Sie sind auf Seite 1von 5

ent wicKLung AuFl ADung

Neues Turbolader koNzepT 


für OttOmOtOren
Honeywell hat ein neues Aufladekonzept mit einer Axialturbine für ottomotoren entwickelt. Im Vergleich zu
konventionellen radialturbinen bietet das neue System einen rund 25 % schnelleren Drehmomentaufbau
beim Beschleunigen aus niedrigen Motordrehzahlen. Kostensenkend wirken sich die feststehende turbinen-
geometrie und die ausschließliche Verwendung konventioneller Werkstoffe aus.

Autoren

Jeff Lotterman VacLaV Kares Denis JecKeL PaoLo Di martino


ist Abteilungsleiter Vorentwicklung ist Vorentwicklungsingenieur ist Direktor Pkw-Antriebsstrang is Abteilungsleiter ottomotor-
und zuständig für die und zuständig für die und zuständig für Analysen Antriebsstrang und zuständig für
entwicklung von zukünftigen analytische Auslegung des zukünftiger Pkw-Antriebs- Analysen und Zielsetzungen
Aufladekonzepten bei Dual-Boost-Systems bei stränge bei Honeywell turbo zukünftiger Aufladesysteme bei
Honeywell turbo technologies Honeywell turbo technologies technologies in thaon-les- Honeywell turbo technologies
in torrance (uSA). in Brünn (tschechien). Vosges (Frankreich). in Brünn (tschechien).

1 Berechnungsergebnisse für Downspeeding, Downsizing und einer Kombination daraus

504
motiVation anforDerungen an pische Downsizing­ und Downspeeding­
Den antriebsstrang Entwicklung zu berechnen. Als Maßstab
Das von Honeywell entwickelte neue dient im Folgenden ein moderner 1,8­l­
Turboladerkonzept namens Dual Boost Im Idealfall kann die Arbeit für die Ottomotor mit Direkteinspritzung und
kennzeichnet einen Paradigmenwechsel Beschleunigung eines Fahrzeugs von variablem Ventiltrieb (VVT). Er entwickelt
für die Aufladung von Ottomotoren. Statt einem in einen anderen Fahrzustand ein Drehmoment von 240 Nm (~17 bar
der klassischen aerodynamischen Lösung mit der Änderung seiner kinetischen BMEP) bei 1750/min. 1 zeigt die Ergeb­
eines einseitigen Zentrifugalverdichters Energie gleichgesetzt werden. Die dafür nisse für drei Berechnungen, einerseits
und einer Radialeinlassturbine, ein erforderliche Motorarbeit kann als Fläche mit einem Downspeeding um 14 % von
Standard, der seit über 35 Jahren in unter der Kurve in einem Leistungs­Zeit­ 1750 auf 1500/min, andererseits mit ei­
der Branche angewandt wird, kommt Diagramm dargestellt werden. Für zwei nem Downsizing um 11 % von 1,8 auf
beim Dual­Boost­System ein beidseitiges Fahrzeuge mit unterschiedlich großem 1,6 l Hubraum sowie mit einer Kombina­
Verdichterrad in Kombination mit einer Motor, aber identischer Leistung, muss tion der Ansätze. Die wichtigsten nume­
Axialturbine zum Einsatz. Das System die ausgeführte Arbeit gleich sein, wenn rischen Ergebnisse sind in 2 dargestellt.
erzielt unter Stationärbedingungen einen sich dieselben Fahrleistungen ergeben Der kombinierte Fall (14 % Downspeeding
mit konventionellen Konzepten vergleich­ sollen, Gl. 1 und Gl. 2: und 11 % Downsizing) erfordert eine
baren Wirkungsgrad, weist aber 50 % 30 %ige Zunahme des Mitteldrucks und
weniger Massenträgheitsmoment auf. einen 26 % schnelleren Drehmomentan­
1
Damit ermöglicht es einen ähnlichen gL. 1 W=DE=E2 – E1=__ 2 2
2 m (V2 –V1 ) stieg sowie einen doppelt so schnellen
Drehmomentverlauf, aber gleichzeitig ein Ladedruckaufbau.
außergewöhnlich gutes transientes Ver­ t
halten. Das macht das Aufladekonzept gL. 2 W= ∫ P(t)dt
0 turboLaDerausLegung
insbesondere für Downspeeding­ oder
Downsizing­Ansätze bei Ottomotoren, Eine vergleichbare kinetische Analyse
mit denen das Emissionsniveau und der Dieses einfache Konzept gestattet es, kann auf einen Turbolader angewendet
Kraftstoffverbrauch weiter gesenkt wer­ Leistung, Drehmoment und Mitteldruck werden, indem der Term aus Masse und
den können, interessant. (BMEP) als Funktion der Zeit für eine ty­ Geschwindigkeit (mv²) für das Fahrzeug
0 6 I 2 012 7 3 . Jahr g an g 505
ent wicKLung AuFl ADung

hubraum motor- bmeP Drehmoment zeit bis zeit Von Drehmoment- Drehmoment
[l] DrehzahL [bar] [nm] zum 50 bis 90 % anstieg nach 1 s
[1/min] Drehmoment Drehmoment mit turboLaDer [nm]
[s] [s] [nm/s]
messbasis 1,8 1750 16,8 240 2,70 2,13 42 168
a 1,8 1500 19,5 280 2,23 1,86 75 188
b 1,6 1750 18,8 240 2,32 1,91 59 162
c 1,6 1500 22,0 280 2,00 1,71 95 185

2 Technische Kennwerte der Motorberechnung mit Downspeeding, Downsizing und einer Kombination daraus

durch einen Term aus polarem Träg­ stationäre Leistungscharakteristik des rigen Schaufelgeschwindigkeitsquotienten
heitsmoment und Drehgeschwindigkeit Turboladers und des Motors von Vorteil. und eine um 50 % reduzierte Drehmasse
(Iω²) für den Läufer ersetzt wird. Damit auf, ④ (rechts). Die Kombination mit
ergeben sich Gl. 3, Gl. 4 und Gl. 5: einem beidseitigen Verdichter mit paralle­
abwägung zwischen effizienz
ler Anströmung bietet mehrere Vorteile.
unD trägheit
Erstens beschleunigt der Verdichter die
DE E2 – E1
Paccel = ___ ______
t = t 1
Die stark vereinfachte Gleichung Gl. 5 Turbinen entlang der Kurve des optima­
gL . 3 2 2 stellt eine sehr brauchbare Methode len Schaufelgeschwindigkeitsquotienten,
1 Ip (ω – ω )
=__2 _________
2 1
t dar, um den relativen Einfluss und die zweitens gleicht er die aerodynamische
Gewichtung der grundlegenden Turbo­ Axiallast in der Maschine aus (damit
2 2 laderparameter Wirkungsgrad und schafft er ein Laderkonzept quasi ohne
1 Ip (ω2 – ω1 )
gL . 4 t=__2 _________
Paccel Drehmasse zu berechnen. Ein höherer Axialkraft) und drittens ist seine Trägheit
Wirkungsgrad ist grundsätzlich immer geringer als die vergleichbarer herkömm­
2 2 sinnvoll. Allerdings würde ein Dreh­ licher Verdichter. 5 zeigt die Läufer­
1 Ip (ω2 – ω1 )
t=__2 _____________
(P –P –P )
momentaufbau ohne Zeitverzug einen gruppe des Dual­Boost­Laders im Ver­
turb comp brg

gL . 5 2 2
Turbolader ohne Trägheit erforderlich gleich: Sie ist länger als bei einem kon­
1 Ip (ω – ω1 )
=__2 ____________________
2
Pcomp,isen
machen, was technisch natürlich nicht ventionellen Lader, stellt aber das
(P turb,isen ηturb – ______
ηcomp – Pbrg) umsetzbar ist. Die Herausforderung für Konzept mit der geringeren Trägheit dar.
die Entwickler moderner Turbolader ist Vorteilhaft ist zudem, dass keine exoti­
es deshalb, den Turbinenwirkungsgrad schen Werkstoffe für die Läufergruppe
bei niedrigen Schaufelgeschwindigkeits­ benötigt werden.
turbineneffizienz
quotienten zu maximieren und gleich­
Die Turbineneffizienz ist eine Funktion zeitig das Massenträgheitsmoment zu
ergebnisse Des motortests
des Schaufelgeschwindigkeitsquotienten minimieren.
(U/Co), wobei U die Turbinenspitzenge­ Der Dual­Boost­Turbolader wurde im Ver­
schwindigkeit und Co die isentropische gleich zu einem herkömmlichen Radial­
KonzePt mit a xiaLturbine
Austrittsgeschwindigkeit ist. Aufgrund turbolader in einem 1,6­l­Reihenvierzylin­
des Trends zu größeren Verdichterdurch­ Bei der Entwicklung neuer Turbolader hat der­Ottomotor von Ford mit Direktein­
messern und verkleinerten Turbinen mit Honeywell Axialturbinen als Alternative spritzung (λ=1) und variablem Ventiltrieb
geringer Trägheit hat sich die Turbinenef­ zum herkömmlichen aerodynamischen (VVT) (Spalte c in ②) getestet. Der Motor
fizienz im Laufe der Jahre verschlechtert. Ansatz mit Zentrifugalverdichter in Kom­ hat ein Nenndrehmoment von 280 Nm
Dieses Problem wird bei modernen Otto­ bination mit einer Radialturbine unter­ bei 1500 bis 4500/min (22 bar BMEP)
motoren durch die Forderung nach höhe­ sucht. Axialturbinen haben gegenüber und eine maximale Leistung von 132 kW
rer transienter Leistung und durch den Radialturbinen den Vorteil eines besseren zwischen 4750 und 5500/min.
stark pulsierenden Abgasstrom weiter Turbinenwirkungsgrads bei niedrigem Beide Turbolader wurden in der
verschärft. Ein Großteil der Energie im Schaufelgeschwindigkeitsquotienten, 4 Größe so ausgelegt und angepasst, dass
Abgas besteht aus dem Hochdruckanteil (links). Dies gilt insbesondere, wenn ihre sie dieselben korrigierten Massenflüsse
der Impulse. Ein Schaufelgeschwindig­ bauartbedingt geringere mechanische bei gleichem Expansionsverhältnis von
keitsquotient von 0,2 ist nicht ungewöhn­ Belastung dazu genutzt wird, die Turbi­ 2:1 aufwiesen. 6 (links) zeigt, dass beide
lich, wenn ein Impuls zu Beginn einer nenschaufeln mit einem Einlasswinkel Lader in der Lage waren, das angestrebte
Transiente auftritt, 3. Bei diesen Bedin­ ungleich Null zu versehen. Außerdem Stationärdrehmoment bei Volllast sowie
gungen ist die Turbineneffizienz norma­ weisen Axialturbinen an sich schon eine die Zielleistung zu erreichen. Die voll­
lerweise schlecht, wodurch es schwierig geringe Trägheit auf. Diese Vorteile hat ständigen Daten haben ergeben, dass
wird, Energie umzusetzen und den Läu­ sich Honeywell bei der Entwicklung des beide Turboladerkonzepte ein vergleich­
fer effizient zu beschleunigen. Eine ver­ Dual­Boost­Systems zunutze gemacht. Im bares Spülgefälle ΔP und ebenso einen
besserte Turbineneffizienz bei niedrigen Vergleich zu einer äquivalenten Radialtur­ vergleichbaren spezifischen Kraftstoff­
Schaufelgeschwindigkeitsquotienten ist bine weist die neue Axialturbine einen verbrauch hatten. ⑥ (rechts) zeigt jedoch
sowohl für die transiente als auch für die besseren Turbinenwirkungsgrad bei nied­ den eigentlichen Unterschied zwischen
506
3 Turboladerkennwerte

Die prüfende
Hand für Ihr Getriebe.
www.iav.com

Ob konventionelles Getriebe, Elektro-


oder Hybridantrieb – unsere Test-
experten und eine erstklassige Prüf-
technik stehen Ihnen zur Seite.

Tel.: +49 371 2373-4373


getriebepruefstand@iav.de

4 Vergleich zwischen Radialturbine und Dual-Boost-Axialturbine

0 6 I 2 012 7 3 . Jahr g an g 5 07
ent wicKLung AuFl ADung

den beiden Laderkonzepten. Die transi­


ente Drehmomentkurve mit dem Dual­
Boost­Lader steigt sehr viel steiler als
mit dem Standardturbolader an; 180 Nm
Drehmoment wurden 400 ms und
270 Nm über 600 ms früher erreicht
als beim Standardturbolader.

zusammenfassung
unD ausbLicK

Das neue Turboladerkonzept für Otto­ 5 Vergleich der Läufergruppe


motoren von Honeywell bietet durch die
Überarbeitung der grundlegenden aero­
dynamischen Konstruktion folgende
Vorteile: : mehr als 25 % schnellerer Drehmo­ und Downspeeding von Ottomotoren.
: Stationärverhalten sowie Kraftstoff­ mentaufbau bei niedrigen Motordreh­ Das Dual­Boost­System bietet das Poten­
verbrauch wie ein herkömmlicher zahlen zial, CO2­Emissionen und Kraftstoffver­
Turbolader : mehr als 15 % mehr Drehmoment nach brauch um ein Maß zu senken, das mit
: einfache feststehende Turbinengeo­ der ersten Sekunde im Transientbetrieb. herkömmlichen Turboladern ohne die
metrie und ausschließliche Verwen­ Das Konzept bildet damit eine wichtige Fahrdynamik zu beeinträchtigen nicht
dung konventioneller Materialien technische Basis für das Downsizing umsetzbar ist. Das Dual­Boost­System
hat in der derzeitigen ersten Generation
schon die Leistungsfähigkeit der lang­
jährig entwickelten herkömmlichen
Turboladertechnik überschritten und
bietet zudem ein hohes Potenzial für
Weiterentwicklungen.

Literaturhinweis
[1] Bauer, K-H.; Jeckel, D.; lottermann, J.; Brink-
mann, F.; Schorn, n.: new turbocharger Concept
for Boosted gasoline engines. 16. Aufladetechni-
sche Konferenz, Dresden, 2011

daNke
Bei der Erstellung des Beitrags haben zusätzlich
mitgewirkt:
: Gavin Donkin, Vice President Vorentwicklung
und zuständig für künftige Konzepte bei Honey-
well Turbo Technologies in Rolle (Schweiz).
: Karl-Heinz Bauer, Chief Technology Officer
und zuständig für allgemeine Entwicklungs-
aufgaben bei Honeywell Transportation Sys-
tems in Rolle (Schweiz).
Zusätzlicher Dank geht an Dr. Schorn und F.
Brinkmann von Ford in Aachen.

DownLoaD Des beitrags


www.MtZonline.de

reaD the engLish e-magazine


order your test issue now:
6 Vergleich der gemessenen Motorkennwerte mit Radialturbine und Dual-Boost-Axialturbine springervieweg-service@springer.com

508

Das könnte Ihnen auch gefallen