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Bruno Giacometti, Architekt

Autor(en): Hochreutener, Irene

Objekttyp: Article

Zeitschrift: Schweizer Ingenieur und Architekt

Band (Jahr): 117 (1999)

Heft 12

PDF erstellt am: 06.02.2021

Persistenter Link: http://doi.org/10.5169/seals-79708

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Architektur Schweizer Ingenieur und Architekt Nr. 12, 26. März 1999 243

Schweizer Pavillon an der Biennale in Venedig, 1951/52, Ansicht von Osten

Irene Hochreutener, St. Gallen

um Theodor Fischer und gab mit seinem


Bruno Giacometti, Architekt Werk dem vom internationalen Historismus
des 19. Jahrhunderts und dem Tourismus
geprägten Engadin eine neue
Die Nachkriegsmoderne tritt zunehmend moderne ebenso dem regionalen Bauen Ausrichtung, indem er sich an traditionellen
ins Bewusstsein der heutigen wie der internationalen Moderne Bauformen orientierte.
Architekturbetrachtung. Giacomet- verpflichtet und sein Werk zeugt von einem
tis Werk steht darin beispielhaft für fruchtbaren Diskurs mit Persönlichkeiten Moderne und Regionalismus
eine Synthese regionalistischer und wie Alfred Roth, Karl Egender, Robert Giacomettis Bauten, die er ab 1940 im
moderner Tendenzen. Es wäre Zeit, Winkler, Hermann Fietz und Rudolf Steiger, eigenen Büro in Zürich realisierte, zeugen
seine Arbeit mit einer Monographie mit denen Giacometti zeitweilig von dieser frühen Begegnung mit Moser,
ins rechte Licht zu rücken. zusammengearbeitet hat. Salvisberg und Hartmann. Er wurde
Mitglied der CIAM und seine Bauten waren

Werdegang denn auch mehr oder weniger offensichtlich


Der 1907 in Stampa geborene Architekt An der ETH Zürich saldierte Giacometti der klassischen Moderne verpflichtet.
Bruno Giacometti ist im Gegensatz zu bei Karl Moser und diplomierte 1930 Gleichzeitig wurden regionalistische
Tendenzen spürbar. Wie
seinem Vater Giovanni und seinen Brüdern beim ein Jahr zuvor neu an die ETH gross der Einfluss
Alberto und Diego Giacometti vergleichsweise berufenen Otto R.
Salvisberg. Während Hartmanns hier war, ist nicht genau
unbekannt geblieben. Nach einer Studienzeit baute Moser die erste
Giacomettis auszumachen. Anzumerken ist, dass ortsübliche

Monographie sucht man vergebens und Sichtbetonkirche in der Schweiz, die Basler Materialien wie Holz und Naturstein
auch in thematischer Literatur finden sich Antoniuskirche (1924). Imgleichenjahr in der Architekair der dreissigerjahre häufig
neben einigen Abbildungen nur objektbezogene erhielt Salvisberg den 1. Preis für das Berner anzutreffen sind. Mitverantwortlich
Angaben. Die Hauptquellen zu Lory-Spital (1926-29), das bei der gemacht für diese Tendenz wird die
Giacomettis CEuvre bilden somit die Einweihung als «das moderne Bauereignis»" Betonknappheit in Folge der Weltwirtschaftskrise
«Schweizerische Bauzeitung» sowie die gefeiert wurde. Die Vorzeichen waren und des Ausbruchs des zweiten
Architekturzeitschrift «Das Werk». Giacomettis damit gesetzt; bedeutende Vertreter der Weltkriegs. Zum andern wurde spätestens seit

Gesamtwerk, das sich uns über diese Schweizer Architektengilde - unter ihnen den zwanziger Jahren durch die Schweizerische
Quellen erschliesst, überrascht sowohl Giacometti - hatten den Weg eingeschlagen Vereinigung für Heimatschutz der
bezüglich der Qualität als auch der Vielfalt. zu einer «anderen Moderne». Regionalbezug in die Architekturdiskussion
Zu seinen vorwiegend in Zürich und Giacometti absolvierte ein Praktikum getragen. Diese Ereignisse konnten an
Graubünden realisierten Projekten zahlen bei Nicolaus Hartmann jun. in St. Moritz. Giacometti nicht spurlos vorbeigehen.
unter anderem Einfamilienhäuser, Hier kam er vermutlich erstmals in Kontakt
Siedlungen, Schul- und Gemeindehäuser, mit einer Architektur, die sich auf die Wohnhaus Dr. Stampa in Chur
Spitäler und Ausstellungsbauten.1 ortsüblichen Baustoffe zurückbesann. Beispielhaft für Giacomettis Art der
Stilistisch ist er als Architekt der Nachkriegs¬ Hartmann kam aus der Stuttgarter Schule Verschränkung von Moderne und regio-
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Architektur

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Wohnhaus Dr. Stampa in Chur, 1941/42;


links: Ansicht von Südosten, unten: Grundriss
Erdgeschoss

Rechts: Wohnhäuser in Castasegna, 1957-59

nalistischem Bauen ist das Wohnhaus für


Dr. Stampa aus den Jahren 1941/42. Es liegt
am Südabhang des Montalin, ungefähr
60 m über der Stadt Chur.1 Der leicht
abgewinkelte Bau ist nach Südwesten orientiert
und wirkt bezüglich des vorgelagerten
Wohngartens gleichsam als Schutzriegel
gegen den kalten Nordwind.
Dementsprechend erscheint die Nordfassade in

ihrer gemauerten und verputzten Materialität


geschlossen, während sich die Hauptfront
in Holz über Bruchsteinsockel mit
fünf grossmassstäblichen Fenstern zum Tal
hin öffnet. Auf der Nordseite befindet sich
der trapezförmige Eingangsbereich, der
eine Art Gelenk bildet. Er dient gleichzeitig
als Pufferzone zwischen dem westlichen
Schlaftrakt mit Bad und dem östlichen
Wohnteil mit Küche, Essdiele und
Studierzimmer,
Mit den Materialien seiner Aussen- men das Studierzimmer. Die Auflösung Luft, Licht und Öffnung erhielt der Garten
haut, Hol/ und Naturstein neben Putz- des Volumens in einzelne Baukörper fuhrt eine neue soziale Dimension. Orientierte
mauerwerk, erhebt das Gebäude den gleichzeitig zur erwünschten Trennung sich der Architekturgarten in den ersten
Anspruch, an einer regionalen Architektur von Wohngarten und Wirtschaftshof. zwei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts
Anteil zu haben. Mit der Aufteilung des noch an der Linienführung der Gebäude
Grundrisses in Ruhe- und Lärmzone ist das Beziehung zum Aussenraum und hatte repräsentative Funktionen zu
Giacomettis Bauten stehen nie isoliert erfüllen, so ging es beim nachfolgenden
Haus aber dem Prinzip des differenzierten
Geschossbaus, einem Charakteristikum im Raum. Die Ausrichtung nimmt Bezug Wohngartenkonzept in erster Linie um die
der Nachkriegsmoderne, verpflichtet. auf die topographische Situation und es «häusliche Einrichtung», sprich die
Auch das rund drei Jahre später wird eine Verschränkung von Innen- und Bewohnbarkeit des Gartens. Wert gelegt
erbaute Arzthaus in Ustcr entwickelt Giaco- Aussenraum angestrebt. Dem näheren wurde auf einen direkten Zugang vom
metti aus der funktioneilen Differenzierung Umfeld, dem Gartenbereich, kann dabei Haus in den Garten, der damit Teil der
des Grundrisses. Die T-förmige ebensoviel Aufmerksamkeit zukommen Wohnung wird und in dessen Mittelpunkt
Anlage zeigt einen Wohn-, einen Arbeite- Lind wie der Architektur selber. Die Beziehung der Gartensitzplatz steht. Damit verlor der
einen Garagentrakt. Im Zentrum liegt die der Architektur zum Aussenraum wurde Garten vordergründig seine repräsentative
Eingangshalle und als interne Verbindung im Zuge der Moderne neu definiert. Funktion und wurde zu einem intimen,
zwischen Privatbereich und Arbeitsräu- Spätestens seit Siglrid Giedions Postulat nach privaten Lebensbereich.
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Architektur Schweizer Ingenieur und Architekt

dem Stilwollen vergangener Epochen. len und Luxuriösen sind weitere Merkmale
Sträucher, Blumen, Amseln...
Dieses neue Freiraumverständnis war Grundlegend ist vielmehr der «neue schweizerischer Denkart im besten
Sinne.»s
im Gedankengut der Vertreter der Moderne Regionalismus» sowie die raumzeitliche
fest verankert. Ein eindrückücher Konzeption: «...die Art, wie Volumen in den Wie sich eine solche Architektur bei
Textbeleg dafür findet sich in Roths Besprechung Raum gestellt werden und zueinander in Giacometti konkretisiert, wurde bereits
der Wohnhäuser von Le Corbusier Beziehung treten, die Art, wie der Innenraum am Beispiel Wohnhaus Dr. Stampa dargelegt.
in der Weissenhofsiedlung: «Die Zeit der sich vom Aussenraum isoliert, oder Giacometti blieb insbesondere in
Gartenarchitektur ist vorbei. Der Garten wie er perforiert wird, um eine gegenseitige Raumorganisation und Volumetrie der
ist Natur ums Haus. Seine Elemente sind Durchdringung zu ermöglichen, all dies Moderne verpflichtet, in Material und Si-
Rasen, Bäume, Sträucher, Blumen, Wasser, sind Gemeinsamkeiten, die der heutigen tuierung der Gebäude in der Topographie
Amseln, Tauben, Schildkröten usw. Architektur zugrunde liegen.» bleiben mehr oder weniger starke Ortsbezüge
Die kristallinen Formen konkreten Denkens Nun versuchte auch die Schweizer spürbar.
gehen nicht über den Architekturkörper Architektur - spätestens seit der Landi 39
hinaus, sondern treffen hier auf ganz im Sinne Giedions und innerhalb der Wohnhäuser in Castasegna
gegensätzliche, Spannung bereitende internationalen Tendenzen - ihre nationale Von 1957-1959 realisierte Giacometti
Formen: die der Natur. ...» Position zu finden. Das universale, eine kleine Wohnsiedlung für die
internationale Moment in der modernen Angestellten der Bergeller Kraftwerke.9 Eingebettet
Giacomettis Baupläne zum Wohnhaus
Dr. Stampa zeigt die Gartengestaltung Architektur, den «neuen Regionalismus» im Kastanienwald, oberhalb des
mit Sitzplatz, Gemüsegarten, Weinberg diagnostizierte Giedion jenseits jetweicher dichtbebauten Dorfs Castasegna liegen die
und Wäschehängeplatz sowie die Er- Formalismen. Wenn wir bei Giacometti niedrigen, kleinvolumigen Wohnhäuser
schliessung der einzelnen Bereiche mit dennoch einen «modernen» Formenkanon mit ihren von Steinen und Felsbrocken
Natursteinplattenwegen detailliert auf. Ebenso ausmachen können, so basiert dieser nicht begrenzten Gärten. In der Art von
Lagerställen für die Kastanien- und Heuernte
sind die Aussichtwinkel auf «Stadt und primär auf dem Formwollen, sondern aus
Bünder Oberland», «Calanda» und «Wald» der Rückbindung der Form an die sind die einzelnen Gebäude locker im
Funktionalität. Erst diese Haltung ermöglichte nahezu unveränderten Terrain platziert. Sie
exakt festgehalten.
eine auf regionale, soziokulturelle, nehmen damit eine Bebauungsstruktur
topographische und klimatische Gegebenheiten auf, die sich so, wenig weiter talaufwärts
Regionalismus -
eine internationale Tendenz bezugnehmende Architektur. am selben Berghang, unterhalb von Sog-
Giedion spricht in «Space, Time and Noch 1949 war die Selbstfindung nicht lio wiederfindet.
Architecture» 1941 von einem «neuen abgeschlossen. Alfred Roth definiert: In Materialität und Dimensionierung
«...schweizerisch ist (eine) lebendige und nehmen die Bauten Bezug auf die
Regionalismus» und meint damit umfassender
wohldurchdachte funktionelle Lösung des ortstypischen Ökonomiegebäude. Die
das Eingehen der Architektur auf die
Problems, (die) Wahl edler Baustoffe mit Satteldachbauten zeigen neben
zweigeschossigen
kosmischen und irdischen Gegebenheiten.
Die universale (internationale) materialgerechter Anwendung und saubere verputzten Mauerflächen Natursteinmauerwerk
Architektur, welche Giedion mit dem Anbruch und ansprechende Formgebung. und vertikal verlegte Holzverschalungen.
Ehrlichkeit und Natürlichkeit, Ablehnung des Die Materialien stammen aus dem
der Moderne diagnostiziert, basiert nicht
mehr auf der einzelnen, ablösbaren Form, Unechten, des folkloristisch Sentimenta¬ Baugebiet.
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Architektur

Post Scuol - Post Maloja Architekt der Moderne. Nachdem Giacometti anlage und im Einbau einer Galeriezone,
Ebenfalls in Graubünden realisierte 1930 in Maloja als selbständiger so dass sich die gesamte Verkehrsfläche
Giacometti 1964 das formal klar der Architekt einen Anbau an sein Elternhaus nun auf drei miteinander verbundenen
klassischen Moderne verpflichtete Postgebäude ausgeführt hatte, arbeitete er bis 1939 im Niveaus abspielt. Giacometti beweist im
von Scuol. Der kubisch aufgefasste Architekturbüro Karl Egender in Zürich. «Roxy» seine vielseitige Begabung. Neben
Baukörper wirkt, vom Hauptplatz aus Er war dort am Bau des Zürcher den baulichen Eingriffen entwirft er selbst
gesehen, schwerelos. Das Obergeschoss Hallenstadions (1938/39) beteiligt. Für die Landi den grössten Teil der Innenausstattung.
kragt über das zurückgezogene Sockelge- von 1939 in Zürich bearbeitete er die Charakteristisch ist die ganz im Zeichen
schoss und wird in der Ecke durch eine Ausstellungsbauten der Abteilung «Kleider der Nachkriegsmoderne typische
Rundstütze getragen. Ein Fensterband machen Leute» und das Terrassenrestaurant. Brechung der Flächigkeit mittels feingliedri-

über die gesamte Fassade erweist Le Cor- Nach dem Schritt in die Selbständigkeit gen Strukturenelementen und die
kam es zur projektbezogenen Aufnahme der organischen Form. So wirkt die
busier zusätzlich seine Referenz. Der hintere
Gebäudeteil liegt über der Hangkante Zusammenarbeit mit Rudolf Steiger. 1946/47 Balustrade der Galerie textilartig leicht
und gründet im tiefer liegenden Terrain. gemeinsam die reformierte
realisierten sie durch ein zweischichtiges Röhrengefüge
Die formale Gestaltung bei Giacometti Heimstätte «Boldern» ob Männedorf. in variierten Dreiecksformen. Primäre
an den Gebäudetypus zu binden, Organismen aus dem Tierreich scheinen die

griffe jedoch zu kurz. Das Postgebäude in «Roxy» im «Zett-Haus» Vorlage für die Vorhänge gebildet zu
Maloja von 1951 ist wiederum als Mehr oder weniger gleichzeitig vollzog haben, und die Tischlampen erinnern an
zweigeschossiger Flachdachbau in Naturstein sich Giacomettis Umbau des Restaurants Muscheln oder Liliengewächse. Eine
Pilzstütze für den Einbau der Galerie ersetzt
und Holzverschalung ausgeführt. Mit «Roxy» in dem 1930 von Steiger und
dem heute eingebürgerten Vokabular wäre Hubacher erbauten Zett-Haus in Zürich." den geradlinigen Eisenbetonpfeiler. Wie
demnach bei Giacometti eher von Im Vordergrund stand die Redimensionie- zuvor Adolf Loos in Wien oder Ernst F.
Ortsbezug, denn von regionalem Bauen zu rung der ursprünglichen Raumhöhe von Burkhart und Karl Knell mit dem «Corso»
sprechen. Giacometti ist trotz oder gerade 6,8 m. Giacomettis Lösung bestand im in Zürich so ist auch Giacometti mit dem
wegen seinem ortsbezogenen Bauen ein Wesentlichen in der Versetzung der Treppen¬ «Roxy» ein Gesamtkunsrwerk gelungen.

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Architektur Schweizer Ingenieur und Architekt Nr. 12. 26. März 1999 247

Restaurant Roxy im «Zett-Haus» in Zürich, 1947;


links: Blick auf Bar und Gartenausgang,
rechts: Ecke der Estrade mit Blick Richtung Bar,
unten: Schnitt und Grundriss Erdgeschoss

Schweizer Pavillon in Venedig Risch den ersten eigenen Pavillon für die John Torcapel. Giacomettis Entwurf
Zu Beginn der Rinfziger Jahre realisiert Schweiz realisieren konnte. Rischs Pavillon, vermochte zu überzeugen. Der neue Bauplatz

Giacometti einen seiner interessantesten auf der Insel St. Helena abseits des lag in dem noch unter Napoleon angelegten
Bauten, den Schweizer Pavillon für die eigentlichen Ausstellungsgeländes gelegen, städtischen Park. Damit galt es bei der
Planung auf den unter Naturschutz
'
Biennale in Venedig. Die «Esposizione vermochte den Anforderungen bald nicht
Biennale- zeitgenössischer Kunst geht mehr zu genügen. So wurde 1951 der stehenden Baumbestand Rücksicht zu

zurück auf das Jahr 1895. Im Jahr 1920 nahm Wettbewerb für einen Neubau ausgeschrieben. nehmen. Giacomettis Projekt zeigt einen in

die Schweiz erstmals teil und wiederum Eingeladen waren die Architekten Max verschiedene Volumen aufgelösten
mussten zwölfjahre vergehen, his Martin Bill, Bruno Giacometti, Werner Krebs und Gebäudekomplex. Eingangshalle, Male
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Architektur Schweizer Ingenieur und Architekt Nr. 12, 26. März 1999 248

Schweizer Pavillon in Venedig, 1951/52;


rechts: Blick aus der Skulpturenhalle gegen den Ausgang
(Plastiken von Jakob Probst), unten: Schnitt und Grundriss

reisaal, Graphikraum und Skulpturenhalle


I zeigen differenziert ausgestaltete, den
Lichtbedürfnissen angepasste Dachfor-
men. Der Pavillon erscheint gegen den
Aussenraum klar abgegrenzt durch
geschlossene Fassaden und Gartenhofmauern
in Sichtbackstein. Damit erreicht Gia-
cometti einen ruhigen Rahmen für die
Kunst. Als eingeplanten Widerspruch
kann die gleichzeitige Öffnung zur Natur
im Inneren des Gebäudekomplexes
gewertet werden. Der Graphikraum öffnet
sich durch ein Bandfenster zu einem
schmalen, bepflanzten Gebäudezwischenraum.
Dieser ist verbunden mit einer offenen
«Loggia», welche als Verbindungsglied
zwischen den einzelnen Volumen funktioniert.
Sie schafft insbesondere einen
® direkten Zusammenschluss der Skulpturenhalle
zum ummauerten Gartenhof. Die
Kunstform in ihrer plastischen Qualität
wird hier somit direkt der Naturform
® gegenübergestellt, die durch einen alten
Baum im Hot repräsentiert wird. Gleichzeitig
erzeugt die Gegenüberstellung von
Naturform und geometrischer Architek-

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Architektur/Normen Schweizer Ingenieur und Architekt Nr. 12, 26. März 1999 249

turform eine Spannung, wie dies vorgehend Anmerkungen


bei Corbusier diskutiert wurde. Projekte und Wettbewerbserfolge (eine Für die Bcrgeller Kraftwerke entstand
Auswahl): Städtische Wohnkolonie Manegg zudem die Tillstation zur Seilbahn des Stausee-
Giacomettis Auseinandersetzung mit
Zürich (1953/54 mit Robert Winkler); Kraftwerks Albigna. Vgl. Schweizer Architekturführer
der bildenden Kunst fand hier ihre
Schulhäuser in Mettmenstetten (1957),
Vicosoprano 1920-1990, Bd. 1, Zürch 1992, S. 74
architektonische Umsetzung. Die Kunst zählt
(1957/58), Brusio (1961-63); Institute für Hygiene Robert Obrist, Silva Semadeni, Diego Gio-
für ihn jedoch sozusagen zum Familienerbe, und Pharmakologie der Universität Zürich vaiioli: Costruir Bauen Costruire 1830-1980,
und von 1953 bis 1965 hat der Architekt (i960), Gesamtausbau der schweizerischen Zürich/Bern 1986, S. 137
Giacometti an zahlreichen Ausstellungen Epilepsie-Klinik in Zürich (1964, 1973); Stadthaus 12ibid. S. 219

im Kunsthaus Zürich mitgearbeitet und Uster (1965), Bezirksspital Dielsdorf und "Weitere ausgeführte Projekte des Büros
wirkte zeitweise auch als Präsident der dazugehöriges Krankenheim (1965, 1982); Bündner Karl Egender in den dreissigerjahren: Div.
Naturmuseum Chur (1977-82) Umbauten und Erweiterungen von Schule und
Ausstellungskommission der Zürcher "Zit. in: Architektenlexikon der Schweiz Museum für Gestalaing, Ausstellungsstr. 60, Zürich,
Kunstgesellschaft. Ferner war er Mitglied 19./20. Jahrhundert, Hrsg. Isabelle Ruckt, Doro- (1930-33) in Zusammenarbeit mit Adolf Steger;
in verschiedenen Fachverbänden und tbee Huber, Basel 1998, S. 468 Strandbad, Seestr. 246, Küsnacht (1930) in
Jurymitglied bei mehreren Ferien- und kleine Wohnhäuser: Wohnhaus Zusammenarbeit mit Adolf Steger; Albisrieder-
Wettbewerbskommissionen. Bruno Giacometti lebt Dr. St.-L. bei Chur, Architekt: Bruno haus, Albisriederstr. 330, Zürich (1930-34). Die
heute in Zollikon bei Zürich. Sein Werk Giacometti SWB, Zürich. In: Werk, Heft 6, 1946, S. Mitarbeit von Giacometti, der von 1930-39 bei
harrt einer monographischen Würdigung. 200-201 Egender arbeitete, ist für diese Objekte nicht
Wohnhäuser. Arzthaus in Uster, Architekt: gesichert. Spätere bedeutende Bauten von Egender

Bruno Giacometti, Zürich. In: Werk, Heft 4, sind das Geschäftshaus Sihlgarten, Talacker
Adresse der Verfasserin: 1948, S. 105-108 41, Zürich (1947-48),
Irene Hochreutener, lic. phil. I, Kreuzbleichestr. Kinos.
'Vgl. dazu: Von Pflanzen und Gärten. Hrsg. ^Restaurants, Verkaufsräume,
13, 9000 St. Gallen Gartenbau, Winterthur oj. Umbau des Restaurants Roxy in Zürich, Architekt
Haggenmacher
(1949) Bruno Giacometti SIA, Zürich, in: Werk,
''Alfred Roth: Zwei Wohnhäuser von Le Heft 7, 1950, S. 197-199
Corbusier und Pierre Jeanneret. Stuttgart 1927, Die Möblierung besorgte Giedion aus
S. 37 dem Programm der Wohnbedarf AG.
SigfriedGiedion: Raum, Zeit, Architektur. Bauten des kulturellen Lebens. Der
Zürich 1989 (1941), S. 24 Schweizer Pavillon an der Biennale in Venedig,
Schweizerische Verkehrsförderung. Architekt: Bruno Giacometti BSA, Zürich. In:
Bildquelle Schweizerisches Reisebüro in London, Architekt: Werk, Heft 9, 1992, S, 282-285. Weitere
Wohnhaus Dr. Stampa, aus: Werk 1946; Alfred Roth BSA, Zürich. In: Werk 1949, Ausstellungsbauten um 1945-1950 sind die Schweizer

Wohnhäuser in Castasegna, aus: Die Heft 11, S. 352-357 Pavillons der Länder- und Gewerbeausstellungen
Kraftwerkbauten im Kanton Graubünden; Restaurant Conradin Clavitot und Jürg Ragettlr. Die in Paris und Mailand. Zur Biennale vgl. Flo-
Roxy, aus: Werk 1950; Schweizer Pavillon, Kraftwerkbauten im Kanton Graubünden, reus Heuchler, Kunstbetrieb, Ars Helvetica Bd.
aus: Werk 1952 Chur 1991, S. 182-187 II, Disentis 1987, S.171 f.

Begleitkommission SIA 162 «Betonbauten» MG. Der Beitrag zur «Festlegung und Bestimmung
des Wasserzementwertes» wurde in unserer
Ausgabe 9 vom 5. März 1999, S. 185 f.,

Festlegung und Bestimmung unvollständig wiedergegeben. Die jetzige Version


ist die korrekte und ersetzt die erste Publikation.
Für das Versehen entschuldigen wir uns.
des Wasserzementwerts
Der Wasserzementwert (WZ-Wert) ist Unter dem Begriff «Zement» sind die Teilweise wurden die Probleme gelöst,
eine der wichtigsten betontechnologischen gemäss Norm SIA 215.002 definierten indem dergemessene Wassergehalt um die
Grossen. Er hat einen massgeben- Zementarten (CEM I, II usw.) zu verstehen, sogenannte «Kernfeuchte» oder um den
den Einfluss auf praktisch alle nicht aber neben dem Zement zugegebene Wassergehalt in Zusatzmitteln reduziert
Festbetoneigenschaften. Deshalb wird vielfach ein Betonzusatzstoffe wie z.B. Flugasche wurde. Dies wird manchmal damit
Maximalwert vorgeschrieben. Er ist oder Mikrosilica. Zur Frage der begründet, dass dieses Wasser nicht wirksam
definiert als: Anrechenbarkeit von Betonzusatzstoffen sei auf sei und Anforderungen an den «wirksamen»
die Mitteilung der Begleitkommission SIA und nicht an den «totalen» WZ-Wert
W„ 162 «Betonbauten» betreffend «Neue gestellt werden müssten, wie aus Norm
wz
Zementnorm - neue Betonbezeichnungen» SIA 162/1, Ziffer 319 41, hervorgehe: «Bei
verwiesen (z.B. SI+A 30/31 vom 22. Juli Leichtbeton ist für die Berechnung des
Der WZ-Wert kann nur am Frischbeton 1996 oder IAS 10 vom 16. April 1996). wirksamen Wasserzementwertes die
direkt bestimmt werden. Der Wassergehalt In letzter Zeit sind zunehmend Saugfähigkeit der Zuschlagstoffe zu

(W„) wird in einem Darrversuch ermittelt entstanden, da die vorgeschriebenen,


Probleme berücksichtigen.»

(Norm SIA 162/1, Prüfung Nr. 19). Der meist tiefen Werte für WZ nur noch In Bezug auf das Wasser in Zusatzmitteln
Zementgehalt (Z) ergibt sich aus einer Er- knapp oder nicht mehr erreicht werden - und Zusatzstoffen z.B. Mikrosi-
eiebigkeitsprüfung (Norm SIA 162/1, Prü- konnten, weil gleichzeitig hohe Anforderungen lica-Slurry - ist leicht einzusehen, dass die
fung Nr. 18) oder es wird dafür die an die Verarbeitbarkeit gestellt oben beschriebene Korrektur des WZ-
Zementdosierung nach Rezept eingesetzt. wurden und die Preise «gedrückt» waren. Werts nicht zulassig ist. Dieses Wasser 1111-

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