- öffentlicher Erfolg der Rhetorik (-> Deklamationen als Massenunterhaltung) - leitet wichtige kulturelle, gesellschaftliche, politische und literarische Entwicklungen ein - Herausbildung einer neuen Elite (Sophisten; rhet. Bildung = ges. Einfluss/polit. Macht) - Rückbezug auf grch. Vergangenheit (v. a.: Klassik) (-> Themen/Motive der lit. Tradition -> literarische μίμησις) - neue Bildungsinhalte; exempla ethisch vorbildlicher Lebensweisen - Etablierung des Attischen als Literatursprache (Trennung von Koiné und Asianismus) - Attisch als Sprache der Intellektuellen (-> Bildungscode) - Erweiterung des Bildungsverständnisses (-> Bildungsdiskurs) - Diskussion von Bildungsinhalten, Bildungsmedien und Bildungsintentionen - beteiligte Gruppen (Intellektuelle der Zeit): - Redner, Philosophen, Schriftsteller (spezifische Ausbildungen und Wirkungsweisen) - unterschiedliche Bildungsangebote (-> spezifisches Bildungskonzept)
2. Die παιδεία Lukians – seine eigene Bildung
- umfassende rhetorische Ausbildung (-> Abfassung von προλαλιαί und μελέται) - konsequente Verwendung des Attischen (-> breiterer Wortschatz als Platon) - zahlreiche Rückbezüge auf kulturelle Errungenschaften, historische Ereignisse und literarische Traditionen (-> umfassende literarische Bildung) - Auseinandersetzung mit der zeitgenössischen Philosophie (ironisch-kritische Hinterfragung) - Grad der philosophischen (Aus)Bildung Lukians selbst unsicher Lukian als eminenter Vertreter der Bildungskultur der Zweiten Sophistik Lukians Bestreben/Zielsetzung (in seinen Schriften): - Lukians umfassende παιδεία als Voraussetzung für: - beständige Prüfung von Anspruch und Wirklichkeit von Bildung - literarische Inszenierung einzelner Facetten des Bildungsdiskurses der Zweiten Sophistik - Spiegelung der Bildungsdiskurse seiner Zeit - Dialogisierung/Diskursivierung verschiedener Formen, Ziele und Wirkungsabsichten von Bildung (zentral: Frage nach dem Schein und Sein von Bildung) - Neuauslotung des Stellenwertes von Bildung in der Gesellschaft (-> Aushandlungsprozess) - kritische Hinterfragung der Rolle der Bildungselite (-> Vorgehen gegen Scheinbildung) 3. Das παιδεία-Konzept Lukians – zentrale Aspekte - grundlegendes παιδεία-Verständnis: - die sich an die elementare Schulbildung (Trivium, Quadrivium) anschließende rhet. Ausbildung - Sammelbegriff für alle Elemente grch. Kultur (-> „ästhetisches Fundament“) - παιδεία ist mehr als einzelne Wissensbereiche (≠ Summe bestimmter fachmännischer Techniken) - Nützlichkeitsanspruch der παιδεία bei Lukian (ethisches Fehlverhalten = Unbildung): - nicht nur umfassendes theoretisches Wissen (Rhetorik, Philosophie, Literatur), sondern Umsetzung dieses Wissens in Wort und Tat (-> ethisch vollkommene Lebensführung) - Ideal des πεπαιδευμένος (-> in den lukianischen Schriften nicht erreicht) - Diskussion von Möglichkeiten und Grenzen des Bildungserwerbs (-> auch bei Frauen) - rhetorische Bildung (vgl.: Rhetorum Praeceptor): - Welches ist der richtige Weg zum rhetorischen Erfolg? (-> Entlarvung von Scheinrhetorik) - philosophische Bildung (vgl.: Hermotimus) - Was ist der Nutzen eines Philosophiestudiums? (-> fehlende praktische Ethik) - literarische Bildung (vgl.: Adversus Indoctum, Verae Historiae) - Literatur als Grundvoraussetzung für Bildung (-> Zentrum der lukianischen Bildungsdiskurse) - zahlreiche intertextuelle Verweise (-> lit. Tradition) - literarische Mimesis als Charakteristikum des Literaturbetriebs der 2. Sophistik: - Herausforderung des Rezipienten (-> Weiterbildung; kreative Nachahmung) - Entlarvung von Scheinbildung (Weg: Erkennen von intertextuellen Spuren) - Einsatz gegen Bildungsprätention (Bücherbesitz/lit. Bildung allein ≠ παιδεία nach Lukian) - dynamischer Bildungsbegriff Lukians (zentrales Charakteristikum: Offenheit) - keine starre Fixierung auf ein Bildungskonzept (nicht von vornherein festgelegt): - Beleuchtung unterschiedlicher Bildungsfacetten in thematischer Abhängigkeit eines Werkes im Dialog der Vertreter der Bildungselite (Diskursivierung von Bildung) - Bildung ist bei Lukian als eine kulturell wie räumlich übergreifende Instanz gedacht (-> ubiquitär) - Bildung muss sich überall bewähren (besonders am Rande der Ökumene; Athen: melting pot) - Konfrontation mit anderen Bildungsverständnissen ermöglicht kritische Selbstreflexion - Kulturkontakte als produktive Themenquelle für das lukianische Œuvre - kosmopolitischer πεπαιδευμένος: - Heimat: Welt der Bildung (ist überall zu Hause) - keine traditionelle Identität (Name, Herkunft, Charakter), sondern Bildungsidentität - Identitätslosigkeit von Gebildeten als Charakteristikum lukianischer Bildungsdiskurse -> Formbarkeit (-> Aushandlungsprozesse) und Allgemeingültigkeit der Aussagen 4. Bibliographie Baumbach, M. / von Möllendorff, P., Ein literarischer Prometheus. Lukian aus Samosata und die Zweite Sophistik, Heidelberg 2017.