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Heft 12
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Architektur Schweizer Ingenieur und Architekt Nr. 12, 26. März 1999 243
Monographie sucht man vergebens und Sichtbetonkirche in der Schweiz, die Basler Materialien wie Holz und Naturstein
auch in thematischer Literatur finden sich Antoniuskirche (1924). Imgleichenjahr in der Architekair der dreissigerjahre häufig
neben einigen Abbildungen nur objektbezogene erhielt Salvisberg den 1. Preis für das Berner anzutreffen sind. Mitverantwortlich
Angaben. Die Hauptquellen zu Lory-Spital (1926-29), das bei der gemacht für diese Tendenz wird die
Giacomettis CEuvre bilden somit die Einweihung als «das moderne Bauereignis»" Betonknappheit in Folge der Weltwirtschaftskrise
«Schweizerische Bauzeitung» sowie die gefeiert wurde. Die Vorzeichen waren und des Ausbruchs des zweiten
Architekturzeitschrift «Das Werk». Giacomettis damit gesetzt; bedeutende Vertreter der Weltkriegs. Zum andern wurde spätestens seit
Gesamtwerk, das sich uns über diese Schweizer Architektengilde - unter ihnen den zwanziger Jahren durch die Schweizerische
Quellen erschliesst, überrascht sowohl Giacometti - hatten den Weg eingeschlagen Vereinigung für Heimatschutz der
bezüglich der Qualität als auch der Vielfalt. zu einer «anderen Moderne». Regionalbezug in die Architekturdiskussion
Zu seinen vorwiegend in Zürich und Giacometti absolvierte ein Praktikum getragen. Diese Ereignisse konnten an
Graubünden realisierten Projekten zahlen bei Nicolaus Hartmann jun. in St. Moritz. Giacometti nicht spurlos vorbeigehen.
unter anderem Einfamilienhäuser, Hier kam er vermutlich erstmals in Kontakt
Siedlungen, Schul- und Gemeindehäuser, mit einer Architektur, die sich auf die Wohnhaus Dr. Stampa in Chur
Spitäler und Ausstellungsbauten.1 ortsüblichen Baustoffe zurückbesann. Beispielhaft für Giacomettis Art der
Stilistisch ist er als Architekt der Nachkriegs¬ Hartmann kam aus der Stuttgarter Schule Verschränkung von Moderne und regio-
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Architektur
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dem Stilwollen vergangener Epochen. len und Luxuriösen sind weitere Merkmale
Sträucher, Blumen, Amseln...
Dieses neue Freiraumverständnis war Grundlegend ist vielmehr der «neue schweizerischer Denkart im besten
Sinne.»s
im Gedankengut der Vertreter der Moderne Regionalismus» sowie die raumzeitliche
fest verankert. Ein eindrückücher Konzeption: «...die Art, wie Volumen in den Wie sich eine solche Architektur bei
Textbeleg dafür findet sich in Roths Besprechung Raum gestellt werden und zueinander in Giacometti konkretisiert, wurde bereits
der Wohnhäuser von Le Corbusier Beziehung treten, die Art, wie der Innenraum am Beispiel Wohnhaus Dr. Stampa dargelegt.
in der Weissenhofsiedlung: «Die Zeit der sich vom Aussenraum isoliert, oder Giacometti blieb insbesondere in
Gartenarchitektur ist vorbei. Der Garten wie er perforiert wird, um eine gegenseitige Raumorganisation und Volumetrie der
ist Natur ums Haus. Seine Elemente sind Durchdringung zu ermöglichen, all dies Moderne verpflichtet, in Material und Si-
Rasen, Bäume, Sträucher, Blumen, Wasser, sind Gemeinsamkeiten, die der heutigen tuierung der Gebäude in der Topographie
Amseln, Tauben, Schildkröten usw. Architektur zugrunde liegen.» bleiben mehr oder weniger starke Ortsbezüge
Die kristallinen Formen konkreten Denkens Nun versuchte auch die Schweizer spürbar.
gehen nicht über den Architekturkörper Architektur - spätestens seit der Landi 39
hinaus, sondern treffen hier auf ganz im Sinne Giedions und innerhalb der Wohnhäuser in Castasegna
gegensätzliche, Spannung bereitende internationalen Tendenzen - ihre nationale Von 1957-1959 realisierte Giacometti
Formen: die der Natur. ...» Position zu finden. Das universale, eine kleine Wohnsiedlung für die
internationale Moment in der modernen Angestellten der Bergeller Kraftwerke.9 Eingebettet
Giacomettis Baupläne zum Wohnhaus
Dr. Stampa zeigt die Gartengestaltung Architektur, den «neuen Regionalismus» im Kastanienwald, oberhalb des
mit Sitzplatz, Gemüsegarten, Weinberg diagnostizierte Giedion jenseits jetweicher dichtbebauten Dorfs Castasegna liegen die
und Wäschehängeplatz sowie die Er- Formalismen. Wenn wir bei Giacometti niedrigen, kleinvolumigen Wohnhäuser
schliessung der einzelnen Bereiche mit dennoch einen «modernen» Formenkanon mit ihren von Steinen und Felsbrocken
Natursteinplattenwegen detailliert auf. Ebenso ausmachen können, so basiert dieser nicht begrenzten Gärten. In der Art von
Lagerställen für die Kastanien- und Heuernte
sind die Aussichtwinkel auf «Stadt und primär auf dem Formwollen, sondern aus
Bünder Oberland», «Calanda» und «Wald» der Rückbindung der Form an die sind die einzelnen Gebäude locker im
Funktionalität. Erst diese Haltung ermöglichte nahezu unveränderten Terrain platziert. Sie
exakt festgehalten.
eine auf regionale, soziokulturelle, nehmen damit eine Bebauungsstruktur
topographische und klimatische Gegebenheiten auf, die sich so, wenig weiter talaufwärts
Regionalismus -
eine internationale Tendenz bezugnehmende Architektur. am selben Berghang, unterhalb von Sog-
Giedion spricht in «Space, Time and Noch 1949 war die Selbstfindung nicht lio wiederfindet.
Architecture» 1941 von einem «neuen abgeschlossen. Alfred Roth definiert: In Materialität und Dimensionierung
«...schweizerisch ist (eine) lebendige und nehmen die Bauten Bezug auf die
Regionalismus» und meint damit umfassender
wohldurchdachte funktionelle Lösung des ortstypischen Ökonomiegebäude. Die
das Eingehen der Architektur auf die
Problems, (die) Wahl edler Baustoffe mit Satteldachbauten zeigen neben
zweigeschossigen
kosmischen und irdischen Gegebenheiten.
Die universale (internationale) materialgerechter Anwendung und saubere verputzten Mauerflächen Natursteinmauerwerk
Architektur, welche Giedion mit dem Anbruch und ansprechende Formgebung. und vertikal verlegte Holzverschalungen.
Ehrlichkeit und Natürlichkeit, Ablehnung des Die Materialien stammen aus dem
der Moderne diagnostiziert, basiert nicht
mehr auf der einzelnen, ablösbaren Form, Unechten, des folkloristisch Sentimenta¬ Baugebiet.
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Architektur
Post Scuol - Post Maloja Architekt der Moderne. Nachdem Giacometti anlage und im Einbau einer Galeriezone,
Ebenfalls in Graubünden realisierte 1930 in Maloja als selbständiger so dass sich die gesamte Verkehrsfläche
Giacometti 1964 das formal klar der Architekt einen Anbau an sein Elternhaus nun auf drei miteinander verbundenen
klassischen Moderne verpflichtete Postgebäude ausgeführt hatte, arbeitete er bis 1939 im Niveaus abspielt. Giacometti beweist im
von Scuol. Der kubisch aufgefasste Architekturbüro Karl Egender in Zürich. «Roxy» seine vielseitige Begabung. Neben
Baukörper wirkt, vom Hauptplatz aus Er war dort am Bau des Zürcher den baulichen Eingriffen entwirft er selbst
gesehen, schwerelos. Das Obergeschoss Hallenstadions (1938/39) beteiligt. Für die Landi den grössten Teil der Innenausstattung.
kragt über das zurückgezogene Sockelge- von 1939 in Zürich bearbeitete er die Charakteristisch ist die ganz im Zeichen
schoss und wird in der Ecke durch eine Ausstellungsbauten der Abteilung «Kleider der Nachkriegsmoderne typische
Rundstütze getragen. Ein Fensterband machen Leute» und das Terrassenrestaurant. Brechung der Flächigkeit mittels feingliedri-
über die gesamte Fassade erweist Le Cor- Nach dem Schritt in die Selbständigkeit gen Strukturenelementen und die
kam es zur projektbezogenen Aufnahme der organischen Form. So wirkt die
busier zusätzlich seine Referenz. Der hintere
Gebäudeteil liegt über der Hangkante Zusammenarbeit mit Rudolf Steiger. 1946/47 Balustrade der Galerie textilartig leicht
und gründet im tiefer liegenden Terrain. gemeinsam die reformierte
realisierten sie durch ein zweischichtiges Röhrengefüge
Die formale Gestaltung bei Giacometti Heimstätte «Boldern» ob Männedorf. in variierten Dreiecksformen. Primäre
an den Gebäudetypus zu binden, Organismen aus dem Tierreich scheinen die
griffe jedoch zu kurz. Das Postgebäude in «Roxy» im «Zett-Haus» Vorlage für die Vorhänge gebildet zu
Maloja von 1951 ist wiederum als Mehr oder weniger gleichzeitig vollzog haben, und die Tischlampen erinnern an
zweigeschossiger Flachdachbau in Naturstein sich Giacomettis Umbau des Restaurants Muscheln oder Liliengewächse. Eine
Pilzstütze für den Einbau der Galerie ersetzt
und Holzverschalung ausgeführt. Mit «Roxy» in dem 1930 von Steiger und
dem heute eingebürgerten Vokabular wäre Hubacher erbauten Zett-Haus in Zürich." den geradlinigen Eisenbetonpfeiler. Wie
demnach bei Giacometti eher von Im Vordergrund stand die Redimensionie- zuvor Adolf Loos in Wien oder Ernst F.
Ortsbezug, denn von regionalem Bauen zu rung der ursprünglichen Raumhöhe von Burkhart und Karl Knell mit dem «Corso»
sprechen. Giacometti ist trotz oder gerade 6,8 m. Giacomettis Lösung bestand im in Zürich so ist auch Giacometti mit dem
wegen seinem ortsbezogenen Bauen ein Wesentlichen in der Versetzung der Treppen¬ «Roxy» ein Gesamtkunsrwerk gelungen.
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Architektur Schweizer Ingenieur und Architekt Nr. 12. 26. März 1999 247
Schweizer Pavillon in Venedig Risch den ersten eigenen Pavillon für die John Torcapel. Giacomettis Entwurf
Zu Beginn der Rinfziger Jahre realisiert Schweiz realisieren konnte. Rischs Pavillon, vermochte zu überzeugen. Der neue Bauplatz
Giacometti einen seiner interessantesten auf der Insel St. Helena abseits des lag in dem noch unter Napoleon angelegten
Bauten, den Schweizer Pavillon für die eigentlichen Ausstellungsgeländes gelegen, städtischen Park. Damit galt es bei der
Planung auf den unter Naturschutz
'
Biennale in Venedig. Die «Esposizione vermochte den Anforderungen bald nicht
Biennale- zeitgenössischer Kunst geht mehr zu genügen. So wurde 1951 der stehenden Baumbestand Rücksicht zu
zurück auf das Jahr 1895. Im Jahr 1920 nahm Wettbewerb für einen Neubau ausgeschrieben. nehmen. Giacomettis Projekt zeigt einen in
die Schweiz erstmals teil und wiederum Eingeladen waren die Architekten Max verschiedene Volumen aufgelösten
mussten zwölfjahre vergehen, his Martin Bill, Bruno Giacometti, Werner Krebs und Gebäudekomplex. Eingangshalle, Male
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Architektur Schweizer Ingenieur und Architekt Nr. 12, 26. März 1999 248
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Architektur/Normen Schweizer Ingenieur und Architekt Nr. 12, 26. März 1999 249
im Kunsthaus Zürich mitgearbeitet und Uster (1965), Bezirksspital Dielsdorf und "Weitere ausgeführte Projekte des Büros
wirkte zeitweise auch als Präsident der dazugehöriges Krankenheim (1965, 1982); Bündner Karl Egender in den dreissigerjahren: Div.
Naturmuseum Chur (1977-82) Umbauten und Erweiterungen von Schule und
Ausstellungskommission der Zürcher "Zit. in: Architektenlexikon der Schweiz Museum für Gestalaing, Ausstellungsstr. 60, Zürich,
Kunstgesellschaft. Ferner war er Mitglied 19./20. Jahrhundert, Hrsg. Isabelle Ruckt, Doro- (1930-33) in Zusammenarbeit mit Adolf Steger;
in verschiedenen Fachverbänden und tbee Huber, Basel 1998, S. 468 Strandbad, Seestr. 246, Küsnacht (1930) in
Jurymitglied bei mehreren Ferien- und kleine Wohnhäuser: Wohnhaus Zusammenarbeit mit Adolf Steger; Albisrieder-
Wettbewerbskommissionen. Bruno Giacometti lebt Dr. St.-L. bei Chur, Architekt: Bruno haus, Albisriederstr. 330, Zürich (1930-34). Die
heute in Zollikon bei Zürich. Sein Werk Giacometti SWB, Zürich. In: Werk, Heft 6, 1946, S. Mitarbeit von Giacometti, der von 1930-39 bei
harrt einer monographischen Würdigung. 200-201 Egender arbeitete, ist für diese Objekte nicht
Wohnhäuser. Arzthaus in Uster, Architekt: gesichert. Spätere bedeutende Bauten von Egender
Bruno Giacometti, Zürich. In: Werk, Heft 4, sind das Geschäftshaus Sihlgarten, Talacker
Adresse der Verfasserin: 1948, S. 105-108 41, Zürich (1947-48),
Irene Hochreutener, lic. phil. I, Kreuzbleichestr. Kinos.
'Vgl. dazu: Von Pflanzen und Gärten. Hrsg. ^Restaurants, Verkaufsräume,
13, 9000 St. Gallen Gartenbau, Winterthur oj. Umbau des Restaurants Roxy in Zürich, Architekt
Haggenmacher
(1949) Bruno Giacometti SIA, Zürich, in: Werk,
''Alfred Roth: Zwei Wohnhäuser von Le Heft 7, 1950, S. 197-199
Corbusier und Pierre Jeanneret. Stuttgart 1927, Die Möblierung besorgte Giedion aus
S. 37 dem Programm der Wohnbedarf AG.
SigfriedGiedion: Raum, Zeit, Architektur. Bauten des kulturellen Lebens. Der
Zürich 1989 (1941), S. 24 Schweizer Pavillon an der Biennale in Venedig,
Schweizerische Verkehrsförderung. Architekt: Bruno Giacometti BSA, Zürich. In:
Bildquelle Schweizerisches Reisebüro in London, Architekt: Werk, Heft 9, 1992, S, 282-285. Weitere
Wohnhaus Dr. Stampa, aus: Werk 1946; Alfred Roth BSA, Zürich. In: Werk 1949, Ausstellungsbauten um 1945-1950 sind die Schweizer
Wohnhäuser in Castasegna, aus: Die Heft 11, S. 352-357 Pavillons der Länder- und Gewerbeausstellungen
Kraftwerkbauten im Kanton Graubünden; Restaurant Conradin Clavitot und Jürg Ragettlr. Die in Paris und Mailand. Zur Biennale vgl. Flo-
Roxy, aus: Werk 1950; Schweizer Pavillon, Kraftwerkbauten im Kanton Graubünden, reus Heuchler, Kunstbetrieb, Ars Helvetica Bd.
aus: Werk 1952 Chur 1991, S. 182-187 II, Disentis 1987, S.171 f.
Begleitkommission SIA 162 «Betonbauten» MG. Der Beitrag zur «Festlegung und Bestimmung
des Wasserzementwertes» wurde in unserer
Ausgabe 9 vom 5. März 1999, S. 185 f.,
(Norm SIA 162/1, Prüfung Nr. 19). Der meist tiefen Werte für WZ nur noch In Bezug auf das Wasser in Zusatzmitteln
Zementgehalt (Z) ergibt sich aus einer Er- knapp oder nicht mehr erreicht werden - und Zusatzstoffen z.B. Mikrosi-
eiebigkeitsprüfung (Norm SIA 162/1, Prü- konnten, weil gleichzeitig hohe Anforderungen lica-Slurry - ist leicht einzusehen, dass die
fung Nr. 18) oder es wird dafür die an die Verarbeitbarkeit gestellt oben beschriebene Korrektur des WZ-
Zementdosierung nach Rezept eingesetzt. wurden und die Preise «gedrückt» waren. Werts nicht zulassig ist. Dieses Wasser 1111-
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