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Lektion 4: Inklusion am Beispiel Schule

4.1 Grundlagen inklusiver Förderung


Bedeutung von Inklusion in der Schule:
 Gemeinsames Lernen
 Ausgangspunkt: vielfältige Gruppe ( Vielfalt)
 Keine spezifische Kategorisierungen  keine einzelne, voneinander abgrenzbare
Untergruppen (z. B. „Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf“)
 Alle Schüler lernen zusammen, unabhängig von:
o Leistungsfähigkeit
o Herkunft des Kindes oder der Eltern
o Hautfarbe
o Verfügbarem Geld der Familie
o Ihrer Deutsch-Kenntnisse
Bsp.: Schulklasse: Mehrzahl der Kinder ist durchschnittlich und altersgemäß entwickelt einige
Schüler*innen haben eine geistige Behinderung, ein Schüler ist stark sehbeeinträchtigt, bei zwei
Schülern*innen wurde eine Hochbegabung festgestellt, drei Kinder sind erst vor Kurzem aus Syrien mit
ihren Eltern nach Deutschland geflüchtet und ein paar der Kinder haben große Schwierigkeiten beim
altersgemäßen Lernen
 Anspruch schulischer Inklusion  unterschiedliche Formen der Vielfalt für das gemeinsame
Lernen und Aufwachsen konstruktiv zu nutzen (nicht möglichst homogene Lerngruppen
konstruieren!)
 Traditioneller Unterricht ist hier nicht möglich  Inklusiver Unterricht erfordert andere
Herangehensweisen
o 3 Kernaspekte dafür:
 Inklusive Haltung
 Individualisierung durch Differenzierung
 Individualisierte Leistungsbeurteilung
INKLUSIVE HALTUNG
 Wichtigste Aspekt: Akzeptanz von Vielfalt (bedingungslose Wertschätzung –>
unabhängig von körperlicher oder geistiger Konstitution, sozialer oder kultureller
Herkunft, sexueller oder religiöser Orientierung)
 Akzeptanz bedeutet nicht, alles gutzuheißen
 Akzeptiert wird das individuelle Sosein der Schüler  damit auch die Existenz anderer
„Gefühle, Verhaltensweisen und Einstellungen, unabhängig von deren Bewertung“
 Verhalten der Lehrer haben starken Einfluss auf inklusive Grundhaltung von Schülern
 wichtiger Aspekt inklusionsförderliches Verhalten: Reversibilität (Umkehrbarkeit)
„Soziale Reversibilität bedeutet, dass die Äußerungen der Lehrkräfte gegenüber den Schülerinnen und Schülern so
formuliert sind, dass sie exakt so auch von den Schülerinnen und Schülern der Lehrkraft gegenüber geäußert werden
könnten“

 Akzeptanz von Vielfalt = Bemühen der Lehrkraft, die Welt aus den Augen der Schüler zu sehen
und zwar ohne diese Sichtweise zu beurteilen / oder verurteilen
 Sichtweise auf die Welt ist von Schüler zu Schüler unterschiedlich
 Inklusive Grundhaltung = jeden einzelnen Menschen wertzuschätzen  niemand ist besser oder
schlechter
= „egalitäre Differenz“ (A. Prengel)  Menschen sind unterschiedlich und gleichwertig.

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INDIVIDUALISIERUNG DURCH DIFFERENZIERUNG
 Vielfältigkeit
o nicht nur äußere Merkmale
o auch Schulleistungsniveau
 In inklusiven Schulklasse ist es nicht möglich, dass alle Schüler*innen auf dem gleichen Leistungsniveau
zum gleichen Zeitpunkt und in der gleichen Geschwindigkeit das Gleiche lernen
 Wichtig: Individualisierung des Unterrichts – jede*r Schüler*in --> eigene
Lernstrategien --> beste eigene Geschwindigkeit -> möglichst auf eigenen
Leistungsniveau lernen
 Differenzierung des Lernangebots erforderlich  Heterogenität der Schulklasse gerecht
werden  Lernumgebung muss dem Lernniveau eines jeden Kinds entsprechen
 äußerer und innerer Differenzierung
o äußere Differenzierung:
 aus vielfältigen Gesamtgruppe heraus kleinere, homogenere Gruppen zu
konstruieren, die zeitweise zusammenarbeiten
 Bsp.: Kriterium des Interesses: Wahlpflichtkurse oder AGs, die
interessenbasiert ausgewählt werden --> mit Vorstellung von Inklusion
vereinbar
 Bsp.: Kriterium der Leistungsfähigkeit: die Herausnahme von Schülern mit
sonderpädagogischem Förderbedarf im Bereich Lernen in spezifischen Fächern
--> Kritik: schafft Subgruppen und erzeugt Separation
o Innere Differenzierung:
= Binnendifferenzierung
 Allen Schüler*innen in Lerngruppen mit Blick auf ihre Lern- und
Entwicklungsmöglichkeiten möglichst gerecht zu werden
 Zusammengehörigkeitsgefühl aller Schüler zu entwickeln und zu erhalten

Ebenen der Binnendifferenz des Unterrichts:


1. Differenzierung der Schwierigkeit oder
Komplexität der Aufgaben;
2. Differenzierung der Lerninhalte;
3. Differenzierung der Sozialformen, in denen
gearbeitet wird;
4. Differenzierung von Medien und Hilfsmitteln;
5. Differenzierung der Zuwendung durch die
Lehrkraft
Sozialformen: Gestaltung von Beziehungen im
Unterricht (z.B. in Sitz- Raumordnung, Art und
Weise der Kommunikation und Interaktion)

Formen der Differenzierung abhängig von:


o konkreter Schule und konkreter Schulklasse
o Zusammensetzung der Schulklasse
o Personelle Ressourcen (multiprofessionelles Team, z. B.
zusammengesetzt aus mehreren Pädagogen mit unterschiedlichem
fachlichen Hintergrund)

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INDIVIDUALISIERTE LEISTUNGSBEURTEILUNG
o Schulnoten = Selektion und Allokation
 Selektion = Auskunft über Schulform (immer im Vergleich zu den Noten
Gleichaltriger)
 Allokation = Verteilung von Schulabsolventen auf der Grundlage ihrer
Bildungsabschlüsse auf passende Plätze im Ausbildungs- und Arbeitsmarkt
o Keine Selektionsfunktion an inklusiven Schulen (solange der Abgang von der Schule noch in
weiterer Ferne ist) --> Vermeidung der Etablierung homogener Lerngruppen (Der geistig
behinderte Schüler sollte hinsichtlich seines kognitiven Leistungsniveaus nicht mit dem
hochbegabten Schüler verglichen werden  hätte keinerlei pädagogischen Mehrwert)
o Fokus: intraindividuelle Leistungsvergleich (kontinuierliche Feststellungen und
Rückmeldungen in Bezug auf die individuelle Leistungsentwicklung eines einzelnen
Schülers)

Instrumente für intraindividuelle Vergleich:


 pädagogisches Tagebuch: kontinuierliche Verschriftlichung von Beobachtungen
und Verbesserungsmöglichkeiten in Bezug auf den eigenen Unterricht durch die
Lehrkraft.
 Schülerbeobachtungsbogen: Mithilfe von auf den eigenen Unterricht
zugeschnittenen Beobachtungsbögen können die Lernverläufe sowie das
Verhalten einzelner Schüler systematisch strukturiert und über einen längeren
Zeitraum hinweg erfasst werden.
 Prozess-Produkt-Präsentation: Präsentationen, die am Ende eines
Arbeitsprozesses das Ergebnis den Mitschülern sichtbar machen, bieten eine
Möglichkeit, Arbeitsprodukte zu bewerten. Die Bewertungskriterien sollten
den Schülern dabei transparent sein.
 Portfolio: Lernmappe, in der Arbeitsergebnisse von Schülern gesammelt
werden. Dort können beispielsweise Projektberichte, Lerntagebücher,
Hausaufgaben sowie Testergebnisse gesammelt werden. Gut strukturierte und
in ihrer Anwendung gründlich eingeführte Portfolios bieten damit die
Möglichkeit, differenziert Lernverläufe darzustellen.
 Tests: Klassische Klassenarbeiten, die von der gesamten Klasse zum gleichen
Zeitpunkt geschrieben werden, gibt es in einer inklusiven Schule nicht. Dennoch
können intraindividuelle Leistungsverläufe auch durch regelmäßige
Leistungstests sichtbar gemacht werden
Bezugsnormen für Beurteilung von Leistungen:
 soziale Bezugsnorm: Leistungen eines Schülers mit den Leistungen der anderen
Schüler der Schulklasse vergleichen . Typischerweise bei der Verteilung der
Noten die Gaußsche Normalverteilung, nach der es innerhalb einer Klasse einige
sehr gute, einige sehr schlechte und eine ganze Menge mittelmäßiger Noten gibt.
Aufgrund der Heterogenität der Schulleistungen wird diese soziale Bezugsnorm in
inklusiven Schulen nicht verwendet.
 curriculare Bezugsnorm: Schulleistungen werden anhand vorab beschriebener,
zu erreichender Lernziele bewertet  vorab muss der Vielfalt der Schüler*in
einer inklusiven Schule Rechnung getragen + unterschiedliche Curricula
entwickelt werden, die der Heterogenität der Leistungsniveaus entsprechen.
 individuelle Bezugsnorm: Bewertung des individuellen Lernfortschritts
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(intraindividuelle Entwicklung); es wird also ermittelt, was der einzelne Schüler
bezogen auf seiner Lernausgangslage in einem bestimmten Zeitraum gelernt hat.
Der Schüler wird also mit sich selbst verglichen.
individueller Lernentwicklungen + individualisierte Leistungsbeurteilungen = individualisierten
Lernentwicklungsrückmeldungen
(am Ende des Schuljahres kein Ziffernzeugnis, sondern ein verschriftlichen Bericht)
o Inklusive Schulen bis zur 8/10. Klasse keine Noten
KRITISCHE AUSEINANDERSETZUNG MIT DEN UMSETZMÖGLICHKEITEN VON SCHULISCHER
INKLUSION
Gründe warum schulische Inklusion alles andere als selbstverständlich und einfach:
 deutsche Schulsystem ist traditionell darauf ausgerichtet, möglichst homogene
Lerngruppen zu konstruieren (Indiz: mehrgliedriges Schulsystem)
o „Homogenitätsfiktion“ (falsche Annahme, dass homogene Lerngruppen
grundsätzlich lernfähiger seien als heterogene Lerngruppen)
o Lerngruppen aufgrund gesellschaftlicher Entwicklungen heterogen durch:
 vielfältiger werdenden Gesellschaft
 der immer größer werdenden Popularität des
Gymnasiums
 einer individualisierten Bevölkerung mit ganz
unterschiedlichen und vielfältigen Lebensstilen
o Schulsystem trotzdem stark auf Homogenität ausgerichtet
 Angst der Eltern, dass die eigenen Kinder ihr schulisches Leistungspotenzial nicht voll
entfalten können (Eltern sind gegen die gemeinsame Beschulung von Schülern mit und
ohne Behinderung), obwohl schulische Inklusion in der Theorie von vielen Eltern
befürwortet wird
 wird deutlich durch vermehrte Klagen und Beschwerden und durch vermehrte besuche
von Privatschulen (was abhängig vom Gehalt der Eltern ist)
 Fehlen von mutigen Konzepten, die schulische Inklusion ermöglichen (müssen auf Individuum anpassbar
sein und dürfen nicht nach Schema F produziert werden  Technologiedefizit)
 mangelnder politischer Wille und damit verbunden ein Mangel an (personellen)
Ressourcen (Schulische Inklusion wird nicht umgesetzt. Es findet vielmehr eine
Ressourcenstärkung der Regelschulen statt, ohne das Förderschulsystem kleiner
werden zu lassen oder zu entlasten)
Positives Beispiel: Londoner Stadtteil Newham  in 10 Jahren (1984-1994) von 8
Sonderschulen auf zwei, 1999 wurde eine weitere geschlossen  durch politischen
Willen
Formulierung einer politischen Absichtserklärung:
1. De-Segregationsprozess = Anerkennung, dass Sonderschulen einen großen
Einfluss auf Diskriminierung haben und Anerkennung des Rechts von
Kindern zusammen zu lernen.
2. Ziel formuliert: alle Kinder sollen Möglichkeit haben eine Schule in ihrer
Nachbarschaft zu besuchen
Punkte die für schulische Inklusion erforderlich sind:
 neue pädagogische Konzepte
 interdisziplinäre Zusammenarbeit
 Sozialraumorientierungen
 ein Personal, das die Möglichkeit erhält, neue Wege zu gehen
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4.2 Organisationskonzepte (Praxisbeispiele)
Jakob Muth-Preis
Jakob Muth (1927–1993)
Pionier in Bezug auf die gemeinsame Erziehung von Kindern mit und ohne Behinderung.
Überzeugt, dass Modelllernen eine hohe Wirkung erzielt. Gilt als Vorkämpfer schulischer Inklusion.
 Jakob Muth-Preis seit 2009
 Vergeben durch den Beauftragten der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit
Behinderungen, die Bertelsmann-Stiftung und die Deutsche UNESCO- Kommission
 Motto des Preises „Gemeinsam lernen mit und ohne Behinderung“  seit 2014 „Jakob Muth-Preis für
inklusive Schule“
 Fokus: Konzeptionen wie Schüler mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf
gemeinsam erfolgreich lernen können  prämierte Schulen haben eine anregende
Lernumgebung für alle Kinder und Jugendlichen geschaffen
 Verständnis von Inklusion der prämierten Schulen im Leitgedanken: „jeden Einzelnen
wertzuschätzen, den Blick auf die Bedürfnisse und Fähigkeiten aller Kinder zu richten und
allen eine bessere Teilhabe zu ermöglichen“ (Jakob Muth-Preis)
 Von 2009–2019: über 600 Bewerbungen und 25 Preisträgerschulen aus zwölf Bundesländern
ausgezeichnet
 Begutachtung folgender Bereiche (Bewertung):
 Schule auf dem Weg zur Inklusion,
 inklusives Lernen,
 inklusives Lehren und Arbeiten,
 Inklusion und Leistung,
 Inklusion und Gesellschaft
 Fragestellungen zu den Kriterien:
 Wie ist die Schule zu einer inklusiven Schule geworden und wie möchte sie
sich weiterentwickeln? (Schule auf dem Weg zur Inklusion)
 Wie sieht der inklusive Schulalltag für die Schülerinnen und Schüler aus?
(inklusives Lernen)
 Wie sieht der inklusive Schulalltag für Mitarbeiter aus? (inklusives
Lehren und Arbeiten)
 Welche Leistungen erbringen die Schüler in unterschiedlichen
Bereichen? (Inklusion und Leistung)
 Wie wirkt die Schule daran mit, den Inklusionsgedanken in ihr Umfeld zu
tragen? (Inklusion und Gesellschaft)

7 Merkmale guter inklusiver Schulen


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1. In der inklusiven Schule stehen die Schüler mit 5. Das Kollegium und die Schulleitung arbeiten eng
ihrem Bildungserfolg im Mittelpunkt zusammen
 Balanceakt zwischen konsequent  die Zusammenarbeit zwischen der
individualisierendem Leistungsbegriff und Schulleitung und den pädagogischen
gleichzeitigem sozialem Fachkräften sowie allen anderen Beteiligten ist
Zusammengehörigkeitsgefühl unabdingbar
Bsp. Schule B hat sehr bewusst die Bsp. In Schule L setzt sich die Steuergruppe ‚inklusive
Jahrgangsmischung von eins bis vier eingeführt. Schulentwicklung‘ neben der Schulleitung aus
Seitdem fühlen sich die ‚Großen‘ in besonderer Vertretern der Lehrkräfte, Sozialpädagogen, der
Weise für die Leitung des offenen Ganztags und Eltern zusammen.
‚Kleinen‘ verantwortlich; jedes Kind fühlt sich Das Gremium trifft sich monatlich zu festen, im
‚seiner‘ Lernfamilie zugehörig. Stundenplan geblockten Zeiten und reflektiert
2. Inklusiver Unterricht fokussiert auf individuelles Aspekte des Schullebens aus verschiedenen
und kooperatives Lernen Perspektiven
 Das individuelle Lernen findet in individueller 6. Die inklusive Schule arbeitet mit Eltern und
Lerngeschwindigkeit sowie mithilfe von externen Partnern zusammen
ständigem Feedback durch die Pädagogen statt  Zusammenarbeit mit Eltern, Institutionen und
Bsp. Schule D hat in der Eingangsstufe Lernstraßen externen Unterstützungssystemen (z. B.
eingeführt. Jeder Lerner weiß genau, wo er steht, Jugendhilfe, Schulpsychologie oder
welche Schritte er warum als Nächstes erwarten und therapeutische Angebote) wichtig!
wen er um Hilfe fragen kann. So kann er in seinem Bsp. Die Eltern an Schule O gestalten das Schulleben
Tempo arbeiten aktiv mit, indem sie konkrete Verantwortung
3. Verbindliche Absprachen schaffen verlässliche übernehmen. Sie sind unter anderem fester
Strukturen für das gemeinsame Lernen Bestandteil bestehender Arbeitsgruppen zu
 Die pädagogische Arbeit muss in eine klare verschiedenen Schulentwicklungsbereichen, in
Umrahmung eingebettet sein (Klare und denen das Konzept der Schule weiterentwickelt wird.
durchgängig eingehaltene Unterrichtskonzepte, 7. Haltung, Kompetenz und geeignete
die systematische Begleitung von Rahmenbedingungen bilden das Fundament
Lernprozessen, klare Rhythmen im Tagesablauf inklusiver Schule
sowie kohärente Elternarbeit)  wertschätzende und ressourcenorientierte
Bsp. In Schule F gilt schulweit dasselbe Ruhezeichen; Grundhaltung + verlässliche
damit werden lange Aushandlungsprozesse Ressourcenstrukturen
überflüssig  multidisziplinäres Team
Bsp. Schule S hat sogenannte ‚Lobbriefe‘ entwickelt.
4. Die inklusive Schulpraxis steht immer wieder auf
In diesen Briefen wird den Eltern durch die
dem Prüfstand.
Lehrkräfte das positive Verhalten ihrer Kinder
 Schule entwickelt sich stets weiter, sei es durch
mitgeteilt
gesellschaftliche, kommunale oder
schülerbezogene Einflüsse
 Inklusion ist untrennbar mit ständiger Reflexion
verbunden. Das eigene pädagogische Handeln
wird dabei regelmäßig hinterfragt und
gegebenenfalls weiterentwickelt
Bsp. An Schule I ist im Stundenplan für jede Lehrkraft
eine Teamstunde vorgesehen, in der sie im Unterricht
der Kollegen hospitieren kann

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 7 Merkmale als Orientierung für den Weg in Richtung Inklusion
 Können unterschiedlich interpretiert und umgesetzt werden
Index für Inklusion Bereiche (hilft Schulen herauszufinden, wie sie diese sieben Merkmale gut
umsetzen können):
 Inklusive Strukturen,
 inklusive Kultur
 Inklusive Praxis

Antonius-von-Padua-Grundschule in Fulda (Jakob-Muth-Preisträger 2017)

 Schulgebäude ist nach einem offenen Raumkonzept gebaut (keine Türen)


 eine 500 Quadratmeter große Halle
 früher eine Förderschule mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung für Kinder mit
geistigen Behinderungen
 Schulkonzept ist auf individualisiertes Lernen ausgerichtet
 Lerngruppe besteht aus:
o 10 Kinder mit attestierten sonderpädagogischen Förderbedarf
o 5 Kindern mit Förderbedarf in den Förderschwerpunkten geistige Entwicklung, Lernen oder
Kranke (Kranke = chronisch erkrankte Kinder und Jugendliche, die von häufigen
Krankenhausaufenthalten betroffen)
 Die Kinder können sich frei bewegen
 klare Regeln und Strukturen
 ein wertschätzender Umgang miteinander
 Begegnung auf Augenhöhe
 Erlernen der Gebärdensprache
 Ihre individuellen Lernziele bearbeiten sie in individueller Lerngeschwindigkeit ->
Unterschiedlichkeit ist für die Kinder normal
 Selbstständige Anmeldung zu einem Test, wenn sie sich sicher fühlen /keine klassischen
Klassenarbeiten
 Schulentwicklungsprozess zu einer inklusiven Schule hat fünf Jahre gedauert, sodass seit 2014
Kinder mit und ohne sonderpädagogischen Förderbedarf gemeinsam lernen können
 Keine Schulassistenten -> halten Kinder durch behütendes (wenn auch gut gemeintes)
Verhalten von ihrer Selbstständigkeit ab
 ein Motto der Schule: „Wo Kinder mit und ohne Behinderungen zusammen lernen, verliert das
Anders-Sein seine Besonderheit“
 Private Grundschule ohne Schulgeld durch „Antonius Netzwerk Mensch“

Offene Schule Waldau in Kassel (Jakob Muth-Preisträger 2013)


 integrierte Gesamtschule, umfasst die Jahrgänge 5–10
 Aus dem Stadtteil Waldau werden alle Bewerber angenommen – ausnahmslos
 Knapp 900 Schüler 2013
o 24 verschiedene Nationalitäten
o 25 Prozent der Schüler hatten einen sonderpädagogischen Förderbedarf
 Drei Säulen des pädagogischen Konzeptes:
o das Lernen in Jahrgangsteams,
o der Ganztag und
o das selbstständige Arbeiten
 an Klasse 8 wird niveaudifferenzierter Unterricht angeboten  Wechsel jederzeit, nach Absprache,
möglich
 Zusammenarbeit mit Eltern ist wichtig
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 Mind. 1 Besuch der Lehrerin zuhause

Tischgruppenelternzusammenarbeit an der Georg-Christoph-Lichtenberg- Schule in


Göttingen (Träger des Deutschen Schulpreises)
 Die Zusammenarbeit mit den Eltern sowie die Zusammenarbeit der Eltern untereinander stellt
einen wichtigen Kern gelingender schulischer Inklusion dar
 lebensweltliche Distanzen sowie ein starker Fokus auf das Fortkommen des eigenen Kindes lässt
sich unter anderem mit dem Ansatz der Tischgruppenelternzusammenarbeit begegnen
 pädagogische Unterrichtskonzept des Team-Kleingruppenmodells
o Tischgruppen gebildet, die sich durch ihre Heterogenität auszeichnen (schulische
Leistungsfähigkeit, Geschlecht und soziale Herkunft)
o sollen dann jeweils zu einer „sozial-integrativen Lerneinheit“ zusammenwachsen
o gemeinsam übernehmen sie Verantwortung für ihren Lernerfolg
o eine spezifische, didaktisch-methodische Unterrichtsgestaltung
o Bildungs- und Entwicklungschancen von Kindern aus Familien, die sozial benachteiligt sind
= verbessert
o solidarisches Verhalten wird eingeübt + Persönlichkeiten entwickeln
o explizit Diskriminierungsprozessen entgegenwirken und zu einer verbesserten
Chancengleichheit beitragen
 automatisch eine Auswirkung auf das Verhalten der Eltern  Erfolg der Gruppe = Erfolg des eigenen
Kindes
 Elternabende (Tischgruppenelternabende) finden reihum bei den Eltern der Schüler der jeweiligen
Tischgruppe statt  Einblick in Lebensumstände und erfahren mehr über die Individuen/ Eltern
sollen einander verstehen und in Bezug auf die Bildungs- und Lernprozesse ihrer Kinder an einem
Strang ziehen
 achtsame Moderation der elterlichen Gruppenprozesse ganz entscheidend
 Problem: sozialer Vergleichsdruck
 Benötigt Konzept mit folgenden Ansätzen:
o Phase eins: Konzept erläutern, sodass Eltern verstehen, warum Zusammenarbeit mit anderen
Eltern dem eigenen Kind nützen könnte  Motivation aller Eltern entwickeln
o Phase zwei: Zusammenhalt einer Tischgruppe wird gezielt gestärkt (in neutralen
Räumlichkeiten). Diese Phase ist essenziell für das Gelingen der Zusammenarbeit -- erfordert
methodische Kompetenz und milieusensible Moderation
Ergebnis = (bestenfalls) Gruppenzusammenhalt  alle Mitglieder arbeiten gerne und
wertschätzend mit
o Phase drei: ersten beiden Phasen = bessere Voraussetzungen um Tischgruppenelternabende in
den Wohnungen der Eltern reihum stattfinden zu lassen
 müssen methodisch gut vorbereitet und kompetent moderiert sein, sodass es zu einer
tatsächlichen Zusammenarbeit sowie elterlicher Solidarität kommt.

Wunsch und Wirklichkeit: ein Blick in die „normale“ Praxis


o eine flächendeckende Umsetzung von Inklusion ist in sehr weiter Ferne –> vielmehr
Dynamiken zu beobachten, die dagegensprechen, dass in nächster Zeit schulische
Inklusion tatsächlich flächendeckend realisiert wird
o Realität in den meisten Schulen, in denen Gemeinsamer Unterricht (also die
gemeinsame Beschulung von Schülern mit und ohne sonderpädagogischen
Förderbedarf) stattfindet:
 Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf besuchen eine
Regelschulklasse
 Der Unterricht der Regelschulklasse verändert sich nicht großartig im
Vergleich zu der Zeit, bevor die Schüler mit sonderpädagogischem
Förderbedarf an dieser Regelschule unterrichtet wurden.
 Die Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf erhalten
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stundenweise Unterstützung durch Sonderpädagogen sowie je nach
Förderbedarf durch einen Schulbegleiter.
 Die Aufgaben von Sonderpädagoge und Schulbegleiter sind dabei die
Unterstützung des Schülers mit sonderpädagogischem Förderbedarf im
Klassenunterricht sowie Einzelförderung

Wunsch und Wirklichkeit: ein Blick in die „normale“ Praxis


o eine flächendeckende Umsetzung von Inklusion ist in sehr weiter Ferne – es sind
vielmehr Dynamiken zu beobachten, die dagegensprechen, dass in nächster Zeit
schulische Inklusion tatsächlich flächendeckend realisiert wird
o Realität in den meisten Schulen, in denen Gemeinsamer Unterricht (also die
gemeinsame Beschulung von Schülern mit und ohne sonderpädagogischen
Förderbedarf) stattfindet:
 Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf besuchen eine
Regelschulklasse
 Der Unterricht der Regelschulklasse verändert sich nicht großartig im
Vergleich zu der Zeit, bevor die Schüler mit
sonderpädagogischem Förderbedarf an dieser
Regelschule unterrichtet wurden.
 Die Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf
erhalten stundenweise Unterstützung durch
Sonderpädagogen sowie je nach Förderbedarf durch
einen Schulbegleiter.
 Die Aufgaben von Sonderpädagoge und
Schulbegleiter sind dabei die Unterstützung des
Schülers mit sonderpädagogischem Förderbedarf im
Klassenunterricht sowie Einzelförderung

Zuweisung der Sonderpädagogen nach bildungspolitischen Vorgaben


o Entwicklung einer administrativen Vorgehensweise für faire Verteilung
nötig
Beispiel von NRW zeigt, dass:
o Vielerorts Integration unter dem Wort Inklusion läuft
o Nicht das System Schule verändert sich, sondern bleibt gleich
und wird durch Sonderpädagogen ergänzt

Lektion 5: Inklusion in der Arbeitswelt


5.1 Diversity Management
 Inklusion in der Arbeitswelt unter dem Stichwort Diversity Management
(=unternehmerische Perspektive)
 Diversity soll gemanagt werden
 „Diversity“ übersetzt als:
 Vielfalt,
 Unterschiedlichkeit
 Heterogenität
 Vielfältigkeit
 Diversität
 Diversity unterstreicht die Mannigfaltigkeit der Differenzlinien und die Heterogenität
individueller und kollektiver Identitäten (soziale Herkunft, Ethnizität, Religion, sexuelles
Begehren, Behinderung, Alter und Geschlecht)
 ein vielfaltsorientierter Blick auf Hochschulen ist zeitgemäß -> Studierende überaus
heterogene Gruppe:
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o ca. 61 Prozent der Studierenden sind neben dem Studium erwerbstätig
o jede*r fünfte ist ein ‚Arbeiterkind‘; fast ein Viertel hat einen Migrationshintergrund
o 22 Prozent haben eine abgeschlossenen Berufsausbildung
o 17 Prozent haben keine allgemeine Hochschulreife
o 11 Prozent sind internationaler Herkunft
o 14 Prozent der Studierenden haben eine Beeinträchtigung; für 7 Prozent ist das
Studium durch eine gesundheitliche Beeinträchtigung erschwert
o 5 Prozent haben (ein) Kind(er)“
 Diversity umfasst alle Facetten des Menschseins

Darstellung von Gradenswartz und Rowe (2003)


Innere Dimensionen:
 Merkmale einer Persönlichkeit, die als relativ
unveränderbar gelten
Äußere Dimensionen:
 weitgehend veränderbar
 stark von den inneren Dimensionen geprägt
organisationalen Dimensionen:
 Zugehörigkeitsstrukturen zu einer Organisation (hier
Hochschule)
 Lässt sich unternehmensspezifisch anderes konstruieren
Die inneren und die äußeren Dimensionen erheben jedoch den
Anspruch, die Vielfalt der Menschheit abzubilden (innerhalb der
Dimension selbst (z.B. soziale Herkunft,…) gibt es nochmal
erhebliche Differenzierungen zu beachten)

Es gibt unterschiedliche organisationale Verständnisansätze von


Diversität  zeigen unterschiedliche strategische
Herangehensweisen von Unternehmen an das Thema Vielfalt auf

Homogenitätsansatz:
 Diversität = Bedrohung für Organisationen
 Normgebende = dominante Gruppe, die aus der Majorität der Mitglieder der Organisation
besteht
 Vielfalt wird verleugnet und ignoriert
 künstlich hergestellte Gleichheit kann zu einer Diversitätsblindheit führen
 Verständnis  Homogenität führt zu einer besseren Wettbewerbsfähigkeit
 Ziel: Vermeidung von Heterogenität
 Für Hochschulen: Homogenitätsansatz = wenig erfolgversprechend
 Forschung, Lehre, Studierendengewinnung und Mitarbeiterrekrutierung finden mittlerweile in
globalisierten Kontexten statt

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 Fairness- und Antidiskriminierungsansatz:
 moralisch-ethische sowie rechtliche Aspekte im Fokus
 Ziel: Gleichberechtigung aller Mitglieder einer Organisation
 Umsetzung: rechtliche Rahmenbedingungen maßgebend
 Vor allem auf Problemvermeidung ausgerichtet
 Kritik: kann zu Anpassungsverhalten und „gläsernen Decken“ führen
 Wichtige Grundlage für: konstruktiven und produktiven Umgang mit Vielfalt
 Zielt auf Weiterentwicklung von rechtlichen und organisatorischen Rahmenbedingungen ab, die die
gleichberechtigte Teilhabe aller Mitglieder einer Organisation ermöglicht
 Bereich Hochschule: Rahmenbedingungen geschaffen bzw. weiterentwickelt, die gleichberechtigtes
Arbeiten und Studieren aller Hochschulmitglieder ermöglichen
o Ansatz bezieht sich vor allem auf die rechtlichen Aspekte von
Gleichberechtigung
o Relevant dafür sind:
 das Grundgesetz,
 das Allgemeine Gleichstellungsgesetz (und die Einrichtung einer
Beschwerdestelle),
 das Bundesteilhabegesetz,
 der Rahmenkodex „Gute Beschäftigung“,
 Menschenrechtskonventionen wie die Behindertenrechtskonvention,
 das SGB IX,
 die Einsetzung eines Beauftragten für die Belange von Studierenden
mit Beeinträchtigung oder chronischer Erkrankung
 die Leitlinien einer Hochschule
 weitere organisatorische Weiterentwicklungen:
 individuelle Möglichkeiten der Arbeitsplatzgestaltung
 Weiterentwicklungen von Nachteilsausgleichsregelungen
 Berücksichtigung diverser Lebensstile in Bezug auf Ernährung, Spiritualität,
niedriges Einkommen oder nicht sichtbare Formen von Beeinträchtigungen
betreffen

Marktzutritts- und Legitimitätsansatz:


 Nutzen von Vielfalt für die Wettbewerbsfähigkeit
 Vielfalt der Mitarbeiter (in Bezug auf Nationalität, sexuelle Orientierung,…) = wesentlicher Faktor für
individualisierte und vielfältige Kundenorientierung
 Menschen mit ähnlichen demografischen und/oder körperlichen Merkmalen fühlen sich verbunden
und kommen leichter in Kommunikation und Aushandlung
 Gefahren sind:
o Fortschreibung impliziter Vorurteile (z. B.: Menschen mit
Migrationshintergrund sind Experten für das Thema Migration);
o Überlagerung von einzelnen Merkmalen in Bezug auf die Zuschreibung von
Persönlichkeitseigenschaften (z. B.: eine Person mit türkischem Migrationshintergrund wird
regelmäßig auf ihr Türkisch-Sein reduziert);
o Ausblendung hybrider oder multipler Identitäten (z. B.: Deutsch-Türken werden
regelmäßig auf ihr Türkisch-Sein reduziert)
 Vielfalt wird als Mittel und Zweck gesehen/ marktorientiertes Instrument
 verfolgt ausschließlich ökonomische bzw. wettbewerbsorientierte Zielsetzungen
 Bezug auf Hochschulen Ansatz auf 2 Ebenen betrachtet werden:
o Hochschule in Konkurrenz zu anderen Hochschulen in Bezug auf ihre Attraktivität für
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Studierende
o auf die Mitarbeiter bezogen -> „War of Talents“ („Kampf um die besten Köpfe“) prägt
angesichts des demografischen Wandels und des damit verbundenen
Fachkräftemangels die Anwerbe- und Personalentwicklungsstrategien vieler
Organisationen

Lern- und Effektivitätsansatz:


 Ressourcenorientierung steht im Vordergrund
 Diversität = zu schützende und nützliche Ressource -> muss gefördert werden
 auf Fairness und Gleichberechtigung hinzuwirken und gleichzeitig Unterschiede wertschätzen
und unterschiedliche Erfahrungen und Kenntnisse innerhalb einer Organisation nutzen
 Aspekte einer ganzheitlichen Perspektive:
 vielfaltsorientierte rechtliche Rahmenbedingungen,
 das Nutzen von vielfaltsbezogenen Ressourcen für
Organisationsentwicklungsprozesse,
 wertschätzende Grundhaltungen in Bezug auf Diversität
 Maßnahmen einer zielgerichteten Entwicklung einer diversitätssensiblen Organisationskultur
von zentraler Bedeutung
 Bezug auf Hochschulen:
 Ressourcen, die durch die Unterschiedlichkeit der Hochschulmitglieder
vorhanden sind (z. B. in sozialer, kultureller, religiöser, körperlicher
Hinsicht oder in Bezug auf unterschiedliche sexuelle Orientierungen)
bewusst sichtbar gemacht, gefördert und für die Ziele der Hochschule
nutzbar gemacht werden.

Verantwortungs- und Sensibilitätsansatz:


 Organisationen werden als Bürger verstanden, die die Gesellschaft mitgestalten können
 Organisationsinterne Vielfalt wird dabei in einem Zusammenhang mit
organisationsexterner Vielfalt betrachtet
 gesellschaftlicher Verantwortung steht im Vordergrund
 Strategie: Orientierung an einer Vorbildfunktion der Organisation für
gesellschaftliche Entwicklungsprozesse
 Bereich Hochschule:
• Third Mission -> Bemühungen außerhalb der Kerngeschäfte Forschung und Lehre, die der
Gesellschaft zugutekommen
 Größere Unternehmen:
• Corporate-Social-Responsibility-Abteilung (CRS)  Marketingstrategie

Mischformen dieser Strategien sind gut denkbar + werden umgesetzt  meist aber noch sehr
unsystematisch oder ohne klares Konzept
Kritik: allzu häufig steht der Marktzutritts- und Legitimationsansatz im Vordergrund
 bestehende Ausgrenzungsprozesse werden nicht bearbeitet, sondern gefestigt!
Inklusion auf dem Arbeitsmarkt erfordert deutlich größeren gesellschaftlich und politisch erzeugten
Handlungsdruck

5.2 Inklusive Unternehmenskonzepte (Praxisbeispiele):


Schwerpunkt der folgenden Praxisbeispiele liegt auf der Zielgruppe der Menschen mit Behinderung
 in Deutschland trotz zunehmender Inklusionsbemühungen auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt
Zahlen und Fakten zum Thema:
 Circa 3,2 Millionen schwerbehinderte Menschen im erwerbsfähigen Alter leben in Deutschland
(schwerbehindert nach Schwerbehindertenrecht = ein Grad der Behinderung von 50 + Prozent)
Dunkelziffer höher -> Angst vor Diskriminierung
 2017 Arbeitslosenquote bei Menschen mit Behinderung: 11,7 % / Menschen ohne Behinderung:

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5,7%
 Menschen mit Behinderung benötigen durchschnittlich 101 Tage länger, um eine Beschäftigung
zu finden, als Menschen ohne Behinderung
 Langzeitarbeitslosen von Schwerbehinderten liegt bei ca 45%
 Arbeitgeber mit mindestens 20 Mitarbeitern unterliegen einer Beschäftigungspflicht mit Blick
auf Menschen mit Behinderung (knapp 75% der Arbeitgeber auf die dies zutrifft beschäftigen
min. eine Person mit einer Schwerbehinderung) -> wenn nicht dann Ausgleichsabgabe
 Beschäftigungsquote Schwerbehinderter = 4% (5% ist die gesetzliche Vorgabe)
Menschen mit Behinderung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in Deutschland benachteiligt
 Menschen mit Behinderung stellen dabei eine sehr heterogene Personengruppe dar:
blinde, sehgeschädigte, gehörlose, hörgeschädigte, kognitiv beeinträchtigte, körperlich behinderte,
chronisch kranke, sprachgestörte Personen

Institut für Inklusive Bildung:


 qualifiziert Menschen mit geistigen Behinderungen erhalten eine dreijährige Vollzeitausbildung
zu Bildungsfachkräften, die in einer Hochschule Lehre gestalten können
 weltweit erste anerkannte wissenschaftliche Einrichtung dieser Art
 Eigentlich: Universitäten und Hochschulen traditionell denjenigen in Deutschland als
Bildungsort vorbehalten, die sich mit einem entsprechenden Bildungsabschluss (z. B. Abitur) für
die Aufnahme eines Studiums qualifiziert haben
 Doch: Das Institut für Inklusive Bildung stellt diese traditionelle Vorstellung von Universitäten
und Hochschulen als Exklusiv-Bildungsort für Neurotypische (= Personen, deren neurologische
Entwicklung mit dem übereinstimmt, was gesellschaftlich als normal verstanden wird) auf den
Kopf
o Menschen mit geistiger Behinderung werden als Lehrenden ausgebildet um
Lehrveranstaltungen in verschiedenen Formaten vorzubereiten und durchzuführen:
 Vortrag,
 Workshop,
 Seminar in Semesterlänge
o Wichtig: keine wissenschaftlichen Lehrveranstalten in denen es um Theorien, Modelle,
empirische Ergebnisse oder ähnliches geht
o Vorteile die Menschen mit Professur nicht besitzen: Behinderungserfahrung im Bereich
kognitive Beeinträchtigung (= Wissen, wie es ist, mit einer geistigen Behinderung in
einer Welt zu leben, die nicht für Menschen mit geistiger Behinderung gemacht ist)
o Lebensrealitäten selbst vor dem Hintergrund von Teilhabe und Ausgrenzung zu
reflektieren und daraufhin Studierende ebenso in Reflexionsprozessen anzuleiten
o Keine alltagstheoretische Erzählung sondern qualitativ hochwertige und anspruchsvolle
Bildungsarbeit  benötigt Ausbildung
Ausbildung:
 3 Jahre
 Vorher in einer Werkstatt für behinderte Menschen gearbeitet (= um Beitrag zum
Übergang vom sogenannten zweiten, geschützten Arbeitsmarkt auf den ersten,
regulären Arbeitsmarkt zu leisten = weit unter 1%)
 2013 Leuchtturmprojekt in Schleswig-Holstein = Ausbildung von 5 Personen (arbeiten seit
1.11.2016 unbefristet/ Vollzeit am Institut für Inklusive Bildung)
• Arbeitsplätze durch das Ministerium für Wissenschaft und Kunst finanziert und
durch das Integrationsamt des Landes bezuschusst
• In über 70 Veranstaltungen 2800 Personen direkt erreicht
Versucht nicht Menschen mit Behinderung „fit zu machen“, sondern fokussiert die Stärken, die nur
die Menschen mit Behinderung mitbringen!!

Werner & Co. Gewürze:


 Seit 2011 Gelsenkirchener Gewürzmühle Integrationsabteilung

13
 1/3 der 30 Mitarbeiter hat eine Behinderung
 Ausgangspunkt war die Anfrage der Agentur für einen Arbeitsplatz für jemanden mit Trisomie
21
 zeigt wie wichtig die Leitung, der Inhaber*in, Geschäftsführer*in, Abteilungsleiter*in im Kontext von Inklusion,
Behinderung und Arbeitsmarkt ist

Kriterien für erfolgreiche Inklusion auf dem Arbeitsmarkt (Bundesagentur für Arbeit):
 Damit Jugendliche mit Behinderung einen Weg in den Ausbildungsmarkt finden, sind enge lokale
Vernetzungen wichtig
 Enge Zusammenarbeit zwischen Förderschulen und Unternehmen, z.B. Praktika während Schulzeit
 ist für Jugendliche mit dem Förderschwerpunkt Lernen eine gute Chance, sich zu beweisen,
denn auf der Grundlage ihres Abschlusszeugnisses an einer Förderschule haben sie deutlich
weniger Chancen, einen Ausbildungsplatz zu erlangen
 Netzwerk Cottbus bringt Bewerber*innen mit Behinderung und Unternehmen bei einem
„Inklusiven Frühstück“ zusammen
Erfolgsfaktoren für den Übergang zwischen Schule und Beruf laut Agentur für Arbeit:
 Identifizierung persönlicher Stärken und Fähigkeiten, um Jugendliche mit Behinderungen
passgenau im Betrieb auszubilden und einzusetzen
 Frühzeitiger Beginn der Berufsorientierung
 Enge Vernetzung von Unternehmen mit Leistungsträgern, Schulen und Kooperationspartnern
 Austausch von Informationen
 Regionale Netzwerke
 Praxisnahe Unterstützung und Beratung durch Leistungsträger
 Betriebsnähe alle Akteure am Übergang von der Schule in den Beruf
 Sensibilisierung von Unternehmen für die Beschäftigung von Mitarbeitenden mit Behinderungen
Kriterien für erfolgreiche Umsetzung von Inklusion in Unternehmen:
 Inklusives Engagement und Bewusstsein der Führungskräfte
 Einbindung aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Unternehmen in die Inklusion
 Unterstützung und Beratung durch Leistungsträger und Netzwerkpartner
 Nutzung der Unterstützungsleistungen für Arbeitgeber
Unterstützungsmöglichkeiten vonseiten der Bundesagentur für Arbeit:
 die Finanzierung von Arbeitsplatzanpassungen,
 Bezuschussung zum Gehalt,
 fachliche Unterstützung
 dies sinnvoll und unternehmensspezifisch zu nutzen = wichtig für gelingende Inklusion

Lektion 6: Kommunale Inklusion


6.1 Begründungslinien für kommunale Inklusion
 Kommune = Stadt, Dorf, Gemeinde, Stadtteil, Landkreis, Kreis usw. / steht für die Gesamtheit der
Bewohner*innen Organisationen, Einrichtungen und Institutionen an einem Ort
 kommunaler Inklusion = Weiterentwicklung einer Kommune, dass alle Mitglieder gleichberechtigt an ihr
teilhaben können
 Ziel kommunaler Inklusion = dass sich alle als eine Gemeinschaft in Vielfalt und ohne Ausgrenzung
verstehen
 Um diesem Anspruch etwas systematischer zu begegnen, hilft die Bezugnahme auf das Konzept der
Sozialraumorientierung

Konzept der Sozailraumorientierung


 Besonders hohe Aufmerksamkeit in der Behindertenhilfe
 Inklusion erfordert in Bezug auf die kommunale Versorgungslage von Menschen mit Behinderung einen
starken Paradigmenwechsel  weg von einer Politik der zentralisierten Fürsorge hin zu einer
dezentralisierten Politik der Teilhaberechte. Damit ist z. B. gemeint:
14
o die Auflösung der unmittelbaren Nähe von Angeboten für Wohnen, Arbeit und Freizeit in Bezug
auf Menschen mit Behinderung;
o die Auflösung von großen Wohneinheiten, z. B. am Rande einer Stadt, hin zu dezentralisierten
Wohneinheiten über die gesamte Stadt verteilt;
o Öffnung des allgemeinen Bildungsbereichs für Menschen mit Behinderung, z.B. in Bezug auf
Schule und Universität;
o Entwicklung neuer Teilhabemöglichkeiten in Bezug auf die Freizeitgestaltung von Menschen mit
Behinderung jenseits von separierten Angeboten wie beispielsweise einer „Disco für Menschen
mit Behinderung“;
o Öffnung des allgemeinen Arbeitsmarkts für Menschen mit Behinderung;
o insgesamt Selbstbestimmung in Bezug auf die eigene Lebensgestaltung anstelle von
vorgefertigten und kaum hinterfragten Lebenswegen
 Paradigmenwechsel im Bereich der Behindertenhilfe: selbstbestimmtes Leben auf der
Grundlage von Rechten zu realisieren
 Konzept dient als Leitplanke für Fachkräften, die an Inklusionsentwicklung arbeiten
 Zielsetzung: Umgebungen, Verhältnisse und soziale Kontexte so zu konstruieren, dass sich die
Menschen selbst (z. B. Menschen mit Behinderung) nach ihren eigenen Lebensentwürfen
entwickeln können
 Der Fokus liegt hier also auf der Umwelt, innerhalb der sich die Personen bewegen und nicht
auf den Personen selbst

1. Orientierung an den Interessen und am Willen


 Vorstellung vom guten Leben und gelingenden
Zusammenleben spielen bei der Umsetzung von Inklusion
aus Perspektive der Professionellen keine Rolle
 Zielsetzung: Ein Zusammenleben zu befördern, bei dem
möglichst viele der beteiligten Gruppierungen in ihren
Interessen geachtet werden, ohne dass sie auf Kosten
anderer durchgesetzt werden
 Ziel: Sozialraum so gestalten, dass alle die Möglichkeit
haben, den von ihnen bevorzugten Lebensstil zu pflegen
 Sozialraumorientierung beschäftigt sich vor allem mit
benachteiligten und eher machtlosen Personengruppen
 nicht nur Fortbewegen, sondern auch gewisse soziale
Beweglichkeit und soziale Offenheit, mit denen andere
einem begegnen
 Stadtteil verstehen und Interessenslagen durchdringen
 Was beschäftigt Menschen:
dass die Nachbarin nicht die Treppe putzt
dass mein Geld nur noch für wenige Tage reicht
dass meine Tochter auf dem Spielplatz manchmal von
älteren Männern belästigt wird
dass die Kinder der Nachbarn mittags immer Krach Wille = etwas Aktives
machen  Fokussierung auf Willen  kann zur
dass die Heizkostenabrechnung nicht verständlich ist ernsthaften Veränderung beitragen
dass der Vermieter immer noch nicht das Badezimmer Wunsch = etwas Passives
renoviert hat
 Fokussierung auf Wunsch  löst
 Verstehen der tatsächlichen Bedürfnisse = Ausgangspunkt
von Sozialraumorientierung  hebt das Konzept darauf
häufig Helfersyndrom aus
ab, Menschen zu befähigen, ihre Wünsche und Interessen
und ihren Willen zu äußern und von dort ausgehend
Veränderung zu gestalten
 Kunst besteht darin, nicht zu denken, dass man es besser
15
weiß, was ein anderer Mensch wolle
 Wichtig: Unterschied von Wunsch und Wille
 Wichtiger Ausgangspunkt = Interesse und Wille möglichst
aller Personen einer Kommune zu verstehen
2. Unterstützung von Eigeninitiative und Selbsthilfe:
 Es geht um die Ermöglichung von autonomem Verhalten und nicht um möglichst tiefgreifende
Unterstützungssysteme, die selbstständigem Verhalten entgegenwirken
 Bsp.: Die Spülmaschine in der Behinderten-WG ist regelmäßig kaputt. Statt sie reparieren zu lassen sollten die
Bewohner selbst abwaschen, um den Wert der Spülmaschine angemessen einschätzen zu können
 so heißt Sozialraumorientierung, zu fragen, woran jemand gerne teilhaben möchte, um dann zu überlegen,
inwiefern Unterstützung dabei benötigt wird
 Das Verständnis von Interesse und Willen soll dann eben nicht dazu führen, dass andere Personen entsprechende
Möglichkeiten realisieren, sondern Eigeninitiative und Selbsthilfe sollen befördert werden

3. Nutzung der Ressourcen der Menschen und des Sozialraums:


 Sozialraumorientierung ist ein konsequent ressourcenorientiertes Konzept
 bezieht sich auf die Individuen und auf das Quartier selbst
 Fokus auf die Stärken einer Person = besonders wichtig
 Welche Vorteile ergeben sich aus vermeintlichen Schwächen
 Problem: Kostenzuweisungen und Ressourcenausstattungen sind häufig auf die Defizite fokussiert  individuelle
Entwicklungserfolge und Stärken geraten dabei zwangsläufig in den Hintergrund
 Inklusive Kommunen erfordern hingegen Ressourcenorientierung, ein Verständnis für das, was jemand kann, und
die Eröffnung von Chancen auf der Grundlage individueller Kompetenzen
 Zu inklusiven Kommunen gehören aber natürlich auch:
o Therapieangebote,
o medizinische Versorgung auch für spezifische Themen oder Fachkliniken
 Inklusion in Kommunen auf der Grundlage von Sozialraumorientierung bedeutet:
o den Willen einer Person zu verstehen
o Eigeninitiative zu befördern
o Ressourcen und Stärken anzuerkennen und zu nutzen
Selbst in sozioökonomisch, schlechter gestellten Regionen gibt es Ressourcen, die auszubauen sind
Wichtig: Ressourcen im Sozialraum marginalisierter Personen nutzbar machen
 aktive oder aktivierbare Netzwerke z.B.: Freunde, Nachbarn, Verwandte, Hausarzt,…
 solche Netzwerke nutzbar zu machen für Menschen mit Behinderung ist kein Selbstläufer
 Öffnung zur Nachbarschaft = von hohem Nutzen (Menschen mit Behinderung sind oft nur von Professionellen umgeben)
Anstreben von einem ehr selbstverständlichen Miteinander, zu dem jeder auf seine Art und Weise beitragen kann und jeder
auf seine Art und Weise einen Nutzen hat
4. Sozialräumliche Arbeit muss zielgruppen- und bereichsübergreifend angelegt sein
 sozialräumlich orientierte Arbeit muss zielgruppen- und bereichsübergreifend konstruiert sein (= da die
unterschiedlichen Personengruppen innerhalb eines Wohnquartiers miteinander verwoben sind und
Interdependenzen untereinander aufweisen)
 Im Kontext von kommunaler Inklusion bzw. Sozialraumorientierung sollte von Projekten für das Quartier, für
den Stadtteil, für die Region gesprochen werden nicht von Projekten für Behinderte oder Geflüchtete
 Vorgehensweise hat Verwobenheiten im Blick und vermeidet Stigmatisierungen und Vernachlässigungen von
bestimmten Zielgruppen
 Wohnungsbaupolitik, Arbeitsmarktdynamiken, Bildung und Kultur und weitere Bereiche gehören zur
Entwicklung von kommunaler Inklusion

5. Kooperation und Koordination


 zahlreiche Vernetzungen und Abstimmungen innerhalb einer Kommune notwendig für (4)

16
 es gilt, systematische Kooperationsstrukturen zwischen den unterschiedlichen Organisationen, Institutionen,
Trägern und kommunalen Einrichtungen zu etablieren und zu pflegen
 säulenartige Strukturen sowie Konkurrenzdenken verhindert häufig die Zusammenarbeit zwischen
unterschiedlichen Akteuren  zergliederte Finanzstrukturen in Deutschland maßgeblich dafür
verantwortlich

 5 Aspekte der Sozialraumorientierung = wichtige


Grundlage für kommunale Inklusion
 Individuen = wichtigen Ausgangspunkt und nicht
hilfsbedürftige Leistungsempfänger
 Ihre Interessen an spezifischen Lebensstilen und der
Wille, zu Veränderungen beizutragen = essenziell für
gelingende kommunale Inklusion
 Fachkräfte von kommunaler Inklusion müssen eigene
Normen und Werte in Bezug auf die Frage, was ein
gutes Leben sei, zurückstellen
 Entgegengewirkt werden muss Sozialisationsprozessen,
die darauf abzielen, dass den Menschen gar nicht erst
bewusst wird, dass sie selbst entscheiden und
mitgestalten können

6.2 Konzepte kommunaler Inklusion (Praxisbeispiel):


 Kindertageseinrichtungen die Inklusion umsetzen wollen-> nutzen Index für Inklusion für
Kindertageseinrichtungen
 Inklusion in Schulen -> nutzen Index für Inklusion für Schulen
 Kommunen -> Kommunalen Index für Inklusion (= Arbeitsbuch, das ständig weiterentwickelt
wird, Unterstützung möglichst alle Facetten im Blick zu haben)
• Vielfalt = Ressource  muss genutzt und gefördert werden
 Idee, den Index für Inklusion für Schulen auf das Gemeinwesen anzuwenden, kommt aus
dem britischen Suffolk
 drei Bereiche (wie im Index der Schule)::
1. Kultur
2. Strukturen
3. Praktiken
 Umfangreicher Fragebogen zu den Bereichen, mit denen sich die Kommune selbst
reflektieren kann

Index:
1. Kultur

17
1.1. Alle Besucherinnen und Besucher werden freundlich empfangen
1.3. Gute Kommunikation stärkt das Engagement von allen
1.4. Es besteht eine gemeinsame Verpflichtung zu inklusivem Handeln
1.5. Es werden an alle hohe Erwartungen gestellt
1.6. Jede/r einzelne wird als Mitarbeiter/in und Mensch wertgeschätzt
1.7. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterstützen sich gegenseitig
1.8. Alle Stellen und Abteilungen arbeiten gut zusammen
1.9. Es wird alles getan, um diskriminierende Praktiken zu beseitigen
1.10. Die Zusammenarbeit mit externen Partnern ist gut
1.11. Alle kommunalen Einrichtungen werden einbezogen
1.12. Für alle kommunalen Anliegen gibt es eine Anlaufstelle

2. Strukturen
2.1. Die Gebäude sind frei und offen zugänglich
2.2. Es gibt Standards, an denen sich alle orientieren können
2.3. Alle tragen zu einer gelungenen Planung bei
2.4. Vorgehensweisen und Strukturen sind aufeinander abgestimmt
2.5. Die Einstellungspraxis ist fair
2.6. Neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden unterstützt
2.7. Der Umgang mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist fair
2.8. Das Beförderungswesen ist fair
2.9. Fortbildungsangebote helfen, Vielfalt wertzuschätzen
2.10.Externe Partner unterstützen den inklusiven Ansatz

3. Praktiken
3.1. Angebote und Leistungen sind barrierefrei und bedarfsgerecht
3.2. In allen Praktiken zeigt sich ein Verständnis von Vielfalt
3.3. Die Führungsebene unterstützt inklusive Praktiken
3.4. Jede/r ist für das eigene Lernen mitverantwortlich
3.5. Alle planen und arbeiten partnerschaftlich zusammen
3.6. Die Selbstständigkeit von Einzelnen und Gruppen wird unterstützt
3.7. Erfahrungswissen wird geteilt
3.8. Kompetenzen werden voll erschlossen und genutzt
3.9. Ressourcen werden genutzt, um die Teilhabe aller zu fördern
3.10. Alle Ressourcen sind fair verteilt
3.11. Niemand wird zurückgewiesen
3.12. Alle anfallenden Gebühren sind fair

Zu allen Kategorien sind je 10-12 Fragen entwickelt worden

Beispielfragen für die Bereiche Kultur, Strukturen und Praktiken im Kommunalen Index für
Inklusion
Kultur
Merkmal 1.1. Alle Besucherinnen und Besucher werden freundlich empfangen
1.1.1. Erleben alle Besucherinnen und Besucher den ersten Kontakt mit der
Organisation/Einrichtung als freundlich und offen?
1.1.2. Werden Anstrengungen unternommen, den Empfangsbereich ansprechend, einladend und
informierend zu gestalten?
1.1.3. Repräsentiert der Empfangsbereich der Organisation/Einrichtung das gesamte Spektrum der
Besucherinnen und Besucher (z. B. durch Darstellung ethnischer Vielfalt auf Bildern und Plakaten)?
Merkmal 1.4. Es besteht eine gemeinsame Verpflichtung zu inklusivem Handeln
1.4.1. Fühlen sich alle Stellen und Abteilungen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gemeinsam
verpflichtet, eine inklusive Kultur zu etablieren?
18
1.4.2. In welcher Weise übernehmen alle beteiligten Stellen und Abteilungen,
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Verantwortung für eine inklusive Kultur?
1.4.3. Besteht bei allen Beteiligten ein grundlegendes Verständnis der Begriffe Inklusion und
Exklusion?
Strukturen
Merkmal 2.1. Die Gebäude sind frei und offen zugänglich
2.1.1. Sind alle Gebäude, Gebäudeteile, Eingangsbereiche und Verbindungswege der
Organisation/Einrichtung barrierefrei?
2.1.2. Wurde überprüft, ob alle Eingänge der Organisation/Einrichtung den gesetzlichen
Anforderungen nach barrierefreiem Zugang entsprechen?
2.1.3. Ist im Rahmen von Modernisierungsprojekten die Neugestaltung eines barrierefreien
Zugangs geplant?
Merkmal 2.5. Die Einstellungspraxis ist fair
2.5.1. Sind alle Führungskräfte in der Personalauswahl und -einstellung ausgebildet und
erfahren? Wird das Personalauswahlverfahren evaluiert? Werden Konsequenzen aus der
Auswertung gezogen?
2.5.2. Sind die Stellenausschreibungen gut zugänglich und so formuliert, dass alle
potenziellen Bewerberinnen und Bewerber angesprochen werden?
Praktiken
Merkmal 3.1. Angebote und Leistungen sind barrierefrei und bedarfsgerecht
3.1.1. Gibt es Informationspakete zur Begrüßung?
3.1.2. Ist die Ansprache in Briefen freundlich und offen?
3.1.3. Sind die mündlichen und schriftlichen Mitteilungen an die Bürgerinnen und Bürger
umgangssprachlich verständlich formuliert?
Merkmal 3.2. In allen Praktiken zeigt sich ein Verständnis von Vielfalt
3.2.1. Werden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ermutigt, sich mit anderen Ansichten
auseinanderzusetzen?
3.2.2. Sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter es gewohnt, mit Menschen anderer Herkunft,(...)
sexueller Orientierung bzw. Personen mit (...) Beeinträchtigung etc. zusammenzuarbeiten?
3.2.3. Vermeiden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter diskriminierende Bemerkungen, z. B.
sexistischer, rassistischer, schwulen- und lesbenfeindlicher oder anderer Art
WICHTIG: Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft
Aktivitäten der Stiftung zielen mithilfe von verschieden Projekten darauf ab, dass jeder Mensch gleichberechtigt an
der Gesellschaft teilhaben kann.
Erfahrungen mit der Entwicklung von kommunaler Inklusion dokumentierte die Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft
in einem Erfahrungshandbuch
 Ereignisse und Prozesse werden beschrieben

Kommunale Inklusion erfordert Entwicklungsprozesse auf diversen Ebenen  Gestaltung = kommunalspezifisch


Auseinandersetzung mit Frage: Was bedeutet Inklusion? = essenziell für gemeinsamem Prozess in Richtung
Inklusion!!
Verständnisse von Inklusion aus dem Erfahrungshandbuch:
 Inklusion ist etwas anderes als das Weg-Integrieren von Minderheiten – Inklusion
erfordert eben auch, dass die Mehrheitsgesellschaft sich verändert.“
 „Inklusion ist für mich in erster Linie ein Bewusstsein über die
ungleiche Verteilung von Ressourcen und Privilegien.“
 „Warum ersetzen wir die Wörter Integration und Inklusion nicht
einfach durch
‚Zusammenleben‘?
Zusammenleben in inklusiven Kommunen bedeutet = alle können
gleichermaßen teilhaben
Aber wer sind denn eigentlich diese „alle“?
19
In Oldenburg wurde mit Blick auf diese Frage die Oldenburger Vielfaltsmatrix entwickelt
 Inklusion ist ein Prozess und nicht von jetzt auf gleich in Idealform realisierbar
 Hilfreich an der Matrix: Aufgliederung der Kommune in unterschiedliche Funktionsbereich
 Suche nach Kooperationsmöglichkeiten nötig
 Anfangs: Analyse des Ist-Zustands

Beispiel für kommunale Inklusionsentwicklung:


Gesamtstädtischer Prozess in Oldenburg
 163.000 Einwohner
 Metropolregion Bremen
 Stadtrat: 50 Mitglieder
 2012 unter Beteiligung von Verwaltung, Zivilgesellschaft, Politik und Wirtschaft einen
Aktionsplan entwickelt und umgesetzt
 Über 300 Personen waren an Entwicklung und Umsetzung beteiligt
 neu eingerichtete Fachstelle für Inklusion übernahmen Koordination für den
Gesamtprozess
 chronologische Übersicht vom Beschluss:
o 21.5.2012: Rat der Stadt beschließt Erarbeitung eines Aktionsplans
o 5.6.2012: Schulausschuss beschließt Einsetzung einer Arbeitsgruppe
‚Inklusion an Oldenburger Schulen‘
o 9.10.2012: Fachtagung ‚Die inklusive Übermorgenstadt – Wege und Visionen für ein
inklusives Oldenburg‘
o 5.3.2013: 1. Info und Mitmach Veranstaltung aller Interessierten
o 1.4.2013: Start für den kommunalen Aktionsplan, Einrichtung einer neuen
Fachstelle Inklusion
o Juni 2013: Arbeitsgruppen zu unterschiedlichen Handlungsfeldern beginnen ihre
Arbeit
o 28.8.2013: Sozialausschuss des Rates der Stadt beschließt Einsatz einer
Steuerungsgruppe
o 30.8.2013: Treffen der Sprecher/innenrunde
o 20.11.2013: Fachtag für alle Mitarbeiter/innen des Sozialamtes
o 9.12.13: Konstituierende Sitzung der Steuerungsgruppe
o 16.10.2014: Steuerungsgruppe beschließt Zuständigkeiten für
Inklusionsprozess
o Ende 2014: Fertigstellung des Kommunalen Aktionsplans Inklusion
o Februar/März 2015: Beratung des Aktionsplans in allen Ausschüssen des Rates
der Stadt
o 23.3.2015: Verabschiedung des Aktionsplans durch den Rat der Stadt
o 23.4.2015: Konstituierung der dezernatsübergreifenden Arbeitsgruppe
Inklusive Stadtverwaltung Oldenburg
o 2.7.2015: Gründung Oldenburger Netzwerk ‚Inklusion konkret!‘
o Seit 2015: Umsetzung der Maßnahmen des Kommunalen Aktionsplans Inklusion
 3 jähriger Prozess bis Verabschiedung von Aktionsplan
 Tragfähige Konzepte, Strukturen und Prozesse lassen sich nur dann entwickeln, wenn
Kooperation auf allen Ebenen funktioniert
 Verschiedene Arbeitsgruppen formulierten unterschiedliche Themenbereiche
o Aufgabe: Antwort auf Folgende Fragen finden:
1. Welche Werte und welche Haltungen verbinden wir mit Inklusion?
2. Was haben wir bereits und wollen es unbedingt behalten? (Ist-
Analyse)
3. Wie sieht die ideale inklusive Gesellschaft aus? Was muss sich
ändern, um diese zu realisieren?
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4. Was müssen wir dafür tun, um diese ideale inklusive Gesellschaft zu
erreichen? (Formulierung von konkreten Maßnahmen)
Aktionsplan = Grundlage  seit mehreren Jahren wird an einem inklusiven Oldenburg gearbeitet

Bürgernahes Rathaus in Verden


 Gesamtstädtische Prozesse = mehreren Elementen, die bestenfalls ineinandergreifen
 Langkreis Verden -> AG Inklusives Rathaus = Teil einer umfassenden Zukunftsstrategie der Stadt
 Verwaltung = 400 Mitarbeiter  100 arbeiten im Rathaus
 Seit 2013: an inklusives Rathaus gearbeitet
 Fachbereichsübergreifend ist dabei ein bürgernahes Rathaus die Vision, dem es gelingt,
Strukturen und Prozesse so zu gestalten, dass allen die Teilhabe am Gemeinwesen ermöglicht
wird.
 Kernfrage: Wie ist es zu schaffen, dass die einzelnen Fachbereiche der Verwaltung nicht isoliert
voneinander, sondern miteinander für das Gemeinwohl arbeiten
 Mithilfe der Moderation und Begleitung von zwei Prozessbegleitern hat sich die Projektgruppe
regelmäßig getroffen und folgende Maßnahmen ergriffen:
o Verständnis erlangen für die Problematiken des jeweils anderen Fachbereichs,
o wechselseitige Hospitationen,
o Schreibtischtausch zwischen den Fachbereichen
 Das bürgernahe Rathaus in Verden = gutes Beispiel, dass Inklusion nicht nur bei den
betroffenen Zielgruppen selbst ansetzen muss
 Schaffung von Strukturen, die Inklusion ermöglichen, setzt bei tiefgehenden
Auseinandersetzungsprozessen in der Verwaltung an.

Inklusive Quartiersentwicklung in Hamburg-Altona


 mehr als 270.000 Einwohner und 14 unterschiedliche Stadtteile
 der Prozess von einer sogenannten Q8-Managerin wird moderiert und unterstützt
 „Q8 – Quartiere bewegen“ = Initiative der Evangelischen Stiftung Alsterdorf in Partnerschaft mit
der NORDMETALL-Stiftung  hat das Projekt „Eine Mitte für Alle“ als Gemeinschaftswerk von
Bürgern, Initiativen, Einrichtungen, Politik, Verwaltung und Eigentümern ins Leben gerufen
 Fokus: Bau von 3500 Wohnungen auf dem Gelände eines ehemaligen Güterbahnhofs 
Entstehung und Bewohnung möglichst inklusiv
 Zeitschiene:
o Februar 2012: Auftaktveranstaltung
o Juli 2012: Forum ‚Eine Mitte für Alle‘ veröffentlicht erstes Ergebnispapier
o August 2012 – Februar 2014: Bezirksversammlung beschließt Einbezug der
Empfehlungen des Forums für eine
inklusive Stadtentwicklung
o 2014: Leitbild von ‚Eine Mitte für Alle‘ wird
in bezirkliches Wohnungsbauprogramm
aufgenommen
o Juni 2014: Städtebaulicher Vertrag
o April 2015: „Eine Mitte für Alle“ wird in das
Regierungsprogramm 2015 – 2020
aufgenommen
o 2016: Start der ersten Baumaßnahmen
o Januar 2017: Empfehlungen für das
benachbarte Holstenquartier
o Geplant Ende 2017: Erste Bewohner/innen
ziehen ein
 Kernfrage:
o Wie kann ein inklusiver Stadtteil
entwickelt, geplant und umgesetzt

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werden?
o Wie kann dies in einer von Vielfalt geprägten und vor sozialen Herausforderungen
stehenden Großstadt realisiert werden?
 Herausforderungen: Interesse = groß.
o Niemand wusste, wie das gehen kann mit der inklusiven Stadtentwicklung  gab keine
Vorbilder, keine Einträge in der Suchmaschine. Der Auftakt markierte den Bedarf
ebenso wie die Leerstelle
 Meilensteine des Projekts:
o der Eingang des Begriffs Inklusion in den städtebaulichen Vertrag zwischen den
Behörden und den Eigentümern,
o die Aufnahme des Projekts „Eine Mitte für Alle“ in das Regierungsprogramm Hamburgs
(2015–2020),
o die Berücksichtigung inklusiver Aspekte bei den tatsächlichen Baumaßnahmen sowie
ein hohes Interesse von anderen Stadtteilen, aber auch anderen Städten in
Deutschland und darüber hinaus (z. B. Wien oder Birmingham) an dem
Stadtentwicklungsprozess
o 2016 als Best-Practice- Beispiel im Feld inklusive Stadtentwicklung durch die
Vereinigten Nationen gewürdigt
 Politische Entscheidungen im Bezirk Altona sowie im Hamburger Senat wurden
beeinflusst.
 Verwaltungsabläufe wurden verändert.
 Konkrete Projekte und soziale Angebote wurden angeregt und entwickelt.
 Unterschiedliche Akteure, z. B. Verwaltung, Politik und Eigentümer, haben wichtige
Anregungen erhalten.
 Insgesamt wurde das Thema Inklusion in der Stadtentwicklung mit wichtigen
Impulsen durch das Forum befördert
 Das Projekt „Eine Mitte für Alle“ = gutes Beispiel, wie Stiftungen Inklusion in der Kommune
unter der Einbeziehung von Bürgern vorantreiben können
 Zentraler Faktor: der Einbezug von Bürgern, die mit ihren Impulsen sozialräumliche
Notwendigkeiten, Interessen und Willensbekundungen sichtbar machen konnten

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