Beruflich Dokumente
Kultur Dokumente
)
FORSCHUNGEN
ZUR
GESCHICHTE
DER
PFARRE
TULLN-
ST. STEPHAN
Ein Beitrag zum
1000-Jahr-Jubiläum
Neue Forschungen zur Geschichte der Pfarre Tulln-St. Stephan.
Ein Beitrag zum 1000-Jahr-Jubiläum
hrsg. von Heidemarie Bachhofer
(= Beiträge zur Kirchengeschichte Niederösterreichs 17,
Geschichtliche Beilagen zum St. Pöltner Diözesanblatt 34)
St. Pölten 2014
ISBN 978-3-901863-43-1
Für den Inhalt der Beiträge sind grundsätzlich die jeweiligen Autoren verantwortlich.
Umschlagbild: Ansicht der Pfarrkirche St. Stephan. – Foto: Karl Helfer; Ausschnitt der
Urkunde aus 1014. – BayHStA München, Hochstift Passau Urkunden 26.
Vorwort ________________________________________________________________ 7
Das Privileg Kaiser Heinrichs II. für Bischof Berengar von Passau vom 5. Juli 1014.
Zur Pfarrgründung in Tulln _______________________________________________ 57
Heide Dienst
Die Pfarre Tulln – Sitz des Passauer Offizialats für Österreich unter der
Enns vor 1357? ________________________________________________________ 129
Johann Weißensteiner
Von der Wassersammlung über ein Maria Pötsch-Bild zur Pfarrhofkasse – Volks-
kundliche Reminiszenzen aus der Geschichte der Stadtpfarre St. Stephan in Tulln ___ 221
Franz Groiß
„Unser Bischof zu Thulln“ – der „Bischofshof“ zu Tulln und seine Herren _________ 291
Walpurga Oppeker
Tulln-St. Severin. Von der Idee einer Seelsorgestation zur Gründung der Pfarre _____ 473
Anton Schwinner u.a.
Walpurga Oppeker
Vorgeschichte
Schaut man aus den kirchenseitigen Fenstern des „Bischofstraktes“ des Tullner
Pfarrhofs, blickt man auf die Westfront der Kirche mit ihren beiden mächtigen Tür-
men, die in ihrer offensichtlichen Dokumentation der bischöflichen Macht im „pas-
sauischen“ Teil Niederösterreichs nur im Dom von St. Pölten ein Gegenstück ha-
ben.1 Dort erscheint heute allerdings nur ein Turm fertig ausgebaut. Die Tullner
Türme flankieren das weit gespannte romanische Trichterportal, das sogenannte
Aposteltor. Die beiden altertümlichen Seitenpfeiler des Tores sollen aber nach neu-
eren Erkenntnissen nicht die Apostel, sondern die Porträts der zwölf Passauer Bi-
schöfe zeigen, die von der Gründung der Tullner Pfarre durch die kaiserliche Schen-
kung 1014 unter Bischof Berengar (1013–1045) bis zum wahrscheinlichen Auftrag-
geber des Portals, Bischof Wolfgang von Erla (1191–1204), dem Bistum vorstan-
den.2 Wie dieser „Bischofskatalog“, der wahrscheinlich die Kontinuität des passau-
ischen Besitzes gegenüber dem babenbergischen Landesfürsten, der an dieser Stel-
le Gerichtstage abhielt, dokumentieren sollte,3 mit dem barocken „Bischofshof“ zu
Tulln in Verbindung zu stellen ist, bedarf eines kurzen Überblicks über die dazwi-
schen liegenden Entwicklungen und Ereignisse.
1 Dazu auch die Artikel von Roderich GEYER und Oliver FRIES in diesem Band. – Die mächtige drei-
schiffige Basilika mit Westwerk in Wiener Neustadt gehörte damals zum Erzbistum Salzburg.
2 Friedrich SIMADER, Der Bischofskatalog am Westportal der Pfarrkirche Tulln. In: Kunsthistoriker.
Mitteilungen des österreichischen Kunsthistorikerverbandes 7 (1990) 72–74; Friedrich DAHM, Zur
Frage des „Aposteltores“ an der Tullner Stadtpfarrkirche. In: Mitteilungen des Heimatkundlichen
Arbeitskreises für die Stadt und den Bezirk Tulln 29 (1999) 4–8; Friedrich SIMADER, Die Geschich-
te der Stadtpfarrkirche Tulln aus kunsthistorischer Sicht. In: Neue Forschungen zur Geschichte der
Stadtpfarrkirche „St. Stephan“ in Tulln = Mitteilungen des Heimatkundlichen Arbeitskreises für die
Stadt und den Bezirk Tulln 18 (2003) 22–45, bes. 26–31.
3 SIMADER, Geschichte der Stadtpfarrkirche (wie Anm. 2) 26. Die Urkunde von 1014, Hauptstaatsar-
chiv München, ist abrufbar: RI II, 4 n. 1843. In: Regesta Imperii Online, URL: http://www.rege-
sta-imperii.de/id/1014-07-05_1_0_2_4_1_624_1843 (2.5.2013).
292 Oppeker, Bischofshof
Die weit ausgedehnte Passauer Diözese, die größte im deutschen Reich, erstreckte
sich bis zur Grenze gegen Ungarn, umfasste also nahezu das gesamte Gebiet der ös-
terreichischen Länder ob und unter der Enns samt dem Innviertel (seit 1779 bei Ös-
terreich). Nur ein kleiner Teil des südöstlichen Niederösterreichs gehörte kirchlich
zum Erzbistum Salzburg. Praktisch vor der Haustüre des Fürstbischofs von Pas-
sau hörte, abgesehen von seinen verstreuten reichsunmittelbaren Besitztümern (in
Niederösterreich das Rentamt Königstetten, die Herrschaft Schwadorf, das Land-
gericht und die Herrschaft Mautern),4 seine politische Einflussnahme auf. Anderer-
seits waren die Babenberger Markgrafen von Bischöfen abhängig, die zwar in un-
mittelbarer Nähe, aber doch außerhalb ihres Herrschaftsgebietes residierten und die
kirchliche Oberhoheit repräsentierten. Dazu kam noch der Einfluss der vom Pas-
sauer Bistum unabhängigen, exempten alten Klöster, gegründet vor dem Ungarn-
einfall in unserem Gebiet, die eine erste kirchliche Ordnung geschaffen hatten. Das
alles ergab für die kirchliche Seelsorge und Verwaltung eine überaus komplizier-
te Situation.
Diese wurde noch verstärkt, als es 1469 dem österreichischen Landesfürsten Kaiser
Friedrich III. gelang, die päpstliche Zustimmung für zwei kleine Landesbistümer,
Wien und Wiener Neustadt, zu erlangen. Sie waren zwar wenig bedeutend und mit-
tellos, schufen aber für Passau eine prekäre Situation.
Passau hatte inzwischen – einerseits angesichts der Bemühungen der Babenberger
und dann der habsburgischen Landesfürsten um ein eigenes Bistum, andererseits
zur Erhaltung seines Einflusses sowie zur Sicherung seiner Rechte und Pflichten
– Maßnahmen gesetzt: Es teilte bald nach 1300 sein Gebiet zur besseren Verwal-
tung in zwei Offizialate. Jenes für Österreich ob der Enns, das bis zur Ybbs reich-
te, hatte seine Verwaltungseinrichtungen in Passau,5 das zweite für Österreich un-
ter der Enns hatte den Sitz in der alten passauischen Kirche Maria am Gestade (Ma-
ria Stiegen) und dem Passauerhof in Wien. Gerade dieser Standort führte nach der
Einrichtung des Bistums Wien zu jahrhunderte lang erbittert geführten Streitigkei-
4 August LEIDL, Das Hochstift Passau im 18. Jahrhundert. Die Entwicklung des reichsunmittelbaren
Territoriums bis zur Auflösung des Fürstentums. In: Ostbairische Grenzmarken 23 (1981) 74–84,
bes. 74. – Die wichtigsten Unterlagen für diesen Überblick finden sich in: Anton KERSCHBAUMER,
Geschichte des Bistums St. Pölten I (Wien 1875) Abteilung II und III; Josef LENZENWEGER, Das Bis-
tum Passau und die Kirche in Österreich (überarbeiteter Vortrag zum „Passauer Domfest“ am 1. Juni
1980). In: Ostbairische Grenzmarken 22 (1980) 129–137; Johann WEISSENSTEINER, Klöster und Hoch-
stifte und ihre Pfarren in Niederösterreich. In: STUF 11 (1986) 173–194; Thomas AIGNER, Aspekte
zur inneren Entwicklung des Katholizismus in Niederösterreich zwischen 1600 und 1660. In: Jahr-
buch für die Geschichte des Protestantismus in Österreich 119 (Wien 2003) 93–134, bes. 94–97.
5 August LEIDL, Das Bistum Passau zwischen Wiener Konkordat und Gegenwart. Kurzporträts der
Passauer Bischöfe, Weihbischöfe, Offiziale (Generalvikare) dieser Epoche (Passau 1993) 13f. – Zur
Organisation des „oberen“ Offizialats: Rudolf WEISS, Das Bistum Passau unter Kardinal Joseph Do-
minikus von Lamberg (1723–1761) = Münchner theologische Studien 1. Historische Abteilung 21
(St. Ottilien 1979) 8–11; die Angaben zum unterennsischen Offizialat (11f) sind ungenau, da Weiss,
wie er angibt, im Diözesanarchiv Wien kaum Akteneinsichten gewährt wurden.
Oppeker, Bischofshof 293
ten zwischen den beiden Bistümern.6 Das Gotteshaus war zwar passauisch geblie-
ben und nicht der Jurisdiktion des Wiener Bischofs unterstellt worden, aber da es in
einem „fremden“ Bistum lag, verwehrte der Wiener Oberhirte den Passauern, hier
irgendwelche bischöflichen Funktionen (Weihen von Geistlichen, Firmungen etc.)
vorzunehmen. Die Bischöfe mussten zur Verrichtung ihrer seelsorglichen Tätigkei-
ten meist die Stadt Wien verlassen. Vielleicht führte das zur Aufwertung des Stand-
ortes Tulln, seit 1014 passauische Eigenkirche, günstig am Verkehrsweg Donau ge-
legen, nicht weit entfernt von Wien und noch dazu inmitten ausgedehnter passaui-
scher Besitzungen (Rentamt Königstetten).
Im frühen 14. Jahrhundert soll der erste unterennsische Offizialatssitz in St. Pöl-
ten, Krems oder, wie manchmal vermutet wurde, auch in Tulln gewesen sein – eine
Theorie, die J. WEISSENSTEINER durch genaue Untersuchung des Urkundenmaterials
widerlegen konnte.7
St. Pölten hatte ein besonders enges Verhältnis zum Bistum Passau. Passauisch wa-
ren der Ort selbst und der regionale Besitzkomplex „Hofmark und Herrschaft St.
Pölten“, das Stift galt nach der Ungarnzeit als bischöfliches Eigenkloster.8 Als Bi-
schof Altmann (1065–1091) während des Investiturstreits aus Passau vertrieben
worden war, nahm er hier seinen Aufenthalt, und St. Pölten fungierte bis zur Rück-
kehr seines Nachfolgers Ulrich um 1080 als Bischofssitz.9 Es nimmt also nicht
Wunder, dass hier eine so mächtige Kirche mit westseitiger Doppelturmfassade
wie jene in Passau errichtet wurde.
In Tulln war die Situation ganz anders. Ende des 12. Jahrhunderts wird der Ort Mit-
telpunkt eines Landgerichtssprengels und Sitz des Landrichters, eines landesfürst-
lichen Beamten.10 Hier, in der Stadt selbst, war das Bistum Passau nicht Grundherr.
Erst 1014 wird Passau mit der kaiserlichen Schenkung einer Königshufe zur Errich-
tung einer Kirche und eines Pfarrhofes sozusagen ansässig.11 Wir wissen nicht, wel-
che Überlegungen zur Errichtung einer solch großartigen Kirche nach dem Muster
jener in Passau und St. Pölten, mit mächtigem Westwerk, nur etwas kleiner, geführt
6 WEISSENSTEINER, Klöster und Hochstifte (wie Anm. 4) 175. – Ein illustratives Beispiel für diese Ver-
wicklungen bietet Floridus RÖHRIG, Die Kapelle von Hietzing – ein kirchliches Streitobjekt. In: Stu-
dien zur Wiener Geschichte = Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Stadt Wien 34 (1978) 122–
132.
7 Vgl. den Beitrag von Johann WEISSENSTEINER in diesem Band. Außerdem: Herbert W. WURSTER, Pas-
sau und St. Pölten im Hochmittelalter. In: Heidemarie BACHHOFER (Hrsg.), St. Pölten im Mittelalter.
Historische und Archäologische Spurensuche, Referate der gleichnamigen Tagung am 29. Okto-
ber 2009 in St. Pölten (St. Pölten 2012) 43–78, hier 50; WEISSENSTEINER, Klöster und Hochstifte (wie
Anm. 4) 175.
8 WURSTER, Passau und St. Pölten (wie Anm. 7) 48.
9 WURSTER, Passau und St. Pölten (wie Anm. 7) 54f.
10 Peter CSENDES, Tulln als zentraler Ort. In: Mitteilungen des Heimatkundlichen Arbeitskreises für die
Stadt und den Bezirk Tulln 7 (Tulln 1992) 102–113, hier 104.
11 Josef WODKA, Die Bedeutung Tullns für das Passauer Bistum. In: Festschrift zur 950-Jahrfeier der
Pfarre Tulln St. Stephan (St. Pölten 1964) 5–8.
294 Oppeker, Bischofshof
haben. Die beiden anderen, heute noch im Baubestand zurück zu verfolgenden Kir-
chen aus der Schenkung von 1014, die Piaristenkirche in Krems und die Stifts- bzw.
Pfarrkirche in Herzogenburg, waren jeweils mit nur einem Westturm in der Mitte
der Fassade ausgestattet worden.
Die Stadt im Hintergrund des Tafelbildes „Kreuztragung Christi“ des Schotten-
meisters wurde bisher immer als Krems identifiziert. Beim Vergleich der Land-
schaft – nimmt man im Hintergrund die Donau und den Wagram an – und der Ge-
bäude – links Minoritenkloster, im Hintergrund Dominikanerinnenstift, rechts die
Stephanskirche – könnte man aber auch an das in der Ebene liegende Tulln um 1470
denken. Vor allem die mächtige Kirche mit dem Westwerk, der Südturm nicht fertig
ausgebaut, und dem großen Langhaus dominiert in ihrer Wucht charakteristisch die
ganze Stadt und erinnert sowohl in der Lage wie auch in der Baugestaltung stark an
die Tullner Stephanskirche.12
Als Bauzeit der Tullner dreischiffigen Basilika wird die zweite Hälfte des 12. Jahr-
hunderts angenommen, 1170 soll sie vollendet gewesen sein.13 In diese Periode fällt
die politische Umorientierung des Babenbergers Heinrich Jasomirgott, der, nach-
dem er Bayern zurückgeben musste, 1156 mit dem Titel eines Herzogs von Öster-
reich belohnt und mit dem Land belehnt wurde. Nun konzentrierte er sich auf die-
sen Raum und versuchte, zum Ausbau seiner Position im Land, sich passauische
und freisingische Besitzungen unterzuordnen.14 Vielleicht wollte der Passauer Bi-
schof mit der Errichtung dieser mächtigen Basilika im landesfürstlich dominierten
Tulln einen Gegenpol setzen.
Wieso die Pfarre Tulln, die in der Barockzeit nicht gerade zu den hervorragend rei-
chen Pfründen zählte, als Sitz der passauischen Weihbischöfe ausersehen wurde,
liegt vielleicht im Charakter des bischöflichen Tätigkeitsbereiches, der in erster Li-
nie geographische Flexibilität erforderte. Der Wasserweg der Donau war damals si-
cher der komfortabelste und sicherste. Und Tulln lag näher beim Offizialatssitz in
Wien als andere passauische Pfarren an der Donau wie Krems und Melk.
12 Manfred NEUBAUER, Reformation und Gegenreformation im Tullner Feld. In: Geschichte der Evan-
gelischen im Bezirk Tulln = Mitteilungen des Historischen Arbeitskreises für die Stadt und den Be-
zirk Tulln 17 (Tulln 2003) 18–77, hier 66; ein Zusatz ohne Autorenangabe (= Johannes R AMHARTER)
identifiziert die Darstellung erstmals als Tulln; Johannes R AMHARTER, Profile einer landesfürstlichen
Stadt. Aus den Ratsprotokollen der Stadt Tulln 1517–1679 = FRA III/23 (Wien 2013) 20–21. – Krems
wollen erkennen: Peter WENINGER, Niederösterreich in alten Ansichten (Salzburg 1975) 308; Hein-
rich FERENCZY u. Cornelia REITER (Hrsg.), Museum im Schottenstift (Wien 1994) 173–190, hier 187,
Tafel 3 (Cornelia REITER, Der Wiener Schottenaltar); Arthur SALIGER, Der Wiener Schottenmeister
(München u.a. 2005) 119–123; Ralph ANDRASCHEK-HOLZER, „Adduzierende“ Kunst des Spätmittel-
alters: Lebens-, Realitäts- und Darstellungssphären. In: Jahrbuch des Stiftes Klosterneuburg NF 21
(Klosterneuburg 2011) 213–228, hier 217.
13 Roderich GEYER, Stadtpfarrkirche Tulln: Pfarrgründung und erster Kirchenbau. In: Neue Forschun-
gen zur Geschichte der Pfarrkirche „St. Stephan“ Tulln = Mitteilungen des Heimatkundlichen Ar-
beitskreises für die Stadt und den Bezirk Tulln 18 (Tulln 2003) 4–21, hier 8.
14 WURSTER, Passau und St. Pölten (wie Anm. 7) 65.
Oppeker, Bischofshof 295
sen östlichem Teil, in der „unteren Diözese“.19 Manchmal waren Bischof und Weih-
bischof auch gemeinsam unterwegs. Da das Bischofsamt kirchenrechtlich mit der
Leitung eines Sprengels verbunden ist, werden die Suffraganbischöfe auf den Titel
eines der alten untergegangenen Bistümer geweiht, sie werden daher auch Titular-
bischöfe genannt.
Über Aufenthalte passauischer Bischöfe in Tulln sind wir seit dem 12. Jahrhun-
dert durch verschiedene Überlieferungen unterrichtet.20 Anfang des 13. Jahrhun-
derts werden Tullner Pfarrer als „Dekane“21 bezeichnet und 1220 hatte Mag. Mar-
quard als Tullner Plebanus auch das Amt des „archidiaconus Austriae“ inne, eben-
so Pfarrer Chunrad zu Beginn des 14. Jahrhunderts.22 Die Meldung, dass Tulln 1352
– bezeichnet als „sedes Ordinaria episcopi suffraganei Passaviensis“ – dauernder,
offizieller Sitz des Offizials war,23 konnte inzwischen widerlegt werden.24 Die an-
gesehene Stellung des Tullner Gotteshauses und seiner Pfarrer als Archidiakone,
Dechanten und Passauer Domherren dokumentiert eindrucksvoll der imposante
dreischiffige romanische Kirchenbau mit dem wuchtigen Westwerk.25
Die Pfarre Tulln war im 13. Jahrhundert eine sehr vermögende Pfründe. Im Spät-
mittelalter, gegen Ende des 15. Jahrhunderts, schwindet ihr Wert wesentlich durch
sinkende Einnahmen, verursacht durch eine Wirtschaftskrise und Brände.26 Diesen
Niedergang kann man auch an den sinkenden Kollationsgebühren27 ablesen. Wäh-
rend diese im 13. und 14. Jahrhundert noch 120 Pfund betrugen, werden sie in der
Matrikel von 1659 mit 40 Gulden und 1666 nur noch mit 30 Gulden angegeben.28
1590 hatten durch ein Erdbeben auch Kirche und Pfarrhof sehr gelitten,29 und im
Laufe des 16. Jahrhunderts waren viele Liegenschaften entfremdet worden. Daher
übernahm 1598 die Stadt mit einem neu eingerichteten „Benefiziatenamt“ die Ver-
waltung des Kirchenvermögens,30 daher befinden sich noch heute alle Kirchenrech-
nungen bis zur Gründung des Bistums St. Pölten im Stadtarchiv Tulln. Zur besse-
ren Dotation der Weihbischöfe wurde 1645 die reiche Pfarre Abstetten Tulln inkor-
poriert.31 Sehr aufschlussreich ist eine Liste aus dem Jahre 1689, die wahrscheinlich
die Jahreserträgnisse32 der Pfarre Tulln mit 400 Gulden, jene von Abstetten mit 900
Gulden auflistet. Damit liegt der „Wert“ Tullns im unteren Mittel, denn eine ganze
Reihe von Pfarren wird mit 1.000 bis 2.000 Gulden bewertet.33 Eine „Summarische
Ausweisung Über Empfang und Ausgab deren dem Löbl. Passauischen Consistori-
um […] unterstehenden Pfarren […]“ meldet 1765 für die Pfarre Tulln Einnahmen
von 1.428 Gulden, denen Ausgaben von 1.439 Gulden gegenüberstanden, Abgang
11 Gulden. Für Abstetten wurden die Zahlen 1767 erhoben: Eingang 337 Gulden,
Ausgaben 323 Gulden, Überschuss 14 Gulden.34
Als Tullner Pfarrer im Offizialatsamt sind im 14. Jahrhundert Heinrich der Öchsel
(1364–1381) und seine Nachfolger Mag. Ulrich von Pankhofen (1389, 1392) sowie
Heinrich der Keck (1393, 1401) nachweisbar.35 Im nächsten Säkulum wird neben
dem Minoritenpater Wolfgang Püchler als Weihbischof 36 der Offizial Dr. Michael
Lochmaier (1487–1498) genannt. Auch im 16. Jahrhundert finden sich drei passau-
ische Offiziale unter unseren Pfarrherren: Dr. Johann Georg Prenner (1510–1522),
Heinrich Kurtz, der auch Weihbischof war (1530–1541), und Dr. Thomas Raidl.37
Der Minoritenpater Thomas Murner wird zwischen 1530 und 1536 auf seinem Por-
trät im Pfarrhof Tulln ebenfalls Weihbischof und Plebanus von Tulln genannt, doch
gibt es für ihn in dieser Funktion keine urkundlichen Nachweise.
Als „Glanzzeit“ der passauischen Pfarre Tulln38 kann man die zweite Hälfte des 17.
und das 18. Jahrhundert, bis zur Abspaltung der Diözese St. Pölten von Passau 1784,
bezeichnen. In diesem Zeitraum war Tulln fast ununterbrochen die Pfarrpfründe
der passauischen Weihbischöfe, die fallweise auch Offiziale waren und fast aus-
nahmslos dem österreichischen Adel entstammten.
Und damit sind wir beim eigentlichen Thema dieser Arbeit angelangt, den Passauer
Weihbischöfen als Pfarrer von Tulln und ihrer Porträtgalerie im Pfarrhof.
Pfarrer waren, dafür gibt es das Bild des Weihbischofs Stainer von Pleinfelden, der
diese Pfarre ziemlich sicher nie inne gehabt hat. Es scheint, als ob Daun seine Maler
einfach auf die Suche nach Porträts von passauischen Weihbischöfen ausgeschickt
hat, ohne deren Verbindung zur Pfarre Tulln zu beachten. Man muss bei der Aus-
wahl natürlich auch das Vorhandensein und Auffinden von Vorbildern berücksich-
tigen.
Unter all den Bildern ist nur das Porträt des Weihbischofs Daun signiert: Pictus
Passavii 23. Junii 1759 ab Josepho Helbling, Cive et Pictore Passaviensi. Ob Helb-
ling43 auch die anderen von Daun bestellten Bilder gemalt hat, wissen wir nicht.
Einige der Nachfolger Dauns folgten seinem Vorbild und bereicherten die Galerie
mit ihren Porträts. Pfarrer Prokop Gruber (1827–1832) hob das Bilderzimmer auf,
„verlegte die Porträts seiner Vorfahren in dem Gange, damit er stets in seinen geist-
lichen Andachtsübungen unter sie herumwandlen konnte.“44
Kanonikus Dr. Anton Kerschbaumer, zwischen 1871 und 1880 Pfarrherr von Tulln,
fand bei seinem Amtsantritt 14 Porträts seiner Vorgänger im Fundus vor. Außer den
von Daun bestellten Bildern werden die der beiden Minoritenbischöfe angeführt
und von den Daun’schen Nachfolgern jene von Arco, Herberstein, Mösle, dem ers-
ten Pfarrer nach der passauischen Periode, und ein Bild des Fürstbischofs Firmian.
Das Porträt des Kardinals Joseph Dominikus von Lamberg, das Daun hatte malen
lassen,45 fehlte bereits. Kerschbaumer nahm als historisch Forschender und Autor
den Gedanken einer Porträtgalerie wieder auf und vervollständigte sie.46
Unter den Weihbischöfen, die als Pfarrer in Tulln residierten, fehlte das Porträt des
Franz Anton Marxer, der, wie Kerschbaumer interpretiert, „überhaupt für Tuln
keinen Sinn hatte, er spendete sein Porträt nicht.“ Dieses Bild erhielt er aus dem
Alumnat in St. Pölten, wo es „überflüssig“ war. Das Bildnis seines Vorgängers Carl
Metz ließ dessen Nichte und Erbin anfertigen, die drei anderen noch fehlenden Por-
träts wurden von Kerschbaumer nach verschiedenen Vorlagen bestellt. So malte der
St. Pöltner Künstler Bauer nach einer Silhouette das Porträt Prokop Grubers (1827–
1832), und der junge Wiener akademische Maler C. Sinn stellte 1872 die Bilder der
Pfarrer Anton Gruber (1798–1807) und Franz Kiener (1807–1827) her. Kerschbau-
mer bezeichnete es selbst als sein Verdienst, die Porträts geordnet, bestimmt und
ergänzt zu haben, und auch er legte fest: „Diese Bilder sollen der Pfarre als fundus
instructus bleiben“ und von seinen Nachfolgern fortgesetzt werden.47 Erstere For-
derung wurde erfüllt, alle Bilder hängen noch im Pfarrhof Tulln. Und auch die spä-
teren Pfarrer bis Johannes Sigmund (1966–1995, † 2008 in Tulln) sind fast vollstän-
dig in dieser Galerie vorhanden. Es fehlen nur die Porträts von Carl Lenk (1894–
1897), Johann Schön (1939–1945) und den letzten beiden Pfarrherren, Walter Som-
merer (1995–1997) und Anton Aichinger (1997–2010).
Der Name „Bischofshof“, vorher auch oft „Dechantshof“ genannt, für den heutigen
Pfarrhof von Tulln tritt uns nach der Erbauung des Bischofstraktes um die Mitte des
17. Jahrhunderts als die übliche Bezeichnung dieses Gebäudekomplexes entgegen
und war bis zur Errichtung der Diözese St. Pölten und dem Ende der Anwesenheit
passauischer Suffragane in Österreich unter Enns allgemein gebräuchlich. Hier war
die Residenz der Weihbischöfe des Bistums Passau für die „unterösterreichische
Diözese“, deren Dienste, wie wir sehen werden, fallweise auch in den „oberen“ Tei-
len des Bistums in Anspruch genommen wurden. In den Passauer Protokollbüchern
werden sie immer als „unser Bischof zu Tulln“, „unser Suffraganeus Tullensis“ oder
ähnlich bezeichnet. Ihnen war die Residenzpflicht in Tulln auferlegt, sie hatten sich,
abgesehen von ihren dienstlichen Reisen, hier aufzuhalten. Über das Ausmaß die-
ser episkopalen Tätigkeiten in der ganzen Diözese gibt ein umfangreiches Doku-
ment aus der Amtszeit des Weihbischofs Jodok von Brendt-Höpffner für die Jahre
1670 bis 1681 eindrucksvoll Auskunft.48
Wieweit die Herren selbst seelsorglich tätig wurden, abgesehen von den diversen
Priester- und Diakonweihen und Firmungen, die in der Pfarrkirche Tulln stattfan-
den, lässt sich kaum feststellen, wird aber, wenn überhaupt, dann nur selten vorge-
kommen sein. In den Matrikenbüchern der Pfarre findet man nur in den Totenbü-
chern Eintragungen von Martinus Geiger, Jodokus Höpffner von Brendt, Johann
Raymund von Lamberg und Johannes Ch. L. von Kuenburg. Grundsätzlich hatten
die Suffragane für die cura animarum (Seelsorge) einen Vikar und Kapläne einge-
stellt, die diese Aufgaben übernahmen, sie sind auch in den Matriken präsent. Sie
wohnten im Vikariatshaus gegenüber dem Bischofshof, das heute noch Benefizia-
tenhaus genannt wird.49
Die Porträtgalerie der passauischen Weihbischöfe in Tulln ist weder zeitlich ge-
schlossen noch vollständig. Während von Thomas Murner und Wolfgang Pichler
zwar die Porträts vorhanden sind, aber, ebenso wie bei Stainer von Pleinfelden, kei-
48 ABP, OA B 53, Protocollum functionum episcopalium des Suffraganbischofs Jodocus von Brendt
1670–1681. – Ein knapper Auszug aller sachlichen Angaben in deutscher Übersetzung findet sich
bei Max HEUWIESER, Die Weihefunktionen des Passauer Weihbischofs Jodok von Brendt genannt
Höpfner 1670–1681. In: Die ostbairischen Grenzmarken 18 (Passau 1929) 49–51, 71–75, 120–125,
149–152.
49 KERSCHBAUMER, Tulln I (wie Anm. 20) 194.
Oppeker, Bischofshof 301
ne Nachweise vorliegen, ob sie tatsächlich Pfarrer in Tulln waren, fehlen die Bilder
von Heinrich Kurtz und Johann Bartholomäus Kobolt von Tambach, die Suffragane
und nachweislich hier Pfarrherren waren. Sie wurden daher, wenn auch ohne Port-
räts, in die nun folgende Liste aufgenommen. Auf Kobolt folgte Weihbischof Ulrich
Grappler von Trappenburg (1646–1658), der aber in Mistelbach seinen Pfarrsitz hat-
te. Während dieser Zeit wurde Tulln vom Chorherrenstift Klosterneuburg aus be-
treut. Erst ab der Mitte des 17. Jahrhunderts, mit Bischof Martin Geiger, waren bis
zur Teilung des Landes unter der Enns in die Bistümer St. Pölten und Wien fast alle
passauischen Suffragane auch Pfarrer von Tulln.
50 Ignaz Franz KEIBLINGER, Beiträge zur Reihenfolge der Weihbischöfe von Passau. In: Hippolytus.
Theologische Quartalsschrift der Diöcese St. Pölten 7 (St. Pölten 1864), Teil „Archiv für
Diöcesan=Geschichte“ 1–26, hier 13f. – Hippo oder Yppo = Hippo Regius, spätrömisches Hippona
in Numidien, später Bona in Algerien.
302 Oppeker, Bischofshof
Umschrift liest man „S . Wolfgan . epi . yppon .“ Unterhalb der Figur erkennt man
sein Wappenschild: ein sechseckiger Stern und darüber zwei Rosen.51
Nach A. LEIDL52 trat Püchler in Regensburg in den Minoritenorden ein, soll 1445
Pfarrer von Tulln und 1469 Pfarrer von Hainburg gewesen sein. Er wirkte, wie
auch die Tullner Inschrift erzählt, in Wien als Hofprediger und war fürstbischöfli-
cher Hofrat in Passau. Bereits 1445 ist er bei der Weihe der Dominikanerkirche in
Retz als Suffraganbischof für das Land unter der Enns nachweisbar, zum Titular-
bischof von Hippo wurde er erst 1465 geweiht. Für Österreich ob der Enns sind in
dieser Zeit zwei andere Suffragane nachweisbar. Im Orden bekleidete er ab 1459
und 1469 jeweils für sechs Jahre das Amt des Provinzials der österreichischen Or-
densprovinz.
Für seine Benediktions- und Ordinationstätigkeit gibt es zahlreiche Nachrichten.53
So weihte er, wie schon erwähnt, am 28. Oktober 1445 die neu erbaute Dominikaner-
kirche in Retz und begabte ihre Altäre mit Ablässen. 1452 stiftete er einen Jahrtag
bei den Wiener Dominikanern, 1459 konsekrierte er den Hochaltar und drei weitere
Altäre in der Korneuburger Augustinerkirche. 1465 erfolgte durch ihn die Einset-
zung des Abtes Paulus Pymisser in Seitenstetten und vom 13. bis 15. Juni 1466 die
Rekonziliation54 der Stiftskirche, der Kapellen und der Friedhöfe der Mönche und
der Pfarrkirche Klein Mariazell und gleichzeitig die Konsekration von sechs Altä-
ren der dortigen Stiftskirche. Am Heiligen Abend desselben Jahres erfolgte die Re-
konziliation an der Kirche, den Kapellen, des Klosters und des Friedhofs zu Zwettl,
ebenso am 13. März 1471 an der Pfarrkirche und dem Friedhof zu Wilhelmsburg,
wo er auch einen Altar weihte. Die hier aufgezählten Rekonziliationen scheinen
durch die Kriegsereignisse dieser Zeit, als deren Folge raubende und plündernde
Söldnerscharen das Land bedrängten, verursacht worden zu sein. Am 25. März
1472 weihte Püchler drei Altäre in der Pfarrkirche in Meisling bei Krems.
P. Wolfgang Püchler soll in Wien am 23. Juli 1475 verstorben sein und wurde dort
im Minoritenkloster bestattet. Über das Todesjahr gibt es Unklarheiten. Auf dem
nicht mehr vorhandenen Grabstein war laut einer unklaren Überlieferung aber an-
geblich zu lesen: „Anno D(o)m(i)ni 1470 obiit Rev. in Christo Pater D(omi)n(u)s
Wolfgangus Ep(iscopu)s Ypponensis, qui fuit de ordine Fratrum Minorum, hic se-
pultus.“55
55 Ludwig K RICK, Das ehemalige Domstift Passau und die ehemaligen Kollegiatstifte des Bistums
Passau, Anhang VII (Passau 1922) 238. Woher Krick den Text dieser Inschrift auf dem laut ihm nicht
mehr vorhandenen Grabstein hatte, ist unklar. Er bemerkt dazu, dass die bei Salvadori mitgeteilte
Abschrift fälschlich das Sterbejahr 1475 nennt; vgl. Giovanni SALVADORI, Die Minoritenkirche und
ihre älteste Umgebung (Wien 1894).
56 Christine STEININGER u. a., Die Inschriften der Stadt Passau bis zum Stadtbrand 1662 = Deutsche
Inschriften 67 (Wiesbaden 2006) 292, Anm. 4: Chrysopolis, Titularbistum in Makedonien, heute
Kaballa (Griechenland), oder Chrysopolis, ein nicht näher lokalisierbares Titularbistum in Arabien.
57 K RICK, Domstift Passau (wie Anm. 55) 239.
304 Oppeker, Bischofshof
ter und die Rechte zum Schwur erhoben. Die Inschrift lautet „S. Henrici Dei Gra-
tia ep(is)c(opus) Crisopolitan“.58
Kurtz wurde trotz des fehlenden Porträts in die Liste der Weihbischöfe aufgenom-
men, weil während seiner Zeit als Pfarrer von Tulln das Bistum Passau offenbar
versuchte, sich hier durch Hausankäufe besser zu etablieren.
Über sein Leben und Wirken59 ist bekannt, dass er in den Jahren von 1523 bis 1528
zum Passauischen Offizial und Generalvikar in Österreich unter der Enns bestellt
war. Ob der in Regensburg Geborene vorher in Gurk wirkte und ident ist mit jenem
hochgebildeten Dr. Heinrich Kurz, Assessor am Gurker bischöflichen Konsistorium
und Archivar des dortigen Domkapitels, wird sich wohl kaum klären lassen. Dieser
vollendete 1523 im Auftrag des Dompropstes Dr. Sigismund von Feistritz den ers-
ten Katalog des Archivs.60
Am 14. März 1526 wurde Heinrich Kurtz als Nachfolger des verstorbenen Bern-
hard Meurl von Leombach61 zum Bischof geweiht. Als solcher benedizierte er 1532
in Passau Abt Johann von Seitenstetten und weihte am 23. Juni 1537 die Pfarrkir-
che St. Stephan in Eggenburg.62 Die bischöfliche Funktion hielt ihn sicher die meis-
te Zeit von Tulln fern, denn zwischen 1517 und 1540 wurde das Bistum Passau von
Herzog Ernst von Bayern (1500–1560) administriert,63 der, wie später die habsbur-
gischen Erzherzöge, nie zum Priester und daher auch nicht zum Bischof geweiht
worden war und für die Pontifikalien einen Suffragan brauchte. Kurtz vertrat den
Bistumsadministrator auch im Jänner 1537 bei der Mühldorfer Konferenz der Salz-
burger Provinz, die in Vorbereitung eines geplanten ökumenischen Konzils einbe-
rufen worden war, ebenso war er im Mai dieses Jahres Vertreter Passaus auf der
Salzburger Provinzialsynode. Wahrscheinlich wurde Kurtz in seiner Funktion als
Seelsorger in Tulln von einem Herrn Stephan vertreten, der in der Kirchenrechnung
von 1537 als „Pfarrer“ angeführt wird, hier aber wohl nur als Vikar die cura ani-
marum ausübte.64
Im Jahre 1530 siegelte Heinrich Kurtz als „Weihbischof des Stiftes Passau und Pfar-
rer zu Tulln als Lehensherr des Stiftes am Karner daselbst“ einen Vertrag, in dem
die Witwe Anna Marchfelder ihr Haus am Breiten Markt in Tulln, einen öden Hof
in der Pfaffengasse mit Garten, 21 Joch Äckern und 10 Tagwerk Wiesen und eine
Von 1549 bis 1552 ist Heinrich Kurtz als Offizial für das Land ob der Enns nach-
weisbar, der seinen Amtssitz in Passau hatte. Wieweit er in der „unteren Diözese“
noch Weihefunktionen vornahm, ist ungeklärt. Er verstarb jedenfalls am 21. Juli
1557 in Passau und wurde in der Herrenkapelle des Domkreuzganges beigesetzt;
sein Epitaph steht heute in der Andreaskapelle. Seine 606 Bände reiche Bibliothek
vererbte er der Universität Ingolstadt.
Die Frage, wieso der in etwa zur gleichen Zeit wirkende Weihbischof Thomas Mur-
ner (1530–1536) in der Tullner Portätsammlung als Pfarrer bezeichnet wird, ist un-
geklärt.
72 Pater Thomas Murnanus aus dem Orden der Minoritenkonventualen der österreichischen Provinz,
ein Mann großer Gelehrsamkeit und Gottesfurcht […].Die letzten beiden Wörter sind unter dem
Spannrahmen der Leinwand nicht mehr zu entziffern.
73 LEIDL, Bistum Passau (wie Anm. 5) 214; GATZ, Bischöfe 1448–1648 (wie Anm. 52) 493.
74 Saeculum Quintum Bis fortunatum, terquè Beatum: à quo Unus Seraphin impressit Seraphico Patri
Francisco … (Neustat Austriae 1724) 122f.
Oppeker, Bischofshof 307
nus oder Murner aber nicht mit dem ungefähr zur gleichen Zeit lebenden großen
Dichter, Satiriker und Gegenspieler Luthers, Dr. Thomas Murner, verwechseln, der
ebenfalls der franziskanischen Ordensfamilie angehört hatte.
Johann Bartholomäus Kobolt von Tampach († 1645), Pfarrer von Tulln
ca. 1639–1645
Johann Bartholomäus Kobolt von Tampach ist der erste in der Reihe der barocken
Weihbischöfe, die auf der Pfarre Tulln nachweisbar sind. Seine Geschichte, soweit
sie bekannt ist, ist in mancher Hinsicht alles andere als ruhmreich. Vielleicht fand
seine Person deshalb keinen Eingang in die Porträtgalerie.
Die Familie Kobolt stammte aus dem Ulmer Stadtbürgertum, erhielt 1474 ei-
nen Reichswappenbrief und wurde 1573 in den Adelsstand erhoben. Der Vorna-
me Bartholomäus scheint familiäre Tradition gewesen zu sein, er findet sich so-
wohl im Brief von 1474 als in jenem von 1573.75 Das Familienwappen zeigt ei-
nen aufrecht voranschreitenden Löwen mit ausgeschlagener Zunge und erhobenem
Schweif. Verwandtschaftliche Beziehungen bestanden u.a. nach Niederösterreich.
Seine Muhme Elisabeth Dillherin, verwitwete Unterholzerin von Kranichberg, war
eine Schwester der Priorin des Imbacher Dominikanerinnenstifts Catharina Mach-
wanderin von Schwanau und lebte um 1619 in Wien.76
Kobolt von Tampach, Dr. jur., Domherr in Regensburg, war unter Fürstbischof Erz-
herzog Leopold Wilhelm (Bischof von Passau 1625–1662) 1636 zum Offizial für
das Land unter und nach seinen Angaben vorerst auch für das Land ob der Enns
bestimmt worden und übte dieses Amt bis 1640 aus. Bereits 1637 wurde er Titu-
larbischof von „Lamsacena“. Gleichzeitig mit ihm war auch Nikolaus Aliprandi
von Thomasis Weihbischof und Generalvikar für das Offizialat ob der Enns. Zwei
Weihbischöfe waren notwendig, da der Passauer Bischof, Erzherzog Leopold Wil-
helm, nie die Priesterweihe empfangen hatte und daher sein Bistum nur administ-
rieren, aber keine sakramentalen Funktionen ausüben konnte. Johann Bartholomä-
us Kobolt von Tampach verstarb 1645 in Passau.77
Zahlreiche Meldungen gibt es über Kobolts Wirken als Bischof. Bereits 1638 nennt
ihn die Chronik des Stiftes Klosterneuburg als Firmspender in der Klosterkirche, in
St. Martin und bei den Franziskanern, 1643 konsekrierte er vier Altäre in der Stifts-
kirche und weihte Priester und Diakone. Im gleichen Jahr infulierte er den neuen
Propst Rudolphus Miller und weihte tags darauf in St. Martin sechs Altäre.78 Ei-
nen Konflikt mit dem Bistum Wien löste 1639 seine Ordination von Klosterneubur-
75 J. KINDLER VON KNOBLOCH, Oberbadisches Geschlechterbuch 2 (Heidelberg 1905) 332f, Wappen 332;
vgl. http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/kindlervonknobloch1898bd2/0334 (5.2.2013).
76 NÖLA, Archiv Lamberg, Karton 18, Briefe der Catharina Maschwanderin, Priorin von Imbach.
77 LEIDL, Bistum Passau (wie Anm. 5) 220.
78 Stiftsarchiv Klosterneuburg, Karton 219, 2. Rap., Chronik 1611–1677, 23. Mai 1638, 3. Oktober 1643,
6. Oktober 1643, 15. Februar 1644, 16. Februar 1644.
308 Oppeker, Bischofshof
79 Floridus RÖHRIG, Die Kapelle von Hietzing – ein kirchliches Streitobjekt. In: Studien zur Wiener Ge-
schichte. Jahrbuch des Vereins für die Geschichte der Stadt Wien 34 (1978) 122–132, hier 129.
80 KEIBLINGER, Reihenfolge der Weihbischöfe (wie Anm. 50) 22.
81 LUX, Beiträge zur Geschichte der Pfarre Steinakirchen am Forst. In: Geschichtliche Beilagen zu den
Consistorial-Currenden der Diöcese St. Pölten 1 (St. Pölten 1878) 346–457, hier 408f.
82 Otto BIACK, Geschichte der Stadt Tulln (Tulln 21982) 452. Die Sterbematriken von Tulln für diese
Zeit fehlen.
83 Stadtarchiv Tulln, KIRE Schachtel 13, Nr. 22, 1640.
84 Stadtarchiv Tulln, KIRE Schachtel 13, Nr. 23, 25. Februar 1642; Nr. 24, 16. März 1642.
85 Manfred NEUBAUER, Reformation und Gegenreformation im Tullnerfeld. In: Geschichte der
Evangelischen im Bezirk Tulln = Mitteilungen des Heimatkundlichen Arbeitskreises für die Stadt
und den Bezirk Tulln 17 (Tulln 2003) 18–77, hier 67f.
Oppeker, Bischofshof 309
nach Wien geben“ und sie gegen eine etliche Lot schwerere austauschen ließ, was
sich in der Kirchenrechnung mit 15 Pfund zu Buche schlug.86 Zumindest gelegent-
liche Aufenthalte zwischen seiner weihbischöflichen Reisetätigkeit auf seiner Tull-
ner Pfarre sind nachweisbar.87
Weihbischof Kobolt geriet in seinen letzten Lebensjahren in größte finanzielle Tur-
bulenzen. Die Ablöse des Tullner Pfarrhofinventars war er bereits schuldig geblie-
ben,88 und dem Vikar Michael Faber, der ihn als Pfarrer in Abstetten vertrat, hatte
er den gesamten Lohn, insgesamt 1.300 Gulden, vorenthalten. Auch bei den Tull-
ner Kapuzinern stand er mit 248 Gulden in Schulden, dem Pfarrer von Imbach, der
dem dortigen Dominikanerinnenstift mit der Kobolt anverwandten Priorin unter-
stand, schuldete er 300 Gulden. Aber das waren alles nur sehr kleine Beträge. Ins-
gesamt betrug der Schuldenstand, der zum Teil auch durch eine Bürgschaft für
seine „maimb“ Elisabeth Dillherin verursacht worden war, die ungeheure Summe
von 33.495 Gulden. Auf seine zweite Pfarre, Straubing in Bayern, entfielen davon
an unterschiedliche Kreditoren fast 5.500 Gulden.89 Tulln und seine Bürger waren
also, offensichtlich als arme Stadt, einigermaßen glimpflich davongekommen. Für
die Pfarre hatte diese Situation aber wesentliche Auswirkungen. Sie fiel unter Se-
questration, das heißt Zwangsverwaltung, und wurde dem Propst von Klosterneu-
burg zunächst für drei Jahre gegen eine gewisse Summe in Bestand verlassen. Ko-
bolt schrieb im März 1644 aus Tulln an Propst Rudolphus Miller und bat instän-
dig, ihm seine Ablösesumme zu überweisen, „sonst ist mir unmöglich abzuraisen
und in tempore Passau zu erreichen, ohne einen großen Schaden und Verlust […]
damit ich schleinigst expedirt, und ferners nicht […] aufgehalten werde.“90 Kobolt
von Tambach verstarb ein Jahr später, Anfang März 1645, in Passau und wurde am
7. März91 in der Kapelle der Fronleichnamsbruderschaft im Domkreuzgang (heute
profaniert) bestattet.92 Leider geben die Matriken sein Alter nicht an.
Von 1644 bis mindestens 1647 verwaltete nun das Stift Klosterneuburg die Pfarre.
Der Propst hatte sich verpflichtet, in den Pfarren (Tulln und Abstetten) und in den
Filialen die cura animarum durch Weltpriester ausüben zu lassen und einen Reli-
giosen auf jeder Pfarre zur Administrierung der „Temporalia“ (weltlichen Güter)
einzusetzen. In Tulln war das der Chorherr H. Augustinus Matthaei, der als „ge-
86 Stadtarchiv Tulln, KIRE Schachtel 13, Nr. 25, 1644.
87 Stiftsarchiv Klosterneuburg, Karton 112, 23, Nr. 33, Brief, Tulln, 5. März 1644.
88 DAW, PP 81, 1621–1649, 224, 9. März 1644.
89 DAW, PP 81, 1621–1649, 240f, 28. April 1644. Zahlreiche Schreiben zu den finanziellen Nöten des
Weihbischofs bzw. seiner Kreditoren finden sich im Stiftsarchiv Klosterneuburg, Karton 112, 23, Nr.
33 und Karton 134, Nr. 36.
90 Stiftsarchiv Klosterneuburg, Karton 112, 23, Nr. 33, Brief, Tulln, 5. März 1644.
91 ABP, Matriken Passau St. Stephan, Sterbebuch 1637–1677, 399.
92 K RICK, Domstift Passau (wie Anm. 55) 241; das hier angegebene Todesdatum, 5. Februar 1645,
stimmt nicht mit den Angaben in den Matriken (Begräbnis 7. März 1645) überein.
310 Oppeker, Bischofshof
wester Administrator beeder Pfarren Tulln und Abstetten“ im Mai 1647 eine Be-
stätigung ausstellte.93 Matthaei wurde 1606 in Neustadt an der Saale geboren, legte
1629 seine Profess ab und studierte in Wien Theologie. 1644 „parochiae Tulnae […]
Administrator à 29. Junii usque circa 1648“, ist er ab Jänner 1649 als Administra-
tor in Třeboň (Südböhmen) und 1654 bis 1659 als Pfarrer von St. Martin in Kloster-
neuburg nachweisbar. Er verstarb als Pfarrherr von Korneuburg und Senior Cano-
nicae am 11. Dezember 1659.94
Die cura animarum scheinen während seiner Amtszeit nicht wie versprochen Welt-
priester, sondern meist Patres aus dem Minoritenkloster übernommen zu haben.
Die Tullner Kirchenrechnungen nennen 1646 P. Augustinus, 1647 P. Gerhardus
Min. und 1648 wieder P. Augustin Erhart.95
ter war als P. Franziskus Minorit, ein weiterer, P. Christophorus Schwisi (Schwifi?),
Jesuit und zwei von dessen Brüdern Chorherren bei St. Dorothea in Wien.98 „Mar-
tinus Geiger Austr.“ immatrikulierte am 14. April 1621 an der Wiener Universität99
und schloss sein Studium als Doktor „der heiligen Schrifft“ ab.100
Ab 1630 wirkte Geiger als Pfarrer und Dechant in seiner Heimatstadt Hainburg und
vom 26. Juni 1646 datiert sein Ernennungsdekret zum Offizial und Generalvikar
des Bistums Passau in Wien. Daneben war er Mitglied des Passauer Domkapitels
und damit bischöflicher Rat und auch Domherr in Olmütz. Sein Gehalt als Offizi-
al betrug jährlich 1.000 Gulden, 50 Klafter Holz, Siegelgeld und die Erlaubnis, von
Prälaten für bischöfliche Leistungen Honorare einzuheben.101
Dechant von Linz war er mindestens seit 1646.102 Ob Martin Geiger wirklich schon
ab 1648 auch Pfarrer von Tulln und damit direkter Nachfolger der Klosterneubur-
ger Sequestrationsadministration war,103 ist nicht sicher, aber wahrscheinlich. Be-
reits 1651 wird in den Tullner Ratsprotokollen vom „Hrn Offizial in seinem allhier
sein“ gesprochen. Er ließ durch den Vikar dem Stadtrat eine Mitteilung machen.104
Da Geiger damals noch nicht Bischof war, konsekrierte am 20. Juli 1653 der Suf-
fragan Ulrich Grappler von Trappenburg in Tulln die Kirche der Kapuziner eben-
so wie den Hochaltar und einen Seitenaltar zu Ehren des hl. Felix von Cantalice.105
Zum Titularbischof von Lampsac und Suffraganbischof von Passau wurde Geiger
erst am 6. Mai 1658 geweiht. Im Jahr darauf legte er die Stelle als Offizial zurück,
die Belastung muss zu groß gewesen sein. Wir wissen, dass er allein im Jahre 1652
in Wien 79 Konsistoriumssitzungen geleitet hat.106
Immer wieder finden sich in den Passauer Protokollen Meldungen über seine amt-
lichen Tätigkeiten wie die Installation von Pfarrern (1646 in Bruck an der Leitha
und St. Andrä vor den Hagenthal)107 oder Klostervorständen.108 Zu welchen Proble-
98 DASP, Pfarr- und Klosterakten Tulln 1 (1518–1853), 10. Juli 1666, Testament Geigers – Familienlegate.
99 Franz GALL, Die Matrikel der Universität Wien IV/1 (Wien 1961) 112 (fol. 480).
100 DAW, PP 81, 1621–1649, 445, 17. Juni 1646.
101 Johannes K RITZL, Sacerdotes incorrigibiles. Die Disziplinierung des Säkularklerus durch das
Passauische Offizialat unter der Enns von 1580 bis 1652 im Spiegel der Passauer Offizialatsprotokolle
(Diss. Wien 2011) 67f. Soweit nicht anders zitiert, folge ich auch LEIDL, Bistum Passau (wie Anm. 5)
221f und GATZ, Bischöfe 1448–1648 (wie Anm. 52) 147.
102 DAW, PP 81, 1621–1649, 486v, 16. Dezember 1646.
103 1648: KERSCHBAUMER, Tulln I (wie Anm. 20) 470; KERSCHBAUMER, Tulln II (wie Anm. 23) 265; BIACK,
Geschichte (wie Anm. 82) 452; K ERSCHBAUMER, Bistum St. Pölten I (wie Anm. 5) meldet allerdings
1658 mit Martin Geiger den Beginn der ununterbrochenen Reihenfolge der Weihbischöfe als Tullner
Pfarrer.
104 Ratsprotokoll Tulln 9. Juli 1651; zit. nach DASP, Pfarrarchiv Tulln, Sign. 8/4, 334.
105 Freundliche Auskunft von P. Gottfried UNDESSER, Kapuzinerarchiv Wien (Copia consecrationis
ecclesiae, altarium, …).
106 K RITZL, Sacerdotes incorrigibiles (wie Anm. 101) 68.
107 DAW, PP 81, 1621–1649, 445r, 17. Juni 1646; 486v, 16. Dezember 1646.
108 DAW, PP 83, 1654, 23v, 15. Februar 1654 (Propst zu St. Andrä an der Traisen); PP 84, 1657–1660,
195v, 23. Oktober 1658 (Priorin von Imbach in ihrer Klosterkirche); Stiftsarchiv Klosterneuburg,
312 Oppeker, Bischofshof
men es dabei kommen konnte, schildert der Bericht über die Einsetzung des neuen
Propstes von Dürnstein Mathias Feldhorn am 24. Februar 1658 in Wien, „alhir in
der Khürchen bey vnser Lieben Frauen auf der Stiegen (vmbwillen es wegen gros-
ser eingefallener Khälten, auf der Thonau der Stoß gegangen, vndt alle Pruckhen
zerbrochen worden, in Closter nit sein können).“109 Wieweit diese Zeremonie wie-
der einmal diplomatische Verstimmungen mit dem Bistum Wien, in dessen Amts-
bereich die Kirche Maria am Gestade lag, nach sich zog, ist nicht bekannt.
Was die Weihe von Gotteshäusern betrifft, kann man auf der Rückseite seines Por-
träts die von seiner Grabplatte übernommene Mitteilung lesen: „Consecravit Ec-
clesias Plures.“ Namentlich bekannt sind die Franziskanerkirche in Ybbs mit drei
Altären,110 jene in Stockerau mit ihren Altären,111 1662 die neu erbaute Kapuziner-
kirche und das Kloster in Linz112 und im Jahre 1668 die zur Kartause Mauerbach
zugehörige Wallfahrtskirche in Frauenhofen bei Tulln.113 Im selben Jahr weihte er
auch den neuen Hochaltar seiner Pfarrkirche in Tulln.114 Auch die Pfarrkirche Tri-
buswinkel hatte Geiger konsekriert. Danach hatten sie angeblich wieder lutherische
Prädikanten in Besitz genommen, weshalb eine neuerliche Weihe notwendig gewe-
sen wäre.115
Ordinationen von Geistlichen und die Weihe der Heiligen Öle am Gründonnerstag
gehörten ebenso zu seinen Aufgaben wie die Spendung des Sakraments der Fir-
mung. Was die Priesterweihen und die Chrisamweihe betrifft, gab es Konflikte mit
dem Stift Klosterneuburg. Schon 1667 musste das Konsistorium den Propst auffor-
dern, die Ölweihe in seinem Gotteshaus zuzulassen und zwar nach dem Cantus um
sechs Uhr in der Früh, um die weitere Liturgie nicht zu stören. Die Wahl der Stifts-
kirche ist in Bezug auf Tulln interessant, denn dort liest man, „Weihbischof Geiger
hat gemeldet, daß er die Sancti Chrismatis heuer nicht in Tulln verrichten kann aus
Ermanglung genuegsamer Priesterschaft, so darzue erfordert würdt.“116
Karton 219, 2. Rap., Chronik 1611–1677, 28. Februar 1649 (Infulierung Propst Bernhard). Im Mai
1669 erklärte sich der Weihbischof bereit, den neu gewählten Propst von Herzogenburg zu installie-
ren, er müsse nur die Bestätigung der Elektion durch die kaiserlichen Kommissäre abwarten; DAW,
Prothocoll bischöfl. Befehl 89v, 15. Mai 1669.
109 DAW, PP 84, 1657–1660, 123v.
110 KEIBLINGER, Reihenfolge der Weihbischöfe (wie Anm. 50) 23; ERDINGER, Beiträge zur Geschichte des
ehemaligen Franciscaner-Klosters in Ybbs. In: Geschichtliche Beilagen zu den Consistorial-Curren-
den der Diöcese St. Pölten 2 (St. Pölten 1885) 339–346, hier 340 (26. Juni 1659).
111 KEIBLINGER, Reihenfolge der Weihbischöfe (wie Anm. 50) 23 (1660).
112 http://www.kapuziner.at/zentralbibliothek/linz.htm (1.7.2011).
113 KERSCHBAUMER, Bistum St. Pölten I (wie Anm. 5) 515.
114 DASP, Pfarr- und Klosterakten Tulln 1 (1518–1853), Journale 1786/87, 3: Pfarrer Mösle, der Verfasser
des Journals, gibt irrtümlich einen Bischof „Martin Steiner“ an, was KERSCHBAUMER, Tulln I (wie
Anm. 20) 215 übernahm; Weihbischof Johann Maximus Stainer wirkte erst 1682–1692.
115 DAW, PP 88, 1672, 218r, 13. Juli 1672.
116 Stiftsarchiv Klosterneuburg, Karton 111, 22v, Nr. 23, 18. März 1667.
Oppeker, Bischofshof 313
wendig. Geiger scheint sich damals wenig in Tulln aufgehalten zu haben, aber er
kümmerte sich immer wieder um Tullner Belange.
Als 1653 und 1654 das Land von der „Contagnon“ heimgesucht wurde, ließ der Of-
fizial durch seinen Vikar Andreas Lang den Stadtrat warnen: In Traismauer wäre
die Pest bereits ausgebrochen, man möge „Zwischenbesucher“ die Stadt nicht pas-
sieren lassen.124 Als die Seuche dann doch hier auftrat, forderte der Rat den Vikar
auf, für die Infizierten einen eigenen Priester zu stellen oder sich selbst von den Ge-
sunden fern zu halten.125 Auch im folgenden Jahr wütete wieder die Pest und man
bat den Vikar „zur Abwendung des Zornes Gottes“ eine wöchentliche Prozession
nach St. Sigmund außerhalb der Stadt abzuhalten.126 Auch die Sorge um das Gottes-
haus oblag dem Vikar. Lang beklagte 1655 den Zustand der Kirche als „ganz bau-
fällig“, sodass „der Priester gleichsam über dem Altar und auf dem Predigtstuhl
nicht sicher“ wäre. Der Stadtrat beschloss nach der Besichtigung eine Reparatur
und verordnete, um das Geld zu beschaffen, per Dekret, dass sich die gesamte Bür-
gerschaft für acht Tage des Leutgebens (der Weinausschank) enthalten sollte und
auch die Wirte über die Straße keinen Wein ausgeben sollten.127
Nachdem Martin Geiger, seit 6. Mai 1658 Titularbischof von Lampsacus und Weih-
bischof von Passau, im Jahr darauf als Offizial resigniert hatte, dürfte er mehr Zeit
für seine Pfarre erübrigt haben. Jedenfalls findet er sich jetzt häufiger in den Rats-
protokollen. So sollte er seinen Vikar anweisen, die Zinsen aus Stiftungsvermö-
gen widmungsgemäß zu verwenden.128 1668 veranlassten, verfassten und unter-
schrieben Weihbischof Geiger und die Guardiane des Minoriten- und des Kapuzi-
nerklosters ein Memoriale an den Kaiser, in dem sie um Unterstützung wegen der
ständigen Wassergefahr durch die Donau baten.129 Ein weiterer Berührungspunkt
zwischen Pfarre und Stadt war der Karner.130 Nach einer Anfrage des kaiserlichen
Wahlkommissars 1668, wer von diesem Bauwerk die Erträgnisse genieße, antwor-
tete der Stadtrat, „Ihro Gn. Hr. Weichbischoff haben zwar die Einkommen davon,
aber selbige ganz aborden und nicht eindeckhen lassen.“131 Diese Auskunft spricht
von keinem besonders guten Verhältnis zwischen Bischof und Stadtvertretung. Of-
Bibliothek im Rathaus, 2/II (1952) 385ff – Judenplatz: Geiger konnte in keinem der Häuser als
Besitzer verifiziert werden.
124 Ratsprotokoll Tulln 17. August 1654; zit. nach DASP, Pfarrarchiv Tulln, Sign. 8/4, 355.
125 Ratsprotokoll Tulln 10. November 1654; zit. nach DASP, Pfarrarchiv Tulln, Sign. 8/4, 355.
126 Ratsprotokoll Tulln 30. September 1655; zit. nach DASP, Pfarrarchiv Tulln, Sign. 8/4, 368.
127 Ratsprotokoll Tulln 16. Juli 1655; zit. nach DASP, Pfarrarchiv Tulln, Sign. 8/4, 364.
128 Ratsprotokoll Tulln 12. Dezember 1662; zit. nach DASP, Pfarrarchiv Tulln, Sign. 8/5, 59f.
129 Ratsprotokoll Tulln 29. Februar 1668; zit. nach DASP, Pfarrarchiv Tulln, Sign. 8/5, 99.
130 Neueste Literatur zum Karner: Roderich GEYER, Der Tullner Karner und seine Fresken – Realisierung
eines politischen und theologischen Programms? In: Festschrift 25 Jahre Heimatkundlicher
Arbeitskreis für die Stadt und den Bezirk Tulln = Mitteilungen des Heimatkundlichen Arbeitskreises
für die Stadt und den Bezirk Tulln 28 (Tulln 2012) 48–67.
131 Ratsprotokoll Tulln 5. April 1662; zit. nach DASP, Pfarrarchiv Tulln, Sign. 8/5, 99.
Oppeker, Bischofshof 315
fenbar waren Streitigkeiten über die Nutzung des entweihten Baus, der im 16. Jahr-
hundert sogar als Pulverturm gebraucht worden war, und darüber, wer für die Er-
neuerung verantwortlich wäre, im Gange. Zur Ehrenrettung des Weihbischofs sei
angemerkt, dass dieser bereits in seinem am 30. Juni 1666 verfassten Testament an-
gibt, „hab ich den Willen, mit Gottes Gnad, die Capelln der Heiligen Drey Königen
auf dem Friedhoff zu Tulln, selbst reparieren zu lassen.“ Für den Fall seines frühe-
ren Todes legierte er dafür 300 Gulden,132 die dann auch dafür verwendet wurden.
Erst 1671, zwei Jahre nach seinem Tod, war das Werk vollendet, wovon die Auf-
schrift auf der Rückseite des damals neuen Altarbildes kündete:
„1671 Ist dieser Altar aus Freygibigkeit des Hochwürdigen und Hochedlge-
bohrnen Herrn Herrn Martin Bischof zu Lambsac, Hochfürstlich passauischer
Rath, und dero Diöces in ober und Niederösterreich verordneten Weihbischo-
fen, vor Jahren gewesenen officialis und vicegeneralis, auch Pfarrhern zu Tuln
hochmildest Angedenkhens, mit einem ruemblichen Legat aufzurichten bevol-
chen, und den letzten September zu seiner Perfection gebracht. Wie nicht we-
niger auch die Capellen selbsten mit einer neyen Betachung versehen, und in-
wendig durchgehent renovirt worden […]“.133
Am 29. Juli 1672 wurde der Karner von Geigers Nachfolger, Weihbischof Jodok
Höpffner, wieder geweiht.134
Uneinigkeit gab es auch bei der Frage der Renovierung des Kirchendaches. Wäh-
rend die Stadtverantwortlichen fanden, der Weihbischof möge als „geistlicher Seel-
sorger“ zu diesem Werk beitragen, antwortete dieser, dass „in Ansehung seiner Un-
vermögenheit man von ihm nicht hohe Gedanken machen solle“, aber immerhin
konnte er von einer Dame 100 Reichstaler dafür lukrieren.135
Auch das Verhältnis zum Frauenkloster scheint nicht ungetrübt gewesen zu sein,
denn Geiger wollte 1668 zum Begräbnis von dessen Hofrichter Georg Ferdinandt
Fridrich136 das Läuten der Glocken und den Musikanten das Spielen beim Kon-
dukt verweigern. Der Stadtrat kommentierte die Angelegenheit folgendermaßen:
Die Musikanten können singen „wo sie wollen, auch die Glockhen des Hrn. Weich-
bischof nicht eigene sind, also wird er hoffentlich hierinfalles nicht zuwider seyn
können.“137
Über das Verhältnis des Weihbischofs zu seinen Vikaren und Kaplänen wird in
den Quellen nichts vermeldet. Nur mit Vikar Simon Zaremba, der sicher ab 1663 in
Tulln die Seelsorge betreute, scheint es Probleme gegeben zu haben. Er war 1666
132 DASP, Pfarr- und Klosterakten Tulln 1 (1518–1853), 30. Juni 1666, Testament.
133 Der Altar wurde bei der Entweihung der Kapelle 1787 kassiert, von der Inschrift aber eine Abschrift
angefertigt; zit. nach KERSCHBAUMER, Tulln I (wie Anm. 20) 244f.
134 KERSCHBAUMER, Tulln I (wie Anm. 20) 245.
135 Ratsprotokoll Tulln 25. Juni 1668; zit. nach DASP, Pfarrarchiv Tulln, Sign. 8/5, 103.
136 Begraben am 13. Mai 1668; DASP, Pfarrarchiv Tulln, Sign. 3/3, Sterbebuch 1665–1695, 69.
137 Ratsprotokoll Tulln 5. Mai 1668; zit. nach DASP, Pfarrarchiv Tulln, Sign. 8/5, 103.
316 Oppeker, Bischofshof
geres Verhältnis bestanden haben, denn Geiger stiftete der Provinz ein Kapital von
1.000 Gulden. Der Suffragan war 1662 sozusagen als „Ehrenmitglied“ in den Or-
den aufgenommen worden.144 Noch höher bedacht wurden die Jesuiten mit 1.500
Gulden. Aber auch sein Offizial, Jodokus Höpffner von Brendt, der ihm als Weih-
bischof und Pfarrer von Tulln nachfolgen sollte, erhielt eine Gabe von 500 Dukaten.
Wenige Tage nach Geigers Tod stellte die Stadt Tulln bereits Forderungen an die
Verlassenschaft in der Höhe von 759 Gulden für nicht geleistete Heeranforderun-
gen, Landsanlagen und andere Abgaben.145 Nach Verhandlungen mit den Erben ließ
die Stadt die Forderungen fallen, weil auch der Kaiser alle Ausstände bis 1660 nach-
gesehen hatte; außerdem hätte die Stadt ihre Forderungen nicht rechtzeitig gestellt
hatte und würde so Mitschuld daran tragen, darüber hinaus hätte „Ihro Hochw. und
Gn. Hr. Weichbischof seel. jederzeit mit der Stadt gute Nachbarschaft gehalten,
und der Pfarrkirche und anderen geistlichen Stiftungen in seinem Testament son-
derlich bedacht.“ Mit diesen Verhandlungen wurde auch das Verhältnis der Pfarre
zur Stadt punkto Abgaben festgelegt: Die Weihbischöfe als Dechanten und Pfarrer
durften sich künftig nicht mehr weigern, die Steuern und Abgaben zu entrichten.146
149 Am 15. März die Subdiakonweihe, am 5. April die Diakonweihe und am 19. April 1631 die Priester-
weihe. – Heinrich ZELENKA, Dechant Dr. Jodok von Brendt, genannt Höpffner (1644–1659/62). In:
Rudolf ZINNHOBLER, Johann EBNER u. a., Die Dechanten von Enns-Lorch (Linz 1982) 113–120, hier
113.
150 ABP, OA B 53, Protocollum functionum episcopalium des Suffraganbischofs Jodocus von Brendt
1670–1681, 2v.
151 GEYER, Grabsteine (wie Anm. 141) hier 77f.
152 ZELENKA, Jodok von Brendt, genannt Höpffner (wie Anm. 149) 113–120.
153 LEIDL, Bistum Passau (wie Anm. 5) 108.
154 GEYER, Grabsteine (wie Anm. 141) 77f.
Oppeker, Bischofshof 319
Nach dem Tode des Weihbischofs Martin Geiger im Juli 1669 bot ihm Fürstbischof
Wenzel Graf Thun „zu bezeugung meiner gegen euch tragenden affection“ vor al-
len anderen Bewerbern das Amt des Suffragans und die Pfarren Tulln und Abstet-
ten an und stellte ihm frei, weiter Offizial zu bleiben oder die neue Würde zu wäh-
len.161 Jodokus von Brendt übernahm vorerst beide Stellen und wurde mit päpstli-
cher Bulle vom 18. Mai 1670 zum Titularbischof von Lampsac erhoben und am 7.
Juni in Passau geweiht. Über sein Arbeitspensum als Weihbischof gibt das Proto-
collum functionum episcopalium […] 1670 bis 1681 Auskunft.162 Das über 200 Sei-
ten starke Dokument listet im Nachtrag die gesamte Tätigkeit des Weihbischofs
durch die Jahre auf: Bei Ordinationen weihte er 261 Priester, 258 Diakone, 264
Subdiakone und 177 Minorista (1. Weihestufe, Tonsur); 20 Kirchen wurden von
ihm konsekriert, auch 18 Kapellen und 269 Altäre, darunter 55 „altaria portatilia“
159 Ursprung der Wallfahrts- und Pfarrkirche Maria Taferl. In: Hippolytus 3 (St. Pölten 1860) 22–26;
Alois PLESSER, Beiträge zur Geschichte der Wallfahrt und Pfarre in Maria Taferl. In: Geschichtliche
Beilagen zu den Consistorial-Currenden der Diözese St. Pölten 10 (St. Pölten 1928) 1–278, bes. 30–
35.
160 KERSCHBAUMER, Tulln II (wie Anm. 23) 71.
161 ABP, OA B 53, Protocollum functionum episcopalium des Suffraganbischofs Jodocus von Brendt
1670–1681, 1v.
162 Ein knapper Auszug aller sachlichen Angaben in deutscher Übersetzung findet sich bei HEUWIESER,
Weihefunktionen (wie Anm. 48) 49–51, 71–75, 120–125, 149–152.
Oppeker, Bischofshof 321
saal). Südlich daran schließt nach einem schmalen Verbindungsgang der tiefe Kel-
ler mit ziegelgemauerten Kreuzgratgewölben auf zwei mächtigen Mittelpfeilern an.
Oberhalb des Kellers, der durch eine Steinschnecke mit den oberen Geschoßen ver-
bunden war (heute unten abgemauert), befinden sich ein ebenfalls gewölbtes Spei-
chergeschoß und darüber die „Bischofszimmer“. Der oberhalb des „Traidtkastens“
gelegene saalartige Raum gehörte anscheinend nicht mehr zu den „noblen“ Wohn-
zimmern, denn er weist nicht die gleiche, etwas edlere Fenstergestaltung wie die Bi-
schofszimmer auf (gebauchte Steinfensterbänke).
Höpffner hatte den gesamten Bau mit eigenem Geld finanziert. Er erwies sich der
Pfarre gegenüber äußerst großzügig. Von den über 5.500 Gulden Baukosten ver-
zichtete er auf den zukünftigen Regress von 1.000 Gulden, für weitere 1.000 Gul-
den stiftete er Messen durch 30 Jahre hindurch, und er verpflichtete sich, solange er
in Tulln lebte, noch jährlich 100 Gulden Abzahlung zu leisten. Über den Restbetrag
erhielt er 1678 einen Baubrief ausgestellt, der seinen Erben die Rückzahlung dieser
Schulden durch die Nachfolger in der Pfarre Tulln versicherte.166
Der Pfarr- oder, wie er nun hieß, „Bischofshof“ war nun nicht nur „recht, vest, be-
ständig, vnd wohldauerlich geführt“,167 die Wohnzimmer wurden auch opulent aus-
gestattet. Das Nachlassverzeichnis168 meldet für das Schlafzimmer (dort gab es im
Eck gegen den Garten auch einen Abtritt) eine große schwarze Bettstatt, einen „top-
peltaffeten gruenen Teppich“, einen weißen und einen roten steinernen Tisch, Spie-
gel und Schreibkasten von Schildpatt und ein steinernes Kruzifix in einem Alabas-
terkästchen. Die Wohnräume zierten fünf niederländische Bilder, zwei niederländi-
sche Teppiche, ein Dutzend bester Sessel, eine Messingschlaguhr und andere Bilder
meist religiösen Inhalts.169 An weiteren Möbeln werden angegeben: 12 Sessel ohne
Lehnen mit vergoldetem Leder und zwei von grünem Tuch, drei Lehnsessel von
braunem Tuch, ein achteckiger Tisch „mit einem weißem Marmel, item zwei der-
gleichen von schwarzen Schiferstein, 2 Rundtaffeln von rothen Marmelstein“, vier
kleine schwarze Tische, eine lange Tafel aus Weichholz, 12 Passauer Sessel, „2 Ro-
manische Truhen mit roten Leder bezogen“ und fünf schlechte Truhen.
Im neu erbauten Wagenstadel gab es vier alte Kobelwagen und zwei alte Kale-
schen, dafür standen vier schwarze Wagenpferde bereit. Den durchaus bäuerlichen
Charakter des „Bischofshofes“ dokumentiert der Nutzviehbestand: sechs Kühe,
vier Kälber, eine Ziege und ein Bock, eine Katze, ein Zuchtschwein mit vier Jun-
gen, eine „Nehrsau“ mit fünf Frischlingen, zwei zweijährige Schweine, ein Mast-
schwein, eine Specksau, 23 Hühner, zwei Kapaune und zwei Hähne.
Der ganze Pfarrhofgrund, soweit nicht durch Gebäude begrenzt, wurde nun mit ei-
ner Gartenmauer umfasst. Die Stadt erlaubte 1673 dem Weihbischof, in der Pfaffen-
gasse (Kirchengasse) die Mauer einen „guten Schuh“ (cirka 30–35 cm) hinaus zu
rücken, wodurch der öffentliche Gemeindebrunnen „eingefangen“ wurde, was zu
einigen Meinungsverschiedenheiten führte. Als die Abgeordneten der Stadt 1677
den versprochenen Revers über die öffentliche Zugänglichkeit des Brunnens ein-
forderten, verweigerte Höpffner seine Unterschrift „mit hitzigen Reden“. Erst auf
die Drohung hin, die Mauer zurückversetzen zu müssen, dürfte der Bischof nach-
gegeben haben.170
Ansonsten scheint das Verhältnis zum Stadtrat aber gut gewesen zu sein, zumin-
dest gibt es positive Verhandlungen und Vertragsabschlüsse. Bereits 1673 löste man
vertraglich die Frage, wohin die Gelder alter Stiftungen zur Kirche gekommen wa-
ren, dahingehend, dass das Benefiziatenamt nun deren Auszahlung übernahm.171
Auch 1678 wurde wieder ein Vergleich zwischen „Hrn: Dechant allhier“ und der
Stadt wegen der Landsanlage der pfarrlichen Grundstücke und der fehlenden Stifts-
briefe geschlossen. Man kam überein, es bei den Übereinkünften mit Bischof Kurtz
von 1541 zu belassen, was den Wein und die Weinausschank betraf. Für die inner-
halb des Burgfrieds liegenden Äcker und Wiesen leistete die Pfarre nun an die Stadt
jährlich 12 Gulden rheinisch, von den beiden ehemals bürgerlichen Benefiziaten-
häusern soll der Pfarrer oder der, der sie bewohnt, an die Stadt die Landsanlagen ab-
geben. Von neu erworbenen Grundstücken wären wieder die Landsanlagen zu leis-
ten, und der Garten außerhalb der Stadt bliebe auf ewig steuerfrei. In diesem Ver-
trag wurden auch die Unstimmigkeiten bezüglich der Gartenmauer und des Brun-
nens ausgeräumt.172 Die Verhandlungen betreffend die Kirchenrechnungen und das
Benefiziatenamt in Tulln wie auch die Herrschaft Judenau wegen der Rechnungen
der Filiale Langenrohr wurden von Weihbischof Höpffner offensichtlich persönlich
geführt.173 Auch unterzeichnete er die alljährlichen Kirchenrechnungen von Lan-
genrohr in der Regel selbst. Unter seinen Vorgängern taten das immer die Tullner
Stadtvikare, noch 1671 Sigismund Engstler.174
Es finden sich auch direkte Interventionen des Weihbischofs beim Stadtrat. So wähl-
te dieser auf bischöfliche Rekommandation dessen Bedienten Georg Rudolf Weid-
170 Ratsprotokoll Tulln 23. Februar 1677; zit. nach DASP, Pfarrarchiv Tulln, Sign. 8/5, 172.
171 KERSCHBAUMER, Tulln I (wie Anm. 20) 226.
172 DASP, Pfarrarchiv Tulln, Sign. 8/5, Abschrift 179f.
173 Ratsprotokoll Tulln 3. Juni 1681; zit. nach DASP, Pfarrarchiv Tulln, Sign. 8/5, 193; Langenrohr:
DAW, PP 88, 233, 14. September 1672.
174 DASP, Pfarrarchiv Langenrohr, KIRE 1, 1673 Engster; 1673–1678 Jodokus Höpffner von Brendt.
324 Oppeker, Bischofshof
lich 1675 zum Stadtschreiber,175 und 1684 intervenierten Höpffner und der Hof-
meister des Frauenklosters David Rößner dahingehend, dass Rößners Bruder die
offene Stelle des Schullehrers erhalten sollte.176 David Rößner war der Schwiegerva-
ter von Höpffners Neffen Johann Jodok, der 1686 das Tullner Bürgerrecht erhielt.177
Bereits 1672 scheint sich Weihbischof Höpffner mit dem „Schicksal“, Tullner Pfar-
rer sein zu müssen, abgefunden zu haben, und er bot dem Stadtrat an, die auf Kos-
ten des Suffragans Martin Geiger restaurierte Dreikönigskapelle, den „Kärner“, zu
weihen. Die Stadt nahm erfreut an und ersuchte den Stadtrichter Georg Gleichstorf-
fer, Höpffner, dessen Zeremoniär und Bediente mit dem gesamten Stadtrat zum
Dank in seinem Haus zu bewirten.178
Auch später zeigte sich der Weihbischof trotz seiner umfangreichen episkopalen Tä-
tigkeiten durchaus aktiv ins Pfarr- und Gemeindegeschehen eingebunden. Er enga-
gierte sich gemeinsam mit dem Stadtrat und den Tullner Klostervorständen für den
Hochwasserschutz, das „Wassergebäu“ – eine gemeinsame Resolution wurde den
kaiserlichen Kommissären vorgelegt.179 Als der Turm der St. Sigmundskirche we-
gen akuter Einsturzgefahr abgerissen werden musste, nahm er persönlich mit dem
Rat, dem Kirchenmeister und Bausachverständigen an einer Begehung wegen ei-
nes Neubaus teil. Der neue Turm der vor der Stadt gelegenen Kirche sollte fest und
wehrhaft errichtet werden.180 Dieses kleine Gotteshaus spielte in der Zeit der Pest
nicht nur deswegen eine besondere Rolle, weil die Seuchentoten im dortigen Fried-
hof beigesetzt werden mussten, es gab hier auch einen Altar der Pestheiligen Sebas-
tian und Rochus, zu dem schon 1655 der Tullner Vikar wöchentlich zur Abwendung
des „Zornes Gottes“ eine Prozession führen sollte.181 Auch die Langenrohrer hiel-
ten seit der Mitte des 17. Jahrhunderts zur Abwehr der Pest mehrmals im Jahr Wall-
fahrten dorthin ab.182
Dass Höpffner die Zeit der Pestepidemie um 1679 in Tulln zubrachte, geht aus ver-
schiedenen Meldungen in den Ratsprotokollen hervor. Als im Sommer 1679 die
175 KERSCHBAUMER, Tulln II (wie Anm. 23) 112.
176 KERSCHBAUMER, Tulln II (wie Anm. 23) 225.
177 ABP, OA Generalakten 5016, Nachlass des Weihbischofs Höpffner, 29. Juli 1686,
Bürgerrechtsbestätigung durch Stadtrat.
178 Ratsprotokoll Tulln 29. Juli 1672; zit. nach DASP, Pfarrarchiv Tulln, Sign. 8/5, 136f;
Gleichstorfferisches Haus: Albrechtsgasse 13 (Konskr. Nr. 134), zweigeschoßiger Bau der ersten
Hälfte des 17. Jahrhunderts mit bemerkenswerter Halle und Stuckdecken; vgl. BIACK u. KÖSTLBAUER,
Häuserchronik (wie Anm. 67).
179 Ratsprotokoll Tulln 30. März 1677; Ratsprotokoll 24. August 1679; zit. nach DASP, Pfarrarchiv
Tulln, Sign. 8/5, 173, 184.
180 Ratsprotokoll Tulln 7. September 1677; zit. nach DASP, Pfarrarchiv Tulln, Sign. 8/5, 177. Ratsprotokoll
Tulln 30. März 1677; Ratsprotokoll 24. August 1678; zit. nach DASP, Pfarrarchiv Tulln, Sign. 8/5,
173, 184. Ratsprotokoll Tulln 7. September 1677; zit. nach DASP, Pfarrarchiv Tulln, Sign. 8/5, 175.
181 KERSCHBAUMER, Tulln I (wie Anm. 20) 60f.
182 Walpurga OPPEKER, Zur Geschichte der Pfarre Langenrohr. In: Hippolytus Neue Folge. St. Pöltner
Hefte zur Diözesankunde 32 (2011) 7–130, hier 78.
Oppeker, Bischofshof 325
183 Ratsprotokoll Tulln 5. September 1679; zit. nach DASP, Pfarrarchiv Tulln, Sign. 8/5, 186.
184 Ratsprotokoll Tulln 30. August, 3. und 12. Oktober 1679; zit. nach DASP, Pfarrarchiv Tulln, Sign.
8/5, 187, 188, 184.
185 Ratsprotokoll Tulln 23. November 1679; zit. nach DASP, Pfarrarchiv Tulln, Sign. 8/5, 190.
186 Ratsprotokoll Tulln 12. Juli 1678; zit. nach DASP, Pfarrarchiv Tulln, Sign. 8/5, 182.
187 ABP, OA B 53, Protocollum functionum episcopalium des Suffraganbischofs Jodocus von Brendt
1670–1681, 179. HEUWIESER, Weihefunktionen (wie Anm. 48) 49–51, 71–75, 120–125, 149–152, hier
150.
326 Oppeker, Bischofshof
liche ordiniert.188 Zu diesem Ereignis hatte der Vikar den Stadtrat eingeladen, wo-
für die Stadt den Kapuzinern 20 Gulden und für die Feier 20 Pfund Rindfleisch, ein
halbes Kalb, 30 Brote, zwei Flaschen Wein und sechs Hühner spendete. Von einem
vom Kloster propagierten Gelübde der Gemeinde, eine jährliche Prozession zu die-
sem Altar abzuhalten, wollte der Stadtrat aber nichts wissen.189
Zur Frage, welche bischöflichen Funktionen Höpffner tatsächlich in Tulln ausübte,
gibt sein Weiheverzeichnis Auskunft.190 Firmungen fanden in vielen verschiedenen
Kirchen, Pfarren und Klöstern statt, wohl oft auch in Verbindung mit Benediktio-
nen von Gotteshäusern, Kapellen, Altären oder Glocken. Eine alljährliche Aufgabe
des Weihbischofs war die Chrisamweihe, die Weihe der heiligen Öle, am Gründon-
nerstag. Diese fand in den Jahren 1670 bis 1677 ausschließlich in der Stiftskirche von
Klosterneuburg statt, während die Zeremonie zwischen 1678 und 1681 in der Kir-
che des kaiserlichen Frauenstifts, des Dominikanerinnenklosters Tulln, durchgeführt
wurde. Ähnlich verhält es sich mit den verschiedenen Priester- und Diakonweihen.
Während in den früheren Jahren die Ordinationen mit vielen Kandidaten in Passau,
sowohl im Dom (November 1671; Juni 1672; September 1672; Oktober 1673) als bei
den Kapuzinern (Oktober 1673) und in der Ilzstadt (März 1674), stattfanden, scheint
Passau dann nur noch einmal 1677 mit 50 Kandidaten in der Liste auf.
In der „unteren Diözese“ fanden die größeren Ordinationen trotz Widerstand des
Propstes Bernhard (1648–1675) vorerst weiterhin in der Stiftskirche von Kloster-
neuburg statt.191 Höpffner musste sich nach dem Tode Geigers (3./4. Juli 1669) noch
als Offizial dieser Probleme annehmen, die ihn dann auch selbst betrafen. Der
Propst hatte dem Suffragan die Durchführung weihbischöflicher Verrichtungen in
seiner Kirche untersagt. „Erhebliche difficultes“ würden dem Stift daraus erwach-
sen, die Gottesdienste und die „horis canonici“ würden gestört, ebenso die „disci-
plina religiosa“ durch die Anwesenheit fremder Weltgeistlicher; der Aufenthalt des
Suffragans und seines Gefolges im Stift würde außerdem große Unkosten verursa-
chen. Der Propst schlug die dem Stift zugehörige Kirche von Heiligenstadt als Al-
ternative vor. Passau lehnte dies ab und verordnete dem Propst, man lasse sich im
Bistum keine Kirche sperren; der Weihbischof solle zur Erleichterung des Konvents
im Wirtshaus Quartier und Zehrung nehmen und im Stift nur die notwendigen An-
gelegenheiten durchführen.192
188 ABP, OA B 53, Protocollum functionum episcopalium des Suffraganbischofs Jodocus von Brendt
1670–1681, 151; HEUWIESER, Weihefunktionen (wie Anm. 48).
189 Ratsprotokoll Tulln 6. August 1677; zit. nach DASP, Pfarrarchiv Tulln, Sign. 8/5, 176.
190 ABP, OA B 53, Protocollum functionum episcopalium des Suffraganbischofs Jodocus von Brendt
1670–1681; HEUWIESER, Weihefunktionen (wie Anm. 48).
191 Dezember 1670; Jänner, Dezember 1671; März, April, Dezember 1672; April, Mai, August 1673;
Februar, März 1674; März, April, Mai, September, Dezember 1675; April, September 1676; April,
September 1677; Mai 1678; Mai 1679.
192 Stiftsarchiv Klosterneuburg, Karton 111, 22v, Nr. 23, 8. Juni 1669; 26. Juli 1669; 6. August 1669;
DAW, Prothocoll Bischöfl. Befehl 1666–1674, Passau, 4. September 1669.
Oppeker, Bischofshof 327
Der Konflikt scheint aber weiter bestanden zu haben. Zwar fügte sich der Propst
in die bischöfliche Anordnung, aber in der Stiftschronik wurden nicht nur die hier
stattgefundenen Ordinationen vermerkt, es wurde auch angegeben, wenn der Suf-
fragan nicht in Klosterneuburg weihte, so am 2. April 1672: „Suffraganeo ordinavit
Tullnae non hic in monasteriio nostro“, weil er vermutlich den Weg nicht wiederho-
len und nochmals diese Mühe und Last auf sich nehmen wollte, oder auch am 22.
September 1674: „ordinavit Tulnae non in nostro mon(asterio)“.193 Interessant sind
für uns die Meldungen, woher Höpffner kam bzw. wohin er sich nach den bischöf-
lichen Aktionen wandte. Sie sind der sichere Nachweis, dass er tatsächlich Tulln
als Residenz und dauernden Wohnsitz betrachtete – und das bereits seit 1672. Im-
mer wieder wird angeführt, er begäbe sich „hinc domo Tulna(m)“ oder auch „hinc
Ref:(ugio) Dom: Suffraganeo in Tulln.“194
Mit dem Rückgang der Ordinationen in Klosterneuburg nahm die Zahl der Weihen
und der Anwärter in Tulln zu. Die Argumente gegen Ordinationen in Tulln waren
wohl schlichtweg auf einen Mangel an geeigneten Geistlichen zurückzuführen, wie
aus einem undatierten Schreiben Propst Bernhards (1648–1675) an Höpffner her-
vorgeht: Er möge nach Tulln ausweichen, wo „die P:P: Capucini, Minoriten vnd bey
denen Pfarrhöfen die Capellan vorhanden sein“, sodass der episkopale Akt „alda
füeglich forgenommen werden khön.“195
Vielleicht war auch sein zunehmendes Alter der Grund, dass Suffragan Höpffner
immer öfter in Tulln die Weihen von Geistlichen vornahm. Diese Tendenz lässt sich
schon ab 1678 deutlich erkennen, da neben Tulln und anderen Orten, wo der Bischof
in Zusammenhang mit anderen Benefikationsakten dann gleich auch Priesterwei-
hen vornahm, Klosterneuburg nur mehr selten genannt wird.
Gerne scheint Höpffner in der kleinen, aber neu erbauten Klosterkirche der Kapu-
ziner in Tulln ordiniert zu haben,196 gelegentlich wurden auch einzelne Kandida-
ten bei den Dominikanerinnen geweiht.197 Die Pfarrkirche wurde zunächst nur ge-
legentlich für Weihen einzelner Personen benützt.198 Erst ab Dezember 1673 fan-
den in St. Stephan größere,199 aber manchmal auch Einzelordinationen statt.200 Von
1678 bis 1681 wurden die Weihen fast ausschließlich und nahezu monatlich in Tulln
193 Stiftsarchiv Klosterneuburg, Karton 219, 2. Rap., Chronik 1611–1677, 2. April 1672, 22. September
1674, ebenso 9. März 1675.
194 Ebd. 17. Dezember 1672, 1. April 1673, 23. September 1673,24. März 1674, 8. Juni 1675, 22.
Dezember 1675.
195 Stiftsarchiv Klosterneuburg, Schachtel 111, 22v, Nr. 23; Klosterneuburg, o. D., Propst Bernhard an
Höpffner.
196 Juli 1671; April 1672; November 1673; April 1676; Juni, August 1677; Jänner, September 1678;
August 1679; Juli 1680; Juni, Oktober 1678.
197 November 1673; Jänner 1677; Oktober 1678; Juli 1679.
198 Juli 1671; Jänner, April, Mai, September 1674.
199 Dezember 1673; September, Oktober, Dezember 1674; März 1675; Februar, Mai, Dezember 1676.
200 April, Mai 1673; September 1673; November 1675; März, Juli, August 1676.
328 Oppeker, Bischofshof
gespendet. Nur im September 1681 fand noch eine größere Zeremonie in Kloster-
neuburg statt. Dass die Tullner Minoritenkirche vom Weihbischof nie zeremoni-
ell genutzt wurde, lag sicher an deren ruinösem Bauzustand. Das Minoritenklos-
ter war damals nur mit vier Patres und zwei Laienbrüdern besetzt, sogar zu wenig
für das ordentliche Chorgebet, und konnte daher nur seelsorgliche Aushilfen leis-
ten.201 So übertrug ihnen Höpffner – wie auch schon sein Vorgänger – die Betreu-
ung des Tullner Pfarrvikariates Langenrohr,202 die das Kloster ab 1650 bis 1705
durchgehend ausübte.203 Außer in den genannten Gotteshäusern spendete Höpff-
ner noch Weihen für einzelne Anwärter in Krems,204 in der dem Stift Klosterneu-
burg zugehörigen Pfarrkirche von Heiligenstadt (März 1671), in Walsegg (Jänner
1673), Laa (Juni 1673), Mauerbach (Jänner 1674), Seitenstetten (April 1674, August
1679), Horn (Juni 1675, Juni 1676), Judenau (September 1675), Stockerau (Novem-
ber 1675) und Petronell (Juni 1678).
Für die cura animarum waren Stadtvikare angestellt, da der Bischof oft abwesend
sein musste. Vikar Simon Zaremba war schon unter Bischof Martin Geiger auf
der Pfarre und ist bis August 1671 in Tulln nachweisbar.205 Er wandte sich danach
ins Waldviertel und erscheint 1681 als Pfarrer in Dobersberg206 und 1689 in Vi-
tis.207 1671 nahm Höpffner Sigismund Engstler auf, der auch noch 1680 hier wirk-
te.208 Im Oktober 1679 begann laut Sterbeprotokoll Joannes Andreas Bürgler, vor-
her Kaplan bei Maria Stiegen in Wien, seinen Vikariatsdienst in Tulln. Er stell-
te dort eine Liste der Pesttoten zusammen.209 Ab 16. Dezember 1682 wird Philipp
Lang Vikar zu Tulln genannt. Er war vorher in Unterkreuzstetten Pfarrer, wo er mit
der Hoyos’schen Herrschaft Probleme bezüglich seiner Bezahlung hatte. 1682 ver-
suchte er an Stelle des „blödsinnigen“ Pfarrers von Thaya dessen Nachfolge anzu-
treten, was daran scheiterte, dass niemand dessen Versorgung übernehmen woll-
te, und er landete schließlich in Tulln.210 Über Lang melden die Ratsprotokolle ei-
nen tragischen Zwischenfall. Am 25. April 1686 wurde nach der Ratswahl der neue
Stadtrichter Franz Hoffmann „während den Mittagsmahl wider alles Verhoffen,
durch Philippum Lang, dermahligen Vicarium, mit etlichen Stichen mit einem Mes-
201 ABP, OA Generalakten 10074, Pfarrberichte aus Niederösterreich, Nr. 5, 22. Februar 1675, Specifi-
catio Ecclesiarum parochialis […] intra et extra oppidum Tulnense […].
202 DAW, PP 98, 1690, Bischöfl. Befehl, 11r, 6. März 1690.
203 OPPEKER, Pfarre Langenrohr (wie Anm. 182) 62–64.
204 November 1670; August 1676; August 1677.
205 Stadtarchiv Tulln, Schachtel 13/27–34, KIRE 43, 1671.
206 DAW, PP 92, 1681, 5r, 15. Jänner 1681.
207 DAW, PP 97, 1689, 156r, 22. Juni 1689.
208 Stadtarchiv Tulln, Schachtel 13/27–34, KIRE 43, 1671; KIRE 48, 1677; KIRE 51, 1680.
209 DASP, Pfarrarchiv Tulln, Sign. 3/3, Sterbebuch 1665–1695, 172, 174.
210 DAW, PP 92, 1681, Crida 31; M PP 93, 1682/83, Pfarrsachen, 30, 10. Juni 1682; 225, 16. Dezember
1682.
Oppeker, Bischofshof 329
ser sehr gefährlich verwundet.“ Erst am 10. Juli konnte Hoffman sein neues Amt
antreten.211 Über die Konsequenzen für Lang ist nichts bekannt.
Neben den Vikaren begleiteten den Weihbischof persönliche Kapläne, wahrschein-
lich vor allem bei seinen zahlreichen Reisen. 1672 wird in Klosterneuburger Unter-
lagen ein Franciscus Wanderer genannt.212 Er muss 1688 im Tullner Dominikaner-
innenkloster verstorben sein und wurde dort in der Kirche bestattet. In den Tullner
Sterbematriken ist sein Tod nicht eingetragen. Er hatte nach dem Tod des Weihbi-
schofs zwei Jahre lang alle Seelenmessen in der Klosterkirche gelesen und der Pri-
orin versprochen, den Konvent zum Erben einzusetzen. Dieses nur mündliche Ver-
mächtnis zog längere Verhandlungen mit dem Konsistorium und den Passauer Ver-
wandten des Kaplans nach sich, bevor die Dominikanerinnen die Erbschaft antre-
ten konnten.213 1681 präsentierte Höpffner seinen Kaplan Caspar Beißer als Vikar
auf die Tullner Filiale Freundorf.214
Doch gab es in Tulln auch so etwas wie ein Privatleben für Weihbischof Höpffner.
So wie er offensichtlich seinen Bruder Georg, als er Dechant in Enns war, dort etab-
lierte, versuchte er anscheinend auch dessen Sohn Johannes Jodocus (Johann Jobst)
an Tulln zu binden. Dieser kaufte 1686 als „Hofrichter zu Enns“ ein Haus am Tull-
ner Breiten Markt (Hauptplatz 29, K. Nr. 112), überließ es aber im gleichen Jahr
wieder der Stadt als Quartierhaus für durchmarschierende Offiziere.215 Laut Bestä-
tigung von Richter und Rat der Stadt hätte der Neffe damals sogar mehrere bürger-
liche Behausungen erworben und daher am 29. Juli 1686 das Bürgerrecht in Tulln
erlangt. Er war mit Helena, der Tochter des Hofrichters des Tullner Frauenklosters
David Rössler, verehelicht.216 Vielleicht war der Tod seiner Frau der Grund, dass er
Tulln so schnell verließ. Er heiratete bereits wieder 1687 in Wien, und zwar Maria
Elisabeth Jörgler.217
Ein weiterer Neffe, Johann Sebastian Höpffner von Brendt, kaiserlicher Stadt- und
Landgerichtsbeisitzer in Wien, hatte ebenfalls Kontakte zu Tulln. Sein bischöflicher
Onkel und sein Schwiegervater, Mag. art. l. et phil. Johann Rudolf Khazy, passaui-
scher Hof- und Gerichtsadvokat und Konsistorialrat am Wiener Konsistorium, rich-
teten ihm und seiner Braut Maria Elisabetha Khazyn am Pfingstmontag 1684 (27.
Mai) eine großartige Hochzeitstafel in Tulln aus. Ein mit flatternden bunten Bän-
dern gebundenes Heftchen beschreibt, leider nur verbal, die Tafeldekoration.218 Ge-
211 Ratsprotokoll Tulln 25. April 1685; zit. nach DASP, Pfarrarchiv Tulln, Sign. 8/5, 303.
212 Stiftsarchiv Klosterneuburg, Karton 219, 2. Rap., Chronik 1611–1677, 2. April 1672.
213 DAW, PP 96, 1688, Crida 2, 16. Jänner 1688; Crida 11, 13. Februar 1688; Crida 69, 3. Dezember 1688.
214 DAW, PP 92, 1681, 38r, 23. Mai 1681.
215 BIACK u. KÖSTLBAUER, Häuserchronik (wie Anm. 67) Konskr. Nr. 112.
216 ABP, OA Generalakten 5016, Nachlass Weihbischof Höpffner, 29. Juli 1686.
217 SCHERHUBER, Manuskriptvorlage (wie Anm. 148).
218 Stiftsarchiv Klosterneuburg, Historische Denkmale, Karton 214, 262/3.
330 Oppeker, Bischofshof
boten wurde ein „Lustgarten auf Ihro Gnaden dem hochwürdigen in Gott geistli-
chen Herrn Herrn Jodoco Bischoffen zu Lambsach der Röm: Kay: May: wie auch
hochfürstl: Passauer: Rath und Weichbischoffen vndt dann Beede Brauth Persoh-
nen“ Johann Sebastian Höpffner von Brendt und Jungfrau Maria Elisabetha Ka-
zin. Der Brautvater hatte ein Programm zusammengestellt „von sinnerischen Bil-
dern aufgerichtet, und bey dem gehaltenen Hochzeith Mahl auf Zucker: und Con-
fect Schallen vorgestellet.“ Zwei Themenkreise von Allegorien richteten sich an
den Weihbischof und das Brautpaar. Während für letztere die Sinnbilder der Lie-
be in 14 Allegorien gedacht waren, sind für uns die sieben Sinnbilder der Ehr mehr
von Interesse, denn diese beziehen sich auf den Weihbischof, sein Wappen und sei-
ne Kirche:
1. Eine Kirche zwischen zwei Vogelflügeln, überhöht durch eine Inful: „Es
kombt dieser Flüegelschatten / Stephans Kürchen wohl zu statten.“
2. Ein Biber hält einen Bischofsstab, darunter liegt ein Wolf, neben dem Lämmer
weiden: „Mit dem Stab tu ich bewahren / Meine Lämblein vor Gefahren.“
3. Aus einem umgedrehten Helm mit brennender Kohle steigt Rauch gegen den
Himmel: „Solchen Kriegs Zeüch feür, vnd Rauch / thuet man gegen Himmel
brauchen.“
4. Auf einem Tisch, den ein Teppich mit dem Höpffnerischen Wappen ziert, liegt
eine Krone, vom Himmel reicht eine Hand eine weitere sehr kostbare Krone:
„Nach der Crone dieser Erden / wird auch die Himmlische zu Theil werden.“
5. Um einen Apfelbaum, an dem ein Biber nagt, windet sich eine Schlange: „Den
Sünden Baumb gar zu fellen / lass ich nicht von dieser Stellen.“
6. Ein Wassermann, der mit einem mit dem bischöflichen Wappen gezierten Ge-
schirr einen Fluss „ausgießt“: „Noch viel lange Jahr, vnd Zeithen / wolle die-
ser Fluss fortschreiten.“
7. Ein Hirschgeweih, in dem eine Hand aus dem Himmel Christus ans Kreuz
stellt: „Dieses Hirschen gestüem zu zieren / thuet sich Christus präsentiren.“
Suffragan Höpffner blieb bis zu einem Alter von 80 Jahren körperlich gesund. Geis-
tig frisch war er auch noch während der 86 Tage seiner Krankheit, als ihn die Kör-
perkräfte verließen.219 Bereits im Dezember 1685 meldete der Vizedechant von St.
Andrä dem Konsistorium, dass Höpffner sehr krank sei und sich keine Hoffnung
auf Gesundung mehr zeige, und bat um entsprechende Instruktionen.220 Noch im
Jänner 1686 ordnete Höpffner an, von den 162 Gulden, die die Stadt ihm schuldete,
sollten 100 Gulden an die Stadtpfarrkirche für seinen „loco sepultura“ fallen, der
Rest an das Minoritenkloster. Am 23. Februar folgte die Meldung, dass der Weih-
bischof um acht Uhr vormittags aus dem Zeitlichen ins Ewige hinüber gegangen
219 Inschrift auf der Grabplatte; zit. nach GEYER, Grabsteine (wie Anm. 141) 78.
220 ABP, OA Generalakten 591, Nachlass Höpffner, 9. Dezember 1685.
Oppeker, Bischofshof 331
sei.221 Er erstickte an einem Katharr.222 Die Pfarrmatriken melden über das Begräb-
nis nur: „Martius den 24, Ihro Gnaden Herr Jodoco Höpffner v: Brendt gewester
Weich Bischoff alhier.“223
Als seine Erben waren die beiden Neffen eingesetzt. Die im Pfarrhof erhobene Hin-
terlassenschaft hatte einen Wert von 2.148 Gulden. An Wertgegenständen fanden
sich neben den bereits erwähnten Einrichtungsgegenständen das Pontifikalkreuz
(80 Gulden), zwei Ringe (48 Gulden), einige vergoldete Silbergefäße und Bargeld.
Die Liste seiner Bibliothek umfasst 28 Seiten.224 Nichts davon dürfte in Tulln ver-
blieben sein. An Legaten wurden in Tulln mit je 100 Gulden das Bürgerspital, die
Kapuziner und die Minoriten bedacht.225
„Verus pater pavpervm svorvmqve clemens benefactor“ – er war ein wahrer Va-
ter der Armen und ein gütiger Wohltäter der Seinen, so beurteilt die Grabinschrift
sein Wirken.
Noch 1682 soll er auch Dechant in Tulln geworden sein. Er verstarb am 15. Oktober
1692 in Passau und wurde dort in der Jesuitenkirche unter dem Ignatiusaltar beige-
setzt.228 Die Inschrift auf dem nicht mehr vorhandenen Grabstein lautete: Episcopus
Selymbriensis, Suffraganeus et Cancellarius Passaviensis, qui 1692 obiit, tumula-
tus in templo societatis Jesu, prout ipse flagitaverat in eandem ecclesiam et biblio-
thecam collegii beneficus.229 Neben anderen Förderungen hatte er seine umfangrei-
che Bibliothek den Passauer Jesuiten zukommen lassen.230
Der Passauer Bischof Sebastian von Pötting (1673–1689) hatte bereits im März 1682
das Offizialat in Wien beauftragt, beim Kaiser ein durch türkische Eroberung va-
kant gewordenes ungarisches Bistum für Stainer zu erwirken.231 Tatsächlich wurde
er aber dann Titularbischof von Selymbriensis und Weihbischof von Passau. Viel-
leicht hing die Ernennung eines zweiten Weihbischofs mit dem bereits fortgeschrit-
tenen Alter des langjährigen Suffragans Jodok Höpffner von Brendt zusammen. Er
zählte 1682 bereits 76 Jahre. Höpffner, der bis zu seinem Tod 1686 im bischöflichen
Amt tätig war, hatte schon in den Jahren vor 1682 seine episkopalen Funktionen fast
ausschließlich in seiner Pfarre Tulln, manchmal auch im Stift Klosterneuburg, aus-
geübt. Nur zu Kirchen- und Altarweihen sowie zu Infulierungen von Klostervor-
ständen reiste er in weiter entfernte Teile des Offizialats unter der Enns, aber nicht
mehr darüber hinaus.232 Auch die Würde des Propstes des Kanonikerstiftes Mattsee
übernahm Stainer von Jodok Höpffner.
Für das Wirken Stainers in der „unteren Diözese“ konnten bisher keine Belege ge-
funden werden. Er wird in dieser Funktion nur einmal erwähnt, als 1689 der neu
gewählte Propst des Chorherrenstiftes St. Pölten hätte infuliert werden sollen. Da
der dafür zuständige Suffragan, eben Johannes Maximus Stainer, offensichtlich in
Passau weilte, suchte der Propst um die Erlaubnis an, sich in Wien weihen zu las-
sen. Nach rechtlichen Überlegungen bezüglich einer Konsekration „extra dioece-
sam per alienum Episcopum“ erteilte der Passauer Bischof ihm dann doch die Li-
zenz, den Wiener Erzbischof Kollonitsch um die Durchführung der Infulierung zu
bitten.233
Das Halbporträt Stainers im Pfarrhof Tulln zeigt einen sehr ernst blickenden Mann
mit hagerem Gesicht in weißer Spitzenalba unter einem dunklen Umhang mit ro-
ten Knöpfen. An bischöflichen Insignien trägt er an einer Kette das Kreuz und am
Finger den Ring. An Stelle einer Inful liegt neben ihm auf einem Tischchen ein
Doktorhut. Trotz des Prädikats „von Pleinfelden“ (auf dem Tullner Porträt heißt
228 LEIDL, Bistum Passau (wie Anm. 5) 223; GATZ, Bischöfe 1648–1803 (wie Anm. 148) 482; http://
regiowiki.pnp.de/index.php/johannes_Stainer_von_Pleinfelden (25.7.2011).
229 K RICK, Domstift Passau (wie Anm. 55) 241.
230 http://de.wikipedia.org/wiki/Staatliche_Bibliothek_Passau#Geschichte (11.7.2011).
231 APB, OA Generalakten 5223, verschiedene Angelegenheiten, Passau, 20. März 1682.
232 HEUWIESER, Weihefunktionen (wie Anm. 48) 149–152, 1679–1681.
233 DAW, PP 97, 1689, Bischöfl. Befehl, 10, 9. Februar 1689.
Oppeker, Bischofshof 333
234 DASP, Pfarrarchiv Tulln, Sign. 8/1, 109r–111v (Abschrift des Baubriefs).
235 Ratsprotokoll Tulln 22. Februar 1684; zit. nach DASP, Pfarrarchiv Tulln, Sign. 8/5, 301.
236 Alois PLESSER, Beiträge zur Geschichte der Pfarre und des Marktes Traismauer. In: Geschichtliche
Beilagen zum St. Pöltner Diöcesanblatt 5 (St. Pölten 1895) 543–680, hier 619f.
237 WEIGLSPERGER, Geschichtliche Beiträge zur Geschichte der Pfarre St. Andrä vor dem Hagenthale. In:
Geschichtliche Beilagen zu den Consistorial-Currenden der Diöcese St. Pölten 1 (St. Pölten 1880)
26–72, hier 48–51.
238 KERSCHBAUMER, Tulln I (wie Anm. 20) 445, Regest DCCLVI, 29. Jänner 1678.
239 DAW, PP 94, 1686, Bischöfl. Befehl, 36, 20. Juni 1686.
334 Oppeker, Bischofshof
240 WEIGLSPERGER, Geschichtliche Beiträge zu der Pfarre Abstetten. In: Geschichtliche Beilagen zu den
Consistorial-Currenden der Diöcese St. Pölten 1 (St. Pölten 1878) 3–25, hier 19.
241 DAW, PP 95, 1687, Pfarrsachen, 281, 26. November 1687.
242 DAW, PP 96, 1688, Crida, 69; PP 97, 1689, Pfarrsachen, 18f, 19. Jänner 1689.
243 DAW, PP 98, 1690, Bischöfl. Befehl, 11, 17. März 1690.
244 DAW, PP 99, 1691, Pfarrsachen, 231f, 16. Mai 1691.
245 DAW, PP 98, 1690, Pfarrsachen, 125f, 14. April 1690.
246 DAW, PP 99, 1691, Pfarrsachen, 276, 22. Juni 1691.
247 DAW, PP 100, 1692, Pfarrsachen, 106f, 21. März 1692.
248 DAW, PP 100, 1692, 178f, 21. März 1692.
Oppeker, Bischofshof 335
durfte er seine Bücher und Kleider aus Tulln holen, woraufhin er von seinem Or-
den nach Ungarn versetzt wurde.249 Ihm folgte in Tulln Andreas Weiß als Vikar.250
Ein Leidtragender der Nichtbesetzung der Pfarre Tulln war auch der Neffe und Erbe
des Weihbischofs Höpffner, Johann Jobst Höpffner. Er wandte sich 1691 mit dem
Ersuchen an das Bistum Passau, ihm den restlichen Betrag aus dem Baubrief des
Onkels auszuzahlen, „weillen dann ermelte Pfarr Thuln von solcher Zeit an durch
kheinen stetten Pfarrer versehen worden, ich auch nicht wissen khann, wann da-
hin ein beständiger Successor gelangen dörffte.“251 Die Begleichung dieses Betra-
ges wäre Verpflichtung der nachfolgenden Pfarrer gewesen.
Auch die Geduld der Bürgerschaft war nun zu Ende. Im Herbst 1692 schrieb die
„sehr unglücklichseelig hiesige Statt Tuln, sambt der gesambten Pfarr Mennig“ an
Bischof Johann Philipp von Lamberg: „[…] von Zeit des abgeleibten Herrn Höpff-
ners, gewesten Dechanten vnd Suffraganei allhier seel: bis anhero mit denen vnß-
gesetzten vnderverschiedtlichen Vicarien, weren schlecht vollzognen geistlichen
Functionen, auch gähen Veränderungen vnd amotionen gewesen! Ist mehr als
zuviel dem Venerabili Consistorio in Wien bekandt.“ Und sie bitten, „mit einem
würcklichen Pfarrer, oder Dechant dermahl begnadet zu werden vmb damit wir
ohne würcklich vnd beständig Seelsorgers verrers nicht, wie bishero trostlos ver-
bleiben möchten.“252
Über die Gründe der langen Vakanz der Pfarre kann man nur spekulieren. Stainer
von Pleinfelden übernahm sie aus unbekannten Motiven nie. Warum Fürstbischof
Johann Philipp von Lamberg nach dessen Tod keinen neuen Weihbischof ernann-
te, wissen wir nicht. Vielleicht lag es daran, dass er sich mehr zur weltlichen Macht
hingezogen fühlte als zur seelsorglichen Betreuung des Bistums, vielleicht auch da-
ran, dass sich keine Kandidaten aus seiner Familie, die er immer sehr protegierte,
anboten. Erst als einer seiner Neffen im Kapuzinerorden die geistliche Laufbahn
beschritten hatte,253 bemühte er sich, ihn zu seinem Suffragan zu ernennen, was
1701 auch gelang.
Nach insgesamt fünfzehn Jahren änderte sich die pfarrliche Situation der Stadt
Tulln, Administration und Seelsorge wurden 1701 wieder einem Weihbischof über-
geben.
249 DAW, PP 100, 1692, 118f, 28. März 1692; 161, 7. März 1692.
250 DAW, PP 100, 1692, Pfarrsachen, 313, August 1692.
251 ABP, OA Generalakten 1869, Verlassenschaft Jodok von Prendt, 16. November 1691.
252 DASP, Pfarr- und Klosterakten Tulln 1 (1518–1853), 18. September 1692.
253 Johann Raymund Guidobald Graf von Lamberg.
336 Oppeker, Bischofshof
sonders auffällig ist die häufige Präsenz der Familie Lamberg, die drei Suffragane
als Pfarrherren stellte, welche ihrerseits von zwei Passauer Fürstbischöfen aus die-
sem Geschlecht in diese Position eingesetzt worden waren.
Die Lamberg sind eine alte, weit verzweigte und äußerst kinderreiche Familie, die
ursprünglich aus der Steiermark stammt.254 Trotz der starken Aufsplitterung scheint
ein enger Familienzusammenhang gepflegt worden zu sein. Man war bestrebt, die
Verwandtschaft in gehobenen Positionen im Hof-, Kriegs- und Kirchendienst un-
terzubringen und durch die Auswahl der Ehepartner sowohl finanzielle Vorteile als
auch möglichst große Nähe zur Macht zu erlangen. Diese Bestrebungen treten be-
sonders bei Fürstbischof, später Kardinal Johann Philipp von Lamberg hervor, wie
man seiner Korrespondenz mit Familienmitgliedern entnehmen kann.255 Einfluss-
nahmen werden nicht nur im höfisch-diplomatischen Bereich, sondern auch im ge-
häuften Auftreten von Familienmitgliedern in hohen geistlichen Positionen deut-
lich.
Johann Philipp Reichsfreiherr, seit 1667 Reichsgraf von Lamberg (1652–1712)
stammt aus der Ortenegger Linie auf Steyr, die auch in Salzburg und Tirol begü-
tert war. Sein Vater war kaiserlicher Obersthofmeister. 1690 wurde er Bischof von
Passau, 1700 Kardinal. Seine Interessen lagen weniger im seelsorglichen Wirken
als im Bestreben nach weiterer Karriere bei Hof.256 Seinen Neffen, Joseph Domi-
nikus Reichsgraf von Lamberg (1680–1761),257 ernannte er 1703 zum Offizial für
Österreich unter der Enns, 1708 für das Land ob der Enns. Joseph Dominikus war
nach dem Tod Johann Philipps 1712 als Bischof von Seckau einer der Kandidaten
254 Der steirische Zweig spaltete sich in einige Linien, eine davon war in Krain begütert. Aus dem Gut-
tenbergischen Ast entstammt Weihbischof Anton Joseph von Lamberg. In Niederösterreich saß ein
Familienzweig auf Ottenstein, in Oberösterreich war Steyr der Hauptsitz, in Tirol Kitzbühel, von
dort kam Weihbischof Johann Raymund Guidobald von Lamberg. In Salzburg hatten Vertreter der
Familie seit dem 17. Jahrhundert das Amt des Erbtruchsess inne und stellten zahlreiche Domher-
ren. – Über die Verwandtschaftsverhältnisse gibt es widersprüchliche Aussagen; an neueren ge-
nealogischen Untersuchungen sind hervorzuheben: http://genealogy.euweb.cz/lamberg/lamberg2.
html; http://genealogy.euweb.cz/lamberg/lamberg4.html; http://genealogy.euweb.cz/lamberg/lam-
berg8.html; http://www.salzburg.com/wiki/index.php/lamberg (alle November 2012). Ältere Litera-
tur: Jahrbuch der K.K. Gesellschaft Adler NF 5+6 (Wien 1895) 175–201; Johann Heinrich ZEDLER,
Grosses vollständiges Universal Lexicon 16 (1737) Sp. 168–297; Constantin von WURZBACH, Biogra-
phisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich 14 (Wien 1865) 21–46.
255 Klaus MÜLLER, Habsburgischer Adel um 1700. Die Familie Lamberg. In: MIÖG 32 (1979) 78–108,
bes. 82ff. Müller beschäftigt sich hier mit den Aktivitäten Johann Philipps von Lamberg betreffend
Einflussnahme am Hof im weitesten Sinne, also im weltlichen Bereich, für sich und seine Familie.
256 Zu Kardinal Johann Philipp von Lamberg: Franz NIEDERMAYER, Johann Philipp von Lamberg, Fürst-
bischof von Passau (1651–1712) = Veröffentlichungen des Instituts für ostbairische Heimatforschung
in Passau (Passau 1938); LEIDL, Bistum Passau (wie Anm. 5) 122–125; GATZ, Bischöfe 1648–1803
(wie Anm. 148) 255f.
257 Zu Joseph Dominikus von Lamberg: WEISS, Kardinal Joseph Dominikus von Lamberg (wie Anm.
5); LEIDL, Bistum Passau (wie Anm. 5) 129–135; GATZ, Bischöfe 1648–1803 (wie Anm. 148) 257–
259. Zum Porträt: Gregor M. LECHNER, Das geistliche Porträt. Ausstellung des Graphischen Kabi-
netts Göttweig (Göttweig 1986) 76f, Nr. 85.
Oppeker, Bischofshof 337
für den Passauer Bischofstuhl, den er aber erst 1723 erlangte.258 Der mit ihm ver-
schwägerte Alois Fürst Harrach, Landmarschall von Niederösterreich, intervenier-
te 1723 nach dem Tod des Passauer Bischofs Rabatta sofort erfolgreich für ihn beim
Kaiser, noch bevor Joseph Dominikus selbst von diesem Ereignis in Seckau erfah-
ren hatte. Die 1716 verstorbene Mutter Alois Harrachs war eine Tante Joseph Do-
minikus’ und seine Tochter war mit dessen älterem Bruder verheiratet. Der Kaiser
wieder hatte größtes Interesse, „Stadt und Hochstift Passau, die seit 1598 Domäne
des erbländischen Adels waren und die man als „Schlüssel zu den österreichischen
Ländern“ ansah, nicht in die Hände eines bayerischen Prinzen gelangen zu lassen.“
259
Der Gegenkandidat war der Sohn des Kurfürsten Max Emanuel von Bayern, Bi-
schof Johann Theodor von Regensburg.
Johann Raymund Guidobald von Lamberg, als Kapuziner Pater Rupert, kam – zwar
verwandtschaftlich etwas weiter entfernt – auch aus einer der Salzburger Linien. Jo-
hann Philipp erhob ihn 1701 zum passauischen Weihbischof. Der Neffe von Fürst-
bischof Johann Philipp, Franz Anton von Harrach (1665–1712), wurde 1706 Erz-
bischof von Salzburg. Das hatte allerdings vorübergehend zu Verstimmungen ge-
führt, denn Johann Philipp hatte sich ebenso wie Franz Anton von Harrach 1705 um
die Salzburger Koadjutorie beworben und war dem Neffen unterlegen.260 Die ver-
sippten Familien Lamberg und Harrach hatten damals, sieht man von den beiden
Zwergbistümern Wien und Wiener Neustadt ab, die bischöfliche Obrigkeit über die
österreichischen Länder in ihren Händen.
Fürstbischof Joseph Dominikus von Lamberg setzte diesen Nepotismus, die ver-
wandtschaftliche Förderungspolitik, ebenso fort und ernannte seinen jüngsten Bru-
der, Franz Alois Ignaz von Lamberg (1692–1732), Kanonikus in Passau und Salz-
burg, 1725 zu seinem Suffragan. Auch den nächsten Weihbischof, Anton Joseph
Reichsgraf von Lamberg (1687–1755), nahm er 1733 aus dem familiären Umfeld,
aus dem Laibacher Zweig der Lamberg.
Die erste Stufe zur Anwartschaft auf diese geistlichen Ämter war für zahlreiche
Lambergsöhne die Aufnahme als Kanoniker in die Domstifte in Passau und Salz-
burg261 bereits als Kinder oder Jugendliche, auch wenn die geistliche Laufbahn
dann nicht immer weiter verfolgt wurde.262
nur zwei Söhne hervorgegangen waren, scheint wohl keiner davon für die geistliche
Laufbahn bestimmt gewesen zu sein.
Johann Raymund Guidobald studierte angeblich Rechtswissenschaften269 und
schlug anschließend die militärische Laufbahn ein. Als „Capitaneus“, kaiserlicher
Rittmeister, war er sechs Jahre lang in den blutigen ungarischen Türkenkriegen un-
ter Feldmarchschall Harrant270 tätig.271 Danach kam er zurück nach Salzburg, und
Erzbischof Max Gandolf von Kuenburg ernannte ihn zum Hofrat und Kämmerer
– Positionen, die er auch noch unter Johann Ernst Graf Thun innehatte und die er
ebenso wie seine illustre Herkunft so verabscheute, dass er körperlich und seelisch
darunter litt. Unter der spirituellen Führung der Salzburger Kapuziner entschloss er
sich, um Aufnahme in den Orden zu bitten. Er wollte, wie es das Mortuale der Pro-
vinz ausdrückt, mit der Toga der Armut bekleidet den Dienst für weltliche Könige
mit dem Dienst für den himmlischen König tauschen.272 Das Noviziat verbrachte
Johann Raymund Guidobald in Meran; dort wurde er in Anwesenheit seiner Eltern
und seines Bruders am 13. Dezember 1687 im Alter von 25 Jahren als P. Rupert von
Laufen eingekleidet. Zum Subdiakon wurde er in Wien am 23. Oktober 1690, zum
Priester ebenfalls in Wien am 23. September 1691, karenziert von zwei noch nicht
absolvierten Ordensjahren, geweiht.273 Nach Beendigung seiner theologischen Stu-
dien war er durch 14 Jahre als Prediger (Concionator) pastoral tätig. Bereits 1697
wollte ihn sein „Vetter“ Kardinal Johann Philipp von Lamberg zum Weihbischof
für die Diözese Passau ernennen, scheiterte aber vorerst am Widerstand des Dom-
kapitels. Vermutlich war Johann Raymund Guidobald dort kein Mitglied gewesen –
im Allgemeinen eine der Voraussetzungen für eine derartige Berufung. 1699 wird
„P. Rupertus Capuciner“ in den Passauer Protokollen als „erkhlärter khünfftiger
Weychbischoff“ bezeichnet und schon mit Tulln in Verbindung gebracht.274 Am 9.
Mai 1701 stellte das päpstliche Konsistorium die Ernennungsurkunde zum Bischof
269 Ich folge HOHENEGGER, Kapuziner-Provinz (wie Anm. 264) 548f, der die Protokollbücher der Tiroler
Provinz als Unterlagen verwendet hat. Das Studium kann nur ganz kurz gewesen sein, wenn man
die Jahre der anschließenden Tätigkeiten addiert.
270 K.u.k. Oberösterreichisch-Salzburgisches Dragoner-Regiment „Kaiser Ferdinand I.“ Nr. 4. Der Ver-
band war im 17. Jahrhundert als Harrant-Cürassiere für die kaiserlich-habsburgische Armee errich-
tet worden; http://www.google.at/#hl=de&sclient=psy-ab&q=feldmarschall+Harrant&oq=feldmar-
schall+Harrant&gs_l= serp.12...119 (5.4.2013); http://www.dragoner.at/geschichte.html (5.4.2013).
Am 2.12.1672 von Leopold I. durch Feldoberst Christoph-Wilhelm, Freiherr von Palschitz und We-
sernitz errichtet; ab 1682 Aeneas Silvius Piccolomini Regimentsinhaber; wichtige Schlachten: 1683
Wien, 1687 Mohacs, 1688 Brod, Belgrad.
271 DASP, Pfarrarchiv Tulln, Sign. 3/4, Sterbebuch 1723–1785, 35, 6. April 1725: In diesem Nachruf
wird von sechs Jahren Kriegsdienst, drei Jahren als Hofrat in Salzburg und 11 Jahren als Kapuziner
gesprochen.
272 Archiv der Tiroler Kapuziner-Provinz Innsbruck, Mortuale Tom. II, 1668–1742, 125.
273 V. STEIDLE, Kompendium. Mitglieder-Verzeichnis der Tiroler Kapuziner-Provinz vom Allerheiligsten
Altarsakrament 1593–1941, Cat. Nr. 1042.
274 DAW, PP 107, 1699, Pfarrsachen, 98, 13. März 1699.
340 Oppeker, Bischofshof
275 KEIBLINGER, Reihenfolge der Weihbischöfe (wie Anm. 50) 24: Titularbistum Aulon oder Aulona,
Aulona navalis, Valona, Vallona in Albanien, war in Epirus nova am Meer gelegen. http://
de.wikipedia.org/wiki/Aulon_ (Titularbistum): Aulon geht zurück auf ein früheres Bistum in
Griechenland, das der Kirchenprovinz Athen zugeordnet war (5.2.2013).
276 HOHENEGGER, Kapuziner-Provinz (wie Anm. 264) 469–476.
277 Zit. nach HOHENEGGER, Kapuziner-Provinz (wie Anm. 264) 475.
278 Zit. nach HOHENEGGER, Kapuziner-Provinz (wie Anm. 264) 475.
Oppeker, Bischofshof 341
1725 in der Gruft des Kapuzinerklosters in Tulln beigesetzt. Sicher pflegte er auch
sonst Kontakte zum Tullner Konvent, es gibt darüber aber keine Nachrichten.279 Al-
lein ein Bericht aus dem Pfarrarchiv Ybbs, eine genaue Beschreibung der Firmung
1708, erzählt, dass beim Einzug des Bischofs in die Kirche der Guardian des Tull-
ner Kapuzinerklosters dem Zug voran schritt.280
Auch die Bindung an seine Salzburger Heimat bestand offensichtlich weiter, denn
1714 verlieh der Salzburger Dompropst Carl Joseph von Khuenburg dem „Bischof
Johann Reimundt von Aulon, passauischer Suffragan“ vier Güter „zu Grödich“ zu
Ritterlehen.281
Wie Unterlagen im Lambergarchiv des Steiermärkischen Landesarchivs nahe le-
gen, war Bischof Raymund als Adlatus seines Onkels Kardinal Johann Philipp
(1689–1712) beim Reichstag in Regensburg (Januar 1713 bis Mai 1714) tätig.282 Er
wurde offensichtlich vom Onkel – und anfangs wohl auch von dessen Nachfolger –
mehr für politische als seelsorgliche Arbeiten eingesetzt, was zu Missständen in der
episkopalen Betreuung des Bistums führte. Fürstbischof Raymund Ferdinand Graf
Rabatta (* 1669, Bischof 1713–1722) widmete sich aber bald mehr den seelsorgli-
chen und pontifikalen Aufgaben als sein Vorgänger und trachtete danach, die Kir-
chenzucht wieder herzustellen. Gemeinsam mit seinem Weihbischof sorgte er per-
sönlich für die Spendung der Firmung.283
Aus den sporadischen Meldungen in den Passauer Protokollen kann man auf Miss-
stände bei den quartalsmäßigen Ordinationen von Klerikern schließen. 1713 wird
über den Mangel an Geistlichen geklagt, der Weihbischof wäre unabkömmlich –
wohl wegen des schon erwähnten Aufenthalts in Regensburg –, man möge einen
fremden Bischof ersuchen. Der solle an einem beliebigen Ort in der Diözese die
Weihen durchführen, denn der Wiener Bischof verlange von den Kandidaten ei-
nen Revers, im Falle des Ausbruches der „Contagion“, der Seuche, ihren geistli-
chen Dienst in Wien zu verrichten.284 Im Jahr darauf, 1714, versprach Suffragan
Lamberg, da seit geraumer Zeit in Unterösterreich keine Ordinationen stattgefun-
den hätten, kommende Quatember in der Pfarrkirche Tulln die Weihen durchzu-
279 Roderich GEYER, Das Kapuzinerkloster in Tulln 1635–1787 = Beiträge zur Kirchengeschichte
Niederösterreichs 4 (St. Pölten 2000) 41 führt nur an, dass Weihbischof Raymund von Lamberg in
der Gruft der Kirche beigesetzt wurde, seine Verdienste um das Kloster sind nicht bekannt.
280 Joseph FUCHS, Beiträge zur Geschichte der landesfürstlichen Pfarre Ybbs. In: Geschichtliche
Beilagen zum St. Pöltner Diöcesanblatt 7 (St. Pölten 1903) 71–264, hier 143.
281 Landesarchiv Salzburg, Salzburg, Domkapitel (1139–1800), Sign. SLA, OU 1714 V 25.
282 Reiner PUSCHNIG, Das gräflich Lamberg’sche Archiv aus Schloss Feistritz, zu Johann Raymund v.
Lamberg persönliche Akten 1702–1720, weitere Herrschaftsakten Pfleggericht Itter, Hofmark Trü-
benbach; http://www.landesarchiv.steiermark.at/cms/dokumente/11683964_77969250/6f131cae/
22%20bis%2071%20aus%20Mitteilungen%205-Das%20gr%C3%A4flich%20Lambergsche%20
Archiv%20aus%20Schlo%C3%9F%20 Feistritz.pdf (18.9.2012). Der Bestand konnte im Rahmen
dieser Arbeit nicht eingesehen werden.
283 LEIDL, Bistum Passau (wie Anm. 5) 128.
284 DAW, PP 121, 1713, Bischöfl. Befehl, 105, 13. Dezember 1713.
342 Oppeker, Bischofshof
285 DAW, PP 122, 1714, Bischöfl. Befehl, 90, 19. September 1714.
286 DAW, PP 123, 1715, Bischöfl. Befehl, 29v, 30r, 20. Februar 1715.
287 DAW, PP 125, 1717, Bischöfl. Befehl, 34, 22. Jänner 1717.
288 DAW, PP 125, 1717, Bischöfl. Befehl, 53, 26. Juni 1717; 59r, 8. September 1717.
289 DAW, PP 126, 1718, Bischöfl. Befehl, 47v, 48, 28. November 1718.
290 DAW, PP 124, 1716, Bischöfl. Befehl, 31, 27. Oktober 1716.
291 DAW, PP 125, 1717, Bischöfl. Befehl, 19, 26. Mai 1717.
292 FUCHS, Pfarre Ybbs (wie Anm. 280) 142f.
Oppeker, Bischofshof 343
te,293 und vom Juni 1717 haben wir wieder Nachricht von einer Massenfirmung mit
6.300 Personen in Waidhofen an der Thaya.294 Altarweihen führte er auch bei den
Franziskanern in Neulengbach295 und 1722 in der Pfarrkirche von Ybbs durch.296
An Konsekrationen von Gotteshäusern sind bisher die der Institutskirche der Eng-
lischen Fräulein in St. Pölten 1718297 und der Schlosskapelle von Hirschbach am 19.
August 1723 bekannt.298 Was die Einsetzung von Klostervorstehern betrifft, wis-
sen wir, dass er 1721 den Herzogenburger Propst Leopold von Planta infulierte.299
Zu Planta scheint ein engeres Verhältnis bestanden zu haben, denn er ist der ein-
zige Prälat, der 1725 unter den Teilnehmern seiner Beisetzung in Tulln namentlich
angeführt wird.300
Vielleicht aus der Zeit um 1717 stammt ein Dokument, das sich wieder mit ausstän-
digen Firmungen beschäftigt und ein erhellendes Licht auf die wirtschaftlichen Zu-
stände in der Stadt Tulln sowie die „episkopale“ Präsenz wirft. Auf Vorwürfe, es
werde in der Passauer Diözese zu wenig gefirmt und die Kandidaten müssten an-
derswohin ausweichen, ließ Weihbischof Raymund durch ein öffentliches Attest
ausrichten, es sei allgemein bekannt, dass die „Tullner Caplän, als andere Domes-
tiquen die auf dem Wasser vorbeyfahrende Leuth öffters angeschrien und ermanet
haben, sie sollten zu Thuln anlanden und sich alda fürmen lassen, diese hingegn zur
Antwort zurückgegeben, daß sie von darumen lieber nach Wienn sich pflegen, weil-
len daselbst solche fürmgötten zu finden und anzutreffen seyen, vonb den sye reich-
lich beschenkhet werden, welches zu Thuln nicht geschehen würde.“301
Weihbischof Johann Raymund von Lamberg erhielt die „freye Collations Pfarr
Thulln und Abstetten“ am 31. Juni 1701 offiziell verliehen.302 In spiritualiter wur-
de er vor dem Hochaltar der Kirche im Beisein des Stadtrates und der „Pfarrmä-
293 Franz WEIGLSPERGER, Geschichte der Pfarre und des Marktes Langenlois. In: Geschichtliche Beilagen
zu den Diöcesan-Currenden der Diöcese St.Pölten 1 (St. Pölten 1878) 458–566, hier 543.
294 Alois PLESSER, Beiträge zur Geschichte der Pfarre Waidhofen an der Thaya. In: Geschichtliche
Beilagen zum St. Pöltner Diözesanblatt 10 (St. Pölten 1928) 281–636, hier 379.
295 KEIBLINGER, Reihenfolge der Weihbischöfe (wie Anm. 50) 24.
296 FUCHS, Pfarre Ybbs (wie Anm. 280) 194.
297 ERDINGER, Kurze Geschichte der Englischen Fräulein überhaupt und des Instituts in St. Pölten
insbesondere. In: Geschichtliche Beilagen zum St. Pöltner Diöcesanblatt 2 (St. Pölten 1885) 1–34,
hier 9.
298 Alois PLESSER, Beiträge zur Geschichte der Pfarre Hirschbach. In: Geschichtliche Beilagen zum St.
Pöltner Diöcesanblatt 7 (St. Pölten 1903) 519–551, hier 523.
299 Wolfgang Hans PAYRICH, Das Stift Herzogenburg (Dipl. Linz 1987) 215: Infulation am 12. Oktober
1721 in Tulln.
300 DASP, Pfarrarchiv Tulln, Sign. 3/4, Sterbebuch 1723–1785, 35, 6. April 1725.
301 Zit. nach WEISS, Kardinal Joseph Dominikus von Lamberg (wie Anm. 5) 124. Leider wird für dieses
Zitat keine Quellen- und Zeitangabe gegeben; sollte es aus der Regierungszeit des Kardinals Joseph
Dominikus stammen, dann kämen nur 1723 oder 1724 in Frage (Weihbischof Raymund stirbt am 6.
April 1625).
302 DAW, PP 109, 1701, Bischöfl. Befehl, 18, 16. Juni 1701.
344 Oppeker, Bischofshof
303 DASP, Pfarr- und Klosterakten Tulln 1 (1518–1853), Wien, 3. August 1701.
304 DAW, PP 107, 1699, Pfarrsachen, 98, 13. März 1699.
305 In BIACK u. KÖSTLBAUER, Häuserchronik (wie Anm. 67) nicht auffindbar.
306 DAW, PP 114, 1706, Pfarrsachen, 238f; PP 120, 1712, Pfarrsachen, 61f, 22. Jänner 1712.
307 Ratsprotokoll Tulln 4. September 1716; zit. nach DASP, Pfarrarchiv Tulln, Sign. 8/6, 73.
308 BIACK u. KÖSTLBAUER, Häuserchronik (wie Anm. 67) Konskr. Nr. 6, Wiener Straße 18.
309 DASP, Pfarrarchiv Langenrohr, KIRE 1.
310 DAW, PP 254, Prothocollum der Außgefertigten Approbationen pro cura animarum 1686–1711, 125.
Oppeker, Bischofshof 345
während er Zucalli zu seinem Zeremoniär ernannte.311 Auf ihn folgte 1711 Johann
Franz Holzmayer,312 der 1713 auf das passauisch-domkapitlische Vikariat Zwenten-
dorf wechselte.313 An seiner Stelle wurde Franciscus Mathias Lagler präsentiert,314
der 1718 nach Abstetten ging. Ihm folgte der Kaplan von Asperhofen, Johann Chris-
toph Angler,315 der das Amt des Vikars bis 1728 ausübte.
Am 2. März 1725 meldete das Konsistorium nach Passau, dass sich der Tullner
Weihbischof „ad Consilium Medicorum“ wegen seiner „nach einer Zeit hero zu-
gestoßener Leibs Unpäslichkeit“ nach Wien begeben hätte. Man habe ihm zu ei-
ner Kur geraten, weshalb er die vor Ostern anstehenden Ordinationen nicht wer-
de durchführen können. Das Konsistorium schlug vor, einen in Wien befindlichen
fremden Bischof um die Erledigung der episkopalen Funktionen zu ersuchen und
aus der Offizialatskasse zu bezahlen.316 Offenbar war der Gesundheitszustand so
bedenklich, dass sowohl der Passauer Bischof wie das Konsistorium bereits sein
Ableben in Betracht zogen und eine Einmischung der Regierung betreffend die
Aufnahme der Verlassenschaft befürchteten, falls der Suffragan in dem unbefrei-
ten Haus, in dem er sich einlogiert hatte, versterben sollte. Da im Passauerhof kein
Platz war, quartierte er sich daraufhin bei den Wiener Minoriten ein, kehrte aber
nach den Untersuchungen wieder nach Tulln zurück. Für die Durchführung der an-
stehenden Ordinationen und die Weihe der Heiligen Öle wollte man die in Wien
weilenden ungarischen Bischöfe ersuchen. Da diese aber selbst für diese Zeremoni-
en zurück in ihre Diözesen mussten, scheinen die Ordinationen ausgefallen zu sein,
um die Ölweihe am Gründonnerstag wurde der Bischof von Wiener Neustadt gebe-
ten.317 In Anbetracht der Lage beschloss Fürstbischof Joseph Dominikus bereits im
März 1725, nach Ostern selbst nach Unterösterreich zu kommen, um die im Vor-
jahr begonnenen bischöflichen Tätigkeiten persönlich fortzusetzen. Als erste Stati-
on war das kaiserliche Lustschloss Ebersdorf (Kaiserebersdorf) vorgesehen, dann
311 Ebd. 165v; DAW, PP 166, 1702, Pfarrsachen, 58, 25. Februar 1702.
312 DAW, PP 254, Prothocollum der Außgefertigten Approbationen pro cura animarum 1686–1711, 182v,
12. Juni 1711.
313 DAW, PP 121, 1713, Bischöfl. Befehl 28f, 1. Dezember 1713.
314 DAW, PP 255, Prothocollum der Außgefertigten Approbationen pro cura animarum de Anno 1712–
1735, 15v, 20. Dezember 1713.
315 Ebd. 43v, 25. Juni 1718.
316 ABP, OA Generalakten 4517, Nachlass Johann Raimund Gr. Lamberg 1725–1735, Passau, 3. März
1725.
317 Ebd. Wien, 9. März 1725; Passau, 13. März 1725. – Die Ungarische Hofkanzlei befand sich in Wien,
die Bischöfe hielten sich wohl als Mitglieder der ungarischen Landtafel hier auf. Im Akt angeführt
werden Bischof Georg Branyuk von Zagrab (1723–1748), Bischof Johann Antalffy von Siebenbür-
gen (1724–1728), Bischof Peter Bakith von Bosnien (1716–1749), Bischof Ladislaus Adam Erdödy
von Neutra (Bischof 1706–1736, Vizekanzler der Ungarischen Hofkanzlei 1720–1725, Hofkanzler
von 14. bis 21. Februar 1725) und Bischof Emerich Ersterházy von Wesprim (Bischof 1723–1725,
zwischen 14. und 21. September 1725 auch Hofkanzler, 1725 Erzbischof von Gran und Primas von
Ungarn). – Für diese Auskünfte danke ich ganz herzlich Dr. Istvan FAZEKAS, HHStA Wien.
346 Oppeker, Bischofshof
ging es weiter über Schwechat und Fischamend bis Hainburg (Kirchenweihe, Fir-
mung), von Bruck an der Leitha (Kirchenweihe) nach Baden, Heiligenkreuz und
über St. Pölten nach Lilienfeld.318
Weihbischof Johann Raymund von Lamberg verstarb in Tulln am 6. April 1725 um
neun Uhr in der Früh im Alter von 66 Jahren weniger 16 Tagen an der Wassersucht.
In den Totenprotokollen ist ihm ein langer Nachruf gewidmet, der seine Verdienste
hervorhebt und ihn als Senior der „illustrissima Familia de Lamberg“ bezeichnet.
Er wurde am 8. April auf seinen Wunsch hin in der Kirche der Tullner Kapuziner
„in vesta simplici et lacera Capucinorum“, also im bescheidenen Ordenskleid, bei-
gesetzt.319 Nach der Aufhebung des Konvents 1787 wurde ein Teil der Kirche abge-
rissen, die Gruft geräumt und die Gebeine der dort Bestatteten in einem Massen-
grab auf dem neuen Stadtfriedhof beigesetzt.
Aus den Verhandlungen über die Verlassenschaft des Weihbischofs erfahren wir,
dass in Tulln die Passiva die Aktiva übertroffen haben und daher die Effekten und
Mobilien licitando an den Meistbietenden verkauft werden sollten.320 So wurden
seine Bücher um 200 Gulden an den Buchhändler Pitsch veräußert.321
318 ABP, OA Generalakten 3437, Passau, 3. März 1725; Wien, 7. März 1725.
319 DASP, Pfarrarchiv Tulln, Sign. 3/4, Sterbebuch 1723–1785, 35, 6. April 1725.
320 DAW, PP 134, 1726, Cridasachen, 32, 8. Mai 1716.
321 DAW, PP 136, 1728, Cridasachen, 55, 9. Juli 1728.
322 http://genealogy.euweb.cz/lamberg/lamberg8.html (5.12.2012); nach WEISS, Kardinal Joseph
Dominikus von Lamberg (wie Anm. 5) 62 wäre er das 19. und letzte Kind des Ehepaares gewesen.
323 WEISS, Kardinal Joseph Dominikus von Lamberg (wie Anm. 5) 62. Was weitere biographische
Angaben betrifft, folge ich, soweit nicht anders zitiert, LEIDL, Bistum Passau (wie Anm. 5) 224;
GATZ, Bischöfe 1648–1803 (wie Anm. 148) 255.
Oppeker, Bischofshof 347
324 Harrachs Mutter war Johanna von Lamberg, eine Schwester von Franz Aloys’ Vater.
325 https://de.wikipedia.org/wiki/Nilopolis_(Titularbistum): Nilopolis (ital.: Nilopoli) ist ein
Titularbistum der römisch-katholischen Kirche. Es geht zurück auf ein früheres Bistum der
gleichnamigen antiken Stadt in der spätantiken römischen Provinz Aegyptus Herculea oder Arcadia
in Mittelägypten. Der Bischofssitz gehörte der Kirchenprovinz Oxyrynchus an (14.12.2012).
326 Thomas AIGNER, Von der Real- zur Titularpropstei – Stift Ardagger im 17. und 18. Jahrhundert. In:
Kollegiatstift Ardagger – Beiträge zur Geschichte und Kunstgeschichte = Beiträge zur Kirchenge-
schichte Niederösterreichs 3 (St. Pölten 1999) 335–349, hier 343f. LEIDL, Bistum Passau (wie Anm. 5)
224 und GATZ, Bischöfe 1648–1803 (wie Anm. 148) 255 geben das Todesdatum mit 6. Oktober 1732
an.
327 Wiener Kirchenzeitung „Der Sonntag“ 21, 26. Mai 2013, 12.
328 WEISS, Kardinal Joseph Dominikus von Lamberg (wie Anm. 5) 133.
348 Oppeker, Bischofshof
Pölten.329 Ein Chorherr des Stiftes St. Andrä an der Traisen, Anton Götz, Pfarrer
von Hirschbach, war von ihm zum Priester geweiht worden.330
Ob es sein Bischofsring war, den er um 3.000 Gulden vom Wiener Goldschmied Jo-
hann Peter Winckhler erworben hatte, aber schuldig geblieben war, kann nicht mehr
festgestellt werden. Jedenfalls musste Franz Aloys von Lamberg 1730 einen Schuld-
schein für den „selbst erkauften Ring mit einem schönen und kostbaren Praelianten“
ausstellen und sich verpflichten, den Betrag mitsamt den aufgelaufenen Zinsen in
drei Raten zu bezahlen.331 Auf seinem Porträt im Pfarrhof Tulln, das ihn auffallend
modisch gekleidet und mit weißer Perücke zeigt, ist kein Ring zu sehen, denn das
Bild wurde nach einer ovalen Vorlage gemalt, die Hände und der untere Teil der
Kleidung sind in einem Bogen abgeschnitten. Dass die Geistlichen „in der Klay-
dung sich von Weltlichen kaum unterscheiden“, war ein Missbrauch, der offenbar
immer mehr um sich gegriffen hat, wie ein bischöflicher Befehl 1735 geißelt.332
Ähnlich spärlich sind Nachrichten über sein Wirken in Tulln. Auch hier ist Weihbi-
schof Franz Aloys von Lamberg fast nicht zu fassen. Caspar Baier, ehemals Kaplan
in Tulln und später Pfarrer in der Filiale Freundorf, meldet in seinen überaus wert-
vollen mehrbändigen Regesten zur Geschichte der Stadt Tulln um 1820 noch über
ihn: „Von ihm geschieht in den Urkunden der Pfarrkanzley oft Meldung.“333 Heute
findet sich davon nichts mehr vor. Nur im Zusammenhang mit der Einführung der
Johannes von Nepomuk-Bruderschaft in Tulln hatte er, zumindest nach der Aussa-
ge des Stadtrates, die Intention zur Gründung gefördert und finanzielle Unterstüt-
zung versprochen. Durch seinen Tod kam die Stiftung damals nicht zustande, der
Plan wurde erst 1739 verwirklicht. Interessant an diesem vom Suffragan angeregten
oder zumindest unterstützten Vorhaben ist, dass sein Bruder und Vorgesetzter, Bi-
schof Joseph Dominikus, schon 1728 eine Zirkulare an alle Pfarren erlassen hatte,
man möge die „Erzbruderschaft von der christlichen Lehr und Andacht“ einführen
oder andere schon vorhandene Fraternitäten in sie einschreiben.334 Auch hatte Franz
Aloys von Lamberg, wie der Stadtrat 1735 anlässlich einer Eingabe beim Offizialat
ausführte, noch zu Lebzeiten die Aufrichtung eines Kreuzes an der Donau (Wasser-
kreuz) mit „beysetzung zweyer kleinen Statuen unser Lieben Frauen und S. Joan-
nis Nepomuceni“ bewilligt, wozu nun einige Wohltäter „noch einige Auszierungen
verschaffen wollten“, andere eine musikalische Litanei zu halten beschlossen hat-
ten. „Bitten demnach, zu Aufrichtung der mehr vorhabenden Statuen und Auszie-
329 KEIBLINGER, Reihenfolge der Weihbischöfe (wie Anm. 50) 24.
330 PLESSER, Pfarre Hirschbach (wie Anm. 298) 527.
331 DAW, Bistum Passau 1700–1759, Crida Lamberg, 7. April 1730.
332 DAW, PP 143, 1735, Bischöfl. Befehl, 16. September 1735.
333 DASP, Pfarrarchiv Tulln, Sign. 8/6, 158.
334 Walpurga OPPEKER, Zur Verehrung des heiligen Johannes von Nepomuk in der Diözese Sankt
Pölten. In: Thomas AIGNER (Hrsg.), Aspekte der Religiosität in der frühen Neuzeit = Beiträge zur
Kirchengeschichte Niederösterreichs 10 (St. Pölten 2003) 170–214, hier 208f.
Oppeker, Bischofshof 349
rungen, wie auch eines Opferstockhs […] den Consens zu ertheillen.“335 Hier liegt
im Passauer Protokoll insofern ein Missverständnis vor, als der als Hl. Johannes von
Nepomuk Angesprochene tatsächlich der Apostel Johannes ist, eine kleine holzge-
schnitzte Assistenzfigur neben der Schmerzensmutter. Johannes von Nepomuk und
Karl Borromäus, zwei mächtige Steinstatuen, die heute vor dem Hauptportal der
Pfarrkirche stehen,336 waren wohl mit den „vorhabenden“ Statuen gemeint, wahr-
scheinlich auch die beiden Holzplastiken der Heiligen Florian und Sebastian „in der
Nepomuk Kapellen“, die sich heute in der Pfarrkirche befinden. Der hl. Florian trug
die Inschrift Ich bitte dich, o Herr: bewahre meine Verehrer und Guthäter vor al-
len Feüersgefahren hier zeitlich und dort ewig. Dem hl. Sebastian war die Inschrift
Libera nos á Peste beigegeben. Das „Wasserkreuz“ war am 21. Februar 1729 auf
der Donau herabgeschwommen und in die dafür erbaute Kapelle gesetzt worden.337
Ein weiteres Versprechen zu Lebzeiten war die Widmung von 1.000 Gulden für das
Priesterhaus zu Passau. Bei der Abhandlung der Verlassenschaft wurde überlegt, ob
dieser Betrag nicht aus den veräußerten Effekten und Mobilien genommen werden
könnte.338 Allerdings hatte der Weihbischof die Tullner Effekten aus der Verlassen-
schaft seines Vorgängers im Amt, Johann Raymund von Lamberg, zwar käuflich
erworben, aber jetzt, nach sieben Jahren, wie dessen Erben bemerkten, noch immer
nicht bezahlt, was mit den Zinsen bereits einen Betrag von 1.866 Gulden ausmach-
te.339 Es fand sich dann aber in Passau noch ein größerer Verlassenschaftsrest, aus
welchem dieser Stiftungsbetrag genommen werden konnte, und nach Veräußerung
aller Besitztümer blieb dort vorerst ein Überschuss von etwa 500 Gulden.340
In seiner durch die verschiedenen Ämter bedingten häufigen Abwesenheit von
Tulln wurde Franz Aloys von Lamberg von Vikaren vertreten: Johann Christoph
Angler hatte dieses Amt bereits unter seinem Vorgänger ausgeübt. Er wurde 1728
durch Jakob Christoph Würstl abgelöst.341
Tag darauf Firmung von 900 Personen in Wieselburg;348 1737 konsekrierte er das
erste Wallfahrtskirchlein von Maria Dreieichen349 und firmte in Waidhofen an der
Thaya.350 In Tulln konsekrierte Weihbischof Lamberg 1738 die Filialkirche St. Sig-
mund, Rochus und Sebastian vor der Stadt, den Johannes von Nepomuk-Altar in
der Pfarrkirche351 und 1739 die neu erbaute Minoritenkirche.352 Am 24. Mai 1740
weihte er in Etsdorf neben zwei Seitenaltären (Schmerzensmutter, Johannes von
Nepomuk) die Donatusglocke und firmte bei dieser Gelegenheit 894 Personen.353
Auch in Bayern weihte er einige Kirchen, so 1740 die Klosterkirche von Osterho-
fen.354 Von ihm durchgeführte Ordinationen werden 1738, 1739, 1741, 1742, 1743,
1744, 1745 und 1746 gemeldet, leider erfahren wir nie die Orte der Weihen.355 Aller-
dings wurden in all diesen Jahren auch häufig fremde Bischöfe für diese Zeremo-
nien herangezogen.356 Im Mai 1740 infulierte Weihbischof Anton Joseph von Lam-
berg den Propst von Dürnstein, Maximilian Leeb,357 und im Juni 1746 benedizierte
er den neu gewählten Abt von Geras.358
Zwei Monate danach erfolgte der fürstbischöfliche Befehl, der Offizial solle in Abwe-
senheit des Weihbischofs einen in Wien anwesenden fremden Bischof zur Durchfüh-
rung aller „pontifikalischen Verrichtungen“ ersuchen.359 Bereits Anfang August 1746
hatte Anton Joseph von Lamberg um Entlassung aus dem Suffraganeatsamt ange-
sucht: Die Schwachheit des Körpers nähme ihm den Schlaf und den Appetit, und die-
se Leiden des Körpers beunruhigten auch seine Seele. So zeigt auch sein Porträt ei-
nen abgezehrten, leidenden Menschen. Sein Regensburger Arzt bestätigte, dass keine
Medizin ihm helfen könne, solange er in diesem belastenden Zustand beharre, denn
348 LUX, Beiträge zur Geschichte der Pfarre Wieselburg. In: Geschichtliche Beilagen zu den Consistorial-
Currenden der Diöcese St. Pölten 2 (St. Pölten 1885) 248–301, hier 274.
349 Honorius BURGER, Geschichtliche Darstellung der Gründung und Schicksale des Benediktinerstiftes
St. Lambert zu Altenburg in Niederösterreich (Wien 1862) 214.
350 PLESSER, Pfarre Waidhofen an der Thaya (wie Anm. 294) 386.
351 DAW, PP 146, 1738, Pfarrsachen, 288 (226.): 6. Juni Kirchenweihe, 7. Juni Altarweihe; vgl. auch
KERSCHBAUMER, Tulln I (wie Anm. 20) 259f. Vgl. auch Ratsprotokoll Tulln 6. Juni 1738; zit. nach
DASP, Pfarrarchiv Tulln, Sign. 8/6, 168.
352 KERSCHBAUMER, Tulln I (wie Anm. 20) 276f, 13. Juni 1739.
353 Pfarre Etsdorf, Taufbuch II, 155 (freundliche Auskunft von Franz VALA).
354 Hermann u. Anna BAUER, Klöster in Bayern (München 1993) 188.
355 DAW, PP 146, 1738, 125, 22. März 1738; PP 147, 1739, 150f, 28. März 1739; PP 149, 1741, 171ff, 27.
Mai 1741; PP 150, 1742, 161ff, 18. Mai 1742; PP 151, 1743, 53, 3. März 1743, 9. März 1743; 80f, 30.
März 1743; 97, 13. April 1743; 164f, 8. Juni 1743; PP 152, 1744, 61, 29. Februar 1744; PP 153, 1745,
68ff, 13. März 1745; 102f, 3. April 1745; 114, 17. April 1745; PP 154, 1746, 54, 4. März 1746; 79f, 26.
März 1746; 88f, 4. Juni 1746.
356 Offizial und Generalvikar Ernst Amadeus Graf von Athimis, Episc. Trachonensis; Johann Paul Ma-
riconi, Episc. Ipehsi; Franz Anton Engl von Wagrain, Episc. Bellogradensis; Michael Summa Ar-
chi-Episc. Scopiensis; Nicolaus Stanislavich, Csanadiensis et Admin. Valachiae, Episc.
357 Freundliche Auskunft von Christine OPPITZ, Stiftsarchiv Herzogenburg, aus den Aufzeichnungen
Wilhelm Bielskys.
358 DAW, PP 154, 1746, Pfarrsachen, 132f, 8. Juni 1746.
359 DAW, PP 154, 1746, Pfarrsachen, 179, 17. August 1746.
352 Oppeker, Bischofshof
Anton Joseph von Lamberg trat bereits unter Weihbischof Johann Raymund von
Lamberg in Tulln auf. Vielleicht vertrat er seinen Vorvorgänger, wenn dieser in
Pontifikalien unterwegs war, oder assistierte ihm in der Pfarrverwaltung. Jeden-
falls unterschrieb er bereits 1722 und 1723 als „Anton Joseph Graf von Lamberg“
die Kirchenrechnungen von Langenrohr.364 Tatsächlich übernahm er die Pfarre erst
1733 und dürfte sofort tatkräftig in die Verwaltung eingegriffen haben. Im selben
Jahr stellte er den Antrag, die nicht rentablen Weingärten zu verkaufen, was nicht
gestattet wurde.365 So wurde mit dem Wein weiter gewirtschaftet, das „Weinleut-
geben“ fand im Bischofshof zu seiner Zeit öfter statt.366 Mit dem Stadtrat wurde
wiederholt darüber verhandelt, dass das Benefiziatenamt schlecht wirtschafte und
Grundstücke an Tullner Bürger zu billig vergeben würde.367 Weitere Streitpunkte
waren die Landsanlagen und die Stiftungsmessen. Für 104 zu lesende Benefiziaten-
360 ABP, OA Generalakten 3438, Anstellung eines neuen Weihbischofs 1746, Beilagen 1 bis 5.
361 DAW, PP 155, 1747, Pfarrsachen, 35, 8. Februar 1747.
362 DAW, PP 155, 1747, Pfarrsachen, 221, 15. August 1747; 85f, 22. März 1747.
363 WEISS, Kardinal Joseph Dominikus von Lamberg (wie Anm. 5) 431.
364 DASP, Pfarrarchiv Langenrohr, KIRE 3, 1722, 1723; in den Folgejahren bis 1733 wurde immer nur
„Lamberg“, ohne Vorname, angegeben.
365 DAW, PP 141, 1733, Pfarrsachen, 343f, 14. Oktober 1733.
366 DASP, Pfarrarchiv Tulln, Sign. 8/1, 3v.
367 DAW, PP 144, 1736, Pfarrsachen, 7, 11. Jänner 1736; PP 145, 1737, Pfarrsachen, 179, 24. April 1737.
Oppeker, Bischofshof 353
messen zahlte die Stadt nur 20 Gulden. Lamberg verlangte 52 Gulden, denn alles
wäre seit dem Vergleich von 1598 teurer geworden. Der Stadtrat klagte wiederum,
dass die Messen mit falscher Widmung oder auch gar nicht gelesen würden, auch
wäre ein Kaplan einzustellen, da der Vikar, der den Pfarrer vertreten sollte, „meis-
tens absent sei.“368 Über alle diese Misshelligkeiten wurde am 4. April 1743 ein neu-
er Vergleich geschlossen.369
Die Probleme des Österreichischen Erbfolgekriegs dürften auf die Pfarre keine Aus-
wirkungen gehabt haben. Passauische Truppen, die Frankreich und Bayern gegen
Österreich unterstützten, waren im Land eingefallen und hatten „dem Clero anthu-
ende unleidliche Bedruckhungen und Gewaltsambkheiten“ angetan.370 Auf österrei-
chischer Seite wurde daraufhin verboten, gebürtige Baiern als Pfarrer in erledigten
österreichischen Pfarren einzusetzen.371 Da die passauischen Weihbischöfe zwar in
der Regel aus österreichischen Familien kamen, aber auch Passauische Domherren
waren, dürften sie ihr Personal manchmal von dort mitgenommen haben. Auch der
Tullner Vikar Kleindienst suchte einige Male darum an, in sein „Vaterland“ reisen
zu dürfen, es wird aber nie angegeben, woher er stammte.
Aber nicht nur wirtschaftliche Interessen wurden vertreten. Wiederholt beschwer-
ten sich der Pfarrherr und sein Vikar, dass während der Sonntagsgottesdienste die
Kaufläden offen gehalten würden, eine „Entheyligung der Sonn- und Feyertag“,372
und ersuchten um Abhilfe. Auch die ungeklärten Fragen um Benefizien, die Ein-
künfte brächten, worüber aber keine Unterlagen über die daraus resultierenden Ver-
pflichtungen mehr vorhanden wären, belasteten das Gewissen des Weihbischofs.
Das Konsistorium entschied, dass dafür eine wöchentliche Messe durch den Vi-
kar zu lesen wäre.373 Unter Weihbischof Anton Joseph von Lamberg wurde 1739 die
Johannes von Nepomuk-Bruderschaft an der Pfarrkirche Tulln nach langen Ver-
handlungen endlich eingeführt,374 ebenso die Andacht am Fest dieses Heiligen beim
Wasserkreuz.375 Änderungen gab es auch bei der Fronleichnamsprozession: Wegen
Feuersgefahr und Ablenkung der Gläubigen wurde das Schießen bei jedem Evan-
gelium vor die Stadt verlegt.376
1738 erbat der Weihbischof vom Konsistorium die Lizenz, einen am Original ange-
rührten „Heiligen Nagel“ zur öffentlichen Verehrung aussetzen zu dürfen.377 Diese
barocke „Reliquie“ findet sich heute noch im Pfarrhof.
Ein äußerst kämpferischer Mitstreiter dürfte sein Vikar Michael Kleindienst gewe-
sen sein. Nachdem dessen Vorgänger Jakob Christoph Würstl nach einigen Klagen
wegen nicht eingeschickter Berichte über das Pfarrleben (österliche Beichte, Kin-
derlehre)378 und wegen eines Verhältnisses mit seiner Köchin379 am 3. August 1735
auf das Vikariat Tulln resigniert hatte,380 präsentierte Weihbischof Lamberg Micha-
el Kleindienst als Vikar.381 Dieser war vorher Kooperator bei Maria Stiegen, der pas-
sauischen Kirche in Wien, und seit 1734 Nachfolger des weihbischöflichen Hauska-
plans Caspar Grübl, der als Vikar in Langenrohr eingesetzt worden war.382 In den
Passauer Protokollen finden sich zwischen 1735 und 1744 immer wieder Meldun-
gen zum Prozess zwischen dem Vikar und der Priorin des Dominikanerinnenstif-
tes wegen Verletzung der pfarrlichen Rechte betreffend die Stolgebühren: Weltliche
Klosterbedienstete oder andere dort Verstorbene wurden in der Klosterkirche „wi-
der altes Herkommen und ohne Bezahlung der Stol“ beigesetzt, auch sonst wurden
die Hausleute von den Dominikanern mit den Sakramenten versehen.383 Auch ge-
gen den Prälaten von Mauerbach, durch den „ein und anderes des Juri Parochia-
li praejudicirliches eingeführt worden“, wurde jahrelang prozessiert.384 denn in der
Wallfahrtskirche Frauenhofen wurden auch Sonntagsgottesdienste abgehalten, was
die Gläubigen von ihrer zuständigen Pfarre Tulln fernhielt und finanzielle Einbu-
ßen brachte. Ebenso vehement unterstützte Kleindienst seinen Pfarrherrn in den
Klagen über die Entweihung der Sonntage durch geöffnete Kramläden während
der Gottesdienste. Im Gegenzug baten Richter und Rat um einen anderen Seelsor-
ger und brachten verschiedene Beschwerden gegen Kleindienst vor,385 so auch sei-
ne häufige Absenz. Wiederholt nahm er längeren Urlaub, um seinen kranken Vater
„in seinem Vaterland“ aufzusuchen, oder um die Erbschaft mit seinen Geschwis-
tern zu regeln;386 für seine Vertretung hätte er selbst zu sorgen. Aber auch das Ver-
hältnis zu Weihbischof Lamberg wurde getrübt, als Kleindienst, nachdem man eine
Frau in seinem Bett vorgefunden hatte, auf dessen Vorhaltungen mit „Mißhandlun-
gen und Excessen“ reagierte. Er musste dafür für acht Tage in Arrest und anschlie-
ßend achttägige Exerzitien in einem Kloster ableisten,387 worüber er eine Bestäti-
gung des Guardians der Kapuziner vorlegte.388 Michael Kleindienst blieb bis 1750
Stadtvikar in Tulln.
Wenn die genaue familiäre Einordnung von Kuenburg auch nicht geklärt ist, kann
man doch sicher sagen, dass er einer Familie entstammte, in welcher der Nepotis-
mus im kirchlichen Umfeld sehr gepflegt wurde, sind doch drei Erzbischöfe von
Salzburg, ein Bischof von Prag, zwei von Lavant, einer von Gurk, zwei von Chiem-
see und eine stattliche Reihe von Pröpsten und Domherren aus ihren Zweigen her-
vorgegangen.393
Seit 1724 Domherr in Passau und Mitglied des Geistlichen Rates, wird Johann
Christoph Ludwig wohl in Rom studiert haben, wo er am 13. Oktober 1726 zum
Priester geweiht wurde. Gleichzeitig mit ihm war auch der etwas ältere Karl Joseph
von Kuenburg aus der Ungersbacher Linie Mitglied des passauischen Domkapitels,
ein Neffe des Salzburger Erzbischofs Franz Anton von Harrach. Er wurde 1723 als
Fürstbischof von Seckau eingesetzt.394
Nach der Resignation des Suffragans Anton Joseph von Lamberg wurde Kuenburg
1747 zum Titularbischof von Abderitan,395 Weihbischof von Passau und General-
vikar für das Offizialat unter der Enns396 ernannt und am 30. Juli 1747 im Passau-
er Dom konsekriert. Das überaus aktive seelsorgliche Wirken des Fürstbischofs Jo-
seph Dominikus, der persönlich in zahlreichen Reisen seine Diözese kennenzuler-
nen suchte und selbst 95 Visitationsreisen absolvierte,397 war auch der Maßstab für
seinen Weihbischof.
Bereits im Frühjahr 1748, zwischen Ostern und Pfingsten, hatte Kuenburg Mistel-
bach und die Marchfelder Pfarren zu besuchen398 und sich dann weiter über Felds-
berg (Valtice), Gaubitsch, Laa und Mährisch Granitz (?) nach Eggenburg zu be-
geben. Nach Fronleichnam visitierte er das Dekanat Freistadt und begab sich von
dort nach Weitra und Krems.399 Im Sommer musste der Weihbischof jene Visita-
tion weiter übernehmen, die der Fürstbischof wegen Unpässlichkeit hatte abbre-
chen müssen.400 Ebenso wurde dem „Herrn Suffraganeo“ 1749 der bischöfliche Be-
fehl erteilt, nach der österlichen Ordinationszeit wieder eine Visitation vorzuneh-
men.401 Auch Mitte 1750 konnte Bischof Joseph Dominikus seine geplante Reise
nicht durchführen und wies den Suffragan dazu an.402 1751 wurde verordnet, dass
Kuenburg einen anderen Distrikt visitieren sollte, während der Fürstbischof selbst
das Waldviertel, Wilhelmsburg, Lilienfeld, St. Pölten und Melk besuchte.403 Auch
in diesem Jahr musste Bischof Joseph Dominikus eine Visitation wegen Krankheit
abbrechen, und weil sein Leibmedikus weitere Reisen verbot, wurde der Suffrag-
an aufgefordert, Arbesbach, Gerungs und Zwettl zu überprüfen.404 Der Passauer Bi-
schof erwartete genaue Berichte über die Zustände und sandte den Suffragan auch
in solche Pfarren, die er bereits visitiert hatte, um die Einhaltung seiner Weisungen
zu überprüfen.405
„Wür haben auß eurem gehors: Bericht die Unpbäßlichkheit, wegen welcher ihr die
Visitations-Raiß und angewiesene Bischöffl: Functiones zu unterbrechen bemües-
siget worden, vngern vernommen“, tadelte Bischof Joseph Dominikus 1753 seinen
Suffragan und schloss die Hoffnung an, „ihr werdet demnechstens“ die Reise fort-
setzen.406 Die Aufgaben des Suffraganbischofs bei den Visitationen waren die Er-
nennung der Pfarrer, die Überprüfung der Pfarren, anstehende Kirchen- und Al-
tarweihen und die Spendung der Firmung. Ganz besonderen Wert legte der Fürst-
bischof darauf, „dass er [der Suffragan] bei Haltung der Christenlehr wenigstens
anfänglich zu der Jugend mehreren Antrieb, und Aufmerksamkeit halber ein- oder
anderes fragstuckh machen, hernach gleichwohl die Fortsetzung der Christenlehr
dem Seelsorger des Orths überlassen“407 sollte. Zur Glaubensunterweisung des Vol-
kes, zur Seelenrettung, eines der Hauptanliegen des Bischofs, verordnete er 1728 im
ganzen Bistum die Gründung von Christenlehrbruderschaften bzw. die Inkorpora-
tion an den Pfarren vorhandener Fraternitäten in die Passauer Erzbruderschaft.408
Was die Ordinationen, die verschiedenen Weihestufen der Geistlichkeit, betrifft,
findet sich in diesen Jahren in den Passauer Konsistorialprotokollen jeweils für alle
vier Normtermine ein genauer Catalogus ordinatorum, in dem jeder Weihekan-
didat genannt ist, nur wird nie angeführt, wo die Ordinationen stattfanden. Dar-
über geben aber die zufällig erhaltenen Functiones Suffragganeales […] de Anno
1751 Auskunft.409 Alle Weihen fanden in „Ecclesia S: Stephani Tullnae“ statt, nur
eine in „Ecclesia Stam Elisabetham“, in der Kapelle des Tullner Bürgerspitals. Man
kann wohl davon ausgehen, dass Tulln damals der bevorzugte Weiheort des Weih-
bischofs war.
Nachdem Kuenburg im August 1747 aus Passau nach Österreich unter der Enns ge-
kommen war, führte er bereits im September die erste Weihe durch.410 Auch 1748
absolvierte er alle vier Quartalstermine selbst, ebenso 1749.411 Zu Weihnachten des
folgenden Jahres fiel er durch Krankheit aus, ein „fremder“, in Wien anwesender
Bischof musste darum gebeten werden. Johann Paul Mariconi, Bischof von Ipensi,
übernahm die Zeremonie.412 Er und vor allem der Wiener Weihbischof Franz An-
ton Marxer, den wir später auch als Pfarrer in Tulln finden werden, boten sich im-
mer wieder als Aushilfen für suffragane Funktionen an.413 So durfte Marxer in Ab-
wesenheit Kuenburgs 1752 die Kirche in Rappoltenkirchen weihen.414 In den 1750er
Jahren dürfte Weihbischof Kuenburg bereits mit gesundheitlichen Problemen ge-
kämpft haben. Zu Ostern 1751 wurde geahndet, dass er unentschuldigt den Termin
versäumt hatte.415 Er gab „üble Leibsconstitution“ als Grund dafür an.416 1755 er-
scheint er überhaupt nicht unter den weihenden Bischöfen und in seinem Todesjahr
1756 nur noch einmal im Sommer.417
Besonderen Wert legte der Passauer Bischof auch auf die Spendung des Sakraments
der Firmung, die er selbst durchführte, wenn er auf Visitationsreisen war, die an-
sonsten aber Aufgabe des Suffragans war. Die Auflistung der weihbischöflichen
Funktionen von 1751 meldet 2.389 Firmlinge in Krems, Langenlois, Gars, Alten-
burg, Edlbach, Stadt Zwettl, Friedersbach und Gföhl.418 Im Jahr davor hatte Kuen-
burg bereits 1.400 Personen in Allentsteig gefirmt.419 Aber auch in Tulln-St. Stephan
fanden zu Pfingsten 1751 zwei Firmtermine statt, bei denen 748 Personen das Sak-
rament empfingen.420 Interessant ist, dass alle diese doch aus dem Alltag fallenden
Ereignisse in den Protokollen der Stadt keinen Niederschlag fanden, obwohl Pfarre
und Stadt durch das Benefiziatenamt wirtschaftlich eng verknüpft waren. Das Ver-
hältnis zueinander scheint aber gut gewesen zu sein, man findet keine Meldungen
von Unstimmigkeiten, keine neuen Vergleiche mussten geschlossen werden.
Am 22. März 1747 meldete das Konsistorium, dass Weihbischof Anton Joseph von
Lamberg aus gesundheitlichen Gründen auf die Pfarren Tulln und Abstetten resi-
410 DAW, PP 155, 1747, 274f, 23. September 1747.
411 DAW, PP 156, 1748, 64f, 9. März 1748; 154f, 8. Juni 1748; 219, 21. September 1748; 278, 21. Dezember
1748; PP 157, 1749, 244, 1. März 1749; 245, 5. April 1749; 21. Mai 1749; 20. September 1749; nur am
20. Dezember 1749 weihte der Bischof von Zagreb.
412 DAW, PP 158, 1750, 260, 16. Dezember 1750.
413 DAW, PP 159, 1751, 244–250 Cat. ordin.; PP 167, 1755, 364–369 Cat. ordin.; PP 169, 1756, 351–369
Cat. ordin.
414 DAW, PP 161, 1752, 69, 28. März 1752.
415 DAW, PP 159, 1751, 57, 31. März 1751; 33, 3. März 1751.
416 Ebd.
417 DAW, PP 169, 1756, 351–369 Cat. ordin., 12. Juni 1656.
418 DAW, Bistum Passau 1736–1755, Sch. 1700–1759, ad 1751.
419 Josef EDINGER, Beiträge zur Geschichte der Pfarre Allentsteig. In: Geschichtliche Beilagen zum St.
Pöltner Diöcesanblatt 4 (St. Pölten 1890) 104–162, hier 162.
420 DAW, Bistum Passau 1736–1755, Sch. 1700–1759, ad 1751.
Oppeker, Bischofshof 359
gniert hätte; der Advokat und der Verwalter sollten bleiben, damit bei den Pfarren
„die Spiritualia et temporalia wohl administrirt werden“, bis „zu Ersetzung des Suf-
fragenats“.421 Mitte August wurde angekündigt, dass sich der neue Suffragan Ku-
enburg nach Wien und Tulln begeben werde und dass ihm das Konsistorium nicht
„allein die gebührende Ehr bezeigen, sondern auch bey der Pfarr Thulln und Ab-
stetten mit Übergab des rati temporis und allen pfarrlichen Documenten“ an die
Hand gehen sollte.422
Kuenburg bezog seine „Residenz“ im Tullner Bischofshof, wie aus hier unterzeich-
neten Dokumenten hervorgeht,423 und kümmerte sich sofort um wirtschaftliche Be-
lange. So bestätigte er, dass das Staasdorfer „Weingebürg“ von Richter und Rat der
Stadt sehr wohl zum Nutzen der Kirche verkauft worden wäre.424 Es fand daher in
seiner Amtsperiode nur noch einmal ein „Weinleutgeben“ im Bischofshof statt, wie
der Verwalter der Pfarrherrschaft, Franz Anton Saal, berichtet.425 Änderungen gab
es auch für die 41 verstreuten pfarrlichen Untertanen, die Zugrobot leisten mussten.
Diese Naturalleistung löste er durch einen günstigen Preis ab.426
1748 war der bauliche Zustand der Filialkirche in Langenrohr derart ruinös, dass
man an einen Neubau denken musste. 1750 erteilte Kuenburg, als Tullner Pfarrer
der zuständige Bauherr für die Filiale, den Abbruchbescheid. Finanziert wurde der
Bau mit kircheneigenen Stiftungsgeldern, welche die Pfarrkanzlei in Tulln zu ver-
walten hatte. Fertiggestellt und konsekriert wurde das neue Gotteshaus erst durch
seinen Nachfolger Philipp Wirich Graf Daun.427
Eine Katastrophe für die Pfarre bedeutete der Stadtbrand vom 21. März 1752, als
nicht nur ein großer Teil der Stadt eingeäschert wurde, sondern auch die Kirch-
türme ausbrannten, die Glocken herabstürzten, Benefiziatenhäuser und der Pfarr-
hof ein Raub der Flammen wurden. Vom Stadel im Garten ausgehend fingen zu-
erst die Bischofszimmer Feuer, das sich über den ganzen Komplex ausbreitete, auch
die Herrschaftskanzlei brannte aus. Weihbischof Kuenburg musste vorerst bei den
Minoriten Quartier nehmen und erhielt dann die Erlaubnis, in seinem Hof in Pas-
sau zu logieren, solange er im unteren Offizialat nicht gebraucht würde. Dort woll-
te er sich persönlich darum kümmern, das notwendige Kapital zum Wiederaufbau
aufzutreiben. An der Abzahlung der aufgenommenen Gelder hatte er noch bis 1757
mit jährlich 300 Gulden Anteil. Nach dem Brand verlegte man die Herrschafts-
kanzlei in die gewölbten Räume des Erdgeschoßes und sicherte sie mit einer Ei-
428 Vgl. den Beitrag von Walpurga OPPEKER über den Tullner Pfarrhof in diesem Band.
429 DAW, Bistum Passau 1700–1759, Sch. 1736–1755, Tulln, 24. März 1752.
430 DAW, PP 162, 1753, 260f: Maus ging mit Gewehr und Säbel bewaffnet, schoss des Nachts aus dem
Fenster, las um eins und zwei in der Nacht die Messen und hielt unter Tags die Kirche versperrt.
431 DAW, PP 165, 1754, 95f, 27. März 1754: Seine Köchin ist im Pfarrhof Kindsmutter geworden, da-
durch und durch seine übrigen Exzesse hätte er die Nachbarschaft sehr geärgert.
432 Wilhelm BIELSKY, Eine merkwürdige Priesterbruderschaft. In: Hippolytus. Archiv für Di-
öcesan-Chronik und -Geschichte 3 (St. Pölten 1860) Schluss 240–249, hier 243.
433 DAW, PP 157, 1750, 101, 13. Mai 1750.
Oppeker, Bischofshof 361
Nachdem Kleindienst am 8. Juni 1750 auf das Vikariat resigniert hatte, präsentier-
te Kuenburg seinen Kaplan Ignaz Gattringer als Vikar.434 Er scheint ein vorbildli-
cher Priester gewesen zu sein, über ihn gibt es keine Klagen. Nach dem Tod Ku-
enburgs verordnete der Passauer Bischof, man möge Gattringer mit anderen wür-
digen Kandidaten „bei geeigneter unterennsischer Pfarrvacantur“ zum Vorschlag
bringen.435 Als Unterstützung in der Tullner Seelsorge standen Stadtvikar Gattrin-
ger die Kapläne Carolus Klemer, Jacobus Hauznberger, später Pfarrer in Freundorf,
und Andreas Gegenbauer zur Seite.436
Weihbischof Kuenburg scheint in den 1750er Jahren bereits größere gesundheitliche
Probleme gehabt zu haben; er konnte, wie wir gesehen haben, die quartalsmäßigen
Ordinationen oft nicht mehr selbst ausführen. Im September 1755 meldete das Kon-
sistorium, Kuenburg wäre „jüngsthin in einer tods=gefährlichen Krankheit verfal-
len, bey seiner nunmehr anhoffenden Besserung die Kräfften jedoch so bald nicht
erhollen dörfften.“437 Auch zu den österlichen Weihen und Ordinationen 1756 muss-
te ein anderer Bischof den „unpässlichen Suffraganei“ vertreten.438 Er erholte sich
nicht mehr von seinen Leiden. Am 18. August 1756 ging aus Wien die Meldung
nach Passau, Weihbischof Kuenburg wäre in der Früh nach dreitägiger Krankheit
im Seitzerhof an „Lungen-Brand“ verstorben.439
Über die Bestattungsmodalitäten geben uns verschiedene Spezifikationen Aus-
kunft. Die Tischlerrechnung erzählt von einer Totentruhe aus weichem Holz, mit
frischen Farben bemalt und, „wie es vor einen Bischoff gehörig, mit 6 Kugeln da-
runter und guet ausgepecht. […] Item zu selber Leiche ein Bischoff Stab gemacht,
selben von Bildhauer schneiden lassen, wie auch versilbern und vergolden las-
sen.“440 Drapiert wurde der Sarg mit acht großen und vierundzwanzig kleinen ge-
malten Wappen.441
Obwohl in Wien verstorben, findet sich sein Tod doch auch in den Tullner Pfarrma-
triken eingetragen: „Den 18ten Augusti um ¾ auf 6 Uhr ist zu Wienn gestorben und
den 20ten ejusdem bey Mariae Stiegen begraben worden der Hochwürd: Hoch:
und Wohl gebohrne H: H: Joannes Christophorus Ludovicus, des Hochh: Römisch:
Reichs Graff v. Kienburg, Bischoff zu Abdera, […] welchen zur Erden bestättiget
der Hochw: gnäd: H: Praelat von Hertzogenburg.“442 Die Einsegnung fand mit gro-
ßem Geläute im Stephansdom, die Beisetzung dann in der passauischen Kirche
Maria Stiegen (Maria am Gestade) in Wien statt.443
Im Bischofshof zu Tulln wurden die Effekten des Weihbischofs von Kuenburg li-
citando verkauft, für diese Versteigerungen wurden eigene „Kundschafftsblattln“
gedruckt. Über das Ergebnis dieser Aktionen wird nur mitgeteilt, dass alles ver-
kauft wurde, „außer eines Rayß=Wagens pr. 90 fl geschätzt, dafür aber nur 35 fl
angetragen worden“444 – wohl der Reisewagen, der in seinem Leben eine bedeuten-
de Rolle gespielt haben muss.
Die Angaben der Inschrift des von Weihbischof Daun selbst bestellten Porträts im
Pfarrhof Tulln können, da sicher zeitgenössisch, wohl als authentisch angesehen
werden:
Philippus Wiricus S. R. I. Comes à et in Daun, Dominus in Sassenheim et
Cöloporn, Dei et Apostolicae Sedis gratia Episcopus Thiennsis, Exempta Ec-
clesia Cathedralis Passaviensis Praepositus, Metropolitanae Salisburgen-
sis Canonicus, Celissimi et Eminmi Episcopi et Principis Passaviensis Josephi
Dominici Cardinalis de Lamberg Suffraganeus, Vicarius Generalis in Pontifi-
calibus, nec non illius et Serenissimi Ducis et Electoris Bavariae Consiliarius
intimus. Natus Viennae XI. Junii ao. 1720. In Canonicum Passaviensem recep-
tus 11. Sept: 1738, ad sessionem Capitularem admissus 17. Sept: 1753: Prae-
positus Passaviensis 30. Juli 1755. Suffraganus denominatus 21. Augusti 1756.
Episcopus consecratus 20. Februarii 1757. In Canonicum Salisburgensem re-
ceptus 27. May 1757. Et Mense Septembri Ao 1759 a Cels: Eminentissimo Car-
dinale Theodoro Duce Bavariae, Ep(isco)po et Principe Leodiensi, Frisingen-
si, et Ratisb:si promotus ad Canonicatum emortui Lib:ri Bar:is de Stingelheim,
Ratisb: Cap:li Dec:ni et Suffrag: ibidem die 30. May 1760 adjuratus. Quoqu: Sa-
cro Caesarae Francisci I. nec non Regia Apostolica Majestat:is Mariae There-
siae Consularius intimus, 27. Octob: 1760, et 23. Martii 1762 Jurament: Fideli-
tatis ad manus utriusque Summa Majesttis Solem. deposuit.448
Daun wurde erst mit 35 Jahren, am 10. August 1755, in Passau zum Priester ge-
weiht. Zum Weihbischof erhob ihn Kardinal Joseph Dominikus 1756.449 Ob die Be-
rufung ausgerechnet zum Titularbischof von Tiana (Tienensis)450 ein Zufall war
oder ob dieser Titel in Hinblick auf den Titularfürstentitel seines Onkels, des „Fürs-
ten von Tiano“, in Rom erbeten wurde, wissen wir nicht.451 Gleichzeitig übernahm
Daun die dem Suffraganeat inkorporierten Pfarren Tulln und Abstetten. 1761 wur-
de der Weihbischof „zu deren honori“ mit dem Titel geheimer kaiserlicher Rat ge-
ehrt.452
Daun verstarb am 20. November 1763 „von hohem Fieber dahingerafft […] unver-
mutet und frühzeitig nach frommem Empfang der Sakramente“ in Passau und wur-
448 Inschrift auf der Rückseite des Porträts im Pfarrhof Tulln; Signatur: Pictus Passavii 23. Junii 1759
ab Josepho Helbling, Cive et Pictore Passaviensi.
449 ABP, OA Generalakten 1446, Milde Stiftung des Weihbischofs Marxer zu Wien, insbesondere die
Incorporation seiner Herrschaft Gutenbrunn in die Pfarrei Tulln (Act den Wiennerischen H. Weih-
bischoffen Marxer betr.) Passau, 23. August 1756: Das Domkapitel hatte bereits seinen Propst zum
neuen Suffragan erwählt.
450 Tyana (ital. Tiana) – Titularbistum der katholischen Kirche, geht zurück auf das untergegangene
Bistum der Stadt Tyana in Kappadokien (heute Türkei); http://de.wikipedia.org/wiki/Tyana_
(Titularbistum) (25.7.2011).
451 http://www.jahrbuch-daun.de/VT/hjb1999/hjb1999.131.htm (22.4.2013). Der Titularfürstentitel von
Tiano war Daun von Karl VI. verliehen worden.
452 DAW, Bistum Passau 1760–1785, Fasz. 1760–1769, 12. Jänner 1761, NÖ. Reg. an Bischof von Passau.
364 Oppeker, Bischofshof
453 K RICK, Domstift Passau (wie Anm. 55) 242. – Laibacher Erzbischöfe zu dieser Zeit: Ernst Amadeus
Thomas von Attems (1742–1757) und Leopold Joseph von Petazzi (1760–1772).
454 DAW, PP 172, 1758, 15. Februar 1758.
455 WEISS, Kardinal Joseph Dominikus von Lamberg (wie Anm. 5) 433.
456 Ebd. 436f.
457 DAW, Bistum Passau 1760–1785, Fasz. 1760–1769, 12. Jänner 1761; 28. November 1761; 4. Februar
1762; 7. September 1763.
458 DAW, PP 172, 1758, 209, 22. Juli 1758.
459 Siehe Kapitel Franz Anton von Marxer. – Der Wiener Weihbischof sprang bereits zu Kuenburgs
Zeiten als Vertreter ein; vgl. die Ordinationskataloge der jeweiligen Bände der Passauer Protokolle
(1756 – 4 Mal Marxer, 1 Mal Kuenburg; 1657 – 1 Mal Marxer, 3 Mal Daun; 1758 – 2 Mal Marxer, 2
Oppeker, Bischofshof 365
hen in diesen schweren Kriegszeiten (7-jähriger Krieg 1756–1763) für ihn kaum er-
schwinglich wären, und bat um zwei Jahre Dispensierung.467 Die finanzielle Ma-
laise zog sich durch seine ganze Amtszeit. Anlässlich der Abhandlung seiner Ver-
lassenschaft als Pfarrer von Tulln betrug das Minus „ohne Kommissionsunkosten“
1.770 Gulden.468
Zur dringend notwendigen Renovierung des Kirchendaches musste die Pfarre um
die Genehmigung ansuchen, dafür das Kapital einer Messstiftung heranzuziehen
und die betroffenen Messen in Zukunft ohne Entgelt zu lesen.469
Trotzdem hatte Daun sich bereit erklärt, jedoch ohne Präjudiz für sich und seine
Nachfolger, „die wegen Alterthums berühmte heil. 3 Königs Kapelle zur Verehrung
der heiligen Gottes betachen zu lassen.“470 Der Karner stand seit dem Stadtbrand
von 1752 noch ohne Dach da.
Bald nach Antritt seines Amtes als Pfarrer von Tulln, um die Mitte des Jahres 1757,
war auch der Kirchenneubau der Filiale Langenrohr fertiggestellt, wo man aber
wahrscheinlich auch nicht mit dem vorhandenen Kapital von 9.000 Gulden ausge-
kommen sein wird. Die Bauabrechnung wurde über den Tullner Bischofshof abge-
wickelt. Am 8. Oktober 1758 erfolgte die feierliche Weihe des Gotteshauses durch
Weihbischof Daun.471
Mit dem Tullner Stadtrat, der über das Benefiziatenamt die finanziellen Belange
der Pfarre administrierte, scheint grundsätzlich ein gutes Verhältnis geherrscht zu
haben. Unstimmigkeiten wurden mit einer neuen Stolordnung aus dem Wege ge-
räumt.472 Nur das kaiserliche Frauenstift pflegte weiterhin seinen Hausleuten die Sa-
kramente durch ihre eigenen Priester spenden zu lassen und damit pfarrliche Rech-
te zu schmälern – ein Problem, das sich schon durch lange Zeit hingezogen hatte.473
In der seelsorglichen Betreuung der Tullner Bevölkerung trat nun Kontinuität ein.
Bis 1759 wirkte Ignatius Gattringer als Pfarrvikar, dem 1757 sein Kooperator ver-
storben war. Die Klöster weigerten sich, zur „Versehung deren daselbst befind-
lich villen Kranckhen“, vielleicht verwundete Soldaten, ohne Entgelt Hilfe zu stel-
len.474 Als neuer Kaplan wurde deshalb 1758 der Weltpriester Kullmer475 und nach
ihm 1759 Carl Wunder, der später als Kaplan nach Michelhausen wechselte, be-
stellt.476 Ende dieses Jahres präsentierte Weihbischof Daun den Tullner Badersohn
467 ABP, OA Generalakten 3437, 9. Dezember 1760; 22. April 1762; DAW, PP 174, 1760, 410, 3.
Dezember 1760.
468 DASP, Pfarr- und Klosterakten Tulln 1 (1518–1853), 3. Februar 1764.
469 DAW, PP 176, 1762, Pfarrsachen, 418, 19. November 1762.
470 Ratsprotokoll Tulln 1759; zit. nach DASP, Pfarrarchiv Tulln, Sign. 8/6, 189, 29. Oktober 1759.
471 OPPEKER, Pfarre Langenrohr (wie Anm. 182) 13f.
472 DAW, PP 174, 1760, 89–90, 29. Februar 1760.
473 DAW, PP 172, 1758, 33, 3. Februar 1758.
474 DAW, PP 171, 1757, 310, 23. November 1757.
475 DAW, PP 172, 1758, 3. Februar 1758.
476 DAW, PP 173, 1759, Cridasachen, 178, 27. Oktober 1759).
368 Oppeker, Bischofshof
Johann Michael Hüller als Vikar,477 nachdem Gattringer am 10. November verstor-
ben war.478 Hüller betreute die Pfarre bis zur Gründung des Bistums St. Pölten 1784.
er eine neue Kirche erbauen ließ. Er trat sie 1757 wieder ab und übernahm die Pfar-
ren Kaiserebersdorf, wo ihm Maria Theresia die Herrschaft geschenkt hatte, und
Laa. 1757 stiftete er in Kirnberg ein Hieronymitanerkloster, dem er die seelsorgli-
che Betreuung der Pfarre übertrug. Unter anderem durch Lotteriegewinne (1748
30.000 Gulden, 1754 60.000 Gulden) war er in der Lage, 1754 die Herrschaft Gu-
tenbrunn um 134.000 Gulden zu kaufen, wo er neben dem Schloss ab 1755 die gro-
ße Marienkirche an Stelle einer kleinen Wallfahrtskapelle erbauen ließ. Den Ort
benannte er nach seinem Geburtsort „Heiligenkreuz“. Nicht nur in Heiligenkreuz
förderte er den Wallfahrtsbetrieb, auch in Ebersdorf ließ Marxer auf Veranlassung
des Kardinals Kollonitsch 1746 das Bild „Maria am Baume“, eine Kopie der bay-
erischen „Maria Dorfen“, mitsamt dem Baum, an dem es ursprünglich angebracht
war, in die Kirche übertragen und begründete damit nahe Wien eine gut besuchte
marianische Gnadenstätte.481
Als ab 1750 der Passauer Suffragan Graf Kuenburg seine bischöfliche Funktionen
aus gesundheitlichen Gründen bzw. aufgrund der vorübergehenden Verlegung sei-
ner Residenz nach Passau wegen des abgebrannten Tullner Bischofshofes immer öf-
ter nicht ausüben konnte, übernahm Marxer in Wien bereitwillig wiederholt Wei-
heakte für das Passauer Bistum.482 Bereits vor Kuenburgs Tod am 18. August 1756
begannen Marxers Bemühungen, neben seiner Würde als Wiener Weihbischof der
nächste passauische Suffragan für das Offizialat unter der Enns zu werden. Mar-
xer versuchte darüber mit dem Fürstbischof in Passau in Kontakt zu treten. Er bot
an, die Herrschaft Gutenbrunn mit dem neuen Schloss „ad piam causam“ dem Bi-
schof und seinen Nachfolgern zu schenken und dort ein „Priesterhaus“ einzurich-
ten. Was er dafür erwartete, wird in den Briefen nicht ausgesprochen, Marxer woll-
te mit dem Bischof „in geheim contactiren“. Er hoffte, dass Bischof Joseph Do-
minikus bei der nächsten Visitation in Gutenbrunn sein Gast sein würde; sollte er
nicht nach Unterösterreich kommen, fragte Marxer an, wohin er sich „zu ferner ge-
heimer Unterredung […] verfügen solle.“ Gutenbrunn wäre sein besonderes Anlie-
gen, da es der Fürstbischof schon vor 29 Jahren zu einem Gnadenort deklariert hat-
te, und er bat „wieder um alleinige geheime Unterredung […] um die Hauptpuncten
gefasster meiner Entschließung ausführlicher communiciren zu können.“483 Passau
zeigte sich eher reserviert und wünschte statt eines Priesterhauses ein Seminar zur
Ausbildung des Priesternachwuchses nach den Vorgaben des Trientiner Konzils.484
Bereits einen Tag nach dem Tod Kuenburgs äußerte Marxer dann seine Intentio-
481 Wolfgang J. BANDION, Steinerne Zeugen des Glaubens. Die heiligen Stätten der Stadt Wien (Wien
1988) 229–230.
482 DAW, PP 1750ff in den jährlichen Weihekatalogen.
483 ABP, OA Generalakten 1446, Milde Stiftung des Weihbischofs Marxer zu Wien, insbesondere
die Incorporation seiner Herrschaft Gutenbrunn in die Pfarrei Tulln (Act den Wiennerischen H.
Weihbischoffen Marxer betr.) 19. Juni 1756 und 14. Juli 1756.
484 ABP, OA Generalakten 1446, Passau, 22. Juni 1756.
370 Oppeker, Bischofshof
nen deutlich: „[…] wie er nemlich gesinnet wäre, seine ganze Herrschaft Guten-
brunn ohne alle Schulden onere der Pfarr Thulln zu deme Endte zu incorporieren,
damit nebst Fortpflanzung der Marianischen Andacht von denen übrigen Einkünf-
ften eine Pflanz Schuel pro Clero Passaviensis alda unter der alleinigen Administ-
ration eines Geistlichen ordinarij Passaviensis […]“ errichtet werde, „wo Er sodan
sich die Hoffnung machte, dass Wir ihne zum Passauischen Weyh Bischoff benen-
nen würden.“ Die Pfarre Tulln war ja die Pfründe des Suffragans. Der Intention zur
Gründung eines Seminars gegenüber zeigte sich Passau „nicht ungeneigt“, aller-
dings fand man, „dass Thulln, wo weder ein Medicus weder eine Apothecen noch
andere erforderliche Bequemlichkeiten vorhanden“ dafür nicht geeignet wäre und
schlug Krems als Standort vor. Auch hätte das Domkapitel bereits Propst Philipp
Wirich Graf Daun zum neuen Suffragan erwählt.485 Seit 1725 wurden grundsätz-
lich nur Mitglieder des Passauer Domkapitels für diese Funktion herangezogen.486
Marxer gab sich aber nicht geschlagen. Er schlug nun vor, in der „oberen“ Diözese,
die bisher von Passau aus administriert wurde, ein neues Suffraganeat in Linz ein-
zurichten, für dessen Unterhaltung er jährlich 3.000 Gulden, soviel wie der Weih-
bischof im Offizialat unter der Enns erhielt, ausgeben wollte. Der Weihbischof in
Tulln könnte dann „respectierlich in der vnter Diöces residiren, die Directione und
Obereinsicht über die Geistlichen führen […] und zu dem Ende nebst der Residenz
Tullen auch eine corpatante Wohnung in Guttebrunn sich wählen.“487 Der Bischof
lehnte diese Vorschläge ab, da zwei Suffraganeate nie geplant waren, und „wan
wider alles Verhoffen die Nothwendigkeit zwey Suffraganeos erfordern sollte, […]
niehmalen auf ein Wiennerischen Weich Bischoffen sondern auf die hiesige […]
Canonicos ad meritiste Diocesanos“ zurückgegriffen werde.488
Ob persönlicher Ehrgeiz oder politisches Kalkül hinter Marxers Bemühen standen,
wissen wir nicht. Für den Ehrgeiz würden seine aufdringlichen Bemühungen zwi-
schen 1755 und 1767 sprechen, bei Abt Anselm vom Allgäuer Benediktinerkonvent
Ottobeuren (1740–1767) die Zustimmung, dass er die Weihe der neu erbauten Klos-
terkirche vornehmen dürfe, zu erwirken. Mehrere Bittbriefe sprechen davon, „die
Sach dahin unter der Hand einzulaithen, daß die Consecratio dieses herrlichen
Tempel auf mich kommete, ich wüste schon ein Weg von seiner Durchl: dem H: Bi-
schof als Ordinarius [Clemens Wenzel von Augsburg] die Erlaubnis zu erhalten.“
Zwei Wochen vor der Weihe teilte ihm Abt Anselm mit, dass sich der Augsburger
Fürstbischof die Benediktion (28. September 1766) schon seit längerem selbst vor-
behalten habe.489
485 ABP, OA Generalakten 1446, Passau, 23. August 1756.
486 WEISS, Kardinal Joseph Dominikus von Lamberg (wie Anm. 5) 14.
487 ABP, OA Generalakten 1446, Wien, 29. September 1756.
488 ABP, OA Generalakten 1446, Wien, 14. September 1756; Passau, 14. Oktober 1756.
489 Gabriele DISCHINGER, Ottobeuren. Bau- und Ausstattungsgeschichte der Klosteranlage 1672–1802 =
Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige 47 (2011) 952f
Oppeker, Bischofshof 371
Passau sah in Marxers Bestrebungen eine Intrige, die das unterennsische Suffra-
ganeat von Passau trennen und Wien einverleiben wollte. Sie würden darauf hin-
auslaufen, „dass der Wiener H: Suffraganeo nicht nur seine Aigennützigkeit son-
dern auch die schädliche Absicht […] auf endliche Zergliederung Unserer Diöcese
zubefördern […] mit Assignirung einer Dotis“ zu erreichen suche.490
Die Funktion eines definitiven Weihbischofs von Passau blieb Franz Anton Mar-
xer verwehrt, allerdings wirkte er auch während der Amtszeit des Grafen Daun
als „faktischer“ Weihbischof weiter und übte episkopale Funktionen für Passau in
Unterösterreich aus.491 In der Bestätigung der Weihe eines Subdiakons des Stiftes
Altenburg bezeichnete sich Marxer 1758 sogar als Generalvikar und Offizial des
Fürstbischofs Joseph Dominikus von Passau.492 Seine Dienste waren in dieser Zeit
unverzichtbar für das Bistum Passau.
Vielleicht war das der Grund, dass gegen alles Herkommen und alle Bedenken am
22. Februar 1764 der Passauer Bischof dem „Wienn. H. Dompropsten und Suffra-
ganeo Franz Xaveri Marxer die Pfarren Tulln und Abstetten […] zugedacht und das
Consistorium demselben bis auf weitere höchste Entschließung nur die Administra-
tion gedachte Pfarren überlassen […]“ und „dass dieser Fürgang“ dem Konsisto-
rium „zwar iederzeit gefährlich erschunen.“ Weiters wurde bestimmt, „dass er die
Priester Weyhen hier bey Maria Stiegen und nicht in Thuln, noch zu Guttenbrunn
vornehmen solle.“493 Somit war die Zeit der Ordinationen in der Tullner Pfarrkirche
St. Stephan vorbei.
Am 11. Mai 1764 wurde Marxer als Pfarrer von Tulln und Abstetten installiert, der
Dechant zu Königstetten wurde beauftragt, den Tullner Vikar davon zu verständi-
gen.494
Über das Wirken Marxers als Pfarrer von Tulln ist sehr wenig bekannt. Im Juni
des Jahres 1764 bestätigte er die Übernahme verschiedener Mobilien und Gerät-
schaften. Graf Daun hatte inzwischen auch ein Porträt des Fürstbischofs Kardinal
Joseph Dominikus von Lamberg anfertigen lassen, das heute nicht mehr vorhan-
den ist.495 Dagegen befindet sich in der Sammlung das Bildnis des damaligen Bi-
schofs, Kardinal Leopold Ernst Graf Firmian (1763–1783), von dem wir nicht wis-
sen, wann es entstanden ist. Gleichzeitig entließ Marxer den Verwalter der Pfarr-
(Quellen 5.15, 1–5). Für den Hinweis danke ich Christine OPPITZ, Stiftsarchiv Herzogenburg.
490 ABP, OA Generalakten 1446, Passau, 14. Oktober 1756.
491 DAW, PP, Ordinationskataloge der jeweiligen Bände der Passauer Protokolle. Johann WEISSENSTEINER,
in: GATZ, Bischöfe 1648–1803 (wie Anm. 148) 297. Ebenso bewertet Herbert W. WURSTER,
Diözesanarchiv Passau, die Stellung Marxers.
492 Stiftsarchiv Altenburg, Sign. 1758 V 20. K RICK, Domstift Passau (wie Anm. 55) 211 zählt Marxer
zwar unter den passauischen Weihbischöfen, nicht aber unter den Offizialen (216ff) auf.
493 DAW, PP 178, 1764, 2, 22. Jänner 1764.
494 DAW, PP 178, 1764, 161, 11. Mai 1764.
495 DASP, Pfarr- und Klosterakten Tulln 1 (1518–1853), 9. Juli 1764.
372 Oppeker, Bischofshof
Wo er seinen Lebensabend verbracht hat, wissen wir nicht, in den Tullner Sterbebü-
chern scheint er nicht auf.499
Was heute in Tulln an Marxer materiell noch erinnert, ist sein Porträt. Er hatte sich
aber nicht selbst für die Galerie seiner Vorgänger malen lassen. Kanonikus Kersch-
baumer, der über Marxer urteilte, er hätte „überhaupt für Tuln keinen Sinn“ gehabt,
„er spendete sein Porträt nicht“, erhielt dieses Bild aus dem Alumnat in St. Pölten,
wo es „überflüssig“ war.500
Es gibt aber Verbindungen, die sich über Marxer und Tulln zum Maler Franz Anton
Maulbertsch herstellen lassen.
Derzeit befinden sich im Diözesanmuseum St. Pölten zwei Bilder als Leihgaben, die
offensichtlich Pendants sind. Beide werden dem Frühwerk des Franz Anton Maul-
bertsch (1723–1796) zugerechnet und fallen stilistisch in die Zeit, als der Künst-
ler für Marxer in der Kirche Gutenbrunn-Heiligenkreuz tätig war.501 Das eine, „Jo-
496 DASP, Pfarr- und Klosterakten Tulln 1 (1518–1853), o. D., 1764: Saal bezeichnet sich im Brief vom
9. Juli bereits als „außtrettender Verwalter.“
497 DASP, Pfarrarchiv Tulln, Sign. 1/6, Taufbuch 1723–1782, 11.
498 DASP, Pfarrarchiv Tulln, Sign. 3/6, Sterbebuch 1723–1785, 792.
499 Auch im Totenbuch der Diözese 1785–1971 (St. Pölten 51972) wird er nicht angeführt.
500 DASP, Pfarrarchiv Tulln, Sign. 8/10, Pfarrgedenkbuch Kerschbaumer, 65f.
501 Vgl.dazu verschiedene Artikel (Wolfgang HUBER, Monika DACHS-NICKEL, Andreas GAMERITH) im
Katalog Maulbertsch! Junger Meister – Altes Testament (St. Pölten 2011).
Oppeker, Bischofshof 373
nicht Weihbischof der Diözese, sondern dem Bischof persönlich verpflichtet und
übte auch vielfach dessen episkopalen Funktionen im Offizialat unter der Enns aus.
Der 1764 neu ernannte offizielle passauische Suffragan, Joseph Adam Graf Daun,
Bischof von Hippo, trat dagegen bei Ordinationen kaum in Erscheinung.509
Die Pfründe Tulln gehörte damals keineswegs zu den reichen Pfarren. Sie dürfte
Marxer finanziell mehr belastet als gedient haben. Er leistete, entgegen seiner Ver-
pflichtung als Pfarrherr, auch nur durch drei Jahre die Rückzahlungsraten von je
300 Gulden für den abgebrannten Pfarrhof. So wurde ihm im Februar 1771 durch
das passauische Konsistorium die Exekution angedroht, sollte er nicht binnen vier-
zehn Tagen die gewünschte Summe zum Pfarrhofbau erlegen.510 Auch in den fol-
genden Jahren kam es zu Rückständen. Der Rest, für drei Jahre, vier Monate und 25
Tage, betrug schließlich 1.020 Gulden und wurde aus seiner Verlassenschaft gefor-
dert.511 Ebenso weigerte er sich durch 11 ½ Jahre hindurch, die bauliche Erhaltung
des Abstettner Pfarrhofes zu übernehmen, zu der er als Pfarrer verpflichtet gewe-
sen wäre. Er argumentierte, der Vikar genieße die Pfarrgrundstücke, sollte er zah-
len, den Genuss hatte jener allerdings an Stelle eines Salärs. Diese ausständigen 388
Gulden wurden ebenfalls aus seiner Verlassenschaft verlangt.512
Auch sonst scheint sich Marxer finanziell schwer übernommen zu haben. 1765 hat-
te er Schloss Gutenbrunn zu einem Alumnat gewidmet, das 1767 die Studien eröff-
nete.513 Allerdings mussten sie bis zum Tod Marxers von Bischof Firmian finanzi-
ell unterhalten werden.514 Das Verhältnis Marxers zum Bistum Passau scheint auch
weiterhin nicht ganz unbelastet gewesen zu sein, wird er doch 1771 in einem Brief
Firmians als „der unruhige weich Bischoff“ bezeichnet.515
Als Franz Anton Marxer am 25. Mai 1775 verstarb, wurde er in der Kirche Heili-
genkreuz-Gutenbrunn unter dem Hochaltar beigesetzt. Von einer Verlassenschafts-
abhandlung die Pfarre Tulln betreffend erfahren wir nichts. In Wien kam man 1777
zu dem Ende, dass das hinterlassene Vermögen nicht zur Deckung aller seiner Stif-
tungen reichte.516
Trotzdem ist Franz Anton von Marxer517 historisch gesehen der bedeutendste un-
ter den Pfarrherren von Tulln, auch wenn sich sein positives Wirken anderswo, im
Joseph Adam Graf von Arco (1763–1802), Pfarrer von Tulln 1775–1776
Joseph Adam Graf von Arco wurde am 27. Jän-
ner 1733 in Salzburg als Sohn des Anton Felix von
Arco518 und der Maria Josepha, geborene Gräfin
von Hardegg, geboren.519 Er studierte an der Uni-
versität Salzburg und anschließend am Seminar
S. Appolinare, anderen Angaben zufolge am Col-
legium Germanicum, in Rom und erwarb dort den
Doktorgrad der Theologie und der Philosophie.
Am 7. Dezember 1755 zum Priester geweiht, wur-
de er 1760 ins Passauische Domkapitel aufgenom-
men. Zum Titularbischof von Hipponensis (Hip-
po)520 und Weihbischof von Passau am 9. April
1764 ernannt, erhielt er die Weihe am 1. Mai des-
selben Jahres. Am 24. November 1773 übertrug
ihm Kardinal Firmian „aus besonderem Vertrau- Abb. 29: Porträt des Joseph Adam Graf
en“ die Stelle des unterennsischen Offizials.521 Arco, Pfarrhof Tulln. – Foto: Helfer
518 WEISS, Kardinal Joseph Dominikus von Lamberg (wie Anm. 5) 14, Anm. 14 und http://www.deutsche-
biographie.de/sfz1183.html (11.7.2011) nennen als Vater Georg von Arco, fürstl. Salzburgischer
Obersthofmeister.
519 Ich folge, die biographischen Angaben betreffend, http://de.wikipedia.org/wiki/Joseph_Adam_von_
Arco (11.7.2011) und http://www.deutsche-biographie.de/sfz1183.html (11.7.2011).
520 http://de.wikipedia.org/wiki/Hippo_Diarrhytus_(Titularbistum) (13.5.2013): Hippo Diarrhytus –
Hippo Diarrhytus (ital.: Ippona Zarito), Titularbistum der römisch-katholischen Kirche. Es geht zu-
rück auf einen untergegangenen Bischofssitz in der gleichnamigen antiken Stadt, heute Bizerta, in
der römischen Provinz Africa proconsularis (nördliches Tunesien). Der Bischofssitz gehörte zur Kir-
chenprovinz Karthago.
521 DAW, PP 187, 1773, 467, 24. November 1773.
376 Oppeker, Bischofshof
an Kaiser Leopold II. mit dem Ersuchen um Änderungen und teilweise Rücknah-
men der josephinischen kirchenpolitischen Maßnahmen.522
Über seine Tätigkeit als Suffragan ist wenig überliefert. In den jährlichen Catalo-
gi ordinandorum in den Passauer Ordinariatsprotokollen findet sich Joseph Adam
von Arco nur ein einziges Mal, 1765, als er Priesterweihen vornahm.523 Ansonsten
wissen wir, dass er 1775 in Ybbs 1.665 Menschen524 und in Wieselburg 145 Perso-
nen firmte.525 Eine weitere Aufgabe des Suffragans war 1776 die Übergabe der Pon-
tifikalinsignien an den neuen Propst von Eisgarn, die in Maria Stiegen stattfand.526
Im gleichen Jahr, als Arco zum passauischen Weihbischof ernannt wurde und die
Pfarre Aigen am Inn übernahm (1764),527 wurde die Pfarre Tulln mit Abstetten dem
Wiener Weihbischof Franz Anton Marxer übergeben, der damals die meisten Or-
dinationen für das Bistum Passau, wahrscheinlich in Wien, durchführte. Anschei-
nend hatte er als „Personae Suffraganeus“ des Fürstbischofs Firmian die Pfarre zu-
gesprochen bekommen.528 Arco hatte wohl keinen Wert darauf gelegt. Als Marxer
am 25. Mai 1775 verstarb, übernahm Arco die Pfarre und hatte sie wohl bis zur Er-
nennung zum Bischof von Königgrätz im Mai 1776 inne.
In Tulln weist außer seinem Porträt nichts mehr auf die Tätigkeit Arcos als Pfarr-
herr hin. In den Aufzeichnungen Kerschbaumers ist noch davon die Rede, „in den
Schrifften der Pfarr geschieht von Arco nur bis 1777 Meldung.“529 Heute ist auch da-
von nichts mehr aufzufinden.
522 Über die Rolle Arcos als Bischof von Seckau gibt es zahlreiche Literatur.
523 DAW, PP 179, 1765, 187, 6. April 1765.
524 FUCHS, Geschichte der landesfürstlichen Pfarre Ybbs (wie Anm. 280) 164 (1. September 1775).
525 LUX, Beiträge zur Geschichte der Pfarre Wieselburg. In: Geschichtliche Beilagen zu den Consistori-
al-Currenden der Diöcese St. Pölten 2 (St. Pölten 1885) 248–301, hier 277 (10. September 1775).
526 Alois PLESSER, Beiträge zur Geschichte der Propstei und Pfarre Eisgarn. In: Geschichtliche Beilagen
zum St. Pöltner Diözesanblatt 8 (St. Pölten 1907) 1–92, hier 61 (24. November 1776).
527 KEIBLINGER, Reihenfolge der Weihbischöfe von Passau (wie Anm. 50) 25.
528 Siehe Kapitel Franz Anton Marxer.
529 DASP, Pfarrarchiv Tulln, Sign. 8/2, 163.
530 Ich folge, soweit nicht anders zitiert, Rudolf ZINNHOBLER, Das Bistum Linz – seine Bischöfe und Ge-
neralvikare = Neues Archiv für die Geschichte der Diözese Linz 15 (Linz 2002) 11–31.
Oppeker, Bischofshof 377
Pfarre Tulln.
Die Zeit war geprägt vom Bestreben Kaiser Josephs II., die Diözesanordnung in sei-
nem Herrschaftsbereich völlig neu und auch über Rom hinweg zu organisieren und
dessen Zustimmung durch geschaffene Zustände zu erzwingen. Naturgemäß war
davon auch das Verhältnis zum Bistum Passau betroffen und sicher auch die Arbeit
des Offizials darauf fokussiert.
Über Herbersteins Tätigkeit als Suffragan wissen wir wenig. Kardinal Firmian be-
diente sich allerdings bereits vor 1776 der Dienste Herbersteins, der anlässlich ei-
ner Visitation im August 1774 in Hollabrunn firmte.533 Er soll bei Pfarrvisitationen
gewissenhaft auf die Befolgung der kirchenrechtlichen Bestimmungen Kaiser Jo-
sephs II. geachtet haben, mit ihm aber später wegen dessen Kirchenpolitik, vor al-
lem was seine Ernennung zum Bischof von Linz und die Besetzung der Pfarre Tulln
betraf, doch in Konflikt geraten sein.
Auch über die Tätigkeit als Pfarrherr von Tulln ist wenig bekannt. Die seelsorgliche
Betreuung lag weiter in den Händen des langgedienten Vikars Michael Hüller. Un-
ter Herberstein mussten auf Beschluss Kaiser Josephs II. vom 9. August 1783 sämt-
liche Bruderschaften aufgelöst werden. Sie alle wurden in eine „Bruderschaft der
tätigen Liebe des Nächsten unter dem Schutz des Heilandes Jesus Christus“ aufge-
nommen. Alles Vermögen musste dort eingebracht werden und sollte grundsätzlich
zur Versorgung der Armen in den einzelnen Gemeinden verwendet werden.534 In
Tulln gab es allerdings bereits das Bürgerspital und das Haus bei St. Sigmund au-
ßerhalb der Stadt.
Als der Minoritenguardian Martinus Wüllfing, vermutlich um sein Kloster vor der
befürchteten Aufhebung zu retten, beim Offizial mit der Bitte einkam, alle Benefi-
zienmessen und -andachten der Pfarre den Minoriten zu überlassen, gab die Regie-
rung am 6. März dazu ihre Zustimmung. Das Kloster hätte für diese Leistung jähr-
lich 400 Gulden aus dem Rentamt erhalten, seine wirtschaftliche Stellung wäre ver-
bessert und sein geistlicher Wirkungsbereich wäre erweitert worden.535 Dass Her-
berstein diese Aktion als Offizial eine Herzensangelegenheit war und er sie un-
terstützt hat, beweist der Brief, den er auf seinem Porträt präsentiert: die Bitte des
Martinus Wüllfing.
Was die wirtschaftliche Situation der Pfarre betraf, klagte der Weihbischof über
die noch immer zu leistenden jährlichen Rückzahlraten nach dem Brand von 1752.
Dazu traf ihn im Juni 1779 wieder das Unglück einer Feuersbrunst, die Bischofs-
hof, Vikarswohnung, Stallungen, Pferde- und Wagenschuppen in Asche legte. Den
Wiederaufbau überwachte der fürstbischöfliche und bürgerliche Baumeister Peter
Mollner aus Passau, der dazu zweimal nach Tulln reiste. Die neuerlichen Baukosten
betrugen 4.000 Gulden, die wieder von anderen Kirchen geliehen werden mussten
und durch die Rückzahlungen das Pfarrbudget weiter belasteten.536 1781 war auch
wieder eine Renovierung des Daches der Dreikönigskapelle dringend notwendig
geworden, und neuerlich begannen die Diskussionen zwischen Stadt und Pfarre,
wer dafür aufkommen sollte. Nach einem Gespräch mit „Sr Excell. Hrn. Bischoff“
konnte der Stadtrichter melden, dass die Pfarre „dazu ganz willig einen Beytrag ma-
chen wollte.“ Herberstein genehmigte 50 Gulden, in etwa ein Drittel der erforder-
lichen Bausumme.537
Obwohl Weihbischof Herberstein wahrscheinlich bereits ab 1776 die Pfarre Tulln
zugesprochen bekommen hatte, wurde er offiziell erst am 24. Oktober 1782 auf
Tulln und Abstetten investiert.538
Kaiser Joseph II. übersandte bereits drei Tage nach dem Tod des greisen Kardinals
Firmian († 13. März 1783) dem passauischen Offizial Ernest Graf Herberstein das
formlose Ernennungsdekret zum Bischof der ohne Wissen und Zustimmung Roms
und Passaus neu gegründeten Diözese Linz. Er forderte ihn auf, er möge „den Bi-
schöflichen Obliegenheiten in dieser neuen Dioecese sich sogleich unterziehen,
534 Anton KERSCHBAUMER, Geschichte des Bistums St. Pölten II (Wien 1876) 588.
535 DASP, Pfarrarchiv Tulln, Sign. 8/2, Dokument vom 22. März 1783.
536 KERSCHBAUMER, Tulln I (wie Anm. 20) 199; DASP, Pfarr- und Klosterakten Tulln 1 (1518–1853), ein
ganzer Faszikel die Wiederaufbauarbeiten betreffend.
537 Ratsprotokoll Tulln 8. August 1781; zit. nach DASP, Pfarrarchiv Tulln, Sign. 8/6, 267f.
538 DAW, PP 253, Confirmationes Parochum 1716–1783, 24. Oktober 1782.
Oppeker, Bischofshof 379
539 Zit. nach Rudolf ZINNHOBLER, 200 Jahre Bistum Linz. In: Katalog Kirche in OÖ – 200 Jahre Bistum
Linz (Linz 1985) 227–236, hier 229.
540 DASP, Pfarr- und Klosterakten Tulln 1 (1518–1853), 22. Jänner 1784.
541 DASP, Pfarr- und Klosterakten Tulln 1 (1518–1853), 25. Oktober 1784.