Sie sind auf Seite 1von 2

Fachdidaktik Griechisch (Einführung) Dr.

Martin Holtermann Lukas John

Schriftliche Ausarbeitung 1
1. Wie könnten die Götter Theseus bestrafen, nachdem er Ariadne allein auf Naxos zurückließ?

Nachdem Theseus Ariadne allein auf Naxos zurückgelassen und diese sich in ihrer Enttäu-
schung über Theseusʼ rücksichtsloses Verhalten an die Götter mit der Bitte um eine gerechte
Bestrafung Theseusʼ gewandt hatte, ereignete sich auf dem Seeweg zwischen Naxos und Athen,
auf dem sich Theseus und seine Kameraden gerade befanden, am Kap Sounion unweit von
Athen ein schweres Unglück: Anstatt wie mit seinem Vater Aigeus vor der Fahrt nach Kreta
vereinbart, weiße Segel als Zeichen einer glücklichen Heimkehr aufzuspannen, blieben die
schwarzen Segel als Zeichen der Trauer und des Todes am Mast, jedoch ohne dass Theseus
oder irgendeiner der Schiffsbesatzung hiervon etwas bemerken konnte. Die Götter selbst näm-
lich straften Theseus und dessen Kameraden mit dieser verhängnisvollen Vergesslichkeit und
vergolten dadurch, was Ariadne so schmerzlich auf Naxos beweint hatte: Ohne Rücksicht auf
ihre Liebe, wie wenn sie sich nie gekannt, nie geliebt hätten, kehrte Theseus ihr den Rücken zu
und verließ sie für immer. Die Götter hatten Ariadnes Wehklagen erhört: Aigeus stürzte sich
infolge des Zeichens in tiefer Trauer und Erschütterung vom Kap Sounion und verendete im
darunter befindlichen Meer, das nach ihm Ägäis genannt wurde. So kehrte Theseus zwar nach
Athen zurück und wurde dort König, hatte jedoch zugleich seinen geliebten Vater durch seine
von den Göttern verhängte Vergesslichkeit auf ewig verloren, wie auch Ariadne Theseus nie
mehr wieder sah, nachdem er sie ohne Verabschiedung, wie wenn er sie einfach vergessen hätte,
allein auf Naxos zurückließ.

2. Was könnte Theseus auf die Vorwürfe von Ariadne erwidern?

Theseus könnte erwidern:

„Ach, liebe Ariadne, ich wünschte, es wäre alles anders gekommen! Ach hätte ich dir wenigs-
tens ein letztes Mal „Leb wohl!“ sagen und dich fest in meine Arme schließen können! Aber
nichts davon war mir Sterblichem vergönnt! Ich bin mir sicher, dass du denkst, dass ich nicht
wüsste, wie du dich jetzt fühlst. Und wahrscheinlich hast du damit sogar Recht; ich möchte
dennoch, dass du weißt, dass mir die Art und Weise meines Abschieds unendlich Leid tut! Aber
es musste so kommen! Ich verstehe deinen Schmerz, deine Enttäuschung, deine Wut und dein
Sehnen nach Vergeltung. Auch ich vermisse dich, sehne mich nach dir und deiner Nähe! Ach
wie gerne läge ich mit dir eng verschlungen am Strand, weit und breit nichts anderes als unsere
Zweisamkeit! Doch all dies muss ein schöner Traum bleiben und eine Rückkehr zu dir ist auf
ewig ausgeschlossen! Keineswegs habe ich vergessen, was du für mich aus tiefer Liebe und
Zuneigung heraus tatst, welches Unheil du mir zuliebe auf dich nahmst: Du halfst mir in größter
Fachdidaktik Griechisch (Einführung) Dr. Martin Holtermann Lukas John

Not, als ich gegen den Minotauros, deinen Halbbruder, stand und wandtest dich damit gegen
dein Vaterland! Dafür kann ich dir gar nicht genug dankbar sein und alles, was ich auch zu
sagen suche, wird für deine Opfer niemals ausreichend sein! Ich möchte, dass du weißt: Ich
habe dich nicht und werde dich auch niemals vergessen! Ich ahne, was du gerade von mir denkst
und hältst: Ich sei ein schlechter Mensch, der dir nur Böses wolle und hierfür nicht einmal
bestraft werde. Doch eines sollst du wissen: Mein Abschied war nicht meine Entscheidung. Es
war der Wille und Wunsch der Götter, dass ich dich freigebe und am Strand auf Naxos zurück-
lasse: Der wilde Gott des Weines selbst, Dionysos, hat dich zu seiner Frau erkoren und will sich
bald mit dir vermählen! Und ich? Was hätte ich da tun sollen? Was kann ein Sterblicher wie
ich, mag er auch noch so stark und tapfer sein, schon gegen das göttliche Wirken und Walten
ausrichten! Sicherlich ist dein Vorwurf, ich hätte dir wenigstens noch eine letzte Umarmung,
einen letzten Kuss, einen letzten Moment der innigen Liebe schenken können, nicht unberech-
tigt. Mich selbst quält und martert es, wenn ich über meinen Abgang, ja mein überstürztes Ver-
schwinden nachdenke. Doch ich bin mir sicher: Selbst wenn ich dir vom Plan der Götter be-
richtetet und dich ein letztes Mal in meine Arme geschlossen hätte, nie und nimmer hättest du
mich dann noch fahren lassen! Ja ich meine sogar zu wissen: Es wäre nur schwerer für uns
beide gewesen! Auch wenn ich selbst nichts ungeschehen machen kann und eine – von mir so
schmerzlich ersehnte – Rückkehr zu dir ausgeschlossen ist, so wünsche ich mir doch, dass die
Götter wenigstens mit dir ein Einsehen haben und dich von deinem grollenden Schmerz be-
freien.“

Das könnte Ihnen auch gefallen