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Aggression

Vorlesung - Sozialpsychologie II - Krahé SoSe 2020 1


Definition aggressiven Verhaltens
Verhalten, das in der Absicht ausgeführt wird, eine
andere Person zu schädigen
Entscheidende Definitionselemente:
 Schädigungsabsicht, nicht: eingetretener
Schaden. Auch wer daneben schießt, handelt
aggressiv.
 Antisozialer Charakter der Handlungsabsicht: es
gibt keine "gute Aggression".
Gewalt:
 Verhalten mit der Absicht, einer anderen Person
einen schweren körperlichen Schaden zuzufügen.

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Aspekte einer Typologie aggressiven
Verhaltens

Verhaltensmodalität verbal , physisch, relational

Verhaltensqualität Handeln vs. Unterlassen

Unmittelbarkeit direkt vs. indirekt


Sichtbarkeit offen vs. verdeckt
Auslösung unprovoziert vs. provoziert

Zielrichtung feindselig vs. instrumentell

Art der Schädigung physisch vs. psychologisch

Dauer der Konsequenzen vorübergehend vs. anhaltend

Soziale Einheiten Individuen vs. Gruppen

nach: Krahé, B. (2013). The social psychology of aggression.

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Methoden zur Messung von Aggression

Beobachtung  natürlicheBeobachtung
 Feldexperimente
 Laborexperimente
- „Hot Sauce“-Paradigma
- Lehrer-Schüler-Paradigma
- Aufsatzbewertungs-Paradigma
- Reaktions-Wettbewerbs-Paradigma
- „Bobo“-Puppe-Paradigma
- verbale Aggression

Befragung  Verhaltensberichte
 Fremdeinschätzungen
 Persönlichkeitsskalen
 projektive Techniken
 Auswertung von Archivdaten

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Beobachtungssystem von aggressionsbezogenen
Interaktionen im Schulunterricht

1. Beschädigung von Sachen


2. Physische Auseinandersetzung
3. Besitzergreifen von Sachen
4. Drohen und Erpressen
5. Verbale Auseinandersetzung
6. Ablehnung
7. Geringschätzung
8. Sonstige aggressive Schülerhandlungen
9. Unterrichtsfremde Störung
10. Störende Teilnahme am Unterricht

BAVIS (Humpert & Dann, 1984)

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Das Bobo-Doll-Paradigma (Bandura, 1962)
https://www.youtube.com/watch?v=dmBqwWlJg8U

Ab min 1:18
Maße für Aggression im Labor

Verhalten mit Schädigungsabsicht soll simuliert werden


Beispiel: Hot Sauce-Paradigma

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Befragung

 Einsatz: Wenn keine Verhaltensdaten erfasst


werden können
 Selbstberichte über aggressives Verhalten
 Sexual Experiences Survey (Koss et al., 2007)
 Conflict Tactics Scales (Straus et al., 1996):
Erfassung von Aggression in Paarbeziehungen
 Fremdeinschätzungen von
 Eltern
 Lehrern
 Mitschülern
 Ermittlung der Übereinstimmung der Einschätzung
von Dritten 8
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Erfassung der Aggressionsneigung

 Allgemeine Aggressionsfragenbögen
 Aggression Questionnaire (Buss & Warren, 2000)
 Ärger: Manchmal fühle ich mich wie ein
Pulverfass, das gleich explodiert.
 Feindseligkeit: Hin und wieder denke ich, dass
ich vom Leben schlecht behandelt werde.
 Physische Aggression: Ich bin schon einmal so
rasend geworden, dass ich Dinge kaputt
gemacht habe.
 Verbale Aggression: Wenn mich andere
nerven, sage ich ihnen, was ich von ihnen halte.

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Projektive Verfahren

 Vorgabe mehrdeutiger Reizmaterialien, in die die


Pbn ihre Gedanken und Reaktionen hinein
projizieren
 Beispiele:
 Picture Frustration Test (PFT; Rosenzweig, 1948; dt.
Fassung von Hoermann & Moog, 1957)
 Thematischer Apperzeptionstest (McClelland, 1943)

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Rosenzweig (1957): Picture Frustration Test

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Analyse von Archivdaten
 Auswertung von Daten, die zu anderen als zu
Forschungszwecken gesammelt wurden
 Kriminalstatistische Daten
 Analyse von Gerichtsakten
 Metereologische Daten
 Daten von Aufständen

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Geschlechtsunterschiede in aggressivem
Verhalten: Kriminalstatistische Daten

% männlich USA 2009 Deutschl. 2009

Mord 89.6 87.2

Vergewaltigung 98.7 99.0

Raub 88.2 91.0

Schwere Körperverletzung 78.0 85.2

Quellen: U.S. Department of Justice, 2010, Zahl der Verhaftungen;


Bundeskriminalamt, 2010, Zahl der Tatverdächtigen.
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Zusammenhang zwischen Temperatur und
Aggression (nach Anderson, 1989)
Körperverletzungen im Jahresverlauf

10
Prozentuale Verteilung der

6
b

ril

pt
li
n

ni

ez
ov
kt
ai

g
är
Fe

Ju

Au
Ja

Ju
Ap

O
Se

D
N
M

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Theorien aggressiven Verhaltens I

Biologische Auffassung von Betonung von


Ansätze Aggression als Stabilität (s) vs.
Variabilität (v)
Ethologie Innere Energie: S
(Lorenz, 1969) Dampfkessel-Modell

Evolutionstheorie Produkt der S


(Darwin, 1859) stammesgeschichtl.
Entwicklung
Verhaltensgenetik Angeborene S
(Miles & Carey, Disposition
1997)

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Ethologie: Das Dampfkessel-Modell von
Lorenz (1969)

 Basiert auf Tierstudien, von dort Übertragung auf


den Menschen
 Aggression als triebgesteuertes Verhalten
 Organismus produziert fortlaufend triebspezifische Energie
(wie in einem Dampfkessel)
 Äußere Reize lösen den Abfluss der Energie aus (z.B.
Anblick eines Rivalen)
 Je mehr Energie im „Kessel“ ist, desto schwächere
Außenreize genügen, um aggressive Reaktionen auszulösen
 Bleibt der Auslösereiz aus, kommt es zu spontaner Entladung
 Lorenz‘ Schlussfolgerung: Abfuhr aggressiver Energie auf
„unschädlichem“ Wege erforderlich (z.B. Sport), um
Energiestau und Entladung zu verhindern.

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Kritik am Dampfkessel-Modell

 Zwei Implikationen des Modells:


 Wenn gerade Aggression gezeigt wurde, d.h. der Kessel
leer ist, kann erst nach einer Weile weitere aggressive
Handlung ausgelöst werden.
 Rein als Funktion der Zeit kommt es in regelmäßigen
Abständen zu aggressivem Handeln, wenn der
Dampfkessel überläuft.
 Beide Annahmen bei Menschen leicht widerlegbar.
 Theoretische Kritik: Für die postulierte aggressive
Energie gibt es kein biochemisches Substrat, es handelt
sich eher um eine symbolische Darstellung.
 Die „kontrollierte“ Abfuhr aggressiver Energie auf
harmlosen Wege (z.B. durch Sport) wirkt nicht
aggressionsreduzierend.

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Evolutionstheoretische Erklärung

 Hebt auf die stammesgeschichtliche Entwicklung von


Aggression ab, nicht auf das Verhalten einzelner Individuen.
 Aggression als Verhaltensmuster, das sich nach dem Prinzip
des „survival of the fittest“ durchsetzt.
 Die aggressivsten Mitglieder einer Art haben die besten
Fortpflanzungschancen und geben so ihre aggressiven Gene
zulasten weniger aggressiver Mitglieder weiter.
 Aber: ungebremste Durchsetzung der Aggressivsten führt
langfristig zur Auslöschung der Art (am Ende bleibt nur noch
der Aggressivste übrig).
 Daher: Entwicklung von Regeln, die die innerartliche
Aggression eindämmen
 Tiere: Unterwerfungsrituale,
z.B. bei Hunden, ohne den Schwächeren zu töten
 Menschen: Gesetze und Normen
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Genetische Einflüsse
 Methodische Ansätze: Zwillings- und Adoptionsstudien
 Zwillingsstudien: Vergleich eineiiger und zweieiiger
Zwillinge
 Wenn EZ ähnlicher im Ausmaß der Aggression als ZZ,
dann Hinweis auf genetische Bedingtheit
 Adoptionsstudien: Vergleich von Kindern mit (a) ihren
leiblichen Eltern und (b) ihren Adoptiveltern.
 Wenn Ähnlichkeit zu leiblichen Eltern größer als zu
Adoptiveltern, dann Hinweis auf genetische Bedingtheit
 Befundlage: Genetische Ähnlichkeit sagt Ähnlichkeit im
aggressiven Verhalten vorher, Varianzaufklärung
schwankt aber breit (etwa zw. 30—70%), je nach
Aggressionsmaß
 Und: Genetische DISPOSITION schlägt sich nur bei
bestimmten Umwelteinflüssen nieder.
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Theorien aggressiven Verhaltens II

Psychologische Auffassung von Betonung von


Ansätze Aggression als Stabilität (s) vs.
Variabilität (v)
Frustrations-Aggres- Zielgerichteter Trieb V
sions-Hypothese
(Miller, 1941)
Lerntheorie Gelernt durch V
(Bandura, 1962) Verstärkung und
Nachahmung
Sozial-kognitiver Resultat von V
Ansatz Informa-
(Huesmann, 1986) tionsverarbeitungs-
prozessen
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Frustrations-Aggressions-Hypothese
 Erste Formulierung von Dollard et al. (1939)
 Frustration: Unterbrechung einer zielgerichteten Handlung
 Ursprüngliche Fassung (deterministisch): Frustration führt
IMMER zur Aggression; Aggression lässt sich immer auf
vorauslaufende Frustration zurückführen
 Kritik: Frustration kann auch andere Reaktionen nach sich
ziehen, Aggression auch andere Auslöser haben.
 Daher: Neue Fassung von Miller (1941; probabilistisch):
Frustration erhöht die Auftretenswahrscheinlichkeit für
Aggression
 Frage, die daraus folgt: Unter welchen Bedingung folgt auf
eine Frustration eine Aggression?
 Theorie der aggressiven Hinweisreize (Berkowitz & LePage,
1967)
 Theorie der Erregungsübertragung (Zillmann, 1978)

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Aggressive Hinweisreize
https://youtu.be/4jxCq0_vTDk

Reize, die mit aggressiver Bedeutung assoziiert sind

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Aggressive Hinweisreize
Das Waffen-Experiment von Berkowitz & LePage (1967)

 Hypothese: Frustration führt vor allem dann zu


Aggression, wenn aggressive Hinweisreize in der
Umgebung vorhanden sind.
 1. UV: Frustration: ja/nein

 2. UV: Aggressive Hinweisreize: Pistole mit bzw.


ohne Bezug zum Frustrator, Badmintonschläger, kein
Objekt
 AV: Intensität der Elektroschocks an den Frustrator

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Ergebnisse von Berkowitz & LePage (1967)

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Theorie der Erregungsübertragung
von Zillmann (1978)

 Kernannahme: Frustration führt vor allem dann zu


Aggression, wenn noch neutrale Erregung aus anderer
Quelle vorhanden ist und die frustrationsbedingte Erregung
verstärkt.
 1. UV: Neutrale Erregung (z.B. Fahrradfahren): ja/nein

 2. UV: Zeit bis zur Frustration (kurz, mittel, lang)

 AV: Aggressive Reaktion

 Hypothese: Wenn Personen (a) eine neutrale körperliche


Erregung haben, die sie (b) nicht mehr korrekt auf die Quelle
der Erregung beziehen (bei mittlerem Zeitabstand: Erregung
noch da, aber Quelle nicht mehr bewusst), dann wird die
neutrale Erregung nach einer Frustration als Ärger-Erregung
fehlinterpretiert und erhöht so die Aggressionsbereitschaft.
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ZILLMANN (1978): Theorie der
Erregungsübertragung
Erregung aus neutraler Quelle noch vorhanden;

Quelle der Erregung nicht mehr im Bewusstsein

Erregungs-Übertragung:

Ärger wird verstärkt

Frustration/ Ärger Aggressives

Provokation Verhalten

Ärger nicht verstärkt

Erregung aus neutraler Quelle noch vorhanden;

Quelle der Erregung noch im Bewusstsein

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Soziale Lerntheorie von Bandura (1962)
 Kernannahme: Aggression ist ein gelerntes Verhalten
 Zwei zentrale Mechanismen des Lernens:

 Direkte Verstärkung: Positive Folgen erhöhen die


Auftretenswahrscheinlichkeit aggressiven Verhaltens
 Stellvertretende Verstärkung: Beobachtung der positiven

Konsequenzen, die eine Modellperson für ihr aggressives


Verhalten auf sich zieht (s. Bobo-Doll-Studien)
 Imitation (Nachahmung) aggressiver Verhaltensmodelle

 Spontane Imitation abhängig von beobachteter Verstärkung

der Modellperson
 Aber: auf Anfrage können Kinder auch Verhalten ohne

positive Konsequenzen für die Modellperson nachahmen (was


zeigt, dass für den Erwerb des Verhaltens die Beobachtung
ausreicht und eine Belohnung des Modells nicht erforderlich
ist) Vorlesung - Sozialpsychologie II - Krahé SoSe 2020 27
Sozial-kognitive Theorie von Huesmann (1998)

 Kernannahme: Aggression als Ergebnis sozialer Lern- und


Informationsverarbeitungsprozesse, die zur Entwicklung
aggressiver Skripts (Verhaltensdrehbücher) führen.
 Aggressive Skripts als kognitive Schemata, generalisiert aus

dem Erfahrungswissen der Person


 Bestandteile aggressiver Skripts u.a.

Typische Auslöser und Formen von Aggression


 Typische Interpretationsmuster: Feindseliger Attributionsstil

 Normen, die Aggression als angemessen oder unangemessen in

Situationen ausweisen
 Typische Emotionen, die mit Aggression verbunden sind

In konkreten Situationen werden aggressive Skripts aktiviert und


handlungsleitend
Beispiel: Skript: „Wenn dich jemand schlägt, musst du dich
wehren, aber nur, wenn
Vorlesung die PersonII -nicht
- Sozialpsychologie viel2020
Krahé SoSe stärker ist als Du“28
Das Allgemeine Aggressions-Modell (General
Aggression Model, Anderson & Bushman, 2002)

Individuelle Unterschiede Situative Variablen


- Traits (Aggressivität, - Kognitive Hinweisreize
Feindseligkeit) (z.B. Waffen)
- Einstellungen zu Gewalt - Schmerz, Unwohlsein
- Gewaltbezogene Normen - Frustration, Angriff
- Fähigkeiten und Fertig- - Drogen, körp. Anstreng.
keiten (z.B. Kampfkraft)

Verfügbare Affekte
Verfügbare Kognitionen - Feindseligkeit Erregung
- Aggressive Gedanken - Motorischer - physiologisch
Ausdruck
- Aggressive Skripts - wahrgenommen

Bewertungsprozesse
- Interpretation der Situation
(z.B., Schädigungsabsicht)
- Interpretation/Erleben des Affekts
(z.B. Ärger gegenüber d. Zielperson)

Verhaltensentscheidung
- Aggression
- Andere Reaktion
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Geschlechtsunterschiede im aggressiven
Verhalten in Alltagskontexten (Archer, 2004)

Alter Global Physisch Verbal Indirekt/Relational

18-21 .46 .66 .35 -.11

(33) (44) (35) (19)

22-30 .29 .60 .22

(7) (8) (9) -.01

> 30 -.01 .25 .26 (7)

(4) (8) (7)

Positive d-Werte = höhere Aggression von Männern, neg. d-Werte = höhere


Werte für Frauen; In Klammern: Zahl der Studien

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Geschlechtsunterschiede im aggressiven Verhalten
in Abhängigkeit vom normativen Kontext
(nach Lightdale & Prentice, 1994)

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Situationseinflüsse auf aggressives
Verhalten
Alkohol

Temperatur

 Vergleich geographischer Regionen


 Vergleich zeitabhängiger Temperaturunterschiede
 Ko-Variationseffekte von Temperatur und Aggression

Andere Umweltstressoren

 Soziale Enge ("Crowding")


 Lärm
 Luftverschmutzung

Mediengewalt

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Zusammenhang von Alkoholkonsum & Aggression
(nach Bushman & Cooper, 1990)

Alkohol erwartet

ja nein
ja Alkohol Antiplacebo
Alkohol
verabreicht Kontroll-
nein Placebo
gruppe

Pharmakologischer Effekt des Alkohols:


Antiplacebo/Kontrollgruppe: d = .06; Alkohol/Placebo: d = .61
Erwartungsinduzierter Effekt des Alkohols
Placebo/Kontrollgruppe: d = .10; Alkohol/Antiplacebo nicht
getestet;
UND: Alkohol vs. Kontroll: d = .25
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Temperatur

Forschungsdesigns
 Vergleich geographischer Regionen

 Problem: Einfluss soziodemographischer Variablen u.U.


wichtiger
 Vergleich zeitabhängiger Temperaturunterschiede
 Alternativerklärung: Routine Activity Theory: Mehr
außerhäusl. Aktivitäten bei hoher Temperatur
 Ko-Variationseffekte von Temperatur und Aggression
im Labor

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Zusammenhang zwischen Temperatur
Körperverletzungen im Jahresverlauf und Aggression (nach Anderson, 1989)

10
Prozentuale Verteilung der

6
b

ril

pt
li
n

ni

ez
ov
kt
ai

g
är
Fe

Ju

Au
Ja

Ju
Ap

Se

D
N
M

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Schätzungen des Einflusses der globalen Erwärmung
pro Jahr auf Morde und Körperverletzungen in den
USA, bei einer Bevölkerung von 270 Millionen.

(Nach Anderson et al., 2000, S. 124)


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Einfluss von Temperatur auf aggressives
Verhalten

Vrij, van der Steen & Koppelaar, (1994)

7 5,95
6 5,21
4,88
5 4,06 4,24
4 3,50
2,68 2,77
3
2
1
21 C/ 70 F 27 C / 81 F
N e ga t iv e r A f f e k t
Wa hrge n. B e dro hung
A ggre s s iv e r E indruc k
Wa f f e nge bra uc h

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Wirkung aggressiver Medieninhalte

Zwei Grundannahmen:
 Allgemein zugängliche Medieninhalte enthalten
substantielle Gewaltanteile
 Kinder und Jugendliche konsumieren diese Inhalte
in nennenswertem Ausmaß.
Beide Grundannahmen gut bestätigt.

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Analyse des deutschen Fernsehprogramms
(Grimm & Weiß, 2005)

Auswertung von 1.162 Programmstunden


in 10 Kanälen
 58% aller Sendungen enthalten mindestens eine
Gewaltdarstellung.
 33% stellen Gewalt aus sozial akzeptierten Motiven dar.
 In fast alle Genres wird Gewalt größtenteils mit einer
neutralen Botschaft, d.h. ohne explizite Bewertung gezeigt.
 Je stärker der fiktionale Charakter der Gewalt, um so eher

ist der Täter positiv charakterisiert.

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Wie präsent ist Gewalt in den Medien im
Vergleich zur Wirklichkeit?
Anzahl der Toten in der Krimiserie „Tatort“ im Vergleich zur
Realität in den Jahren 1995 bis 2018

https://de.statista.com/statistik/daten/studie/499474/umfrage/leichen-in-der-krimiserie-tatort/

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Effekte von Mediengewalt

 Kurzfristige Effekte
 Nachahmungshandlungen ("Copy-cat" violence)
 Werther-Effekt
 Experimentelle Studien

 Langfristige Effekte
 Kognitive Effekte
 Affektive Effekte
 Verhaltenseffekte
Meta-Analyse zu Effekten des Konsums
gewalthaltiger Computerspiele

0,3

0,2
Gewichtetes r

0,1 K=7
N=683
0
K=32 K=19 K=19 K=9
-0,1 N=5240 N=2567 N=2016 N=508

-0,2

-0,3
Aggr. Aggr. Aggr. Erregung Hilfeleistg
Verhalten Kognitionen Affekt

(Anderson, 2004)
Vorlesung - Sozialpsychologie II - Krahé SoSe 2020 42
Experimente zur Wirkung von Mediengewalt

 Unabhängige Variablen:
 Zentral: Gewalthaltigkeit des Medieninhalts
 Außerdem: Interaktion mit anderen Inhalten
(Pornographie)
 Außerdem: Trait-Aggressivität, Geschlecht ...

 Abhängige Variablen:
 Aggressives Verhalten
 Physiologische Erregung
 Subjektive Wahrnehmung physiologischer Erregung
 Aggressiver Affekt
 Verfügbarkeit aggressive Kognitionen
 Feindselige Attributionen
 ...
Geschlechtsunterschiede in der Reaktion auf
Mediengewalt (Bartholow & Anderson, 2002)

7
Lärmintensität

4
Männer Frauen

Gewaltfreies Video Gewalthaltiges Video

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Eigene Studie zu
Langzeiteffekten des Gewaltspielkonsums
Zeitraum: 30 Monate; 7.-8. Klasse, N = 143

Gewaltspiel- .63*** Gewaltspiel-


konsum T1 konsum T2
.20**

.20** .35***
.06
Aggressives Aggressives
Verhalten T1 Verhalten T2
.19**

R2 = .38 für Gewaltspielkonsum T2


R2 = .09 für aggressives Verhalten T2
(Möller & Krahé, 2009)
Vorlesung - Sozialpsychologie II - Krahé SoSe 2020 45
Verlaufsmuster des Mediengewaltkonsums über die Zeit

1,5

1
Mediengewaltkonsum

0,5

0
T1 T2 T3 Gruppe 1: Stabil niedrig
(64.9%)
-0,5 Gruppe 2: Stabil hoch
(30.9%)

Gruppe 3: Abnehmend
-1 (4.2%)
(Krahé, Busching, & Möller, 2012)
Vorlesung - Sozialpsychologie II - Krahé SoSe 2020 46
Verlauf aggressiven Verhaltens in den Verlaufsgruppen
des Mediengewaltkonsums (MGK)

1,5

1
Physische Aggression
(Selbstbericht)

0,5

0
T1 T2 T3 T4
Gruppe 1: MGK Stabil
niedrig

-0,5 Gruppe 2: MGK Stabil hoch

Gruppe 3: MGK Abnehmend


-1
(Busching & Krahé, 2013a)
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Psychologische Effekte von Mediengewalt

Priming aggressiver
Gedanken und Gefühle

Erregungsanstieg

Erwerb neuer
Konsum von Reaktionen Zunahme der
Mediengewalt Aggression
Schwächung von
Hemmungen

Abstumpfung gegen-
über Leid der Opfer

Veränderung der
Weltsicht
Vorlesung - Sozialpsychologie II - Krahé SoSe 2020 48
Abbau von Aggression und Gewalt

 Universelle vs. maßgeschneiderte Ansätze

 Individuelle vs. gesellschaftliche Ansätze

Vorlesung - Sozialpsychologie II - Krahé SoSe 2020 49


Universelle Ansätze

 Herbeiführen von Veränderungen beim Individuum


 Strafe: ja, unter bestimmten Bedingungen
 Katharsis: nein, im Gegenteil
 Ärger-Management: ja, bei bestimmten Populationen
 Auslösen inkompatibler Reaktionen
 Modell-Lernen
 Gesellschaftliche Veränderungen
 Einschränkung von Gelegenheiten zu aggressivem
Verhalten
 Gesetzliche Regelungen
 Todesstrafe
 Waffengesetze

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Maßgeschneiderte Ansätze

 Häusliche Gewalt
 Gesellschaftliche Ansätze

 Familienbezogene Ansätze

 Individuum-zentrierte Ansätze

 Sexuelle Gewalt
 Veränderung von Kognitionen und Affekt bei

Tätern
 Förderung des Risikobewußtseins bei Opfern

 Reglementierung von Pornographie

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Zusammenfassung I
 Aggressives Verhalten wird definiert als Verhalten mit
Schädigungsabsicht.
 Es wird mithilfe biologischer und psychologischer
Theorien erklärt.
 Individuelle Unterschiede in der Aggressionsneigung
treten früh auf und bleiben im Lebenslauf weitgehend
stabil.
 Männer zeigen mehr Aggression als Frauen, insbes.
physische Aggression.
 Zu den Situationseinflüssen, die Aggression
begünstigen, zählen Alkohol, Temperatur, sowie
Gewaltdarstellungen in den Medien.
Vorlesung - Sozialpsychologie II - Krahé SoSe 2020 52
Zusammenfassung II
 Der Konsum von Mediengewalt wirkt sowohl
kurzfristig als auch langfristig aggressionssteigernd,
insbesondere auf hoch trait-aggressive Personen.
 Ansätze zur Prävention und Reduzierung von
Aggression können universell (auf alle Formen der
Aggression) oder maßgeschneidert (für spezifische
Situationen) sein und auf der Ebene des Individuums
oder der gesellschaftlichen Regelungen angesiedelt
sein.

Vorlesung - Sozialpsychologie II - Krahé SoSe 2020 53


Weiterführende Literatur

 Krahé, B. (2013). The social psychology of aggression


(2nd ed.). Hove: Psychology Press.
 Krahé, B. (2014). Aggression. In K. Jonas et al.
(Hrsg.), Sozialpsychologie (pp. 315-356). Heidelberg:
Springer.

Vorlesung - Sozialpsychologie II - Krahé SoSe 2020 54

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