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Kapitel XIII:

Σάρξ – Fleisch, fleischliche Körperteile,


Körpergewebe, Schamteile, Mensch, Fleischnahrung
Einführung
Das Fleisch ist nicht Materie, es ist nicht Geist, nicht Substanz. Um es zu bezeichnen bedürfte
es des alten Begriffes ‚Element‘ in dem Sinne, wie man ihn früher benutzt hat, um vom Wasser,
von der Luft, von der Erde oder vom Feuer zu sprechen, d. h. im Sinne eines generellen Dinges,
auf halbem Wege zwischen dem raum-zeitlichen Individuum und der Idee, als eine Art inkarniertes
Prinzip, das einen Seinsstil überall dort einführt, wo ein Teil davon zu finden ist. Das Fleisch ist in
diesem Sinne ein ‚Element‘ des Seins. ¹
M. Merleau-Ponty

1 Hinführung: Verortung der Rede vom Fleisch (σάρξ)

In seinem Spätwerk Das Sichtbare und das Unsichtbare wendet sich der Philosoph
Maurice Merleau-Ponty der Analyse der „Sichtbarkeit“/„Unsichtbarkeit“ sowie des
„Fleisches“ zu und er tut dies, indem er dem Fleisch eine zentrale Stellung als Bin-
deglied zwischen „Welt“ und „Leib“ zuweist, wenn er schreibt: „Die gesehene Welt ist
nicht ‚in‘ meinem Leib, und mein Leib ist letztlich nicht ‚in‘ der sichtbaren Welt: als
Fleisch, das es mit einem Fleisch zu tun hat, umgibt ihn weder die Welt, noch ist sie
von ihm umgeben; es gibt ein wechselseitiges Eingelassensein und Verflochtensein
des einen ins andere.“² Damit wendet er sich von einer symbolischen Verflechtung
zwischen „Welt“ und „Fleisch“ ab, hin zu einem materialistischen Verflochtensein.
Gleichsam sei Fleisch auch nicht einfach mit bloßer Materie, Substanz oder Geist
gleichzusetzen, sondern es sei ein „Emblem einer allgemeinen Seinsart“³ oder – in
Anlehnung an die „alten natur-philosophischen“ Elemente vorsokratischer oder ari-
stotelischer Provenienz – „im Sinne eines generellen Dinges“⁴ zu verstehen. Dieses
Verflochten-Sein nennt er auch „inkarniertes Prinzip“.⁵ Was hier mit dem Denkmodell

 M. Merleau-Ponty, Das Sichtbare und das Unsichtbare (übers. A. Lingis; Evanston, Il.: Borthwestern
University Press, 1968), 139. Der Begriff ‚Fleisch‘ wird auch schon in seinen früheren Werken von
Merleau-Ponty gebraucht, wobei er anfänglich damit eine Differenzierung zwischen ‚Körper‘ und ‚Leib‘
artikuliert (siehe hierfür MWdD, 75); siehe zu der Differenzierung ‚Körper‘ und ‚Leib‘ das Kapitel XIV.
 Merleau-Ponty, Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit, 182.
 Merleau-Ponty, Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit, 193.
 Merleau-Ponty, Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit, 183.
 Merleau-Ponty, Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit, 183 f. kann Fleisch zudem folgendermaßen fassen:
„Wenn man sagt, dass die wahrgenommene Sache leibhaft [im franz. dans sa chair] erfasst wird, so ist
dies wörtlich zu nehmen: das Fleisch des Sinnlichen, jene dichte Körnigkeit, die das Erkunden be-
endet, jenes Optimum, das es abschließt, spiegeln meine eigene Inkarnation wider und bilden ihr
Gegenstück.“ (S. 254)

https://doi.org/10.1515/9783110608670-014
Einführung 853

der Verflechtung und des „inkarnierte[n] Prinzip[s]“ gedacht wird, ist eine Annähe-
rung an die ontologische Funktion des Fleisches, die gerade nicht in einer materiellen
Deutung des Geistes oder einer grundlegenden Unterscheidung vom Leib besteht.
Merleau-Ponty entwirft vielmehr ein Verständnis von Intersubjektivität, das zudem
nicht auf der Epistemologie aufbaut, sondern auf dem „Fleisch“, das „sichtbar“ und
„unsichtbar“ zugleich sei. Es ist das Fleisch, das als Verbindungsprinzip von sub-
jektiver und objektiver Ordnung dient. Und es ist das Fleisch, das eine Beziehung zum
Leib und zum anderen Subjekt vor einer personalen Begegnung aufnimmt; er spricht
in diesem Sinne auch von einer reversiblen Dynamik, der Zwischenleiblichkeit⁶ oder
einer präreflexiven Verbindung zwischen den Subjekten. In ihrem Buch Poetics of the
Flesh von 2015, hat Mayra Rivera das Konzept Merleau-Pontys mit der Theologie und
besonders einer johanneischen und paulinischen Theologie ins Gespräch gebracht,⁷
wobei der Begriff „Poetik“ im Sinne E. Geissants als Poetik der Relation den pro-
zesshaften Charakter der Inkarnation betont und somit die soziale Dimension⁸ des
Begriffs ‚Fleisch‘ in den Mittelpunkt stellt.⁹

2 Hinführung: σάρξ im medizinisch-philosophischen Diskurs

In antiken Texten wird entgegen dem Gebrauch in der Septuaginta und im Neuen
Testament σάρξ (Fleisch) nur selten als ein Teil des Körpers separat gedeutet und
theoretisch reflektiert. Σάρξ kann das Gewebe des menschlichen und tierischen Kör-
pers bezeichnen, das alle Gliedmaßen umfassen kann, das aber auch selbst eine
Gliedmaße ist; bei Aristoteles meint σάρξ auch den muskulösen Teil des Körpers. Σάρξ
kann gleichsam auch als Begriff für den menschlichen Körper verwandt werden.
Während das Lexem σάρξ in den medizinischen und philosophischen Traktaten in
der klassischen Zeit ohne geringschätzige Bewertung für die Substanz des Körpers,

 Merleau-Ponty, Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit, 185: „So kann dieser Kreislauf, den nicht ich her-
vorbringe, sondern der mich hervorbringt, dieses Einrollen des Sichtbaren ins Sichtbare, andere
Körper genauso beseelen wie meinen eigenen, […] so ist das Eingefangensein prinzipiell erreicht und
das Feld steht offen für andere Narzisse, für eine ‚Zwischenleiblichkeit‘.“
 Zentral sind die folgenden Ausführungen von Rivera, Poetics of the Flesh, die auf ihrer Analyse von
Merleau-Ponty beruhen: „In recognizing her image in the mirror, the child learns that there can be a
viewpoint taken on her. The child notices that she is visible, to herself and to others“ (S. 69). „[M]y
experience of my body, is always already entwined with images that others have of me. […] I borrow
myself from others“ (S. 70). Zu danken ist an dieser Stelle Karen King, mit der die möglichen exege-
tischen Konsequenzen für neutestamentliche Exegese wie auch für die Tertullians und Irenäus’ aus-
führlich erläutert wurden.
 Rivera, Poetics of the Flesh, 9: „Words do not simply mirror what is, or express the thoughts and
desires of a person, but rather shape reality and subjectivity […]. We are interested in processes of
materialization – not just in matter.“
 Im Gegensatz zu Merleau-Ponty unterscheidet Rivera nicht strikt zwischen ‚Körper‘ und ‚Fleisch‘, um
ihre Betonung auf diesen prozesshaften Charakter nicht vorschnell aufgeben zu müssen.
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des Körpergewebes, gewählt wird, steht die Substanz des Körpers besonders in Texten
stoischer Provenienz unter dem Verdikt der Zweitklassigkeit oder Wertlosigkeit. Die-
ses artikuliert sich in der Wahl des Diminutivs wie ‚Fleischchen‘, σάρκιον.¹⁰ Das
Fleisch wird strikt stoisch als eine Vielzahl materieller Bestandteile des Körpers be-
griffen, die lediglich in einer Verkleinerungstendenz gedacht werden können. Die Welt
des Körperlichen scheint dementsprechend immer kleiner zu werden. Zudem finden
sich auch Synonyme für das Lexem σάρξ wie etwa ‚Erde‘ γῆ, ‚verworfener Mensch‘
βάραθρος,¹¹ ‚das Fleischige‘ pulpa ¹² (oft für das ‚Lüsterne‘) oder gar ‚Leichnam‘
νεκρόν.¹³
In antiken naturphilosophischen Texten wird σάρξ gleichermaßen im Singular
wie im Plural (σάρκες) verwendet, was sich an dem pseudo-hippokratischen Traktat
De carnibus (περὶ σαρκῶν, Über die Fleische) zeigt. Wie sein Titel indiziert, umfasst die
Abhandlung alle Teile oder Gliedmaßen des Körpers wie auch der verschiedenen
Organe, ohne auch nur einmal den Begriff Fleisch (σάρξ) außerhalb des Titels zu er-
wähnen.¹⁴ Die plurale Form, die man in hippokratischen Abhandlungen ebenso findet
wie in der Septuaginta (hingegen selten im NT), kann möglicherweise dadurch erklärt
werden, dass eben diese Abhandlungen ein umfassendes Konzept des menschlichen
Körpers vermissen lassen oder aber, dass sie den Körper in seinen Teilen wahrge-
nommen haben.

2.1 Schöpfungsmythen
Biblische Anthropologie ist mit dem Gedanken der Schaffung des Menschen durch
Gott vertraut, der uns in der Septuaginta nicht nur durch die Schöpfungsberichte in
Gen 2,7, Hi 10,9 – 11 oder Ps 8 überliefert ist. Die Menschenschöpfung ist auch einigen
medizinischen Traktaten wohlvertraut, freilich mit anderen Zuspitzungen und nicht in
einheitlicher Weise. Anaxagoras stellte sich dem Problem, wie Werden und Vergehen
nach Parmenides zu erklären sei. Für die Beantwortung der Frage zieht er verschie-
dene Begrifflichkeiten hinzu: ‚Samen‘, ‚Verstand‘, ‚Fleisch‘ (σπέρμα, νοῦς und σάρξ
werden explizit genannt) und Kraft (δύναμις wird implizit vorausgesetzt und erst
hinsichtlich der Ernährung ausführlich thematisiert).
Anaxagoras kommt das Verdienst zu, den Begriff des Samens (σπέρμα) neu in die
Naturphilosophie eingeführt zu haben: In allen Verbindungen und primordialen Mi-
schungen des Kosmos sei Vieles und Mannigfaltiges enthalten und „Samen von allen
Dingen, die mannigfache Formen haben, Oberflächen und Gerüche“.¹⁵ Neben den
Oppositionen, die vor der Diakrisis zur Bildung der Weltphänomene zusammen vor-

 Siehe Text 44 in diesem Kapitel.


 Siehe besonders Epikt. Diss. I 13.5; III 22.41; siehe auch M. Aur. 3.3.
 Siehe Pers. sat. 2.62.
 Siehe dazu Epikt. Diss. I 13.5; II 19.27; III 10.15; III 22.41 sowie fr. 176.
 So lautet jedenfalls der Titel des Traktats. Siehe dazu die Ausführungen in Kapitel III.
 DK 59 B4.
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handen gewesen seien, nennt Anaxagoras auch Samen und Fleisch. So fragt er in
Fragment 10: „Denn wie wohl könnte Haar aus Nicht-Haar entstehen und Fleisch aus
Nicht-Fleisch?“¹⁶ In DK 59 B10 wird der Prozess des Wechsels anhand der Ernährung
thematisiert: Ernährt man sich von Fleisch, so werden dem Körper jene δυνάμεις
zugeführt, die bestimmten körpereigenen Substanzen Ingredienzen mitbringen, so-
dass die Kräfte (δυνάμεις) dominieren. Die Schrift De carnibus deutet als Ausgangs-
punkt für die Schöpfung des Menschen das θερμόν, das Warme, Heiße. Mit diesem
Begriff scheint der Autor freilich weniger ein physikalisches oder ein natürliches
Phänomen zu meinen, als vielmehr eine Art göttliche Kraft, der gottähnlich Un-
sterblichkeit, Allwissenheit und Allmacht zukommt. Diese Kraft ist Grundlage für den
Makrokosmos und ebenso für alle Teile des Menschen, den Mikrokosmos. Ein Frag-
ment, das man dem Anthologium des Stobaios zuschreibt (1,49,60,20 – 24), diskutiert
gleichsam die Frage, wie eine transphänomenale, göttliche Kraft ihren Eingang in das
menschliche Wesen findet. Das Fragment verweist auf die göttliche Kraft, die die Seele
umfasst und mit Fleisch einkleidet.

2.2 Σάρξ: Körpergewebe und -substanz


Wird Fleisch (σάρξ) als der muskulöse Teil des menschlichen Körpers gedeutet, so tritt
der Begriff selten allein auf, sondern meist in Begleitung der entsprechenden Knochen
oder der Sehnen (νεῦρα) und des Blutes, wie man anhand einiger Schriften des Ari-
stoteles oder des Alexander von Aphrodisias zeigen kann.¹⁷ In dem zweiten Buch von
De partibus animalium kommentiert Aristoteles ausführlich die Funktionen des Flei-
sches (σάρξ), das er der Gruppe der homöomeren/homogenen Körperteile zuordnet
(ὁμοιομερῆ) und identifiziert Fleisch als Körpergewebe.¹⁸ Als Gewebe ist es zwischen
der Haut und den Knochen lokalisiert. Im Vergleich mit anderen Teilen des Körpers
wird es freilich zum äußeren Körper gerechnet.¹⁹ In diesem Sinn unterscheidet Ari-
stoteles – und mit ihm zahlreiche weitere Naturphilosophen – das Fleisch von den
anderen Organen im Inneren des Körpers. Indes wird dem Fleisch noch weiteres Ge-
webe zugezählt, dem dann dieselbe Funktion zukommt. Neben den Knochen nennt
Aristoteles Haut, Nerven, Blutgefäße, Haare und Nägel. Freilich attestiert er den
Knochen eine besondere Funktion. Aristoteles kann sie als das bezeichnen, das nur

 Siehe dazu ausführlich in Kapitel X 4. Schöpfung, Wirkmacht und Universum und Text 32 in Ka-
pitel XIII.
 Siehe etwa zu den Knochen Aristot. hist. an. VIII 2. 646b25; part. an. II 9. 655b23; vgl. zu den
Knochen zudem auch Alex. Aphr. in an. 98.10, zu den Sehnen Plat. Tim. 74b; 82c; 84a; Aristot. part.an. I
5. 645a29; II 1. 646b25; Alex. Aphr. mixt. 15 und zum Blut Eur. fr. 687,1 f.
 Siehe zudem Aristot. hist. an. III 16. 519b26 – 28.
 Von Interesse sind zudem seine Ausführungen zu der Funktion der Knochen und Knorpel im Fisch.
Siehe weiter unten Text 33 in diesem Kapitel.
856 Kapitel XIII: Σάρξ

um des Fleisches willen geschaffen ist.²⁰ Fleisch hafte an den Knochen lediglich mit
der Hilfe von Strängen fibrosierenden, feinen Narbengewebes. Um diese Funktion zu
illustrieren bedient sich Aristoteles der folgenden Analogie: Die grobe Grundstruktur
der Knochen und die zarte Verbindung mit dem Fleisch verhalte sich nach ver-
gleichbaren Prinzipien wie ein Künstler, der mit Ton arbeite: Zunächst erstellt der
Künstler einen grundlegenden Körper, der aus Ton oder vergleichbarem Material
hergestellt wird. Die zarteren Details werden dann erst in einem nächsten Schritt mit
diesem Grundmaterial verbunden. Demnach bilden die Knochen das grundlegende
Gefüge oder Gerüst, das dann durch Fleisch geprägt und modelliert werde. Fleisch ist
demnach das essentielle Element oder die essentielle Komponente des Körpers; und
es ist gewiss der Teil, der den äußeren, sichtbaren Körper formt.
Fleisch (σάρξ) wird zudem eine zentrale Rolle bei der Bildung der Geschlechter
zugedacht und hat damit auch eine große Bedeutung in deren Verhältnisbestimmung
zur Natur (φύσις). Folgende fundamentale Bestimmung des Wesens des Körpers be-
zieht sich nicht ausschließlich auf das Corpus Hippocraticum: Das Fleisch (σάρξ) eines
weiblichen Wesens sei poröser und weniger straff und kompakt als das von Männern.
So kann das folgende Beispiel belegen: „Indem das Fleisch [des Mannes] kompakter
ist als das der Frau, ist das Fleisch des Mannes nicht so stark mit Blut gefüllt, sodass
keine Schmerzen aufkommen, wenn Teile des Blutes nicht Monat für Monat ausflie-
ßen. Ein männlicher Körper bildet nur so viel Blut, wie er zur Nahrung seines Körpers
benötigt. Indem sein Körper nicht porös ist, ist er weder überfordert, noch aufgrund
der Überfülle überhitzt wie der Körper einer Frau. Dass ein Mann körperlich härter
arbeitet als eine Frau, trägt sicher zu diesem Umstand bei einem männlichen Körper
bei, denn seine harte Arbeit verbraucht Feuchtigkeit.“²¹ Das poröse Fleisch und das
Menstruationsblut werden als Indikatoren für einen „Überfluss“ an Körpersäften im
weiblichen Körper gedeutet und schon allein dieses Ungleichgewicht sei ungesund. Es
ist sicherlich bemerkenswert, dass die Frage, warum das Menstruationsblut ein re-
gelmäßiges Phänomen darstellt, in den frühen Quellen nicht diskutiert wird. Grund-
legend mag dafür die Oikonomia-Philosophie sein, die einen Bezug zwischen der
häuslichen Arbeit und der geschlechtsbezogenen Konstitution herstellt.²² Diese mag
man auch anhand des folgenden Textabschnitts mitlesen, der wiederum das Haupt-
augenmerk auf Ernährung und Diätetik legt: „Für Frauen ist es notwendig, in einer
austrocknenden Weise behandelt zu werden, denn trockene Nahrungsmittel sind für
deren weiche, fleischliche Teile hilfreicher und unverwässerte Getränke sind besser
für deren Uterus und für die Ernährung des Embryos.“²³

 Siehe besonders Aristot. part. an. II 9. 654a32– 655a; siehe auch in diesem Kapitel die Texte 12 und
28.
 CH Mul. I 1. Siehe zudem CH Mul. I 1 (VIII 12.18 ff. Littré). Siehe dazu ausführlich Kapitel VIII Text 34,
35 und 44 und die ausführliche Einleitung in das Kapitel.
 Siehe dazu vertiefend die Einleitung in Kapitel VIII sowie Text 35.
 Gal. HNH 3,25 (XV 210,10 Kühn; CMG V 9,1 107,3 – 6).
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Notwendigerweise folgt daraus, dass die Geschlechterdifferenz gleichsam das


Wachstum des Embryos affiziert, wie der folgende Text deutlich macht:²⁴ „Alle Teile
der männlichen Körper werden außerordentlich klar unterschieden. Mit Verweis auf
den weiblichen Körper erscheint deren Fleisch in dieser Zeit lediglich als Auswuchs.
Dementsprechend sind weibliche Embryonen für eine längere Zeitperiode in dersel-
ben Mutter und sie differenzieren sich eher langsam aus in Hinblick auf ihre Erin-
nerungs- und Gefühlswelt.“²⁵

2.3 Σάρξ und Diätetik


Eine weitere zentrale Frage, der die antiken Schriften nachgehen, ist die, wie sich das
Fleisch (σάρξ) im Körper ausbildet. Schon ein so früher Naturphilosoph wie Anaxa-
goras (siehe Text 37 in diesem Kapitel) führt aus, dass man seine Aufmerksamkeit
nicht auf die diätetischen Prinzipien richten muss, indem einfache Grundnahrungs-
mittel wie Brot und Wasser ausreichend sind, um Fleisch (σάρξ) im Körper zu bilden.
In diesem Zusammenhang ist ein hippokratischer Aphorismus charakteristisch für
das antike Verständnis des Fleisches, wo es heißt: „Gesundheitsvorsorge – iss nicht zu
viel und arbeite gern“ und in De morbis popularibus lesen wir „Körperliche Anstren-
gung ist die Nahrung für die Gelenke und das Fleisch“ (siehe je unten die Texte 26,
35 – 37). In diesen Stellen wird eine Korrelation zwischen den Extremitäten und den
fleischlichen Teilen des Körpers hergestellt (ἄρθρα; σάρκες), die manches Mal auch als
die äußeren Teile des Körpers bezeichnet werden, während die Nahrung (σῖτος) auf die
inneren Organe, das Innere (ἔσωθεν) des Körpers, bezogen ist. Folgt man der Aussage
des Aphorismus, dann kann die Beschaffenheit der äußeren Körperteile durch An-
strengungen wie Gymnastik beeinflusst werden, indem die Temperatur der Extremi-
täten und der fleischlichen Teile erhöht wird. Nahrung in Form von Wasser übt
demgegenüber einen kühlenden Effekt auf die inneren Teile des Körpers aus.
Werden Fleisch und Körper (σάρξ und σῶμα) in naturphilosophischen Texten
nebeneinander genannt, so verfolgen diese Texte in der Regel die Frage, welches der

 Siehe zudem den doxographischen Überblick bei Gal. Sem. II 1,15 – 24 (CMG 146,20 – 148,24 Lacy;
IV 596.4– 598.7 Kühn), die ausführlich in dem Kapitel VIII zu γυνή diskutiert werden: „Herophilos sagt,
dass – ich weiß auch nicht wie – der weibliche Samen ausgegossen wird, dennoch schrieb er im dritten
Buch der ‚Anatomie‘ genau über die Hoden. Am Anfang spricht er ungefähr so: ‚Der Gebärmutter sind
aus den Seiten ‚Zwillinge‘ (Hoden) gewachsen, auf jeder Seite, die sich nur wenig von denen des
Mannes unterscheiden.‘ Danach, nicht viel später in der Reihe, [spricht er] folgendermaßen: ‚Hoden
sind den Frauen an jeder Schulter der Gebärmutter angewachsen, der eine auf der rechten, der andere
auf der linken Seite, nicht beide in einem Hoden, sondern jeder getrennt, umgeben von einer dünnen
membranartigen Haut, klein und eher flach, den Drüsen ähnlich, im Mantel ringsherum sehnig, fest im
Fleisch, wie auch der der Männer. Bei den Stuten sind sie besonders groß. Sie sind mit vielen Bändern
an der Gebärmutter angewachsen, mit einer Vene und einer Arterie, die von der Gebärmutter aus in sie
[sc. die Hoden] hineingewachsen sind. Denn es gibt von der Vene und der Arterie aus, die in jeden
einzelnen der Hoden wachsen, eine Vene von der Vene, eine Arterie aber von der Arterie‘.“
 CH Oct. 10,1 (VII 449.21– 450.10 Littré); Grensemann Septim. 9,6 (VII 449.21– 450.10 Littré).
858 Kapitel XIII: Σάρξ

beiden verlässlicher und bewährter sei. Ein Kriterium in der Diskussion ist das des
Alters, denn die Konsistenz des Fleisches verändere sich mit zunehmendem Alter
stark. Dieser These sind zahlreiche hippokratische Texte gewidmet.²⁶
In diesem Zusammenhang ist es sicherlich für neutestamentliche Exegese von
Belang, dass in vielen antiken medizinischen Texten ἀσθένεια (Schwachheit) erwähnt
wird. Zudem findet sich in diesen wie auch in naturphilosophischen Texten die Frage
nach dem Verständnis von körperlichen Leiden, bei diesen freilich mit einer völlig
anderen Zuspitzung, wie der folgende Text zeigt: „Sobald das Fleisch irgendwie
Schmerzen empfindet, weil es entweder verrenkt ist oder geschlagen wurde oder etwas
anderes erlitt, kommt es zu einer dunklen Färbung, wie ich zuvor sagte.“²⁷

2.4 Σάρξ als Sinnesorgan


Zahlreiche überlieferte Texte aus der Antike, angefangen bei Aristoteles, drehen sich
um die Frage, ob Fleisch als Sinnesorgan gedeutet werden kann. Für Aristoteles ist es
die Basis oder das Fundament (ἀρχή) und der essentielle Körper (σῶμα καθ᾽ αὑτό) aller
lebenden Kreatur. Er beschreibt σάρξ als taktiles Sinnesorgan (αἰσθήριον)²⁸ oder als
Medium, durch welches die Sinneseindrücke überhaupt erst vermittelt werden.²⁹
Entweder ist ‚Fleisch‘ das erste (das meint das aktuelle) Organ der Berührung oder es
ist gleichzeitig das erste Organ der Berührung und das Medium, das Sinneserfah-
rungen vermittelt, wobei die zweite Option diejenige Deutung ist, die er favorisiert:
Das äußere Fleisch ist das Medium, während das aktuelle Sinnesorgan, das ebenfalls
auf dem Fleisch basiert, im Inneren des Menschen gelegen sein kann.³⁰ Aristoteles
lässt es jedoch vermissen, zu erklären, was er genau unter einem aktuellen Sinnes-
organ der Berührung versteht und wo dieses präzise im Körper zu lokalisieren sei.

2.5 Σάρξ und πνεῦμα: Fleisch und Geist/Atem


Zudem findet sich σάρξ begleitet von ‚Geist‘ oder ‚Atem‘ (πνεῦμα). Das πνεῦμα, das von
außen in den Körper gelangt, kann den Körper lediglich auf dem Weg durch das
Fleisch erreichen, wie wir dies auch am Beispiel des hippokratischen Traktats De
morbo sacro lesen: „Wenn der Mensch nämlich das Pneuma eingesogen hat, so ge-
langt dasselbe zunächst in das Gehirn, und so wird der Atemhauch in den ganzen
Körper verteilt, nachdem er im Gehirn seine beste Kraft und Klugheit und Erkenntnis,
welche er besessen hatte, zurückgelassen hat; denn wenn er [der Atemhauch] zuerst in

 Siehe z. B. CH Morb. I 22 (VI 182.22– 188.5 Littré); siehe zudem die Texte 36 und 47 in Kapitel XIV,
sowie Abschnitt a) in Kapitel VIII.
 CH Morb. I 20,14– 24 (VI 176.20 – 178.5 Littré); siehe zudem Text 30 in diesem Kapitel.
 Siehe Solmsen, „Griechische Philosophie und die Entdeckung der Nerven“, 231 ff. und Lloyd, „The
empirical basis of the physiology of the Parva Naturalia“, 219 f.
 Siehe die Texte 31 und 32 in diesem Kapitel.
 Siehe Aristot. part. an. II 8. 653b29.
Einführung 859

den Körper und dann erst in das Gehirn gelangt wäre, so würde er in den Fleischteilen
und in den Adern das Unterscheidungsvermögen zurückgelassen haben und wäre in
heißem Zustand und keineswegs unvermischt in das Gehirn gelangt, im Gegenteil
vermischt mit der von den Fleischteilen und dem Blut herrührenden Feuchtigkeit,
sodass er nicht mehr vollkommen wäre.“³¹ Diese Sichtweise wird zudem von einem
weiteren Text des Corpus Hippocraticum, De morbis popularibus VI, ergänzt: Bezüglich
des Atems (πνεῦμα) ist die Membran, die das Innere des Körpers und die Luft trennt,
nicht die Haut und ihre Poren, sondern vielmehr das Fleisch. Die Haut erlaubt der
Luft, von außen ungehindert in den Körper einzutreten, wohingegen das Fleisch das
Körperinnere schützt.³² Zudem lesen wir in einem stoischen Traktat des Corpus Hip-
pocraticum: „Einige Teile des Atems der Hitze werden durch die fleischlichen Teile des
Körpers ausgeatmet, andere aber durch die Luftöffnungen des Kopfes. Demnach nennt
er den Atem der Wärme Leben.“³³ Auch nach diesem Text ist das Fleisch (σάρξ) eine
Art Membran, die den Austausch zwischen dem Körperinneren und der Umgebung
des Körpers reguliert. Galen führt diesen Gedanken noch weiter: In De methodus
medendi stellt er eine der Funktionen des Atems dar, die auf der Nahrung des inneren
πνεῦμα basiert. Er beschreibt ebenso den Weg, auf welchem Luft in πνεῦμα trans-
formiert wird. Sie durchläuft dabei unterschiedliche Phasen der Transformation, be-
gleitet von einem Konversionsprozess, der in den Teilen des Körpers abläuft.³⁴

3 Hinführung: σάρξ in der Septuaginta

In seiner 1973 erschienenen Anthropologie des Alten Testaments hat Hans Walter Wolff
die Besonderheit des alttestamentlichen Körperverständnisses anhand zweier unter-
schiedlicher Kategorien beschrieben, nämlich der „Stereometrie“ und des „syntheti-
schen Denkens“.³⁵ Mit „Stereometrie“ meint er, dass „Begriffe wie Herz, Seele, Fleisch,

 CH Morb.Sacr. 16,1– 17,26 LCL; siehe ausführlich den Kommentar in diesem Band Kapitel V, Text 39,
S. 302 ff.
 Siehe die Ausführungen zu den Texten 3 und 9 in diesem Kapitel sowie die Texte 24, 25, 28 und 71 in
Kapitel XIV.
 Siehe die Ausführungen in dem Kapitel IX zu πνεῦμα.
 Gal. MM XI 3 (X 742.9 – 13 Kühn).
 H.W. Wolff, Anthropologie des Alten Testaments (KT 91; 6. Aufl.; München: Chr. Kaiser, 1994, 1973),
22– 23; in eine ähnliche Richtung verweist zuvor schon Werner H. Schmidt, „Anthropologische Begriffe
im Alten Testament. Anmerkungen zum hebräischen Denken“, EvTh 24 (1964): 374– 388. Siehe zudem
E. Dhorme, L’emploi métaphorique des noms de parties du corps en Hébreu et en Akkadien (Paris: Li-
brairie orientaliste Paul Geuthner, 1963); J. Kegler, „Beobachtungen zur Körpererfahrung in der he-
bräischen Bibel“, in Was ist der Mensch …? Beiträge zur Anthropologie des Alten Testaments, Hans
Walter Wolff zum 80. Geburtstag (F. Crüsemann et al. eds., München: Chr. Kaiser, 1992), 28 – 41;
M. Krieg, „Leiblichkeit im Alten Testament“, in Leiblichkeit (idem und H. Weder eds.; ThSt[B] 128;
Zürich, 1983), 7– 29; F.S. McCurley, A Semantic Study of Anatomical Terms in Akkadian, Ugaritic, and
Biblical Literature (Dissertation Dropsie College, Philadelphia, 1968); S. Schroer und Th. Staubli, Die
Körpersymbolik der Bibel (Darmstadt: WBG, 1998).
860 Kapitel XIII: Σάρξ

Geist, aber auch Ohr und Mund, Hand und Arm […] in der hebräischen Dichtung nicht
selten untereinander austauschbar“ seien und „wechselweise fast wie Pronomina für
den ganzen Menschen stehen“ können und mit „synthetisches Denken“ meint er „eine
Zusammenschau der Glieder und Organe des menschlichen Leibes mit ihren Fähig-
keiten und Tätigkeiten“, sodass „mit der Nennung eines Körperteils dessen Funkti-
on“³⁶ gemeint sei.³⁷ In der jüngeren Forschung werden diese Kategorien Wolffs zur
Besonderheit der atl. Anthropologie in (nicht ganz unproblematische) Kategorien wie
etwa „ganzheitliches Menschenbild“³⁸ oder gar „psychosomatische Einheit“³⁹ gefasst,
die indes in der jüngsten Zeit verfeinert wurden: So wurde herausgearbeitet, dass den
einzelnen Körperteilen unterschiedliche „Funktionen“ wie Emotion, Kognition oder
Kommunikation zukommen⁴⁰ und dass atl. Texte neben der „psychosomatische[n]
Einheit“ oftmals die Unterschiedenheit in den Blick nehmen.⁴¹

 Wolff, Anthropologie des Alten Testaments, 23.


 Vgl. den Forschungsüberblick in D. Bester, Körperbilder in den Psalmen. Studien zu Psalm 22 und
verwandten Texten (FAT 2/24; Tübingen: Mohr Siebeck, 2007), 6 – 12. In jüngerer Zeit weiterführend B.
Janowski, Konfliktgespräche mit Gott. Eine Anthropologie der Psalmen (Neukirchen-Vluyn: Neukir-
chener, 2003), 8 – 11.13 – 21; idem (ed.), Der ganze Mensch. Zur Anthropologie der Antike und ihrer eu-
ropäischen Nachgeschichte (Berlin: De Gruyter, 2012); siehe zudem die Arbeiten von A. Wagner, „Das
synthetische Bedeutungsspektrum hebräischer Körperteilbezeichnungen“, BZ 51 (2007): 257– 265;
idem, „Körperbegriffe als Stellvertreterausdrücke der Person in den Psalmen“, in Beten und Bekennen.
Über Psalmen (idem ed.; Neukirchen-Vluyn: Neukirchener, 2008), 289 – 317; idem, „Wider die Reduk-
tion des Lebendigen. Über das Verhältnis der sog. anthropologischen Grundbegriffe und die Unmög-
lichkeit, mit ihnen die alttestamentliche Menschenvorstellung zu fassen“, in Anthropologische Auf-
brüche. Alttestamentliche und interdisziplinäre Zugänge zur historischen Anthropologie (FRLANT 232;
idem ed.; Göttingen: Vandenhoeck, 2009), 183 – 199.
 Vgl. zudem Ch. Frevel und O. Wischmeyer, Menschsein. Perspektiven des Alten und Neuen Testa-
ments (NEB Themen 11; Würzburg: Echter, 2003), 26 u. ö.; Chr. Maier, „Beziehungsweisen. Körper-
konzepte und Gottesbild in Ps 139“, in Körperkonzepte im Ersten Testament. Aspekte einer Feministi-
schen Anthropologie (Hedwig-Jahnow-Forschungsprojekt ed.; Stuttgart: Kohlhammer, 2003), 172– 188,
bes. 185 ff.; zudem B. Janowski, „‚Der ‚ganze Mensch‘. Zur Geschichte und Absicht einer integrativen
Formel“, in Ganze Mensch, 9 – 10.
 Vgl. Bester und Janowski, „Anthropologie“, 11; B. Janowski, „Der Mensch im alten Israel. Grund-
fragen alttestamentlicher Anthropologie“, ZThK 102 (2005): 143 – 175, hier 149.
 D. Bester, Körperbilder, 189; M. Häusl, „Auf den Leib geschrieben. Körperbilder und -konzepte im
Alten Testament“, in Biblische Anthropologie. Neue Einsichten aus dem Alten Testament (QD 237; Chr.
Frevel ed.; Freiburg et al.: Herder, 2010), 134– 163, hier 139; D. Bester und B. Janowski, „Anthropologie
des Alten Testaments. Ein forschungsgeschichtlicher Überblick“, in Der Mensch im Alten Israel. Neue
Forschungen zur alttestamentlichen Anthropologie (Herders Biblische Studien 59; B. Janowski und K.
Liess eds.; Freiburg et al.: Herder, 2009), 3 – 40, hier 10 – 12; S. Gillmayr-Bucher, „Body Images in the
Psalms“, JSOT 28 (2004): 301– 326, hier 303 und 308; Janowski, „Mensch“, 148 – 150; Schroer u. Staubli,
Körpersymbolik; Wagner, Bedeutungsspektrum, 257– 265; ders., Körperbegriffe, 289 – 317.
 D.J.A. Clines, „The Disjoined Body. The Body and the Self in Hebrew Rhetoric“ (privater Druck; ohne
ISBN), eingesehen Juni 2014: https://www.academia.edu/2442039/The_Disjoined_Body_The_Body_
and_the_Self_in_Hebrew_Rhetoric, 1– 10; Bester und Janowski, „Anthropologie“, 17– 30; Körperkon-
zepte im Ersten Testament. Aspekte einer Feministischen Anthropologie (Hedwig-Jahnow-Forschungs-
projekt eds.; Stuttgart: Kohlhammer, 2003); S. Tamar Kamionkowski und W. Kim (eds.), Bodies, Em-
Einführung 861

Einer der zentralsten Körperbegriffe der Septuaginta und der Schriften des
zweiten Tempels ist sicherlich der Begriff ‚Fleisch‘ (σάρξ), mit dem die Übersetzer in
der Regel ‫ ָבּ ָשׂר‬wiedergeben. Daneben kennen sie gleichsam auch κρέας für ‫ ָבּ ָשׂר‬, das in
den biblischen Schriften mehrfach Opferfleisch kennzeichnet (eine Bedeutung, die
nicht für σάρξ belegt ist) und in der griechischen Literatur und den biblischen
Schriften zudem auch für Fleischspeisen verwendet wurde (so etwa in Dtn 12,15.20.27;
14,8 u. ö.).⁴² Mit σάρξ bezeichnet die Septuaginta oftmals „fleischliche Körperteile“
oder „fleischliche Körpersubstanz“ (Sir 19,12), die sich von „Sehnen“ (Ez 37,6 – 8; hebr.:
‫ ִגּ ִדים‬, griech.: νεῦρα), „Knochen“ (Ps 51,10 – 16; hebr.: ‫ֲעָצמוֹת‬, griech.: ὀστᾶ), „Haut“
(hebr.: ‫עוֹר‬, griech.: δέρμα; χρώς) und „Blut“ (Jes 49,26; Ez 39,17 f.; hebr.: ‫ ) ָדּם‬unter-
scheiden.
In der Forschung wird häufig darauf verwiesen, dass die Hülle des Körpers
(„Haut“; meistens übersetzt mit δέρμα, χρώς) und das Fleisch in ihren Konnotationen
vergleichbar seien. Von den fünfzehn Verweisen auf χρώς in der Septuaginta finden
sich allein vierzehn in Levitikus und davon wiederum zwölf in Lev 13 im Zusam-
menhang mit der Diskussion der Krankheit lepra. Es ist sicherlich bemerkenswert,
dass χρώς immer als Übersetzung des hebräischen ‫ ָבּ ָשׂר‬herangezogen wird.⁴³ In Lev 13
steht die Mehrheit der Belege als Variation des Ausdrucks „Haut seines Fleisches“
(δέρμα χροτού); ein Beleg nennt „lebende Haut/lebendes Fleisch“ (χρὼς ζῶν;
Lev 13,14) und drei Belege widmen sich „der lebenden, unreinen und der gesunden,
reinen Haut/Fleisch“ (χρὼς ὑγιής; Lev 13,15 – 16). Fleisch und Haut sind auch in der
antiken Medizin oft nebeneinander genannt. Mit „Haut“ (χρώς) wird in der Regel das
poröse Gewebe direkt unter der Haut bezeichnet, das mit dem Fleisch durch Sehnen
verbunden ist, wohingegen mit δέρμα die „äußerste poröse Hautschicht“ gemeint
ist.⁴⁴ Vor diesem Hintergrund ist Ex 34,29 interessant, wo die Mehrzahl der Hand-
schriften ‫ עוֹר‬mit χρώμα übersetzt, während der Codex Alexandrinus δέρμα führt.

bodiment, and Theology of the Hebrew Bible (Old Testament Studies 465; New York und London: T&T
Clark, 2010); Häusl, „Auf den Leib geschrieben“, 145.
 Der Begriff κρέας wird im NT im Kontext von Fleisch von Tieren verwendet wie etwa in 1Kor 8,13
und Röm 14,21; diese Verwendung trifft gleichsam auch für die Belege in der LXX zu. Gemeinsam mit
δέρμα (Haut) wird der Begriff auch als Bezeichnung für menschliche Körperteile verwendet. Siehe
Muraoka, Lexicon, 411– 412. In der griechisch-römischen Literatur wird der Begriff ebenfalls verwendet
wie bspw. bei Plat. Phaid. 98c; Aristot. hist. an. III 5. 515a27; CH Art. 11 u. ö.; Gal. II 613 Kühn; II 739
Kühn; V 602 Kühn.
 J.W.Wevers, Notes on the Greek Text of Leviticus (Atlanta: Scholars Press, 1997) verweist darauf, dass
δέρμα mehrfach in den LXX-Text eingetragen wurde (Lev 13,13.2.3.4 und 11), und deutet darin „indeed a
correction; the leprosy covers the skin rather than the flesh.“ Offen bleibt aber, wie er χρώς in diesem
Kontext verstanden haben will.
 Für δέρμα siehe die Texte 9,16,25 und 28 in diesem Kapitel.
862 Kapitel XIII: Σάρξ

3.1 Menschenschöpfung und Vergänglichkeit


Ein zentraler Aspekt des ‚Fleisches‘ (σάρξ) ist seine Vergänglichkeit. Das ‚Fleisch‘ ist
der äußerliche Teil des Menschen und der Tiere, der von den Vögeln des Himmels
weggefressen werden kann, was im Hebräischen durch die Präposition „auf“ ‫ ַעל‬noch
stärker deutlich wird (Gen 40,19: καὶ φάγεται τὰ ὄρνεα τοῦ οὐρανοῦ τὰς σάρκας σου
ἀπὸ σοῦ). In Hi 10,7– 12 und Ps 138,13 – 16 wird die Menschenschöpfung beschrieben,
wo „Sehnen“, „Haut“, „Knochen“ und „Fleisch“ ebenso genannt werden wie „Atem“
und „Lehm“ und damit als Verweise auf die Schaffung des Menschen durch Gott in
Gen 2 gelesen werden können; es ist Gott, der in fürsorglicher Weise um die Schaffung
des Menschen bemüht ist.⁴⁵ Grundlegend für die genannten Textstellen ist freilich der
Gedanke, dass der Mensch sterblich ist und seine Lebendigkeit einzig Gott verdankt
(vgl. Hi 12,10; 27,3; 33,4; 34,14– 15; Jes 40,6 f.).⁴⁶
Demgegenüber wird in Sapientia Salomonis die physiologische Entstehung des
‚Fleisches‘ im Mutterleib hervorgehoben.⁴⁷ Eine Entstehung des Embryos ‚im Blut aus
dem Samen‘ (ἐν αἵματι ἐκ σπέρματος) findet sich gleichsam auch in den Schriften
antiker Mediziner. Das Fleisch wird erschaffen und ist gleichzeitig vergänglich („alles
Fleisch ist Gras […] und das Gras verdorrt […]“ Jes 40,6; „alles Fleisch altert wie ein
Gewand“ Sir 14,17). In den Weisheitsschriften wird indes besonders hervorgehoben,
dass der Tod ein Werk des Teufels ist (siehe etwa Sap.Sal. 2,24) und „Gott den Tod
nicht gemacht“ hat (Sap.Sal. 1,13); vielmehr habe er den Menschen „auf Unvergäng-
lichkeit hin geschaffen“ (Sap.Sal. 2,23).
Besonders die zentrale Erwähnung des ‚Fleisches‘ in der Sintfluterzählung hat
Exegeten dazu veranlasst, das ‚Fleisch‘ als sündig wahrzunehmen. Die priester-
schriftliche Einleitung in die Erzählung verweist in der Tat auf das Fleisch als Be-
gründung für die geplante Vernichtung; indes ist es nicht das ‚Fleisch‘ an sich, das als
sündig bezeichnet wird; vielmehr hat „jedes Fleisch seinen [Gottes] Weg auf der Erde
verdorben“ (Gen 6,12). Die Wendung „alles Fleisch (πᾶσα σὰρξ)“ meint zunächst alle
von Gott erschaffenen Lebewesen (so auch Sir 40,8; für Tiere: 17,4), die Gott ebenso
leiblich ernährt („der Nahrung allem Fleisch gibt“ Ps 135,25), wie auch geistlich, in-
dem auf „alles Fleisch“ der Geist der Prophetie kommt (Joel 3,1). Die Herrlichkeit des
Herrn und die Rettung durch Gott wird für alles Fleisch sichtbar (Jes 40,5: καὶ
ὀφθήσεται ἡ δόξα κυρίου, καὶ ὄψεται πᾶσα σὰρξ τὸ σωτήριον τοῦ θεοῦ). Bemer-
kenswert ist die Änderung des Übersetzers in Jes 66,16, wo statt „alles Fleisch“ „die
ganze Erde“ (πᾶσα ἡ γῆ) gerichtet wird. In Gen 6,13 finden wir zudem die Wendung
„jeder Mensch“ und in Gen 8,21 „jedes lebendige Fleisch schlagen (πατάξαι πᾶσαν
σάρκα ζῶσαν)“. Die Ursache der Sünde liegt in den falschen Handlungen aller Men-
schen begründet (so auch in den Schriften des zweiten Tempels wie etwa Sir 15,14) und

 Vgl. auch die Körperbeschreibung in 4Makk 7,13 und Sir 19,12.


 Elihu verbindet den „Geist/Atem“ Gottes mit den kognitiven Fähigkeiten des Menschen
(vgl. 32,8.18) und argumentiert entsprechend, alle Menschen können Gottes Tun „sehen“ (vgl. 36,25).
 Sap.Sal. 7,1: ἐν κοιλίᾳ μητρὸς ἐγλύφην σὰρξ; aus Blut und Samen: Sap.Sal. 7,2: ἐν αἵματι ἐκ
σπέρματος ἀνδρὸς; siehe auch Hi 10,10.
Einführung 863

resultiert im Gericht über das Fleisch, aber das ‚Fleisch‘ ist nicht Ursache der Sünde.
Besonders Sir 15,11– 17 stellt die menschliche Freiheit als Ursache der Sünde heraus (in
Sir 23,5 – 6 wird unter den Begierden auch Geschlechtsverkehr genannt, aber der
Begriff σάρξ gerade vermieden). Ob mit dieser Wendung das einzelne Individuum
stärker betont wird, muss offen bleiben.⁴⁸
In Num 16,22 und 27,16 findet sich die Wendung „Gott, du Gott der Geister und
allen Fleisches“ (Θεὸς θεὸς τῶν πνευμάτων καὶ πάσης σαρκός), das in der Exegese als
erster Hinweis für einen kosmologischen Dualismus gedeutet wird.⁴⁹
Mit dem Begriff ‚Fleisch‘ (σάρξ) wird zudem auf die Beschneidung der Vorhaut
verwiesen (etwa in Gen 17,11 περιτμηθήσεσθε τὴν σάρκα τῆς ἀκροβυστίας ὑμῶν;
Lev 12,3; Ez 44,7 gegen den Fremden: ἀπεριτμήτους καρδίᾳ καὶ ἀπεριτμήτους σαρκὶ),
die als sichtbarer Ausdruck des Bundes zwischen Gott und seinem Volk dient. Da-
neben findet sich im Kontext der Rede vom Bund zwischen Gott und den Menschen
auch die Wendung „in (jedem) Fleisch“ (ἐν [πάσῃ] σαρκί) in Gen 9,15 – 16 und Sir 33,21
und vielleicht auch Sir 44,20 (ἐν σαρκὶ αὐτοῦ ἔστησεν διαθήκην).

3.2 Haut, Fleisch und Knochen


Im Hiobbuch dient σάρξ als Übersetzung des hebräischen Begriffs ‫ ָבּ ָשׂר‬und wird
mehrfach gemeinsam mit Haut und Knochen genannt.⁵⁰ In Hi 19,20; 19,22.23 und 33,10,
finden sich die meisten Belege in einer Schrift für den Ausdruck „die Haut des Flei-
sches“ – Variationen von ἐν δέρματι σαρκός, das auf das verfaulte Fleisch unter der
Haut und das Fleisch und die Knochen verweisen kann (2,5; 33,21); zudem finden sich
zahlreiche Belege für den Ausdruck „Fleisch nur Schmerzen empfinden“ (Hi 7,4c;
14,22; 21,6; 30,16b). Besonders beachtenswert ist 19,20: „Mein Fleisch verfault unter/in
meiner Haut, und meine Knochen werden mit Zähnen gehalten […].“ Die Übersetzung
unterscheidet sich von dem hebräischen Text und es liegt die Vermutung nahe, dass
der Übersetzer möglicherweise ‫( רקב‬verfaulen; siehe Jes 40,20) für ‫( דבק‬kleben, heften,
aneinanderhängen) liest und dieses nun mit dem Verbum ἐσάπησαν übersetzt. Müs-
sen wir also davon ausgehen, dass diese Änderung auf einer Verwechslung beruht,
wie zahlreiche Exegeten argumentieren? Die Möglichkeit kann nicht ausgeschlossen
werden. Indes wird σήπω zudem in Hi 33,21LXX benutzt, wo es die Übersetzung von ‫יִֶכל‬/
‫( כלה‬qal) ist. In 19,20, wie auch in 7,3 und 21,6 berichtet der Text von großen
Schmerzen, die das Fleisch erlebt und der Begriff, der hierfür benutzt wird, ist ὀδύνη
das zudem in 14,22LXX gebraucht wird, wo es heißt: „[…], sondern sein Fleisch emp-
findet akute Schmerzen (ἀλγεῖν) und seine Seele trauert.“ Zudem hören wir mehrfach

 Vgl. ausführlich A. Sand, Der Begriff „Fleisch“ in den paulinischen Hauptbriefen (Regensburg:
Pustet, 1967), 234. Zu dem Zusammenhang von Begierde und σάρξ siehe die Texte 39 – 44 in diesem
Kapitel wie auch die Einleitungen zu dem Thema „Willensschwäche und Begierde“ in den Kapiteln IV
und V.
 Sand, Begriff „Fleisch“, 236.
 Wevers, Notes on the Greek Text of Leviticus.
864 Kapitel XIII: Σάρξ

von Hiobs Schmerzen im Magen (15,2; 15,35) und in seinen Knochen (30,17). Ein
Überblick über das Vorkommen des Verbums σήπω in der antiken Literatur im The-
saurus Linguae Graece zeigt, dass das zahlenmäßig gesehen häufigste Vorkommen
von σήπω in antiken medizinischen Traktaten gefunden wird, besonders im Kontext
von „Fleisch“ (σάρξ) und „Schmerz“ (ἀλγεῖν, πόνος, ὀδύνη), wie wir dies auch bei
Hiob vorfinden (siehe in diesem Kapitel die Textbeispiele von Epikur). Einer der
wichtigsten medizinischen Traktate, in denen die genannten Begriffe gehäuft auf-
treten, ist die hippokratische Schrift De locis in homine. ⁵¹ Der Ausgangspunkt der
antiken medizinischen Debatten war, dass der Körper außen Informationen über das
Körperinnere zur Verfügung stelle. Nach den Schriften des Corpus Hippocraticum
musste freilich die Bedeutung der äußeren Zeichen zunächst verständlich gemacht
werden, ein Verfahren, das sowohl akribisch durchgeführt werden musste als auch
mühsam war. Diese Zeichen waren nicht jedem zugänglich; sie erforderten eine ge-
naue Beobachtung des Körpers. Es sind die äußeren Zeichen des Körpers, die den
Ärzten die Informationen über den inneren physiologischen wie auch geistigen Zu-
stand liefern. De locis in homine verweist auf zahlreiche „Stellen“ am Körper, die
zeichenhaft Informationen des Inneren offenlegen.⁵² Diese Informationen sind mehr
oder weniger offensichtlich. Einige medizinische Traktate sprechen über „obskure
Stellen des Körpers, die man nicht sehen kann“⁵³ – Stellen, die, wenn überhaupt,
kaum sichtbar für unsere Sinne in Erscheinung treten, gleichwohl wissend, dass diese
existieren müssen. Gleichsam wird das Innere durch die Krankheit sichtbar. Zeichen
sind in der Weise sichtbar, dass medizinische Texte sagen können, dass die Person
„den Tod am eigenen Körper (σῶμα)“ äußerlich sichtbar trage.⁵⁴

4 Hinführung: σάρξ im Neuen Testament

Die anthropologischen Entwürfe von Rudolf Bultmann und Ernst Käsemann zu der
Verhältnisbestimmung von „Körper/Leib“ (σῶμα) und „Fleisch“ (σάρξ) haben die
neutestamentliche Wissenschaft entscheidend geprägt. Nach Bultmann bedeute σῶ-
μα zunächst Leib und Körper und bezeichne zudem die Person als ganze, die sich von

 De locis in homine ist die Grundlage für spätere Systeme der Humoralpathologie, der Lehre der
Säfte. Die Schrift bildet die Grundlage für zahlreiche weitere Schriften des Corpus Hippocraticum, die
diese Lehre von den vier Säften dann vertiefen. Siehe zur Vertiefung Text 25 in diesem Kapitel sowie die
Texte 21, 22, 32 und 33 in Kapitel XII.
 Vgl. die detaillierten Ausführungen von Craik, Places in Man, und Vegetti, „II de locis in homine fra
Anassagora ed Ippocrate“, 193 – 213.
 Gal. Di.Dec. 2,5.
 Siehe Alex. Ther. I, 575,16; Aret. Caus. Acut. 2,10,4,3; Gal. Caus.Morb. VII 35.13 Kühn; Gal. Tum.Pr.-
Natr.VII 720.14 Kühn; VII 726.5 Kühn; Gal. Praes.Puls. IX 285.13 Kühn; Gal. Cris. IX 597.6 Kühn; Gal. MMG
XI 72.12 Kühn; Gal. Hipp.Epid III XVIIA 591.15 Kühn.
Einführung 865

„sich selbst distanzieren kann“.⁵⁵ Die Definition von σάρξ verweist auf die materielle
Leiblichkeit des Menschen „in seiner Schwäche und Vergänglichkeit, und das heißt
zugleich im Gegensatz zu Gott und seinem πνεῦμα […].“⁵⁶ Demnach kommt dem Leben
als σάρξ eine doppelte Bestimmung zu, als Leben in dem Irdisch-Vorfindlichen, der
gegebenen und somit menschlichen Welt, und als Leben unter der Sünde, insofern es
die eigene Endlichkeit ignoriere.⁵⁷ Nach Käsemann sei ‚Fleisch‘ (σάρξ; mit Ausnahme
von 1Kor 15,39⁵⁸; 2Kor 12,7) immer „auf den Menschen und seine Sphäre bezogen“ und
trete „für das Individualleben der Person“ ein, wie sich an der Formel „Fleisch und
Blut“ ebenso „offenkundig die menschliche Personalität schlechthin“ zeige.⁵⁹ Im σάρξ
sind ‚Fleisch‘ und ‚Welt‘ nicht nur miteinander verbunden (siehe dazu die Formel
„alles Fleisch“), „sondern pointiert das ‚nur-Weltliche‘“.⁶⁰ Darüber hinaus schreibt
er der „Formel“ „im Fleisch“ (ἐν σαρκί) eine „kosmische Bedeutung“ zu, der er eine
„kosmisch-metaphysische“ Konnotation im Sinne gnostischer Äone zuweist, auf die
Paulus zurückgreife, „weil er hinter ihr eine wirklich geschichtliche Fragestellung
erkannte, nämlich den Aspekt der Verbundenheit von Mensch und Welt“.⁶¹ In der
englischsprachigen Literatur ist besonders John A.T. Robinsons Arbeit zu nennen, der
die beiden Lexeme σάρξ und σῶμα als „body“ deutet, wobei der erste Begriff eher eine
Kraft sei (gegen Bultmann, Sand u. a.) und der zweite ein neutraler Begriff: beide
bezeichneten freilich den Körper und die Person.⁶² Einigkeit herrscht in der Forschung
darüber, dass sich das neutestamentliche Verständnis von σάρξ zunächst auf das
Deutungsspektrum der Septuaginta stützt; indes weite sich (insbesondere in der
paulinischen und deuteropaulinischen Literatur) der Gegensatz zwischen Mensch
und Gott von der menschlichen Erfahrung von „Schwachheit, Sterblichkeit und Ver-
gänglichkeit“ anhand der Christuserfahrung zur Erfahrung von „Sündhaftigkeit“

 R. Bultmann, Theologie des Neuen Testaments (3. Aufl.; Tübingen: Mohr Siebeck, 1953), 194– 203,
hier 196 f. E. Lohmeyer, „Probleme paulinischer Theologie III: Sünde, Fleisch und Tod“, ZNW 29 (1930):
1– 59 unterscheidet demgegenüber einen ‚metaphysischen‘ wie auch einen ‚physiologischen‘ Ge-
sichtspunkt; umstritten ist indes, wie er die Verbindung zwischen den beiden Kategorien herstellen
kann.
 Bultmann, Theologie, 233 f. Weiter sagt er: „Mit ‚Fleisch‘ bezeichnet Paulus zunächst den ganzen
Bereich des sichtbar Vorhandenen und greifbar Verfügbaren, nicht etwa nur die Sphäre des Materiellen
oder der Sinnlichkeit, sondern ebenso die Sphäre des gesetzlichen Lebens. […] Dieser ganze Bereich
aber wird zu einer gleichsam dämonischen Macht, wenn der Mensch […] ‚nach dem Fleische‘ lebt“
(S. 233).
 Bultmanns problematische Deutung des paulinischen Gesetzes ist Gegenstand einer breiten De-
batte und kann hier nicht ausgeführt werden.
 Bei 1Kor 15,39 liege ein „physiologischer Gebrauch“ vor; E. Käsemann, Leib und Leib Christi. Eine
Untersuchung zur paulinischen Begrifflichkeit (Tübingen: Mohr Siebeck, 1933), 106.
 Käsemann, Leib und Leib Christi, 111– 113.
 Käsemann, Leib und Leib Christi, 102 u. ö.
 Käsemann, Leib und Leib Christi, 113.
 J.A.T. Robinson, The Body. A Study in Pauline Theology (SBT 5; London: SCM Press, 1952), 30 f.
866 Kapitel XIII: Σάρξ

aus.⁶³ Zahlreiche exegetische Konzepte zu σάρξ stellen zudem einen einheitlich-sys-


tematischen Gebrauch des Lexems σάρξ für ntl. Schriften in Frage, sei es, dass sie die
unterschiedlichen Vorstellungen als Konsequenz der unterschiedlichen christologi-
schen oder soteriologischen Konzepte der neutestamentlichen Schriften beschreiben
(wie etwa Sand), oder sei es, dass man diese unterschiedlichen Konfliktsituationen
und historischen Situationen zuweist (wie etwa Jewett anhand der Gnosis).⁶⁴ Die
jüngere Forschung deutet das Lexem σάρξ stärker aus den sozialen, gesellschaftlichen
und politischen Kontexten, so etwa Claudia Janssen, die ‚Fleisch‘ (σάρξ) auch als
Verkörperung der Gewalterfahrung und Verletzungen der Menschen deutet,⁶⁵ Holger
Tiedemann, der unter dem Begriff ‚Fleisch‘ (σάρξ) den „Menschen in einen Unheils-
zusammenhang eingebunden“ ansieht, und der die Verletzbarkeit des Menschen in
der Auslebung ihrer oder seiner Sexualität erläutert („das Fleisch hat die Mensch-
heit“)⁶⁶ oder Lorenzo Scornaienchi, der ‚Fleisch‘ als „Subjekt der menschlichen De-
struktivität, die sich gegen sich selbst oder gegen die Mitmenschen richtet“, inter-
pretiert (= aktive Funktion; dem σῶμα komme demgegenüber ein „grundlegend
passiver Gehalt zu“).⁶⁷ Mit der Soziologie des Körpers kann man festhalten: „Dem
Körper sieht man seine Prägung durch seine soziale Klasse, aus der er stammt, an. Bis
in die kleinsten Details hinein, verrät der Körper die Herkunft seines Trägers.“⁶⁸

 Sand, Begriff „Fleisch“, 301. Eduard Schweizer geht in seinem ThWNT-Artikel „σάρξ“ ebenso davon
aus, dass die ntl. Konnotation von σάρξ von der alttestamentlich-ganzheitlichen Deutung des Begriffs
geprägt und lediglich auf den irdischen Körper verwiesen sei, der nur in dem Sinne negativ konnotiert
sei, als der Mensch auf das Fleisch vertraue. In diesem Sinne deutet er σάρξ nicht als Macht, sondern
als eine von zwei Handlungsoptionen, von der die andere das πνεῦμα sei. Ernst Brandenburger ar-
gumentiert demgegenüber gerade dafür, dass σάρξ neben πνεῦμα eine Macht sei, die er in der alex-
andrinischen Weisheitstheologie und damit bei Philon von Alexandrien verortet. E. Brandenburger,
Fleisch und Geist. Paulus und die dualistische Weisheit (WMANT 29; Neukirchen-Vlyun: Neukirchener
Verlag, 1968), 42– 68; siehe zudem J. Frey, „Die paulinische Antithese von ‚Fleisch‘ und ‚Geist‘ und die
palästinisch-jüdische Weisheitstradition“, ZNW 90 (1999): 45 – 77.
 R. Jewett, Paul’s Anthropological Terms. A Study of their Use in Conflict Settings (AGAJU 10; Leiden:
Brill, 1971), 7.
 Siehe C. Janssen, Anders ist die Schönheit der Körper. Paulus und die Auferstehung in 1Kor 15 (Gü-
tersloh: Gütersloher Verlagshaus, 2005), 64 ff.
 H. Tiedemann, Die Erfahrung des Fleisches. Paulus und die Last der Lust (Stuttgart: Radius-Verlag,
1998), 303; in seinen Ausführungen orientiert er sich stark an Dale B. Martins Thesen, die im Kapitel XV
ausführlich besprochen werden.
 L. Scornaienchi, Sarx und Soma bei Paulus. Der Mensch zwischen Destruktivität und Konstruktivität
(NTOS 67; Göttingen: Vandenhoeck, 2008), 67.
 M. Schroer, „Zur Soziologie des Körpers“, in Soziologie des Körpers (stw 1740; ed. idem; Frankfurt:
Suhrkamp, 2005), 7– 47, hier 37 mit Bezug auf P. Bourdieu, Die feinen Unterschiede. Kritik der gesell-
schaftlichen Urteilskraft (Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 1987).
Einführung 867

4.1 Σάρξ: biologisches Leben


Auch wenn der Begriff σάρξ im paulinischen Corpus eine theologische Prägung hat, so
ist die biologische Fundierung des Begriffs nicht von der Hand zu weisen. Σάρξ be-
gegnet im Corpus Paulinum zunächst in genealogischen Zusammenhängen: Jesus ist
Sohn Davids nach dem Fleisch (Δαυὶδ κατὰ σάρκα; Röm 1,3). „Israel nach dem Fleisch
(Ἰσραὴλ κατὰ σάρκα; 1Kor 10,18)“ kennzeichnet Israel, dessen Stammvater nach dem
Fleisch Abraham ist (᾿Aβραὰμ τὸν προπάτορα ἡμῶν κατὰ σάρκα; Röm 4,1). Paulus reiht
sich in diese genealogische Abstammung mit Israel ein, wenn er in Röm 9,3 Israel als
von „meinen Brüdern, meinen Verwandten nach dem Fleisch (ὑπὲρ τῶν ἀδελφῶν μου
τῶν συγγενῶν μου κατὰ σάρκα)“ spricht und in 11,14 von „mein Fleisch (μου τὴν
σάρκα)“. In 2Kor 4,10 formuliert Paulus „das Leben Jesu soll an unserem Leibe (τῷ
σώματι) offenbar werden“ und in Vers 11 erweitert er dieses Bild: „damit auch das
Leben Jesu offenbar werde an unserem sterblichem Fleisch (σάρξ)“.⁶⁹ Die Formulie-
rung „Jesu (τοῦ Ἰησοῦ)“ statt „Christi (τοῦ Χριστοῦ)“ ist bemerkenswert, wenn es um
das Leben des Erhöhten geht, womit eine Identität zwischen dem Gekreuzigten und
dem Auferstandenen gemeint ist. Es ist zu vermuten, dass Paulus in den gegenwär-
tigen Erlebnissen schon eine Teilhabe am Leben Jesu und an der Auferstehung erfährt.
Dies wird insbesondere durch die Bezugnahme auf Vers 11 deutlich, wo „das Leben
Jesu (ἡ ζωὴ Ἰησοῦ)“ in dem Fleisch offenbar wird. Es ist gewiss möglich, diese Aus-
sage mit der Errettung aus der Todesgefahr zu lesen, von der Paulus in 2Kor 1,8 – 11
berichtet und diese als „proleptische Auferstehungserfahrung“ zu deuten. Körper und
Fleisch werden somit zum Ort der Offenbarung Jesu Christi, zur somatischen Insze-
nierung von Todesgefahr und Errettung aus dieser. Dass diese somatische Antizipa-
tion am Leben und Tod öffentlich (φανερωθῇ; V.11) und damit auch für andere
wahrnehmbar ist und auch, dass durch die Offenbarung des Lebens das Sterben des
Paulus verhindert ist, ist ungewöhnlich. Der Begriff σάρξ im Sinne von Lebensum-
ständen, die zum Überleben grundlegend sind (τὰ σαρκικὰ „das Fleischliche“) be-
gegnet zudem an den Stellen, in denen Paulus seine Lebensaufgabe für die Mission
anschaulich beschreibt (1Kor 9,11; 2Kor 10,3; Gal 2,20; Röm 15,27). In Phil 1,22.24 be-
schreibt er seine Grundbedürfnisse mit dem Ausdruck „Leben im Fleisch“ (τὸ ζῆν ἐν
σαρκί). „Das Fleischliche“ (τὰ σαρκικὰ; 1Kor 9,11; Röm 15,27) ist wohl weniger als
Gegensatz zu „das Geistige“ (τὰ πνευματικὰ) zu verstehen, sondern vielmehr als
Rückgriff auf die materiellen Gaben für den Dienst im Auftrag des Herrn (λειτουργὸν
Χριστοῦ Ἰησοῦ Röm 15,16; λειτουργία Phil 2,30). Theologisch weitreichend ist si-
cherlich das Motiv der (körperlichen) Schwäche und der daraus erwachsenen Vor-
würfe, die Bezug auf die Schwäche seiner Präsenz nehmen,⁷⁰ die sich nicht auf seine
körperliche Schwäche oder sein orientalisches Aussehen bezieht, wie die Mehrzahl

 Siehe zu dem Folgenden: A. Weisssenrieder, „Innenansichten eines Kranken. Krankheit in der


Briefliteratur (L. Annaeus Seneca, Markus Cornelius Fronto und Paulus)“, in Verzwecktes Heil? Studien
zur Rezeption neutestamentlicher Heilungsgeschichten (M. Schiefer Ferrari et al. eds.; Leuven: Brill,
2017), 65 – 92.
 LSJ nennt als grundlegende Bedeutung „presence of persons“.
868 Kapitel XIII: Σάρξ

der Ausleger vermutet, sondern die Schwäche seines Auftretens, besonders aber sei-
ner Rhetorik.⁷¹ Der jüngere Plinius orientiert sich an der antiken Rhetorik und nennt
als Kriterien des Gesamteindrucks des Redners den theoretischen und praktischen
Gebrauch der Stimme, sein Agieren mit Körperpräsenz (corporis motus), das Gestik
und Mimik (gestus, vultus) einschließt, und schließlich das Reagieren vor dem Pu-
blikum: pronuntiatio vultus habitus gestus etiam dicentis. ⁷² Es ist demnach nicht ver-
wunderlich, wenn Paulus die fleischliche Präsenz im Sinne einer effektvollen Kör-
perpräsenz als Kriterium nennt. Thomas Bauer rechnet zudem damit, dass mit der
Körpersprache die Repräsentation von Männlichkeit, Bildung und edler Abstammung
einhergeht.⁷³
Doch ist es möglicherweise zu kurz gegriffen, wenn man die körperliche Präsenz
der Schwäche lediglich als Topos denkt. Dies gilt auch insbesondere dann, wenn man
das Tränen-Motiv von 2Kor 2,4 als grundlegend für Kapitel 10 – 13 voraussetzt. Gewiss
ist es nun bedeutsam, dass dem Wortfeld infirmus (schwach, körperlich angegriffen,
krank [Gegensatz zu valens]⁷⁴) und infirmitas (die Schwäche des Körpers, insbeson-
dere in Bezug auf die Gesundheit, Mattigkeit und Krankheit⁷⁵) in diesen Briefen ein
besonderes Gewicht zukommt, freilich mit eigener Zuspitzung: Die Schwäche und
körperliche Mattigkeit rühren von der Abwesenheit der geliebten Personen her, die der
Brief zu überwinden versucht. Das Wortfeld infirmus und infirmitas ist in den Briefen
Senecas an Lucilius zentral, besonders aber dann, wenn Seneca die richtige Haltung
zum Tod und zum Leben behandelt.
Paulus deutet in 2Kor 12,5 – 9 sein rhetorisches Argument in diesen Versen
christologisch und offenbarungstheologisch vertiefend aus.⁷⁶ Hier liegt ein komplexes
Gebilde aus paralleler und chiastischer Syntax vor: V.5 ist durch die doppelte ὑπέρ-
Wendung und die parallele Verwendung von καυχήσομαι ein Parallelismus, der frei-
lich inhaltlich durch die unterschiedlichen Subjekte – das Offenbarungsobjekt, das
sich nicht rühmen kann (5a) und der sich seiner Krankheit rühmende Paulus (5b; als
Litotes) – unterschieden ist. Inhaltlich wird damit ein Gegensatz zwischen den Sub-
jekten aufgebaut.
Während Paulus in den Versen 6b und 7a ein Sich-Rühmen aufgrund des Offen-
barungsempfangs ablehnt, hat er in V.5 zwei Formen des Sich-Rühmens unterschie-
den, die aufgrund der Offenbarung und die der Schwachheit. In V.6a vertieft er den
Offenbarungsempfang nochmals: Als Offenbarungsempfänger (V.5a) hätte Paulus

 So schon T.J. Bauer, „Einen missglückten Auftritt retten. 2 Kor 10,10 f. und die rhetorische Kultur der
frühen Kaiserzeit“, in: Logos des Glaubens – Logos der Vernunft. Festschrift für Edgar Früchtel (F.R.
Prostmeier und H.E. Lona eds.; Millennium-Studien 31; Berlin, New York 2010), 77– 108, hier 92.
 Plin. ep. 2.3.9.
 Bauer, „Einen missglückten Auftritt retten“, 94.
 Vgl. Baier, Der Neue Georges Bd. 2, 2577– 2578; siehe zudem U. Heckel, „Die Krankheit des Paulus in
2Kor 12,7 und Gal 4,13 f.“, ZNW 84 (1993): 65 – 92.
 Vgl. Baier, Der Neue Georges Bd. 2, 2577.
 Siehe die Übersetzung von 2Kor 12,6 – 12 in Text 8.
Einführung 869

allen Grund sich zu rühmen, und dieser Gewissheit wird in V.6a durch den Eventualis
Ausdruck gegeben.⁷⁷ In V.5b und V.6b beschreibt Paulus seine Situation mit einem
verneinten Finalsatz, in dem besonders die Pronomen und Negationen zentral sind: in
V.5b ὑπέρ ἐμαυτοῦ – οὐ εἰ μή und in V.6b εἰς ἐμέ – μή … ὑπέρ. Mit diesen Formulie-
rungen (besonders den Personalpronomina) setzt Paulus sich selbst ins Zentrum und
setzt sich aber gleichzeitig von der Person ab, die die Offenbarung empfangen hat
(„damit ich mich nicht überhebe“). Und durch die doppelte Verneinung rückt er indes
eine positive Botschaft ins Zentrum, nämlich den Ruhm der körperlichen Schwach-
heit. Mit dieser komplexen syntaktischen Struktur von Parallelismus und Antithese
erreicht Paulus letztendlich eine Gleichsetzung von Offenbarungserlebnis (VV.2– 4)
und (körperlicher) Schwachheit. Die Schwachheit ist demnach kein Notnagel, son-
dern etwas, dessen man sich ebenso rühmen kann wie seiner Offenbarungen (im
Plural). Gewiss ist der Grund der Schwachheit, der „Dorn im Fleisch“, zentral, der als
Passivum divinum ἐδόθη gefasst werden kann und somit den Schmerz mit Gott ver-
bindet, die Dauer der Schwachheit hingegen als Konjunktiv Präsens mit ὑπεραίρωμαι
an den Satansengel bindet, der Paulus wieder und wieder schlägt.
Über die Krankheit des Paulus ist viel spekuliert worden. Eine Schwäche, die sich
im Fleisch (σάρξ) ausdrückt, wird indes in der antiken Medizin und Philosophie eher
positiv oder neutral bewertet.⁷⁸ Häufiger wird in der exegetischen Literatur darauf
verwiesen, dass sich Fleisch (σάρξ) lediglich auf den muskulären Teil des Körpers
beziehe. Vor dem Hintergrund antiker Literatur wäre dies jedoch ungewöhnlich, denn
mit dieser Konnotation wird es nie allein, sondern immer in Bezug auf andere Kör-
perteile genannt, wie beispielsweise Knochen,⁷⁹ Sehnen (νεῦρα)⁸⁰ oder Blut.⁸¹ Ari-
stoteles, der sich besonders im zweiten Buch von De partibus animalium dem Fleisch
widmet, setzt Fleisch mit dem Körpergewebe gleich, das sich zwischen Haut und
Knochen befindet, wenn er schreibt: „Von Natur aus ist das Fleisch um die Knochen
herum, mit zarten und faserigen Bändern davorgesetzt, derentwegen die Art der
Knochen existiert. Denn wie die, die aus Ton ein Lebewesen herstellen oder aus einer
anderen weichen Verbindung von festen Körpern etwas zugrunde legen, und dann
formen sie es so herum, hat die Natur auf die gleiche Weise aus dem Fleisch das
Lebewesen erschaffen.“⁸² Demnach rechnet er das Fleisch mehr zu den „äußeren“
Körperteilen wie Haaren, Nägeln und anderen Merkmalen, die für das Aussehen des
Körpers zentral sind: Im Fleisch wird also die Schwäche nach außen hin sichtbar.

 D.A. Black, Paul, Apostle of Weakness. Astheneia and its Cognates in the Pauline Literature (New
York u. a.: Wipf & Stock Pub, 1984), 156, hat darauf verwiesen, dass es „because of“ und nicht „in
weakness“ heißen muss.
 Siehe CH Morb. I 22,12– 33 (VI 184.10 ff. Littré); CH Oss. 11 (IX 182.1– 9 Littré); Aristot. part. an. II 8.
653b19 – 35; II 9. 654b27– 32.
 Siehe Aristot. hist. an. VIII 2. 646b25; part. an. II 9. 655b23 und Alex. Aphr. an. 98.10.
 Plat. Tim. 74b; 82c; 84a; Aristot. part. an. I 5. 645a29; II 1. 646b25; Alex. Aphr. mixt. 15.
 Eur. fr. 687,1 f.
 Siehe Aristot. part. an. II 9. 654b27– 32; hist. an. III 16. 519b26 – 28.
870 Kapitel XIII: Σάρξ

Dieses Ergebnis stimmt mit paulinischen Aussagen insofern überein, als Paulus im
2Kor zeigt, dass sich Leben und Sterben Christi in unserem sterblichen Fleisch ma-
nifestiert.⁸³ Der Kreuzestod Christi zeigt sich nach außen sichtbar im Fleisch, ja, er
manifestiert sich gar in einer körperlichen Schwäche.

4.2 Σάρξ: kreatürliche Körperlichkeit und Einverleibung des Fleisches


Besonders im Vergleich zu Paulus ist das Lexem σάρξ im Johannesevangelium mit nur
zwölf Vorkommen selten und beschreibt den Menschen besonders in seiner kreatür-
lichen Körperlichkeit und Sterblichkeit. In 1,13 wird der natürliche Ursprung des
Menschen („nicht aus dem Blut, noch aus dem Willen des Fleisches, noch aus dem
Willen eines Menschen“) der neuen Geburt „aus Gott“ gegenübergestellt. Die in 1,13
eingeführten Lexeme σάρξ und γεννηθῆναι werden in 3,5 – 6 wieder aufgenommen
und vertieft, indem sie auf die Wiedergeburt und die Neuschöpfung durch Jesus
hinweisen (siehe bes. Joh 20,22 f. mit dem Begriff ἐμφυσάω, der die Schöpfung des
Menschen in Gen 2,7LXX aufgreift⁸⁴) und gleichzeitig Begrifflichkeiten verwenden, die
sich auch in antiken medizinischen Texten, die den Ursprung eines Embryos, die
Beziehung auf die Mutter als Gebärende und die Geburt thematisieren, finden lassen,
freilich hier mit einer metaphorischen Zuspitzung: das Geborensein des Menschen aus
Fleisch ist die grundlegende, aber keineswegs hinreichende, Voraussetzung für die
Neuschöpfung aus dem Geist. In diesem Sinne wird die materielle Realität durch eine
spirituelle Realität vertieft. Grundlegend für diese Schlussfolgerung ist freilich 1,14
„und (doch) der Logos wurde Fleisch“, das die Genese aus Fleisch aufnimmt, aber
durch das καί mit adversativer Bedeutung einen Gegensatz ausdrückt: Der Logos war
von Ewigkeit her schon Kind Gottes und die Fleischwerdung gleichsam eine Ernied-
rigung und Selbst-Entäußerung (siehe 10,17: „Niemand vermag mir das Leben zu
nehmen, ich selbst gebe es vielmehr freiwillig hin.“).⁸⁵ Dass Jesus sein Fleisch, σάρξ
„für das Leben der Welt“ (6,51c) hingibt, wird in der „großen johanneischen Brotrede“
in 6,51c–58 vertiefend ausgeführt. Die Brotrede spricht metaphorisch vom ‚Essen des
Fleisches‘ im Sinne eines „Einverleibens“ des fleischgewordenen Logos, womit eine
Anthropophagie vollkommen ausgeschlossen ist. Was sich der Gläubige einverleibt,
ist nichts als das Wort vom „Skandalon des Kreuzes“ (Ubi sanguis a carne separati fit
mentio, violenta morte mortuus intelligitur), das nicht nur gehört, sondern ebenso

 Siehe explizit 2Kor 4,11; 5,16.


 Zu der medizinischen Deutung des Begriffs ἐμφυσάω siehe auch Kapitel IX Abschnitt 3: Vitales
Pneuma: πνεῦμα ζωτικόν.
 Auf die Kontroverse zwischen Bultmann und Käsemann um die Frage, ob Joh 1,14a eine antido-
ketische Polemik zugrunde liegt, wie in der Forschung bis heute behauptet wird, kann hier nicht
eingegangen werden; siehe dazu die gute Darstellung bei H. Thyen, Das Johannesevangelium (Tübin-
gen: Mohr Siebeck, 2005), 89 – 91.
Einführung 871

verkörpert erfasst werden soll.⁸⁶ Umstritten ist besonders der Bezug von 6,63, bei dem
die Mehrzahl der Ausleger von einer anthropologischen (dichotomen) und eben nicht
christologischen Bedeutung ausgehen („Der Geist ist es, der lebendig macht, das
Fleisch nützt überhaupt nichts. Die Worte, die ich geredet habe, die sind Geist und
Leben“).⁸⁷ Möglicherweise geht es aber auch um eine betonte Voranstellung des
Geistes, die den Gläubigen bis zur Neuschöpfung lediglich als Verheißung gegeben ist,
auf dessen Grundlage jedoch Jesu Worte und Gegenwart beruhen. Thematisiert wird
demnach eine Apostasie von Christus, dessen Ziel es ist, dass ihnen sein Wort in
Fleisch und Blut übergeht.⁸⁸

4.3 Σάρξ: Leben nach dem Fleisch oder im Fleisch


Mehrfach findet sich bei Paulus die Wendung „dem Fleisch nach“ (κατὰ σάρκα; 1Kor
3,1– 3; 2Kor 1,17; 2Kor 5,16; 2Kor 11,18; 2Kor 10,2– 4; Gal 3,3) im Sinne eines Lebens ohne
die Erfahrung des Geistes. Für Paulus ist indes der Wechsel der Präpositionen zentral,
denn gewiss ist, dass er einen Wandel vom Leben „nach dem Fleisch“ zum „Wandel
im Fleisch“ anhand militärischer Bilder beschreibt (Ἐν σαρκὶ γὰρ περιπατοῦντες οὐ
κατὰ σάρκα στρατευόμεθα; 2Kor 10,3). Die militärischen Bilder begegnen neben der
Weisheitsliteratur (Prov 21,22; Koh 9,14)⁸⁹ auch in der philosophischen (Epikt. Diss.
I 9.24; III 22.94; IV 1.86 f.)⁹⁰ wie auch in der naturwissenschaftlichen Argumentation
(siehe besonders die biologischen Schriften des Aristoteles).⁹¹ Philon ist mit den ge-
nannten Argumentationen vertraut und hat diese verbunden (Conf.Ling. 129 ff.). Mit
der Wendung verweist Paulus schließlich auch auf eine neue Einstellung des erken-
nenden Menschen (im Sinne eines adverbialen Verständnisses;⁹² οἴδαμεν, ἐγνώκα-
μεν), die man möglicherweise mit der Damaskuserfahrung in Verbindung bringen
kann (Phil 3,4– 11; Gal 1,13 – 16; 3,13). Diese neue Form des Erkennens ist es, die die
Neudeutung zum Verhältnis auf Christus implementiert; damit ist gerade kein Verweis
auf die Bekanntschaft Pauli mit dem historischen Jesus ausgesagt.⁹³

 Siehe hier H. Strathmann, Das Evangelium des Johannes (6. Aufl.; NTD IV; Göttingen:Vandenhoeck,
1951), 121; das treffende lateinische Zitat aus dem Wettstein findet sich bei C.H. Dodd, Interpretation of
the Fourth Gospel (8. Aufl.; Cambridge: Cambridge University Press, 1968), 339.
 So bspw. U. Schnelle, Antidoketische Christologie im Johannesevangelium (FRLANT 144; Göttingen:
Vandenhoeck, 1987), 214.
 Das Bekenntnis zur Fleischwerdung ist besonders im 1. Johannesbrief von Bedeutung; siehe 1Joh
2,16; 4,2.
 So bspw. Martin, 2 Corinthians, 305.
 So etwa bei Thrall, 2 Corinthians, 610 f.
 Siehe die Texte in Kapitel XII Text 17; Kapitel XIV die Texte 23 und 66 und die Texte 12, 27 und 32 in
diesem Kapitel.
 Siehe dazu auch 2Kor 10,2– 3; 11,18. Argumente für die adverbiale Deutung finden sich bei
Schmeller, Zweite Brief an die Korinther I, 324 f.
 Siehe dazu ausführlich J. Schröter, Versöhner, 281– 283.
872 Kapitel XIII: Σάρξ

4.4 Σάρξ: Das Verhältnis zur Sünde/Begierde


Die Zerissenheit des Menschen zwischen seinen Begierden und seiner Vernunft wird
in zahlreichen griechisch-römischen Textcorpora physiologisch im Fleisch (σάρξ)
verortet. Im Neuen Testament finden sich Ausführungen zur Verhältnisbestimmung
von Fleisch und Begierde in besonderer Weise in Röm 7,5.14– 25; 8,1– 17; Gal 5,13 – 26
und 6,6 – 10; indes wird in den paulinischen Texten keine moralische Qualifikation
des seinen Begierden erliegenden Menschen versucht.⁹⁴ Das Kennzeichen der Sünd-
haftigkeit des Menschen, der unter der Macht des Fleisches lebt, ist sein Bemühen um
‚Selbstrechtfertigung‘ ante Christum. ⁹⁵ Der Mensch ist „fleischlich, unter der Sün-
denmacht verkauft“ (Röm 7,14) und ist deshalb nicht in der Lage, das Gesetz Gottes zu
erfüllen („ich weiß, dass in mir, das ist in meinem Fleisch, das Gute nicht wohnt“
Röm 7,18), auch wenn er mit seiner „Vernunft“ dem Gesetz Gottes dienen kann. Eine
Lösung deutet Paulus darin an, dass man das Heilsgeschehen des Kreuzes Christi
anerkennt, sodass nicht die Sünde und Begierde im Inneren wohnt, sondern Christus
einzieht: „Wenn ihr nach dem Fleisch lebt, müsst ihr sterben; wenn ihr aber durch den
Geist die Taten des Leibes tötet, dann werdet ihr leben“ (Röm 8,13).

Quellen

I. Entstehung des Fleisches – die Menschenschöpfung

1. Gen 1,23
Τοῦτο νῦν ὀστοῦν ἐκ τῶν ὀστέων μου καὶ σὰρξ ἐκ τῆς σαρκός μου. Dies ist nun
Knochen von meinen Knochen und Fleisch von meinem Fleisch.

2. Hi 10,10
δέρμα καὶ κρέας με ἐνέδυσας, ὀστέοις δὲ καὶ νεύροις με ἐνεῖρας. Mit Haut und Fleisch
hast du mich angezogen, mit Knochen und Sehnen hast du mich zusammengefügt.

 Siehe dazu die Einleitung in Kapitel V, und die Texte 10, 18 und 19 in Kapitel VI sowie die Texte
39 – 44 in Kapitel XIII.
 Diese grundlegende Diskussion kann hier nicht annähernd dargestellt werden; siehe hierzu K.
Stendahl, Der Apostel Paulus und das ‚introspektive‘ Gewissen des Westens (1963; ü bers. v. W. Stege-
mann) KuI 11 (1996): 19 – 33, der 1963 erstmals die Frage Luthers und Augustins nach dem individuellen
Heil und dem „introspektiven Gewissen des Westens“ aufgeworfen hat. Seitdem wird in der neutes-
tamentlichen Exegese darum gerungen, ob Paulus v. a. die Öffnung des Gottesvolkes im Blick hatte;
siehe dazu E.P. Sanders, Paulus und das palästinische Judentum. Ein Vergleich zweier Religionsstruk-
turen (StUNT 17; ü bers. v. Jü rgen Wehnert; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1977– 1985); der von M.
Bachmann edierte Band Lutherische und Neue Paulusperspektive gibt einen guten Überblick über die
unterschiedlichen Zugänge zu dem Thema (WUNT 182; Tü bingen: Mohr Siebeck, 2005); für Studierende
ist der Beitrag von J. Frey „Das Judentum des Paulus“ hilfreich (in Paulus. Leben – Umwelt –Werk –
Briefe [UTB 2767; 2. überarb. Aufl.; O. Wischmeyer ed.; Tü bingen: Francke, 2012], 5 – 43).
Quellen 873

3. Corpus Hippocraticum De carnibus 2,1 – 3,35 (584.4 – 588.7 Littré)


Der Verfasser der Schrift De carnibus stellt in den Kapiteln zwei bis vier die Urelemente
der Welt neben die Urelemente und Grundgesetze der Entstehung des menschlichen
Körpers. Obwohl der Begriff Fleisch (σάρξ) nicht genannt wird, geht es konstitutiv um
die Entstehung desselben, weshalb sämtliche griechische Handschriften auch περὶ
σαρκῶν „Über die Fleische“ als Titel überliefern. Möglicherweise geht der Titel schon
auf die alexandrinischen Bibliothekare, aber jedenfalls auf die hellenistischen Her-
ausgeber der Schrift, zurück.⁹⁶ Σάρκες umfasst demnach als Oberbegriff alle Organe
und Teile des menschlichen Körpers.⁹⁷
Die Kosmologie wird hier nur kurz gestreift und offenbart den Autor als Vertreter
der Naturphilosophie. Hinsichtlich der Kosmologie ist die Analogie zu Diogenes be-
merkenswert. ⁹⁸ Während dieser zwar eine Kosmologie auf der Folie des pneuma statt
des Warmen entwirft, ist trotzdem die Verwendung der Begriffe und der Vorstel-
lungswelt ähnlich. Möglicherweise lassen sich noch bei anderen Autoren Anknüp-
fungspunkte nachweisen: bei Heraklit von Ephesos,⁹⁹ der das Feuer als den Stoff
bezeichnet hat, gegen den wechselseitig alles ausgetauscht werde und bei dem
Anaxagorasschüler Archelaos, der neben der Luftseele das θερμόν zu dem Urelement
erhoben hat, das alles belebt. Das Neue des Verfassers scheint die Verbindung der
Wärmetheorie mit der Theorie der vier Elemente gewesen zu sein, die er dann im
dritten Kapitel weiter ausführt. Grundlegend ist für unseren Verfasser das θερμόν, das
Warme.¹⁰⁰ Darunter scheint der Autor jedoch in erster Linie nicht die physikalischen
Gegebenheiten und die natürlichen Eigenschaften zu bezeichnen als vielmehr eine Art
göttliche Kraft, die ausgestattet ist wie ein Gott: mit Unsterblichkeit, Allwissenheit und
Allmacht.¹⁰¹ Diese Kraft umfasst das Ganze und sämtliche Teile. Die Erde, die an sich
als kalt und trocken umschrieben wird, muss trotzdem Wärme mit sich führen, denn
sie ist dauernd in Bewegung. Der Ausgangspunkt der Weltenschöpfung wird als
kreisförmige Bewegung geschildert, die die verschiedenen Elemente voneinander
scheidet und überall auch Wärme zurücklässt. Die Elemente rufen Fäulnisprozesse
hervor, welche dann hüllenartige Gebilde hervorbringen: die Urgebilde aller Organe
und Körperteile. Die Idee des Fäulnisprozesses hat der hippokratische Autor wahr-
scheinlich Empedokles entnommen, der die einzelnen Teile des Menschen aus dem
Schlamm hervorgehen ließ. Möglicherweise reflektiert er dabei auch eine Beobach-

 Für die weitergehenden textkritischen Überlegungen siehe Heidel, „Hippocratea“, speziell 178 ff.
 Deichgräber, Hippokrates. Über Entstehung und Aufbau des menschlichen Körpers, 26 bevorzugt die
Überschrift „Über die Entwicklungsgesetze“.
 Diogenes von Apollonia, fr. 51 B5.
 Heidel, „Hippocratea“, 180 kann dieser Sichtweise nicht zustimmen.
 Siehe Lloyd, Magic, Reason and Experience, 150, der schreibt: „[…] in chap. 2. the writer gives an
account of the formation of the parts of the body in which ‘the glutonious’ (associated with the cold)
and ‘the fatty’ (associated with the hot) played the chief role.“
 Siehe dazu ausführlich Guthrie, Greek Philosophy II, 339 – 344; vgl. zudem Dümmler Anfänge des
Menschengeschlechts, 231, der sich auf Lucr. 5.805 – 808 bezieht.
874 Kapitel XIII: Σάρξ

tung, dass sich bei bestimmten Fäulnisprozessen eine Haut bildet, die er dann als
ursächlich für die Bildung von Hohlraumorganen ansieht. Diese verursacht zudem
Prozesse der Reinigung, was eine Mantelform nahelegt, die die ursprüngliche Form
aller Organe und Körperteile gewesen sein könnte. Diesen Prozess der Reinigung
entnimmt der Verfasser möglicherweise Empedokles. Der Prozess der Reinigung ist für
das Corpus Hippocraticum insgesamt grundlegend. Sehnen entstehen aus kolloidem
Stoff, dem nur wenig Kaltes beigemischt wird; Adern gehen aus dem Kalten und dem
Kolloiden hervor; das Kolloide selbst wird an der Peripherie zu einer Haut und umgibt
dasjenige nun schmelzende und im Körperinnern sich befindliche Kalte. Entspre-
chend entstehen Kehlkopf, Bauchhöhle, Magen und Därme. Vom Grad der Wärme ist
auch die Wirkung der Wärme und Kälte abhängig; je extremer, desto stärker der Effekt:
das Kalte mache dick, die Wärme löse auf oder trockne nach längerer Dauer.
Wesentlich ist demnach, dass der mythische Charakter der empedokleischen
Philosophie, die dem Text zugrunde liegt, durch eine physikalisch zugespitzte
Theologie verändert wird, wie sie schon in Ansätzen bei Diogenes von Apollonia be-
kannt ist.¹⁰² Auffallend ist, dass jedes Körperteil für sich entsteht und dass nicht am
Anfang ein zusammenhängendes Gebilde erscheint. Außerdem ist auffallend, dass
diese unabhängigen Körper dann die Organe des Menschen sind.¹⁰³ Körper werden
konstituiert durch das Warme (ab Z.1), Kalte und Feuchte (Z.4,6 f.) und dem Fetthal-
tigen und Kolloiden (Z.19 ff.). Zu den letztgenannten beiden Begriffen gibt es keinen
Vergleichspunkt bei den vorsokratischen Naturphilosophen.

Δοκέει δέ μοι ὃ καλέομεν θερμὸν, ἀθάνατόν τε εἶναι καὶ νοέειν πάντα καὶ ὁρῇν καὶ
ἀκούειν καὶ εἰδέναι πάντα ἐόντα τε καὶ ἐσόμενα· τοῦτο οὖν τὸ πλεῖστον, ὅτε ἐταράχθη
πάντα, ἐξεχώρησεν εἰς τὴν ἀνωτάτω περιφορήν· καὶ ὀνομῆναί μοι αὐτὸ δοκέουσιν οἱ
παλαιοὶ αἰθέρα. Ἡ δευτέρα μοῖρα κάτωθεν, αὐτὴ καλέεται μὲν γῆ, ψυχρὸν καὶ ξηρὸν
καὶ πουλὺ κινοῦν· καὶ ἐν τουτέῳ ἔνι δὴ πουλὺ τοῦ θερμοῦ. Ἡ δὲ τρίτη μοῖρα ἡ τοῦ
ἠέρος μέσον χωρίον εἴληφε θερμόν τι ὂν καὶ ὑγρόν. Ἡ δὲ τετάρτη ἡ τοῦ ἐγγυτάτω
πρὸς τῇ γῇ ὑγρότατόν τε καὶ παχύτατον. Κυκλεομένων δὲ τουτέων, ὅτε συνεταράχθη,
ἀπελείφθη τοῦ θερμοῦ πουλὺ ἐν τῇ γῇ ἄλλοθι καὶ ἄλλοθι, τὰ μὲν μεγάλα, τὰ δὲ
ἐλάσσω, τὰ δὲ καὶ πάνυ σμικρὰ, πλῆθος πολλά. Καὶ τῷ χρόνῳ ὑπὸ τοῦ θερμοῦ
ξηραινομένης τῆς γῆς, ταῦτα καταληφθέντα περὶ αὐτὰ σηπεδόνας ποιέει οἷόν περ
χιτῶνας. Καὶ πολλῷ χρόνῳ θερμαινόμενον, ὁκόσον μὲν ἐτύγχανεν ἐκ τῆς γαίης
σηπεδόνος λιπαρόν τε ἐὸν καὶ ὀλίγιστον τοῦ ὑγροῦ ἔχον, τάχιστα ἐξεκαύθη καὶ ἐγέ-
νετο ὀστέα. Ὁκόσα δὲ ἐτύγχανε κολλωδέστερα ἐόντα καὶ τοῦ ψυχροῦ μετέχοντα,
ταῦτα δὲ θερμαινόμενα οὐκ ἠδύνατο ἐκκαυθῆναι, οὐδὲ μὴν τοῦ ὑγροῦ γενέσθαι· διὰ
τοῦτο εἰδέην ἀλλοιοτέρην ἔλαβε τῶν ἄλλων καὶ ἐγένετο νεῦρα στερεά· οὐδὲ γὰρ ἐνῆν

 Diller, Kleine Schriften, 148 – 149; vgl. zudem Joly, Hippocrate. Des Chairs, 182 f.
 Der Reinigungsprozess mag wohl vergleichbar sein. Die Bildung des menschlichen Körpers, die
Empedokles im fr. B57 vorschlägt, unterscheidet sich jedoch darin von dem oben genannten Traktat-
abschnitt als es seinen Ausgangspunkt bei der Bildung des menschlichen Körpers als Körper ohne
Organe nimmt.
Quellen 875

πολὺ τοῦ ψυχροῦ αὐτῷ. Αἱ δὲ φλέβες τοῦ ψυχροῦ εἶχον πουλύ· καὶ τούτου τοῦ
ψυχροῦ τὸ μὲν πέριξ ὅσον κολλωδέστατον ἦν, ὑπὸ τοῦ θερμοῦ ἐξοπτηθὲν, μήνιγξ
ἐγένετο, τὸ δὲ ψυχρὸν ἐὸν κρατηθὲν ὑπὸ τοῦ θερμοῦ διελύθη καὶ ἐγένετο ὑγρὸν διὰ
τοῦτο. Κατὰ δὲ τὸν αὐτὸν λόγον καὶ ἡ φάρυγξ καὶ ὁ στόμαχος καὶ ἡ γαστὴρ καὶ τὰ
ἔντερα ἐς τὸν ἀρχὸν κοῖλα ἐγένοντο· τοῦ γὰρ ψυχροῦ αἰεὶ θερμαινομένου τὸ μὲν πέριξ
ἐξωπτήθη ὅσον αὐτὸ κολλῶδες ἦν, καὶ ἐγένετο χιτὼν ὁ περὶ αὐτὸν μήνιγξ, τὸ δὲ ἐντὸς
τοῦ ψυχροῦ, οὐ γὰρ ἔην ἐν αὐτῷ οὔτε λιπαρὸν οὔτε κολλῶδες πουλὺ, διετάκη καὶ
ἐγένετο ὑγρόν. Κατὰ δὲ τὸν αὐ-τὸν λόγον καὶ ἡ κύστις, πουλὺ ψυχρὸν ἀπολειφθὲν, τὸ
πέριξ αὐτοῦ ὑπὸ τοῦ θερμοῦ θερμαινόμενον διελύθη καὶ ἐγένετο ὑγρόν· οὐ γὰρ ἔην ἐν
αὐτῷ οὔτε τοῦ λιπαροῦ οὔτε τοῦ κολλώδεος· ὅσον δὲ περιῆν χιτὼν ἐγένετο. ᾿Aτὰρ καὶ
περὶ τῶν ἄλλων, ὅσα κοῖλα, τὸν αὐτὸν ἔχει τρόπον· ὅκου μὲν ἦν τοῦ κολλώδεος πλέον
ἢ τοῦ λιπαροῦ, χιτὼν μήνιγξ ἐγένετο· ὅκου δὲ τοῦ λιπαροῦ πλέον ἢ τοῦ κολλώδεος,
ὀστέα ἐγένετο. Ωὐτὸς δὲ λόγος καὶ τῶν ὀστέων· ὅκου μὲν μὴ ἐνῆν τοῦ κολλώδεος, τοῦ
δὲ λιπαροῦ καὶ τοῦ ψυχροῦ, ἐξεκαίετο θᾶσσον διὰ τὸ λιπαρὸν, καὶ ταῦτα τῶν ὀστέων
καὶ σκληρότατα καὶ στριφνότατα· ὅκου δὲ λιπαρὸν καὶ κολλῶδες παραπλήσια, ταῦτα
δὲ τῶν ὀστέων σηραγγώδεα. Περὶ μὲν τουτέων οὕτως· τὸ μὲν ψυχρὸν πήγνυσιν· τὸ δὲ
θερμὸν διαχέει, ἐν δὲ τῷ πολλῷ καὶ ξηραίνει χρόνῳ· ὅκου δὲ ἂν τοῦ λιπαροῦ ξυνίῃ τι,
τουτέοισι θᾶσσον ἐκκαίει καὶ ξηραίνει· ὅκου δὲ ἂν τὸ κολλῶδες ξυνίῃ τῷ ψυχρῷ ἄνευ
τοῦ λιπαροῦ, οὐκ ἐθέλει ἐκκαίεσθαι, ἀλλὰ τῷ χρόνῳ θερμαινόμενον πήγνυται.

Es scheint mir das, was wir warm nennen, unsterblich zu sein und alles zu verstehen
und zu sehen und zu hören und alles jetzt und in Zukunft Seiende zu wissen. Als alles
in Unordnung gebracht wurde, brach dieses nun meistenteils in den obersten Umlauf
auf. Und es scheint mir, dass die Alten es als Äther bezeichnet haben. Der zweite Teil
darunter wird Erde genannt, etwas, das Kühles und Trockenes und vieles bewegt.
Auch darin ist viel von dem Warmen. Der dritte Teil aber, der der Luft, nahm den
mittleren Ort ein, einen warmen und feuchten. Der vierte aber, der, der am nächsten an
der Erde ist, ist der feuchteste und dichteste. Da diese sich im Kreis bewegten, als sie
gemeinsam erschüttert wurden, wurde hier und da viel vom Warmen in die Erde
aufgenommen, mal große Anteile, mal weniger, mal auch sehr kleine, von der Menge
her aber viele. Und mit der Zeit, als die Erde durch das Warme ausgetrocknet wurde,
wurden diese gehemmt und legten Fäulnis um sich wie einen Mantel. Und als es lange
Zeit erwärmt worden war, verbrannte alles, was von der irdischen Fäulnis gerade Fett
war und am wenigsten Anteil an Wasser hatte, äußerst schnell ganz und gar und
wurde zu Knochen. Alles aber, was gerade besonders klebrig war und am Kalten Anteil
hatte, das konnte, als es erwärmt wurde, nicht ganz verbrennen, noch auch konnte es
gewiss Teil des Feuchten werden. Daher nahm es eine gänzlich andere Art als die
anderen an und wurde zu festen Nerven, da in ihm auch nicht viel vom Kühlen war.
Die Gefäße aber hatten viel Anteil am Kühlen. Und der Anteil dieses Kühlen, der
ringsherum besonders klebrig und vom Warmen ausgebrannt war, wurde zu einer
Haut. Der aber, der kühl war und vom Warmen bezwungen wurde, löste sich auf und
wurde dadurch feucht. Aus dem gleichen Grund aber wurden auch die Kehle, der
Mund, der Magen und die inneren Organe in den Anus hinein Höhlungen. Da nämlich
876 Kapitel XIII: Σάρξ

das Kühle stets erwärmt wird,wurde das Äußere, soweit es selbst klebrig war, ganz
verbrannt und das Häutchen darum wurde zum Mantel. Das aber, was im Innern des
Kühlen war, denn in ihm war weder etwas Fettes noch sehr Klebriges, verteilte sich
und wurde feucht. Aus dem gleichen Grund auch die Harnblase. Nachdem viel Kühles
fortgenommen war, löste sich das, was es umgab, vom Warmen erhitzt auf und wurde
feucht. Denn in ihm war weder vom Fetten noch vom Klebrigen etwas. Was ringsum
aber war, wurde zu einem Mantel. Ja, auch in Bezug auf die anderen hohlen Dinge
verhält es sich ebenso. Denn wo von dem Klebrigen mehr war als vom Fetten, entstand
ein Hautmantel. Wo aber vom Fetten mehr war als vom Klebrigen, entstanden Kno-
chen. Dies ist auch der Grund für die Knochen. Denn worin nichts vom Klebrigen war,
jedoch vom Fetten und Kühlen, verbrannte es besonders schnell durch das Fette, und
diese wurden die härtesten und dichtesten Teile der Knochen. Wo aber etwas Fettes
und Klebriges beinahe gleich war, entstand das Höhlenartige der Knochen. In Bezug
auf diese verhält es sich so: Das Kühle verdichtet. Das Warme aber macht flüssig. Die
meiste Zeit auch trocknet es. Wo aber etwas vom Fetten hinzukommt, in denen ver-
brennt und trocknet es besonders schnell. Wo aber das Klebrige mit dem Kühlen ohne
das Fette zusammenkommt, weigert es sich, ganz verbrannt zu werden, sondern er-
wärmt verdichtet es sich mit der Zeit.

4. Simplicius In Aristotelis Physicorum IX 31.32 – 32.10


Mythologie und Medizin sind in diesem Fragment miteinander verbunden. Grundlage
ist die mythologische Erzählung, dass Hephaistos, nachdem von Prometheus das
Feuer entwendet worden war, von Zeus den Auftrag erhielt, einen Menschen zu
schaffen. Hephaistos zieht Aphrodite zu Rate, die ebenso wie er als urgriechische
Gottheit gilt. Aphrodite wird hier Κύπρις genannt, wodurch sie mit der Hafenmeta-
phorik des Textes assoziiert ist.¹⁰⁴ Diese Metaphorik ist im Text nicht genauer quali-
fiziert. Κύπρις wird in den Fragmenten des Empedokles noch häufiger erwähnt. Sie ist
der aktive Teil und trägt zusammen (fr. 60/71), sie nagelt fest (fr. 86/95), sie leimt
zusammen (fr. 48/96); sie bringt in Form (fr. 85/86). Möglicherweise hat sie demnach
bei der Formung des Fleisches die Funktion der Gebärmutter inne. Diese Interpreta-
tion legt auch das vorliegende Fragment 55/66 nahe. Die Liebesgöttin Aphrodite wird
hier als Ursache für die Materie vorgestellt, während Hephaistos als Feuer benannt
wird. Zudem werden Wasser als Regen und Luft als Äther genannt, die jedoch keiner
Gottheit zugeordnet werden, wenngleich Aphrodite in der Antike eine Beziehung zum
Wasser nachgesagt wird.
Auf der medizinischen Ebene beleuchtet das Fragment die Bildung von Blut. Das
Adjektiv ἄλλης („restlich“/„übrig“; Z.9) impliziert, dass das Blut eine Form des Flei-
sches ist „from these blood and forms of other flesh came to exist.“¹⁰⁵

 Siehe C. Rowett, „Love, Sex and the Gods: why things have Divine Names in Empedocles’ Poem,
and Why they come in Pairs“, (2016) in: https://ueaeprints.uea.ac.uk/57758/1/Empedocles_names_ver
sion_7.pdf.
 Siehe dazu die Übersetzung von Wright, Empedocles, 237 fr. 83/98.
Quellen 877

ὅτι γὰρ οὐχ ὡς οἱ πολλοὶ νομίζουσι φιλία μὲν μόνη κατ’ Ἐμπεδοκλέα τὸν νοητὸν
ἐποίησε κόσμον, νεῖκος δὲ μόνον τὸν αἰσθητόν, ἀλλ’ ἄμφω πανταχοῦ οἰκείως θεωρεῖ,
ἄκουσον αὐτοῦ τῶν ἐν τοῖς Φυσικοῖς λεγομένων, ἐν οἷς καὶ τῆς ἐνταῦθα δημιουργικῆς
συγκράσεως τὴν ᾿Aφροδίτην ἤτοι τὴν φιλίαν αἰτίαν φησί. καλεῖ δὲ τὸ μὲν πῦρ καὶ
Ἥφαιστον καὶ ἥλιον καὶ φλόγα, τὸ δὲ ὕδωρ ὄμβρον, τὸν δὲ ἀέρα αἰθέρα. λέγει οὖν
πολλαχοῦ μὲν ταῦτα καὶ ἐν τούτοις δὲ τοῖς ἔπεσιν ἡ δὲ χθὼν τούτοισιν ἴση συνέκυρσε
μάλιστα Ἡφαίστῳ τ’ ὄμβρῳ τε καὶ αἰθέρι παμφανόωντι, Κύπριδος ὁρμισθεῖσα τελείοις
ἐν λιμένεσσιν, εἴτ’ ὀλίγον μείζων εἴτε πλέον ἐστὶν ἐλάσσων. ἐκ τῶν αἷμά τε γέντο καὶ
ἄλλης εἴδεα σαρκός.

Denn dass nicht, wie die meisten glauben, allein die Liebe Empedokles gemäß die
verstandesmäßige Welt schuf, allein der Streit aber das Wahrnehmbare, sondern dass
er meint, beide überall auf vertraute Weise, das höre von ihm aus dem, was er in der
Physik sagt, wo er wahrlich Aphrodite, die Liebe, als Ursache für die hiesige hand-
werksmäßige Verschmelzung nennt. Er nennt auch das Feuer Hephaistos, Sonne und
Flamme, das Wasser Regen, die Luft aber Äther. Diese Dinge nun, sagt er vielerorts,
auch in diesen Worten: Die Erde stieß diesen gleich mit Hephaistos, dem Regen und
dem hell leuchtenden Äther zusammen, als sie in den vollkommenen Häfen der Kypris
ankerte, ob nun der größere gering oder der kleinere mehr ist. Aus ihnen entstand Blut
und die Formen des restlichen Fleisches.

5. Johannes Stobaios Anthologium 1. 49.60.20 – 24


Dieses Fragment thematisiert die Frage, wie transphänomenale göttliche Macht im
Menschen Eingang findet. Für die Beantwortung dieser Frage ist die grammatikalische
Struktur des Fragments entscheidend. Während M.R. Wright¹⁰⁶ davon ausgeht, dass
die Natur (φύσις) durch das Partizip „einkleiden“ oder „zusammenziehen“/„veren-
gen“¹⁰⁷ (περιστέλλουσα) näher bestimmt wird und es somit die Natur ist, die die Seele
bekleidet, gehen wir mit H. Diels und W. Kranz davon aus,¹⁰⁸ dass das Partizip „ein-
wickeln“ oder „zusammenziehen“/„verengen“ (περιστέλλουσα) die göttliche Kraft
(δαίμων) modifiziert. Der grammatikalische Hintergrund dafür ist, dass die „göttliche
Kraft“ (δαίμων) im Griechischen sowohl feminin als auch maskulin sein kann. Da die
nachfolgenden Partizipien feminin sind und Empedokles mit der göttlichen Macht
möglicherweise auf Aphrodite rekurriert, gehen wir davon aus, dass die „göttliche
Kraft“ (δαίμων) das Subjekt des Satzes ist. Damit ist sie es, die die Seele „umhüllt“ und
mit Fleisch bekleidet. Wie in zahlreichen anderen Texten steht das griechische Wort
für „Fleisch“ im Plural.

Für die Synekdoche „Fleisch und Blut“ siehe auch die Texte 2, 6, 13, 15, 17, 25 – 29, 32– 34 und 36 in
Kapitel XI.
 Wright, Empedocles. The Extant Fragments, 277.
 LSJ, Greek Lexicon, „Art. περιστέλλω“, 1388; das Verbum kommt häufiger in der antiken medi-
zinischen Literatur vor.
 Diels/Kranz, Vorsokratiker, 362.
878 Kapitel XIII: Σάρξ

Fraglich ist zudem, wo das Empedokleszitat, welches Stobaios hier bietet, endet.
Es ist wahrscheinlich, dass die parallele Satzbildung auf das Ende des Zitats weist und
somit der Hinweis auf den „Mantel“ – Chiton (χιτῶνι) das Zitatende signalisiert.

Αὐτῆς γὰρ τῆς μετακοσμήσεως εἱμαρμένη καὶ φύσις ὑπὸ Ἐμπεδοκλέους (v. 402 Stein.)
δαίμων ἀνηγόρευται, ‘σαρκῶν ἀλλογνῶτι περιστέλλουσα χιτῶνι,’ καὶ μεταμπίσχουσα
τὰς ψυχάς.

Denn auch das Schicksal und die Natur dieser Umgestaltung selbst werden von Em-
pedokles als göttliche Kraft bezeichnet, die die Seelen umhüllt und einkleidet in einen
fremden Chiton aus Fleisch.

II. Substanz des Fleisches/der Fleische

6. Der Singular bezieht sich auf ein spezielles Körperteil: Gen 17,11
καὶ περιτμηθήσεσθε τὴν σάρκα τῆς ἀκροβυστίας ὑμῶν, […] καὶ παιδίον ὀκτὼ ἡμερῶν
περιτμηθήσεται ὑμῖν πᾶν ἀρσενικὸν εἰς τὰς γενεὰς ὑμῶν, ὁ οἰκογενὴς τῆς οἰκίας σου
καὶ ὁ ἀργυρώνητος ἀπὸ παντὸς υἱοῦ ἀλλοτρίου, ὃς οὐκ ἔστιν ἐκ τοῦ σπέρματός σου.
Und ihr sollt¹⁰⁹ am Fleisch eurer Vorhaut¹¹⁰ beschnitten werden, […] jedes männliche
kleine Kind soll bei euch in euren Geschlechtern am achten Tag beschnitten werden,
das in deinem Haus geboren wird und das verkauft ist von jedem fremden Sohn, der
nicht von deiner Nachkommenschaft ist.

7. Ez 11,19
καὶ δώσω αὐτοῖς καρδίαν ἑτέραν καὶ πνεῦμα καινὸν δώσω ἐν αὐτοῖς καὶ ἐκσπάσω τὴν
καρδίαν τὴν λιθίνην ἐκ τῆς σαρκὸς αὐτῶν καὶ δώσω αὐτοῖς καρδίαν σαρκίνην. Und ich
werde ihnen ein anderes¹¹¹ Herz geben und einen neuen Geist werde ich in sie geben,
und ich werde das steinerne Herz aus ihrem Fleisch reißen und ihnen ein fleischernes
Herz geben.

8. 2Kor 12,6 – 9
μή τις εἰς ἐμὲ λογίσηται ὑπὲρ ὃ βλέπει με ἢ ἀκούει [τι] ἐξ ἐμοῦ καὶ τῇ ὑπερβολῇ τῶν
ἀποκαλύψεων. διὸ ἵνα μὴ ὑπεραίρωμαι, ἐδόθη μοι σκόλοψ τῇ σαρκί, ἄγγελος σατανᾶ,
ἵνα με κολαφίζῃ, ἵνα μὴ ὑπεραίρωμαι. ὑπὲρ τούτου τρὶς τὸν κύριον παρεκάλεσα ἵνα
ἀποστῇ ἀπ’ ἐμοῦ. καὶ εἴρηκέν μοι· ἀρκεῖ σοι ἡ χάρις μου, ἡ γὰρ δύναμις ἐν ἀσθενείᾳ
τελεῖται. Ἥδιστα οὖν μᾶλλον καυχήσομαι ἐν ταῖς ἀσθενείαις μου, ἵνα ἐπισκηνώσῃ ἐπ’

 Die Übersetzung interpretiert das Futur als Befehl.


 Bei Aristoteles wie auch im Corpus Hippocraticum findet sich ἀκροποσθία, das möglicherweise die
Grundlage für ἀκροβυστία darstellt (siehe hierzu Bauer, Lexikon, 66).
 Engel, „Jezekiel“, 2883 weist darauf hin, dass die MT hier „einzelnes“ bietet und an dieser Stelle
eine Verwechslung von ‫ אחד‬und ‫ אחר‬vorliege.
Quellen 879

ἐμὲ ἡ δύναμις τοῦ Χριστοῦ. […], damit nicht irgendjemand mich berechnet über das
hinaus, was er von mir sieht oder hört, auch im Übermaß der Offenbarungen. Daher,
damit ich mich nicht überhebe, wurde mir ein Stachel ins Fleisch gestoßen, ein Bote
Satans, damit er mich ohrfeige, damit ich mich nicht überhebe. Dreimal habe ich den
Herrn deswegen angefleht, dass er von mir ablasse. Da sagte er mir: ‚Meine Gnade
genügt dir; denn die Kraft erfüllt sich in der Schwäche [Krankheit].‘ Viel lieber also will
ich mich meiner Schwäche [Krankheit] rühmen, damit die Kraft Christi von nun an in
mir wohne.¹¹²

9. Corpus Hippocraticum De carnibus 9,1 – 23 (594.18 – 596.18 Littré)


Dieses Kapitel knüpft insofern an die gerade genannten Kapitel an, als die Urstoffe
wiederum das Warme, Kalte, Feuchte, Fetthaltige und Kolloide sind. Trotz der wenigen
von ihm angenommenen Elemente kann der Autor die besondere Eigenart der Milz als
fibröses Gewebe beschreiben. Daraus kann man ersehen, dass er das Organ als sol-
ches kennen muss.¹¹³
Nach der Beschreibung der Entstehung von Lunge, Nieren und Haut führt der
Verfasser in diesem Kapitel ein grundlegendes Experiment an, womit er anhand der
empirischen Deutungen seine Beobachtungen zu begründen sucht. Das Experiment
ist der Haut gewidmet und handelt von einem Schnitt in dieselbe, sodass warmes Blut
heraustreten kann, um das herum sich nach der Abkühlung eine Art Membran und
damit wiederum eine Haut bildet. Der Hintergrund dafür ist das πνεῦμα. Grammati-
kalisch ist die Basis ein Konditionalsatz, der darauf verweist, dass es sich hier nicht
um einen aktuellen, sondern um einen potentiellen Fall handelt.
Innerhalb der Konstruktion in Zeile 2 (τοσοῦτον μόνον ὁκόσον) kann sich das
Adjektiv im Neutrum entweder auf die Wärme beziehen (τοῦ θερμοῦ πλεῖστον) oder
aber auf die Kälte (τοῦ ψυχροῦ ἐλάχιστον). Der Kontext verweist eher auf die Wärme,
die der Autor für die ganze Schrift als grundlegend annimmt. Folgt man der Logik
seiner Abhandlung, besonders aber dem Abschnitt ab Zeile 6, so „bäckt“ das klebrige
Material durch die Wärme und formt dadurch die Membran, während die Kälte diese
Klebemasse dann erstarren lässt, ohne dass sie zuvor durch die Hitze erwärmt worden
wäre (ἐπάγη ὑπὸ τούτου).
Grundlegend gilt, dass das Warme im ganzen Körper zu finden ist; daneben findet
er dort ebenso viel Feuchtes, worin nach seiner Theorie sich viel Kaltes befindet.
Bemerkenswert ist, dass das Warme und das Kalte um die Herrschaft im Körper ringen
(νενίκηται […] διακέχυται „doch hat das Warme den Sieg davongetragen“). Wiederum
ist darauf zu verweisen, dass das Warme als das Göttliche konnotiert ist.

 Das Verb steht hier im Konjunktiv Aorist und ist also punktuell, dementsprechend ingressiv ge-
meint.
 Siehe zum folgenden Deichgräber, Hippokrates. Über Entstehung und Aufbau des menschlichen
Körpers, 42.
880 Kapitel XIII: Σάρξ

Ὁ δὲ σπλὴν συνέστη ὧδε· σὺν τῷ θερμῷ καὶ κολλώδει καὶ τοῦ θερμοῦ πλεῖστον, τοῦ δὲ
ψυχροῦ ἐλάχιστον, τοσοῦτον μόνον ὁκόσον πῆξαι τὸ κολλῶδες αὐτὸ, ὅ εἰσιν αἱ ἶνες αἱ
ἐνοῦσαι ἐν τῷ σπληνί· καὶ διὰ τὰς ἶνας ταύτας μαλακός ἐστιν ὁ σπλὴν καὶ ἰνώδης. Οἱ δὲ
νεφροὶ ξυνέστησαν ὧδε· ὀλίγον τοῦ κολλώδεος, τοῦ θερμοῦ ὀλίγον, τοῦ ψυχροῦ
πλεῖστον, καὶ ἐπάγη ὑπὸ τούτου, καὶ ἐγένετο σκληρότατον τὸ σπλάγχνον καὶ ἥκιστα
ἐρυθρὸν, ὅτι οὐ πουλὺ τοῦ θερμοῦ ξυνέστη. Ὁ δὲ αὐτὸς λόγος καὶ περὶ τῶν σαρκῶν· τὸ
μὲν ψυχρὸν ἔστησε καὶ ξυνέπηξε καὶ ἐποίησε σάρκα, τὸ δὲ κολλῶδες τρῶγλαι
ἐγένοντο· ἐν δὲ τῇσι τρώγλῃσι ταύτῃσι τὸ ὑγρὸν, ὥσπερ καὶ ἐν τῇσι φλεψὶ τῇσι
μεγάλῃσιν. Τὸ δὲ θερμὸν ἐν παντὶ τῷ σώματι, πλεῖστον δὲ τοῦ ὑγροῦ ἐν τῷ σώματι, καὶ
τοῦ ψυχροῦ πουλὺ ἐν τῷ ὑγρῷ· τοσοῦτο δέ ἐστι τοῦ ψυχροῦ ὁκόσον δύναται πῆξαι τὸ
ὑγρόν· ἀλλὰ νενίκηται, ὥστε διακέχυται ὑπὸ τοῦ θερμοῦ. Ἡ δὲ ἀπόδειξις τοῦ ὑγροῦ ὅτι
θερμόν ἐστιν, εἴ τις ἐθέλοι τάμνειν τοῦ ἀνθρώπου τοῦ σώματος, ὅκου ἐθέλοι· ῥεύσει τε
αἷμα θερμὸν, καὶ τέως μὲν ἂν θερμὸν ᾖ, ὑγρὸν ἔσται· ἐπειδὰν δὲ ψυχθῇ ὑπό τε τοῦ
ἐνεόντος ψυχροῦ καὶ τοῦ ἐκτὸς, ἐγένετο δέρμα καὶ ὑμὴν, καὶ εἴ τις ἀφελὼν τοῦτο τὸ
δέρμα ἐάσειεν ὀλίγου χρόνου, ὄψεται ἄλλο δέρμα γινόμενον· εἰ δέ τις τοῦτο αἰεὶ
ἀφαιρεῖ, ἄλλο δέρμα γίνοιτ’ ἂν πρὸς τοῦ ψυχροῦ. Τούτου δὲ εἵνεκα πλείω ἔλεξα, τέως
ἀποδείξω ὅτι τὸ ἔσχατον τοῦ σώματος πρὸς τοῦ ἠέρος ἀναγκαίως ἔχει δέρμα γενέσθαι
ὑπὸ τοῦ ψυχροῦ καὶ τῶν πνευμάτων προσβαλλόντων.

Die Milz aber setzte sich folgendermaßen zusammen: Mit dem Warmen und etwas
Klebrigen und am meisten vom Warmen her, am wenigsten aber vom Kalten, nur so
viel wie das Klebrige selbst verdichtet, was die Fasern sind, die sich in der Milz be-
finden. Und wegen dieser Fasern ist die Milz weich und fibrös. Die Nieren aber haben
sich so zusammengesetzt: ein wenig vom Klebrigen, ein wenig vom Warmen, am
meisten vom Kalten und durch dieses wurde es dicht, und besonders hart das Innere
und am wenigsten rot, weil es sich aus nicht viel Warmem zusammensetzte. Derselbe
Grund liegt auch in Bezug auf das Fleisch vor. Das Kalte stoppte und verdichtete es
und erzeugte Fleisch, das Klebrige wurde zu Höhlungen. In diesen Höhlungen ist das
Feuchte wie in den großen Gefäßen. Das Warme aber ist im ganzen Körper. Am
meisten ist vom Feuchten im Körper, und viel vom Kühlen im Feuchten. So viel ist vom
Kühlen vorhanden wie es das Feuchte verdichten kann. Doch ist es besiegt, da es vom
Warmen durchströmt wird. Der Beweis aber dafür, dass das Feuchte warm ist, ist,
wenn jemand den menschlichen Körper schneiden möchte, wo auch immer er mag. Es
wird warmes Blut fließen, und solange es wohl warm ist, wird es auch flüssig sein.
Sobald es aber durch die innere und äußere Kälte abgekühlt wird, wird es zu einer
Haut und Membran, und wenn jemand diese Haut entfernt und es kurze Zeit lässt,
wird er eine weitere Haut entstehen sehen. Wenn aber jemand diese stets entfernt,
dürfte wohl eine andere Haut von der Kälte her entstehen. Deswegen habe ich mehr
gesagt, bis ich zeigen werde, dass das Äußere des Körpers von der Luft her gezwun-
genermaßen eine Haut hat, die durch die Kälte und die daraufprallende Luft entsteht.
Quellen 881

10. Corpus Hippocraticum De glandulis 1,1 – 7 (VIII 554,1 – 6 Littré)


Eines der zentralen Elemente von De glandulis ist ein Bezug zwischen den „Drüsen des
Körpers“ und dem „Rest des Körpers“ (τὸ ἄλλο σῶμα); dieses ist eine sich wieder-
holende Phrase durch das ganze erste Kapitel hindurch, das sich auf die Beobachtung
stützt, dass der Körper Feuchtigkeit ausscheidet und die Drüsen diese Feuchtigkeit
erhalten. Auffallend ist sicherlich, dass zahlreiche Adjektive, die die Drüsen im Körper
beschreiben, auch zur Beschreibung des weiblichen Fleisches herangezogen werden
wie beispielsweise schlaff (ἀραίος; Z.1), locker (ψαφαρός; Z.3), fettig (πίων) und
schwammartig (σπογγώδης).

Περὶ δὲ ἀδένων οὐλομελίης ὧδε ἔχει. Φύσις μὲν αὐτέῃσι σπογγώδης, ἀραιαὶ μὲν καὶ
πίονες, καὶ ἔστιν οὔτε σαρκία ἴκελα τῷ ἄλλῳ σώματι, οὔτε ἄλλο τι ὅμοιον τῷ σώματι,
ἀλλὰ ψαφαρὰ καὶ φλέβας ἔχει συχνάς· εἰ δὲ διατάμοις, αἱμοῤῥαγίη λάβρος· τὸ εἶδος
λευκαὶ καὶ οἷον φλέγμα, ἐπαφομένῳ δὲ οἷον εἴρια· κἢν ἐργάσῃ τοῖς δακτύλοις ἐπι-
πουλὺ βιησάμενος, ἡ ἀδὴν ὑγρὸν ἀφίησιν ἐλαιῶδες, καὶ αὐτὴ θρύπτεται πολλὰ καὶ
ἐξαπόλλυται.

Bezüglich der allgemeinen Natur der Drüsen verhält es sich so. Ihre Natur ist
schwammartig, sie sind schlaff und fett, und es gibt kein Stückchen Fleisch, das dem
restlichen Körper ähnlich ist, noch auch etwas anderes dem Körper Ähnliches, son-
dern sie sind locker und haben viele Gefäße. Wenn du sie aber durchschneidest, folgt
starker Blutfluss.Vom Aussehen her sind sie weiß und wie Schleim, bei der Berührung
aber sind sie wie Wolle. Und wenn du sie oberflächlich für eine Weile mit den Fingern
kräftig bearbeitest, gibt die Drüse etwas ölartig Feuchtes ab und wird selbst sehr
mürbe und verschwindet.

11. Aristoteles Metaphysica Z 1041a33 – b31


Das 17. Kapitel kann als Zusammenfassung der sogenannten Metaphysik Z gedeutet
werden und schließt insofern an die Anfangskapitel an, als es die grundlegende Frage
der Schrift wieder aufnimmt: „Was heißt es, dies zu sein?“ Diese Frage, die elliptisch
nochmals in 1041b6 f. aufgegriffen wird, bezieht sich in erster Linie auf die Frage, was
ein Mensch sei und sie läuft letztlich darauf hinaus, warum bestimmte Substanzen
konstitutiv für die Entstehung von Menschen sind. Damit ist die Frage nach der οὐσία
Gegenstand des Textabschnitts.¹¹⁴
Zwei Vergleiche werden herangezogen: Der Körper wird mit einem Haus vergli-
chen und die Buchstaben eines Wortes mit dem Fleisch. Zentral sind dabei die in Zeile
5 – 6 formulierten Fragen. In Bezug auf die zu Beginn formulierte Ausgangsfrage „Was
heißt es, dies zu sein?“, verweisen die Beispiele auf die Form: Die Frage „Warum ist

 Siehe zu dem Folgenden die Diskussionen bei Ryan, Pure Form in Aristotle, 218 ff., und Lacey,
„Οὐσία and Form in Aristotle“, 54– 59; und die Diskussion der Stellen in den Kommentaren von Ross,
Aristotle, Vol. VIII, Metaphysica, und Seidl, Aristoteles’ Metaphysik, Zweiter Halbband: Bücher VII
(Z) – XIV (N).
882 Kapitel XIII: Σάρξ

dies ein Haus?“ lässt sich dann verstehen als Hinweis darauf, warum spezielle Ma-
terialien ein Haus sind. Anhand einer Analogie wirft Aristoteles eine vergleichbare
Frage über den menschlichen Körper auf: „Wodurch ist dies (die so bestimmte kon-
krete Materie) da ein Mensch?“¹¹⁵ und „(Wodurch ist) dieser Körper bzw. dieses
Fleisch, der/das sich in einem speziellen Zustand befindet, ein Mensch?“¹¹⁶ Indes ist
es für Aristoteles insuffizient, auf die Materie in einem einfachen Sinn zu verweisen,
um den zu untersuchenden Gegenstand zu konstituieren.
Der Satz, der in Zeile 8 beginnt, ist unvollständig und ist als Protasis zu verstehen,
die das Prinzip zum Thema hat, welches eine Ursache braucht: In Zeile 8 wird der
angefangene Satz durch eine Parenthese begonnen, die wiederum durch eine Par-
enthese unterbrochen wird. Die komplexe grammatikalische Struktur spiegelt fol-
genden Inhalt wider: Silbe und Fleisch sind nicht identisch mit ihren materiellen
Teilen. Grundlegend für die Silbe oder das Fleisch ist die Form. Fraglich bleibt nach
Aristoteles dann, ob auch das von diesen Teilen Verschiedene ein davon verschiedener
elementarer Bestandteil sein muss oder ob dieses selbst wieder aus elementaren
Bestandteilen besteht. Das, was die Teile der Sache zu einem Ganzen macht, muss
selbst ein Element unter Elementen sein. Es ist nun diese Rolle, die dem Fleisch qua
Form zukommt.
Die Zeilen 23 f. sind in der Textgeschichte umstritten. Es scheint allgemein aner-
kannt, den Text zu τῶν πραγμάτων οὐκ οὐσίαι zu verändern. Aristoteles stellt also die
These auf, es gebe Dinge (πραγμάτων), die keine Grundstoffe (οὐσίαι) seien und stellt
nun seine eigenen zuvor gemachten Ausführungen zurück: Haus, Silbe und Fleisch,
die indes als οὐσίαι benannt wurden, können nicht οὐσίαι im vollen Sinne genannt
werden.¹¹⁷
Zwei Gründe mögen ihn zu einer Änderung seiner Vorgehensweise bewegt haben.
Zum einen ist seine Theorie der Grundstoffe (οὐσίαι) als formendes Prinzip nur hin-
sichtlich der Naturgegenstände voll überzeugend. Er scheint insbesondere die Lebe-
wesen im Blick gehabt zu haben, insofern diese sich selbstbestimmt zu einer ihnen
eigentümlichen Formbestimmtheit entwickeln. Zum anderen musste ihm auch daran
gelegen sein, den Anwendungsbereich der Theorie möglichst zu erweitern. Das er-
reichte er dadurch, dass er die technischen Herstellungsprozesse nach dem Modell der
natürlichen Prozesse erklärte.

 Anstelle von τοδί lesen die Manuskripte E und J ὁδί: „Warum ist dieser ein menschliches Wesen?“
Folgt man dem Kommentar von M. Frede und G. Patzig, Aristoteles ‚Metaphysik Z’, 317, können die
folgenden zwei elliptisch formulierten Fragen als Variationen der Zeilen 5 – 6 gedeutet werden.
 Siehe hinsichtlich der Form der Fragen, Z 10, 1035b24 f. und Z 11, 1036b30.
 Bezieht man weitere Abschnitte mit ein, in denen Aristoteles Kunstwerke diskutiert, muss man
feststellen, dass er nicht kohärent argumentiert: Während er in Metaphysica XII 4. 1070a5 explizit
Kunstwerke in seine Überlegungen einschließt, schließt er diese zumindest in Δ 8. 1017b10 – 14 und Ζ 2.
1028b8 – 13 nicht aus. Hingegen argumentiert er in H 2. 1043a4 f. und in H 3. 1043b21 f. wie auch in dem
oben besprochenen Abschnitt explizit gegen die Einbeziehung von Kunstwerken.
Quellen 883

Bemerkenswert ist schließlich der Abschnitt „gemäß der Natur oder durch die
Natur“ in den Zeilen 21– 22¹¹⁸ Einige Kommentatoren wie Jaeger haben καὶ φύσει ge-
strichen. Ähnlich sind auch schon antike Autoren wie etwa Ps.-Alexander 543,20 und
Asklepius 452,10 f. verfahren. Im Hintergrund der Streichung steht der Gedanke, dass
es sich bei φύσει und κατὰ φύσει um eine Variation desselben Gedankens handle, den
man vernachlässigen könne.
Vergleicht man die Zeilen 20 – 21 mit den von 5 – 6, dann zeigt sich, dass Aristo-
teles sehr wohl einen fragilen inhaltlichen Unterschied formuliert: In Z.20 ff betont er,
dass natürliche Gegenstände sich dadurch auszeichnen, dass die Natur bei ihnen die
Rolle der bewegenden Ursache als auch die der formalen und finalen Ursache spiele.
So bezieht sich φύσει auf die Idee, dass Dinge in einem Prozess entstanden sind.
Dieser hatte seinen Ursprung in der Natur. Κατὰ φύσει hingegen bezieht sich darauf,
dass dieser Prozess auch natürlich verlaufen ist und zu einem naturgemäßen Ergebnis
geführt hat. In Z.23 f. hat er die Ursache als Zweckursache und Bewegungsursache
definiert. Demnach würde es sich gut in den Gedankengang des Kapitels einreihen,
wenn Aristoteles an dieser Stelle auf beide Rollen der Natur zu sprechen kommt.
Damit würde er wiederum nochmals auf die οὐσία rekurrieren. Die Natur der Sache ist
demnach die οὐσία selbst, auch wenn er sie in Z.23 nicht ausdrücklich mit dem Artikel
verwendet.

λανθάνει δὲ μάλιστα τὸ ζητούμενον ἐν τοῖς μὴ κατ’ ἀλλήλων λεγομένοις, οἷον


ἄνθρωπος τί ἐστι ζητεῖται διὰ τὸ ἁπλῶς λέγεσθαι ἀλλὰ μὴ διορίζειν ὅτι τάδε τόδε. ἀλλὰ
δεῖ διαρθρώσαντας ζητεῖν· εἰ δὲ μή, κοινὸν τοῦ μηθὲν ζητεῖν καὶ τοῦ ζητεῖν τι γίγνεται.
ἐπεὶ δὲ δεῖ ἔχειν τε καὶ ὑπάρχειν τὸ εἶναι, δῆλον δὴ ὅτι τὴν ὕλην ζητεῖ διὰ τί <τί> ἐστιν·
οἷον οἰκία ταδὶ διὰ τί; ὅτι ὑπάρχει ὃ ἦν οἰκίᾳ εἶναι. καὶ ἄνθρωπος τοδί, ἢ τὸ σῶμα τοῦτο
τοδὶ ἔχον. ὥστε τὸ αἴτιον ζητεῖται τῆς ὕλης (τοῦτο δ’ ἐστὶ τὸ εἶδος) ᾧ τί ἐστιν· τοῦτο δ’
ἡ οὐσία. φανερὸν τοίνυν ὅτι ἐπὶ τῶν ἁπλῶν οὐκ ἔστι ζήτησις οὐδὲ δίδαξις, ἀλλ’ ἕτερος
τρόπος τῆς ζητήσεως τῶν τοιούτων. —ἐπεὶ δὲ τὸ ἔκ τινος σύνθετον οὕτως ὥστε ἓν
εἶναι τὸ πᾶν, [ἂν] μὴ ὡς σωρὸς ἀλλ’ ὡς ἡ συλλαβή—ἡ δὲ συλλαβὴ οὐκ ἔστι τὰ στοιχεῖα,
οὐδὲ τῷ βα ταὐτὸ τὸ β καὶ α, οὐδ’ ἡ σὰρξ πῦρ καὶ γῆ (διαλυθέντων γὰρ τὰ μὲν οὐκέτι
ἔστιν, οἷον ἡ σὰρξ καὶ ἡ συλλαβή, τὰ δὲ στοιχεῖα ἔστι, καὶ τὸ πῦρ καὶ ἡ γῆ)· ἔστιν ἄρα τι
ἡ συλλαβή, οὐ μόνον τὰ στοιχεῖα τὸ φωνῆεν καὶ ἄφωνον ἀλλὰ καὶ ἕτερόν τι, καὶ ἡ σὰρξ

 κατὰ φύσιν καὶ φύσει (Z.21 f.): Eines der ältesten Zeugnisse der Metaphysica Z, Ab (Florenz, 12. Jh.)
bietet κατὰ φύσιν nicht im Rahmen des Abschnittes ἀλλ’ ὅσαι οὐσίαι κατὰ φύσιν καὶ φύσει συνεστή-
κασι. Demnach stellt sich die Frage, ob wir von einer Differenz zwischen κατὰ φύσιν auf der einen Seite
und φύσει auf der anderen Seite ausgehen können. Für die Beantwortung der Frage muss man Z.5 – 6
einbeziehen. An dieser Stelle führt Aristoteles aus, dass φύσει zu dem natürlichen Ursprung weise,
während κατὰ φύσιν auf das natürliche Ergebnis referiere. Bezieht man demnach diese Stelle mit ein,
dann würde die Auslassung von κατὰ φύσιν auf die unterschiedliche Konnotation beider Konzepte
hinweisen. Zudem geht man davon aus, dass die Metaphysica in der Antike in zwei unterschiedlichen
Manuskripten vorlag, wovon eine das Manuskript Ab ist. Ross, Aristotle’s Metaphysics, Vol. 1, CLXV
argumentiert in seinem Kommentar ausführlich, dass Ab in der Regel eine einfachere Lesart bietet,
sodass er die schwierigere Lesart bevorzugt.
884 Kapitel XIII: Σάρξ

οὐ μόνον πῦρ καὶ γῆ ἢ τὸ θερμὸν καὶ ψυχρὸν ἀλλὰ καὶ ἕτερόν τι—εἰ τοίνυν ἀνάγκη
κἀκεῖνο ἢ στοιχεῖον ἢ ἐκ στοιχείων εἶναι, εἰ μὲν στοιχεῖον, πάλιν ὁ αὐτὸς ἔσται λόγος
(ἐκ τούτου γὰρ καὶ πυρὸς καὶ γῆς ἔσται ἡ σὰρξ καὶ ἔτι ἄλλου, ὥστ’ εἰς ἄπειρον
βαδιεῖται)· εἰ δὲ ἐκ στοιχείου, δῆλον ὅτι οὐχ ἑνὸς ἀλλὰ πλειόνων, ἢ ἐκεῖνο αὐτὸ ἔσται,
ὥστε πάλιν ἐπὶ τούτου τὸν αὐτὸν ἐροῦμεν λόγον καὶ ἐπὶ τῆς σαρκὸς ἢ συλλαβῆς.
δόξειε δ’ ἂν εἶναι τὶ τοῦτο καὶ οὐ στοιχεῖον, καὶ αἴτιόν γε τοῦ εἶναι τοδὶ μὲν σάρκα τοδὶ
δὲ συλλαβήν· ὁμοίως δὲ καὶ ἐπὶ τῶν ἄλλων. οὐσία δὲ ἑκάστου μὲν τοῦτο (τοῦτο γὰρ
αἴτιον πρῶτον τοῦ εἶναι)—ἐπεὶ δ’ ἔνια οὐκ οὐσίαι τῶν πραγμάτων, ἀλλ’ ὅσαι οὐσίαι,
κατὰ φύσιν καὶ φύσει συνεστήκασι, φανείη ἂν [καὶ] αὕτη ἡ φύσις οὐσία, ἥ ἐστιν οὐ
στοιχεῖον ἀλλ’ ἀρχή—· στοιχεῖον δ’ ἐστὶν εἰς ὃ διαιρεῖται ἐνυπάρχον ὡς ὕλην, οἷον τῆς
συλλαβῆς τὸ α καὶ τὸ β.

Das Gesuchte verbirgt sich besonders in den Dingen, die nicht gemäß den anderen
gesagt werden, beispielsweise wird erforscht, was der Mensch ist, dadurch, dass es
einfach behauptet und nicht definiert wird, dass es das folgende ist. Man muss jedoch
Gliederungen fordern. Wenn nicht, wird es gleich dem nichts zu erforschen [und dem
etwas zu erforschen]. Da aber das Sein existieren und vorhanden sein muss, ist es klar,
dass er Hinsicht auf das Material erforscht, wodurch es was ist. Beispielsweise: Wo-
durch ist das Haus das hier? Weil das vorhanden ist, was im Haussein war. Und der
Mensch das hier, oder dieser Leib, der das hier enthält. Sodass die Ursache für den
Stoff gesucht wird (das aber ist die Form), durch die es etwas ist. Dies aber ist das
Wesen. Es ist nun offensichtlich, dass es in Bezug auf die einfachen Dinge keine
Forschung und Lehre gibt, sondern eine andere Weise der Untersuchung derartiger
Dinge. – Das, was aus etwas zusammengesetzt ist, sodass das Ganze eins sei, soll nicht
wie ein Haufen sein, sondern wie eine Silbe – weder ist die Silbe die Buchstaben, noch
ist das „ba“ dasselbe wie „b“ und „a“, noch auch ist der Körper Feuer und Erde (denn
die einen sind nicht mehr, wenn sie vergangen sind, wie das Fleisch und die Silbe, die
Grundstoffe aber existieren, sowohl das Feuer als auch die Erde). Die Silbe existiert
also irgendwie, nicht nur die Buchstaben, der Vokal und der Konsonant, sondern auch
etwas anderes, und auch das Fleisch, nicht nur Feuer und Erde oder warm und kalt,
sondern auch etwas anderes – wenn nun zwingend auch jenes ein Grundstoff oder aus
dem Grundstoff ist, wenn es ein Grundstoff ist, wird es wieder dieselbe Rede sein
(denn das Fleisch wird aus diesem, aus Feuer und aus Erde bestehen und noch aus
etwas anderem, sodass man ins Unendliche fortschreitet.) Wenn es aber aus dem
Grundstoff besteht, ist es klar, dass nicht aus nur einem, sondern aus mehreren, oder
es wird jener selbst sein, sodass wir wieder darüber dasselbe sagen werden, wie über
das Fleisch und die Silbe. Man dürfte wohl meinen, dass dies etwas sei und nicht ein
Grundstoff, und Ursache dafür, dass das eine Fleisch, das andere aber eine Silbe ist.
Genauso in Bezug auf die anderen. Dies ist das Wesen jedes Einzelnen (denn dies ist
die erste Ursache des Seins) – da einige nicht Wesen der Dinge sind, sondern, alle die,
die Wesen sind, sind gemäß der Natur oder durch die Natur zusammengesetzt, dürfte
wohl auch diese Natur als Wesen erscheinen, die kein Grundstoff, sondern Anfang ist.
Quellen 885

Ein Grundstoff ist, in das sich das als Stoff Vorhandene zerteilen lässt, wie das „a“ und
das „b“ der Silbe.

12. Aristoteles De partibus animalium II 1. 646a8 – 647b9


In der Schrift De partibus animalium unterscheidet Aristoteles erstmals terminolo-
gisch präzise zwischen Gewebe (ὁμοιομερῆ) und Organen (ἀνομοιομερῆ, ὀργανικά).¹¹⁹
Die organischen Gewebe (chemische Verbindungen), die die homogenen Teile des
Körpers oder Körpergewebes ausmachen, haben ihre Grundlage in anorganischen
Verbindungen und entstehen letztlich aus diesen. Sie gehen indes nicht direkt auf die
Elemente zurück,¹²⁰ sondern entstehen demnach aus σύνθετα σώματα.¹²¹ Diese
Theorie wurde von Aristoteles schon in Meteorologica IV 4 vorbereitet, wo Lebewesen
sich selbst aus den Stoffen der sie umgebenden Natur aufbauen, d. h. aus Verbin-
dungen von Erde und Wasser und durch Unterscheidung dieser Verbindungen. Eines
wird dadurch deutlich: Aristoteles unterscheidet zwischen der Biomasse und den
anorganischen Stoffen, die uns umgeben, einerseits und dass jene sich aus diesen
aufbaut andererseits.
Mit dem Begriff Gewebe (ὁμοιομερῆ; Z.10,13,19), den er auch als zweite Kompo-
nente bezeichnen kann (δευτέρας σύστασις; Z.9 – 10), nimmt er einen Begriff Platons
auf, der diesen in Timaios 82b8 erläutert: „Zu den sekundären Bindungen gehören hier
Mark, Knochen, Fleisch, Sehnen und Blut.“ (hier Z.23 f.) Der Kontext des platonischen
Gebrauchs ist jedoch grundsätzlich verschieden, indem der Abschnitt im Zusam-
menhang mit den Krankheiten und der Entstehung derselben steht. Nach Platon ist
Krankheit eine Auflösung des Fleisches, dessen Auflösungsprodukte dann zurück in
die Adern geführt würden.¹²² Zudem fehlt bei ihm bezüglich des Gewebes noch das
Kriterium der Homogenität.
Die Adjektive im Neutrum, nass und kalt (ὑγρόν und ψυχρόν; Z.7), können nicht
als Prädikatsadjektive zu dem Feminin der Materie verwendet werden (ὕλη). Das
neutrale Geschlecht bezieht sich auf eine konkrete Entität und die Übersetzung be-
wertet diese dementsprechend als substantivierte Nomen. Die Parataxe bestimmt jede
einzelne Entität separat. Aristoteles definiert die Erde als kalt und trocken, Luft als
warm und feucht, Wasser als kalt und feucht und Feuer als warm und trocken. Diese
Kräfte sind primäre Kräfte, die Elemente hingegen sekundäre. Leichtigkeit und
Schwere (κουφότης, λειότης) sind Nomen mit einer -της Endung, die einen abstrakten
Verweis auf die Adjektive vorlegen, nämlich die Kräfte.

 Die erste Verbindung bezieht sich auf eine Kombination der vier Elementarqualitäten oder der
vier Elemente, wie dies H. Happ in seinem Kommentar Der chemische Traktat des Aristoteles. Meteo-
rologie IV, 295 breit ausgeführt hat. Vgl. zudem meteor. IV 388 1 13 ff.
 Es ist unklar, inwiefern Galen diesen Abschnitt interpretiert hat. Siehe dazu Galen HNH I Prooem.
XV 7.11– 14 (Kühn); MM VIII 1 (X 530.4– 9 Kühn); QAM 3 (IV 773.12– 16 Kühn).
 Aristoteles spricht in De generatione et corruptione von μικτὰ σώματα.
 Cornford, Plato’s Cosmology. The Timaeus of Plato, 33 f. hat gezeigt, dass Platon hier in der Tra-
dition von Philistion steht (Wellmann fr. 4).
886 Kapitel XIII: Σάρξ

Ἐκ τίνων μὲν οὖν μορίων καὶ πόσων συνέστηκεν ἕκαστον τῶν ζῴων, ἐν ταῖς ἱστορίαις
ταῖς περὶ αὐτῶν δεδήλωται σαφέστερον· δι’ ἃς δ’ αἰτίας ἕκαστον τοῦτον ἔχει τὸν
τρόπον, ἐπισκεπτέον νῦν, χωρίσαντας καθ’ αὑτὰ τῶν ἐν ταῖς ἱστορίαις εἰρημένων.
Τριῶν δ’ οὐσῶν τῶν συνθέσεων πρώτην μὲν ἄν τις θείη τὴν ἐκ τῶν καλουμένων ὑπό
τινων στοιχείων, οἷον γῆς ἀέρος ὕδατος πυρός. Ἔτι δὲ βέλτιον ἴσως ἐκ τῶν δυνάμεων
λέγειν, καὶ τούτων οὐκ ἐξ ἁπασῶν, ἀλλ’ ὥσπερ ἐν ἑτέροις εἴρηται καὶ πρότερον.
Ὑγρὸν γὰρ καὶ ξηρὸν καὶ θερμὸν καὶ ψυχρὸν ὕλη τῶν συνθέτων σωμάτων ἐστίν· αἱ δ’
ἄλλαι διαφοραὶ ταύταις ἀκολουθοῦσιν, οἷον βάρος καὶ κουφότης καὶ πυκνότης καὶ
μανότης καὶ τραχύτης καὶ λειότης καὶ τἆλλα τὰ τοιαῦτα πάθη τῶν σωμάτων. Δευτέρα
δὲ σύστασις ἐκ τῶν πρώτων ἡ τῶν ὁμοιομερῶν φύσις ἐν τοῖς ζῴοις ἐστίν, οἷον ὀστοῦ
καὶ σαρκὸς καὶ τῶν ἄλλων τῶν τοιούτων. Τρίτη δὲ καὶ τελευταία κατ’ ἀριθμὸν ἡ τῶν
ἀνομοιομερῶν, οἷον προσώπου καὶ χειρὸς καὶ τῶν τοιούτων μορίων. […]
Ἐξ ἀμφοτέρων μὲν οὖν τὰ ζῷα συνέστηκε τῶν μορίων τούτων, ἀλλὰ τὰ ὁμοιομερῆ
τῶν ἀνομοιομερῶν ἕνεκέν ἐστιν· ἐκείνων γὰρ ἔργα καὶ πράξεις εἰσίν, οἷον ὀφθαλμοῦ
καὶ μυκτῆρος καὶ τοῦ προσώπου παντὸς καὶ δακτύλου καὶ χειρὸς καὶ παντὸς τοῦ
βραχίονος. Πολυμόρφων δὲ τῶν πράξεων καὶ τῶν κινήσεων ὑπαρχουσῶν τοῖς ζῴοις
ὅλοις τε καὶ τοῖς μορίοις τοῖς τοιούτοις, ἀναγκαῖον ἐξ, ὧν σύγκεινται, τὰς δυνάμεις
ἀνομοίας ἔχειν· πρὸς μὲν γάρ τινα μαλακότης χρήσιμος πρὸς δέ τινα σκληρότης, καὶ τὰ
μὲν τάσιν ἔχειν τὰ δὲ κάμψιν. Τὰ μὲν οὖν ὁμοιομερῆ κατὰ μέρος διείληφε τὰς δυνάμεις
τὰς τοιαύτας (τὸ μὲν γὰρ αὐτῶν ἐστι μαλακὸν τὸ δὲ σκληρόν, καὶ τὸ μὲν ὑγρὸν τὸ δὲ
ξηρόν, καὶ τὸ μὲν γλίσχρον τὸ δὲ κραῦρον), τὰ δ’ ἀνομοιομερῆ κατὰ πολλὰς καὶ συγ-
κειμένας ἀλλήλαις· ἑτέρα γὰρ πρὸς τὸ πιέσαι τῇ χειρὶ χρήσιμος δύναμις καὶ πρὸς τὸ
λαβεῖν. Διόπερ ἐξ ὀστῶν καὶ νεύρων καὶ σαρκὸς καὶ τῶν ἄλλων τῶν τοιούτων συνε-
στήκασι τὰ ὀργανικὰ τῶν μορίων, ἀλλ’ οὐκ ἐκεῖνα ἐκ τούτων.

Aus welchen und wie vielen Teilen nun ein jedes Lebewesen zusammengesetzt ist, ist
in meinen Geschichten überaus klar verdeutlicht worden. Aus welchen Ursachen sich
aber jedes Einzelne derart verhält, muss nun betrachtet werden, da sie die in den
Geschichten genannten Dinge jeweils unterscheiden. Da es drei Zusammensetzungen
gibt, dürfte man wohl als erste diejenige aus den – von irgendwem so genannten –
Grundstoffen setzen, wie Erde, Luft, Wasser, Feuer. Ferner ist es sicher besser von den
Kräften aus zu sprechen, und bei diesen nicht von allen, sondern wie es bei anderen
auch früher gesagt wurde. Denn der Stoff der zusammengesetzten Körper ist das
Feuchte, Trockene, Warme und Kühle. Die anderen Unterschiede aber folgen diesen,
wie die Schwere und die Leichtigkeit, die Dichte und Lockerheit, Rauigkeit und Glätte
und andere derartige Zustände der Körper. Eine zweite Zusammensetzung aber aus
den ersten ist die Natur der gleichteiligen Dinge in den Lebewesen, wie des Knochens
und des Fleisches und anderer derartiger Dinge. Drittens und letztens der Zahl nach
die Zusammensetzung der ungleichteiligen, wie die des Gesichts und der Hand und
derartiger Teile. […]
Aus diesen beiden Teilen nun setzen sich die Lebewesen zusammen, aber die
gleichteiligen existieren der ungleichteiligen wegen. Denn von jenen stammen Werke
und Handlungen, wie vom Auge und dem Nasenloch und dem ganzen Gesicht und
Quellen 887

vom Finger, der Hand und vom ganzen Arm. Da die vorhandenen Handlungen und
Bewegungen bei allen Lebewesen und den derartigen Teilen vielgestaltig sind, müs-
sen die Kräfte, aus denen sie sich zusammensetzen, zwangsläufig ungleich sein. Denn
in Bezug auf die eine ist die Weichheit von Nutzen, in Bezug auf eine andere aber
Härte, und dass die einen Spannung, die anderen aber Biegung besitzen. Die
Gleichteiligen nun haben anteilig die derartigen Kräfte (denn das eine von ihnen ist
weich, das andere aber hart, das eine feucht, das andere trocken, das eine zäh, das
andere aber spröde), die Ungleichteiligen aber jeweils viele miteinander verbundene.
Denn eine jeweils andere Kraft ist für das Drücken mit der Hand nützlich als für das
Nehmen. Daher auch setzen sich die werkzeugartigen Teile aus Knochen, Nerven,
Fleisch und den anderen derartigen Dingen zusammen, aber nicht jene aus diesen.

13. Flavius Josephus Antiquitates 12.3.146


μηδ’ εἰς τὴν πόλιν εἰσφερέσθω ἵππεια κρέα μηδὲ ἡμιόνεια μηδὲ ἀγρίων ὄνων καὶ
ἡμέρων παρδάλεών τε καὶ ἀλωπέκων καὶ λαγῶν καὶ καθόλου δὲ πάντων τῶν ἀπη-
γορευμένων ζῴων τοῖς Ἰουδαίοις·
Und niemand soll Fleisch von Pferden, Maultieren, wilden oder zahmen Eseln,
von zahmen Panthern und Füchsen und Hasen und überhaupt von allen Tieren, die
den Juden verboten sind, in die Stadt (Jerusalem) bringen. (Siehe zudem 11QTa [11Q19]
XLVII).

III. Σάρξ und σῶμα: Fleisch und Körper

14. 2Kor 4,10 – 12


πάντοτε τὴν νέκρωσιν τοῦ Ἰησοῦ ἐν τῷ σώματι περιφέροντες, ἵνα καὶ ἡ ζωὴ τοῦ Ἰησοῦ
ἐν τῷ σώματι ἡμῶν φανερωθῇ.11ἀεὶ γὰρ ἡμεῖς οἱ ζῶντες εἰς θάνατον παραδιδόμεθα διὰ
Ἰησοῦν, ἵνα καὶ ἡ ζωὴ τοῦ Ἰησοῦ φανερωθῇ ἐν τῇ θνητῇ σαρκὶ ἡμῶν. ὥστε ὁ θάνατος
ἐν ἡμῖν ἐνεργεῖται, ἡ δὲ ζωὴ ἐν ὑμῖν. Immer tragen wir den Tod Jesu an unserem Leib,
damit auch das Leben Jesu an unserem Leib offenbar wird.¹²³ Denn immer werden wir,
die wir leben, in den Tod übergeben um Jesu willen, damit auch das Leben Jesu of-
fenbar wird an unserem sterblichen Fleisch. Deshalb erweist sich der Tod in uns als
wirksam, das Leben aber in euch.¹²⁴

 Parallele Gestaltung:

ἡμείς οἱ ζῶντες εἰς θάνατον


ἡ ζωὴ τοῦ Ἰησοῦ ἐν τῇ θνητῇ σαρκὶ
εἰς θάνατον διὰ Ἰησοῦν
ἡ ζωὴ τοῦ Ἰησοῦ ἐν τῇ θνητῇ σαρκὶ

 Siehe dazu ausführlich die Ausführungen in Kapitel VI, Seiten 354 ff.; Kapitel IV, Text 1.
888 Kapitel XIII: Σάρξ

15. Kol 1,22


νυνὶ δὲ ἀποκατήλλαξεν ἐν τῷ σώματι τῆς σαρκὸς αὐτοῦ διὰ τοῦ θανάτου παραστῆσαι
ὑμᾶς ἁγίους καὶ ἀμώμους καὶ ἀνεγκλήτους κατενώπιον αὐτοῦ, er [die Fülle der
Gottheit] hat aber nun versöhnt in dem Leib seines Fleisches durch den Tod, um euch
heilig und tadellos und unschuldig vor sich hinzustellen.

16. Corpus Hippocraticum De morbis I 22,12 – 33 (184.9 – 186.4 Littré)


Der prognostischen Methode kommt in dem Werk De morbis I große Bedeutung zu:¹²⁵
Den meisten Krankheiten liegt dem Verfasser zufolge eine Notwendigkeit zugrunde,
die dem Arzt eine genaue Aussage über den Ausgang gestatte. Diese Möglichkeit wird
jedoch gerade in Kapitel 22 bestritten: Hier zeigt er die Abhängigkeit der Krankheits-
dauer, des Verlaufs und des Ausgangs von den individuellen Unterschieden des Pa-
tienten und den Umweltbedingungen auf. Wie ein Krankheitsverlauf beeinflusst
werden kann, liegt neben wenigen anderen Faktoren auch an der Beschaffenheit des
Fleisches.
Eine bemerkenswerte Unterscheidung zwischen dem Körper (σῶμα), der Span-
nung und Trockenheit besitzt und dem Fleisch (σάρξ), welches fest und kräftiger ist,
ist für diesen Text grundlegend. Der Komparativ „stärker“ oder „mehr“ (ἰσχυροτέρην;
Z.2),¹²⁶ der für das Fleisch der Jüngeren kennzeichnend ist, steht der Darstellung des
der Älteren als „schwach“ (ἀσθενής; Z.15) gegenüber. Motiviert durch den darauffol-
genden Komparativ ἀσθενέστεροι (Z.5 ff.) und den Satz „sie leiden mehr und stärker
und empfinden mehr Schmerzen“ in Z.2 (πάσχουσι πλέω τε καὶ ἰσχυρότερα μᾶλλον)
haben einige Kommentare und textkritische Ausgaben ἀσθενέα in einen Komparativ
verändert. Diese Deutung ist erst in der griechischen Ausgabe des Cornarius von 1538
belegt und wurde möglicherweise durch die lateinische Übersetzung des Calvus an-
geregt, der in seinem Text rarius minusque patiuntur bietet.¹²⁷
Bezüglich der Jüngeren, die an einer Krankheit leiden, werden zwei Gruppen
eingeführt: Eine erste Gruppe der παθήματα wird auf Überanstrengung zurückgeführt,
die zweite, durch τὰ δὲ… eingeleitet, zeichnet sich dadurch aus, dass die παθήματα
nicht sofort offenbar werden, sondern sich wegen der guten körperlichen Verfassung

 Wittern argumentiert dafür, dass De morbis I den Charakter eines Textbuches habe (De morbis I,
LXXIV). Nach einer recht breiten Einleitung in die Grundlagen der Medizin konzentriert sich das
Traktat auf einzelne Krankheiten. Wittern geht deshalb davon aus, dass ein großer Teil des Traktats
verloren gegangen sei. Ermerins (Prolegomena zu De libro de morbis primo (Hippocratis et aliorum
medicorum veterum reliquiae), LV – LXI, LVI) vertritt eine andere These: Er vermutet, dass der erste Teil
von einem Sophisten geschrieben wurde und der zweite Teil dann auf einen Mediziner zurückgeht, der
wiederum von der knidischen medizinischen Schule herkommt.
 Wittern, De morbis I, schreibt: „Der Form ἰσχυροτέρην θ bzw. Ἰσχυρὴν M, die das Fleisch der
Jüngeren kennzeichnet, steht bei Älteren ἀσθενής gegenüber (66,7). Dies könnte zunächst für die
Lesart von M zu sprechen scheinen. Da jedoch das ganze Kapitel dem Vergleich der jüngeren Leute mit
den Älteren gewidmet ist, mag der Komparativ von θ gerechtfertigt sein.“
 Zu diesem Aspekt siehe Rivier, Recherches sur la tradition manuscripte du traité hippocratique De
morbo sacro, 155.
Quellen 889

zunächst für die betreffende Person und einen Arzt unbemerkt entwickeln. Die
Krankheitsursache besteht in starken Dehnungen und zahlreichen Verletzungen des
Fleisches und der Adern. Dass diese Krankheiten ältere Menschen wahrscheinlich
nicht treffen können, liegt darin begründet, dass ihr Fleisch schon locker und kraftlos
sei. Diese Deutung wird noch durch das Beziehungswort für τούτων in Zeile eins,
νοσήματα (die Krankheiten), gestützt. Der Kontext legt nahe, dass die zur Diskussion
stehende Krankheit ein Wundsein durch Überanstrengung meint. Durch eine weitere
textkritische Änderung gewinnt zudem die Frage nach der Zeitperspektive an Be-
deutung. Die meisten Texteditionen bieten das Präsens ἔχοντος der Handschrift M; die
Handschrift θ bietet demgegenüber den Aorist σχόντος; dieser drückt an der Textstelle
einen regelmäßigen Zustand aus, der die normale körperliche Beschaffenheit eines
jüngeren Menschen kennzeichnet.
Bezüglich der älteren Menschen wird das Fleisch zunächst lediglich zu den
Knochen und zur Haut in Beziehung gesetzt. Erst dann wird seine eigene Beschaf-
fenheit beschrieben. Dass dieses für den Verfasser in einem Gegensatz stehen könnte,
bezeichnet das Pronomen αὐτή, das die Handschrift Marcianus (gr. 269 M) bietet.¹²⁸

Καὶ ὁκόσοι μὲν νεώτεροι πάσχουσί τι τούτων, ὅσα εἴρηται ἀπὸ πόνων παθήματα
γίνεσθαι, πάσχουσι πλέω τε καὶ ἰσχυρότερα καὶ ἀλγέουσι μᾶλλον τῶν ἄλλων, καὶ
παραυτίκα ἔκδηλα αὐτοῖσιν, ὥστε ἢ πτύσαι αἷμα ἢ ἐμέσαι, τὰ δὲ καὶ γινόμενα λανθάνει
αὐτοὺς ὑπὸ εὐεξίης τοῦ σώματος· οἱ δὲ γεραίτεροι πάσχουσι μὲν ὀλιγάκις, καὶ ὅταν
πάθωσιν, ἀσθενέστερα πάσχουσιν, ἅτε ἀσθενέστεροι ἐόντες, καὶ ἐπαΐουσι μᾶλλον, καὶ
ἐπιμελέονται μᾶλλον τῶν παθημάτων. Γίνεται οὖν τὴν ἀρχὴν τὸ παράπαν ἧσσον τῷ
γεραιτέρῳ ἢ τῷ νεωτέρῳ· καὶ ὁκόταν γένηται, τῷ μὲν γεραιτέρῳ ἀσθενέστερα γίνεται,
τῷ δὲ νεωτέρῳ ἰσχυρότερα. Καὶ τῷ μὲν νεωτέρῳ, ἅτε τοῦ σώματος τόνον τε ἔχοντος
καὶ ξηρασίην, καὶ τὴν σάρκα πυκνήν τε καὶ ἰσχυρὴν καὶ πρὸς τοῖσιν ὀστέοισι προ-
σκαθημένην, καὶ περὶ αὐτὴν τοῦ δέρματος περιτεταμένου, ὁκόταν τι πονέσῃ πλέον
τοῦ εἰωθότος, μᾶλλον καὶ ἐξαίφνης, σπασμοί τε γίνονται ἰσχυροὶ, καὶ ῥήγματα πολλά
τε καὶ παντοῖα τῶν φλεβῶν καὶ τῶν σαρκῶν· καὶ τούτων τὰ μὲν παραυτίκα ἔκδηλα
γίνεται, τὰ δ’ ὕστερον χρόνῳ ἀναφαίνεται. Τοῖσι δὲ γεραιτέροισι τόνος ἰσχυρὸς οὐκ
ἔνι, αἵ τε σάρκες περὶ τὰ ὀστέα περιῤῥέουσι, καὶ τὸ δέρμα περὶ τὰς σάρκας, καὶ αὐτὴ ἡ
σὰρξ ἀραιή τε καὶ ἀσθενής· καὶ οὔτε τι ἂν πάθοι τοιοῦτον ὁμοίως ὡς καὶ ὁ νεώτερος,
καὶ ἤν τι πάθῃ, πάσχει ἀσθενέα τε καὶ παραυτίκα ἔκδηλα. Τοσούτῳ μὲν ἐν τῇ ἀρχῇ τῶν
παθημάτων δυσχερέστερον ἀπαλλάσσουσιν οἱ νεώτεροι τῶν γεραιτέρων.

Und alle Jüngeren, die etwas von dem erleiden, was als Leiden aus Mühen entstehen
soll, leiden mehr und stärker und empfinden mehr Schmerzen als die anderen, und es
ist bei ihnen sofort völlig offenkundig, da sie ja entweder Blut spucken oder sich

 De morbis I ist von 24 vollständigen Manuskripten belegt. Siehe Diels, Handschriften der antiken
Ärzte I, 23. Die von Diels vorgelegte Liste der Mss. kann durch weitergehende Handschriften erweitert
werden. Siehe dazu Wittern, Die hippokratische Schrift De morbis I, IXff.
890 Kapitel XIII: Σάρξ

übergeben. Was aber geschieht, ist ihnen wegen des Wohlbefindens ihres Körpers
verborgen. Die Älteren leiden wenig, und wenn sie leiden, leiden sie schwächer, da sie
ja schwächer sind, und sie achten eher darauf und kümmern sich mehr um die Leiden.
Bei dem Älteren geschieht nun von vornherein überhaupt weniger als bei dem Jün-
geren. Und sobald etwas geschieht, entwickelt es sich bei dem Älteren schwächer, bei
dem Jüngeren aber stärker. Und bei dem Jüngeren, da der Körper Kraft besitzt und
Trockenheit und festes, starkes und an den Knochen anliegendes Fleisch, und da sich
darum die Haut spannt, kommt es, sobald er mehr als gewohnt Schmerzen empfindet,
mehr und plötzlich, zu heftigen Krämpfen und vielen und verschiedenartigen Rissen
von Gefäßen und Muskeln. Und von diesen werden die einen sofort offenbar. Die
anderen aber zeigen sich zu einer späteren Zeit. In den Älteren aber gibt es keine
starke Anspannung, das Fleisch hängt von den Knochen herab und die Haut vom
Fleisch und das Fleisch selbst ist dünn und schwach. Und er dürfte wohl nicht auf
gleiche Weise etwas derartiges erleiden wie der Jüngere, und wenn er etwas erleidet,
leidet er schwach und sofort offenbar. Um so viel kommen die Jüngeren am Anfang der
Krankheiten beschwerlicher davon als die Älteren.

17. Corpus Hippocraticum De morbis popularibus VI 6,1.1 – 4 (322.7 – 10 Littré)


Der erste Abschnitt des sechsten Kapitels handelt von den Anziehungskräften der
Körperteile, die im Text mit ὁλκοί (Z.1) bezeichnet werden und der Bewegung zu den
entleerten Körperteilen, dem „Nachfolgen an die Stelle des Entleerten“. Diese Aussage
indiziert auch die grammatikalische Struktur des Satzes: Das Fehlen einer Beziehung
zwischen dem Femininum σάρκες und dem Maskulinum ὁλκοί (LSJ: „attraction,
drawing on“¹²⁹) verweist darauf, dass ὁλκοί eher als Prädikatsnomen zu verstehen ist
denn als Adjektiv, sodass man die fleischlichen Teile des Körpers als „Maschinen“
oder „Instrumente“ des Anziehens und des Zugewinnens bezeichnen kann. In dem
zweiten Teil des Satzes ist das prädikative Adjektiv „ausatmend“ (ἔκπνοον) entweder
als Neutrum im Nominativ bzw. Akkusativ Singular oder Maskulinum Akkusativ
Singular zu deuten und kann so das Femininum σάρκες nicht näher bezeichnen.
Bemerkenswert ist, dass es nicht die Poren der Haut sind, die die Luft bzw. den
Atem in den oder aus dem Körper führen, sondern das Fleisch, das der Autor sich als
durchlässige Struktur vorstellt. Mit ihm meint er indes weniger Organe als vielmehr
fleischliche Körperpartien. Die Haut scheint die Luft ein- und ausströmen zu lassen. In
seiner LCL Übersetzung¹³⁰ interpretiert Wesley D. Smith diesen Abschnitt, speziell die
Zeilen 12 ff. betreffs des Ausatmens und Einatmens (ἔκπνοον καὶ εἴσπνοον), als ein
Zeichen dafür, dass die Haut die Möglichkeit hat, Dinge in den Körper einzulassen wie
auch Säfte auszuscheiden. Das Adjektiv ἔκπνοον im Text und auch der Zusatz von
εἴσπνοον im Thesaurus Linguae Graecae deuten aber eher auf das Ausscheiden des
Atems hin, sodass die Ausscheidung von Säften durch die Haut nicht unbedingt nahe

 LSJ, Greek Lexicon, „Art. ὁλκοί II,“ 1216.


 Smith, Hippocrates VII, 261 Fußnote c.
Quellen 891

liegt. Selbst Smith verweist auf einen Kommentar Galens, der diesen Textabschnitt für
eine Kommentierung von Atem herangezogen hat, der wiederum nahelegt, dass τὸ
σῶμα das Subjekt für das prädikative Adjektiv ist und die Deutung „Einatmen“
(εἴσπνοον) wahrscheinlich macht: „Der ganze Körper ist ein Instrument für das Aus-
atmen und Einatmen“. Die Haut erscheint als eine permeable Membran, die Luft in
und aus dem Körper führt.
Der Genitiv „Hohlraum des Körpers“¹³¹ κοιλίης in Zeile 1 gibt eine Struktur der
körperlichen Hohlräume an und kann den Thorax, den Bauch oder die Gedärme be-
zeichnen. Freilich ist der genaue Bezug auf eines der Körperteile hier nicht gegeben,
auch wenn der Text eher den Thorax, speziell den oberen, sich auf die Atmung be-
ziehenden Thorax, nahelegt. Demnach ist der ganze Körper für die Atmung zuständig.
Diese Vermutung kann auch durch das Adverb ἔξωθεν vertieft werden: Das Wort ist ein
Verweis auf das Äußere des Körpers, das mit ἐκ κοιλίης der Hohlraumstruktur im
Körper kontrastiert wird.
Indem Galen die beiden Satzteile miteinander verbindet (In Hippocratis Epide-
miarum XVIIB 315 Kühn), lässt er darauf schließen, dass der Abschnitt schon in der
Antike umstritten war. ¹³² Galens Verweis auf das Verbrannte im menschlichen Körper
gibt den Auslegern ein Rätsel auf. Man vermutet, dass man darunter die unreinen
Ausscheidungsstoffe verstanden hat, die durch die Ausdehnung des lufterfüllten
Herzens und der Arterien ausgeschieden werden. Demzufolge sind damit die Sekre-
tionen im Körper gemeint.

Σάρκες ὁλκοὶ καὶ ἐκ κοιλίης καὶ ἔξωθεν· δῆλον ἡ αἴσθησις, ὡς ἔκπνοον καὶ εἴσπνοον
ὅλον τὸ σῶμα. Ἐνθερμότερον φλέβιον αἵματος πλήθει ἀνίσχει τὸ καυσῶδες, καὶ εὐθὺς
ἀποκρίνει. Καὶ οἷσι τὸ μὲν πῖον, χολὴν ξανθὴν, τὸ δ’ αἷμα, μέλαιναν.

Das Fleisch zieht sowohl aus der Körperhöhle als auch von außen an. Die Wahrneh-
mung macht es deutlich, dass der gesamte Körper ausatmet und einatmet. Ein wär-
meres kleines Gefäß hebt mit der Fülle des Blutes das Erhitzte und scheidet es sofort
aus. Und in ihnen ist das eine Fett, das scheidet helle Galle aus, das andere aber Blut,
und es scheidet dunkle Galle aus.

18. Galen De diebus decretoriis 2,5 (IX 863.12 – 864.15 Kühn)


Krisen werden von Galen im Anschluss an Hippokrates als physische Umstellung
(κρίσις; Z.1,2,5) und „Aufgewühltsein“ (ταραχή; Z.1,3) des menschlichen Körpers de-

 LSJ, Greek Lexicon, „Art. κοιλία“, 966 mit Hinweis auf den Thorax, den Bauch und die inneren
Organe; siehe zudem CH Art. 46; CH Ulc. 3; Gal. XV 896 Kühn; Aristot. hist. an. I 4. 489a2 und Aristot.
somn. II 456a3.
 Galen reflektiert zudem das inzwischen gewandelte medizinische Wissen, indem er die schmalen
Adern als „Arterien“ bezeichnet.
892 Kapitel XIII: Σάρξ

finiert,¹³³ das den Stand des Körpers im Umgang mit einer Krankheit anzeigen kann.
Krisen manifestieren sich in der Regel durch unterschiedliche Symptome wie starkes
Schwitzen, tränende Augen, unterschiedlich starkes Atmen.¹³⁴ So empfehlen die
Hippokratiker in De morbis internis 27: „Der Speisen enthalte sich der Patient solange,
bis die Krise der Krankheit sich entschieden hat; sie entscheidet sich aber in der Regel
innerhalb von sieben Tagen; innerhalb dieser Frist zeigt es sich nämlich, ob sie einen
tödlichen Verlauf nimmt oder nicht.“¹³⁵ Für seine Ausführungen über die sogenannten
Krisen zieht Galen ein Fragment von Diokles von Karystos (Z.4,13) heran, das wahr-
scheinlich in einem Kontext physiologischer Veränderungsformen des menschlichen
Körpers steht.¹³⁶
Diokles zieht zum Vergleich der Krisen Verwesungs- und Erneuerungsprozesse im
Körper heran. Zudem thematisiert er Vorgänge im menschlichen Körper, unter ande-
rem konstitutive, physiologische, rotierende Prozesse: Die Neubildung von Milch wird
ebenso genannt wie die von Fleisch. Die Bildung von Eiter ist an dieser Stelle als
positiver Prozess zu deuten, denn sie dient dem Heilungsprozess und nicht, wie van
der Eijk vermutet, in einer negativen Weise.¹³⁷ Eines haben diese Prozesse gemeinsam:
Sie manifestieren sich im Körper innerhalb kürzester Zeit.
Die Neubildung von Fleisch als körperlicher Prozess verweist auf die Bildung von
Körpergewebe als Folge von Nahrungszunahme. Dahinter steht das aristotelische
Verständnis, nach welchem Nahrung im Körper unter dem Einfluss körperlicher
Wärme zu verschiedenen Körpersubstanzen transformiert werden kann. Eine dieser
Transformationen ist die Neubildung von Fleisch, eine andere Milch und wieder an-
dere dienen unter pathologischem Aspekt der Neubildung von Eiter. Unklar bleibt
indes, wie die Vergleichbarkeit zwischen den sich schnell vollziehenden körperlichen
Verwesungs- und Erneuerungsprozessen und den Fieberschüben zu fassen ist: „just
as these processes (can?) manifest themselves in (as little as ?) 24 hours, likewise the
‚dissolving‘ of the causes of superficial fevers takes (or can take) place in as little as 24
hours.“¹³⁸
Die Ausführungen des folgenden Textabschnitt zu Körper (σῶμα) und Fleisch
(σάρξ) sind verwirrend und immer noch Gegenstand einer breiteren Debatte: Galen
bezieht sich hier auf Fleisch (σάρξ), das aber nicht eigentlich als „Fleisch“ zu be-
zeichnen ist, obwohl es vom Körper selbst produziert wurde und gleichzeitig von dem
Fleisch (σάρξ), das vom Körper hervorgebracht wurde, unterscheidbar sei. Zieht man
die Darstellung von De natura pueri 15 heran, dann kann man dafür argumentieren,
dass dieses Fleisch ursprünglich dem Fleisch (σάρξ) der Mutter zugeordnet werden

 Siehe Jouanna, Hippocrate, 474– 480; Lonie, The Hippocratic Treatises „On Generation“ „On na-
ture of a child“ „Diseases IV“, 277– 289.
 Siehe zur Krise antiker Medizin Langholf, Medical Theories in Hippocrates, 79 – 134.
 CH Int. 27 (VII 238 Littre).
 Van der Eijk, Diocles of Carystos II, 129.
 Van der Eijk, Diocles of Carystos II, 130.
 Van der Eijk, Diocles of Carystos II, 131.
Quellen 893

kann und damit als Grundlage für die Entwicklung gedient haben mag („weder
Aussonderung noch Trennung“).¹³⁹

ἀλλ’ ὅτι γε τὸ σημαινόμενον τῆς κρίσεως οὐκ ἀπηκριβωμένον φυλάττεται διὰ παντὸς,
ἀλλὰ τὴν λύσιν αὐτὴν μόνην, ὅπως ἂν γένηται, κρίσιν ὀνομάζουσιν οἱ πλεῖστοι τῶν
ἰατρῶν, ἐξ αὐτῶν τε τῶν Ἱπποκράτους ἔνεστι μαθεῖν γραμμάτων, οὐχ ἥκιστα δὲ κᾀξ
ὧν οἱ ἄλλοι παλαιοὶ γράφουσιν. οὕτως οὖν καὶ Διοκλῆς τὴν πρώτην ἡμέραν ἐν ταῖς
κρινούσαις ἀριθμεῖ, σαφῶς ἐνδεικνύμενος ὡς οὐδὲν ἄλλο τὴν κρίσιν ὅ τι μὴ τὴν λύσιν
ὀνομάζει τοῦ νοσήματος. ἔσται δὲ δῆλον ἐξ αὐτῆς τῆς λέξεως ἐχούσης ᾧδε· αὐτῶν δὲ
τῶν πυρετῶν, ὧν τὰ αἴτια μήτ’ ἐν αὐτῷ τῷ σώματι διαλύεται κενούμενα καὶ μειούμενά
πως μήτ’ ἐξικμάζεται μήτ’ ἀθρόως ὠμὰ ἐξάγεται, κατὰ δέ τινας χρόνων περιόδους
πεφθέντα φαίνεται, ὁ μὲν ἐπιπολαιότατος ἐν νυκτὶ καὶ ἡμέρᾳ κρίνεται, ἐν ἐλαχίστῳ
γὰρ χρόνῳ τούτῳ τὰ αἴτια αὐτῶν διαλύεται. καὶ γὰρ τὰ σηπόμενα καὶ πῦον γινόμενα,
ἔτι δὲ καὶ γάλα καὶ σὰρξ πᾶσα ἀποτελουμένη καὶ ὅλως τὰ πολλὰ τῶν κατὰ τὸ σῶμα
γινομένων καὶ κινουμένων καὶ ἀλλοιουμένων κατ’ εἶδος, ἐν τούτῳ τῷ χρόνῳ φαίνεται
πρῶτον. καὶ ταυτὶ μὲν ὁ Διοκλῆς. ὁ δ’ Ἱπποκράτης οὐχ ἅπαξ οὐδὲ δὶς, ἀλλὰ πάνυ
πολλάκις ἔν τε τῷ πρώτῳ τῶν ἐπιδημιῶν καὶ μάλιστα κᾀν τῷ τρίτῳ τὴν λύσιν μόνην
τοῦ νοσήματος ὀνομάζει κρίσιν, οὐδεμιᾶς οὔτ’ ἐκκρίσεως οὔτ’ ἀποστάσεως σαφῶς
προγεγενημένης.

Doch dass das als Krise Bezeichnete nicht mit größter Sorgfalt von jedem beachtet
wird, sondern nur deren Auflösung, wie sie wohl vonstattengeht, was die meisten
Ärzte Krise nennen, kann man aus den Schriften des Hippokrates selbst erfahren,
insbesondere aber auch aus denen, die die anderen Alten verfassen. So zählt nun auch
Diokles den ersten Tag zu den besonderen und zeigt deutlich, dass er die Krise als
nichts anderes bezeichnet, als die Erlösung von der Erkrankung. Es wird aber deutlich
werden aus der Schrift selbst, die so lautet:Von diesen Fieberanfällen, deren Ursachen
weder im Körper selbst beseitigt werden, indem sie verschwinden und irgendwie
verringert werden, noch auch ausgetrocknet werden, noch auf einmal roh hinausge-
führt werden, in Zeitschüben aber aufzutreten scheinen, entscheidet sich der ober-
flächlichste in einer Nacht und einem Tag, denn ihre Ursachen lösen sich in dieser
ganz kurzen Zeit auf. Die verwesten und zu Eiter gewordenen Dinge nämlich, ferner
alles, was sich zu Milch und Fleisch verwandelt, und insgesamt das meiste von dem,
was im Körper geschieht und sich bewegt und vom Aussehen her verändert, erscheint
zuerst in dieser Zeit. Dieses zeigt auch Diokles. Hippokrates aber bezeichnet die Lö-
sung allein der Erkrankung nicht ein- oder zweimal als Krise, sondern sehr oft im
ersten Buch der Epidemien und besonders auch im dritten, wenn weder eine Aus-
sonderung noch eine Trennung zuvor deutlich stattgefunden hat.

 Siehe dazu die Ausführungen von van der Eijk, Diocles of Carystos, Text 60.
894 Kapitel XIII: Σάρξ

IV. Fleisch, Haut und Knochen

19. Hi 2,15
οὐ μὴν δὲ ἀλλὰ ἀποστείλας τὴν χεῖρά σου ἅψαι τῶν ὀστῶν αὐτοῦ καὶ τῶν σαρκῶν
αὐτοῦ· εἰ μὴν εἰς πρόσωπόν σε εὐλογήσει. Aber sende doch deine Hand aus und
berühre seine Knochen und sein Fleisch: Gewiss ins Angesicht wird er dich verfluchen
(wörtlich: segnen).

20. Hi 6,12
μὴ ἰσχὺς λίθων ἡ ἰσχύς μου; ἢ αἱ σάρκες μού εἰσιν χάλκειαι; Ist meine Kraft etwa die
Kraft von Steinen oder sind meine Fleische ehern?

21. Hi 19,20
ἐν δέρματί μου ἐσάπησαν αἱ σάρκες μου, τὰ δὲ ὀστᾶ μου ἐν ὀδοῦσιν ἔχεται. Unter
meiner Haut ist mein Fleisch verfault, meine Knochen aber werden mit Zähnen zu-
sammengehalten.¹⁴⁰

22. Micha 3,2


οἱ μισοῦντες τὰ καλὰ καὶ ζητοῦντες τὰ πονηρά, ἁρπάζοντες τὰ δέρματα αὐτῶν ἀπ᾽
αὐτῶν καὶ τὰς σάρκας αὐτῶν ἀπὸ τῶν ὀστέων αὐτῶν. Ihr, die ihr das Gute hasst und
das Üble sucht, die ihr wegreißt/raubt ihre Haut von ihnen und ihr Fleisch von ihren
Knochen.

23. Lk 24,39
ἴδετε τὰς χεῖράς μου καὶ τοὺς πόδας μου ὅτι ἐγώ εἰμι αὐτός· ψηλαφήσατέ με καὶ ἴδετε,
ὅτι πνεῦμα σάρκα καὶ ὀστέα οὐκ ἔχει καθὼς ἐμὲ θεωρεῖτε ἔχοντα. Seht meine Hände
und meine Füße: Ich bin es selbst. Betastet mich und seht: Ein Geist hat nicht Fleisch
und Knochen, wie ihr seht, dass ich sie habe.

24. Homer Odyssee XI 218 – 222


ἀλλ’ αὕτη δίκη ἐστὶ βροτῶν, ὅτε τίς κε θάνῃσιν. οὐ γὰρ ἔτι σάρκας τε καὶ ὀστέα ἶνες
ἔχουσιν, ἀλλὰ τὰ μέν τε πυρὸς κρατερὸν μένος αἰθομένοιο δαμνᾷ, ἐπεί κε πρῶτα λίπῃ
λεύκ’ ὀστέα θυμός, ψυχὴ δ’ ἠΰτ’ ὄνειρος ἀποπταμένη πεπότηται.

Dies ist das Gesetz beim Tode sterblicher Menschen: Die Sehnen halten das Fleisch
und die Knochen dann nicht mehr zusammen; starke Kräfte lodernder Feuer machen

 Man kann den Ausdruck passivisch auffassen, wie in der Übersetzung, oder medial: „meine
Knochen halten sich an den Zähnen“. Siehe dazu auch Hi 33,21; Kutsch hat nachgewiesen, dass der
griechische Text sich an dieser Stelle wohl nicht an der MT orientiert (‫) ָדְּבָקה‬, sondern an ‫[ ָרְקָבה‬E.
Kutsch, „Text und Textgeschichte in Hi XIX: Zu Problemen in Vers 14– 15, 20, 23 – 24“, VT 32 (1982), 157–
165]; zur Haut, vgl.Weissenrieder, „Body Discourse in Job: Translation of Skin and Flesh from ‫ָבּ ָשׂר – ﬠוֹר‬
into δέρμα, βύρσα or σάρξ“.
Quellen 895

dies zunichte. Hat erst der Wille zum Leben die weißen Gebeine verlassen, dann fliegt
die Seele auch flatternd davon wie ein Traumbild.

25. Corpus Hippocraticum De natura ossium 11 (IX 182.1 – 9 Littré)


Mit dem elften Kapitel beginnt die letzte große Einheit der Schrift De natura ossium,
die nach Angaben Galens unter dem Titel Περὶ φλεβῶν einen Anhang zu dem chir-
urgischen Traktat Mochlikon gebildet hatte. Dieser Einleitungs- bzw. dann auch
Überleitungscharakter mag erklären, warum der Autor nochmals die Natur der Kno-
chen hervorhebt.
Eine dieses Kapitel beherrschende Idee ist der Verlauf der Adern, den der Autor –
wie dann auch in Kapitel 14 und 15 – mit Hilfe eines metaphorischen Ausdrucks be-
schreibt: Der Adernverlauf wird mit einem Kreis verglichen, wobei von einer einzigen
Ader viele abzweigen.¹⁴¹ Diese Metapher lässt an die hippokratische Schrift De locis in
homine denken: So wie bei einem Kreis kein Anfang und Ende zu finden sind, so hat
auch der Körper keinen Anfang und kein Ende. Die Anhänger der Blutkreislauftheorie
sahen in diesem Bild vom Kreis ihren Anhalt in der Antike. ¹⁴²
Während die Knochen die Haltung des Körpers stärken und sich für die Gestalt
verantwortlich zeigen, geben die Fleische (αἱ σάρκες) und die Haut den Körperteilen
eine Verbindung und sorgen für Zusammenhalt.

Τὰ ὀστέα τῷ σώματι στάσιν καὶ ὀρθότητα καὶ εἶδος παρέχονται· τὰ δὲ νεῦρα κάμψιν καὶ
ξύντασιν καὶ ἔκτασιν· αἱ δὲ σάρκες καὶ τὸ δέρμα πάντων ξύνδεσιν καὶ ξύνταξιν. Αἱ
φλέβες διὰ τοῦ σώματος κεχυμέναι πνεῦμα καὶ ῥεῦμα καὶ κίνησιν παρέχονται, ἀπὸ μιῆς
πολλαὶ διαβλαστάνουσαι, καὶ αὕτη μὲν ἡ μία ὅθεν ἦρκται καὶ ᾗ τετελεύτηκεν οὐκ οἶδα·
κύκλου γὰρ γεγενημένου ἀρχὴ οὐχ εὑρέθη. Τὰς δ’ ἀποφυάδας αὐτῆς, ὅθεν ἤρτηνται
καὶ ᾗ παύονται τοῦ σώματος, καὶ ὡς ἡ μίη ταύτῃσιν ὁμολογέει, καὶ ἐν ὁποίοις τόποις
τέτανται τοῦ σώματος, ἐγὼ δηλώσω.

Die Knochen gewähren dem Körper Stand und Geradheit und Aussehen, die Nerven
Biegung und Anspannung und Ausdehnung. Das Fleisch und die Haut aber die Ver-
bindung und Ordnung aller. Die Gefäße aber, verteilt durch den Körper, gewähren
Atem und Fließen und Bewegung. Viele keimen von einem, und ich weiß nicht, wo
dieses eine beginnt und wo es endet. Denn wenn ein Kreis entstanden ist, ist ein
Anfang nicht zu finden. Ihre Verzweigungen aber, wo sie befestigt sind und wo im

 Manuli und Vegetti, Cuore, sangue e cervello.


 Siehe der kritische Einwand von Harris, The Heart and the Vascular System, 52, der schreibt: „We
must compare this use of metaphor of circularity with the one just quoted from Places in Man, where
the author used this phrase, as we saw, not to hint at any circulation but to express, in a picturesque
way, the notion of the body as an organism, no express reference being made to blood vessels, but there
is no mention at all of their contents, except the general statement that pneuma and liquid flow through
them to the various parts of the body.“
896 Kapitel XIII: Σάρξ

Körper sie aufhören, und dass die eine diesen entspricht, und an welchen Orten des
Körpers sie angeordnet sind, werde ich erläutern.

26. Platon Timaios 83e5 – 84b3


Dieser Text stellt die Frage nach den ‚Naturgesetzen‘, νόμοι τῆς φύσεως, was man mit
der naturgemäßen Ordnung eines gesunden Körpers gleichsetzten kann, wie sie auch
von Callicles im Gorgias ¹⁴³ gedacht ist, wo κατὰ νόμον γε τὸν τῆς φύσεως eher die
Verwendung, Nutzung und die Gewohnheit der menschlichen Lebens meint und
weniger das, was wir heute unter dem ‚Gesetz der Natur‘ verstehen.¹⁴⁴ In 83a – d dif-
ferenziert Platon zwischen den unterschiedlichen Substanzen, die aus dem Zerfall des
alten und neuen Fleisches resultieren, die im Text durch das Pronomen ἑκάστης (Z.1)
gefasst werden. Dieses Pronomen kann zudem auch auf jeden fleischlichen Teil des
Körpers hinweisen.
Im Zentrum des Textes verbindet Platon die Frage nach den Naturgesetzen, νόμοι
τῆς φύσεως (ein Syntagma, das im Kontext ausführlich erläutert wird), mit der Frage
nach der Wirkung der Kraft (δύναμις; Z.2) im Fleisch (σάρξ). Ist allein das Fleisch von
einer Krankheit betroffen, die anderen Teile des Körpers, womit das Innere des Kör-
pers gemeint sein könnte, erscheinen hingegen weiterhin funktionstüchtig, dann ist
eine Genesung von der Krankheit wahrscheinlich. Die Kraft einer Fehlstörung im
Körper wird als ἡμίσεια (Z.2) bezeichnet: Wenn die Fasern und Sehnen zerfallen, dann
kann das Fleisch nicht mehr länger die Knochen ernähren, so dass das Gerüst für das
Fleisch fragil wird. Diese Körperstörung liegt in einem Überschuss an Blut begründet,
das durch unterschiedliche Galletypen kontaminiert sei und dadurch Teile des Kör-
pers infiziere, die bislang noch gesund waren. Unklar ist in diesem Zusammenhang
αὐταῖς in 82e6, der grundlegend für die folgenden Ausführungen ist. Bezieht sich
αὐταῖς auf die fleischigen Teile in den unterschiedlichen Körperteilen oder verweist es
auf unterschiedliche Arten des Fleisches im Körper? Unklar ist zudem der Begriff
πυθμένες (Z.1; Sohle; die unteren Körperteile). Man könnte an Korpuskel denken, doch
dagegen spricht, dass die δεύτεραι συστάσεις später genauer erläutert werden
(82b8 – 84c7). Taylor hat vorgeschlagen, dass die πυθμένες die Teile im Körper um-
fassen, die das Fleisch mit den Knochen und dem restlichen Körper verbinden.¹⁴⁵
Unklar ist zudem ἀποχωριζόμενον (trennen) in Zeile vier. Dieses Partizip ist wohl als
Medium aufzufassen (und nicht als Passiv).¹⁴⁶ Die Konstruktion von αἷμα zwischen
ἰνῶν und καὶ νεύρων ist ein typisches griechisches Hyperbaton, in welchem αἷμα mit
beiden konstruiert wird, ἰνῶν und καὶ νεύρων (siehe zudem Id. Ti. 59d; 84a). Die
Konstruktion legt nahe, dass die krankhaften Teile das Blut trennt, das eigentlich von
den Muskeln und Nerven zu den Knochen kommen sollte, so dass diese von der

 Plat. Gorg. 483e3.


 Siehe dazu die Ausführungen in Kapitel VII.
 Taylor, A Commentary on Plato’s Timaeus; siehe zudem G. Stallbaum, Platonis Timaeus et Critias
und G. Jonkers, The Textual Tradition of Plato’s Timaeus and Critias (Leiden: Brill, 2017), 15 – 17; 54– 56.
 Siehe Kühner und Gerth, Ausführliche Grammatik, I 490; II 97,4.
Quellen 897

Nahrung ausgeschlossen sind. Diese Deutung macht eine Textänderung in ἅμα statt
αἷμα wie sie Stallbaum vorgelegt hat, hinfällig.

διακρινομένης μὲν οὖν ὑπὸ νόσων τῆς σαρκὸς ἑκάστης, μενόντων δὲ τῶν πυθμένων
αὐταῖς ἡμίσεια τῆς συμφορᾶς ἡ δύναμις – ἀνάληψιν γὰρ ἔτι μετ’ εὐπετείας ἴσχει – τὸ δὲ
δὴ σάρκας ὀστοῖς συνδοῦν ὁπότ’ ἂν νοσήσῃ, καὶ μηκέτι αὐτὸ ἐξ ἰνῶν αἷμα καὶ νεύρων
ἀποχωριζόμενον ὀστῷ μὲν τροφή, σαρκὶ δὲ πρὸς ὀστοῦν γίγνηται δεσμός, ἀλλ’ ἐκ
λιπαροῦ καὶ λείου καὶ γλίσχρου τραχὺ καὶ ἁλμυρὸν αὐχμῆσαν ὑπὸ κακῆς διαίτης
γένηται, τότε ταῦτα πάσχον πᾶν τὸ τοιοῦτον καταψήχεται μὲν αὐτὸ πάλιν ὑπὸ τὰς
σάρκας καὶ τὰ νεῦρα, ἀφιστάμενον ἀπὸ τῶν ὀστῶν, αἱ δ’ ἐκ τῶν ῥιζῶν συνεκπίπτουσαι
τά τε νεῦρα γυμνὰ καταλείπουσι καὶ μεστὰ ἅλμης· αὐταὶ δὲ πάλιν εἰς τὴν αἵματος
φορὰν ἐμπεσοῦσαι τὰ πρόσθεν ῥηθέντα νοσήματα πλείω ποιοῦσιν.

Wenn nun jedes einzelne Fleisch durch Krankheiten zersetzt wird, ist, wenn die
Wurzeln bleiben, die Kraft des Unheils nur eine halbe, denn es kann sich noch mit
Leichtigkeit erholen – sobald nun aber das, was das Fleisch mit den Knochen ver-
bindet, krank wird und es kein Blut selbst mehr aus den Muskeln und keine Nahrung
mehr aus den Nerven für den getrennten Knochen gibt, im Fleisch ein Band zum
Knochen hin entsteht und es [sc. das, was die Verbindung zwischen Knochen und
Fleisch hergestellt hatte] wegen der schlechten Ernährung vertrocknet, von einem
fetten, glatten und zähen, zu einem rauhen, salzartigen, dann wird das, welches
solches erleidet, selbst wiederum vom Fleisch und den Nerven zerrieben, entfernt von
den Knochen, das Fleisch aber wird von den Wurzeln her mitgerissen und hinterlässt
die Nerven nackt und voller Salz. Selbst aber fällt es wieder in den Blutkreislauf und
vermehrt die zuvor genannten Krankheiten.

27. Aristoteles De partibus animalium III 13. 674a4 – 8


An dieser Stelle setzt Aristoteles seine im zweiten Buch gemachten Beobachtungen
voraus, nach denen das Fleisch zu der Gruppe der homöomeren/homogenen Teile
(ὁμοιομερῆ) gehört: Es ist Körpergewebe. Als Gewebe ist das Fleisch zwischen Haut
und Knochen angesiedelt,¹⁴⁷ was in Zeile zwei durch ἔσω deutlich wird. Im Vergleich
zu anderen Organen bedeutet das nun, dass das Fleisch eher zum Körperäußeren
gehört und auf den äußeren Körper verweist. Das Körperinnere hingegen sei fleisch-
los. Aristoteles beschreibt die Muskeln als Fleisch. Indes ist es noch immer unklar, ob
τὰ μὲν ἔξω als τὴν μὲν ἔχω gelesen werden sollte, wie Michael von Ephesus meint.¹⁴⁸
Eine zentrale Rolle kommt indes den Adern zu. Der vorliegende Abschnitt verweist
indirekt auf III 7. 670a10 – 15, wo Aristoteles ausführt, dass die Adern „wie Anker in den
Körper ausgeworfen sind durch die ausgestreckten Teile hindurch […]“. Demnach

 Siehe zudem Aristot. hist. an. III 16. 519b26 – 28.
 Siehe Kullmann, „Über die Teile der Lebewesen“, 591.
898 Kapitel XIII: Σάρξ

kommt den Gefäßen/Adern eine Stützfunktion zu, die wie Ankerleinen im Körper
verlaufen, während die Eingeweide Leber und Milz die Ankersteine seien.

Οὐ μόνον δὲ διαφέρει τὰ σπλάγχνα τῆς σαρκὸς τῷ ὄγκῳ τοῦ σώματος, ἀλλὰ καὶ τῷ τὴν
μὲν ἔξω τὰ δ’ ἔσω τὴν θέσιν ἔχειν. Αἴτιον δ’ ὅτι τὴν φύσιν ἔχει κοινωνοῦσαν ταῖς
φλεψί, καὶ τὰ μὲν τῶν φλεβῶν χάριν, τὰ δ’ οὐκ ἄνευ φλεβῶν ἐστιν.

Nicht nur unterscheiden sich die inneren Organe in der körperlichen Masse vom
Fleisch, sondern auch darin, dass das eine außen, die anderen aber innen sitzen.
Ursache aber dafür ist, dass sie mit den Gefäßen/Adern eine gemeinsame Natur haben
und die einen der Gefäße/Adern wegen sind, und die anderen nicht ohne Gefäße/
Adern [sein können].

28. Galen De simplicium medicamentorum temperamentis ac facultatibus 2,5¹⁴⁹


(XI 471.10 – 474.7 Kühn)
Der folgende Abschnitt steht im Zusammenhang einer kritischen Auseinandersetzung
Galens um die in der Antike häufiger vorgetragenen Annahmen über die mutmaßliche
Wirkmacht von Substanzen wie beispielsweise Olivenöl oder Rosenöl. Diese basiere
auf einer falschen Schlussfolgerung, die man dem Zusammentreffen zweier Qualitä-
ten in Form einer Analogie zuschreibe zum Beispiel, dass Öl und Schleim beide
klebrig und kühlend seien. Galen referiert hier eine Reihe medizinischer Autoren, von
denen einer Archidamos ist, den er wohl selbst nur von Diokles von Karystos kennt.
Das Fragment bleibt in seiner Aussage ambivalent: Zum einen spricht es sich
gegen das Frottieren des Körpers aus. Es verstopfe die Poren des Fleisches, die einen
Austausch zwischen dem Mikrokosmos des Körpers und dem Makrokosmos bieten.
Zum anderen erkennt er aber die auflockernde Wirkung, die eine Massage auf das
„Fleisch“ haben kann, an und diskutiert in dem folgenden Text die Umstände, unter
denen er eine Empfehlung für eine Massage aussprechen würde. Diokles schlägt vor,
das Öl mit Wasser zu mischen und sofort nach der Massage wieder von der Haut zu
entfernen. Im Corpus Hippocraticum finden wir eine vergleichbare Empfehlung:
„(D)en Körper mit Öl vermischt mit Wasser zu massieren, macht den Körper weich und
verhindert zudem eine Überhitzung des Körpers.“¹⁵⁰

 Es ist sicherlich unbestritten, dass sich das Traktat auf Archidamos kapriziert, freilich nicht
ausschließlich. Zudem muss man nicht zwangsläufig mit Jaeger annehmen, dass Diokles das Traktat
nach dem Tod des Archidamos geschrieben haben müsse (Jaeger, Diokles von Karystos, 60). Siehe dazu
ausführlich Flashar, Aristoteles. Problemata physika, 757. „Diokles hat die Einwände seines Vaters zu
entkräften gesucht, in einer Schrift mit dem Namen ‚Archidamus‘ […] Er hat seiner Widerlegung zu-
nächst aber ein Referat der Lehre des Archidamos vorangestellt. Dieses Referat ist erhalten durch
Galen.“
 CH De victu I 65 (VI 582 Littré). Siehe zudem CH De officinia medici 17 (III 322 Littré); van der Eijk,
Diocles of Carystus II, Text 185; vgl. zudem Wöhrle, Studien zur Theorie der antiken Gesundheitslehre,
180.
Quellen 899

Φανεῖται δὲ καὶ νῦν οὐδὲν ἧττον ἡ φύσις αὐτῆς τε τῆς ἐπαγωγῆς καὶ πολὺ δὴ μᾶλλον ἡ
τοῦ παραδείγματος. ἅπαντα γὰρ ἐπελθεῖν ἔγνωκα διὰ κεφαλαίων ὅσα τοῖς ἰατροῖς
εἴρηται περὶ δυνάμεως ἐλαίου, πιθανῶς μὲν τῷ δοκεῖν, οὐ μὴν ἀληθῶς γε. καὶ πρῶτον
τὸ ὑπὸ Διοκλέους ἐν ᾿Aρχιδάμῳ λελεγμένον, ὡς σκληρύνεσθαι καὶ ἐπικαίεσθαι τὸ δέρμα
τοῖς ἐν ἐλαίῳ τριβομένοις, ὑπελάμβανεν ὁ ᾿Aρχίδαμος καὶ διὰ τοῦτο τὴν ξηροτριβίαν
προὔκρινε. συνεκπυροῦσθαί τε γὰρ, φησὶ, καὶ ἐπικαίειν τὸ ἔλαιον ὑπὸ τῆς τρίψεως
θερμαινόμενον ἐνόμιζεν καὶ κατὰ τοῦτο ἐξικμάζειν καὶ ξηραίνειν ἱκανῶς, ὥσπερ τῶν
ὀπτωμένων τὰ χριόμενα. καὶ γὰρ καὶ ταῦτα σκληρύνεσθαι μᾶλλον ἢ εἰ χωρὶς ἐλαίου τις
ὀπτήσειεν. αὐτὴν δὲ ἴσως ἄμεινον ὅλην παραγράψαι τοῦ Διοκλέους τὴν ῥῆσιν. ἔχει δὲ
ᾧδε· τὸ δὲ μετ’ ἐλαίου τρίβειν οὐχ ὁμοίως ἐδοκίμαζε. πρῶτον μὲν γὰρ ἀνώμαλον ᾤετο
γίνεσθαι τὴν τοιαύτην τρίψιν παρὰ τὸ τὰς χεῖρας ὀλισθαίνειν καὶ μὴ δύνασθαι τῆς
σαρκὸς ὁμοίως ἀντιλαμβάνεσθαι διὰ τὸ λίπος. ἔτι δὲ καὶ σκληρύνεσθαι καὶ ἐπικαίεσθαι
τὸ δέρμα τοῖς οὕτω τριβομένοις ἔφη μᾶλλον ἢ τοῖς ξηροῖς. συνεκπυροῦσθαι γὰρ καὶ
ἐπικαίειν τὸ ἔλαιον θερμαινόμενον ὑπὸ τῆς τρίψεως, καθάπερ τῶν ὀπτωμένων τὰ
χριόμενα τῶν μὴ χριομένων, ἐκπυρουμένου τοῦ ἐλαίου θερμαινόμενα καὶ ἐξικμα-
ζόμενα λίαν σκληρύνεσθαι μᾶλλον. ὁμοίως δὲ καὶ τὰ ἐν τῷ ἐλαίῳ ἑψόμενα κραῦρα καὶ
καπυρὰ γίνεσθαι διὰ τὴν αὐτὴν αἰτίαν. πρὸς δὲ τούτοις, ὥσπερ τὰ ξύλα καὶ τὰ δέρματα
καὶ τὰ ἄλλα τὰ μετ’ ἐλαίου τριβόμενα συνδιαδίδωσιν εἴσω τὸ ἔλαιον, οὕτως ᾤετο καὶ
τὰ σώματα. τούτου δὲ γιγνομένου πολλὰ τῶν εἰθισμένων διὰ τῆς σαρκὸς μετὰ τοῦ
πνεύματος ῥεῖν καὶ ἔξω διαπίπτειν ἀποστέγεσθαι, ὥσπερ καὶ διὰ τῶν ἠθμῶν καὶ τῶν
ὀθονίων καὶ ἐρίων καὶ πάντων δι’ ὧν ἠθεῖταί τι ἐγχεόμενον καὶ χριόμενον, οὐ δύνασθαι
τὰ ὑγρὰ ῥεῖν ὁμοίως. ἀπολαμβανομένης δὲ τῆς τοιαύτης ἐκκρίσεως τὰ μὲν παλιῤῥοεῖν
εἴσω, συμπληροῦν ἀθροιζόμενα τοὺς πόρους ἀλλήλοις πλεκόμενα καὶ ὑπὸ τοῦ ἐλαίου
περιλαμβανόμενα διὰ τὸ ἔχειν τι ἰξῶδες τὸ ἔλαιον, ὥσπερ ἐπὶ τῶν ἄλλων φαίνεται τὸ
λιπαρὸν τοὺς κονιορτοὺς καὶ τὰ κάρφη καὶ τὰ ἄλλα τὰ τοιαῦτα συνθηρεύειν.
ἐμφραττομένων δὲ τῶν πόρων ἀεὶ καὶ κατὰ μικρὸν ἀναγκαῖον εἶναι πολλὰ χεῖρον
ἀποτελεῖσθαι τῶν εἰθισμένων γίγνεσθαι κατὰ φύσιν. ὑπελάμβανε δέ τι καὶ δηκτικὸν
ἔχειν αὐτὸ, παρ’ ὃ καὶ τοὺς ὀφθαλμοὺς δακρύειν καὶ τὴν φάρυγγα κέρχνειν καὶ τὴν
κοιλίαν ξύειν καὶ αἱματώδεις ποιεῖν διαχωρήσεις πινόμενον. ἄνευ μὲν οὖν τρίψεως
ἀλειφομένους οὐδὲν λυπεῖν· ἀσθενεστέραν γὰρ εἶναι τὴν δῆξιν ἢ ὥστε ποιεῖν τινα
αἴσθησιν· μετὰ δὲ τῆς τρίψεως εἰσδυόμενον εἰς τὴν σάρκα, κακουργεῖν μᾶλλον τῇ
δήξει καθάπερ πολλὰ τῶν φαρμάκων, οὕτω μὲν ἐπιχρισθέντα ἧττον ἰσχύειν, προ-
σπιεζόμενα δὲ καὶ εἰσδυόμενα εἴσω μᾶλλον ἐνεργεῖν. καὶ δὴ καὶ ταῖς ἀκαλήφαις καὶ
ἄλλοις πολλοῖς ἡσυχῇ μὲν ψαύοντας οὐδὲν ἐνοχλεῖν, τύπτοντας δὲ καὶ προσπιέζοντας
λυπεῖν. ἃ μὲν οὖν ὁ Διοκλῆς ἐν ᾿Aρχιδάμῳ λέγει ταῦτ’ ἔστιν.

Es dürfte wohl nun sowohl die Natur des Herbeiführens selbst um nichts geringer
erscheinen als auch noch viel mehr die des Beispiels. Denn ich verstehe mich allem,
was bei den Ärzten über die Kraft des Öls für die Meinung zwar glaubhaft, gewiss aber
nicht wahrgesagt wird, über die Hauptpunkte zu nähern. Und zuerst zu dem von
Diokles im Archidamos Gesagten, dass sich die Haut bei denen, die sich mit Öl ein-
reiben, verhärtet und oberflächlich verbrennt, das hat Archidamos übernommen und
daher das Trockeneinreiben vorgezogen. Er sagt nämlich, das Öl entzünde sich mit,
900 Kapitel XIII: Σάρξ

und er meinte, es werde, erwärmt durch das Einreiben, oberflächlich brennen und
demgemäß hinreichend austrocknen und dörren, wie das eingestrichene Gebratene.
Denn auch das wird eher hart als wenn jemand es ohne Öl brät. Es ist sicher besser,
dieses ganze von Diokles Gesagte aufzuschreiben. Es lautet folgendermaßen: Er
schätzte das Einreiben mit Öl nicht auf die gleiche Weise. Denn zunächst glaubte er,
ein solches Einreiben werde ungleichmäßig, da die Hände abgleiten und wegen des
Fettes das Fleisch nicht gleichmäßig ergreifen können. Ferner noch sagte er, dass die
Haut bei denen, die so eingerieben werden, eher verhärtet und verbrennt als bei den
Trockenen. Denn das durch das Reiben erwärmte Öl werde mitentzündet und brenne
oberflächlich, wie die eingeriebenen Braten eher fest werden als die nicht eingerie-
benen, weil sie erhitzt und zu trocken werden, wenn das Öl verbrennt. Ebenso wird aus
derselben Ursache heraus auch das in Öl Gekochte spröde und trocken. Darüber
hinaus absorbieren beispielsweise das Holz und das Leder und die anderen Dinge, die
mit Öl eingerieben werden, das Öl nach innen, so auch die Körper, glaubte er. Wenn
dies geschieht, soll vieles, das gewohnt ist, mit dem Atem durch das Fleisch zu fließen
und nach außen zu dringen, gehindert werden, wie auch Flüssigkeiten wegen der
Siebe, Tücher und Wolle und aller Dinge, durch die gewöhnlich etwas durchgeseiht
wird, nicht auf die gleiche Weise fließen können. Denn wenn eine solche Sekretion
verhindert wird, sollen sie wieder nach innen fließen und versammelt und mitein-
ander verbunden und umgeben vom Öl die Poren füllen, da das Öl etwas Klebriges an
sich hat. Wie auch bei den anderen scheint das Fette den Staub, Splitter und anderes
derartiges mit zu ergreifen. Wenn die Poren aber stets verstopft sind, werden
zwangsläufig nach kurzer Zeit auch viele der naturgemäß gewohnten Dinge viel
schlechter vonstatten gehen. Er meinte, dass dies auch etwas Beißendes enthalte,
durch das die Augen tränen und die Kehle heiser wird und der Bauch reibt und, wenn
es getrunken wird, blutige Durchfälle entstehen. Die ohne Reiben Gesalbten aber er-
leiden nichts. Denn das Beißen sei viel zu schwach, als dass es irgendwie bemerkbar
würde. Wenn es aber durch Reiben ins Fleisch dringt, soll es eher Übles hervorrufen
mit dem Beißen, wie auch viele Medikamente, wenn sie so aufgetragen werden, ge-
ringere Kraft haben, wenn sie aber angedrückt und eingegeben werden, haben sie
mehr Kraft. Und so ist es auch bei den Disteln und vielen anderen, wenn sie ruhig
gestreichelt werden, erleide man nichts, wenn man sie aber schlägt und drückt, ist es
unangenehm. Dies ist nun, was Diokles im Archidamos sagt.

V. Fleisch als Sitz der Wahrnehmung

29. Apg 2,26 – 27a


διὰ τοῦτο ηὐφράνθη ἡ καρδία μου καὶ ἠγαλλιάσατο ἡ γλῶσσά μου, ἔτι δὲ καὶ ἡ σάρξ
μου κατασκηνώσει ἐπ’ ἐλπίδι, ὅτι οὐκ ἐγκαταλείψεις τὴν ψυχήν μου εἰς ᾅδην. Darum
wurde mein Herz froh und geriet meine Zunge in Jauchzen; ferner wird mein Fleisch
auf der Hoffnung ruhen; denn du wirst meine Seele nicht dem Tod überlassen.
Quellen 901

30. Corpus Hippocraticum De morbis I 20,14 – 24 (176.20 – 178.5 Littré)


Die Grundlage für körperliche Prozesse bildet in De morbis I die Zweisäftelehre, wobei
der Verfasser in der Regel von Galle und Schleim ausgeht, die beide integrierende
Bestandteile des Körpers darstellen. Als eigenständige Körperflüssigkeit spielt indes
das Blut eine zentrale Rolle für Krankheitsprozesse. Zudem wird es in der Schrift noch
in einer zweiten wichtigen Funktion benannt: Es ist für den Verfasser der wichtigste
Träger der Denkkraft. So kann er in Kapitel 30 formulieren: „Das Blut leistet im
Menschen den größten Beitrag zum Verstand, manche behaupten sogar, den gesam-
ten.“ Es ist gleichsam das Fleisch, das Schmerzen empfindet, weil „es entweder ver-
renkt ist oder geschlagen wurde oder etwas anderes erlitt“.
Die in der Quelle beschriebene Krankheit geht von einem Phyma, einem Abszess
am Rippenfell, aus, das durch eine überstarke Dehnung des Körpers entstehen kann,
die dazu führt, dass Adern platzen. Dadurch fließe nun Blut direkt in das Fleisch,
womit dieses als Träger der Denkkraft für den Menschen verloren geht. Das Blut kann
im Fleisch zu Eiter mutieren oder zu dünn werden und somit die Bewegung des
Körpers verändern, sodass es letztlich das Fleisch austrocknet, wodurch dieses wieder
mehr Feuchtigkeit heranzieht.

Καὶ ὁκόσα μὲν ἐν τῇ σαρκὶ γίνεται, ὧδε γίνεται· ὁκόταν ἡ σὰρξ πονέσῃ τι, ἢ σπασθεῖσα,
ἢ πληγεῖσα, ἢ ἄλλο τι παθοῦσα, γίνεται, ὥσπερ προεῖπον, πελιδνὴ, πελιδνὴ δὲ οὐκ
εἰλικρινεῖ αἵματι, ἀλλὰ λεπτῷ τε καὶ ὑδαρέϊ, καὶ τούτῳ ὀλίγῳ· ὅταν δὲ ὑπερξηρανθῇ
μᾶλλον τοῦ εἰωθότος, διαθερμαίνεταί τε καὶ ὀδύνην παρέχει, καὶ ἕλκει ἐς ἑωυτὴν ἀπὸ
τῶν πλησίον καὶ φλεβῶν καὶ σαρκῶν τὸ ὑγρόν· καὶ ὁκόταν ὑπερυγρανθῇ, καὶ τοῦτο
αὐτὸ τὸ ὑγρὸν ὑπερθερμανθῇ ὑπ’ αὐτῆς τῆς σαρκὸς, σκίδναται ἀνὰ τὸ σῶμα πᾶν, οἷόν
περ εἰρύσθη, καὶ μᾶλλον δή τι σκίδναται ἐς τὰς φλέβας, ἢ ἐς τὰς σάρκας· ἕλκουσι γὰρ αἱ
φλέβες μᾶλλον τῶν σαρκῶν, ἕλκουσι δὲ καὶ αἱ σάρκες.

Und was auch immer im Fleisch geschieht, geschieht so: sobald das Fleisch irgendwie
Schmerzen empfindet, weil es entweder verrenkt ist oder geschlagen wurde oder etwas
anderes erlitt, kommt es zu einer dunklen Färbung, wie ich zuvor sagte. Ein blauer
Fleck entsteht aber nicht mit reinem Blut, sondern mit schwachem und wässrigem
und wenig von diesem.Wenn es aber trockener als gewöhnlich wird, wird es durch und
durch warm und bereitet Schmerzen und zieht das nächste Feuchte aus den Gefäßen
und dem Fleisch zu sich hin. Und sobald es zu feucht und auch dieses Feuchte durch
das Fleisch selbst zu warm wird, verteilt es sich über den ganzen Körper, wie es ge-
zogen wird, und insbesondere verteilt es sich in die Gefäße oder in das Fleisch. Denn
die Gefäße ziehen stärker als das Fleisch, doch auch das Fleisch zieht.
902 Kapitel XIII: Σάρξ

31. Aristoteles De anima II 11. 422b20 – 423a5


Das dritte Buch von De anima ¹⁵¹ ist dem Wahrnehmungsvermögen gewidmet. Ari-
stoteles legt besonderen Wert auf die fünf Sinne: den visuellen, den auditiven, den
olfaktorischen, den gustatorischen und den taktilen Sinn. Er greift in diesem Ab-
schnitt die Annahmen der Vorsokratiker auf, besonders aber die des Empedokles, dass
Gleiches durch Gleiches wahrgenommen werde.¹⁵² Die zentralen Fragen sind dem-
nach: Wie lässt sich Wahrnehmung, die in erster Linie als Erleiden zu deuten ist,
indem sie den Wahrnehmenden immer verändert, angemessen beschreiben, wenn
man gleichzeitig davon ausgehen muss, dass Gleiches durch Gleiches nichts erlei-
det?¹⁵³ Und welchem Körperteil kommt dabei eine tragende Rolle zu?
Die Antwort findet Aristoteles in einer zweifachen Deutung des Verhältnisses
zwischen Wahrnehmungsvermögen und Wahrnehmung eines Objekts, eine Wahr-
nehmung in Möglichkeit und gleichsam in Wirklichkeit. Während sich am Beginn
einer Wahrnehmung das Wahrnehmungsvermögen zu einem Objekt noch unbestimmt
verhält, indem es diesem ungleich ist, ist es am Ende der Wahrnehmung dem Objekt
angeglichen und verhält sich zu diesem als Gleiches zu Gleichem.
Übertragen auf den Tastsinn und die Bedeutung der Funktion des Fleisches ist zu
fragen: Ist das Objekt des Tastsinnes oder auch des sogenannten Tastbaren das Objekt
einer oder mehrerer Wahrnehmungen? Letzterem würden auch mehrere Wahrneh-
mungsvermögen entsprechen. Im Text ist der taktile Sinn als Kombination mehrerer
Sinne angelegt, was durch zahlreiche Oppositionen¹⁵⁴ des Berührungssinnes ange-
zeigt ist wie warm und kalt,¹⁵⁵ trocken und feucht, hart und weich.¹⁵⁶ Ist das Fleisch
demnach das Sinnesorgan? In dem folgenden Abschnitt bespricht Aristoteles beide
Fragen und zählt zunächst die Aufgaben des Tastsinns auf und verbindet diese mit der
Frage, ob Fleisch ein Organ oder ein Medium ist.¹⁵⁷
Das Fleisch wird als dasjenige definiert, was zwischen Haut und Knochen ist.¹⁵⁸ Es
ist somit das Medium für das Tastorgan (αἰσθητήριον; Z.3,4,13);¹⁵⁹ doch darf es nicht
mit dem eigentlichen Organ verwechselt werden. Dieses sei, so Aristoteles, das un-
mittelbare (πρῶτον) Tastorgan im Innern. Das Fleisch sei mit dem Tastorgan gewis-
sermaßen zusammengewachsen. Vergleichbar ist es demnach mit der Luft, die das

 Siehe hierzu Ross, Aristotle. De Anima, 259 ff. und Hicks, Aristotle. De Anima, 402 ff.; Tracy, „Heart
and Soul in Aristotle“, 321 ff.; vgl. zudem den weiterführenden Ansatz zur Aristotelischen Psychologie
von Welsch (Aisthesis. Grundzüge und Perspektiven der Aristotelischen Sinneslehre). Hinsichtlich der
älteren Forschungsdiskussion siehe Block, „Aristotle in the Common Sense. A reply to Kahn and
others“, 235 – 250.
 Die Funktion der Sinnesorgane wird dann in Arist. part. an. II 10. 656a13 – 657 a11 diskutiert.
 Siehe hierzu auch De interpretatione 1.
 Siehe hierzu auch Aristot. sens. VI 445.24.29.
 Vgl. Aristot. gen. corr. II 2. 329b18.
 Diese drei Oppositionspaare finden sich zudem auch in Platons Timaios 67b – c.
 Diese Diskussion findet sich bei Aristoteles nochmals in part. an. II 2. 647a17 ff.; 653b19 ff.
 Aristot. hist. an. III 16. 519b26 – 28.
 Siehe zu diesem Punkt Aristot. part. an. II 20. 656.34a.
Quellen 903

Medium für das Gesicht und das Gehör ist. Auch diese scheint mit den Organen zu-
sammengewachsen. Damit liegt jedoch eine Verwechslung nahe, denn wer Medium
und inneres Organ miteinander identifiziert, dem könnte scheinen, als ob Gesicht,
Gehör und Geruch ein einziger Sinn wären, weil sie ein einziges Medium haben. Das
Fleisch ist vielmehr parallel zu dem Luftmedium für die drei Sinnesbereiche Gesicht,
Gehör und Geruch zugeordnet; diese würden, wenn das Medium angewachsen wäre,
als ein einziges Vermögen erscheinen.

Περὶ δὲ τοῦ ἁπτοῦ καὶ περὶ ἁφῆς ὁ αὐτὸς λόγος· εἰ γὰρ ἡ ἁφὴ μὴ μία ἐστὶν αἴσθησις
ἀλλὰ πλείους, ἀναγκαῖον καὶ τὰ ἁπτὰ αἰσθητὰ πλείω εἶναι. ἔχει δ’ ἀπορίαν πότερον
πλείους εἰσὶν ἢ μία, καὶ τί τὸ αἰσθητήριον τὸ τοῦ ἁπτικοῦ, πότερον ἡ σὰρξ καὶ ἐν τοῖς
ἄλλοις τὸ ἀνάλογον, ἢ οὔ, ἀλλὰ τοῦτο μέν ἐστι τὸ μεταξύ, τὸ δὲ πρῶτον αἰσθητήριον
ἄλλο τί ἐστιν ἐντός. πᾶσα γὰρ αἴσθησις μιᾶς ἐναντιώσεως εἶναι δοκεῖ, οἷον ὄψις λευκοῦ
καὶ μέλανος, καὶ ἀκοὴ ὀξέος καὶ βαρέος, καὶ γεῦσις πικροῦ καὶ γλυκέος· ἐν δὲ τῷ ἁπτῷ
πολλαὶ ἔνεισιν ἐναντιώσεις, θερμὸν ψυχρόν, ξηρὸν ὑγρόν, σκληρὸν μαλακόν, καὶ τῶν
ἄλλων ὅσα τοιαῦτα. ἔχει δέ τινα λύσιν πρός γε ταύτην τὴν ἀπορίαν, ὅτι καὶ ἐπὶ τῶν
ἄλλων αἰσθήσεων εἰσὶν ἐναντιώσεις πλείους, οἷον ἐν φωνῇ οὐ μόνον ὀξύτης καὶ
βαρύτης, ἀλλὰ καὶ μέγεθος καὶ μικρότης, καὶ λειότης καὶ τραχύτης φωνῆς, καὶ τοιαῦθ’
ἕτερα. εἰσὶ δὲ καὶ καὶ λειότης καὶ τραχύτης φωνῆς, καὶ τοιαῦθ’ ἕτερα. εἰσὶ δὲ καὶ περὶ
χρῶμα διαφοραὶ τοιαῦται ἕτεραι. ἀλλὰ τί τὸ ἓν τὸ ὑποκείμενον, ὥσπερ ἀκοῇ ψόφος,
οὕτω τῇ ἁφῇ, οὐκ ἔστιν ἔνδηλον. πότερον δ’ ἐστὶ τὸ αἰσθητήριον ἐντός, ἢ οὔ, ἀλλ’
εὐθέως ἡ σάρξ, οὐδὲν δοκεῖ σημεῖον εἶναι τὸ γίνεσθαι τὴν αἴσθησιν ἅμα θιγγανομένων.
καὶ γὰρ νῦν εἴ τίς <τι> περὶ τὴν σάρκα περιτείνειεν οἷον ὑμένα ποιήσας, ὁμοίως τὴν
αἴσθησιν εὐθέως ἁψάμενος ἐνσημανεῖ· καίτοι δῆλον ὡς οὐκ ἔστιν ἐν τούτῳ τὸ
αἰσθητήριον (εἰ δὲ καὶ συμφυὲς γένοιτο, θᾶττον ἔτι διικνοῖτ’ ἂν ἡ αἴσθησις)·

In Bezug auf das Fühlbare und die Berührung wird dasselbe gesagt. Denn wenn die
Berührung nicht nur eine einzige Wahrnehmung ist, sondern mehrere, müssen not-
wendig auch die wahrnehmbar fühlbaren Dinge mehrere sein. Darüber aber besteht
Ratlosigkeit, ob es mehrere sind oder eine, und was das Sinneswerkzeug des zum
Berühren Geeigneten ist, ob es das Fleisch ist und das Entsprechende bei den anderen
oder nicht, sondern dieses zwar dazwischen ist, das erste Sinneswerkzeug aber ir-
gendetwas anderes drinnen ist. Denn jede Wahrnehmung scheint die eines Gegen-
satzes zu sein, wie das Sehen von etwas Weißem und Schwarzem, das Hören von etwas
Hohem und Tiefem, und das Schmecken von etwas Bitterem und Süßem. Im Fühl-
baren gibt es viele Gegensätze – warm, kalt; trocken, feucht; hart, weich – und von
den anderen entsprechende. Es gibt aber eine Lösung für diese Ratlosigkeit, da es
auch in den anderen Wahrnehmungen zahlreiche Gegensätze gibt, wie in der Stimme
nicht nur Helligkeit und Tiefe liegen, sondern auch Lautstärke und Stille, sowohl
Glätte als auch Rauheit der Stimme, und andere derartige Dinge. Es gibt derartige
Unterschiede aber auch in Bezug auf die Farben. Aber was das eine ist, das wie das
Geräusch dem Gehör der Berührung zugrunde liegt, ist nicht offensichtlich. Ob nun
das Sinneswerkzeug innen ist oder nicht, sondern wiederum es das Fleisch ist – es
904 Kapitel XIII: Σάρξ

scheint für das Entstehen der Wahrnehmung bei der Berührung kein Zeichen zu ge-
ben. Denn auch wenn nun jemand um das Fleisch herum etwas wie eine Haut
spannte, würde er ganz genauso sofort bei einer Berührung eine Wahrnehmung ein-
prägen. Gleichwohl ist es offenkundig, dass das Sinneswerkzeug nicht darin ist (wenn
es mitentstanden wäre, zeigte sich die Wahrnehmung wohl noch schneller).

32. Aristoteles De partibus animalium II 8. 653b19 – 35 and ΙΙ 9. 654b27 – 32


Die Kapitel 1– 9 von De partibus animalium sind der Behandlung des Gewebes aus der
Perspektive physiologischer Fragestellungen gewidmet. Zentral wird im achten Ka-
pitel das „Fleisch“ behandelt. Aristoteles verwendet hier, wie übrigens viele antike
Autoren auch, nicht den Begriff „Muskel“.¹⁶⁰
Das Fleisch ist für Aristoteles die Basis (ἀρχή) und der wesentliche Körper (σῶμα
καθ᾽ αὑτό) aller Lebewesen. Im Laufe der ersten Kapitel hat er schon verschiedene
Funktionsbestimmungen des Fleisches vorgenommen: Er hat es als das Wahrneh-
mungsorgan des Tastsinns bezeichnet (αἰσθητήριον) oder als Medium,¹⁶¹ durch das
der Sinneseindruck transportiert werde. ¹⁶²
An der vorliegenden Stelle nimmt er beide Funktionsbestimmungen auf, um sie zu
präzisieren: Entweder sei das Fleisch das „erste“, d. h. eigentliche Tastorgan, oder
aber es sei das erste Tastorgan und zugleich das den Sinneseindruck vermittelnde
Medium – die Alternative, die er selbst zu bevorzugen scheint: Das äußere Fleisch ist
das Medium, während im Inneren des Menschen das eigentliche, aber ebenfalls
fleischliche Sinnesorgan seinen Sitz habe.¹⁶³ Aristoteles sagt jedoch nichts darüber,
was das eigentliche Organ des Tastsinns ist, noch wo genau es sich im Körper be-
findet.¹⁶⁴ Eine Alternative lässt sich durch ἤτοι […] ἢ in den Zeilen 5 – 6 zeigen, die
signalisiert, dass er die erste Variante für wahrscheinlicher hält,¹⁶⁵ was durch den
Gebrauch des indefiniten Pronomens τις und des Optativs προσλάβοι in dem zweiten
Beispiel indiziert wird. Indes wird die erste der beiden Alternativen für wenig kon-
sistent gehalten (siehe De partibus animalium II 10. 656b35).¹⁶⁶ Möglicherweise ist

 Kullmann, „Über die Teile der Lebewesen“, 433 interpretiert σάρξ als einen „volkstümlichen
Begriff“.
 Siehe hier die detaillierten Ausführungen von Solmsen, Griechische Philosophie und die Entde-
ckung der Nerven, 231 ff.; weiterführend auch Lloyd, The empirical basis of the physiology of the Parva
Naturalia, 219 f.
 Es bleibt freilich unklar, was genau man unter den Ausführungen von Aristoteles zu verstehen
hat, wie Ogle (De partibus animalium, passim) mit Bezug auf De partibus animalium II 8. 653b29
ausführt: „The flesh is sometimes (II 5. 651a20) spoken of as the sense-organ (αἰσθητήριον) of touch;
sometimes this is strenuously denied (II 10. 656b25) and it is said to be the medium (τὸ ματαξὺ τοῦ
ἁπτικοῦ). Here it is suggested that it is medium and organ combined.“
 Vgl. Aristot. part. an. II 8. 653b29.
 Vgl. dazu die Einführung von Kullmann, Aristoteles und die moderne Wissenschaft, 198 und idem,
„Aristoteles’ Grundgedanken zu Aufbau und Funktion der Körpergewebe“, 234 f.
 Siehe Kühner und Gerth, Ausführliche Grammatik, II 698.
 Siehe dazu ausführlich Lennox, Aristotle on the Parts of Animals I – IV, 213.
Quellen 905

diese Inkonsistenz auch in der Übersetzung in beiden Textabschnitten von πρῶτον als
„Erste“ begründet. Πρῶτον kann „Erste“ im Sinne essentiell meinen, aber es kann
auch „Erste“ im Sinne von Beginn eines Prozesses bedeuten. Wenn πρῶτον in II,8 als
„initiales Instrument“ bestimmt wird und in II,10 dann als essentielles, dann sind die
beiden Abschnitte nicht kontradiktorisch, sondern vielmehr komplementär (siehe hier
die Zeilen 1,4,5).¹⁶⁷ Demnach kann man annehmen, dass das Fleisch das initiale In-
strument der Sinneswahrnehmung ist.
Ihm sind noch weitere Gewebe zur Erfüllung seiner Funktion zugeordnet. Neben
den Knochen nennt er Haut, Sehnen, Blutgefäße, Haare oder Nägel, wobei den
Knochen eine besondere Stützfunktion zukomme.¹⁶⁸ Knochen seien, so die These von
Aristoteles, sogar nur um des Fleisches willen vorhanden (vgl. besonders die Aus-
führungen in II, 9). Das Fleisch hafte mit Hilfe von feinen und faserigen Bändern an
den Knochen. Zur Erläuterung dieser These zieht Aristoteles einen Vergleich hinzu:
Mit dem Rohgerüst Knochen und dem Feinbau Fleisch verhalte es sich wie mit der
Arbeitsweise eines Künstlers, der mit Ton arbeite: Aus dem Ton oder auch vergleich-
barem Material wird eine Grundfigur geformt, ein fester Körper, um dann erst in einem
zweiten Schritt die feinen Züge herauszuarbeiten. Die Knochen bilden demnach den
Grundstock, aus denen der Körper aus dem Fleisch modelliert würde. Folglich ist das
Fleisch der wesentliche Bestandteil des Körpers, weil er der nach außen sichtbare ist.

653b19 – 35
Περὶ δὲ τῶν ἄλλων μορίων τῶν ὁμοιομερῶν σκεπτέον, καὶ πρῶτον περὶ σαρκὸς ἐν τοῖς
ἔχουσι σάρκας, ἐν δὲ τοῖς ἄλλοις τὸ ἀνάλογον· τοῦτο γὰρ ἀρχὴ καὶ σῶμα καθ’ αὑτὸ τῶν
ζῴων ἐστίν. Δῆλον δὲ καὶ κατὰ τὸν λόγον· τὸ γὰρ ζῷον ὁριζόμεθα τῷ ἔχειν αἴσθησιν,
πρῶτον δὲ τὴν πρώτην· αὕτη δ’ ἐστὶν ἁφή, ταύτης δ’ αἰσθητήριον τὸ τοιοῦτον μόριόν
ἐστιν, ἤτοι τὸ πρῶτον, ὥσπερ ἡ κόρη τῆς ὄψεως, ἢ τὸ δι’ οὗ συνειλημμένον, ὥσπερ ἂν
εἴ τις προσλάβοι τῇ κόρῃ τὸ διαφανὲς πᾶν. Ἐπὶ μὲν οὖν τῶν ἄλλων αἰσθήσεων ἀδύ-
νατόν τε καὶ οὐδὲν προὔργου τοῦτ’ ἦν ποιῆσαι τῇ φύσει, τὸ δ’ ἁπτικὸν ἐξ ἀνάγκης·
μόνον γὰρ ἢ μάλιστα τοῦτ’ ἔστι σωματῶδες τῶν αἰσθητηρίων. Κατὰ δὲ τὴν αἴσθησιν
φανερὸν πάντα τἆλλα τούτου χάριν ὄντα, λέγω δ’ οἷον ὀστᾶ καὶ δέρμα καὶ νεῦρα καὶ
φλέβες, ἔτι δὲ τρίχες καὶ τὸ τῶν ὀνύχων γένος, καὶ εἴ τι τοιοῦτον ἕτερόν ἐστιν. Ἡ μὲν
γὰρ τῶν ὀστῶν φύσις σωτηρίας ἕνεκεν μεμηχάνηται μαλακοῦ, σκληρὰ τὴν φύσιν
οὖσα, ἐν τοῖς ἔχουσιν ὀστᾶ· ἐν δὲ τοῖς μὴ ἔχουσι τὸ ἀνάλογον, οἷον ἐν τοῖς ἰχθύσι τοῖς
μὲν ἄκανθα τοῖς δὲ χόνδρος.

654b27 – 32
Περὶ δὲ τὰ ὀστᾶ αἱ σάρκες περιπεφύκασι, προσειλημμέναι λεπτοῖς καὶ ἰνώδεσι δεσμοῖς,
ὧν ἕνεκεν τὸ τῶν ὀστῶν ἐστι γένος. Ὥσπερ γὰρ οἱ πλάττοντες ἐκ πηλοῦ ζῷον ὀστῶν

 Vgl. Aristot. sens. II 438a26 – 438b16.


 Seine Vorstellungen der Knochen und Knorpel eines Fisches sind bemerkenswert: Er beschreibt
die Körperform eines Kopffüßlers zwischen Fleisch und Nerven. Insekten seien mehr fleischlich als
Knochen, aber auf der anderen Seite den Knochen ähnlicher als Fleisch.
906 Kapitel XIII: Σάρξ

ἐστι γένος. Ὥσπερ γὰρ οἱ πλάττοντες ἐκ πηλοῦ ζῷον ἤ τινος ἄλλης ὑγρᾶς συστάσεως
ὑφιστᾶσι τῶν στερεῶν τι σωμάτων, εἶθ’ οὕτω περιπλάττουσι, τὸν αὐτὸν τρόπον ἡ
φύσις δεδημιούργηκεν ἐκ τῶν σαρκῶν τὸ ζῷον.

653b19 – 35
Es ist nun auf die anderen Teile der gleichteiligen zu schauen, und zunächst auf das
Fleisch in denen, die Fleisch haben, in den anderen aber auf das Entsprechende. Denn
dies ist der Anfang und Körper an sich der Lebewesen. Es ist aber auch der Vernunft
gemäß klar. Denn wir bestimmen das Lebewesen damit, dass es eine Wahrnehmung
hat, als erstes aber die erste. Diese ist die Berührung, von dieser ist das Sinneswerk-
zeug der derartige Teil oder doch das erste, wie die Pupille für den Blick, oder das,
durch was sie zusammengefasst wird, wie wenn jemand noch zu der Pupille den
ganzen Glaskörper hinzunähme. Für die anderen Wahrnehmungen nun war es un-
möglich und auch nicht nützlich für die Natur das zu tun, der Tastsinn aber war
zwingend. Denn alleine oder insbesondere der ist von den Sinnen der körperliche. Der
Wahrnehmung gemäß ist es offensichtlich, dass deswegen alles andere existiert, ich
meine beispielsweise Knochen und Haut, Nerven und Gefäße, ferner Haare und die
Art der Nägel, und wenn es noch etwas anderes derartiges gibt. Denn die Natur der
Knochen, in den Lebewesen, die Knochen haben, ist für die Erhaltung des Weichen
geschaffen, da sie von Natur aus hart sind. In denen, die keine haben, das Entspre-
chende, wie bei den Fischen, bei den einen Rückgrat, bei den anderen aber Graupen.

654b27 – 32
Um die Knochen ist ringsherum das Fleisch angewachsen, mit zarten und faserigen
Bändern darangesetzt, derentwegen die Art der Knochen existiert. Denn wie die, die
aus Ton ein Lebewesen formen oder aus einer anderen weichen Verbindung, etwas
aus festen Körpern zugrundelegen, und es dann so ringsherum kleben, hat die Natur
auf die gleiche Weise aus dem Fleisch das Lebewesen erschaffen.

33. Diokles von Karystos – (Pseudo‐)Dioscorides De venenatis animalibus,


Proem 90 – 108 (47 – 49 Sprengel)
Das vorliegende Fragment von Diokles von Karystos wird von Galen zum Beleg seiner
eigenen Argumentation über toxikologische Methodologien herangezogen. Seine
These lautet: Kleine, kaum sichtbare veränderte Faktoren am menschlichen Körper,
können große Veränderungen am ganzen Körper nach sich ziehen. Der Autor scheint
eine Unterscheidung zwischen individuellen Naturzuständen von Dingen und ihrer
Art und Weise der Manifestation in der aktuellen medizinischen Praxis zu machen. Er
setzt sich mit dichotomen Sichtweisen bezüglich der Methodologie der Toxologie
auseinander und kritisiert gleichsam die Position der Empiriker wie auch der Me-
thodiker. Indes verfolgt er selbst ein hochgestecktes Ziel, indem er die Toxologie als
Quellen 907

eigenständige wissenschaftliche Disziplin etablieren will, weshalb er auf Diokles von


Karystos und Erasistratos verweist.¹⁶⁹
Grundlegend ist die Frage nach obskuren Erscheinungen, die durch διαφέρουσιν
τοῖς αἰσθήσεσιν näher qualifiziert werden. Das Subjekt von διαφέρουσιν ist unklar, da
der Satz elliptisch konstruiert ist. Dadurch, dass δέ eine Konjunktion ist, die koordi-
nierende Funktion hat, muss ein Partizip eingefügt werden, das mit ἀτενίσας in dem
zweiten Teil korrespondiert. Ein Verweis auf „Dinge, die man sehen kann“ (βλέψας)
scheint vom Kontext des Textes nahezuliegen. Möglicherweise sind die damit „ob-
skuren Dinge, Dinge, die man nicht sehen kann“ gemeint.¹⁷⁰ Trotzdem bleibt unklar,
was sie unterscheidet. Zwei Übersetzungen scheinen möglich: (1) Sie sind „unter-
einander unterschieden“, d. h. sie sind für die Sinneswahrnehmung unterschiedlich
wahrnehmbar. Problematisch scheint dann nur die Deutung von μέν – δε, das in
diesem Zusammenhang nicht als kontrastierend aufgefasst werden könnte. Diese
Interpretation wäre indes nur dann plausibel, wenn man die Einfügung von ἀπὸ τῶν
ἰδίων der Handschrift L mit berücksichtigt.¹⁷¹ (2) Oder aber man übersetzt mit „diese
sind für die Sinne verschiedenartig“. Hier liegt die Differenz in der Winzigkeit des
Bisses, d. h. sie sind oft erst durch das, was sie auslösen, sichtbar.¹⁷²

ἱκανῶς δὲ ἐφώδευσε τοὺς τρόπους Διοκλῆς ἐν τῷ πρὸς Πλείσταρχον ὑπομνήματι,


γράφων ταῦτα κατὰ λέξιν. Γνοίη δ’ ἄν τις τοῦτο καὶ ἐπ’ ἄλλων οὐκ ὀλίγων καὶ ἐπὶ τῶν
ἐχιδνῶν καὶ σκορπίων καὶ ἑτέρων τοιούτων, ἀτενίσας δὲ ὡς ἄδηλα καὶ μικρὰ τὸ γένος
ὄντα, μεγάλων αἴτια κινδύνων καὶ πόνων γίνεται· ὧν οὐδὲ ἰδεῖν ἔνια ῥᾴδιον παρά τινα
σμικρότητα καὶ ἰσχὺν ἀπολειπομένην αὐτοῖς ἀπὸ τῶν ἄλλων θηρίων· ὁπηλίκον γάρ τι
νομίζειν τὸ μέγεθος, ὅσον ἀπὸ τῆς πληγῆς, τοῦ σκορπίου καὶ τῶν ἄλλων τῶν τοιούτων
τῇ σαρκὶ λυμαινομένων; ὧν τὰ μέν ἐστι ποιοῦντα πόνον ἰσχυρὸν, τὰ δὲ σήποντα, τὰ δὲ
κτείνοντα συντόμως· ἢ τὸ διὰ τοῦ φαλαγγίου δήγματος ἐνιέμενον καὶ ὅλον τὸ σῶμα
διαπονούμενον; οὐδὲ γὰρ ἂν διαγνῶναι τὸ μέγεθος αὐτῶν δύναιτό τις, διὰ τὸ παν-
τάπασιν εἶναι μικρόν. Ὅτι μὲν οὖν πρὸς τὰς διαθέσεις ταῦτά ἐστιν, ὡμολόγηται παρὰ
πάντων· ὅτι δὲ καὶ ἀκριβῶς κατείληπται, τῷ τὴν δύναμιν αὐτῶν γενέσθαι τινὰ φθο-
ροποιὸν, ἥτις καταμιγνυμένη τοῖς σώμασιν αἰτία τῶν συμβαινόντων κακῶν γίνεσθαι
συγκεχώρηται, καὶ τοῦτο πεπίστευται.

In seiner Denkschrift an Pleistarchos hat Diokles sich hinreichend diesen Weisen


zugewendet, indem er dies wörtlich aufschrieb. Man dürfte dies wohl an nicht we-
nigen anderen erkennen, besonders an den Nattern, Skorpionen und anderen der-
artigen, wenn man beachtet, dass, obwohl sie von der Art her unbedeutend und klein
sind, sie die Ursache großer Gefahren und Nöte sind. Einige von ihnen sind wegen

 Siehe van der Eijk, Diocles of Carystus II, 175 – 177.
 Siehe zudem Aristot. gen. an. V 7. 788a11– 12; Aristot. mot. an. VI 701b25; CH Aff. 33 (VI 244 Littré).
 Siehe hierzu Sprengel, Dioscurides et Pseudo-Dioscurides, 47– 49.
 Vgl. dazu Touwaide, Botanique et philologie, 25 – 44, idem., „Les deux traités de toxicologie at-
tribués à Dioscuride“, 291– 336 bes. 292 f.
908 Kapitel XIII: Σάρξ

ihrer Kleinheit auch nicht leicht zu sehen und da sie an Schwere anderen Lebewesen
nachstehen. Denn für wie groß ist die Größe zu halten, wie groß vom Schlag her des
Skorpions und der anderen derartigen [Lebewesen], wenn sie dem Fleisch schaden?
Von denen bewirken die einen plötzlich starke Qual, die anderen aber eitrige, wieder
andere in kurzer Zeit tödliche. Oder das, was durch den Biss der Spinne hineinge-
sendet wird, was den gesamten Körper in Schmerzen versetzt? Denn es könnte wohl
niemand deren Größe bestimmen, weil sie ganz und gar klein ist. Dass es sich nun in
Bezug auf die körperlichen Bedingungen so verhält, dürfte von jedem zugegeben
werden. Dass aber auch genau verstanden wird, dass, wem deren zerstörerische Kraft
begegnet, die den Körpern beigemischt wird, sie möglicherweise Ursache von Übel
wird, auch dies glaubt man.

VI. Fleisch und Nahrung

34. Hi 33,20 – 21
πᾶν δὲ βρωτὸν σίτου οὐ μὴ δύνηται προσδέξασθαι *καὶ ἡ ψυχὴ αὐτοῦ βρῶσιν ἐπιθυ-
μήσει, ἕως ἂν σαπῶσιν αὐτοῦ αἱ σάρκες καὶ ἀποδείξῃ τὰ ὀστᾶ αὐτοῦ κενά· Schwerlich
kann er jede Speise annehmen, und sie (seine Seele) wird Speise begehren, bis sein
Fleisch verfault ist,¹⁷³ und er seine nackten Knochen zeigt.

35. Anaxagoras Fragment 46 (Diels II.18 = Aristoteles de gen. et corr. 1. 314a 18


und Aëtius I 3.5)
In der griechischen philosophischen Tradition spielen Überlegungen zu der Funktion
der Nahrung eine zentrale Rolle. Auch wenn sich diese Überlegungen der Naturphi-
losophie zuordnen lassen, so ist doch die Variation der Deutungen groß. Nahrung
wird hauptsächlich aus der Perspektive des Verzehrs gedeutet, aber ebenso aus der
des Vegetativen, das sich zu seiner Umwelt ins Verhältnis setzt. Zusätzlich zu diäte-
tischen Fragestellungen werden in der Debatte physiologische Aspekte der Assimi-
lation als einer konstanten Wiedererneuerung des Organismus und seines Wachstums
reflektiert.
Einer der ersten Philosophen, die sich mit diesen Fragen befasst haben, ist
Anaxagoras (Z.2– 3).¹⁷⁴ Seine grundlegende Frage ist, wie solch unterschiedliche
Dinge wie Haare, Arterien und Fleisch (Z.5,6,10) sich aus so simpler Ernährung wie
Brot und Wasser ausbilden können. Die interpretative Tradition verbindet diese Frage
häufiger mit der Schöpfung aus dem Nichts, deren Anfangspunkt in der sogenannten
Präformationslehre begründet liegt.¹⁷⁵ Diese Theorie geht davon aus, dass alle für den

 „Bis sein Fleisch verfault ist“ findet sich wörtlich in 19,20, der Rede des Elius. Damit bezieht der
Übersetzer des Textes die beiden Reden, die des Elius und die Hiobs, eng aufeinander.
 Siehe zur weiterführenden detaillierten Kommentierung den hervorragenden Kommentar zu
Anaxagoras von Malcolm Schofield, An Essay on Anaxagoras.
 Siehe Tsouypoulos, Die Hippokratische Schrift Περὶ τροφῆς, 78.
Quellen 909

Körper lebenswichtigen Ingredienzen schon in der Nahrung enthalten seien. Dies gilt
für die Blutpartikel, die für die Fleischbildung zentral sind (Muskeln und Nerven),
ebenso wie für die Knochen.

ὁ μὲν γὰρ τὰ ὁμοιομερῆ στοιχεῖα τίθησιν οἷον ὀστοῦν καὶ σάρκα καὶ μυελὸν καὶ τῶν
ἄλλων, ὧν ἑκάστου συνώνυμον τὸ μέρος ἐστίν. Aëtius I 3, 5 (D. 279) ᾿A. Ἡγησιβούλου ὁ
Κλαζομένιος ἀρχὰς τῶν ὄντων τὰς ὁμοιομερείας ἀπεφήνατο. ἐδόκει γὰρ αὐτῶι ἀπο-
ρώτατον εἶναι, πῶς ἐκ τοῦ μὴ ὄντος δύναταί τι γίνεσθαι ἢ φθείρεσθαι εἰς τὸ μὴ ὄν.
τροφὴν γοῦν προσφερόμεθα ἁπλῆν καὶ μονοειδῆ, ἄρτον καὶ ὕδωρ, καὶ ἐκ ταύτης
τρέφεται θρὶξ φλὲψ ἀρτηρία σὰρξ νεῦρα ὀστᾶ καὶ τὰ λοιπὰ μόρια. τούτων οὖν
γιγνομένων ὁμολογητέον ὅτι ἐν τῆι τροφῆι τῆι προσφερομένηι πάντα ἐστὶ τὰ ὄντα, καὶ
ἐκ τῶν ὄντων πάντα αὔξεται. καὶ ἐν ἐκείνηι ἐστὶ τῆι τροφῆι μόρια αἵματος γεννητικὰ
καὶ νεύρων καὶ ὀστέων καὶ τῶν ἄλλων· ἃ ἦν λόγωι θεωρητὰ μόρια. οὐ γὰρ δεῖ πάντα
ἐπὶ τὴν αἴσθησιν ἀνάγειν, ὅτι ἄρτος καὶ τὸ ὕδωρ ταῦτα κατασκευάζει, ἀλλ’ ἐν τούτοις
ἐστὶ λόγωι θεωρητὰ μόρια. ἀπὸ τοῦ οὖν ὅμοια τὰ μέρη εἶναι ἐν τῆι τροφῆι τοῖς γεν-
νωμένοις ὁμοιομερείας αὐτὰς ἐκάλεσε καὶ ἀρχὰς τῶν ὄντων ἀπεφήνατο, καὶ τὰς μὲν
ὁμοιομερείας ὕλην, τὸ δὲ ποιοῦν αἴτιον νοῦν τὸν πάντα διαταξάμενον. ἄρχεται δὲ
οὕτως· ‘ὁμοῦ πάντα χρήματα ἦν, νοῦς δὲ αὐτὰ διέκρινε καὶ διεκόσμησε’, χρήματα
λέγων τὸ πράγματα· ἀποδεκτέος οὖν ἐστιν, ὅτι τῆι ὕληι τὸν τεχνίτην προσέζευξεν.

Denn er bestimmt die aus ähnlichen Teilen bestehenden Urstoffe, wie Kno-
chen, Fleisch und Mark, als Grundstoffe auch der anderen Dinge, deren Bestandteil
gleichnamig mit jedem einzelnen selbst ist. [Anaxagoras] der Klazomenier, Sohn des
Hegesiboulos, zeigte, dass die aus ähnlichen Teilen bestehenden Elemente Anfänge
der seienden Dinge sind. Denn es schien ihm äußerst schwierig zu sein, dass etwas
aus dem nicht Seienden werden könne oder in das nicht Seiende vergehe.Wir nehmen
nun einfache Nahrung einer Sorte zu uns, Brot und Wasser, und aus dieser nähren sich
das Haar, die Vene, die Arterie, das Fleisch, die Nerven, die Knochen und die übrigen
Teile. Da diese nun entstehen, muss man übereinstimmend sagen, dass in der ver-
zehrten Speise alles Seiende enthalten ist, und aus den seienden Dingen alles wächst.
Und in jener Nahrung sind auch blutbildende Teile, auch Teile für die Nerven und
Knochen und die anderen Dinge; diese Teile können mit dem Verstand betrachtet
werden. Denn man muss nicht alles auf die Wahrnehmung zurückführen, dass das
Brot und das Wasser diese Dinge fertigen, sondern die mit dem Verstand betrachteten
Teile befinden sich in diesen. Daher nun sagte er, die Teile in der Nahrung seien gleich
den erzeugten, und er nannte sie aus gleichen Dingen bestehende Urstoffe und er-
klärte sie als Anfang der seienden Dinge. Und die einen gleichteiligen seien das Ma-
terial, und die schaffende Ursache sei der Verstand, der alles angeordnet hat. Er be-
ginnt aber so: alle Sachen waren zusammen, der Verstand unterschied sie und ordnete
sie an. Dabei bezeichnete er die Dinge als Sachen. Nun ist zu beweisen, dass er den
Handwerker an das Material gebunden hat.
910 Kapitel XIII: Σάρξ

36. Corpus Hippocraticum De morbis popularibus VI 5,5.1 – 5 (316.5 – 9 Littré)


Den folgenden Aphorismus rechnet man zu den diätetischen Aphorismen, deren
Konzepte häufiger in (dichotomen) Paaren zum Ausdruck kommen. Als zweites Paar
neben warm und feucht¹⁷⁶ wird das Paar Nahrungsaufnahme und Arbeit genannt.
Der Autor von De morbis popularibus VI 4.18 belegt vor diesem Hintergrund den fol-
genden Satz: „Gesundheitsvorsorge – iss nicht zu viel und arbeite gern.“¹⁷⁷ Aphoris-
mus VI 5,1– 5 (IV 564 Littré) verlagert das diätetische Paar von Arbeit und Nahrung auf
eine anatomische Ebene. Arbeit ist an dieser Stelle mit den Extremitäten und den
fleischlichen Teilen des Körpers verbunden (ἄρθρα, Z.2; σάρκες, Z.3), die manchmal
als äußere Teile des Körpers bezeichnet werden, während Nahrung (σῖτος; Z.3) sich auf
die inneren Teile (ἔσωθεν) des Körpers bezieht. Folgt man dem Ansinnen des Apho-
rismus, dann kann die Konsistenz der fleischlichen Teile durch Anstrengungen wie
etwa Gymnastik oder körperliche Arbeit verändert werden, indem ihre Temperatur
und die der Extremitäten erhöht werden. Nahrung in Form kalten Wassers hat dem-
gegenüber einen kühlenden Effekt in den inneren Teilen des Körpers.
„Nahrung aus Getreide“¹⁷⁸ (σῖτος) und „körperliche Arbeit“¹⁷⁹ (πόνος; Z.2) sind in
einem stärker metaphorischen Sinn die Träger der lebenswichtigen Wärme (θερμός).
Dabei ist Nahrung als diejenige Kraft (δύναμις) zu verstehen, die die internen Teile des
Körpers stützt und Körperertüchtigung als eine solche, die den äußeren Teil des
Körpers festigt. Daraus ergibt sich für die Deutung von Fleisch (σάρξ), dass die kör-
perliche Anstrengung die Kraft der Muskeln und Extremitäten nachhaltig stärkt,
während sie zudem die Temperatur des Fleisches reguliert. Der folgende Abschnitt
adressiert die Frage nach der richtigen Temperatur, der zentrale Bedeutung für die
Organe als auch für das Fleisch und selbst für die Seele zugemessen wird. Die se-
mantische Interpretation von wörtlich: „heftiges Gemüt“/„Jähzorn“¹⁸⁰ (ὀξυθυμίη) ist
in diesem Zusammenhang Gegenstand einer breiteren Forschungsdebatte: Wesley D.
Smith (LCL) schlägt „Zorn, Ärger, Wut oder Groll“ vor.¹⁸¹ Problematisch ist dieser
Vorschlag freilich, weil er in Kontrast zu εὐθυμίη aufgeführt wird, das eher als warm
oder ausgeglichen bestimmt werden sollte.
Hervorzuheben ist der Begriff „Umhergehen oder Spazierengehen“ (περίπατος) in
Zeile 4. Die Verwendung ist in dem Kontext angemessen, da er auf einen Spaziergang
als Möglichkeit gegenseitigen Austauschs, Diskussion und Argumentation verweist.
Der Begriff wurde der Name, nach denen Gellius Aulus die „morgendlichen und

 In CH De victu 3 f., werden im Gegensatz dazu „warm“ und „kalt“ als gegenteilige Paare des
Konzepts gehandhabt.
 Siehe zudem CH Aphor. VI 4,23 (IV 532 Littré) und VI 5,15 (IV 534.1– 3 Littré).
 LSJ, Greek Lexicon, „Art. σῖτος“, 1602.
 In medizinischen Texten kommt πόνος des öfteren die Konnotation Schmerz zu; siehe dazu CH
Aphor. II 46 (IV 482 Littré); CH Acut. 39 (II 526.6 – 528.5 Littré) und häufiger im hippokratischen Corpus;
Soranus Gyn. I 27 (CMG IV 17,22– 18,8) und öfter; Alex. Aphr. Quaest. 125.33; Galen XVII 2.699 Kühn.
 LSJ, Greek Lexicon, „Art. ὀξυθυμία“, 1235.
 Smith, Hippocrates VII, 268.
Quellen 911

abendlichen Vorlesungen des Aristoteles“¹⁸² (20.5.5) benannte. Galens Kommentar


verzeichnet an dieser Stelle eine Variante, περὶ παντός, der er freilich nicht folgt. Diese
Variante weist auf die Rolle der Seele beim Nachdenken über alles Mögliche hin, doch
lässt sich diese Interpretation nicht mit dem Kontext zusammenbringen, in welchem
körperliche Belastung den „inneren“ Menschen ernähre.

Ὁκόσα δὲ ἐκ θυμοῦ, ταῦτα· ὀξυθυμίη ἀνασπᾷ καρδίην καὶ πλεύμονα ἐς ἑωυτὰ, καὶ ἐς
κεφαλὴν τὰ θερμὰ καὶ τὸ ὑγρόν· ἡ δ’ εὐθυμίη ἀφίει καρδίην. Πόνος, τοῖσιν ἄρθροισι καὶ
σαρκὶ σῖτος, ὕπνος σπλάγχνοισιν. Ψυχῆς περίπατος, φροντὶς ἀνθρώποισιν.

Die vom Gemüt her stammen sind diese: Der Jähzorn reißt das Herz und die Lunge in
sie selbst hinein, und zum Kopf hin die Wärme und das Feuchte. Die Freude aber
befreit das Herz. Körperliche Arbeit ist Nahrung für die Gelenke und das Fleisch [und]
Schlaf für die inneren Organe. Das Nachdenken bei den Menschen ist ein Spazier-
gang/eine Übung für die Seele.

37. Corpus Hippocraticum De alimento 2,1 – 3,2 (100.4 – 9 Littré)


Der Autor von De alimento hat in Auseinandersetzung mit Anaxagoras und Aristoteles
und weiteren eine Reihe von Aphorismen verfasst, die sich des Stils des Herakleitos
bedienen.¹⁸³ Thema des ersten Satzes ist die Wirkung der Nahrung, besonders bei der
Bildung des Fleisches, und die Art und Weise der Ernährung: das Assimilieren und
Dissimilieren.¹⁸⁴ Das „Wie“ der Nahrungsverarbeitung richtet sich nach den physio-
logischen Phänomenen der Ernährung, der Eigenart eines Organs einerseits und ihrer
ursprünglichen Kraft (Assimilierung) andererseits, womit er von Aristoteles den Be-
griff der δύναμις aufnimmt.
Die Nahrung ist das aktive Prinzip, das das in jedem Körperteil befindliche sich
gleich oder ungleich macht und sie ist es selbst, die die Kraft des Assimilierens und
Dissimilierens in sich trägt. Nahrung wird dementsprechend verstanden als Gleiches
zu Gleichem und Entgegengesetztes zu Entgegengesetztem.
Von Galen wird die genannte Theorie weitergeführt,¹⁸⁵ indem er die Annahme
anerkennt, dass Organe verwandte Stoffe assimilieren und die fremdartigen Stoffe
ausgeschieden werden.Wesentlich ist freilich, dass diese beiden δυνάμεις weniger der
Nahrung, als vielmehr den Organen selbst zukommen. Man nennt das die galenische
Homoiosis-Alloiosis-Theorie.

 LSJ, Greek Lexicon, „Art. περίπατος“, 1382 mit Verweisen zu Gellius.
 Siehe dazu den Kommentar von R. Joly, Hippocrate. Du Régime des maladies aigues, 136, der
schreibt: „Ce qui nous frappe dans l’aliment, ce n’est sûrement pas une doctrine techniquement
précisée, mais plutôt, sous un vernis héraclitéen, des généralités et des banalités qui auraient l’accord
de beaucoup d’écoles.“
 Siehe Deichgräber, Pseudohippokrates. Über die Nahrung, 18 f.
 Vgl. speziell Gal. Nat.Fac. I 12 Kühn und Alim.Fac. I 19 (CMG V 4,2, 208,1).
912 Kapitel XIII: Σάρξ

Die Verben „stark sein (κρατέω)“¹⁸⁶ und „obsiegen (ἐπικρατέω)“¹⁸⁷ in Zeile drei
verweisen auf eine zentrale Konzeption von Nahrung, nicht nur in diesem Textab-
schnitt, sondern im Corpus Hippocraticum als Ganzem. In der Übersetzung der Loeb
Classical Library, verändert Jones das aktive Verbum ἐπικρατέω zu einem passiven
ἐπικρατῆται und bezieht dieses auf die ankommende Nahrung, die über diejenige
Nahrung obsiege, die schon in den Teilen vorhanden ist.¹⁸⁸ Problematisch an dieser
Interpretation ist freilich, dass innerhalb des Corpus Hippocraticum ¹⁸⁹ Nahrung, die
den Körper besiegt, nicht Resultat der Ernährung, sondern vielmehr von Krankheit
ist, sodass man dieser Übersetzung mit einer gewissen Vorsicht begegnen sollte.¹⁹⁰
Bemerkenswert ist das Wortfeld und dessen Bedeutung für dieses Textstück freilich
noch aus einem anderen Grund: κρατέω und ἐπικρατέω lediglich auf das semantische
Wortfeld von obsiegen oder überwinden zu beziehen, vernachlässigt das volle Spek-
trum des Verbs, das auch die Bedeutung „nehmen“, „ergreifen“ oder „schnell er-
greifen“ tragen kann. Somit bezieht sich die Metapher der Nahrung nicht nur auf die
metaphorische Deutung einer Armee, die siegt, sondern auch auf Ringer, die sich
ergreifen und aneinander festkrallen. Die Vergleichbarkeit des Bildes der beiden Sätze
liegt auf der Hand: die herankommende Nahrung ergreift (κρατέῃ) die vorhandene
Nahrung in einem Körperteil und die schon da gewesene ergreift (ἐπικρατέῃ) jene
wiederum, um Fleisch (σάρξ) aufzubauen.

Αὔξει δὲ καὶ ῥώννυσι καὶ σαρκοῖ καὶ ὁμοιοῖ καὶ ἀνομοιοῖ τὰ ἐν ἑκάστοισι κατὰ φύσιν
τὴν ἑκάστου καὶ τὴν ἐξ ἀρχῆς δύναμιν. Ὁμοιοῖ δὲ ἐς [φύσιν καὶ] δύναμιν, ὁκόταν
κρατέῃ μὲν ἡ ἐπεισιοῦσα, ἐπικρατέῃ δὲ ἡ προϋπάρχουσα.

Sie vermehrt und stärkt und versieht mit Fleisch und macht gemäß der Natur jedes
einzelnen und der anfänglichen Kraft die Teile in jedem einzelnen gleich und un-
gleich. Es macht in [Natur und] Kraft gleich, sobald die hinzukommende [Nahrung]
stark ist, die zuvor vorhandene aber obsiegt.

38. Galen De placitis Hippocratis et Platonis III 1 (170,16 – 20 de Lacy = SVF II 885)
ταύτης οὖν τῶν μερῶν ἑκάστῳ διατεταγμένων μορίῳ τὸ διῆκον αὐτῶν εἰς τὴν τρα-
χεῖαν ἀρτηρίαν φωνὴν εἶναι, τὸ δὲ εἰς ὀφθαλμοὺς ὄψιν, τὸ δὲ εἰς ὦτα ἀκοήν, τὸ δ’ εἰς
ῥῖνας ὄσφρησιν, τὸ δ’ εἰς γλῶτταν γεῦσιν, τὸ δ’ εἰς ὅλην τὴν σάρκα ἁφὴν […].

 LSJ, Greek Lexicon, „Art. κρατέω II b“, 991.


 LSJ, Greek Lexicon, „Art. ἐπικρατέω II“, 640; das Verbum wird häufig in militärischen Kontexten
gebraucht.
 Jones, Hippocrates I, 343.
 Siehe beispielsweise Vict. I 30.
 Siehe CH Loc.Hom. 43 (VI 336.9 – 338.5); Affect. 47 (IV 254.22– 258.16); Vict. I 2 (VI 468.6 – 472.11);
CH VM 14 (I 600.7– 604.11).
Quellen 913

Sie [die Seele] hat Teile, die den einzelnen Gliedern [des Körpers] zugeordnet sind. Den
Teil von ihr, der in die Luftröhre reicht, nennen wir Stimme, den Teil, der nach den
Augen geht, Gesicht, den nach den Ohren, Gehör, den nach der Nase Geruch, den nach
der Zunge Geschmack, den aber, der sich durch das ganze Fleisch verbreitet, Tast-
sinn […].

VII. Fleisch und Begierde

Epikur
Epikurs Aussagen zum ‚Fleisch‘ (σάρξ) sind eingebunden in seine grundsätzliche
Sichtweise auf Lust und Schmerz, die er als Möglichkeit der Gefühlslage eines Men-
schen deutet. Eine ‚neutrale’ Gefühlslage des Menschen gebe es nicht (Usener fr. 450 –
453; womit er sich von den Kyrenaikern unterscheidet). ‚Lust‘ (ἡδονή) wird bei ihm
nicht negativ bewertet, sondern ist indes Ziel jeglichen glücklichen Lebens (Diog.
Laërt. X 34; X 128), indem er absolute Freiheit von Schmerz mit Lust gleichsetzen kann.
Die Lust wird nochmals komplementär in eine ‚fleischliche‘ und eine ‚vernünftige‘
Lust unterschieden (siehe Diog. Laërt. X 131 ff.); während die ‚fleischliche‘ Lust auf
Dauer ihre Wirkung entfaltet (= statische, katastematische Lust; voluptas stabilis;
καταστηματικὴ ἡδονή), wird die ‚vernünftige‘ Lust lediglich vorübergehend empfun-
den (= kinetische Lust; voluptas in motu; ἡδονὴ ἐν κινήσει). Und noch ein Aspekt
unterscheidet die beiden Formen des Lustempfindens: Während die fleischliche Lust
lediglich in der Gegenwart ihre Wirkung entfalten kann (Diog. Laërt. X 137), kann die
‚geistige‘/‚vernünftige‘ Lust auf vergangene, gegenwärtige und zukünftige Lust be-
ziehen. Als ‚geistige‘/‚vernünftige‘ Lust kann sich die denkende Seele auch langan-
haltende Schmerzen reflektierend annehmen. Die denkende Seele ist es auch, die eine
Unterscheidung zwischen unterschiedlichen Formen der Begierden unterscheiden
kann und den notwendigen nachgehe; notwendig sind solche Begierden, die die
Abläufe des Körpers/Fleisches nicht stören (Epik. Men. 127). Obgleich Epikur die Be-
deutung der Vernunft betont, berücksichtigt er dennoch die ‚Fleischlichkeit‘. Gleich-
wohl wendet sich Epikur gegen Streben nach Lust, das unbegrenzt gelten soll, denn
dieses wiederum kann nicht die Grundlage einer vernünftigen Reflexion sein. In
diesem Sinne kann Epikur ‚Lust‘ und ‚Begierde‘ auch negativ bestimmen, als Abwe-
senheit von Schmerz (dieses wiederum steht dem ‚Sein-dürfen‘ entgegen).

39. Epikur Porphyrius ad Marcum 30 (Usener 200; Fragment 19)


᾿Aφυσιολόγητον μηδὲν ἡγοῦ βοώσης τῆς σαρκὸς βοᾶν τὴν ψυχήν. σαρκὸς δὲ φωνή· μὴ
πεινῆν, μὴ διψῆν, μὴ ῥιγοῦν. καὶ ταῦτα τῇ ψυχῇ χαλεπὸν μὲν κωλῦσαι […].
914 Kapitel XIII: Σάρξ

Halte es nicht für unerklärbar, dass, wenn das Fleisch ruft, auch die Seele ruft. Das ist
indes die Stimme des Fleisches: Nicht hungern, nicht dürsten, nicht frieren. Diesen
Bedürfnissen zu widerstehen, ist schwierig für die Seele […].¹⁹¹

40. Epikur Sententia 4


Οὐ χρονίζει τὸ ἀλγοῦν συνεχῶς ἐν τῇ σαρκί, ἀλλὰ τὸ μὲν ἄκρον τὸν ἐλάχιστον χρόνον
πάρεστι, τὸ δὲ μόνον ὑπερτεῖνον τὸ ἡδόμενον κατὰ σάρκα οὐ πολλὰς ἡμέρας
συμβαίνει· αἱ δὲ πολυχρόνιοι τῶν ἀρρωστιῶν πλεονάζον ἔχουσι τὸ ἡδόμενον ἐν τῇ
σαρκὶ ἤπερ τὸ ἀλγοῦν.

Man spürt nicht ununterbrochen im Fleisch, was schmerzt; vielmehr ist der größte
Schmerz nur von kurzer Dauer. Derjenige Schmerz, der die Lust im Fleisch kaum
übersteigt, hält nicht viele Tage lang an. Aber langwierige Krankheiten gewähren
mehr Lust im Fleisch als Schmerz.

41. Epikur Sententia 18


Οὐκ ἐπαύξεται ἐν τῇ σαρκὶ ἡ ἡδονή, ἐπειδὰν ἅπαξ τὸ κατ’ ἔνδειαν ἀλγοῦν ἐξαιρεθῇ,
ἀλλὰ μόνον ποικίλλεται. τῆς δὲ διανοίας τὸ πέρας τὸ κατὰ τὴν ἡδονὴν ἀπεγέννησεν ἥ
τε τούτων αὐτῶν ἐκλόγισις καὶ τῶν ὁμογενῶν τούτοις, ὅσα τοὺς μεγίστους φόβους
παρεσκεύαζε τῇ διανοίᾳ.

Die Lust im Fleisch wird nicht größer, sobald/wenn einmal der schmerzende Mangel
beseitigt ist, sondern lediglich vielfältiger. Das Denken hat in Hinblick auf die Lust
seine Grenzen erreicht, wenn man alles das genau erläutert, was damit verwandt ist
und was dem Denken die größte Furcht bereitete.

42. Epikur Sententia 20


Ἡ μὲν σὰρξ ἀπέλαβε τὰ πέρατα τῆς ἡδονῆς ἄπειρα καὶ ἄπειρος αὐτὴν χρόνος
παρεσκεύασεν· ἡ δὲ διάνοια τοῦ τῆς σαρκὸς τέλους καὶ πέρατος λαβοῦσα τὸν ἐπιλο-
γισμὸν καὶ τοὺς ὑπὲρ τοῦ αἰῶνος φόβους ἐκλύσασα τὸν παντελῇ βίον παρεσκεύασε,
καὶ οὐθὲν ἔτι τοῦ ἀπείρου χρόνου προσεδεήθη·

Das Fleisch sieht die Grenzen der Lust als unbegrenzt und unbegrenzt ist die Zeit, in
der es sie empfindet. Aber das Denken, das das Ziel und die Grenzen des Fleisches
verstanden und die Furcht über die Ewigkeit vertrieben hat, ermöglicht ein vollkom-
menes Leben und hat gar kein Bedürfnis mehr nach einer ewigen/unbegrenzten Zeit.

 Siehe ähnlich gnom. 33: „Das ist indes die Stimme des Fleisches: Nicht hungern, nicht dürsten,
nicht frieren. Wer dieses hat und hofft, dass er es auch in Zukunft besitze, könnte gar ‹Zeus› die
Glückseligkeit streitig machen.“
Quellen 915

43. Epikur Gnomologium Vaticanum 4


Πᾶσα ἀλγηδὼν εὐκαταφρόνητος· ἡ γὰρ σύντονον ἔχουσα τὸ πονοῦν σύντομον ἔχει
τὸν χρόνον, ἡ δὲ χρονίζουσα περὶ τὴν σάρκα ἀβληχρὸν ἔχει τὸν πόνον.

Jeder Schmerz ist leicht zu verachten. Denn wenn er schweres Leiden bedeutet, dauert
er nur kurze Zeit. Wirkt er aber über lange Zeit im Fleisch, bedeutet er nur schwaches
Leiden.

44. Marc Aurel Meditationes 2.2.1 – 3


Die traditionelle stoische Doktrin der maßvollen Sorge um den eigenen Körper fin-
den wir ausgeprägt auch in den Meditationes Marc Aurels, der sich die Haltung Epi-
kurs aneignet.¹⁹² Es ist sicherlich grundlegend, dass Marc Aurel auf einer triadischen
Anthropologie basiert: σῶμα, ψυχή und νοῦς.
Freilich ist zunächst bemerkenswert, dass Marc Aurel nicht nur den Körper/das
Fleisch in einem Diminutiv nennt, σάρκιον, sondern auch das Atemhäuchlein,
πνευμάτιον, und das Seelchen, ψυχάριον. Körper/Fleisch, Atem und Seele werden
strikt stoisch als materielle Bestandteile des Körpers begriffen, die lediglich in einer
Verkleinerungstendenz gedacht werden können. Die Welt des Körperlichen scheint
dementsprechend immer kleiner zu werden. Rutherford spricht hier von einem „Blick
von oben“.¹⁹³ Dagegen stellt Marc Aurel den Verstand und die inwendig-(göttliche)
Kraft als ἡγεμονικόν, eine Art „göttlichen Schutzraum“ gegen die materielle Körper-
welt. Im Gegensatz zu Seneca bleibt der innere Raum auch während der Krankheit
völlig unbeschadet.¹⁹⁴ Über den inneren Raum äußert sich Marc Aurel in dem 10. Ka-
pitel seiner Meditationes ausführlicher: „Sei dessen eingedenk, dass dasjenige, das die
Fäden in der Hand hält, jenes ist, das im Inneren verborgen ist: Mit jenem ist Tätigkeit,
Leben, wenn es auf den Punkt gebracht werden soll, der Mensch gemeint. Stelle Dir
das Umfasste niemals einem Gefäß gleich vor, noch die Werkzeuge als solche, die
rings herum angeklebt worden sind. Denn sie sind einer Axt vergleichbar, von der sie
sich allein darin unterscheiden, dass sie angewachsen sind. Denn getrennt von der
Ursache, die sie bewegt und die sie zurückhält, nützt keiner dieser Teile mehr als das
Weberschiffchen der Weberin, der Griffel dem Schreiber und die Peitsche dem Wa-
genlenker.“¹⁹⁵ Gleichsam ist auch die Art und Weise, wie Marc Aurel hier den Körper

 Für das Folgende lege ich S. Jäkel, Marcus Aurelius’s Concept of Life (Turku: Turun Yliopiston
julkaisuja 195, 1991), besonders 5 – 21, zugrunde.
 R.B. Rutherford, The Meditations of Marcus Aurelius. A Study (Oxford: Clarendon, 1989), 155 ff.
 Siehe beispielsweise Med. 3.16.3.
 Meditationes 10 38.1.1– 8: Μέμνησο ὅτι τὸ νευροσπαστοῦν ἐστιν ἐκεῖνο τὸ ἔνδον ἐγκεκρυμμένον·
ἐκεῖνο ἐνέργεια, ἐκεῖνο ζωή, ἐκεῖνο, εἰ δεῖ εἰπεῖν, ἄνθρωπος. Μηδέποτε συμπεριφαντάζου τὸ περι-
κείμενον ἀγγειῶδες καὶ τὰ ὀργάνια ταῦτα τὰ περιπεπλασμένα· ὅμοια γάρ ἐστι σκεπάρνῳ, μόνον δια-
φέροντα, καθότι προσφυῆ ἐστιν. ἐπεί τοι οὐ μᾶλλόν τι τούτων ὄφελός ἐστι τῶν μορίων χωρὶς τῆς
κινούσης καὶ ἰσχούσης αὐτὰ αἰτίας, ἢ τῆς κερκίδος τῇ ὑφαντρίᾳ καὶ τοῦ καλάμου τῷ γράφοντι καὶ τοῦ
μαστιγίου τῷ ἡνιόχῳ.
916 Kapitel XIII: Σάρξ

beschreibt, erwähnenswert. Der Körper wird lediglich als Gefäß für die Organe gefasst.
Zahlreiche anschauliche Vergleiche beschreiben deren Funktionen. Diese erhalten das
Leben nur insofern aufrecht, als sie sich bewegen und stoppen und wieder bewegen.
Beschrieben werden sie z. B. als Verhältnis des Stifts zum Autor: der Autor (der kon-
krete Raum, die Seele) ist das Subjekt, dem Stift (Körper und Organe) kommt nur eine
instrumentale Funktion zu.

Ὅ τί ποτε τοῦτό εἰμι, σαρκία ἐστὶ καὶ πνευμάτιον καὶ τὸ ἡγεμονικόν. […] τῶν μὲν
σαρκίων καταφρόνησον· λύθρος καὶ ὀστάρια καὶ κροκύφαντος, ἐκ νεύρων, φλεβίων,
ἀρτηριῶν πλεγμάτιον.

Was ich denn bin, sind Fleischchen (pluralisch¹⁹⁶) und Atemhäuchlein und das lei-
tende Prinzip […] verachte das Fleischchen: Verklumptes Blut, Knöchelchen und ein
Verwebt-Sein aus Sehnen, Venen und Arterien zusammengeschlungen.

Weiterführende Literatur

Diels, Die Handschriften der antiken Ärzte I. Teil. Hippokrates und Galenos; Ermerins,
Prolegomena zu De libro de morbis primo; Craik, Places in Man; Heidel, „Hippocratea“,
178 ff.; Hippokrates. Über Entstehung und Aufbau des menschlichen Körpers (Deich-
gräber ed.); Janssen, Anders ist die Schönheit der Körper; Jewett, Paul’s Anthropological
Terms; Joly, Hippocrate, Du régime des maladies aiguës (Budé VI,2); Kullmann, Ari-
stoteles und die moderne Wissenschaft; idem, „Aristoteles’ Grundgedanken zu Aufbau
und Funktion der Körpergewebe“, 209 – 238; Lacey, „Οὐσία and Form in Aristotle“,
54– 59; Langholf, Medical Theories in Hippocrates. Early Texts and the Epidemics;
Lloyd, „The empirical basis of the physiology of the Parva Naturalia“; Manuli und
Vegetti, Cuore, sangue e cervello; Merleau-Ponty, Das Sichtbare und das Unsichtbare;
Oser-Grote, Aristoteles und das Corpus Hippocraticum: die Anatomie und Physiologie
des Menschen; Rivera, Poetics of the Flesh; Ryan, „Pure Form in Aristotle“, 209 – 224;
Sand, Der Begriff „Fleisch“; Schofield, An Essay on Anaxagoras; Solmsen, „Greek
Philosophy and the Discovery the of Nerves“, 150 – 97 = Kleine Schriften. Vol. 1, 536 – 582;
idem, Griechische Philosophie und die Entdeckung der Nerven in Antike Medizin;
Scornaienchi, Sarx und Soma bei Paulus; Tiedemann, Die Erfahrung des Fleisches;
Spoerri, „L’anthropogonie du Περὶ σαρκῶν (et Diodore, I 7,3 s.)“, 57– 70; Touwaide,
„Botanique et philologie: l’édition de Dioscoride de Kurt Sprengel“, 25 – 44 ; Touwaide,
„Les deux traités de toxicologie attribués à Dioscuride, tradition manuscrite établis-
sement du texte et critique d’authenticité“; Vegetti, „II de locis in homine fra Anass-
agora ed Ippocrate“, 193 – 213; Wittern, Die hippokratische Schrift De morbis I. Ausgabe,
Übersetzung und Erläuterungen; Empedocles. The extant fragments (ed.Wright).

 Die Pluralform findet sich zudem in der hippokratischen Schrift De carnibus.

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