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18.10.

2018

Kulturkontakt und Kulturvergleich


→ Fachbezeichnungen: laufende Modernisierungsprozesse

1 Allgemeines

 Bezeichnung VKW in D singulär


 Andere Bezeichnungen: Empirische Kulturwissenschaft (Tübingen), Europäische Ethnologie (Marburg, Berlin,
Innsbruck), Populäre Kulturen (Zürich), Kulturanthropologie und Euro Ethno (Frankfurt a. M.), Vergleichende
Kulturwissenschaft (Regensburg), Volkskunde (Eichstätt, Rostock)  Namen spiegeln z.T.
Forschungsschwerpunkte wieder
 Fach und Schwerpunkte definieren sich über Leute, die vor Ort arbeiten
 Ca. 30 deutschsprachige Standorte
 Kulturwissenschaften und Cultural Studies weites Feld mit unterschiedlichen Herangehensweisen
 Aufklärung als erster Impulsgeber für die Fachgründung.
 Aufklärung als Kulturwelle Basis Europas → sehr umstritten
 Europa der Regionen hat sich als nicht tragfähig erwiesen
 Einsetztender Cultural Turn in den letzten Jahren
 Sowohl gegenwartsorientiert als auch historisch
 Kultur immer im prozessualen Zusammenhang ( historische Komponente beachten)
 Breite Bevölkerung
 Beschränkung auf Europa; Schwerpunkt: deutschsprachiger Raum (exemplarisches Arbeiten ist nicht in
unüberschaubaren Räumen möglich)
 Viele kulturelle Phänomene in einer globalen Welt sind aber nicht nur regional verstehbar.
 Strahlkraft beispielsweise auch aus Amerika
 In Regensburg: ca. 1/3 der Wertschöpfung im kulturellen Bereich
 Fach als Reflex auf Modernisierungsprozesse und Veränderungen (Bewahrungsgedanke, Sensibilität für
Veränderungsprozesse)
 Bei neuen Staaten: häufig Schaffung von Orten, Institutionen, Forschungen zur eigenen kulturellen Identität
 Selbstvergewisserung
 1. Und 2. Weltkrieg: Verungewisserung (vorher: Stolz auf Kulturnation, danach: Barbareien der Kriege) 
Frage, was Kultur ist und was dazu gehört
 Lange Zeit Annahme einer globalen Einheitsgesellschaft; diese Annahme trifft aber nicht zu (z.B. statt
Europäisierungstendenzen „Europa der Regionen“)
 Unsere Zeit stark linear, aber auch zyklisch strukturiert ( Haltepunkte)
 Aktuell und nähere Vergangenheit: Wiederbelebung und Interesse für Bräuche (entgegen der Prognosen)
 Heute: Feste und kulturelle Programme auch von Städten und Gemeinden subventioniert  Veränderung
des Stellenwerts  Lebensqualität und Kultur gewinnen an Bedeutung
 Nach 2. Weltkrieg: Modernisierungsprozesse, in denen beispielsweise historische Bauten abgerissen wurden
 Bräuche und Feste, lokale Spezialitäten spielen wichtige Rolle, auch in Außendarstellung z.B. von Hotels
 Heute: Lebensstil-Gesellschaft, in der Kultur wichtige Rolle spielt und von Bedeutung für Identität ist
 Kultur als ökonomischer Faktor und Teil unserer Gesellschaft und Identität
 Nationalstaatliche Kulturen existieren nur sehr eingeschränkt
 Vergleich: räumliche Dimension nicht nur auf Ebene von Nationalstaaten (stattdessen: z.B. Stadt-Land,
unterschiedliche Stadtviertel, Nord-Süd); oder in zeitlicher Dimension
 Kulturvergleich nicht in stereotypisierter Form.
 Kultur als Ergebnis prozessualer Vorgänge: Kontinuierlicher Wandel der Welt und der Vorstellung und Nicht
normativ wertende Kulturanalyse, wertneutrale Herangehensweise → empirische offenes Verständnis von
Kultur
 Globale Einheitsvorstellung wie IKEAisierung/cocacolaisierung haben sich wieder aufgelöst
 Globalisierung und Regionalisierung nicht als Gegensätze, sondern als Gleichzeitiges → globale Medien als
regional genutzt.

Aufteilung:

1. Gründung (1-4) → Fach, Kultur, Theoretiker, Fachgeschichte


2. Kulturkontaktfelder (5-9) → Forschungsfelder
3. Kulturvergleichsdimensionen (10-12) → Zeit, Raum, Sozial

2. Kultur – Begrifflichkeit und Fachverständnis

 Was aktuell als Kultur bezeichnet wird, war vor ein paar Jahrzehnten maximal als Volkskultur bezeichnet
denkbar
 Der Kulturbegriff ist dynamisch und nicht statisch.

2.1 Etymologie und Wortgenese

 Lateinisch „cultura“ bzw. „colere“


 Landbau
 Pflege von Körper und Geist
 In früher Neuzeit verliert sich Hauptbedeutung im Sinne von Agrikultur und Nebenbedeutung „Pflege von
Körper und Geist“ gewinnt an Bedeutung

Aufklärung

 Samuel Pufendorf (1672): Ausbildung der leiblichen, seelischen und geistigen Fähigkeiten, zur
Vervollkommnung der menschlichen Natur → eher kleine Schicht mit finanziellen Mitteln wie Obesduant/
Adel
 Kant (1790): Befreiung des Menschen aus seiner natürlichen „Rohigkeit“, Entwicklung zum vernünftigen
Wesen.
 Im frühen 18 und späten 19. Jahrhundert entwickeln sich die Bedeutungstendenzen von Kultur, die wir
heute noch finden
 → immer nicht eher Ausschluss der Bäuerlichen, aber schulische Ausbildung gewinnt zunehmend an
Bedeutung (weit verbreitete Schulpflicht ab 19. Jh.), Kultur nicht mehr nach der Obersicht zugänglich.

2.2 Grundtendenzen in der Bedeutung von Kultur

Seit dem frühen 19. Jh. 3 Tendenzen in der Bedeutung von Kultur:

1. Tendenz zur Idealisierung des Kulturbegriffs (bis ca. 1960er in Deutschland präsent; Deutschland hatte im
Kulturbereich gewisse Strahlkraft; Kultur z.B. von Goethe und Schiller geprägt  kanonisierte Vorstellung, was
deutsche Kultur ist; fast alle Nationalstaaten versuchen ab 19. Jahrhundert Summe der geistigen Errungenschaften
als eigentliche Kultur zu verstehen; Begriff der Aufklärer  jeder ist durch Erziehung kultivierbar). Gegensatz zum
Alltagskulturbegriff, den wir aktuell zunehmend verwenden.

2. Internalisierung (man hat Kultur oder nicht  internalisiert, nicht bewusst geistig schaffbar; man ist Kulturmensch
oder nicht, Sozialisierung durch kulturelles Umfeld; Kulturbegriff der Romantiker, die sich von Aufklärern absetzten
wollten. Kultur nicht regional gesetzt, kann somit nicht bewusst erlernt werden. Vor allem im Kontext der
Kolonialisierung (Rassismus beruht u.a. auf internalisiertem Kulturbegriff)

3. Empirischer Kulturbegriff (offener Kulturbegriff  was ist empirisch für bestimmte Region, Zeit, Schicht
feststellbar? Offener weiter empirischer Kulturbegriff: nicht idealisiert, nicht internalisier. Ohne normative Wertung;
v.a. im wissenschaftlichen Bereich seit dem späten 18. Jahrhundert feststellbar (z.B. bei Herder); alle
Erscheinungsformen der jeweiligen Zeit und der Menschen; v.a. im angelsächsischen Raum nach wie vor verbreitet
 Edward Burnett Tylor (fast alle angelsächsischen Kulturwissenschaftler berufen sich auf seinen Kulturbegriff) in
Primitive Culture 1871: „Culture, or civilization, taken in its broad, ethnographic sense, is that complex whole which
includes knowledge, belief, art, morals, law, custom, and any other capabilities and habits acquired by man as a
member of society.”Edward Burnett Tylor (1832-1917) (Deutsch: “Kultur – im weiten ethnographischen Sinne des Wortes – […] ist jenes komplexe Ganze, das Wissen,
Glauben, Kunst, Moral, Recht, Sitte, Brauch und alle anderen Fähigkeiten und Gewohnheiten umfasst, die der Mensch als Mitglied einer Gesellschaft erworben hat. Die Art der Kultur

verschiedener menschlicher Gesellschaften ist, wenn sie nach allgemeinen Prinzipien untersucht wird, ein Gegenstand, der die Erforschung der Gesetze menschlichen Denkens und

Handelns ermöglicht.”)

Kritik an Tylors Kulturbegriff: Er sucht nach Gesetzen (sehr naturwissenschaftlich); bei uns eher Modellvorstellungen
ergründen); ab ca. 1800 werden europaweit von Tylor beschriebene Kategorien (wie Wissen, Glauben, Moral, Kunst,
Recht etc.) verwendet, um “Land und Leute” zu beschreiben); seit 1970ern in Deutschland weiter verbreitet.

 Weitere Tendenzen des Kulturbegriffs oder Kombinationen vorhanden, die aber nicht so große Strahlkraft
haben.
 Weitere Tendenz: Antikulturalisten: Es gibt keine Kultur, grundsätzliche Ablehnung
 Grimms, Herder, Riehl als führende Kulturforscher ab 18. Jahrhundert haben sich teilweise auch
idealisiertem oder internalisiertem Kulturbegriff angenähert
 „Kultur ist alles, was der Mensch geschaffen hat“ ist nicht ganz so sinnvoll, eher spezifisch auf dem jeweiligen
Kontext bezogen hilfreich → unterschiedliche Vorstellung von Kultur.

2.3 „Volkskultur“, „Massenkultur“, Alltagskultur“

 Um 1900 Volkskultur normativ abwertend (nicht Kultur erster Klasse, sondern der einfachen Leute);
Volkskultur und Eliten-/Hochkultur, v.a. von gehobenen Kreisen verwendet
 Volkskultur nicht negativ gemeint, sondern um 1900 hohe Wertschätzung (vgl. bspw. Rezeption bei „Blaue
Reiter“)  führte zur Sammlung beispielsweise in Museen
 Massenkultur: Kultur, die man eigentlich nicht als Kultur bezeichnen konnte; ungeformt, träge,
unberechenbar, ideologisch beeinflussbar (Gegensatz zu Volkskultur, Volkskultur geschätzt, Massenkultur
nicht)
 Mode oder Schlager im Gegensatz zu Volksliedern oder Trachten als Volkskultur
 Kultur (bürgerliche Kultur) > Volkskultur („unverändert“, „alt“) > Massenkultur
 Volkskultur erfährt Ideologisierung und Überhöhung v.a. im Nationalsozialismus (in Verbindung mit
biologistischen Verständnis)  ab 1960ern Volksbegriff in KuWi in Kritik  Abwendung vom Begriff und von
Fachbezeichnung; in letzten Jahren Volksbegriff auch von Intellektuellen wieder aufgegriffen (z.B. von
Bourdieu)  Überwindung des ideologischen Ballasts; evtl. wird Volkskulturbegriff wieder aktuell bzw.
„verwendbar“
 Suche nach ideologisch neutralem Begriff: Alltagskultur (häufig aber nur Volk durch Alltag ersetzt)
 Alltagskulturbegriff ist universell (umfasst auch Festkultur)
 Alltagskulturbegriff scheint derzeit an Bedeutung zu verlieren, da Kulturbegriff derzeit tendenziell wieder
weiter gefasst wird und daher nicht unbedingt eine Differenzierung notwendig ist

2.4 Der „erweiterte Kulturbegriff“

→ Innerhalb nur einer Generation des starren Kulturbegriffs/ Kanon verändert hin zu einem offenen, erweiterten.

 In 60ern: Rebellion gegen vorherrschenden Kulturbegriff der Elterngeneration


 68er, Hippies, Anti-Atomkraftbewegung
 Von Amerika aus findet weiter, offener Kulturbegriff in Deutschland Einzug
 Unterschiedliche kulturellen Ausdruckformen und Projekte werde gefördert und finanziell unterstützt.
 Neuer Kulturbegriff fördert Ausdifferenzierung/ Heterogenität
 Auch eine bäuerliche Kultur wird wertgeschätzt und gepflegt wodurch Freilichtmuseen entstehen.

25.10.2018

2.5 Erkenntnisinteressen

 Was will und kann das Fach leisten: „… Analysiert die Vermittlung (die sie bedingenden Ursachen und die sie
begleitenden Prozesse) von kulturalen Werten in Objektivationen (Gegenstände) und Subjektivationen
(immaterielle Kultur).
Ziel ist es, an der Lösung sozio-kulturaler Probleme mitzuwirken.“ (Martin Scharfe, 1970,
Falkensteiner Tagung)
 Sehr ambitionierte Definition (nicht nur Rettung von Kultur), die analysieren und vermitteln soll; Geist der
1960er Jahre
 Aber: nicht nur auf gesellschaftliche Bedeutung/Problemlösung beschränken, da sonst Abhängigkeit von
wirtschaftlichen Interessen bestehen kann
 Beispiel für neue Themen: Herbert Schwedt: Kulturstile kleiner Gemeinden (in dieser Zeit viel Kritik, da man
sagte, kleine Gemeinden könnten keinen eigenen Kulturstil haben; heute Arbeiten wie diese „normal“); oder
Protestkulturen
 Mit anderem Fachverständnis tauchen neue Forschungsfelder auf.
 Kulturverständnis ändert sich noch vor weniger Jahren nicht denkbar ländliche Prozesse als Forschungsfeld
anzusehen.

2.6 Kultur definieren – wozu?

„Vermutlich ist alles, was über Kultur zu sagen ist, schon einmal formuliert worden und mehr als eine Variation des
Aktbekannten kaum zu erhoffen. Aber es ist natürlich unmöglich, dass alle bemerkenswerten Gedanken und
Betrachtungsaspekte, die je geäußert wurden, in jedem Diskussionszusammenhang präsent sind.“ (aus Gerndt:
Kulturwissenschaft im Zeitalter der Globalisierung, 2002, S. 191)

Zitat nach wie vor Gültigkeit!

Enge Kulturdefinitionen meist überholt, zu weite („Alles, was der Mensch gemacht hat“) wenig brauchbar, um etwas
analysieren zu können

„Wir alle setzen voraus, dass es Kultur gibt; Kulturbesitz und Kulturverhalten unterscheiden den Menschen vom Tier.
Was Kultur aber genau bedeutet, lässt sich nicht von vornherein und ein für alle Male bestimmen, sondern gewinnt
aus jeder Betrachtungsperspektive andere Akzente. Kultur erscheint darum eher als ein offenes Erkenntnisfeld denn
als abgrenzbarer Gegenstand. Kein Forschungsobjekt, sondern ein Forschungsfeld fordert unser Interesse.“ (aus:
Gerndt: Kultur als Forschungsfeld München 1981)

Es gibt keinen eindeutig definierbaren, abgrenzbaren Kulturbegriff.

Kulturbegriff wird immer wieder neu erfunden oder akzentuiert, letztlich ist er aber immer wieder an den drei
Grundtendenzen orientiert  Eigentlich gibt es wenig Neues.

2.7 Definitionen

Zentrale Elemente einer Definition von VKW

 Gegenstand: Alltagskultur (implizit auch Festtagskultur)


 Soziale Schicht/Personengruppen: breite Bevölkerung (nicht nur Eliten, aber auch nicht nur Randgruppen;
Eliten haben aber Einfluss, z.B. als Vorbildfunktion)
 Zeit: Gegenwart und Vergangenheit
 Raum: Europa
 Methodik: Kulturvergleich (zeitlich, räumlich, sozial)

Die VKW analysiert und vergleicht systematisch die Alltagskultur der breiten Bevölkerung Europas in Gegenwart und
Vergangenheit.

8.11.2018

Frühe Kulturtheoretiker der Moderne

 Über Theorien zu reflektieren


 In den Kulturtheorien ist es schwer zu reflektieren. Kulturtheoretiker Position.
 Wie stellt sich eine Kulturentwicklung vor? Im Gründe Entwicklung präfiguriert ist. Wieso Gott desto Macht?
Nicht thematisiert.
 Alten Testament: Christliche Mittelalter.
 Wo wird so sagen?

3.1 Kulturvergleich, ehe es den Kulturvergleich gab

 Seit 19190er in verschiedenen Instituten ein fester Bestandteil ist die Vergleichende Kulturwissenschaft.
Bereits davor, da bereits häufig Referenzen zugezogen worden sind. Vergleich ist eine grundsätzliche
Arbeitsweise vieler verschiedener geisteswissenschaftlicher Wissenschaften. Primär in den 19Jhd dazu
genutzt um Gesetzmäßigkeiten zu finden. Man ist nicht davon ausgegangen, dass ähnliche kulturelle
Ausdrucksformen in verschiedenen Kulturregionen entstehen könnten. Kulturen nur von innen zu verstehen
und als abgeschlossener Raum, als etwas Einzigartiges, dass nicht bei anderen sich auch vollziehen kann.
 Frühere Vorstellung basierte auf dem Gedanken geschlossenen Kulturräumen, innerhalb derer sich die
älteren Kulturen ohne jeglichen Austausch und Kontakte entwickelt hätten.
 Seit 1990ern Kulturvergleich nicht nur in unserem Fach, sondern auch in weitern geisteswissenschaftlichen
Fächern prägend → 1990er: Kulturvergleich „kommt in Mode“
 Grund: nahendes neues Jahrtausend (Man wollte feststellen, ob sich wirklich etwas geändert hat, wie es laut
den zahlreichen postmodernen Theorien hätte geschehen sollen.) („Feststellung der Gültigkeit
postmoderner Theorien“)
 Statt „Gesetze“ eher „Modellvorstellungen“ verwenden (Gesetze nicht passend, da diese etwas „Festes“
darstellen)
 Fast alle Sozialwissenschaftler betreiben Kulturvergleich (man will wissen, wo man gerade steht) immer der
Hintergrund, dass man laufende Modernisierungsprozesse als Referenz hat
 VKW: exemplarisch und qualitativ  unsere Befunde in größeren Zusammenhang stellen
 Kulturentwicklungen sind nicht immanent. (kulturelle Ausdrucksformen gibt es in ähnlicher Form häufig auch
in anderen Ländern)  Es gibt keine geschlossenen Kulturen, sondern es gibt Wechselwirkungen,
Kulturaustausch, -kontakt und -konflikt.

3.1.1 Fragen der Mobilität

 Ein Faktor wurde immer unterschätzt: Mobilität. Trugschluss, dass nur die Moderne mobil sei, entsteht erst
im 19.Jahrhundert, zu dem Zeitpunkt als Fahrräder und die Eisenbahn Verbreitung gefunden hat bzw
erfunden worden ist. Reisen, Arbeit, Saisonale Mobilität. Peter Harsche stellt fest, dass die Zahl der Feiertage
im katholischen und evangelischen Europa 150 überschritten hat. (Sonn- und Feiertage), diese Tage konnten
genutzt werden um Kirchweihen und Feste anderer Gegenden besuchen zu gehen. Bilderhändler waren
unterwegs. Wallfahrer waren bereits im späten Mittelalter unterwegs, dann spätes 17., frühes
18.Jahrhundert. Wallfahrtsorte 5mal so groß wie die großen Städte (150000 Besucher gegenüber 30000
Einwohner Regensburg und anderen Städten). Feiertage und Wallfahrten wurden abgeschafft (uneheliche
Kinder). Kirchweihen wurden zusammengelegt. Weitere Einschränkung durch die Industrialisierung, da
keinen Urlaubsanspruch und Feiertage. Durch aufklärerische Reformprozesse und die Industrialisierung sind
ausschlaggebend für den Rückgang der Mobilität.
 Problem: Fehleinschätzung der Forscher des 19./20. Jahrhunderts, was die Mobilität der Menschen früher
betrifft
 Historiker: Im Mittelalter und der Frühen Neuzeit war nur etwa ein Drittel der Bevölkerung sesshaft, der Rest
war „mobil“ ( breite Schichten der Bevölkerung „unterwegs“)
 Bis Aufklärung: ca. 150 Feiertage pro Jahr (teilweise noch mehr)
 Hohe Mobilität (Zeit für Fahrten zu Festen an anderen Orten  viele uneheliche Kinder etc.)
 Durch Aufklärung Einschränkung der Feiertage (ca. 20 + Sonntage; anfangs auch Sonntage als
Arbeitstage; bspw. Verschiebung aller Kirchweihen auf einen Termin statt mehrerer Wochenenden;) 
mehr Arbeit (bzw. höhere Arbeitszeit)
 Weniger Mobilität (später war der Sonntag zwar wieder frei, dieser Tag konnte dann aber nicht mehr so
stark zum Feiern genutzt werden  zunehmende Immobilität)
 1870er: Beamte (nur höhere Beamte) haben als erste drei Tage Urlaubsanspruch pro Jahr (markanter
Wendepunkt, da vorher niemand Urlaub bekam); Arbeiterschaft: erst um 1. WK Urlaubsanspruch

3.1.2 Stereotypisierungen

 Lieder, Witze, Schwänke beinhalten Wahrnehmung der Nachbarn, der anderen Völker. ZB Völkertafel von
1720/30 elf Nationalitäten werden mit Charakteristika belegt, (Wien?). Wiener Völkertafel aus der Zeit um
1720/30: Tafel mit Fragen wie „Wie vertreiben sich die Völker die Zeit?“  Franzose: „betrügen“, Spanier:
„spielen“ etc.
 Dahinter stecken theoretische Überlegungen und nicht Beobachtungen (Vorstellung, dass Völker
unterschiedlich ausgeprägtes Temperament haben; und in kalten Ländern sind Menschen weniger aktiv als
in warmen Ländern). Augsburger Bildvorlage zur Völkertafel aus Wien frühes 18.Jahrhundert. Also gibt es
verschiedene Völkertafeln.
 Germania von Tacitus: Germanen trinken viel Bier (Ursprung: Herodot, der diese Eigenschaft aber
ursprünglich auf die Perser bezog)
 Auswirkungen: Mit Wiederentdeckung der Germania „erfuhren“ die Deutschen, „dass sie gerne Bier trinken“
(bis dahin eher Wein)  Entwicklung des Bildes vom biertrinkenden Deutschen

3.1.3 Alltagspraktiken

 Differenzbetrachtung, die wir alltäglich vollführen. These: Immer schon auf der Suche nach
Gemeinsamkeiten und Abgrenzungen um unter anderem eine eigene Identität zu schaffen. „Immer das
Interesse an Abgrenzung“. Interesse auch an militärische und politische Standpunkte der anderen Völker um
mögliche Konflikte zu vermeiden bzw sich darauf vorbereiten zu können. Wissenschaftliches Einsetzen erst
spätes 18. Frühes 19.Jahrhundert durch die Einführung der Kulturwissenschaft.
 Oft Beobachten („Ausspionieren“) von Nachbarn (potentielle Konkurrenten)  Deuten von Kulturen „schon
immer“ vorhanden (Reflexionen über das Fremde z.B. schon im Mittelalter)

3.2 Die frühen Kulturtheoretiker der Moderne

(Vico, Rousseau, Herder) In den Schriften dieser drei Theoretiker sind fast alle Ansätze der modernen
Kulturwissenschaft zu finden.

3.2.1 Giambattista Vico (1668-1744)

 Große Theoretiker, der die christliche Kultur hinter gefragt hat. 1725
 Italiener und Geschichtsphilosoph. Geboren in Neapel, damals mit 400.000 Einwohnern eine der größten
Städte Europas, z.B. größer als Rom und Paris; zu Neapel: Königreich Neapel, aber unter spanischer
Herrschaft zur Geburt Vicos; später gehörte Neapel zu Österreich und noch später zu den Franzosen. Sein
Vater war Buchhändler, der lesen und schreiben konnte. Kleine Wohnung für eine 10köpfige Familie.
Vernünftige Ausbildung, Jesuiten Kolleg, studierte juristische und theologische Vorlesungen, 1698 Lehrstuhl
für Rhetorik, schlecht bezahlt. 1736 Mitglied der neapolitanischen Akademie und bezog mehr Geld. Das
Jenseits spielt eine große Rolle für die damalige Zeit und auch für Vico. Begründer des Antipositivismus und
Wegbereiter aller Geistes- und Naturwissenschaften. Erkenntnisorientiertes Modell, das nicht positivistisch
ist.
 Prinzipien einer neuen Wissenschaft über die Natur der Völker, für welche die Prinzipien eines anderen
Systems des Völkerrechts wiedergefunden werden.
 Die Verhältnisse, in denen Vico aufwuchs, waren bescheiden, aber durchaus gebildet (Vater Buchhändler)
 Hauptwerk: „Principj di una scienza nuova“ (1725) (Prinzip einer neuen Wissenschaft über die Natur der
Völker, für welche die Prinzipien eines anderen Systems des Völkerrechts wiedergefunden werden)
 Interesse an die alten Kulturen und nicht an den religiösen Kulturen

3.2.1.1 Antipositivismus
 Alle Wissenschaften waren theologisch, naturwissenschaftlicher, rechtswissenschaftlicher Natur und
Medizin. Über Textarbeit, aber nicht über Versuchsanweisungen können zu Ergebnissen führen.
Hermeneutik gab es bereits in der Antike.
 Vicos Denken orientierte sich nicht am positivistischen Erkenntnismodell der Naturwissenschaften, wobei er
der erste war, der dieses Modell in Frage stellt. Dies war der Beginn der Aufspaltung in Natur- und
Geisteswissenschaften. Vico wollte ein geschichtsphilosophisches Verstehen der menschlichen
Kulturentwicklung.
(Positivismus: „Der Positivismus ist eine Richtung in der Philosophie, die fordert, Erkenntnis auf die Interpretation von „positiven“ Befunden zu
beschränken, also solchen, die im Experiment unter vorab definierten Bedingungen einen erwarteten Nachweis erbrachten.“
Antipositivismus: „Der Antipositivismus ist in der Sozialwissenschaft die Ansicht, dass der Empirismus und die wissenschaftlichen Methoden in
der Entwicklung der Gesellschaftstheorie und der Empirischen Sozialforschung abgelehnt werden müssen. Als antipositivistisch werden in den
Sozialwissenschaften auch Forschungsmethoden bezeichnet, die ausdrücklich eine qualitative Ergänzung quantitativer Erhebungen fordern.“)

3.2.1.2 Natur- vs. Kulturwissenschaften

 Descartes: All unsere Sinne können uns täuschen (deshalb Geisteswissenschaften nicht als Wissenschaft
angesehen).  Vico wollte diesen Zweifel an den Sinnen aus dem Weg räumen: „Da „alles wirkliche Wissen ein
Wissen von Ursachen ist“, andererseits „die zu erforschende geschichtliche Welt des Menschen gewiss vom
Menschen selbst gemacht worden ist“, muss sich die Wahrheit aus dem Geschaffenen selbst erkunden lassen.
Die Prinzipien der menschlichen Kulturen sind demnach durch den menschlichen Geist zu erfassen.“ (Principj di
una scienza nuova)
 ‚Das „alles wirkliche Wissen ein Wissen von Ursachen ist“, andererseits „die zu erforschende geschichtliche
Welt des Menschen gewiss vom Menschen selbst gemacht worden ist“, muss sich die Wahrheit aus dem
Geschaffenen selbst erkunden landen. Die Prinzipien der menschlichen Kulturen sind demnach durch den
menschlichen Geist zu erfassen.‘
 Wie hat sich die menschliche Entwicklung von statten gegangen. Bis dahin war die Meinung, dass man darüber
nicht nachdenken muss. Gott hat den Menschen erschaffen und die Entwicklung ist unvorhersehbar und Gott
lenkt dies und man kann keinen Einblick haben. Er sagt nun, dass der Mensch selbst verantwortlich ist.
Möglichkeit zu verstehen warum die Entwicklung sich so ergeben hat. Kulturen sind Resultate des
menschlichen Geistes, und dies muss erfassbar sein. Dazu Sprache, Gepflogenheiten, Rituale, Bräuche um dies
erfassen zu können. Er sagt, am Ende kommt das letzte Gericht (Frage: seine Meinung oder ein Zugeständnis zu
machen um eine Zensur zu vermeiden). Oder meinte er: Gott schuf die Welt, Menschen gestalten sie, aber am
Ende kommt man wieder zu, Anfang und das Ende gestaltet Gott von dem Menschen und der Welt.
 Dass Erkenntnistheorie gestützte Disziplinen als Wissenschaften anerkannt werden, geht auf Vico zurück!
 Welche Kulturellenformen der Völker haben? Wie kleiden sie sich? Wie Wohnen sie? Was steht hinter dieser
Kulturentwicklung? Würden die Menschen begraben oder nicht begraben? Was ist Dasein Verständnis?

3.2.2 Jean-Jaques Rousseau (1712-1778)

 Geboren in Genf als Sohn eines Uhrmachers; verlässt Genf mit 10 Jahren, nimmt verschiedene Lehrstellen an,
ab 16 Jahren in Turin verhungert fasst, wird katholisch um Essen zu bekommen (  Konvertierung zum
Katholischen Glauben; später Calvinismus); (Er lebte zwar im 18. Jahrhundert, aber er lebte an vielen
verschiedenen Orten und Ländern  keine Immobilität!!) Landstreicher und Musikant durch Italien, Schweiz
und Frankreich. 1731 Paris. 1740 Hauslehrer, Sekretär der französischen Botschafter in Venedig, lernt Aufklärer
kennen, reist viel, publiziert, zieht häufig um.
 Rousseau: Durch zunehmende Kultivierung entfernen wir uns von der Natur.
 Homme naturel   Homme civil
 Kultur für Rousseau: kulturelle Umformung der Natur des Menschen
 Empirische Erfahrung
 Er hat sehr emanzipatorisch geschrieben. Zentrale Kultur, Theoretiker in jedem Wert, Buch über Kultur.
 Nach Rousseau beginnt die Kulturgeschichte des Menschen mit dessen Entfremdung von der Natur. Dabei
prägen drei Grundgedanken Rousseaus Kulturkonzept:
1. Kultur als Naturentfremdung: Durch das Intellekt kulturelle Umformung Tugenden
2. Kultur als moralischer Verfall: Moderne Gesellschaft ist eine Konkurrenzgesellschaft durch Besitzdenken und
Beherrschung anderer geprägt, natürliche Güte wird überdeckt
3. Kultur als Verfallstheorem: man glaubte an eine Versittlichung und Humanisierung, R dagegen ist vom Gegenteil
überzeugt. Je höher die Entwicklung, desto Sittlichkeit (Theorem: aus Axiomen einer wissenschaftlichen Theorie gewonnener Satz;
Lehrsatz)
 Im Gegensatz zu Vico sehr negatives Bild von Kultur bei Rousseau
 Rousseau lehnt „aufgeklärten Weltbürger“ ab, plädiert eher für überschaubare „Volksgemeinschaften“
 Romantik: Man glaubte, dass die „natürliche Moralität und Sittlichkeit“ noch in entlegenen Gegenden zu
finden ist (bei armen, einfachen Leuten)

3.2.2.1 Fortschritt der Wissenschaft?

 1749: Lektüre des „Mercure de France“: „Hat der Fortschritt der Wissenschaft und Künste zur Läuterung der
Sitten beigetragen?“ (Preisfrage der Académie de Dijon)
1750 beantwortete ROUSSEAU die Preisfrage, ob der Fortschritt von Wissenschaft und Kunst zur Läuterung von Sitten und Moral beigetragen
habe (Discours sur les sciences et les arts). Hier entfaltet ROUSSEAU erstmals die für ihn charakteristische fortschrittspessimistische
Perspektive in Bezug auf die Gattungsgeschichte der Menschen und stellt sich damit in einen deutlichen Gegensatz zum herrschenden
aufklärerischen Fortschrittsoptimismus: Die zeitgenössische Welt ist nicht die einer emanzipierten Gesellschaft; sie ist im Gegenteil durch
Selbstentfremdung und durch den Zerfall von Sittlichkeit und Moral gekennzeichnet. Der Fortschritt in Wissenschaften und Künsten ist
ursächlich an diesen Entfremdungs- und Zerfallsprozessen beteiligt. ROUSSEAUs Discours wurde ausgezeichnet, er selbst durch seine Antwort
bekannt. (...) Großen Einfluß auf die Pädagogik übte der zunächst heftig kritisierte Erziehungsroman Émile ou de l'éducation (1762, Émile oder
über die Erziehung) aus. ROUSSEAU stellt hier - als Gegenbild zu der (...) angeprangerten Entfremdung, die die moderne Zivilisation prägt - die
gelungene Sozialisierung eines einzelnen dar. Ziel der gelungenen Erziehung ist Émiles Liebes- und Toleranzfähigkeit sowie seine soziale und
familiäre Bindung in kritischer Loyalität. Der Erzieher hat in ROUSSEAUs Konzept mehr die Aufgabe, die Anlagen und Fähigkeiten des
Individuums den verschiedenen Kindes- und Jugendaltern gemäß zu wecken und sich entwickeln zu lassen, als selbst aktiv diese zu bilden - in
der Anlage ist der einzelne gut, erst durch die verdorbene Gesellschaft kommt das Böse in und über ihn (HÜGLI/LÜBCKE 1995).

 Rousseaus „Discours“ (1750) „Die Menschen immer bessere Menschen werden“


 Ein Autodidakt. Lektüre der Mercure de France, eine Zeitung. Er liest die Frage „hat der Fortschritt der
Wissenschaft und der Künste zur Läuterung der Sitten beigetragen“. Er schreibt den Discours als Antwort auf
diese Frage: Luxus, Zügrllosigkeit und Knechtschaft sind das Ergebnis der Wissenschaft, die aus der glücklichen
Unwissenheit herausführen sollte. Damit gewann er den ersten Preis, der von Gelehrten übergeben worden ist.
Dahinter steht der Kampf zwischen den Aufklärern und den Kritikern an der Aufklärung. Rousseau war berühmt
geworden und wurde stark angegriffen dafür.

3.2.2.2 Vom Ursprung menschlicher Ungleichheit

 Wieso ist die Ursache der Ungleichheit der Menschheit?


 Der Mensch ist vom geboren gleich, Umkehr wo er geboren ist, alle sind gleich von Geburt.
 Welches ist der Ursprung der Ungleichheit unter den Menschen und ist sie durch das Naturgesetz gerechtfertigt?
 Weitere Antwort auf eine Frage der Akademie von Dijon: Der erste, der ein Stück Land eingezäunt hatte und es sich einfallen
ließ zu sagen: dies ist mein und der Leute fand, die einfältig genug waren, ihm zu glauben, war der wahre Gründer der bürgerlichen
Gesellschaft. Wie viele Verbrechen, Kriege, Morde, wie viel Not und Elend und wie viele Schrecken hätte derjenige dem
Menschengeschlecht erspart, der die Pfähle herausgerissen oder den Graben zugeschüttet und seinen Mitmenschen zugerufen hätte:
‚Hütet euch, auf diesen Betrüger zu hören; ihr seid verloren, wenn ihr vergeßt, daß die Früchte allen gehören und die Erde niemandem.‘“
 Kritik z.B. von Voltaire
 Rousseaus „Discours sur l´origine et les fondaments de l´inegalité parmi les hommes. Amsterdam 1755 Meier
Paderborn 1984, (S173). Antwort auf die Frage nach dem Ursprung der menschlichen Ungleichheit. Er hat nicht
gewonnen mit seiner Antwort, aber es wurde publiziert. Ungleichheit im Naturzustand nicht vorhanden war.
Durch Schaffung des Eigentums und Gesetze wurde dies legitim, dass einige an ihrem Eigentum ersticken,
während anderen das Notwendigste fehlt. Der Mensch der als erster meinte: das ist meins und darum ein Zaun
baut, während andere ihm zustimmen, ist der Begründer der bürgerlichen Gesellschaft. Es wären viel Elend
vermieden worden, wenn jemand den Zaun rausgerissen hätte. Vielen ging das zu weit. Dass das Elend auf
menschliche Handlungen und die Erfindungen von Eigentum basiert. Menschliche Entwicklung erscheint als
Selbstentfremdung, versteht er als Kultur. Während der Mensch im Naturzustand sich nicht fremd war.
Gesellschaftsmenschen wird dem Menschen des Naturzustands gegenübergestellt. Entfremdung der Natur.
 Bürgerliche Werte, Konsum…
 Wie sieht den Menschen von der Natur? Kulturelle Umformung Verknüpft Seelichkeit.
 Ein Kulturverständnis, Kultur als eine vielfälische Moral. Moralisch zu kritisieren. Natürliche Moral.
 Kultur als ein degenerierter Prozess.
 Kritik am die höchsten Kulturen: Paris, Rom, London, weil sie die Unterbevölkerung nicht als Teil ihren Kulturen
erkennten.
 Die meistens Kulturen Theorien: die Entwicklung der Menschen ist immer positiv.
 Das Model von Robinson Crusoe, sie beiden haben eine Zivilisation gegründet.
 Die Grenze Aufklärung der Gesellschaft war wichtig, nicht nur Studien zu sammeln, sondern ihre eigene Kultur
zu entwickeln.
 Ein reiches Haus, viel Geld verderbt.
 Kritik der Aufklärung, Begründer der Romantik. Sympathisierte mit kleinen Volksgemeinschaften. Anfang des
Interesses an den einfachen Menschen, den Bauern, der noch andere Interessen hat. Essen statt goldene
Schuhen. Suche nach dem sich nicht selbstentfremdeten Menschen führt zu Reisen nach Afrika und karibische
Inseln (andere Forscher, die auf R aufbauten).

3.2.3 Johann Gottfried Herder (1744-1803)

 Medizin, Theologie, Philosophie studiert. Hat sich unter anderem mit Rousseau beschäftigt. Lehrte in Riga,
unternahm eine Reise. Begründer der Sturm und Drangs nach dieser Reise, auf der er seekrank wurde, dachte
er könnte sterben und wurde kritisch gegenüber den Aufklärern. Trifft u.a. Lessing, Goethe. Herder schlägt
Goethe vor, Volkslieder zu sammeln und sich mit dem einfachen Volk zu beschäftigen. Goethe holt Herder als
Schulminister nach Weimar. Nicht mehr dem Gedanken verfolgt einer immer weitergehenden höher
werdenden Entwicklung der menschlichen Kultur. Herder sagt aber auch, dass es früher auch Elend und Hunger
und schlechte Menschen gab. Folgt nicht mehr der Kritik von Rousseau
 Für unser Fach bedeutender Theoretiker
 Pietistisches Elternhaus
 Studium vieler verschiedener Fächer in Königsberg ( Kant)
 Kontakt mit jungem Goethe in Strasbourg  schickt ihn zur Sammlung von Liedern in möglichst entlegene
Gegenden
 Herder: „Volkspoesie“ statt „Kunstpoesie“ (erstere als „die einzig wahre Poesie“)
 1778/79 Volksliedsammlung
 Unterschiedliche Völker, unterschiedliche Kulturen. Bildung der Kultur Europas.
 Übergeordneter Bildungsprozesse zur Universalien Humanität
 Zwar von Kant geprägt, geht aber auch in Richtung Rousseau
 Kritik an Rousseaus Kulturpessimismus
 Man kann Menschen mit „Humanität ausstatten“
 Es gibt „Kulturmuster“, durch die man den Menschen aus seiner Umgebung heraus verstehen kann.
 Der Mensch ist abhängig von natürlichen Umständen  Aneignung einer bestimmen Kultur
 Kultur an Parametern festmachbar
 Herder ebnet Weg zu empirischer Forschungspraxis (schon Anfänge bei Vico)  Kontakt zu den Menschen
 Herder folgt zwar einerseits romantischen Kulturformen Rousseaus, grenzt sich aber auch von Idealisierungen
(wie z.B. Antike) ab.
 Kulturvorstellung Herders: eher internalisierter Kulturbegriff (anstatt idealisierter Kulturbegriff z.B. bei
Winckelmann)
 Vico: Sprache → Rousseau: Sprache → Herder: einfasst Empirie: Empirische zu forschen.

3.2.3.1 Von der Individualität der Kulturen

Er war überzeugt, dass unterschiedlichen Kulturen unterschiedlichen Ausdrucksformen haben. An Hand dieser kann
man Kulturen unterscheiden und differenzieren. Alle Kulturen sind unterschiedlich, unter anderem weil die
Rahmenbedingungen anders sind. Die Faktoren, die geographischen müssen besser betrachtet werden. Wendet sich
gegen den Klassizismus, der die Vorstellung, dass es eine Spitze der Kultur gibt, könnte die Antike sein.
Lehnt ab „früher war alles besser“ von Rousseau, aber übernimmt auch Teile seiner Theorie. Er geht davon aus, dass
es eine Individualität von Kulturen gibt, diese macht sich fest an. Gegen klassizistische Rangehensweise, die davon
ausgehen, dass es einen Maßstab gibt, an dem jede Kultur bemessen wird (zB Griechische Antike als idealtypische
Normen für eine Kultur). Edle Einfalt und stille Größe wurde in der griechischen Antike gesehen, dies war die Norm
an der Kultur bemessen wurde, dagegen argumentierte Herder. „macht einen blind für die Eigenart der Kunst“, ist
ein Kommentar zu Winkelmann (?) Behauptung die griechische Antike ist die reine, perfekte Kultur. Maßstab kann
man nur aus der jeweiligen Kultur nehmen, sagt Herder. Eigenart und Wertvorstellung nur aus der jeweiligen Kultur
entwickelbar. Greift Rousseau und Vico auf. Bibel prägte stark das Bild wie sich Kultur und Gesellschaft entwickeln
wird.

 Zwar viele Kulturtheorien, aber wenige, auf die sich die meisten Theoretiker beziehen
 Herder (eigentlich Aufklärer, stellt später ratio in Zweifel)
- Zweifelt an rationaler, aufklärerischer fortschrittsorientierter Kultur
- Aber auch nicht wie bei Rousseau („Früher war alles besser.“)
- Sondern: Individualität von Kulturen
- Richtete sich gegen klassizistische Vorstellung beispielsweise von Winckelmann (griechische Antike als
idealtypischer Maßstab für Kultur  Wie weit ist die jeweilige Kultur von der griechischen Antike entfernt?)
 Herder: Klassizismus macht „blind“ für eigentliche Kultur
- Herder: Keine Eindimensionalität wie bei Winckelmann, sondern Fokus auf Eigenartigkeiten (z.B. Wie
gestalten Menschen ihren Alltag? Was erzählen sie sich? Wie kleiden sie sich?)
- Maßstab für Kulturen aus ihrer Eigenart heraus (nicht griechisches/europäisches Verständnis für die ganze
Welt verwenden)
- Herder greift z.B. Vico und Rousseau (in Teilen) auf
- Wichtig: Dem Menschen zuwenden!

3.2.2.2 Lebensaltertheorie der Kulturen

 Herder glaubte nicht an lineare Höher-/Weiterentwicklung von Kulturen


 Stattdessen: Kulturen entwickeln sich wie Menschen
 Lebensaltertheorie: Jede Kultur hat Reifung, Blüte und Verfall
 Universalgeschichte der Menschheit: übergeordneter Bildungsprozess zur universellen Humanität (Gesellschaft
in Frieden, Toleranz, Achtung der Eigenarten der Kulturen)
 Vico, Herder und Rousseau sind in den meisten Werken über Kulturtheoretiker enthalten (neben vielen
weiteren)

3.3 Das 18. Jahrhundert als Schwellenzeit zur Moderne

 Schwellen-/Sattelzeit: spätes 18. und frühes 19. Jahrhundert (Begriff geprägt von Historiker Reinhart Koselleck
in 70er Jahren; Ausdruck für fundamentale Veränderungen auf dem Weg zur Moderne)
- Im 18. Jahrhundert wird kultureller Fortschritt von einem kleinen Kreis von Aufklärern mit der Überzeugung
gleichgesetzt, dass der Mensch befähigt sei, sich höher zu entwickeln. Der aufklärerische Kulturbegriff folgt
dem Fortschrittsdenken und wird als selbstreflexiver Begriff verwendet.
- Im ausgehenden 18. Jahrhundert hegten Aufklärungskritiker Zweifel an der Vernunftbegabung und an einer
entsprechenden Kulturentwicklung.
- Aus der Aufklärungsskepsis entwickelte sich die romantische Kulturtheorie.
 Die Romantik greift durchaus Elemente der Aufklärung auf!
 Aufklärung: dazwischen Französische Revolution 1789: man kann viel über Aufklärung reden, aber es kommt
bei den Menschen nicht an  nicht alle Personen waren im 18. Jahrhundert aufgeklärt!

15.11.2018

4. Fachgeschichtliche Grundzüge

 Es gibt kein fixes Datum, mit dem die Geschichte der VKW/Europäischen Ethnologie beginnt.
 Letztlich hängt es vom heutigen Erkenntnisinteresse und Fachverständnis ab, wo man die Geschichte des
Faches beginnen lässt, sodass es in Europa teilweise erhebliche Unterschiede gibt. Zwischen dem späten 19.
und dem frühen 20. Jahrhundert etabliert sich die Volkskunde als Wissenschaft
 Lange Zeit Volkskunde bei Germanistik angesiedelt

15. Jahrhundert (Renaissance)

 Wiederentdeckung (1457/58) der Germania von Tacitus (basiert nicht auf empirischer Forschung)
 Schedelsche Weltchronik (1493) (ca. 1800 Holzschnitte mit Städten und Landschaften  Interesse an Land und
Leuten
 Reiseberichte (z.B. Felix Fabris Reisen 1483/84 nach Jerusalem)
 Um 1500 großes Interesse an „Land und Leuten“ (im 17. Jahrhundert wenig Interesse daran, sondern eher an
Merkwürdigkeiten)

17. Jahrhundert (Barock)

 Interesse an Kuriositäten

18. Jahrhundert (Aufklärung)

 Kameralistik und Statistik befassen sich mit dem Alltag der „einfachen Bevölkerung“ (man wollte aber auch
Wirtschaftskraft und wirtschaftliche Daten aufnehmen)
 Differenziertes Interesse an Ernährung, Arbeiten, Wohnen
 Warum Interesse an „Banalitäten“?  Lebensgewohnheiten erfassen
 Dokumentation einer „im Verschwinden begriffenen“ Kultur  z.B. Gründung des Germanischen
Nationalmuseums, Verein für Volkskunde, Freilichtmuseen; Zeitschriften
 Reflex auf Modernisierungsprozesse
 Riehl 1858: Vortrag „Die Volkskunde als Wissenschaft“ (Riehl: Volkskunde als Dachwissenschaft für
verschiedene Disziplinen über breite Bevölkerung)

18./19. Jahrhundert (Romantik)

 Entdeckung des „Volkes“, z.B. Herder (1744-1803), Grimms


 Prägung der Begriffe „Volkslied“ und „Volkspoesie“

19. Jahrhundert

 „Nationale Wiedergeburt“
 Nach NS-Zeit in den 60er/70er Jahren Aufarbeitung und Weiterentwicklung (Subjektzentrierung)
 Gründung des „Germanischen Nationalmuseums“ (1890)
 1858 Wilhelm Heinrich Riehl (1823-1879) hält in München einen programmatischen Vortrag über die
Volkskunde als Wissenschaft.

5 Erzählen. Romantische Paradigmen und Narrationen des Alltags

5.1 Die „Andacht zum Unbedeutenden“

 Was war die Motivation der Grimms, „abergläubische Ammenmärchen“ zu sammeln? (trotz des Spotts der
Aufklärer?)
 Insgesamt sieben Jahre, bis die erste Auflage der KHM (900 Stück) verkauft waren
 Rezension Prof. August Wilhelm Schlegel (1767-1845; kommt aus Umfeld von Herder): „Wenn man […] die
ganze Rumpelkammer wohlmeinender Albernheit ausräumt, und für jeden Trödel im Namen der ‚uralten Sage‘
Ehrerbietung begehret, so wird in der That gescheiten Leuten allzu viel zugemuthet.“
 Der Bereich in Frage des Erzählens.
 Die räumliche Dimension und Richtung Ritual

5.2 Vom Streit ums Bagatell


 Wilhelm Scherer (1841-1886; Grimmbiograf): „Ihre Andacht zum Unbedeutenden! Welch schönes Wort
Boisserée (deutscher Kunstsammler) da gefunden! Als Spottname war es gemeint, als Ehrenname lebt es unter
uns fort.“
 Paradigmenwechsel (Schlegel und Boisserée   Scherer)
 Tendenz in Richtung unserer Auffassung (Beschäftigung mit scheinbar Unscheinbarem)
 (mehr zum Bagatell-Diskurs s. Martin Scharfe: Bagatellen. Zu einer Pathognomik der Kultur. In: Zeitschrift für
Volkskunde 91 (1995), S. 1-26.)
 Buch „Anton Reiser“ (1785-1790) von Karl Phillip Moritz beschäftigt sich mit alltäglichen Handlungen und
Gegenständen („Bagatellen“)

5.3 Die Mär von deutschen Märchen und alten Mütterchen

 Von Grimms im Vorwort Dargestelltes Fiktion und von Grimms inszeniert


 „Des Knaben Wunderhorn“: in Volksliedern „schöpferische Kraft der Kulturen“ finden (Unter dem Titel Des
Knaben Wunderhorn veröffentlichten Clemens Brentano und Achim von Arnim von 1805 bis 1808 eine
Sammlung von Volksliedtexten in drei Bänden. Sie enthält 723 Liebes- Soldaten-, Wander- und Kinderlieder
vom Mittelalter bis ins 18. Jahrhundert.)
 These: dort, wo Schrift noch nicht verbreitet war, ist Mündliches noch vorhanden
 Grimms betonten in Vorwort, Viehmännin hätte alte Sagen bewahrt.
 Brentano u.a. kritisierten das gezeichnete Bild von alten Bäuerinnen und bezweifelten es stark
 Grimms versuchten, Bild von einer unverfälschten, langen Tradition zu erzeugen
 Grimms wollten nicht Erzählkultur ihrer Zeit dokumentieren, sondern lange Tradiertes, Mündliches
 Weitere Werke der Grimms:
Deutsches Wörterbuch (1854 ff.)
Über den altdeutschen Meistersang (1811)
Deutsche Sagen (1818/18)
Deutsche Grammatik (1819)
Die deutsche Heldensage (1829)
Deutsche Rechtsalterthümer (1828)
Die Geschichte der deutschen Sprache (1848)
Jacob Grimms Deutsche Mythologie (1835)
 Grimms interessierten sich für Wörter, Lieder, Sagen, Grammatik, Rechtsaltertümer (allgemein
„Bagatellen“)
 Fast alle Werke beinhalten „deutsch“  Es ging ihnen um das „Deutsch-Sein“
 Zentrales Werk: Deutsche Mythologie (1835)  erklärt ihre Interessensschwerpunkte; nicht nur theoretisches,
sondern auch historisches Werk
 Grimms waren auch politische Personen! (beide bei „Göttinger Sieben“: Gruppe von Göttinger Professoren, die
1837 gegen die Aufhebung der 1833 eingeführten liberalen Verfassung im Königreich Hannover protestierten.
Die sieben Professoren wurden deshalb entlassen; drei von ihnen wurden darüber hinaus des Landes
verwiesen.)
 Jacob Grimm: Teilnahme an der Frankfurter Nationalversammlung 1848 in der Paulskirche
 Wilhelm Grimm: Legationssert6kretär (Dienst- oder Amtsbezeichnung für Beamten des höheren Auswärtigen
Dienstes)
 Grimms wuchsen kurz nach 1800 auf  Auflösung des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation durch
Napoléon  Schock für Intellektuelle  Wunsch, Kulturnation zu schaffen
 Frage: Worauf soll ein Deutscher Staat gründen?  deutsche Identität als Basis für den Staat entwickeln
 Deutsche Mythologie hatte auch Einfluss über Deutschland hinaus (bei Suche nach eigener Identität von
Staaten wie bei Frankreich (große Bedeutung von Ludwig XIV) oder Italien (Römer) oder Griechen (Antike) 
Wo ist ein ähnlicher Anknüpfungspunkt für Deutschland zu finden?  Germanen (heute wissen wir, dass es
nicht die Germanen gab, sondern verschiedene Gruppen)

5.4 „… Manche überraschende Verwandtschaft mit alten Göttersagen“


 In Germania von Tacitus wurde ein kraftvolles Bild von den Germanen gezeichnet (aber: sollte nur ein
Gegenbild für Römer und ihrer Kultur darstellen)
 Neben Germania wenige weitere Quellen zu Germanen
 Ägyptische, römische, griechische Mythologie, aber keine deutsche!  Grimms wollten deutsche Mythologie
rekonstruieren
 Frage: Wie ist Rekonstruktion möglich?  Antwort der Grimms: mit Hilfe der Erforschung der mündlichen
Kultur mit langer Überlieferungstradition  verlorenen Mythos wieder lebendig machen
 Problem: 2000 Jahre entsprechen etwa 80 Generationen  sehr unwahrscheinlich, dass Überlieferung
stattgefunden hat
 Grimms wollten Bäuerinnen suchen, die nicht lesen konnten, weil vermutet wurde, dass mündliche Fähigkeiten
noch stärker ausgeprägt waren
 Aber: auch zu dieser Zeit konnten schon viele Menschen lesen und schreiben  Mythos, der an Realität
vorbeigeht
 Grundthese der Grimms: „Die Volkssage will aber mit keuscher Hand gelesen und gebrochen sein. Wer sie hart
angreift, dem wird sie die Blätter krümmen und ihren eigensten Duft verweigern. In ihr steckt ein solcher Fund
reicher Entfaltung und Blüte, dass er auch unvollständig mitgetheilt in seinem natürlichen Schmuck genugthut,
aber durch fremden Zusatz gestört und beeinträchtigt wäre.“ (Jacob, Deutsche Mythologie, 1835)
 Germanen als gute Projektionsfläche, weil so wenig über sie bekannt war (großer Interpretationsspielraum)
 Germania, nordische Mythen und eigene Überlieferungen hätten laut Grimms vieles gemeinsam (gemeinsame
Mythen)
 Grimms: Theoretisches Werk für die Rekonstruktion der Deutschen Mythologie (und methodische Grundlage
für viele weitere Länder)
 Rekonstruktionsarbeit: sehr konstruktiv, sehr abenteuerlich (z.B. statt Maria Freia, Teufel statt Thor)
 Grimms wollten nicht betrügen, sondern Germanisches unter „christlichem Lack“ zeigen
 Grimms Offenheit dahingehend, dass Erzählungen als Teil einer germanischen Tradition interpretiert werden
können  Kontinuitätsprämisse
 Was haben sich die Menschen zur Zeit der Grimms wirklich erzählt? Wahrscheinlich nicht das, was von den
Grimms dargestellt wurde, da dies in hohem Maß auf einer schriftlichen Kultur beruhte und einen Bezug zu
Südeuropa aufweist.

22.11.2018

5.5 Erzählen im Alltag

 Erzählen als alltägliche Praxis (Grimms/Schönwerth: nicht alltäglich)


 Ganz elementare Kulturtechnik
 Ausgangpunkt: was die Menschen früher erzählt haben- Märchen
 Eine alt tradierte Erzählkultur. Sie versuchen eine Kultur Nation zu fundieren (Bruder Grimm) Das war ihre
Prämisse
 Erzählen  zuhören
 Überlieferungstradition über mehr 3000 Jahre.
 Statistisch sind 100 Jahre 4 Generation Durchschnitt.
 Das Erzählen findet im Alltag heutzutage statt.
 Erzählen hat nicht nur diese elaborierte Form wie Märchen. In diesem elaborierten Erzählen gibt es andere
Formen wie Gespräche: etwas gemeinsam reflektieren.
 Es gibt auch zwischenformen und Medien, die vieles erzählen und verschiedenen Formen der Kommunikation
anwenden.
 Elementare Kulturtechnik hat eine besondere Bedeutung: Was erzählt man sich? Welche Bedeutung hat das
Erzählen?
 Was ist das Erste, dass man redet? Es geht meistens um das Wetter oder das Essen (ein beliebtes Thema und
gute Möglichkeit). Ein Versuch, Die Kommunikation auftreten.
 Untersuchung: Was motiviert Leute, Vorlesung zu gehen? Das Ergebnis war peinlich.
 Es gibt Situationen, Räume und Handlungen, die typisch sind.
 Funktion des Erzählens: Rudolf Schenda hat versuch, das systematisch zu forschen. Was erzählen die
Menschen? Zu welcher Zeit?
 Ein Paar Jahre gab es eine kleine Serie: „Das bleibt aber unter uns“ „Haben Sie schon gehört?“

5.6 Funktionen des Erzählens

 Schlüsselperson: Albrecht Lehmann in 1970ern


 Biografische Interviews: häufig strukturell sehr ähnliche Erzählungen bei unterschiedlichen Personen
 Lehmann: Befragung von gleichaltrigen Männern aus dem Arbeitermilieu (Kindheit in Weimarer Republik,
Jugend unter Hitler etc.)  z.B. wurde über Tote nichts erzählt
 Werk: „Erzählstruktur und Lebenslauf“
 Muster: „Nach dem Krieg hatten wir gar nichts.“
 Individualität trotz gleicher Struktur? Häufig wird über gleiche Dinge erzählt/geschwiegen
 Funktionen des Erzählens (in: Lehmann: Erzählen eigener Erlebnisse im Alltag. In: Zeitschrift für VK 1978, S.
198-215.)
1. Individualisierende Funktion (möglichst positive Darstellung, einzigartig, Selbstdarstellung), von anderen
Leuten zu unterscheiden. Die Art und Weise, wie wir uns selbst vermitteln. Seine eigene Persönlichkeit zeigt.
2. Solidarisierende Funktion (bei aller Individualität auch Gruppenidentität, z.B. bei Klassentreffen oder
Familienfeiern). ein gruppen Bezug aufweist. Wie wir Geschichte bezeichnen, wie wir damals den Lehrer
geärgert haben. Eine gemeinsam stiftende Funktion. Was verbindet uns, wie wir damals, etwas gemacht
haben.
- Zwischen beide Funktionen gibt es eine Grenze, dessen was eine Solidarisierung und Individualisierung. Das
hat nicht nur eine positive Bedeutung, sondern auch eine negative
3. Sedative Funktion (beruhigend, Negatives akzeptabel erscheinen lassen, Geschichten werden irgendwann
als wahr angesehen). Wiederwertigkeiten des Alltags. Eine Verarbeitung des Alltags um seine Konflikte.
Kann auch zu einer therapeutischen Funktion dienen.
 Alle diese Funktionen sind in Kombination anzutreffen. Albert Lehmann macht deutlich, dass die Wirklichkeit
subjektiv ist. Diese Subjektivität darf nicht geringgeschätzt sein.

5.7 Erzählstruktur und Lebenslauf: Albert Lehmann

 Wie individuell sind Geschichten?  Erzähl-, Ordnungs- und Strukturmuster vorhanden


 Es gibt auch regionale Unterschiede in der Art und Weise, wie erzählen wird
 Strategien der Verifizierung (z.B. Zeigen von Narben oder Zeitungsausschnitten)
 Heute sehr standardisierte Lebensgeschichten (z.B. gleiches Geburtsjahr  gleiches Zeitfenster für
Kindergarten, Schule, Ausbildung, Beruf, Hochzeit, Tod…)
 Früher nicht so starke Normierung (viele Menschen starben deutlich früher, Hunger, Kriege, Krankheiten 
Tod als generelle Bedrohung)
 Buch: Die verlorenen Welten. Alltagsbewältigungen durch unsere Vorfahren – und weshalb wir uns heute so
schwer damit tun… (Arthur Imhof)
 17./18. Jahrhundert: hohe Kindersterblichkeit  falsches Bild von Kinderreichtum dieser Zeit
 Außerdem: viele Frauen starben an Kindbett (häufig kurze und/oder mehrere Ehen)
 Strategie z.B. bei Höfen, um Namen zu erhalten: Kinder gleich/ähnlich taufen (z.B. Erstgeborener Johannes,
Zweiter Johannes Ludwig etc.)
 Grundstruktur des Erzählens: chronologische Erzählung → Die Kindheit, die positiv bewertet wird, dann das
Familienleben und Rente. Es sind praktisch die gleichen Strukturen mit den gleichen Worten.

5.8 Biographisches und autobiographisches Erzählen.

 die verlorenen Welten. Alltags und Bewältigung durch unsere Vorfahren- und weshalb wir uns heute so schwer
damit tun.
 Es gab eine andere Form des Erzählens (eigenes Leben) die Lebenserwartungen waren nicht hoch. Währen des
18. und 19 Jh. haben viele neue geborene nicht überlebt, das wurde durch die medizinische Versorgung
geschafft.
 Ein Grund für Großen Familien. Heuten im Schnitt relativ lang halten, was früher der Fall nicht war.
 Partnerwahl war auch von den Eltern übernommen. Die Ökonomie hat eine Rolle gespielt. Es kam häufig vor,
dass ein Partner gestorben ist und dann der überlebende Partner wieder geheiratet hat und meistens einen
jüngeren Partner.
 Das Denken, die Handlung und das Kommunizieren wurden von Lebenslang bestimmt. Viele Menschen sind an
Hunger, Pest usw. gestorben. Dieser Angst findet heute nicht mehr statt.
 Die Angst vor Sozialen sich zu vergiften, sich falsch zu ernähren, der Schule. Diese Situationen haben sich
verändert und das widerspiegelt sich in der Art und Weise, wie wir unsere Biographien erzählen.
 Die Grundthese dieses Buch hat dazu geführt, dass die niedrigleiten an Bedeutung gewinnen.
 Vorstellungsverhältnis, die im 18. Jh. eine andere Dimension hatte.
 Große Veränderung passieren auch über die Emotionen, die Gefühle
 Bild: Ulrich Bräker (1735-1798) mit seiner Ehefrau. Der war der erste einfache Mann, der seine Autobiographie
geschrieben und veröffentlich hat.
 Das Buch war das beste Beispiel, dass die einfachen Leute auch denken und Gefühle haben.
 Der Mann hat berichtet, er hatte Schwierigkeiten mit dem Namen seiner Großmutter und über seine Vorfahren
hat er ganz wenig gehört, nichts Schlechtes, aber auch nichts Gutes. Die Familia war arm und hat an Hunger
gelitten.
 Ann Wimschneider; Herbstmilch: Als dieses Buch publiziert wurde, dachte der Verlag es wurde sich lohnen. Es
war erfolgreich und war außergewöhnlich: Wer hat sich in der 80. Jahre für das Leben einfache Leute
interessiert?
 Bäuerliche Welt ohne industrielle Einflüsse. Es ist wie ein autobiografisches Erzählen einer Bäuerin. Viele
Menschen in der Stad (alte Damen) haben berichtet, dass es genauso wie damals war, so war ihre Kindheit.
Dieses Buch der Lebensgeschichte einer ganzen Generation erzählt.
 Ein Aspekt: Verhältnis von Mann und Frau: Männer haben das Leben der Frauen bestimmt. Frauen durften
nicht zur Schule gehen.
 Diese Realität war die Realität einer ganzen Generation in der 80er Jahre.
 In Amerika gab es in dieser Zeit ein Seminar: autobiographisches Schreiben. Eine Frau hat sich schwergetan,
weil in ihr Leben nicht passiert hat. Laut der Frau: Meine Kindheit war wie andere, wir waren nicht reich und
nicht arm. Das hat die Menschen interessiert.
 Biographisches Erzählen ist ein spannendes Thema

5.9 Die biografische Illusion (französisches Werk von P. Bourdieu)

 In 80ern kam „Über das Leben erzählen“ in Konjunktur


 Lebensgeschichte: Postulat der Sinnhaftigkeit der berichteten Existenz  rhetorische Illusion
 Lebenserzählung in Form und Inhalt dem situativen Kontext nach aufbereitet
 Illusion: sinnhafte Lebensentwürfe
 Er reflektiert kritisch über diese neue Mode (Talkshows) über das eigene Leben zu erzählen. Er fragt sich, wie
Leben die Menschen und wie die Menschen ihr Leben erzählen?
 Wie sollte man die Erlebnisse von 20 Jahre erzählen, was sollte in Erinnerung bleiben?
 Wir haben kulturelle Vorstellungen, wie wir unser Leben darstellen. Ein Modell der Selbstrepräsentation.
 Wie wir uns selbst vermitteln. Wir sind kulturell bedient
 Was braucht man um erfolgreich zu sein? Dann entwickelt sich ein Muster. Das hat zur Folge, dass die
Generationen in derselben Art und Weise sich bewerben.

5.10 „Zum Problem der Identität“ (Aleida Assmann)

 Unterscheidung zwischen Identität und Individualität


 Z.B. Kirche, Kunst, Psychotherapie als Sinngeber
 Verschiedene Formen von nationaler oder personaler Identität
 Identität hängt vom Kontext ab und ist veränderbar
 Bewahrung der Person durch die Zeit. Identitätstragendesubstanz: Wie kann man gleich bleiben, trotz der
Erfahrungen.
 Die Identität ist relativ statisch.
 Wer bin ich? Das ist eine Frage, die die Menschen seit früh beschäftigt hat.
 Strategische Identität hängen von Kontext an.
 Wie ist die Frage von Heimat und Identität? Die Frage von Heimat, von regionaler und lokaler Identität.
(nächstes Thema)

29.11.2018

5.11 Heimat und regionale Identität

 Seit 19. Jahrhundert auch Bräuche oder personale Beziehungen als Bestandteil der Heimat/regionalen Identität
 Veränderbar
 Heimat: ein Begriff, der im Moment eine Konjunktur erlebt. Zuerst in der Form des ganz konkreten Wohnhauses
in dem wir leben. Das ist eine Ebene und die andere Ebene ist eine gewisse Hinsicht die eine komplexe kulturelle
und idiologische
 Räume mir kultureller Vorstellung aufgeladen sind.
 Konkrete Heimatverständnis und ein Verständnis, dass eine räumliche Beheimatung gewährlistet
 Seit 1960er in Wissenschaft: Scheu im Umgang mit Heimat (ideologisch belastet und Kitsch). Dieser Heimat
Begriff ist in der 50er, 60er, 70er Jahre entstanden. Es ging um den Verlust der Heimat nach dem Krieg, eine
Industrie um das Sentiment der Heimat, Heimat und Heimweh Industrie mit Liedern, Literatur, Filme. Was als
Heimat dargestellt wird, ist meistens eine Konstruktion, was zunehmen in der Kritik gerät.
 1962: Moser „Vom Folklorismus in unserer Zeit“ (Folklorismus: industriell gefertigte Massenprodukte etc.)
 Daraufhin Bausinger: Breite Akzeptanz der „folkloristischen“ Elemente, Unterscheidung echt – unecht schwierig
 Weitgehender Rückzug aus Heimatdiskurs in VKW
 Stattdessen Region
 Ähnelt in vieler Hinsicht Heimatbegriff
 Von lateinisch regio
 Entdeckung der regionalen Kultur  regionale Identität (auch in Politik wichtig)
 Identifizierung des Einzelnen mit seinem Lebensraum herstellen
 Unterscheiden zwischen personaler und kollektiver Identität
 Verbindliche Definition schwierig
 Kollektive Identität: Gruppenspezifische Kulturformen
 Sehr viele Ansätze  situationsabhängig für einen Identitätsbegriff entscheiden
 Die Darstellung hat wenig mit der Realität zu tun und das zunimmt als Klischee. Die Intellektuellen und Politiker
distanzieren sich von diesem Bild und suchen ein neues Bild, ein Bild der Region und die regionale Identität. Die
Zeit für kritische Heimatbilder.
 Der Begriff der Region und regional Identität ist an der Stelle von Heimat getreten, was auch eine
Herausforderung für die Gesellschaft ist, weil die Regionen flexibel sind, die Städte werden immer großer und die
Mobilität ist groß.
 Wie scheint ein Identitätsgefühl in einer globalisierten Welt?
 In der 80er Jahre hat man Kulturreferenzen, die meine es sei sehr wichtig.
 Identität Stiftung und Schaffung und der Heimat Begriff verloren gegangen ist.
 Es ist kein Begriff, der man heute noch verwendet. „Heimatministerium“ hat eine politische Bedeutung.
 Heimat ist in den letzten Jahren eine neue Bedeutung und spielt immer noch in der Politik eine besondere Rolle.
 Der Heimat/Identität ist kein unkritischer Begriff.
 Wohnen und Wohnkultur, die unsere Alltagskultur dargestellt.

6 Wohnen. Kulturelle Wertigkeiten

 Für lange Zeit dachte man dieses Thema war nicht relevant, aber es zeigte, dass das Wohnen viel über die
Gesellschaft zeigt.
 Die Frage: Wie man wohnen möchte?“ ist nicht neue. Es gibt unzählige Ratschläge, wie man eine Wohnung
einrichten können. Es gibt immer wieder neuen Medien, die vermitteln, wie können wir selbst realisieren.

6.1 Im Haus der Gegenwart (Sommer 2006)

Ausstellung eines Hauses mit hoher Flexibilität und Modernität (auch „Haus der Zukunft“; 2006):

 3 Räume im EG mit jeweils eigenem Eingang, Zugang zum Bad und zum Garten; Treppen führen alle in einen
großen Gemeinschaftsraum, der drei Türen zur Terrasse hat (man kann allein sein oder auch „Gemeinschaft
erleben“)  sowohl für Familien, Studenten/allg. WGs, Wohngemeinschaft für ältere Menschen etc.

Auch über die Lage eines Wohnorts kann eine unterschiedliche kulturelle Wertigkeit ausgedrückt werden.

 Musterhafte Lebensform mit enger Symbiose zwischen Natur und Lebensraum


 Ausgestattet mit verschiedenen Gegenständen „deutscher Kulturgeschichte“ (wie Händelmeier Senf,
Überraschungsei)
 Heute: unüberschaubares Angebot an Produkten
 Sozialer, gesellschaftlicher Kontext (Hinterhof, Osten, Westen etc.)

6.2 Möbel als kultureller Wert

 Möbel verweisen auf unsere personalen und sozialen Wertigkeiten. Einrichtung des Hauses, dazu gehören
Mobiliar, was scheint banal zu sein. Aber ist ein wesentlicher Aspekt der Kulturindustrie und die sagen viel über
uns.
 Möbel: psychische, soziale, modische Ebene
 Der Bedeutungsebene  Gerndt: Möbel als Gebrauchsobjekt: aus die Betrachtungsebene geht es um die
instrumentelle Handhabung, also die Primärfunktion. Verwahren von Kleidung und Tuchballen usw. Das ist die
Primärfunktion. die Bedeutung stimmt (festgesetzter und kontrollierbarer Zweck wie Stuhl). Möbel als Zeichen:
es geht um die „geistige“ Bedeutung d.h. um die insb. Im Dekor manifesten Informationen über die Bedeutung
des Objekts für Hersteller, Auftraggeber usw. Funktionalität: ästhetische Dimension. (Infos über Bedeutung für
Besitzer, wie Heiligenbild in Schrank  Frömmigkeit), Möbel als Indikator: es geht um die Einsichten in
überindividuelle „abstrakte“ Sinnzusammenhänge.
 Funktionen sind nicht immer eindeutig und nicht immer ablesbar
 Z.B. Stuhl: Alter Stuhl als Repräsentation, Deko, Kleiderablage
 Tatsächliche Funktion: Viel Hintergrundwissen über Besitzer nötig
 Regionale Differenzen, Moden (Farben, Motive, Techniken), Kreativität, Themen über form- und
stillgeschichtlichen Wandel. Aspekte, die man betrachten kann. Stehen die Möbel im Widerspruch mit der
moralischen Werten?
 Der Kontext muss auftauchen
 Methodische Schwierigkeit u.a.: zu Grunde liegende Prämissen reflektieren!
 Historische Möbel: Wenig Infos über kulturelle Wertigkeiten etc.  Antiquitätenhandel schwierig für KuWi
 Erheblicher Teil der „Bauernmöbel“ sind eigentlich für bürgerlichen Kontext gemacht  nicht „Schöpfung einer
dörflichen Gemeinschaft“
 Neusath-Perschen: erst Aufbau von Häusern, dann Inventar; später: Prüfung des Inventars  fast nichts
stammte wirklich aus der Oberpfalz! ABER: auch früher war nicht alles aus der Oberpfalz (Heirat etc.); außerdem
wenig über Entstehungskontext
 Vor allem vor 19. Jahrhundert sehr schlechte Quellenlage in der Oberpfalz
 Bauerschrank und die Vorstellung ist, dass es ein Schrank, der einen Bauer gehört hat oder dass ein Bauer
gemacht hat. Der Bauer ist bis heute nicht gefunden worden und es konnte sich um ein Missverständnis
handeln. Die Aufgabe des Tischlers war Tische und Stühle einzurichten. Man kann nicht etwas machen, weil man
talentiert ist. Das ist die Aufgabe von jemandem.
 Diese Schränke sind nicht unbedingt in einem bäuerlichen Kontext produziert worden, sondern konnte auch in
Städte gemacht werden.
 Möbel gekauft um die Häuser einzurichten. In der 80er Jahre kam es zu Schwierigkeiten zu beweisen, dass die
Möbel in den Antiquitäten Läden wirklich in den Orten des Ursprungs gefertigt worden sind.
 Die Stücke erleben auch einen Wandel. z.B. ein Schrank, das eine Geschichte hat und einen funktionalen und
Bedeutung Wandel erfahren hat. Die Farben des Schrankes spiegeln den Zeitgeschmack. Anhand Bildes des
Schrankes zeigt, wie Möbel einen funktional und Bedeutung/Wertigkeit Wandel erfahren/umgehen (synonym).
Grenzwertigkeit in den funktionalen Wandel.

6.3 Vom Wandel des Bettes

 Bett für alle noch sehr jung (erst 2-3 Generationen). Das Bett: Ab der 50er Jahren und 60er Jahren ist ein
Ausdruck. Es wurde bewiesen, dass in Deutschland jeder, der wollte, ein Bett besitzt. Früher war es nicht der Fall,
in Zeiten des Krieges.
 Frühe Darstellung eines Bettes auf der 12 Jh. Ein Bett ist nicht auf der breiten Bevölkerung zu finden.
 Chiffre für Zufriedenheit und Geborgenheit. Das Bett gibt einen großen Grad der Zufriedenheit. In der 30er Jahre
ist eine Schlafräumlichkeit entstanden, aber kein Schlafzimmer, wie wir heute kennen
 Regional deutliche Unterschiede
 Zunehmende Intimisierung des Schlafens. Wachstum Scham und Peinlichkeit schwellen, die dazu geführt hat ein
eigenes Zimmer sich zu wünschen. Eine Entwicklung der Privatsphäre. Dieser Situation, ein Schrankbett hinter
dem Ofen war funktional. Frauen und Männer haben häufig getrennt geschlafen. Dieser Situation wurde
diskutiert, die Frage; ist das Moder? Voltaire ist in der Diskussion eingetreten und hat geäußert, es sei primitiv
 Eigenes Zimmer für Bett war bis ins 20. Jahrhundert kaum verbreitet
 Mehrere Personen nutzten ein Bett. Es gab eine Nutzung des Bettes von vielen Leuten und die Ärzte haben
hervorgehoben, dass das ein Grund für die Verbreitung der Krankheiten ist. Viele Leuten haben ein Bett genutzt.
Das war ein Schritt in den hygienischen Aspekt. Es war nötig, dass jeder ein eigenes Bett besitzt und dass das Bett
regelmäßig geputzt, gereinigt und gewechselt wäre.
 Kurz nach 1500: Separierungsrozess von Schlafräumen in Oberschichten
 Meist auf Boden oder im Stall geschlafen
 Voltaire zu Niederdeutschem Hallenhaus: rückständig   Justus Möser (1720-1794, greift für das
Niederdeutsche Hallenhaus 1780 Partei): „Ihre [Bäuerin] ist hinter diesem Feuer, und sie behält aus derselben
eben diese große Aussicht, sieht ihr Gesinde zur Arbeit aufstehen und sich niederlegen, das Feuer abbrennen
und verlöschen und alle Türen auf- und zugehen, höret ihr Vieh fressen, die Weberin schlagen, und beachtet
wiederum Keller, Boden und Kammer. Wenn sie im Kindbette liegt, kann sie noch einen Teil ihrer häuslichen
Pflichten aus dieser Schlafstelle wahrnehmen.“
 Strikte Kammerbildung auch noch nicht im 18. Jahrhundert
 Statt Bett Strohsack o.Ä.
 5,8 Personen pro Haushalt im Schnitt
 Bäuerliche Großfamilie erst ab 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts (bessere Hygiene und Medizin)
 Städtische Gesellschaften: Betten zwar verbreitet, es hatte aber nicht jeder eines
 Bett als Statussymbol
 Bett als Prestigeobjekt → Bauer haben weniger Betten vorhanden. Reiche Bauer hatten Betten und sie waren
schön dekoriert. Sie haben dieses Bett aufbewahrt, aber sie waren nicht gewohnt auf dem Bett zu schlafen. Das
preußische Offizierkort war nicht gewohnt im Bett zu schlafen, das war einfach Prestige. Es hat 150 Jahre
gebraucht, bis das eine Realität geworden ist (Ein Objekt, das man haben muss). Eine Notwendigkeit, die man
sich leisten konnte
 Bett nicht immer akzeptiert (z.B. neben oder unter dem Bett schlafen)
 Städte: Schlafgängerwesen
 Bett setzte sich in 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts durch
 Sittlichkeitsdebatte um Betten/Schlafgängerwesen z.B. von Pastoren, bürgerlicher Mittelschicht
 Bettenmangel als Grund für Infektionskrankheiten
 Hygienischer Diskurs (neben Prestige) fördert den Besitz von Betten
 Verlauf im 18./19. Jh.: Betten gehörten zur Hochzeitsausstattung, wurden aber teilweise nicht mal aufgebaut
(nur Prestige!)
 Ab 19. Jh.: „Siegeszug“ des Bettes
 1852: Berliner Arzt entdeckt „miserable Bettenversorgung im Spessart“, noch schlechtere Situation in Berlin;
Theorie: keine/wenige/„schlechte“ Betten als Hauptgrund für schlechte hygienische Zustände
 Teilweise Teilen der Betten (z.B. je einer morgens/nachmittags/nachts  „Schlafgängerwesen“ auf Grund der
Wohnungsnot/Kostengründen
 Neben medizinischem Diskurs jetzt auch moralisch-sittlicher Diskurs („Mädchen werden verkuppelt, die
Männer fangen aus Scham zu trinken an)
 Ab ca. 2. WK „träumt“ auch die normale Bevölkerung von eigenen Betten, aber erst ab wirtschaftlichen
Aufschwung der 60er/70er Jahre größtenteils realisierbar
 Heute: Strenge Trennung von Wohn- und Schlafräumen wird wieder aufgelöst; Entwicklung der Betten wird auch
in Zukunft noch weitergehen!
 Verbesserung der hygienischen und sozialen Bettsituation
 Hygiene-, Gesundheits- und Moraldiskurs  vor 2. WK bereits viele Betten, ab 60er/70er Jahren auch für breite
Bevölkerung möglich. Wir haben ein Prestige Diskurs, ein Hygiene Diskurs und ein Moral Diskurs und alles hat
dazu geführt, den Besitzt des eigenen Bettes. Der Traum von eigenem Bett ist der Traum, der im 20 Jh. realisiert
worden ist. Streng tabuisierter Raum (Schlafzimmer) in der Zeit der Großeltern. In der 70er und 80er Jahre sind
die Türe geöffnet worden
 Betten deutliche Aufwertung (auch funktional)

6.12.18 Wohnen und Wohnkultur

 Wohnkultur ist ein elementarer Bereich, in dem Identität ist wichtig sowie die Performanz. Die Art und Weise,
wie wir wohnen. Eine Herausforderung für die KW.
 Die materiellen Rahmbedingungen haben erlaubt, eine eigene Wohnung einzurichten.

6.4 Zur „Ikeaisierung“ unserer Wohnwelt

 Möbel und Designermöbel waren nicht überall vorhanden. Nicht immer gab es die Möglichkeit, Möbel durch
Internet, was zu kaufen (Amazon, Ebay
 Ikea als Beispiel für globalisierende Prozesse, die im 20. Jh. im Bereich der Wohnung stattgefunden hat.
 1974 erstes IKEA in Deutschland
 Möbelhaus von Ikea: 24Millionen mögliche Kunden: Ein Faktor, dass eine Leitfunktion in der Entwicklung hat.
 Nachkriegsgeneration: Modernes, frisches Mobiliar. Ein Mythus von Ikea, das kultiviert wird. Eichenmobiliar ist
sehr stark mit der bürgerlichen Kultur verbunden ist. Ikea hat diese Idee nicht entwickelt, sondern die
Generation nach dem Krieg, die in der 50er und 60 er Jahre dieses Konzept entwickelt hat. Es ging um Kunststoff
mit neuen Farben.
 Ikea kam mit einem neuen Programm auf dem Markt. Ikea tauchte in der 70er Jahre mit Holzwaren, echtes Holz
für echte Leute. Materialwertigkeit Umkehrung. Ikea nimmt dem Lack weg und macht Naturholz, was der
Generation zuvor nicht geschätzt hat.
 „Warum fahren die Menschen zu KEA, warum freuen sie sich über den jährlich erscheinenden Katalog sowie
über den Brief einer längst verschollenen Urlaubsliebe aus den Abruzzen? Der Erfolg von IKEA hat wenig damit
zu tun, dass dort also so billig ist. Im Zweifelsfall bekommt man in Baumärkten viele vergleichbare Produkte
günstiger, aber darum geht es bei IKEA schon lange nicht mehr. IKEA ist ein Seismograph kollektiver Wünsche
und Ängste. Schon in den Produktnamen offenbart sich die gesellschaftliche Befindlichkeit direkter als in allen
soziologischen Studien.“ (Niklas Maak. In: SZ, 09.09.1999)
 Die Leute sich mit diesem Material wieder identifizieren konnten. Eine jüngere Generation, die akademisch
gebildet ist und weißt nicht mehr, was in den nächsten Jahren machen wird (neue Arbeit, neue Stadt). Die
Möglichkeit ein eigenes Regal zu machen und selber die Dinge zu kombinieren, die Sachen zu gestalten. Dieses
Konzept hat mit Holz angefangen Ikea hat diese Idee verstanden, echtes Holz für echten Mensch.
 Es kommt andere Bedürfnisse: Class und Style und Holz passt nicht dazu. Ikea hat eine Marktforschung, die
recherchiert, wohin den Style von jüngeren Leuten geht, damit sie diese Bedürfnisse aufdecken können.
 Veränderung der Gesellschaft hat dazu geführt, wo fühlen sie sich wohl? Beheimatung und familiarisieren mit
Ikea Möbel. Eine Ikea Familie zu werden. Ein Wochenende Ausflug nach Ikea.
 Bei IKEA bekommen alle Möbel einen Namen (mit Geschlechterspezifik: Gardinen weiblich, Schränke männlich)
 IKEA ist etwas für „glückliche Paare“ (SZ 1999)
 Ikea ist zum Kulturmuster geworden, Möbel als Orientierung im Alltag. Häufig kommt unbewusst eine Form von
Ikea, wenn man in einem Haus denkt
 Unverwechselbarkeit, Gefühl von Orientierung und Heimat
 Mit Ikea „austreiben“ der miefigen Nachkriegszeit
 Das Einfache als schön
 IKEA hat „den Deutschen schwere, langlebige Möbel ausgetrieben“  leichte Montage, leichtes Gewicht 
leichter Wohnungswechsel
 Corporate Identity: möglichst alle als Mitglied der Ikea-Familie
 Bild: „Authentisches Chaos“ original „Studentenbude“ des 27-jährigen Studenten Jörg aus Münster. Im Rahmen
des Projektes „ZimmerWelten“. Die Studenten haben so viel Geld ausgegeben für diese Einrichtung und diese
Sachen.
 Es ist bemerkenswert, welche Bedeutung die Wohnung bekommt.
 Kinderzimmer rund um die Erde: 2 Bilder ein Zimmer in Neapel und im Kontrast mit einem Zimmer in Kentucky
(Kinderzimmer). Dann ein Zimmer in Rio (Couch auf der Straße) im Kontrast mit einem Apartment in New York
5th Avenue und Privatschule.
 De Charakter ist sehr unterschiedlich und nicht alle haben die Möglichkeit das eigene Zimmer selbst zu gestalten.
 Vor dem Krieg war hatten die Kinder keine Entscheidung, sie konnten nicht sagen, wie sie ein Zimmer wollten.
Sie hatten meistens kein eigenes Zimmer. Heute gibt es Möbel für Kinder und sie können auch entscheiden, wie
sie das Zimmer gestalten.

6.5 Von der Heiligen Familie zur Kelly Family

 Die Zeit, wenn man beginnt ein eigenes Zimmer zu gestalten. Wie leben die anderen (Arbeiter, Akademiker)
 Wandschmuck
 Auch fehlendes Wandschmuck sagt etwas über Bewohner
 Demokratisierungsprozess von Bilderwelten durch moderne Drucktechniken wie Lithografie
 Früher Bilder als Privileg von Adel und Geistlichkeit
 Preiswert von Bildern: je mehr ausgedruckt sind desto weniger der Preis. Heute hat man die Möglichkeit eine
Wohnung mit Kunst und Bilder zu dekorieren
 Es gibt einen Unterschied zwischen die Bilder, die im Badezimmer oder im Schlafzimmer hängen. Oder eben
auch ein Minimalist, wo keine Bilder auf der Wand sind.
 Bei den Studenten sind die Wände funktional und ikonographisch.

6.6 Beletage und Hinterhof

 Wo und wie die Wohnung geschaffen ist?


 Artikel von Georg Schroubek (in Prag geboren): Fragestellung: was hat eine Wohnung strukturiert?
 Teuerste Wohnungen im 1. Stock (z.B. auch größere Fenster) („Beletage“)
 Beletage am aufwändigsten gestaltet
 Salon, Elternschlafzimmer nach vorne zur Straße (Soziale Gefälle von Straßen- zu Innenhofseite).
Elternschlafzimmer war ein Tabu, die Kinder dürfen nicht auftreten- es war ein anderes Leben.
 Die Polizisten und der Hausmeister kontrollieren der Innenhof. Die Welt der Polizei.
 Hinterhof als Enklave kleinbürgerlicher, ländlicher Prägung
 Zur Straße: bürgerliche Etikette
 Nicht nur innerhalb einer Straße, sondern auch innerhalb eines Hauses gibt es soziales Gefälle.
 Zwei Welte mit vielen Abstufungen. Ganz andere Zeit und Lebensstrukturen

6.7 Von der Ästhetik zur Kontextualisierung

 Bild: Heidihaus, Maienfeld 2005 (Originalbild) Heide eine literarische Kunstfigur. Viele Japaner reisen nach
Europa und wollen sehen, wo die richtige Heide gewohnt hat. Die japanische Verfilmung war viel erfolgreicher in
Japan als in der Schweiz.
 Möbel und Wandschmuck: Sachkulturforschung (Spezifik von VKW)
 Wohnkultur als „soziales Totalphänomen“
 Wohnen als Form des sozio-kulturellen Handelns
 Mit dieser Form der modernen Stile kommen verschieden Formen des Lebens vor.
 Ästhetisierung der Wohnung. Aufräumen und Ordnung: nicht alles Sichtbar lassen. Man sieht auch Minimalismus
oder Neobarockisierung.
 Pierre Bourdieu: nach seinem Konzept von Habitus→ Lebensstil, Habitus-Konzept, Kulturelles Kapital
 Die Kruzifixe werden abgehängt (Zeitungsartikel)
 Dekorationen währen des ganzen Jahres nach der Season (Weihnachten, Fasching, Ostern, Halloween) Ein
Thema, das man nicht gering schätzen soll.

7 Fest- und Brauchkulturen. Zeitliche Rhythmisierung des Alltags

 Alltag wird strukturiert, ökonomische Komponente

7.1 Bräuche in posttraditionaler Gesellschaft

 Giddens: Annahme, dass nach 2000ern posttraditionale Gesellschaft vorhanden ist


 Große Diskussion: Verhältnis zwischen Nikolaus und Weihnachtsmann
 Perchtenlauf: „wiederentdeckter Fruchtbarkeitsbrauch, doch Unkenntnis und Kommerz setzen ihm zu“ (von SZ);
vorchristliche Kontinuitäten, die oft vermutet werden, aber immer falsch sind
 Diskussionen führen zu Konflikten
 Vieles strukturiert sich in der Tat selbst. Da ist auch eine ökonomische Konjunktur in vielen Länder

13.12.2018

 Wir machen uns unbewusst einen Teil der Tradition des Festes und Bräuche
 Weihnachten und die Traditionen: Weihnachtsmann- Offizieller Ausstatter im Kaufland. Coca-Cola Tour im
Weihnachten wolle von dem britischen Parlament abgeschafft werden- heftige Diskussion vor Brexit.
 Campaign am Christkind oder das Glauben an Nikolaus. Nicht alle Bräuche nicht von allem in gleicher Masse
genommen werden. Einige werden sabotiert oder kritisiert.
 Muss man in einem Ort nicht nur geboren sondern auch Vorfahren haben, um in einer Bräuche teilnehmen zu
können oder eine Rolle zu übernehmen?
 Wer gehört zu dem außen Welt?
 Mythologisierung-Trend: Filme in den USA „Krampus“
 Bräuche ist ein riesiges Thema. Keine einfache Frage zu beantwortet: Was ist eine Bräuche?
 Wie finden wir ein Zugang zum Thema? Was verbindet wir damit?

7.2 Was ist ein Brauch?

 Es war ein Begriff, den die breite Bevölkerung nicht kannte. Das heißt nicht, dass der Begriff nicht gibt.
 Definitorische Merkmale einer Brauchdefinition
 Ein Brauch hat eine gewisse Regelmäßigkeit, eine Norme. Z.B wann beginnt und Ende ein Fest (Weihnachten,
Ostern).
 Brauch: das, was einen Tag vom anderen unterscheidet. Wir haben alle ein Konzept, aber wir machen es nicht
bewusst. Das ist etwas, das verschieden geschätzt wird. Wir haben eine verschiedene Qualität der Wochentage,
sie werden nicht gleich bewertet. Es gibt Tage, die eine Bedeutung haben und deswegen werden sie ritualisiert
 Etwas strukturiert, akzentuiert, Haltepunkte bietet, Zyklizität herbeiführt
 Zentrale psycho-soziale Bedeutung: Menschen können mit Erwartungshaltung auf etwas „hinleben“
 Jeweilige Genese beachten
 Etymologie:
- Das Substantiv „Brauch“ leitet sich von dem nach dem 8. Jahrhundert entstandenem Verb „brauchen“ ab,
was so viel wie „nutzen“, „genießen“, „nötig haben“ bedeutet.
- Erst nach etwa 1350 hat sich aus dem Verb „brauchen“ das uns heute geläufige Substantiv „Brauch“
entwickelt.
- In spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Quellen ist kaum von „Brauch“ die Rede.
- Eine Bedeutungsänderung hin zu unserer heutigen Wortbedeutung scheint sich erst um 1500 vollzogen zu
haben.
- Ältere Begriffe für Brauch waren „alte Gewohnheit“ oder „Herkommen“
 Brauch nichts Nutzloses, sondern etwas Nützliches, Notwendiges
 Standarddefinition: „Brauch ist zuallererst eine soziale Kategorie, bei der anders als bei einem Arbeitsgerät (als
Objektivation materieller Kultur) oder einem Lied (als Zeugnis geistiger Kultur) ein soziales Handeln
bestimmendes Moment ist. […] Brauch ist nun aber keine beliebige, spontan ablaufende Handlung, sondern
erfordert eine bestimmte Regelmäßigkeit und Wiederkehr, eine den Brauch ausübende Gruppe, für die dieses
Handeln eine Bedeutung erlangt, sowie einen durch Anfang und Ende gekennzeichneten Handlungsablauf,
dessen formale wie zeichenhafte Sprache der Trägergruppe bekannt sein muß.“ (Andreas Bimmer:
Brauchforschung. In: Grundriß der Volkskunde. 3. Auflage. Berlin 2001, S. 445.)
 Brauch: ganz alleine kein Brauch, da soziale Gruppe notwendig
 Regelmäßige Wiederkehr: Wie oft muss etwas stattfinden, um Brauch zu werden?
 Klarer Anfang und Ende
 derDie Frage, wann ist der 24.12 da? Kalender, die zu diesem Termin durchfuhren. Diese Erwartung kann al
positiv oder negativ betrachtet werden. Spannungsfeld zwischen Erwartung und Realität, was zu Konflikte
innerhalb einer Familie produzieren kann.

7.3 Brauch und Terminierung

 Ein Termin, der jedes Jahr stattfindet.


 Brauch ist ein Überkategorie von Ritual und Ritual von Fest.
 Ein bisschen kritisch hinterfragen: was ein Brauch ist?
 Bräuche sind Ergebnis ein langer kultureller Prozess. Brauch ist das Resultat eines langen Prozesses. Auf
mindestens die wichtigsten Termine
 Es gibt zentrale Setzungen der Kultur, die nur bedingt gesehen werden können.
 Termine wichtig sind für die Etablierung eines Brauchs.
 Kochen und Vorbereitung sowie die Nachbereitung sind ein Teil alle wichtigen Termine. Das Jahr ist auf diese
zwei Termine fokussiert.
 Die Namen beziehen sich auf den Verzicht von Fleisch (Karneval, Fasching, Fastnacht)
 Grundprinzip: alle Bräuche beziehen sich auf diese zwei Termine unabhängig von den Unterschieden zwischen
Christen und Protestanten und die Reformation der Kalender.
 Mandlkalender (von „Männchen“; „nach den kleinen Abbildungen von Heiligenfiguren (steirisch „Mandl“ für Männchen)
heißt seit 1949 ein traditioneller Bauernkalender, der seit dem frühen 18. Jahrhundert in Graz gedruckt wird. Ab
(vermutlich) 1892 bis 1948 hieß er „Neuer Bauernkalender“, davor einfach „Bauernkalender“. Da er ursprünglich für die
einfache, des Lesens unkundige Landbevölkerung gedacht war, ist er reich bebildert und zeigt neben den Tagesheiligen auch
Symbole für das zu erwartende Wetter, das aus der Wetterbeobachtung in der Vergangenheit und aus Bauernregeln
vorhergesagt wurde, sowie für Arbeiten in der Landwirtschaft, wie Aussaat, Mahd, Ernte, Weinlese oder Schlachtung und
die Tageslänge, den Sonnenauf- und untergang an. Dieser Kalender erscheint in kaum veränderter Größe (8,3 × 10,3 cm, 32
Seiten), Form und Gestaltung seit rund 300 Jahren und ist damit der älteste kontinuierlich erscheinende Jahreskalender
weltweit.“ [Wikipedia])
 Jahreslaufbräuche: Ostern als zentraler Bezugspunkt im Frühjahr, Weihnachten im Winter. Ostern und
Weihnachten kreisen fast alle wichtigen Termine: Alle Termine im Sommer hängen von Ostern ab und genauso
geschieht mit Weihnachten.
 Terminierung von Ostern und Weihnachten:
Ostern
1. Sonntag nach Frühlingsmond, 325 auf dem Konzil von Nicäa festgelegt
46. Tag vor Ostern (ohne Sonntage 40. Tag) = Aschermittwoch
40. Tag nach Ostern = Christi Himmelfahrt
50. Tag nach Ostern = Pfingsten
60. Tag nach Ostern = Fronleichnam
Epiphanie (6. Januar)
40 Tage davor, unter Auslassung der Sonntage und Samstage 12. November als Beginn der Fastenzeit
(davor Martinstag)
40 Tage danach = Valentinstag
Weihnachten (25. Dezember)
Vierwöchige Fastenzeit vor Weihnachten
40 Tage nach Weihnachten = Mariä Lichtmess (2. Februar)
 Bezeichnungen für Fasching/Karneval nehmen Bezug auf Aschermittwoch  hängen mit Ostern bzw. dessen
Terminierung zusammen. Fastnacht endet in Abhängigkeit von Ostern Termin, egal wo man ist (westlichen
Staaten)
 Nach Martins Tag beginnt die Fasten Zeit von Weihnachten
 Termine haben Vor- und Nachbereitung (40. Tag vor Ostern, 40./50./60. Tag nach Ostern)
 Der zweite zentrale Termin ist Epiphanie (6. Januar) Jesus kommt als Herr auf die Welt. Weihnachten ist die
Erscheinung der Menschen. Epiphanie gehört zusammen mit Weihnachten (Unterschied: Erscheinung des Herrn
und Erscheinung als Mensch)
 Weihnachten: ebenfalls 40-tägige Vorbereitungszeit 12. November als Beginn der Fastenzeit (11.11. Martinstag
mit Speisen wie Gänsen etc., letzter Tag zum Heiraten)
 Weihnachtsfestkreis endet an Lichtmess bzw. Valentinstag (40. Tag nach 25.12. bzw. nach Epiphanie)
 Kleine Feste zur Vor- oder Nachbereitung des Hauptfestes
7.4 Kontinuität und Wandel
 Die meisten heute ausgeübten Bräuche sind nicht älter als 100-150 Jahre  nicht uralt. Z.B Halloween ist im
Mitter der 90er Jahre nach Europa gekommen. In gewisser Sinn ist ein junger Brauch.
 Aber: im Mittelalter gab es eine Fülle von Bräuchen, die es jetzt nicht mehr gibt
 Nikolaustag lange Zeit wichtige Bedeutung, später abgelöst durch Weihnachten
 Terminierung schafft Haltepunkte
 Gängige Vorstellung von uralten Bräuchen; Deutungsraster aus der Romantik (Ursprünge bei Germanen); auch in
NS ideologisiert
 Moser/Kramer: historisch-archivalische Forschung  Wie alt sind die ältesten Belege für bestimmte Bräuche? 
das meiste entstand erst in jüngerer Zeit
 Kontinuitätsproblematik in Nachkriegs-VK besondere Herausforderung
 Diese Frage auf den Alltag ist wichtig, wenn man nach dem Alltag der Leute fragt. Wo ist Alltag scheint eine
besondere Rolle zu haben.
 Deutungsraster: Diese Bräche haben schon ein germanisches Vorfahren. Idee, die der Nationalsozialismus gerne
verbreitet hat.
 Adventskranz: man geht davon aus, die hat immer gegeben, weil man keinen Belegt hat.
 Bräuche passen sich an Bedürfnisse der Menschen an. Entsprechende Anpassungsprozesse stattfinden.
 Buch: Kontinuität und Diskontinuität in den Geisteswissenschaften- Hermann Bausinger (1969). Fragen: Auf
welcher Ebene kontinuiert sind oder gewechselt sind?

7.5 Fund und Erfindung

 Ernst Klusen (1909-1988). „Fund und Erfindung“ (1969; bezogen auf Volkslieder)
 Eric Hobsbawn (1917)/ Terence Ranger (1926): „invetion of tradition “
 Fund und Erfindung ist immer etwas, mit dem man rechnen muss. Nicht unbedingt entspricht die Realität. Es
wird schnell Deutung hineinprojiziert.
 Bräuche, die ein hohes Alter erreichen, müssen sich an kulturelle Gegebenheiten anpassen  Kontinuität durch
Wandel
 Beispiel: relative formale Kontinuität, aber mit anderer Bedeutung oder anderen Funktionsträgern
 Auf welcher Ebene ist Kontinuität?  zeitlich, formal, Trägergruppe, Funktion
 Wie alt muss ein Brauch sein, um überhaupt Brauch zu sein oder „uralt“?

7.6 Vom Nikolaus zum Weihnachten

 Wichtigste Heiligengestalt ist „mutiert“ und kommerzialisiert


 Wie wurde Nikolaus zum wichtigsten Werbeträger?
 Was eine zentrale Bedeutung ist? Wie komme es zur Verbindung von Weihnachten (Krippe und Schenken).
 Die Frau von Nikolaus: ein emanzipatorisches Element.
 Nikolaus mit der Kleidung
 Sommer ist nicht Ostern, aber auch nicht Weihnachten.

7.6.1 Heiligenkult und Brauch

 Konsumterror → Weihnachtsmann von Coca Cola.


 Der Nikolaus hat sein Fest am 6.12. Wer ist der echte Nikolaus? Es gibt einen echten Nikolaus, der in der Türkei
gelebt hat.
 Das Problem ist die Frage: Was steht in der heiligen Nikolaus? Hat er gelebt, wann und wo?
 Herkunft:
1. Bischof von Myra (Kleinasien, heutige Türkei) wohl 1. Hälfte 4. Jahrhundert
2. Abt Nikolaus vom Kloster Sion bei Myra, später Bischof von Pinara, gestorben 564
 Kompilation aus mindestens diesen beiden Figuren. Aus der Kombination von beiden ist unser Nikolaus
entstanden
 Im 10. Jahrhundert: Heiligenbeschreibungen von den zwei „Nikolaus“ sowie weiteren Personen zu einer
Beschreibung vereint
 Vermutete Gebeine gelangten nach Bari, Fälschung auch nach Venedig  Papst erklärte „authentischen“
Nikolaus zu dem in Bari
 Große Kathedrale und Heiligenverehrung in Bari; 2. Zentrum in St.-Nicolas-de-Port (ein Fingerglied nach
Frankreich geschmuggelt)
 Aufstieg zum Superheiligen des Mittelalters. Nikolaus ist ein faszinierendes Thema: Ein Heiliger wird zum
Überheiliger.
 Gedächtnistag des Bischofs von Myra erhielt auf Konzil von Oxford gleichen Rang wie Ostern und Weihnachten;
herausragende Stellung bis zum 2. Vatikanischen Konzil
 Heute 4000-5000 Nikolaus-Kirchen
 Name „Klaus“ beliebtester Name besonders im 12./13. Jahrhundert
 Universalheiliger für sehr viele Berufsgruppen (z.B. Dirnen, Metzger, Schüler)
 Aufstieg über Legenden; bereits im 10. Jahrhundert mehrere Legenden, die mit Realität wenig zu tun hatten
 Wannen- und Säuglingswunder: als Säugling aufrechtstehend in der Wanne; an Fasttagen Mittwoch und Freitag
nahm er nur einmal die Brust
 Jungfrauenlegende: keine standesgemäße Verheiratung von Töchtern möglich (zu wenig Geld)  Töchter zur
Prostitution freigegeben, aber Nikolaus gibt Töchtern Goldkugeln, um dies zu verhindern (damals noch als junger
Mann beschrieben)
 Problem: Junger Mann, heiratsfähige Frauen  Nikolaus mutiert zu altem Mann
 Außerdem: Goldkugeln als Geschenk  Schenktradition
 Scholarengeschichte  Pökelfasslegende  Patron für Schulwesen
 1. Heiliger Nikolaus als Wohltäter, 2. Patron der Schüler und Studenten/Schulwesen
 Nikolaustag: Prüfungen: Belohnung bei guten Leistungen, sonst Bestrafung  Nikolaus als Examinator
 Kerbhölzer für gute (teils auch schlechte) Taten: Klausenhölzer: alle guten Taten als Kerbe vermerkt
 Spekulatius: Spekulator, Prüfer
 Teils noch heute Nikolaus als Hauptbeschertermin (z.B. auch in der Oberpfalz zur Zeit der Physikatsberichte)
 Alpenländischer Raum: aus Zeit der Gegenreformation (bis 19. Jahrhundert): viele Nikolausspiele

20.12.2018

7. Fest- und Brauchkultur

 Nikolaus- es handelt von einer konstruierten Figur aus zwei Personen


 Bari- Süditalien: Nikolaus Kirche
 Saint-Nicolas- de- Port-
 Nikolaus ist der wichtigste und bedeuteste Heilliger in verschiedenen Ländern wie Frankreich und Italien
währende des Mittelalters
 Malerei: Nikolaus verweigert die Mutterbrust an Sonntagen und Fasttagen
 Zwei Legenden sind heute noch von Bedeutung ohne, dass wir bewusst sind
 Erste Legende: „Legenda aurea“- Nikolaus gibt drei jungen und unverheirateten Frauen eine Goldkugel und in
den nächsten Tagen gelingt der Vater einen Mann (Heirat)
 Malerei: Jungfrauenlegende- Drei Kugel auf drei schlafenden Mädchen legt.
 Rekonstruktion Zeichnung von Nikolaus- ein modernes Bild wird hineinproduziert.
 Dieser Nikolaus gibt den Mädchen Gold, damit sie heiraten können.
 Zweite Legende: Studenten Legende- Drei Studenten haben die Absicht Philosophie in Griechenland zu
studieren und auf der Reise stoppen sie bei Nikolaus, um etwas zu bitten.
 Er wird zu Patron der Studenten und Schüler, sowie der Kinder, denn er beschützt sie, wenn sie in Gefahr sind.
 Schüler werden in Bezug auf ihr Verhalten geprüft. Vor Weihnachtszeit sind die guten Schüler belohnt und die
schlechten bestraft.
 Bis 15. Jh. wird der Nikolaus zur Zentral entwickelt. Er belohnt die Kinder, wenn sie entsprechend behalten
haben.
 Sprechende Gebäck heißt Spekulatius- Es ging um das Verhalten der Kinder zu prüfen.
 Der wichtigste Geschenk Tag des Jahres ist der Nikolaus Tag. Das geschieht auch in den Orten in der Nähe von
Holland.
 Der Nikolaus fragt, ob alle Kinder helfen und wiederprüft, was gelernt worden ist. Das geschieht im christlichen
Raum.
 Im protestantischen Raum verlieren die Heilligen an Bedeutung. Im protestantischen Milieu hat die Figur vom
Christ große Bedeutung. Das Christkind ist männlich.
 Langsam wird mehr Wert auf dem 25. gelegt. Der Nikolaus- der Tag hat eine funktionale Bedeutung im Hinblick
auf die Vorbereitung von Weihnachten

7.6.2 Das Mittendorfer Nikolospiel

 Bekanntestes Nikolospiel
 Am Vorabend (Einbruch der Dunkelheit zählte schon zum nächsten Tag)
 Früher Stationsspiel mit von Haus zu Haus ziehen
 Heute nicht mehr in Gaststuben aufgeführt, sondern auf Grund des großen Andrangs auf dem Marktplatz
 „Am Abend des 5. Dezember jeden Jahres, also am Vorabend des Nikolaustages, zieht eine Schar verkleideter
Gestalten um den Bischof Nikolaus zum Teil mit furchterregenden hölzernen Masken durch die Orte und führt
an mehreren Stellen ein bäuerliches Jedermannspiel über den Tod eines armen Mannes auf. Das Spiel folgt
einem seit langer Zeit feststehenden, teilweise gereimten Text.“ [Wikipedia]
 Figuren: Engel und Rollenträger- Die Männer und Frauen wollen spielen. Pfarrer und Bischof Nikolaus: Sie
geben ein Gespräch, sie wissen, wie sich die Kinder benommen haben. Ob sie brav oder schlecht waren. Die
guten sind belohnt und die schlechten sind bestraft. Botschaft vom Bischof, was bestraft werden soll. Aber alles
ist nicht so schlimm. Die Kinder sind gut informiert, sie wissen, wie sie heißen und was sie sagen. Dann kommt
eine Bettlerbeichte: der Bettler gibt zu, dass er nicht gut war. Der Tod mäht Bettler mit Sense nieder. Dann
weiß man, was passiert, wenn man sich nicht gut benimmt. Der Eheteufel nimmt die Schlechten zu ihm. Der
mächtigste und wichtigste Teufel kommt dann auch der Luzifer- er kommt mit zwei Teufel, die ihm begleiten.
 Ein didaktisches Model, damit man weiß, was geschieht, wenn man sich nicht gut verhalte.
 Gegenreformatorisch: Reue, Beichte und Buße der Bevölkerung vermitteln
 Diese Spiele erschienen in den 17. Jh., hatten ihren hohen Punkt in den 18. Jh. uns dann sind verboten worden.
Mitten des 19. Jh. ist das Spiel wiederaufgetaucht, dank des Werks der Gebrüder Grimm. Zwischen späten 17.
Jahrhundert und 18./19. Jahrhundert: 155 Spiele sind nachgewiesen, heute aber weitgehend verloren
 Während Aufklärung verboten, anschließend wiederaufgelebt
 Missverständnis: Der Teufel nimmt nicht die kleinen Kinder, sondern die Seelen, die wie kleine Kinder
dargestellt sind.
 Durch Aufhebung der spielerischen Praxen zunehmende Profanisierung des Nikolaus und seiner Begleiter

7.6.3 Die Profanierung des Nikolaus

 Teuflische Begleiter als Assistenzfiguren unter unterschiedlichsten Namen (Schwarzer Peter, Krampus
(„Krallenteufel“), Rupprecht etc.)
 Nikolaus und Zwarte Peet, Niederlande.
 Nikolausspiel der Niederlande sollte kulturelles Erbe werden, aber UNESCO lehnte auf Grund von Rassismus ab
 Zwarte Piet: Teufelsfigur  deshalb „traditionell“ schwarz. Schwarze Peter ist eine begleitende Figur eines
Teufels. Auch ein Missverständnis.
 Zunehmende Säkularisierung und Profanisierung  Weg zur Entwicklung des Weihnachtsmanns als stark
veränderte Nikolausfigur  Profanierter Nikolaus, Mitte 19. Jh. Der Heilige Nikolaus mit einem Sack kommt.
 Ikonografisches Ausgangsbild: „Herr Winter“ (personifizierte Winterfigur; nicht neu) von Moritz Schwind (1804-
1871; 1847, Münchner Bilderbogen); personifizierter Winter; prägte ikonografisch angeblich Väterchen Frost →
Vorbild für Väterchen Frost
 Nikolaus von Heinrich Hoffmanns-
 Die Protestanten nehmen das Christkind als zentrale Figur.
 Weiteres Bild von 1849 von Frölich (1820-1908) mit Zipfelmütze: ein alter Mann, mit einem Barb und trägt einen
Sack.
 Der Nikolaus transzendiert langsam zum Weihnachtsmann.
 Im Struwelpeter wird Nikolausgeschichte (Pökelfasslegende) profanisiert aufgegriffen

7.6.4 Die „Erfindung“ des Weihnachtsmannes

 Thomas Nast (1840-1902): geboren in Landau in der Pfalz. Bild von prototypischen Weihnachtsmann/“Santa
Claus“ um 1880 - 1846 Von Europa nach Amerika ausgewandert  hatte Lehrer aus Umfeld von Moritz von
Schwind. Er kennt diese niederländische Tradition und zeichnet eine Karikatur von Nikolaus. Er hat die Farben
von Coca-Cola und auch die Funktion, Geschenke zu bringen. Er hat typische Geschenke, die damals man den
Kindern gab.
 Die älteste Werbung von Coca-Cola von Nikolaus stamm aus dem 1930. Werbeindustrie: Erfindung von Coca-
Cola. Coca-Cola brach diese Standardisierung von Nikolaus.
 Christmas Card 1866
 Thomas Nast, Santa Claus und his work
 Verschieden Postkarten mit den Farben von Coca-Cola bevor das Unternehme existiert. Der Erfolgt liegt daran,
dass diese Figur in Europa bekannt ist.
 Santa Claus ist nicht anders als der profanierte Nikolaus.
 Das Christkind im protestantischen Milieu.
 Malerei: Christkindchen und Hans Trapp- begleitet bei einer teufelden Figur
 Christkind, Kaulbach. Frühes 20. Jh. Christus: Symbol für Licht der Welt
 Ikonografisch ist Figur um 1880 schon ausgebildet
 Liturgische Farben der Vorweihnachtszeit
 Als Coca-Cola mit Weihnachtsmann die Werbung aufnahm, war Figur des Weihnachtsmann bereits bekannt
 Verstärkt ab 19. Jahrhundert (aber auch schon vorher) tritt Christkind als Gabenbringer statt Nikolaus auf
 Christkindlmärkte nicht älter als Protestantismus
 Innerhalb weniger Generationen Wechsel von Nikolaus zu Christkind zu profanisiertem Weihnachtsmann
 Weihnachtsmann als Personifikation eines Konsum- bzw. Geschenkfestes

7.7.7 Exkurs: Thama mit´n Hamma

 Heiliger Thomas mit dem Hammer, Festtag am 21.12.


 Chamer Gegend, meist mit blutbespritzer Metzgerschürze
 Mit Hammer Köpfe von Kindern einschlagen
 Nicht bei braven Kindern/Vater unser oder Ave Maria beten
 Er hatte die Funktion, an der Türen zu klopfen, um die Kinder zu sagen, sie sollen brav sein.
 „Spechthexe“: eine Interpretation der Figur, damit das Christkind kommt. Die Specht kommt am Heiligen Abend.
Die Kinder sind mit dieser Figur konfrontiert, sie sind unter dem Dach der Großeltern (Oberpfalz). Man muss den
Specht futtern, damit das Christkind kommt
 Specht und Lucia. Prager Volkskundemuseum
 Dichotomische Art des Auftretens: eine bestraft und der andere belohnt.
 Die Specht: Bauch der Kinder aufschneiden mit Schere
 Blutige Luzi (ähnlich wie Specht) „Luzi“ als Weihnachtsfigur
 Reihe von pädagogischen Figuren mit ähnlicher Funktion wie Nikolaus mit seinen teuflischen Begleitern; Ziel:
Kinder sollen sich christlichem Lebensstil annähern (Vorbereitung in der Weihnachtszeit)
 Weihnachten als Bescher- und Geschenkfest Phänomen des 19. Und 20. Jahrhunderts

7.8 Genese des Weihnachtsbaumes

 Ikonografisch Symbol für Weihnachten


 Früheste Belege des Weihnachtsbaums
- 1521 Sélestat (Schlettstatt)
- 1539 Straßburg
- 1550 Freiburg
- 1556 Keyserberg
- 1561 Ammerschwihr
- 1570 Bremen
- 1576 Türkheim
- 1590 Schwarzach (zwischen Straubing und Deggendorf)
 Innerhalb von 50 Jahren Verbreitung im deutschsprachigen Raum
 Frage: sind diese Belege schon Christbäume?
 Bäume in der Regel am 24.12. aufgestellt und am 25. wieder entfernt
 24.12.: Tag von Adam und Eva; durch Adam und Eva kam die Sünde in die Welt, am 25.12. Erlösung von der
Sünde
 Der Baum des Todes ist der Baum von Eva und der Sünde. Der Baum des Lebens ist Maria und Jesus, der die Welt
von Sünde befreit hat.
 Frühes 16. Jahrhundert: Paradiesspiele (Paradiesgeschichte nacherzählt): in Paradiesspielen wird
Sündenfallbaum aufgestellt
 Frühe Belege von Weihnachtsbäumen vielleicht eher Paradiesbäume
 Paradiesbäume werden mit verführerischen Elementen angehängt (u.a. Äpfel)
 Malus und malum: ähnliche Wörter im Lateinischen für Apfel und Sünde  Apfel wird als Sündenfrucht
angesehen
 Sünde wird am 25.12. abgeschüttelt: Baum abschütteln
 Paradiesspiele: Adam und Eva kommen auf die Welt und mit ihnen auch die Sünde. Am 25. Hat man die Sünde
abgeschüttelt.
 Am 17. Jh. hat man nicht so viele Belege. Diese Praxis hat mit den Protestanten eine Rückkehr.
 Ab 18. Jahrhundert wieder vermehrt Belege für Weihnachtsbaum. Im protestantischen Raum hat man Belege.
Ein Baum mit Lichter- Interpretation: Christus als Licht der Welt. Eine Darstellung, die als die längste Darstellung
dient. Es ist die berühmteste Darstellung.
 Bisher älteste Darstellung eines Weihnachtsbaums: 1796, Weihnachtsabend auf dem Wandsbeker Schloss,
Kupferstich von Theobald von Oers; keine Äpfel mehr vorhanden, stattdessen Lichter (Jesus als Licht der Welt)
Repräsentation der neuen Form des Weihnachtfeierns
 Weihnachtsbäume zu dieser Zeit nicht in der Kirche, sondern im familiären Bereich
 Weihnachtsfest als bürgerliches, identitätsstiftendes Fest
 Malerei: Weihnachtsabend um 1870/1880 Kultur war das eigene Capital der Burger
 Vorbild: Adel (z.B. Wiener Kaiserhof)
 Beschersituation mit verschiedenen Ritualen im Mittelpunkt
 Statt Äpfeln Glaskugeln  Entwicklung einer Christbaumkugelindustrie mit verschiedenen weiteren Motiven wie
Kanonenkugeln, Zeppelin, Auszeichnungen wie Eisernes Kreuz
 Anderer Schmuck: Selbstgemachte Lichterpyramiden (Glaskugeln sehr teuer)
 Enge Räume: Weihnachtsbaum an der Decke aufgehängt
 1. Weltkrieg trug sehr stark zur Popularisierung des Weihnachtsbaums bei
 2. WK: Statt Weihnachtsbaums „Jultanne“ als germanischer Lichterbaum
 Chiffre für moderne Konsum- und Lebenswelt ohne christliche Bezüge
 Kein Zufall: der wichtigste Heilliger Figur des Mittelalters in der Welt des Konsumismus
10.01.2019

 Reflektiertes Verständnis und die Zusammenhänge


 Wie strukturieren wir unser Alltag?
 Bewusst oder unbewusst strukturiert Weihnachten oder Feste unser Jahr (Lineare). Auch für eine moderne
Kulturgesellschaft wird das Fest thematisiert. Mas spricht von einem globalen Erfolg des Weihnachtens.
 Was ist kulturelles Erbe? Wie vermittelt sie? Und wie verändert sich das kulturelle Erbe? Beispiel: der schwarze
Peter- Geht es um Rassismus?
 Ein zweites Symbol oder Aspekt: Weihnachtsbaum neben dem Weihnachtsmann
 Erstens Paradiesbaum
 Umwandlung im Mittelalter
 Wie sich eine Familie sich selbst in einer ritualisierten Form zelebriert? Der Baum neben dem kulturellen Kapital
wie das Klavier
 Was an diesem Baum platziert ist? Wo steht der Baum?
 NS-Weihnachtsbaumschmuck: sie haben versucht, ein germanischer Weihnachtsbaum, die Kugeln hatten
Symbole oder Schriften von Nationalsozialismus. Z.B: Heil Hitler
 Nachkriegsgesellschaft: minimalistischer Baum, klein und fast ohne Schmuck. Es kann die Zerstörung zeigen.
 70er Jahre Ökologischer Weihnachtsbaumschmuck und in den 80er Jahre hat eine orientalische Richtung.
 Hinter der Glaskugel versteckt sich einen Apfel.
 2010: der teuerste Baum der Welt in einem arabischen Symbol. Paradoxerweise ist der Baum ein christliches
Symbol, was nicht gedacht wurde. Der Baum war einfach ein Konsum Symbol.
 Der letzte Trend geht es um einem virtuellen Baum: Bild „Oh Tannenbaum“ veröffentlich im c´t Computer
Magazin

7.9 Epiphanie oder die „Geburt“ des Weihnachtsfestes

 Weihnachtsgeschichte von Selma Lagerlöf  geht um Säugling (Jesus), für den Feuer erbeten wird
 Ist Christ als Mensch oder als Gott auf die Welt gekommen? Fest der drei Könige: Christ als Gott. Die Darstellung,
dass dieses Kind als jedes andere Kind auf die Welt gekommen ist.
 „Altes Weihnachtsfest“: Dreikönig: Erscheinung Gottes als Herrn (orthodoxe Kirche: immer noch primäres
Weihnachtsfest)
 Lehre von der Hypostatischen Union: Jesus kam als Gott und als Mensch auf die Welt
 Der Versucht, der übernatürlichen zu zeigen.
 Heutige Rauhnachtsaktivitäten meist nicht älter als 10 Jahre
 Rauhnächte: Verbindung/Tage zwischen beiden Weihnachtsfesten
 Derzeit großes Interesse an Rauhnächten bzw. dem, was für die kulturelle Tradition der Region gehalten wird
 Weihnachten als Brauch/Bräuche/Ritual?
 Was gehört dazu? Baum schmücken, Singen, Essen, Geschenke etc.?
 Relativ eindeutig Brauch: Baum aufstellen (Anfang, Ende, ritualisiert), auch Schenken als Brauch
 Nicht ganz so eindeutig: Musizieren (Was wird musiziert? Weihnachtslieder?); ähnlich beim Essen: Gibt es das
gleiche wie sonst oder etwas, was man speziell mit dem Heiligen Abend verbindet?
 Ablauf Heiliger Abend ritualisiert  in Ritual sind verschiedene Bräuche eingebunden; oder andere Sicht:
Bräuche als Überkategorie für Brauch  Brauch mit verschiedenen Ritualen
 Allgemeiner Sprachgebrauch: Ritual und Brauch ungefähr das gleiche
 Beispiel: 14.00 Schmücken, dann im 17:30 singt die Familia zusammen obwohl man sich das ganze Jahr gestritten
hat. Um 18:00 ist das gemeinsame Essen, um 19:45 geschieht das Auspacken der Geschenke. 20:30 Spielen.
21:30 langweilen. 22:00 streiten, die Kinder wollen weg

7.10 Rituale als „Steuerzeichen“ von Kultur

 Ritualbegriff heute fast synonym zu Brauch


 Das Wort Ritual tauchte zwischen 16 Jh. und 17 Jh. auf und hat sich auf religiösen Praktiken bezogen
 Ritual: zum Beispiel erstes Eis am Sommeranfang, Besuch bestimmter Festivals, Auftragen eines Lippenstifts
 Begriff Ritual bis weit ins 20. Jahrhundert primär mit religiösen Praktiken verbunden (Gottesdienst)  zunächst
Anschein, dass Ritualbegriff Ende des 20. Jahrhunderts weitgehend verschwunden war
 Im allgemeinen Sprachgebrauch verbreitet sich Ritualbegriff erst in 90er Jahren
 „ritus“ findet im 16. Jahrhundert als Begriff für religiöse Zeremonien Eingang in die Sprache
 Wissenschaftlich: ab 19: Jahrhundert: Arnold Van Gennep (franz. Volkskundler/Ethnologe): so unterschiedlich die
Kulturen sind, so gibt es doch Übergangssituationen, die rituell begleitet werden (z.B. Hochzeit, Beerdigung)
 Konzept der Übergangsriten: Ritual-Dreiphasenstruktur
1. Trennungsphase (separation): z.B. die Jungfrau vor der Hochzeit
2. Schwellen- oder Umwandlungsphase (marche): individueller Bereich, sondern auch in einem Land
3. Angliederungsphase (agregation)
 Dreiphasenstruktur kam wissenschaftlich zunächst nicht gut an, Ritualbegriff wurde daher nicht verstärkt
thematisiert.
 Gennep: sein Ritualbegriff löst sich vom rein kirchlichen Verständnis ab  Profanisierung und Säkularisierung
des Begriffs
 60er Jahre: sein Ansatz wird von Turner aufgriffen (besonders Schwellenphase: „liminale“ Phase)  Wie
organisieren Gesellschaften Übergangsbereich?
 Liminale Phase als Schwachstellenphase, von der man nicht weiß, ob sie gelingt oder nicht
 Für liminale Phasen z.B. auch gesetzliche Regelungen
 Fülle von Ritualen auf unterschiedlichen Ebenen
 Überschreiten der Türschwelle
 Beispiel Kirche: Weihwasser (Übergang zwischen profaner und religiöser Welt)  Schwelle durch Portal markiert
 Sobald man Türschwelle übertritt, gilt ein anderes Rechtssystem (Hausherr /-frau hat das Sagen)
 Hochzeitsbräuche: Konfetti, Reis etc. nach der Hochzeit, über die Schwelle tragen
 Z.B. früher erste Zigarette als besonderes Ereignis, erste Mofafahrt als Rituale
 Anderes Ritual: Abischerz
 Mit ritualisierter Form Ordnung ins Leben bringen, Alltag strukturieren
 These: Wir sind alle in Brauch- und Ritualkomplexe eingebunden, die zum Teil auch unbewusst ablaufen.
 Wenig beachtet wurde: die Etablierung von Ritualen hat einen Einfluss auf unser Leben.
 Protestbewegung vor allem von jungen Leuten haben zur Folge, eine Veränderung in der Gesellschaft.
 Die Frage, wie man sich begrüßt oder wenn man ein Haus zum ersten Mal besucht- man bringt ein Geschenk,
was auch ein Ritual ist.

8 Kleidungsverhalten. Indikator kultureller Prozesse

 Kleidung kann als Indikator für kulturellen Wandel verwendet werden.


 Es gibt verschiedene Prozesse, die berücksichtig werden können:

8.1 Ötzi (ca. 3300 v. Chr.), der Mann aus dem Eis

 Ötzi: eigentlich in KuWi erst ab 1500 gute Quellen, Ötzi aber Ausnahme (außergewöhnlich gute Quellenlage)
 Ca. 3200 m Höhe
 Ötzi veränderte Bild: Wie kommt ein Steinzeitmensch in diese Höhe?
 Ötzi mit bisher ältester Tätowierung der Welt
 Vormoderne Gesellschaft. Gab es schon eine Kleidungsproduktion im Hinblick auf die Bilder der Kleidung und das
Üben von Nähen. Ein Gürtel, der alles, was man brauch um Feuer zu machen, hatte.
 Obergewand aus Fell der Hausziege mit Muster  nicht zufällig zusammengenäht, sondern klare Struktur (Mode
der Jungsteinzeit?)
 Gewand widerlegt Bild von primitiven und nicht-ästhetischen Menschen dieser Zeit
 Naht ist rhythmisch und erstaunlich gleichmäßig  vermutlich sehr geübte Näher, vermutlich bereits
spezialisierte Arbeiter
 Über ein Kleidungsstück wird gängige Vorstellung von Menschen dieser Zeit stark verändert
 Außerdem: Beinkleider aus Fellstücken der Hausziege (wurden mit Trageriemen am Gürtel festgeknotet)
 Außerdem: Gürtel (ca. 4,5 cm breit) aus Leder, ca. 2m lang
 In Gürtel integriert: Tasche mit Werkzeug
 Ausstattung von Ötzi: wirkt wohlüberlegt, Überleben für längere Zeit möglich
 Unterwäsche: Lendenschurz aus Ziegenleder
 Schuhe: mit Heu als Kälteschutz, so geschnürt, dass kein Wasser eindringen konnte; Verfügte über rutschsichere
Sohle; Schnürsenkel  funktional ausgezeichnete Schuhe
 Über Ziegenmantel noch Grasmantel aus Süßgras (in Europa bis ins 20. Jahrhundert bekannt); erstaunlich
regensicher
 Braunbärenfellmütze mit zwei Lederbändern zum Fixieren
 Ötzi sehr gut ausgerüstet  deutet auf Erfahrungswissen und gute Vorüberlegungen hin
 Hatte Objekte, die für ihre Herkunft sowohl nördlich als auch südlich der Alpen bekannt waren, dabei  Indiz für
Handel?
 Messer war in Scheide gesichert

8.2 „Kleidung als Indikator kultureller Prozesse“

 Kleidung kann als Indikator für kulturellen Wandel verwendet werden


 Titel Zitat von Helge Gerndt  greift viele grundsätzliche Fragen auf
 Lange Bild von statischer, wenig veränderter Kleidung (Mode nur als Phänomen für Oberschicht  lange Mode-
und Trachtenforschung als zwei unterschiedliche Bereiche; Heute: Neutralere „Kleidungsforschung“)
 Heute: Kleidung als Ausdruck der jeweiligen Zeit
 Kleidung unterliegt laufendem Wandel, auch schon früher  keine statische, beständige Kleidung
 Naumann 1922: These vom gesunkenen Kulturgut: Alltagskultur als gesunkene Hochkultur  vermutete
regionale Besonderheiten eigentlich aus Oberschicht
 Auch auf andere Bereiche wie Lebensmittel, Möbel etc. übertragbar
 Modell eindimensional (nur von oben nach unten)
 Aber: eigentlich wechselseitige Prozesse, Adaption
 Scheinbar primitives, einfaches wird adaptiert, veredelt
 Prozesse nach Gerndt
1. Wandlungsprozesse (strukturale Veränderungen, auch in der kulturellen Bedeutung; Beispiel Minirock: in 60er
Jahren anderer Provokationscharakter als heute; derselbe Gegenstand kann verschiedene Bedeutungen haben)
2. Osszilationsprozesse (Varianten entstehen)
3. Vermittlungsprozesse (z.B. Übernahme von Haarmoden von Schauspielern aus aktuellen Kinofilmen)
 Wichtig: Faktor Zeit; räumliche Dimension (Kopftuch hat in muslimischen Land andere Bedeutung als in Bayern)
 Die medialen Prozesse und die Kleidung ist ein wichtiger ökonomischer Faktor.

8.3 Von der Trachten- zur Kleidungsforschung

 Kleidungsproduktion ist hochgradig Arbeit für eine Kette, viele Arbeitsplätze


 Meist keine Trachtenforschung in VKW, sondern Kleidungsforschung
 Trachtenforschung da, wo der Selbstanspruch Tracht ist (z.B. bei Trachtenvereinen)
 Missverständnisse von Tracht: uralt und typisch für eine Region, von allen getragen
 Beispiel roter Bollenhut: nur 1-2 Täler, nicht gesamter Schwarzwald (rot nur unverheiratete, schwarz
verwitwete)
 Differenzierungen nach Alter, Geschlecht, sozialer Schicht
 Trachtenbegriff schwierig und problematisch
 1883 der vermutlich erste Trachtenverein gegründet durch Lehrer Joseph Vogel zur „Erhaltung der Volkstracht“
 Trachtenumzüge heute: Kleidung bei allen gleich (unabhängig von Alter, sozialer Schicht, Vermögen etc.)  hat
nichts mit Lebensrealität der Menschen früher zu tun
 Ca. 800 Trachtenvereine mit 170.000 Mitgliedern in Bayern
 Begriff: von althochdeutsch „tragen“ (9. Jahrhundert); tragen allgemein, später erst auf Kleidung beschränkt 
Tracht bezeichnet, was die Menschen trugen
 Eigentlich: in jedem Detail (wie Knöpfen) Differenzierungen vorgenommen, um jeweiligen sozialen und
ökonomischen Stand deutlich zu machen
 Große Forderung der Aufklärung: Auflösung der Ständegesellschaft (damit auch Kleidungsordnungen) (denn
nach Naturrecht sind alle gleich)  Forderung nach Auflösung der Kleidungsordnungen  soziale
Verunsicherungen durch Wegfall der normierenden Regelungen  führt wieder zu gegenteiligen, konservativen
Bewegungen
 Kleiderordnungen wurden ständig erneuert, da Unterschicht Schlupflöcher zur nächst höheren Schicht ausnutzte
 immer feinere Differenzierungen
 Schülesche Kattunfabrik in Augsburg: gegründet 1759, eine der ersten Fabriken
 Veränderung der Kleidungskultur durch Fabriken  andere Mengen und Preise; bessere Transportmöglichkeiten
 Distributionsprozesse lösen sich auf

8.5 Die Lederhose und ihre Wandlungen

 Heutige Lederhose: orientiert an sich an enganliegenden Kniebundhosen in Seide („culottes“) aus Frankreich
 Revolutionäre: Sans culottes  trugen keine Kniebundhosen
 „Nachbau“ der culottes in Leder, da Material praktischer war
 Ab 1820er/1830er Jahren
 Bei alpiner Bevölkerung: Zeichen gegen Revolution und für Adel und Monarchie
 1830er: Monarchen (Erzherzog Johann und Maximilian II) waren in Alpen unterwegs und „entdeckten“
Lederhose  machten Lederhose salonfähig, z.B. bei Besuchen auf dem Land
 Ziel von Joseph Vogel: möchte im Verschwinden begriffenes bewahren; war zunächst nicht erfolgreich (wurde
aus der Kirche verwiesen)
 60er/70er: Schlagersänger und Heimatfilme  Lederhose verschwindet aus öffentlichem Leben
 Gegentrend: Renaissance ab 80er/90ern, aber auch in anderen Formen (z.B. für Motorradfahrer oder kurze
Lederhosen für Frauen)
 Nach Jahrtausendwende verstärkt auf Festen anzutreffen
 funktionaler Wandel und Wertewandel, ideologische Aufladung
 Kleidung: ästhetische, individualisierende Bedeutung, Ausdruck von Protestverhalten

8.6 Das Kleidungsverhalten jugendlicher Protestgruppen

 Kleidung: Distinktionsverhalten zur Unterscheidung von anderen Gruppen


 Bewusste Absetzung z.B. von Elterngeneration
 68er: Abgrenzung gegen traditionelle Geschlechternormen etc.
 Jeans: zunächst Provokation, Jugendliche „erobern Jeans für sich“
 90er: z.B. kein Einlass in Jeans ins Theater
 Erfindung nicht durch einen Deutschen (nur ein Mythos)
 Nach 1945: Jeans fasst in D langsam Fuß, aber Symbol für USA  Problem, da USA Besatzungsmacht  Kann
man als Deutscher eine Jeans tragen? (dann: Mythos der Erfindung der Jeans durch einen Deutschen)
 Ausdruck der Befreiung, neuer Lebensstil
 Nicht nur Jugendliche grenzen sich ab, sondern alle Altersgruppen
 Z.B. alte Menschen: nichts Körperbetontes

9 Nahrungsforschung. Mahlzeitensystem und Kulturanalyse

 Nahrungsaufnahme etc. als kulturelle Praxen


 Auch kommunikative Praktiken gehören dazu (z.B. Kaffee und Kekse bei Besuch)
 Es geht auch um Prestige, Lustgewinn, Erziehungsfragen (Brot wirft man nicht weg.), Benimmregeln etc.
 Rituale und Symbole als Verständigungscodes

9.1 Ein kurzlebiges Kulturgut

 z.B. Austern als Aphrodisiakum

9.2 Strukturalistische Nahrungsforschung

Modell der Strukturalistischen Nahrungsforschung:

M
SP S

N T Z R

N (G) T (G) Z (G) R (G)


W W W W
M = Mahlzeit; Sp = Speiße; S = Situation; N = Nahrungsmittel; T = Technik der Zubereitung; Z = Zeit; R = Raum; NW(G)
= Nahrungsmittel, mit gesellschaftlichen Wertvorstellungen aufgeladen

 Nahrungssystem für Tolksdorf zunächst Mahlzeitensystem


 Mahlzeit: Unterscheidung in Speise und Situation  auch diese beiden können wieder unterteilt werden (s.
Modell)
 Heute: Weit weniger variantenreiches Essen, trotz der großen Auswahl; heute vieles als ungenießbar angesehen
(z.B. Katze, Hund, Pferd)
 Unterschiedliche Kulturen haben unterschiedliche Praxen/unterschiedliche Ansichten von Ekel/Delikatessen etc.
 Auf und ab von einzelnen Nahrungsmitteln (z.B. Frösche und Schnecken 
Fastenspeise/Armenspeise/Delikatesse)
 Wir essen heute viel weniger von dem, was „uns die Natur anbietet“
 Äpfel: nur wenige Sorten, die sich verkaufen lassen  früher viele verschiedene Sorten
 Heute Standardisierung und Normierung z.B. in Größe uns Aussehen
 Frage, welche Kultur welchen Lebensmitteln welchen Wert beimisst, ist laufend im Wandel begriffen.
 Technik der Zubereitung: laufender, großer struktureller Wandel; früher sehr aufwändig
 Bis um 1800 wurde in Europa über offenem Feuer gekocht (schwere Regulierung da Feuer nicht immer gleich
ist), erst dann „Sparherd“  viel mehr Möglichkeiten der Zubereitung
 Weiterentwicklung durch Konservierung, Kühlung, Extraktion
 Bei Technik laufende Veränderungen; auch „archaische“ Tendenzen wie Grillen (sowohl Sommer als auch
Winter)
 Die Frage, welche kulturellen Wertigkeiten Lebensmittel, Zubereitungsarten etc. haben, ist eine Frage für
Kulturwissenschaftler.
 Zeit und zur Verfügung stehender Raum beachten
 Wie viel Zeit nehmen wir uns für Zubereitung und Verzehr? Sagt viel über Wertschätzung aus! (essen wir kurz
oder lang, im Gehen, in der Bahn etc.; mit Freunden, Freund, viel Zeit für Vorbereitung?)  sagt viel über
kulturelle Wertvorstellungen aus
 Tendenz: unter Zeitdruck schmeckt es nicht so gut
 Raum: z.B. Ambiente, Musik, Deko, Kerzen, Parfum, Licht, Tischdecke, Servietten, besseres Geschirr?  gleiches
Gericht kann in Mensa oder zu Hause ganz anders schmecken oder wahrgenommen werden

9.3 Die Kulturgeschichte des Kaffees

 Essen und Trinken in VK früher als statischer angesehen ( regionale Küchen!)


 Aber: laufender Wandel
 Regionale Küchen zum Großteil erst im 19. und 20. Jahrhundert entstanden
 Kaffee im 18. Jahrhundert: konnte sich nicht jeder leisten
 Im 18. Jahrhundert: Heißgetränke nicht gewohnt: Kaffee von Tasse in Untertasse schütten und dann wieder
zurück vor dem Trinken
 Ältester Beleg im deutschsprachigen Raum aus 1582 von Augsburger Arzt Leonhart Rauwolf: Reise in die
„Morgenländer“ (arabischer Raum)
 Rauwolf beschreibt Kaffee  heiß, dunkel, bitter
 „schwarzes Waschwasser“ (Kaffee wird in Wasser gewaschen)
 Auch im arabischen Raum reichen früheste Belege erst ins frühe 16. Jahrhundert zurück
 Zunächst als eklig empfunden (heiß und bitter)
 Im Mittelalter keine Heißgetränke, innerhalb eines Jahrhunderts kamen Getränke wie Kaffee, Tee und
Schokolade auf
 Erst im 17. Jahrhundert in Europa wirklich konsumiert (Venedig)
 Heute: Kaffeemaschine als eines der beliebtesten Weihnachtsgeschenke
 Theorie: öffentlicher Kaffeekonsum hängt mit Ereignis zusammen, das Europa bewegt hat: Türken in Wien 1683:
Vorstoß wird zurück geschlagen  viel Kaffee wird gefunden  Kaffeetrinken wird Mode (zeigt Unterlegenheit
der Türken, eines gefürchteten Feindes: „Inhalation des Feindes“)
 Kirche zunächst gegen Kaffee (Getränk der Ungläubigen/Erzfeinde)
 Kaffeetrinken schnell adaptiert (um 1700 zwei Kaffeehäuser in Wien, 1737 schon 37 Kaffeehäuser in Wien; in
London und Paris bereits früher mehr Kaffeehäuser)
 Kaffee wird zum Modegetränk mit kultureller Wertigkeit; wichtig v.a. für alle, die wach bleiben mussten (z.B.
Ärzte, Politiker)  Treffpunkt: Cafés
 Zunächst noch teuer, hauptsächlich für Männer
 Wie integriert man dieses Getränk ins Mahlzeitensystem?
 Mittelalter: jedem Lebensmittel wurden bestimmte Eigenschaften zugeschrieben  (Vier)Säftelehre –
Humoralpathologie Temperamentenlehre – Diätetik
Blut = Sanguiniker (warm, nass / süß)
Schleim = Phlegmatiker (kalt, nass / salzig)
Gelbe Galle = Choleriker (warm, trocken / bitter)
Schwarze Galle = Melancholiker (kalt, nass / scharf, sauer)
 Versuch, Gleichgewicht zwischen kalt und warm etc. zu halten
 Heute andere Wertigkeiten von Produkten
 Beispiel Kaffee: Wo kann man Kaffee z.B. in der Säftelehre unterbringen? (warm und nass, aber nicht süß, warm
und bitter, aber nicht nass; dennoch eher bei Gelbe Galle/Choleriker verortet, teils auch bei Sanguinikern (da
Kaffee auch mit Zucker genossen  mit oder ohne Zucker?)
 Köche an Höfen etc. kannten diese Säftelehre gut
 Säftelehre: Was wird als gesund/ungesund betrachtet? Ziel: Balance erreichen
 Mit Kaffee verbinden sich Personen, die wach bleiben müssen, die generell viel interessiert und unterwegs sind
(wird v.a. männlich assoziiert, Journalisten, Politiker etc.)
 Heiße Schokolade mit religiöser Präferenz verbunden (eher katholisch, Kaffee eher protestantisch)
 Kaffee sehr teuer, daher nur bei herausragenden Ereignissen getrunken oder an Festtagen (auch Sonntag) 
daher billigere Ersatzstoffe wie Zichorie, Malz
 Aktuell: neben dem Getränk an sich auch Maschine/Art der Zubereitung von Bedeutung
 Heute: Cafébesuch als Freizeitbeschäftigung

9.4 Alltags- und Feststpeißen

 1967: „Alltags- und Festspeisen: Wandel und gegenwärtige Stellung“ Titel der Habilitationsschrift von Günther
Wiegelmann (Bonn  Schwerpunkt Nahrungsforschung dort)
 Räumt auf mit Vorstellung von stabilen Ernährungsverhältnissen in bestimmten Regionen und Vorstellung von
Geschmackskonservativismus
 Es gibt keine Regensburger/Schwäbische Küche etc.  alles Konstruktionen des 19. oder 20. Jahrhunderts
 Entwicklung von Nationalstaaten  Suche nach der eigenen Identität (z.B. vermutet in speziellen Gerichten oder
Kochbüchern)
 Wiegelmann: Versuchsanordnung bei seiner Habilitationsschrift: Konzentration auf Hochzeitsspeisen (meist gut
dokumentiert)  Was steht im Mittelpunkt? Was gilt als Einstieg? Was gilt als Festtagsspeise?
 Einzelne Speisen, die nie oder nicht immer Teil des Hochzeitsessens waren, da zu „banal“ (lange Zeit Kartoffel)
 Selbstverständliches wie Nahrung unterliegt einem laufenden kulturellen Wandel
 Kartoffel zunächst botanische Rarität, dann Zierpflanze, ab 17./18. Jahrhundert wird es Lebensmittel
 Zunächst Widerstände gegen Kartoffel, da angenommen wurde, dass sie giftig sei oder impotent macht
 Angeblich: Friedrich II: Gepflanzte Kartoffeln sollen von Menschen aus Angst vor Schäden wieder herausgerissen
worden sollen  Friedrich II aß angeblich in der Öffentlichkeit Kartoffeln, um Gegenbeweis zu bringen
 1773 Hungerkatastrophe: Kartoffeln relativ witterungsresistent; Menschen aßen aus Verzweiflung Steine und
Gräser und „sogar Kartoffeln“
 Innerhalb von wenigen Jahren verbreiteten sich die Kartoffeln aber doch
 „Milchschwammerl“: entstanden in 1950ern, aber nur noch wenige erhalten (ursprünglich entstanden wegen
Werbekampagne für Milch)

9.5 Der Schnellimbiss

 Imbiss gehört zum Alltag, Thema in Literatur, Kunst, Film


 Spezifische Wertigkeiten unserer modernen industrialisierten Welt damit verbunden
 Symbol für schnelllebige Zeit
 Vorindustrielle Zeit: Zwei Stunden Mittagspause
 In Industrie/Fabrik nicht zwei Stunden möglich
 Schnellimbiss nicht neu (z.B. Ägypten, Rom, Mittelalter ( Markt))
 Schnellimbisse verbinden sich mit spezifischen Arbeitsverhältnissen oder Mobilität
 Schnellimbisse treten insbesondere im Umfeld von Bahnhöfen, Autobahnraststätten, Ausfallstraßen, große
Parkplätze, Einkaufszentren auf
 Warenausgabe zur Straße hin, Transparenz der Nahrungszubereitung (direkt vor den Augen)
 Überschaubares Speisenangebot, vergleichsweise günstig, schnell
 Häufig Vorname in Namen der Bude
 Betreiber in 80ern/90ern überwiegend selbstständig (aber bereits ca. 30% Teil von Ketten)
 Gesetzliche Reglementierungen  Standardisierungen
 „Ad hoc-Architektur“
 Mc Donalds: feste Architektur, Darstellung als Familienrestaurant, von Jugendlichen genutzt
 Intensive Weiterentwicklung von Mc Donalds
 Frank Moscher in Regensburg: 11 Mc Donalds Restaurants in Regensburg und Umgebung: „Wir sind keine
Pommesbude“  z.B. 600.000€, um „Look aufzufrischen“ (Caféambiente, Parkettboden, Blumen etc.): Grund:
früher haben Kinder Eltern zu Mc Donalds gezerrt, heute sollen Eltern Kinder mit zu Mc Donalds nehmen;
Veränderung der Speisekarte: Kaffeespezialitäten, Kekse etc.
 Mc Donalds testete diesen Trend zunächst in Australien, um Publikum zurückzugewinnen (früheres Publikum hat
Lebensstil verändert)
 Moscher: Inneneinrichtung der Möbel in Regensburg mit Modell „Amerika“, in Obertraubling „Chicago“
 Nichts ist zufällig (z.B. Anpassung der Lichtverhältnisse oder Lautstärke der Musik)
 Lange Zeit globales Konzept, mittlerweile regionalistischere Tendenzen (z.B. Mc Kropolis)
 Slow Food als Antwort auf Fast Food (Carlo Petrini als Gründer von Slow Food); Antwort mancher Italiener
darauf, dass Mc Donalds gegenüber der Spanischen Treppe ein Restaurant eröffnen wollte
 Slow Food mehr als nur Nahrung, auch grundsätzliche Kritik an unseren Lebensstilen

9.6 Zungenglück und Gaumenqualen

 Titel: geht zurück auf Buch von Andreas Hartmann über Geschmackserinnerungen
 Frage z.B. nach Lieblingsspeisen
 Starkes Medienecho
 Beispiel: Vorbeigehen an Obststand mit reifen Erdbeeren  Erinnerungen an Kindheit mit Oma, die Erdbeeren
pflanzte  Erinnerung an Erdbeerpflücken und damit verbundenes Gefühl einer heilen Welt
 Fünfjähriger: hört mit Mutter Radio, plötzlich Jubelschrei und Mutter schiebt Kind Löffel Zucker (teuer und
kostbar) in den Mund; Anlass: Kriegsende 2. WK  Handlung macht Kind große Bedeutung des Ereignisses
deutlich

10 Zeitliche Dimensionen. Kulturerbe

 Drei Dimensionen, die für KuWi von besonderer Bedeutung sind: Zeit, Raum und Soziales

10.1 Von der Kontinuität zum Kulturwandel

 Lange Zeit: Ursprungsfrage und Vermutung langer Überlieferungen ohne Veränderungen prägend
 Vorstellung, dass Überreste aus vergangener Zeit noch heute in Fragmenten weiterleben
 Herder, Rousseau, Grimms etc.
 Rekonstruktionsarbeit
 Ausgangspunkt der Diskussion: Kulturbruch zwischen Antike und Mittelalter  vielleicht auch Siedlungsleere?
Was war zwischen Verlassen der Römer (z.B. in Regensburg) und der Wiederansiedlung? Vielleicht nicht Lücke,
aber Wandel
 Frage: Ist alles uralt und kann auf graue Vorzeit zurückgeführt werden?

10.2 Kritik der Grundbegriffe der Kontinuität

 Kontinuität durch Wandel


 Auf welcher Ebene befindet sich (Dis-)Kontinuität? Beispielsweise formale Kontinuität möglich, aber veränderte
soziale Gruppe (Beispiel: Münchner Metzgersprung  heute springen keine Metzger mehr; auch Funktion
anders)
 Veränderungen auch durch Veränderungen der Umgebung (beispielsweise religiöse Bräuche in einer zunehmend
säkularisierten Welt)

10.3 Kontinuität durch Wandel

 Hans Moser/Karl-Sigismund Kramer in München: wendeten sich gegen romantische Vorstellungen  prüfen,
wie alt einzelne Phänomene wirklich sind  nichts ist uralt und hat es immer schon gegeben
 Maibaum: früheste Belege 13. Jahrhundert in FR (Einholen von “Maien” = Zweige); 17. Jahrhundert Belege für
Aufstellen von Bäumen (aber unterschiedliche Gründe, unterschiedliche Daten); ab frühem 18. Jh. Belege für
Aufstellen von Bäumen am 1. Mai, aber erst später Popularität
 Maien als Ehrenmaien im Umfeld des 30-jährigen Krieges (Aufstellen der Maien von Soldaten und
Gegengeschenk für sie (z.B. Bier))
 Maibäume ab ca. 1743
 Änderung der Trägergruppe: Aufstellen nicht mehr durch Soldaten, sondern z.B. Wirte

10.4 Fund und Erfindung / invention of tradition

 Ernst Klusen (1909-1988): Volkslied – Fund und Erfindung (Köln 1969)


 Moser/Kramer: „Kultur aus zweiter Hand“ (vgl. Vom Folklorismus in unserer Zeit, ZfVk 58)
 Eric Hobsbawm/Terence Ranger: The invention of tradition (Cambridge 1983)
 Hobsbawm und Ranger kannten Moser und Kramer (waren in München)
 „Wolferer“ aus Rinchnach, Bayerischer Wald um Martini: wird oft als Wolfsaustreiben interpretiert, aber Brauch
nicht älter als 19. Jahrhundert (da gab es aber schon keine Wölfe mehr in Bayern)
 Tendenz als Signum unserer Moderne: wollen alte Kultur; sehr identitätsstiftend
 Kultur und Tradition oft konstruiert, teilweise auch als „Cultural Packages“ (z.B. für Tourismus)
 Einwand Bausinger: Ist noch von Fund und Erfindung zu sprechen, wenn Menschen etwas Erfundenes
mittlerweile schon seit 20 Jahren ausüben?
 Alter und Tradition scheint auch in postmoderner Welt als wertvoll
 Entwicklungsrhythmen: langsame Rhythmen: Traditionell   schnell: innovativ, modern; meist
Zusammenspiel beider Rhythmen
 Kontinuität und Wandel als relative Kategorien

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