, Rikschas, Mobiliar (asiatische Lampen und Lampenschirme),
exotische Instrumente, Nahrungsmittel und Gegenstände der Nahrungsmit-
telherstellung bzw. -aufnahme (Stäbchen, Wok, Teekanne mit Teeschälchen,
gebratene Nudeln, Nudelsuppe, Glückskeks, Peking-Ente, Pilze, Reis, Soja,
Tofu, Suppe, Tee, Frühlingsrollen, Bambus-Geschirr, Porzellan u. a.).
– Vereinzelt: Reklameschilder, (Rotes) Parteibuch, Terrakottaarmee, Tusche,
Mingvase, Manekineko.
(c) Typoskripte, Farben und Symbole bilden den letzten und mit Blick auf ihr
semantisches Schematisierungspotential auch wichtigsten Teil visueller Formen.
Besonders hervorzuheben ist der Einsatz (Abbildung chinesischer Schriftzei-
chen) oder die Adaption von chinesischer Kalligraphie. Letzteres meint die
Übertragung des für Kalligraphie typischen Pinselstrich-Musters auf lateinische
Buchstaben:
Gelegentlich werden auch Zeichen bzw. Striche kombiniert, die wohl die Ton-
Formalisierung des Pinyin (Umlautsprache des Chinesischen) imitieren sollen.
Neben der Kalligraphie werden folgende Ikone und Symbole (im Sinne Pierce‘)
häufig eingesetzt: Yin-Yang-Symbol, Flaggen, der Stern sowie Zeichnungen von
Drachen. Unter den eingesetzten Farben dominieren Rot und Gelb (als Teil der
Nationalfarben).
6 Die relativen Angaben ergeben sich aus der Zählung einzelner Belege, wobei ein Werbe-Beleg
mehrere Attribute enthalten kann.
244 Friedemann Vogel und Maximilian Haberer
Besonders oft wird dabei auf eine bzw. „die“ ›chinesische Teekultur‹ referiert.
Das Attribut, das sowohl alleine als auch als Nebenattribut auftritt, suggeriert,
die chinesische Bevölkerung verfüge hinsichtlich Teezubereitung, -konsum und
-genuss über ein besonderes Expertenwissen. Besonders deutlich illustriert die
Funktion dieses Attributs ein Werbespot von Nestlé Special T (2012). In diesem
werden diverse Teekapseln sowie eine Kapselmaschine beworben und der
Zuschauer insinuiert, im Universum von „Special T“ werde jeder Tee zu einer
außergewöhnlichen Reise. Unter diesen besten Tees der Welt befindet sich auch
‚Tee aus China‘, attribuiert durch die Darstellung idyllischer Natur und Pandabä-
ren, sowie roter Lampions, Haarnadeln, traditioneller Gewänder und einem roten
Sonnenschirm. Das Attribut der Teekultur wird vor allem durch den Produktkon-
text und den ›zeremoniellen‹ Konsum der mit weiteren chinesischen bzw. asia-
tischen Ausdrucksformen ausgestatteten Darstellerin konturiert. Es dient dabei
auch der Produktauthentifizierung: Der hier beworbene Tee komme aus China
und trage, so die Message, die chinesische, naturverbundene Tee- und Genuss-
kultur in kleinen (Plastik-!) Kapseln in westliche Wohnzimmer.
fernöstlich. Gesund und köstlich vermarktet und unter anderem mithilfe eines Yin-
Yang Symbols beworben wird.
Das hier beschriebene Attributfeld lässt sich noch erweitern um Attribute wie
›Zufriedenheit‹, ›innere Ausgeglichenheit‹, ›Fröhlichkeit‹, ›Bedächtigkeit‹ – nicht
zu verwechseln mit ›Ausgelassenheit‹, die sich im China-Image der Werbung inte-
ressanter Weise nirgends findet. In diesem Sinne zeigen zum Beispiel abgebildete
Akteure in der Regel eine offene Mimik (Lächeln bis Strahlen), einen verträumten
Blick in eine horizontlose Ebene oder sie strahlen mit geschlossenen Augen eine
gewisse innere Ruhe aus. Ähnliches signalisieren Symbole wie Yin-Yang u. a.
Scheufelen 1993
Die letztgenannten Attribute stehen nicht selten in Verbindung mit dem der
›Weisheit‹ (auch als: ›Allwissenheit‹, ›Geheimnis-Wissen‹, insg. 8,6 %). Hierfür
wird, abgesehen von Symbolen chinesischer Philosophie und Erwähnungen chi-
nesischer Heil- und Kräutermedizin, insbesondere die bildliche Repräsentation
eines älteren chinesischen Mannes mit Spitzbart und Kappe verwendet, welchem
in vielen Fällen Weisheit durch die Wiedergabe scheinbar philosophischer bzw.
tradionsgeladener Aussagen zugeschrieben wird. Besonders gut wird dieser
Aspekt in einem Werbespot der Ricola AG aus dem Jahre 2008 deutlich, welcher
die Kräuterbonbons des schweizerischen Herstellers bewirbt. Ein wie eben
beschriebener, der Werbung zufolge chinesischer, Akteur mit stark affektiertem
asiatischem Akzent erklärt in Anwesenheit von zwei offenbar Kräuter verarbei-
tenden chinesischen Personen in traditionell chinesischen Gewändern zu im
Hintergrund ertönender asiatischer Musik, dass Chinesen wohltuende Bonbons
gegen Husten und Heiserkeit erfunden hätten. Hieraufhin erscheint aus einem
Das China-Image in der deutschsprachigen Werbung 247
Zwar dauert dieser Spot nur 25 Sekunden, jedoch komprimiert er dafür eine
Vielzahl der bereits beschriebenen Attribute und scheint vor allem auf einem
spielerisch-ironischen Umgang mit der Kontrastierung und/oder Identifizierung
des konstruierten chinesischen Länderimages zu fußen. So lädt er zunächst das
eigene Produkt mithilfe der Attribute ›Weisheit, Gesundheit und traditionelles
China‹ symbolisch auf, bevor er dieses mittels der Figur des westeuropäischen
Mannes mit schweizerischem Dialekt kontrastiert, ohne jedoch die vorherige
symbolische Projektion zu dekonstruieren. In anderen Worten, das zum Ende hin
genuin als schweizerisch markierte Produkt wird als derart begehrenswert darge-
stellt, dass sogar die Experten weiser, traditioneller, gesunder Lebensweise, die
Chinesen, seine Erfindung für sich proklamieren wollen. Insofern bleiben dem
Produkt die mit China in Assoziation gebrachten Attribute erhalten, während
seine Länderzuordnung eindeutig in das ›Eigene‹, die ›Heimat‹ (im Kontrast zur
fremden Ferne) fällt.
Der eben erläuterte Kräuterbonbonwerbespot dient hierbei als ein gutes Bei-
spiel für das allgemeine Attribut der ›Fremde‹ (43,3 %). Denn obwohl eines der
Werbeziele sicherlich in der Übertragung der positiven China-Attribute auf das
Produkt bestand, ist dem wohl übergeordnet, die ›Überlegenheit‹ und den ›Quali-
tätsstandard‹ des aus der eigenen Kultur stammenden Produktes gegenüber einer
fremden Kultur zu demonstrieren. Die Ricola AG zielt folglich mit ihrer Werbung
weniger auf die Authentifikation ihres Produktes als besonders ›chinesisch‹ oder
besonders ›nicht-chinesisch‹, sondern auf eine Hervorhebung des schweizeri-
schen Produktursprungs. Besonders deutlich wird dies an einem anderen Wer-
bespot des gleichen Produzenten, in dem zwar in analoger Weise das Produkt
mithilfe von Ethnostereotypen beworben, allerdings der Werbekontext nach
Finnland verlegt wird. Die Austauschbarkeit der chinesischen mit der finnischen
248 Friedemann Vogel und Maximilian Haberer
Kultur deutet somit darauf hin, dass durch die Darstellung des „Fremden“ vor
allem die Identität des „Eigenen“ konstruiert werden soll.
7 Eine Ausnahme bildet hier etwa das eher wertneutrale Aufgreifen der ›kommunistischen Plan-
wirtschaft‹ in der Werbung für die Modefirma Jean Pascale (1999).
250 Friedemann Vogel und Maximilian Haberer
chen. Hierzu zählt etwa die Illustration eines Grüntees mit Teeplantagen-Arbei-
tern. Während damit ein ‚möglichst unvermitteltes‘ China-Bild behauptet wird,
tendiert das Attribut der ›Fremde‹ genau zum Gegenteil. Formseitige China- oder
Asienverweise haben dann lediglich die Funktion, einen Gegenstand oder Sach-
verhalt als möglichst ›exotisch‹ zur Kultur der Werbeadressaten zu inszenieren.
Die Siemens AG veröffentlichte 2001 etwa eine Werbeanzeige für ihren „Micro-
master“, in welcher sie vier Situationen abbildet, in denen eine Hand mithilfe von
Stäbchen Nahrungsmittel zu greifen versucht – offensichtlich mit großen Schwie-
rigkeiten. Der Beitext kontextualisiert: Manchmal dauert’s, bis man Dinge kann
… Bei MICROMASTER geht alles sofort. Die chinesische (Essens)Kultur spielt im
Grunde keine eigenständige Rolle. Sie ist hier nur insofern wichtig, als sie einen
kulturellen Kontrast aktiviert. In China oder Asien funktionieren Dinge ›anders,
ungewohnt, ungeübt, fremd‹; dem gegenüber gestellt wird die als ›einfach zu
beherrschende‹, als ›eigene‹ präsupponierte ‚Kultur‘ von Siemens bzw. Siemens-
Technologien.
Siemens 2001
Das China-Image in der deutschsprachigen Werbung 251
5 Fazit
Wir fassen die Ergebnisse der vorliegenden Studie zusammen: Am Beispiel
Chinas konnten wir erstens zeigen, dass Ethnostereotype in der Werbung tenden-
ziell mit einem wiederkehrenden Set aus Formmustern geradezu ‚gebaut‘ oder
‚komponiert‘ werden. Dabei erweisen sich manche Formmuster als hochgradig
Schemata-aktivierend – Primärzeichen wie chinesische Kalligraphie –, andere
Formmuster – Sekundärzeichen wie etwa die Farben Rot oder Gelb – dienen
mehr dem orchestralen Framing eines Produktes. Dabei ist den Werbenden eher
gleichgültig, ob manche Formmuster aus wissenschaftlicher Perspektive keiner-
lei ethnographisch-kulturelle Grundlage haben. Wenn sie dem Ziel der möglichst
pauschalisierenden Schematisierung nützlich sind, werden sie auch eingesetzt.
Zweitens zeigen sich auf der Ebene der semantischen Felder ebenso wieder-
kehrende, typische Attribute, die von den Werbenden als ‚typisch chinesisch‘
oder zumindest ‚typisch asiatisch‘ präsupponiert und funktional für das Refra-
ming des beworbenen Produkts eingesetzt werden. Die Schematisierungen zielen
auf eine möglichst schnelle rezipientenseitige Verarbeitung sowie den effektiven
Aufbau von konzeptionellen Rahmen zur Einbettung des oder der Beworbenen.
Die adressierten China-Stereotype sollen Aufmerksamkeit stimulieren, auch
irritieren und vor allem positive8 China-Attribute (wie ‚Exotik‘, ‚Gesundheitsbe-
wusstsein‘, ‚Naturverbundenheit‘ usw.) auf das Produkt übertragen helfen.
Betrachten wir abschließend auf einer transtextuellen bzw. transmedialen
Ebene Korrelate aus den zuvor jeweils isoliert beschriebenen Form- und semanti-
schen Prädikationsmustern, können wir idealtypisch9 vier China-Images unter-
scheiden, die in deutschsprachiger Werbung bevorzugt inszeniert werden:
– Das ‚moderne China‘ (insg. 44,5 %) inszeniert formseitig ein Land der Met-
ropolen, der Wolkenkratzer und Skylines, des dichten Verkehrs und der Bau-
stellen, der Leuchtreklamen und des Konsums. China als ‚wirtschaftlicher
Expansions- und Investitionsmarkt‘.
10 Die Diskrepanz zwischen dem Attributfeld ‚Traditionalität‘ (44,5 %) und dem Image ›Traditio-
nelles China‹ (11,8 %) ergibt sich daraus, dass für jeweils das dominant konstituierte Chinaimage
gewählt wurde. ‚Traditionalität‘ wirkte so in vielen Fällen eher als Teil der Repräsentation des
›Fremd-exotischen Chinas‹ und in weniger Fällen als Herausstellung des ›authentischen tradi-
tionellen Chinas‹.
Das China-Image in der deutschsprachigen Werbung 253
– Das ‚fremd-exotische China‘ (76,4 %) lässt sich in ein positives sowie ein
pejoratives Image aufteilen: das positiv-bewertende, ‚fremd-exotische China‘
(c1) adressiert empathisch ‚Kulturdifferenzen‘ im weitesten Sinne: Akteure
mit asiatischen Gesichtszügen, als fremd präsupponierte Riten und Symbole,
unbekannte Sprache und Schriftzeichen, Kampfkunst.
Diese China-Images verweisen auf die real-kognitiven Stereotype, die die Werbe-
strategen bei deutschsprachigen Rezipienten einerseits als bekannt vorausset-
zen, andererseits durch ihre musterhafte mediale Darbietung und Distribution
(re)produzieren. Auch wenn wir nicht in die Köpfe der Rezipienten direkt hin-
254 Friedemann Vogel und Maximilian Haberer
Als nicht unproblematisch hat sich bei unserer Studie zu Ethnostereotypen vor
allem die Korpuszusammenstellung erwiesen. Die Schwierigkeit liegt in der Suche
und Auswahl von Belegen mit Kriterien, die nicht zugleich lediglich dem eigenen
Vor-Urteil entsprechen. Wir haben dieser Gefahr mit einem weiten Werbe- und
China- bzw. Asien-Begriff zu begegnen versucht.
Für die zukünftige Forschung offen wären schließlich vergleichbare Studien
(a) zum China-Stereotyp in nicht-deutschsprachiger Werbung sowie (b) sprach-
und kulturvergleichend zu anderen Ethnostereotypen. Auf diese Weise könnte
Das China-Image in der deutschsprachigen Werbung 255
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Monika Lehner
Graphisches Erzählen über China
Chinabilder in Comics und Graphic Novels
1 Einleitung
China-Bilder in Comics und Graphic Novels bewegen sich zwischen Skurrilität
und dokumentarischem Anspruch. Die Darstellungen greifen auf ein gut einge-
führtes Repertoire von Markern, Symbolen und Stereotypen zurück, um exotische
Alteritäten zu betonen im Spannungsfeld zwischen Faszination für das Exotische
und Angst vor einer ‚Gelben Gefahr‘, zwischen Verniedlichung und Dämonisie-
rung. Dies gilt für ‚Klassiker‘ wie Hergés Le lotus bleu (1946)/Der blaue Lotos
(Hergé 1975) ebenso wie für jüngere Arbeiten wie die Reihe La Tigresse blanche
(ab 2005)/Die weiße Tigerin (ab 2008a), für Guy Delisles Shenzhen (frz. 2000; dt.
2006) ebenso wie für Li Kunwus Les pieds bandés (2013)/Lotusfüsse (2015) und
für Die kopierte Stadt (Gnehm 2014).
Die meisten der deutschsprachigen Comics zu China-Themen sind Überset-
zungen, die mit unterschiedlich großem Abstand zum Original veröffentlicht
wurden, denn das Thema ist im französischen und frankobelgischen sowie im
anglo-amerikanischen Raum durchaus präsent. Kaum eine länger laufende
Reihe – von Asterix abgesehen – kommt ohne China-Band aus: Tim und Struppi
sind vor dem Hintergrund der Mandschureikrise im China der 1930er Jahre. Lucky
Luke sucht in einer Chinatown im ‚Wilden Westen‘ nach L’héritage de Rantan-
plan (Goscinny und Morris 1973)/Die Erbschaft von Rantanplan (Goscinny und
Morris 1988). Spirou und Fantasio sind Gefangen im Tal der Buddhas (Franquin
und Müller 1986). Michel Vaillant1 bestreitet in China Moon (frz. 2005; dt. 2008)
den Grand Prix von China und stellt eine (chinesische) Entwicklung vor, die den
1 Die Serie Michel Vaillant, die seit den 1950er Jahren läuft, schildert die Abenteuer eines fik-
tiven Rennfahrers auf und abseits der Rennpisten. Der Held, der für einen fiktiven Rennstall
startet, misst sich dabei mit real existierenden Rennfahrern. Die Comic-Reihe kann so als Doku-
mentation der Entwicklung des Motorsports gesehen werden.
Lehner, Monika, Dr., Lektorin, Institut für Geschichte, Universität Wien, Österreich
DOI 10.1515/9783110544268-013
258 Monika Lehner
Automobilmarkt revolutioniert, und Largo Winch2 nimmt es in Les Trois Yeux des
Gardiens du Tao (2007)/Hüter des Tao (2007) und La voie et la vertu (2008a)/Weg
der Tugend (2008b) mit einem alten Feind und den Triaden3 auf.
In den Arbeiten deutschsprachiger Comickünstlerinnen und Comickünst-
ler bleibt China Randthema. Das Album Mecki bei den Chinesen. Sein vierter
märchenhafter Reisebericht, aufgeschrieben von ihm selbst (Rhein und Petersen
1955) wird manchmal als erstes Beispiel genannt (Lackner 2008), ist allerdings
mehr Bilderbuch denn Comic. So sind wohl die 1991 erstmals erschienenen Aben-
teuer der Abrafaxe4, die sich primär an ein jüngeres Publikum richten, die erste
Annäherung an ein Chinathema.5 Arbeiten, die darüber hinausgehen, tauchen
erst in den letzten Jahren auf, zu nennen sind hier Die kopierte Stadt (2014)6 von
Mathias Gnehm, In China (2016)7 von Sascha Hommer und Der Hase auf dem
Rücken des Elefanten (2016)8 von Rina Jost.
Der Beitrag skizziert die Entwicklung graphischen Erzählens über China,
beschreibt die Entwicklung von Symbolen und Markierungen für China und Chi-
nesisches und die dabei abgedeckten Themen und gibt somit einen Einblick in
die Formen- und Themenvielfalt deutschsprachiger China-Comics.
2 Die Figur des Largo Winch, eines Abenteurers, der vom Waisen zum Multimillionär wurde,
erschien zunächst in Kolportageromanen von Jean Van Hamme, seit 1990 in einer Comicserie
(Szenario: Van Hamme, Zeichnungen: Philippe Francq).
3 Als Triaden [sānhéhuì三合會] werden Vereinigungen im Bereich der organisierten Kriminalität
bezeichnet. Ihr Ursprung liegt in China, sie sind jedoch weltweit aktiv. Zu den Ursprüngen (Haar
1998), zur Wahrnehmung (Bolton und Hutton 2000).
4 Die Abrafaxe von Lothar Dräger und Lona Rietschel sind seit 1976 die Protagonisten der Zeit-
schrift Mosaik und gelten als längster Fortsetzungscomic der Welt im Guinness-Buch der Rekor-
de.
5 Die China-Abenteuer erschienen zuerst in den Heften 1–12/1991, sie sind gesammelt im Mosaik-
Sammelband 46: Im Reich der Mitte (Mosaik 2009).
6 In Die kopierte Stadt bildet China den Hintergrund einer konventionellen Beziehungsgeschich-
te; der Band thematisiert unter anderem den Bauboom und die damit einhergehenden Phäno-
mene Kopierwut und Gigantomanie.
7 Sascha Hommer, In China (Berlin: Reprodukt, 2016).
8 Rina Jost, Der Hase auf dem Rücken eines Elefanten (Zürich: Edition Moderne, 2016).
Graphisches Erzählen über China 259
9 Zur Geschichte der (Propaganda-)Comics vgl. (Farquhar 1981; Farquhar 1999; Ā 1957).
260 Monika Lehner
10 Beispiele sind neben (Satrapi 2000; Satrapi 2001; Satrapi 2002; Satrapi 2003), deutsche Aus-
gabe in 2 Bänden 2004, unter anderem: (Bashi 2006), (Yang und Pien 2006) und (Tatsumi 2012).
11 Beispiele (u. a.): (Thompson 2003), deutsche Ausgabe: (Thompson und Wieland 2009), (Lust
2009); (Bechdel 2006), dt. Ausgabe: (Bechdel 2008).
12 Bei Tatsumi Yoshiro辰巳ヨシヒロ (1935–2015) ist es eine entscheidende Phase der Manga-
Geschichte, die er in Gekiga hyōryū劇画漂流behandelt: die Zeit, in der er und seine Mitstreiter
die gekiga劇画-Bewegung initiierten. S. (Tatsumi 2008); dt. Ausgabe: (Tatsumi 2012).
13 Das wohl bekannteste Beispiel dürfte Wilde Schwäne sein (Chang 1991); dt. (Chang 1993),
ähnlich sind (Ye 1998); (Min 1994); (Chen 2003).
14 Reload beschreibt die Geschichte einer Band von ihren ersten Auftritten bis zum großen
Durchbruch. Sòng verbindet in seinen Bildern Computergraphik, Fotos, Öl und Collage zu einer
ganz besonderen Bildsprache (vgl. dazu auch den Klappentext des Bandes).
Graphisches Erzählen über China 261
handel, Triaden und die Aktivitäten der revolutionären Gruppen um Sun Yat-sen
孫逸仙. Die stimmungsvollen, oft auch düsteren Bilder von Yann Tisseron erin-
nern vor allem bei den zahlreichen Kampfszenen an Filmsequenzen aus Tiger
and Dragon (2000) von Ang Lee [Lǐ Ān 李安] oder Hero von Zhāng Yìmóu 張藝謀
mit Kämpfen im Schnee, auf den Dächern oder über den Dächern und der Zuord-
nung von bestimmten Farben zu bestimmten Charakteren. Viel Aufmerksamkeit
wird dabei auf ‚echt‘ und ‚typisch‘ Chinesisches gelegt wie Architekturelemente
und gepinselte Schriftzeichen. Dabei bleiben Skurrilitäten nicht aus, so unter
anderem Kurzzeichen auf Geschäftsschildern (Mariolle und Tisseron 2011a, 14)
und Mondtore im Inneren von Häusern, wo rote Teppiche von einem Zimmer
ins nächste führen (u. a. Mariolle und Tisseron 2011a, 23 f.). Die Handlung spielt
1908, Kurzzeichen [jiǎntǐzì 簡體字] wurden in der Volksrepublik China ab 1956
eingeführt, es wäre also shūdiàn書店zu erwarten, nicht 书店. Mondtore [yuèmén
月門] sind traditionelle Elemente in den Gärten der Oberschicht, die in Innenräu-
men nicht verwendet wurden.15
3 Kulisse China
Die Verwendung von (vermeintlich) typisch chinesischen Kulissen zieht sich wie
ein roter Faden durch China-Comics und Graphic Novels: Landschaft, Architek-
tur, Interieurs, Gegenstände, Symbole wie die Yinyang-Scheibe und chinesische
Schriftzeichen.
Die ‚typischen‘ Landschaften sind weitläufige Ebenen, bizarre Felsenland-
schaften (die an die Granitfelsen im Huángshān 黄山 in der Provinz Ānhuī安徽
erinnern) und manchmal das Hochland von Tibet (z. B. bei Largo Winch). Hong
Kong [Xiānggǎng 香港] und Shànghǎi 上海sind häufig Kulisse. Die Largo Winch-
Bände Hüter des Tao und Weg der Tugend zeichnet Philippe Francq in dem für
ihn typischen detailverliebten und sehr realistischen Zeichenstil Landschaften
und Stadtansichten, vom Hafenpanorama über Hochhausschluchten zu den
tropischen Gärten auf den vorgelagerten Inseln mit Hofhäusern, Tempeln und
Pagoden, aber auch Felsenverliese – die sich allerdings als Nachbauten heraus-
stellen. Im Geheimdienst des Großen Steuermanns, der erste Band der Reihe Die
weiße Tigerin hat die Hafenansicht mit Dschunke auf dem Cover – und zeigt in
einem späteren Band (Yann/Conrad 2009a, 18) eine der bekanntesten Ansichten
von Shànghǎi, den Bund [chin. Wàitān外灘] mit dem Customs House (und dem
charakteristischen Uhrturm) und dem Sassoon House, das ehemals das Hotel
Cathay beherbergte.
Die Straßenzüge in chinesischen Städten zeigen in der Regel shíkùmén 石
庫門 [wörtl. „steinernes Lagerhaustor“]16 und sìhéyuàn四合院 [wörtl. „auf vier
Seiten von Gebäuden umschlossener Hof“. Gebäude vom Typ shíkùmén, zweige-
schossige Bauten mit Ladenlokalen im Erdgeschoss. Diese Gebäude waren für für
Shànghǎi und andere Vertragshäfen seit den 1860ern typisch. Über den Eingän-
gen der Läden fanden sich Fahnen mit Werbeaufschriften, die Kunden anziehen
sollten. Sìhéyuàn (die eher für Běijīng, 北京typisch waren), sind nach außen durch
Mauern abgeschlossen, der Zugang über eine hohe Schwelle soll unerwünschten
Besuchern den Zugang erschweren. Mit dem Lokaltypischen wird es in Comics
nicht so genau genommen, so läuft Tim in Shànghǎi durch endlos scheinende
schmale Gässchen [hútòng衚衕], wie sie für síhéyuàn-Viertel in Běijīng typisch
waren (und heute nur mehr in Resten, die der mit dem Bauboom einhergehenden
der Zerstörung entgingen, zu sehen sind).17
Nicht immer wird zwischen China und Japan strikt getrennt, wenn chinesi-
sche Tempel mehr Ähnlichkeit mit japanischen Schlössern aufweisen. Ein Bei-
spiel ist der Tempel, in dem die Weiße Tigerin Alix Yin Fu ausgebildet wird – und
der zu allem Überfluss durch zwei Mondtore betreten wird, zunächst durch eine
Öffnung in der Umfassungsmauer und dann durch eine ‚typisch‘ chinesische
rote Tür mit Gitterwerk, die in die Öffnung eines Mondtores eingefügt ist. (Yann/
Conrad 2009a, 19)
Die Dächer sind mit ‚typischen‘ Dachdekorationen [yánshòu 檐獸] versehen,
die im kaiserzeitlichen China nur auf offiziellen Gebäuden zu finden waren, nach
dem Sturz der Qīng-Dynastie aber an allen möglichen Dächern angebracht sind,
vor allem auf Geschäftsgebäuden und auf Ausflugsbooten. Dabei vermischen
sich Zitate tatsächlich existierender yánshòu mit purer Phantasie, wenn auf
dem Umschlag von Raubkatze auf dem Dach (2009a) neben der mythologischen
Gestalt auf dem Dachreiter ein Fischer und ein springender Karpfen auf das Dach
gesetzt sind.
Die Innenräume chinesischer Häuser sind mit niedrigen Sitzmöbeln, kleinen
Tischchen und Kästen und Vasen in allen Größen ausgestattet, zum Teil ähneln
sie Museen, wo sich Kunstschätze aus dem Dian-Reich [Diān guó 滇國] wie in Die
kopierte Stadt von Matthias Gnehm (2014, 23; s. dazu M. Lehner 2015a) finden
16 Die seit den 1860er Jahren vor allem in Shànghǎi verbreiteten shíkùmén石庫門 verbinden
chinesische und westliche Elemente, charakteristisch ist der kleine Innenhof, der von hohen
Mauern umschlossen ist.
17 Siehe Hergé (1975, passim).
Graphisches Erzählen über China 263
lik China wurden Langkleid und Cheongsam mehr und mehr zurückgedrängt –
weshalb es besonders merkwürdig anmutet, dass in der Reihe Die weiße Tigerin
die Führungsoffiziere der Agentinnen im Langkleid auftreten, das mit ärmellosen
kurzen Westen [mǎjiǎ馬甲] kombiniert wird.19
Die heute vertraute Form des qípáo – schmal geschnitten, hochgeschlossen,
ärmellos – stammt aus den 1920er Jahren, die Mode entwickelte sich rasant.20
Die extrem aufreizenden Varianten mit Cut-outs, schulter- und rückenfrei, hoch
geschlitzt, die Alix Yin Fu und die anderen weißen Tigerinnen tragen, machen
die Figuren zu einer Karikatur. Der in der Zeit, in der die Handlung spielt – in den
Jahren nach dem Ende des Zweiten Weltkrieg –, einsetzende Umbruch, der Klei-
dung hochpolitisch werden ließ, wird so ins Absurde gezogen.
Weitere ‚typische‘ Kleidungsstücke sind die Uniform der Volksbefreiungsar-
mee (in der Regel die olivgrünen Uniformen der Armee, seltener die von Luftwaffe
und Marine) und der so genannte ‚Mao-Anzug‘, der eigentlich Sun-Yatsen-Anzug
[Zhōngshān zhuāng中山裝] heißt.21 Das weibliche Pendant zum Mao-Anzug ist
der sogenannten Lenin-Anzug, der aus einer zweireihigen grauen Jacke mit hals-
nahem Umlegkragen und einer Hose mit geradem Bein bestand (Finnane 2008,
204 f.).
In Comics und Graphic Novels tragen moderne Chinesen oft den tángzhuāng
唐裝 [„Chinesischer Anzug“], für den eine gerade geschnittene Jacke mit Steh-
kragen typisch ist. Die Hose zum Anzug ist in der Regel schwarz, die Jacke kann
verschiedene Farben haben, der Stoff ist häufig in sich gemustert oder bestickt,
auch mit glückverheißenden Schriftzeichen wie fú福 „Glück“ oder shòu壽 „langes
Leben“.
In Comics und Graphic Novels werden die ‚typisch chinesischen‘ Kleidungs-
stücke sehr unterschiedlich eingesetzt. Bei Hergé tragen chinesische Männer
Langkleid und Weste und unterscheiden sich so deutlich von den Japanern, die
entweder in modernen Uniformen oder in westlichen Anzügen komplett mit
Vatermörder-Kragen und Krawatte erscheinen. Die Polizisten/Agenten, die Tim
festsetzen wollen, verkleiden sich, um sich möglichst unauffällig unters Volk zu
mischen. Ihre Verkleidung besteht aus gelben Mänteln mit Mandarinquadrat22,
dazu ein steifer Hut mit Pfauenfeder und ein langer Zopf (Hergé 1975, 47–50).
Sie erinnert an mandschurische Soldaten – im Shànghǎi der 1930er Jahre alles
andere als unauffällig – und werden schnell von einer johlenden Menge verfolgt.
Im Dreiteiler Shanghai bleibt die Kleidung wenig definiert, es sind im weites-
ten Sinne asiatische, jedenfalls sehr phantasievolle Mäntel und Jacken, die mit
weiten Hosen kombiniert werden. Die Kleidung nimmt Anleihen bei den stili-
sierten Kaiserporträts der legendären ersten Kaiser, die weiten Capes und langen
Ärmel unterstreichen die Dynamik der Kampfszenen.
Philippe Francq hingegen spielt in den Largo Winch-Bänden Hüter des Tao
und Weg der Tugend, geschickt mit tángzhuāng, Mönchsroben [jiāshā; 袈裟],
qípáo, Uniformen und westlicher Kleidung, um unterschiedliche Handlungs-
räume zu definieren (van Hamme und Francq 2007; Francq und van Hamme
2008b).
keinen Sinn ergeben (z. B. bei Spirou und Fantasio, teilweise auch bei Tim und
Struppi im Blauen Lotus) und reinen Phantasieprodukten (wie bei Lucky Luke).
Verweise auf die chinesische Sprache manifestieren sich in zwei Varianten:
in mehr oder weniger witzigen Ausgestaltungen des l/r-Problems und in blumi-
gen Formulierungen und Bezeichnungen – mitunter auch kombiniert. Der Tausch
von /l/ und /r/ beziehungsweise der Ersatz von /r/ durch /l/ verweist darauf, dass
Ostasiaten bei Umgang mit westlichen Sprachen die nahe beieinander liegen-
den Phoneme /l/ und /r/ verwechseln. In den Sprachen ist jeweils nur ein Laut
aus dem Phonemraum realisiert und es bedarf intensiver Übung, die Laute beim
Hören auseinanderzuhalten und korrekt zu reproduzieren. Beispiele finden sich
in eher plumpen Comics wie Lucky Luke, z. B. „Flemdel mit del plächtigen Nase!
…“ (Goscinny und Morris 1988, 19), aber auch als besonderes Stilmittel in Arbei-
ten von Asian Americans wie z. B. bei Gene Yuen Lam in American Born Chinese
(von dem noch keine deutsche Übersetzung vorliegt), wo eine Figur konsequent
jedes /l/ durch /r/ und jedes /r/ durch /l/ ersetzt (Yang und Pien 2006).
Zum ‚typisch‘ Chinesischen gehören blumige Bezeichnungen für Zeit- und
Ortsangaben. So finden sich Zeitangaben wie „Jahr des Schweins süß-sauer,
Stunde des Hahns“ (Yann/Conrad 2008a, 11), „[…] Stunde des Wildschweins“
(Yann/Conrad 2008b, 3) oder „[…] Stunde des nassen Hundes“ (Yann/Conrad
2009a, 43), aber auch „Stunde des Hundes“ (Yann/Conrad 2009a, 30) und
„Stunde der Schlange“ (Yann/Conrad 2009b, 3). Tatsächlich existieren in tra-
ditionellen Zeitangaben die Stunde des Hundes (19:00–21:00 Uhr), die Stunde
der Schlange (9:00–11:00) und die Stunde des Hahns/Huhns (17:00–19:00 Uhr),23
„Wildschwein“ und „nasser Hund“ sind reine Phantasie. Ähnliches gilt für das
„Jahr des Schweins“, das Schwein (zhū 豬) ist eines der Tierkreiszeichen, die im
chinesischen Kalender jeweils bestimmten Jahren zugeordnet werden (Wilkinson
2013, 518). Schwein süß-sauer ist wohl eines der bekanntesten Gerichte der chine-
sischen Küche, aber als Bezeichnung für ein Datum eher dazu angetan, die tradi-
tionellen Zeitangaben ins Lächerliche zu ziehen. Ähnliches gilt für Ortsangaben
wie „Tempel des nachhaltigen Friedens und der heiteren Gelassenheit“ (Yann/
Conrad 2008a, 3), wo der Agentennachwuchs in den Kampfkünsten unterwiesen
wird, oder „Kowloon, Ummauerte Stadt“ (Yann/Conrad 2009b, 20). Ersteres spielt
mit den typischen Namen für Tempel und Paläste, wie „Halle der Höchsten Har-
monie“ [Tàihédiàn 太和殿], „Tempel der Azurblauen Wolken“ [Bìyún Sì 碧云寺]
oder „Tor des Himmlischen Friedens“ [Tiān’ānmén天安門], ohne auf reale Vor-
bilder zu rekurrieren. Anders verhält es sich bei „Kowloon, Ummauerte Stadt“:
Die Kowloon Walled City [Jiǔlóng Chéngzhài 九龍城寨] war ein Gebäudekomplex
auf der Halbinsel Kowloon [Jiǔlóng 九龍], der lange Zeit als Hort des organisier-
ten Verbrechens und Treffpunkt für Geheimbünde aller Art galt. Ursprünglich
befand sich an der Stelle ein chinesischer Militärposten, der nach der Abtretung
Hong Kongs an Großbritannien zum befestigten Lager ausgebaut worden war
und bei der Verpachtung der New Territories ausgenommen blieb. Die Exklave
wurde von China nicht genutzt und von Großbritannien weitgehend ignoriert.
Erst in den späten 1940er Jahren erklärte China, das Gebiet weiter beanspruchen
zu wollen. Die Nichteinmischung der Briten hatte dazu geführt, dass das Gebiet
unter Kontrolle der Triaden stand, die de facto Steuerfreiheit ließ die Zahl der
Bewohner rasch steigen. Der sehr begrenzte verfügbare Raum wurde durch eine
immer dichtere und immer höhere Bebauung erweitert. Der Komplex, der auch
‚Hak Nam‘ [Hēi‚àn黑暗], „[Stadt der] Dunkelheit“ genannt wurde, bildete eine
Art Parallelgesellschaft und wurde mehr und mehr als Schandfleck gesehen. In
den späten 1980er Jahren begann die Räumung, der Komplex wurde Anfang der
1990er demoliert und an der Stelle ein Park angelegt.24 Offen bleibt, ob Leserin-
nen und Leser ohne Chinawissen das subtile Spiel mit Fiktion und Fakten rezi-
pieren können.
24 Zur Walled City s. Girard/Lambot 1993 und Girard u. a. 2014. Einen Eindruck von den Lebens-
umständen gibt Pullinger/Quicke 1980.
25 Zum Zusammenhang zwischen der Entwicklung der Figur Fu Manchu und des Schlagworts
von der Gelben Gefahr s. (Mayer 2014).
268 Monika Lehner
Comics etablieren im 20. Jahrhundert eine parodistische Ästhetik, die die rassistischen,
sexistischen und klassenbedingten Stereotypien reproduziert und zugleich aufgrund ihrer
immanent erkenntniskritischen Anlage reflektiert – durch den operationalisierten Modus
der Wiederholung in der Konstellation von Bild und Schrift einerseits, die Serialisierungen
von Bildern, Figuren und Geschichten andererseits. Ist diese Parodie für manche, insbe-
sondere populäre Comics wie Popeye, Asterix oder jene Robert Crumbs so offensichtlich,
dass sie kaum für erwähnenswert gehalten wird, gilt es, die strukturelle Erkenntniskritik
der Comics mit ihren Mitteln genauer zu bestimmen. (Frahm 2010, 11 f.)
26 „Le Lotus bleu“ erschien zuerst zwischen dem 9.8.1934 und dem 17.10.1935 in Schwarz-Weiß
als Serie in Le Petit Vingtième, 1946 erschien das kolorierte Album. Frz. Ausgabe: Hergé 1946; dt.
Ausgabe: Hergé 1975.
27 Die Stadt, die bei Gnehm kopiert werden soll, ist Zürich. Der (fiktive) Plan übertrifft bei wei-
tem den tatsächlich realisierten Nachbau der Altstadt von Hallstatt, der 2011/2012 in der Provinz
Guǎngdōng廣東省entstand.
Graphisches Erzählen über China 269
Folgt man dieser Argumentation Ole Frahms, so ist jeder Comic Parodie oder kann
als Parodie gelesen werden – wobei Parodie genauer definiert werden müsste,
denn als literarische Gattung ist sie eine verzerrende, übertreibende, biswei-
len verspottende, aber immer komische Nachahmung eines bekannten Werkes,
dessen Bekanntheit wiederum als gegeben vorausgesetzt wird.
Damit aber wird ein circulus vitiosus in Gang gehalten, der etablierte Zuschrei-
bungen und stereotype Repräsentationsmodi kontinuierlich wiederholt, ohne
diese zu hinterfragen. Der ‚typische‘ Chinese bleibt das personifizierte Fremde
schlechthin, wahlweise Opium rauchendes Opfer des Imperialismus, brutaler
Triaden-Kämpfer, „Drachenlady“, die mit List (und wǔshù武術) jeden Gegner
besiegt, oder heimtückischer Politiker und Geschäftemacher, der zur Durchset-
zung seiner Ziele vor nichts zurückschreckt. Damit werden Bilder perpetuiert,
die schon in China-Beschreibungen des siebzehnten,28 achtzehnten und neun-
zehnten Jahrhunderts29 auftauchen und von der ‚Verschlagenheit‘ der Chine-
sen berichten.30 Auch Comics beschwören immer wieder das Bild einer diffusen
‚Gelben Gefahr‘ – sei es konkret für die Wende vom neunzehnten zum zwanzigs-
ten Jahrhundert wie in Boxers and Saints (Yang/Pien 2013) und Corto Maltese
(Pratt 1988), sei es eher unterschwellig wie bei Largo Winch oder in China Moon
(Graton/Graton 2008).
Immer wieder treten in Comics und Graphic Novels reale Personen in
Erscheinung, unter anderem Máo Zédōng毛澤東 (1893–1976)31, Sun Yat-sen
(1866–1925)32, Dài Lì戴笠 (1897–1946)33, T.V. Soong (Sòng Zǐwén 宋子文, 1891–
28 Zum Einfluss der China-Bilder in Johan Nieuhofs Beschreibung Chinas (Nieuhof 1665) s. Ul-
richs 2003.
29 Für die Darstellung der Bevölkerung Chinas in Enzyklopädien des achtzehnten und frühen
neunzehnten Jahrhunderts s. Lehner 2011, 165–193, für das 19. Jahrhundert und frühe 20. Jahr-
hundert G. Lehner 2015.
30 Eine detaillierte Untersuchung europäischer Chinabilder vor 1750, die Generierung und Dis-
semination von Wissen über China in europäischen Texten analysiert, ist in Vorbereitung. Bei-
spiele für einzelne Bilder (im Wortsinn) finden sich im Blog mind the gap(s) (http://mindthegaps.
hypotheses.org/)
31 Máo Zédōng war 1943–1946 Vorsitzender der Kommunistischen Partei Chinas, 1949–1954 Vor-
sitzender der Zentralen Volksregierung und 1954–1959 Staatspräsident der Volksrepublik China.
32 Sun Yat-sen gilt als Gründer des modernen China, er war 1912 der erste (provisorische) Präsi-
dent der Republik China. Zur Biographie: Bergère 1998.
33 Dài Lì hatte an der Whampoa-Militärakademie studiert und sich bald Chiang Kai-shek [Jiǎng
Jièshí蔣介石] (1887–1975) und der Kuomintang [Guómíndǎng 國民黨] angeschlossen, deren mi-
litärischen Geheimdienst er von 1927 bis zu seinem Tod leitete. Zur Biographie: Wakeman 2003.
270 Monika Lehner
1971)34 und Kāng Shēng 康生 (1898?-1975)35. Máo erscheint unter anderem in Ein
Leben in China und Lotusfüsse von Lǐ Kūnwǔ auf Postern und in Slogans. Bei Im
Geheimdienst des Großen Steuermanns (Yann/Conrad 2008a) ist Máo im Titel, was
anachronistisch erscheint, denn das Epithet ‚Großer Steuermann‘ taucht erst in
den Slogans der ersten Phase der Kulturrevolution auf. Máo und Sūn, die wohl
allgemein bekannt sein dürften, treten nur mittelbar auf; sie sind auf Postern und
Transparenten dargestellt oder es wird aus ihren Schriften gelesen. Die anderen
der oben genannten treten als Person im Comic auf, dürften aber nur dem mit der
jüngeren Geschichte Chinas Vertrauten bekannt sein, sodass offen bleibt, ob die
Figur spontan identifiziert werden kann. Als Beispiel sei Kāng Shēng genannt,
der federführend bei vielen großen Kampagnen der Kommunistischen Partei
Chinas gegen Andersdenkende war. In Raubkatze auf dem Dach ist er eindeutig
zu erkennen – so wie er auf einer der wenigen von ihm bekannten Aufnahmen
aus den 1940er Jahren aussieht (u. a. Yann/Conrad 2009a, 7). Ähnliches gilt für
Dài Lì und T. V. Soong.
34 T. V. Soong war Geschäftsmann und Politiker, er war die Ehen seiner Schwestern mit Sun
Yat-sen und Chiang Kai-shek verbunden. 1930 und von 1945 bis 1947 war er Premier der Repulik
China. Zur Biographie s. den Eintrag „Soong, T.V.“ in Boorman und Howard 1970, 149.
35 Kāng Shēng, der sich früh der Kommunistischen Partei Chinas angeschlossen hatte, hatte
in den frühen 1940er Jahren und während der Kulturrevolution Innere Sicherheit und den Ge-
heimdienst der Partei gearbeitet. Nach dem Tod Máos und dem Sturz der Viererbande wurde
Kāng mitverantwortlich für die Exzesse der Kulturrevolution gemacht und 1980 posthum aus der
Partei ausgeschlossen. Zur Biographie: Byron 1991.
Graphisches Erzählen über China 271
wird; und wo China wenig mehr ist als austauschbare Kulisse. Die Serien, deren
Handlung in China oder zum Großteil in China angesiedelt wird, wie Die weiße
Tigerin oder Shanghai, erscheinen nur als verlängerte Form der one-shots, indem
eine Erzählung in Episoden unterteilt wird, die in sich geschlossen erscheinen.
Schließlich sind da one-shots, in sich geschlossene Erzählungen wie Shenz-
hen (Delisle 2006), Lotusfüsse (Li 2015) oder Reload (Song 2009). In französischer
Sprache liegen hier zahlreiche Veröffentlichungen vor, ob eine deutsche Fassung
folgen wird, wird abzuwarten sein – die Themen sind mitunter spröde, während
das Thema des Füßebindens doch universell zugänglich erscheint, so sind fran-
zösische Bahnprojekte in Yúnnán雲南, die Lǐ Kūnwǔ in La voie ferrée au-dessus
des images (Li/An/Montésinos 2013; chin. Lǐ 2014) beschreibt, schwer zugäng-
lich. Hochinteressant erscheint auch Cicatrices (2014) von Lǐ Kūnwǔ, das zuvor in
chinesischer Sprache erschien (Lǐ 2012). Hier erscheint Lǐ selbst, der in chinesi-
schen Archiven nach Spuren der chinesisch-japanischen Konflikte im neunzehn-
ten und zwanzigsten Jahrhundert sucht. Indem er selbst sich in seinem Comic
zeigt, knüpft er an Reportagecomics von Joe Sacco (wie Palästina (2011a), Gaza
(2011b), Sarajevo (2015) und andere) an. Die Einbindung von Landkarten, Zei-
tungsausschnitten und Photographien knüpft an Der Fotograf (Guibert/Lefèvre/
Lemercier 2008) an.
In den Arbeiten chinesischer Autorinnen und Autoren (und selten auch in
den Arbeiten westlicher Autorinnen und Autoren) wird versucht, dem klischee-
behafteten Chinabild eine differenziertere Sichtweise entgegenzustellen. Es
zeichnet sich hier eine Entwicklung ab, die dem Boom der autobiographischen
Erzählungen von Chinesinnen und Chinesen aus den 1990er und frühen 2000er
Jahren ähnelt – der wenig geeignet war, ein differenzierteres Bild zu zeichnen,
denn dabei wurde nur ein Narrativ durch ein anderes – das der Opfer der Kul-
turrevolution – ersetzt. Avantgardistische Stimmen wie Reload (Song 2009) oder
Peking (Ji’An u. a. 2009) bleiben zu leise, um einen Kontrapunkt zu setzen.
der Comics und Graphic Novels besteht aber auch aus Chinatowns in Metropolen
Nordamerikas und aus Lebensräumen von Overseas Chinese, die nicht zwangs-
läufig in größeren Communities leben.
Zeit der Handlung ist in der Regel die Vergangenheit, lediglich Largo Winch
und China Moon sind in einer nicht näher bezeichneten und somit schwer fassba-
ren Gegenwart verortet. Die Zeitspanne reicht vom China der Yuán-Zeit (1271–1368)
bei den Abrafaxen (Mosaik 2009) über das Ende der Qīng-Zeit wie im Dreiteiler
Shanghai oder in den ersten Kapiteln von Lotusfüsse (Li 2015) zu klar eingeordne-
ten Phasen im der Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts.
Genauso vielfältig wie die zeitlichen Kontexte sind die Themen, die aufge-
griffen werden: Opium (Opiumhandel, Opiumschmuggel, Opiumimport und
Opiumhöhlen), Geheimgesellschaften und Triaden, die Politik und Wirtschaft
beeinflussen ebenso wie China im System internationaler Beziehungen. China
tritt als Akteur auf, aber auch als quasi unbeteiligter Zuschauer, der den Akti-
vitäten fremder Mächte wenig entgegensetzen kann. Zwar werden auch kontro-
verse Themen berührt, wie Tibet oder die Menschenrechtsfrage, häufiger aber
wirtschaftliche Interessen. Immer wieder geht es um Themen wie Technolo-
gietransfer, Werks- und Industriespionage, Kopien und Skrupellosigkeit, die
unterschwellig die diffuse Angst vor einer nicht näher definierten Gelben Gefahr
schüren – nur geht es jetzt nicht mehr um asiatische Heere, die den Westen über-
rennen, sondern darum, dass China mit seinen nahezu unendlichen Ressourcen
durch List und Skrupellosigkeit Märkte übernimmt und das Wirtschaftssystem
beeinflusst.
Für einen genauen Blick und eine differenzierte Darstellung bleibt wenig
Raum, übrig bleiben gängige Stereotype, die auf das bedrohliche Bild vom rätsel-
haften Orientalen rekurrieren oder aber ‚kleine gelbe Männchen mit Schlitzaugen
und langem Zopf‘ verspotten.
9 „Chinesische“ Kultur
Versatzstücke ‚chinesischer‘ Kultur sollen Authentizität, die über die dem Comic
immanenten Quellenauthentizität (Gundermann 2007, 82) hinausgeht, generie-
ren. Die in den biographischen Darstellungen und in den Reportagen erzählten
Geschichten sind „subjektiv authentisch“ und verfügen über „Erlebnisauthen-
tizität“ (Gundermann 2007, 82). Die Leserinnen und Leser sind gefordert, diese
Erzählungen in einen größeren Kontext einzuordnen – was bei China-Themen
nicht immer gelingt. Die von den Autorinnen und Autoren, häufiger von Heraus-
geberinnen und Herausgebern oder von Übersetzerinnen und Übersetzern bei-
Graphisches Erzählen über China 273
einen aktuellen Bezug: die japanische Aggression gegen die Republik China,
der Angriff auf die Mandschurei nach dem Mukden-Zwischenfall 1931 und der
Versuch Chinas, sich dagegen mit internationaler Hilfe zur Wehr zu setzen.38 Dass
der Konflikt nach Shanghai verlegt wird, passt nicht in das Bemühen um Genau-
igkeit. Die Schriftzeichen sind korrekt und ergeben weitgehend sinnvolle Sätze
(die ‚Tintinologen‘ haben diese im Detail aufgelöst39), das Szenario wirkt im oben
beschriebenen Sinn ‚typisch‘ chinesisch: Den Titel ziert ein vierklauiger Drache,
ein Papierlampion mit dem Schriftzeichen lián蓮 (‚Lotus‘) und eine Vase, aus der
Tim und Struppi herausschauen. Die Vase ist blaugrün und mit Blütenzweig und
Vogel bemalt. Ihre Form ist ‚chinesisch‘, wenngleich ein Deckel zu erwarten wäre,
die Farbe kommt dem Seladon-Ton (qīngcí青瓷) nahe, das Motiv, Blütenzweig mit
Vogel, wirkt chinesisch. Die Kombination ist allerdings zumindest ungewöhn-
lich: Seladon-Gefäße blieben in der Regel unbemalt, um die Farbe der Glasur
wirken zu lassen.
Die Typen, die auftauchen, passen ins Klischee: Briten und Amerikaner, die
Rikschafahrer und Diener verprügeln; wenige aufgeklärte ‚weise‘ alte Chinesen,
arme Opiumsüchtige, die in Opiumhöhlen dahinvegetieren, japanische und eng-
lische Agenten, die sich wenig ungeschickt anstellen – sie verkleiden sich, erwi-
schen aber ‚kaiserliche‘ Uniformen. Das einzige, was als ‚Versatzstück‘ fehlt, sind
die flachen Kegelhüte, die zwar vor allem im ländlichen Raum getragen wurden,
die aber auch im Stadtbild allgegenwärtig waren. Die Szenen, die auftauchen,
40 Der Begriff taucht in den 1960er Jahren im Kontext der Bruce Lee-Filme auf und wurde in-
zwischen zu einem fast generischen Gattungsbegriff für asiatische bzw. chinesische Kampfküns-
te. Er wird mittlerweile auch im Chinesischen in diesem Sinne verwendet, wo gongfu diese Be-
deutung traditionell nicht unbedingt hatte. Im Vordergrund steht eine schwer oder nach Mark
Salzman „nicht messbare Qualität“, die einer Sache innewohnt (Mark Salzman: Eisen und Seide.
Begegnungen mit China, 1995).
276 Monika Lehner
denn es gab von Kāng Shēng keine Fotos und kaum Informationen. Die Autoren
schufen das Bild eines brutalen, skrupellosen und über Leichen gehenden
Mannes – quasi einen modernen Fu Manchu.
Die Figur des Fu Manchu aber ist reines Phantasieprodukt: der bösartige
Supergangster, der versucht, die Weltherrschaft an sich zu reißen, zuerst in der
Romanreihe von Sax Rohmer, die zwischen 1913 und 1959 entstand, später in
Filmen und Fernsehserien. In den Filmen verkörperten westliche Darsteller –
unter anderem Warner Oland, Boris Karloff, Christopher Lee und Peter Sellars
den Supergangster.41 Fu Manchu ist die personifizierte Bosheit, der undurch-
dringliche Orientale – und damit eine Fortschreibung sehr alter Bilder, die zum
Teil aus den ersten Kontakten zwischen Europa und China stammen. Sie knüpfen
schließen direkt an die Zeichnung von Chinesinnen und Chinesen in den ameri-
kanischen Dime Novels aus dem späten neunzehnten und frühen zwanzigsten
Jahrhundert an. Beispiele sind die Geschichten der Bradys in den Opiumhöhlen
der Chinatowns42 oder die Dime Novels von Harrie Irving Hancock (1866?-1922)
über den chinesischen Superverbrecher Li Shoon, die 1915–1917 im Detective
Story Magazine erschienen.
Die wirtschaftliche Öffnung Chinas und der damit verbundene Zugang zu
Informationen aus und über China haben (noch) nicht zu neuen Darstellungs-
modi in Comics und Graphic Novels geführt. In den Superhelden-Comics wie
Largo Winch oder Michel Vaillant: China Moon wird China zum Feindbild und zur
Bedrohung stilisiert – und das bleibt die dominante Darstellungsform.
10 Fazit
Die China-Konstruktionen in Comics und Graphic Novels zeichnen Bilder, die
sich primär aus traditionellen Stereotypen speisen und wenig konkretes Wissen
abrufen. Dabei werden diffuse Vorstellungen perpetuiert, die auch in allen
41 Zu Yellowface (Darstellung von Chinesinnen und Chinesen durch ‚asiatisch‘ geschminkte
Darstellerinnen und Darsteller) vgl. grundlegend (Moon 2004), wobei der Schwerpunkt der Stu-
die auf Musik, Musiktheater und Variété liegt.
42 Die Groschenromane um die Bradys haben Titel wie The Bradys After a Chinese Princess; or,
The Yellow Fiends of ‘Frisco; The Bradys and the Bronze Idol; or, Tracking a Chinese Treasure and
Other Stories, Hop Lee, The Chinese Slave Dealer; or, Old and Young King Brady and the Opium
Fiends etc., vgl. die Dime Novel and Story Paper Collection der Stanford University. Eine Reihe
der Brady-Romane ist online zugänglich unter http://collections.stanford.edu/dimenovels/bin/
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Graphisches Erzählen über China 277
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Chen Zheng
Interkulturelle Analyse der kommunikativen
Wirkung chinesischer Image-Filme
Vergleich einer chinesischen mit einer deutschen Zielgruppe
1 Einleitung
Noch vor 60 Jahren stützte sich die zwischenmenschliche Kommunikation haupt-
sächlich auf geschriebene und gesprochene Sprache (Mohrhof: 1999, 43–48).
Darauf folgte die rapide Entwicklung der modernen Medien. Das Leben der Men-
schen geriet zunehmend in den Sog aller Arten von Massenmedien, Film, Fernse-
hen, Werbung und anderem Bildmaterial, die visuelle Verbreitung von Inhalten
wurde zu einem immer wichtigeren Mittel außerschriftlicher Kommunikation.
Die Forschung, die sich mit visueller Verbreitung von Inhalten beschäftigt, hat
sich hauptsächlich darauf konzentriert, wie visuelle Phänomene auf Bildern
wahrgenommen werden. Doch seit die Zahl bewegter Bilder zugenommen hat,
machen auch Filme und Videos einen großen Teil der visuellen Kommunikation/
Verbreitung aus (Müller: 2003, 13–14).
In China gibt es insgesamt nur sehr wenige Forschungsarbeiten, die sich
mit Videos in der interkulturellen Kommunikation befassen. Nach einer Aus-
wertung der Aufsätze zu diesem Thema im chinesischen Netzwerk für Zeitschrif-
tenpublikationen (CNKI) von 1979 bis 2010 konnten wir feststellen, dass Videos
erst ab 2000 zu einem Thema der Forschung über interkulturelle Kommunika-
tion wurden. Bislang wurde meist untersucht, welcher Strategien interkulturel-
ler Kommunikation sich spezifische Filme bedienen. Nur sehr wenige Arbeiten
führen eine theoretische Analyse durch bzw. versuchen, eine Theorie über die
Anmerkung: Chinesischer Image-Film bezieht sich auf „国家形象宣传片 (China national publi-
city film)“, wurde von The State Council Information Office produziert. Dieser Film zielt auf die
Verbesserung des Chinabildes auf der Welt.
Teilergebnis des Forschungsprojekts der Beijing Stadt (13SHC022)北京市哲学社会科学规划课
题 (13SHC022) und des Bildungsministerium (2013<1792>)教育部留学回国人员科研启动基金项
目(教外司留2013<1792>号)成果
Chen, Zheng, Dr. phil., Assistant Professor for Intercultural Communication and Education
Science, National Academy of Education Administration, Ministry of Education of the People’s
Republic of China
DOI 10.1515/9783110544268-014
Interkulturelle Analyse der kommunikativen Wirkung chinesischer Image-Filme 283
Diese Arbeit erfasst den Inhalt der Berichte in der Hauptsache durch die qualita-
tive Auswertung der Interviews. Die Interviewfragen, die direkt im Anschluss an
die Filmvorführung gestellt werden, richten sich zunächst auf Gefühlseindrücke.
Es wird davon ausgegangen, dass Erfahrungen kontextuell bedingt sind und ein
einzelner Vorgang immer mit der Umgebung in Verbindung steht, und außerdem
versucht, die beobachteten Phänomene theoretisch zu erklären.
In der Philosophie geht Wittgenstein im Jahr 1945 davon aus, dass sprachli-
che Mittel eine immense Potenz haben: Sie spiegeln nicht nur die Weltsicht des
Sprechenden wider, sondern geben auch seine Gedanken, Absichten und Hoff-
nungen zu erkennen. Will man die Metaphysik in die praktischen Erfahrungen
des täglichen Lebens hineintragen, dann ist die Sprache der Mittler (Wittgen-
stein: 2003). Unter der Prämisse, dass alles kontextabhängig ist, erforscht diese
284 Chen Zheng
Bei der Auswahl der Befragten waren die folgenden Maßgaben wichtig:
1. Die etische und emische Perspektive wurden gleichermaßen mit einbezogen
(Berry: 1969, 119–128).
2. Für eine Studie über neue Medien schien eine junge Zielgruppe am besten
geeignet, als Altersspanne wurden also 20–30 Jahre festgelegt.
3. Das Verhältnis von Männern und Frauen war so gut wie ausgewogen.
14 16 14 16
Fortschritt Entwicklung
Pluralisierung Öffnung
Attraktivität Pluralisierung
Die negative Kritik der deutschen Zielgruppe lief darauf hinaus, dass die poli-
tische Propaganda im Film zu stark sei (“propagandistischer Stil“), dass er zu
weit entfernt von der Realität sei („zu idealisiert“, „das hat nichts mit der Praxis
zu tun“), dass ihm kritisches Bewusstsein fehle usw. Ins Auge sticht, dass einige
der Befragten keine negative Kritik zu äußern hatten, weil ihnen der Film zu gut
gefiel. Aus dem Feedback der chinesischen Zielgruppe lässt sich ablesen, dass
die Kluft zwischen Arm und Reich zu einer wichtigen Frage für viele Chinesen
geworden ist; zudem erschien ihnen der Film zu artifiziell („zieht eine Show ab“,
„unauthentisch“, „an der Wahrheit vorbei“); schließlich trat auch die Frage nach
der ungleichen Entwicklung der Provinzen in den Vordergrund. Diese Antworten
korrespondieren stark mit der Kritik der deutschen Zielpersonen, dass der Film
„zu weit entfernt von der Realität“ sei.
Allgemein lässt sich über das Feedback sagen, dass die deutschen Zielper-
sonen hauptsächlich Kritik am Film als solchem üben. Ob ihnen „kritisches
Bewusstsein fehlt[e]“ oder „die politische Propaganda zu stark“ war: All das ist
Kritik, die sich auf die Darstellungsformen und den Inhalt des Films bezieht.
Währenddessen richtete die chinesische Zielgruppe ihre Kritik häufig direkt auf
soziale Probleme, ohne dabei auf den Film einzugehen.
politische Propaganda ist zu stark Kluft zwischen Arm und Reich, der soziale
zu weit entfernt von der Realität Status macht sich bemerkbar
es fehlt kritisches Bewusstsein artifiziell/künstlich
ungleiche Entwicklung der Provinzen
ist zu stark“, „zu weit entfernt von der Realität“ und „Es fehlt kritisches Bewusst-
sein“. Währenddessen äußerte die chinesische Zielgruppe als negative Punkte:
„Der soziale Status macht sich bemerkbar“, „artifiziell/künstlich“, und „Die
Entwicklung der Provinzen verläuft ungleich“. Während die deutsche Zielgruppe
Kritik übte, gab die chinesische Zielgruppe eher einen Gesamteindruck wieder.
Das spiegelt wider, dass die Zielpersonen aus China und aus dem Westen „bei der
Rezeption von Medien mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten aufweisen“ (王
国珍: 2003, 104). Eine effektive interkulturelle Kommunikation und Verbreitung
muss mindestens drei Schlüsselfaktoren berücksichtigen: den Hauptträger der
Kommunikation, den Rezipienten und die Übermittlung der codierten Nachricht (
关世杰: 1995, 4). Im Folgenden geht es hauptsächlich um die RezipientInnen. Die
Perspektive der Zielpersonen wird herausgearbeitet, und die kulturellen Einfluss-
faktoren, die hinter den Unterschieden liegen, werden aufgezeigt.
3.2 Unterschiede im Feedback
Aus dem Feedback der deutschen Zielgruppe sticht zuerst die folgende Kritik am
chinesischen Image-Film ins Auge: „Es fehlt eine kritische Perspektive“ und „Die
politische Propaganda ist zu stark.“ In der Analyse des Feedbacks zeigt sich, dass
die deutsche Zielgruppe sehr oft den Begriff „Propaganda“ nennt oder eine pro-
pagandistische Darstellung kritisiert, so etwa hier:
Chinesen den äußerst positiven Filminhalt mit der Kluft zwischen Arm und Reich
sowie mit der ungleichen Entwicklung der Provinzen in Verbindung.
„Die Interviewten waren fast alle aus der Mittelschicht, die einfachen Leute bekamen gar
nicht die Chance, vor die Kamera zu treten. Das betrifft vor allem die Wanderarbeiter. Das
lässt mich über den sozialen Status nachdenken.“
„Die Kluft zwischen Arm und Reich ist zu groß, das betrifft vor allem die Unterschiede zwi-
schen Stadt und Land, Ost und West.“
„Es gibt zwar einen Wandel, aber nur ein kleiner Teil der Bevölkerung profitiert vom Wohl-
stand. Es wird nur diese Seite betont.“
„Der Inhalt könnte gekürzt werden, der Rhythmus ist zu schnell. Es werden zu viele Inhalte
angerissen, so kann man das gar nicht alles verarbeiten.“
„Der Film versucht viel zu sehr, einen glamourösen Eindruck zu erwecken, das ist keine
realistische Darstellung.“
Die chinesischen Zielpersonen hingegen waren der Ansicht, dass die im Film
gezeigten Inhalte ein unvollständiges Bild lieferten, dass ein globales Gesamtbild
fehle.
„In Wirklichkeit gibt es noch viel mehr, was in diesem Film gar nicht gezeigt wurde.”
„Es wurden nur ein paar Aspekte beleuchtet, ein Gesamtbild hat sich nicht ergeben.“
Die Unterschiede in der Deutung neuer Informationen, die sich hier zwischen Chi-
nesen und Deutschen zeigen, verweisen darauf, dass Menschen aus westlichen
Ländern den Fokus eher auf individuelle Besonderheiten legen und dadurch zu
einem analytischen Denken neigen, während Chinesen eher die Tendenz zu einer
allgemeinen Zusammenfassung und damit zu einem synthetisierenden Denken
haben. Ein westlich geprägter Mensch will eine Nahaufnahme voller Details
machen, indem er individuelle Besonderheiten hervorhebt; Chinesen gehen eher
von einem Überblick aus, um ein Gesamtbild zu entwickeln.
Dieser Unterschied im Denken beeinflusst nicht nur das Verständnis der
chinesischen und der deutschen Zielgruppe von den Bildern, die der Film zeigt,
sondern auch ihr Sprachverständnis. Einige deutsche Probanden hoben einzelne
Stellen besonders hervor, so wurde etwa der Titel „China on the Way“ mit der
westlichen „China threat“ in Verbindung gebracht. Daher muss man die kultu-
rellen Einflussfaktoren hinter dem Verständnisprozess einer Zielgruppe berück-
Interkulturelle Analyse der kommunikativen Wirkung chinesischer Image-Filme 289
Im Jahr 1947 hat der Psychologe Kurt Lewin in seiner Arbeit “Channels of Group
Life“ den Begriff des „Gatekeepers“ aufgebracht (Lewin: 1947, 143–153). Dieser
Begriff verweist auf einen Kommunikator, der bei der Verbreitung neuer Infor-
mationen rational und effizient aussieben und protektiv vorgehen kann, wofür
er mit den Unterschieden zwischen Eigen- und Fremdkultur vertraut sein muss.
Auch bei der Verbreitung von „Images“ bedarf es eines solchen interkulturellen
Kommunikators, der mit chinesischer wie mit westlicher Kultur vertraut ist und
daher im Verlauf der Kommunikation sowohl „Selbstkenntnis“ als auch „Kennt-
nis des anderen“ an den Tag legen kann. Er muss die Besonderheiten der eigenen
Kultur verstehen und mit ihren Kernwerten vertraut sein, und ebenso muss er
die psychischen Anliegen und die Aufnahmefähigkeit der Zielgruppe einschät-
zen können, damit die Kommunikation inhaltlich wie methodisch den Anfor-
derungen eines „internationalen Publikums“ gerecht wird. Aus dem Feedback
der Zielpersonen wird deutlich, dass der nationale Charakter und die kulturellen
Standards Einfluss auf ihre Reaktionen haben.
– Der Einfluss nationaler Unterschiede auf die chinesische und die deut-
sche Zielgruppe
Aus historischer Sicht hat die deutsche Bevölkerung einige sehr spezielle Erfah-
rungen gemacht. Menschen aus dem Westen beschreiben die „Deutschen“ wie
folgt (杨立义/钱松英: 1998, 8): „Die deutsche Bevölkerung ist etwas Einzigarti-
ges“. Die Deutschen gelten als strikt und gewissenhaft im Verfolgen von Zielen,
als wissensdurstig und unermüdlich. Über den „Geist“ der Deutschen haben viele
bedeutende Gelehrte aus den unterschiedlichen Blickwinkeln der Geschichte,
Psychologie, Literatur und Soziologie geschrieben. Hier sind etwa die Werke des
deutschen Historikers Herder über den „Volkscharakter“ und die „Volksseele“,
290 Chen Zheng
die des deutschen Philologen Steinthal über Völkerpsychologie und die des deut-
schen Ethnologen Bastian über Gesellschaftspsychologie zu nennen (Steinthal/
Lazarus: 1878). Daraus kann man ablesen, dass die Deutschen Gesetzen und
Regeln besondere Bedeutung beimessen, das kritische Denken schätzen und
einen sehr kritischen Geist besitzen. Diesen kritischen Geist hat Engels stark her-
vorgehoben: „Kants Kritik der reinen Vernunft hat ebenso wie die Naturwissen-
schaften einen riesigen Beitrag geleistet, seine beiden bedeutenden Grundannah-
men haben die Grenzen der Tradition durchbrochen und besitzen einen enormen
Einfluss auf die Welt der theoretischen Naturwissenschaften.“ (恩格斯:1971, 31).
Der kritische Geist ist in den Deutschen tief verwurzelt, so dass Fragen oft mit
recht kritischer Haltung diskutiert werden. Auch nach dem Ansehen des Films
äußerten viele Zielpersonen, dass es besser wäre, wenn der Film mehr kritische
Passagen enthielte.
Der deutsche Begriff „Kritik“, der auf das griechische „Kritiké“ zurückgeht,
bezeichnet eine Kunst der Evaluation. „Der Begriff hat vier Bedeutungsebenen,
erstens meint er die Kritik in Wissenschaft und Kunst, Evaluierung und Gutach-
ten; zweitens ein In-Zweifel-Ziehen; drittens die Rezension eines künstlerischen
Erzeugnisses, einer wissenschaftlichen Arbeit, eines Buchs oder Kunstwerks;
viertens die Gesamtheit der Kritiker.“ (Duden: 2000, 767). In ihrer sprachlichen
Darstellung soll die Kritik möglichst objektiv, gerecht, formal korrekt und wahr-
heitssuchend sein, wobei selbstverständlich positive ebenso wie negative Kritik
einbezogen werden kann. Ein Blick auf die Geschichte verrät, dass Deutschland
eine historische Tradition kritischen Denkens hat. Kant hat der „Kritik“ einst eine
besondere Bedeutung zugeschrieben: „Die Kritik ist nicht dem dogmatischen Ver-
fahren der Vernunft in ihrem reinen Erkenntnis als Wissenschaft entgegengesetzt,
sondern dem Dogmatismus, d. i. der Anmaßung, mit einer reinen Erkenntnis aus
Begriffen (der philosophischen)…“ (Kant: 1990, 20). Hieraus ist klar abzuleiten,
dass „Kritik“ für Kant nicht Kampf, Widerstand, Ablehnung und Unterwerfung
bedeutet, sondern Erkundung, Forschung, Analyse und Reflexion (曹兴/姜丽萍:
2005, 16). So wird auch deutlich, dass die Kritik der deutschen Zielgruppe an dem
Image-Film nicht unbedingt eine stark ablehnende Haltung bedeutet.
Die Frage des „chinesischen Nationalcharakters“ wurde von vielen Wissen-
schaftlern neu überdacht, so schreibt etwa der amerikanische Sozialforscher
Smith in seinem Buch „Chinese Characteristics“, dass die Chinesen Gesichts-
wahrung betrieben, fleißig und diensteifrig seien, großen Wert auf Etikette legen,
sich durch die Blume äußern, sich unterwerfen, ohne wirklich loyal zu sein,
usw. [21] Werke wie Liang Qichaos „Der Nationalcharakter der Chinesen“, Lu Xuns
„Betrachtung zum Volkscharakter der Chinesen“, Kang Baiqings „Betrachtung
zum Temperament des chinesischen Volks“, Lin Yutangs „Mein Land und mein
Volk“ oder Liang Shumings „Die Essenz der chinesischen Kultur“ stellen überein-
Interkulturelle Analyse der kommunikativen Wirkung chinesischer Image-Filme 291
stimmend fest, dass es den „Chinesen“ an Eigenständigkeit und Kraft zur Autono-
mie mangele; dass das Gesichtskonzept als wichtig erachtet werde; dass die Chi-
nesen beharrlich und gutmütig seien und die Harmonie wahren (梁启超: 1994; 石
列娟: 2005; 鲁迅: 2008; 康白情: 1919; 林语堂: 2003; 梁漱溟: 2003). Es wird deut-
lich, dass das Konzept der Gesichtswahrung tief in der chinesischen Kultur ver-
wurzelt ist. Auch in der aktuellen Forschung über „Chinesen“ hat sich etwa bei
Ting-Toomey et al. gezeigt, dass das Gesichtskonzept im zwischenmenschlichen
Umgang und im sprachlichen Ausdruck der Chinesen eine wichtige Rolle spielt.
Oft streben sie aktiv nach Gesichtsgewinn, wobei das stets sowohl „Gesichtswah-
rung“ als auch „Gesichtgeben“ beinhaltet (Ting-Toomey: 1994, 47–77).
Nachdem sie den Film gesehen hatten, reflektierten viele der chinesischen
Zielpersonen darüber, dass der Film an zahlreichen Stellen zu sehr auf einen
glanzvollen Eindruck und auf Gesichtswahrung bedacht sei und dabei Reali-
tätssinn vermissen lasse. Dieser Eindruck zeigt das besondere Augenmerk, das
Chinesen auf das Gesichtskonzept richten. Die Psychologen Bond und Lee (1982)
haben in ihren Forschungen herausgefunden, dass kollektiv orientierte Gesell-
schaften das Gesichtskonzept stärker betonen als individualistisch orientierte
und auch mehr Wert darauf legen, die Gesellschaftsordnung zu wahren. Der Stel-
lenwert dieser Konzepte in China ist sehr hoch (Zhai: 2011) und hängt für Chine-
sen eng mit Anerkennung zusammen, deswegen springt den Probanden gleich
ins Auge, an welchen Stellen der Filminhalt besonders darauf abzielt, einen
schönen Schein zu wahren.
Sphäre zu trennen und sich auf eine Sache als solche zu konzentrieren; sie ten-
dieren auch zu Selbständigkeit, zu Pünktlichkeit und dazu, im Leben wie in der
Arbeit Strukturen und Regeln zu befolgen.
Tabelle 4: Unterschiede der kulturellen Standards in China und Deutschland; Quelle: Thomas/
Kammhuber/Schroll-Machl (Hg.) (2003)
Deutschland China
Die Kritik der deutschen Zielpersonen am Film ist ein gutes Beispiel dafür, dass
die Deutschen lieber über eine Sache als solche sprechen. Ob von „mangelndem
kritischem Bewusstsein“ die Rede war oder davon, dass „die politische Propa-
ganda zu stark“ sei, immer ging es um den Film als solchen, handelte es sich
um direkte Kritik an seiner Darstellungsweise und seinem Inhalt. Die Chinesen
hingegen übergingen den Film oft, um Kritik an sozialen Problemen zu üben;
so brachten die chinesischen Zielpersonen etwa die Kluft zwischen Arm und
Reich sowie die Unterschiede zwischen den Provinzen mit dem Inhalt des Films
in Verbindung, aber auch Fragen nach sozialem Rang, Harmonie in der Gesell-
schaft usw. wurden aufgeworfen. Das offenbart, wie stark konfuzianisch geprägt
die Mentalität der Chinesen immer noch ist. Die antike philosophische Tradition
des Konfuzianismus hat in China sehr viele greifbare geschichtliche Veränderun-
gen bewirkt und übt einen monumentalen Einfluss auf die chinesische Kultur im
Ganzen aus. Auch im Film selbst finden sich viele Stellen, die mit den Idealen des
Konfuzius im Einklang stehen.
Die Eindrücke, die die chinesischen Befragten als „Nachdenken über den
sozialen Status“, „die sozialen Unterschiede sind zu groß” und „die Entwick-
lung ist ungleich” wiedergaben, haben ihren Ursprung auch im konfuzianischen
Denken. Eine solche Sichtweise entspricht dem konfuzianischen Denken in
gesellschaftlichen Zusammenhängen. Konfuzius vertrat die Ansicht, dass kein
Mensch auf dieser Welt für sich allein stehe, sondern mit anderen zusammen
eine große Lebensgemeinschaft bilde. Im Staat müsse jeder Mensch die Pflichten
übernehmen, die mit seinem „Status“ einhergehen. Nur durch strenge Einhal-
tung der statusbedingten Arbeitsteilung und gewissenhafte Ausübung der Pflich-
Interkulturelle Analyse der kommunikativen Wirkung chinesischer Image-Filme 293
„Der Einfluss der Medien auf Zielpersonen ist kein kurzfristiger, sondern ein
langfristiger, unterschwelliger, der sich allmählich aufbaut und unterbewusst
die Wirklichkeitswahrnehmung der Menschen zu formen beginnt.” (Shao/Pan:
2006, 70) Die Langzeitwirkung und die aktuelle Wirkung der Medien müssen
untersucht werden, um die langfristigen Ziele des interkulturellen Austauschs zu
verwirklichen. Auch die stetige Entwicklung und der Prozesscharakter von Kultur
sind zu berücksichtigen, was immer damit einhergeht, dass sich äußere Einflüsse
mit lokalen kulturellen Gegebenheiten mischen und eine wechselseitige Beein-
flussung stattfindet. Der amerikanische Soziologe Roland Robertson hat darauf
hingewiesen: „Auf der ganzen Welt hat der Kapitalismus bereits zu kulturellen
Angleichungen geführt, doch gleichzeitig bringt er auch eine kulturelle Hetero-
genisierung hervor. Wir haben bereits die Umstände der Angleichung/Homoge-
nisierung kennengelernt, wie auch die der Heterogenisierung.“ (Robertson: 1992,
8). Die Entwicklung der interkulturellen Kommunikation ist also ein Prozess, bei
dem viele Faktoren im Wettstreit miteinander liegen. Durch stetigen Austausch,
Kommunikation, Verständnis und Reflexion muss man sich an die Bedürfnisse
Interkulturelle Analyse der kommunikativen Wirkung chinesischer Image-Filme 295
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Anhang
Chinesische Zusammenfassungen der
Beiträge – 论文的中文总结
1 德语区的中国形象——关于“中央之国”的族裔刻
板印象和偏见的研究综述以及对跨文化交流的
展望 (Friedemann Vogel/贾文键)
一直以来, 人们都被关于陌生国家、民族和文化的知识所吸引。这些知识的获取形式也一
直以来由社会和媒体所决定。在旅行还是珍贵且昂贵的特权的时代, 关于这些陌生国家、文化
和民族的知识一般来源于小部分富贵人士的旅行叙述和记录 (关于中国的记录参见 Liu 2001)。
由于缺乏与陌生国家、民族和文化的直接接触, 绝大多数人无法自己构建出其相应形象。随着
19世纪的技术发展, 最晚自20世纪下半叶以来, 人类所有的生活领域都被媒体化了 (尤其通过出
版社、广播、电视和网络), 这彻底改变了以往人们获取关于陌生国家、民族和文化的知识的方
式。虽然社会的中产阶级比以往更有能力负担乘火车或者飞机旅行所产生的费用, 大众媒体仍
然是民众至今为止获得关于 “他者” 知识的主要方式。由此, 大众媒体成为了社会刻板印象和偏
见的基本组成部分。刻板印象是 (社会)认知的知识框架, 其很大程度上影响了我们对世界的感
知。刻板印象作为图式化的知识, 是层级化、典型化组织的特征归属网络的一部分 (X → Y → Z →
…)。我们需要对刻板印象和偏见进行区分, 刻板印象是特定的、被认定为典型的知识形式和 “
偏见” 的上位概念, 它是价值中立的。偏见则是包含对世界中某个人、某个群体或者某个事物
的贬低性评价的刻板印象。例如, 偏见的语言表现形式为: 所有德国人都是纳粹或者所有中国
人都吃虫。
一旦习得刻板印象, 它便会在其持有者的社会认知领域中发挥重要作用: 作为一种可简单
提取的知识框架, 刻板印象对——原则上无限复杂的——感知现实进行图式化的整理 (即进行简
化、一般化和从具体到抽象), 提供高效的、被证明的、能被他文化成员所预知的行为基础, 因
此能减少其持有者选择行为时的困难, 帮助他做出决定。只有通过这种方式, 个体才能在拥有有
限认知资源的情况下, 短时间内比如在蔬菜市场拥挤的人群中满足自己的需求 —— 即采购。这
些过程是高度自动化和仪式化的, 而且多数情况下是无意识进行的。通常, 只有在刻板印象缺
席时, 人们才察觉到它在认知方面的减负作用: 例如在陌生的国家旅行、在不熟悉的环境中做
客或者处于一种自己所陌生的氛围中。在这种情况下, 人们会说 “没有经验” 或称之为 “挑战”
。由于刻板印象能够简化个体对外部世界的感知, 因此它具有稳定化的倾向, 对变化免疫: 为了
维持简单的决策结构, 个体 所感知到的与已有刻板印象不一致的社会现实的某些方面直接屏
蔽在外。
目前, 德语区关于中国和中国人的刻板印象及偏见的研究呈现出巨大的差异, 不同学科以
不同的研究方法为基础。除少数综合性研究外 (Richter et al. 2010; Bieber 2011; Bürger et al.
2014; Huawei 2014), 我们还发现许多焦点研究, 它们如马赛克般拼合出相对清楚的轮廓。占
据统治地位的是一种陈词滥调的形象, 这种形象与其说涉及的是中国和中国人, 倒不如说是表
明了德国主流文化的过去或现在。与过去几十年德国媒体对中国的报道相比, 居高临下和反共
Anmerkung: Übersetzung der allein deutschsprachigen Beiträge ins Chinesische von Tang
Meng (Beijing).
DOI 10.1515/9783110544268-015
300 Anhang
产主义的态度在今天的媒体报道中已不常见了。但欧洲中心主义的基本倾向 ——不仅针对中
国——依然是跨文化交际所面对的一个巨大挑战。
打破跨文化偏见、避免误解和冲突、相互建立起基本的信任是一个耗费精力的艰辛任
务。这一任务应当开始于反思自己关于 “他者” 不曾澄清的预设, 同时愿意对他者进行区分。区
分首先意味着承认矛盾, 即承认那些看起来相互排斥但又同时存在的特点。只有这样, 才能产生
相互理解的基础。
为了改善中欧人民之间的跨文化交流, 我们主要从媒体报道方面提供以下建议, 以供讨论:
1. 建立德中记者学校, 作为德国和中国记者相互交流的共同机构;
2. 建立或扩大针对记者、科学家和企业家的中德合作奖学金项目;
3. 逐步扩展现有的国际项目, 特别是在中德大学暑期班和中学生交换项目。
2 纸媒中的中国镜像——介于踩和捧之间? 德国媒
体报道内容和专家视角 (Caja Thimm)
本文致力于通过不同的方式, 揭示出德国媒体和本研究所选择人群眼中的中国形象、对中
国的态度以及关于中国的刻板印象。本研究结合使用媒体分析和受众分析两种方案, 以求在执
行不同的分析方案时都尽可能获得多元化的视角。这种多元视角的分析方式, 使本研究得以实
现较高程度的观点多元化和阐释的多层次性。
研究表明, 德国媒体中的中国形象并不统一, 但有一点却是十分清楚的: 中国形象始终处于
变迁之中。基于相关报纸进行的内容分析表明, 在所研究的媒体中, 中国经济的重要性始终是占
据主导地位的话题之一。当然, 中国在国际舞台上饰演的角色也越发受到媒体关注: 相关报道
的议题范围很广, 并且议题密度很高。媒体对中国的态度绝非一味负面, 而往往是塑造出较为均
衡的中国形象。其中, 当媒体并非仅从德国视角评论中国社会的弊端时, 其所建构的中国形象尤
具批判性。
在受众分析方面, 本论文对四个领域 (经济、政治、科学和文化)的专家进行了访谈。专家
访谈结果部分印证了媒体内容分析的结果, 不过绝大多数专家都认为, 德国媒体的涉华报道仍
然过于片面和单一, 细化程度不够。而且受访专家们也主要 中国视作经济快速增长的国家, 只
有少数专家认同中国在文化领域或者科学领域取得的成就具有重要意义。在环境保护和人权方
面, 受访专家对于中国的态度最具批判性。此处引人注意的是, 相比而言, 在其自身具有直接经
验的领域 (通过与中国人的直接接触, 或通过文化体验或旅游), 受访专家们对于中国的评价更为
积极, 而在其信息来源主要依赖媒体或者二手信源的领域 (如政治和人权), 受访专家对于中国的
评价则消极多了。这说明, 个体与中国的直接交流, 对于增强彼此间的理解能够产生积极影响。
就德国媒体的涉华报道本身而言, 受访专家们批评称: 德国媒体主要从西方的视角出发报道中
国, 并且部分领域的报道有失均衡。很多专家指责说, 媒体总是展示中国消极的一面, 关于中国
的刻板印象在涉华报道中占据主导地位。
尽管本研究的分析结果部分体现出对中国的批判性视角, 但同时分析也表明, 中国现代性
的一面越来越多出现在德国的媒体世界中。德国对于中国的报道是多样性的、有深度和广度
的, 而绝不是仅仅报道中国经济或者中国社会问题。不过中国作为 “新政治格局中负责任的行
为主体” (Peuckmann 2010:34)的身份, 对于很多人而言, 尚非清晰可辨。看起来在这个方面已
经有了对之进行相应报道的理由和动机。
Chinesische Zusammenfassungen der Beiträge 301
3 中国形象的语言学分析: 理论和方法基础及分析
范例 (Friedemann Vogel)
对比性的语言学形象分析 (Vogel 2010a, 2010b, 2012, 2014) 遵循以福柯理论为基础的话语
语言学范式、前人对语言刻板印象的分析理论和方法以及语料库语言学的研究方法。最基本的
是对作为真实认知实体的刻板印象和 “媒体形象” 进行区分。 “大众媒体形象是全球话语事件的
组成部分, 它体现于典型的、重复出现的、对语境敏感的语言模式之上, 为框架的标准填充项和
刻板印象提供了语言表达方面的草案” (Vogel 2010a, 第350页)。
媒体形象的概念完全服务于启发式目的, 它指的是大众媒体中跨篇章的、指示同一事物的
语言模式, 这些大数据中的语言模式表明话语中有效显著的思考图示。
为了实 上述理论, 需要对包含成千上万的文章和数百万词语形式的大型语料进行分析。
与传统阐释学的单个篇章分析不同的是, 这里的媒体形象分析较少关注单个的、作者在需要时
有意选择的语言表达方式, 而是高频出现的语例。这些语例从整体上帮助形成构筑刻板印象的
媒体背景声音, 通过可计算的语言模式使其得以显现。这种方式的形象分析不能单纯依靠人工 (
手动的)分析, 而是需要借助能够处理语言数据的计算机算法和软件。语言学形象分析正是由此
着手, 因为这种分析方法能够最大程度地超越具体主体, 特别是篇章生产者进行抽象和提炼……
它抛弃了 封闭的篇章单元作为整个篇章分析基础的这种分析范式, 更多地聚焦于以大型语料
为基础的、跨篇章层面上重复出现的语言模式……这些语言模式体现了媒体 特点归赋予事物
的归属认定模式, 通过它们能够最终 (小心翼翼地)推断到民众中可能隐含的刻板印象 (或者原型
式的知识型标准填充项)。(Vogel 2010a, 第352页)
“德中形象报告2000年 — 2014年”项目以包含15个不同德语纸质媒体和网络媒体 (主要为
德国媒体, 包含少量奥地利和瑞士媒体)、238 595 篇文章 (15 543 000 000词符) 的核心篇章语
料为共同的实证基础。这些文章覆盖的时间区域为2000年1月1日和2013年12月31日, 每篇文章
至少包含一个与中国有关的表达方式。
从对本语料的整体统计研究中 (另有焦点研究, 参见本书中李婧和Elisa Lang的文章), 可以
获得以下大概符合德语区民众刻板印象和偏见的媒体形象:
‘典型的’中国是巨大的和不同的 (奇特的、陌生的)。中国是各种 “最”之国: 海量人口、超
大规模的地区和城市 、超强的经济增长速度、最有吸引力的生产基地和低工资国度, 最快的进
步和建设。中国实行的是一种有问题的内部政策, 人民的信息和行为一直受到控制, 每一个批评
都被无情地扼杀在摇篮之中, 简单来说: 中国是极权的、共产主义的、非西方的。中国这个国家
和它变富的精英阶层是腐败的;他们 环境、人、自然和陌生的思想产品 (观念)置于自身发展这
一优先任务之后。中国是全球最大的环境污染者, 且不受教诲。同时, 中国在过去几年中经历转
型, 是资本主义式的门槛国家, 但在贸易限制和货币政策方面却 (依然) 不遵守国际游戏规则。它
成为越来越重要的贸易伙伴 (对德国和欧洲而言)和未来的投资市场。人们需要小心的是, 中国
在经济上和政治上都渴求世界权力, 是美国和欧洲的竞争对手。中国产品质量不足; 但中国也在
逐渐发展自己的创新科技 (特别在计算机、汽车和能源领域)。中国是拥有悠久的历史、文化和
医学的古老国度。中国文化包含特殊的工艺品 (这里不作详述, 参见2.3)。
‘典型的’中国人是矮小的、语言上不敏捷的 (从德国视角)、黄皮肤、眯缝眼。中国人拥有
奇特的饮食文化 (不寻常的食品 —— 除酸甜鸭、中国面和幸运饼干以外——和不寻常的饮食习
惯), 极其严格的、不适宜儿童的教育方法。中国人是礼貌的、拘谨的、谦虚的, 为了集体坚定
地奉献自己, 是难以捉摸的 (神秘的或者狡猾的、阴险的)、骄傲的。在武术和医学方面, 中国人
拥有传承下来的特殊知识, 中国人喝很多茶。中国人只有一个小孩, 而且最好是男孩。中国人对
父母和家庭尤其尊重。
302 Anhang
4 “财富之国”——关于中国经济的语言学形象分
析 (李婧)
本研究是CDI项目的组成部分, 秉承语言学形象分析的思路和方法 (详见Vogel 2010a,
2010b, 2014), 聚焦德语媒体中语言建构的中国经济形象。本研究通过多步骤筛选, 从CDI总语
料中提取出一个 “经济核心语料集” 作为实证分析的基础, 主要探讨问题为: 德语媒体主要聚焦
哪些主题、以何种方式报道中国经济?本论文旨在通过计算机辅助的语料库语言学分析方法,
提取总结出在媒体报道中反复出现的主题范畴和描写认定范式, 揭示媒体通过话语建构重要议
题、观念、形象的运作方式。
整个论文包括一项总体研究和两项焦点研究。总体研究从提取、分析主题词入手 (主题词
的搭配分析、索引行分析), 在对其进行语法-范畴化预分类的基础上, 生成一系列统合多个主题
词的主题领域, 得出经济形象的核心要素。两项焦点研究分别关注 “技术转移” 这个话题和三个
高度标签化的语言表达模式, 从不同视角对总体研究得出的结论进行印证和细化。
从分析结果中, 可以高度概括总结出以下关于中国经济的媒体形象:
“中国经济的显著特征是高速持续的经济增长以及带来更多财富的辉煌经济成就。一方面,
中国因其幅员辽阔、不断增长的市场, 吸引来自全球的大量投资, 成为举世瞩目的热门投资地
点; 另一方面, 中国也作为活跃于全球的投资方, 出于不同目的, 有选择有重点地在国内外进行慷
慨投资。由于低价的货币和劳动力, 中国成为重要的生产基地和出口大国, 给全世界提供各种产
品和商品。近年来, 中国经济也开始经历往更多科技、质量和内需型消费方向的转型。经济过
热、对能源和原材料的消耗以及与此关联的环境压力是中国经济最严重的问题。在全球经济语
境中, 其他国家因中国对世界景气的重要性, 既把中国当作机遇, 也把中国视为竞争对手: 原先,
在中国挣钱很容易, 工资低, 市场大, 中国人愿意付钱购买有西方技术含量的商品; 后来, 中国人
反过来想去国外挣钱了, 向世界市场输出价格更低、质量上却越来越有竞争力的产品, 中间还使
用一些不恰当的方法 (强迫进行不平等的经济合作、窃取西方的技术、操纵货币、从非洲进行
大量采购等)。
在报道中反复出现的、最重要的中国经济框架中的行为主体包括: 最高层面的单个国家类
主体 (中国/政府、德国、印度、美国)和国家集合类主体 (西方国家、非洲国家); 中间层面的
机构类主体 (如银行、企业、公司、工厂、合资企业)和群体类主体 (如投资人、企业主、生产
商、农民、工人、农民工); 最低层面的个人类主体, 即个别在政治经济领域有重要影响力的个
人。”
5 “中国看起来特别具有威胁性和不讨人喜欢, 因
为中国人拥有过强的学习动机和令人厌恶的上
进心”—— 德国媒体中的中国教育 (Elisa Lang)
本项焦点研究是CDI项目的一部分 (参见Friedemann Vogel和贾文键的文章), 所探讨的问题
为, 德国媒体以什么样的方式构建和传递了何种中国教育的语言形象。研究目标为获取德国媒
体报道经常归赋于中国教育的不同特征。在此过程中, 应抓住那些对建构 “公众形象” 发挥决定
性作用的、明显和隐藏的意义层面。本论文的分析围绕以下研究问题进行: 德国媒体运用了哪
些语言手段来指称中国教育 (话题、物品、人物、群体等)以及这些语言表达中包含了怎样的评
价性视角?如何能够从相关的语言模式中推断出媒体受众中潜在的刻板印象?
Chinesische Zusammenfassungen der Beiträge 303
本研究以计算机辅助的形象分析为基础, 针对德国受众关于中国教育的潜在有效的刻板印
象, 提出以下高度概括化、尖锐化的假设:
“中国的学校教育和家庭教育注重成绩, 是独裁的、不人道的。家庭和教育机构中充斥着
极端的严格、压力、纪律、军事般的训练 (或操练)和无限忍耐痛苦 (折磨)的要求。毫不妥协的
老师使用传统和僵化的教授方法, 例如死记硬背和模仿。中国学生被他们毫不妥协的父母驱赶
着, 形成了上进心强、守纪律的和忍耐力高的性格 (被动忍受父母的权威)。由于充满了 酷的
竞争, 教育就是一场艰苦的竞赛。国家组织的选拔考试 (例如高考), 其目的在于挑选精英, 因此
对家长和学生来说是成功的关键。中国社会中教育的突出意义在中国国内备受重视, 因为它使
个人能够借此提升自己的社会阶层, 能够获得成功。在中国, 教育是经济成就和现代化的重要资
源, 这一点也表现在对外语学习的努力劲头上。但中国学生的高度纪律性 (或纪律化)和中国大
学毕业生的成就对其它外部国家而言是一种危险, 他们害怕中国学生 如洪水般淹没西方社会,
并威胁到德国毕业生的工作岗位。”
6 狗、围栏和桥——饮食话语中德中文化相遇的
隐喻和转喻 (Marcus Müller/Maria Becker)
本论文以包含834篇文本和556698个词 (词符) 的语料库为基础, 旨在分析关于集体认同和
文化相遇的想象在饮食话语 (以食物、厨具等为主题的话语)中是如何体现的; 以及在自我遭遇
他者时, 这些想象能够提供怎样的启示。我们的研究聚焦于意义建构的隐喻和转喻过程, 因为
在自我遭遇他者时, 此类过程是发生在语言层面的基本程序。语料分析表明, 隐喻过程的作用
更多在于表述本土文化与他者之间的相似性或差异性, 而转喻过程则在建构对于整体话语结构
而言极为重要的深层语义元素方面, 起到关键性作用。在隐喻和转喻的过程中突显出两种相互
影响的机制, 即一致性和差异性的符号生产机制。在通过隐喻和转喻所实现的方案性凝缩中, 产
生出一个混合空间。在这一空间中, 自我基于他者的存在得以突显出来, 并也因此自我才能够在
认知层面实现感知和掌握他者的功能。在这个意义上, 基于我们的语料所分析得出的概念具有
Bhabas (2000)所说的 “第三空间” 的形式。
口头谈论饮食或者书面描述饮食, 是与文化的表现形式密切交织的。这种交织在语料凭证
中以各种不同的形式体现出来, 例如, 由黑森林木材制作而成的筷子视作文化接近和文化适
应的象征, 或者, 狗肉作为关于中国饮食的刻板印象, 这点标识的是德国视角下中国文化的陌生
性。对于他者的隐喻化和转喻化标记, 其本身通常并非陌生的标记手段, 而是跨文化话语中耳熟
能详的组成部分, 例如茶和狗肉作为人们通常以为的中国人的基本食品、筷子作为餐具。当新
的 “门槛情境” (Parr 2011) 产生时, 比如在旅游行业中, 当人们熟知的刻板印象受到全新经验的
挑战时, 那么这些已知的用于标记他者陌生性的元素, 在处理新的经验时便可以派上用场, 人们
可以借助它们对新经验进行认知层面的加工——对新经验的认知处理, 往往是在臆想的陌生性
中发现了自我的属性, 或者一直以来被视作陌生的属性逐渐变成自我的一部分。饮食话语是文
化政治的旁支, 与世界政治话语相比, 在饮食话语中往往能够更好地、更清晰地观察上述过程,
因为世界政治话语已经被诸如民主和独裁这样的阐释框架或者左倾、右倾图式所覆盖。在这个
意义上, 我们认为已经找到迹象表明, 在饮食议题上关于隐喻化和转喻化凝缩现象的分析, 恰恰
可以作为衡量文化语境的稳定性与动态性的标尺。
304 Anhang
7 自我形象与他我形象的交互作用 – 分析有关中
非关系的媒体报道 (赵劲)
习近平在出任中国国家元首后的首次出访中, 选择访问非洲国家, 体现出非洲在中国对外
和经济政策中的重要性。然而, 中国奉行的对非政策在德国媒体眼中却有了另一种解读方式, 和
本国认知相去甚远。该文以2013年3月22日至30日习主席出访非洲为契机, 围绕着新殖民主义
这一话题, 分析中、德两国媒体对习主席此次非洲之行报道的差异, 以研究自我形象与他我形象
之间的交互作用, 探究导致该现象出现的历史原因。
随着经济的飞速发展, 中国成为当今世界一支重要的政治力量。近年来, 德国媒体对于中
国的关注度明显提升, 相关报道层出不穷。学术界也 目光投向两国媒体报道间的差异, 涌现了
许多相关研究, 其中之一便是中非关系。总的来讲, 中国在非洲不断扩大的影响力屡次遭到西方
国家的诟病, 被扣上了 “新殖民主义” 的帽子, 但很少有文章去分析其背后的原因。
在习近平2013年3月16日至31日访非期间, 中、德印刷媒体关于中非关系的报道, ⟪法兰克
福汇报⟫有6篇, ⟪明镜⟫周刊有1篇, ⟪世界报⟫有5篇, ⟪文汇报⟫有29篇, ⟪人民日报⟫有67篇。筛选
出其中关于新殖民主义的报道作为研究语料, 中、德两国媒体各为3篇: 其中⟪法兰克福汇报⟫
、⟪明镜⟫周刊及⟪世界报⟫各1篇, ⟪文汇报⟫3篇。本文采用Spitzmüller/Warnke (2011)的话语分
析模式, 从篇章的选词、造句、谋篇及篇章之间的信息关联、结构和语义功能方面进行分析, 以
揭示他我形象和自我形象的建构机制, 并尝试从历史的视角去解读成因。
研究结果表明, 德国媒体通过直接的、对比的和间接的方式给中非合作贴上了新殖民主义
的标签。就直接方式而言, 主要指责中国在非洲的经济活动是一种 “新的殖民形式”, 称中华民
族为 “黄种殖民者” 等; 采用 “帝国主义” 及 “霸权主义” 等意识形态强烈的词汇指责中国扩张政
治及经济势力的企图与野心。其次, 通过对比的方式, 中国人描述为贪婪、肆意的种族主义
者, 是非洲的殖民统治者。具体是通过共时和历时的对比, 把现在的中国与历史上的西方殖民霸
权进行对比, 例如提到坦桑尼亚历史名城巴加莫约, 1891年前是德意志帝国在东非殖民的重要据
点, 而中国现在是那儿新的殖民统治者; 非洲国家向殖民母国出口象牙以及奴隶买卖的历史与现
今向中国出口自然资源的现状对比; 欧洲列强在柏林会议上瓜分非洲与中国占领非洲合作先机
进行对比。而在当今世界, 又 中国与西方各国的对非政策进行对比。中国如今是非洲最重要
的经贸伙伴, 而西方国家对非洲经济的影响力却不断减弱; 中国在非支持独裁, 西方则推行民主
自由; 中国俨然成为西方殖民列强的继任者, 而西方国家则化身为道义的象征。此外, 采用间接
的方式, 从经济、政治、文化和军事方面塑造中国的新殖民主义形象。例如, 称中国单方面掠夺
非洲资源, 倾销商品; 政治上中方支持非洲当地的独裁者巩固其在非势力; 选用了 “占领”、 “具
有攻击性的” 及 “干预” 等字眼暗指中国在非的经贸合作其实质与军事干预无异; 文化上通过宣
传实行文化侵略等。而这些行为都契合了 (新)殖民主义的定义。
中国媒体则在报道中驳斥了西方新殖民主义的不实指责, 主要针对尼日利亚央行行长拉米
多·萨努西 (Lamido Sanusi)提出的所谓要警惕中国的论调。他提醒非洲国家在充分利用中国给
非洲带来机遇的同时, 要预防中国对非洲事务的介入。对此, 中方报道主要从以下三方面予以
了反驳: 1. 非洲和中国经济存在互补性; 2. 通过解释殖民主义的定义及特征; 3. 引用非洲政界、
学者对中国的高度赞誉。另外, 中文报道侧重中非长期互信互利的伙伴关系, 强调双方的传统
友谊。
通过对中、德两国媒体就中非关系进行的专题报道, 我们不难发现两国就同一事件报道角
度与立场差异巨大。美国学者布丁 (Boulding)认为, 国家形象是对历史、对过往事件的记忆、
对故事和谈话等以及对大量常常处理并不理想的肤浅的即时信息的一种混合。因此, 要探究
造成主、客体认知差异的原因, 就必须深入了解两国的相关历史。德国媒体始终 中国在非洲
的经济活动与历史上欧洲的殖民霸权联系在一起进行比较, 这与德国在非洲的殖民史是分不开
的。回顾历史, 非洲是欧洲国家独享的势力范围。进入新世纪, 中国迅速崛起让一些视非洲为后
院的西方国家感受到了潜在的威胁, 仿佛中国 “动了西方的奶酪”, 再加上中、西方政体与意识
Chinesische Zusammenfassungen der Beiträge 305
8 海外中国人在德国主流媒体中的镜像 (周海霞)1
一、 选题动机与研究设计
本文以定期抽样方式 (从第2期开始每隔3期选一期, 即所选刊号为2、6、10、14……), 选取
德国主流媒体⟪明镜⟫周刊 (Der Spiegel)和⟪时代⟫周报 (Die Zeit)自2000年至2010年期间以海外
中国人群体为(部分)主题的报道共33篇。基于批评话语分析方法 (CDA)得到的分析结果, 显示出
海外中国人在德国媒体中所呈现的群体形象。
在现代社会, 人们的信息很大一部分来自于大众媒体, 因此一国媒体眼中的海外中国人形
象, 在一定意义上能够代表性地反映该国公众是如何看待海外中国人的。研究德国主流媒体中
的海外中国人群体形象, 不仅可以在一定意义上反映出德国公众对海外中国人的判断, 同时对于
其他西方媒体眼中的海外中国人形象研究也具有一定的代表性意义。
二、 分析结果呈现
德媒中关于海外中国人的报道主要涉及五个不同的华人/中国人群体, 他们分别是非法移
民、中餐馆经营人员和工作人员、在与中国接壤的他国边境区域经商的中国人、留学德国的中
国学生、赴德中国游客。
(一)、非法移民与偷渡事件
海外中国人群体形象的侧面之一是 “偷渡”, 与德国媒体所塑造的大量中国人偷渡到西方的
刻板印象相应, 一方面, 德媒对海外中国人/华人聚居地在官方登记的人口总量不变、或者无确
切人口数据的情况提出质疑; 另一方面中国非法移民在德媒中被定位为来自贫穷国家的、对当
地社会具有负面影响的不稳定因素。
(二)、 中餐馆与非法行为
在德媒中, 中餐馆的形象却并不像中国美食那样吸引人。相反, 中餐馆的形象在德媒中总
是与各种非法行为和非法交易联系在一起。其中2007年德国汉堡市附近的一家中餐馆发生的
七人遇害事件具有话语事件的质量, 该事件印证并再次激活西方社会长期以来认为中餐馆业存
在洗黑钱等非法行为的猜测。
(三)、 在与中国接壤的他国边境区域经商的中国人群体
此处的报道议程同样涉及中国人在他国境内非法居住的问题、中国农村人口的贫困生活,
也存在 中国人群体与洗黑钱等非法行 关联的刻板印象。可以说, 中国人群体被塑造成掌控
当地经济的、具有侵略性的 “殖民者” 形象。
(四)、⟪时代⟫议题: 留德中国学生群体
一方面, 留德中国学生群体在德媒中的重要形象特征是好学与勤奋, 德媒对于中国学生生
源质量的评价很高; 另一方面, 中国大力实施吸引留学人员回国发展的政策以及越来越多中国学
生学成归国的趋势, 让德国媒体看到的是中国对西方构成潜在的科技威胁。
(五)、 赴德中国游客群体
德媒对于中国游客群体的基本定位是: 生活富足、有一定消费能力。虽然中国游客能够给
德国等欧洲国家带来消费增长, 受到德国旅游业欢迎, 但是根据德国媒体的报道, 这个群体本身
在德国社会显然却并不受欢迎, 其群体形象是倾向负面的。德媒一方面突出中国游客多喜参加
几日多国游的特点, 另一方面表示, 由于存在文化差异, 德国旅游业很难应对某些中国习俗。
三、 总结
德国媒体所塑造的海外中国人 (华人)形象以负面居多, 除了中国留学生群体形象主要为中
性偏正面之外, 其他身份的海外中国人群体形象均偏向负面, 不管是长期在海外生活和工作的中
国人群体, 还是短期在海外旅游的中国游客群体。除留学生群体外, 在海外长居的中国人作为群
体多被视为社会不稳定因素和外来威胁, 其群体形象更多与非法行为联系在一起, 如偷渡、非法
劳工、刑事案件等, 其中较为典型的是中餐馆与中国商人群体。可以说, 海外中国人群体被视为
导致当地不稳定的因素, 甚至更有报道臆测称, 海外中国人群体背负中国在海外实现本国利益的
使命, 由此, 黄祸论再度甚嚣尘上。短期赴海外旅游的中国人, 虽不被视为威胁, 但因为行为方式
与德国人存在差异和切实存在不当举止被予以负面评价, 进而在德国媒体涉华报道中也主要呈
现出不受欢迎的形象, 这主要与中德两国存在较大文化差异有关。
从语言使用层面看, 在关于海外中国人的话语片段中, 德国媒体经常使用“远东”这样的刻
板印象标记词汇, 这反映出中国人群体在德国媒体眼中的异文化特性。媒体重复使用该词提醒
受众, 这是个来自遥远国度的群体。德媒在描述海外华人群体, 尤其是在境外长期生活的华人群
体时, 还会使用 “黄祸”、“黄色洪水”等侮辱性的偏见标记。这样的偏见承载着德国人对于中国
的负面历史记忆, 经过几百年之后这种记忆再次被唤醒。“黄祸论”的再提一方面表明历史偏见
之根深蒂固, 即使有一段时间被遗忘, 但当它遇到合适的土壤时就会被唤醒; 另一方面也说明海
外中国人群体的媒体形象负面程度之高。如此根深蒂固的刻板印象和偏见主要是以长期生活在
海外的中国人群体为对象的, 因为在德国媒体眼中, 这些海外中国人是入侵者, 对“我群体”成员
构成威胁。当然, “黄祸” 以及“黄色”再次被提起, 与中国因国力增强而被视作对西方构成威胁
有关。对于只是短期赴国外旅游的中国游客, 德国媒体所关注的更多是中西两种文化相遇时人
们在行为举止上的差异, 即文化表层的符号差异, 而不会视之为威胁, 何况这个群体还能够给德
国带来经济收益。因此在相关话语片段中“远东”这样的刻板印象标记同样存在, 而“黄祸”则不
再出现了。
9 媒体建构下西藏话语的对比研究——以中德百
科全书为例 (苏芙)
随着国际关系的风云变幻, 越来越多的现象仅从纯理性角度已无法得到合理解释, 长时期
占据主流地位的现实主义学派一时陷入了失语状态, 国际关系研究开始多元化, 新的范式与理论
层出不穷。其中, 文化的重要性、文化与利益的交互作用逐渐进入研究者的视阈。
近年来在中德关系中不断引发双边龃龉的西藏问题为这种交互作用提供了典型例证: 冲突
虽爆发于外交层面, 但究其根源, 西藏问题所体现与折射的正是不同文化、不同话语体系的碰
撞。众所周知, 话语并非外部世界真实、客观的再现。因此, 由话语事件所建构起来的话语语境
也不可避免地与现实世界产生偏差。在西藏问题上, 中、德双方就的的确确在“用不同的语言说
话”, 这也是不同知识背景、不同价值观念以及不同社会制度等多重因素影响与作用的结果, 而
知识背景构成了其中关键性一环。简言之, 话语生产者的知识以及知识中所蕴含的价值判断为
话语的产生打下了根基, 而以此为基础所进行的知识扩充又难以摆脱固有思维的桎梏。因此, 这
种“不同的语言”在很大程度上源于两种社会的不同话语语境以及由两国媒体分别建构起来的有
Chinesische Zusammenfassungen der Beiträge 307
关西藏的两种截然不同的知识体系。恰恰是这种差异、分歧, 这诸多相悖之处给中、德双方提
供了迥然不同的知识基础, 也为中德外交关系中在西藏问题上的冲突与争端埋下了伏笔。
鉴于此, 本文拟对中、德两国在西藏问题上所体现出的不同社会话语语境以及不同知识体
系进行分析与阐释。为了兼顾话语的代表性与权威性, 本文主要选取由德国⟪Brockhaus百科全
书⟫和⟪中国大百科全书 (精粹版)⟫给出的、分别代表中、德双方主流统治性话语的两种版本作
为分析对象。大百科全书普遍被认为是发布“事实”的权威工具书, 在知识构建上具有导向性, 也
因此在很大程度上塑造了两国广大读者群体的知识结构。为了便于进行分析与比对, 本文 这
两种诠释的要点进行了扼要的归纳与总结。在勾勒出两国的基本知识轮廓后, 本文 提炼出两
种知识体系的异同, 并对之进行阐释与分析, 从而探寻由媒体所构建起来的知识框架对构建中、
德两国西藏话语所发挥的作用与影响。
10 定型看法的动态性研究 (梁珊珊)
定型看法, 又译为刻板印象或文化定势, 是一种被广泛认可的, 并不针对单独个体, 而是对
自身或者其他组群全体成员专有特征和行为方式的普遍化的认识和看法。定型看法可以被看作
是一种认知形式的模式, 它描述的不是特例, 而是人类感知和信息加工的普遍情况。
定型看法最常见的特性之一就是其稳定性。在和其他组群交流的时候, 作为一种不可或缺
的知识储备和由世代传递下来的集体记忆, 定型看法一般比较稳定, 在短时间内不会轻易发生改
变。定型看法之所有具有这种稳定性, 主要是因为人们对定型看法的掌握并非基于对事实收集
和整理, 而是源于在成长的社会化过程中, 从家庭、朋友、学校、媒体等社会环境里所接收到各
种未能接受充分验证的二手信息。定型看法的这一间接性特点决定了个体对外界信息的接受水
平会直接影响对定型看法的获取情况。而在人们一旦获得定型看法之后, 它就能相当稳定的存
在与人们的集体记忆之中, 并且会被一代代传递下去。
定型看法的这一稳定性的特点一直被学界认为是定型看法最主要的特征之一。但是, 稳定
性是相对的, 稳定并不意味着不发生变化, 作为反映现实情况的社会现象之一, 定型看法是带有
一定时代特征的: 某些定型看法在特定的历史阶段形成并产生影响, 但是随着历史境况的变迁,
有可能慢慢淡化而进入长期休眠状态, 或者被否定并被新的认识所替代。在特定的历史语境下,
长期休眠甚至被否定的定型看法又可能被激活, 而一旦被激活又 释放出新的能量, 比如“黄祸
论”在现代的复苏就是如此。这也就是说, 定型看法是会伴随社会、历史境况的变迁而发生变化
的, 是具有动态特征的。人们之所以强调定型看法的稳定性, 也是因为相较其他认知而言, 定型
看法的动态改变和发展的速度更加缓慢而已。不过, 这种单纯强调定型看法稳定性的认知正在
逐渐发生改变, 尤其是在现今, 定型看法的动态性已经日渐明显。出现这样变化的原因在于, 在
当今的社会中, 科学技术的突破使得信息能够更加快捷和便利的传播, 人们身处的社会化的过
程也由于信息爆炸的时代而发生着更加显著的变化, 在获取信息的各种渠道当中, 媒体产生的
影响力已经获得巨大的提升。因此, 在现代社会中, 人们对外界, 尤其是异文化的感知频度和深
度和过去相比已经不能同同日而语, 这也就导致反映人们对文化认知的定型看法相较过去而言
也在发生着更快的更迭和变化, 换言之, 定型看法的动态性也愈发明显并逐渐成为其重要的特
征之一。
本文就是以定型看法的这种动态特征作为研究对象, 以中国重要的新闻周刊⟪三联生活周
刊⟫中包含关于德国定型看法的广告作为研究语料, 从形式及内容两个层面对广告文本和图片中
体现出的定型看法的动态性进行研究。文章重点选择了四则有代表性的广告, 着重分析了这些
广告中所包含的从无到有、新出现的关于德国的定型看法如环保意识、人文关怀、先进的工业
设计理念, 以及逐渐消失的关于德国的定型看法如德国彰显高贵地位等。文章以此为基础, 同时
308 Anhang
结合这些出现变化的定型看法所处的社会、历史语境, 对定型看法的发展和变化以及其直接和
间接体现出的动态性特征进行了详尽的阐释。
12 德语广告中的中国形象——关于亚洲的族裔
刻板印象在劝服性语境中的多模态形式和功能
(Friedemann Vogel/Maximilian Haberer)
广告的功能在于长期或短期地改变受众对于所宣传对象的观点和态度。一般而言, 指的是
在受众处建立关于某一行为主体 (例如企业或政治人物)、事态 (如生活环境)、商业性或者非商
业性的对象或产品的积极评价, 或者至少使受众对宣传对象的评价有所提升。
本文是对德语广告中的中国形象进行多模态形象分析所得到的结果。本研究以1910年至
2014年间的220条德语广告所组成的语料库为基础, 其中包括平面媒体广告、音频广告、视频
广告和网络广告 (网页和网络游戏)。
以关于中国的广告为例, 我们的研究首先表明, 广告中的族裔刻板印象往往基于一套反复
出现的样本模型 “建造” 或 “创作” 而成。有些样本模型具有高程度的图式激活性能——例如中
国书法这样的一级符号, 而其他样本模型——例如红色和黄色这样的二级符号——多用于为某
一产品提供背景式的框架。至于某些样本模型从科学角度看是否具有民族志文化基础, 广告人
并不关心。只要这些样本模型有助于实现广泛图式化的目的, 就会被运用于广告中。
其次, 在语义场层面, 被广告人视作具有 “典型中国式” 或者至少 “典型亚洲式” 特征的典型
属性, 同样反复出现。这些典型属性在广告中的功能, 在于重构宣传产品。广告中使用的中国刻
板印象应有助于刺激和唤起受众的注意, 而最重要的作用则是 积极的中国属性 (例如 “异域风
情”、 “健康意识”、 “贴近大自然” 等)转移到宣传产品之上。
根据分析结果, 德语广告偏好四种不同的中国形象:
- “现代化中国”形象 (占44.5%), 其表现形式为大都市、摩天大厦、密集的交通和工地、霓
虹灯和消费。中国是“经济扩张的市场和投资市场”。
-“传统的中国”形象 (占11.8%)呈现出历史导向维度, 其表现形式为古典的 (皇家的)建筑元
素、特有的服装、首饰元素和艺术装饰。 “传统的中国” 形象象征 “自然” 和 “(心灵的)宁静”、
健康和灵感。
-“陌生的、异域风情的中国” (占76.4%)分为正面和负面两种形象: 正面评价的异域中国形
象表现的是移情感知的最广义的 “文化差异”: 亚洲面孔的行为主体、预设中陌生的仪式和符
号、陌生的语言、文字和武术。相反, 引发负面联想的异域中国形象, 多指向两国的 “政治体制
差异” (与社会主义或者毛泽东思想有关, 或者使用典型的相关符号), 以及指向有关侵犯人权的
指责。
-“美食中国”形象 (占20.9%)主要由三个方面构成: a)公认的 “餐饮业中的典型中国食物”,
特别是炸酱面、酸甜鸭 (所谓的 “北京烤鸭”) 和幸运饼干。b)第二个方面是 “茶文化中国” 和与
之相关的各种积极属性 (“令人愉悦的”、“健康的”、“传统的”等等)。c)“美食中国”的第三个方
面是负面倾向的, 常用于反衬广告中宣传的产品。这个方面经常以固定的广告词模式呈现: 他
们中国人吃________。而句子末尾的空格中所填充的内容, 是预设中受众会予以排斥的各种食
品的名称。
310 Anhang
13 关于中国的图像叙事——漫画和图像小说中的
中国形象 (Monika Lehner)
漫画和图像小说中的中国形象游走于怪诞性和纪实性 (有文献记载、有确凿证明)之间。既
有对于异域风情的热爱; 又有对于 “黄祸” 的恐惧; 既有蔑视的态度, 也有妖魔化的态度, 为了在
这样的张力中凸显具有异国特色的他性, 德国漫画和图像小说引入并运用一整套标记、符号和
刻板印象。
以中国为主题的德语漫画大多是翻译作品, 这些译作的出版时间与原著出版时间之间的间
隔不尽相同。中国主题在法语国家、比利时法语区以及英美地区是很有市场的, 而在德语区漫
画家的作品中, 中国却只是边缘主题。
在西方作者建构的中国形象之外, 德国市场上也有来自中国作者的作品。与铺天盖地的日
本漫画相比, 中国作者的作品在德国市场上仅占很少的份额。
为了突出中国和中国属性, 漫画和图像小说使用了具有 “中式” 内涵的象征符号, 其中包括
八卦、阴阳, 也包括中华人民共和国的国徽或国旗。与中国人的语言相关的创作方式分为两种
类型: 以或多或少诙谐的方式展现中国人说话时L和R不分的问题, 或用图文并茂的语言形式描述
或者指称事物。也有时候这两种类型会同时出现在作品中。
Ole Frahm认为, 每一个漫画都是一个讽刺滑稽作品 (Frahm 2010, 11 f.), 或者可以看作是讽
刺滑稽作品——此处必须更为精确地定义什么是讽刺滑稽作品, 因为作为一种文学类型, 讽刺滑
稽作品是指以扭曲的、夸张的、时而具有嘲讽性、但总是幽默滑稽的方式, 模仿知名的作品写
作而成的文学仿写作品。被模仿的作品已享有知名度, 是此类创作的必要前提条件。
漫画作为讽刺滑稽作品, 形成了一种恶性循环机制, 人们不断地重复那些业已稳固的归因
或者刻板印象化的表现形式, 而对其背景情况并不加以探究。 “典型的” 中国人形象简直就是人
格化的他者, 要么是帝国主义背景时期抽大烟的人, 要么是 暴的三合会打手, 要么是借助诡计 (
和武术)打败每一个对手的 “龙女”, 或者是为达目的无所畏惧、不择手段的奸诈政客或者商人。
在几百年前业已出现的各种与中国有关的形象, 通过这种方式得到延续, 同样延续下来的是 “诡
计多端的” 中国人形象。
关于中国的话题十分丰富: 鸦片 (鸦片贸易、鸦片走私、鸦片进口和大烟馆)、影响中国政
治与经济的秘密组织和三合会、中国在国际关系体系中的角色和地位。中国虽然作为行为主体
在漫画中出现, 但几乎也只是无力抗衡外国列强行为的旁观者而已。
能够深入细致地展现中国的余地很小, 剩下的空间满满都是流行的刻板印象, 要么展现神
秘东方的威胁性, 要么嘲笑 “眯缝眼、长辫子、黄皮肤的小矮人”。 “中式” 文化的组成元素本该
推广其真实性, 而这种真实性, 应是超越漫画内在的源头真实性 (Gundermann 2007, 82)之外的
真实。当人们对其进行进一步考察, 就会发现, 真实性所剩无几, 余下的都是刻板印象、以偏概
全的泛泛而谈, 以及或多或少以坚决果断的口吻表述的偏见。
抛开漫画作为媒介形式的特点不谈, 依然可以看到: 在德国对中国形象的建构中, 首要突出
的是异样性、异域性和滑稽怪诞的异质性, 人们对此的态度是好奇, 也或者是厌恶和讶异。根据
观察者的立场不同, 中国形象中突出的或是先验的陌生事物带来的威胁性, 或是只有依靠外来帮
助才能克服的 (所谓的)发展缺陷。这种模式在波浪式 (有时候振幅差值很高)的后续发展中, 一
再对所有与中国有关的行为活动产生影响, 漫画和图像小说也不例外。
与讽刺图画类似, 漫画同样非常清楚地反映出其创作时代的自我形象和他者形象。漫画
并不能生产这些形象, 它们只能使用这些形象。漫画能够适度地强化和/或影响这些形象, 漫画
是对自我形象和他者形象及其投射的记录, 而想要通过其他方式去领会这些形象往往是很困难
的。
漫画和图像小说所建构的中国形象主要源自传统的刻板印象, 与具体的知识关系不大。各
种关于中国的混乱不明的想象通过这种方式得以延续下去, 它们也同样出现在其他媒体中。令
人注意的是, 讽刺图画能够迅速地对政治变化做出反应, 通俗文学的反应相对较慢, 而漫画则是
Chinesische Zusammenfassungen der Beiträge 311
14 中国国家形象宣传片传播效果的跨文化分析
——以中德受众视角比较为例 (陈正)
本文以中国国家形象片角度篇为载体, 通过叙事访谈的形式在德国对中德受众的反馈进行
跨文化比较的实证研究。主要从受众层面入手, 对被访者的反馈进行内容分析。通过对受众反
馈的关键词进行统计、归类及分析发现,德国被访者看完影片后最正面印象分别是进步、多元
化和吸引人。中国被访者的积极评价中也更多的表达了对中国发展的认可, 比如用到了“发展”
、“改变”、“朝气蓬勃”、“发达”、“增长”、“强大”等词, 另外还认为此宣传片体现了开放 (“开
放”, “国际化”等词)以及多元化 (“社会文化”、“多元化”等词)的一面。可以说中德两国的受众对
中国的发展是一致认可的, 在文化的多元化上的看法上也产生了共识。当然也存在一些负面印
象, 在对其差异进行深层次研究后, 发现了中德两国在民族性、文化标准等方面存在若干不同
点, 这些主要可以从传播主体、接收者以及经过编码的信息层面来分析。
本文期望通过中德受众不同视角的反馈来为中国国家形象推广及海外跨文化传播提出建
设性的意见: 第一、普及教育, 加强跨文化传播受众的文化素质; 第二、知己知彼, 加强跨文化
传播理论的本土化研究; 第三、坚持创新, 做好跨文化传播战略的长期规划。
Autorenverzeichnis
Becker, Maria, M. A., Germanistische Linguistik, Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der
Abteilung Zentrale Forschung, Institut für Deutsche Sprache Mannheim, Deutschland
Chen, Zheng, Dr. phil., Assistant Professor for Intercultural Communication and Education
Science, National Academy of Education Administration, Ministry of Education of the
People‘s Republic of China
Haberer, Maximilian, MA, Wiss. Mitarbeiter, Institut für Medien- und Kulturwissenschaft,
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Deutschland
Jia, Wenjian, Prof. Dr., Professor für Interkulturelle Kommunikation, Prorektor für Lehre, Beijing
Foreign Studies University (BFSU), China
Lang, Elisa, MA, Medienkulturwissenschaft, Studiengangkoordinatorin, Institut für
Medienkulturwissenschaft, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Deutschland
Lehner, Monika, Dr., Lektorin, Institut für Geschichte, Universität Wien, Österreich
Li, Jing, Dr., Rechts- und Medienlinguistik, Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Beijing Foreign
Studies University (BFSU), China
Li, Yuan, Prof. Dr., Professorin für German Studies, Institut für German Studies, Zhejiang
Universität, China
Liang, Shanshan, Associate Professorin Dr., Deutschabteilung, Beijing Institute of Technology
(BIT), China
Müller, Marcus, Prof. Dr., Professor für digitale Linguistik, Universität Darmstadt, Deutschland
Su, Fu, Prof. Dr., Professorin für Interkulturelle Kommunikation, Capital Normal University
(CNU), China
Thimm, Caja, Prof. Dr., Professorin für Medienwissenschaft und Intermedialität, Rheinische
Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Deutschland
Vogel, Friedemann, Prof. Dr., Juniorprofessor für Medienlinguistik, Institut für
Medienkulturwissenschaft, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Deutschland
Ye, Xiangmei, Institut für German Studies, Zhejiang Universität, China
Zhao, Jin, Prof. Dr., Professorin für germanistische Linguistik, Deutsche Fakultät, Tongji-
Universität, China
Zhou, Haixia, Prof. Dr., Associate Professorin für Germanistik, Department of German, Beijing
Foreign Studies University (BFSU), China