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Mitarbeiterbindung: Die Grundlagen

Bevor ein Unternehmen neue Wege in der Mitarbeiterbindung geht,


sollte die Personalabteilung zusammen mit dem Management die Ist-
Situation analysieren. Realismus ist dabei angebracht.

Zu fast jedem Problem gibt es eine Studie. Auch zur Mitarbeiterbindung. Der
Personaldienstleister Robert Half zum Beispiel hat im "Workplace Survey 2010" mehr als 3000
Personal- und Finanzmanager in 13 Ländern - auch in Deutschland - zu Karrieretrends befragt.
Ergebnis: Nahezu ein Drittel der teilnehmenden Firmen, so Robert Half, biete keine Anreize, um
Leistungsträger möglichst lange im Unternehmen zu halten. Und wenn es spezielle Angebote
gebe, wichen diese stark von den Wünschen der Arbeitnehmer ab.

Was hält Mitarbeiter im Unternehmen?

Dabei unterscheiden sich die Wünsche der Beschäftigten im Grunde gar nicht so stark
voneinander, das belegen Untersuchungen immer wieder. Bereits vor elf Jahren haben zum
Beispiel Managementberater der Hay Group analysiert, welche Gründe Beschäftigte vor allem
anführen, um einen Verbleib bei ihrem Arbeitgeber zu begründen. Als da wären:

• Karrieremöglichkeiten durch persönliche Entwicklung und Weiterbildung


• spannende Aufgaben und Herausforderungen
• mit der eigenen Arbeit einen echten Beitrag leisten zu können
• nette Kollegen
• funktionierende Teams
• gute Vorgesetzte
• Anerkennung für gute Leistungen
• Autonomie und Eigenverantwortung
• flexible Arbeitszeiten
• faire Vergütung und Benefits

Ganzheitliches Konzept

"Wer die Bindung der Mitarbeiter an das Unternehmen steigern möchte, muss seine Aktivitäten
in ein ganzheitliches Konzept einbetten", sagt Sophia von Rundstedt, Geschäftsführerin der
Personalberatung von Rundstedt HR Partners. Das beginne bereits beim Recruiting, betreffe
Entwicklungsmöglichkeiten, und gehe über Anreiz- und Vergütungssysteme sowie regelmäßige
Mitarbeitergespräche bis zum Exit-Interview mit scheidenden Beschäftigten.

Mit Zahlen ist dem Thema Mitarbeiterbindung dagegen nur mit Vorsicht näher zu kommen, wie
Wolfgang Degreif, Geschäftsführer der Unternehmensberatung SEPB Consulting, schon erleben
musste: "Eine Firma, die wir berieten, legte mir dar, dass man bereits eine hohe
Mitarbeiterbindung erreicht habe - was sich ja sehr gut an der geringen Fluktuationsrate ablesen
lasse. Als ich aber aus dem Fenster des Büros meines Gesprächspartners hinausschaute, sah
ich ringsum nur Berge und Wälder."

Wenn der Chef vor lauter Bäumen den Wald nicht sieht

Mit anderen Worten: selbst wenn die Beschäftigten bereit zum Wechsel gewesen wären, hätten
sie in dem strukturschwachen Raum kaum Alternativen gefunden. "Die geringe
Fluktuationsquote ließ sich schon allein dadurch erklären", so Degreif.

Doch es gibt noch andere Paradoxien, die die Aussagekraft einer geringen Fluktuationsquote in
Frage stellen, wie Gunther Wolf, Managementberater bei der Wolf I.O. Group, weiß: "Schon
mehrfach ließ sich mit Untersuchungen belegen, dass selbst Belegschaften mit einer geringen
Bindung an ihr Unternehmen eine hohe Verweilrate aufweisen." Oft lasse sich dieses Verhalten
durch sekundäre Vorteile erklären, etwa durch eine vermeintlich hohe Arbeitsplatzsicherheit -
bedingt durch Unternehmensgröße und Betriebsrat - oder durch im Branchenvergleich höhere
Bezüge.

Höhere Bindungsbereitschaft bei Frauen

"Es gab auch schon Fälle, in denen Konzerne High Potentials von kleineren Firmen abgeworben
haben, sie mit den Karriereperspektiven lockten, nur um dann festzustellen, dass die neuen
Hoffnungsträger sich im Lauf der Zeit zu bloßen Mitläufern entwickelten." Das Umfeld in der
Organisation bestimmt die Identifikation der Beschäftigten also maßgeblich mit.

Belegt sei, dass die Bindungsbereitschaft bei Frauen grundsätzlich höher als bei Männern sei,
so Wolf. Und es sei leichter etwas ältere Mitarbeiter zu binden als ganz junge. "So ab etwa 35
Jahren wird es einfacher, weil mit der Gründung einer Familie die Menschen sesshafter
werden." Ansonsten muss jedes Unternehmen aber individuell analysieren, wie es um die
Mitarbeiterbindung bestellt ist.

Die Lehre von den richtigen Rahmenbedingungen

Manche kleineren und mittelständischen Unternehmen tun sich besonders schwer, gewisse
Rahmenbedingungen für eine Mitarbeiterbindung zu schaffen. "Sie haben keine bekannten
Marken, womöglich einen Standortnachteil, häufig unkreative Vergütungsmodelle und - um
Ressourcen zu sparen - keine funktionierende Personalentwicklung", sagt Sophia von
Rundstedt. "Aber sie weisen schnellere Entscheidungswege auf, und die Mitarbeiter sind durch
die flachen Hierarchien näher an der Geschäftsleitung dran." Das seien Vorteile, durch die es
vielen Beschäftigten leichter falle, sich als Einzelner wahrgenommen und wertgeschätzt zu
fühlen und sich mit dem Unternehmen zu identifizieren.

Auch Wolfgang Degreif rät den Personalabteilungen kleinerer Unternehmen, sich auf ihre
Stärken in punkto Mitarbeiterbindung zu besinnen. "Wenn als Indiz für die
Entwicklungsmöglichkeiten nicht nur die Zahl der zu führenden Mitarbeiter herangezogen wird,
sondern auch die Verantwortung, die ein Beschäftigter übernehmen kann, haben kleinere
Unternehmen sogar Vorteile", so Degreif. Schließlich seien Potenzialträger dort oft für
Gesamtprozesse und große Projekte verantwortlich - das könne ihnen nicht jeder Konzern
bieten. Mitarbeiterbindung kann also bei jeder Unternehmensgröße funktionieren.

(Michael Vogel, März 2011 / Bild: Iceteastock, Fotolia.com)

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