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10
SVEN PETRY
Die Entgrenzung
JAWHs
Forschungen
zum Alten Testament 2. Reihe
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Mohr Siebeck
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1.3199
Claremont, CA 9171
1/800-626- 78 20
Forschungen zum Alten Testament
2. Reihe
Herausgegeben von
Bernd Janowski (Tübingen) - Mark 5. Smith (New York)
Hermann Spieckermann (Göttingen)
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Mohr Siebeck
Bonn und Göttingen;
Sven Perry, geboren 1976; Studium der ev. Theologie in Bethel, rche
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2007 Promotion; seit Herbst 2007 Vikar in der Evangelisch-Lutherischen
Sachsens.
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SCHOOL OF THEOLOGY
AT CLAREMONT
California 3
ISBN 978-3-16-149451-2
ISSN 1611-4914 (Forschungen zum Alten Testament, 2. Reihe)
Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbib-
liographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de
abrufbar.
Sven Petry
Inhaltsverzeichnis
KAPITEL 1
Einleitung
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Der eine Gott und die anderen Götter
KAPITEL 3
KAPITEL 4
KAPITEL 5
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= Monplatrie — Kin Gottund sein Volk nn. sen 386
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5.1.3 Monotheismus — Der einzige Gott als Herr der Geschichte ......... 22
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Wer ist wie du, HERR, unter den Göttern?
(Ex 15,11)
KAPITEL 1
Einleitung
Der einzige Gott genießt in der medialen Öffentlichkeit zurzeit nicht den
besten Ruf. Vor allem sein Anspruch auf grundsätzlich weltweite, Völker-,
Länder- und Religionsgrenzen missachtende alleinige Verehrung steht in der
Kritik. In einem Beitrag zur Herder Korrespondenz konstatiert Jürgen
Manemann einen anti-monotheistischen Affekt, auf dessen Basis seit den
Terroranschlägen des 11. September 2001 verstärkt behauptet werde, „dass
monotheistische Religionen aufgrund ihres Glaubens an den einen, einzigen
Gott konstitutiv friedensunfähig, intolerant, autoritätsfixiert und demokratie-
unverträglich seien.“ Die Frage nach dem einzigen Gott ist freilich älter als
die mediale Beschäftigung mit religiös verbrämtem Terrorismus oder die ra-
dikale Kritik an einer mit der Idee des Monotheismus einhergehenden univer-
salen Ethik, die Manemann als das Resultat „einer gesellschaftlichen Krisen-
gestimmtheit, die erst in den Umbruchsprozessen nach den Jahren 1989/90
virulent wurde“”, beschreibt. Seit der Renaissance ist es in Europa immer
wieder zu Kritik am (christlich geprägten) Monotheismus gekommen, die seit
den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts unter anderem als ein
Phänomen in Erscheinung tritt, das als ‚Neuer Polytheismus‘ beschrieben
wird.” Und bereits die hebräische Bibel, das christliche Alte Testament, ist
nicht nur das älteste Zeugnis des Bekenntnisses zum einzigen Gott, sondern
auch des Ringens mit ihm und um ihn, aber auch, besonders prominent in
der Gestalt des Hiob, des Verzweifelns an ihm. In letzter Konsequenz ist es
der einzige Gott,
der das Licht formt und die Finsternis erschafft, der das Heil macht und das Unheil
schafft.
(Jes 45,7a)
Der einzige Gott ist für den Menschen ein unbequemes Gegenüber. Während
polytheistische’ Religionen Panthea kennen, denen jeweils mehrere „Auf-
merksamkeitsträger“ angehören, ist der Zuständigkeits- und Wirkungsbe-
reich des einzigen Gottes unbegrenzt: Vor ihm gibt es kein Ausweichen und
gegen ihn gibt es keine Appellationsinstanz. Der Polytheismus mit seinen
zwar keineswegs grenzenlosen, aber grundsätzlich durchaus vorhandenen
Wahlmöglichkeiten® scheint den Bedürfnissen der heutigen Zeit besser zu
entsprechen,’ wenn auch jene Wahlmöglichkeiten im Rahmen der individuell
geprägten nach-christlichen neuen Religiosität westlicher Ausprägung vielfach
missverstanden werden und zu Beliebigkeit führen.” Gerade die traditionellen
Polytheismen des süd- und ostasiatischen Bereichs werden als Belege dafür
angeführt, „in welchem Maße die Flexibilität eines Polytheismus geeignet ist,
Modernisierungs- und Industrialisierungsprozesse zu begleiten.“ In der Reli-
gionswissenschaft ist heute ohnehin unbestritten, dass der Polytheismus reli-
Mose her erklären 1455 5 Israel also „ohne eine polytheistische Phase zu
durchlaufen ... unmittelbar von der Verehrung eines höchsten himmlischen
Wesens aus[ging]“'’, wird der israelitische Monotheismus heute wieder „als
Antwort auf die Exilskrise“'* verstanden.'” Die aktuelle Auseinandersetzung
mit der Frage nach dem einzigen Gott hat der Wissenschaft vom Alten
Testament durchaus einige mehr oder weniger konsensfähige Antworten be-
schett: 1. Der exklusive Monotheismus Israels entstand frühestens in der
Exilszeit. 2, Die gewöhnlich als Monolatrie? bezeichnete und im Ersten Ge-
bot des Dekalogs geforderte Alleinverehrung Jhwhs durch Israel ist älter als
das monotheistische Bekenntnis und für dessen Formulierung von Bedeutung
gewesen.” 3. Parallel zum monolatrischen Programm oder zum monotheisti-
schen Bekenntnis entwickelte sich das Kultbildverbot des Dekalogs als Cha-
rakteristikum der Jhwh-Religion, so dass sie „sich spätestens vom 2. Jh.
v.Chr. an von anderen Religionen der hellenistischen Welt durch eine rigo-
tose und aktive Ablehnung von Kultbildern ... unterschieden [hat].“”
Wie diese Entwicklungen im Detail zu beschreiben sind, ist bislang aller-
dings alles andere als klar, was zweifellos damit zusammenhängt, dass die
letzten drei Jahrzehnte „insgesamt von einschneidenden Umwälzungen in der
Einschätzung der alttestamentlichen Religions-, Literatur- und Theologiege-
schichte geprägt“ waren, „deren Folgen gegenwärtig noch nicht stabilisiert
sind.“” Um der folgenden Untersuchung nicht zu sehr vorzugreifen, seien
auch hierzu an dieser Stelle nur drei Punkte genannt: 1. War für Gerhard von
Rad „ein Jahwekultus ohne das erste Gebot ... wirklich nicht vorstellbar“”*,
wird heute nur noch selten bestritten, dass das Programm der Alleinvereh-
rung Jhwhs nicht in die so genannte vorstaatliche Zeit zurückverfolgt werden
kann. Es besteht jedoch bislang kein Konsens, ob es formuliert wurde, als die
beiden Königreiche Israel und Juda nebeneinander existierten oder ob es aus
der Spätzeit des Königreiches Juda, aus der Exilszeit oder gar erst aus der
nachexilischen Zeit stammt.” 2. Die lange als selbstverständlicher Hinter-
Die Frage nach „Monotheismus“ ist die Frage nach dem einzigen Gott selbst.
Es ist evident, dass eine Untersuchung, welche die Entstehung des biblischen
Monotheismus aufzuhellen beabsichtigt, die biblischen Texte eben daraufhin
befragen muss. Das Thema Monolatrie liegt nahe, weil die programmatisch
geforderte Alleinverehrung Jhwhs sehr wahrscheinlich eine wichtige Voraus-
setzung, wenn auch kaum eine evolutionäre Vorstufe der Formulierung des
monotheistischen Bekenntnisses gewesen und ihm jedenfalls historisch vor-
ausgegangen ist. Schließlich hat die Bilderverbotsthematik ihren Jocus classicus
in unmittelbarer Nähe zum Fremdgötterverbot im Dekalog und ist auch sonst
sowohl in Verbindung mit dem Ersten Gebot, als auch in anerkannt mono-
theistischen Kontexten zu finden.” Die konsequente Ablehnung von Kult-
bildern steht gemeinsam mit dem Monotheismus am Ende der zu unter-
suchenden Entwicklung. Dem weiteren Gebrauch der Begriffe Monolatrie,
Bilderverbot und Monotheismus im Rahmen dieser Untersuchung seien eini-
ge wenige klärende Worte vorangeschickt.
1.1.1 Monolatrie
Das erste Gebot des Dekalogs setzt offensichtlich die Existenz anderer Göt-
ter voraus und entspricht der eben genannten Definition. Genau genommen
stellt es aber bereits eine modifizierte Form der Monolatrie dar. Der Gegen-
satz zu anderen Völkern ergibt sich durch den Rekurs auf ein als historisches
Basisdatum verstandenes Ereignis. Die Gemeinschaft, deren Mitglieder im
Du der 2. Person Singular persönlich angesprochen werden, ist mehr als eine
reine Kultgemeinschaft, sie ist ein Volk. Der hier formulierte Ausschließlich-
keitsanspruch ist nicht durch den Kontext eines Kultes begrenzt, vielmehr
erklärt er gewissermaßen die Existenz der Angesprochenen zu einem Gottes-
dienst. Allgemeiner lässt sich Monolatrie im Gegensatz zum Phänomen der
punktuellen Hervorhebung eines Gottes” als dauerhafte „Verehrung nur ei-
nes Gottes durch eine Gemeinschaft, ohne daß damit andere Götter für an-
dere Gemeinschaften geleugnet würden“” beschreiben. Diese Definition bie-
tet den Vorteil, dass sie die notwendigen Differenzierungen innerhalb der
Religionsgeschichte Israels ermöglicht, ohne den üblichen, hinsichtlich ihrer
Bedeutung und grundsätzlichen Angemessenheit jedoch umstrittenen Begrif-
fen Polytheismus, Monolatrie und Monotheismus’” einen weiteren hinzufügen
zu müssen.
Es ist heute weitgehend anerkannt, dass der Gott Jhwh in Israel und Juda
bereits vor der Formulierung des Ersten Gebots eine herausgehobene Stel-
lung als Nationalgott innehatte, die Verehrung anderer Gottheiten aber zu-
mindest außerhalb des mit der Institution des Königtums verbundenen
Staatskultes die Regel war. Vieles spricht für „die Annahme, dass die alten
Israeliten bis Jeremia (2,11) ausnahmslos und in ihrer Mehrzahl noch lange
nach ihm Polytheisten waren“. So hat auch die Feststellung, die israelitische
Religion der vorexilischen Zeit sei polytheistisch gewesen,” zu einem gewis-
sen Grade ihr Recht. Das in diesem Sinne polytheistische Israel der vorexili-
schen Zeit ist jedoch nicht mit jenem des Ersten Gebots identisch. Verein-
facht gesagt ist Israel im ersten Fall ein Staat bzw. der biblischen Geschichts-
darstellung folgend zwei Staaten, deren Bevölkerung man als „Israeliten“ be-
zeichnen mag.” Diese Definition von Israel basiert auf territorialen Grenzen.
Das Israel des Ersten Gebotes ist dagegen ein Volk, das nicht territorial, son-
dern in Beziehung zu einer dem Gott Jhwh zugeschriebenen Heilstat definiert
wird. Die Religion dieses Israel, sofern sie sich aus der Perspektive des Ersten
Gebots überhaupt begrifflich von seiner Existenz trennen lässt, setzt nicht
das gesamte religiöse Spektrum des polytheistischen Israel fort, sondern
knüpft an einen Teilbereich an, nämlich an die Verehrung Jhwhs im offiziel-
len Staats- und Königskult. Im Kontext dieses Kultes, so die heute verbreitete
Meinung, wurde Jhwh als Nationalgott zunehmend exklusiv, d.h. mono-
latrisch verehrt, allerdings ohne dass damit eine grundsätzliche Polemik gegen
die Verehrung anderer Götter einhergegangen wäre. Es ist jedoch fraglich, ob
diese Religionsform mit dem Begriff „tolerant monolatry‘“ zutreffend be-
schrieben ist. Dass ein bestimmter Bereich des religiösen Lebens zunehmend
einem einzigen Gott vorbehalten bleibt, zeugt zumindest für diesen Bereich
nicht gerade von Toleranz, denn in der Praxis schloss dieser Kult andere
Götter gerade aus. Es ist deshalb angemessen, diese Form der Jhwh-Religion
nicht wertend als tolerante von intoleranter Monolatrie zu unterscheiden,
sondern beschreibend von faktischer (oder praktischer) im Unterschied zu
programmatischer Monolatrie zu sprechen.
1.1.2 Bilderverbot
Was im Rahmen des Alten Testaments mit dem Begriff Bilderverbot gemeint
ist, ist vergleichsweise unstrittig. Der Ausgangspunkt jeder Untersuchung des
biblischen Bilderverbots findet sich im Dekalog, Ex 20,4 // Dtn 5,8:”
pa ָלְך-לאמַעָשָה
Du sollst dir kein Bild machen!
Wie der Gebrauch des Wortes 798 zeigt, ist diese Bestimmung ursprünglich
und in erster Linie gegen die Herstellung von Kultbildern gerichtet und be-
deutet kein generelles Kunstverbot.” Das Alte Testament kennt neben dem
Wort 508 allerdings auch andere Begriffe, um Bilder und Statuen zu bezeich-
nen und ihre Herstellung oder ihren Gebrauch zu kritisieren. In bilderpolemi-
schen Zusammenhängen begegnen darüber hinaus Mazzeben und Ascheren,
die zwar bisweilen als anikonische Repräsentationen der Gottheit aufgefasst
werden,” im Kult jedoch offenbar wie Kultstatuen behandelt werden konn-
ten.” Im Verlauf der Untersuchung wird auf die unterschiedlichen Bilderter-
mini einzugehen und nach ihrem Verhältnis zum Kultbildverbot des Deka-
logs zu fragen sein. Unklarheiten bestehen weiterhin vor allem hinsichtlich
der Wurzeln und des Alters des Bilderverbots sowie hinsichtlich des Grades
und der Geschwindigkeit seiner Akzeptanz. Obwohl eine frühestens exilische
Datierung des Bilderverbots in seiner dekalogischen Fassung inzwischen auf
breite Akzeptanz stößt, wird vielfach immer noch angenommen, dass seine
Wurzeln in einer sehr viel älteren Tradition kultbildloser Jhwh-Verehrung im
Jerusalemer Tempel zu suchen seien. Zugleich bezeugt der numismatische
Befund Götterdarstellungen auf in Juda/Jehud geprägten Münzen zumindest
bis in die spätpersische Zeit.
1.1.3 Monotheismus
„Der Begriff Monotheismus ist ein neuzeitliches, erstmals 1660 bei dem engli-
schen Philosophen Henry More nachweisbares Kunstwort.“ In der Religi-
onswissenschaft wird der Monotheismus heute einhellig als Glaube an die
Existenz und Wirksamkeit nur einer einzigen Gottheit definiert.” Sein
Gebrauch ist im Rahmen der jüngeren Monotheismusdebatte jedoch stark in
die Kritik geraten, vor allem weil er weder den Differenzen der so genannten
monotheistischen Religionen untereinander noch deren Selbstverständnis
gerecht werde:” „Wer Gott primär als ein in der numerischen Quantität ‚eins‘
existierendes höheres Wesen bestimmt, vermag weder antike noch gegenwär-
tige ‚monotheistische‘ Religiosität adäquat zu erfassen.“ Die Feststellung,
das „Etikett ‚Monotheismus‘ hat zwar heuristischen Wert, es bedarf jedoch
der Präzisierung und der Erläuterung“® zeigt freilich, dass es sich mit dem
Begriff Monotheismus heute ähnlich wie mit vielen Dingen des täglichen Le-
bens verhält, vom Mobiltelefon bis zur Eisenbahn: Es wird gerne und viel
daran kritisiert, doch kann fast niemand wirklich darauf verzichten. Dass der
Begriff der Differenzierung bedarf, ist nicht nur angesichts der unterschiedli-
chen Gottesvorstellungen in den monotheistischen Religionen, sondern auch
hinsichtlich des Alten Testaments evident. Wäre mit dem Begriff „mono-
theistisch“ bereits alles zum Gott Israels gesagt, hätte die Biblia Hebraica
kaum 1574 Druckseiten und diese Untersuchung, die nur einen kleinen Aus-
schnitt daraus behandeln kann, wäre überflüssig. Ein knapper Satz ungefähr
vom Umfang des Sch’ma Israel hätte es zur Behauptung der Einzigkeit Jhwhs
dann auch getan — man darf freilich bezweifeln, dass er überliefert worden
wäre. Auch diese Untersuchung wird den Monotheismusbegriff trotz der da-
mit verbundenen Probleme nicht aufgeben, sondern hoffentlich einen Beitrag
zu seiner Präzisierung und Erläuterung liefern können.
Die Themenstellung trägt die Notwendigkeit der Differenzierung zwischen
der Monbolatrie, die sich in einem polytheistischen Denkhorizont bewegt, und
dem Monotheismus, der diesen verlassen hat,“ in sich. Diese Differenzierung
wird im Rahmen des Alten Testaments allerdings dadurch erschwert, dass
auch dem monolatrisch verehrten Gott Attribute wie Einzigkeit bzw. Einzig-
artigkeit und Macht, auch Macht über andere Gottheiten, zugeschrieben wer-
den können, ohne dass es notwendig wäre, zugleich andere Gottheiten zu
erwähnen. Die bloße Nichterwähnung anderer Gottheiten macht einen Text
daher noch nicht monotheistisch. Wo andere Götter als vollkommen ohn-
mächtig verspottet werden, mag hier und da ein impliziter Monotheismus
vermutet werden. Die Untersuchung der Frage des Monotheismus hat des-
halb von jenen Texten auszugehen, welche die Existenz anderer Götter neben
Jhwh ausdrücklich bestreiten.
4 Hier soll ausdrücklich keine Wertung im Sinne einer Höherwertigkeit des Monotheis-
mus gegenüber dem Polytheismus erfolgen. Beide Religionsformen sind grundsätzlich in der
Lage, kohärente Systeme der Weltdeutung zu entwerfen.
10 Kapitel 1: Einleitung
inhaltliche Gründe für eine Beschäftigung gerade mit diesen Teilen der alt-
testamentlichen Literatur.
1.2.1 Deuteronomium
„Das ‚Zweite Gesetz‘, wie das fünfte Buch der Tora nach der Übersetzung von Dtn 17,18 in
der Septuaginta und der Vulgata heißt, ist der Schlüssel zur Lösung des literarischen Prob-
lems der Verklammerung der Bücher Gen-Num, des Tetrateuchs bzw. Pentateuchs, mit den
vorderen Propheten, den Büchern Jos-Reg, die nach der Zerlegung durch Noth ein eigenes
Geschichtswerk bilden sollen.“
1.2.2 Deuterojesaja
Angesichts des derzeitigen Forschungsstandes zu den Kapiteln 40-55 des
Jesajabuches sollte man das Wort „Deuterojesaja“ vermutlich mit einem Fra-
gezeichen versehen.” Bezeichnete dieser Begriff in der alttestamentlichen
Wissenschaft lange zugleich jenen eben genannten Textbereich des Jesajabu-
ches und einen hinter der Botschaft dieser Texte vermuteten anonymen Pro-
pheten, gilt heute, „daß wir von einem hinreichenden Verständnis [des Deu-
terojesajabuches — S.P.] noch weit entfernt sind.““' Zwar hat sich die Ansicht,
dass die Kapitel 40-55 des Jesajabuches literarisch nicht einheitlich, sondern
ein gewachsener Text sind, heute wohl zurecht weitgehend durchgesetzt,”
doch im Detail weisen die Ergebnisse der redaktionsgeschichtlichen Arbeiten
zu Deuterojesaja zum Teil erhebliche Differenzen auf. Zudem werden bis-
weilen immer noch Einheitsthesen vertreten, sei es, dass der gesamte Textbe-
stand einem Propheten der Exilszeit” oder einer Verfassergruppe zur Zeit
Nehemias” zugeschrieben wird.” Für Rainer Albertz ist das Deuterojesaja-
לEine knappe Einführung in die Forschungsgeschichte findet sich etwa bei VAN
OORSCHOT, Babel, 1-22; für einen Überblick über die neuere Deuterojesajaliteratur bis zum
Jahr 2000 vgl. die Forschungsberichte von HANS-JÜRGEN HERMISSON in VF 31 (1986) und
ThR 65 (2000).
5 HERMISSON, ThR 65 (2000), 379.
>” Vgl. KAISER, Grundriß, 51f. Bereits 1933 hatte ELLIGER die Auffassung vertreten,
dass das Deuterojesajabuch auf die Kompositionsarbeit eines Redaktors zurückgehe (Deute-
rojesaja in seinem Verhältnis zu Tritojesaja, BWANT 63). Da er die Redaktionsarbeit einem
Schüler Deuterojesajas, dem auch hinter den Kapiteln Jes 56-66 stehenden Propheten Tri-
tojesaja zuschrieb (vgl. die zusammenfassen ebd. S. 268ff.), blieb Elligers These jedoch lange
Zeit weitgehend unbeachtet. Erst vier Jahrzehnte später griff SCHMITT sie in seinem Aufsatz
„Prophetie und Schultheologie im Deuterojesajabuch“ (ZAW 91, 1979) wieder auf, indem er
die von HERRMANN, Heilserwartungen, 291-305 für eine Sonderstellung Deuterojesajas
gegenüber Jeremia und Ezechiel vorgebrachten Texte dem Propheten selbst, die von
BALTZER, Ezechiel und Deuterojesaja ins Feld geführten Texte, die sich vornehmlich in den
Rahmenkapiteln Jes 40.54f. finden, hingegen einer späteren „schultheologischen Bearbei-
tung“ zuschreibt. Seither ist eine Reihe weiterer Studien erschienen, die von einem literari-
schen Wachstum des Deuterojesajabuches ausgehen, wobei meist eine Grundschicht in den
Kapiteln 40-48 angenommen wird, etwa MERENDINO, Der Erste und der Letzte;
VERMEYLEN, Motif; 217f. HERMISSON, Einheit und Komplexität; KRATZ, Kyros; VAN
OORSCHOT, Babel.
53 So KOOLE, Isaiah III/1, 12ff.
54 So BALTZER, Deuterojesaja, 51.57£f.; vgl. DAVIES, God, 220. Bereits TORREY, Second
Isaiah, 104-110 datierte das Deuterojesajabuch, dem er allerdings die Kapitel 34f.40-66
zurechnete, in die fortgeschrittene Perserzeit.
12, Kapitel 1: Einleitung
buch Fortschreibung der Jesaja-Prophetie” und geht auf „eine um einen Mei-
ster gescharte Theologengruppe“” zurück. In diese Gruppe ist der „Meister“
freilich derart integriert, dass er sich als individuelle Prophetengestalt nur
kaum noch von der Gruppe abhebt.” Die von Richard J. Coggins gestellte
Frage „Do we still need Deutero-Isaiah?“ hat also durchaus ihre Berechti-
gung.” Entgegen der vorherrschenden, oft weitgehend unhinterfragten Ver-
ortung des Deuterojesajabuches in Babylonien hat Hans M. Barstad die NER
lichkeit der palästinischen Lokalisierung des Werkes in Erinnerung gerufen.”
Auf halbwegs sicherem Terrain bewegt man sich vorläufig mit der Fest-
stellung, dass jener Abschnitt des Jesajabuches, der seit mehr als einem Jahr-
hundert „Deuterojesaja“ genannt wird, ein gewachsener Text ist, dessen äl-
teste Teile im Wesentlichen innerhalb der Kapitel Jes 40-48 zu suchen sind.”
55 Bei OSWALT, Isaiah 40-66, 3-6 findet man sogar noch die „vorkritische“ Position, die
alle 66 Kapitel des Jesajabuches dem Jerusalemer Propheten des 8. Jahrhunderts zuschreibt.
56 ALBERTZ, Deuterojesaja-Buch, 253ff.
57 ALBERTZ, Religionsgeschichte, 432.
58 Vgl. ALBERTZ, Religionsgeschichte, 432: „Wohl läßt sich meiner Meinung nach noch
[Hervorhebung S.P.] von einem Heilspropheten Deuterojesaja reden, der die ganz eigen-
tümlich dichterisch-emphatische Sprache dieses Buches prägte, aber dieser stand nicht allein,
sondern war Haupt einer Gruppe, die mit ihm die Inhalte seiner Botschaft diskutierte, intern
theologische Voraussetzungen und Konsequenzen durchreflektierte und bis in die frühna-
chexilische Zeit fortschrieb.“ Vgl. DERS., Exilszeit, 285f. Dieser „Meister“ hätte als Prophet
freilich zunächst nur intern gewirkt, die nach außen kommunizierte Heilsbotschaft wäre die
der gesamten Gruppe gewesen, zumal laut Albertz „die Gruppe durch ihr Schriftstudium zu
ihrer prophetischen Botschaft inspiriert wurde“ (DERS., Religionsgeschichte, 432, Hervorhe-
bungen S.P.). Ein „von Gott berufener, nicht von Menschen eingesetzter Einzelner mit der
außergewöhnlichen Fähigkeit, durch Audition und Vision das göttliche Wort unmittelbar zu
vernehmen und seinen Zeitgenossen mitzuteilen“ (KOCH, TRE 27, 477) ist Deuterojesaja
jedenfalls nicht.
> JSOT 80 (1998), 77-92.
60 ALBERTZ, Exilszeit 284 Anm. 352 wirft Coggins sicher zu Recht vor, „keinerlei Beitrag
zur Beantwortung der Frage, wie denn die klaren stilistischen, sprachlichen und theologi-
schen Besonderheiten zumindest in Jes 40-52 auf bessere Weise als durch die Annahme
eines eigenen Verfassers bzw. einer Verfassergruppe zu erklären wären“ zu liefern. Doch
wie in der Theologengruppe der Prophet Deuterojesaja diffus wird, stellt ihre Jesajabezo-
genheit auch das Buch Deuterojesaja als eigenständige Größe in Frage, vgl. ALBERTZ, Deu-
terojesaja-Buch, 253: „Wenn aber die Bezüge bis tief in die theologische Argumentation des
Jesaja-Buches hineinreichen, dann gehen sie nicht erst auf das literarische Stadium der Kom-
position zurück (schon dann aber wäre DtJes als ursprünglich eigenständige Größe fraglich!
S.P.), sondern leiten sich aus dem geschichtlichen Umstand her, daß die Verfasser des Deu-
terojesaja-Buches ihr theologisches Denken nicht zuletzt an der literarischen Hinterlassen-
schaft dieses Propheten geschult haben.“
61 BARSTAD, The Babylonian Captivity of the Book of Isaiah. Vgl. auch DAVIES, God,
211-215; GOULDER, Deutero-Isaiah of Jerusalem.
62 Vgl. ALBANI, Gott, 20. So müsste die „konsensfähige Lösung“, auf die hin nach
ALBERTZ, Exilszeit, 286 die redaktionsgeschichtlichen Entwürfe des letzten Vierteljahrhun-
1.2 Die Texte: Deuteronomium, Deuterojesaja und Ezechielbuch 15
#
1.2.3 Ezechiel
Das Vorhaben, die Fragen nach Monolatrie, Bilderverbot und Monotheismus
auch an das Ezechielbuch zu richten, mag auf den ersten Blick überraschen.
Das Ezechielbuch schreibt weder die alleinige Verehrung Jhwhs im Stil des
Ersten Gebots vor, noch verbietet es die Herstellung oder Verehrung von
Kultbildern in Form eines dem Zweiten Gebot entsprechenden Prohibitivs.
Nach explizit monotheistischen Aussagen sucht man ebenfalls vergeblich.
Gleichwohl enthält das Ezechielbuch beißende Polemiken gegen den Umgang
mit „Götzen“ ()םיִלּולּג , kritisiert den Umgang mit bildlichen Darstellungen im
Tempel (Ez 8) und bezeichnet ausschließlich Jhwh, den Gott Israels, als Gott
(emo). John F. Kutsko nimmt für Ezechiel in Anspruch, einen ganz ent-
scheidenden Beitrag zur Entstehung des Monotheismus in Israel geleistet zu
haben:
„Unlike Deutero-Isaiah, the prophet Ezekiel is rarely invoked as a theological voice contrib-
uting to the development of monotheism in the religion of Israel. Quite the opposite is true,
however; he is one ofits loudest voices.‘“‘*
derts konvergieren, jedenfalls aussehen. Seine eigene Rekonstruktion einer ersten Edition
des Deuterojesajabuches konvergiert damit allerdings nur eingeschränkt, da Albertz in den
Kapiteln 49-55 nicht nur einen Abschluss des ältesten Deuterojesajabuches findet (KRATZ,
Kyros, 148£.155 macht ihn im Anschluss an STECK, Beobachtungen, 81f. in Jes 52,7-10
aus), sondern auch wesentliche Teile der Kapitel 49-51 der ersten Edition zurechnet.
63 Einen anderen Weg beschreitet ALBANI, Gott, 21f., wenn er seiner Arbeit die An-
nahme einer babylonischen Entstehung zum Ausgang der Exilszeit zu Grunde legt.
64 KUTSKO, Heaven, 42.
14 Kapitel 1: Einleitung
KAPITEL 2
Die Rede von „anderen Göttern“ (DIS (םיִהְלֶא ist im Deuteronomium mit
18 Belegen’ neben „ihre Götter“ bzw. „die Götter der Völker“ der häufigste
Ausdruck zur Bezeichnung falschen, nicht ausschließlich Jhwh geltenden
Gottesdienstes. Immer wieder wird dem Leser eingeschärft, dass Israel aus-
schließlich Jhwh verehren darf, dass die Einhaltung des Ersten Gebotes das
Maß aller Dinge darstellt. Das Erste Gebot ist jedoch offenbar nicht immer
das Maß aller Dinge innerhalb des Deuteronomiums gewesen. Es darf als
Konsens der Forschung gelten, dass das Deuteronomium nicht das einheitli-
! Die ursprüngliche Fortsetzung dürfte V.9 sein: „Befe sie nicht an und diene ihnen nicht“.
Zum sekundären Charakter des Bilderverbots im Dekalog vgl. MORAN, Conclusion, 553;
LEVIN, Dekalog, 170. Schon ZIMMERLI, Gebot, 236-240 hat ausführlich dargelegt, dass das
(in fester dtr Redeweise formulierte, vgl. aaO. 237f.) Anbetungsverbot über das Bilderverbot
hinweg direkt an das Fremdgötterverbot anschließt. Die literarkritische Konsequenz hat er
jedoch nicht daraus gezogen. Zum Bilderverbot im Deuteronomium vgl. unten Kapitel 2.2.
2 Din 5,7; 6,14; 7,4; 8,19; 11,16.28; 13,3.7.14; 17,3; 18,20; 28,14.36.64; 29,25; 30,17;
31,18.20. Ebenso häufig ist sie im Jeremiabuch anzutreffen, außerdem 20mal in Jos-2Kön
und zweimal in Ex (20,3; 23,13). Außerhalb von Ex-2Kön begegnet sie nur 2Chr 7,19.22
(= 1Kön 9,6.9); 28,25; 34,25 (= 2Kön 22,17) sowie Hos 3,1.
3 Neunmal: Dtn 7,16.25; 12,2.3.30(2x).31(2x); 20,18.
+ Dreimal: Dtn 6,14; 13,8; ;()םימעה 29,17 .()םיוגה
16 Kapitel 2: Der eine Gott und die anderen Götter
che Werk eines einzelnen Verfassers, sondern das Ergebnis eines langwieri-
gen, Jahrzehnte, vielleicht gar Jahrhunderte währenden Prozesses literarischen
Wachstums ist, dessen Ausgangspunkt nicht in den Rahmenstücken Dtn 1-
11; 27-34, sondern im Gesetzesteil Dtn 12-26 zu suchen ist.” So wird nicht
das erste Gebot des Dekalogs, sondern das Gebot der Kultzentralisation die
zentrale Bestimmung der ältesten Fassung des Deuteronomiums gewesen
sein° und zwar, wenn vielleicht auch nicht ganz wörtlich,’ in der Fassung von
מז12,13-14a*:?
> Vgl. etwa SMEND, Entstehung, 70; KAISER, Grundriß, 93f.; KRATZ, Komposition, 119£.
6 Vgl. LEVIN, Joschija, 352f. Anders als REUTER, Kultzentralisation, 11 schreibt, behaup-
tet Levin nicht, dass die Kultzentralisation das Hauptgebot des Deuteronomiums, sondern
des sogenannten Urdeuteronomiums gewesen sei. Dass das Deuteronomium in seiner End-
gestalt, also mit Rahmenteilen und späteren Ergänzungen, vom Ersten Gebot dominiert
wird, geht aus Levins Ausführungen deutlich hervor. Missverständnisse zu vermeiden hilft
die von KAISER, Gott I, 186.189.201 getroffene Unterscheidung zwischen „Grundgebot“
(= Kultzentralisation) und „Hauptgebot“ (= Alleinverehrung Jhwhs), wobei Kaiser aller-
dings das Sch“ma im Sinne des Ersten Gebotes versteht (vgl. dagegen unten 5. 24-26).
7 Grundsätzliche Bedenken gegen die Annahme, in Din 12,13ff. sei das ursprüngliche
Zentralisationsgesetz wörtlich überliefert, formuliert LOHFINK, Fortschreibung, 138-142.
Vgl. dagegen OTTO, Deuteronomium, 341-351.
8 Vgl. KRATZ, Komposition, 124.
9 „In einem deiner Stämme“ ist nachgetragen; vgl. KRATZ, Komposition, 124f.
1% LOHFINK, Fortschreibung, 130 trennt die Verse 21. als eigenes Gesetz zur Vernichtung
fremder Kultstätten von 4-7 als grundlegendem Gesetz innerhalb von Kapitel 12 ab und
zählt so in Dtn 12 insgesamt sechs „Gesetze“, von denen vier vom Opferkult Israels han-
deln. Auch ROSE, 5.Mose, 11 sieht das Zentralisationsgebot in vier Varianten („Kurzpre-
digten“) überliefert. Vgl. dagegen etwa RÖMER, Temple, 209f.
1 לשכנin V.5 ist vermutlich als Glosse zu streichen; vgl. BHS.
15 Bisweilen wird V.19 mit Hinweis auf eine sich dann ergebende palindromische Struk-
tur zu VV.13-18 hinzugerechnet, vgl. etwa SEITZ, Studien, 211; ROSE, 5.Mose, 11; LOH-
FINK, Fortschreibung, 140; OTTO, Deuteronomium, 346. Ob Dtn 12,13--19 auch von hinten
2.1 Monolatrie im Deuteronomium 167
1
Kultzentralisation, sondern es sind ihre Folgen, insbesondere das Problem einer zu großen
Entfernung zwischen Wohnort und zentralem Kultort. Diese Verse sind daher kein Zentra-
lisationsgesetz im eigentlichen Sinne, sondern setzen ein solches voraus. 12,29-31 nehmen
schließlich wieder die Kultstätten und Kultbräuche der fremden Völker in den Blick und
scheinen sich auf die thematisch und begrifflich entsprechenden Verse 12,2-7 zu beziehen.!3
Ist die dreifache Formulierung des Zentralisationsgebotes an sich schon auffällig, kommt
hinzu, dass zwischen der zweiten und der dritten Variante ein Numeruswechsel stattfindet:
12,2-12 sind pluralisch, 12,13-31 dagegen singularisch formuliert. Da die Pluralform nicht
für das deuteronomische Gesetz, wohl aber für seine späteren Rahmungen typisch ist,!* wird
in der Regel angenommen, dass der Kern von Dtn 12 in den singularischen Partien zu su-
chen ist,!5 präziser gesagt in den Versen 13-28, da 12,29-31 auf 12,2-7 bezogen sind. Inner-
halb von Dtn 12,13-28 ist das eigentliche Zentralisationsgesetz in den Versen 13-18 wahr-
scheinlich älter als die Ausführungsbestimmungen in den Versen 19-28.16 Dem singulari-
schen Kern dürften zunächst die Verse 8-12 vorangestellt worden sein, die das Zentralisati-
onsgesetz in der Geschichte Israels zeitlich verorten.!” Da der den Gegensatz zwischen Is-
rael einerseits und den Fremdvölkern mit ihren Kulten andererseits betonende Rahmen
12,2-7.29-31 diese „Historisierung“!® bereits voraussetzt, wird er noch jünger sein.!? Die
älteste greifbare Form des Zentralisationsgesetzes liegt somit in Dtn 12,13-18* vor, eine
jüngere in 12,8-12, die jüngste schließlich in 12,2-7.29-31. Dem entspricht die Beobach-
tung, dass im Gegensatz zu 12,14a die Verse 5 und 11 davon ausgehen, dass Jhwh an der
erwählten Stätte seinen Namen niederlegt (V.5) bzw. dort wohnen lässt (V.11), diese Verse
also die deutronomistische Namenstheologie voraussetzen.
nach vorn gelesen einen Sinn ergibt, mag man mit unterschiedlichen Ansprüchen an den
logischen Aufbau von Gesetzestexten unterschiedlich beurteilen. Auch GERTZ, Ge-
tichtsorganisation, 53 rechnet V.19 zur Grundschicht von Dtn 12. Das „Hüte dich, dass du
nicht“ )ןפ רמשה( ךלam Beginn von V.19 mutet nach V.18, der die Leviten bereits nennt,
jedoch eher als Neueinsatz an; vgl. REUTER, Kultzentralisation, 104f.; KRATZ, Komposition,
124; RÖMER, Temple, 210.
13 Vgl. BRAULIK, Gesetze, 24.28; ROSE, 5.Mose, 18f.; anders NIELSEN, Deuteronomium,
141f.; RÜTERSWÖRDEN, Dtn 13, 191.
14 Vgl. OTTO, Deuteronomium, 341.
15 Vgl. etwa HÖLSCHER, Komposition, 180f.188-191; MERENDINO, Gesetz, 12-60;
ROSE, Ausschließlichkeitsanspruch, 65f.; REUTER, Kultzentralisation, 99; OTTO, Deutero-
nomium, 342.
16 Freilich werden weder 13-18 noch 19-28 jeweils literarisch einheitlich sein. Man be-
achte nur den Nachtrag „in einem deiner Stämme“ N .14a oder die Vorwegnahme von V.21
durch V.20. Vgl. KRATZ, Komposition, 124f. Die Abschlussmahnung der Ausführungsbe-
stimmungen V.28 mag mit Dtn 13,19 als Rahmen um Dtn 13 betrachtet werden (vgl. SEITZ,
Studien, 106f.; VEIJOLA, Redaktion, 156; KÖCKERT, Ort, 82). Ob dieser Rahmen ursprüng-
lich, oder durch Wiederaufnahme von 12,28 in 13,19 entstanden ist, sei dahingestellt. The-
matisch ist 12,28 jedenfalls von Dtn 12,2-7.29-31 unterschieden.
17 Vgl. SMEND, Entstehung, 73; KRATZ, Komposition, 123.
18 KRATZ, Komposition, 123.
19 Die Numerusdifferenz zwischen 2-7 und 29-31 spricht nicht dagegen, da dem Verfas-
ser dieser Schicht mit 12,8-28 auch der Numeruswechsel bereits vorgegeben war; vgl.
SMEND, Entstehung, 73. Will man die VV. 2-7 auf zwei Gesetze verteilen, so wird man die
VV.4-7 für jünger als 2f. halten müssen, da jenes dieses voraussetzt; vgl. LOHFINK, Fort-
schreibung, 130.137.
18 Kapitel 2: Der eine Gott und die anderen Götter
schriften, Ex 20,24 wie Dtn 12,13-18*, zielen auf eine Vereinheitlichung des
Jhwh-Kultes: Die eine, indem sie Brandopfer und 162כ2)-םיִמְלַש auf legiti-
mierte Kultstätten beschränkt?” und an gewisse Standards bindet,” viel radika-
ler die andere, indem sie die Anzahl legitimer Kultstätten auf eine einzige re-
duziert.
Es ist auffällig, dass Dtn 12,13-18* im Gegensatz zu Ex 20,24 das dort neben dem Brand-
opfer ()הֶלִע genannte -םיִמְלַש קי nicht erwähnt, scheinen doch beide gemeinsam eine
„feierliche Doppelopferhandlung bei öffentlichen Anlässen“? gebildet zu haben. Es ist
zweifellos nicht ausreichend, das Fehlen des םיִמְלַש קאin Dtn 12,13-18* damit zu 61-
klären, dass der Begriff םיִמְלַש im Wortschatz des Dtn (mit einer Ausnahme: Dtn 27,7) nicht
vorkomme.3° Dass die Verfasser von Dtn 12,13-18* den Mahlcharakter des -םיִמְלַש 01695
in der Bestimmung über den Zehnten und die Erstgeburt rezipieren,?? mag zutreffen, erklärt
das Fehlen des Begriffs im Dtn aber ebenfalls nicht. Die Kombination von Schlachtung und
kultischem Mahl rückt das קצ0-םיִמְלַש in die Nähe zum M2t-Ritual, das vor der Kultzen-
tralisation wohl als „das Privatopfer kleiner Gruppen“ an den Landheiligtümern zu Hause
gewesen sein dürfte. Dagegen richtet sich die Vorschrift Dtn 12,15: „Doch mit der ganzen Lust
deiner Seele schlachte (121) und esse Fleisch ...“. Bahnt sich im Denken der Verfasser von
Dtn 12,13-18* schon jene Vereinigung von M3}-Ritual und ornbW-Opfer an, die für die
Priesterschrift charakteristisch ist?®* Im nachexilischen Tempelgottesdienst ist offenbar al-
lein das Brandopfer Zentrum des Kultes,? der nach Esr 3,3-6 von den Rückkehrern noch in
den Tempelruinen durch die Errichtung eines Brandopferaltars und die Durchführung von
Brandopfern wieder aufgenommen wird.?s
2 Vgl. schon WELLHAUSEN, Prolegomena, 29: „Allerdings scheint die Freiheit, überall zu
opfern, etwas beschränkt zu werden durch den Zusatz: überall, wo ich meinen Namen ehren
lasse. Aber das hat weiter nichts zu bedeuten, als daß man die Stätte, wo der Verkehr zwi-
schen Himmel und Erde vor sich ging, nicht gerne als willkürlich gewählt gelten ließ, son-
dern als irgendwie durch die Gottheit selbst zu ihrem Dienste ausersehen betrachtete.“
28 Vgl. OTTO, Wandel, 56: „In einer der Kultzentralisationsforderung geradezu entgegen-
laufenden Bewegung wird der Anspruch Jerusalemer Kulttheologie auf die anderen Heiligtü-
mer ausgeweitet.“ Die Standardisierung zeigt sich auch bzgl. der großen Feste, denn der Fest-
kalender Ex 23,14-17, der das kasuistische Rechtsbuch mit dem Altargesetz einrahmt, wird an
allen Jhwh-Heiligtümern im Lande gegolten haben; vgl. KRATZ, Komposition, 147 Anm. 47.
29 SEIDL, ThWAT VII, 110.
30 Mit OTTO, Deuteronomium, 347 gegen LEVINSON, Deuteronomy, 38.
3 Vgl. SEIDL, ThWAT VIII, 110. Beim Brandopfer geht dagegen das Opfertier als Gan-
zes in Rauch auf, es bleibt also nichts für ein Opfermahl übrig; vgl. KELLERMANN, ThWAT
VI, 108.110.
32 Vgl. OTTO, Deuteronomium, 347.
3 LANG, ThWAT 11, 524. Vgl. auch RENDTORFF, Studien, 134£.143f.
3 Vgl. SEIDL, ThWAT VIII, 108f. Bei ihrer Vereinigung scheint das M3t-Ritual vom
ornbuW-Opfer die feierlichen, ursprünglich königlichen und nationalen Züge übernommen zu
haben; vgl. LAnG, ThWAT 11, 526. Die Verschmelzung eines privaten mit einem königlich-
nationalen Ritus ist in staatlicher Zeit wohl schwerer verständlich als später.
3 Vgl. WILLI-PLEIN, Opfer, 90.
36 Die nachexilische Bedeutung der 79% dürfte sich auch darin widerspiegeln, dass sie
mit 287 Belegen die meistgenannte Opferart des AT ist; vgl. KELLERMANN, ThWAT VI,
2.1 Monolatrie im Deuteronomium 21
Weder in Ex 20,24 noch in Dtn 12,13-18* werden andere Götter und deren
Kulte ausdrücklich verboten oder auch nur erwähnt.” Beiden Texten scheint
es als selbstverständlich zu gelten, dass nad bzw. nad und ,םיִמְלש also Opfer
mit offiziellem, den Familien- bzw. Sippenrahmen übersteigendem Charakter,
ausschließlich Jhwh dargebracht werden.” Polemik gegen andere Götter, wie
sie im Ersten Gebot des Dekalogs begegnet, bleibt aus. Somit repräsentieren
beide ein Stadium der Religion Israels, das Pakkala” als „tolerant monolatry“
bezeichnet, nämlich die faktische Monolatrie, jene Religionsform, die
vermutlich sowohl Juda als auch Israel während der Königszeit prägt” und
die analog auch bei ihren Nachbarn anzutreffen ist."
Mit Hinweis auf die Textfunde von Kuntillet “Agrud und Hirbet el-Qöm“? wird bisweilen argu-
mentiert, dass der offizielle Kult der Königszeit gerade nicht monolatrisch gewesen sei.*®
Strittig ist vor allem, was unter der Jhwh zugeordneten Aschera zu verstehen ist, eine Göt-
tin, die Jhwh als Paredros beigeordnet war, das gleichnamige Kultobjekt jener Göttin oder
108. In der Karmel-Erzählung 1Kön 18,21-40 gilt sie als Jhwh-Opfer schlechthin. Die Er-
zählung ist allerdings jung, wohl erst nach-dtr; vgl. KÖCKERT, Gott, 171; Elia, 127-142.
37 Manche Forscher sehen in den Ex 20,24 unmittelbar vorangehenden Versen 22f. einen
ursprünglichen Bestandteil des Bundesbuches und somit vordeuteronomische Überlieferung
(z. B. DOHMEN, Bilderverbot, 176-178, allerdings anders in DERS., Sinaibund, 73 Anm. 66;
ALBERTZ, Religionsgeschichte, 96.286f.: hiskianische Reform; SCHARBERT, Jahwe, 160:
vormonarchisch, spätestens frühe Königszeit). Gegen die ursprüngliche Zusammengehörig-
keit von 22f. und 24-26 spricht u. a. der Numeruswechsel zwischen V. 23 und V. 24, vgl.
NOTH, Exodus, 141f.; CHILDS, Exodus, 465. SCHWIENHORST-SCHÖNBERGER, Bundesbuch,
298£.397£. hat zudem wahrscheinlich gemacht, dass Ex 20,22f. mit Ex 23,13 zum dtr Rah-
men des Bundesbuches gehören; vgl. auch OTTO, Wandel, 4. Die Argumente für eine Spät-
datierung nicht nur von Ex 20,22f. sondern auch von Ex 23,13 und 34,11-16 nennt im De-
tail PAKKALA, Monolatry, 112-118.127-139. Zu den Übersetzungs-, Interpretations- und
Datierungsproblemen, die mit Ex 22,19 verbunden sind und die zumindest zu größter Vor-
sicht mahnen, diesen Vers als Fundament für eine frühe Datierung programmatischer Into-
leranz gegenüber anderen Kulten in Anspruch zu nehmen vgl. aaO. 119-126 sowie
AURELIUS, Ursprung, 11f.
38 Vgl. AURELIUS, Ursprung, 9f.
39 Vgl. PAKKALA, Monolatry, 18f.
“ Vgl. KEEL/UEHLINGER, Göttinnen, 282.230ff.; DIETRICH, Werden und Wesen, 16;
TIGAY, Gods, 37f. Jhwh war in der offiziellen Religion beider Staaten offenbar Landes- und
Dynastiegott; vgl. NIEHR, Gott, 190. Diese Stellung Jhwhs wird für das Nordreich in der
sogenannten Mescha-Stele (KAI 181) vorausgesetzt; vgl. ebd. Anm. 118.
4 Insbesondere der Kult der unmittelbaren transjordanischen Nachbarn Ammon, Moab
und Edom ist in dieser Zeit offenbar mehr oder weniger monolatrisch. Ähnliche Tendenzen
(statt eines einzelnen Staatsgottes findet sich ein Götterpaar) sind auch bei den übrigen
Nachbarn Israels/Judas zu beobachten; vgl. LEMAIRE, 12665868 et dieux, v.a. S. 142-145.
149; NIEHR, Gott, 190; KRATZ, Mythos, 152.
#2 Vgl. HADLEY, Yahweh, 242-249; FREVEL, Aschera, 18-21.854-898 (mit Hinweisen
auf weitere Literatur); DIJKSTRA, I have blessed you by YHWH of Samaria, 23-34.
# Vgl. etwa NIEHR, Gott, 190.
22 Kapitel 2: Der eine Gott und die anderen Götter
ein Jhwh selbst zugeordnetes Kultobjekt.** Letzteres ist unter anderem von Keel und Ueh-
linger vertreten worden. In den Inschriften von Kuntillet “Agrud und Hirbet el-Qom gelte
„Jahwe allein als personales, letztursächliches Subjekt des Segnens und Schützens“, dem die
Aschera als „Kultsymbol in Gestalt eines stilisierten Baumes [beigesellt]“* sei. Die Texte
lassen sich so in ein Modell der Entstehung der Jhwh-Monolatrie einordnen, in welchem die
der ugaritischen El-Gemahlin Athirat entsprechende Göttin Aschera mit der Identifikation
von El und Jhwh zunächst zur Begleiterin Jhwhs wurde, im Laufe der Zeit jedoch ihre Ei-
genschaften an diesen abgab, so dass lediglich das Kultsymbol, nun als Symbol Jhwhs ver-
standen, übrig blieb, welches schließlich von den Deuteronomisten aus dem Jhwh-Kult aus-
geschlossen wurde (vgl. Dtn 16,21), so dass für die Chronisten die Unterscheidung zwischen
Göttin und Kultobjekt bereits unklar war.* Frevel hält es dagegen für wahrscheinlich, dass
der Terminus /’5rth eine personale Größe bezeichne*’ und daher „die Göttin und ihr Kultob-
jekt ... nicht zu trennen [sind]‘“*. Laut Albertz bezeichnen die Texte zunächst den „Kult-
baum der Kulthöhen, dann aber doch wohl auch die durch ihn repräsentierte Göttin“®.
Was der Ausdruck /’$rth genau bedeutet, lässt sich aus heutiger Sicht also nicht eindeutig
bestimmen. Die Entscheidung für oder wider ein personales Verständnis bleibt letztlich
subjektiv.?° Auch subjektive Entscheidungen beruhen jedoch auf guten oder weniger guten
Gründen und die von Frevel vorgebrachten Argumente‘! sprechen eher dafür, die Aschera
als Göttin zu begreifen.?? Damit ist die These der vorexilischen Jhwh-Monolatrie in Israel
und Juda keineswegs hinfällig.°® Hinsichtlich der Bedeutung der „Jhwh und seine Aschera“
nennenden Inschriften für die Frage, ob der offizielle Kult Israels und Judas monolatrisch
auf Jhwh ausgerichtet war, ist die Gefahr zu beachten, die Inschriften von Kuntillet <Agrud
und Hirbet 0)כ-61 überzubewerten. Weder eine Karawanenstation im nördlichen Sinai noch
ein privates Grab nahe Hebron lassen genauere Schlüsse hinsichtlich des Staatskultes in
Samaria’*/Bethel oder Jerusalem zu, denn in beiden Fällen handelt es sich nicht um
Zeugnisse offizieller Religion, sondern persönlicher Frömmigkeit.55 Sie machen lediglich
deutlich, dass es jedenfalls außerhalb des offiziellen Kultes möglich oder üblich war, Jhwh
gemeinsam mit einer Göttin oder dem Symbol des stilisierten Baumes zu verehren. Die
Vertreter des offiziellen Kultes werden zu dieser Zeit also weder gegen das Eine noch gegen
das Andere polemisiert haben, und es sind somit keine programmatisch-monolatrischen
Verhältnisse feststellbar. Vor allem aber ist Jhwh in den Inschriften von Kuntillet “Agrud und
Hirbet זח0)כ-61 durchaus der Aschera übergeordnet‘ und durch die Mescha-Inschrift deutlich
allein als Landesgott Israels ausgewiesen.5” Daher spricht auch angesichts eines personalen
Verständnisses des Ausdrucks /’srth weiterhin nichts gegen die Annahme, der Gott Jhwh sei
in den offiziellen Kulten Israels und Judas faktisch allein verehrt worden.’
54 Dass es in Samaria zumindest vor 720 v. Chr. ein Jhwh-Heiligtum gegeben hat, legt
nicht nur die Rede vom „Jhwh von Samaria“ in Kuntillet <Agrud nahe, sondern auch die
Funktion der Stadt als Königsresidenz. Vgl. AHLSTRÖM, Picture, 11 (125): „Like other capi-
tals, Samaria must have been the center of the nation’s religious administration.“ Vgl. auch
WOLFF, Joel und Amos, 381; KÖCKERT, TRE 29, 746; NIEHR, Götterbilder, 220%
55 Vgl. ALBERTZ, Religionsgeschichte, 131ff.; FREVEL, Aschera, 19. Anders KOCH,
Aschera, 99; NIEHR, Gott, 190.
56 Vgl. ALBERTZ, Religionsgeschichte, 133; SCHMID, Differenzierungen, 24.
57 Vgl. NIEHR, Gott, 190.
58 Gegen NIEHR, Gott, 190.
59 Dagegen spricht schon, dass in der Priesterschrift das M2}-Ritual mit dem prabW-
Opfer zu einem Opfer - selbstverständlich für Jhwh — vereinigt ist. Vgl. SEIDL, ThWAT
VII, 108f.
24 Kapitel 2: Der eine Gott und die anderen Götter
Staatskult unerheblich.” Das ist in Dtn 12,13-18* anders. Zwar ist das Zen-
tralisationsgebot nicht ausdrücklich gegen fremde Kulte gerichtet, das Opfer
für andere Götter also auch hier nicht explizit verboten. Aber die generelle
Profanierung des Schlachtens außerhalb des zentralen Kultortes, an dem
Jhwh verehrt wird, macht die Verehrung fremder Götter faktisch unmöglich.
2.1.2 Auf dem Weg zum Ersten Gebot: Das Sch'ma und die Bundesformel
Wie kurz der Weg von der Idee der Kultzentralisation zur programmatischen
Monbolatrie, formuliert im Ersten Gebot des Dekalogs, tatsächlich gewesen
ist, hat Aurelius dargelegt.” Dieser Weg beginnt mit jenem Aufruf, der das
sogenannte Urdeuteronomium eröffnet haben dürfte‘ (Din 6,4):
Im Zusammenhang mit Dtn 6,4 ist vor allem hinsichtlich zweier Fragen noch kein Konsens
in der Forschung erzielt worden. Die erste betrifft die genaue Übersetzung und Deutung
von Dtn 6,4b. Für die Übersetzung stehen im Wesentlichen vier Alternativen zur Diskus-
sion: 1. Jhwh, unser Gott, Jhwh ist einzig, 2. Jhwh, unser Gott, ist ein (einziger) Jhwh,
3. Jhwh ist unser Gott, Jhwh ist einzig, 4. Jhwh ist unser Gott, Jhwh ist einer. Für die letzt-
genannte Variante, Jhwh ist unser Gott, Jhwh ist einer, hat Aurelius einleuchtend argumentiert.‘*
Sie trägt erstens der Tatsache Rechnung, dass sich die doppelte Nennung des Gottesnamens
am einfachsten erklären lässt, wenn man ihn jeweils als Subjekt eines Nominalsatzes auf-
fasst.‘ Sie vermag zweitens das Zahlwort MX in der Bedeutung wiederzugeben, die es ge-
wöhnlich hat, „einer“ oder „ein einziger“ im Gegensatz zu mehreren. Schließlich vermag sie
zu erklären, warum dem Bekenntnis offenbar das N-, „unser“, wichtig war. Als Anrede an die
Angehörigen eines Volkes, dessen Nationalgott Jhwh war, wäre doch nach der singulari-
schen Anrede in V. 4a jenes „dein Gott“ zu erwarten, das im Deuteronomium an 235 ande-
ren Stellen begegnet. Als Appell an die Angehörigen zweier traditionell getrennter Völker
haben aber sowohl „unser Goff‘ als auch „einer“ einen guten Sinn: Jhwh existiert nicht zwei-
mal, einmal in Jerusalem und in einmal Samaria,” sondern er ist einer. Als dieser eine ist er
unser beider, nämlich Israels und Judas Gott. Und deshalb sind Juda und Israel auch ein
Volk.s8
Die zweite strittige Frage ist jene nach der ursprünglichen Fortsetzung von Dtn 6,4b in
Dtn 6.° Die herkömmliche Annahme, dass Dtn 6,446. die älteste Einleitung des Deuterono-
miums bilden,” ist von Veijola in Frage gestellt worden.’! Anders als V.5 sei V.6, ohne den
Relativsatz םויִה רָשָא... 72 syntaktisch unmittelbar auf V.4b bezogen, V.5 also sekundär in den
Zusammenhang eingefügt worden. Das von Veijola angeführte Syntaxproblem lässt sich
freilich so erklären, dass V.5 zwar inhaltlich an die traditionelle Bekenntnisformel V.4b an-
knüpft, syntaktisch jedoch auf das singularisch formulierte „Höre Israel“ V.4a bezogen ist.”
Veijolas Argumentation ist dennoch überzeugend, weil neben das grammatische Problem
weitere Beobachtungen treten: Zum einen begegnet die Forderung, Jhwh zu lieben (A718),
nur in den Rahmenkapiteln des Deuteronomiums, was dafür spricht, dass sie frühestens
deuteronomistisch ist.’”* Des weiteren begegnet die Aufforderung, Jhwh „mit ganzem Her-
zen, ganzer Seele und ganzer Kraft“ zu lieben in dieser dreigliedrigen Form nur hier und
2Kön 23,25, einem spätdeuteronomistischen Zusatz.’”® Die zweigliedrige Form „mit ganzem
Herzen und ganzer Seele“ begegnet dagegen öfter, allerdings auch sie in Dtn nur im Rahmen
sowie im Zusatz 13,4.7° Sie findet sich auch in Dtn 26,16, jenem Vers, in welchem oft ein
Gegenstück zu Dtn 6,4f. gesehen wird.’’ Sollten Dtn 6,4f. und 26,16 jedoch tatsächlich ein
alter Rahmen des dtn Gesetzeskorpus sein, wäre auffällig, dass nur der vordere Teil dieses
Rahmens die dreigliedrige Fassung bietet. Dass ein Bearbeiter einen Rahmen von vornherein
unterschiedlich konstruiert haben sollte, leuchtet ebenso wenig ein wie die Möglichkeit, dass
die ursprünglich dreigliedrige Formulierung Dtn 6,5 in 26,16 auf zwei Glieder verkürzt
wurde.’® Die einfachste Erklärung dürfte sein, dass die dreigliedrige Formulierung in Dtn 6,5
jünger als die zweigliedrige Formulierung in Dtn 26,16 ist, was ebenfalls für Veijolas An-
nahme spricht, dass Dtn 6,5 sekundär ist. Zudem enthält dieser Vers denselben Ausschließ-
lichkeitsanspruch wie das Erste Gebot, der im Sch“ma jedoch kaum enthalten sein dürfte,
weshalb die dtr Polemik gegen die fremden Götter bisweilen auf Dtn 6,5,”%° aber nie auf
Dtn 6,4b zurückgreift.®"
7% Vgl. VEIJOLA, Bekenntnis, 81. Dass die beiden Belege innerhalb von Dtn 12-26, 13,4
und 19,9 spätere Zusätze sind, bestreitet auch OTTO, Deuteronomium, 57.227£ nicht. Ist es
aber nicht inkonsequent, einerseits das Liebesmotiv, angeblich übernommen aus VTE 124,
zum zentralen Aspekt des Grundbestands von Dtn 13 zu erklären („In Dtn 13 wird dieses
Motiv des neuassyrischen Vertragsrechts [gemeint ist die Liebe zu Asarhaddon bzw. Assur-
banipal, S.P.] aufgenommen und durch hebräische privatvertragsrechtliche Terminologie der
Ehe und durch Liebesbegrifflichkeit ausgedrückt“, aaO. 53) und dann mit 13,4b den im
gesamten Kapitel einzigen Beleg für בהא aus dem Grundbestand zu streichen?
7 Vgl. SPIECKERMANN, Juda, 43-46; WÜRTHWEIN, Könige II, 461; VEIJOLA, Bekennt-
nis, 81; AURELIUS, Zukunft, 48£.
% Vgl. VEIJOLA, Bekenntnis, 81. Die Stellen sind: Dtn 4,29; 10,12; 11,13; 26,16; 30,2.6.10.
דדVgl. etwa LEVIN, Verheißung, 99f.; KRATZ, Komposition, 128f.
78 Damit wäre aber noch nicht erklärt, warum nicht die in einem fraglos zentralen Text
ursprüngliche dreigliedrige Form, sondern die sekundäre zweigliedrige Form zahlreichere
Spuren in der dtr Literatur hinterlassen hat; vgl. VEIJOLA, Bekenntnis, 81f. Das von ROSE,
Ausschließlichkeitsanspruch, 139 vorgebrachte Argument, die dtr Redaktion habe eine
knappe Formel benötigt und deshalb die ursprünglich dreigliedrige Formulierung verkürzt,
überzeugt nicht, denn auch die Langform ist sicher kurz genug, um einprägsam zu sein.
לVgl. Dtn 5,10; 7,9; 11,13-17; 13,4; )30,15-20(.
₪ Vgl. AURELIUS, Ursprung, 8. Grundsätzlich denkbar ist auch die Möglichkeit der se-
kundären Erweiterung einer in Dtn 6,5 ursprünglich zweigliedrigen Formel auf drei Glieder
im Zusammenhang mit der Einfügung von 2Kön 23,25 in die Königebücher. Abgesehen
von V.29 im sehr spät entstandenen Kapitel Dtn 4 begegnet die formelhafte Aufforderung
zur Jhwh-Liebe im Deuteronomium erstmals in 6,5. Der Verfasser der abschließenden Be-
urteilung Josias hätte durch die Verwendung der dreigliedrigen Formulierung in 2Kön
23,25
und die Ergänzung von Dtn 6,5 um das dritte Glied „mit deiner ganzen Kraff‘ die Beziehung
zwischen Josia und der ihm zugeschriebenen Reform mit dem Deuteronomium unterstrei-
chen können.
2.1 Monolatrie im Deuteronomium 27
Es besteht nun nicht nur über die Wendung „mit deinem ganzen Herzen und mit
deiner ganzen Seele“ eine Verbindung zwischen Dtn 6,5 und 26,16,” sondern
auch zwischen dem Sch'ma und der in 26,17£.°” folgenden Bundesschluss-
szene. Die hier anzutreffende sogenannte Bundesformel” scheint nämlich
ihren Ursprung im Sch‘ma zu haben,” dessen eindringliches „Jhwh ist unser
Gotf“ sie als Ergebnis einer gegenseitigen Verpflichtung erklärt: Warum ist
Jhwh unser Gott? Antwort: Weil er zugesagt hat, dass er unser Gott ist und
wir sein Volk sind:”
An keiner geringeren Stelle als im Ersten Gebot wird die Kehrseite benannt:”
לַע- אל ךְלְ"הְיְהִי םיִהְלֶא םיִרָחֶא יִנָפ... דיָהְלֶאmm "DIR
Ich bin Jhwh, dein Gott ... nicht seien für dich andere Götter neben mir.
Die Erklärung der Bundesformel, die Aussage des Sch'ma sei das Ergebnis
einer gegenseitigen Verpflichtung zwischen Jhwh und Israel, hat also mit dem
Ersten Gebot jene Formulierung hervorgebracht, die zum Signal für intole-
rante bzw. programmatische Monolatrie im Deuteronomium geworden ist:
אֶלהִים אַחָרִים. niraD ,hcilmän ssad se eredna„ “rettöG tnnen dnu hcilkcürdsua
verbietet, unterscheidet sich das Erste Gebot von der Bundesformel und vom
Sch‘ma.” Erst hier wird die Alleinverehrung Jhwhs zum Programm, das an-
dere Götter nicht nur implizit, sondern explizit ablehnt.
Entgegen noch verbreiteter Annahme wird man die Propheten Elia und Hosea als Vorläufer
der programmatischen 102014016 nicht in Anspruch nehmen dürfen, denn „es stellt sich
81 Nach LEVIN, Verheißung, 99f. bezieht sich 26,16 „wie eine Klammer“ auf 6,5 zurück.
Levin geht jedoch in keiner Weise darauf ein, dass 6,5 durch „if deiner ganzen Kraff“ gegen-
über 26,16 einen Überschuss bietet, wodurch sich die vordere von der hinteren Klammer
unterscheidet.
52 Dtn 26,19 ist nachgetragen; vgl. LEVIN, Verheißung, 101.
83 616 sagt in leicht abgewandelten Formulierungen aus, dass Jhwh Israels Gott und Israel
Jhwhs Volk sein soll und begegnet im AT insgesamt 37mal (vgl. LOHFINK, Bundesformel,
211): zweigliedrig: Ex 6,7; Lev 26,12; Dtn 26,17f.; 29,12; 2Sam 7,24 (=1Chr 17,22); Jer 7,23;
11,4; 24,7; 30,22; 31,1.33; 32,38; Ez 11,20; 14,11; 36,28; 37,23; Sach 8,8; Jhwh Gott Israels:
Gen 17,7.8; Ex 29,45; Lev 11,45; 22,33; 25,38; 26,45; Num 15,41; Ez 34,24; Israel Volk
Jhwhs: Ex 19,5; Dtn 4,20; 7,6; 14,2; 27,9; 28,9; 1Sam 12,22; 2Kön1 1,17 1jer13, 1
8 Vgl. AURELIUS, Ursprung, 6.
8 Ob andere Belege der Bundesformel älter sind als Dtn 26,17f. (LEVIN, Verheißung,
106f. plädiert für Jer 7,23) sei dahingestellt. Zumindest innerhalb des Deuteronomiums wird
sie sich von Dtn 26,17f. her verbreitet haben; vgl. SMEND, Bundesformel, 16; LEVIN,
Verheißung, 107.
86 Vgl. AURELIUS, Ursprung, 9.
87 Vgl. KRATZ, »Höre Israel« und Dekalog, 83.
28 Kapitel 2: Der eine Gott und die anderen Götter
nun mit zunehmender Sicherheit heraus, daß die Fremdgötterpolemik in den Eliaerzählun-
gen und im Hoseabuch nicht vor-, sondern eher spät- bis nachdeuteronomistisch ist. Im
Bundesbuch und im sogenannten Privilegrecht Jhwhs Ex 34 dürfte die Fremdgötterpolemik
das Erste Gebot voraussetzen.® Ex 22,19 mag vordeuteronomisch sein, ist in seiner Bedeu-
tung jedoch alles andere als klar und kann deshalb kaum als Beleg für vordeuteronomische
Fremdgötterpolemik angeführt werden.
8 AURELIUS, Ursprung, 10. Vgl. KÖCKERT, Gott, 168-173; Elia, 138.140 sowie zu Elia
BECK, Elia und zu Hosea PFEIFFER, Heiligtum.
9 Vgl. KÖCKERT, Gott, 167£.; PAKKALA, Monolatry, 112-118.127-139; AURELIUS,
Ursprung, 10f.
% Vgl. AURELIUS, Ursprung, 11 und v. a. PAKKALA, Monolatry, 119-126.
9 Vgl. AURELIUS, Ursprung, 12f.
92 In den äußeren Rahmenkapiteln Dtn 1--4.31--34 finden sie sich lediglich in 31,18.20.
95 Vgl. AURELIUS, Ursprung, 13.
94 Vgl. Dtn 6,15; 7,4; 11,17; 29,19.26.
95 VEIJOLA, Redaktion, 153.
% Zu dieser Bearbeitung insgesamt vgl. VEIJOLA, Redaktion, 153-175 sowie die dort ge-
nannten früheren Aufsätze. In wie vielen Schritten diese Überarbeitung entstanden ist, sei
dahingestellt. Entscheidend ist hier lediglich, dass auch die programmatisch-monolatrischen
Aussagen innerhalb von Dtn 12-26 sämtlich das Erste Gebot voraussetzen.
2.1 Monolatrie im Deuteronomium 29
9
nen jüngsten Rahmen in den Versen 2-7.28-31 konsequent vom Ersten Ge-
bot her interpretiert (Dtn 12,2):
יִרְשִים אתֶםNAD NUT עָבְדוּשֶם הַגִיִםRUS אַבָּד תִּאַבְּדוּן אֶתכָּל"הַמקמות
727 כָּל"עץmon אֶתהאֶלְהִיהֶם עַל"הֶקָרִים הָרָמִים וְעַלהַגְבָעוּת
Ihr sollt unbedingt alle Stätten zerstören, wo die Völker, die ihr vertreiben werdet, ihren
Göttern gedient haben, auf den hohen Bergen und auf den Hügeln und unter jedem grü-
nen Baum.
ִּיד
בְּאחַד שְעָרָיך אָשֶרדTanp2יָמְצַא
אָשָה- אִיש או67 יְהוָה אֶלְהָיף נחן
בְּריתו5922 בְּעִינִי האלהBITTE יַעַשָה 1TUN
לָהָםremmI אֶחָרִיםROID ויעָבד27)
Wenn in deiner Mitte, in einem deiner Tore, die Jhwh, dein Gott, dir gibt, jemand gefun-
den wird, ein Mann oder eine Frau, der das Böse in den Augen Jhwhs, deines Gottes tut,
indem er seinen Bund übertritt, und er geht hin und dient anderen Göttern und wirft
sich vor ihnen nieder, ...
2.1.4 Fazit
Bundesformel sind jedoch implizit von der Vorstellung getragen, dass ein
exklusives Verhältnis zwischen Israel und seinem Gott besteht: Die Bundes-
formel, indem sie das „Jhwh ist unser Gott“ des Sch“ma als Ergebnis eines Bun-
desschlusses zwischen Jhwh und Israel erklärt, das Zentralisationsgebot, in-
dem es stillschweigend voraussetzt, dass es legitime Opfer ohnehin nur für
Jhwh gibt. Dass im Rahmen des ältesten Zentralisationsgebots das Opfer für
andere Götter nicht ausdrücklich verboten werden muss, zugleich aber durch
Profanerklärung allen Schlachtens in den Ortschaften gewissermaßen als Ne-
beneffekt faktisch unmöglich gemacht wird, erklärt sich am einfachsten,
wenn man das Zentralisationsgebot vor dem Hintergrund etablierter fakti-
scher Monolatrie betrachtet. Dass sich im Staat Juda eine faktische Alleinver-
ehrung des Staatsgottes Jhwh etabliert hat, ist nicht nur angesichts epigraphi-
scher Befunde und der Auswertung ihrer Onomastik wahrscheinlich,'” son-
dern wird auch durch die Altarbestimmung Ex 20,24, auf die das deuterono-
mische Zentralisationsgebot bezogen ist, nahegelegt. Schon hier scheinen
nämlich auf der Ebene der offiziellen Religion keine anderen Opfer als Opfer
für Jhwh üblich zu sein. Das Fehlen jedweder Polemik gegen andere Götter
und ihre Kulte ist jedenfalls am leichtesten damit zu erklären, dass sich die
Frage der anderen Götter im Zusammenhang der in Ex 20,24 behandelten
Opfer zur Zeit der Abfassung dieser Regelung nicht stellte.
Nimmt man Ex 20,24 als (negativen) Vorläufer des Zentralisationsgebotes
mit in die Betrachtung der Entwicklung der Monolatrie im Deuteronomium
hinein, ergibt sich folgendes Bild: Eine faktische Alleinverehrung Jhwhs auf
der Ebene der offiziellen Religion wird in der theologisierten, von Altargesetz
(Ex 20,24-26*) und Festkalender (Ex 23,14-17) gerahmten Fassung des so-
genannten Bundesbuches greifbar. Im Zuge einer „gottesrechtlichen Redak-
tion“ wurde nicht nur älteres kasuistisches Recht zum Gottesrecht,''" sondern
durch Altargesetz und Festkalender wurde auch der Kult an den Heiligtümern
des Recht setzenden Gottes Jhwh vereinheitlicht. Die Bedeutung der erwähn-
ten Opfer und Feste zeigt den Stellenwert, der Jhwh zugekommen sein muss,
das völlige Fehlen von Polemik gegen andere Götter die Selbstverständlich-
keit, mit der Jhwh im Geltungsbereich dieser Rechtsordnung verehrt wurde.
Auffällig ist neben der Nichterwähnung anderer Götter das Fehlen von Be-
stimmungen zu Opfern im privaten Bereich. Daraus weitreichende Schlüsse
zu ziehen, wäre reine Spekulation, doch wird man annehmen dürfen, dass
hier deshalb kein Regelungsbedarf bestand, weil weder die anderen Götter
noch der Bereich der privaten Religion für den offiziellen Kult des Staats-
gottes bedrohlich waren.
Das Bedürfnis nach klarstellenden Ordnungen für den Bereich des Staats-
kultes ist nun in jener Epoche, in die das Bundesbuch bzw. seine erste
Theologisierung inzwischen meist datiert wird, nämlich das ausgehende
8.]Jh. v.Chr.,''' gut vorstellbar. Der Untergang des Staates Israel wird für Juda
nicht nur die akute Gefährdung der eigenen staatlichen Existenz durch die
assyrische Expansion verdeutlicht, sondern der Flüchtlingsstrom aus dem
Norden in den Süden''” den Staat Juda auch innerlich destabilisiert haben.
Die zahlreichen Israeliten, die das viel kleinere Juda zu integrieren hatte,
sprachen zwar dieselbe Sprache wie die Bewohner des Südens und verehrten
einen Gott namens Jhwh, so dass man nun entgegen der bisherigen ge-
schichtlichen Erfahrung die Einheit Jhwhs proklamieren konnte (vgl.
Dtn 6,4b). Die Neubürger brachten jedoch sicher auch eine Vielzahl rechtli-
cher und kultischer Traditionen mit, die dem Süden fremd waren.” Und an
die kultische Vorrangstellung des einstigen Erzkonkurrenten Jerusalem, die
den Alteingesessenen in Juda selbstverständlich war, werden sich die ehema-
ligen Israeliten erst gewöhnt haben müssen. Das Problem für den judäischen
Jhwh-Kult war also nicht, dass die Flüchtlinge andere Götter mitbrachten.
Die sich im Zuge der Eingliederung der Israeliten notwendig stellende Frage
war nicht jene nach dem Ob, sondern vielmehr jene nach dem Wie der Jhwh-
Verehrung. In einer solchen Situation äußerer Bedrohung und innerer Unsi-
cherheit und Unordnung erscheint es überaus sinnvoll, Staatskult und Recht
göttlich zu sanktionieren''* und auf diese Weise Rechtsprechung und Staats-
kult im Land deutlicher auf das Zentrum hin zu orientieren, von wo aus das
göttlich sanktionierte Recht ergeht, nämlich Jerusalem. Vereinheitlichungen
im Kult des Staatsgottes erscheinen jedenfalls als geeignetes Mittel, um das
Zusammengehörigkeitsgefühl der Teilnehmer, d. h. von Alt- und Neujudäern
und ihre Identifikation mit dem sich im Kult darstellenden Staat zu fördern.
Die Probleme, auf die die „gottesrechtliche Redaktion“ des Bundesbuches
reagiert, dürften zur Zeit des Königs Hiskia drängend gewesen sein. Dass die
Jhwh-Verehrung in den Vätergeschichten der Genesis mit dem Altargesetz
von Ex 20,24 in Einklang steht, das Kultzentralisationsgebot aber offenbar
עַדדבְּאָר שָבַע2422
Und er ließ alle Priester aus den Städten Judas kommen und machte die Höhen unrein,
wo die Priester Rauchopfer dargebracht hatten, von Geba bis Beerscheba ...
Für und Wider der Zuverlässigkeit dieser Notiz und damit der Historizität der
sogenannten Josianischen Reform sind lebhaft diskutiert worden und immer
noch strittig.'"” Letztlich entscheidend dürfte sein, dass sich eine solche Maß-
nahme zur Zeit des Königs Josia kaum plausibel erklären lässt.''” Selbst wenn
Juda die längste Zeit des 7. Jahrhunderts v.Chr. durch die assyrische Ober-
herrschaft auf einen Rumpfstaat reduziert gewesen'” und es deswegen zu von
ist, ob das Herrschaftsgebiet der Könige von Juda erst zur Zeit Josias oder bereits während
der Regierung des offenbar treuen Assur-Vasallen Manasse wieder vergrößert wurde.
121 Vgl. KRATZ, Komposition, 137.
122 Vgl. etwa LEVIN, Joschija, 352.
13 Vol. dazu sofort.
124 Vgl. KÖCKERT, TRE 29, 748.
125 Vgl. EDELMAN, Origins, 333.
126 Vol. KIPPENBERG, Garizim, 56-59.
127 Vgl. WRIGHT, Shechem, 175-181.
128 Vielleicht vertrieben, weil sie mit Samaria sympathisiert oder zumindest gegen die in
Jerusalem betriebene Abschottungspolitik opponiert hatten.
וDer Konkurrenzzweck wird auch an seiner Anlage sichtbar, die am Jerusalemer Tem-
pel orientiert ist; vgl. HAHN, TRE 12, 28
130 Der von Onias IV., dem letzten aus der Oniadenfamilie stammenden Anwärter
auf
das Amt des Hohepriesters, nach seiner Flucht aus Jerusalem im ägyptischen Leontopolis
2.1 Monolatrie im Deuteronomium 35
ee
Die Entstehung der Idee der Kultzentralisation ist also „in keiner anderen
Zeit so gut vorstellbar wie in der Exilszeit“'”. Anders als die kultischen Be-
stimmungen des Bundesbuches antwortet das Zentralisationsgebot des Deu-
teronomiums nicht auf die Frage des „Wie“, sondern des „Wo“ der Jhwh-
Verehrung. Auf die Frage, wo sich der maßgebliche Kultort des judäischen
Staatsgottes befand, konnte es während der Existenz des judäischen Staates
nur eine Antwort geben: In der Hauptstadt Jerusalem! Doch nach der Erobe-
rung Jerusalems und dem Untergang des Staates Juda war diese Antwort
erstmals seit Jahrhunderten nicht mehr selbstverständlich. In dieser Situation
erklärt sich die Idee der Kultzentralisation zwanglos als Maßnahme gegen die
drohende Zersplitterung des Jhwh-Kultes.'”” Auch der relativ weite Eingriff
in den Bereich der privaten Religion wird verständlich: Der Staatsgott, der
seines Staatskultes verlustig gegangen ist, zieht sich gewissermaßen in das
ehemalige Staatsvolk zurück, das durch die Idee des einen zentralen Kultortes
zusammengehalten wird. Und um die für Jerusalem weiterhin vorgesehene
Ausnahmestellung zu untermauern, macht 2Kön 23,8a dem Leser deutlich,
dass in Juda ohnehin nur Jerusalem als Kultort in Frage kommt, weil alle an-
deren Kultorte bereits unter Josia dauerhaft unbrauchbar gemacht wurden.'”
Die besondere Erwähnung Bethels in 2Kön 23,15 dürfte die neue Blütezeit
des Heiligtums im 6. Jahrhundert widerspiegeln. Nach der Zerstörung des
Jerusalemer Tempels hat das keine 20 km von Jerusalem entfernte Heiligtum
wahrscheinlich eine große Anziehungskraft auf die Bevölkerung Judas ausge-
übt,'”* nicht zuletzt aufgrund seiner unmittelbaren Nähe zu Mizpa, dem
neuen administrativen Zentrum der Region.'”
gegründete Jhwh-Tempel bestand wahrscheinlich bis ins Jahr 71 n.Chr. In der Praxis stieß er
offenbar auf breite Ablehnung und konnte die Stellung Jerusalems nicht gefährden. Dass die
Hasmonäer ihn gleichwohl als Gefahr wahrnahmen, deuten „Anzeichen für eine lebhafte
Übersetzertätigkeit in Jerusalem mit dem Ziel, die Judenschaft außerhalb Palästinas, beson-
ders in Ägypten, für die Politik des neuen jüdischen Nationalstaates zu gewinnen“
(HENGEL, Judentum, 186) an. Vgl. auch HAAG, Das hellenistische Zeitalter, 515; KÜCHLER,
RGG# V, 274.
131 AURELIUS, Zukunft, 40. GERSTENBERGER, Israel, 335 sieht in der Kultzentralisation
dagegen eine Reaktion auf die Situation erst der nachexilischen Zeit.
132 Vgl. AURELIUS, Zukunft, 40.
133 Vgl. AURELIUS, Zukunft, 43f.
134 Vgl. KELSO, Excavation, 36f.; WÜRTHWEIN, Könige, 165.172; BLENKINSOPP, Bethel,
95-99. Die Interpretation der Grabungsergebnisse bleibt freilich umstritten, da keine zuver-
lässigen stratigraphischen Daten vorliegen. Für eine Zerstörung des Betheler Heiligtums
unter Josia, mithin für die Historizität des Reformberichtes 2Kön 23,4 und gegen die An-
nahme einer Blütezeit Bethels in nachexilischer Zeit plädiert nun KOENEN, Bethel, 52-64.
Warum man die Nennung Bethels per se „kaum als deuteronomistisch ausweisen“ (aaO. 55)
kann, bleibt freilich unklar. Das Geschichtsbild von 2Kön 17,18, in das kultische Aktivitäten
in Bethel nach 722 v.Chr. nicht hinein passen sollen (vgl. aaO. 59), ist seinerseits jedenfalls
36 Kapitel 2: Der eine Gott und die anderen Götter
jünger als die erste Fassung der Königebücher (zu 2Kön 17,7-23 vgl. AURELIUS, Zukunft,
71-95).
135 In der Forschung setzt sich zunehmend die Meinung durch, dass Mizpa nicht nur
während der Gedalja-Episode (vgl. 2Kön 25,22-26) Sitz eines babylonischen Statthalters
wat, sondern während der gesamten neobabylonischen und wohl auch bis in die Perserzeit
hinein provinziales Verwaltungszentrum blieb; vgl. z. B. LiPSCHITS, Fall, 372; EDELMAN,
Origins, passim. Diese These steht der lange akzeptierten Meinung entgegen, Juda sei in
neubabylonischer und frühpersischer Zeit von Samaria aus verwaltet worden.
136 Vgl. etwa Threni.
37 Dass als Folge von Kriegszerstörungen und Deportationen ganze Staaten von der
Landkarte verschwinden, ihre Bevölkerung in anderen Völkern aufgeht und mit der Zeit
auch ihre Götter bedeutungslos werden, ist ein anderes Phänomen.
138 Vol. BORGER, Inschriften, 53.
139 Die Praxis, eroberte Götterstatuen, renoviert oder neu angefertigt, nach einer gewis-
sen Zeit wieder an ihren Platz zurück zu führen, ist von Asarhaddon belegt. Prominente
Opfer dieser Praxis waren nicht zuletzt die babylonischen Götter(- וו mit Marduk an
der Spitze; vgl. BERLEJUNG, Theologie, 158-162.
2.1 Monolatrie im Denteronomium 37
>
unverzüglich in Scharen von dem Gott abwandten, den sie zuvor mehr oder
weniger monolatrisch verehrt hatten. Wenn Religion so funktionierte, dann
hätten sich überall im Assyrischen Reich der Gott Assur, im gesamten Neu-
babylonischen Reich Marduk und schließlich im noch weitläufigeren Perser-
reich Ahuramazda jeweils als allein mächtige Götter durchsetzen müssen.
Doch wie die Götter Ägyptens die assyrische, persische und schließlich auch
die griechische Eroberung überlebten, hatte Jhwh den Untergang Israels und
die assyrische Herrschaft über Juda überstanden und verschwand nach der
Eroberung Jerusalems durch die Babylonier keineswegs von der Bildfläche.
Jenen, die an der Verehrung Jhwhs festhielten, stellte sich in den Jahren bald
nach dem Ende Jerusalems als politischem und damit natürlichem kultischem
Zentrum des Jhwh-Kultes nicht vordringlich die Frage ob, sondern wo Jhwh
verehrt werden könnte.
Als mit anhaltender babylonischer Herrschaft die Zeichen für ein Fortbe-
stehen der Wirksamkeit Jhwhs ausblieben, weil weder die Babylonier noch
zunächst die Perser den Staat Juda oder den Kult seines Gottes in irgendeiner
Form restituierten, wird die Frage, ob die Verehrung Jhwhs denn überhaupt
noch lohne, in den Vordergrund gerückt sein. Gegen die mit zunehmender
Dauer des Exils vermutlich wachsende Tendenz, sich von Jhwh ab- und an-
deren Göttern zuzuwenden, wurde nun die früher in vielen Lebensbereichen
weitgehend selbstverständliche Alleinverehrung Jhwhs zum Programm erho-
ben: „Keine anderen Götter neben Jhwh!“ Wann dies genau geschehen ist,
wird man nur grob abschätzen können. Die älteste Fassung des sogenannten
Deuteronomistischen Geschichtswerkes, die den Grundbestand der Samuel-
und Königebücher umfasst haben dürfte,'* misst die Geschichte Israels und
Judas jedenfalls nur an der Idee der Kultzentralisation'"' und nicht am Ersten
Gebot. Und so zurückhaltend sie im Hinblick auf Restitutionshoffnungen
auch formuliert sein mag, deutet die Notiz 2Kön 25,27£.30'* über die Rehabi-
litierung Jojachins um 560 v.Chr., die das erste deuteronomistische Ge-
schichtswerk abschloss,'** doch darauf hin, dass es solche Hoffnungen immer
noch gab. Das Erste Gebot wird also jünger als das Werk des ersten deutero-
nomistischen Historikers sein. Freilich blieb nicht nur die Rehabilitierung
Jojachins folgenlos, selbst die Machtübernahme der Perser 539 v.Chr., an die
zweifellos große Hoffnungen geknüpft wurden, brachte zunächst nicht die
Restitution des Kultes, geschweige denn des Staates. Jede enttäuschte Hoff-
nung wird der Hinwendung zu anderen Göttern Auftrieb gegeben haben.
Ohne die akute Konkurrenz anderer Kulte wäre das Erste Gebot jedenfalls
kaum zum entscheidenden Kriterium rechter Jhwh-Verehrung im Deutero-
nomium geworden. Die deuteronomistischen Bearbeiter, die das Deuterono-
mium wie auch ihr Geschichtswerk im Licht der programmatischen Mono-
latrie des Ersten Gebotes interpretierten, sahen die Gefahr des Abfalls zu den
„anderen Göttern“ überall lauern: Die bloße Nachbarschaft zu Völkern, die
nicht Jhwh verehrten, konnte zum Abfall verführen,'* ebenso der Anblick
fremder Kultstätten,'” erst Recht die Verschwägerung mit Nicht-Jhwh-Ver-
ehrern,'“ von Verführern im eigenen Volk ganz zu schweigen.'” Selbst die
Segnungen des Landes konnten zur Gefahr werden, indem sie träge machten
und vergessen ließen, wem sie zu verdanken waren: Jhwh allein!‘ Und über-
haupt war die Not des Exils nicht deswegen gekommen, weil Jhwh das Volk,
sondern weil das Volk Jhwh vergessen hatte.'”” Nur wer dies beherzigte, die
Verfehlungen der Vorfahren nicht wiederholte, sondern sich trotz aller Not
allein Jhwh zuwandte, konnte auf seine heilvolle Zuwendung hoffen.
Alle diese Gefahren, welche die Formulierung des Ersten Gebots notwen-
dig machten, werden spätestens in den ersten Jahren nach der Einweihung
des Zweiten Tempels im Jahr 515 v.Chr.'” unübersehbar zu Tage getreten
sein. Der Wiederaufbau des Tempels in Jerusalem hat die alten Restitutions-
hoffnungen offenbar neu belebt, man denke nur an die Verheißungen der
Propheten Haggai und Sacharja an den damaligen Statthalter Serubbabel.'”
Doch auch hier ist in der Folgezeit vermutlich manche Hoffnung enttäuscht
worden: Als Staat mit einem Staatskult wurde Juda nicht restauriert. Serubba-
bel verschwand vermutlich sang- und klanglos dorthin, wo er hergekommen
war, vielleicht nach Babylonien.'”” Jerusalem war keineswegs die Hauptstadt
eines Königreiches, ja nicht einmal der Verwaltungssitz einer persischen Pro-
vinz, auch wenn die auf Alt zurück gehende These, wonach Juda von Jerusa-
14 Din 6,14.
כ
DEN Te
147 Din 13; 17,2-5; 18,20.
148 Din 6,12; 11,16f.
19 Den 8. חוהי,, " חכש8,11.14.19; vgl. Ri 3,7; 1Sam 12,9.
150 EDELMAN, Origins, passim bestreitet jetzt die übliche Datierung von Wiederaufbau
und Einweihung des Jerusalemer Tempels in die Jahre 520-515 v.Chr. Beides stehe mit einer
Neuorganisation der Provinz Jehud um die Mitte des 5. Jahrhunderts v.Chr. unter Artaxer-
xes I. (465-425 v.Chr.) in Zusammenhang; vgl. aaO. 340-351.
151 Hag 2,20-23; Sach 4,6-10a; vgl. REVENTLOW, Haggai, Sacharja und Maleachi, 28-31.
60-63.
152 Vgl. DONNER, Geschichte, 449.
2.1 Monolatrie im Denteronomium 39
1
lems alter Rivalin Samaria aus verwaltet wurde,” im Lichte der jüngeren For-
schung aufzugeben ist.'”* Der Alt noch unbekannte epigraphische Befund be-
zeugt die Existenz einer eigenständigen persischen Provinz Juda im 5. Jahr-
hundert v.Chr. nicht nur besser als jene der Provinz Samaria,'” Mittmann hat
darüber hinaus überzeugend gezeigt, dass Alts Hypothese auch auf Grundlage
der literarischen Quellen unwahrscheinlich ist.'” Vieles spricht dafür, dass
jedenfalls der Kernbereich des eliminierten Königreichs Juda 587/86 v.Chr.
in eine neubabylonische Provinz umgewandelt wurde,'” deren Verwaltungs-
sitz Mizpa war — Verwaltungsstrukturen, die von den Persern sehr wahr-
scheinlich zunächst übernommen wurden.'” Die Nähe zu Mizpa, heute ge-
wöhnlich mit dem ca. 12km nördlich von Jerusalem gelegenen Te// en-Nasbe
identifiziert,” könnte den Aufschwung Bethels im 6. Jahrhundert v.Chr. er-
klären.‘ Zwar könnte es auch in Mizpa selbst einen Jhwh-Tempel gegeben
haben, da Verwaltungszentren gewöhnlich mit wenigstens einem Tempel aus-
gestattet waren.‘ „Wahrscheinlich aber trat Bet-El, ähnlich wie Mizpa, zu-
mindest für eine gewisse Zeit in die Lücke ein, die Jerusalems Zerstörung
gerissen hatte.“'‘” Sollte dies zutreffen, muss man gar nicht erst bis nach Sa-
maria blicken, um zwei weitere Orte zu finden, wo man sicher kein Interesse
daran hatte, Jerusalem zum Zentrum von irgendetwas — erst recht nicht des
Jhwh-Kultes — werden zu lassen. Erst der von der persischen Reichsverwal-
tung betriebene Ausbau Jerusalems zum Zentrum Jehuds in der Mitte des 5.
Jahrhunderts v.Chr. gab den Ausschlag zugunsten des Jerusalemer Heilig-
tums.'”° Der nachexilische Jhwh-Kult in Jerusalem war eben kein Staatskult
153 Vgl. ALT, Rolle, 328; GALLING, Studien, 71, oder aus jüngerer Zeit z. B. KÖCKERT,
TRE 29, 748 oder BEDFORD, Temple Restoration, 45.
154 Vgl. HOGLUND, Administration, 86 (mit Diskussion der These Alts aaO. 69-86);
MITTMANN, Tobia, 28-43; BLENKINSOPP, Bethel, 96f.;, SCHAPER, Numismatik, 164f.;
KRATZ, Statthalter, 99f.; EDELMAN, Origins, 144.154.195-197 u. 6.; in diese Richtung schon
WOLFF, Haggai, 22 („Provinz nicht erst unter Nehemia“).
155 Vgl. KRATZ, Statthalter, 100; EDELMAN, Origins, 236-238.
156 Vgl. MITTMANN, Tobia, 30-38.
157 Dies entspräche gängiger Praxis neubabylonischer Herrschaft; vgl. HOGLUND, Admi-
nistration, 84f.
158 So auch ALT, Rolle, 317.
159 Vgl. WEIPPERT, BRE?, 227f.; ELLIGER, BHH 2, 1228.
160 Vgl. BLENKINSOPP, Bethel, 96.99; KÖHLMOOS, Bet-El, 307.
161 Vgl. EDELMAN, Origins, 347.
162 KÖHLMOOS, Bet-El, 307; vgl. BLENKINSOPP, Bethel, 98.104.
16 Vgl. KÖHLMOOS, Bet-El, 197. Vielleicht wurde das Jhwh-Heiligtum im Zuge dieser
Entwicklung aufgegeben, doch hat es offenbar weiterhin kultische Einrichtungen in Bethel
gegeben; vgl. aaO. 308. Zur Neuorganisation Jehuds unter Artaxerxes 1. vgl. jetzt EDELMAN,
Origins, v. a. 340-351. Die dort angeführten politisch-strategischen Gründe für einen Aus-
bau Jerusalems zum Verwaltungssitz der Provinz sind im Großen und Ganzen einleuchtend.
Das gilt weniger für die Annahme, auch der nachexilische Tempel sei erst zu dieser Zeit
errichtet worden. Auch EDELMAN, aaO. 214.222 nimmt an, dass der Ort bewohnt war. Das
40 Kapitel 2: Der eine Gott und die anderen Götter
לְך פֶּסֶל-לאִמַעָשַה
בַּמַיִם מִפָּחַת לְאֶרֶץaT בְּמָרֶץ מִפְּחַתyam תְּמוּנֶה אַשֶָר בַּשְמַיִם מִמַעַל-כֶּל
Du sollst dir kein Bild machen, irgend ein Abbild von etwas, das im Himmel oben oder
auf der Erde unten oder im Wasser unter der Erde ist.
Fehlen einer Stadtmauer widerspricht keineswegs der Existenz eines Heiligtums, das aaO.
333 Samaria als Provinzhauptstadt zugestanden wird, denn „for the entire Persian period
Samaria apparently never possessed a city wall system“ (HOGLUND, Administration, 85).
164 So schon ZIMMERLI, Gebot, 236-238. Den logischen literarkritischen Schluss zog al-
lerdings erst MORAN, Conclusion, 553; vgl. LEVIN, Dekalog, 170; DOHMEN, Bilderverbot,
214; METTINGER, Aniconism, 175f.
2.2 Bilderverbot im Denuteronomium 41
Ausgehend von der Überlegung, dass Unterschiede zwischen den Dekalogfassungen „weder
als Unfälle der Textüberlieferung noch als beliebige Variationen der Dekalogpredigt ... son-
dern bis zum Beweis des Gegenteils als gewollte Abweichungen“!65 zu erklären sind, sieht
Frank-Lothar Hossfeld den von Walther Zimmerli aufgezeigten Bezug des Anbetungs-
(Ex 20,5a//Dtn 5,9a) auf das Fremdgötterverbot (Ex 20,3//Dtn 5,7) nur im Deuteronomi-
umdekalog. Durch das zusätzliche ) sei in Ex 20,4 von לֶסָפ und MAN, also von einer Mehr-
zahl die Rede, auf die die pluralischen Suffixe in Ex 20,5a bezogen seien.!% Die dadurch
erfolgte Aufteilung des im Deuteronomium Fremdgötter- und Bilderverbot umfassenden
Ersten Gebots in zwei Gebote habe dann zur Zusammenfassung der beiden Begehrensver-
bote am Ende des Exodusdekalogs (Ex 20,17) geführt, um die Zehnzahl der Gebote zu
erhalten.!6” Dass aus einem einzigen Buchstaben tatsächlich so weitreichende Schlüsse gezo-
gen werden dürfen, ist angezweifelt worden,!6 doch die explikative Deutung des ו in
Ex 20,41% macht Dtn 5,8 in jedem Fall zur lectio difficilior. Mit Blick auf Ex 20,4//Dtn 5,8
spricht das für Hossfelds These der Priorität der Deuteronomiumfassung.!7° Als Vorlage des
dekalogischen Bilderverbots im Deuteronomium fällt Ex 20,4 somit aus.!7!
Wie schon das Fremdgötterverbot macht auch das Bilderverbot des Dekalogs
eine programmatische Aussage: Keine Kultbilder! Damit sind zwar noch
nicht ausdrücklich Jhwh-Bilder verboten, denn anders als in Dtn 4,15f. steht
das Bilderverbot hier noch „ganz im Schatten des Verbots der Fremdgötte-
rei“:”*Fremdgötterdienst ist Bilderdienst. Damit muss nicht implizit voraus-
gesetzt sein, dass Jhwh-Dienst zur Zeit der Einfügung des Bilderverbotes in
den Dekalog tatsächlich bilderlos war,” aber zumindest in der Vorstellung
seines oder seiner Verfasser sollte Jhwh nicht im Bild verehrt werden.”*
Doch auch wenn die Kultbilder hier ganz gezielt in den Bereich der Fremd-
götterverehrung eingeordnet werden, sind die fremden Götter und ihre Bilder
doch nicht derart gleichgesetzt, als gelte die Verehrung primär dem Bild,
hinter dem eigentlich gar keine göttliche Macht steht,'” als seien Kultbild und
176 Vgl. DOHMEN, Bilderverbot, 223 sowie HOSSFELD, Dekalog, 21-24 mit weiterer Lite-
ratur.
177 Vgl. HOSSFELD, Dekalog, 273; DOHMEN, Bilderverbot, 224; SCHMIDT, Glaube, 118f.
Da das Erste Gebot, wie sich gezeigt hat, im Werk der ersten Deuteronomisten noch keine
Rolle spielte, sondern selbst eine Ergänzung in der deuteronomistischen Literatur darstellt,
wird man das noch spätere Bilderverbot auch in seiner Grundform kaum noch „früh-dtr“
(so DOHMEN, ThWAT VI, 694) nennen können.
178 DOHMEN, Bilderverbot, 223-225 sieht die Relativsätze als weitere Ergänzung an, was
bereits, wenn auch als Frage formuliert, ZIMMERLI, Gebot, 235 Anm. 3 zur Diskussion stellt.
HOSSFELD, Dekalog, 261 Anm. 174 geht dagegen davon aus, dass der Prohibitiv nur einmal
ergänzt wurde; vgl. OTTO, Deuteronomium im Pentateuch, 171.
ודלAußerhalb des Deuteronomiums noch viermal: Ex 20,4 (=Dtn 5,8); Num 12,8;
Ps 17,15; Hi 4,16.
'% Zu den umstrittenen literarkritischen Verhältnissen in Dtn 4,1-40 vgl. unten 2.2.4.1.
181 Vol. HOSSFELD, Dekalog, 21.
182 Vol. DOHMEN, Bilderverbot, 219.
183 Vol. OTTO, Deuteronomium im Pentateuch, 171.
1% D. h. dem Verfasser bzw. Bearbeiter von Dtn 4.
15 HOSSFELD, Dekalog, 261; vgl. aber DOHMEN, Bilderverbot, 219.223£. mit Anm. 488.
1% Diese Meinung unterstreicht HOSSFELD, aaO. Anm. 174 noch, wenn er zur Annahme
identischer Bearbeiterschaft bemerkt: „Es bleibt die Crux des syntaktischen Anschlusses der
Relativsätze an die Apposition in 5,8. Daß der Redaktor flüssiger und präziser formulieren
kann, zeigt er in 4,16-18.“ Diese Verse werden von Hossfeld freilich einer anderen Bear-
beitung als 4,23.25 zugewiesen. Vgl. auch DERS., Rez. von D. Knapp, Deuteronomium 4, 885.
2.2 Bilderverbot im Deuteronomium 43
®
durchaus möglich. Sollte diese Ergänzung des Dekalogs in Dtn 5,8 tatsächlich dem Penta-
teuchredaktor zuzuschreiben sein, also einer bewussten Bearbeitung des Zusammenhanges
Gen-Dtn unter Einschluss der Exodusfassung des Dekalogs, stellt sich freilich wieder die
Frage, warum sich Ex 20,4 von Dtn 5,8 durch ein zusätzliches ) unterscheidet, das sich doch
am einfachsten als gegenüber Dtn 5,8 sekundär erklären lässt. Warum sollte der Pentateuch-
tedaktor mit der Abfassung von Dtn 4 den Dekalog nur in Dtn 5,8 oder zugleich in Ex 20,4
in leicht abgewandelter Form ergänzt haben?
das dekalogische Verbot der Kultbilder trifft sie aber offenbar nicht. Im Deuteronomium
werden sie nur an drei Stellen erwähnt, 7,5; 12,3 und 16,21f.
In Dtn 28,36.64 werden die durch das Erste Gebot verbotenen fremden
Götter mit Holz und Stein gleichgesetzt:
Die Materialliste wird um Silber und Gold erweitert und die daraus gefertig-
ten Bilder werden nun gar nicht mehr als „Götter“ der Völker, sondern als
Das Verbot der Erwähnung des Namens anderer Götter dürfte ähnlich
schwer zu überwachen sein, wie jenes der heimlichen Aufstellung eines Bil-
des. Und wie das Fremdgötterverbot in Ex 23,13 jenes des Dekalogs voraus-
setzen und verschärfen dürfte,” wird auch die Verfluchung dessen, der Göt-
terbilder im Geheimen aufstellt, das Verbot der Bilderverehrung im öffentli-
chen Raum voraussetzen. So weisen sowohl die Bedeutung des Bilderverbots,
das hier jene Funktion übernommen hat, die im Deuteronomium in der Regel
dem Ersten Gebot zukommt, als auch das explizite Ausgreifen der Bestim-
mung in den privaten Bereich auf eine sehr junge Herkunft von Dtn 27,15
hin.”
Auffällig ist das Begriffspaar boD הָכָּסִמ/ das in der deuteronomistischen Literatur lediglich
hier und Ri 17-18 auftritt.203 508 ist der Terminus technicus des dekalogischen Bilderver-
bots „und bezeichnet eine Skulptur, ohne daß über deren Material oder Aussehen weitere
Festlegungen getroffen wären.“20* Das von ךסנ abgeleitete Wort 728% gehört dagegen deut-
lich in den Bereich der Metallverarbeitung, hat jedoch kaum ausschließlich die Bedeutung
„hämmern, schmieden“2®, sondern auch die Bedeutung „gießen“.?0° Der Begriff kann des-
halb nicht nur den metallenen Überzug eines im Kern hölzernen Kultbildes beschreiben,
sondern auch das Kultbild selbst bezeichnen.?0” Er steht oft im Zusammenhang mit dem
Stierkult von Bethel.208® Es scheint, als würden in Dtn 27,15 Stierkult und Zweites Gebot
zusammengeführt, um endgültig klarzustellen, dass der Staatskult des Nordreiches gegen das
Bilderverbot verstieß, ein der ersten Fassung der Königebücher noch fremder Vorwurf: Ihr
ging es um die Frage der Kultzentralisation.?0 Durch die Anspielung auf die Stierbilder des
Nordreichkultes in Dtn 27,15 wie wohl auch in 2Kön 17,16210 wird jedes private Götterbild
zu ihnen ın Beziehung gesetzt und so mit jenem Urteil belegt, das der Epilog 2Kön 17,7-
23211 über die Geschichte des Nordreiches Israel fällt.212
211 Für eine ausführliche Analyse des Epilogs vgl. AURELIUS, Zukunft, 71-95.
212 Fine ähnliche Absicht könnte auch hinter Ri 17-18 stehen, auch wenn dort nicht von
einem Stierbild, sondern ganz allgemein von הכסמו לספdie Rede ist.
213 Die Verse (6)7-16 unterscheiden sich thematisch deutlich von 1-5(6) und 17ff. So
herrscht trotz der Vielzahl an Hypothesen zu Dtn 7 (vgl. ACHENBACH, Israel, 212: „Unklar
ist also so ziemlich alles“) weitgehend Einigkeit darüber, dass der das Verhältnis zwischen
Jhwh und Israel behandelnde, auf Erwählung und Verheißung ausgerichtete Mittelteil in
Kapitel 7 sekundär ist. Vgl. PERLITT, Bundestheologie, 58ff.; PREUSS, Deuteronomium, 49;
AURELIUS, Fürbitter, 25f.; VEIJOLA, Redaktion, 158-162; PAKKALA, Monolatry, 94f. Anders
LOHFINK, Hauptgebot, 167-188 v.a. 185f. (Grundschicht: 1-5*.13-16*.20*.22-24*);
ACHENBACH, Israel, 238 (Grundschicht: 1-3a.6.12b-16a0); WEINFELD, Deuteronomy 1-11,
380 („coherent chapter ... basically built upon Exod 23:20-33°). Ob der den Erwählungs-
gedanken einbringende V.6 ursprünglich an V.3 angeschlossen und die Fortschreibungen
zum Thema Erwählung ab V.7 motiviert hat, oder selbst den Erweiterungen in Dtn 7 zuzu-
rechnen ist, kann hier offen bleiben.
214 Vgl. VEIJOLA, Redaktion, 159.
215 Das Verschwägerungsverbot V.3 hängt logisch mit dem Bundesschlussverbot V.2 zu-
sammen und ist anders als V.4 dessen integraler Bestandteil; vgl. PAKKALA, Monolatry, 95.
216 Vgl. AURELIUS, Ursprung, 19, mit dem Hinweis, dass auch die Grundschicht in
Dtn 7,1-6 kaum älter als das Erste Gebot sein wird, da die Mischehenproblematik erst im 5.
Jahrhundert v.Chr. zum offensichtlichen Problem wurde. Es wird kein Zufall sein, dass
„Esra [...] das Mischehenproblem seiner Tage ganz auf der Linie von DtrN [löst]“, SMEND,
Entstehung, 124.
217 Vgl. ACHENBACH, Israel, 218.
48 Kapitel 2: Der eine Gött und die anderen Götter
weiteres Gebot hinzugefügt wird, das nun nicht mehr die fremden Götter,
sondern ihre Kultstätten im Blick hat:”"®
ּ וּמַצַבְתֶם תְּשַבָּרוnhsı » מִזְבְּחתִיהֶםmo ּכִּיהאַמ"ְפה חַעָשו
»nu ַאָשִירָהֶם תְּנְעוּן וּפְסִילִיהֶם תִּשֶרפוּן
Sondern so sollt ihr mit ihnen tun: Ihre Altäre reißt nieder und ihre Mazzeben zerbrecht
und ihre Ascheren haut um und ihre Bilder verbrennt mit Feuer.
pam םֶהיִהְלֶא םֶתְצַמִנְ םֶתחּבְזִמתֶא םֶתְרּבשְו םֶתבַצמִתֶא םֶהיִרָשַאְו ןופרָשִּת שֶאְּב יִליִסְפּו
Und ihr sollt ihre Altäre niederreißen und ihre Mazzeben zerbrechen und ihre Ascheren
mit Feuer verbrennen und die Bilder ihrer Götter umhauen.
ihrem unmittelbaren Kontext sekundär sind.” Für die Priorität von 7,5 ge-
genüber 12,3 wurde vorgebracht, die Wortstellung in 7,5 sei „sachlich ange-
messener“.”° Man mag darüber streiten, ob es sachgerecht ist, vom Verbren-
nen von Bildern zu sprechen.” Da die Götterbilder des Alten Orients, jeden-
falls die großen Kultstatuen in den Tempeln, aus einem Holzkern bestanden,
der mit Auflagen aus Metall überzogen war,” ist es jedenfalls nicht per se
unvorstellbar, ein Götterbild zu verbrennen. Und da eine „Aschere“, sofern
mit dem Begriff nicht eine Göttin, sondern ein Kultobjekt bezeichnet ist,
zweifellos ein Gegenstand aus Holz, möglicherweise ein stilisierter Baum
wat, ist es sicher sachgerecht, ihre Zerstörung mit dem Verb עדנ (umhauen)
zu beschreiben. Dass die Ascheren in Dtn 12,3 verbrannt werden sollen, hebt
sie allerdings von „jedem grünen Baum“ (197 (ץַעדלָּכ in 12,2 ab. Sie zu fällen
wäre ebenfalls mit עדג anzuordnen, doch das Gebot richtet sich nicht gegen
die Bäume an sich, sondern gegen die Kultstätten, die unter ihnen liegen. Die
(typische) Lage eines Kultortes und seine Kultobjekte werden so deutlicher
unterschieden. Das in 12,3a über 7,5 hinausgehende םֶהיַהְלֶא erklärt sich durch
den folgenden Halbvers Dtn 12,3b:
Erst durch םֶהיַהְלֶא in 12,3a und den Hinweis auf „diese Stätte“ ist EAU in
V.3b eindeutig auf die fremden Götter und nicht auf die fremden Völker be-
zogen.” Diese Klarstellung ist insofern von Belang, als es eine Textstelle im
Deuteronomium gibt, welche die Ausrottung des Namens zwar nicht explizit
der fremden Völker, aber ihrer Könige ankündigt, Dtn 7 24%
222 Zum sekundären Charakter von Dtn 7,4-5 im Verhältnis zu 7,1-3.6 vgl. PAKKALA,
Monolatry, 94-97. Themenwechsel (erst und innerhalb von Dtn 7,1-6 nur hier geht es um
die Kultstätten der fremden Völker), Numeruswechsel und die Einleitung mit םאיִּכ zeigen
an, dass V.5 seinerseits möglicherweise jünger als V.4 ist; vgl. ACHENBACH, Israel, 218.
Dtn 12,2-7 gehören zu den jüngsten Stücken in Dtn 12. Innerhalb dieser Verse ist der Pro-
hibitiv V.4 auffällig, der durch ]3 syntaktisch auf V.3 bezogen ist, logisch aber auf das V.2
geschilderte Tun der Völker an ihren Kultstätten bezogen sein muss; vgl. REUTER, Kultzent-
ralisation, 52. Auch innerhalb der Rahmenverse von Dtn 12 scheint also, wie im Dekalog,
das Fremdgötterverbot nachträglich durch das Bilderverbot ergänzt worden zu sein; vgl.
VEIJOLA, Redaktion, 156 mit Anm. 23.
223 MERENDINO, Gesetz, 22.
224 HOFFMANN, Reform, 345f. sieht darin eine „Schwierigkeit“.
225 Vgl. BERLEJUNG, Theologie, 37; NIEHR, Search, 79. Vgl. auch Din 7,25.
226 Vgl. DE MOOR, ThWAT 1, 477f£.
227 Vgl. MERENDINO, Gesetz, 22.
28 שםund אבדstehen im ganzen Alten Testament nur sechsmal im selben Vers, wobei
sie nur viermal unmittelbar aufeinander bezogen sind, also vom Ausrotten oder Vernichten
des Namens die Rede ist: Dtn 7,24 (Name der Könige); 12,3 (Name der Götter); Ps 9,6
(Name der Gottlosen); Ps 41,6 (Name des Beters in der Rede seiner Feinde). Ein mittelbarer
50 Kapitel 2: Der eine Gott und die anderen Götter
Dieser Vers in Kapitel 7 ist nun mindestens so alt wie V.5,“” vielleicht sogar
. . . . . . 229 . .
Bezug besteht in Hi 18,17: „Sein [des Gottlosen, s. V.5] Andenken verschwindet von der
Erde, und weit und breit hat er keinen Namen.“ Die sechste Stelle ist Jer 27,15.
229 VEIJOLA, Redaktion, 160 rechnet Dtn 7,4-5.12-16.20.22-24 zur bundestheologischen
Redaktion DtrB. Was das typisch bundestheologische an den Versen 22-24 ist, bleibt frei-
lich offen. V.22 ist offensichtlich ein Zusatz zum Kapitel (vgl. AURELIUS, Fürbitter, 24;
ACHENBACH, Israel, 238), wirkt aber auch noch innerhalb von 22-24 befremdlich, scheinen
doch die VV.23f. nichts von möglichen Verzögerungen zu wissen. V.23f. passen aber her-
vorragend in das schon von Veijolas Grundschicht vorgegebene Thema der Vertreibung der
im Land ansässigen Völker.
#0 Zur Grundschicht von Dtn 7 rechnen ihn etwa LOHFINK, Hauptgebot, 1858; PREUSS,
Deuteronomium, 49; AURELIUS, Fürbitter, 26-28.
231 Der andere denkbare Weg, dass Dtn 12,3 das Motiv der Ausrottung des Namens aus
7,24 übernommen hat und dann seinerseits, nun unter Fortlassung des Namensmotivs, in
7,5 aufgenommen wurde, ist an sich schon komplizierter. Zudem weisen die gewöhnlich
derselben Schicht wie 12,2£. zugerechneten Verse am Ende von Kapitel 12 auch noch einmal
auf Dtn 7 zurück (vgl. MERENDINO, Gesetz, 40f.).
232 Vgl. AURELIUS, Fürbitter, 24.
29 Zum Begriff הָבָעְוִת vgl. unten Kap. 4.2.1.4. Man hat wohl an den in der Hitze des
Feuers eingeschmolzenen Metallüberzug zu denken, der freilich gar nicht mehr als Rest ei-
nes Götterbildes erkennbar sein wird. Der Ausdruck םַהיַהְלֶא יִליִסַּפhängt mit Dtn 12,3
zusammen, dem einzigen anderen Beleg; vgl. MERENDINO, Gesetz, 22
2% Vgl. von RAD; Deuteronomium, 82f.; MERENDINO, Gesetz, 1575; ROSE, Ausschließ-
lichkeitsanspruch, 51; 5.Mose, 68; SPIECKERMANN, Juda, 217 Anm. 123; DOHMEN,
Bilder-
verbot, 268f.
25 Vgl. SPIECKERMANN, Juda, 217 Anm. 123; DOHMEN, Bilderverbot, 268.
2.2 Bilderverbot im Denteronomium 51
(V.22) ... passen schlecht in den Kontext der Bestimmungen über das Gerichtswesen.“236
Auch diese Beobachtung ist nicht neu. Schon Wellhausen bemerkt, dass IS2lel7T 2.
mindestens an verkehrter Stelle [steht]“23” und dass sich „16,21.22 ... zu 12,29-31, 17,1-7 zu
Kap. 13 [stellt]“.2®® Gertz hat nun überzeugend dargelegt, dass Dtn 16,21f. sich deshalb zu
12,29-31 stellen, weil sie von Dtn 12,2-7.29-31 abhängig sind.23° Die Nennung von Maz-
zebe und Aschere in Dtn 16,215. ist daher nicht der älteste, sondern der jüngste Beleg für
diese Kultobjekte im Deuteronomium. Wie Din 7,5 und 12,3 gehören somit auch 16,21f.
nicht zur Vor-, sondern zur Wirkungsgeschichte des Bilderverbots.
Dtn 9,12.16, die bislang noch nicht behandelten Belegstellen für „Bilderter-
minologie“ im Deuteronomium, stehen im Kontext der Deuteronomiumver-
sion der Erzählung vom Goldenen Kalb, die ein weiteres Mal im Kapitel 32
des Exodusbuches überliefert ist. Dass Dtn 96 einen Grundbestand von
Ex 32 voraussetzt, ist weitgehend anerkannt.” Dieser Grundbestand”" wird
jedenfalls Anfertigung und Zerstörung des goldenen Kalbes enthalten, da
hierin „die Mitte der Erzählung, von der alle Nebenzüge ihre Existenz ha-
ben“, * liegt, und die Erzählung von der Einführung des Stierkultes in Bethel
und Dan durch Jerobeam I. (1Kön 12,26ff.) voraussetzen.”” „Dies geht
schon daraus hervor, daß die Stierbilder in 1Kön 12 unbeschadet der dtr Per-
spektive der Darstellung an ihrem historischen Ort zu stehen kommen, wäh-
rend Ex 32 das Kalb samt seiner in 1Kön 12 und 2Kön 17,21-23 )הלדג האטח
»große 50666 vgl. Ex 32,21.30f.) vorgegebenen Abwertungen aus theologi-
schen Gründen in die Wüste verfrachtet.“”** Und während der älteste Epilog
zur Geschichte Israels wie 1Kön 12,284 die entscheidende kultische Verfeh-
lung dem König allein anlastet (,,‚Jerobeam aber hatte Israel davon abgebracht, Jhwh
nachzufolgen, und hatte sie zu einer großen Sünde verführt”, 2Kön 17,21b; „Da be-
schloss der König zwei goldene Kälber anzufertigen“, 1Kön 12,28a), lastet sie
Ex 32,1b dem Volk an, das zu Aaron spricht:
ּ לְפָנִינו7691 ruS קוּם עָשַהלְנוּ אֶלְהִים
Auf, mache uns Götter, die vor uns herziehen!
Damit befindet sich Ex 32 auf einer Linie mit den späteren Schichten von
2Kön 17,7-23, welche mehrfach die kultischen Vergehen ebenfalls dem Volk
anlasten und so die Verantwortung für den Untergang Israels kollektivieren,
etwa 2Kön 17,7a:
Schon die Grundschicht von Ex 32 ist daher frühestens exilisch.” Das Er-
gebnis Aarons’ handwerklicher Tätigkeit wird in Ex 32,4b kommentiert:
den Blick, nämlich den Untergang Israels, den der älteste Epilog zu seiner Geschichte in
2Kön 17,21-23 als Strafe für die bereits am Sinai präformierte „Sünde Jerobeams“ erklärt.
Zur Beziehung zu diesem Epilog vgl. AURELIUS, Fürbitter, 5
24 GERTZ, Beobachtungen, 92. Weitere Gründe aaO., 93-95. Dagegen kommt HAHN,
Kalb, 312f. zu dem Ergebnis, dass „die Ansicht, daß die Erzählungen Ex 32 und
1Kön 12,26ff im Ganzen voneinander literarisch abhängig sind, [aufzugeben]“ sei. Wie
GERTZ, Beobachtungen, 92f. Anm. 28 anmerkt, wäre natürlich möglich, dass Ex 32 und
1Kön 12,26ff. auf eine nicht mehr erhaltene mündliche oder schriftliche Tradition zurück-
gehen, doch sollte man nicht mit Unbekanntem argumentieren, wo Bekanntes zur Erklärung
ausreicht. Vgl. auch VAN SETERS, Life, 299f.
245 V,7b dürfte wegen der ungewöhnlichen Wendung „andere Götter fürchten“ ein später
Zusatz zu V.7a sein; vgl. FLOSS, Jahwe, 432f.; AURELIUS, Zukunft, 81. Die Erwähnung der
beiden Kälber in 2Kön 17,16, deren Herstellung dort ebenfalls dem Volk angelastet wird,
dürfte nicht unmittelbar auf Ex 32, sondern auf Dtn 9,12 zurückgehen; vgl. aaO. 84f.
26 Dass das Urbild der „Sünde Jerobeams“ in der Vorgeschichte Israels und Judas ange-
siedelt wird, deutet darauf hin, dass nicht nur der Untergang des Nordreiches Israel sondern
auch jener des Südreiches Juda vorausgesetzt sind; vgl. GERTZ, Beobachtungen, 97£.; VAN
SETERS, Life, 300. i
2.2 Bilderverbot im Denteronomium 53
Die Bezeichnung des goldenen Kalbs als „Götter“, die obendrein auch noch
gemacht )השע ,V.1, vgl. Dtn 5,8/Ex 20,4: 508 (הַָשַעַָמְדאל-ִּךְל werden, dürfte die
Verbindung von Fremdgötter- und Bilderverbot im Dekalog voraussetzen.
Wenn nämlich םיִהלֶא ein Gegenstand ist, der von Menschen gemacht wird,
gilt die Verehrung dem Bild selbst. Der gegenüber Ex 32,4 jüngere Vers 8°*
verdeutlicht dies noch, indem er ausdrücklich konstatiert, das Volk sei vor
dem Kalb niedergefallen und habe ihm geopfert.
1Kön 12,28bß identifiziert auf nahezu identische Weise wie Ex 32,4.8 die Kultbilder Jero-
beams mit םיִהְלא =
247 Wo Gott und Bild gleichgesetzt werden, kann םיִהְלֶא die Bedeutung „Götterbild“
übernehmen. Der „Gott“ wird zum Götzen; vgl. AURELIUS, Ursprung, 10; Götter, 155.165.
248 Die Verse 7-14 sind in Ex 32 sekundär und dürften von der Grundschicht in Dtn 9f.
abhängig sein; vgl. AURELIUS, Fürbitter, 11f.41-44; DOHMEN, Bilderverbot, 129; PFEIFFER,
Heiligtum, 38.
249 Vgl. NOTH, Könige, 282; WÜRTHWEIN, Könige, 164.
250 Vgl. HOFFMANN, Reform, 66.
251 Vgl. PFEIFFER, Heiligtum, 40f.
252 MOTZKI, Stierkult, 475. Dagegen lässt für PFEIFFER, Heiligtum,
48 gerade V.28b „kei-
nen Zweifel daran aufkommen, daß in den Stierbildern Jerobeams Jahwe verehrt wurde.“
253 Gegen PFEIFFER, Heiligtum, 29 mit KÖHLMOOS, Bet-El, 187f.
254 Vgl. HAHN, Kalb, 272 mit Anm. 35.
255 So STADE/SCHWALLY, Kings, 131; PFEIFFER, 1 28.
54 Kapitel 2: Der eine Gott und die anderen Götter
eine sie betreffende Aussage zu erwarten.®5° Der Übergang zur Rede an das Volk ist recht
abrupt. Die natürliche Fortsetzung von V.28a ist dagegen in V.29 zu finden:
im Ersten Gebot findet, übernommen hat. Dabei sahen die Verfasser der Grundschicht von
Ex 32 die „Sünde Jerobeams“ bereits im Licht der dekalogischen Verbindung von Fremd-
götter- und Bilderverbot. Diese Interpretation dürfte wegen der unterschiedlichen Formulie-
rungen am Beginn von Ex 32,4b bzw. 1Kön 12,28b erst in einem weiteren Schritt ins erste
Königebuch eingetragen worden sein.
Dtn 9,12.16 setzen also mit der Grundschicht von Ex 32 die Verbindung von
Fremdgötter- und Bilderverbot im Dekalog voraus. Das Fehlen des „Kultru-
fes“”°* Ex 32,4b.8bß in Dtn 9 kann nicht bedeuten, dass das Fremdgötterver-
bot hier unbekannt wäre. Zwar wird die Episode vom goldenen Kalb ganz
„durch die Brille des dekalogischen Bilderverbotes [betrachtet]
“”® — an der
Bilderfrage entscheidet sich, ob man den von Jhwh gebotenen Weg verlassen
hat — aber es ist doch zweifellos vorausgesetzt, dass Israel ausschließlich Jhwh
verehren darf.
(1) Bilderverbote außerhalb des Deuteronomiums: Ex 34,17, Lev 19,4; 26,1; Ex 20,23
264 Zur Frage seiner Nähe zu Num 23,22; 24,8a vgl. PFEIFFER, Heiligtum, 51f.
26 DOHMEN, Bilderverbot, 129.
266 So schon DOHMEN, Bilderverbot, 229.269.
56 Kapitel 2: Der eine Gott und die anderen Götter
27 Nach DOHMEN, Bilderverbot, 271 „ist es durchaus möglich und wahrscheinlich, daß
die Formulierung von Ex 20,23 für die dekalogische Bilderverbotsformulierung Pate gestan-
den hat.“ Argumente dafür liefert Dohmen aaO. 271£f.
268 Vol. DOHMEN, Sinaibund, 73 Anm. 66: „Ex 20,23 ist nicht von Ex 20,22 zu trennen,
sondern zusammen mit diesem Vers einer nachpriesterlichen (RP) Redaktion zuzuweisen,
die schon den Dekalog von Ex 20 voraussetzt.“
269 Vgl. DOHMEN, Bilderverbot, 180-184.
20 50 auch HALBE, Privilegrecht, 122-126.215-219; HOSSFELD, Dekalog, 209f.;
DOHMEN, Bilderverbot, 182, die den Grundbestand des Stückes freilich für sehr alt halten
und deshalb auch die Bezeichnung „Privilegrecht Jhwhs“ verwenden.
לGegen WELLHAUSEN, Composition, 334.
תלVgl. MOBERLY, Mountain, 133f.; AURELIUS, Fürbitter, 1198.; SCHMITT, Privilegrecht,
;167-171 ähnlich ee EERDMANS, Studien III, 85-92.
2.2 Bilderverbot im Deuteronomium 57
Sie sind schnell von dem Weg abgewichen, den ich ihnen geboten habe. Sie haben sich ein
gegossenes Kalb gemacht, sind vor ihm niedergefallen, haben ihm geopfert und gesagt:
Diese sind deine Götter, Israel, die dich aus dem Land Ägypten heraufgeführt haben!
Ex 34,17 wird daher mit Blick auf die Erzählung vom goldenen Kalb, die ih-
rerseits ja bereits das Bilderverbot des Dekalogs voraussetzt, formuliert wor-
den sein.”
273 Vgl. nur MOBERLY, Mountain, 133: „In detail, the dependence of 34:17 ... upon ch.32
is striking.”
274 Vgl. DOHMEN, Bilderverbot, 185-192.
275 ELLIGER, Leviticus, 255.
276 CHOLEWINSKI, Heiligkeitsgesetz, 47.
277 Vgl. HOSSFELD, Dekalog, 144f.
278 Der Begriff findet sich in Gen-2Kön nur hier und Lev 26,1, sonst noch Jes 2,8.18.
20(2x); 10,10.11; 19,1.3; 31,7; Jer 14,14; Ez 30,13; Hab 2,18; Sach 11,17; Ps 96,5; 97,7; Hi 13,4;
1Chr 16,26. \
279 Vgl. ELLIGER, Leviticus, 256; PREUSS, ThWAT I, 308.
280 DOHMEN, Bilderverbot, 189.
231 Vgl. DOHMEN, Bilderverbot, 195-199.
58 Kapitel 2: Der eine Gott und die anderen Götter
Wie schon in Lev 19,4 fällt auch hier das Stichwort ,םֶליִלָא „Nichtse“, jedoch
ist nicht mehr unmittelbar vom Niederfallen vor ihnen die Rede, sondern von
ihrer Herstellung: Wie im Bilderverbot des Dekalogs die Bilder werden hier
die Nichtse „gemacht“ (mV). Die anderen Götter des Ersten Gebots werden
also über Lev 19,4 hinausgehend nicht nur als Nichtse bezeichnet, sondern
auch mit ihren Bildern identifiziert.” Alle drei Prohibitive in Lev 26,1 sind
auf das Bilderverbot bezogen, hinter welches das Fremdgötterverbot zurück-
getreten ist. Den im Bild manifesten Nichtsen wird wie schon in 19,4 auch
hier die Selbstvorstellung Jhwhs entgegengesetzt: DIPS הָוהְי 8 / Ich bin
Jhwh, euer Gott.” Über Lev 19,4 und das Bilderverbot des Dekalogs außerdem
hinausgehend wird die kultische Verwendung von Mazzeben und anderen
heiligen Steinen ausdrücklich untersagt.” Lev 26,1 wird daher keineswegs
älter, sondern eher jünger als der ihm nahe stehende Vers Lev 19,4 sein.
muN :25,33 >b-nuamo הָאֶרֶץ מִפְּנִיכֶם וְאַבַּדתֶּם אֶת0a וְהוּרְשְתֶּם אֶתְכָּל
ּודיִמְשַּת: םֶתַמָּבu ּודַּבַאִת תֶאְו DH>on mby- כָּלMR
Und ihr sollt alle Bewohner des Landes vor euch her vertreiben und alle ihre Reliefbil-
der28 vernichten und alle ihre gegossenen Bilder vernichten und alle ihre Höhen sollt ihr
auslöschen.
Zwar liegt in Num 33,52 kein Prohibitiv vor, seiner aparten Bilderterminologie wegen seien
dennoch einige kurze Anmerkungen zu diesem „‚Bildersturm‘-Gebot“?® gemacht. Sein er-
zählerischer Kontext innerhalb des Pentateuch ist die unmittelbar bevorstehende Land-
nahme im Westjordanland, in deren Zuge die bisherigen Landesbewohner somit ausnahms-
los vertrieben werden sollen. Die Anweisung erinnert deutlich an Din 7,2ff. und
Dtn 12,2f.,287” mit ihrem Kontext in erster Linie an Dtn 11,31; 12,2f.,288 setzt also die jüngste
Fassung des Kultzentralisationsgebots bereits voraus. Die Terminologie, speziell bezüglich
der Bilder, weicht allerdings deutlich von der Vorlage ab. Der Begriff תיִכשַמ findet sich
allein stehend als allgemeine Bezeichnung für Bildwerk nur hier. Ohne Lev 26,1, wo er als
אֶבָן מַשְכִּיתrehän tmmitseb ,tsi eräw re reih muak .hcildnätsrev nI mehcilnhä enniS tednif re
sich nur noch in Ez 8,12, so dass die Annahme einer literarischen Beziehung dieser drei
Textstellen zueinander nahe liegt, zumal sie sich ergänzend lesen lassen: Lev 26,1 verbietet
die Herstellung der reliefierten Steine, Num 33,52 befiehlt ihre Zerstörung im Zuge der
Landnahme und Ez 8,12 beschreibt den Verstoß gegen das Gebot im Lande durch Israel
selbst. Auch der ebenfalls singuläre Ausdruck םֶתַכָסַמ יִמְלַצkönnte in den םֶתבַעּות יִמְלַצְו
Ez 7,202 eine Entsprechung im Ezechielbuch haben, da auch dort der Kontext die kritisier-
ten Bilder als solche aus Metall ausweist. Das Gebot der Bildervernichtung richtet sich somit
sowohl gegen Bildstelen als auch metallene oder metallüberzogene Plastiken.2°0 Neben den
Bezügen zu verschiedenen späten Texten sieht Achenbach auch in der expliziten Erwähnung
der תומָּב einen Hinweis auf das junge Alter des Textes.2!
Ihr sollt (dies) nicht neben mir machen, Götter aus Silber und Götter aus Gold sollt ihr
euch nicht machen.?”6
V.23b wäre dann wie Ex 34,17 ein vollständiger Prohibitiv mit vorangestell-
tem Objekt, der unvollständige Prohibitiv V.23a dagegen „bewusst als Ellipse
formuliert“.”” Während also etwa Hossfeld, nachdem er sich „von der fehllei-
tenden masoretischen Verseinteilung freigemacht [hat]“, die „ausgewogene
chiastische Konstruktion des Verses ins Auge [sticht]“”, sah Dohmen im als
Ellipse aufgefassten Halbvers 23a einen Nachtrag, der das Bilderverbot 23b
2 - 299 :
um die Konkurrenzaussage des Ersten Gebots ergänze” und einem deutero-
In diesem Gebotspaar sei 7.2420 מטם nicht als Anweisung zum Bau eines
Altars zu verstehen, sondern ziele auf die Durchführung des Opfers ab. Es
solle sichergestellt werden, dass am Ort des Opfers Erde vorhanden sei, da-
mit das Opferblut der Erde übergeben und so eventueller Manipulation ent-
zogen werden könne.” Diese Praxis im Umgang mit dem Opferblut stelle
„ein wesentliches Element nomadischen Opferkultes“ dar, das hier „den Op-
ferpraktiken der urbanen Bevölkerung entgegen“ gestellt werde. Vor dem
Hintergrund des Gegensatzes zwischen städtischer und nomadischer Bevöl-
kerung interpretierte Dohmen nun auch das Bilderverbot V.23b, verstand es
als Ausdruck nomadischer Ablehnung der städtischen Kulttraditionen und
führte es zusammen mit 7.2430 „auf konservative Kreise des staatlich ver-
faßten Israels zurück“. Daher könne „Ex 20,23f in seiner rekonstruierten
Grundform sachlich durchaus den Anfangspunkt der Auseinandersetzung um
Kultbilder darstellen“ und „für die dekalogische Bilderverbotsformulierung
Pate gestanden“ haben. Wenn Ex 20,23 jedoch den Dekalog voraussetzt,
wie Dohmen nun meint, ist dies ausgeschlossen.
Dohmens ursprüngliche Analyse von Ex 20,23 hat den Vorzug, dass sie die Beibehaltung
der masoretischen Versteilung ermöglicht. Ihre Probleme beginnen jedoch bereits bei der
Bestimmung des dann elliptischen Halbverses V.23a als spätere Ergänzung. Muss jede El-
lipse ein Zusatz sein? Auf der literarkritischen Zerlegung von Ex 20,23 ruht aber die ge-
samte folgende Argumentation. Bei aller Zurückhaltung, die Dohmen gegen Hossfeld bei
der Einordnung von einzelnen Versen allein aufgrund ihrer Formulierung anmahnte,3% wird
man die Verbindung von „Göttern“, „machen“, „neben mir“, „Silber“ und „Gold“ schwer-
lich anders erklären können, als dass hier die Kombination von Fremdgötter- und Bilderver-
bot des Dekalogs vorausgesetzt 186.39 Das meinte ja auch Dohmen bereits, als er V.23a deu-
teronomistischen Kreisen zuschtieb, die „den Prohibitiv von Ex 20,23b vom dekalogischen
Bilderverbot her gelesen, um eine Anspielung auf das Fremdgötterverbot erweitert ... und
den gesamten V.23 zur Einbettung in die neu konstruierte Bundesbucheinleitung pluralisch
formuliert“3!0 haben sollten.
Damit ist ein weiteres Problem angesprochen: Um den literarkritisch ausgesonderten
Halbvers 23b in den Kontext der ältesten Bundesbucheinleitung einbetten zu können,
musste Dohmen annehmen, dass das Bilderverbot ursprünglich singularisch formuliert war.
Das ist nicht nur spekulativ,?!! sondern auch erheblich komplizierter als die Annahme, dass
Ex 20,23 als ganzer in die Bundesbucheinleitung eingefügt wurde und möglicherweise die
masoretische Versteilung nicht sachgerecht ist.
Dohmen selbst liefert jedoch alle Hinweise für die wahrscheinliche Erklärung
des Bilderverbots in Ex 20,23. Im Rahmen seiner Analyse von Ex 34,17 weist
er auf eine Verbindung zwischen Ex 20,23; 32,31 und 34,17 hin.”'” Diese
Verse verknüpfen im jetzigen Aufriss der Sinaiperikope den Bundesschluss
(20,23 steht zwischen Dekalog und Bundesbuch) mit dem Bundesbruch
(32,31 konstatiert den Bundesbruch gegen Ende der Episode vom goldenen
Kalb) und der Bundeserneuerung (34,17 steht mitten in der „Bundeserneue-
rungsurkunde“, der kurzen Gesetzessammlung Ex 34,10-26). Betrachtet man
Ex 20,23 als Einheit, spricht nichts gegen die Annahme, dass der Vers im
Zuge der Einschaltung von Ex 32-34 in die vordere Sinaiperikope”” in die
Einleitung des Bundesbuches eingefügt wurde. Nach dem allgemeinen Bil-
derverbot des Dekalogs wird so die Sünde Israels gezielt vorbereitet, indem
konkret Götter aus Metall verboten werden. Dass dieses Verbot sowohl sil-
berne als auch goldene Götter betrifft, ist angesichts des später angefertigten
goldenen Kalbes nur auf den ersten Blick überraschend. Die Nennung von
Gold und Silber in Bezug auf Götterstatuen findet sich auch in Dtn 7,25, ist
also in Ex 20,23 keineswegs einzigartig. Altorientalische Götterstatuen be-
standen aus einem Holzkern, der mit Gold, Silber oder auch mit einer Legie-
rung aus beiden Materialien überzogen war.”'* Im Zusammenhang eines Kult-
bildverbots hat es also durchaus Sinn, beide Materialien auch dann zu nen-
nen, wenn im Rahmen des später geschilderten konkreten Verstoßes nur ei-
30% Vgl. PAKKALA, Monolatry, 118: „Taking the phraseological contacts, it seems that
Ex 20:22aß-23 is nomistic or even late-nomistic. On the other hand, the emphasis on the
other gods’ material aspect could imply that the passage is even later.“
310 DOHMEN, Bilderverbot, 179f. und DERS., Sinaibund, 73 Anm. 66: „Das in Ex 20,23
völlig hinter dem Bilderverbot zurücktretende Fremdgötterverbot bestätigt aufgrund ent-
sprechender Sachparallelen die Spätansetzung.“
311 Vgl. SCHWIENHORST-SCHÖNBERGER, Bundesbuch, 299.
312 Vgl. DOHMEN, Bilderverbot, 182f. Diese Verbindung wird freilich der dtr. Redaktion
zugeschrieben, die nach Dohmen ja auch Ex 20,23a einfügte und V.23b in den Plural setzte.
313 Zum insgesamt sekundären Charakter der Kapitel Ex 32-34 vgl. KRATZ, Komposi-
tion, 139-142.
314 Vgl. BERLEJUNG, Theologie, 49.
62 Kapitel 2: Der eine Gott und die anderen Götter
nes Verwendung findet. Da dem Leser der Sinaiperikope durch die Exodus-
erzählung (Ex 12,35) bekannt ist, dass die Israeliten nicht nur Gold aus
Ägypten mitgebracht haben, hätte die Frage aufkommen können, ob silberne
Statuen etwa erlaubt sein könnten.
Literarische Paten des Prohibitivs 59» ְךְלהַשָעָמִאל lassen sich also nicht
ausmachen. Auch Ex 20,23, das Bilderverbot im Rahmen der jetzigen Bun-
desbucheinleitung, setzt das Bilderverbot des Dekalogs voraus, erweist sich
nicht als Wurzel, sondern als Spross desselben. Auf der Suche nach den Vor-
aussetzungen für die Formulierung des Prohibitivs gilt es daher, den Versuch
zu unternehmen, den von Dohmen ausgemachten „sachlichen Wurzeln des
alttestamentlichen Bilderverbotes“”°, d.h. der Frage nach der traditionellen
Kultbildlosigkeit des Jhwh-Glaubens nachzugehen.
tesp. auch zwischen Stadtgebieten) des Vorderen Orients“.32! Die Untersuchung, aus wel-
cher Dohmen sodann zitiert,?? um seine Definition zu stützen, lässt jedoch schon in ihrem
Titel deutlich werden, dass sie nicht mit den Verhältnissen um die Wende vom zweiten zum
ersten Jahrtausend, sondern mit jenen zwischen dem neunten und fünften Jahrhundert
v.Chr. befasst ist.
Dass die biblischen Erzählungen über die „typischen“ Nomaden der israeliti-
schen Frühzeit, die Erzvätererzählungen der Genesis, nicht das Kolorit der
zweiten Hälfte des zweiten, sondern jenes der ersten Hälfte des ersten vor-
christlichen Jahrtausends tragen, liegt darin begründet, dass sie erst im 8. oder
7. Jh. v.Chr. entstanden oder zumindest intensiv bearbeitet worden sind.”
Rückschlüsse auf die Lebensverhältnisse jener Nomaden, welche um die
Jahrtausendwende möglicherweise in Israel und Juda aufgegangen sind, lassen
die Vätergeschichten daher kaum zu. Für das Nomadentum des ausgehenden
zweiten vorchristlichen Jahrtausends werden dagegen eher jene Verhältnisse
charakteristisch sein, die in den sogenannten Mari-Texten sichtbar werden.”
Demnach muss der Lebensraum der Nomaden sehr viel näher am Kulturland
gesucht werden, als lange angenommen worden ist.» „Kleinviehzucht im
Steppengürtel zwischen Wüste und Kulturland erfordert tägliche Weide und
Tränke und lässt deshalb nur relativ kleinräumige Bewegungen der nomadi-
sierenden Gruppen zu; die klimatischen und ökologischen Bedingungen ges-
tatten ein Wanderweidetum nur in enger Nähe zum Kulturland und in ständi-
gem Kontakt zu seinen Bewohnern“.”” Da die Übergänge zwischen nomadi-
scher und sesshafter Lebensweise offenbar fließend waren, „können die
Kleinvieh züchtenden Randnomaden mit partiellem Ackerbau nicht in einen
derart scharfen Gegensatz zu den bodenbauenden Seßhaften mit partieller
Viehzucht gebracht werden.“ Dass Nomaden auch im Bereich der Städte,
nämlich zwischen ihnen lebten, nimmt auch Dohmen an,” doch zieht er of-
fenbar nicht in Erwägung, dass unter den Bedingungen einer Symbiose zwi-
schen Sesshaften und Nomaden die Gegensätze beider Gruppen auf dem
Gebiet der Religiosität nicht allzu gravierend gewesen sein können.” Zum
einen gibt es Hinweise darauf, dass auch nomadische Kultplätze ortsgebun-
321 Ebd.
322 Vgl. ISRAEL EPH’AL, The Ancient Arabs. Nomads on the Borders of the Fertile
Crescent Ith-5th Centuries B.C., 5f.
323 Vgl. KRATZ, Komposition, 269; FINKELSTEIN/SILBERMAN, Bible, 36-47.
324 Vgl. dazu KÖCKERT, Vätergott, 116-122; dort auch weiterführende Literatur.
325 So schon WESTERMANN, Genesis 12-50, 78-81.
326 KÖCKERT, Vätergott, 121f.
327 KÖCKERT, Vätergott, 122; vgl. GERTZ, Erinnerung, 10.
328 Vgl. DOHMEN, Bilderverbot, 173 Anm. 304.
329 Vgl. KÖCKERT, Vätergott, 128.
64 Kapitel 2: Der eine Gott und die anderen Götter
den waren.” Zum andern haben Nomaden anscheinend auch die Heiligtümer
des Kulturlandes aufgesucht” und dort, wo sie sesshaft wurden, die jeweili-
gen „lokalen Gottheiten weitgehend übernommen“. Da obendrein nicht
nur die bisher hier untersuchten Bilderverbotstexte sich als frühestens deute-
tonomistisch erwiesen haben und sich mehr und mehr die Erkenntnis durch-
setzt, dass auch darüber hinaus kein einziger Bilderverbotstext vordeutero-
nomistisch ist,” bleibt festzuhalten, dass dem Alten Testament kein Hinweis
zu entnehmen ist, die in „Israel“ aufgegangenen nomadischen Gruppen hät-
ten bilderfeindliche Traditionen in die Religionen Israels und Judas einge-
bracht. Da Ex 20,23b nicht in der frühen Königszeit entstanden ist, liefert
das Alte Testament keinen Beweis dafür, dass es dem Nomadentum verhaf-
tete, bilderkritische Kreise zu dieser Zeit in Jerusalem überhaupt gab, ge-
schweige denn dafür, dass sie den sich entwickelnden Staatskult prägen
konnten.
Auch der in Dohmens Argumentation mitschwingende biblische Gegensatz zwischen „Is-
rael“ (nomadisch) und „Kanaan“ (städtisch) lässt sich als die Geschichte Israels und Judas
bestimmende Konkurrenz nicht mehr aufrecht erhalten. Religionsgeschichtlich scheinen die
Staaten Israel und Juda ein Teil „Kanaans“ gewesen zu sein,3%* wobei „Kanaan“ weder ein
Land, Gebiet oder Volk ist, sondern ein unter ideologischen Gesichtspunkten konstruiertes
„Anti-Israel“:25 „Kanaan“ ist in den Augen der alttestamentlichen Geschichtsschreibung all
das, was Israel als Volk Jhwhs nicht sein darf.
Die Entstehung des biblischen Bilderverbots lässt sich auf Grundlage der
biblischen Texte also weder aus einer bilderfeindlichen nomadischen Tradi-
tion der Frühzeit Israels noch einem „antikanaanäischen“ Affekt des frühen
Israel herleiten. Lässt sich die Frage nach seinen Wurzeln außerbiblisch be-
antworten? Tryggve N.D. Mettinger ist dieser Frage in seiner 1995 erschiene-
nen Monographie mit dem Titel „No Graven Image?“ nachgegangen, deren
Ziel ihrem Untertitel zu entnehmen ist: Es gilt „Israelite Aniconism in Its
Ancient Near Eastern Context“ darzustellen.” Nach einem einführenden
0 Vgl. KLENGEL, Zelt, 2095; KÖCKERT, Vätergott, 130f. Schon bei WELLHAUSEN,
Reste, 102 findet sich der schlichte Satz: „Die Stämme der Araber wandern, aber nicht ihre
Heiligtümer“. Lediglich für den Krieg werden mobile Heiligtümer mitgeführt; vgl. ebd.
Anm. 1.
3 Beispiele bei KLENGEL, Zelt, 210.212 sowie KÖCKERT, Vätergott, 132 (mit Angaben
zu weiterer Literatur).
32 KLENGEL, Zelt, 212.
333 Vgl. UEHLINGER, RGG# ], 1576.
334 Vgl. KÖCKERT, Gott, 161f.; NIEHR, Gott, 181-183,
35 Vgl. LEMCHE, Canaanites, v. a. 101-121 und 155: „the Canaanites of the Old Testa-
ment are not historical persons but actors in a ‘play’ in which the Israelites have got
the
better, or the hero’s part.“ Vgl. auch KÖCKERT, Gott, 162.
3% Zu Mettingers Studie vgl. UEHLINGER, Israelite Aniconism in Context, Bib 77,
1996,
540-549, ו
2.2 Bilderverbot im Deuteronomium 65
Kapitel befasst sich Mettinger zunächst mit der Bilderfrage in Israels Umwelt
(Mesopotamien, Ägypten, Nabatäerreich, vorislamisches Arabien, Phönizien,
Syrien), bevor er sich der Frage nach der Herkunft des Anikonismus in Is-
rael zuwendet. Das Ergebnis sei kurz zusammengefasst:”” Der Anikonismus
Israels ist nach Mettinger keine „neue“ Entwicklung innerhalb der Religions-
geschichte Israels, sondern von ihrem Beginn an ein integraler Bestandteil.
Der Grund dafür liegt gerade nicht in israelitischen Besonderheiten, sondern
in Israels Umwelt. Der gesamte westsemitische Kulturkreis weise insgesamt
einen hohen Grad an Bildlosigkeit auf, der auch für Israel und Juda vor 720
bzw. 587 v.Chr. angenommen werden könne. Im palästinischen Raum und
südlich davon (Negev, Sinai) scheinen bereits in der Bronzezeit Mazzeben
eine wichtige Rolle gespielt zu haben. Da der in den alten Götterlisten Ka-
naans fehlende Gott Jhwh vermutlich aus dem Süden stamme, sei dies auch
für den vorexilischen Jhwh-Kult in Israel/Juda anzunehmen. Da Mazzeben
keine bildlichen Darstellungen seien, seien Kulte, in denen sie bezeugt sind,
faktisch anikonisch („material Inicoiiseh In diesem allgemein-westsemiti-
schen Anikonismus erblickt Mettinger die Wurzeln des nachexilischen Iko-
noklasmus. Dieser sei nicht das Ergebnis theologischer Reflexionen, sondern
die logische Folge einer sehr langen Entwicklung.”” Ironischerweise habe die
Tatsache, dass die Gottheit im vorexilischen Kult eben nicht durch Bilder,
sondern durch die in der deuteronomistischen Literatur so hart bekämpfte
Mazzebe repräsentiert worden sei, das bilderfeindliche Programm des Exils in
seiner Durchsetzung begünstigt.” Insgesamt betrachtet lasse sich eine drei-
stufige Entwicklung des Kultes in Palästina beobachten:
Bronzezeit/beginnende et , : E 4 :
4 ä / Bin Königszeit Exilszeit/Nachexilische Zeit
Eisenzeit
scharf noch absolut dicht war.“ Dies dürfte auch der Grund dafür sein,
dass mit der Mazzebe schließlich auch ein einstmals integraler Bestandteil des
Jhwh-Kultes unter das Verdikt des Bilderverbotes geriet und für ausdrücklich
unjahwistisch erklärt wurde (Dtn 16,22):
346 UEHLINGER, Aniconism, 544; vgl. GRAESSER, Stones, 44-48; HUTTER, Kultstelen, 89;
NIEHR, Search, 79; KOENEN, Bethel, 133.
347 Auch die Mazzebenerrichtungen, die nach den Erzählungen der Genesis der Erzvater
Jakob (Israel) vorgenommen hat (vgl. Gen 28,18.22; 31,45.51; 35,14.20), fügen sich somit
problemlos in das Kolorit ihrer vermutlichen Entstehungszeit ein: Im 8./7. Jahrhundert
v.Chr. war die Verehrung von Mazzeben in Israel und Juda kein theologisches Problem,
sondern kultische Praxis.
348 Vo]. UEHLINGER, Aniconism, 548.
349 Vgl. UEHLINGER, Aniconism, 548.
350 Vgl. AHLSTRÖM, Picture, 11 (125); NA’AMAN, Image, 414; NIEHR, Götterbilder, 231.
351 Vgl. METTINGER, Image, 139.
352 Vgl. METTINGER, Image, 139: „... it becomes natural to conclude that the cherubim
throne ... was an artefact the stylistical peculiarities of which showed profound Phoenician
influence.“
353 Vgl. die „Periodisierung der Archäologie Palästina/Israels im 2. und 1. Jahrtausend“
bei KEEL/UEHLINGER, Göttinnen, 17.
354 Vgl. UEHLINGER, Aniconism, 547; zur phönizischen Ikonographie vgl. METTINGER,
Image, 100-103.113.
68 Kapitel 2: Der eine Gott und die anderen Götter
Exkurs: Zur Frage nach der Existenz eines Jhwh-Kultbildes im Jerusalemer Tempel
In den letzten zwei Jahrzehnten ist durch Oswald Loretz, Herbert Niehr und andere wieder
die Frage aufgewotfen worden, ob angesichts der fehlenden Beweise für einen traditionell
bilderlosen Jhwh-Kult einerseits bei gleichzeitig vorhandenen Hinweisen auf Bilder im
Jhwh-Kult andererseits der alte Konsens der Annahme einer bildlosen Jhwh-Verehrung in
Jerusalem aufzugeben und bis zum Beweis des Gegenteils von der Existenz einer Kultstatue
im Jerusalemer Tempel auszugehen sei.°’ Der Stand dieser Diskussion sei anhand zweier
Aufsätze skizziert.
Für seinen Beitrag zum von Karel van der Toorn herausgegebenen Band „The Image
and the Book“ formuliert Niehr als Arbeitshypothese und Ziel: „As a working hypothesis we
should claim the existence of a ‚normal‘ ancient Near Eastern cult, even in the case of Jeru-
salem. Such a cult implies the existence ofa cult statue of YHWH as the main god venerated
in the Temple of Jerusalem. This article collects and discusses the evidence for a YHWH
statue in the First Temple.“5® Als „external evidence“ führt Niehr zunächst die Rede vom
Tempel als Haus Gottes, dann die Existenz von Kultstatuen in den Tempeln der Nachbar-
staaten, des weiteren den von ihm gegen Mettinger „ikonisch“ gedeuteten Mazzeben-Kult in
Palästina und schließlich das Nimrod-Prisma Sargons II., das die Existenz von Göttersta-
tuen in Samaria bezeuge, 35° an. Als „internal evidence“ macht Niehr eine Reihe von alttesta-
mentlichen Texten aus, die ohne die Existenz einer Jhwh-Kultstatue in Jerusalem nur schwer
verständlich seien:?60
1. Texte, die vom Sehen des Angesichts Gottes sprechen.3#! Seit Friedrich Nötschers Studie
von 1924362 sei erwiesen, dass die Formel „das (An)Gesicht Gottes sehen“ aus dem alt-
orientalischen Hofzeremoniell stamme. Habe es dort bedeutet, zum König vorgelassen
zu werden, meine es im kultischen Bereich im ganzen Alten Orient, einen Kultplatz zu
besuchen und die dort stehende Statue der Gottheit zu sehen. Die einfachste Erklärung
für die Verwendung der Formel im AT sei die Existenz eines Kultbildes im Ersten
Tempel.
2. Texte, welche die Wichtigkeit von Kultprozessionen im vorexilischen Kult deutlich ma-
chen.?% Die einzige Möglichkeit, in den Kulten des Alten Orients die Anwesenheit der
Gottheit in einer Prozession darzustellen, sei die Präsentation einer Statue, eines Bildes
oder eines anderen Symbols.36*
3. Texte, die offenbar in den Zusammenhang eines Festes der Thronbesteigung Jhwhs
gehören,65 das ohne ein Kultbild Jhwhs praktisch nicht möglich gewesen sei.36
4. Texte, welche die in altorientalischen Kulten übliche Versorgung der Gottheit mit
Speisen, Getränken und Kleidung widerspiegeln. Die „Schaubrote“37 seien Überbleibsel
eines Mahles, dass der durch die Statue repräsentierten Gottheit (Jhwh) dargebracht wor-
den sei. Jes 6,1; Dan 7,9 und andere metaphorische Ausdrücke wiesen auf die Kleidung
der Statue hin.?6®
5. Prophetische Visionen, die Hinweise auf eine Jhwh-Statue im vorexilischen Tempel ent-
hielten. Dabei zeige sich eine bemerkenswerte Entwicklung: Während hinter 1Kön 22,19
oder Jes 6 noch deutlich das Bild einer Jhwh-Statue auf ihrem (Cheruben-)Thron im
Tempel stehe, sei die Vorstellung von Aussehen Jhwhs in Ez 1,10 bereits undeutlich. Bei
Sacharja habe dann ein anderes Kultsymbol, der siebenarmige Leuchter, die Kultstatue
ersetzt. Diese Entwicklung müsse mit den jeweiligen Gegebenheiten in Jerusalem zu-
sammengesehen werden.’
Mit der Frage nach der Existenz eines Jhwh-Kultbildes im Jerusalemer Tempel im Allgemei-
nen und mit Niehrs Beitrag im Besonderen hat sich Keel auseinandergesetzt. Beide Argu-
mentationsgänge, mit denen gewöhnlich versucht werde, das Postulat der Existenz einer
Jhwh-Statue im Jerusalemer Tempel zu untermauern, seien auch bei Niehr zu finden:
359 Vgl. NIEHR, Search, 79-81. Zum Nimrod-Prisma und der Frage seiner Abhängigkeit
von den assyrischen Königsannalen, die nicht von einer Wegführung der Götter Samarias
berichten, vgl. jedoch NA’AMAN, Image, 395-398.
360 Vgl. NIEHR, Search, 81-90; DERS., Götterbilder, 231.
361 Vgl. Ps 17,15; Num 12,4; Ps 63,3; 11,7; 27,4; 27,13; 42,3; 84,8; für Samaria: Hos 13,2.
362 FRIEDRICH NÖTSCHER, „Das Angesicht Gottes schauen“ nach biblischer und babylo-
nischer Auffassung, Würzburg 1924.
363 Vgl. 1Sam 4-6; 2Sam 6; Ps 24; 68,25f. u. a.; vgl. außerdem Jes 45,20; 46,7.
364 Vgl]. NIEHR, Search, 86.
365 Vgl. Ps 47; 93; 95; 96-99. Vgl. zu diesen Psalmen unten Kap. 3.1.2.
366 Vgl. NIEHR, Search, 87. Niehr weist darauf hin, dass einige Forscher annehmen, dass
als Kultsymbol die Lade gemeint sei, wofür es jedoch keine ausdrücklichen Hinweise gebe.
367 Vgl. Ex 25,30; 35,13; 39,36; 1Sam 21; 1Kön 7,48; 2Chr 4,19.
368 Vg]. NIEHR, Search, 89.
369 Vgl. NIEHR, Search, 89f.
70 Kapitel 2: Der eine Gött und die anderen Götter
sieht auch nicht, jedenfalls nicht auf den ersten Blick, warum die Deuteronomisten, die an
der Aufzählung vorexilischer Verfehlungen sonst nicht sparen, ausgerechnet hier die Erinne-
tung an ein solches Bild vollkommen getilgt haben sollten.37” Andererseits hängt die Präsenz
Jhwhs im Tempel in Keels Konzept nicht zuletzt an der Rolle der Lade, die, wenn sie im
Ersten Tempel tatsächlich existierte, die Rolle eines Kultbildes spielte. Der Jerusalemer Kult
wäre dann also nur bedingt anikonisch gewesen. Die für ein Gesamtbild der Entwicklung
des biblischen Bilderverbotes zweifellos interessante Frage nach der Existenz eines Jhwh-
Kultbildes im vorexilischen Jerusalem wird vorläufig unbeantwortet bleiben müssen. Auf der
Suche nach den Wurzeln des offenbar nachexilischen expliziten biblischen Bilderverbotes
bleibt jedenfalls zu bedenken, dass es vermutlich auch während der Exilszeit kultische
Handlungen in der Ruine des Jerusalemer Tempels — also ohne Kultbild — gegeben hat.378
Zur Zeit der Einweihung des Zweiten Tempels hätte der Jerusalemer Jhwh-Kult dann auf
eine zwar unfreiwillig begonnene, jedoch bereits 70 Jahre währende kultbildlose Tradition
zurückgeblickt. [Ende des Exkurses]
Fallen somit sowohl vermeintlich ältere Bilderverbote als auch lange anikoni-
sche Traditionen als Vorläufer bzw. Hintergrund für das biblische Bilderver-
bot aus, muss versucht werden, Entstehung und Entwicklung des Bilderver-
bots im Deuteronomium vom Bilderverbot des Dekalogs selbst ausgehend zu
erklären. Zuvor soll jedoch noch ein Blick auf den einzigen Text innerhalb
des Deuteronomiums geworfen werden, der das Bilderverbot argumentativ zu
erklären sucht: Deuteronomium 4.
2.2.4 „Denn ihr habt keine Gestalt gesehen“ - Die Erklärung des Bilderverbots in Din 4
Der Überblick über die Belege für „Bilderterminologie“ im Deuteronomium
hat gezeigt, dass sich fast jede zweite Belegstelle im vierten Kapitel des Bu-
ches befindet. Dass diese Texte nicht im Rahmen der Suche nach den Wur-
zeln des Zweiten Gebotes untersucht worden sind, ist dem eindeutigen For-
schungskonsens geschuldet, dass Dtn 4 den jüngsten Schichten des Deutero-
nomiums angehört, sekundär in den Zusammenhang Dtn 1-3.5 eingefügt
wurde und die Verbindung von Fremdgötter- und Bilderverbot im Dekalog
daher bereits voraussetzt.” Das Kapitel gliedert sich grob in drei Abschnitte:
Die Verse 1-40 bilden den paränetischen Hauptteil des Kapitels,” der später
rebtheophanie, Exodus, Baal Peor) werden in Dtn 1-3 nicht dargestellt, liegen aber zeitlich
vor dem dort Erzählten; 5. „Die Kontaktstellen zwischen beiden Texten — vgl. 4,3 mit 3,29;
ferner 4,21-22 mit 3,23-28 — lassen sich als bewußte thematische Rückkoppelung erklären,
wenn 4,1-40 einen literarisch einheitlichen und erst für den Zusammenhang geschaffenen
Text bildet.“ (aaO. 358).
31 Vgl. PREUSS, Deuteronomium, 91; KNAPP, Deuteronomium 4, 26; DOHMEN, Bilder-
verbot, 201.
382 Da die Bilderthematik nur innerhalb des Abschnittes Dtn 4,1-40 aufgenommen ist,
müssen die Verse 41-49 hier nicht behandelt werden. Wenn im Folgenden von Dtn 4 die
Rede ist, sind damit, soweit nicht ausdrücklich anders vermerkt, die Verse 1-40 gemeint.
38 VV.1a.10*%.11-14.22-23aba.25*.26; vgl. MITTMANN, Deuteronomium 1,1-6,3, 124.
384 Vol. MITTMANN, Deuteronomium 1,1-6,3, 115-128.
385 MITTMANN, Deuteronomium 1,1-6,3, 127. Auch NOTH, Studien, 38 argumentiert mit
dem mehrfachen Wechsel zwischen pluralischer und singularischer Anrede gegen die litera-
tische Einheitlichkeit von Dtn 4.
3% Vgl. BRAULIK, Literarkritik und Stratigraphie, passim. Für Einheitlichkeit argumen-
tiert auch LOHFINK, Verkündigung, 170-175.
»#7 Vgl. BRAULIK, Literarkritik und Stratigraphie, 355; zu den Stilmitteln in Dtn 4 im De-
tail DERS., Mittel, passim. Grundsätzliche Zustimmung äußert BEGG, Criticism, 46, al-
lerdings aaO. 46-48 mit der wichtigen Einschränkung, dass Brauliks Erklärung sämtlicher
Unstimmigkeiten als Stilmittel eines Autors eine bequeme Möglichkeit „of having it both
ways“ eröffnet: „such correspondences of terminology and motif which do exist demon-
strate the unity of the chapter, whereas ‚discrepancies‘ in those correspondences really do
not count against that unity since there is always some other ‚stylistic‘ motive -- even gemein-
semitisch laxness in symmetrical construction — which can be called upon to dispose of
them“; aaO. 48. ;
2.2 Bilderverbot im Deuteronomium 3
FR
Argumente für ein literarisches Wachstum von Dtn 4,1-40 zurück’® und for-
muliert als Ergebnis die Feststellung der literarischen Einheitlichkeit des
ו
Es ist schwerlich zu bestreiten, dass Dtn 4 nicht nur wegen des mehrfa-
chen Numeruswechsels, sondern auch aufgrund thematischer Variationen auf
den ersten Blick durchaus den Eindruck eines gewachsenen Textes vermittelt.
Diesem Eindruck hat Knapp in seiner Analyse von Dtn 4 gerecht zu werden
versucht. Für Dohmen stellt sie einen Ausgleichsversuch zwischen den Ex-
tremen „Flickenteppich“ (Mittmann) und „Einheitswerk“ (Braulik) dar, der
„einerseits Bruchstellen im Text ernstnimmt, andererseits aber auch die Be-
sonderheiten dieser späten Literaturform ... mitberücksichtigt“.”” In Doh-
mens Besprechung des Bilderverbotes in Dtn 4°” ist die Analyse Knapps
übernommen. Laut Knapp ist „deutlich, daß in Dtn 4,1-40 in drei Blöcken —
4,1-14; 4,15-28; 4,29-40 — im wesentlichen drei verschiedene Themen be-
handelt werden“:”' Gesetzesverkündigung, Bilderverbot und Umkehr zu
Jhwh. In den Versen Dtn 4,1-4.9-14 macht Knapp den „Kristallisationskern
des Kapitels“ aus, während der zweite Block, Dtn 4,15-28 eine Fortschrei-
bung des ersten darstelle und das Bilderverbot aus dem Horebgeschehen ab-
leite.”” Ab Vers 29 sei eine weitere Hand anzunehmen, da Thema, Sprach-
gebrauch und Numerus wechselten.””* Dieselben thematischen Blöcke macht
Knapp sodann im hinteren Rahmen des Deuteronomiums, in den Kapiteln 29
und 30 aus” und schließt daraus, „daß aller Wahrscheinlichkeit nach 29,1(b)-
14% und 4,1-4.9-14, 29,15-27* und 4,15-16a*.19-28 und 30,1-10 und 4,29-
35 jeweils von derselben Hand stammen. Das Gesetz ist auf diese Weise von
drei verschiedenen Händen dreimal hintereinander gerahmt worden.“
Das wohl entscheidende Argument gegen die These einer dreifachen
Rahmung des deuteronomischen Gesetzes durch drei aufeinander folgende
Autoren hat wiederum Georg Braulik beigebracht: „Das Bild vom ‚Rahmen‘
funktioniert schon deshalb nicht richtig, weil diese ‚Rahmen‘ ja gar nicht um-
einandergelegt wären. Dann müsste nämlich der Reihenfolge I-II-III in Ka-
pitel 4 die Reihenfolge III-II-I in den Kapiteln 29-30 entsprechen.“ Auch
Otto weist auf Schwierigkeiten der von Knapp vorgenommenen Aufteilung
und Zuordnung hin. So vermeide etwa Dtn 4,1-40 anders als Dtn 29,25 kon-
sequent den Ausdruck םיִרָחַא . םיִהלֶאAußerdem sei die Verbindung mm" תיִרְּב
nur in Dtn 4,23 und Dtn 29,11.24 belegt und liege somit zur von Knapp vor-
genommenen literarkritischen Abgrenzung quer.” Wie aber ist der durch die
Themenabfolge offensichtliche literarische Zusammenhang zu erklären, wenn
nicht beide Texte parallel gewachsen sind? Sicher nur so, dass entweder
„Dtn 29,1-30,10 das Kapitel Dtn 4,1-40 voraussetzt oder umgekehrt
Dtn 29,1-30,10 durch Dtn 4,1-40 korrigiert wird.“ Ein genauerer Vergleich
beider Texte” zeigt nun, dass Dtn 4 an Dtn 29-30* orientiert ist und diesen
Abschnitt korrigierend aufnimmt, wobei der häufig als literarkritisches Argu-
ment gebrauchte Numeruswechsel zwischen 4,28 und 4,29 thematisch be-
dingt sein dürfte: Wie Dtn 30,1-10 wendet sich die hier einsetzende Rede
„nicht mehr an das Kollektiv des Horebbundes, sondern an jeden einzelnen
der wenigen, die im Exil übriggeblieben sind.“*" Die Möglichkeit, jeden Israe-
liten im Exil einzeln anzusprechen, wird inhaltlich durch Dtn 4,27 vorberei-
tet
May אֶתְכֶםmm am, רָשָא יִתְמ רֶפְסִמ וגבDMIKUN םיִמַעְּב Dan mm prem
Und Jhwh wird euch unter die Völker zerstreuen und ihr werdet übrig bleiben eine kleine
Anzahl von Männern unter den Nationen, in die euch Jhwh treiben wird.
Leben in der Diaspora bedeutet, als kleine Minderheit unter fremden Völkern
zu leben und in dieser Situation der Vereinzelung ist auch jeder einzeln ange-
sprochen.
Die Annahme, dass Dtn 4 eine literarische Einheit bildet, die Dtn 29-30*
insgesamt voraussetzt," macht Themenabfolge und Themenwechsel in Dtn 4
grundsätzlich plausibel und Beggs Annahme einer literarischen Nahtstelle
zwischen den Versen 28 und 29 überflüssig.” Dagegen ist mit Begg festzu-
halten — und hierin liegt die Einschränkung der grundsätzlich wohl richtigen
Beurteilung Ottos — dass Dtn 4,1-40 gegenüber 29,1-30,10 einen themati-
schen Überschuss enthält. Dtn 30,1-10 stellt die Möglichkeit der Umkehr zu
Jhwh in Aussicht. Wer sich im Exil zu Jhwh bekehrt, dem wird er sich auch
wieder zuwenden. Entsprechendes findet sich in Dtn 4 in den Versen 29-31.
Einen Rückblick auf die bisherigen Taten Gottes zur Motivation der Umkehr
(4,32-40) enthält 30,1-10 jedoch nicht. Das zukünftige Heilshandeln Gottes
wird in V. 31 mit dem Väterbund, in VV. 32ff. jedoch mit der Erinnerung au
das Exodusgeschehen, also ein weiteres Mal und auf andere Weise versichert.
Auch die Themen von 29-31 (Finden Jhwhs im Exil) und 32ff. (Erkennen,
dass Jhwh der Gott ist) sind durchaus verschieden.“° Die Korrektur des
Moabbundes Dtn 29,1-30,10 unter Anknüpfung an den Horebbund Din 5"
wird bereits in Dtn 4,1-31 geleistet: „Mose [wird] vom Offenbarungsmittler
des Deuteronomiums zum Gesetzeslehrer.“*” Dem entspricht, dass Otto die
Bezüge von Dtn 4 zu Dtn 29,1-30,10 einerseits und Dtn 5 andererseits fast
ausschließlich an Versen aus dem Abschnitt Dtn 4,1-31 fest macht.” Zudem
spricht die unterschiedliche Verwendung der Beteuerungspartikel am Beginn
der Verse 31 und 32 für einen Neueinsatz."” Dtn 4,32-40 macht den Ein-
druck einer „sort of re/ecture of the older text 4,1-31 which takes up various
motifs ... in order to put them to its own peculiar purposes, i.e. the demon-
stration of the uniqueness of Yahweh’s Godhead, this thematic being unique
to 4,32ff. in the whole of Deuteronomy, see vv. 35 an 39.“ Die Annahme
unterschiedlicher Verfasser für Dtn 4,1-31 und 4,32-40 löst auch den ver-
meintlichen „Fehler im System“, den Braulik darin sah, dass der Promulgati-
onssatz mit הוצ pi. in 4,2 doppelt, in 4,40 jedoch nur einfach begegnet." Die
folgende Analyse der Bilderverbotsthematik in Dtn 4 setzt deswegen voraus,
dass Dtn 4,1-31 eine von Dtn 29,1-30,10 abhängige literarische Einheit bil-
det.*'” Eine bilderverbotslose Grundschicht lässt sich in Dtn 4 nicht ausma-
chen." Die demgegenüber jüngeren Verse 32-40 sollen dann im Rahmen der
Frage nach dem Monotheismus im Deuteronomium analysiert werden.
Der Vorgang der Gesetzeslehre durch Mose wird durch eine Perfektform von
למדpi. ausgedrückt und ist daher entgegen häufig zu beobachtender Praxis"*
als Geschehen der Vergangenheit aufzufassen.” Damit sind offensichtlich
Rechtsbestimmungen gemeint, die während der Wüstenwanderung erlassen
worden sind und da die Rekapitulation der Geschichte vom Auszug bis zur
Der Dekalog gilt Dtn 4 somit als unmittelbare Offenbarung Jhwhs an das
Volk," wie auch aus der Schilderung des Offenbarungsgeschehens am Horeb
in den VV.10-12 deutlich wird. Damit wird die Ansicht korrigiert, wonach
nach der Offenbarung des Dekalogs an das ganze Volk nicht nur der Auftrag
zur Gesetzesverkündung, sondern auch der Inhalt der Gesetze selbst Mose
von Jhwh mitgeteilt wurden“'” (Dtn 5,31):
Auf den ersten Blick ist das Bilderverbot in Dtn 4,1--14 kein Thema, doch bei
genauerem Hinsehen schwingt es bereits mit. V.7 betont die besondere Nähe
Israels zu Jhwh und Jhwhs zu Israel.
כִּיהוָה אֶלְהָינוּ בְּכֶלְקְרְאָנוּ אֶלִיוroT >> מיזנוי נָדוּל אָשָרדלו אֶלהִים קרבים
Denn welches große Volk hat für sich nahe Götter bei sich, wie Jhwh, unser Gott, wann
immer wir zu ihm rufen?
Dass ein Gott seinem Volk näher ist als anderen Völkern, ist nun an sich
noch nichts Besonderes: Wenn Jhwh der Gott Israels ist, dann muss er Israel
näher sein als anderen Völkern, wie Marduk Babylon besonders nahe ist, Mil-
kom Ammon oder Kemosch Moab etc. Und auch zu anderen Göttern wird
„gerufen“, also im Gebet Kontakt aufgenommen. Warum also unterscheidet
sich Jhwh von allen anderen Göttern durch besondere Nähe ax Xp "b>2 ?
416 Der einzige Beleg für טפשמ innerhalb dieses Abschnitts steht in 1,17 und bedeutet
nicht Recht sondern Gericht.
47 Vgl. etwa Ex 15,25; 21,1; 24,5; 30,21; Num 30,17 sowie die zahlreichen Belege für
חָקת עוּלֶם /עוּלֶם- חַקni .veL reD lednaW mov rerhüF sed sekloV muz rerhelsezteseG -rediw
fährt Mose auch in Ex 18,20.
418 Vgl. OTTO, Deuteronomium im Pentateuch, 164.
419 Vgl. OTTO, Deuteronomium im Pentateuch, 164f.
78 Kapitel 2: Der eine Gott und die anderen Götter
Vielleicht darf man hier ein wenig spekulieren und diese Aussage vor dem
Hintergrund jener Texte schen, die die fremden Götter mit dem Material ih-
rer Bilder identifizieren und die in Dtn 4 in V.28 explizit Aufnahme gefunden
haben:
וַעָבַדְתֶּסשָם אֶלְהִים מְעָשָה יִדִי אָרֶם
mi לאדיראוּן ולא יִשְמְעוּן ולא יאכְלוּן ולאNU ı8aJ עץ
Und ihr werdet dort Göttern dienen, die von Menschenhand gemacht sind, Holz und
Stein, die nicht sehen und nicht hören und nicht essen und nicht riechen.
Diese אֶלְהִיםkönnen es gar nicht hören, wenn zu ihnen gerufen wird. Und
selbst wenn sie es könnten, wären sie als Objekte doch an einen bestimmten
Ort gebunden. Hier sind also gar keine Götter im eigentlichen Sinn mehr ge-
meint und insofern kann man den Begriff DITOR hier auch mit „Götterbild“
oder „Götze“ übersetzen. Jhwh ist dagegen an keinen Ort gebunden. Er kann
nicht nur immer gerufen werden, man kann ihn auch in der Diaspora, also
überall unter den Völkern, suchen und finden (Dtn 4,29):
Dabei wird die Rückführung ins Land, die im Paralleltext Dtn 30,1-10 noch
verheißen wurde (vgl. v. a. 30,3-5), nicht mehr erwähnt, spielt also allenfalls
noch eine untergeordnete Rolle: Wenn Jhwh auch in der Fremde gesucht und
gefunden werden kann, dann ist eine Rückkehr ins verheißene Land nicht
mehr zwingend notwendig, um Jhwh-Verehrer sein zu können. Diese Ansicht
dürfte der historischen Gegebenheit entsprechen, dass auch nach der Er-
richtung des zweiten Tempels die Mehrzahl der nach Babylonien deportierten
oder nach Ägypten geflohenen Judäer bzw. deren Nachkommen nicht nach
Palästina zurückkehrten,*”" so dass die Jhwh-Gemeinde in Palästina zur Min-
derheit wurde.‘”' Der Bezug zum Bilderverbot ist im ersten thematischen Ab-
schnitt von Dtn 4 zweifellos in der Theophanieschilderung am deutlichsten,
insbesondere in V.12:
קולman הָאֶש קול דִּבְרִים אַפֶּם שמְעִים וּתְמוּנָה אִינְכֶם ראיםaniT אַלִיכֶםmm 721
Und Jhwh sprach zu euch aus der Mitte des Feuers; die Stimme der Worte hörtet ihr,
aber eine Gestalt war nicht sichtbar für euch, sondern es war nur eine Stimme,
Dass Jhwh nicht zu sehen war, als er am Horeb zum Volk sprach, wird in
V.15 zur Begründung des Bilderverbots aufgenommen."” Das Motiv der
Stimme markiert einen weiteren Aspekt des Unterschieds zwischen Jhwh und
den „Göttern“ der Völker: Jhwh hört nicht nur (V.7), er spricht auch. Am
Horeb jedenfalls hat er es unmittelbar getan und der Inhalt seiner Rede waren
die „Zehn Worte“ (V.13), der Dekalog mit Fremdgötter- und Bilderverbot an
der Spitze. Insbesondere der Dekalog ist also gemeint, wenn V.30 den unter
die Völker Zerstreuten zusagt:
ּ בְּקלוıdaym אֶלהָיףyam )dan nemra וּמְצָאוּ פל הַדִּבָרִים הָאֶלָה בְּאחָרִית57 237
Wenn du in Not bist und wenn alle diese Dinge dich getroffen haben, am Ende der
Tage, dann wirst du zu Jhwh, deinem Gott, zurückkehren und auf seine Stimme hören.
Damit wird die bedingte Verheißung von Dtn 30,10 zur durch V.31 erläuter-
ten, unbedingten Zusage.” Auf Jhwhs Stimme zu hören heißt mit Blick auf
Dtn 4,13 vor allem, keine anderen Götter zu verehren und keine Bilder zu
machen. Nicht mit prachtvollen Kultbildern macht Israel Eindruck auf die
Völker, sondern mit den auf Jhwhs Befehl ergangenen Satzungen (Dtn 4,6):
זמ4,1-14 und 13-92,4 sind somit zwar nicht primär mit dem Bilderverbot
befasst,” aber doch nur vor dem Hintergrund desselben verständlich. Der
nahe, Israel hörende und zu ihm redende Gott Jhwh kann nicht auf ein Kult-
bild beschränkt sein.*” Das Bilderverbot selbst wird dann in den Versen 15-
28 zum Thema.
Die Vorlage Dtn 29,15--27*%% ist noch vom Fremdgötterverbot bestimmt, #7 und verwendet
in V.25 im Gegensatz zu Dtn 4 den dekalogischen Terminus םיִרְחַא . םיִהְלֶאDie Bilderver-
botsthematik scheint dagegen in V.16 aufgenommen zu sein:
Wegen des gemeinsamen Ausdrucks 387 7Y*® und der grundsätzlich gegebenen Abhängig-
keit in Dtn 4,1-31 von Dtn 29,1-30,10* liegt es nahe, in 29,16 die Vorlage zu 4,28 zu se-
hen. Der direkte Vergleich beider Verse wirft allerdings die Frage auf, ob in diesem Falle
die literarischen Abhängigkeiten nicht umgekehrt verlaufen. Zweifellos werden die „Götter“
der Völker auch in 4,28 als Menschenwerk verspottet, aber ihre Bezeichnung als ִּםיִלְל und
*שקוצים9 anstelle von םיִהְלֶא verschärft die Polemik noch. Auffallenderweise ist dann in
29,17 jedoch wieder von D°%47 TOR die Rede. Da 29,17 durchaus sinnvoll an V.15 an-
schließt, bilden die Verse Dtn 29,15-17 nicht unbedingt eine Einheit.*! Zudem ist die Mate-
rialliste in 29,16 gegenüber 4,28 (und 28,36.64) um Gold und Silber erweitert. Schließlich ist
der Dienst an den Göttern der Völker, der mit Bilderdienst einhergeht, in 4,28; 28,36.64
„natürliche Folge der Verbannung ... (cmius regio eins religio)“*2, also Teil der Strafe, in 29,16
dagegen das zu Bestrafende.*? All dies erweckt den Anschein, dass Dtn 4,28 den sicher
älteren Belegen von ]38] YY in 28,36.64 näher steht als 29,16. Es spricht nichts gegen die
Möglichkeit, dass sich der Verfasser von Dtn 4,1-31 zwar grundsätzlich an Dtn 29,1--30,10*
orientierte, die Terminologie von V.28 aber dem Segen- und Fluchkapitel Dtn 28 entlehnte,
auf das Dtn 29,1-30,10* unmittelbar bezogen ist. Wegen der Erwähnung des Königs in
28,36 bietet sich die Entstehungsreihenfolge 28,36; 28,64; 4,28; 29,16 an.#*
Ditn 4,15 bietet unter Bezug auf 4,12 die eigentliche Erklärung des Bilderver-
botes:
3% Din 29,28 ist vermutlich Zusatz; vgl. schon PUUKKO, Deuteronomium, 210f.; KNAPP,
Deuteronomium 4, 133 mit Anm. 653. OTTO, Deuteronomium im Pentateuch, 153 sieht
hier ein „poetisches Fragment der Weisheit“ aufgenommen, das nun mit 30,11-14 auf dem
Hintergrund von Jer 31,27-34 einen Rahmen um 30,1-10 bilde. Zur Frage des Anschlusses
von 30,11 an 29,28 vgl. aber AURELIUS, Heilsgegenwart, 15.
#7 Vgl. KNAPP, Deuteronomium 4, 146£.
425 Im Dtn noch 28,36.64, sonst 2Kön 19,18 = les 37,19% jer227:23.9, E22032:
Hab 2,19; Dan 5,4.23. Nicht bilderpolemisch gebraucht, sondern die Baumaterialen eines
Hauses bezeichnend, findet sich der Ausdruck außerdem Lev 14 ‚45; 1Kön 5,32; Sach 5,4.
Vgl. außerdem den Exkurs „Holz und Stein als Fremdgötterpolemik“ bei FREVEL, Aschera,
380-406 sowie unten Kap. 4.2.1.3.
#29 FREVEL, Aschera, 388.392 rechnet im Anschluss an das von KNAPP, Deuteronomium 4,
29-42 formulierte Entstehungsmodell von Din 4 in Dtn 4,28 und 29,16 mit derselben Hand.
#0 Beide Ausdrücke sind im Deuteronomium nur hier belegt.
#1 Gegen NIELSEN, Deuteronomium, 263.
#2 NIELSEN, Deuteronomium, 65.
“3 In diesem Punkt steht Dtn 29,16 2. B. Ez 6,8-10 nahe.
#4 Gegen AURELIUS, Götter, 165f., der die Abfolge 28,36.64; 29,16; 4.28 annimmt.
2.2 Bilderverbot im Deuteronomium 81
1
Und hütet euch sehr wegen eurer Seelen; denn ihr habt keine Gestalt gesehen an dem
Tag, als Jhwh zu euch geredet hat am Horeb aus der Mitte des Feuers.
Weil niemand die Gestalt Jhwhs gesehen hat, kann er gar nicht abgebildet
werden. Wenn man sich also ein Bild macht, dann kann es sich dabei unmög-
lich um ein Jhwh-Bild handeln und es liegt automatisch ein Verstoß gegen das
Fremdgötterverbot vor.*” Damit ist aber selbstverständlich auch jede Herstel-
lung eines Jhwh-Bildes ausdrücklich verboten.“ Fremdgötter- und Bilderver-
bot sind hier ein und dasselbe. Da lediglich die Stimme Jhwhs am Horeb zu
hören war, ist es einzig das Wort Jhwhs selbst, der Dekalog, den er nach V.13
dem Volk verkündigte und auf zwei steinerne Tafeln schrieb, das adäquat auf
die Offenbarung Jhwhs verweisen kann. Das Schrift gewordene Wort Jhwhs
wird so zum einzig möglichen Verweisinstrument auf Jhwh selbst. In anderen
Kulten haben die Bilder Verweischarakter, informieren über die bzw. eine
bestimmte Eigenschaft der dargestellten Götter. Dtn 4 stellt den Götterbil-
dern der anderen Kulte das Wort Jhwhs, seine Rechtsetzungen für Israel, ge-
genüber.*””
Die Nähe von Dtn 4,16-19 zum Dekalog einerseits und zum Schöpfungs-
bericht der Priesterschrift andererseits ist offensichtlich. Zunächst erläutern
die Verse das Bilderverbot des Dekalogs: „Kein Bild“ heißt kein Bild von
“8 Vgl. BRAULIK, Literarkritik und Stratigraphie, 364. In V.24 wird die Begründung bzw.
Warnung aus dem Dekalog aufgenommen: Jhwh ist ein אָנק לֶאein eifersüchtiger Gott (vgl.
Dtn 5,9//Ex 20,5 sowie Ex 34,14; Dtn 6,15).
439 Vgl. oben Kap. 2.2.1.
+0 Vol. BRAULIK, Literarkritik und Stratigraphie, 364.
#1 OTTO, Deuteronomium im Pentateuch, 168 im Anschluss an FISHBANE, Varia, 349.
Gen 1,14f. und die vier letzten Worte in Dtn 4,19a entsprechen sich zwar nicht wörtlich,
aber doch inhaltlich. In Dtn 4 sind die Himmelskörper Gefahren, die dazu verleiten, dass
man sich vor ihnen niederwirft und ihnen dient. In Gen 1 dienen sie dagegen selbst: Sie
verleiten nicht, sie dienen zur zeitlichen Orientierung. Zu den Unterschieden zwischen
Din 4 und Gen 1 vgl. MACDONALD, Deuteronomy, 196f.
2.2 Bilderverbot im Denteronomium 83
Mit ge 4,16b-19a setzt also das ganze Kapitel Dtn 4 die Priesterschrift vor-
aus.*” Dtn 4,19 ist vor dem Hintergrund altorientalischer Gestirnskulte zu
Bien in denen die Gestirne nicht nur Göttersymbole sein, sondern
auch selbst als Götter verehrt werden konnten.*” Sie werden nun unter Rück-
griff auf Gen 1 zum Bestandteil der Schöpfung Jhwhs erklärt: Jhwh gab ihnen
ihre Aufgabe, sie sind keine Götter und dürfen von Israel nicht angebetet
werden. Während aber Gen 1 nur von „Lichtern“ spricht, um den Gestirnen
auch nicht einen Hauch von Göttlichkeit zu geben, tauchen ihre Namen in
Din 4 wieder auf. Hier hat sich die Einstellung zu den Gestirnskulten offen-
bar geändert: Jhwh hat nicht nur den Gestirnen ihre Aufgaben am Himmel
zugewiesen, sondern sie zugleich den anderen Völkern zur Verehrung zuge-
teilt.
Neben Dtn 4,19 findet sich der einzige Beleg für die Anbetung der Gestirne im Deuterono-
mium in 17,3, wobei die Nennung von Sonne, Mond und Himmelsheer V.3b im Kontext
von Dtn 17,2-7 sekundär ist.
לְהֶםnennI ויל וַיְעַבד אֶלְהִים אָחָרִים
לאדצויתיRET צְבָא הַשְמִַם- או לְכֶָלmar? או Wu)
.. und er geht hin und dient anderen Göttern und wirft sich vor ihnen nieder, vor der
Sonne oder dem Mond oder dem ganzen Heer des Himmels, was ich nicht geboten habe.
Neben den terminologischen Übereinstimmungen gibt es freilich wesentliche Unterschiede.
Die Gestirne werden in 17,3 mit den םיִרְחַא םיִהְלֶאgleichgesetzt, ein Ausdruck, den Dtn 4
(anders als die Vorlage Dtn 29,1-30,10*) vermeidet. Zudem ist םִיִמָשַה לכ אָבְצin Dtn 7
ein Glied einer Trias, in Dtn 4 dagegen Oberbegriff für alle Himmelskörper. #4 Din 4 weist
also ein gegenüber Dtn 17 fortgeschrittenes Stadium der Beurteilung der Gestitne auf. Sie
sind nicht nur keine Götter, sondern in der Zusammenfassung von Sonne, Mond und Ster-
nen unter dem Begriff „Himmelsheer“ werden sie auch in ihrer Individualität reduziert.
Auch hier dürfte die Vorstellung aus Gen 1, dass alle Gestirne unterschiedslos von Jhwh an
den Himmel gesetzte Lichter sind, im Hintergrund stehen. Ein Rückbezug von Dtn 17,3b
auf Dtn 4,19 ist also unwahrscheinlich, eine Abhängigkeit in anderer Richtung dagegen gut
denkbar bis wahrscheinlich. Zwar stammt die verwendete Terminologie weitgehend aus
Gen 1 und die Vorstellung, dass Jhwh Verehrungsobjekte zuteilt, begegnet schon innerhalb
von Dtn 29,1-30,10*, nämlich in 29,25.*5 Doch der Ausdruck D’AWT אָבְצ findet sich im
ganzen Pentateuch nur in Dtn 4,19 und 17,3b.
Dass jede Form von Gestirnskult für Israel nicht in Frage kommt, wird noch
einmal deutlich gemacht, aber Dtn 4 hat sich damit abgefunden, dass es Ge-
stirnsverehrung bei anderen Völkern gibt und erklärt nun, warum das so ise,**
Dass es dabei nicht um religiöse Toleranz,*’ sondern wie schon in den VV.6-
8 um die Herausstellung des Kontrastes zwischen Israel und den übrigen
Völkern geht, macht 7.20 deutlich:
mm aiD mom לְקָיוּת לו לְעַםnayaro יְהוָה וַיוּצַא אֶמְכֶם מְכּוּר הַבַּרְזֶּלnp»וְאֶתְכֶם
Euch aber hat Jhwh genommen und euch herausgeführt aus dem eisernen Schmelzofen,
aus Ägypten, damit ihr für ihn zum Volk des Erbteils würdet, wie an diesem Tag.
Israel hat als Jhwhs Eigentumsvolk ausschließlich ihn, also auf keinen Fall
andere Götter zu verehren, was nach Dtn 4,15f. identisch mit der Verehrung
von Bildern ist. Die Bilderverbotsformulierung aus V.16 wird noch zweimal
aufgenommen: Ein Bild zu machen heißt, den Bund zu vergessen (Dtn 4,23):
Ein Bild zu machen zieht außerdem unweigerlich den Verlust des Landes
nach sich (Dtn 4,25f.):
>> nımn Dep anayı ammam ץֶרָאְּב emein םיִנָב na ana moin»
Bi סָכָב ךיֶהְלַאדהְוהְי ּסיִעְכַהְל יִתדיִעַהya yon ְםֶתיִשַע
עבְרִיםRED RED EIP מעלmI אֶהַשָמַים וְאֶתהְהָאָרֶץ כִּיאָבד תאבדון
ןודמְטִּתmay יִּכ may oa} Joana) הָמְטְרֶל mag IT
Wenn du Kinder oder Enkel zeugst und ihr im Land eingelebt seid und ihr verderbt und
ein Bild in irgend einer Gestalt macht und tut das Böse in den Augen ]Jhwhs, deines
Gottes, um ihn zu kränken; ich nehme heute den Himmel und die Erde gegen euch zum
Zeugen, dass ihr bestimmt schnell hinweggerafft werdet von dem Land, in das ihr über
den Jordan zieht, um es in Besitz zu nehmen; ihr werdet eure Tage in ihm nicht lang ma-
chen, sondern bestimmt vertilgt werden
Und das Vergehen, ein Bild gemacht zu haben (Dtn 4,23.25), wird den unter
die Völker Zerstreuten selbst zur Strafe (Dtn 4,28):
Dtn 4,1-31 begründet also nicht nur die Existenz des Bilderverbotes, son-
dern deutet seine Verletzung als Ursache der Katastrophe des Exils. In
Din 29 liegt der Schwerpunkt noch ganz auf der Verehrung der םיִרָחַא .םיִהלֶא
entscheidend ist das Erste Gebot. „Warum hat Jhwh diesem Land so etwas getan? -
(Din 29,23) Antwort (Dtn 29,25):
לָהֶםmap ויַעָבְדוּ אֶלְהִים אֶחָרִים וַישְפַּחְווּ לְהֶם אֶלהִים אַשֶר לאדיִרָעוּם ולא9651
Weil sie hingingen und andern Göttern dienten und sich vor ihnen niederwarfen, vor
Göttern, die sie nicht kannten und die er ihnen nicht zugeteilt hatte.
Die Antwort von Dtn 4 lautet dagegen, in die Sprache der warnenden Predigt
gekleidet: Weil sie sich ein 798 gemacht haben (VV.16.23.25). Weil Fremd-
götter- und Bilderverbot aus der Perspektive von Dtn 4 identisch sind, weil
die Beachtung des Bilderverbots zum Gradmesser für die Beachtung des
Fremdgötterverbotes geworden ist, hängt für Israel von der Bilderfrage alles
ab. Dabei sind implizit bereits monotheistische Vorstellungen ausgesprochen:
Alle Gegenstände menschlicher Verehrung, Himmelskörper oder Kultbilder,
sind eigentlich gar keine Götter. Die einen sind ganz von Jhwh abhängig, Teil
seiner Schöpfung. Darf man Gen 1 hier mitlesen, dann haben sie wenigstens
den profanen Zweck zeitlicher und räumlicher Orientierung. Die anderen -
noch schlimmer — sind nicht einmal von Jhwh, sondern von Menschen ge-
macht, vermögen gar nichts.
2.2.5 Fazit
Wie schon für die programmatische Monolatrie hat sich auch für das Bilder-
verbot im Deuteronomium ergeben, dass sein Ausgangspunkt im Dekalog zu
finden ist: Der für den Zusammenhang mit dem Ersten Gebot formulierte
Prohibitiv 593 ךְל"הַשָעָתִדאל ist das älteste Bilderverbot im Deuteronomium, ja
der älteste auf Kultbilder bezogene Prohibitiv im Alten Testament überhaupt.
Da er das erste Gebot des Dekalogs, das seinerseits allerfrühestens spätexi-
lisch, aber wohl eher frühnachexilisch ist, voraussetzt, ist das biblische Bil-
derverbot ein Gewächs der persischen Zeit." In seiner ältesten Fassung rich-
tete es sich gegen Kultbilder im eigentlichen Sinn, d. h. gegen die in altorien-
talischen Tempeln üblicherweise anzutreffenden Götterstatuen. Es richtete
sich nicht gegen Mazzeben, die erst in jüngeren Schichten neben den Bildern
aufgezählt (Dtn 7,5; 12,3) und dann ausdrücklich verboten werden (vgl.
Dtn 16,22); es ist schon gar nicht als Kunstverbot zu verstehen.” Mit dem
Ersten Gebot setzt es auch dessen Vorläufer, das Gebot der Kultzentralisa-
tion, voraus. Sollte es also, wie Uehlinger meint, ursprünglich gegen ein be-
stimmtes bereits aufgestelltes oder geplantes Kultbild Jhwhs gerichtet gewe-
sen sein,” kommt als Standort dieses 592 nur der nachexilische Tempel in
Jerusalem in Frage. Wie auch immer das Symbol für die Präsenz Jhwhs im
vorexilischen Tempel ausgesehen haben mag — aus der Perspektive Jerusa-
lems war die Frage, ob Jhwh im Bild verehrt werden könne, rein theoretischer
Natur, solange es keinen Tempel gab. Es liegt jedoch nahe, dass während der
Planungs- und Bauzeit des Zweiten Tempels, also in den Jahren 520-
515 v.Chr., möglicherweise auch noch einige Jahre zuvor, die Frage, ob der
nachexilische Tempel ein Kultbild erhalten sollte, auf die Tagesordnung kam.
Für eine genauere Datierung ist damit über einen ungefähren Terminus post
quem hinaus jedoch nichts gewonnen. Wenn die These, dass Jhwh im offi-
ziellen Kult des vorexilischen Juda durch eine Mazzebe repräsentiert war,”
zutrifft, ist es durchaus denkbar, dass auch der Zweite Tempel zunächst auf
die alte Tradition zurückgriff und ohne Götterstatue blieb. Dann könnte sich
jedoch im Laufe der Zeit, durchaus auch erst im 5. Jahrhundert, im Rahmen
der Konkurrenz zu anderen (mit Jhwh-Kultbild ausgestatteten?) Jhwh-Hei-
ligtümern die Frage nach der Aufstellung eines eben solchen Bildes in Jeru-
salem gestellt haben. Eine solche Konstellation würde erklären, warum Maz-
zeben vom Bilderverbot zunächst unbehelligt blieben. Es spricht jedoch ge-
gen Uchlingers Vermutung, dass das Bilderverbot des Dekalogs nie ohne
Verbindung mit dem Fremdgötterverbot existiert hat, also immer gegen „an-
dere Götter“ gerichtet war. Daher ist Dohmens Erklärung, dass das Bilder-
verbot im 8. Jh. v.Chr. als Spezialfall des Fremdgötterverbotes entstanden
ist,”” der Sache nach sehr wahrscheinlich richtig, wenn auch zeitlich mit dem
Fremdgötterverbot mindestens zwei Jahrhunderte zu früh angesetzt. In einer
Umwelt, in der Götter selbstverständlich bildhaft verehrt wurden, machte ein
generelles Verbot von Kultbildern die Verehrung anderer Götter faktisch
unmöglich. Insofern ist das Bilderverbot auch eine Form praktischer Umset-
zung des Fremdgötterverbots,”” dürfte aber auch dem Programm der Kult-
zentralisation Vorschub geleistet haben."”*
So oder so ist das Bilderverbot im Schatten des Fremdgötterverbotes ent-
standen und zunächst in seinem Schlepptau im Deuteronomium und darüber
hinaus verbreitet worden. Dtn 7,5 und 12,3 steht es noch im Zusammenhang
der anderen Götter bzw. der Götter der Völker (7,4 bzw. 12,2). Hier wie dort
scheint das Bilderverbot wie im Dekalog gegenüber dem Fremdgötterverbot
sekundär zu sein. Sowohl das Bündnisverbot in Dtn 7 als auch die Anweisung
haben. Das Verbot der Herstellung gegossener Götter ist in Lev 19,4 aufge-
nommen und in Lev 26,1 um das Mazzebenverbot erweitert worden.
Dtn 4,1-31 bietet dann unter Aufnahme verschiedener Traditionen eine
Erklärung des biblischen Bilderverbots. Weil niemand Jhwh am Horeb/Sinai
gesehen hat, kann er auch nicht abgebildet werden. Jhwh ist nicht in irgend-
einem anthropo- oder theriomorphen Kultbild (VV.16ff. unter Rückgriff auf
Gen 1), auch nicht in Ascheren und Mazzeben (}381 ץע Dtn 4,28 unter Rück-
griff auf Din 28,36.64), sondern in seinem Schrift gewordenen Wort
(Dtn 4,1-14 unter Rückgriff auf den Exodus und die Sinaitheophanie) prä-
sent. Zur historischen und religionsgeschichtlichen Einordnung von Dtn 4
mag ein Blick auf die Unterschiede zwischen der Schilderung der Jhwh-The-
ophanie in Ex 19-20 und ihrer Schilderung in Dtn 4, die sich im Aufriss als
Nacherzählung der Sinaiereignisse durch Mose gibt,” nützlich sein. Die in
Ex 19,16-20 geschilderte Jhwh-Theophanie vermittelt den Eindruck einer
Mischung aus Vulkanausbruch und Gewittererscheinung:””
רָקָמילַעap תלק םיִקְרְבּו ןנָעְו mm רקבה mia ישילשה Bra m 16
בַּמַחַנָהNUT כָּליהָעָםnaT מָאדmp וקל שפֶר
nnI ויוצא משָה אֶתִהָעֶם לקראת הָאָלהים מְִהַמַּחֶנֶה וַיִתִיְצָבוּ בְּתַחְפִּית7
כְּעָשָןyh ַיַעַלanu mm עָלִיו77) euS nen poT pp וְהַר סיני8
דאמTop TI 10327
מָאד משָה יְדַבָּר וְהָאֶלְהִים יָעָנְטוּ בֶקולmp הולךzeipS ויהי קול9
hem )nyS ראש הֶהֶר- אֶלhem mm אֶלדראש הֶהֶר וַיִקְרָאoy הַר- עַלmm 177 0
16 Und es geschah am dritten Tag, als es Morgen wurde, da brachen Donner und Blitze
los, und eine schwere Wolke war auf dem Berg, und die Stimme des Schofar war stark,
so dass das ganze Volk, das im Lager war, bebte. 17 Mose aber führte das Volk aus dem
Lager hinaus, Gott entgegen, und sie stellten sich am Fuß des Berges auf. 18 Der ganze
Berg Sinai aber rauchte, weil Jhwh auf den Berg herabfuhr im Feuer; und der Rauch stieg
auf wie der Rauch von einem Schmelzofen, und der ganze Berg bebte sehr. 19 Und die
Stimme des Schofar wurde immer stärker. Mose redete, und Gott antwortete ihm im
Donner. 20 Und Jhwh stieg auf den Berg Sinai herab, auf den Gipfel des Berges, und
Jhwh rief Mose auf den Gipfel des Berges, und Mose stieg hinauf.
Die Theophanie am Sinai enthält also eine Vielzahl an Motiven und es ist
diese gewaltige Erscheinung, vor der das Volk Angst hat (vgl. Ex 20,18£.).
Jhwh spricht im Donner (19,19) bzw. vom Himmel )םִיַמָשַהְְִמ Ex 20,22b).
Das Motiv des Feuers ist dagegen nur ein Teil der zum „Vulkanausbruch“
gehörenden Motivkette. Dass es mit der eigentlichen Erscheinung Jhwhs in
Verbindung gebracht wird (19,18), ist nicht verwunderlich, ist doch die Er-
scheinung des Gottes der Höhepunkt der Theophanie wie das Speien von
#8 Selbst im jetzigen Aufriss des Deuteronomiums steht Dtn 4 dem Dekalog in Dtn 5
ähnlich nahe, wie die Sinaitheophanie Ex 19 dem Dekalog in Ex 20. Bedenkt man, dass
Din 4,41-43.44-5,1 Nachträge sind, wird die Entsprechung noch deutlicher.
#59 Vgl. NOTH, Exodus, 128; freilich mit Aufteilung auf „J“ und „E“.
2.2 Bilderverbot im Denteronomium 89
>
Und nach Dtn 5,5 sind es nicht Donnerschlag, Schofar-Schall und Rauch
(vgl. Ex 20,18) vor denen sich das Volk fürchtet, es ist allein das Feuer. Die
Betonung der Rolle des Feuers dürfte kaum zufällig sein. Wird das Feuer nur
deshalb hervorgehoben, weil die Art seiner Wahrnehmung das Sehen ist, oder
greift die Begründung des biblischen Bilderverbotes hier (auch) auf persische
Religionspraxis zurück, in der das Feuer zweifellos eine herausragende Be-
deutung hatte?“ Auffällig ist jedenfalls, dass sich nirgendwo im Alten Testa-
ment Kritik an den Persern findet.” Damit soll nicht behauptet werden, Is-
rael hätte das Bilderverbot oder den Monotheismus einfach von den Persern
übernommen. Aber könnte Dtn 4 über die Begründung des biblischen Bil-
derverbots innerhalb der Jhwh-Religion hinaus nicht auch das Ziel verfolgen,
die Jerusalemer Form des Jhwh-Kultes möglichst im Einklang mit persischem
Königskult oder persischer Ahuramazda-Verehrung zu zeichnen?“
Das Wissen um die persische Religion zur Achämenidenzeit ist leider zu lückenhaft, um hier
über Spekulationen hinauszukommen. Die Bedeutung, die dem Feuer im Zoroastrismus bis
heute zukommt, legt auf den ersten Blick die Erwägung nahe, dass die Betonung der Ver-
bindung zwischen Jhwh und dem Feuer in Dtn 4 auf zoroastrische „Feuertempel“ rekurriert.
Schon in vorzarathustrischer Zeit scheint das Feuer im indo-iranischen Raum kultische Be-
deutung gehabt zu haben. Vermutlich war ein Kult des ewig brennenden Feuers unter den
indo-europäischen Völkern weit verbteitet.* Es ist allerdings fraglich, ob es bereits in achä-
menidischer Zeit die für die zoroastrische Religion bis heute charakteristischen Feuertempel
gegeben hat. Noch Herodot berichtet im 5. Jh. v.Chr., die Perser errichteten weder Statuen
noch Altäre noch Tempel, sondern ihr Kult finde im Freien statt.*% Für lediglich vier Bauten
bzw. Anlagen, die einhellig in die achämenidische Epoche datiert werden, wird diskutiert, ob
es sich um Feuertempel handeln könnte, die sogenannte Ka’ba Zardust bei den Königsgrä-
bern von Nag$-i Rustam,*° den Zindan-i Sulaiman in Pasargadae, #0 eine Kultanlage in
Susa*’! und schließlich die Kultanlage von Dahana-i Gulaman nahe der heutigen Grenze zu
472 Sje stammt wohl aus dem 6./5. Jh. v.Chr., liegt aber eher an der Peripherie des achä-
menidischen Reiches. Die genaue Bestimmung ihres Zweckes ist jedoch wegen des Grund-
risses der Anlage (vgl. SCHIPPMANN, Feuerheiligtümer, 52) schwierig: Falls sie ein Feuer-
tempel gewesen sein sollte, wäre sie vom Typ her in achämenidischer wie in späterer Zeit
einzigartig. So stellt sich die Frage, ob hier überhaupt ein Feuerkult stattgefunden hat, und
wenn ja, ob es ein zoroastrischer gewesen sein kann.
#73 Vgl. STAUSBERG, Religion, 184f.
474 Vgl. WIESEHÖFER, Das frühe Persien, 67-69.
#75 Vgl. KUHRT, Cyrus Cylinder, 89.
476 Vgl. WIESEHÖFER, Das frühe Persien, 48; STAUSBERG, Religion, 165.
477 Vgl. STAUSBERG, Religion, 166. |
478 Abbildung bei HROUDA (HG.), Orient, +
479 Vgl. STAUSBERG, Religion, 169.
480 \WIESEHÖFER, Das frühe Persien, 49.
2 Kapitel 2: Der eine Gott und die anderen Götter
2.3.1 Erkenne, dass Jhwh der Gott ist: Din 4,35.39 und 1Kön 8,60
Innerhalb von Dtn 4 sind die Verse 32-40 wegen des Neueinsatzes am Be-
ginn von V.32 und der thematischen Verschiedenheit zum ersten Teil des
Kapitels als späterer Zuwachs zu den Versen 1-31 erkannt worden.“ „A sort
of relecture of the older text 4,1-31“** sind die VV.32-40 insofern, als sie die
für die Gottesbeziehung Israels als grundlegend geltenden Ereignisse der
Herausführung aus Ägypten und der Gottesoffenbarung am Horeb/Sinai
erneut aufnehmen,*” sie nun aber nicht zur Begründung des Bilderverbotes
verwenden, sondern auf eine neue Spitzenaussage zielen lassen.“ Die göttli-
che Offenbarung des Gesetzes am Horeb und der Exodus sind geschehen,
um Jhwhs Geschichtsmächtigkeit zu erweisen, damit jeder Israelit erkennen
kann,
Dtn 4,39aßb: דוע pa תַחְּפִמ לַעְו- ץֶרָאְהbynn םיִמָשַּב אּוה םיִהְלֶאָהmm יִּכ
... dass Jhwh der Gott ist im Himmel oben und auf der Erde unten, keiner sonst.
Ihre nächste Parallele hat diese Aussage in 1Kön 8,60, einem späten Zusatz
zum Tempelweihgebet 59108208:
הָאֶלהִים אִין עודmaN mm כָּלעַמִי הָאָרֶץ כִּיNUT 0001
... damit alle Völker der Erde erkennen, dass Jhwh der Gott ist, keiner sonst!
Die literarischen Beziehungen zwischen 1Kön 8,60 und Dtn 4,35.39 sind
ebenso offensichtlich wie jene zwischen 1Kön 8,59 und Dtn 4,7 wahrschein-
lich sind.” Dass Dtn 4,35.39 und 1Kön 8,60 auf denselben Verfasser zurück-
gehen sollen,” leuchtet dagegen nicht unbedingt ein. Während nämlich
Dtn 4,32-40 bezüglich der Gotteserkenntnis ganz an Israel gerichtet ist, geht
es in 1Kön 8,60 um die Erkenntnis der Völker, dass Jhwh םיִהְלֶאָה ist, ein Ge-
danke, der an einige Aussagen in Deuterojesaja erinnert.”* In 1Kön 8,60
kommt in jedem Fall ein expliziter Monotheismus zum Ausdruck, denn die
bisweilen begegnende Annahme, Dtn 4,35.39 seien noch vor einem po-
lytheistischen Hintergrund zu verstehen und meinten wie das Erste Gebot
oder das Sch’ma Dtn 6,4, dass Jhwh der einzige Gott für Israel sei, macht
für 1Kön 8,60 keinen Sinn: Dass Jhwh der Gott Israels war, war der Außen-
welt schon dadurch offensichtlich, dass es eine Gruppe von Menschen gab,
die sich Israel nannte und sich auf diesen Gott berief. Wer mit „Israel“ in
Kontakt kam, dem konnte wohl kaum verborgen bleiben, dass Jhwh sein
Gott war. Solange die anderen Völker innerhalb eines polytheistischen Denk-
horizontes andere Götter verehren, die tatsächlich auch von „Israel“ noch als
Götter gedacht werden, ist es zwar für Israel, aber nicht für die anderen Völ-
ker relevant, ob Israel Jhwh allein oder neben anderen Göttern verehrt. In
1Kön 8,60 kann es also nur darum gehen, dass die Völker erkennen sollen,
dass dieser von Israel verehrte Gott Jhwh der Gott schlechthin ist, nicht nur
der einzige, den Israel verehrt, sondern der einzige überhaupt.
So richtig es also ist, dass דוע in zahlreichen Fällen nicht die absolute
Existenz eines Objektes ausdrückt, sondern aussagt, ob innerhalb eines be-
stimmten Bereiches ein solches Objekt vorhanden ist,” widerlegt doch
1Kön 8,60 die Vermutung, dass dies immer und vor allem immer für die ver-
neinte Form דוע T'X der Fall 18.77 Ob Dtn 4,35.39 nur weitere Formen des
Ersten Gebots sind oder im Deuteronomium eine monotheistische Spitzen-
aussage darstellen, ist somit aus ihrem unmittelbaren Kontext heraus zu klä-
#1 Vgl. NOTH, Könige, 190; BRAULIK, Spuren, 25f.; WÜRTHWEIN, Könige, 94.96.
#2 Diese beiden Texte sind durch das Motiv der Gottesnähe verbunden. Vgl. BRAULIK,
Spuren, 26-28; WEINFELD, Deuteronomy 1-11, 224.
#3 So BRAULIK, Spuren, 28-31.
5% Jes 45,5-6.18.21f.; 46,9; vgl. dazu Kap. 3.3. Vgl. WEINFELD, Deuteronomy 1-11, 224.
45 Vgl. MACDONALD, Deuteronomy, 78-85.
3% Vgl. MACDONALD, Deuteronomy, 84.
#7 Gegen MACDONALD, Deuteronomy, 84.
2.3 Monotheismus im Deuteronomium 95
ren. Welche Funktion hat die relecture von Dtn 4,1-31 in Din 4,32-40 und
welchen Sinn haben darin die Aussagen der Verse 35 und 39? Es ist deutlich
geworden, dass Dtn 4,1-31 allen Israeliten noch einmal nachdrücklich das
Fremdgötterverbot nahelegen will, wobei die Einhaltung des Bilderverbotes
zum Maßstab der Beachtung des Fremdgötterverbotes geworden ist. Unter
Rückgriff auf die Exodustradition und die Jhwh-Theophanie am Horeb/Sinai
wird dieser Maßstab erklärt und seine zukünftige Beachtung mit einer Ver-
heißung verbunden: Jhwh hat in der Geschichte sein exklusives Verhältnis zu
Israel, das ihn von allen anderen Göttern unterscheidet (vgl. VV.7.28), erwie-
sen. Wer dieses Verhältnis anerkennt und es sich zu Herzen nimmt (vgl.
V.29), dessen wird sich Jhwh auch erbarmen und sich ihm als gnädiger Gott
erweisen (V.31). Wären Dtn 4,35.39 im Sinne des Ersten Gebots zu verste-
hen, dann wäre der Abschnitt 4,32-40 nur noch einmal eine Zusammenfas-
sung des Vorangehenden. Der Abschnitt will aber kaum noch einmal erklä-
ren, dass Jhwh der Gott Israels ist und dass seine Verheißung für Israel des-
halb gilt, sondern vielmehr deutlich machen, warum diese Verheißung entge-
gen allem realpolitischem Anschein zuverlässig ist. Die Zuverlässigkeit der
Verheißung des gnädigen Gottes wird mit seiner Einzigartigkeit nicht nur für
Israel, sondern überhaupt untermauert: Wenn du Zweifel haben solltest, dann
frage doch (xI">xW) nach den Taten, durch die sich Jhwh in der Geschichte —
und zwar von der Schöpfung der Welt, nicht erst von der Erwählung Israels
an — nicht nur als der alleinige Gott Israels, sondern als der einzige Gott
überhaupt erwiesen hat! Versteht man Dtn 4,32-40 programmatisch-mono-
latrisch, dann verliert dieses Argument seine Durchschlagskraft. Es spricht
daher alles dafür, dass das Deuteronomium hier explizit monotheistisch ist,”
wenn auch in einer nach innen gerichteten Form: Die monotheistische Aus-
sage dient der Heilsvergewisserung Israels und begründet keinen Heiluniver-
salismus. In der Perspektive von Dtn 4 kommt es darauf an, dass jeder ein-
zelne Israelit Jhwh als Gott Israels und universalen Gott der Welt erkennt.
Den anderen Völkern hat Jhwh die Gestirne zugeteilt (V.19b), aber was sie
tun, ob sie vielleicht doch Holz und Stein anbeten, ist letztlich irrelevant.
Wäre dies anders, wären auch die anderen Völker zur Verehrung Jhwhs auf-
gerufen, und die Exklusivität der Erwählung Israels wäre in Gefahr. Wenn
1Kön 8,60 der Erkenntnis Jhwhs als alleinigem Gott durch die Völker Rele-
vanz beimisst, dann ist damit deutlich ein Schritt über Dtn 4,32-40 hinaus
getan. Dies spricht, wie oben bereits angedeutet, dagegen, hinter beiden Tex-
ten den oder dieselben Verfasser zu sehen. 1Kön 8,60 setzt das monotheisti-
sche Bekenntnis des Deuteronomiums vielmehr voraus."
Der polytheistische Horizont der Rede vom Gott der Götter ist offensicht-
lich. Das sieht in Dtn 7,9 jedoch etwas anders aus:
Der Ausdruck םיִהְלֶאָה אּוהhat hier nur dann Sinn, wenn er wie ןָמָאָנַה לֶאָה
eine Eigenschaft Jhwhs bezeichnet. Ist es aber eine besondere Eigenschaft
Jhwhs nicht „ein Gott“, sondern „der Gott“ zu sein, dann ist damit faktisch
die Existenz anderer Götter ausgeschlossen, auch wenn es noch nicht aus-
drücklich heißt ()ּדַבְלִמ דועT'8. Din 7,9 scheint somit bezüglich der Frage, ob
Jhwh der einzige Gott ist, zwischen Dtn 4,1-31 und Dtn 4,32-40 zu stehen.
Schon im ersten Teil von Dtn 4 sind die Götter bzw. Verehrungsobjekte der
Völker eigentlich machtlos und deshalb kaum noch wirklich Götter. Die ver-
wendete Terminologie ist dennoch die eines polytheistischen Denkens. Sie
redet einerseits noch von „Göttern“ (V.28) und bezeichnet andererseits Jhwh
als einen gnädigen Gott )םּוחַר 58). Dtn 7,9 verwendet dagegen beide Male den
Artikel: „Jhwh, dein Gott, ist der Gott, der trene Gott.“ So wirkt Dtn 7,9 wie eine
Bekräftigung von Dtn 4,31 und wird damit auch den impliziten Monotheis-
mus von Dtn 4,1-31 voraussetzen. Die besprochenen Texte Dtn 4,35.39; 7,9;
4,31 und 10,17 dürften somit in dieser Reihenfolge entstanden sein:”'*
Din 4,31: maang mau אלו nme אלו yayı אל For mim] םּוחר | לֶאfa]
2.3.3 Seht nun, dass ich, ich es bin und kein Gott neben mir ist! Din 32,39
Das sogenannte „Moselied“ Dtn 32,1-43, ein Lehrgedicht, das um die Be-
zeichnung Jhwhs als Fels (9137) kreist,” enthält eine Aussage, die zumindest
auf den ersten Blick monotheistisch klingt (Dtn 32,39):
יִנָא תיִמֶאTAB יִּכ יִנָא יִנָא אּוה ןיִאְו םיִהלֶא ID RT
DE OT )RI NIER )NI ְאָחַיָה מְחַצְתִּי
Seht nun, dass ich, ich es bin und kein Gott neben mit ist! Ich, ich töte und ich mache
lebendig, ich zerschlage und ich, ich heile; und es gibt keinen, der aus meiner Hand tet-
tet!
Damit ist zweifellos ausgesagt, dass Jhwh allen anderen Göttern überlegen ist.
Keiner ist neben ihm, d. h. keiner kann sich mit ihm messen. Als explizit mo-
notheistisch in dem Sinne, dass die Existenz anderer Götter geleugnet wird,
könnte man den Vers jedoch allenfalls dann bezeichnen, wenn man ihn ohne
seinen Kontext betrachtete, in welchem „die polytheistische Denk- und Re-
destruktur noch nicht aufgegeben [ist].“ In dieser Beziehung erinnert
Dtn 32 an Dtn 4,1-31. Ein direkter Vorläufer von Dtn 4,32-40 dürfte das
5 Anders BRAULIK, Monotheismus, 148. Wenn man Dtn 4,1-40 einem einzigen Verfas-
ser zuschreiben will, muss V.31 natürlich mit den VV.35 und 39 nach Dtn 7,9 eingeordnet
werden. Dieser Zwang entfällt mit der literarischen Nahtstelle zwischen den VV.31 und 32.
505 Vgl. BRAULIK, Monotheismus, 154f.
506 LOHFINK, Gott, 46.
98 Kapitel 2: Der eine Gott und die anderen Götter
2.3.4 Fazit
Explizit monotheistische Aussagen finden sich im Deuteronomium lediglich
im jüngeren Teil von Dtn 4,1-40, namentlich in den Versen 35 und 39. Schon
hinter 4,1-31 scheint eine Art impliziter Monotheismus zu stehen, doch wird
die terminologische Konsequenz der Schilderung der von Jhwh abhängigen
(4,19) oder ganz und gar nutzlosen, weil zur Kommunikation unfähigen Ver-
ehrungsobjekte (4,28) noch nicht gezogen: Jhwh ist ein gnädiger Gott (4,31).
Zur Vorgeschichte dieser Aussage könnte die Rede vom „eifersüchtigen Gotf‘
(RIP (לֶא in programmatisch-monolatrischen Zusammenhängen’ ® gehören,”
daneben auch Dtn 3,24; 7,21 und sicher Dtn 10,17.” Der Gott wird Jhwh
erst in Dtn 7,9 genannt, bevor dann in Dtn 4,32-40 die Existenz anderer
Götter ausdrücklich bestritten wird. Die Rede von Jhwh als de» Gott, neben
dem es keine weiteren Götter gibt, dient dabei der Absicherung der Zuverläs-
sigkeit des Väterbundes und der Erwählung Israels: Jhwh hat in der Ge-
schichte der Welt unter Beweis gestellt, dass er seine Versprechungen einlö-
sen kann,” weil er zu erkennen gegeben hat, dass er der einzige Gott ist. Die
ganze Geschichte Israels mit ihren Höhen und Tiefen dient dieser Erkennt-
nis. Das ist angesichts der Tatsache, dass die politische Geschichte „Israels“
seit dem Untergang des Staates Juda von fremden Königen, und das heißt
nach altorientalischem Verständnis auch von fremden Göttern bestimmt
wurde, alles andere als selbstverständlich. Den Babyloniern folgten erst die
Perser, später die Griechen. Juda war kein Staat mehr, sondern blieb eine
kleine Provinz, in der zudem nur eine Minderheit des Jhwh-Volkes lebte. Wo
in dieser Welt war Jhwh? Er konnte jedenfalls nicht nur in Juda sein, denn
sein Volk lebte überall in der Welt. Ihn einfach mit Ahuramazda oder Zeus
zu identifizieren, hätte früher oder später nicht nur sein Ende bedeutet, son-
dern auch das Ende Israels als erwähltes Volk. Nach der Formulierung des
Ersten Gebotes ließ sich Jhwh aber auch nicht in ein Pantheon neben die
Götter der Sieger einfügen, denn das hätte geheißen, andere Götter neben
Jhwh zu haben.
519 Vgl. Din 5,9/ /Ex 20,4 aufgenommen in Dtn 4,24; Ex 34,14; Dtn 6,15.
520 Vgl. BRAULIK, Monotheismus, 147.
521 Vgl. BRAULIK, Monotheismus, 147f.
522 Eine Tendenz zur Betonung der unbedingten Zuverlässigkeit der Verheißung zeigt
sich bereits zwischen Dtn 4,20-31 und Dtn 7,6-11. Dtn 4,20 und 7,6 begründen den jeweils
zuvor mit Bezug zum Bilderverbot konstatierten Unterschied zwischen der Kultpraxis
Israels und den Kultpraktiken der Völker mit der Eigenschaft Israels als Eigentum Jhwhs
(am םַע bzw. הָלְנֶס DV). Beide Texte greifen sodann auf die Exodustradition zurück. Doch
während Dtn 4,21-28 vor allem die Verpflichtungen aufzählt, die Israel aus seiner Erwäh-
lung erwachsen und die Sanktionen nennt, die mit der Verletzung dieser Verpflichtungen
verbunden sind und erst in VV.29-31 eine erneute Zuwendung Jhwhs in Aussicht gestellt
wird, betont Dtn 7,7f. die positive Seite der Erwählung, die (Selbst-)Verpflichtung Jhwhs zu
ungeteilter Liebe gegenüber seinem Volk.
100 | Kapitel 2: Der eine Gott und die anderen Götter
Als Lösung des Problems entwickelte sich die Vorstellung von Jhwh als
Gott, der überall wirken kann und über allen Göttern steht. Damit ist die
Existenz anderer Götter freilich noch nicht ausgeschlossen. Von Ahuramazda
scheint ähnliches gedacht worden zu sein, ohne dass die achämenidischen
Großkönige die Existenz anderer Götter bestritten hätten. Nur lagen in ihrem
Fall die Verhältnisse auch gänzlich anders. Jahr für Jahr kamen die Abge-
sandten der Völker nach Persepolis und bestätigten durch ihre Abgaben und
ihre Teilnahme am Neujahrsfest die von den Großkönigen repräsentierte und
nach ihrem Bekenntnis von Ahuramazda gewollte Ordnung,” ein Vorgang,
der in den Reliefs an den Treppen zum Apadana-Bau von Persepolis im
wahrsten Sinne des Wortes zu Stein geworden ist.”' Wenn also die politi-
schen Realitäten der von Ahuramazda gewollten Weltordnung entsprachen,
dann war offensichtlich, welcher Gott über allen anderen stand. Und dement-
sprechend konnte es den achämenidischen Großkönigen auch gleich sein,
welche Götter die unterworfenen Völker verehrten, solange nur die persische
Herrschaft anerkannt wurde. Einer solchen Sichtweise entspricht im Großen
und Ganzen auch die persische Religionspolitik, deren oft gerühmte Toleranz
gegenüber den Religionen und Kulten der unterworfenen Völker stets dort
endete, wo der persische Herrschaftsanspruch angefochten wurde.” Jedwede
Form von Aufruhr und Rebellion verstieß gegen göttlich gewollte Ordnung.
Anders als in der persischen Herrschaftsideologie klafften in der Jhwh-Re-
ligion, sofern sie Jhwh als Gott der Götter (vgl. Dtn 10,17) proklamierte, An-
spruch und Wirklichkeit augenscheinlich auseinander. Die Völker sandten
ihre Abgaben nach Persepolis, nicht nach Jerusalem. Und je länger sich das
achämenidische System als stabil erwies,” um so mehr wird sich die Frage
gestellt haben, ob es nicht doch Ahuramazda oder andere Götter waren, wel-
che die Fäden der Geschichte in der Hand hielten. Jhwh mochte der einzige
Gott für Israel sein, doch war er auch in der Lage, seine Verheißungen für
Israel gegen die anderen Götter durchzusetzen? In dieser Situation hat die
Idee, dass es andere Götter überhaupt nicht gibt, dass Jhwh der einzige Gott
ist, ihren Ort, löst sie doch zwei Probleme auf einmal. Entgegen dem Augen-
schein der politischen Gegebenheiten ist Jhwh erstens den Göttern anderer
Völker keineswegs unterlegen, denn er allein ist es, der die Geschichte und
Geschicke aller Völker lenkt. Damit ist zweitens die Verheißung für Israel auf
das stärkstmögliche Fundament gestellt, denn ihre Erfüllung kann durch an-
dere Götter nicht mehr in Gefahr geraten, da es solche Götter nicht gibt.”
Dass diese Lösung allenfalls in der Rückschau logisch und notwendig er-
scheinen kann, zeigt sich im Deuteronomium selbst. Bei der Lektüre von
Dtn 4,1-31 oder 7,9 drängen die Beschreibungen der Götter bzw. Vereh-
rungsobjekte der Völker einerseits sowie der Eigenschaften Jhwhs anderer-
seits den Schluss, dass nur Jhwh wirklich Gott ist, geradezu auf. Dennoch
bedurfte es eines weiteren Schrittes, um die alleinige Gottheit Jhwhs in
Ditn 4,32-40 auch wirklich explizit zu formulieren. Mit dem explizit mono-
theistischen Bekenntnis im Hinterkopf kann man sich nur schwer des Ein-
druckes erwehren, dass die Verfasser der implizit monotheistischen Passagen
des Deuteronomiums die Aussage, dass die anderen Götter nicht nur macht-
los sind, sondern gar nicht existieren, möglichst zu vermeiden suchten. Das
ist insofern nicht verwunderlich, als die Behauptung, es gebe nur einen einzi-
gen Gott, angesichts der realen Göttervielfalt in der Umwelt des Jhwh-Glau-
bens nicht unbedingt glaubwürdig klingen konnte. Waren andere Götter nicht
schon dadurch real, dass ihnen Verehrung zuteil wurde? Jhwh als einzigen
Gott zu denken, konnte zudem die Erwählung Israels auch wieder gefährden:
Wenn es nur einen Gott gibt, sollte er dann nicht von allen Völkern verehrt
werden? Den Verfassern von Dtn 4,1-31 war dieses Problem offenbar be-
wusst, betonen sie doch, dass etwa die Verehrung der Gestirne durch andere
Völker gerade dem Willen Jhwhs entspricht (Dtn 4,19). Dass die Einzigkeit
Jhwhs auch über Israel hinaus relevant sein könnte, wird aber erst in
1Kön 8,60 angedeutet.
2.4 Zusammenfassung
Der Durchgang durch die für die Frage nach Monolatrie, Bilderverbot und
Monotheismus im Deuteronomium relevanten Texte hat ein deutliches Bild
ergeben. Die Wurzeln der programmatischen Monolatrie liegen offenbar in
einer faktisch monolatrischen Verehrung des judäischen Staatsgottes Jhwh in
vorexilischer Zeit. Sowohl Dtn 6,4 als auch das Altargesetz Ex 20,24 fügen
528 Vorläufig deshalb, weil ja sicher eine Wiedererrichtung des Tempels und seines Kultes
erhofft wurden, die dem Jhwh-Volk wieder eine natürliche Mitte gegeben hätte.
555 Vgl. ALBERTZ, Religionsgeschichte, 478-487.
530 Vgl. Esr 9; Neh 13.
2.4 Zusammenfassung 103
schrittene persische Zeit weisen.” In jedem Fall lassen sich zwei Tendenzen
erkennen. Zum einen wird das Bilderverbot immer umfassender und verbietet
schließlich auch jene Kultobjekte, die am Jerusalemer Tempel zumindest in
vorexilischer Zeit sicher einen legitimen Platz gehabt haben: Mazzeben und
Ascheren. Zum anderen tritt das Bilderverbot zunehmend aus dem Schatten
des Fremdgötterverbotes heraus und wird zum Maßstab seiner Einhaltung,
am deutlichsten in Dtn 4. Terminologisch bilderspöttisch wird das Deutero-
nomium erst in 27,15 und 29,16, zwei Versen, die zumindest den impliziten
Monotheismus des älteren Teils von Dtn 4 voraussetzen.
In Dtn 4 wird schließlich auch der Durchbruch zum expliziten Mono-
theismus erkennbar, namentlich in den VV.32-40. Wo genau Dtn 32 theolo-
gisch und zeitlich zu verorten ist, bleibt angesichts des Charakters des soge-
nannten „Moseliedes“, das in Form und Sprache eine Sonderstellung inner-
halb des Deuteronomiums einnimmt, schwer zu beurteilen. Dtn 7,9 scheint
jedenfalls theologisch zwischen Dtn 4,1-31 und 4,32-40 zu stehen. So strin-
gent die Entwicklung zum Monotheismus innerhalb des Deuteronomiums in
der Rückschau somit erscheint, bleibt eine Frage angesichts der Probleme, die
die Verfasser von Dtn 4,1-31 anscheinend mit dem expliziten Bekenntnis
zum Monotheismus hatten, vorläufig dennoch offen. Ist die „Geburt des
Monotheismus“ (G. Braulik) innerhalb des Deuteronomiums denkbar, oder
setzen sich seine implizit monotheistischen Aussagen bereits mit der an ande-
rer Stelle formulierten Idee des Monotheismus (kritisch) auseinander? Eine
Schlüsselrolle bei der Formulierung des biblischen Monotheismus wird in der
Forschung seit langem Deuterojesaja zugesprochen. Ihm bzw. den ihm zuge-
schriebenen Texten ist daher das folgende Kapitel gewidmet.
531 Die zeitliche Ansetzung Esras, vor allem sein Verhältnis zu Jeremia ist nicht ganz klar,
doch spricht einiges für die Annahme, dass Esra kurz nach 400 v.Chr., während der Regie-
rungszeit Artaxerxes’ II Mnemon (404-359/8 v.Chr.) in Jerusalem wirkte; vgl. DONNER,
Geschichte, 451-453.
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KAPITEL 3
Am Beginn von Jes 43,1 markiert הָּתַעְו mit der Botenformel הָוהְי הּכ- רַמָאer
nen Neueinsatz. Wo der damit eröffnete Textabschnitt ursprünglich endete
(spätestens mit V.7), kann hier offen bleiben.” Ohne zumindest Jes 43,1-3a
ist ein wie auch immer geartetes Deuterojesajabuch kaum vorstellbar, denn
„in Worten wie diesen schlägt das Herz der Verkündigung Deuterojesajas““.
Das Heilswort ist ganz auf Jhwh und seinen Beistand für Israel konzentriert.
Andere Götter kommen nicht vor, insofern ist der Abschnitt nicht explizit
monotheistisch, andere Völker, sofern der ursprüngliche Text über V.3a hin-
ausreicht, erscheinen lediglich als Gegenüber zu Israel. Schon die Schöp-
fungsmetaphorik in V.1 (872 + 73°) macht das besondere Verhältnis zwischen
Jakob/Israel und Jhwh deutlich: Dass Israel das Volk Jhwhs ist, kann nicht
nachdrücklicher als mittels der Feststellung beschrieben werden, dass es seine
Existenz allein Jhwh, seinem Schöpfer und Bildner verdankt. Die Feststellung
eines besonderen Verhältnisses zwischen Gött und Volk erinnert inhaltlich an
die Bundesschlussszene im Deuteronomium,’ die dieses Verhältnis als Ver-
trag beschreibt (Dtn 26,17f.),“ als dessen Kehrseite sich das erste Gebot des
5 BEGRICH, Studien, 14 fasst Jes 43,1-7 als Einheit auf, im Prinzip ebenso, bei Gliede-
rung des Textes in die Unterabschnitte 1-4 und 5-7 WESTERMANN, Jesaja 40-66, 94 bzw.
bei Untergliederung in drei Abschnitte (1b-3a; 3b-4; 5f. mit Einleitung V.la und Schluss
V.7) ELLIGER, Deuterojesaja, 275-278. MERENDINO, Der Erste und der Letzte, 293-300
sieht dagegen einen später ergänzten Urtext in den VV.1aba.2-32.5-62.7; KRATZ, Kyros,
217 weist die VV.1-4 der Grundschicht, die VV.5-7 dagegen der Ebed-Israel-Schicht zu;
VAN OORSCHOT, Babel, 59-62 unternimmt wie Elliger eine Gliederung in drei Teile, nimmt
aber keine literarische Einheit an, sondern sieht den Kern des Textes in den VV.1-3a, in den
VV.3b-4.5-7 dagegen Fortschreibungen.
6 WESTERMANN, Jesaja 40-66, 95.
"Zur Wiederherstellung des Bundesverhältnisses als Thema von Jes 43,1ff. vgl.
MERENDINO, Der Erste und der Letzte, 304-313.
® Die Beschreibung der Begründung des exklusiven Verhältnisses zwischen Jhwh und Is-
rael als Schöpfungsakt wäre dann eine Überbietung des deuteronomischen Vertrages: So-
lange Jhwh die Schöpfung aufrecht erhält, bleibt Israel sein Volk und das bedeutet, ob man
Gen 8,21f.; 9,1-17 hier mitdenken soll oder nicht, für alle Tage der Erde.
2 3.1 Monolatrie in Denterojesaja 107
Dekalogs gezeigt hatte.’ Eine entsprechende Aussage, dass Jhwh der Gott
(Jakob/)Israels ist, findet sich auch in Jes 43,3a:
Auch wenn Jes 43,3a nicht wörtlich auf den Exodus anspielt, sondern Jhwh
allgemein als Retter ()עישומ bezeichnet,'* erinnert die Kombination von
Selbstvorstellung mit Anrede an ein Gegenüber in der zweiten Person Singu-
lar und Verweis auf Jhwh als Retter doch hinreichend an den Auftakt des
Dekalogs, um eine direkte Anspielung vermuten zu können. Das Fehlen des
eigentlichen Fremdgötterverbotes יִנָּפלַע םיִהלֶא םיִרָחַאTamm אל (Ex 20,3//
Dtn 5,7) vermag an sich nicht zu erweisen, ob das Erste Gebot dem
Verfasser von Jes 43,1-3a tatsächlich vorlag oder nicht. Eine bewusste Aus-
lassung ließe sich durch den Charakter von Jes 43,1-3a als unbedingte Heils-
zusage erklären, zu der ein Prohibitiv nicht gerade gut passt. Die Art und
Weise der Beschreibung des Verhältnisses zwischen Israel und Jhwh lässt da-
her vermuten, dass Jhwh hier nicht nur faktisch sondern auch theoretisch als
Wie sich aus V.23 klar ergibt, präsentiert sich der Text als Jhwh-Rede an die
Adresse der anderen Götter. Angesichts fehlender Näherbestimmung sind
sicher generell und überhaupt andere Götter als Jhwh gemeint. Jhwh fordert
sie vor Gericht, sie sollen ihr Gottsein unter Beweis stellen. Formal treten
hier also andere Götter als Gegner Jhwhs auf den Plan. V.23a nennt das für
die Frage ihres Wesens als Götter entscheidende Kriterium:
18 Mit ELLIGER, Deuterojesaja, 186 gegen WESTERMANN, Jesaja 40-66, 72; FOHRER,
Jesaja 40-66, 46.
19 Mit BHS ist ומַשְב אָרְקְיzu lesen; vgl. KRATZ, Kyros, 36. ELLIGER, Deuterojesaja, 173
bevorzugt aus stilistischen Gründen ומָשְב .יִתאָרְק
20 Mit BHS ist wie in V.24 ןיא zu lesen; vgl. ELLIGER, Deuterojesaja, 176.
21 Vgl. ELLIGER, Deuterojesaja, 1881.; KRATZ, Kyros, 36f.
110 Kapitel 3: Der einzige Gott und die Bilder
45,1.? Die auffällige Kombination von Erweckung von Norden ()ןופצמ und
Berufung von Osten (dAUTMITRR, vgl. Jes 41,2; 46,11) wird meist so erklärt,
dass sich letzteres aus der von Babylonien wie von Palästina aus betrachtet
östlichen Lage Persiens erkläre, ersteres dagegen auf die militärischen Erfolge
des Kyros in Kleinasien, also im Norden, anspiele.” Dass Kriegsheere von
Norden kommen ist freilich sowohl in Babylonien als auch in der Levante
eine während der ersten Hälfte des 1. Jahrtausends v.Chr. im Zuge der assyri-
schen, dann der neubabylonischen Eroberungspolitik reichlich gemachte Er-
fahrung.”* Der Verweis auf den Norden in Jes 41,25 steht somit „ganz in der
Linie der Aussagen Jesajas über Assur als ‚Rute seines Zorns‘ und Jeremias
über den ‚Feind aus dem Norden‘ Kap. 4-6." Auch wenn hier an persische
Feldzüge gedacht ist, seien es jene des Kyros oder Unternehmungen seiner
Nachfolger, schwingt doch die Ansage des Heranziehens des Feindes aus
dem Norden mit, die vor allem aus dem Jeremiabuch bekannt ist.” Im Kon-
text von Jes 40-55 bringt der hier angekündigte Feldherr aus dem Norden
anders als etwa in Jer 4-6 nicht das Gericht über Israel, sondern ist Teil des
Heilshandelns Gottes. Diese Sicht der Geschichte, dieser verglichen mit
Jer 6,22 und anderen Stellen erfolgende Umschlag vom Unheil zum Heil,
dürfte die warnenden Worte des Jeremiabuches voraussetzen.” Wenn Jhwh in
Jes 41,25 zum Beweis seiner göttlichen Macht für sich reklamiert, den Erobe-
tungszug der Perser herbeigeführt zu haben und V.26 den Anspruch erhebt,
dieses Geschehen auch vorhergesagt zu haben, wird somit auch an frühere
Gerichtsansagen erinnert. Die Aussageabsicht ist offensichtlich: Jhwh allein
lenkt die Geschichte, die anderen Götter bleiben stumm und niemand tritt
für sie ein (V.28).”° Die hinsichtlich der Existenz der anderen Götter vernich-
tende Aussage von V.24a wird mit V.29a noch einmal wiederholt: Die Götter
sind nichts und ihre Werke sind ebenfalls nichts, eigentlich sind sie gar keine
Götter. Dass sie in Jes 41,21-29°” dennoch formal als Gegner angesprochen
22 Der Name des Begründers des achämenidischen Weltreiches ist allerdings an beiden
genannten Stellen sehr wahrscheinlich nachgetragen; vgl. unten Kap. 3.3.1.1.
® Vgl. ELLIGER, Deuterojesaja, 188; HERMISSON, Deuterojesaja, 134.
24 Die prophetische Rede vom Feind aus dem Norden hat daher hier ihre Wurzeln; vgl.
LiPINSKI, ThWAT VI, 1100£.
25 WESTERMANN, Jesaja 40-66, 73.
5 Jer 1,14; 4,6; 6,1.22£.; 10,22; 13,20, 15,12; 25,9; 46,20.24; 47,2; 50,3.9.41£.; 51,48. Zum
Feind aus dem Norden vgl. VANDERHOOFT, Empire, 136-149 (mit Hinweisen auf weitere
Literatur). Außerhalb des Jeremiabuches lediglich Jes 14,31; 41,25 und Ez 26,7; 38,15.
27 Der Umschlag vom Unheil zum Heil, zur Erwartung, dass der Feind aus dem Norden
nicht Israel, sondern seinen Feinden das Gericht bringt, findet sich auch innerhalb des
Jeremiabuches, wenn etwa Jer 50,41f. die Gerichtsansage Jer 6,221. wörtlich zitiert und
lediglich Babylon (תַּב-)לָבָּב an die Stelle Jerusalems ()ןויִצתַב treten lässt.
2 Vgl. ELLIGER, Deuterojesaja, 192-194. Der Hinweis auf Zion und Jerusalem V.27
scheint nachgetragen zu sein; vgl. KRATZ, Kyros, 40f.
® Und Jes 41,1ff.; vgl. unten Kap 3.2.3.1.
3.1 Monolatrie in Deuterojesaja 1
werden, was ihre Existenz auf den ersten Blick nicht ausschließt, zeugt kei-
neswegs von einer Unsicherheit des Verfassers hinsichtlich des Bekenntnisses
zu Jhwh als einzigem Gott, sondern spiegelt die Realitäten der Welt. Es gibt
eben Menschen, die sich zu anderen Göttern als Jhwh bekennen. Den sich
darin ausdrückenden Glauben, dass es Götter neben Jhwh gibt, nimmt der
Text formal ernst, freilich nur, um ihn sogleich argumentativ zu widerlegen.
Selbst für die andere Götter direkt als solche ansprechenden Gerichtsreden in
Deuterojesaja steht fest, dass diese gar keine Götter sind. Die Annahme, dass
Deuterojesaja von Beginn an monotheistisch ist, kann somit zumindest vor-
erst als Arbeitshypothese beibehalten werden.
Mit dem Ergebnis, dass Jes 40-55 bereits den Monotheismus, der letztlich
auch als besondere Form der Monolatrie betrachtet werden kann, voraus-
setzt, soll die Frage nach Monolatrie in Deuterojesaja allerdings noch nicht zu
den Akten gelegt werden. Es ist nämlich unstrittig, dass die Verkündigung des
Deuterojesajabuches nicht voraussetzungslos vom Himmel gefallen ist: „Es
muß zunächst auffallen, wie breit in Deuterojesajas Worten die religiöse Tra-
dition Israels zum Vorschein kommt. Andere Propheten halten hier kaum
einen Vergleich mit ihm aus.“ Das war soeben an der auf geschichtliche
Voraussagen verweisenden Argumentation in Jes 41,21-29 zu sehen und ließe
sich auch anhand der Disputationsworte zeigen. Sie greifen ebenfalls deutlich
auf Bekanntes zurück und rufen ältere Traditionen in Erinnerung,’' wenn es
etwa Jes 40,21f. heißt:
הָלוא הַבִינתֶם מוסְדוּת הָאָרֶץ530 מִראשnaT הָלואnuaww הלוא תָרְעוּ הַלוּא
לֶהאָּכ תֶבָשְלommam םיִבָנחַּכ הָטּונַה קַכ םיִמָש mau Pam עַל"חוּג au
Wisst ihr nicht? Habt ihr nicht gehört? Ist es euch nicht von Beginn an verkündet wor-
den? Habt ihr nicht verstanden von der Gründung der Erde her? Er thront über dem
Erdkreis und seine Bewohner sind wie Heuschrecken; er spannt wie einen Vorhang den
Himmel aus und breitet ihn aus wie ein Zelt zum Wohnen.
30 BEGRICH, Studien, 0.
31 Vgl. JEREMIAS, Schöpfung, 27-32 und mit Bezug auf Jes 40,21 aaO. 27: „hier [wird]
offensichtlich den Hörern Elementarwissen, sozusagen Konfirmandenlernstoff ins Gedächt-
nis gerufen.“ Vgl. auch KRATZ, Propheten, 93.
32 BEGRICH, Studien, 94.
3 Vgl. ALBANI, Gott, 253.
112 Kapitel 3: Der einzige Gott und die Bilder
soll daher zunächst eruiert werden, welche Traditionen der Religion Israels in
5 . en 34
Jes 40-55 bereits vorausges etzt sein könnten.
3.1.2 „So spricht Jhwh, der König Israels“—Deuterojesaja und das Königtum Jhwhs
Viermal ist im Deuterojesajabuch vom Königtum Jhwhs die Rede, wobei die
konkreten Bezeichnungen des Königs-Gottes jeweils einmalig sind:
Jes 41,21:
apyr yon an’ םֶכיִתְומְצַע ּושיִּנַהmim רַמאי 2327 ּובְרָק
Lasst nahe treten eure Rechtssache, sagt Jhwh. Bringt herbei eure Beweise, sagt der
König Jakobs.
Jes 43,15:
קְדוּטְכֶם בורא יְשְרְאֶל מִלְכְּכֶםmim אַנִי
Ich bin Jhwh, euer Heiliger, der Schöpfer Israels, euer König.
Jes 44,6:
ב
mun ַ טוב מַשְמִיעnawI מְבַשָר מַשְמִיעַ שֶלוּםyaD" מַהנָאוּ עַלדְהָהָרִים
אֶלְהֶיךnaT אמר לציון
Wie lieblich sind auf den Bergen die Füße des Freudenboten, der Frieden hören lässt,
Gutes verkündet, Rettung hören lässt, zu Zion sagt: Als König herrscht dein Gott!
Zunächst fällt auf, dass das Königtum Jhwhs im Deuterojesajabuch nie ab-
solut gebraucht wird, sondern, wenn auch unterschiedlich ausgedrückt, im-
mer an Israel gebunden bleibt:”” Jhwh ist der König Israels, der König Jakobs, euer
König; sein Königtum ist mit Zion verbunden.
Die Wurzel ךלמ ist innerhalb von Jes 40-55 nur noch an vier weiteren Stellen belegt, an
denen sie jeweils auf menschliche Könige und ihr Verhältnis zu Kyros (45,1), Israel (49,23)
oder zum Ebed-Jhwh (49,7, 52,15) bezogen ist. In 45,1 scheint lediglich die Einleitung
ּ לְמְשִיחוmm אָמַר- כְּהursprünglich, מִלָכִיםmit dem Rest des Verses dagegen sekundär zu
sein.36 49,7 ist Zusatz zum zweiten Ebed--Jhwh-Lied (EJL) Jes 49,1-6,?” das in seinem
% Zur Bedeutung der Frage nach den Voraussetzungen der Verkündigung des Deutero-
jesajabuches vgl. BEGRICH, Studien, 10f.
> Vgl. SCHMIDT, Königtum, 95.
% Vgl. KRATZ, Kytos, 25. Dass hier ein Bruch vorliegt, erkennt auch ELLIGER, Deutero-
jesaja, 485-490; vgl. unten Kap. 3.3.1.1.
3.1 Monolatrie in Deuterojesaja 113
Grundbestand auch vom vierten EJL Jes 52,13-53,12 vorausgesetzt sein dürfte.38 Jes 49,23
ist gemeinsam mit 49,21f. möglicherweise eine „Ergänzung und Bekräftigung von 48,20-21;
52,11-12)0( sowie von 52,10.1-2“.3° Im werdenden Deuterojesajabuch wird offenbar zu-
nächst ausschließlich Jhwh als König bezeichnet. Von einem menschlichen König Israels ist
in Jes 40-55 niemals die Rede.
Die deuterojesajanische Rede vom Königtum Jhwhs hat ihre nächsten alt-
testamentlichen Parallelen in der Gruppe der so genannten Jhwh-König-
Psalmen (Ps 29; 47; 93, 95-99). Insbesondere Jes 52,7-10 und Ps 98 stehen
sich in einer Weise nahe, die sich angesichts der wörtlichen Entsprechung
von Jes 52,10b und Ps 98,3b* am einfachsten durch die Annahme erklären
lässt, dass Ps 98 Jes 52 zitiert."' Daher ist angenommen worden, das Motiv
des Königtums Jhwhs habe seinen Ursprung bei Deuterojesaja, mithin seien
alle Jhwh-König-Psalmen nachexilisch und jünger als Jes 40-55.” Warum dies
unwahrscheinlich ist, etwa weil im Heroldsruf „Als König herrscht dein Gott!‘
eher der Proklamationsruf „Jhwh ist König“ abgewandelt ist als umgekehrt, hat
gegen Kraus und Westermann bereits Schmidt dargelegt” und erkannt, dass
wie so oft auch hier die Abhängigkeiten nicht nur in eine Richtung verlaufen
dürften. Dass Deuterojesaja auf Motive der Jhwh-König-Psalmen zurück-
greift „bedeutet gewiß nicht, daß alle überlieferten Thronbesteigungspsalmen
vorexilisch sind ... wohl aber, daß Deuterojesaja solche Lieder schon vorla-
gen.“ Die im Alten Orient breit belegte Vorstellung von einem Königtum
der Götter” hat somit kaum erst durch Deuterojesaja Eingang in die israeliti-
sche Religion bzw. das Judentum gefunden. Dass sie bereits im vorexilischen
37 Vgl. BEGRICH, Studien, 142; WESTERMANN, Jesaja 40-66, 172; HERMISSON, Deutero-
jesaja, 323f.335.
38 Vgl. BEGRICH, Studien,137; KAISER, Grundriß 11, 58f.; ALBERTZ, Exilszeit, 317.
HERMISSON, Gottesknechtslied, 225 sieht im vierten EJL eine von einem Schüler Deutero-
jesajas verfasste Ergänzung der ersten drei, die allerdings noch vor der Vereinigung der EJL
mit den übrigen Texten des Deuterojesajabuches erfolgt sei (vgl. DERS., Einheit, 155).
39 STECK, Beobachtungen, 83.
# Ein Unterschied besteht lediglich im verwendeten Tempus (Jes 52,10b Perf. cons./
Ps 98,3b Perf.); vgl. dazu JEREMIAS, Königtum, 134.
# Vgl. JEREMIAS, Königtum, 133f.; HOSSFELD/ZENGER, Psalmen 51-100, 689; anders
LEENE, Psalm 98, 332f.
#2 Vgl. KRAUS, Königsherrschaft, 99-112; WESTERMANN, Loben, 110-115; SEYBOLD,
ThWAT IV, 953 („Nach verbreiteter Annahme sind sie nachexilisch“). Für die im Psalter
überlieferte Endgestalt der Jhwh-König-Psalmen ist das kaum zu bestreiten. SEYBOLD,
Psalmen, 122.368 unterscheidet freilich jeweils vorexilischen Kern und nachexilische
Erweiterung.
4 Vgl. SCHMIDT, Königtum, 75 aufgenommen von JEREMIAS, Königtum, 1%
4 SCHMIDT, Königtum, 76. Man wird also zwischen jenen Motiven, die typisch deutero-
jesajanisch sind und solchen, die auch Deuterojesaja bereits vorgegeben gewesen sein kön-
nen zu differenzieren haben; vgl. KRATZ, Reste, 25f. mit Anm. 8.
#5 Vgl. RINGGREN, ThWAT IV, 932f.
114 Kapitel 3: Der einzige Gott und die Bilder
Kult ihren Platz gehabt haben dürfte,“ legen bei aller Schwierigkeit einer ge-
nauen Datierung Ps 29 und Ps 93 nahe. Sie sind vermutlich die ältesten Ver-
treter aus der Gruppe der Jhwh-König-Psalmen und werden zumindest im
Kern gewöhnlich in die vorexilische Zeit datiert.”
Innerhalb von Ps 29 wird V.11 meist als späterer Zusatz betrachtet, da er unvermittelt auf
das Volk Jhwhs zu sprechen kommt und so den gesamten Psalm israelitisch interpretiert.”
Zu dieser interpretatio israelitica ist möglicherweise auch V.10 zu rechnen. Der als „Flut“ über-
setzte Begriff 912% begegnet im gesamten Alten Testament neben Ps 29 nur im Zusammen-
hang mit der Fluterzählung innerhalb der Genesis (12mal in Gen 6-11) und bezeichnet dort
entweder die Katastrophe der Sintflut oder den Himmelsozean, in dessen Herabkommen auf
die Erde die Katastrophe besteht.” Wo auf die Katastrophe zurückgeblickt wird! ist diese
stets selbst gemeint, mit San also die Sintflut bezeichnet. Die Annahme, dass Ps 29,10 auf
die Fluterzählung rekurriert,? ist deshalb nahe liegend. Zudem weist Loretz darauf hin, dass
die VV.10 und 11 durch die vierfache Nennung des Gottesnamens als neuer Abschnitt er-
kennbar sind, der den Grund für den in V.9 ergehenden Lobpreis nachträgt, und V.10 durch
(den gegenüber den VV. 1-9 sekundären) V.11 bruchlos fortgesetzt wird.5? Sekundär ist
schließlich noch der die Stimme Jhwhs als Donner interpretierende Vers 3aß, der nicht nur
wegen der Gottesbezeichnung לא anstelle von הוהי aus dem Rahmen fällt, sondern auch den
Parallelismus membrorum in V.3aab sprengt.
Das Motiv des von seinem himmlischen Hofstaat umgebenen Königs der
Götter in den Rahmenversen von Ps 29 ist in den Ugarit-Texten mit dem
Gott El verbunden.“ Er gilt als Vater der Götter,” durch die er geehrt wird.”
Der Gott der Theophanieschilderung der VV.3-9a hat ebenfalls ein ugariti-
sches Pendant, jedoch nicht in El, sondern im Wettergott Baal. Dieser Teil
des Psalms scheint geradezu die wesentlichen Elemente des ugaritischen Baal-
Zyklus” zusammenzufassen. Ps 29 greift somit Motive auf, die aus Ugarit
einerseits in Verbindung mit El, andererseits in Verbindung mit Baal bekannt
sind’”” und überträgt sie auf Jhwh. „Zwei Hochgötter des ugaritischen Pan-
theons, der höchste Gott El und der Wettergott Baal, [sind] in dem einen
Jhwh verschmolzen.“ Das erklärt sich zwanglos im Rahmen der anzuneh-
menden faktischen Alleinverehrung Jhwhs im offiziellen Kult des vorexili-
schen Juda. Mit dem Aufstieg Jhwhs zum Reichs- und Dynastiegott ist die
Übernahme des Königstitels gut vorstellbar, womit dann aber die Frage nach
dem Verhältnis dieses Königsgottes, der weder El noch Baal hieß, zum ka-
naanäischen Mythos im Raum gestanden haben dürfte. Die Antwort von
Ps 29,1-9 lautet: Kein anderer Gott, weder El noch Baal, sondern allein
Jhwh, dessen Name hier nicht weniger als 14mal genannt wird, steht im Mit-
telpunkt des Mythos. Als Hauptgott Judas wird Jhwh nicht im Sinne einer
Gleichung mit El bzw. Baal unmittelbar identifiziert, sondern hat deren aus
dem Mythos bekannte Züge übernommen, ein im 1. vorchristlichen Jahrtau-
send in Syrien-Palästina durchaus nicht ungewöhnlicher Vorgang.” Es fällt
freilich auf, dass Jhwh bei allen Anspielungen auf Götterversammlung und
Götterpalast erst in V.10, also möglicherweise sekundär, ausdrücklich als Kö-
nig bezeichnet wird. Der Königstitel bildet jedoch gewissermaßen die Über-
schrift eines Textes, als dessen gewichtigste Parallele”° Ps 29 gilt: Ps 93.
Wie schon für den Kern von Ps 29 zu beobachten war, haben auch die ältes-
ten Teile von Ps 93 Entsprechungen in Ugarit.
„Die Motive des kanaanäischen Mythos vom Königtum Gottes sind unverkennbar: Hoheit
und Macht ...; die Festigkeit der Erde ...; die Ströme, die großen Wasser und das Meer ...;
die Überlegenheit Gottes in der Höhe; das heilige Haus, der Tempel, der für immer besteht.
Fast jedes Wort in Ps 93 hat seine ugaritische Entsprechung in dem Baal-Zyklus oder ihm
nahe stehenden Texten, das Ensemble der Motive spricht für sich. Der Psalm zeigt Jhwh in
der Rolle des kanaanäischen Wettergottes Baal.“®7
gemeint,aber doch eine Zeitspanne bezeichnet ist, die das menschliche Vorstellungs-
vermögen übersteigt. Sie findet sich fast ausschließlich in Deuterojesaja, Jes 44,8; 45,21;
48,3.5.7.8, daneben nur noch im sicher sekundären, vielleicht der Apokalyptik entstam-
menden Vers Jes 16,13 (vgl. dazu KAISER, Jesaja 13-39, 51f.62). In Ps 76,8 ist ohne konkre-
ten Zeitbezug der mögliche bzw. drohende Eintritt des Gotteszorns gemeint. An den übri-
gen Stellen (Gen 39,5; Ex4,10; 5,23; 9,24; Jos 14,10; Ruth 2,7; 2Sam 15,34; Jes 14,8;
Jer 44,18) bezieht sich 1% auf konkret genannte Zeitpunkte oder Zeiträume.
86 Sonst nur noch Ps 90,2; vgl. KRATZ, Mythos, 155f.
87 KRATZ, Mythos, 153f.; vgl. auch JEREMIAS, Königtum, 19-23; SPIECKERMANN, Heils-
gegenwart, 180-186. Zur traditionellen Verbindung von Chaoskampf und Königtum der
Gottheit vgl. auch METTINGER, Search, 149.
88 Vgl. KRATZ, Mythos, 154f.
9 Vgl. die Stele des „Baal au foudre“, abgebildet etwa bei CAQUOT, Wurzeln, 39.
120 Kapitel 3: Der einzige Gott und die Bilder
(3) Da sah ich den Herrn sitzen auf einem hohen und erhabenen Thron — Jes 6,1-5
1 Im Todesjahr des Königs Ussija
da sah ich den Herrn sitzen auf einem hohen und erhabenen Thron,
und seine Säume füllten den Palast.??
2 Seraphim standen über ihm, sechs Flügel, sechs Flügel hatte ein jeder!
Mit zweien bedeckte er sein Angesicht und mit zweien bedeckte er seine Füße und mit
zweien flog er.
3 Und einer rief dem anderen zu und sprach:
Heilig, heilig, heilig ist Jhwh Zebaoth. Seine Herrlichkeit füllt die ganze Erde.
4 Und die Pfosten der Schwellen?? schwankten vor der Stimme des Rufenden, und das
Haus füllte sich mit Rauch.
5 Da sprach ich: Wehe mir, denn ich bin verloren,?*
denn ein Mann unreiner Lippen bin ich
und mitten in einem Volk unreiner Lippen wohne ich,
denn den König Jhwh Zebaoth haben meine Augen gesehen.
Gegen die bis heute weit verbreitete Annahme der literarischen Einheitlichkeit zumindest
von [65 6,1-11% hat Becker V.5aß.b als späteren Zusatz identifiziert.’° Aufmerken lässt be-
reits das in V.5 gehäufte Auftreten von "3-Sätzen. Das Bekenntnis der Unreinheit der Lip-
pen ist als Begründung des Ausrufs יִתיִמְדְנהיִכ ילדיואnicht nur ausreichend, sondern fügt
sich auch sachgerecht in den Kontext von Jes 6,1-11 ein, da in der auf V.5 folgenden Szene
Jes 6,6f. die genannte Unreinheit durch eine Entsühnungshandlung beseitigt 120.7 V.5b
trägt als erneute Begründung den Aspekt der Vorstellung vom Tod des Menschen als Folge
des Schauens Jhwhs ein, eine Vorstellung, die neben Jes 6 ausnahmslos in späten Texten
begegnet.?® Gehört V.5b jedoch nicht der Grundschicht von [68 6,1-11 an, muss man sich
unabhängig von der Frage, ob mit der so genannten Berufungsvision ein Stück Autobiogra-
phie des Propheten Jesaja vorliegt,’ oder sie erst im 7. Jahrhundert, jedenfalls nach dem Fall
Samarias abgefasst wurde,!® von Originalität und sicherer Datierbarkeit dieses Beleges einer
ausdrücklichen Bezeichnung Jhwhs als Ei verabschieden.
Auch ohne die ausdrückliche Königstitulatur in V.5b ist deutlich, dass die in
der Forschung fast einhellig' in die vorexilische Zeit datierte Berufungsvi-
sion Jesajas die Vorstellung vom Königtum Jhwhs belegt. „Das Wortfeld, das
die tragenden Begriffe in Jes 6,1ff. konstituieren, ist durch die bis ins 3. Jt.
v.Chr. zurückreichende Vorstellung vom (göttlichen) Königtum determi-
niert“, Der Text präsentiert Jhwh „im kanaanäisch bis gemeinorientalisch
bekannten Königsornat“'” und „V.5b spricht nur aus, was v.1-4 ohnehin
voraussetzen.“ Die Rede vom Thron ()אָסְּכ im Palast-Tempel ()לֶכיַה in V.1
oder die in V.2 als Hofstaat erscheinenden Seraphim fallen dabei, neben wei-
teren Elementen,'” lediglich am deutlichsten ins Auge. Trat Jhwh in Ps 93
gänzlich allein auf, ist er in Jes 6 wie in Ps 29 von einer Art Hofstaat umge-
ben, auch wenn die als geflügelte Mischwesen vorgestellten Seraphim'" an
eine göttliche Ratsversammlung mehr erinnern, als eine solche wirklich zu
sein.” Ihre Aufgabe besteht offenbar darin, Jhwh zu loben und ihm zu die-
nen, denn auf die Jes 6,8 von Jhwh gestellte Frage („Wen soll ich senden, und wer
wird für uns gehen ?“) folgen nicht etwa verschiedene Vorschläge aus dem Kreis
eines Beratergremiums (vgl. 1Kön 22,20), sondern allein die Worte des Pro-
pheten: mau ‘27 „Hier bin ich, sende mich!“ Die Seraphim scheinen als „geflü-
gelte Halbgottheiten“' vorgestellt zu sein, andere Götter neben Jhwh nennt
der Text also nicht. Sofern die Berufungsvision Jesajas auf den Propheten
selbst oder einen Verfasser des 7. Jh. v.Chr. zurück geht, also einen Einblick
% Vgl. LEVIN, Sturz, 76 Anm. 39; BECKER, Jesaja, 88 mit Anm. 97. Es handelt sich um
Gen 32,31; Ex 33,20 und Ri 6,22f.
9 So in jüngster Zeit z. B. PODELLA, Lichtkleid, 187f.; BEUKEN, Jes 1-12, 163. Für den
von ihm in Jes 6,1-8*.8,1.3£.16* ausgemachten Kern der so genannten „Denkschrift“ Jesajas
legt sich auch für BECKER, Jesaja, 121f. jesajanischer Ursprung nahe.
100 So KRATZ, Propheten, 60.
101 Ausnahmen: WHITLEY, Call, 38-41.47; KAISER, Jesaja 1-12, 117-123; GOSSE, Isaie
VI, 349.
102 MÜLLER, Beobachtungen, 168.
103 SPIECKERMANN, Heilsgegenwart, 92.
104 BECKER, Jesaja, 88; vgl. MÜLLER, Beobachtungen, 168.
105 Vgl. dazu SPIECKERMANN, Heilsgegenwart, 915; MÜLLER, Beobachtungen, 166-171;
PODELLA, Lichtkleid, 187-196.
106 Ob sie eher primär schlangen- (vgl. KEEL, Jahwe-Visionen,70-79) oder menschenge-
staltig (vgl. WILDBERGER, Jesaja 1-12, 247f.) vorzustellen sind, kann hier offen bleiben. Vgl.
auch RÜTERSWÖRDEN, ThWAT VI, 887-891.
107 Vgl. DIETRICH, Gott, 254.
108 BEUKEN, Jes 1-12, 9.
122 Kapitel 3: Der einzige Gott und die Bilder
Die Parallelen sind vornehmlich struktureller Art,!® direkte literarische Abhängigkeiten sind
nicht nachweisbar.!!" 1Kön 22,19--22 dürfte erst relativ spät in seinen Kontext gelangt sein!!!
und erscheint eher als „ein Standardexemplar eines Visionstextes vom göttlichen Thronrat
bzw. im weiteren Sinn einer Thronratsschilderung“!!? denn als spezifische Ausgestaltung
eines solchen. Dass der göttliche Auftrag nicht an den Propheten, sondern an den Geist, an
ein Wesen aus dem Bereich Jhwhs ergeht, erinnert an das Gespräch zwischen Jhwh und
Satan Hi 1,6ff.
Auch wenn sie als Fortschreibung entstanden und mit großen Teilen von 1Kön 22 kaum
zur ersten Fassung der Königebücher zu rechnen 188,112 muss die Thronvision Micha ben
Jimlas deswegen nicht frei von vordeuteronomistischer Überlieferung sein,!!* da „die Pro-
phetenerzählungen ... ihre eigene Vorgeschichte außerhalb der Königebücher [haben]“.1!5
Als Argument für den Rückgriff auf eine alte Überlieferung wird die Nennung des Him-
melsheeres OYRUT (אָבְצ als Hofstaat Jhwhs vorgebracht, da es hier im Gegensatz zu späte-
ren Texten eine positive Funktion ausübe.!!6 Doch auch in Dtn 4,19 kommt dem Himmels-
heer eine positive Funktion zu, zwar nicht für Israel, aber für die fremden Völker, denen es
von Jhwh zur Verehrung zugeteilt worden ist.!!7 Die Zuteilung der Gestirne an die Völker
unterstreicht dabei nicht nur das Verbot der Gestirnsverehrung für Israel, sondern auch die
Macht, die Jhwh über das Himmelsheer ausübt: Die Gestirne sind nicht Konkurrenten son-
dern Diener des Gottes Israels. Die Vorstellung vom Jhwh als Hofstaat dienenden Him-
melsheer in 1Kön 22,19-22 muss also nicht notwendig auf besonders hohes Alter hindeu-
ten, sondern kann auch jene Einstellung zum םיִמָשַה NIS widerspiegeln, die in den spä-
testen Schichten des Deuteronomiums zu finden ist.!!® Die Thronratsvision Micha ben Jim-
las wäre dann ein Beleg dafür, dass das mythische Motiv der göttlichen Ratsversammlung
auch in spätnachexilischer Zeit von Bedeutung blieb.
(4) Fazit
118 Auch die in 1Kön 22,19-22 präsentierte Lösung des von 1Kön 22 behandelten theo-
logischen Problems wahrer und falscher Jhwh-Prophetie könnte auf eine späte Entstehung
des Stückes hinweisen. Steck hat zwei Lösungen dieses Problems und zwei entsprechende
Bearbeitungsschichten ausgemacht (vgl. STECK, Bewahrheitungen, 88-93). Die Lösung der
älteren Schicht A (VV.3.6.11.9.13-1520.17.24-28a.*29.34-35aba..*36-37) liegt ganz im Ein-
klang mit Dtn 18,20ff., wonach sich Prophetie durch ihr Eintreffen bewahrheitet. Die Frage
nach dem Woher falscher Prophetie wird in Dtn 18,20ff. erst nachträglich durch die Erwäh-
nung der „anderen Götter“ in Dtn 18,20aßb beantwortet: Falschprophetie ist Prophetie im
Namen fremder Götter (vgl. oben 2.1.5). In 1Kön 22 ist die Antwort der jüngeren Schicht B
(VV.2b.4.5.7-8.10.12.*15.16.18-23. Zufügung „und Joschafat, der König von Juda“ in
V.29.30-33.*36) eine andere. Hier wird die falsche Prophetie nicht mit fremden Göttern in
Verbindung gebracht, sondern als Bestandteil des zielgerichteten Handelns Jhwhs erklärt.
Damit könnte nicht nur das Erste Gebot, sondern über Dtn 18,20ff. hinausgehend und wie
auch in Dtn 4,19 das Bekenntnis zu Jhwh als einzigem Gott überhaupt vorausgesetzt sein.
119 Das gilt auch für den literarischen Kern von Ps 47, den KRATZ, Reste, 42-44 in den
Versen 2-3.6-82.I9b ausmacht.
120 Vgl. SCHMIDT, Königtum, 86.
124 Kapitel 3: Der einzige Gott und die Bilder
dass der jeweils regierende König Israels sein Königtum unter Verweis auf
den Reichsgott (und Götterkönig?) Jhwh (von Samaria) legitimierte. Welchen
Grund hätte man in Juda gehabt, den eigenen Gott Jhwh (von Jerusalem) mit
dem Namen des größeren Nachbarn und Rivalen im Norden zu verbinden?
Dass Jhwh in Jerusalem „Gott Israels“ genannt werden kann, setzt voraus,
dass Israel nicht mehr als territoriale politische Größe existiert, sondern als
Volk begriffen wird, das aus Israeliten und Judäern besteht. Dieses Verständ-
nis von „Israel“ markiert jedoch nicht den Ausgangspunkt, sondern ein fort-
geschrittenes Stadium jener Entwicklung, deren Anfänge im Untergang des
Nordreiches Israel zu suchen sind und durch den an Israel ergehenden Auf-
ruf zur Einheit schlaglichtartig beleuchtet werden (Dtn 6,4): „Höre Israel, Jhwh
ist unser Gott, Jhwh ist einer.“ Es ist sicher kein Zufall, dass Jhwh hier nicht
„Gott Israels“ oder „König Israels“, sondern „unser Gott“ genannt wird:
Israel und Juda werden als getrennte Größen wahrgenommen. Die Identität
des Gottes Judas mit dem Gott Israels musste proklamiert werden, weil dieser
Gedanke noch nicht selbstverständlich war.'”" Dass Israel nach der Erobe-
rung durch die Assyrer keinen König mehr hatte, wird man am Hof in Jeru-
salem auch als Bestätigung des eigenen Anspruchs interpretiert haben.'” Hat-
ten die politischen Ereignisse nicht gezeigt, welcher König sich zu Recht auf
Jhwh berufen hatte? Er hieß Hiskia, Manasse oder Josia und residierte in Je-
rusalem — nicht als König von Israel, sondern als König von Juda. Warum
hätte sich ein König von Juda auf einen göttlichen „König Israels“ berufen
sollen? Es ist daher anzunehmen, dass das irdische Königtum auch in Juda
erst untergehen musste, bevor Jhwh (von Jerusalem) der König Israels wer-
den konnte.'” In der theologischen Rückschau (vgl. etwa Ri 8,23 oder
1Sam 8,7) ist er dann selbstverständlich schon immer Israels König gewe-
sen.”
So wird hier ein entscheidender Unterschied zwischen den wahrscheinlich
vorexilischen Texten und Deuterojesaja erkennbar: Während jene zwanglos
als Hymnus auf den bzw. Vision des monolatrisch verehrten Götterkönigs,
der die Herrschaft der Jerusalemer Könige schützt, verstanden werden kön-
nen, proklamiert dieser unter Berufung auf bekannte Traditionen, mit der
Bezeichnung Jhwhs nicht nur als Gott, sondern als König Israels, die irdische
Herrschaft des Königsgottes. Hat neben diesem idealen Gott-König ein irdi-
121 Vgl. oben Kap. 2.1.3 sowie Kap. 2.1.5. Dass die Einheit Jhwhs nach 720 v.Chr. erst
proklamiert werden musste, spricht gegen die von ELLIGER, Deuterojesaja, 340 vertretene
Annahme, die Bezeichnung Jhwhs als König Israels stamme aus der Zeit des davidischen
Großreiches, von der Frage, wie weit unsere Kenntnisse über die territorialen, politischen
und wirtschaftlichen Verhältnisse im Palästina der so genannten davidisch-salomonischen
Zeit tatsächlich reichen, einmal abgesehen.
122 Vol. KRATZ, Israel, 17.
123 Vgl. DIETRICH, Gott, 263.
124 Vgl. DIETRICH, Gott, 264.
3.1 Monolatrie in Deuterojesaja 125
3.1.3 Hebt eure Augen zur Höhe und seht: Wer hat diese geschaffen?
Dass die Schöpfermacht Jhwhs im Deuterojesajabuch eine herausragende
Rolle spielt, ist bereits in der zu Beginn dieses Kapitels zitierten Beschreibung
seiner Verkündigung durch Julius Wellhausen angeklungen. Jhwhs Ge-
schichtsmächtigkeit, die Voraussetzung für die Zuverlässigkeit der Jakob-Is-
rael bzw. Zion verkündigten Heilsbotschaft, wird mit Verweisen auf Jhwhs
Schöpfertätigkeit begründet,'” die Rede von Jhwh als Schöpfer ist im Deute-
rojesajabuch „zur Basis des theologischen Denkens geworden. “'” Unabhän-
gig von der Frage, ob Deuterojesaja den Begriff ארב als exklusive Bezeich-
nung für Jhwhs schöpferisches Handeln in das Alte Testament eingeführt
hat,'” greift das Deuterojesajabuch auch im Rahmen der Rede von Jhwh als
Schöpfergott sehr wahrscheinlich auf älteres Wissen zurück.'”” Das legt nicht
125 Vgl. 1Sam 8,19b.20: Und sie sprachen: Nein, sondern ein König soll über uns sein, damit auch
wir sind wie alle Völker, und unser König uns richtet und vor uns her auszieht und unsere Kriege führt.
126 Vgl. VEIJOLA, Königtum, 119-122. Die Königskritik wird dort der im Vergleich zur
Grundschicht späteren nomistischen Redaktion DtrN zugeschrieben. Vor diesem Hinter-
grund ist bemerkenswert, dass die Vorstellung vom Königtum Jhwhs über Israel und die
Exodusthematik, die in 1Sam 8,7f. gemeinsam gegen das irdische Königtum ins Feld geführt
werden, auch in Jes 52,7-10 (und Ez 20,33ff.; vgl. dazu unten Kap. 4.1.2) miteinander ver-
bunden sind; vgl. SCHMIDT, Kritik, 442 mit Anm. 6, zur Auseinandersetzung mit dem
Königtum in 1Sam 8 außerdem MÜLLER, Königtum, 119-147.
127 Vgl. SCHMIDT, Kritik, 451.
128 Das wäre im 6. Jahrhundert angesichts der Restitutionshoffnungen in der ältesten Fas-
sung des so genannten deuteronomistischen Geschichtswerks oder — noch deutlicher — bei
Haggai und Sacharja zumindest bemerkenswert.
129 Vgl. STREIBERT, Schöpfung, 23; ALBANI, Gott, 123f.
130 KRATZ/SPIECKERMANN, TRE 30, 267.
131 Vgl. dazu unten Kap. 3.3.5 S. 237f.
1322 Anders VORLÄNDER, Monotheismus, 107f. Gegen die von Vorländer vertretene
These, das vorexilische Israel habe El als Schöpfergott verehrt und diese Funktion erst
nachexilisch im Zuge der Durchsetzung des Monotheismus auf Jhwh übertragen, spricht die
126 Kapitel 3: Der einzige Gott und die Bilder
nur die Überlegung nahe, dass das Wissen um die Bedeutung der Götter für
Erschaffung und Erhaltung der Welt im Alten Orient Allgemeingut war,”
sondern die deuterojesajanischen Disputationsworte, etwa die bereits zitierten
Verse Jes 40,21f.,'"”* weisen selbst in diese Richtung. Gerade wenn Schöpfung
nur ein Randthema der vorexilischen Jhwh-Religion gewesen ist‘ und die
damit verbundenen Jhwh-Traditionen für die Adressaten der deuterojesajani-
schen Verkündigung kaum noch lebendig gewesen sein sollten,” ist es
schwer vorstellbar, dass die schöpfungstheologische Argumentation Deute-
tojesajas ohne jeden Anhalt in der Tradition hätte verstanden werden und
überzeugen können.'” Im Zusammenhang der Frage nach dem monolatri-
schen Hintergrund des deuterojesajanischen Monotheismus sei daher kurz
eruiert, welche Vorstellungen von Jhwh als Schöpfer das Deuterojesajabuch
voraussetzen könnte.
Es ist nicht davon auszugehen, dass die theologischen Aussagen des Deuterojesajabuches
allein aus überkommenen Traditionen der Jhwh-Religion zu erklären sind, sondern vielmehr
damit zu rechnen, dass auch die Auseinandersetzung mit fremden Traditionen von Bedeu-
tung war. So hat Albani in seiner Untersuchung zur Begründung des Monotheismus bei
Deuterojesaja!?® die Bedeutung der Schöpfungsvorstellungen der babylonischen Marduk-
Theologie, insbesondere des Schöpfungsepos Enuma elisch betont. Ob darin tatsächlich der
entscheidende Impuls für die schöpfungstheologische Universalisierung der Jhwh-Religion
durch Deuterojesaja zu sehen ist,!?? sei vorläufig dahingestellt. Die für Albanis Arbeit grund-
legende Rückführung zumindest einer Grundschicht des Deuterojesajabuches auf die
bereits oben in Kapitel 2.1 begründete Annahme der Entwicklung einer zumindest faktisch
monolatrischen Verehrung Jhwhs im Staatskult des vorexilischen Jerusalemer Tempels. In
diese Entwicklung fügt sich die in Kapitel 3.1.2 aufgezeigte Übernahme des in Ugarit noch
El und Baal zukommenden Königstitels durch Jhwh zwanglos ein. Es leuchtet nicht ein, wa-
rum Jhwh mit der Funktion des Königs- nicht auch jene des Schöpfergottes übernommen
haben sollte (vgl. VON RAD, Theoiogie I, 149; ALBERTZ, Religionsgeschichte, 206; ALBANI,
Gott, 248f.) zumal, wie JANOWSKI, Königtum, 446-453 dargelegt hat, beide Funktionen
durchaus mit einander verbunden waren (vgl. aber SCHMIDT, Königtum, 77; JEREMIAS,
Königtum, 158).
133 Vgl. KRATZ, Propheten, 93: „Daß Gott der Schöpfer und Erhalter der Erde ist, wußte
im Alten Orient jedes Kind. Es gehörte in dieser oder jener Form auch zum Credo der vot-
exilischen Nationalreligion in Israel und Juda.“
Ss Velsoben's-111.
135 Vgl. SPIECKERMANN, Heilsgegenwart, 83; JEREMIAS, Schöpfung, 12.
136 Vgl. HERMISSON, Diskussionsworte, 170f. STREIBERT, Schöpfung, 41 meint dagegen,
dass „der Schöpfungsglaube der Exulanten [scheinbar] relativ ungebrochen“ gewesen sei.
Die Tradition von Jhwh als Schöpfer war jedenfalls offenbar noch hinreichend lebendig, um
als Anknüpfungspunkt für die deuterojesajanische Botschaft dienen zu können.
137 Vgl. ALBANI, Gott, 249. Vgl. auch HERMISSON, Jakob, 126: „Er [Deuterojesaja; S.P.]
konnte seine Hörer nur an das erinnern, was sie einst im Lobpreis des Schöpfers Jhwh be-
kannt hatten.“
138 MATTHIAS ALBANI, Der eine Gott und die himmlischen Heerscharen, ABG 1,
Leipzig 2000.
139 Vgl. ALBANI, Gott, 124.253-255 u. ö.
3.1 Monolatrie in Deuterojesaja 127
Die Verse 16 bilden den einleitenden ersten Abschnitt von Ps 24, dessen Gesamtaufbau
meist als dreiteilig (VV.1£.3-6.7-10) beschrieben wird.!*! Ob die einzelnen Abschnitte des
Psalms ursprünglich selbständige Stücke darstellen,!# oder Anfangs- und Mittelteil „unter
Verwendung von Traditionselementen ... auf V.7-10 hinkomponiert worden [sind]“!#, kann
hier offen bleiben. Wichtig für die jetzige Fragestellung ist lediglich die Beobachtung, dass
die hymnische Einleitung des zumindest hinsichtlich seiner älteren Teile in der Regel vorexi-
lisch datierten Psalms!* explizit schöpfungstheologische Aussagen in Bezug auf Jhwh
macht.
Ps 24,1f. bekennen Jhwh als Eigentümer der Erde und ihrer Bewohner und
begründen diese Stellung Jhwhs mit seiner Eigenschaft als 566101. Aus-
weislich der verwandten Terminologie )דסי (ןוכ/ ist kaum an eine prima crea-
tio im Sinne von Gen 1, sondern eher an die Gründung und Erhaltung der
bewohnbaren Welt durch einen Baumeister gedacht, '* ein Motiv, das auch in
Ps 93 begegnet.'” Interessant ist nun weniger, dass beide Begriffe auch bei
Deuterojesaja belegt sind und zwar auch, aber nicht ausschließlich mit Bezug
auf die Erschaffung bzw. Gründung der 14906,7"sondern dass das Motiv der
140 Vgl. ALBANI, Gott, 7: „Für unsere Argumentation kommt es vor allem darauf an, daß
die Verkündigung des Exilspropheten tatsächlich aus dem historischen und religions-
geschichtlichen Kontext der neubabylonischen Zeit zu verstehen ist“ oder aaO. 24: „Von
zentraler Bedeutung für diese Arbeit ist also die Situierung der Botschaft Dtjes’ -
zumindest, was den ‚Grundbestand‘ in Jes 40-48 betrifft - im babylonischen Milieu.“ Vgl.
auch aaO. 21f.
14 Vgl. DUHM, Psalmen, 100-103; SPIECKERMANN, Heilsgegenwart, 198; SEYBOLD,
Psalmen, 103f. HOSSFELD/ZENGER, Psalmen I, 156f. zählen den literarisch sekundären V.6
(vgl. auch SPIECKERMANN, Heilsgegenwart, 199) als eigenen Abschnitt und kommen so auf
vier Teile.
142 60 DUHM, Psalmen, 100; HOSSFELD/ZENGER, Psalmen 1, 156; SEYBOLD, Psalmen 103.
143 SPIECKERMANN, Heilsgegenwart, 204.
144 Vgl. SPIECKERMANN, Heilsgegenwart, 208 mit Anm. 25; HOSSFELD/ZENGER, Psal-
men I, 156f.; SEYBOLD, Psalmen, 104.
145 Vgl. METZGER, Eigentumsdeklaration, 39f.; SEYBOLD, Psalmen, 104.
146 Vgl. SPIECKERMANN, Heilsgegenwart, 201; HOSSFELD/ZENGER, Psalmen I, 156.
147 Ebenfalls unter Verwendung von 713; vgl. oben Kap. 3.1.2.2.
148 כוןbegegnet in diesem Sinne Jes 45,18 und 51,13 (wie Ps 24,2 pol.), außerdem 40,20
(hi.) und 54,14 (hitp.). דסי bezieht sich auf die Gründung der Erde in Jes 48,10; 51,13.16, auf
die Gründung des Tempels in 44,28 und begegnet außerdem in 54,11.
128 Kapitel 3: Der einzige Gott und die Bilder
Festigkeit der Erde bereits in Ugarit mit dem Königsgott verbunden ist. Ob
es sich dabei tatsächlich um ein Schöpfungsmotiv handelt, ist nicht unum-
stritten. W.H. Schmidt wirft die Frage auf, ob Ps 93,1 nicht eher Theophanie-
oder Chaoskampf- als Schöpfungsterminologie enthalte.'” Ob das auf die
Bewahrung der bewohnbaren Welt zielende Motiv des Chaoskampfes'” als
Bestandteil der Schöpfungsthematik betrachtet wird, hängt letztlich von der
inhaltlichen Definition des Schöpfungsbegriffs ab. Wird er ausdrücklich auf
eine Schöpfung am Anfang beschränkt, wird man von Schöpfung im Sinne
einer creatio continua nicht sprechen können.'” Eine solche Beschränkung
würde der Bedeutung, die gerade dem Aspekt der Erhaltung der Schöpfungs-
ordnung im Alten Orient zukam, jedoch nicht gerecht: „Der Schöpfungs-
glaube sprach im Alten Orient nicht nur, ja nicht einmal primär, von der
Weltentstehung, sondern gleichzeitig und vor allem von der gegenwärtigen,
den Menschen umgebenden Welt und Natur.“'” Das war in Ugarit offenbar
nicht anders, denn der wichtigste Gott der Stadt Ugarit scheint nicht der als
Schöpfer und Vater der Götter geltende El, sondern der neben anderem auch
mit dem Bereich der Vegetation verbundene Wettergott Baal gewesen zu
sein.”
Zwar enthält das aus Ugarit überlieferte Textkorpus keine Erzählung einer
anfänglichen Erschaffung der Welt,'”* aber Schöpfung ist dennoch ein zentra-
ler Aspekt des Baal-Zyklus, des Mythos vom Königtum Gottes.'” Zwar führt
nicht der eigentliche Schöpfergott und Götterkönig El den Chaoskampf,
sondern Baal hat sich mit Jam auseinanderzusetzen, wodurch Vegetation und
menschliches Leben auf der Erde erst ermöglicht werden. Sein „Sieg ...
schafft diese Erde nicht“ doch er „vervollständigt ... das Werk des Ur-
1# Vgl. SCHMIDT, Königtum, 77f. mit Anm. 15, aufgegriffen von JEREMIAS, Königtum,
158.
150 Vgl. KRATZ/SPIECKERMANN, TRE 30, 264.
151 Vgl. JANOWSKI, Königtum, 451.
152 SCHMID, Schöpfung, 11.
1535 Für die herausragende Bedeutung Baals spricht zunächst seine regelmäßige und an
prominenter Stelle erfolgende Nennung in den ugaritischen Götter- und Opferlisten (vgl.
TUAT II, 300-318), sodann die Lage seines Tempels am höchsten Punkt der Stadt Ugarit
(vgl. NIEHR, Religionen, 43f.) und nicht zuletzt seine zweifellos zentrale Rolle im Mythos, in
welchem der eigentliche Götterkönig El neben Baal geradezu untätig wirkt. Auch wenn El
offenbar eng als Dynastiegott mit dem ugaritischen Königshaus verbunden gewesen ist (vgl.
NIEHR, Religionen, 28) war doch Baal der eigentliche Stadt- und Schutzgott der Stadt Ugarit
(vgl. WYATT, Religion, 545). Von ihm erflehte man Beistand gegen Feinde (vgl. KTU 1.119)
und die bereits erwähnte Stele des Baal au foudre zeigt ihn in eben dieser Rolle, die Keule
zum Kampf erhoben, den König, den Repräsentanten der Stadt Ugarit, beschützend.
1% Vgl. JANOWSKI, Königtum, 449; KRATZ/ SPIECKERMANN, TRE 30, 264.
155 Vgl. SMITH, Baal Cycle, 319.332.336-339.
156 KAISER, Bedeutung, 76.
3.1 Monolatrie in Deuterojesaja 129
..
Diese rhetorische Frage will dem angeredeten Menschen vor Augen halten,
wer ihn geformt hat, nämlich, wie der Zusammenhang ergibt, niemand anders
als Jhwh. Die Vorstellung, dass eine Schöpfergottheit den Menschen wie ein
Töpfer seine Gefäße aus Ton oder Lehm formt, ist im ganzen Alten Orient
einschließlich Ägyptens verbreitet und lässt sich bis in sumerische Quellen
zurückverfolgen.'” Als ausgeführte Erzählung hat sie im Rahmen der nicht-
priesterlichen Schöpfungserzählung Gen 2-3'° Eingang in das Alte Testa-
ment gefunden (Gen 2,7):
In Gen 2,5 schimmert die Vorstellung von Gott als Herr und Erhalter der
Erde durch,’ die sich in die oben angesprochenen, kanaanäisch vermittelten
Schöpfungsvorstellungen der vorexilischen Jhwh-Religion einfügt. Ob Deute-
rojesaja Gen 2-3 ganz oder in Teilen literarisch voraussetzt, sei dahingestellt.
Die hinter dem Text stehende Vorstellung von der Erschaffung des Men-
schen ist derart lange und breit belegt, dass sie den Verfassern wie den Adres-
saten des Deuterojesajabuches sicher in der einen oder anderen Form be-
kannt gewesen ist.
Vor drei Jahrzehnten hätte sich die Frage, ob dem (oder den) Verfasser(n) des Deuterojesa-
jabuches die im Buche Genesis überlieferte nichtpriesterschriftliche Erzählung von der Er-
schaffung des Menschen bekannt war, kaum gestellt, sah doch etwa Steck einen Konsens
sich dahingehend abzeichnen, dass Gen 2-3 ein literarisch einheitlicher Text und dem Werk
des im Juda des 10. vorchtistlichen Jahrhunderts wirkenden Jahwisten zuzuschreiben sei.!°
Unbestritten vorhandene Spannungen im Text! wurden nicht literarkritisch, sondern über-
lieferungsgeschichtlich erklärt, wenn auch zur Diskussion stand, ob in Gen 2-3 zwei Tradi-
tionen, eine Schöpfungs- und eine Paradieserzählung, bereits vorliterarisch verbunden gewe-
sen seien,!°” oder ob der Jahwist den vorliegenden Text aus einer ihm vorgegebenen Para-
dieserzählung mit weiteren Wissensstoffen komponiert habe.!6® Zur frühestmöglichen Zeit
des Auftretens eines Propheten „Deuterojesaja“ um 550 v.Chr. wäre das jahwistische Werk
und mit ihm Gen 2-3 seit vier Jahrhunderten Bestandteil der schriftlichen Überlieferung der
Jhwh-Religion gewesen und es wäre kaum vorstellbar, dass ein mit ihr vertrauter Mensch
diese Erzählung nicht gekannt hätte.!®
Von jenem von Steck ausgemachten Consensus, sollte er jemals wirklich bestanden ha-
ben, kann heute freilich keine Rede mehr sein. Zum einen sind angesichts der lange be-
kannten Spannungen innerhalb von Gen 2-3 zunehmend Stimmen laut geworden, die für
ein literarisches Wachstum des Textes plädieren.!70 Zum anderen herrscht hinsichtlich der
zeitlichen Einordnung von Gen 2-3 mit der Infragestellung der Existenz eines davidisch-
3.1.4 Ja, ich lege in die Wüste einen Weg — Denterojesaja und Exodustradition
Die im Deuterojesajabuch verkündigte Heimkehr Jhwhs zum Zion, die in
Jes 40,3 ihren Anfang nimmt und in 52,7-10 ihr Ziel erreicht, lädt schon we-
gen des durch die Wüste verlaufenden Weges zu Parallelisierungen mit der
Exodusüberlieferung ein. „Er [Deuterojesaja; S.P.] berührt die Katastrophe
der Ägypter am Schilfmeer; er weiß, daß Jahwe seinem Volk einen wunderba-
ren Weg durch die Fluten des Meeres schuf; er weiß, daß der Auszug aus
Ägypten ןוזפחב erfolgte und daß Jahwe auf dem Wege Vorhut und Nachhut
bildete; er kennt die Überlieferung vom Wasser aus dem Felsen.“'” Freilich
fällt auf, dass in Deuterojesaja „an keiner Stelle ... die traditionellen Heraus-
oder Heraufführungsformeln verwandt [werden]“.'”” Auch ist die Rede von
Weg, Wüste, Wasser oder anderen Elementen und Motiven, die auch in der
Exoduserzählung Ex 1-14 von Bedeutung sind, kaum in jedem Fall eine An-
spielung auf den Auszug aus Ägypten,'” zumal das Deuterojesajabuch zu-
nächst nicht auf den Auszug des Volkes, sondern auf die Rückkehr Jhwhs
zielt.'” Dennoch enthält das Deuterojesajabuch neben einigen Texten, die
möglicherweise (auch) die Exodustradition im Blick haben'“ zwei Passagen,
die offensichtlich darauf anspielen, nämlich [68 43,16-21 und 51,9-11,°°
Daneben scheint Jes 48,21 auf die Erzählung vom Wasser aus dem Felsen
Ex 17,1-7; Num 20,1-13 anzuspielen, betont allerdings gegen die Episode
aus der Exoduserzählung, dass das Volk nicht dürstete und erwähnt auch kein
Murren.'”” In welcher Form die Exodustradition dem bzw. den Verfasser(n)
des Deuterojesajabuches vorlag, kann hier freilich offen bleiben. Zwar ist mit
den klassischen Pentateuchquellen „J“ und „E“ eine bis in die frühe Königs-
zeit zurückreichende schriftliche Tradition der Exoduserzählung fraglich ge-
worden, doch enthalten die innerhalb von Ex 1-15 auszumachenden nicht-
priesterschriftlichen Textanteile eine vollständige, von P unabhängige Exo-
duserzählung,'”* die im Grundbestand jedenfalls älter als die Priesterschrift
und vermutlich vorexilisch 186.7 Dass sich im frühestens spätexilischen Deu-
terojesajabuch Anspielungen auf den Exodus finden, ist daher nicht weiter
verwunderlich.
3.1.5 Israel, mein Knecht, Jakob, den ich erwählt habe — Denterojesaja und die
Erzwäterüberlieferung
Auf die Erwähnung Abrahams und Jakobs im Deuterojesajabuch hat Begrich
die Aussage gegründet, dass in Deuterojesaja nicht nur die Exodustradition,
sondern „der gesamte Bereich von Genesis bis Exodus ... erkennbar [ist]“'*,
also nicht nur die Schöpfungs- und Exoduserzählung, sondern auch die Er-
zählungen um die so genannten Erzväter Israels, Abraham, Isaak und Jakob,
die im Aufriss des Pentateuch in seiner heutigen Gestalt der Urgeschichte
Gen 1-11 folgen und der Exoduserzählung vorangehen. Dass die Väterge-
schichten das Kolorit des ausgehenden 8. Jh.v.Chr. tragen und sich wie das
Altargesetz Ex 20,24 zwanglos in den Rahmen eines faktisch monolatrischen
judäischen Staatskultes nach dem Untergang des Staates Israel einfügen, ist in
Kapitel 2 bereits aufgezeigt worden.'” Sofern ihre literarische Verbindung mit
der Exoduserzählung einem Autor oder Redaktor der vor- oder frühexili-
schen Zeit zugeschrieben wird, man nenne ihn den Jahwisten oder nicht, ist
grundsätzlich mit der Möglichkeit zu rechnen, dass der oder die Autoren des
Deuterojesajabuches die in der Genesis überlieferten Traditionen über Abra-
ham, Isaak und Jakob zumindest in Teilen kannten.
Schon auf den ersten Blick sind jedoch auch erhebliche Unterschiede er-
kennbar. Zunächst fällt auf, dass mit Isaak einer der drei Erzväter der Gene-
sis bei Deuterojesaja gänzlich fehlt. Dies entspricht freilich dem Gesamtbild
der Verteilung der Isaak-Belege innerhalb der alttestamentlichen Literatur:
Bei keinem Schriftpropheten begegnet Isaak im Grundbestand,'” außerhalb
der Genesis'” wird er nahezu immer gemeinsam mit Abraham und Jakob er-
wähnt,'” in der Regel mit Bezug auf den Bund mit den Erzvätern bzw. die
Fehlt schon Isaak in Jes 40-55 ganz, sind auch die beiden Abraham-Belege
bei Deuterojesaja (Jes 41,8; 51,2) hinsichtlich ihrer Ursprünglichkeit alles an-
191 Ausnahmen: Jos 24,3.4; 1Chr 1,28.34 blicken auf die Vätererzählung der Genesis zu-
rück, Dtn 9,27 bezeichnet sie als Knechte (7722) Jhwhs, Jer 33,26 spricht von bzw. zu den
Nachkommen ()עַרֶז Abrahams, Isaaks und Jakobs.
קָחָשי וnina V.9;, pmov תיִּב V.16; in dieser Schreibweise mit ₪ statt צ nur hier und
Jer 33,26; Ps 105,9 (anders die Parallele in 1Chr 16,16).
193 Vgl. KRATZ, Propheten, 63
194 Vol. WOLFF, Joel und Amos, 340; JEREMIAS, Amos, 111f.; RUDOLPH, Joel-Amos-
Obadja-Jona, 234-237 betrachtet den Vers dagegen als Teil der dritten Amosvision; vgl.
auch WILLIAMSON, Prophet, 102-105.
195 Vgl. JEREMIAS, Amos, 112.
"9° So JEREMIAS, Amos, 112 unter Berufung auf WILLIAMSON, Prophet, 116-121 und
UTZSCHNEIDER, Amazjaerzählung, 98ff., letzteres freilich kaum zu Recht, kommt
UTZSCHNEIDER, aaO. 101 doch zu dem Schluss, „daß die Amazjaerzählung nicht sehr
weit
von der Erfahrung des Endes von 722 entfernt sein kann“,
197 Vgl. die Lösungsvorschläge bei RUDOLPH, Joel-Amos-Obadja-Jona, 237 Anm. 3.
198 WOLFF, Heimat, 54.
19 So rechnet etwa LEVIN, Jahwist, 204£. die Ätiologie für Beerscheba in Gen 26 nach-
jahwistischen, die an Jakob/Israel ergehende Offenbarung in Beerscheba Gen 46 aaO.
305
nachendredaktionellen Ergänzungen zu. Die Gen 46,1-4 an Jakob ergehende, mit dem
Zug
nach Ägypten verbundene Verheißung der Mehrung und Heraufführung aus Ägypten
setzt
jedenfalls die Verbindung von Väter- und Exoduserzählung voraus; vgl.
auch BLUM,
Komposition, 246-249.462. Die Heilszusage mit אָריִתְלֶא ergeht an Jakob/Israe
l neben
Gen 46,3 außerdem noch in den Heilsorakeln Deuterojesajas (Jes 41,10.13;
43,1.5; 44,2), in
Jer 30,10; 46,27.28 sowie an „mein Volk“ /Israel Jes 10,24.
200 Vgl. WOLFF, Joel und Amos, 281.374; JEREMIAS, Amos, 66f.111 Anm.
13.120-122.
3.1 Monolatrie in Deuterojesaja 135
\
dere als über jeden Zweifel erhaben. Im Rahmen der Tendenz, die älteren
Texte des Deuterojesajabuches im Wesentlichen in den Kapiteln 40-48 zu
suchen, unterliegt 51,2 heute ohnehin einem Generalverdacht, sekundär zu
sein. 41,8 fällt zudem als dreigliedriger Vers neben 41,9f. (je 2+2) strukturell
aus dem Rahmen,”" weshalb neben der Möglichkeit, den Vers als dreigliedti-
gen zu behalten”” bisweilen der Ausfall eines vierten Versgliedes erwogen”
oder V.8b als Glosse gestrichen wird.” Da die erste Möglichkeit das Struk-
turproblem nicht zu erklären vermag, Abraham in Deuterojesaja neben dem
Knecht Jhwhs, Jakob/Israel, nur hier begegnet und das Argument eines Text-
ausfalls letztlich unkontrollierbar bleibt, ist der dritten Alternative der Vorzug
zu geben.” Es ist also wahrscheinlich, dass Abraham nicht nur bei Jesaja,
Jeremia, Micha und Ezechiel,”® sondern auch im Deuterojesajabuch einer
späteren Bearbeitung zuzurechnen ist, zumal Jes 43,27 jedenfalls schwerlich
Abraham sondern sicher Jakob im Blick hat, wenn es im Rahmen der Rede an
Jakob/Israel heißt:
Während das Alte Testament von einer Sünde Abrahams nichts weiß, ist der
Erzvater Jakob bisweilen durchaus eine zwielichtige Gestalt (vgl. etwa
Hos 12). Sollte Abraham im Deuterojesajabuch dennoch zum ältesten Be-
stand zu rechnen sein, bliebe auffällig, dass er statistisch betrachtet mit ma-
ximal zwei Belegen neben 22 Belegen für Jakob im Vergleich zur Väterer-
zählung Gen 12-50” geradezu verschwindend wenig repräsentiert ist.
Da Jes 41,8b und 51,2 die einzigen Abrahambelege im Deuterojesajabuch sind, liegt es nahe,
beide als einander korrespondierend anzusehen und wegen der 51,2f. erwähnten Berufung
terschiede, nämlich dass mit dem Namen Jakob in der Genesis fast aus-
schließlich ein Individuum,” bei Deuterojesaja dagegen stets eine kollektive
Größe bezeichnet ist, lässt sich noch durch die unterschiedliche Textgattung
erklären. Die Erzählung der Genesis handelt, auch wenn eigentlich Gruppen
oder Völker gemeint sind, als Erzählung von Einzelpersonen, das propheti-
sche Wort des Deuterojesajabuches richtet sich dagegen direkt an eine
Gruppe. Warum aber Jakob bei Deuterojesaja als Diener oder Knecht Jhwhs
bezeichnet wird,” was er in der Erzählung der Genesis niemals ist, ° lässt
sich damit ebenso wenig erklären, wie die Beobachtung, dass die im Deute-
rojesajabuch belegte Rede von einer Erwählung (n2),"” Formung ()רצי
oder Erschaffung (872)”” Jakobs den Vätererzählungen der Genesis fremd
ist.
Auch das Deuteronomium, mit 31 Belegen ein Schwerpunkt der Verwendung der Wurzel
בחרim Alten Testament, kennt keine Erwählung der Erzväter. Innerhalb der Gesetzeskapi-
tel Din 12-26 ist es fast ausschließlich der Ort (den Jhwh in einem deiner Stämme erwählen
wird, o. ä.), auf den רחב bezogen 186225 Die Erwählung des Volkes begegnet dagegen nur im
vorderen Rahmen des Deuteronomiums,??* namentlich Dtn 4,37; 7,6.7; 10,15, wobei auch
die Väter erwähnt werden:
Dtn 4,37:
] בְּפְנִיר בְּכחוּ הנל מִמִצרִיםSS snam al )ram אֶתדאָבְתִיךgna כִּיmon
Denn weil er deine Väter geliebt hat und ihre Nachkommen nach ihnen erwählt, hat er
dich herausgeführt mit seinem Angesicht, mit großer Kraft aus Ägypten...“
216 178 von 180 Belegen; vgl. ZOBEL, ThWAT IH, 754. Die Ausnahmen, die direkt auf
Jakob als Volk Bezug nehmen sind Gen 25,23 und 27,29.
217 Jes 41,8; 44,1.2.21; 45,4; 48,20; vgl. Jer 30,10; 46,27.28; 1Chr 16,13.
218 Gen 29,18.20 dient Jakob Laban (vgl. Hos 12,13), Gen 32,5.21 Esau.
219 Jes 41,8.(9); 44,1.2; 45,4. „Mein Volk“ (BY) wird Jes 43,20 erwählt, Jes 43,10
„Ihr/meine Knechte“ )םתֶא ,יִדְבַעְו/ vgl. BHS sowie ELLIGER, Deuterojesaja, 306f.), mithin
ausdrücklich jeder Israelit. Hier könnte im Vergleich zur Erwählung Jakobs/Israels als
Gesamtheit an den erstgenannten Stellen eine Akzentverschiebung vorliegen.
220 Jes 43,1; 44,2; 44,21. Innerhalb der Genesis ist das Verb רצי lediglich in Kapitel 2 belegt.
221 Jes 43,1. In der Genesis findet sich ארב nur innerhalb der Kapitel 1-6.
222 Die schwerpunktmäßig in der deuteronomistischen Literatur belegte Wurzel רחב (vgl.
WILDBERGER, THAT 1, 277f.) ist in der Genesis nur in den Versen 6,2 und 13,11 belegt (an
beiden Stellen ist nicht Jhwh Subjekt). Außerhalb von DtJes ist von einer Erwählung
Jakobs/Israels nur noch Jes 14,1; Ez 20,5 und Ps 135,4 die Rede. Der einzige Beleg für eine
mit der Wurzel רחב ausgesagte Erwählung Abrahams ist Neh 9,7; vgl. jedoch die „König-
lichen“ Verheißungen in Gen 17.
223 Dtn 17,15 ist vom durch Jhwh zu erwählenden König, Dtn 18,5; 21,5 von den
Priestern die Rede. Dtn 23,17 (und 30,19) ist nicht Jhwh Subjekt von .רחב
224 Der Erwählungsgedanke in Dtn 14,2(mit 772).21b(ohne (רחב dürfte von Dtn 7,6 ab-
hängig sein, der Numeruswechsel deutet auf einen Nachtrag hin; vgl. ACHENBACH, Israel,
301; VEIJOLA, Deuteronomium, 300f.
138 Kapitel 3: Der einzige Gott und die Bilder
Dtn :51,01
mm po ? אוחֶם וִַבְחַר בס אַמָרִיהֶם בְכֶם מִכָליהָעַמִיםeman mm חשקRET רק
Nur deinen Vätern hat sich Jhwh zugeneigt, sie zu lieben. Und ihre Nachkommen nach
ihnen, euch, hat er erwählt aus allen Völkern wie an diesem Tag.
Nicht die Väter, sondern ihre Nachkommen gelten als von Jhwh erwählt.??5
3.1.6 Fazit
Der Versuch, die im Deuterojesajabuch bereits vorausgesetzten Traditionen
der Religion Israels, die vermutlich bereits faktisch monolatrische Basis des
monotheistischen Bekenntnisses in Jes 40-55 zu eruieren, wird zum einen
durch die oft unklaren literarischen Verhältnisse, zum anderen durch das
lange bekannte Phänomen erschwert, dass das Deuterojesajabuch nicht nur
auf ältere Traditionen der Jhwh-Religion zurück greift, sondern auch seiner-
seits schulbildend gewirkt hat.” Insbesondere in Bezug auf das Verhältnis
von Jes 40-55 zum Psalter wird die Entscheidung, ob das Deuterojesajabuch
im konkreten Fall gebend oder nehmend ist, durch seine Eigenart erschwert,
dass es sich zwar der Sprache der Psalmen vielfach bedient, dabei jedoch
225 Zu den „Vätern“ in Dtn 4,37; 10,15 vgl. RÖMER, Väter, 23-31.
226 Politisch-religiös insofern, als Juda als eines von zwei Staatswesen, die sich auf den
Gott Jhwh berufen hatten, übrig geblieben war (bzw. Juda erst jetzt ein unabhängiger Staat
im vollen Sinne wurde; vgl. KNAUF, King Solomon, 172, FINKELSTEIN, Rise, 111), gesell-
schaftlich-sozial insofern, als Juda offenbar einen großen Teil der vor den assyrischen Er-
oberern geflohenen Israeliten dauerhaft integrierte.
227 Vgl. Jes 40,9; 44,26.
228 Vol. HERMISSON, Einheit, 136.
3.1 Monolatrie in Deuterojesaja 139
„weniger zitiert als in dieser Sprache neu formuliert.“ Dass die Rede von
Jhwh als König, als Schöpfer der Welt und der Menschen der Verkündigung
des Deuterojesajabuches ebenso vorgegeben war, wie ein Wissen um den
Exodus und die innerhalb der Jakobserzählungen der Genesis explizierte
Gleichsetzung von Jakob und Israel, ist angesichts der besprochenen Texte
nahe liegend.
Die Rede vom Königtum Jhwhs in den Kernen der Psalmen 29 und 93
lässt sich zwanglos als Umformung des am besten aus Ugarit bekannten aber
vermutlich gemein-kanaanäischen Mythos vom Königtum Gottes im Rahmen
einer vermutlich faktisch-monolatrischen Jhwh-Religion verstehen. Auch
wenn ein Hofstaat so gut wie verschwunden ist, erscheint Jhwh in der Rolle
des Götterkönigs. Als solcher ist er auch Herr der Welt, doch neben ihm hat
sicher auch ein menschlicher König einen legitimen Platz. Das hier sichtbar
werdende Konzept göttlicher Herrschaft spiegelt ein Weltbild wider, in dem
der Götterkönig auf der Erde durch einen menschlichen König repräsentiert
wird. Die Rede vom Königtum Gottes im Deuterojesajabuch gesteht dagegen
keinem irdischen Repräsentanten Jhwhs den Königstitel zu. Ein menschlicher
König Israels ist offenbar nicht mehr vorgesehen, Könige treten nur als Ge-
genüber zu Jhwh und seinen Repräsentanten auf.”
Auch im Blick auf die Rede von Gott als Schöpfer nimmt das Deuteroje-
sajabuch offenbar eine Neuakzentuierung alter Traditionen vor, die sich im
Falle der Erschaffung des Menschen aus Ton bis in sumerische Texte zurück
verfolgen lassen, wenn neben den Gedanken einer welterhaltenden creatio
continua die Vorstellung einer prima creatio tritt. Es ist zu vermuten, dass
beide Umgewichtungen, durch welche Jhwh vom König der Götter und Er-
halter der Welt zum König und Schöpfer der Welt wird, als Konsequenzen
des monotheistischen Weltbildes des Deuterojesajabuches zu verstehen sind.
Auch das Motiv des Exodus und die Rede von Jakob/lIsrael, die beide ver-
glichen mit der Rede vom Königtum der Götter und der Schöpfung bzw.
Erhaltung der Welt als „Eigengewächse“ aus dem Bereich der israelitisch-
judäischen Jhwh-Religion betrachtet werden können, liegen innerhalb von
Jes 40-55 nicht in ihrer ältesten Form vor. Die Anspielungen auf die Exodus-
erzählung in Jes 43,16-21 und 51,9-11 im Rahmen der Schilderung der
Heimkehr des Jhwh-Volkes, aber auch das Motiv des Wassers aus dem Felsen
Jes 48,21 sind ohne den Hintergrund der Exodustradition kaum verständlich,
scheint doch der im Deuterojesajabuch verkündigte Exodus einen anderen
überbieten zu wollen.” Schließlich lässt sich der Umstand, dass im Deutero-
jesajabuch die Bewohner Jerusalems und der Städte Judas bzw. das Jhwh-
Volk, das dorthin zurückkehren soll, Jakob/Israel genannt wird, dass also
Israel letztlich aus Judäern besteht,” am einfachsten als Ergebnis eines
Prozesses verstehen, dessen frühere Stadien in der genealogischen Verbin-
dung von Israel und Juda in den Vätergeschichten der Genesis literarischen
Niederschlag gefunden haben. Die inhaltliche Verschiebung, die der Begriff
Jakob/Israel im Deuterojesajabuch im Vergleich zu den Jakobserzählungen
der Genesis erfahren hat, insbesondere dass das ehemalige Nordreich Israel
aus dem Blick geraten ist, deutet dabei auf eine erhebliche Verschiebung der
politischen Konstellationen hin, die durch das Exil zweifellos gegeben ist.
Doch hätten in der Zeit um 539 v.Chr., unmittelbar vor oder kurz nach dem
Ende der babylonischen Herrschaft ernsthafte Restitutionshoffnungen für
Juda nicht auch Samaria im Blick gehabt? Festzuhalten bleibt: Die Verkündi-
gung des Deuterojesajabuches nimmt unter veränderten politischen und welt-
anschaulichen Bedingungen eine Neuinterpretation ihm überkommener Tra-
ditionen und Motive der älteren monolatrischen Jhwh-Religion vor.
Ein erster vergleichender Rückblick auf das Deuteronomium lässt bereits
hier vermuten, dass eine Entwicklungslinie von der Monolatrie zum Mono-
theismus, wie sie sich im Deuteronomium vom Gebot der Kultzentralisation
über das Erste Gebot bis hin zu Dtn 4 abzeichnete, in Jes 40-55 nicht aus-
zumachen ist. Abgesehen von möglichen Anspielungen in Gestalt der Selbst-
vorstellungsformel in Jes 41,13; 43,3 (und später 48,17; 51,15) findet sich nir-
gends im Deuterojesajabuch eine unmittelbare Bezugnahme auf das erste Ge-
bot des Dekalogs. Auch der Begriff םיִרָחֶא םיהלָאfällt nirgends.” Die Stel-
lung Jhwhs als dem einzigen Gott Israels ist theoretisch durchgehend voraus-
gesetzt, was jedoch keineswegs ausschließt, dass die Praxis anders aussah. Da
das Heil für Jakob/Israel, dem die anderen Völker im Rahmen der Gerichts-
reden nur zusehen können, ein zentrales Thema der Verkündigung des Deu-
terojesajabuches ist, ist Jes 40-55 keine nach außen gerichtete Missions-
schrift, die Angehörige anderer Völker von der Einzigkeit Jhwhs überzeugen
wollte. Vielmehr wird, nach innen gerichtet, die als grundsätzlich bekannt
vorausgesetzte Forderung der alleinigen Verehrung Jhwhs auf ein neues, mo-
notheistisches, Fundament gestellt. Das aber bedeutet, dass gerade die Adtes-
saten des Deuterojesajabuches sich mit anderen Göttern konfrontiert sahen,
mit deren Existenz rechneten und sie vielleicht auch verehrten. Anders als
das Deuteronomium droht Deuterojesaja, jedenfalls auf dieser Ebene des
Textes, jedoch nicht mit Strafen, sondern betont die Zuwendung Jhwhs zu
rechnen ist, wäre freilich erst noch zu klären. KRATZ, Kyros, 217 nennt 43,16-21 und 48,21
als Bestandteile der Grundschicht.
232 Vgl. ROST, Israel, 92.
295 Die Rede gegen den „anderen“ (MX) in Jes 42,8; 48,11 erinnertRE daran; vgl.
dazu unten Kap. 3.2.3.3.
3.2 Bilderverbot im Deuterojesajabuch 141
PR]
Israel. Die Konkurrenz zwischen Jhwh und den anderen Göttern, die im
Deuteronomium ein gleichermaßen praktisches wie theoretisches Problem
darstellt, ist in Jes 40-55 theoretisch überwunden: Wo es nur einen Gott gibt,
da kann man auch nur einen Gott verehren — diese Erkenntnis gilt es im
Jhwh-Volk zu verbreiten. Dass daraus in der Praxis auch neue Probleme cer-
wachsen können, lehrt ein Blick auf die Bildertexte in Jes 40-55, die nun un-
tersucht werden sollen.
Schon auf den ersten Blick fällt auf, dass sich alle Belege innerhalb der Kapi-
tel 40-48 finden” und sich auch hier deutliche Schwerpunkte ausmachen
lassen. Von den 27 aufgezählten Belegstellen findet man nicht weniger als 10
innerhalb von Jes 44,9-20. Jeweils drei Beispiele für Bilderterminologie lie-
fern Jes 40,18-20; 42,17 und 48,5. Seit Bernhard Duhm in seinem Jesaja-
kommentar Jes 44,9-20 und 46,6-8 dem Propheten Deuterojesaja ab- und
beide Texte demselben Ergänzer zusprach,”” haben die bilderpolemischen
Passagen als „Götzen(bilder)-Schicht“ oder unter ähnlichen Bezeichnungen
ihren besonderen Platz in der Deuterojesajaexegese. Dass die bilderpolemi-
schen Passagen innerhalb von Jes 40-55 sämtlich literarisch sekundär seien,
steht seit Duhm freilich keineswegs unbestritten fest,” sondern stellt viel-
mehr die — durchaus begründete?” — Mehrheitsmeinung innerhalb der alttes-
tamentlichen Wissenschaft dar. Sie ist jedoch zum einen gerade in jüngerer
Zeit nicht ohne Widerspruch geblieben” und zum anderen erheblich in sich
differenziert, so dass letztlich weder hinsichtlich der Existenz noch der ge-
nauen Abgrenzung einer Götzenschicht innerhalb von Jes 40-55 ein hinrei-
chender Konsens besteht, auf den hier zurückgegriffen werden könnte.
2% Din 4,28; 27,15; insbesondere Jes 44,9-20 lassen freilich nicht den geringsten Zweifel
aufkommen, dass Götterbilder Menschenwerk sind.
239 Din 29,16; innerhalb von Jes 1-66 belegt in Jes 66,3.
205n229.16.
227)n24,12.15.16,23.25;,5,8,
249 Der bisweilen im Rahmen bilderpolemischer Passagen des Alten Testaments vor-
kommende Begriff NÜ2 (vgl. etwa [68 42,17 oder Jer 2,26f.) steht innerhalb von Jes 40-55
noch in Jes 54,4. Vor dem Hintergrund der aus dem Deuteronomium bekannten Gleich-
setzung von Bilderdienst und Abfall von Jhwh ist es zwar nicht unmöglich, die Verehrung
von Bildern in die „Schande deiner Jugend“ (Tarp (תשב mit einzubeziehen, aber unmittelbar
angesprochen werden die Götterbilder hier nicht.
28 Vgl. DUHM, Jesaja, 333-336.352f.
24 So jedoch KRATZ, Kyros, 194.
26 Vgl. WESTERMANN, Jesaja 40-66, 1195; ELLIGER, Deuterojesaja, 66.422; HERMISSON,
Einheit, 1375; KRATZ, Kyros, 192-206; VAN OORSCHOT, Babel, 312-318 sowie BERLE-
JUNG, Theologie, 370 mit Anm. 1818 (mit Hinweisen auf weitere Literatur).
26 Vgl. v.a. PREUSS, Verspottung, 192-237; SPYKERBOER, Structure, 185. Eine gute ta-
bellarische Übersicht zu den verschiedenen Forschungsmeinungen bietet WERLITZ,
Redaktion, 41. Werlitz selbst findet einen Grundbestand der Götzenfabrikationstexte in
Jes 40,195; 41,6£.; 44,10-17; 46,6. (vgl. aaO. 232). Hinter diesem Grundbestand stehe zwar
ein anderer Verfasser als etwa hinter den Kyros-Texten, doch könne dieser Grundbestand
gleichwohl dem Grundbestand eines von einer Verfassergruppe stammenden Deutero-
jesajabuches zugerechnet werden (aaO. 232-235); Zustimmung zu Werlitz’ These äußert
ALBANI, Gott, 22-24. .
3.2 Bilderverbot im Deuterojesajabuch 143
3.2.2 Was für ein Abbild wollt ihr ihm gegenüber stellen? — Jes 40,18-20
Jes 40,18a stellt mit יִמדלֶאְו + המדpi. analog zu [68 40,25; 46,5 die Frage nach
der Vergleichbarkeit Gottes,” V.18b leitet unter Verwendung der von המד
abgeleiteten Nominalform nn7 zum Thema Götterbilder über. Auch wenn
der Ausdruck תּומד an den meisten alttestamentlichen Belegstellen”” eine abs-
trakte Bedeutung hat und mit Begriffen wie Gleichheit, Aussehen oder auch
„etwas (Ähnliches) wie“ zu übersetzen ist,” zeigen Stellen wie 2Kön 16,10
(Modell), Ez 23,15 (Wandmalereien) oder 2Chr 4,3 (Rinderfiguren), dass auch
ein konkretes Verständnis möglich ist.””' Dass תומה im vorliegenden Kontext
von Jes 40,12-31 ein konkretes Götterbild meint und warum ein solches dem
Vergleich mit Gott ()לֶא nicht standhalten kann, wird trotz des teilweise unsi-
cheren Textes” aus den folgenden VV.19f. deutlich, wird doch zunächst mit
592 der im Bilderverbot des Dekalogs verwendete alttestamentliche terminus
technicus für eine Götterstatue genannt,” bevor die Beschreibung der Her-
247 Der Text ist verderbt. BERLEJUNG, Theologie, 371 vermutet die Nennung der Holzart
für das Podest des Götterbildes, so auch VANDERHOOFT, Empire, 173. Einen Überblick
über die bisher gemachten Deutungsvorschläge gibt ELLIGER, Deuterojesaja, 60-62. Vgl.
auch unten Kap. 3.2.8.
248 Vgl. FOHRER, Jesaja 40-66, 26f.; ELLIGER, Deuterojesaja, 71; KRATZ, Kyros, 192;
WERLITZ, Redaktion, 50.
249 PREUSS, ThWAT II, 273 nennt 25 alttestamentliche Belege für NA: Gen 1,26; 5,1.3;
2Kön 16,10; Jes 40,18; Ez 1,5(2x).10.16.22.26(3x).28; 8,2; 10,1.10.21.22; 23,15; Ps 58,5;
Dan 10,16; 2Chr 4,3. Hinzu kommen möglicherweise noch die textlich fraglichen Stellen
Jes 13,14 und Ps 58,5; vgl. JENNI, THAT 1, 452.
250 Vgl. ELLIGER, Deuterojesaja, 66; PREUSS, ThWAT II, 274.
251 Vgl. JENNI, THATI, 452. Nach PREUSS, ThWATII, 274 ist der konkrete, nach
ELLIGER, Deuterojesaja, 66 der abstrakte Gebrauch von NA ursprünglich.
252 Vgl. WESTERMANN, Jesaja 40-66, 47; ELLIGER, Deuterojesaja, 62 sieht in „19b 20a«
nur die notdürftig zurechtgestutzten Trümmer eines chedem umfangreicheren Textes vor-
liegen.“
253 Vgl. DOHMEN, Bilderverbot, 48f.; ThWAT VI, 692. Angesichts der für Deuterojesaja
im Allgemeinen und für die Götzenbilderpolemik im Besonderen oft vorausgesetzten baby-
lonischen Situierung ist auffällig, dass der Begriff ,םֶלַצ die hebräische Entsprechung des im
Akkadischen geläufigen Begriffs für eine Götterstatue, salmu (vgl. WILDBERGER, THAT I,
557; STENDEBACH, ThWAT VI, 1049) in Deuterojesaja fehlt; vgl. unten 3.2.8.
144 Kapitel 3: Der einzige Gott und die Bilder
Ob in beiden Versen von einer mit Gold belegten Statue mit gegossenem
Metallkern die Rede ist,” oder V.19 eine Metall-, V.20 dagegen eine Holzsta-
tue meint,” hängt letztlich von der Interpretation des textlich verderbten
Anfangs von V.20 ab. Für die intendierte Aussage, dass die Götterbilder dem
Vergleich mit Gott nicht standhalten, ist dies letztlich unerheblich. Die de-
taillierte Beschreibung der Auswahl des Materials und der einzelnen Arbeits-
schritte qualifiziert die Götterbilder eindeutig als Menschenwerk. Alle nicht
rein handwerklichen Elemente der traditionellen Bilderherstellung im Alten
Orient”” bleiben ungenannt. So wird einerseits der Unterschied zwischen
Jhwh als Handwerker der Schöpfung (vgl. Jes 40,12-14) und dem handwerk-
lichen Handeln des Menschen, andererseits die Unvergleichbarkeit der ge-
schaffenen Götterbilder, die stets in der Gefahr stehen, das Gleichgewicht zu
verlieren, mit dem Schöpfergott herausgestellt.” Die einleitende Vergleich-
barkeitsfrage wird mit einer unmöglichen Antwort versehen und so via nega-
tionis eindeutig beantwortet: Tatsache sowie Art und Weise ihrer Herstellung
disqualifizieren die Götterbilder als adäquate Objekte des Vergleichs mit
Jhwh.”“ Dass sie überhaupt als Vergleichspartner Gottes in Betracht gezogen
werden und Jhwh hier rhetorisch gegen Bilder antritt, setzt die Identifikation
der Götter mit ihren Bildern voraus.” Der in der Literatur oftmals probleina-
tisierte Artikel vor boB könnte deshalb ein „genereller Artikel“ sein, der
verdeutlichen soll, dass es hier nicht um ein bestimmtes Götterbild sondern
um Götterstatuen generell geht.
Auch wenn die Aussageabsicht von Jes 40,18-20 im jetzigen Zusammenhang weitgehend
unstrittig ist, gehen die Meinungen hinsichtlich des ursprünglichen Zusammenhangs der
Verse sowie ihres literarischen Charakters und Alters innerhalb ihres Kontextes auseinander.
Insbesondere die Einordnung von V.18 ist strittig — mit Konsequenzen insbesondere für das
das (ggf. ursprüngliche) Verständnis des Begriffs NA. Die Götterbild-Passage Jes 40,18-20
steht im Kontext von Jes 40,12-31, einer Reihe der so genannten Diskussions- oder Dispu-
tationsworte?°° des Deuterojesajabuches. Als kleinere Einheiten werden meist [68 40,12-
17*;267 18-20; 21-24; 25%. und 27-31 voneinander abgegrenzt.?6® Differenzen bestehen dabei
vor allem hinsichtlich der Ein- bzw. Zuordnung der Verse 18-20:2° Gehört V.18 als ur-
sprünglicher Abschluss zu den Versen 12-17,270 bildete er ursprünglich mit den Versen 21-
24(.25-26) eine Einheit,?”! gehört er mit den Versen 19f. zusammen,?”? und wenn ja, sind
diese Verse in Jes 40,12-31 ursprünglich?” oder sekundär??’* Die erste Möglichkeit, V.18 als
Abschluss von 12-17 zu betrachten, hat die Absicht eines Disputationswortes, den Ge-
sprächsgegner bzw. Hörer vom eigenen Standpunkt zu überzeugen, gegen sich. Um dieses
Ziel erreichen zu können, ist am Ende des Argumentationsgangs eine unabweisbare Be-
hauptung zu erwarten, wie sie in V.17 auch vorliegt,?’5 jedoch keine offene Frage.” Ein
Jes 40,12-18 umfassendes Disputationswort wäre das einzige in Jes 40-55, das mit einer
Frage endete.2”” Es spricht somit alles dafür, dass Jes 40,18 einen neuen Argumentations-
gang eröffnen soll.?”® Dass diese Eröffnung ihre Fortsetzung ursprünglich in V.21 gehabt
hat, ist angesichts der thematischen Ausrichtung der Verse 21-24 jedoch eher unwahr-
scheinlich. Hier geht es, wie schon in den VV.12-17, nicht um die Unvergleichlichkeit, son-
dern um die Geschichtsmächtigkeit Jhwhs.?7° Die Frage nach der Vergleichbarkeit Gottes er-
fordert ein Vergleichsobjekt, das die in V.23 genannten Würdenträger und Richter
keinesfalls sind. Wie Jes 40,12-17 auf die Nichtigkeit der Völker vor Jhwh zielen, laufen
Jes 40,21-24 auf die Nichtigkeit der Herrschenden vor Jhwh hinaus. Als Vergleichsobjekt
gegenüber Jhwh eignen sie sich nicht, weil sie offensichtlich Menschen sind: Auch die per-
sischen Großkönige verstanden sich zwar als von Ahuramazda eingesetzte Repräsentanten
der göttlichen Ordnung, aber nicht selbst als Götter.?°° Dass Götterbilder im Rahmen der
alttestamentlichen Bilderpolemik mit Göttern gleichgesetzt werden, also zumindest auf rhe-
torischer Ebene ebenso wie Himmelskörper (vgl. Jes 40,25f.) als Objekte des Vergleichs mit
Jhwh taugen können, hat hingegen bereits der Durchgang durch die bilderthematischen Tex-
te des Deuteronomiums gezeigt.?®! Die thematisch passende Weiterführung der Vergleich-
barkeitsfrage Jes 40,18 ist daher nicht in den VV.21ff., sondern in den VV. 19f. zu finden.?#2
Damit ist nicht ausgeschlossen, dass die VV. 19f. ursprünglich ohne V.18 in einem anderen
Kontext standen und dieser mit Blick auf 19% formuliert worden ist. Innerhalb des Kontex-
tes der Disputationsworte in Jes 40 gehören die VV.18-20 jedoch zusammen.?#
Mit der Abgrenzung von Jes 40,18-20 als eigenständige Einheit innerhalb
von Jes 40,12-31 ist noch nicht entschieden, ob das Thema der Götterbilder
in Jes 40 der ersten Kompositionsstufe zuzurechnen ist, oder auf eine spätere
Bearbeitung zurückgeht. Das diesen Versen im Vergleich mit ihrem Kontext
eigentümliche Vokabular””* kann auch thematisch bedingt sein,” und allein
weil eine Passage ein zusätzliches Thema einbringt und deshalb entbehrlich
erscheint, muss sie nicht sekundär sein. Im Falle von Jes 40,18-20 kommt
jedoch hinzu, dass diese Verse sehr wohl das Aussagegefälle von Jes 40,12-31
unterbrechen.” Ob nun in 12-17 in Bezug auf die Völker, in 21-24 mit Blick
auf die Herrscher, in 25f. im Gegenüber zu den Himmelskörpern oder in 27-
31 als Grund der Hoffnung für Jakob/Israel geht es stets um die in der
Die Verse Jes 41,6f. greifen nicht auf Bilderterminologie im eigentlichen Sinne zurück, be-
schreiben jedoch eindeutig Vorgänge im Rahmen der Herstellung eines Götterbildes.?°® In
ihrem jetzigen Kontext bilden sie eine Einheit mit der in Jes 41,1 einsetzenden ersten Ge-
1100157666 des Deuterojesajabuches.?” Die Abgrenzung nach oben zu Jes 40,31 ergibt sich
durch den Wechsel von Sprecher und Adressaten (die Rede über Jhwh an Jakob/Israel
wechselt zur Rede Jhwhs an die Inseln und Völker), die Abgrenzung nach unten zu 41,8
durch einen erneuten Adressatenwechsel (nun wieder Israel/Jakob).?”” Trotz verschiedener
Versuche, die literarische Einheitlichkeit von Jes 41,1-7 zu erweisen,?®® hat sich in der For-
schung weitgehend die Einsicht durchgesetzt, dass es sich bei diesem Abschnitt um einen
gewachsenen Text handelt.?”? Jes 41,5 beschreibt die Reaktion der in der als Gerichtsszene
vorgestellten Szenerie als Zuschauer anwesenden Völker auf die Jhwh-Rede der VV.1-4.
Damit ist aber weniger „das Ziel der Rede explizit [gemacht], das sie mit V.1 und 4 im Auge
hat“, sondern eher bereits über jenes Ziel hinaus geschossen, denn als Konkurrenten und
Prozessgegner Jhwhs sind nicht die Völker sondern die (Nicht-)Götter vorgestellt.?0! Gegen-
über ihrer Ohnmacht wird die Geschichtsmacht Jhwhs aufgewiesen. Insofern ist das eigent-
liche Ziel der Rede mit V.4 bereits ausdrücklich erreicht:?02
V.5 wirkt angesichts dieser Feststellung in der Tat eher aufgesetzt, zumal keine der anderen
Gerichtsreden in Jes 40-55 die Schilderung einer unmittelbaren Reaktion der Zuhörer bie-
tet.20® Ob V.5 dadurch bereits als sekundär erwiesen ist,°* sei dahingestellt. Die Reaktion der
Inseln und Enden der Erde bildet ungeachtet der Beurteilung von V.5b allerdings kaum
einen Abschluss, sondern verlangt nach einer Fortsetzung.?® „Die Enden der Erde beben,
(sie näherten sich und kamen herbei)“ — und was geschah dann? V.5 bildet deshalb-kaum mit
VV.1-4 eine ursprüngliche Einheit, sondern leitet unter Rückbezug auf die V.1 genannten
Inseln zu etwas Neuem über. Die ursprüngliche Fortsetzung in V.6 zu suchen,?06 verkennt
freilich den Zweck der Gerichtsrede VV.1-4. „Das Ganze (VV.1-4, S.P.) ist ... eine einheit-
liche Gerichtsrede, von Anfang bis Ende darauf eingestellt, die Rechtmäßigkeit eines An-
spruches zu begründen. ... Die Hauptpunkte werden noch einmal zusammengefaßt. Das
Urteil kann nicht mehr lange auf sich warten lassen. Und es muß im Sinne des Redners aus-
fallen.‘ Wenn sich die Völker nun jedoch aufmachen, um Bilder der soeben als ohnmäch-
tig behaupteten (Nicht-)Götter herzustellen, war die Rede offenbar doch nicht besonders
überzeugend. Zudem hängt V.5 ohne V.6 keineswegs „irgendwie in der Luft‘? sondern
findet in den VV.8-13 eine durchaus sinnvolle Fortsetzung: Dem Verhalten der Völker an-
gesichts des geschichtsmächtigen Gottes wird der Zuspruch für Israel gegenübergestellt, der
Furcht der Inseln V.5 kontrastiert das Israel/Jakob zugesprochene אָריִתְלֶא V.10. Und wie
die Nennung der Inseln in V.5 auf V.1 zurückverweist, stellen 6 ץֶרֶאָה תוצקim Vorgriff
auf V.9 den Anschluss nach hinten her.3® V.5 muss jedoch nicht der ursprüngliche Über-
gang von den VV.1-4 zu den VV.8-13 sein,?!° denn eine Verbindung zwischen beiden Ab-
schnitten ist auch durch das Motiv des Rufens in V.4 und V.9 gegeben. V.5 könnte hinzuge-
fügt worden, um angesichts der Feststellung in V.4, dass Jhwh die, d. h. alle Geschlechter
ruft, die Sonderstellung Israels gegenüber den Völkern herauszustellen. In jedem Fall bleibt
der Schluss, dass die Verse Jes 41,6f. zusammengehören und jünger als ihr Kontext sind.
303 Vgl. ELLIGER, Deuterojesaja, 113f.; MERENDINO, Der Erste und der Letzte, 132f.;
KRATZ, Kyros, 37.
304 So KRATZ, Kyros, 38.
305 Vgl. WERLITZ, Redaktion, 51.
306 Vgl. etwa PREUSS, Verspottung, 201.
307 ELLIGER, Deuterojesaja, 112.
308 PREUSS, Verspottung, 201.
309 Vgl. WERLITZ, Redaktion, 52.
310 Vgl. MERENDINO, Der Erste und der Letzte, 132f. Die Argumentation ist freilich
etwas inkonsequent, wenn es zunächst heißt „man könnte vielleicht V.5 für ursprünglich
halten und ihn als Bindeglied zwischen 41,1-4 und 41,8-13 ansehen. Das ist aber unwahr-
scheinlich...“, einige Zeilen später jedoch zur Einfügung eben dieses V.5 erklärt wird: „Sein
Platz hier würde sich aus dem Anliegen erklären, ein Bindeglied zwischen 41,1-4 und 41,8-
16 zu schaffen.“
311 Vgl. DUHM, Jesaja, 295-298; BEGRICH, Studien, 53; WESTERMANN, Jesaja 40-66, 47;
ELLIGER, Deuterojesaja, 115f. Anders PREUSS, Verspottung, 201-203.
150 Kapitel 3: Der einzige Gott und die Bilder
munternder Zuruf unter Handwerkern gemeint, der vielleicht als bei der
Übergabe des Werkstückes von einem Handwerker zum nächsten ergehend
vorgestellt ist.”'” Die gegenseitige Motivierung der beteiligten Handwerker
steht im Gegensatz zur Tradition der Kultbildherstellung in göttlichem Auf-
trag und kontrastiert wie schon in 40,19f. das Tun der Handwerker dem sou-
veränen Schöpfungshandeln Jhwhs (vgl. Jes 40,12-1 4).”” Auch wenn es nicht
explizit ausgesprochen wird, liegt es wegen der deutlichen thematischen und
gedanklichen Verwandtschaft zwischen Jes 40,18-20 und Jes 41,6f. nahe, dass
auch für den Urheber letzterer Passage Götter und Götterbilder identisch wa-
ren.”'* Dass die beiden Stücke ursprünglich zwei aufeinander folgende Stro-
phen desselben Gedichtes gewesen sind, kann man vielleicht aufgrund der
Jes 40,20 und 41,7 gemeinsamen Abschlussformulierung טומי אלvermuten.”
Jes 41,24.29 stehen im Kontext von Jes 41,21-29, der zweiten Gerichtsrede
innerhalb des Deuterojesajabuches, die sich ihrerseits in zwei Hauptteile,
VV.21-24 und VV.25-29 gliedern lässt.””” Wie schon zuvor in Jes 41,1-4 sind
auch hier die anderen Götter als Gegner Jhwhs vorgestellt. Ging es dort
darum, ihre Ohnmacht angesichts der Geschichtsmächtigkeit Jhwhs zu erwei-
sen und ihr Gottsein auf diese Weise zwar implizit, aber (noch) nicht explizit
zu verneinen, geht es hier nun ausdrücklich um ihr Wesen als Götter.” Als
einziger Beweis wird die Fähigkeit anerkannt, zuverlässige Vorhersagen über
die Zukunft zu machen (Jes 41,23a):
Die Unfähigkeit der Gegner wird diesen zunächst selbst vorgehalten (V.24a)
und dann im zweiten Teil der Rede durch Verweis auf den von Jhwh veran-
lassten und vorhergesagten Siegeszug des Kyros”'” gegenüber den Zuhörern
erwiesen (V.29a). Abgesehen von den unterschiedlichen Adressaten entspre-
chen sich V.24a und V.29a nach den vorzunehmenden Textänderungen fast
wörtlich und beziehen sich mit a>7y» (V.24a) bzw. םֶהיִשָעַמ (V.29a) auf
Jes 41,4a zurück,” wo לעפ und השע nebeneinander stehen. Das in den zwei-
ten Vershälften Jes 41,24b.29b verwandte Vokabular )הָבְעות bzw. 782) ist da-
gegen im Rahmen von Jes 41 einmalig und kommt auch sonst jeweils nur an
einer weiteren Stelle im Deuterojesajabuch vor.” Mit der Qualifizierung der
anderen Götter als Gräuel wird die eigentliche Argumentationsline von
Jes 41,21-29, die auf die Machtlosigkeit und damit das Nicht-Sein der ande-
ren Götter zielt, verlassen und der Blick darauf gelenkt, was diese Nichtse für
denjenigen sind, der sie dennoch erwählt.””” nayin bezeichnet allgemein Ver-
haltensweisen oder Gegenstände, die mit der Verehrung Jhwhs absolut un-
vereinbar sind.’” Im Kontext der Rede gegen die anderen Götter wird so an-
gesichts der gerade erfolgten Zurückweisung ihres Anspruchs auf Göttlich-
keit der Alleinverehrungsanspruch Jhwhs in Erinnerung gerufen. Auch wenn
sie in Wirklichkeit gar keine Götter sind, bleibt doch die Verehrung dieser
Pseudo-Götter ein Verstoß gegen den unbedingten Willen Jhwhs, allein ver-
ehrt zu werden. Die VV.25ff. nehmen die ursprüngliche Argumentation zu-
nächst wieder auf und stellen dem Nichts-Tun der angeblichen Götter das
machtvolle und vor allem vorausgesagte Handeln Jhwhs gegenüber, bevor
V.29b nach dem wiederholten Urteil der Nichtigkeit der Götter auf deren
Bilder, die Wind und ּוהת sind, zu sprechen kommt. Trotz oder gerade wegen
ihrer sichtbaren Materialität sind sie eigentlich substanzlos.””' Damit geht
V.29b wie V.24b über das eigentliche Thema der Rede hinaus. Das unge-
wöhnliche Vokabular in Kombination mit einem Wechsel der Argumentati-
onsebene im Vergleich zum Kontext spricht dafür, dass sowohl V.24b als
auch V.29b innerhalb von Jes 41,21-29 sekundär sind.”” Zwei Beobachtun-
gen mahnen freilich zur Vorsicht, diese Ergänzungen demjenigen zuzuschrei-
ben, der Jes 40,12-31 um das Thema der Götzenbilder in den VV.18-20 er-
weiterte.”° Zum einen wird mit der Disqualifizierung des Fremdgötterdiens-
319 Auch wenn sein Name nicht fällt, ist doch deutlich, wer gemeint ist; vgl. KRATZ,
Kyros, 155.
320 Vgl. KRATZ, Kyros, 41.
321 חוְעַבָהJes 41,24b und 44,19, 792 Jes 41,29b und 48,5 (mit der Bedeutung „Gussbild“
sonst nur Jer 10,14; 51,17). Zu Jes 44,19; 48,5 vgl. unten Kap. 3.2.1.4 bzw. 3.2.1.7.
322 בחרinnerhalb von Jes 40-55 nur hier und 40,20 nicht mit Jhwh als Subjekt!
333 Vgl. PREUSS, ThWAT VIH, 590 sowie ausführlich unten Kap. 4.2.1.4.
324 Vgl. GÖRG, ThWAT VI, 559.
325 Vgl. MERENDINO, Der Erste und der Letzte, 201; KRATZ, Kyros, 41.
326 60 MERENDINO, Der Erste und der Letzte, 201.
152 Kapitel 3: Der einzige Gott und die Bilder
tes als 72Yim nicht notwendig mit der Materialität der Götter(-Bilder) argu-
mentiert. Fremde Götter und ihre Bilder anzubeten ist ja nicht an sich, son-
dern deshalb ein Gräuel, weil darin ein verkehrtes Verhältnis zu bzw. Abfall
von Jhwh deutlich wird. Zum anderen wird in V.29b anders als in Jes 40,18-
20” nicht anhand der Materialität der Götterbilder auf deren Machtlosigkeit
und infolge dessen auf die Machtlosigkeit der Götter geschlossen, sondern
umgekehrt aus der Nichtigkeit der Götter auf die Nutzlosigkeit ihrer Bilder
hingewiesen.” Im Ausdruck 27°30), „ihre (Guss-)Bilder“, sind die Götter
formal nicht mit ihren Bildern identifiziert. Die in Jes 40,18-20; 41,6f. vor-
ausgesetzte Identifikation von Göttern und Götterbildern scheint von
Jes 41,24b.29b aus betrachtet erst ein weiterer Schritt zu sein.
(3) 5
הוּא שָמִי וּכְבודי לְאַחָר לאדְאֶתּן וּתְהַלְתִי לפֶסִילִיםTIM אָנִי8
בְּטָרֶם פִּצְמַחְנֶה אַשָמִיע אְֶכֶםnaT RI וַחַדָשוּתmaR הֶראשנות9
8 Ich bin Jhwh, das ist mein Name. Und meine Ehre gebe ich nicht für einen anderen
und meinen Ruhm den Bildern. 9 Das Frühere, siehe, es ist gekommen und das Neue,
ich verkünde es. Bevor es sprosst, lasse ich es euch hören.
Von Bildern ist lediglich in Jes 42,8 die Rede, doch gehört dieser Vers mit dem folgenden
V.9 zusammen. Ab V.10 beginnt mit dem Wechsel von der Jhwh-Rede zur Aufforderung
zum Lobpreis Jhwhs??? ein neuer Abschnitt. Ebenfalls eindeutig ist in Kapitel 42 die Ab-
grenzung der VV.1-4 als erstes der so genannten Gottesknechts- bzw. Ebed-]Jhwh-Lieder.
In Frage steht lediglich der Umfang der Jes 42,1-4 folgenden Auslegung, konkret, ob sie mit
V.7 endet? oder auch die hier zu besprechenden VV.8f. umfasst.??! Für die Abtrennung der
VV.8f. von den VV.5-7 spricht vor allem der Adressatenwechsel von der 2.Pers. Sg. in V.6
zur 2. Pers. Pl. in V.9.2 Zudem wird hier anders als in den vorangehenden Jhwh-Reden
ausdrücklich gesagt, dass Jhwh etwas nicht tut, das es Dinge gibt, zu denen er in einem
Nicht-Verhältnis steht.
327 Und an weiteren Stellen im Deuterojesajabuch. Vgl. v. a. 44,9-20; 46,5-7; dazu Kap.
3.2.1.4 und Kap. 3.2.1.6.
328 Vol. WERLITZ, Redaktion, 224£.
39 ּוריש הָוהְיִל ריש שָדָחwie Ps 96,1; 98,1; 149,1.
30 Vgl. FOHRER, Jesaja 40-66, 50-53; KRATZ, Kyros, 128£.
1 Vgl. ELLIGER, Deuterojesaja, 222-240; WERLITZ, Redaktion, 277-280.
332 Vgl. KRATZ, Kyros, 128 mit Anm. 489 gegen ELLIGER, a en 225£.227£.
333 So etwa HERMISSON, Einheit, 152£.
3.2 Bilderverbot im Deuterojesajabuch 153
>
29 zu finden sei.” „Dagegen spricht nicht nur die geschlossene Anlage von
41,21-29, sondern vor allem die unterschiedliche Argumentation mit anderer
Zeitperspektive.“” nx9°° steht parallel zu 29'025, wodurch die anderen
Götter eindeutig als Bilder bestimmt sind.” Die in Jes 41,24b.29b zumindest
nicht explizit ausgesprochene Gleichsetzung von Göttern und Götterbildern
ist also vorausgesetzt. Und während der Weissagungsbeweis in Jes 41,21-29
darauf abhob, dass nur Jhwh den Siegeszug des Kyros, also ein vergangenes
Geschehen, vorhergesagt habe, ist das Neue, das in Jes 42,9 angesprochen
wird, tatsächlich ein zukünftiges Geschehen, dessen Eintreten als ganz sicher
ausgewiesen werden soll.”
334 So DUHM, Jesaja, 315; vgl. auch MERENDINO, Der Erste und der Letzte, 249 mit
Anm. 309.
335 KRATZ, Kyros, 129. vgl. auch ELLIGER, Deuterojesaja, 177-180.225.
336 אֶחַרin Jes 40-55 nur hier und 48,11.
337 Vgl. ELLIGER, Deuterojesaja, 237f.
338 Vgl. FOHRER, Jesaja 40-66, 52f.; KRATZ, Kyros, 129f.
339 Vgl. ELLIGER, Deuterojesaja, 255; WERLITZ, Redaktion, 231.
340 So FOHRER, Jesaja 40-66, 53-56. Auch MERENDINO, Der Erste und der Letzte, 256-
274 fasst 10-17 insgesamt als „hymnusartigen Text“ (aaO. 273) auf, der jedoch erst durch
die Hinzufügung der VV.10.12.17 zu einem ursprünglichen Heilswort entstanden sei.
341 Vgl. DUHM, Jesaja, 317f.; BEGRICH, Studien, 14; WESTERMANN, Jesaja 40-66, 87;
ELLIGER, Deuterojesaja, 242-245.255; PREUSS, Verspottung, 206f. Zur Frage der meist als
Heilsverheißung bestimmten Form des Textes vgl. ELLIGER, Deuterojesaja, 257f.
342 Vgl. ELLIGER, Deuterojesaja, 243.
38 Vgl. ELLIGER, Deuterojesaja, 244f.
34 ELLIGER, Deuterojesaja, 243f.
345 Gegen PREUSS, Verspottung, 207.
154 Kapitel 3: Der einzige Gott und die Bilder
scheint wieder jener Sprecher das Wort zu haben, der in V.10 zum Lobpreis auf Jhwh auf-
forderte.’ Nicht mehr das Handeln Jhwhs sondern dessen Folge für die Bilderverehrer ist
thematisiert, die Heilsverheißung für Israel schlägt in Gerichtsansage gegen seine Feinde
um.3#7 Angesichts der in den VV.15f. verwandten Bilder bis hin zur Verwandlung von Fins-
ternis in Licht wirkt das Zurückweichen der Götzendiener „nur noch als Anhang.“
Jes 42,17 zeigt explizit die sich aus der Macht Jhwhs ergebende Konsequenz
für die Verehrer der Götterbilder auf. Sie müssen zurückweichen, zu Schan-
den werden, ihre falsche Gottesverehrung erkennen, die darin besteht, dass
sie sich von Götterbildern und Gussbildern Hilfe erhoffen. So» und 720%
stehen hier parallel” und scheinen den ihnen ursprünglich innewohnenden
Bedeutungsunterschied, wonach der eine Begriff ein Bild aus Stein oder Holz,
der andere dagegen ein aus Metall gegossenes Bild bezeichnet, verloren zu
haben.”” Für den Urheber dieses Verses ist das Material eines Götterbildes
offenbar vollkommen belanglos. Deutlicher als mit dem als Ausspruch vor
den Bildern vorgestellten Bekenntnis 758 ons kann die Gleichsetzung von
Gott und Götterbild gar nicht zum Ausdruck gebracht werden.” Ähnliches
346 Vgl. MERENDINO, Der Erste und der Letzte, 266 sowie FOHRER, Jesaja 40-66, 56
(„Der Schluß des Hymnus knüpft an die Einleitung an.“).
347 Nach PREUSS, Verspottung, 207 „list] diese Polarität der prophetischen Predigt artei-
gen.“ Der Einsatz solcher Polaritäten zur planvollen Komposition der Endgestalt verschie-
dener Prophetenbücher des Alten Testaments nach dem Schema Unheil — Heil (vgl.
PREUSS/BERGER, Bibelkunde, 153; als Beispiele seien Jes 1-35, Ez oder Jer LXX genannt)
zeigt jedoch, dass dieses „arteigene“ Element der Prophetie durchaus redaktionell sein kann.
48 ELLIGER, Deuterojesaja, 267; vgl. HERMISSON, Einheit, 138 (der Vers „klappt nach“);
VAN OORSCHOT, Babel, 312. Aus sprachlichen bzw. inhaltlichen Gründen ist der Vers auch
nach WESTERMANN, Jesaja 40-66 und MERENDINO, Der Erste und der Letzte, 266f.
sekundär.
349 Wie auch Dtn 27,15; vgl. oben Kap. 2.2.2.2.
350 Vgl. ELLIGER, Deuterojesaja, 265.
= ּ אֶלְהָינוsteht als Bezeichnung eines anderen Gottes als Jhwh neben [68 42,17 lediglich
an drei weiteren Stellen im Alten Testament. In Ri 16,23.24 preisen die Bewohner von Gaza
„unseren Gott“ Dagon, weil er ihren Feind Simson in ihre Hand gegeben habe. Eben dieser
Simson ist es dann aber, der nach einem an Jhwh gerichteten Gebet um die nötige Stärke
den Tempel Dagons eigenhändig zum Einsturz bringt (Ri 16,25-30). An der dritten Stelle,
1Sam 5,7 ist „unser Gott“ erneut Dagon, dessen Unterlegenheit gegenüber Jhwh von den
Bewohnern der Stadt Aschdod eingeräumt wird. Ursache dieser Feststellung sind neben den
auf den Aschdoditern liegenden Plagen (1Sam 5,6) nicht zuletzt Sturz (1Sam 5,3) und Zer-
störung (1Sam 5,4) der Dagonstatue angesichts der im Dagontempel aufgestellten Lade
Jhwhs. Die Wendung 1147 DIR INK 1371, „und sie stellten sie [die Lade] neben Dagon‘“, womit
offensichtlich die Dagonstatue gemeint ist, deutet darauf hin, dass zwischen Gott und Göt-
terbild nicht unterschieden wird (vgl. DICK, Parodies, 31). Auch hier geht es also um die
überlegene Macht des Gottes Israels, der kein Götterbild (im wahrsten Sinne des Wortes)
Stand halten kann. In gewisser Weise illustriert die Schilderung der ungleichen Auseinander-
setzung zwischen Jhwh und Dagon, zwischen dem mächtigen Gott und dem machtlosen
Bild die Ansage der letztlichen Niederlage der Bilderverehrer in Jes 42,17. Zu Dagon vgl.
HEALEY, DDD2, 216-219. Dass er noch im 2.Jh. v.Chr in der Küstenebene verehrt wurde
3.2 Bilderverbot im Deuterojesajabuch 15
«er
findet sich noch im Rahmen eines Aufrufs an Israel zur Umkehr zu Jhwh in
Hos 14,4a:
)7a נאמר עוד אֶלהִינוּ לְמַעָשָה- ולא792) שור לא יוּשִיעָנוּ עַלדסוּס לא
Assur soll uns nicht helfen, auf das Pferd wollen wir nicht steigen und nicht mehr sagen
„unser Gott!“ zum Werk unserer Hände.
Eine mögliche Umkehr der Bilderverehrer zu Jhwh ist angesichts der Ansage
ihres vollkommenen Zuschandenwerdens in Jes 42,17 dagegen sicher nicht
im Blick. Den Götzendienern bleibt nur der Untergang.”
3.2.4 Wer formt einen Gott und gießt ein Bild, damit es nichts nützt? — Jes 44,9-20
9 Die Bilderformer sind alle nichtig und ihre Lieblinge nützen nichts. Und ihre Zeugen,
sie sehen nichts und sie erkennen nichts, damit sie zuschanden werden. 10 Wer formt ei-
nen Gott und gießt ein Bild, damit es nichts nützt? 11 Siehe, alle seine Genossen werden
zuschanden. Und die Handwerker sind von Menschen. Sie sollen sich alle versammeln
und herantreten: sie erschrecken und werden mit einander zuschanden. 12 Der Meister
in Eisen [schneidet mit der] 7392,°° er arbeitet mit brennenden Kohlen und mit den
Hämmern formt er es und bearbeitet es mit der Kraft seines Armes; dabei wird er hung-
rig und ohne Kraft, er trinkt kein Wasser und wird müde. 13 Der Handwerker in Holz
spannt die Messschnur aus, umreißt es mit dem Stift. Er macht es mit den Schnitzmes-
sern?>* und mit dem Zirkel umreißt er es. Und er macht es wie das Bild eines Mannes,
wie das Prachtstück von einem Menschen, damit es in einem Haus wohnt. 14 Er geht,
um für sich ‚Bergtannen“° zu fällen und er nimmt Steineiche und Eiche und er zieht für
sich groß von den Bäumen des Waldes; er pflanzt eine ‚Bergtanne‘ und der Regen macht
sie groß. 15 Und es ist für den Menschen zum Feuermachen und er nimmt davon und er
belegen 1Makk 10,83f.; 11,4. Dass die LXX in Jes 46,1 neben Bel nicht דב sondern Aaywv
liest, deutet ebenfalls auf die Bedeutung dieses Gottes in hellenistischer Zeit hin.
352 Im Vergleich dazu geradezu nüchtern, wenn auch ebenfalls die Trennung Israels von
allen anderen Völkern betonend, wird die Verehrung anderer Götter dagegen in Mi 4,5,
einem Zusatz zur Verheißung der Völkerwallfahrt zum Zion Mi 4,1-4, betrachtet: Ja, alle
Völker gehen, jedes im Namen seines Gottes, wir aber gehen im Namen Jhwhs, unseres Gottes, für immer
und ewig. Vgl. WOLFF, Micha, 85.88.94.
353 Der Text ist unklar. Zum einen scheint ein Verb zu fehlen, zum anderen die übliche
Übersetzung „Axt/Beil“ für 71332 im Zusammenhang der Metallverarbeitung unpassend zu
sein (anders Jer 10,2ff.). Die Überlegung von HOLTER, Idol-Fabrication Passages, 151, wo-
nach eher ein Verb zu erwarten ist, das die Arbeit mit dem genannten Werkzeug als eines,
das dessen Herstellung beschreibt, ist jedenfalls einleuchtend. Weitere Konjekturvorschläge
bei ELLIGER, Deuterojesaja, 409f.; SCHROER, Israel, 219.
354 Die exakte Bedeutung von תלעצקמ ist unklar, es muss jedoch ein Werkzeug zur Holz-
bearbeitung gemeint sein.
3 VolSBEHIS.
356 Die genannte Baumart lässt sich bislang nicht eindeutig identifizieren, es scheint je-
doch ein hochstämmiges Nadelholz gemeint zu sein und jedenfalls nicht die Libanon-Zeder;
vgl. SCHROER, Israel, 217f. Insofern ist die hier im Anschluss an SCHROER, aaO. 215 ge-
wählte Wiedergabe mit „Bergtanne“ (vgl. BERLEJUNG, Theologie, 359.379; dort neben „Ze-
der“) eine Behelfslösung.
156 Kapitel 3: Der einzige Gott und die Bilder
wärmt sich, auch zündet er es an und bäckt Brot, auch macht er einen Gott und wirft
sich nieder, macht ein Bild und beugt sich vor ihm. 16 Die Hälfte verbrennt er im Feuer;
auf seiner Hälfte brät er Fleisch, er isst das Gebratene und wird satt. Auch wärmt er sich
und sagt: Ha-ah. Mir wird warm, ich sehe das Feuer. 17 Und seinen Rest macht er zum
Gott, zu seinem Bild und beugt sich vor ihm und wirft sich nieder und betet zu ihm und
sagt: Rette mich, denn mein Gott bist du! 18 Sie erkennen nichts und verstehen nichts,
denn verklebt, weg vom Sehen (sind) ihre Augen, fern von Verständnis ihre Herzen.
19 Und er kehrt nicht zurück zu seinem Herzen und hat keine Erkenntnis und keine
Einsicht, um zu sagen: „Meine Hälfte habe ich verbrannt mit Feuer und auch habe ich
Brot gebacken auf seiner Glut. Ich brate Fleisch und esse. Und seinen Rest mache ich zu
einem Gräuel, für einen Holzklotz beuge ich mich?“ 20 Wer sich mit Asche beschäftigt
ist betrogen, (sein) Herz hat ihn verführt. Und er rettet sein Leben nicht und sagt nicht:
„Ist nicht Lüge in meiner Rechten?“
957 WESTERMANN, Jesaja 40-55, 119; zur Frage der Gattung des Stückes vgl. auch
ELLIGER, Deuterojesaja, 420f.
358 Vgl. MERENDINO, Der Erste und der Letzte, 382.
359 Vgl. vor allem PREUSS, Verspottung, 208-215; SPIECKERBOER, Structure, 116-126.
Die Zugehörigkeit zumindest eines Teils von Jes 44,9-20 zur Grundschicht eines auf eine
Verfassergruppe zurück gehenden ersten Deuterojesajabuches vertritt WERLITZ, Redaktion,
227.229f.232-235, allerdings mit der These verbunden, dass der postulierte Grundbestand
an Götzenfabrikationstexten (Jes 40,19£.; 41,6f.; 44,10-17%; 46,6f.) ursprünglich ein selb-
ständiger Text gewesen sei.
360 Vgl. Jes 43,10.12; 4.
361 Vgl. ELLIGER, Deuterojesaja, 415f.; WERLITZ, Redaktion, 229.
362 Vgl. DUHM, Jesaja, 333; BEGRICH, Studien, 13; WESTERMANN, Jesaja 40-66, 119;
ELLIGER, Deuterojesaja, 414f.421£.; HERMISSON, Einheit, 138.155; KRATZ, Kyros, 192£.;
VAN OORSCHOT, Babel, 312f. und im Prinzip auch WERLITZ, Redaktion, 234: „Sind diese
Texte zumindest zum Teil aus der Beobachtung des Vorgangs der Entstehung eines Göt-
3.2 Bilderverbot im Deuterojesajabuch 157
1
Auffassung jedoch hinsichtlich der Frage, ob durch die Einfügung von [68 44,9-20 ein ur-
sprünglicher Zusammenhang Jes 44,6-8.21f. zerrissen worden ist,’ oder ob diese Texte als
voneinander unabhängige Einheiten aufzufassen sind.’%* Grundsätzlich ist beides möglich
und mit Blick auf die Auslegung des sekundären Abschnitts Jes 44,9-20 kann auf eine Ent-
scheidung hier verzichtet werden. Sie hinge nicht zuletzt vom Verständnis des Imperativs
שוּבָהab. Sollte hier nicht ein bloßes „Wende dich her zu mir...‘%5 sondern das auch aus dem
deuteronomistischen Schrifttum?‘ bekannte, dem Deuterojesajabuch insgesamt aber recht
fremde Umkehrmotiv?°” gemeint sein,’ spräche das wohl gegen einen ursprünglichen Zu-
sammenhang der VV.6-8.21f. Neben metrischen Unterschieden? kommt hinzu, dass in
Jes 44,21f. anscheinend eine andere Situation als in 44,6-8 vorausgesetzt ist.?70
Die Frage der literarischen Integrität von Jes 44,9-20 ist ebenfalls umstritten. Schon auf
den ersten Blick wirkt der Text mit seinen mehrfachen Numeruswechseln (VV.9-11 Pl., 12-
17 sg., 18 Pl. 195 sg.) alles andere als einheitlich und so sind denn auch nicht wenige Versu-
che unternommen worden, den Text nach Schichten aufzuteilen.?”! Dass die pluralischen
Verse VV.9-11 und 18 aufeinander bezogen sind und nicht wie die VV.12-17 (vgl. 40,18-
20; 41,6f.) Vorgänge der Bilderherstellung, sondern die mangelnde Erkenntnis der Bilder-
hersteller im Blick haben, kann sowohl für ursprüngliche Komposition,?”? als auch für spä-
tere Rahmung sprechen. Sicher schließt V.9 eleganter als V.12 an V.8 an, aber deswegen
müssen V.9 und V.12 nicht derselben Schicht angehören. Die als Jhwh-Wort formulierte
Frage, ob es einen anderen Gott überhaupt gibt (V.8), ginge der Beschreibung der Bilderher-
stellung ebenso gut voran wie die Vergleichbarkeitsfragen in Jes 40,18 und 46,5 und wäre
auch nicht abrupter als der Übergang zu Jes 41,6f.: An allen drei Stellen folgt das Thema der
Bilderherstellung unmittelbar auf die und als Kontrast zur Feststellung der alles überragen-
den Macht Jhwhs. Lediglich in Jes 44,9-20 ist der Schilderung der Bilderherstellung eine
erläuternde Einleitung vorangestellt. Darin schließt V.9 mit dem Stichwort דע nicht nur an
V.8 an, sondern weist mit der Rede vom Formen der Bilder )רצי ,vgl. V.10Anfang) auch auf
V.12 voraus, wo sich die Verwendung von רצי aus der geschilderten Tätigkeit der Metallver-
arbeitung erklärt.?”? So können die VV.9-11 durchaus nachträglich zwischen V.8 und V.12
eingefügt worden sein, um neben der spottenden Schilderung der Bilderherstellung auch
ausdrücklich die Bilderhersteller und Bilderverehrer zu verurteilen.
zenbildes in einem Handwerksbetrieb heraus entstanden, dann können sie, wie für 40,19f
vermutet, durchaus in Babylon selbst entstanden sein. Ihre Einfügung in Jes 40-55* ist zwar
von ihrer Entstehung zu trennen, doch sie scheint mit Bedacht erfolgt zu sein.“
363 So bereits DUHM, Jesaja, 333; vgl. WESTERMANN, Jesaja 40-66, 113f.; KRATZ, Kyros,
66 mit Anm. 231.193; BERLEJUNG, Theologie, 380.
364 So ELLIGER, Deuterojesaja, 398.443; vgl. WERLITZ, Redaktion, 249f.
365 Vgl. DUHM, Jesaja, 337.
366 Vgl. etwa Dtn 4,30; dazu oben Kap. 2.2.4.2.
367 שובgal in diesem Sinne vielleicht hier und noch Jes 55,7.
368 Vgl. WERLITZ, Redaktion, 249.
369 Vgl. ELLIGER, Deuterojesaja, 398.
370 So selbst WESTERMANN, Jesaja 40-66, 116, der dennoch für den Zusammenhang bei-
der Stücke plädiert.
371 So zuletzt WERLITZ, Redaktion, 229f. mit Anm. 357 (weitere Literatur).
372 So KRATZ, Kyros, 193.
373 Und zwar vor allem auf V.12, denn ab V.13 wird viermal השע (VV.13 [2x].15.17 +19)
und einmal לעפ (V.15) verwendet.
158 Kapitel 3: Der einzige Gott und die Bilder
V.18 nimmt nach den auf die Bilderherstellung eingehenden VV.12-17 das Motiv der
Erkenntnislosigkeit noch einmal auf, fraglich ist jedoch, ob lediglich aus V.9 oder auch aus
V.19. Sicher bildet V.18 mit den VV.9-11 einen schönen Rahmen um Jes 44,12-17. Es ist
freilich auffällig, dass in V.18 das Verb עדי nicht mit 52 verneint wird, was in \/.9 dem An-
schluss an V.8 geschuldet sein dürfte,?”* sondern wie das von derselben Wurzel abgeleitete
Nomen NY in V.19 mit :אל Wenn Jes 44,9-11 und 44,18 aus einer Hand stammen,’ dürf-
ten sie deshalb die VV.19f. bereits voraussetzen, zumal diese viel enger als jener mit den
VV.12-17, insbesondere mit 16f. verbunden sind. Die VV.19f. werden dennoch kaum mit
den VV.12-17 eine ursprüngliche Einheit bilden, da sie der Beschreibung der Bilderherstel-
lung eine Erklärung aufsetzen, die ihnen durch die explizite Bezeichnung des Götterbildes
als Holzklotz und seine theologische Disqualifizierung als Gräuel ihre ironische Wirkung
nimmt. Die VV.19f. wirken wie die Erklärung der Pointe eines Witzes, die doch nur demje-
nigen geliefert werden muss, der den eigentlichen Witz nicht verstanden hat. Das gilt erst
recht, wenn Jes 44,9-11.12-17.18.19f. an Juden der nachexilischen Zeit gerichtet ist,37° de-
nen die bildlose Verehrung Jhwhs zumindest als Möglichkeit, wenn nicht als Forderung oder
geübte Praxis bekannt war. Der sachlichen Schilderung der Bilderherstellung wird noch die
deutliche religiös-moralische Verurteilung hinzugefügt.’”’ Dabei hätten die singularisch for-
mulierten VV.19f. wie schon die VV.12-17 ursprünglich die Bilderhersteller im Blick gehabt.
Durch die Voranstellung der VV.9-11 wurde nicht nur die Pointe des Hauptstückes vor-
weggenommen, sondern der Vorwurf der Erkenntnislosigkeit explizit auf alle Bilderverehrer
ausgedehnt und um die Ansage ihres Zuschandenwerdens erweitert. V.18 weist nach dem
singularischen auf die Handwerker und ihr Tun fixierten Abschnitt VV.12-17 sowohl auf
V.9 zurück (Stichwort: (עדי ,als auch auf die VV.19f. voraus (Stichworte עדי ,תַעְד/ ןיב/אל
לאמְבוּנְה, 25) und stellt so die Gesamtheit von Bilderherstellern und Bilderverehrern unter
das Utteil der VV.19£.378
374 52 steht in Deuterojesaja in 40,24 (3x); 43,17; 44,8 (nix 7953) und 44,9 (3x).
375 Was MERENDINO, Der Erste und der Letzte, 3846 für V.18a bezweifelt. WESTER-
MANN, Jesaja 40-66, 123, charakterisiert V.18 als späten weisheitlichen Zusatz.
376 Vgl. ELLIGER, Deuterojesaja, 440.
377 ELLIGER, Deuterojesaja, 417, als Möglichkeit erwogen auch bei KRATZ, Kyros, 193£.
mit Anm. 632, der nachträgliche Ergänzungen innerhalb von Jes 44,9-20 jedoch für nicht
schlüssig nachweisbar hält.
378 KRATZ, Kyros, 193 bezeichnet den Numerus von V.19£. als „unpersönlichen“ Singu-
lar im Gegensatz zum nicht näher bestimmten Singular in den VV.12-17. Die unpersönliche
Note erhält der Sg. der VV.19f. jedoch erst durch V.18.
#7 Zur Gliederung von Jes 44,9-20 vgl. BERLEJUNG, Theologie, 380f.
2 BB; der terminus technicus des dekalogischen Bilderverbots für eine Göttersta-
tue fällt in Jes 44,9-20 nicht weniger als vier Mal: 44,9.10.15.17.
39 Vgl. auch Jes 40,17.23 wo es auf die Völker bzw. ihre Herrscher bezogen ist.
382 60 ELLIGER, Deuterojesaja, 423; vgl. WESTERMANN, Genesis 1-11, 142-144.
3.2 Bilderverbot im Denterojesajabuch 159
„Fürchtet euch nicht und erschreckt nicht. Habe ich nicht schon längst hören lassen und
verkündet? Ihr seid meine Zeugen: Gibt es einen Gott außer mir? Und es gibt keinen
Fels, ich kenne keinen.“
Durch die Aufnahme des Zeugenbegriffs aus Jes 44,8 in 44,9 wird der Unter-
schied zwischen Israel und den Bilderverehrern deutlich: Da diese nicht
Jhwh, sondern Bilder verehren, können sie anders als Israel, das sich der Ta-
ten Jhwhs in seiner Geschichte erinnern und sein Sein als Gott auf diese
Weise bezeugen kann, die Taten ihrer Götter nicht bezeugen, weil ihre Götter
nichts tun, also nicht helfen können.” V.10 bringt entweder die Aussagen
von V.9a noch einmal auf den Punkt,” oder ist — wahrscheinlicher - als iro-
nische Frage aufzufassen: Wer tut schon etwas derart unsinniges?”” Zugleich
wird hier wieder explizit die Identität von Gott und Bild zum Ausdruck ge-
bracht. Wird V.11 als Rückgriff auf V.9b gedeutet, so sind die dort genannten
Zeugen mit den hier genannten Genossen oder Anhängern (des Bildes) iden-
tisch.” Der Text besagt ohne Zweifel, dass Bilderhersteller wie Bilderver-
ehrer ohne Erkenntnis sind ‚und zuschanden werden. Die Rede von den
ָּלְחָבָרִיי7
כbleibt jedoch auffällig.” Wenn hier dieselbe Gruppe wie in V.9b
gemeint ist, warum wird in V.11 nicht dasselbe Vokabular gebraucht? Sollte
„ihre Zeugen“ in V.I9b ausdrücklich einen engeren Kreis von Bilderverehrern
meinen, etwa jene, die den in Frage stehenden Gott auch als persönlichen
Gott verehren? 7375» könnte dann im Gegensatz dazu Menschen bezeich-
nen, die zu dem (Bild-)Gott zwar keine enge persönliche Beziehung haben,
ihm aber dennoch ihre Sympathie bekunden. Vielleicht darf man sie mit Blick
auf Jes 46,7 als Mitläufer bezeichnen, als Mitläufer im besten Sinn des Wor-
tes, nämlich als Teilnehmer an einer Kultbildprozession.”” V.11 stellte dann
klar, dass Erkenntislosigkeit und Zuschandenwerden nicht nur die Bilderher-
steller und Bilderverehrer im engeren Sinne betreffen, sondern auch jeden,
der sich nicht konsequent von den Bildern fernhält.
Die Szenerie erinnert an den Auftakt zur Gerichtsrede Jes 41,21ff. Doch
während dort die fremden Götter der Form nach noch zur Auseinanderset-
zung aufgefordert werden und ihre Beweise vorbringen sollen,” ist ein Auf-
tritt der längst als nichtig erkannten fremden Götter in Jes 44,11b nicht vor-
gesehen.” Die Begründung des seit V.9a bekannten Nichtigkeitsurteils lie-
fern nun die VV.12-17, indem sie, einzelne Schritte seiner Herstellung be-
schreibend, den Bild-Gott im wahrsten Sinne des Wortes auf seine Wurzeln
zurückführen, „den Vorgang von rückwärts entfaltend bis zu dem letzten
Anfang: ‚Er pflanzt eine Fichte...‘.“”” Dieser Umstand spricht für den Zu-
sammenhang der VV.12-17 und macht wahrscheinlich, dass in Jes 44,9-20
nicht die Herstellung von Metall- und Schnitzbild vermischt sind, sondern
dass es eher um die Herstellung eines Mischbildes geht, „eine[r] geschmie-
dete[n] Figur...deren Kern...aus Holz besteht“, ein Götterbild also, wie es
in den großen Tempeln des Alten Orients gewöhnlich anzutreffen war.” Die
Tätigkeit des Metallhandwerkers”” in V.12 wäre dann mit der Herstellung der
auf dem Holzkern zu Liegen kommenden Metallauflage in Verbindung zu
bringen.” Entscheidend für die Argumentation ist nicht die Art des verwen-
deten Materials, sondern die mit der Arbeit verbundene körperliche Anstren-
3% Auf eine solche spielt Jes 46,7 offenbar an; vgl. dazu unten Kap. 3.2.6.2.
390 Vgl. auch Jes 41,1b: „Sie sollen herantreten und reden; gemeinsam lasst uns vor Gericht treten.“
391 Vgl. WESTERMANN, Jesaja 40-66, 121: „Aber hier sind die Worte aus ihrer Funktion
in der Rechtsverhandlung gelöst; der Abstand von Deuterojesaja zeigt sich deutlich.“
לWESTERMANN, Jesaja 40-66, 122. BERLEJUNG, Theologie, 386 erklärt die ungewöhnli-
che Reihenfolge dagegen so, dass die VV.12f. als eine auf Jes 40,19£.; 41,6f. zurückblickende
und diese Texte ergänzende Einleitung des eigentlichen Themas in den VV.14-17 (Holz) zu
verstehen seien.
33 BERLEJUNG, Theologie, 381. Anders ELLIGER, Deuterojesaja, 425 nach Ausscheidung
der VV.14-17 als gegenüber 9-13.18 sekundäres Stück wegen der unpassenden Reihenfolge
und SCHROER, Israel, 219, wonach die Arbeit des Eisenhandwerkers „mit dem Götterbild
des םיִצְע WIM augenscheinlich nichts zu tun (hat).“
3% Vgl. BERLEJUNG, Theologie, 37; NIEHR, Search, 79.
5 Es ist zwar konkret ein Eisenschmied genannt, Eisen wurde bei der Herstellung von
Kultbildern jedoch nicht verwendet; vgl. SCHROER, Israel, 220f.; BERLEJUNG, Theologie, 359.
36 Vgl. WESTERMANN, Jesaja 40-66, 121.
3.2 Bilderverbot im Deuterojesajabuch 161
®
gung, die den Handwerker erschöpft.” Diese „Götter“ haben nicht nur kei-
nen Nutzen, sie machen dem Menschen nichts als Mühe.” V.13 lenkt den
Blick vom Metall- auf den Holzhandwerker, dessen Tätigkeit vom ersten
Grobumriss bis zum fertigen Werkstück beschrieben wird,” beginnend mit
dem Ausspannen der Messschnur. הטנ gal steht in Jes 40-55 sonst nur mit
Jhwh als Subjekt und bezeichnet das Ausspannen des Himmels.”” Das Ergeb-
nis zeigt, wie Anspruch und Wirklichkeit bei der Herstellung eines Götterbil-
des auseinander gehen. Was dabei herauskommt ist nicht das Produkt eines
göttlichen Schöpfungsaktes, sondern nichts anderes als das Bild eines Men-
schen, ein handwerklich vielleicht sehr schönes Stück, aber dennoch nur das
Abbild eines Geschöpfes.” Und wie der Mensch wohnt auch dieses Bild in
einem Haus und nicht ץֶרֶאָה לַע-( גוחJes 4022, So ist „mit aller wünschens-
werten Deutlichkeit offen[ge]legt, daß es sich bei den Handwerkern nicht um
Menschen handelt, die Offenbarungen Gestalt verleihen oder Unsichtbares
sichtbar machen, sondern um Abbildner.“*"°
V.14 spricht das nächste Thema an und geht damit im Rahmen der Her-
stellung eines Kultbildes noch eine Stufe zurück. Bevor der „Handwerker in
Holz“ an die Arbeit gehen kann, muss er erst das richtige Material beschaf-
fen: Er zieht in den Wald und fällt einen Baum, einen Baum, den er zwar
möglicherweise selbst einmal gepflanzt, zu dessen Wachstum er das entschei-
dende Element jedoch nicht hinzugetan hat, om BUN, „denn der Regen lässt
wachsen“. Der Mensch, der doch einen Gott erschaffen will, ist den Launen
der Natur unterworfen. Mit V.15 steuert die Ironie ihrem Höhepunkt entge-
gen, indem der angesprochenen Verwendung des Holzes zur Bilderherstel-
lung nun eine weitere unter Menschen übliche Verwendung von Holz zur
Seite gestellt wird: Der Mensch macht damit Feuer, um sich zu wärmen und
um seine Nahrung zuzubereiten. Und er macht daraus eben auch ()ףא einen
397 Vjelleicht steht der Eisenschmied hier deshalb auch stellvertretend für Metallhandwer-
ker insgesamt. Der Anblick eines Eisenschmiedes mag den Adressaten des Textes vertrauter
gewesen sein, als der eines Goldschmiedes, weshalb die Schilderung der harten körperlichen
Arbeit in V.12b in Verbindung mit dem Bild eines Eisenschmiedes plastischer wirkt.
398 Vgl. ELLIGER, Deuterojesaja, 426f. Im Verhältnis zwischen Jhwh und Israel ist es da-
gegen genau anders herum, das Volk macht dem Gott Mühe; vgl. Jes 43,24 und mit direktem
Kontrast von getragenen Götterbildern und aufgeladenem Jakob/Israel Jes 46,1ff. (dazu
unten Kap. 3.2.6.1).
39 Vgl. ELLIGER, Deuterojesaja, 427. Dass das Werk des Schnitzers am Ende von V.13
beendet ist, muss keineswegs bedeuten, dass hier eine andere Kultstatue als in V.12 gemeint
ist. Die Gestalt des fertigen Bildes, im Falle einer anthropomorphen Statue die eines Men-
schen (V.13b), wird nicht von den Metallbeschlägen sondern vom Holzkern bestimmt.
400 Jes 40,22; 42,5; 44,24; 45,12; 51,13.
#1 Vgl. BERLEJUNG, Theologie, 383.
402 Vgl. auch Jes 66,1: So spricht Jhwh: Der Himmel ist mein Thron und die Erde der Schemel mei-
ner Füße. Wo wäre denn das Haus, das ihr mir bauen könntet, und wo denn der Ort meines Rubesitzes?
403 BERLEJUNG, Theologie, 383.
162 Kapitel 3: Der einzige Gott und die Bilder
Gott, ein Bild, vor dem er sich niederwirft — erneut werden Gott und Götter-
bild explizit gleichgesetzt.” Die noch recht allgemein beschriebene doppelte
Verwendungsmöglichkeit des Holzes wird in den folgenden VV.16f. an-
schaulich erläutert. Hier ist von zwei Hälften eines Baumes die Rede,“ deren
erste verbrannt wird, zum Braten und zum Wärmen. Durch die Art der Ver-
wendung bringt dieser Teil des Holzes dem Menschen echten Nutzen, er wird
satt und es wird ihm warm. Den Rest“ macht er zum Gott, zum Götterbild.
Nach in רצי V.10 und לעפ in V.15 wird der Vorgang der Herstellung nun in
V.17 mit השע ausgesagt. Bis auf ארב sind damit alle Verben, die im Deuteroje-
sajabuch das schöpferische Handeln Jhwhs zum Ausdruck bringen, in
Jes 44,9-20 genannt.“ Ein weiteres Mal werden Gott und Bild gleichgesetzt.
Zwar wird diese Sicht „durch das bewußt etwas nachklappende ולספל ‚korri-
giert““,® als ob es sich vielleicht doch um das Bild eines Gottes handeln
könnte, doch die darauf folgende Schilderung der Anbetung lässt keinen
Zweifel daran aufkommen, wen der Bilderverehrer anbetet. Das Bild wird als
„mein Gott“ angesprochen,” von ihm wird Rettung erwartet. Ein sinnloses
Unterfangen, wie im vorliegenden Text bereits V.9a klargestellt hatte. Dieser
Teil, der Rest des Holzes, bereitet also nur Mühe, er hätte besser ebenfalls als
Feuerholz verwendet werden sollen. Was hier als Gott angebetet wird, ist
nichts anderes als ein beliebiger Holzscheit. Wer die Herstellung eines Göt-
terbildes betrachtet und sich klar macht, wo dessen Wurzeln liegen, müsste
doch einsehen, dass daran nichts göttliches zu finden ist. Doch die Bilderver-
ehrer, so stellt V.18 fest, erkennen nicht das Offensichtliche, sie verstehen
nichts. Die VV.19f., im jetzigen Textzusammenhang nach V.18 die zweite
Reflexion über die Verehrung der Bilder, greifen die Argumentation der
VV.16f. noch einmal auf und führen explizit aus, was die Bilderverehter nicht
begriffen haben. Angesichts der Herstellungsweise eines Götterbildes müss-
ten sie doch von selbst darauf kommen, dass es sich dabei nicht um einen
Gott, sondern um einen Holzklotz, einen Gräuel, eigentlich nur um Asche
handelt. Es fällt auf, dass hier nicht der in Jes 44,14-17 zweimal genannte
40% Vgl. ELLIGER, Deuterojesaja, 432: „Die Meinung ist: man macht mit dem Holz alles
Mögliche, man macht dieses, man macht jenes, man macht auch ein Gottesbild; aber es
bleibt sich im Grunde alles gleich, es bleibt alles menschlich-allzumenschlich.“
405 Vgl. ELLIGER, Deuterojesaja, 433.
3% Dass es „Rest“ statt „andere Hälfte“ heißt, ist wohl abwertend gemeint; vgl. ELLIGER,
Deuterojesaja, 434.
7 Zur Frage nach Jhwh als Schöpfer im Deuterojesajabuch vgl. oben Kap. 3.1.3 und
v. a. unten Kap 3.3.4.
+08 PREUSS, Verspottung, 211.
#9 Götterbilder werden noch in Gen 31,30 und Ri 18,24 „mein Gott“ bzw. „meine Göt-
ter“ genannt; vgl. PREUSS, Verspottung, 211 sowie zu Gen 31,30 aaO. 57: „Der
Hörer oder
Leser kann, soll und muß herzlich lachen, nicht nur schmunzeln: ‚Armer Laban und
armer
Götze“ (vgl. GUNKEL, Genesis, 347£.).
3.2 Bilderverbot im Deuterojesajabuch 163
dekalogische Fachbegriff für ein Götterbild (88), sondern statt dessen das
nackte Material in Verbindung mit einer theologisch-moralischen Wertung
)עץ, (תועַבָהgnudnewreV .tednif reW nov ehcsA gnutteR ,tetrawre tgürteb
sich selbst und wird deshalb keine Rettung erfahren, solange er nicht erkennt,
dass ein Bild-Gott nichts als Lüge ()רקש ist.
Jes 45,16f. bilden den Abschluss der Texteinheit Jes 45,14-17, deren Abgrenzung nach
vorne sich durch die einleitende Botenformel הָוהְי "AN הפ am Beginn von V.14 ergibt. Das
erneute Auftreten der Botenformel am Beginn von V.18 markiert den Anfang eines neuen
Textabschnittes.*!0 V.14 gibt sich durch die Botenformel formal als Jhwh-Rede, die am
Schluss eine Rede der Völker zitiert. Die Verwendung der Botenformel ohne prädikative
Erweiterung, die sich im Deuterojesajabuch nur noch in 49,22 und 52,4 findet,*!! könnte
darauf hindeuten, dass sie hier sekundär hinzugefügt wurde.*!? Auch sonst erweckt der Ab-
schnitt einen alles andere als einheitlichen Eindruck.*!? Selbst wenn man ihn nach der Strei-
chung der einleitenden Botenformel insgesamt als Prophetenrede auffassen kann, lässt doch
der mehrfache Adressatenwechsel (V.14 Zion/Jerusalem; V.15 Jhwh; V.16f. Israel) aufmer-
ken. Hinzu kommen die thematischen Unterschiede (V.14 Völkerzug zum Zion mit Be-
kenntnis zur Einzigkeit Jhwhs; V.15 Reflexion über das Wesen Jhwhs; VV.16f. das Schicksal
der Bilderverehrer im Kontrast zur Rettung Israels), die Westermann neben Unterschieden
hinsichtlich Stil und Vokabular als Grund dafür anführt, in Jes 45,14-17 drei ursprünglich
voneinander völlig unabhängige Fragmente zu sehen.*!* Eine gewisse Logik in der Themen-
abfolge lässt sich freilich ausmachen: Der Beschreibung des Völkerzuges*!5 folgt in V.15 ein
kommentierendes Bekenntnis zu Jhwh aus der Perspektive Israels.*!% Weder Jhwh selbst
noch Israel haben die in V.14 genannten Völker unmittelbar bezwungen, sondern die Perser
repräsentiert in der Gestalt des Kyros (vgl. aus dem unmittelbaren Kontext Jes 44,24-45,7).
Jhwh bedient sich der persischen Herrschaft, um für Israel in die Weltgeschichte einzugrei-
fen und insofern handelt er verborgen.*!” Das Motiv des verborgenen Gottes scheint dann,
im Sinne eines unsichtbaren weil bildlos verehrten Gottes verstanden, das Urteil über die
Götterbildner in V.16 motiviert zu haben, denen Israel in V.17 gegenübergestellt wird. Die
einzelnen Aussagen in Jes 45,14-17 schließen deshalb zu gut aneinander an, um als unter-
einander beziehungslose Fragmente behandelt werden zu können. Wahrscheinlicher ist die
Annahme einer von V.14 (mit oder ohne Botenformel) ausgehenden Fortschreibung des
Stückes.*18
+7 Jes 45,19 wirkt gegenüber dieser Aussage geradezu korrigierend: יִתְרַּבּד רַתַסַב אל
„Nicht im Verborgenen habe ich geredet...“ Dagegen befindet sich Jes 45,18 eher im Zwie-
gespräch mit 45,7.
418 Vol. HERMISSON, Deuterojesaja, 34-37, aaO. 46 allerdings mit einer Zuweisung von
V.15 zur dtjes Grundschicht; KRATZ, Kyros, 99£.; WERLITZ, Redaktion, 231. Anders
MERENDINO, Der Erste und der Letzte, 440-442, wonach die VV.16f. als älteste Bestand-
teile von Jes 45,14-17 ursprünglich an V.13aba« anschlossen, dann V.14 eingeschoben und
schließlich V.15 hinzugesetzt worden sei.
+9 Warm steht innerhalb von Jes 40-55 in 40,19; 41,7; 44,11.12.13; 45,16. ריצ mit der Be-
deutung „Götterbild“ steht überhaupt nur hier.
“0 war Pl. Jes 44,11. Das Urteil über die Bilderhersteller wird freilich auch hier die Bil-
derverehrer insgesamt einschließen; vgl. HERMISSON, Deuterojesaja, 47£.
421 Vgl. auch Jes 42,17.
#22 Ebenfalls von רצי abgeleitet; vgl. SCHROER, Israel, 320f.; BERLEJUNG, Theologie, 308.
“2 Vgl. HERMISSON, Deuterojesaja, 47. Das Rettungsmotiv begegnete aber auch schon
Jes 44,20; vgl. WESTERMANN, Jesaja 40-66, 139.
#24 HERMISSON, Deuterojesaja, 50.
3.2 Bilderverbot im Deuterojesajabuch 165
Über die Frage, wie die Texteinheit, zu der Jes 45,20 gehört, genau abzugren-
zen ist, ist in der Forschung bislang keine Einigkeit erzielt.‘ Bilderterminolo-
gie ist auf den zweiten Halbvers beschränkt, der obendrein „den deutlichen
Zusammenhang der imperativischen Aufrufe in V.20a und 21a [unter-
bricht].““ Jes 45,20b wird daher meist als Zusatz aufgefasst.” Stichworte
verbinden den Halbvers zum einen mit der bisher besprochenen Bilderpolemik
(9°, vgl. Jes 44,9.18.19; ,ץַע vgl. Jes 44,13.14.19; boB, vgl. Jes 40,19.20; 42,17;
44,9.10.15.17; ,עשי vgl. Jes 44,20; 45,15.17, aber auch 45,21.22[(, zum anderen
auch mit Jes 46,1f. (Stichwort: (אשנ
.""Der entscheidende Aspekt, der Jhwh von
den Göttern der Bilderträger unterscheidet und sein eigentliches Gott-Sein
ausmacht, ist seine Fähigkeit zu retten. Insofern dürften die Götter der
Bilderverehrer auch hier nicht nur als andere Götter, sondern als Nicht-Götter
gelten. Dass Jhwh der einzige Gott überhaupt ist, ist für V.20b mit Blick auf
VV.20a.21 selbstverständlich. Es ist im Vergleich zur sonstigen Bilderpolemik
in Jes 40-55 deshalb auffällig, dass eine explizite Gleichsetzung von Gott und
Bild hier unterbleibt.‘” Während in Jes 45,17 nur von der Rettung Israels die
Rede war, wird sie hier (VV.20-22) auch den fremden Völkern verheißen,
sofern sie sich Jhwh zuwenden. V.20b stellt in diesem Zusammenhang klar,
dass Bilderkult und Jhwh-Verehrung einander ausschließen und die
Bilderverehrer deshalb von der Rettungsverheißung ausgenommen sind.'”
#1 Die Perfektformen in Jes 46,1f. werden oft als prophetisches Perfekt aufgefasst und
präsentisch übersetzt. HERMISSON, Deuterojesaja, 93 betont, dass sich nicht endgültig ent-
scheiden lasse, ob das hier Geschilderte präsentisch, gewissermaßen während seines Vollzu-
ges geschildert, oder ob bereits darauf zurück geblickt wird. Hermisson selbst entscheidet
sich für die präsentische Wiedergabe „wegen der dramatischen Schilderung in 46,1-2 ...
ohne daß damit schon über die Zeit des Sprechers entschieden wäre.“ Da diese dramatisch
beschriebenen Ereignisse nach der Eroberung Babylons durch Kyros jedoch unbestritten
nicht geschehen sind, bleibt die von HERMISSON, aaO. 95-101 vorgenommene Zuweisung
des Spruches an einen spätexilischen Propheten Deuterojesaja auf ein präsentisches oder
futurisches Verständnis („prophetisches Perfekt“) des Textes angewiesen.
#2 Jes 45,18£.20-25. Der zweite Abschluss in V.25 ist gegenüber dem ersten in V.23
wohl sekundär; vgl. KRATZ, Kyros, 59.621.217; HERMISSON, Deuterojesaja, 0.
#3 Vgl. HERMISSON, Deuterojesaja, 90. Manche Ausleger nehmen noch V.8 hinzu, so
etwa WESTERMANN, Jesaja 40-66, 148f. Dieser Vers gehört als redaktionelle Verbindung mit
dem folgenden Abschnitt Jes 46,9-13 jedoch weder dieser noch zu jener Texteinheit; vgl.
KRATZ, Kyros, 538; HERMISSON, Deuterojesaja, 90.126. Hinsichtlich der Textabgrenzungen
in Jes 46 ist bislang kein Konsens erreicht. Schon DUHM, Jesaja, 350 stellt fest, das Kapitel
nehme „sich etwas bröckelhaft aus.“
#4 Vgl. HERMISSON, Deuterojesaja, 90f. Anders KRATZ, Kyros, 57.217, der die VV.5-7
einer früheren Schicht als die VV. 1-4 zuweist. Für die Einheitlichkeit von Jes 46,1-7 plä-
dieren PREUSS, Verspottung, 217-221; SPIECKERBOER, Structure, 143-147.
#5 Als Einheit gilt Jes 46,1-4 etwa WESTERMANN, Jesaja 40-66, 144; MERENDINO, Der
Erste und der Letzte, 461f.; KRATZ, Kyros, 54-57. Einen Bruch zwischen V.2 und
V.3 se-
hen 2. B. DUHM, Jesaja, 350f.; BEGRICH, Studien, 61 mit Anm. 234; FOHRER, Jesaja 40-66,
97-100; HERMISSON, Deuterojesaja, 91-93. WERLITZ, Redaktion, 222 mit Anm. 325 lässt
die Frage offen.
3.2 Bilderverbot im Deuterojesajabuch 167
schreibung zurückgeführt werden kann, hat bereits Begrich angemerkt.#% Formal liegt in V.3
mit dem Aufmerksamkeitsruf IX ועמש7 jedenfalls ein Neueinsatz vor.*38
Jes 46,1 ist die einzige Stelle im Deuterojesajabuch, an welcher andere Götter
als Jhwh beim Namen genannt werden. Es handelt sich um die beiden wich-
tigsten Götter Babyloniens, Bel, d.h. Marduk,"” den Stadtgott von Babylon
und Nebo bzw. Nabü, der als Sohn Marduks galt und seinen Hauptkultort im
etwas südlich von Babylon gelegenen Borsippa hatte. Die Bedeutung
Nabüs, der als Gott der Schreibkunst die Schicksalstafeln beschrieb und ver-
waltete, erreichte in neubabylonischer Zeit ihren Höhepunkt, als er „mit =
Marduk der wichtigste göttliche Teilnehmer an der Neujahrsprozession
[war].“*" Königsnamen dieser Epoche, etwa Nebukadnezar oder Nabonid
enthalten Nabü als theophores Element. Der Sturz bzw. die Überwältigung
dieser beiden Götter wird in Jes 46,16 geschildert: לבנ סרק2» , עַרָּכBel geht
in die Knie, Nebo krümmt sich. Eine ganz ähnliche Aussage über Marduk-Bel
findet man in Jer 50,2 (MT):*”
snam ּ וְהַשְמִיעוּ וּשְאוּנֶס הַשָמִיעוomas 7171
ָ הבישוּ עָצַבֶּיהָ חַתוּ גּלוּלֶיהnaJ nn ab הביש235 נְלְכְּרָהa8
Verkündigt es unter den Völkern und lasst es hören und richtet ein Feldzeichen auf!
Lasst es hören, verschweigt es nicht! Sagt: Babel ist eingenommen, Bel zuschanden ge-
worden, Merodach schreckerfüllt! Ihre Götzenbilder sind zuschanden geworden, ihre
Götzen sind schreckerfüllt!
Wie in Jes 46,1 wird für die Götterbilder der Begriff 329 verwendet, aller-
dings parallel zur in Jes 40-55 nicht belegten (ezechielischen Lieblings-)Vo-
kabel ""לּולָג Mit der bereits besprochenen Götterbildpolemik des Deuteroje-
sajabuches hat die Jeremia-Stelle den Gebrauch von ,שוב zuschanden werden,
gemeinsam.** Jes 46,1 spricht dagegen davon, dass Bel „in die Knie geht“
) (כרעund weist damit auf Jes 45,23 zurück.” Dieser Umstand wird an der
Wegführung der Götterbilder sichtbar, wobei formal deutlich zwischen den
Göttern und ihren Bildern ()םֶחיִּבַצַע unterschieden wird.** Dass die Götter
am Ende von V.2 mit ihren Bildern auch selbst in die Gefangenschaft gehen,
hebt diesen Unterschied keineswegs auf, er wird durch םֶשְפַנְו eher noch un-
terstrichen: Die Götter haben eine eigene Existenz neben ihren Bildern, wenn
auch, jedenfalls für den Menschen, nicht ohne sie. Das ist nicht dieselbe
„simple Identität“ von Gott und Bild, die etwa Jes 44,9-20 dem Bilderver-
ständnis der Bilderverehrer unterstellt, sondern bewegt sich im Rahmen der
altorientalischen Ansicht, dass es sich bei den Kultbildern um Repräsentanten
der Götter bzw. ihrer Wirkmächtigkeit handelte.“ „Das Kultbild wurde als
lebendiger, irdischer Leib der Gottheit angesehen, mit der es durch seine
übernatürliche Herkunft und das MWKB*” seinsmäßig verbunden war. Der
Kult des Alltags und der Feste konnte daher von der grundsätzlichen Identi-
tät von Gott und Bild ausgehen.“
Die Herstellung eines Kultbildes im Alten Orient erforderte ein erhebliches Maß an Zeit,
Material, Personal und daher auch an Kapital. Angelika Berlejung listet in ihrer Arbeit zur
Theologie der Bilder nicht weniger als 12 Stationen auf, die ein solcher Herstellungsprozess
umfasste: 1. Offenbarung des Willens der Gottheit an den König bzw. in Babylonien an
den Priester; Beauftragung des Königs und Begabung mit Weisheit und Verstand.
2. Bestimmung des Zeitpunktes der Herstellung. 3. Bestimmung des Ortes der Herstellung.
4. Namentliche Bestimmung der Handwerker; Begabung mit Weisheit und Verstand. 5. Zug
des Königs und der Handwerker in die Werkstatt. 6. Materialübergabe. 7. Reinigungsrituale.
8. Arbeitsbeginn durch die Handwerker. 9. Durchführung: Holzkern; Überzugsarbeiten und
Anbringung von Fassungen; Einlegearbeiten, Einfassung der Steine; Polieren; Kleider;
Schmuck; Podest/Thron und Paraphernalia; 10. Abschluss; [Namen des Königs auf
Schmuck oder Podest anbringen]. 11. Mundwaschungsritual. 12. Segen des Königs. Ob diese
Segenshandlung noch im eigentlichen Sinne Teil der Herstellung des Kultbildes oder bereits
Teil des Bildkultes war, sei hier dahingestellt. Entscheidend ist, dass nicht nur der Auftrag
zur Herstellung als göttliche Offenbarung an den König bzw. die Priester erging, sondern
alle wesentlichen Modalitäten der Herstellung des Kultbildes als von der Gottheit bestimmt
galten, die Herstellung selbst somit als kultische Handlung. Das Mundwaschungsritual mis
pi, über das wir vor allem aus neuassyrischen und babylonischen Quellen des 8. bis 5. Jahr-
hunderts v.Chr. unterrichtet sind,*5® macht deutlich, dass man sich in den Bilder verehren-
den Religionen des Vorderen Orients durchaus des Problems der objektiv irdischen Her-
46 Vgl. WESTERMANN, Jesaja 40-66, 145; KRATZ, Kyros, 54 mit Anm. 181; WERLITZ,
Redaktion, 224; anders HERMISSON, Deuterojesaja, 96.98.105.108, der die deutlichen Diffe-
renzen zu den übrigen Bildertexten sieht, sie jedoch mit thematischen Unterschieden erklärt
(dort Herstellung, hier Sturz der Bilder), so „daß man daraus (nicht) schließen [könne], daß
der Dichter die Götter und ihre Bilder unterscheiden wollte“; aaO. 105. Die ausdrückliche
Gleichsetzung der Götter mit ihren weggeführten Bildern findet sich in EpJer 48£.
#7 ELLIGER, Deuterojesaja, 130.
“8 Vol. BERLEJUNG, Theologie, 41.174-177.
+9 Diese Abkürzung steht für „Mundwaschungsritual an einem Kultbild“,; vgl.
BERLEJUNG, Theologie, 486.
#0 BERLEJUNG, Theologie, 283.
#1 Vgl. BERLEJUNG, Theologie, 173.
#2 Vol. WALKER/DICK, Induction, 67.
3.2 Bilderverbot im Deuterojesajabuch 169
PR
kunft des Materials und der an der Herstellung des Kultbildes beteiligten Handwerker be-
wusst war. Das mis pi machte das Bild zum Götterbild, zum lebendigen Leib der Gottheit,
indem es das als Gemeinschaftswerk von Göttern und Menschen geschaffene Bild rituell
von seinen irdischen Wurzeln trennte.*°® Dazu gehörten nicht nur Reinigungs- und Mund-
öffnungshandlungen am Kultbild selbst, auch die an seiner Herstellung beteiligten Hand-
werker waren in das Ritual einbezogen: Mit einem hölzernen Schwert wurden ihnen symbo-
lisch die Hände abgeschlagen, verbunden mit dem Schwur, nicht sie, die Handwerker, hätten
das Bild hergestellt, sondern die Arbeiten der verschiedenen Handwerkerklassen seien durch
den jeweils zuständigen Gott durchgeführt worden. Die bei der Herstellung des Kultbildes
eingesetzten Werkzeuge wurden zerstört und/oder im Fluss versenkt und so den göttlichen
Handwerkern übergeben. Die Statue selbst wurde nach ihrer Fertigstellung zum Fluss ge-
bracht, bewässert und auf diese Weise mit Ea verbunden,®* den Sternen und dem Sonnen-
gott Sama$ ausgesetzt und schließlich in ihren Tempel geführt.*5 Jacobsen fasst den Sinn
des mis pi-Rituals mit folgenden Worten zusammen: „In sum, then, the ritual has turned the
clock back, thus nullifying all human work, and has prepared for a birth in heaven of the
god in question by sympathetic magic on earth. It greets the newborn god the next morning,
entreats him to come down from heaven, and escorts him to his temple, where he is en-
throned.”*° Die von Dick unter Berufung auf Jacobsen vorgeschlagene Interpretation von
[68 44,13f. als Parodie des mis pi-Rituals,#’” wonach die ungewöhnliche Reihenfolge der
Tätigkeiten von V.13 zu \/.14%% die im Rahmen des Rituals erfolgende Rückverwandlung der
Statue in einen Baum im Auge habe, ist freilich in zweifacher Hinsicht in Frage zu stellen:
Sofern der Sinn des mis pi-Rituals in der Beseitigung des menschlichen Anteils an der Her-
stellung der Kultstatue besteht,*°? erscheint es nicht sinnvoll, das Gesamtwerk in sein Mate-
rial zurückzuverwandeln, also rituell noch einmal von vorn zu beginnen und so auch den bis
dahin erbrachten göttlichen Anteil an der Herstellung des Götterbildes zu tilgen. Zum ande-
ren setzt diese Interpretation von Jes 44,13f. eine sehr genaue Detailkenntnis des Ritualab-
laufs voraus. Wieweit der Jhwh verehrende Verfasser dieses Textes Einblick in die Vorgänge
der Bilderherstellung in Mesopotamien hatte, wird durchaus unterschiedlich beurteilt.* So
interessant die Deutung Dicks auf den ersten Blick sein mag, ist es einleuchtender mit Ber-
lejung die Verse Jes 44,12f. als auf Jes 40,19f.; 41,6f. zurückweisende Einleitung zum ab
Jes 44,14 angesprochenen eigentlichen Thema des Abschnitts, Vergänglichkeit des Materials,
zu verstehen.*!
Schon dass es für die Herstellung eines Kultbildes eines göttlichen Auftrages
bedurfte, zeigt hinreichend, dass nicht einfach das Bild der Gott war. Doch als
göttlich autorisierter Repräsentant ermöglichte es die Kommunikation zwi-
schen der Gottheit und ihren Verehrern. Auch wenn die Anwesenheit des
Gottes im Kultbild von menschlicher Seite nicht erzwungen werden
konnte,” machte die Abwesenheit des Bildes den Kontakt mit der Gottheit
weitgehend unmöglich. In dieser Hinsicht konnten die Götter aus der Sicht
ihrer Verehrer durchaus mit ihren Bildern in die Gefangenschaft ziehen, was
sie etwa zur Zeit der neuassyrischen Hegemonie im Alten Orient auch des
Öfteren taten, Marduk eingeschlossen.
Das von Jes 46,1f. vor Augen geführte Bild, beschreibt nun entweder ei-
nen solchen Abtransport der Kultbilder durch die Sieger oder einen letzten
Versuch der Verteidiger, die Bilder vor dem heranrückenden Gegner in Si-
cherheit zu bringen. Da die zweite Möglichkeit einen unvermittelten Sub-
jektswechsel in V.2 erfordern würde und, wie eben dargelegt, nach altorienta-
lischer Bildertheologie die Götter mit ihren Bildern ohne Zweifel entführt
werden konnten, hat die erste Möglichkeit alle Wahrscheinlichkeit für sich.”
Die Aussage von Jes 46,1f. zielt somit auf die Ohnmacht der Götter ab, nicht
unmittelbar auf die Bestreitung ihrer Existenz und berührt sich darin etwa
mit Jes 41,1-4. Diese Götter sind nicht einmal in der Lage, ihre eigenen
Kultbilder zu retten, die auch noch getragen werden müssen! Jhwh dagegen,
so stellen die VV.3f. kontrastierend fest, muss nicht getragen werden, er trägt
und rettet sein Volk. Der Vorgang der Rettung wird nun in V.4 nicht mit den
im Deuterojesajabuch sonst üblichen Verben עשי oder 53) ausgedrückt,“*
sondern mit dem bereits in V.2 auf die misslungene Rettung der Kultbilder
bezogenen Wort .טלמ Das besagt zunächst nur soviel, dass die VV.3f. mit
Blick auf die VV.1f. formuliert worden sind, was sowohl auf denselben als
auch auf einen späteren Verfasser hinweisen könnte. Da das Wortfeld hel-
fen/retten bei Deuterojesaja breit belegt ist, muss angesichts der Nähe des
Deuterojesajabuches zur Sprache der Psalmen das Auftreten der Wurzel טלמ
an sich nicht verwundern.“° Es fällt jedoch auf, dass ihre Verwendung in
466 Erretten aus einer konkreten (Kriegs-)Gefahr; vgl. RUPRECHT, THAT II, 421; HASEL,
ThWAT VI, 593.
47 Hier steht im Gegensatz zu V.2 tatsächlich das Imperfekt.
48 Vgl. HERMISSON, Deuterojesaja, 115.
469 Vgl. dazu HERMISSON, Deuterojesaja, 101: „Der Text kann aber seiner Eigenart nach
nur spontan, unmittelbar und auf Grund von Anschauung gesprochen sein: Anschauung
geschichtlicher Realitäten oder prophetisch vorweggenommener Schau.“
#70 Vgl. WESTERMANN, Jesaja 40-66, 145f.; MERENDINO, Der Erste und der Letzte, 469.
1 Vgl. den Text des Kyros-Zylinders, TUAT I, 407-410.
472 Auch die von WERLITZ, Redaktion, 223f. vorgeschlagene Lösung beseitigt dieses Pro-
blem nicht. Werlitz erwägt einen Mittelweg („Sowohl-Als-Auch“) zwischen den von
HERMISSON, Deuterojesaja, 101 aufgezeigten Alternativen realer Anschauung und propheti-
scher Schau. Demnach könne Jes 46,1f. mit den Göttertranslationen Nabonids aus der Zeit
unmittelbar vor der persischen Eroberung in Verbindung gebracht und in die Zeit zwischen
März und September 539 v.Chr. datiert werden. Aus der Anschauung der bzw. aus dem
Wissen um die Transporte „wurde darauf geschlossen, daß die babylonischen Götter nun
schon gefallen seien“ (aaO. 224). Freilich hätte sich auch diese auf Realitäten gründende
Vorhersage kurze Zeit später als Trugschluss erwiesen. Zudem berichtet die von Werlitz
zitierte Nabonid-Chronik (vgl. TUAT I, 404), sofern man die Überführungen der Götter-
172 Kapitel 3: Der einzige Gott und die Bilder
Schwierigkeit löst sich auf, wenn man Jes 46,1f. nicht in die Zeit kurz nach
540 v.Chr., sondern etwa sechs Jahrzehnte später, in die Xerxes-Zeit da-
tiert.” Gegen diese Annahme wird gern die unsichere Quellenlage für die
Niederschlagung babylonischer Aufstände durch Xerxes vorgebracht, da ne-
ben der so genannten daiva-Inschrift aus Persepolis, deren Bezug zu den Er-
eignissen in Babylon strittig ist, lediglich die Nachrichten der griechischen
Geschichtsschreiber zur Verfügung stehen.
Daher urteilt Hermisson: „Scheinbar eindeutig ist der Zeitbezug von 46,1f.: Weil der Sturz
Bels und Nabus unter Kyros nicht erfolgte, muß der Text nach fast allgemeiner Meinung
echt sein. Man hat freilich die Rechnung ohne Xerxes gemacht, obwohl doch schon Campe-
gius Vitringa wußte, daß die Weissagung sich spätestens unter Xerxes erfüllte. Warum also,
so hätte man fragen müssen, sollte sie nicht ein vaticinium ex eventu aus dem 5. Jahrhundert
sein? Wenn mir diese einleuchtende Gleichung fraglich bleibt, so deshalb, weil die Zerstö-
rung Babylons und Borsippas mit der Entführung der Götterstatuen im Anfang der Regie-
rungszeit des Xerxes durchaus nicht sicher ist, die Nachrichten der griechischen Historiker
verworren, abgeschrieben, kombiniert und je später um so »eindeutiger« sind: Noch Herodot
weiß nur von einer entführten Statue, nichts von der Zerstörung von Stadt und Tempel.““*’*
Nun wird man nicht alle Babelaussagen oder gar Jes 40-55 insgesamt allein
auf der Grundlage der griechischen Quellen in die Zeit nach 480 v.Chr. datie-
ren können, doch dass gerade die Nachricht Herodots über den Vorgang der
Entführung einer Götterstatue mit Jes 46,1f. konvergiert, ist zumindest be-
merkenswert.”” Dass sich eine Zerstörung Borsippas samt Entführung der
Nabü-Statue zur Xerxes-Zeit nicht belegen lässt," besagt keineswegs, dass
die Nennung des Marduk-Sohnes in Jes 46,1f. eine Datierung des Textes in
die Kyros-Zeit notwendig macht.” Hier steht nicht Marduk für Babylon und
Nabü für Borsippa, sondern beide gemeinsam stehen stellvertretend für die
statuen als Sicherheitsmaßnahme angesichts des heranrückenden Feindes deuten darf, von
der Flucht der Götter der umliegenden Städte (aber gerade nicht Nabüs) nach Babylon und
nicht von einer Flucht Marduks aus Babylon. Vgl. auch ALBANI, Gott, 79£.
“> Vgl. aus jüngerer Zeit VERMEYLEN, Motif, 220 Anm. 110; KRATZ, Kyros, 215.
3% HERMISSON, Einheit, 147; vgl. DERS., Deuterojesaja, 95£.98-101; KUHRT/SHERWIN-
WHITE, Xerxes’ Destruction, 71£.76-78 (vgl. aber KUHRT, Cyrus Cylinder, 94 mit Anm. 52);
BRIANT, Cyrus to Alexander, 5431. HÖFFKEN, Xerxes, 480f.485 sieht schließlich bei Hero-
dot lediglich die Entführung einer Götterstatue, freilich nicht jener des Marduk, belegt.
Dagegen geht HUTTER, Religionen, 109 von einer Zerstörung Babylons durch Xerxes aus,
als deren Folge der „Kult für Marduk wesentlich behindert war.“ Ähnlich offenbar DAVIES,
God, 215, vgl. auch OATES, Babylon, 138.
45 Vgl. KRATZ, Kyros, 215 mit Anm. 684. Auch HERMISSON, Deuterojesaja, 101 sieht
den „historischen Kern der Überlieferung von Xerxes in Babylon“ in der „Wegführung der
(Bel-/Marduk-)Statue aus dem Tempelbezirk Marduks“; vgl. dagegen jetzt HÖFFKEN,
Xerxes, 481f.
#6 Vgl. HERMISSON, Deuterojesaja, 101.
#7 Gegen HERMISSON, Deuterojesaja, 99.
3.2 Bilderverbot im Deuterojesajabuch 173
Götterwelt Babyloniens.'” Die Religion Babylons ist gegen Ende des neuba-
bylonischen Reiches weniger als Marduk- sondern vielmehr als Marduk- und
Nabü-Religion zu fassen. Da die Rolle Nabus neben Marduk von Kyros of-
fenbar nicht angetastet wurde,” ist gut vorstellbar, dass der Urheber des Tex-
tes dem Detail, dass Nabü seinen eigentlichen Wohnort nicht in Babylon,
sondern im nahe gelegenen Borsippa hatte, keine Bedeutung beimaß. Wenn
Marduk-Bel und Nabü als Repräsentanten der gesamten babylonischen Göt-
terwelt fungieren konnten, dann war eine Eroberung der Stadt Babylon auch
ein ausreichender Hinweis auf den Sturz nicht nur Marduks, sondern auch
Nabüs und zwar um 480 v.Chr. ebenso gut wie um 539 v.Chr.*” Schreibt man
den Text einem um 539 v.Chr. in Babylon wirkenden Propheten zu, werden
die Ungenauigkeiten jedenfalls nicht leichter verständlich als wenn man einen
um 480 v.Chr. lebenden Verfasser annimmt, ob er nun selbst im Zweistrom-
land zu Hause war oder in Palästina lebte und mit Babylonien in Kontakt
stand.” Auch wenn die griechischen Autoren dazu tendieren, den Katalog
der von Xerxes durchgeführten Strafmaßnahmen gegen Babylon aufzublähen
und die Stadt auch nach 480 v.Chr. eine blühende Handels- und Residenz-
#8 Vgl. WERLITZ, Redaktion, 224. Dieser Meinung ist offenbar auch HERMISSON, Deute-
rojesaja, 102, wenn er zu den VV.1f. ausführt: „Die Siegesbotschaft verkündet: ‚Die baby-
lonischen Götter stürzen, werden in die Gefangenschaft abtranspottiert‘...“.
#9 Vgl. HERMISSON, Deuterojesaja, 104. Auch der Kyroszylinder nennt (Marduk-)Bel
und Nebo in einem Atemzug: „Alle Götter, die ich in ihre Städte hineingebracht hatte,
mögen Tag für Tag vor Bel und Nebo Verlängerung meiner Lebenszeit befürworten,
Worte zu meinen Gunsten äußern...‘“; TUAT I, 410.
#0 Anders HERMISSON, Deuterojesaja, 104. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass
den vorhandenen Quellen nicht zu entnehmen ist, welche Rolle Nabu ein gutes halbes Jahr-
hundert nach dem Ende des neubabylonischen Reiches in Babylon noch zukam. Hermisson
bemerkt jedoch selbst, dass „[sich] die Verbreitung der Nabu-Verehrung ... nicht mit einem
Schlag verändert haben [wird].“ Eine aramäische Inschrift auf einer um 450 v.Chr. oder
später datierten Grabstele aus Daskyleion in Kleinasien nennt jedenfalls beide gemeinsam;
vgl. CROSS, Aramaic Inscription, 7f. Die von LIPINSKI, Obadiah 20, 368f. vorgeschlagene
Lesung des Vaternamens als ’Eshyahu ist wegen des Zeilenumbruchs vor dem auch als Per-
sonalpronomen lesbaren hu unsicher und vermag daher schwerlich die Verehrung der baby-
lonischen Hauptgötter in einer jüdischen Familie zu belegen; vgl. EDELMAN, Origins, 248f.
481 Auch wenn der Grundbestand von Jes 40-55 meist als in Babylonien entstanden an-
gesehen wird (vgl. oben 1.2.2), werden spätere Bearbeitungen des Deuterojesaja-Buches
durchaus in Palästina verortet (vgl. etwa die „erste Jerusalemer Redaktion“ bei VAN
OORSCHOT, Babel, 105-177, v. a. 166f.). Kontakte zwischen Jerusalem und der Gola in Ba-
bylon stehen jedenfalls außer Zweifel, vgl. WILLI, Juda, 61: „Gerade die deportierten Judäer
. verstanden sich als ‚Jerusalemer Kultgemeinde‘ im Sinne einer Jerusalem-orientierten
Kultgemeinschaft. Zuweilen und in einzelnen Gestalten gewinnt man den Eindruck, daß sie
. zuzeiten die geistige und materielle Basis einer so verstandenen ‚Jerusalemer Kult-
gemeinde‘ bildeten.“
174 Kapitel 3: Der einzige Gott und die Bilder
stadt blieb,” blieben nach den von Xerxes bis 478 v.Chr. in Babylonien er-
griffenen Maßnahmen,“ weitere babylonische Aufstände aus.
Zur Abgrenzung der VV.5-7 von ihrem Kontext vgl. das oben zu den VV.1-4 Ausgeführte.
Die überwiegende Mehrzahl der Forscher hält den Abschnitt für sekundär. Selbst wo für die
Einheitlichkeit des gesamten Abschnitts Jes 46,1-7 eingetreten wird, fällt auf, dass „die
Verse 5-7 gegenüber V.1-2 und 3-4 etwas abfallen.“*®5 V.8 leitet zum Folgenden über und
„erweckt den Anschein einer vorweggenommenen Dublette.‘“*86
#32 Vgl. UNGER, Babylon, 39-41; BRIANT, Cyrus to Alexander, 543f. Diese Rolle scheint
die Stadt erst ab der Seleukidenherrschaft verloren zu haben, als der Königssitz in das von
Seleukos I. Nikator neu gegründete Seleukia verlegt wurde; vgl. HÖFFKEN, Xerxes, 483.
“3 Eine dieser Maßnahmen scheint die Neuordnung der persischen Satrapien auf dem
Gebiet des ehemaligen neubabylonischen Reichs gewesen zu sein, das bis dahin vermutlich
als eine einzige Satrapie von Babylon aus verwaltet wurde; vgl. OLMSTEAD, History, 237. Bis
zu diesem Zeitpunkt änderte sich vermutlich auch für die Provinz Jehud verwal-
tungstechnisch so gut wie nichts; vgl. STERN, Province, 9£.; WILLI, Juda, 27 sowie unten
Kap33 1
3% Die Annahme, das offizielle Ende des babylonischen Königtums durch Niederlegung
des Titels „König von Babylon“ habe zu den Maßnahmen Xerxes’ gehört, ist in der älteren
Forschung regelmäßig anzutreffen (vgl. etwa UNGER, RLA I, 335; KUHRT, Cyrus Cylinder,
94 mit Anm. 52), die Quellen werden heute jedoch zunehmend vorsichtiger beurteilt. So
gehen KESSLER, Reich der Achämeniden, 178 und BRIANT, Cyrus to Alexander, 543 zwar
von Veränderungen in der Titulatur Xerxes’ aus, sehen jedoch keinen Grund, diese mit ba-
bylonischen Aufständen in Verbindung zu bringen. Briant sieht den Titel eines Königs von
Babylon noch unter Artaxerxes I. belegt; vgl. auch HÖFFKEN, Xerxes, 480.
#5 PREUSS, Verspottung, 221.
#6 KRATZ, Kyros, 54.
#7 Hier wird nicht selten eine Klammer gesehen, vgl. etwa KRATZ, Kyros, 196;
HERMISSON, Deuterojesaja, 94 („Wiederaufnahme“); WERLITZ, Redaktion, 230.
3.2 Bilderverbot im Deuterojesajabuch 175
..
über. Verglichen mit [68 40,19 geht Jes 46,6 noch eine Stufe im Ablauf der
Bilderherstellung zurück, indem der Blick hier nicht auf den sein Werk in An-
griff nehmenden Handwerker, sondern auf den das Bild bezahlenden Auf-
traggeber gerichtet ist. Deutlich werden hier Gott und Bild explizit miteinan-
der gleichgesetzt.“® Herstellungsauftrag und Herstellungsvorgang werden als
profane Vorgänge geschildert, die nicht auf göttliche Offenbarung zurückge-
hen, sondern primär dem Broterwerb der Handwerker dienen.“” V.7 greift
das Motiv des Tragens der Götter aus den VV.1f.3f. auf” und verbindet es
mit der im Alten Orient üblichen Praxis der Kultbildprozessionen."”' Dass so
ein Gott weder antworten noch retten kann (hier wieder עשי wie 45,17.20.22(
bedarf nach der Schilderung des Abtransports der Kultbilder in den VV.1f.
eigentlich keiner weiteren Begründung mehr. Dennoch hielt es ein Späterer
für angebracht, den mit der Wendung nxt"17>1 auf die VV.5-7 zurückweisen-
den V.8 als Appell an den Leser einzufügen.
3.2.7 Damit du nicht sagst: Mein Gebilde hat es getan... — Jes 48,5
Und ich habe dir längst verkündet, bevor es eingetroffen ist habe ich es dich hören las-
sen, damit du nicht sagst: Mein Gebilde hat es getan und mein Bild und mein Gussbild
hat sie befohlen!
„Kein Text Deuterojesajas ist so stark bearbeitet worden wie dieser.“ Dieses Urteil zu
[68 48,1-11 spiegelt die seit Duhm*” mehrheitlich vertretene Ansicht wider, wonach der
Nahkontext der letzten Bilderpolemik in Jes 40-55 in einer Grundschicht auf den Propheten
Deuterojesaja zurückgeht, die später erweitert wurde, entweder von einer Hand®* oder von
mehreren Händen,*’> wobei der Halbvers 5b stets späterer Hand zugewiesen wird.®° Erst in
jüngerer Zeit häufen sich Ansätze, die Jes 48,1-11 insgesamt Deuterojesaja absprechen“?
bzw. das Stück einer späteren Bearbeitungsschicht in Jes 40-55 zuweisen, sei es, dass der
Text im wesentlichen als Einheit gesehen wird,*® sei es, dass bereits eine Grundschicht einer
späteren Redaktionsstufe zugewiesen wird.” Dass die Bilderpolemik in Jes 48,5b nicht zu
den ältesten Bestandteilen des Deuterojesajabuches gehört, darf somit im Großen und Gan-
zen als Forschungskonsens bezeichnet werden. Da „die Verse 4-5(a) ... eine zusammenhän-
gende Satzperiode [bilden]“,® ist die Bilderpolemik in 5b keinesfalls älter als V.4. Das ist
für die Beurteilung von V.5b insofern von Bedeutung, als einerseits wegen des Vorwurfs der
Halsstarrigkeit Israels (vgl. Ex 32,9, 33,3.5; 34,9, Dtn 9,6.13; 10,16; 31,27, 2Kön 17,14) re-
gelmäßig auf die Nähe von V.4 zum deuteronomisch-deuteronomistischen Schrifttum hin-
gewiesen," andererseits angesichts der Rede von der ehernen Stirn an Ezechiel (vgl. Ez 2,4;
3,7) erinnert wird.°0?
Die „außergewöhnliche Schärfe der Rede“,”” die in Jes 48,1-11 gegen Israel
gerichtet ist und deshalb dem (Heils-)Propheten Deuterojesaja bzw. der
Grundschicht von Jes 40-55 ganz oder in Teilen abgesprochen wird, erreicht
mit V.5 einen Höhepunkt. V.5a erinnert an Jes 40,21; 42,9 oder auch 45,21,
Texte, in deren unmittelbarem Umfeld wie in 48,5b Bilderpolemik nachgetra-
gen wurde. Die Geschichtsmächtigkeit Jhwhs wird ausgesagt, Jhwh hat ange-
sagt und das Angesagte ist eingetroffen. Hier wird jedoch nicht ein weiteres
Mal der Weissagungsbeweis geführt, um die Adressaten in ihrem Vertrauen
auf Jhwh zu bestärken. Es folgt vielmehr, einzigartig im Deuterojesajabuch,
eine Anklage gegen Israel, „dem Wortlaut nach sogar in seiner Gesamt-
heit“. Im Zusammenhang mit V.6b ist wahrscheinlich, dass auf ein vergan-
genes Geschehen Bezug genommen wird. Den früheren Dingen )תונשאְרֶה
V.3), die längst verkündet worden sind (tx2 mit 72 hi.,VV.3.5) werden nun
neue Dinge )תושָדָחְה V.6b) gegenübergestellt und so „zwei fixe Zeiträume
voneinander abgehoben“. In der Geschichte Israels, wie die erzählenden
Bücher des Alten Testaments sie wiedergeben, kommt der hier geschilderte
Fall, dass einem Bild von ganz Israel Geschichtsmacht zugeschrieben wird, an
einer Stelle vor, nämlich in der Episode vom goldenen Kalb Ex 32,4b:””
Und er nahm (alles) aus ihrer Hand, formte es mit einem Meißel und machte ein gegos-
senes Kalb daraus. Und sie sagten: Diese sind deine Götter, Israel, die dich aus dem
Land Ägypten heraufgeführt haben.
Wie in Ex 32 oder der Parallele in Dtn 9 heißt auch in Jes 48,5 die Alternative
nicht Jhwh oder die anderen Götter, sondern Jhwh oder die Bilder. Es ist
somit wahrscheinlich, dass Jes 48,4f. wie oder auch mit Ex 32,4 das Fremd-
götter- wie das Bilderverbot des Dekalogs bereits voraussetzen.” Sofern sich
„das ‚Neue‘ von 48,6bff. ... in der Fortsetzung des zum Abschluß gekomme-
nen Kyros/Babel-Geschehens ]8₪061[ , 7"gehört der Verfasser von V.5b der
neuen Zeit an. Bilderverehrung durch Israel ist für ihn Teil der Vergangen-
heit. Wenn diese Vergangenheit, die bekanntlich in einer (doppelten) Katast-
rophe endete, Israel hier vorgehalten wird, dann vermutlich deshalb, weil er
Israel in der Gefahr eines Rückfalls sieht: Israel insgesamt befindet sich stetig
am Rande des Abgrunds zum Bilderdienst.
Gleich drei Begriffe für Götterbilder werden in Jes 48,5b aufgezählt. Zu-
nächst ,בצע von der Wurzel בצע I „bilden/schaffen/ gestalten“ abgeleitet,
womit die Götterbilder als Menschenwerk bezeichnet sind, dann 508, der
dekalogische Ausdruck für ein Götterbild und schließlich parallel dazu 2,
wie der in der Erzählung vom goldenen Kalb verwendete Terminus non”
von der Wurzel ךסנ „(Metall) gießen“”” abgeleitet. Es sind also entweder ge-
schnitzte oder gehauene Bilder und Gussbilder gemeint — dann wären ver-
schiedene Materialien, also Götterbilder aller Art und Sorte im Blick, oder
>01 505 hat dieselbe Bedeutung wie die Wendung הָכָסַמּו 502 und ist hier
tatsächlich Hendiadyoin — dann könnte auch ganz konkret eine Statue mit
Metallüberzug gemeint sein.” Der Kontext spricht hier, anders als in
Dtn 27,15,°'* eher für die zweite Möglichkeit, trifft der Vorwurf doch erstens
ganz Israel, also nicht gerade den Bereich des Privaten, und könnte zweitens
auf ein (literarisch) konkretes Kultbild, nämlich das goldene Kalb aus Ex 32°"
507 Der Hinweis in V.2, wonach sich die Adressaten nach der heiligen Stadt nennen und
sich dort auf den Gott Israels stützen, weist ebenfalls in eine Zeit, in welcher der nach-
exilische Tempel in Jerusalem bereits bestand; vgl. HERMISSON, Deuterojesaja, 222f.
508 KRATZ, Kyros, 116.
509 עצבII „kränken/betrüben“ schwingt mit.
510 Vgl. BERLEJUNG, Theologie, 307f.
511 Innerhalb von Jes 40-55 nur 42,17.
512 So BERLEJUNG, Theologie, 306f.; vgl. aber DOHMEN, ThWAT IV, 1010, wonach „für
die hier zu behandelnde Metallverarbeitungstechnik wohl der Aspekt des ‚In-eine-Fläche-
Bringens‘ im Vordergrund steht.“
513 Vgl. SCHROER, Israel, 313; BERLEJUNG, Theologie, 307.
514 Vgl. oben Kap. 2.2.2.2.
55 In Ex 32,4.8.24 scheint 7>9% eher eine Gussplastik zu bezeichnen, weshalb der von
SCHROER, Israel, 314 an DOHMEN, ThWAT IV, 1009-1015 (vgl. DERS., Bilderverbot, 53f.)
herangetragene Vorwurf begrifflicher Engführung sein Recht hat (vgl. auch BERLEJUNG,
Theologie, 306f.). Es ist gleichsam bemerkenswert, dass Ex 32,20 vom Verbrennen des Kal-
178 Kapitel 3: Der einzige Gott und die Bilder
zurückblicken. Sofern 791 noch eher als 7>8# die Bilderverehrung als Fremd-
götterverehrung kennzeichnet,’ sind hier Bilderdienst und Fremdgötterver-
ehrung bzw. Abfall von Jhwh gleichgesetzt. Dies erinnert insbesondere an
מז4, wo ebenfalls die Frage der Bilderverehrung der Maßstab für die Ein-
haltung des Fremdgötterverbotes ist.”
2.2.8 Barth
Der Durchgang durch die Bilderterminologie enthaltenden Texte des Deute-
tojesajabuches hat die in der Forschung vorherrschende Meinung, dass diese
Textpassagen nicht dem Grundbestand von Jes 40-55 zuzurechnen sind, ins-
gesamt bestätigt. Wenn sie auch an passenden Stellen in den Textzusammen-
hang eingefügt wurden, nämlich in der Regel dort, wo die Bilder bzw. ihre
Verehrung im Kontrast zur überlegenen Geschichts- und Schöpfermacht
Jhwhs zu stehen kommen, bleiben sie doch, mit Hermisson gesprochen,
„überall entbehrlich, unterbrechen einen ursprünglichen oder bereits redakti-
onellen Zusammenhang, klappen nach oder sind durch redaktionelle Über-
leitungsverse mit dem Kontext verbunden.“'® Die Texte sind zugleich zu
unterschiedlich, um sämtlich einer einzigen Bearbeitung des Deuterojesajabu-
ches zugewiesen werden zu können, zumal schon die Analyse von [68 44,9-
20 ergeben hat, dass der größte bilderthematische Komplex des Deuterojesa-
jabuches nicht in sich einheitlich ist.
Zunächst lassen sich jene Texte zusammenfassen, in denen es um die Her-
stellung der Götterbilder geht, Jes 40,18-20; 41,6f., 44,12-17; 46,5--7. Sie tei-
len nicht nur das Thema, indem sie verschiedene, einander ergänzende As-
pekte der Bilderherstellung entfalten, sondern weisen auch ein identisches
bes berichtet, ein Vorgang, der sich nur auf Holz beziehen kann (vgl. NOTH, Exodus, 205).
Noths Annahme, das Feuerholz stamme vielleicht von einem Podest, auf dem das Kalb
stehend vorgestellt sei, ist eine Notlösung, die im Text keinen Anhalt hat. Die Rede vom
Verbrennen des Kultbildes scheint in Ex 32,20 jedoch gegenüber der Grundschicht der Er-
zählung sekundär zu sein (vgl. SPIECKERMANN, Juda, 91 mit Anm. 121; AURELIUS, Fürbit-
ter, 64f.). Es mag sein, dass hier ein Ergänzer lediglich einem festen Schema treu bleibt und
deshalb gegen alle Logik das Verbrennen eines Gussbildes erwähnt. Wenn „in der dtr Lite-
ratur eine feste Assoziationseinheit zwischen Verbrennung eines dem Jahweglauben wider-
sprechenden Kultobjekts, der Zerkleinerung seiner Asche und -- nicht zu vergessen — ihrer
abschließenden Zerstreuung an unreinem Ort besteht“ (SPIECKERMANN, Juda, 90), so wird
dies seinen Grund freilich darin haben, dass die unzulässigen Kultobjekte in aller Regel ver-
brannt werden konnten. Auch wenn in Ex 32 ursprünglich von einem Gussbild die Rede
sein mag, kann der Ergänzer von V.20 durchaus ein „normales“ Kultbild, also ein Kompo-
sitbild mit Holzkern und Metallauflage assoziiert und die Rede vom Verbrennen eines הכסמ
deshalb als unproblematisch angesehen haben. ar
316 Vgl. DOHMEN, ThWAT IV, 1011; Bilderverbot, 54f.; BERLEJUNG, Theologie, 307.
517 Vgl. oben Kap. 2.2.4.
518 HERMISSON, Einheit, 138.
3.2 Bilderverbot im Deuterojesajabuch 179
FR]
522 Dass diese Struktur u. a. der nachträglichen Einfügung des Bilderverbots in das die
Anbetung umfassende Fremdgötterverbot geschuldet ist (vgl. dazu. MORAN, Conclusion,
553; LEVIN, Dekalog, 170 sowie ZIMMERLI, Gebot, 236-240) ändert am Ergebnis nichts.
53 Vgl. WALKER/DICK, Induction, 67.
55 Vgl. ausführlich BERLEJUNG, Theologie, v. a. 369-391 sowie Dick, Parodies, 24-30,
außerdem ALBANI, Gott, 181-183 und VANDERHOOFT, Empire, 172-175.
55 Vgl. MACHINIST, Imperialism, 244; ORNAN, Triumph, 180f.
526 So schon ZIMMERN, Palme, 111£.; vgl. ELLIGER, Deuterojesaja, 60-62 sowie BERLE-
JUNG, Theologie, 371 mit Anm. 1822; VANDERHOOFT, Empire, 173 mit Anm. 190 (beide
mit Hinweisen auf weitere Literatur); ORNAN, Triumph, 181.
527 Vgl. VANDERHOOFT, Empire, 174.
55 BERLEJUNG, Theologie, 373; vgl. ORNAN, Triumph, 181.
3.2 Bilderverbot im Deuterojesajabuch 181
®
doch recht wahrscheinlich, dass sie konkrete historische Ereignisse wiedergeben. Obwohl
mehrere Jahrzehnte zwischen beiden Reliefs liegen, sie also auf unterschiedliche Auftragge-
ber und Künstler zurückgehen, lässt doch die deutlich kleinere Darstellung der Götter von
Askalon die Annahme zu, dass die Proportionen der abgebildeten Gegenstände und Perso-
nen, mithin die Größenverhältnisse zwischen Kultbildern und den diese abtransportierenden
assyrischen Soldaten, nicht einem propagandistischen Bildprogramm geschuldet, sondern
einigermaßen realistisch sind.5? Die Götterstatuen aus Gaza hätten dann etwa zwei Drittel
bis drei Viertel menschlicher Lebensgröße gehabt, während es die erheblich kleineren Kult-
bilder aus Askalon vielleicht auf ein Drittel Lebensgröße gebracht hätten. Verglichen mit
den lebensgroßen Kultbildern in den Zentren der Verehrung der großen mesopotamischen
Götter scheinen die levantinischen Götterbilder recht klein gewesen zu sein. Angesichts der
beträchtlich größeren wirtschaftlichen Potenz der mesopotamischen Metropolen ist es
jedoch auch kaum verwunderlich, dass die großen Kultbilder des Zweistromlandes jene
Syrien-Palästinas an Größe, Wert der verarbeiteten Materialen und wohl auch hinsichtlich
der Qualität der Ausführung übertrafen.>*
535 Zweifellos handelt es sich bei den assyrischen Reliefs um Propaganda, aber warum
sollte man den besiegten Gegner bzw. seine Götter kleiner als „in natura“ darstellen?
54 Vgl. BERLEJUNG, Theologie, 290-292.
541 Vgl. ORNAN, Triumph, 181.
592 Vgl. MACHINIST, Imperialism, 551.
3.2 Bilderverbot im Deuterojesajabuch 183
rojesaja überhaupt fehlt. Dass statt dessen an insgesamt zehn Stellen, davon
sechs innerhalb der Bilderfabrikationstexte (40,19.20; 44,9.10.15.17) der
Begriff 508 belegt ist, der auch im Bilderverbot des Dekalogs ein Kultbild
bezeichnet, im mesopotamischen Raum zur Bezeichnung eines Kultbildes
dagegen unbekannt ist, obwohl das Alte Testament den Begriff obs für ein
Götterbild durchaus kennt,’* ist schwerlich Zufall. Der Verfasser der
Bilderfabrikationstexte konnte offenbar davon ausgehen, dass seine in meso-
potamischem Vokabular und Grundzügen mesopotamischer Bilderherstel-
lung und -theologie bewanderten Adressaten zugleich mit levantinischer Bil-
derterminologie vertraut waren. Dies spricht, zumal der Begriff 598 im Deu-
terojesajabuch ohne Frage negativ besetzt ist, für die Annahme, dass der Ver-
fasser der Bilderfabrikationstexte bei seinen Adressaten das Bilderverbot des
Dekalogs als bekannt voraussetzen konnte.
Von den Bilderfabrikationstexten sind zunächst jene Texte zu unterschei-
den, die Götter und Götterbilder nicht miteinander gleichsetzen, also ein ab-
weichendes Bilderverständnis aufweisen. Jes 41,24.29 und Jes 46,1f. sind
nicht primär gegen die Bilder, sondern gegen die Götter selbst gerichtet,
schließen aus ihrer Ohnmacht auf ihre Nichtexistenz. Jes 41,24b verhält sich
dabei zu V.24a ähnlich wie Jes 44,19£. zu 44,12-17. Wie aus der Art und
Weise der Bilderherstellung ohne weitere Erläuterung die Konsequenz gezo-
gen werden müsste, dass es keinen Sinn hat, Bilder zu verehren, sollte doch
eigentlich die erwiesene Machtlosigkeit der anderen Götter Grund genug sein,
nicht sie, sondern Jhwh zu verehren. Doch hier wie dort sah sich ein Ergän-
zer veranlasst, dem rationalen Grund einen theologischen hinzuzufügen: Die
fremden Götter zu erwählen ist הָבַעְותְה ist mit Jhwh-Verehrung unvereinbar.
Inhaltlich bringt Jes 41,24b somit nichts anderes als das erste Gebot des De-
kalogs zum Ausdruck. Jes 41,29b wendet die Machtlosigkeit der fremden
Götter auf ihre Bilder: Ist der Gott machtlos, dann ist es auch sein Bild.
Jes 42,8 scheint daraus die Konsequenz zu ziehen. Gott und Bild sind das-
selbe, beides duldet Jhwh nicht neben sich. Mit dieser Aussage steht der Vers
gewissermaßen zwischen Jes 41,24.29 und den Texten zur Bilderherstellung
und -verehrung in Jes 40,18-20; 41,6f.; 42,17; 44,9-11.12-17.18.19f.;
45,16.20b; 46,5-7, teilt er doch mit ersteren die unmittelbare Zielrichtung
53 Vgl. HEHN, Terminus, 36; STENDEBACH, ThWAT VI, 1048f.; WILDBERGER, THAT
UI, 556.
54 Vgl. Gen 1,26.27; 5,3; 9,6; Num 33,52; 1Sam 6,5.11; 2Kön 11,18; Ez 7,20; 16,17;
23,14; Am 5,26; Ps 39,7; 73,20; 2Chr 23,17. Kultstatuen dürften damit in Num 33,52;
2Kön 11,18=2Chr 23,17; Ez 7,20 und vielleicht auch Ez 16,17 und Am 5,26 bezeichnet sein.
Gegen SCHÜLE, Image, 10, der meint, dass „in the Hebrew Bible especially the term םלצ
points to such images [of 2006; S.P.]” ist mit WILDBERGER, THAT II, 557 festzuhalten,
„daß das Wort wohl gelegentlich für Götzenbilder verwendet werden kann, aber nicht zu
einer eigentlichen Bezeichnung dafür geworden ist.“
184 Kapitel 3: Der einzige Gott und die Bilder
gegen die fremden (Bild-) Götter, mit letzteren dagegen das Bilderverständ-
nis.
Allen diesen Texten, ob sie sich nun gegen die Götter, gegen die Bilder
oder gegen ihre Verehrer richten, ist freilich gemeinsam, dass weder Götter
noch Bilder in irgend einer Weise individualisiert werden. Der Rede von
fremden Göttern und ihren Bildern haftet eine Beliebigkeit an, welche an die
deuteronomisch-deuteronomistische Rede von den םיִרְחַא םיִהלֶאerinnert:
Wenn man nicht Jhwh verehrt, dann ist letztlich egal, wen oder was man als
Gott anbetet. Jes 46,1f. nennen dagegen die Gegner Marduk-Bel und Nabü
beim Namen und verkünden ihren Sturz. Dass sie ihre Bilder, mit denen sie
nicht identifiziert werden, nicht retten können, ist dabei nicht die Hauptsa-
che, sondern dient der Illustration ihrer Ohnmacht. Jes 46,1f. wird deshalb
gewöhnlich nicht den eigentlichen Bildertexten des Deuterojesajabuches zu-
gerechnet. In ihrem Bilderverständnis gehen sie auch nicht mit Jes 40,18-20;
41,6f.; 42,17; 44,9-11.12-17.18.19£.;, 45,16.20b; 46,5-7, sondern mit
Jes 41,24.29 zusammen. Dass Jes 46,1f. die eigentlichen Bildertexte in Jes 40-
55 mit ihrer Identifikation von Gott und Bild bereits voraussetzen sollen,
vermag deshalb schwerlich zu überzeugen.’” Die Nachricht vom Sturz der
babylonischen Götter, die ein konkretes historischen Ereignis widerspiegeln
dürfte, wirkt im Zusammenhang von Jes 40-55 eher wie eine Konkretion der
Ohnmachtsansage Jes 41,24.29. Dass sie weiter hinten im Deuterojesajabuch
ihren Platz fand, dürfte dem möglichen Stichwortanschluss an Jes 45,23°©
und der Nähe zur Rede gegen Babel in Kap 47 geschuldet sein: Jes 46,9-11,
denen 46,1f. dann möglicherweise einmal direkt vorangegangen wären, leitet
mit der Ankündigung des „Raubvogels aus dem Osten“ bereits dazu über.
Um die besprochenen Texte aus Jes 40-55 in eine relative chronologische
Reihenfolge zu bringen, bietet es sich an, das unterschiedliche Bilderver-
ständnis zum Maßstab einer ersten Scheidung zwischen Älterem und Jünge-
rem zu machen. Dem liegt die generelle Erwägung zugrunde, dass die Gleich-
setzung von Gott und Götterbild, die für die große Mehrzahl der einschlägi-
gen Passagen charakteristisch ist, theologiegeschichtlich jünger als die ver-
breitete altorientalischen Bildertheologie ist, der bei aller Verschwommenheit
der Grenzen im Rahmen kultischer Praxis doch eine Unterscheidung zwi-
schen Gott und Bild innewohnt. Diese generelle Erwägung konvergiert im
Rahmen des Deuterojesajabuches mit der Beobachtung, dass sich in unmit-
telbarer Nähe sowohl von Jes 41,24.29 als auch 46,1f. Texte mit dem mut-
545 Gegen KRATZ, Kyros, 56f. Dass Jes 46,5-7 gegenüber Jes 46,1-4 „der gebende Teil“
sein soll, setzt die Zusammengehörigkeit der VV.1-4 voraus, da die von Kratz angeführten
„Kontaktwörter“ )השע אשנ,( לבסdie „in V.6f. von der Sache her gedeckt und ...
hier
ursprünglich verankert“ sind, innerhalb der VV.1-4 nur in 3£. begegnen bzw. in V.1, wo
auch עשנ belegt ist, ebenfalls sachlich gedeckt sind.
56 כרעin Jes 40-55 nur 45,23; 46,1.2; vgl. oben Kap. 3.2.6.1.
3.2 Bilderverbot im Deuterojesajabuch 185
sm כִּי אָלִיmas וְיאמַרnoy nnebD ּ לְפֶסְלויסנָּדלו וְיְשָפַּחוyam וּשְאַרִיתוּ לְאֶל
Und seinen Rest macht er zum Gott, zu seinem Bild und beugt sich vor ihm und wirft
sich nieder und betet zu ihm und sagt: Rette mich, denn mein Gott bist du!
men, kann Israel auf keine Weise, auch nicht als Zaungast, am Bilderdienst
teilnehmen, ohne zu der ihm zugedachten Rolle als Zeugen für Jhwh (vgl.
Jes 43,10.12; 44,8(); ]55,4[( in Widerspruch zu geraten. Ein Götterbild, so
machtlos es auch sein mag, ist als mayıin mit Jhwh-Verehrung schlechthin un-
vereinbar und deshalb, weil es vom einzig rettenden Gott Jhwh trennt, auch
lebensgefährlich. Ein Blick in die eigene Geschichte, daran scheint Jes 48,5b
in seinem Kontext erinnern zu wollen, lässt daran keinen Zweifel aufkom-
men: Bilderverehrung führte Israel immer in die Katastrophe (vgl. Ex 32;
2Kön 17,7-23; 21,9-15; 23,25£.).
Den bilderthematischen Texten des Deuterojesajabuches ist schließlich
gemeinsam, dass sie alle eine bildlose Verehrung Jhwhs voraussetzen. Das
zeigt sich zum einen an der abfälligen Art, mit der bereits Jes 41,24.29; 46,1f.,
also jene Texte, die noch zwischen Gott und Götterbild unterscheiden, von
den Götterbildern sprechen. Wer die Bilder „Wind und Leere“ (nn ,ַחּור
Jes 41,29) nennt und als „Tragdinger“ ,)םֶכיִתאָשְנ [65 46,1) bezeichnet, lädt sie
sich nicht selbst auf. Es ist auch nur schwer vorstellbar, dass der einzige
Gott, dem „die Bilder“ gegenübergestellt werden, selbst im Bild verehrt wird.
Das heißt nicht, dass es zur Zeit der Abfassung dieser Texte keine Jhwh-
Bilder mehr gegeben haben könnte, aber ihre Verfasser hätten Bilder vereh-
rende Jhwh-Kulte wohl als Fremdgötterkulte beurteilt. Dass sie nicht mit dem
Bilderverbot des Dekalogs argumentieren, ist daher verständlich. Zum einen
müsste ein ausdrückliches Verbot der Bilderverehrung neben dem sich ratio-
nal gebenden Aufweis ihrer Sinnlosigkeit recht hilflos wirken.” Daran zeigt
sich zum anderen, dass es den Bildertexten des Deuterojesajabuches, von
Jes 48,5b vielleicht abgesehen, um die Gefahr der Bilder geht, nicht um die
Gefahr einer Verehrung Jhwhs im Bild.”* Zielte die Polemik gegen die Kult-
bilder nicht auf die Bilder anderer Kulte (bzw. auf die Bilder verehrenden
Kulte), sondern wäre gegen ein konkretes Jhwh-Kultbild — ob nun in Jerusa-
lem oder anderswo — gerichtet, hätte sich ein Rückgriff auf das Bilderverbot
des Dekalogs auch vor dem Hintergrund eines monotheistischen Bekenntnis-
ses angeboten. Das beste Argument gegen eine kultische Verehrung des ein-
zigen Gottes im Bild lautete schließlich nicht „weil die Bilder der anderen
weises... Denn es gingen zwar von dem Numen, das das Bild bewohnt, allerlei magische
Kräfte und Eigenschaften auf das Bild über, aber Bild und Numen verwechselt selbst der
einfältigste Bildanbeter so wenig miteinander, wie der Jude den Elia mit seinem Mantel.“
55 Vgl. VON RAD, Weisheit, 237f.; KRATZ, Kyros, 199.
554 Gegen DAVIES, God, 222f. Davies Anfragen an eine babylonische Verortung von
[6% 40-55 sind nicht nur berechtigt, sondern treffen hinsichtlich der explizit monothe-
istischen Texte in Deuterojesaja wohl auch das Richtige (vgl. dazu unten Kap. 3.3.1.1 und
Kap. 3.3.6). Die genannten Parallelen der sekundären Bilderpolemiken zu explizit mesopo-
tamischer Bildertheologie lassen aber sehr daran zweifeln, dass sie in Juda/Jehud und für
Judäer abgefasst worden sein sollen. Dass das Thema gerade in der Diaspora virulent blieb,
zeigt EpJer (vgl. KRATZ, Brief des Jeremia, 82f.).
188 Kapitel 3: Der einzige Gott und die Bilder
Kulte nicht helfen können“ sondern „weil er es verboten hat und es so ge-
schrieben steht“.”” Dass Jhwh bildlos verehrt werden will, ist in Jes 40-55
ebenso selbstverständlich wie seine Rolle als (einziger) Gott Israels.
Jhwh-Monolatrie und bilderlose Jhwh-Verehrung, für die das Deuterono-
mium mit Vehemenz kämpft, scheinen hier nicht in Frage zu stehen.
55 Da ein solcher expliziter Rückgriff auf das Bilderverbot unterbleibt, kann zwar zu-
recht festgestellt werden, dass die Bilderpolemik des Deuterojesajabuches (und anderer Stel-
len im Alten Testament) „nicht vom Bilderverbot herkommt“ (DOHMEN, Bilderverbot, 276
gegen PREUSS, Verspottung, 16-23), aber es ist kaum sachgerecht, sie als Parallelentwicklung
zu einem Verbot zu beschreiben, das bei ihren Adressaten als bekannt vorausgesetzt zu sein
scheint (gegen DOHMEN, Bilderverbot, 276).
556 Vgl. oben Kap. 2.3.1.
557 Vgl. STOLZ, Unvergleichlichkeit, 11-15.
558 Vgl. WILDBERGER, Monotheismus, 250f.
559 Vgl. ALBANI, Gott, 14f.
560 Vgl. KRATZ, Kyros, 193 Anm. 629.
an Vgl. ALBANI, Gott, 130-132. Die dort angeführten Parallelen zur Marduk-Theologie
bzw. die Überbietung der entsprechenden Aussagen der Marduk-Theologie sind zweifellos
auffällig. Da der Marduk-Kult jedoch nach 539 v.Chr. weiterging, geriet die zugehörige
Theologie mit dem Herrschaftsantritt des Kyros in Babylon keineswegs in Vergessenheit.
Die babylonischen Kulte waren auch zu Beginn der hellenistischen Epoche noch hinreich-
end vital, dass Alexander ihnen nach der Einnahme Babylons — wie zwei Jahrhunderte vor
ihm Kyros — die alter Tradition entsprechende Achtung entgegenbrachte (vgl. KUHRT,
3.3 Monotheismus im Deuterojesajabuch 189
..
Er lenkt die Geschicke der Völker allein und souverän (V.15), kein menschli-
ches Handeln, auch kein kultisches Opfer vermag seine Pläne zu beeinflussen
(V.16). Seit Gründung der Erde thront er über ihr (V.21£.) und bestimmt das
Schicksal der Menschen, der Völker (V.22) wie ihrer Herrscher (V.23f.).
Selbst der Bereich des Himmels ist davon nicht ausgenommen, auch die
Sterne hat er geschaffen (V.26). Letzteres mag konkret auf die Verehrung von
Gestirnsgottheiten zielen, der Punkt ist jedoch nicht, dass Jhwh größer als die
Gestirnsgottheiten wäre, sondern dass die Sterne überhaupt keine das Schick-
sal bestimmende Macht haben, also gar keine Götter 816.77 Es gibt nicht
deshalb keinen, der mit Jhwh verglichen werden könnte, weil es keinen grö-
Beren Gott als ihn gibt, sondern weil es keinen anderen Gott außer ihm gibt.
Spätestens im Kontext mit den Gerichtsreden Jes 41,1ff.21-29 wird das deut-
lich, denn die Jhwh in Jes 40,12-26 zugesprochenen Aufgaben lassen keinen
Raum für unabhängig von Jhwh existente Geschichtsmacht, die nach
[68 41,23 Voraussetzung für die Existenz anderer Götter neben dem Gott
Israels wäre. Spätestens in der Zusammenschau mit Jes 41,21-29 wollen und
müssen die Unvergleichlichkeitsaussagen in Jes 40 monotheistisch verstanden
werden. Da sie die Existenz anderer Götter gleichwohl nicht explizit bestrei-
ten, und zudem bereits im Rahmen die Analyse der Bildertexte in Deuteroje-
saja angesprochen worden sind, sollen sie wie auch Jes 46,5 im folgenden
Durchgang durch die explizit monotheistischen Aussagen in Deuterojesaja
nicht eigens behandelt werden.
Alexander, 126-128; HÖFFKEN, Xerxes, 483). Auch unter den ihm nachfolgenden Seleu-
kiden erfuhren sie intensive Förderung (KRATZ, Brief des Jeremia, 82). Da für die in Baby-
lonien ansässigen Jhwh-Verehrer die Konkurrenz zwischen Jhwh und Marduk mit dem Fall
Babylons 539 v.Chr. keinesfalls endete (vgl. RÜTERSWÖRDEN, Erwägungen, 13.20; KRATZ,
Babylon, 33), lassen sich daraus keine sicheren Rückschlüsse auf die Abfassungszeit von
Jes 40,12ff. ziehen.
562 Ähnliche Aussagen zu den Gestirnen finden sich in Gen 1 und Dtn 4.
190 Kapitel 3: Der einzige Gott und die Bilder
nannte Kyros-Orakel Jes 45,1-7, zeigt jedoch, dass Jes 45,5f. keine ursprüng-
liche Einheit bilden.” Elliger hat im Rahmen seines Versuchs, Jes 45,1-7 auf
zwei ursprünglich selbständige Texte zurückzuführen, V.6 dem Text A, V.5
jedoch dem Text B zugerechnet,” Kratz dagegen das Verhältnis zwischen
beiden Versen als eines von Grundbestand und Ergänzung bestimmt.” In
der Tat wirkt V.5b wie eine Wiederaufnahme von V.4bß (jeweils Verb in 1.c.
Sg. pi. + nv" (אלו die, positiv auf Kyros gewendet, das Motiv des Entgür-
tens der Könige aus V.1 aufgreift, welches dort bereits sekundär ist.“ V.6,
woher die Ausschließlichkeitsformel in 7.526 deshalb entlehnt sein dürfte,
schließt problemlos an V.4 an.” Die Ausschließlichkeitsformel V.6b wird
durch V.7 erläutert, die Einzigkeit Jhwhs mit seiner alles umfassenden Schöp-
fermacht begründet.
Wenn Jhwh „alles dies macht“ )הָלֶאדלָּכ ( השעfolgt daraus die völlige
Ohnmacht aller anderen Götter. Diese werden zwar nicht erwähnt, sind aber
insofern als Konkurrenten Jhwhs mitgedacht, als das monotheistische Deute-
tojesajabuch der Erfahrung Rechnung trägt, dass solche Nicht-Götter als
„Götter“ verehrt werden. Als Konkurrent par excellence, da ihm von anderer
Seite und an anderer Stelle Berufung und Siegeszug des Kyros zugeschrieben
werden, gilt mit Blick auf diesen Text seit langem Marduk, der Stadtgott Ba-
bylons. Seit über einem Jahrhundert sind die auffälligen Parallelen zwischen
Jes 45,1-7 und dem so genannten Kyroszylinder bestens bekannt. Kyros II.
führt darin die Einnahme Babylons auf den Willen Marduks zurück:
»...Alle Länder insgesamt musterte er, er prüfte (sie), 26 suchte einen gerechten Herrscher
nach seinem Herzen, er faßte ihn mit seiner Hand: Kyros, den König von Anschan, berief
er, zur Herrschaft über das gesamte All sprach er seinen Namen aus. 13Gutium und die Ge-
samtheit der Ummanmanda unterwarf er seinen Füßen. Die schwarzköpfigen Menschen,
welche er seine Hände bezwingen ließ, !* hütete er in Recht und Gerechtigkeit. Marduk, der
große Herr, der seine Leute pflegt, blickte freudig auf seine guten Taten und sein gerechtes
Herz. '3Er befahl ihm, nach seiner Stadt Babel zu gehen, und er ließ ihn den Weg nach Ba-
bel einschlagen. Gleich einem Freunde und Genossen ging er an seiner Seite. ... 17Ohne
Kampf und Schlacht ließ er ihn in seine Stadt Babel einziehen. Babel rettete er aus der Be-
drängnis. Nabonid, den König, der ihn nicht verehrte, überantwortete er ihm. ... Über
meine [guten] Taten freute sich Marduk, der große Herr. ?”Mich, Kyros, den König, der ihn
verehrt, und Kambyses, meinen leiblichen Sohn sowie alle meine Truppen ?®segnete er gnä-
ו
563 Zur Frage der literarischen Einheitlichkeit von Jes 45,1-7 vgl. KRATZ, Kyros, 23-25.
564 Vgl. ELLIGER, Deuterojesaja, 485-490. Text A: 45,1aa(Anfang).2ab.3a.4.6f.; Text B:
lau (Ende)aßy.b.3b.5.
565 Vol. KRATZ, Kyros, 25-30, Grundschicht 45, 1init.2.*3.4.6.7; Ergänzung 45,*1.3binit.5ab.
566 Vgl. ELLIGER, Deuterojesaja, 485-487; KRATZ, Kyros, 25-29,
567 Vgl. KRATZ, Kyros, 30,
568 Übersetzung aus TUAT I, 408£.
3.3 Monotheismus im Deuterojesajabuch 191
®
Auf die auffälligen Parallelen” zwischen beiden Texten ist in der alttesta-
mentlichen Forschung seit Kittel zahlreich hingewiesen worden. Die Frage
möglicher literarischer Abhängigkeit eines Textes vom anderen wurde dabei
mit Blick auf die Übereinstimmungen zwar grundsätzlich bejaht,” konkret
jedoch aufgrund zweier Prämissen ausgeschlossen. Die erste, gut nachvoll-
ziehbar, besagt, dass eine Abhängigkeit des Kyroszylinders von Deuterojesaja
angesichts der relativen Bedeutungslosigkeit der jüdischen Diaspora innerhalb
der Bevölkerung Babylons — milde gesagt — unwahrscheinlich ist. Die zweite
setzt die Wirksamkeit „Deuterojesajas“ vor 539 v.Chr. in Babylon voraus und
schließt aus dem Nichteintreffen der Vorhersagen zum Modus der Einnahme
Babylons durch die Perser, °' dass Jes 45,1-7 aus der Zeit davor stammen
muss, weshalb, da der Kyroszylinder erst nach diesen Ereignissen entstanden
ist, ”* auch Deuterojesaja nicht vom Kyroszylinder abhängig sein könne.”
Daher wird im Anschluss an Kittel eine mittelbare Beziehung angenommen
und die Ähnlichkeit der Texte damit erklärt, dass sich beide der Sprache und
des Stils des babylonischen Hofzeremoniells bedienen.” Letztlich liegt hier
ein Zirkelschluss vor: Wenn der Verfasser von Jes 45,1ff. um 539 v.Chr. in
Babylon lebte, dann lässt sich die Falschvoraussage nur dadurch erklären,
dass sie vor der Eroberung der Stadt gemacht wurde. Folglich muss der Ver-
fasser von Jes 45,1ff. vor der Herrschaftsübernahme durch die Perser in Ba-
bylon gewirkt haben: Die grundlegende Annahme bestätigt sich selbst.”
Möchte man Jes 45,1-7 dennoch vor die Einnahme Babylons durch die Perser datieren,>’°
ergibt sich ein ähnliches Problem wie für eine Ansetzung von Jes 46,1f. in das Jahr
539 v.Chr.: Hätte der Sieg des Kyros, dessen Beschreibung im Kyroszylinder, jedenfalls was
die Einnahme der Stadt angeht, der Realität erheblich näher kommt als Jes 45,1-7, die Vor-
hersage „Deuterojesajas“ nicht als falsch erwiesen? Kann man über den Umstand, dass für
die Zeitgenossen gerade dann, wenn Jes 45,1-7 mit Blick auf propersische Propaganda der
babylonischen Marduk-Priesterschaft formuliert worden wäre,’ der Eindruck hätte entste-
hen müssen, dass „Babels Gott ... abermals in weltentscheidender Stunde über Jahve gesiegt
[hatte]““5’® einfach mit der Bemerkung hinweggehen, dass die persische Version des Kyros-
sieges „für 121[65 eine große Enttäuschung gewesen sein muß und seinen Aussagen über die
Berufung durch JHWH direkt entgegenlief‘“”®? „Wer hätte wohl ein Prophetenbuch mit
einer unerfüllten Weissagung belastet?“® Ob Kyros die Tore Babylons tatsächlich freiwillig
geöffnet wurden, sei hier dahingestellt. Kampflose Kapitulation in aussichtsloser Situation
und freiwillige Übergabe an einen willkommenen neuen Herrscher sind jedenfalls zwei ver-
schiedene Paar Schuhe. Selbst wenn Kyros in Babylon willkommen gewesen sein sollte, was
mit guten Gründen bezweifelt werden kann, war das Verhältnis zwischen Babylon und den
persischen Herrschern in der Folgezeit von Spannungen geprägt. Sowohl Dareios I. als auch
sein Nachfolger Xerxes mussten babylonische Aufstände niederschlagen und sich gewaltsam
Zutritt zur Stadt verschaffen.
tige Propaganda »ach der Machtübernahme durch die Perser schr wohl gab,
zeigt neben dem Strophengedicht und der Nabonidchronik der Kyroszylin-
der, der in auffälliger Weise auf Marduk und Babylon ausgerichtet ist,’® schr
deutlich.
hätten wohl entsandt werden müssen? UNGER, Babylon, 33 schätzt die Einwohnerzahl der
Stadt schon zu Beginn ihrer Blütezeit unter Nebukadnezar II. auf 200.000.
58 Vgl. KUHRT, Cyrus Cylinder, 87. Da der Zylinder nicht während regulärer Ausgra-
bungen zu Tage getreten ist, sind Fundstelle und genauer Fundkontext unbekannt. Der lite-
rarische Charakter weist den ihn als Bauinschrift aus, so dass man an ein Gründungsdepot,
sicher in Babylon, vermutlich im Bereich des Marduk-Tempels denken kann; vgl. aaO. 88;
WERLITZ, Redaktion, 175.
5% KRATZ, Nabonid und Kyros, 53; vgl. DERS., Kyros, 163-168.183-191; Babylon, 33f.
585 ALBANI, Gott, 105.
586 ALBANI, Gott, 116; vgl. aaO. 102-122 (Kap. 3.1.3 Das „Babel-Gedicht“ (Jes 47) und
Nabonids Herrschaft).
597 Vgl. KRATZ, Nabonid und Kyros, 42.
588 Nach VON SODEN, Kyros und Nabonid, 64 stammen Kyroszylinder und Strophen-
gedicht aus der Zeit kurz nach der Thronbesteigung des Kyros in Babylon. Die Nabonid-
chronik wurde vermutlich noch später, erst zur Zeit Dareios’ I. abgefasst, vgl. SMITH, Texts,
106; KRATZ, Nabonid und Kyros, 47; WERLITZ, Redaktion, 169. GALLING, Studien, 33
nimmt dagegen eine Abfassung bald nach 538 an.
589 Vgl. VON SODEN, Kyros und Nabonid, bes. 61-63.
194 Kapitel 3: Der einzige Gott und die Bilder
Historiker informieren, sondern die Leser ihrer Zeit indoktrinieren“,5% ein Umstand, der im
Rahmen der Auswertung dieser Quellen nicht aus dem Blick geraten darf.
Hinsichtlich der ersten Quellengruppe, der Inschriften Nabonids, fällt auf, dass in ihnen
der Mondgott Sin von Harran eine herausragende Bedeutung hat. Folgt man der von Beau-
lieu vorgelegten Chronologie der Inschtiften,”! scheint Sin zunehmend den babylonischen
Stadtgott Marduk vom obersten Platz im Pantheon zu verdrängen.” Während in den In-
schriften aus der Anfangszeit der Herrschaft Nabonids Marduk die Rolle des höchsten
Gottes einnimmt,” diese somit zumindest auf den ersten Blick als orthodox im Sinne der
neubabylonischen Tradition erscheinen°”* und in den Inschriften aus der Zeit des Aufenthal-
tes Nabonids im nordarabischen Tema°” Sin sogar noch zurückttitt,°% spielt in den Inschrif-
ten der letzten Regierungsjahre Nabonids eindeutig Sin die beherrschende Rolle, während
Marduk fast gänzlich unerwähnt bleibt. Eben dies, Bevorzugung Sins und Vernachlässigung
Marduks, ist der gegen Nabonid erhobene Hauptvorwurf der zweiten Quellengruppe. Recht
nüchtern und im Stil babylonischer Chroniken verfasst, ist die Nabonidchronik°” gleichwohl
eine Tendenzschtift,5”® die vor allem an der Frage eines ordnungsgemäßen Ablaufs des Mar-
duk-Kultes interessiert 156.77 Dass sein wichtigstes Fest, das Neujahrsfest (Akitu), während
des zehnjährigen Aufenthalts Nabonids in Arabien ausfiel, weil es ohne den König nicht
stattfinden konnte, wird mit Nachdruck festgehalten. Für die Jahre sieben, zehn und elf der
Regierung Nabonids teilt sie neben dem Ausfall des Akitufestes lediglich die korrekte Aus-
führung der übrigen Opfer für die Götter von Babylon und Borsippa mit. Für das neunte
Regierungsjahr berichtet sie darüber hinaus über den Tod der Mutter des Königs und den
> KRATZ, Nabonid und Kyros, 42. Vgl. auch LLOYD, Inscription, 171 und FRIED,
Priest, 157: „To read ancient historiography is to make contact not only with the events the
narrator selects but with the ideology that enables him to understand these events.“
59 Vgl. BEAULIEU, Reign, 20-42.
592 So bereits TADMOR, Inscriptions, 362; vgl. BEAULIEU, Reign, 43-65; KRATZ, Nabonid
und Kytos, 42.
3 Die Ausnahme innerhalb dieser Epoche ist der Bericht über die Einsetzung einer
Tochter Nabonids als Priesterin am Sin-Tempel in Ur.
5% Vgl. BEAULIEU, Reign, 50.
55 4. bis 13. Regierungsjahr, ca. 553/552-544/543 v.Chr. Zur Datierung der Rückkehr
Nabonids aus Arabien vgl. TADMOR, Inscriptions, 356f. mit Anm. 35; GALLING, Studien,
16; BEAULIEU, Reign, 203; WISEMAN, Babylonia, 248; ALBERTZ, Exilszeit, 63; KRATZ,
Nabonid und Kyros, 43f. mit Anm. 15. Die bei VON SODEN, Kyros und Nabonid, 67;
DONNER, Geschichte, 400 zu findende Ansicht, Nabonid sei erst 540 v.Chr. nach Babylon
zurückgekehrt, ist nicht zu halten (vgl. schon GALLING, Studien, 16). Sie findet sich jedoch
jüngst bei WERLITZ, Redaktion, 169 sowie ALBANI, Gott, 95 wieder. Albanis Datierung
(553-539 v.Chr.) dehnt die Dauer des Arabienaufenthaltes sogar noch deutlich über 10 Jahre
hinaus aus. Dass dies der von Beaulieu vorgelegten Chronologie der Nabonidinschriften
widerspricht, lässt Albani, Beaulieus Studie gleichwohl mehrfach zitierend, unerwähnt.
5% BEAULIEU, Reign, 63 macht die orthodoxe Haltung des in Babylon während dieser
Periode als Regent amtierenden Nabonid-Sohns Bel-sar-usur (Belsazar) für die Orthodoxie
der Inschriften dieser Zeit verantwortlich.
597 Vgl. GRAYSON, Chronicles, 104-111.
59 Vgl. VON SODEN, Kyros und Nabonid, 61; WIESEHÖFER, Das antike Persien, 81£.;
KRATZ, Nabonid und Kyros, 46.
5% Vgl. KRATZ, Nabonid und Kyros, 46.
3.3 Monotheismus im Deuterojesajabuch 195
>
Lydienfeldzug des Kyros.°® Für das siebzehnte (und letzte) Regierungsjahr Nabonids wird
schließlich die Durchführung des Akitufestes notiert und dann die Herrschaftsübernahme
durch Kyros geschildert. So lückenhaft der Text der Nabonidchronik auch ist, wird doch
erkennbar, dass das Anliegen des Textes darin besteht, den Herrschaftsübergang auf Kyros
mit dem Marduk-Kult im Allgemeinen und dem Akitufest im Besonderen in Verbindung zu
bringen.
Den in der Nabonidchronik erwähnten, gleichwohl nicht weiter kommentierten Sieges-
zug des Kyros, der über Medien und Lydien schließlich nach Babylon führte, deutet der Text
des Kyroszylinders explizit als Werk Marduks. Dabei steht Babylon eindeutig im Zentrum
des Textes, Marduk und sein Eingreifen für seine Stadt Babylon in Gestalt des Kyros sind
das Thema. Es geht um die Feststellung der durch Kyros geleisteten Wiederherstellung der
von Nabonid gegen den Willen Marduks gestörten Ordnung in Babylonien. Schließlich will
auch das Strophengedicht auf Nabonid‘% die Herrschaftsübernahme durch Kyros als von
Marduk gewollt und somit legitimiert darstellen. Dabei kombiniert es die Vorliebe Nabonids
zum Mondgott Sin und den Wiederaufbau des Sin-Tempels Ehulhul von Harran mit der
Vernachlässigung Babylons und Marduks während des Tema-Aufenthaltes zu einem aktiven
Vorgehen gegen Marduk selbst, das in der Übernahme des Marduk-Tempels Esagila durch
Sin seinen frevelhaften Höhepunkt erreicht 206.95 Mehr und deutlicher noch als der
Kyroszylinder zeichnet das Strophengedicht Nabonid als ungerechten Herrscher und Häre-
tiker.°%* Anders als der Kyroszylinder, der als Bauinschrift oder gar als Gründungsdepot
allenfalls lesenden Adressaten zugänglich sein konnte, ist das in Versen abgefasste Stro-
phengedicht deutlich für den öffentlichen Vortrag konzipiert worden.‘
In zeitgenössischem Akkadisch, einer Sprache, die Kyros selbst vermutlich nicht gespro-
chen hat und unter Rückgriff auf im Zweistromland beheimatete literarische Formen abge-
fasst, sind die Verfasser aller drei Texte nirgends anders als in den Reihen der babylonischen
Priesterschaft zu suchen.‘% Es gab also babylonische Priester, die nach der Einnahme Baby-
lons durch die Perser offen mit den neuen Machthabern kollaborierten und für Kyros Pro-
paganda machten.‘ Als mögliche Erklärung für die ohne Frage überraschend schnelle totale
Niederlage der neubabylonischen Truppen und der kampflosen Übergabe der Reichshaupt-
stadt an die Perser wird oft auf das Vorhandensein offener Opposition gegen Nabonid
schon vor dem Eintreffen der Perser geschlossen.°% Da Kyroszylinder und Nabonidchronik
unbestritten aus der Zeit nach dem Sturz Nabonids stammen, wird diese These nicht zuletzt
auf das Strophengedicht gestützt, das dann zwar in seiner überlieferten Form ebenfalls aus
der Zeit nach 539 v.Chr. stammen soll, zu dem jedoch ältere Fassungen aus den vorange-
gangenen Jahren postuliert werden,‘ mit denen die Mardukpriesterschaft Babylons öffent-
lich gegen Nabonid Stimmung gemacht habe.! Neben den Inschriften der letzten Regie-
rungsjahre Nabonids enthält außerdem lediglich das Strophengedicht ausdrückliche Hin-
weise auf eine Bevorzugung des Sin-Kultes in Babylon.‘!! Bis zu seiner Niederlage gegen die
Perser scheint Nabonid jedoch innenpolitisch die Zügel fest in der Hand gehabt zu haben.
Aus der Zeit seines zehnjährigen Arabienaufenthaltes ist nichts über Aufstände in Babylon
bekannt und nach seiner Rückkehr im 13. Regierungsjahr (543 v.Chr.) hat er die Regierungs-
geschäfte von seinem Sohn und Kronprinzen Bel-sar-usur (Belsazar) offenbar reibungslos
wieder übernommen.°!? Es will nur schwer einleuchten, dass ein gleichermaßen außenpoli-
Nabonidus to the end. I suggest it was other priests, newly installed by Cyrus, who wrote the
Cyrus Cylinder and the Nabonidus Verse Account.“
608 So etwa DONNER, Geschichte, 399: „Die Marduk-Priesterschaft betrieb mehr und
mehr eine rührige propersische Propaganda, in der Kyros als der kommende Befreier ge-
feiert wurde.“ Vgl. auch VON SODEN, Kyros und Nabonid, 64.66; WERLITZ, Redaktion,
169-172; ALBANI, Gott, 95£.104.
6% Vgl. VON SODEN, Kyros und Nabonid, 64: „Eine solche Kritik ist nur verständlich als
Angriff auf einen noch mächtigen König, den die Verfasser diskreditieren und ausschalten
möchten. Danach dürfte der Hauptteil des Gedichtes entweder einige Jahre vor dem Sturz des
Königs verfaßt worden sein oder inhaltlich an ein älteres Pamphlet anknüpfen.“ Ähnlich
MACHINIST/TADMOR, Wisdom, 150: „The force and subtelty of the argument here suggest a
real-Äife tension between the Verse Account author and his group, and Nabonidus and his
circle.“ Auch HERMISSON, Deuterojesaja, 306 meint, dass das Strophengedicht die „Stimmung
der Priesterschaft in den letzten Regierungsjahren Nabonids einigermaßen treffen dürfte.“
610 Vgl. ALBERTZ, Exilszeit, 64: „Vor allem die mächtige Mardukpriesterschaft Babylons
... ließ den König auf den Straßen in Spottgedichten denunzieren.“
611 Vgl. BEAULIEU, Reign, 43. Die Nabonidchronik dreht sich, wie bereits erwähnt, in re-
ligiöser Hinsicht speziell um das Akitufest. Der erhaltene Text nennt mit IStar lediglich ein
einziges Mal (Col III Z.2) eine andere Gottheit außer Bel/Marduk und Nabü beim Namen.
Der Kyroszylinder wirft Nabonid zwar in Z. 5 die Errichtung eines Konkurrenzbaus zum
Marduk-Tempel vor, nennt den Gott Sin jedoch nicht beim Namen und lastet Nabonid in
Bezug auf Marduk lediglich dessen Vernachlässigung an (Z.7). Der Vorwurf des Eingriffs in
bestehende Kultordnungen scheint sich dagegen auf andere Orte zu beziehen. Dass hier
lediglich Ur zu entziffern ist, ist wohl Zufall der Erhaltung, es passt jedoch gut ins Bild, dass
der Sin-Verehrer Nabonid nicht nur den Tempel seines Gottes in Harran wieder aufbauen
ließ, sondern auch an Ur, dem bedeutendsten Kultzentrum des Mondgottes in Mesopota-
mien (vgl. KREBERNIK, RLA VIII, 368), ein besonderes Interesse hatte. Die bald nach sei-
nem Regierungsantritt erfolgte Einsetzung seiner Tochter En-nigaldi-Nanna als Ho-
hepriesterin in Ur (vgl. BEAULIEU, Reign, 22f.) mag dies dokumentieren, sie steht freilich
im
Einklang mit langer babylonischer Tradition (vgl. WISEMAN, Babylonia, 244).
612 Vgl. VON SODEN, Kyros und Nabonid, 67; BEAULIEU, Reign, 63f.203-205
. Das Fak-
tum einer problemlosen Herrschaftsübernahme bleibt auch dann bestehen, wenn die
durch
Nabonid anlässlich seiner Rückkehr vorgenommenen personellen Veränderungen
in der
3.3 Monotheismus im Deuterojesajabuch 197
?
Verwaltung von Uruk auch entsprechend für Babylon angenommen werden und die Gründe
dafür, wie von Beaulieu auch für Nabonids Rückkehr überhaupt vermutet, in Spannungen
zwischen Nabonid und Belsazar liegen. Welche Gründe Nabonid auch gehabt haben mag,
die Herrschaft in Babylonien wieder persönlich auszuüben (die einfachste Erklärung ist, dass
der König nach erfolgreichem Arabienfeldzug nun wieder in die Hauptstadt seines Reiches
zog), der Sohn lehnte sich offenbar in keiner Weise gegen den Vater auf. Nichts deutet dar-
auf hin, dass Belsazar „der bestgehaßte Mann in Babylon“ (DONNER, Geschichte, 400) ge-
wesen sei. Sofern es überhaupt berechtigt ist, in Bezug auf Nabonid und Belsazar von Häre-
sie oder Orthodoxie zu sprechen, scheinen die Königsinschriften der Zeit des Arabienauf-
enthalts Nabonids, sofern sie tatsächlich Belsazar als dem eigentlich Ausführenden zugewie-
sen werden können, eher den Sohn als den Vater als Vertreter der Orthodoxie auszuwei-
sen. Vgl. BEAULIEU, Reign, 63; ALBERTZ, Exilszeit, 63; ALBANI, Gott, 95 mit Anm. 370.
613 FRIED, Priest, 23.
614 Vgl. ALBERTZ, Exilszeit, 63f.
615 An der Annahme öffentlicher pro-persischer Propaganda hängt freilich die (geistes-)
geschichtliche Verortung „Deuterojesajas“ durch ALBANI, Gott, 96: „Dtjes schloß sich
offenbar dieser propersischen Propaganda aus den Kreisen der Mardukptriesterschaft an und
erwartete von Kyros das Ende der Gefangenschaft.“
616 Vgl. KUHRT, Nabonidus, 146-154, v. a. aaO. 150: „Temple matters both of an eco-
nomic and of a cultic nature were the king’s concern; just as they were dependent on him
for funding and initiating temple buildings and repairs, and their resources swollen by gifts
from his war-booty and land, so their day-to-day activities were closely controlled and regu-
lated by him; and this was certainly no innovation made by Nabonidus, as is shown by the
references to earlier arrangements made by Nebuchadnezzar II.
617 So jedoch FRIED, Priest, 24.
618 Müsste man ihnen dann nicht auch zutrauen, dass sie Nabonid stürzen und einen ih-
nen genehmen einheimischen Nachfolger auf dem Thron hätten etablieren können? Wenn
die Mardukpriester Kyros als Befreier erwarteten und sie sich von ihm religiöse Toleranz
erhofften, hätten sie die offizielle persische Propaganda der Zeit nach dem Fall Babylons in
der Tat bereits vor 539 v.Chr. bis ins Detail vertreten. Diese geht aber von einer dauerhaften
persischen Herrschaft über Babylon, aus babylonischer Perspektive also von einer Fremd-
198 Kapitel 3: Der einzige Gott und die Bilder
Dass der gestürzte König im Auftrag der neuen Herrscher öffentlich verunglimpft
wurde, lässt sich angesichts der aus persischer Zeit stammenden Texte, einschließlich des
Strophengedichts in seiner überlieferten Form, nicht von der Hand weisen. „This was a
standard way of solving the problem, with which the Babylonians were not infrequently
presented, as to why an apparently successful and legitimate king should be defeated; the
defeat was seen, in retrospect, as a judgement on him by the gods.“6!? „Alle drei Texte, die
Nabonidchronik, der Kyroszylinder und das Strophengedicht, bieten jeder auf seine Weise
eine Apologie des status quo Babylons im persischen Zeitalter.“20 Es ist somit davon auszu-
gehen, dass sie alle, auch das Strophengedicht, die Verhältnisse persischer Herrschaft vor-
aussetzen. Wie lässt es sich dann aber erklären, dass gerade das Strophengedicht zu konkret
zu sein scheint, als dass es „seine so schroffe Kritik dem Nabonid nur in sein Exil in Ostiran
nachschleuderte, nachdem er in Babylonien entmachtet worden war“‘?!? Zur Beantwortung
dieser Frage ist es angeraten, den Übergang von der neubabylonischen zur persischen Herr-
schaft im Vorderen Orient ohne die Brille persischer Herrschaftsideologie in den Blick zu
nehmen.
Ihre Abfassung in persischer Zeit und ihre eindeutig gegen Nabonid gerichtete Tendenz
verbieten es, eine Rekonstruktion der Regierungszeit Nabonids auf den Kyroszylinder oder
das Strophengedicht zu stützen. Es bleiben zum einen die Inschriften Nabonids, zum
anderen die so genannte Nabonidchronik, die in der Auswahl der berichteten Ereignisse
zwar ebenfalls pro-persische Tendenz zeigt, sich wertender Kommentare jedoch enthält. In
chronologischer Abfolge gelesen, zeigen die Inschriften unbestreitbar, dass der Gott Sin in
der letzten Phase der Herrschaft Nabonids eine herausragende Rolle gespielt hat. In den von
Beaulieu den ersten Regierungsjahren zugewiesenen Bauinschriften spielt er dagegen nur
eine untergeordnete Rolle. Die Orthodoxie der Inschriften der Zeit des Tema-Aufenthal-
tes können in einer in religiösen Angelegenheiten verglichen mit seinem Vater traditionelle-
ren Haltung Belsazars begründet liegen.‘?* Schreibt man sie allein der Verantwortung des in
Babylon die Regierungsgeschäfte führenden Kronprinzen zu, haben sie jedoch keinerlei
Aussagewert hinsichtlich der religiösen Überzeugungen Nabonids während dieser Epoche.s
herrschaft aus. Es ist kaum vorstellbar, dass dies im Interesse einer gegen die Politik Nabo-
nids auf die Vorrangstellung Babylons bedachten Mardukpriesterschaft gelegen hätte.
619 KUHRT, Nabonidus, 146.
620 KRATZ, Nabonid und Kytos, 48.
621 VON SODEN, Kyros und Nabonid, 64.
622 Vgl. KRATZ, Nabonid, 47: „Auch wenn sie mehr als andere Quellen über den Über-
gang von Nabonid zu Kytos zu berichten wissen, kann man vor einer historischen Auswer-
tung nur warnen. Insbesondere das Strophengedicht beruht auf der freien Kombination von
Themen und Aussagen aus Inschriften Nabonids rg H 2 und Nab 1) und besitzt daher
kaum eigenen Quellenwert.“
623 Die einzige Ausnahme, die von Beaulieu als Nummer 2 geführte Inschrift aus Ur (vgl.
BEAULIEU, Reign, 22f.44.48£.), berichtet über die Einsetzung einer Tochter Nabonids als
Priesterin am dortigen Sin-Tempel. Dass dies auf den Befehl Sins hin geschieht, ist ange-
sichts des Ortes und des Anlasses erklärlich: Es handelt sich um einen Vorgang innerhalb
des Sin-Kultes. Dass Marduk nicht erwähnt wird, muss daher nicht notwendig auf eine per-
sönliche Abneigung Nabonids gegenüber Marduk hindeuten (gegen BEAULIEU, Reign, 49).
624 Vol. BEAULIEU, Reign, 63.
625 Die von BEAULIEU, Reign, 63 geäußerte Vermutung, dass „the king’s long exile in
Teima may well have been provoked by a split between him and an influential party led by
his son. They would have convinced the king to stay away from Babylonia, fearing that his
3.3 Monotheismus im Deunterojesajabuch 199
1
Hinweise auf eine aktive Förderung des Sin-Kultes fehlen, dass das Akitufest absichtlich
abgesagt worden wäre bzw. der Arabienaufenthalt Nabonids primär den Marduk-Kult in
Babylon schädigen sollte, ist unwahrscheinlich. Die Nabonidchronik berichtet jedenfalls
nichts dergleichen und das Neujahrsfest hat offenbar sowohl vor,626 als auch nach dem Ara-
bienaufenthalt Nabonids stattgefunden.‘ Da die Chronik eine Lücke zwischen dem elften
und dem siebzehnten Regierungsjahr Nabonids aufweist, ist nicht mit letzter Sicherheit zu
sagen, wann das erste Akitufest nach der Arabienexpedition stattfand. Ohne gegenteilige
Hinweise ist allerdings davon auszugehen, dass dies nicht erst 539 v.Chr. sondern bald nach
der Rückkehr des Königs der Fall war. Wenn das Fest ein Jahrzehnt lang ausfiel, ein in der
Geschichte Babylons durchaus nicht einmaliges Geschehen,‘2?muss das keineswegs als Hin-
weis auf die Geringschätzung Marduks durch Nabonid gedeutet werden, sondern kann auch
ganz einfach zeigen, welch hohe Bedeutung der König dem Feldzug in Arabien und der
Sicherung der Handelswege beimaß.‘% Dass die Nabonidchronik für das letzte Regierungs-
jahr ein Akitufest ganz gemäß den Traditionen vermerkt! vermag die Annahme von außer-
gewöhnlichen Eingriffen Nabonids in den Marduk-Kult jedenfalls nicht zu stützen. Ange-
sichts der Tendenz der Chronik darf angenommen werden, dass derartige Maßnahmen Er-
wähnung gefunden hätten. Dass die Inschriften der letzten Regierungsjahre Nabonids eine
herausragende Bedeutung des Mondgottes Sin von Harran dokumentieren, ist schließlich
angesichts der Kontexte, aus denen diese Inschriften stammen,‘ nicht überraschend. Dass
Marduk so gut wie gar nicht erwähnt wird, kann durchaus als Abwertung der Stadtgottes
von Babylon verstanden werden, doch sind auch von Nebukadnezar II. Bauinschriften
überliefert, die Marduk nicht nennen.‘ Harran war offensichtlich das wichtigste Bauprojekt
Nabonids und wurde in der letzten Phase seiner Herrschaft mit Nachdruck vorangetrieben.
Dabei mögen persönliche Vorlieben eine Rolle gespielt haben, doch darf man nicht überse-
hen, dass die Babylonier nach der medischen Niederlage gegen die Perser an Harran auch in
wirtschaftlicher und militärischer Hinsicht ein strategisches Interesse haben mussten.‘ Dass
die von Nabonid durchgeführten Baumaßnahmen in Babylonien demgegenüber eher be-
religious convictions might eventually lead to a confrontation with the oligarchy and the
clergy of Marduk” ist spekulativ. Dass Belsazar in Babylonien nicht nur sämtliche Regie-
rungsgeschäfte führte, sondern ausweislich der Nabonidchronik (Col. ii, 5.10.14.19.23) über
eigene Truppen verfügte, zeugt nicht gerade von schwerwiegenden Spannungen zwischen
Vater und Sohn.
626 Vgl. LANGDON, Königsinschriften, Nabonid 8, Col. IX; KUHRT, Nabonidus, 140;
BEAULIEU, Reign, 20-22.
627 Vgl. GRAYSON, Chronicles, No.7, Col. iii, 5-8; KUHRT, Nabonidus, 140.
628 Vgl. TADMOR, Inscriptions, 355; BEAULIEU, Reign, 187
629 Vgl. GRAYSON, Akitu Festival, 166f.
630 Vgl. KUHRT, Nabonidus, 140: „An obvious reason for omitting the festival was the
absence of the king on campaign.”
631 Vgl. GRAYSON, Chronicles, No.7, Col. iii, 8.
62 Harran, Sippar und Ur; die von Beaulieu als Nummer 15 gezählte Inschrift, die als
einzige aus dieser Zeit auch Marduk nennt, hat Harran zum Thema. Ein Exemplar stammt
aus Sippar, ein zweites aus Babylon; vgl. BEAULIEU, Reign, 34.
633 Vgl. LANGDON, Königsinschriften, Nebukadnezar 23. und 24. In beiden Inschriften
geht es um Baumaßnahmen am Sama$-Tempel zu Sippar, außer dem Sonnengott, der als
„großer Herr“, „Gebieter“ und „Verlängerer der Tage“ bezeichnet wird, wird kein anderer
Gott erwähnt.
634 Vgl. KUHRT, Nabonid, 132.138.
200 Kapitel 3: Der einzige Gott und die Bilder
scheiden erscheinen, muss keineswegs auf eine bewusste Vernachlässigung dieser Region
hindeuten. Auch hier wurden Projekte der Vorgänger fortgeführt und neue Projekte ange-
stoßen. Dass Nabonid nicht die Stadt Babylon auswählte, um sich ein architektonisches
Denkmal zu setzen, mag Folge persönlicher Abneigung gewesen sein. Verglichen mit dem
gigantischen Bauprogramm der 43jährigen Regierungszeit Nebukadnezars II. (605-
562 v.Chr.), das aus der in assyrischer Zeit stark in Mitleidenschaft gezogenen Stadt eine
überragende Metropole machte und ihr Stadtbild bleibend prägte,” kann es freilich auch
nicht leicht gewesen sein, sichtbare Akzente zu setzen.
Angesichts der historisch auswertbaren Quellen kann man Nabonid somit zwar kaum als
glühenden Verehrer,°® aber auch nicht als ausgesprochenen Verächter Marduks bezeichnen.
Von außen betrachtet erschiene seine Regierung überaus erfolgreich — territoriale Expansion
im Süden nach Arabien, Kontrolle des Karawanenhandels; territoriale Expansion im Norden
bis ins syrische Harran; florierendes Wirtschaftsleben — wäre dort nicht der unerklärliche
Makel der schnellen, auf den ersten Blick handstreichartig anmutenden Übernahme des neu-
babylonischen Reiches durch den Perserkönig Kyros. Diesen stellt die persische Propaganda
als Befreier dar, der Babylon den Klauen Nabonids entriss und der von der Bevölkerung
begeistert empfangen wurde. Ein zweiter Blick auf die Quellen legt allerdings die Vermutung
nahe, dass das Heer des Perserkönigs weder gewaltfrei in Babylonien eindrang, noch dass die
Perser dort sonderlich willkommen gewesen wären.‘ So wird der schlecht erhaltene Rest
des Eintrags der Nabonidchronik zum 16. Regierungsjahr‘*“ als Hinweis auf militärische
Auseinandersetzungen im babylonisch-persischen Grenzgebiet bereits ein gutes halbes Jahr
vor dem Marsch auf Babylon gedeutet.‘*! Wie dieser Marsch selbst begann, berichtet die
Nabonidchronik angesichts ihrer propersischen Tendenz überraschend eindeutig:
„In the month Tishri "שמשה !2Cyrus (II) 13610 !?battle at Opis on the [bank of] 5006 Ti-
gris against the army of Akkad, the people of Akkad !*retreated. He carried off the plun-
der (and) slaughtered the people. On the fourteenth day Sippar was captured without
battle. 1542001008 02
Eine blutige Schlacht bildete den Auftakt zur Eroberung Babyloniens, einhergehend mit
Plünderungen und Massakern, Maßnahmen, die darauf hindeuten, dass die babylonischen
Truppen zuvor massiven Widerstand geleistet hatten.® Der Widerstand war durch den
Ausgang der Schlacht jedoch gebrochen: Sippar ergab sich kampflos. Beaulieu nennt für die
Übergabe der Stadt zwei mögliche Ursachen: „either the city was so opposed to Nabonidus
that it would welcome even a foreign invader, or perhaps the defeat of the Babylonian army
near Opis was so total that there was no further hope of resisting the invader.”°H4 Entgegen
der Meinung Beaulieus,# ist es durchaus möglich, einer der beiden Möglichkeiten mit guten
Gründen den Vorzug zu geben. Ausweislich der Bauinschriften hat neben den Sin-Heiligtü-
mern Ur und Harran nicht zuletzt Sippar mit seinem bedeutenden Sama$-Heiligtum von der
Bautätigkeit Nabonids profitiert. Das steht ganz im Einklang mit der persönlichen Vorliebe
Nabonids für Sin, der mit seinen Kindern Sama$ und IStar als Trias auftreten kann, wie etwä
die so genannte Nabonidstele zeigt.°* Opposition gegen Nabonid ist in Sippar daher zwar
nicht grundsätzlich auszuschließen, aber dort wären eigentlich eher pro-nabonidische Inte-
ressen zu vermuten. Der von Beaulieu genannten zweiten Möglichkeit kommt daher eine
größere Plausibilität zu. Sollte Nabonid seine Truppen bei Opis konzentriert haben, um der
persischen Armee den Übergang über den Tigris zu verwehren, kann eine totale Nieder-
lage hier in der Tat kriegsentscheidenden Charakter gehabt haben.6# Ab Mitte Oktober
539 v.Chr. sind Urkunden aus Babylon nach Kyros datiert. Als er in die Stadt einzog, war sie
fest in persischer Hand. Dass die Bevölkerung den Eroberer jubelnd begrüßte, sagt nicht
allzu viel über ihre tatsächliche Einstellung gegenüber dem neuen Herrscher. Ähnliche Ze-
remonien hatte es auch schon für assyrische Könige gegeben.‘*
. Warum die Stadt Babylon von den Persern kampflos eingenommen werden konnte, ob
Nabonid keine Möglichkeit mehr gesehen hatte, die Hauptstadt zu verteidigen oder der per-
sische Vorstoß — die Spitzen des persischen Heeres erreichten Babylon bereits zwei Tage
nach der Schlacht bei Opis — einfach zu schnell durchgeführt wurde, als dass eine effektive
Verteidigung noch hätte organisiert werden können, sei dahingestellt. Die Tatsache, dass mit
der Überquerung des Tigris der Krieg entschieden war und weder Babylon noch die anderen
Städte des babylonischen Kernlandes durch Belagerungen zur Aufgabe gezwungen werden
mussten, wurde von der persischen Propaganda weidlich ausgenutzt. Es galt, den Herr-
schaftswechsel als göttlich legitimiert zu erweisen.‘5° Für den Bereich der Stadt Babylon hieß
das, dass es Marduk gewesen sein musste, der Nabonid die Herrschaft entzogen und sie
Kyros übergeben hatte. Zur Begründung dieser Behauptung griffen die Urheber der persi-
schen Propaganda vermutlich auf eine bis heute unter Propagandisten aller Couleur beliebte
Technik zurück. Sie erfanden nicht einfach Taten, die Gründe für die Verwerfung Nabonids
durch Marduk abgegeben hätten, sondern deuteten Tatsachen aus Nabonids Herrschaft in
ihrem Sinne um. Der zehnjährige Arabienaufenthalt, militärisch, politisch und ökonomisch
erfolgreich, bezeugte nun die Verachtung Nabonids für Marduk und seine Stadt. Die Über-
führung der Götterstatuen aus anderen Städten Babyloniens nach Babylon,°! eine mit der
babylonischen Tradition durchaus in Einklang stehende Maßnahme, die dem Schutz der
Götterstatuen angesichts der drohenden Invasion dienen sollte, wurde zur Entführung der
Götter, zu einem Eingriff in die Kultordnung. Im Strophengedicht wurde aus der persönli-
chen Vorliebe Nabonids für Sin, dokumentiert durch das Bauprojekt in Harran, der Feldzug
Nabonids gegen Marduk mit dem Ziel der Übergabe des Marduk-Tempels Esagila an den
Mondgott. Auch die Anfertigung einer neuen Sin-Statue für den Tempel in Harran als Er-
satz für das 610 v.Chr. bei der Eroberung Harrans durch Babylonier und Meder verloren
gegangene Kultbild, angesichts der etwas dubiosen Umstände der Herstellung eines neuen
Kultbildes für den Samas-Tempel Ebabbar in Sippar unter Nabü-apla-iddina (887-
855 v.Chr.) keineswegs ohne historisches Vorbild,°5® wurde ebenfalls ein kultisches Verge-
hen ersten Ranges. Dass der verworfene König zudem generell nicht dem Ideal des gerech-
ten Königs‘5* entsprechen konnte, versteht sich von selbst.
Von Sodens Beobachtungen zum Charakter des Strophengedichtes in Erinnerung ru-
fend,°5 bleibt zu klären, warum ein längst besiegter Herrscher mit derartigen Schmähungen
überzogen wurde. Einen Hinweis gibt hier der Umstand, dass 522 bzw. 521 v.Chr. die An-
führer der babylonischen Aufstände gegen Dareios I. (522-486 v.Chr.), Nidintu-Bel bzw.
später Aracha, jeweils als „Nebukadnezar, Sohn des Nabonid“ zum König von Babylon
ausgerufen wurden.°° Offenbar versprachen sie sich von der bewussten Anknüpfung an die
Tradition der letzten Könige vor dem Beginn der persischen Herrschaft eine Steigerung
ihrer Akzeptanz unter der Bevölkerung Babylons. Soweit Thronnamen politische Pro-
gramme zu Ausdruck bringen, waren beide Namen hinreichend positiv besetzt, um mit ih-
nen gegen die persische Herrschaft Propaganda zu betreiben. Dass Nabonid den Babylo-
niern als gottloser Tyrann verhasst gewesen wäre, wie es das Strophengedicht nahe zu legen
sucht, ist demnach unwahrscheinlich. Gezielt gegen die von den Aufständischen in An-
spruch genommene Tradition gerichtete persische Propaganda ist hingegen überaus ver-
ständlich.657 Erklärt sich die Entstehung der gegen Nabonid gerichteten Propaganda (Kyros-
zylinder) somit im Rahmen der nach einem Herrschaftswechsel üblichen Propaganda wer-
Bevor man die Heilszusage an Kyros in Jes 45 also aufgrund der inhaltlichen
Parallelen mit dem Text des Kyroszylinders oder gar vor dem Hintergrund
einer aus persischer Propaganda der Zeit nach der Einnahme Babylons er-
schlossenen pro-persischen Oppositionsbewegung in Babylon vor 539 v.Chr.
zeitlich vor oder kurz nach dem Machtwechsel in Babylon ansetzt, ist folgen-
des zu bedenken. Zum einen ist Jes 45,1-7* formal keine Bauinschrift, son-
dern ein Königsorakel,“* eine Gattung, die ihren „ursprünglichen Ort bei der
Inthronisation des Königs hat, von dort aber weitergeht in die die Königs-
herrschaft tragenden und bestätigenden Orakel im stetigen Königskult.“®
Zum anderen ist innerhalb dieses Königsorakels der Name des Perserkönigs
sekundär hinzugesetzt.° Der Grundbestand des im jetzigen Textzusammen-
hang von einer durch Selbstprädikationen erweiterten Botenformel
68 44,24-28) und einer abschließenden Zweckangabe (Jes 45,4-7) gerahm-
ten“ eigentlichen Königorakels, Jes 45,1-3, weist jedoch keine konkreten
historischen Bezüge auf:
1 So spricht Jhwh zu seinem Gesalbten: 2 Ich, ich gehe vor dir, Ringmauern‘ ebne ich
ein. Türen aus Erz will ich zerbrechen und Riegel aus Eisen will ich zerschlagen. 3 Und
664 Vol. WESTERMANN, Sprache, 144-151; DERS., Heilsworte, 37; ELLIGER, Deuteroje-
saja, 490; KRATZ, Kyros, 27. Auch die Sprache des Kyroszylinders bedient sich königlichen
Vokabulars, doch blickt er berichtend und deutend auf die Vergangenheit zurück, während
Jes 45,1-7* sprachlich auf Gegenwart und Zukunft bezogen ist.
665 WESTERMANN, Sprache, 150.
666 Vgl. ELLIGER, Deuterojesaja, 485-487; auch wenn ELLIGER, aaO. 486 der Lösung, in
Jes 45,1ff. eine Jhwh-Rede zu sehen, die ursprünglich nicht an Kyros gerichtet war, ableh-
nend begegnet, bestätigt doch sein Versuch, V.laa(ab ס.שָרּוכְל(]ץ einem V.1laa.2-3a paralle-
len „Text B” zuzuweisen, dass V.laa (bis inunb) seine ursprüngliche Fortsetzung in V.2
findet: „Erst in 2a setzt die Anrede in der 2. sg. ein. Erst hier beginnt also der in der Einfüh-
rung angekündigte Spruch“ (aaO. 485). Schon TORREY, Second Isaiah, 40-44.238.357 er-
kannte im שֶרּוכְל einen Zusatz. Er führte unter anderem metrische Gründe an (,„as poetry,
the line is ruined by the presence of this word“, aaO. 41) und kam so zu dem Schluss, dass
„there is no more palpable gloss than this in all the Old Testament. Context, meter, and
historical fact all exclude it“ (aaO. 357). Vgl. auch MERENDINO, Der Erste und der Letzte,
412; KRATZ, Kyros, 19-30. Mit Jes 44,28 dürfte auch die zweite Nennung des Kyros-Na-
mens in Jes 40-55 aus der Hand eines Ergänzers stammen und könnte mit der Erweiterung
von Jes 45,126 zusammenhängen; vgl. TORREY, Second Isaiah, 43£.357; MERENDINO, Der
Erste und der Letzte, 412; KRATZ, Kyros, 73-75.
667 Vgl. WESTERMANN, Heilsworte, 37; KRATZ, Kyros, 30.
66 Zur Herleitung von םיִרּודָהְו vom akkadischen Begriff där(u) vgl. HOFFMANN, Jahwe
schleift Ringmauern, 188-191; ELLIGER, Deuterojesaja, 482f.493. Im Kontext von Jes 40-55
sind darunter die Mauern Babylons zu verstehen. Ohne den durch den Zusammenhang,
insbesondere durch die Ergänzung des Kyros-Namens hergestellten Bezug zu den Ereignis-
sen von 539 v.Chr. kann jedoch grundsätzlich jede befestigte Stadt gemeint sein, auch dann,
wenn man den Urheber des Textes aufgrund der Verwendung eines akkadischen Lehnwortes
im Zweistromland ansiedelt. „där(u) ist bau- und militärtechnischer terminus technicus für
3.3 Monotheismus im Deuterojesajabuch 205
ich gebe dir Schätze in der Finsternis und versteckte Vorräte, denn ich bin Jhwh, der
dich bei deinem Namen gerufen hat, der Gott Israels.
Die Rede vom Gesalbten Jhwhs, vor allem im Rahmen der Davidüberliefe-
rung in den Samuelbüchern und in der Psalmentradition belegt, begegnet in
der gesamten prophetischen Literatur des Alten Testaments nur hier.” Die
Zusage göttlichen Beistandes in kriegerischem Kontext erinnert unwillkürlich
an Psalm 2.” Ob jener Text im Kern vielleicht dem Jerusalemer Königskult
der vorexilischen Zeit entstammt,’ oder das Toben der Völker den Zusam-
menbruch des Achämenidenreiches reflektiert,‘ sei dahin gestellt. Orakel
zugunsten des Gesalbten Jhwhs hat es am vorexilischen Tempel vermutlich
gegeben, ob nun in den Formulierungen von Ps 2 oder anders. Die ausdrück-
liche Bezeichnung Jhwhs als „Gott Israels“ in Jes 45,3 verdeutlicht, dass, so-
fern bei der Formulierung von Jes 45,1ff. auf vorexilisches Formelgut zu-
rückgegriffen worden sein sollte, dieses abgewandelt worden ist. Auch wenn
sich die Davididen in Jerusalem nach dem Ende des Königreichs Israel als
legitime Nachfolger der Rivalen aus dem Norden sahen, herrschten sie doch
bis zum gewaltsamen Untergang ihrer Dynastie als Könige von Juda. Dass sie
sich im Königskult auf Jhwh als Gott Israels berufen hätten, ist angesichts
der vom Sch“ma Israel Dtn 6,477 schlaglichtartig beleuchteten Entwicklungen
nach 720 v.Chr. zwar nicht ausgeschlossen, zumindest ohne gleichzeitigen
Bezug auf Juda aber unwahrscheinlich. Vielmehr ist zu anzunehmen, dass der
vorexilische Königskult in Jerusalem ohne eine ethnisch-geographische Er-
läuterung des Jhwh-Namens auskam, weil schon durch den Kontext unmiss-
verständlich klar war, zu welchem Gott der König in besonderer Beziehung
stand.°* Dass dies im Kontext von [68 45,1-3 nicht der Fall ist, zeigt die
Fortsetzung in Vers 4:
Wegen meines Knechtes Jakob und (wegen) Israel, meines Erwählten habe ich dich bei
deinem Namen gerufen, habe dir den Namen gegeben, obwohl du mich nicht kennst.
Der Gesalbte Jhwhs ist für Israel berufen, aber er selbst kennt Jhwh nicht.
Falls hier der Weitblick eines anonymen Propheten um die Mitte des
Selbst wenn die Verse Esr 6,9f. aus der Feder eines an der Opferthematik
interessierten Ergänzers stammen sollten,” bleibt plausibel, dass die persi-
the tax-paying population of Judah and the Persian government. ... Of 000186, it also pro-
fited from this situation: since the Persians were interested in a well-organized political and
fiscal administration, it was their interest to provide for the temple hierarchy“ (SCHAPER,
Jerusalem Temple, 537). Alle Abgaben, die sowohl in Naturalien als auch in Metall entrichtet
wurden, durchliefen somit den Tempel. Wahrscheinlich wurde aber in erster Linie das Metall
weitergeleitet, während die Naturalien vor Ort verbraucht wurden, nicht zuletzt vom Tem-
pelpersonal. Angesichts dieser Fiskalorganisation, in der den Tempeln die Rolle eines ver-
längerten Arms der königlichen Kasse zukam („the sanctuaries - amongst them the Jeru-
salem temple — merely acted as outlets of the imperial “Inland Revenue’“; SCHAPER, Jeru-
salem Temple, 539) ist der Eindruck, die Tempel seien vom Staat unterhalten, durchaus ver-
ständlich; vgl. auch SCHAPER, Priester, 137-150.
67 Lux, Tempel, 154; vgl. DERS., 61,
680 Vgl. KARRER, Ringen, 332f. Wenn im Kyroszylinder, an alte Vorbilder anknüpfend,
von der Rückführung von Götterstatuen und der Wiederherstellung der hergebrachten kulti-
schen Ordnung die Rede ist, ist auch dies kein Ausdruck persönlicher Beziehungen des
Herrschers zu den entsprechenden Kulten und Kultorten, sondern eine Konsequenz der
königlichen Zuständigkeit für die religiösen Belange innerhalb eines Reiches. Ideologisch
besteht zwischen dem im Kyroszylinder zentralen Marduk-Tempel in Babylon und den an-
deren Tempeln des Reiches kein Unterschied. Wenn Verwaltung und Kontrolle vor Ort den
jeweiligen Statthaltern oblagen (vgl. FRIED, Priest, passim, v. a. 471.1066.156.233( handelten
diese im Auftrag und an Stelle des Großkönigs, also ganz im Sinne der Theorie vom König
als Kultherrn. Sie tritt in der Bitte um Fürsprache vor Bel und Nebo (Kyroszylinder Z. 33ff.;
vgl. TUAT, 410) nicht anders zu Tage als in Esr 6,10. Auch wenn Esr 6,9f. keine authenti-
sche Anweisung der Reichsregierung wiedergeben sollte, bleibt die Unterstützung lokaler
Kulte durch die persische Verwaltung, in Jerusalem ebenso wie an anderen Orten, sehr
wahrscheinlich; vgl. außerdem GUNNEWEG, Esra, 109f.; WILLIAMSON, Studies, 220-224.
68 Vgl. WILLI, Zwei Jahrzehnte Forschung an Chronik und Esra-Nehemia, 95: „Dem
Referenten kommt es vor, als wäre in der Berichtsperiode — ganz im Unterschied zur
Chr-Forschung — der Cursor stillgestanden, zumindest was die Monographien anlangt.“
682 Vgl. PAKKALA, Ezra, 1f. mit Anm. 6 (weitere Literatur).
683 Vgl. KAISER, Grundriß I, 134f.; KRATZ, Komposition, 57.91. Die Erkenntnis, dass die
hebräische Rahmenerzählung Esr 1,1-4,5.6,19-22 ihre Informationen aus dem aramäischen
Stück Esr 4,6-6,18 bezogen und mit Angaben aus Haggai und Sacharja kombiniert hat, fin-
det sich bereits bei NOTH, Studien, 144f.
208 Kapitel 3: Der. einzige Gott und die Bilder
mente“ ,68* sondern wird, da der Text nicht „den reichsaramäischen, sondern vielmehr helle-
nistisch-römischen Konventionen [entspricht]“® in frühhellenistischer Zeit anzusetzen
sein.68° „Der Befund bedeutet freilich nicht, daß der ganze Vorgang frei erfunden wäre.““#
Die Entwicklung des in Esr-Neh formulierten Anspruchs des Jerusalemer Heiligtums, über
Jerusalem und Jehud hinaus für ganz Israel von zentraler Bedeutung zu sein,°®® ist am besten
vor dem Hintergrund des nahezu weltumspannenden Achämenidenreichs verständlich. Mit
der Konsolidierung der Diadochenreiche im ausgehenden 4.Jh. v.Chr. war ein bedeutender
Teil der jüdischen Diaspora jedoch einem anderen Oberherrn als der Tempel in Jerusalem
unterworfen: Jerusalem fiel an das Reich der Ptolemäer, Babylonien an die rivalisierenden
Seleukiden. Die unsichere politische Lage nach der Übernahme des Achämenidenreiches
durch Alexander, der rasche Zerfall in Folge der nach Alexanders Tod ausbrechenden Dia-
dochenkriege und schließlich der Übergang Jehuds in das Ptolemäerreich,°® machen die
Entstehung eines literarischen Werkes, das die Bedeutung des Jerusalemer Tempels auch für
die Diaspora begründet, sehr gut verständlich. Nach außen erscheint die Rolle des Jerusale-
mer Tempels als von den persischen Großkönigen politisch legitimiert. Angesichts eines
Herrschaftswechsels ist das gut nachvollziehbar, gaben sich die neuen Herren doch traditio-
nell als legitime Nachfolger ihrer Vorgänger — vom in der Regel diffamierten unmittelbaren
Vorgänger einmal abgesehen — und als Wahrer ihres Erbes. Der Beibehaltung eines status
quo war der Aufweis einer möglichst langen legitimem Traditionslinie sicher nicht abträg-
lich. Durch die Feststellung, dass die persischen Herrscher im Auftrag Jhwhs handelten (vgl.
Est 1,2) ist die Rolle Jerusalems zugleich göttlich legitimiert, damit unabhängig von der per-
sischen Herrschaft und über ihr Ende hinaus gültig.‘
Während sich Jes 45,1-3* mit der ältere Traditionen aufgreifenden achämeni-
dischen Propaganda in Einklang bringen lassen, hat V.4 diesen Rahmen, je-
denfalls soweit er im Kyroszylinder repräsentiert ist, verlassen. Kyros wird
6% SCHAPER, Priester, 67; vgl. SASSE, Geschichte, 44f. Vorsichtiger formuliert ALBERTZ,
Exilszeit, 104: „Die aramäische Version trägt dagegen Züge eines persischen Dokuments
und könnte teilweise authentisch sein.“ Das bereits von WWELLHAUSEN, Geschichte, 155
gefällte Urteil, wonach „alle persischen Königsurkunden im Buche Esd. ebenso unecht wie
die bei Jos. Ant. 1,118 s“ seien, setzt sich in jüngerer Zeit jedoch zunehmend durch; vgl.
Lux, Tempel, 149f.
685 KRATZ, Tempel, 71; vgl. SCHWIDERSKI, Handbuch, 343-380.
686 Vgl. SCHWIDERSKI, Handbuch, 381; GRÄTZ, Chronik, 408-414. Zur Abfassung von
Esr-Neh in spätpersischer, eher frühhellenistischer Zeit vgl. außerdem BECKER, Esra/
Nehemia, 7; KAISER, Grundriß I, 134; KRATZ, Komposition, 97; ZENGER, Einleitung’,
275f.; KARRER, Ringen, 43. e
687 KRATZ, Tempel, 72. Mit Blick auf Esr 6,3-5.6-7 ist es demnach „nicht ausgeschlos-
sen“, dass man es „mit einer authentischen Gesprächsnotiz aus der Zeit des Tempelbaus zu
tun hat“ (ebd.); vgl. ALBERTZ, Exilszeit, 104 („interne Aktennotiz der persischen Ver-
waltung“). Skeptischer urteilt GRÄTZ, Chronik, 413: „Es lässt sich jedoch kaum ermitteln,
ob hierin ein historischer Reflex aufbewahrt wird oder ob hier ein den zweiten Jerusalemer
Tempel im Nachhinein legitimierender Zug eingetragen worden ist.“
688 Vol. WILLI, Juda, 66-76.
69 Zu den Auswirkungen des Alexanderzuges und der Diadochenkriege auf Jehud
vgl.
HAAG, Das hellenistische Zeitalter, 34-45.
690 Vgl. KARRER, Ringen, 351.
3.3 Monotheismus im Deuterojesajabuch 209
dort als eifriger Verehrer Marduks dargestellt.”' Da die Berufung auf die je-
weilige Lokalgottheit der Legitimierung der eigenen Herrschaft diente und
nichts mit persönlichen Vorlieben zu tun hatte, sondern hergebrachten Kon-
ventionen und propagandistischen Bedürfnissen folgte,”” spiegelt die Ein-
schätzung, Jhwh sei seinem — namentlich ursprünglich nicht genannten -- Ge-
salbten unbekannt, vermutlich die realen Verhältnisse der Achämenidenzeit,
wäre aber von persischer Seite kaum so propagiert worden. Noch einen
Schritt weiter geht die (ältere) Fortsetzung in V.6, die das eigentliche
Proprium des Eingreifens Jhwhs deutlich macht: Jhwh greift für Jakob/Israel
ein
Das Eingreifen für Israel dient in erster Linie der weltweiten Erkenntnis des
Gottes selbst.” Dass Kyros mit der weltweiten Verbreitung des Mardukkul-
tes beauftragt gewesen wäre, geht aus dem Text des Kyroszylinders keines-
wegs hervor. Zwar wird vorausgesetzt, dass Marduk dem Perserkönig die
Weltherrschaft übergeben kann, doch scheint dieser Vorgang an anderen
Orten auch mit anderen Göttern in Zusammenhang gebracht worden zu
sein.°”* Die weltweite Herrschaft, um die es im Kyroszylinder eigentlich geht,
ist nicht die Herrschaft Marduks, sondern jene des Kyros.” Wenn Jes 45,6
dagegen die weltweite Erkenntnis der Einzigkeit Jhwhs als Grund und Ziel
der Herrschaft des Perserkönigs nennt, dann geht das schwerlich auf persi-
sche Agenten zurück,“ sondern spricht das Jhwh-Volk Israel von innen an,
indem es einen Fremden als von Jhwh legitimierten Herrscher verkündet.
Parallelen dazu finden sich beispielsweise in Babylon oder in Sais: Die Mar-
duk-Priesterschaft propagierte Kyros als „König des Weltreichs“” und
machte Kambyses zum König von Babylon. Die Priester am Neith-Tempel
der im Nildelta gelegenen Stadt Sais, Residenzstadt der von den Persern ab-
gelösten 26. Dynastie, proklamierten Kambyses und später Dareios zu Phara-
91 Vgl. Z. 23.27.35 und dazu die Feststellung, dass Nabonid Marduk nicht verehrte
ו
692 Vgl. KUHRT, Cyrus-Cylinder, 89 und oben S. 195f.
63 Vgl. ELLIGER, Deuterojesaja, 498.
6% Vgl. den oben 5. 195 angesprochenen Zylinder aus Ur.
695 „...Alle Länder insgesamt musterte er, er prüfte (sie), 1207 suchte einen gerechten
Herrscher nach seinem Herzen, er faßte ihn mit seiner Hand: Kyros, den König von An-
schan, berief er, zur Herrschaft über das gesamte All sprach er seinen Namen aus.“ Überset-
zung aus TUAT 1, 408.
6% Gegen SMITH, II Isaiah, 418.
697 Vgl. Kyroszylinder Z.20, TUAT I, 408.
210 Kapitel 3: Der einzige Gott und die Bilder
6% Die Titulatur der Perserkönige als „König von Ober- und Unterägypten“ findet sich
inschriftlich auf der Statue des Udja-Hor-resenet (im Vatikanischen Museum; Abbildung bei
BRIANT, Cyrus to Alexander, 473; Übersetzung der Inschrift und weitere Literatur TUAT I,
603-608). Die Inschrift bietet unter anderem die Lebensgeschichte des Udja-Hor-resenet,
der nicht nur unter den letzten Pharaonen der Saitendynastie (Amasis, Psammetich Ill.)
sondern auch unter den Achämenidenkönigen Kambyses und Dareios hohe Ämter beklei-
dete. FRIED, Priest, 64 vermutet, Udja-Hor-resenet sei Hoherpriester des Neith-Tempels
gewesen, doch nimmt dieser die von Fried als Argument ins Feld geführten Titel nicht für
sich selbst in Anspruch, sondern schreibt sie seinem Vater zu („der Sohn des...“; TUAT I,
606, Z.10; vgl. auch LLOYD, Inscription, 169). Jedenfalls stammte er aus priesterlichem Ge-
schlecht und stand dem Neith-Tempel deshalb offenbar sehr nahe. Ob ihm die tragende
Rolle, die er im Rahmen des Übergangs der Pharaonenwürde auf die Perserkönige für sich
reklamiert, tatsächlich zukam, ist angesichts der Gattung des Textes und seines apologeti-
schen Charakters jedoch zweifelhaft (vgl. LLOYD, Inscription, 171).
6% Vgl. FRIED, Priest, 179. Allerdings darf man sich die Umstände, unter denen Kyros als
Weltherrscher dargestellt oder Kambyses als Pharao tituliert wurde, kaum so vorstellen, als
seien die königlichen Titel Verhandlungsmasse zwischen den Achämenidenherrschen und
den Priesterschaften von Babylon bzw. Sais gewesen (gegen FRIED, Priest, 179). Die Aner-
kennung des neuen Herrschers war doch eher zunächst eine Konsequenz militärisch unter-
mauerter politischer Realitäten, auch wenn die dem Herrschaftswechsel folgende Propagan-
daliteratur anderes verkündet. Immerhin — die Priesterschaften der großen Tempel der Resi-
denzstädte Babylon und Sais hatten erheblich mehr als einen Titel anzubieten: Zum einen
eine funktionierende, ortskundige Verwaltung, zum anderen theologische Autorität und
kultische Darstellungsmöglichkeiten, die sich propagandistisch nutzen ließen.
7% ELLIGER, Deuterojesaja, 491; in späten Texten auch den Hohepriester, vgl. SEYBOLD,
ThWAT V, 57.
דיוDa die achämenidische Religionspolitik lokale Kulte soweit duldete und unterstützte,
wie sie zur Stabilisierung der persischen Herrschaft beitrugen (vgl. KUHRT, Cyrus Cylinder,
;94 WIESEHÖFER, Das antike Persien, 88f.), ist zu vermuten, dass deren theologische bzw.
kultische Legitimierung, etwa in Form von Gebeten für das Herrscherhaus oder der Über-
tragung lokaler Herrscherattribute auf die Großkönige, an den Tempeln im Achämeniden-
reich weit eher die Regel als die Ausnahme war. Es ist deshalb nicht unwahrscheinlich, dass
die Herrschaft des Kyros bzw. seiner Nachfolger auch an anderen Orten, etwa in Samaria
oder Elephantine auf den Willen Jhwhs zurückgeführt wurde. mym ַחיִשְמ ist als Königstitel
jedoch bisher ohne Analogie im Alten Orient, innerhalb des Alten Testaments fast aus-
schließlich im Rahmen der Davidüberlieferung und im Psalter belegt und daher fest mit
3.3 Monotheismus im Denterojesajabuch 211
men werden, wenn der Kyrosname in Jes 45,1 ursprünglich, die geschilderte
Einnahme einer Stadt in Jes 45,2 zweifelsfrei auf Babylon (im Jahr 539 v.Chr.)
zu beziehen und eine Datierung des Königsorakels in die Anfangsjahre der
persischen Herrschaft damit sicher wäre. Ist jedoch einmal erkannt, dass ört-
liche, personelle und zeitliche Bezüge sekundär sind, ergeben sich weitere
Fragen. Setzt die Proklamation eines Fremden als göttlich legitimiertem Herr-
scher nicht voraus, dass die Hoffnungen auf die Restaurierung des vorexili-
schen status quo, auf ein Wiedererstehen des Königreichs Juda unter einem
Davididenkönig, in weite Ferne gerückt sind?” Passt das in eine Zeit, in der
es ausweislich der Botschaften eines Haggai oder Sacharja oder angesichts des
relativ offenen Endes der Königebücher Restitutionshoffnungen sehr wohl
gab? Setzt die Ansicht, dass am Schicksal Israels unter fremder Herrschaft die
Einzigkeit Jhwhs weltweit sichtbar werden soll, nicht ein positives Verständ-
nis der Rolle Israels innerhalb des achämenidischen Weltreiches voraus? Wa-
tum wird betont, dass der fremde Herrscher Jhwh nicht kennt, obwohl Kyros
anscheinend daran gelegen war, sich als Kenner und Verehrer diverser Gott-
heiten darstellen zu lassen? War der Prophet Realist genug, um nicht mit ei-
ner Erkenntnis Jhwhs beim Perserkönig selbst zu rechnen,” oder wird hier
auf die Gewohnheiten der Großkönige des 5. Jh.v.Chr. Rücksicht genommen,
die beginnend mit Dareios I. (522-486) bis zu Dareios 11. (423-404) in ihren
Inschriften andere Götter neben Ahuramazda nicht namentlich erwähnen?”
Und schließlich das bereits mehrfach angesprochene Problem: Wenn dieses
Wort tatsächlich um das Jahr 539 v.Chr. gesprochen worden wäre, hätte es
nicht in der Versenkung verschwinden müssen? Vor dem Hintergrund der
Verhältnisse der Exilszeit setzt die Erkennbarkeit der Einzigkeit Jhwhs am
Schicksal Israels eine Änderung seiner Situation voraus. Ein Blick auf die
biblischen und außerbiblischen Quellen vermittelt freilich den Eindruck, dass
„die beginnende persische Zeit... nur als Erhaltung und Weiterführung recht
zu verstehen [ist].“ Wenigstens bis zum Beginn der Herrschaft Dareios’ 1.
veränderte sich ausweislich der biblischen Texte in Juda so gut wie nichts,
und die Archäologie lässt für die materielle Kultur Judas bzw. Jehuds gar auf
eine Phase der Kontinuität schließen, die aus der letzten Phase der staatlichen
Zeit durch die gesamte neubabylonische Epoche hindurch bis tief in das
5. Jh.v.Chr. hineinreicht.”” „Die Archäologie ergänzt und bestätigt also das
Jerusalem verbunden (vgl. SEYBOLD, ThWAT V, 53). Es spricht alles dafür, auch für
Jes 45,1ff. Beziehungen zu Jerusalem anzunehmen.
702 Vgl. BALTZER, Deutero-Jesaja, 57.
703 Was jenem Ergänzer auffiel, der am Beginn von V.3b deshalb die Worte עַדָת un
einfügte.
704 Vgl. STAUSBERG, Religion, 175.
705 WILLI, Juda, 35.
706 Vgl, STERN, Material Culture, 229; Province, 20f.; WILLI, Juda, 34f., SCHMITT, Bilder-
sturm, 193.
212 Kapitel 3: Der einzige Gott und die Bilder
Grundlage dieses Neuen ist die Aussage der weltweiten Herrschaft Jhwhs,
begründet in seiner Einzigkeit: Jhwh beherrscht als einziger Gott die Welt
und lenkt ihre Geschichte. Es geht hier also kaum primär um den Erweis der
Überlegenheit Jhwhs gegenüber Marduk,”"” sondern um eine Positions- und
Aufgabenbestimmung Israels und seines Gottes im persischen Weltreich.
Dass Marduk oder andere Götter hier nicht beim Namen genannt werden, ist
713 Vgl. TORREY, Second Isaiah, 44; KRATZ, Kyros, 89; DAVIES, God, 218f.
714 Vgl. WILLI, Juda, 58: „Esr-Neh schildert keineswegs eine halbwegs gelungene Wieder-
herstellung vorexilischer Verhältnisse. Sein Ziel ist ein anderes. Erzählt und dokumentiert
werden die Ansätze, die Vorgeschichte und die mühsamen Entwicklungen, die schließlich
zur persischen Provinz Jehud geführt haben — die für den Verfasser dieser Geschichtsdar-
stellung inzwischen längst als gegeben gilt. Ihre Stellung im Rahmen des achämenidischen
Großreichs, die mit der Bedeutung und Einschätzung des neuerbauten Jerusalemer Heilig-
tums zusammenhängt, die dadurch auf die Probe gestellten äußeren Beziehungen zu den
Nachbarn und Bewohnern des Landes und der innere Aufbau der Provinz und ihrer Haupt-
stadt: das sind die Themen des Buches. Daß damit etwas im Vergleich zum vorexilischen
Königreich Juda Neues auf den Plan tritt, ist dem Verfasser nicht nur. völlig klar, sondern er
begrüßt es auch, indem er es durch seine Darstellung begründet und mit Zeugnissen ver-
schiedener Provenienz belegt.“ Vgl. auch KARRER, Ringen, 332f.349-351 und DAVIES, God,
218-220.
715 Gegen ALBANI, Gott, 91 u. ö.
214 Kapitel 3: Der einzige Gott und die Bilder
vor dem Hintergrund der Überzeugung, dass Jhwh der einzige Gott über-
haupt ist, nur konsequent. Es entspricht auch ganz der sonst zu beobachten-
den Praxis im Deuterojesajabuch, wo ja nur ein einziges Mal, Jes 46,1, andere
Götter beim Namen genannt werden. Dass V.5a« in Verbindung mit V.5aß
die Nichtexistenz anderer Götter deutlicher ausspricht als es V.6aß.b in Ver-
bindung mit dem Verweis auf die Schöpfermacht Jhwhs in V.7 tut, mag einer
gewissen Ökonomie geschuldet sein, nimmt V.5a doch in Kurzfassung vor-
weg, was den wesentlichen Inhalt der VV.6f. ausmacht: Außer Jhwh gibt es
keinen Gott, andauernde Fremdherrschaft ist nicht etwa Ausdruck fortdau-
ernden Zornes Jhwhs gegen Israel, sondern souveräner Ausdruck seiner
Herrschaft über die Welt, in der Israel nicht die Rolle des Herrschaftsinstru-
ments, sondern jene eines Zeugen zugedacht ist. Im Kontext dieser Aussagen
erscheint der Gottesname im Rahmen der Ausschließlichkeitsformel bereits
als Synonym für „Gott“.
Jes 45,188 liest sich als ausführliche Einleitung zur V.18b mit der Ausschließ-
lichkeitsformel einsetzenden eigentlichen Jhwh-Rede. Jhwh wird als Schöpfer
vorgestellt, und gerade als Schöpfer ist er „der Gott“. Die in Deuterojesaja
einzig hier belegte Wendung םיִהלֶאָה x17,"”' ist bereits im Rahmen der Unter-
suchung zum Monotheismus im Deuteronomium begegnet und ein Blick auf
ihre alttestamentlichen Belegstellen zeigt, dass sie wohl ursprünglich in der
deuteronomistischen Literatur zu Hause 188.77Verglichen mit den Gegensatz-
paaren Licht und Finsternis bzw. Heil und Unheil in Jes 45,7 ist auffällig, dass
das Schöpfungswerk Jhwhs hier durch Ausschluss des Chaos ()ןהת"אל ganz
betont positiv bestimmt ist. Die ganze Erde ist „zum Wohnen“ geformt wor-
den.
Jes 45,21 schließt ursprünglich an V.20a an’” und setzt den dort begonnenen
Aufruf an die „Entronnenen der Völker“ fort, die Jhwh-Rede wendet sich
hier also formal von Israel ab und den dem Kyroszug entronnenen Völkern
zu.” Der Aufruf zur Versammlung erinnert an die Gerichtsreden Jes 41,1ff.;
41,21ff.,” doch spielt die Frage der Ohnmacht der dort Jhwh gegenüber-
stehenden anderen Götter hier keine Rolle mehr.'” Eine rhetorische Frage
verdeutlicht, woran Einzigkeit und Wesen Jhwhs erkennbar sind: Er hat ,,016-
ses“ ()תאז vorausgesagt,” womit der Sache nach im Kontext nur der Kyros-
sieg, also der Aufstieg der Achämeniden zu Weltherrschern gemeint sein
kann.” Die Angeredeten sind den Kämpfen und Wirren des persischen Er-
oberungszuges entronnen, der, wie bereits Jes 45,1-7 deutlich gemacht hat,
für Israel bewirkt worden ist. Die Einzigkeit Jhwhs wird hier nicht aus seiner
Schöpfermacht heraus begründet, sondern aus seiner Fähigkeit, die Ge-
schichte vorherzusagen und zu lenken, also aus seiner Geschichtsmacht ge-
schlossen. Dabei wird auf die fraglichen Ereignisse sichtlich zurückgeblickt:
Die Entronnenen’” der Völker sollen den Weissagungsbeweis als erfüllt und
damit die Einzigkeit Jhwhs als gegeben anerkennen. Außer Jhwh gibt es kei-
nen Gott und dieser Gott zeichnet sich dadurch aus, dass er gerecht ist und
rettet. Die generelle Wesensbestimmung Jhwhs als Retter im Anschluss an die
Einzigkeitsaussage ist auffällig. Zum einen ist die auf das Gottsein Jhwhs be-
zogene Ausschließlichkeitsformel דוע ןיִאnur hier durch eine Wesensbestim-
mung erweitert. An allen anderen Stellen steht sie entweder für sich am Ende
eines Satzes (45,6.18.22) oder vor einer weiteren Aussage der Nichtexistenz
anderer Götter (45,5.14; 46,9). Zum anderen begegnet die Charakterisierung
Jhwhs als Retter zwar schon in 45,15.17,77 dort jedoch mit Bezug auf Israel.
Hier sind es die fremden Völker, die Jhwh als den gerechten und rettenden
Gott erkennen sollen. Es folgt mit V.22, gewissermaßen als Konsequenz, die
Einladung an die gesamte Völkerwelt, die weltweite Ausdehnung des Heils.
hinter dir her, mit Fesseln ziehen sie einher und zu dir werfen sie sich nieder, zu dir hin
beten sie: „Nur bei dir ist Gott und keiner ist sonst, kein Gott!“
Das literarische Wachstum des Textabschnittes Jes 45,14-17 dürfte vom ihn
mit der Botenformel mm רַמָא > eröffnenden V.14 ausgegangen sein.”! In-
nerhalb von V.14 kommen eben diese ohne prädikative Erweiterung stehende
Botenformel sowie die Wendung ּולְלַּפְתִי Tor als sekundäre Erweiterungen
in Betracht. Unabhängig davon fällt besonders ins Auge, dass es hier Angehö-
ספתfremder Völker sind, welche die Einzigkeit Jhwhs nicht erst erkennen
sollen, sondern sie bereits bekennen. Der Gottesname wird ihnen nicht in
den Mund gelegt, sondern die Ausschließlichkeitsaussage mit der allgemeinen
Gottesbezeichnung לֶא formuliert. Adressatin der Jhwh-Rede, das machen die
Suffixe der 2. f. Sg. deutlich, ist Zion/Jerusalem, die Stadt, in deren Mitte der
einzige Gott Jhwh präsent ist.” Als Vertreter der Völkerwelt erscheinen jene
drei Völker, die in Jes 43,3 als Lösegeldgabe für Israel genannt werden:
Ägypten, Kusch und Seba:’*
DNOT > מִצְריִם כוּש וּסְבָאBIT )mm מושִיעֶךneneD קדושnoT mim ִּי אָנִי
Denn ich bin Jhwh, dein Gott, der Heilige Israels, dein Retter. Ich gebe (als) dein Löse-
geld Ägypten, Kusch und Seba an deiner Stelle.
Dass diese drei Völker in Jes 43,3 lediglich deshalb als Lösegeld genannt wer-
den, weil Kyros mit der Übernahme des neubabylonischen Reiches die übrige
bekannte Welt doch schon mehr oder weniger beherrschte und „[man] Löse-
geld... ja nicht ... von dem [nehmen kann], was dem anderen bereits ge-
hört“, 7 ist auf den ersten Blick ansprechend, bei genauerem Hinsehen je-
doch unwahrscheinlich. Zweifellos betont Jes 43,4 den besonderen Wert
Israels:
Teer non םיִמָאְלּו TATM DIN JAN] MSIE IR] ָסְַּבְכִנ יִניִעְבMP} רֶשַאמ
Weil du teuer bist in meinen Augen (und) wertvoll bist und ich, ich dich liebe, so gebe
ich Menschen/ Inseln/ Ländereien’? an deiner Stelle und Völker anstelle deines Lebens.
Wozu bedarf es noch des ganzen Nordostens Afrikas als Lösegeld? Waren
Lydien und vor allem Babylonien nicht ausreichend, um Israel auszulösen?
Wenn der gesamte Kyroszug auf die Initiative Jhwhs zurückgeht und Kyros
sein Werkzeug ist, wie kann nach der Eroberung Babylons und der folgenden
Übernahme des neubabylonischen Herrschaftsgebietes durch die Perser Israel
noch nicht „ausgelöst“ sein?
Die Vermutung, die Nennung Ägyptens folge geostrategischer Logik, die
nach der Eroberung Asiens die Wendung nach Afrika erfordert habe, um den
alten, einmal bereits durch die Assyrer verwirklichten Plan der Schaffung ei-
nes einheitlichen Weltreiches in die Tat umzusetzen, ist schon eher einleuch-
tend. Sie ist gleichwohl nur dann die wahrscheinlichste Erklärung, wenn man
voraussetzt, dass zumindest Jes 43,3 aus der Zeit um 539 v.Chr. stammt: Da
Kyros keinen Ägyptenfeldzug unternommen hat, ein Exiljudäer jedoch kaum
einen Einblick in etwaige Ägyptenpläne des Kyros gehabt haben dürfte, muss
„Deuterojesaja“ dann die in Jes 43,3; 45,14 angesagte persische Expansion
nach Süden aus allgemeinen politischen und strategischen Erwägungen er-
schlossen haben.” Angesichts der Möglichkeit einer späteren Abfassung der
ältesten Texte in Jes 40-55 oder eines im Vergleich zum ältesten Textbestand
sekundären Charakters der Verse 43,3; 45,14,” liegt es jedoch sehr viel näher,
den göttlichen Eingriff in die Geschichte, der den geschilderten Völkerzug
herbei führen soll, als schon geschehen zu begreifen.” Die Aussagen von
Jes 45,14 (und 43,3?) wären dann im Rückblick auf eine konkrete persische
Ägyptenpolitik formuliert worden." Ab dem Ägyptenfeldzug des Kambyses
lassen sich verschiedene Beispiele dafür aufzählen, hatten doch trotz der
herrschaftssichernden Maßnahmen von Kambyses’ Nachfolger 12326108
sowohl Xerxes (486/5) als auch Artaxerxes I. (460-454) mit umfangreichen
ägyptischen Erhebungen zu kämpfen. Die Weiterführung der von Kyros im
Auftrag Jhwhs begonnenen persischen Expansion lässt die besiegten Völker
erkennen, wer der einzige Gott ist und wo sich das Zentrum seiner Vereh-
rung, sein Wohnort, befindet. Das wird die Existenz einer nicht nur ideellen
sondern auch für Fremde sichtbaren Wohnstätte Jhwhs in Jerusalem bereits
voraussetzen. Inhaltlich bietet der Text eine „anschauliche Entfaltung der
Aussage von 45,62“. Die dort als Jhwh-Rede angekündigte weltweite Er-
kenntnis der Einzigkeit Jhwhs wird hier drei Völkern exemplarisch in den
Mund gelegt. Die Auswahl gerade dieser drei Völkerschaften ergibt sich of-
fenbar aus einer Kombination von [68 43,3 und 45,13. Die Spannung zwi-
schen der Aussage in 43,3, wonach jene drei Völker als Lösegeld für Israel
gegeben werden und 45,13, wonach es für den Wiederaufbau Jerusalems und
die Rückführung der Gola keine Gegenleistung geben wird, ist dadurch auf-
gelöst, dass Jes 45,14 die in 43,3 als Lösegeld bezeichneten Völker Jerusalem
bzw. Israel selbst zuspricht."“* Das Bekenntnis zur Einzigkeit Jhwhs-ist dabei
mit seiner Präsenz in Jerusalem verbunden, die im Zentrum der Aussage
steht. Die geschilderte Situation erinnert an Jes 60 und das Motiv der Völ-
kerwallfahrt zum Zion.'*
Der Aufruf an die Enden der Erde in Jes 45,22 wirkt im jetzigen Kontext als
„konsequente Folge ... (der) Prädikation (Jhwhs als) des einzigen Gottes“”®
am Ende von V.21. Auch das Rettungsmotiv dürfte von dort aufgenommen
sein. Die Ausschließlichkeitsformel ist wie in Jes 45,14 ohne den Gottesna-
men konstruiert, die Aussage bedarf also des Kontextes der Jhwh-Rede. Auch
die Beweisführung hinsichtlich der Einzigkeit Jhwhs ist offenbar vorausge-
setzt. Es ist immer aufgefallen, dass die damit vorgenommene Ausdehnung
des göttlichen Heils auf die gesamte Völkerwelt‘ den Völkern eine Rolle
zuweist, die sich von der eines Zuschauers (vgl. etwa Jes 52,10 oder 45,6;
auch 45,14 lässt nichts von einer Heilsteilhabe der Völker erkennen) deutlich
unterscheidet.” Von den im Stil der Gerichtsreden formulierten VV.18f. lässt
sich V.22 als Mahnwort unterscheiden, ein formaler Unterschied, der von
einem Adressatenwechsel begleitet wird, denn „alle Enden der Erde“
) (כָּל"אַפֶסִידאָרֶץist kaum mit den „Entronnenen der Völker“ )םיִוגַה ( יִטיִלְּפaus
V.20a.21 identisch,“ sondern geht darüber hinaus. Insofern die Einrichtung
der Erde zum Wohnen V.18 sicher die Duldung aber keineswegs notwendig
743 Mit KRATZ, Kyros, 94 ist somit gegen VAN OORSCHOT, Babel, 243 festzuhalten, dass
Jes 45,14 mit Blick auf 43,3 formuliert wurde und jünger als dieser Vers ist.
74 Vgl. MERENDINO, Der Erste und der Letzte, 434. WESTERMANN, Jesaja 40-66, 138
sieht sich an Jes 60,3-14 erinnert und meint, dass Jes 45,14 ursprünglich dorthin gehört. Vgl.
dazu KRATZ, Kyros, 94 Anm. 349 und zum Motiv der Völkerwallfahrt HERMISSON, Deute-
rojesaja, 40f.
745 HERMISSON, Deuterojesaja, 73.
746 Dass Versuche „nationaler“ Deutung am Wortlaut des Textes vorbeigehen erläutert
überzeugend HERMISSON, Deuterojesaja, 73-75; vgl. auch KRATZ, Kyros, 60f.
747 Vgl. KRATZ, Kytos, 60f.
748 So mit MERENDINO, Der Erste und der Letzte, 448 gegen WESTERMANN, Jesaja 40-66,
143.
220 Kapitel 3: Der einzige Gott und die Bilder
) כָּמּנִיNED וְאִין עוד אֶלְהִיםRD RD זְכְרוּ ראשנות מַעוּלֶם כִּי
Denkt an die früheren Dinge von Ewigkeit an, denn ich bin Gott, keiner sonst, Gott bin
ich und keiner ist wie ich.
Jes 46,9 bildet mit den Partizipialkonstruktionen der VV.10.11la und dem
Aussagesatz V.11b ein „Jahwewort, (das) eine in sich geschlossene Einheit
[ist] und ... keiner Ergänzung [bedarf].“”°' Dass mit V.12 etwas Neues be-
ginnt, zeigt der V.3 aufnehmende Einsatz mit der Aufforderung zum Hören.
Jes 46,8 leitet von V.7 zum Folgenden über und scheint derselben redaktio-
nellen Bearbeitungsschicht wie V.12 anzugehören.”” 7.98 sowie die Fortset-
zung der Einzigkeitsaussage 0.90 in 10f. erinnern an die Gerichtsrede
Der Widerspruch zu Jes 46,9 besteht nur oberflächlich, ist in Jes 43,18 mit
קדמניותan Stelle von םֶלּועַמ zwar „wohl an die gesamte Geschichte Israels bis
in die jüngste Vergangenheit hinein [gedacht]“,”” aber kaum die Urzeit der
Schöpfung angesprochen.” Jes 46,9 greift bewusst hinter die geschichtliche
Existenz Israels zurück und verbindet so Geschichts- und Schöpfermacht.
Jhwh allein lenkt die Geschichte der Welt seit ihrer Gründung, darum ist er
allein Gott.
753 FOHRER, Jesaja 40-66, 101 betrachtet auch Jes 46,9-11 als Diskussionswort.
754 Vgl. HERMISSON, Deuterojesaja, 127.
755 Vgl. oben 3.2.6.1.
756 Vgl. KRATZ, Kyros, 56-66.
757 Auf der Ebene des Endtextes werden durch V.8 schließlich die Abtrünnigen ()םיִעְשופ
zu Adressaten, auch wenn sich תאז in V.8a nicht auf das Folgende, sondern auf Vorher-
gehendes bezieht.
758 So WESTERMANN, Deuterojesaja, 149f.
759 Vgl. KRATZ, Kyros, 69; HERMISSON, Deuterojesaja, 130.
760 ELLIGER, Deuterojesaja, 353. Zur Diskussion, ob Jes 43,18 konkret die Heilstat des
Exodus, genauer, das Schilfmeerwunder im Blick habe, vgl. ELLIGER, Deuterojesaja, 350-353.
761 Vgl. ELLIGER, Deuterojesaja, 352; HERMISSON, Deuterojesaja, 131f.
222 Kapitel 3: Der einzige Gott und die Bilder
3.3.3 Ich bin der Erste und ich bin der Letzte und außer mir gibt es keinen Gott
)1( Jes 43,10-13
mw 9091 בָחָרְִּיRUT אַתָּם עָרִי נְאַייְהוָה וְעַבְדִי0
mm לְפָנִי לאינוצר אל וְאַחָרִי לאmiK DNN ּ לי וְתָבִינוMON
מִבּלְעָרִי מושיעsi יְהוָהDIR = 11
Der Textabschnitt, dem Jes 43,10-13 zugehören, setzt entweder in V.8’® oder
in V.9’ ein und ist nach unten klar durch den Neueinsatz mit der Botenfor-
mel m17° ax» am Beginn von V.14 abgegrenzt. Der Gattung nach wird er
oft als Gerichtsrede bestimmt.” Während der Aufruf der Zeugen V.9 bzw.
VV.sf. formal ohne weiteres in eine solche Rede hineinpasst, scheint die
Fortsetzung in den VV. 10-13 weniger auf den vor dem vorgestellten Gericht
eingeforderten Einzigkeitsanspruch Jhwhs, sondern auf einen Lerneffekt bei
seinen Zeugen zu zielen.” Auch die Einleitung der Rede an die Zeugen mit
MiTOR] passt ebenso wenig in eine Rede vor Gericht, als deren Sprecher
שוגוselbst vorgestellt ist, wie der Ausblick auf die Zukunft in V.13. „Ginge
öf. nicht voraus, würde man 10-13 als einen Prophetenspruch bezeichnen,
der eine von dem Propheten gehörte ‚Raunung Jahwes‘ an das Volk weiter-
gibt, und zwar dem Inhalt nach ein Mahn- und Verheißungswort.“’®
Nachdem V.9 die Völker und Nationen als Zeugen der anderen, da der
Prozess offenbar als bereits begonnen vorausgesetzt ist,” nicht ausdrücklich
genannten (Pseudo-)Götter aufgerufen worden sind,” wendet sich Jhwh nun
seinen Zeugen zu, seinen erwählten Knechten. Von einer kollektiven Größe
als von Jhwh erwähltem Knecht ist in Jes 40-55 zuvor in 41,8f. die Rede,
Israel, mein Knecht, Jakob, den ich erwählt habe, und so werden die in Jes 43,10 als
Zeugen angesprochenen erwählten Knechte allgemein mit Israel identifi-
ziert.” Das ist sachlich sicher richtig, doch fällt auf, dass hier im Gegensatz
zu den übrigen Stellen im Deuterojesajabuch, an denen von der Erwählung
) (בחרeines Knechtes durch Jhwh die Rede ist,””wahrscheinlich von Knech-
ten im Plural die Rede ist: Hier ist jeder Einzelne in Israel angesprochen.”*
Die Zeugen-Knechte müssen jedoch erst noch selbst erkennen, was sie doch
eigentlich bezeugen sollten. Israel selbst muss erkennen, dass Jhwh der ein-
zige Gott ist, dass es außer ihm folglich keinen Retter gibt (V.11)”” — deshalb
)ַ (לְמַעist es erwählt worden. Nun mag es sein, dass „Erwählung bei Deute-
rojesaja wohl nirgends als das Mittel verstanden [ist], mit dem Jahwe Glauben
wecken wollte“. Wenn Jes 43,10 festhält, dass Israel noch zur Erkenntnis
„seines Gottes als des einzigen und des einzigen als des rettenden‘” kom-
men muss, dann setzt das voraus, dass Israel erwählt ist. Israel hier als er-
wählte Zeugen-Knechte aufzufassen, bedeutet deshalb keineswegs einen „lo-
gische[n] Knick in der Gedankenführung“’”. Der Glaube, dass Jhwh der Gott
Israels und Israel das Volk Jhwhs ist, mithin der Glaube, dass Jhwh Israel
erwählt hat (a/s Knecht, nicht den Knecht) ist nämlich zweifellos Vorausset-
zung dafür, dass die Geschichte überhaupt als von Jhwh gelenkte und für
Israel eine positive Rolle (Zeugenschaft) vorsehende Geschichte verstanden
werden kann. Was dazu in Erinnerung gerufen werden soll, erläutern die
Verse 11.12a: Jhwh ist der Retter und er hat sein Rettungshandeln in einer bei
den Adressaten als bekannt vorausgesetzten Form angekündigt. Der Ver-
gleich mit der vorangegangenen Gerichtsrede Jes 41,21-29, aber auch der im
unmittelbaren Kontext stehende V.9 machen deutlich, dass auch hier auf der
Linie des Weissagungsbeweises argumentiert wird: Jhwhs Zeugen sollen im
Rückblick auf das von Jhwh Vorhergesagte zu der Erkenntnis gelangen, dass
Jhwh der einzige Gott und Herr der Geschichte 186.77 V.13 verheißt, dass er
sich auch in Zukunft als solcher zeigen wird.
Jes 44,6-8 stellt sich als geschlossene Texteinheit dar,” deren Anfang durch
die Botenformel 717° רַמָאדהְּכ markiert wird. Nach unten markiert ein Wech-
sel in Stil und Thematik zwischen den VV. 8 und 9 den Beginn eines neuen
Abschnitts.” Formal wird der Text meist als Gerichtsrede bestimmt,’ ob-
wohl Elemente wie die Botenformel nicht recht dazu passen.” Elliger hat
daher wie schon Jes 43,10-13 eine stilistische Mischung aus Gerichtsrede und
Prophetenspruch ausgemacht, mit der die zwar noch als Hintergrund erkenn-
bare Situation der Gerichtsrede bereits verlassen und in eine direkte Anrede
an die Hörer bzw. Leser übergegangen ist.” V.6 konstatiert die ausschließli-
che Gottheit Jhwhs im Rahmen einer Selbstvorstellung als König und Erlöser
Israels. Dass Jhwh der Erste und der Letzte ist, spielt nicht auf die Frage nach
der zeitlichen Erstreckung seiner Existenz sondern auf seine umfassende
Macht an: „Es geht um die Geschichtsmächtigkeit als das Charakteristikum
des wahren Gottseins“,'”” das zuerst und zuletzt -- also ausschließlich — Jhwh
zukommt, weshalb es außer ihm keinen anderen Gott geben kann. Die in V.7
angeschlossene Vergleichbarkeitsfrage ist somit rein rhetorisch, keiner ist wie
Jhwh und keiner wird kommen, um die Zukunft verlässlich vorauszusagen,
was ja bereits als einzig möglicher Beweis des Gott-Seins eingeführt worden
ist (Jes 41,23a). Auch hier wird also über den Weissagungsbeweis mit der Ge-
schichtsmacht Jhwhs für seine Einzigkeit argumentiert. V.8 spricht, wie
schon in Jes 43,10-13 im Plural, Jhwhs Zeugen an und ihnen Mut zu: Fürch-
tet euch nicht! V.7 wird auf Jhwh bezogen und in der Form rhetorischer Fra-
gen eindeutig beantwortet. Jhwh hat künftiges Geschehen vorhergesagt, Israel
kann deshalb bezeugen, dass Jhwh allein Gott ist. Der Weissagungsbeweis ist
geführt, anders als die Zeugen der ohnmächtigen Nicht-Götter steht Israel
nicht mit leeren Händen da.
Merkmal des Gottesbildes in Deuterojesaja ist.”' Man hat Jes 40-55 deshalb
„gern neben der Priesterschrift als den anderen Kronzeugen des Schöpfungs-
glaubens angesehen“, was sich etwa in Wellhausens eingangs dieses Kapi-
tels zitierter Charakterisierung „Deuterojesajas“ widerspiegelt. Von Rad hat
dagegen hervorgehoben, dass die Rede von Jhwh als Schöpfer „in der Ver-
kündigung des Propheten nur eine dienende Funktion hat und ... nirgends
selbständig גט und Albertz die These vertreten, dass „bei Deutero-
jesaja [der Monotheismus] gerade nicht wie bei Zarathustra ... über die Welt-
schöpfung begründet [wird].“””*
Die in Jes 40-55 verwendete Schöpfungsterminologie ist vielfältig. Als wichtigste Begriffe,
die Jhwh als Schöpfer beschreiben können, sind belegt:
עשה: Jes ;32,04 ;02.4,14 ;61,24 ;91.7,34 ;42.32.2,44 ;81.21.9.)x2(7,54 ;11.01.4,64 ;41.11.3,84
5975,45
N 2: Jes 40,26.28; 41,20; 42,5; 43,1.7.15; 45,7(2x).8.12.18(2x); 48,7; 54,16(2x)796
73°: Jes 43,1.7.21; 44,2.21.24; 45,7.9(2x).11.18(2x); 46,11; 49,5; 54,17797
נטה: Jes ;22,04 ;5,24 ;42,44 ;21,54 ®9731,15
פעל: Jes ;4,14 :31,34
יסד: seJ 12,04) ;(מוסֶד82,44; 31,84; 61.31,15; 11,45
: עקר65[ ;42,5 44,24 (dazu innerhalb der Bildertexte 40,19)
172: Jes 45,188%
Wie schon die Bilderterminologie ist auch das Schöpfungsvokabular überwiegend im vorde-
ren Teil des Deuterojesajabuches zu finden.°0! Dabei geht die Rede von Jhwh als Schöpfer
weit über das Thema der Weltschöpfung hinaus: Jhwh ist nicht nur der Schöpfer der Welt,
er ist zugleich der Schöpfer Israels. Auch sein Handeln in der Geschichte wird mit Schöp-
fungsvokabular umschrieben.®0? Bei genauerem Hinsehen ist zudem festzustellen, dass die
am häufigsten belegten Begriffe, השע , ארבund רצי in den meisten Fällen gerade nicht auf
die anfängliche Erschaffung der Welt, sondern auf das Handeln Jhwhs in der Geschichte
abzielen. Das ist für die Wurzel השע mit ihrer sehr allgemeinen Bedeutung „machen“ noch
nicht sonderlich aussagekräftig, für ארב und רצי dagegen durchaus bemerkenswert: N72, im
Alten Testament nur mit Jhwh als Subjekt belegt und durch seine Verwendung im priester-
schriftlichen Schöpfungsbericht Gen 1 mit dem Beginn der Welt assoziiert — immerhin ist es
das erste Verb im uns heute vorliegenden Text des Alten Testaments — bezieht sich in Deu-
terojesaja nur in zwei Versen auf Schöpfung als eindeutig abgeschlossenes Geschehen „am
Anfang“, Jes 45,12 (Schöpfungsobjekt Mensch) und Jes 45,18 (Himmel und Erde). Die
Jes 40,26 einleitende Frage zielt zwar auf ein in der Vergangenheit erfolgtes Erschaffen der
Sterne, aber der Rest des Verses macht deutlich, dass Jhwh seine Macht über die Gestirne
auch und gerade in der Gegenwart ausübt. Auch in der Aussage über Jhwh als Schöpfer und
ewiger Gott Jes 40,28 fließen anfängliche Schöpfung und gegenwärtige Geschichtsmacht
ineinander.°® Ob sich Jes 42,5 auf die Ordnung der Welt in der Vergangenheit bezieht oder
die Erhaltung der Welt meint, hängt davon ab, ob man die diversen Partizipien in diesem
Vers perfektisch oder präsentisch auffasst. Jes 45,7 schließlich wird bisweilen als Verweis auf
die anfängliche Schöpfung von Licht und Finsternis gelesen,°%* doch ist zumindest ein As-
pekt der Aussage, dass auch gegenwärtig Jhwh derjenige ist, der Licht und Finsternis, Heil
und Unheil schafft, alles wirkt und so die Geschichte lenkt.°05 An allen anderen Belegstellen
ist mit ארב nicht an Handlungen im Rahmen der „Anfangsschöpfung“ gedacht. רצי schließ-
lich bezeichnet mehrfach die Bildung bzw. Erschaffung Israels/Jakobs für Jhwh, bezieht
sich eindeutig auf anfängliche Schöpfung jedoch nur in Jes 45,18 (mit 872) und 45,9, wo es
auf ähnliche Weise wie in Gen 2,7 die Erschaffung des Menschen beschreibt.
Es ist nicht zu bestreiten, dass das einzige explizit formulierte Kriterium für
Göttlichkeit in Jes 40-55, die Fähigkeit, zuverlässige Aussagen über die Zu-
kunft zu machen (Jes 41,23a), auf die Frage der Geschichtsmacht eines Got-
tes zielt, dass also „der sog. Weissagungsbeweis für DtJes’ Begründung des
monotheistischen Bekenntnisses die entscheidende Rolle spielt.“ Jhwhs
Gott-Sein erweist sich an seiner Macht über die Geschichte. Ein Gott ohne
Einfluss auf die Geschichte ist Nichts. Es ist deshalb stimmig, dass die expli-
ziten Aussagen zur Einzigkeit Jhwhs in erster Linie mit dem Weissagungsbe-
weis verknüpft sind. Allein die Behauptung, Jhwh habe Einfluss auf die Ge-
schichte, macht ihn jedoch noch keineswegs zum einzigen Gott. Dem Krite-
rium, dass ein „Gott“ ohne jeden Einfluss auf die Geschichte kein Gott ist,
hätten wohl grundsätzlich auch Anhänger einer Vielzahl von Göttern zuge-
stimmt.” Wo mehrere Götter nebeneinander existieren, kommen deshalb
#08 Zum babylonischen Weltschöpfungsepos Enuma elisch vgl. GRONEBERG, Götter, 92--
96.
809 Vgl. BOYCE, Zoroastrians, 25-27. Wie weit diese Schöpfungsvorstellungen in achäme-
nidischer Zeit bereits ein theologisches System bildeten, ist freilich unklar; vgl. KRATZ/
SPIECKERMANN, TRE 30, 263f.
810 Vgl. KÖHLMOOS, Auge, 356-358.
81! Vgl. KRATZ/SPIECKERMANN, TRE 30, 276.
3.3 Monotheismus im Deuterojesajabuch 229
PR}
tuht Gott (Gen 2,2), nachdem er die Herrschaft über die Erde dem Menschen
anvertraut hat (Gen 1,26-28), der als „Mandatar Gottes dazu aufgerufen [ist],
Gottes Herrschaftsanspruch auf Erden zu wahren und durchzusetzen.“®'? Im
Zusammenhang der Priesterschrift wäre der Ausgang des Schöpfungsberich-
tes als Ausdruck des Unwillens Gottes, sich fürderhin um sein Werk zu sor-
gen, fehlinterpretiert. Gott greift ein, in Gestalt der Sintflut Gen 6-9 sogar
äußerst drastisch. Der Verfasser der Disputationsworte Jes 40,12-31 sah sich
offenbar mit Zweifeln am Willen Jhwhs, in die Geschichte einzugreifen, kon-
frontiert,‘'” heißt es doch nach der Darlegung der einzigartigen Macht Jhwhs
in Jes 40,27:
Die folgenden VV.28-31 betonen dagegen, dass Jhwh gerade als Schöpfer für
sein Volk eingreifen will,“ denn wenn er in V.28 nicht nur als Schöpfer der
Enden der Erde )ץֶרֶאָה ארוב( תוצקerscheint, sondern auch als Gott der
Ewigkeit (mm םֶלוע nor), fließen darin Geschichtsmacht und Schöpfermacht
zusammen, denn םֶלּוע,, ist die mit Geschichte gefüllte Zeit, ist die Welt als
Geschichte in der Jhwh wirkt und über die er der absolute Herr 18.77 Mit
קצות הָאֶרֶץtsi eid ehcilmuär gnukcertsrE red ethcihcseG ,nebeirhcseb eid
Erde in ihrer Gesamtheit als der Ort, der für den Verlauf der Menschheitsge-
schichte die Bühne darstellt.”'° Wenn darüber hinaus auch noch festgehalten
wird, dass Jhwh weder ermüdet noch ermattet )עְניי ףַעיי אלוxD), so ist damit
jede Vorstellung von einem seiner Schöpfung abgewandten Gott, der dem
Lauf der Geschichte einfach zusieht, abgewehrt: „Gott hat ganz persönlich
seine Hände im Spiel, er arbeitet in der Geschichte.“®'” Dazu will die Vorstel-
lung eines ruhendes Gottes (Gen 2,2) nicht so recht passen. Weil Jhwh als
ewiger Gott Schöpfer und Herr der Geschichte ist, hat für Deuterojesaja
letztlich jedes Handeln Jhwhs in der Geschichte Schöpfungsqualität. Aus
Sicht des priesterschriftlichen Schöpfungsberichtes erscheint diese Ansicht
nicht unproblematisch, konstatiert doch Gen 2,1:
Für Deuterojesaja hört Schöpfung dagegen niemals auf: Wo Jhwh handelt, ist
Schöpfung. Geschichtsmacht und Schöpfermacht greifen so zur Begründung
des monotheistischen Gottesbildes ineinander. Weil Jhwh Geschichtsmacht
hat, ist er Gott. Das Schöpfungsargument tritt hinzu und sichert Jhwhs Ge-
schichtsmacht als ihm allein zukommende Eigenschaft ab, für die Vergan-
genheit, für die Gegenwart und für die Zukunft: Weil Jhwh, der Herr der Ge-
schichte, auch der universale Schöpfer ist, war er immer der einzige Gott, ist
er der einzige Gott und wird er auch immer der einzige Gott sein.“ Er lenkt
allein die Geschicke der Welt und ihrer Völker, derer er sich bedienen kann,
um die Geschicke seines Volkes Israel zu bestimmen. Für Israel in seiner ge-
schichtlichen Existenz ist dies freilich nicht unmittelbar aus der Schöpfung,
sondern in seiner Geschichte erfahrbar. Insofern ist es sachgerecht, den
Schöpfungsglauben, ja auch den Monotheismus als dienendes Element der
Verkündigung Deuterojesajas zu begreifen.” Der eigentliche Kern der Bot-
schaft von Jes 40-55 ist keineswegs, dass Jhwh die Welt geschaffen hat, nicht
einmal, dass er allein Gott ist, sondern dass die Israel widerfahrene und wi-
derfahrende Geschichte auf seinen Willen zurückgeht, dass sie sein Werk ist.
Jhwh als einzigen Gott zu verkündigen, sichert diese Botschaft gegen eine
geschichtliche Wirklichkeit ab, die auch als Untätigkeit oder Ohnmacht Jhwhs
interpretiert werden konnte (vgl. Jes 40,27). Da sich wahre Geschichtsmacht
nach Deuterojesaja jedoch an der Fähigkeit zeigt, zukünftige Ereignisse kor-
rekt vorherzusagen, ist die vornehmliche Verknüpfung der explizit mono-
theistischen Aussagen mit dem Weissagungsbeweis sinnvoll.
3.3.3 Fazit
Gottes bezeichnet wird.®? Liest man diese Bedeutung aus der priesterschriftlichen Schöp-
fungserzählung in Jes 45,7 hinein, was angesichts der Qualifizierung jeglichen Handelns
Jhwhs als Schöpfungshandeln nachvollziehbar ist, wird der Bezug von ארב auf Finsternis
und Unheil zum theologischen Problem, denn Gen 1,31 bietet eine eindeutige Qualifikation
des göttlichen Schöpfungswerkes:
וְהנָהדטוב מָאדyam ירא אֶלהִים אֶתְכָּלדאָשָר
Und Gott sah alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut.
Wie kann Gott zugleich die Welt „sehr gut“ machen und Finsternis und Unheil schaffen?
Dieses grundsätzliche Problem eines jeden konsequent zu Ende gedachten Monotheismus
erfordert eine Klärung des Verhältnisses zwischen Schöpfer und Schöpfung, das außerhalb
von Kapitel 45 in Deuterojesaja keine Rolle spielt. Außerhalb der auf Jes 45,7 folgenden
Verse ist stets das Geschichtshandeln Jhwhs im Blick. Es mit Schöpfungsterminologie zu
umschreiben, sichert die Einheit und Einzigkeit des die Geschichte der Welt lenkenden
Gottes Jhwh: Weil Jhwh von jeher alles macht, kann es keinen anderen Gott außer ihm ge-
ben. Da dieselbe Geschichte jedoch von den einen als Heil, von den anderen dagegen als
Unheil erfahren werden kann, muss ein universal verstandenes Geschichtshandeln Jhwhs
auch diese Bereiche menschlicher Erfahrung umfassen. Wenn Jhwh also nach Jes 45,7 Licht
formt und Finsternis erschafft, Heil macht und Unheil schafft, schlichtweg alles macht, dann
sind damit keineswegs die Schöpfung selbst oder die Einstellung des Schöpfers zu ihr
grundsätzlich negativ bestimmt. Vielmehr wird die geschichtliche Wirklichkeit in all ihrer
Ambivalenz von Heil und Unheil als das Werk Jhwhs beschrieben, salopp gesagt: Wo geho-
belt wird, da fallen Späne.
Für den in der Geschichte stehenden Menschen ist es nun nicht ohne weiteres nachvoll-
ziehbar, warum — um noch kurz im Bild zu bleiben — gehobelt wird und wenn gehobelt wird,
warum dort gehobelt wird, wo gehobelt wird. Ist ein Gott, der das Unheil schafft, gerecht
und gut? Gegen die sich aus der augenscheinlich oft zufällig verlaufenden Geschichte erge-
benden Anfragen an den Sinn und die Gerechtigkeit des Handelns Gottes suchen
Jes 45,8.9£.11b.18 Jhwh zu verteidigen, indem sie auf unterschiedliche Weise sein Verhältnis
zu seiner Schöpfung und zum Menschen bestimmen.
Jes 45,8:
m msn הָקְרְצּו vgyman Pannen Prem םיקָחְּו Span םיִמָש ּופיִעְרַה
בְָּאתִוmim ַנִי
Lasst träufeln ihr Himmel oben und ihr Wolken fließt über von Recht. Erde öffne ???
fruchtbar an Heil und Gerechtigkeit sprossen lassen zugleich. Ich, Jhwh, habe es erschaf-
fen.?*
Der Vers ist ein Stück für sich, nach oben durch den Adressatenwechsel, 45,1--7 richten sich
an den Gesalbten Jhwhs, nach unten durch ,"וה wehe! am Beginn von V.9 abgegrenzt.®?*
Jes 45,8 zeigt Jhwh als Schöpfer von Recht, Heil und Gerechtigkeit, Himmel und Erde sol-
len sie nach seinem Willen hervorbringen. Die abschließende Feststellung mit ארב stellt die
somit eher mittel- als unmittelbare Herstellung von Heil und Gerechtigkeit auf eine Stufe
822 Gen 1,1-5 ließe sich auch als Korrektur der Aussagen in [68 45,6f. lesen; vgl.
AURELIUS, „Ich bin der Herr“, 345. ;
823 Der Text befindet sich nicht gerade in bestem Zustand; vgl. BHS und HERMISSON,
Deuterojesaja, 1f.
824 Vgl. HERMISSON, Deuterojesaja, 2.
234 Kapitel 3: Der einzige Gott und die Bilder
mit der Erschaffung von Finsternis und Unheil in V.7. Die Gegenüberstellung verliert kei-
neswegs an Deutlichkeit, wenn man ריִתאְרְּב mit Hermisson als deklaratives Perfekt auffasst
und entsprechend präsentisch „hiermit erschaffe ich 657% übersetzt: Jhwh mag grundsätz-
lich Finsternis und Unheil schaffen bzw. geschaffen haben, aber sein jetziges, dem Schöp-
fungshandeln qualitativ ebenbürtiges Handeln in der Geschichte, zielt auf Recht, Heil und
Gerechtigkeit.
Zu Jes 45,18 vgl. oben 3.3.1.2. Der Vers hält gegen aus Jes 45,7 möglicherweise erwach-
sende Missverständnisse fest, dass Himmel und Erde zum Wohl des Menschen, als sein
Wohnort erschaffen worden sind. Nirgendwo sonst in Jes 40-55 findet man so viel Schöp-
fungsterminologie (2x X72, 2x 73", ,השע ( ןוכauf so engem Raum. Die Schöpfung ist gut und
hat einen guten Zweck, wie immer die sich in ihr abspielende Geschichte auch verlaufen
mag.
Jes :11-9,54
לוRID ppoT mnenyam pI אַתחַרְשִי אֶרְמָה הַיאמַר חמָרraB EISM na הוי9
nrop תוליד וּלְאֶשָה- הוי אמָר לְאָב מה0
ns פעל יָדִי- הָאתִיות שָאֶלוּנִי עַלִבָּנִי וְעַל21 gS קדושmm אָמַר- פַּה1
9 Wehe dem®%, der rechtet mit seinem Bildner, Scherbe von Scherben des Erdbodens.
Spricht der Ton zu seinem Bildner: Was machst du? Und dein Werk: Du hast keine
Hände? 10 Wehe dem, der zum Vater spricht: Was zeugst du? Und zur Frau: Was ge-
bierst du? 11 So spricht Jhwh, der Heilige Israels und sein Bildner: Wollt ihr mich fragen
wegen meiner Söhne und wegen der Werke meiner Hände mir befehlen?
Es ist weitgehend anerkannt, dass der mit dem Weheruf am Anfang von Jes 45,9 beginnende
Textabschnitt im jetzigen Kontext bis V.13 reicht. Für die literarkritische Abtrennung der
VV.9f. spricht die V.11 einleitende Botenformel הְוהי -רַמָא
הפ.*7 Zu den in der Forschung
schon lange gehegten Bedenken hinsichtlich der Ursprünglichkeit des Zusammenhangs der
Wehe-Worte 95. mit den VV.11-13 sowie zur Zuweisung von V.11b zur selben Ergänzung
vgl. ausführlich Hermisson z. St.#28 Jes 45,9£.11b gehen direkt auf das Verhältnis zwischen
Mensch und Gott ein, weisen zweimal, VV.9f. und 11f. Anfragen des Menschen an Gottes
Handeln mit dem Verweis auf die Geschöpflichkeit des Menschen im Gegensatz zur souve-
ränen Schöpfermacht Jhwhs als völlig unangemessen ab. Jhwh kann als Gott über seine
Schöpfung verfügen, der Mensch hat dies nicht zu hinterfragen. Man fühlt sich an die Rede
Gottes an Hiob erinnert.®2? Der Urheber der nachgetragenen Verse 9£.11b hat sich allerdings
kaum in erster Linie für die Völker interessiert. Wenn nämlich V.11b nicht Bestandteil des
von der durch Prädikationen erweiterten Botenformel V.11a eingeleiteten älteren Textes
war, fehlt schon diesem älteren Text ohne den Gegensatz zwischen den Angeredeten und
„meinen Söhnen“ ein eindeutiges Indiz dafür, dass er sich nicht an Israel, sondern an die
Völker richtete. Für den Zusammenhang der VV.9-13 gilt dies freilich umso weniger: „Von
85 HERMISSON, Deuterojesaja, 6.
86 Zum häufig und auch von BHS gemachten Vorschlag, statt 27 יזה 2()I}7 zu lesen
(vgl. auch V.10init.) siehe HERMISSON, Deuterojesaja, 9.10. |
#7 Vgl. WESTERMANN, Jesaja 40-66, 134; HERMISSON, Deuterojesaja, 14.
#28 HERMISSON, Deuterojesaja, 11-15.
#29 Nach WESTERMANN, Jesaja 40-66, 134 kann man Jes 45,10 für sich genommen als Ab-
weis einer Hi 3 entsprechenden Auflehnung des Geschöpfes gegen seinen Schöpfer verstehen.
#0 Gegen HERMISSON, Deuterojesaja, 21.
3.3 Monotheismus im Denterojesajabuch 235
er
V.9f. herkommend versteht man unwillkürlich auch V.11 als Anrede an Israel, das an Jahwe
(zweifelnde) Fragen stellt wegen seines Wirkens an seinen Söhnen. “83!
Ob nun eines der beiden literarischen Korpora die Verwendung von ארב
durch die jeweils andere Schrift voraussetzt, oder ob sie etwa gleichzeitig den
Begriff 872 aus der zeitgenössischen theologischen Diskussion aufgenommen
und exklusiv auf das Handeln Jhwhs bezogen haben, muss hier nicht ent-
schieden werden. Grundsätzlich ist beides denkbar. Wo Abhängigkeiten ge-
sehen werden, wird, meist wegen des unterschiedlichen Gebrauchs, tenden-
ziell Deuterojesaja Priorität zuerkannt.‘ Deuterojesaja verwendet ארב be-
kanntlich nicht nur für das vergangene und gegenwärtige, sondern auch für
das künftige Schaffen Gottes, während „die Priesterschrift den zuvor vielfäl-
839 Vgl. SMEND, Entstehung, 57; KAISER, Grundriß I, 61; KRATZ, Komposition, 248. Die
Datierungsvorschläge reichen zur Zeit von spätexilisch (so etwa SCHMIDT, Einführung, 101)
bis in die zweite Hälfte des 5. Jh. v.Chr (so LEVIN, Das Alte Testament, 75).
840 Vgl. BERNHARDT, ThWAT I, 773.
841 Vgl. SCHMIDT, THAT I, 337.
842 Vgl. BERNHARDT, ThWAT I, 776.
843 Vgl. HOSSFELD/ZENGER, Psalmen 51-100, 585-587.
84 SCHMIDT, THAT I, 337.
845 Vgl. SEEBASS, Numeri, 199f.
846 Vgl. KRATZ, Komposition, 110.117.
847 So z. B. AURELIUS, „Ich bin der Herr“, 344.
238 Kapitel 3: Der einzige Gott und die Bilder
3.4 Zusammenfassung
852 Die Perser jedenfalls scheinen den judäischen Gott Jhwh mit dem Hochgott des Rei-
ches identifiziert zu haben; vgl. DAVIES, God, 223.
240 Kapitel 3: Der einzige Gott und die Bilder
stellen, wie sie etwa Dtn 4 zu geben versucht, zu erwarten. Da Jhwh generell
den Bildern gegenübergestellt wird, ist deshalb wahrscheinlich, dass der Ver-
fasser der Bilderfabrikationstexte die bildlose Verehrung Jhwhs aus eigener
Praxis kennt. Adressaten sind somit nicht Jhwh-Bilder herstellende Handwer-
ker und schon gar nicht die fremden Völker, deren „Götter“(-Bilder) verun-
glimpft werden, sondern Jhwh-Verehrer, vermutlich in erster Linie jene in der
Diaspora und wegen des Vokabulars wohl konkret jene im Zweistromland.
Wesentlicher Zweck der Bilderpolemik ist die Illustration der im Zuge des
monotheistischen Bekenntnisses behaupteten Überlegenheit Jhwhs. Dass die
anderen „Götter“ Bilder haben, zum Zwecke ihrer öffentlichen Darstellung
im Kult sicher von Vorteil gegenüber einem bilderlosen Kult, dem diese
Möglichkeit der Visualisierung göttlicher Nähe fehlte, wird in Jes 41,24b.29b;
46,1f. als Argument gegen die Macht dieser „Götter“ ins Feld geführt. Das
Schicksal der Bilder untermalt die Ohnmacht der Götter. Die eigentlichen
Bilderfabrikationstexte ziehen den Bilderkult dann auf der Grundlage der
Identifikation von Gott und Götterbild zunächst in Lächerliche, sind in
[168 44 aber noch um eine eindringliche Warnung vor der von den an sich
wirkungslosen Bildern ausgehenden Gefahr ergänzt worden. Obwohl die Bil-
der „Nichtse“ sind, bleibt jeder Kontakt mit ihnen gefährlich, weil er nach
außen als Verehrung eines anderen Gottes als Jhwh sichtbar wird und so der
Israel anbefohlenen Zeugenrolle zuwiderläuft. Vielleicht reagieren die Ergän-
zungen der Bilderpolemiken in Deuterojesaja auf eine „Nebenwirkung“ des
monotheistischen Bekenntnisses: Wenn die (Bild-)Götter machtlos sind, weil
es nur einen einzigen Gott gibt, ist die Teilnahme am „Kult“ dieser „Götter“
dann überhaupt relevant?
Aber ich bin ihnen ein wenig zum Heiligtum geworden
in den Ländern, wohin sie gekommen sind.
(Ex 11,16)
KAPITEL 4
Die Frage nach der monolatrischen Verehrung Jhwhs ist mit Blick auf das
Ezechielbuch — ähnlich wie bei Deuterojesaja — prima facie nicht unbedingt
einsichtig. Eine dem Befund im Deuteronomium entsprechende Entwick-
lungslinie vom Ersten Gebot des Dekalogs über dessen Weiterverbreitung bis
hin zum expliziten Monotheismus in Dtn 4 ist im Ezechielbuch nicht auszu-
machen. Vom Geschichtsrückblick in Ez 20 abgesehen, finden sich kaum
offensichtliche Bezüge zum Ersten Gebot. Dennoch ist die Frage nach Mo-
nolatrie im Ezechielbuch unausweichlich. Götter außer Jhwh kommen als
„Götter“ im ganzen Buch nicht vor. Ezechiel prangert die Verehrung von
„Götzen“ an. Dass Jhwh der Gott Israels ist und Israel nur ihn verehren soll,
ist dabei offenbar vorausgesetzt. Das mehrfache Vorkommen der so ge-
nannten Bundesformel' verstärkt diesen Eindruck. Es ist deshalb zu fragen,
ob diese Bestimmung des Verhältnisses zwischen Israel und seinem Gott le-
diglich eine faktische Alleinverehrung Jhwhs, also die für den Staatskult der
späteren Königszeit Judas und vielleicht auch Israels vermutete Religions-
form, voraussetzt, oder ob dem Verfasser oder den Verfassern des Ezechiel-
buches und den Adressaten das Programm der Alleinverehrung Jhwhs bereits
so selbstverständlich war, dass es seiner ausdrücklichen Erwähnung nicht
bedurfte. Oder anders formuliert: Geht das Ezechielbuch im Rahmen der
Religionsgeschichte Israels der programmatischen Monolatrie des Deutero-
nomiums voraus, oder fußt seine Theologie bereits auf jenen theologischen
Positionen, um deren Akzeptanz das Deuteronomium kämpft?
Die Untersuchungen zum Deuteronomium haben ergeben, dass die Idee
der Kultzentralisation nicht nur älter als das im Ersten Gebot Text gewor-
ו2 ;11,20 ;14,11 ,34,24 ;36,28 .37,23.27 Zut Bedeutung der Bundesformel auf dem Weg
zum Ersten Gebot vgl. AURELIUS, Ursprung, 9 sowie oben Kap. 2.1.3.
242 Kapitel 4: Der einzige Gott und die Götzen
dene Programm der alleinigen Verehrung Jhwhs ist,’ sondern dass sich die
Entstehung dieser Idee am plausibelsten nach dem Verlust von Staat, König
und Staatskult 587 v.Chr. erklären lässt.” Gemäß der klassischen Situierung
und Datierung Ezechiels innerhalb der ersten, 597 v.Chr. nach Babylonien
deportieren Gola, an der für den Propheten und zahlreiche Texte des nach
ihm benannten Buches vielfach weiterhin festgehalten wird,* kann „Ezechiel“
zumindest in seinem Grundbestand die programmatische Monolatrie nicht
kennen.’ Es wird daher zu untersuchen sein, ob und wie Ezechiel die Allein-
verehrung Jhwhs durch Israel begründet und welche Folgen sich daraus für
die Einschätzung seines Standortes innerhalb der Religionsgeschichte Israels
ergeben.
4.1.1 Ich, ich werde für sie Gott sein — Die „Bundesformel“ im Ezechielbuch
Der Vers findet sich im Kontext der so genannten Hirtenallegorie Ez 34. Häufig wird er
gemeinsam mit V.23 als Nachtrag bestimmt, da ein Widerspruch zwischen der Ankündigung
der (erneuten) Einsetzung eines Davididen als irdischem Regenten über Israel und den vo-
rangehenden Aussagen der VV.11-22, wonach Jhwh selbst das Hirtenamt über Israel aus-
üben will, zu bestehen scheint.” Diese Ansicht ist jedoch keineswegs unbestritten.? Weitge-
hende Einigkeit besteht hingegen darüber, dass das Hirtenkapitel nach dem Vorbild von
Jer 23,1-8 gestaltet ist? und vielleicht auch Ez 11,14-21 voraussetzt.! Die in den VV.25-31
folgende Verheißung eines Friedensbundes, nach Levin ein Nachtrag zu einem die VV.23f.
einschließenden Grundbestand,!! nach Pohlmann!? die ursprüngliche Fortsetzung von
Ez 34,16-22, weist zudem enge Berührungen mit Ez 37,24-28 auf.!3 Ob Ez 34 insgesamt
„ein Erzeugnis der theologisch-literarischen Weiterarbeit des 4. Jh.s [ist]“!* kann hier offen
bleiben. Die „halbe“ Bundesformel in Ez 34,24 dürfte relativ spät, jedenfalls später als die
„vollen“ Bundesformeln in Ez 11,2015 und wohl auch Ez 37,27'6 in das Ezechielbuch ge-
langt sein.
Dass Dtn 26,16-19 schwerlich eine literarische Einheit darstellt, ist lange erkannt.!® V.16 ist
als Rahmenvers wegen des pluralischen Doppelausdrucks D’PM und D’'BEWUN mit den Versen
Dtn 5,1; 11,32 und 12,1 zusammen zu sehen und ee mit 12,1 die Kapitel Dtn 12-
26.19 V.19 erweist sich wegen des unvermittelten Subjektswechsels zwischen den Infinitiven
דVgl. FOHRER, Ezechiel, 196; ZIMMERLI, Ezechiel, 841f.; WILLMES, Hirtenallegorie, 189;
POHLMANN, Ezechiel, 467.
8 LEVIN, Verheißung, 219 sieht das ganze Kapitel auf die Davidverheißung in den
VV.23f. zulaufen; vgl. auch KRÜGER, Geschichtskonzepte, 453-457.
9 Vgl. HÖLSCHER, Hesekiel, 169; MILLER, Verhältnis, 106; ZIMMERLI, Ezechiel, 835f.;
LEVIN, Verheißung, 218f.
10 Vgl. LEVIN, Verheißung, 219f.
1! Vgl. LEVIN, Verheißung, 220.
12 Vgl. POHLMANN, Ezechiel, 468.
13 Vgl. LEVIN, Verheißung, 221; POHLMANN, Ezechiel, 468f.
14 LEVIN, Verheißung, 219.
15 Vgl. dazu unten Kap. 4.1.1.1.
16 Vgl. dazu unten Kap. 4.1.1.4 und Kap. 4.1.1.5.
17 Vgl. HERRMANN, Heilserwartungen, 255; PERLITT, Bundestheologie, 108.
18 Vgl. SMEND, Bundesformel, 14; PERLITT, Bundestheologie, 102-106; LEVIN, Verhei-
Bung, 101-105.
19 Vgl. PERLITT, Bundestheologie, 102f.; LOHFINK, Bundesformel, 245; ROSE, 5. Mose,
366f.
244 Kapitel 4: Der einzige Gott und die Götzen
am Ende von V.18 ("AWb; Subjekt Israel) und am Beginn von V.19 (ana; Subjekt Jhwh)
und der Wiederaufnahme der zweiten Hälfte der Bundesformel und des 727 UND aus 8
als nachträglicher Versuch, den bis dahin vor allem in Pflichten Israels bestehenden Bund
ausgewogener zu gestalten.?? Ob die Bundesformel der Verse 17f. allein unter Rückgriff auf
das Schema Dtn 6,4 gestaltet wurde, oder auch Jer 7,23 bereits voraussetzt,?! mithin, ob die
Bundesformel ihren ältesten literarischen Ort im Jeremiabuch oder im Deuteronomium hat,
kann hier offen bleiben. Ihren Weg durch das Deuteronomium und die deuteronomistische
Literatur hat sie jedenfalls von Dtn 26,17f. aus angetreten.” Dass das Bundesverhältnis in
Jer 7,23 )םֶעְל בכל םיִהְלאָל םֶּתַאְו יִלדּויְהִּתnm) יִלוקַב ( ּועָמַשmit dem Hören der Stimme
Jhwhs verbunden ist, schließt das Gesetz, was immer hier konkret darunter zu verstehen
sein mag, als Form der Stimme Jhwhs jedenfalls nicht grundsätzlich aus. In Dtn 4,1-30,
sicher jünger als Dtn 26,175, wird der Dekalog als Inhalt des Bundes bestimmt (V.13) und
später, nach erfolgtem Bundesbruch (V.23) die Umkehr zu Jhwh mit dem Hören auf Jhwhs
Stimme verbunden (V.30). Damit soll kaum ein Gegensatz zum Gesetz geschaffen werden.
Wenn die Bundesformel ihren Ausgang von Jer 7,23 her genommen haben sollte, wäre die
ursprüngliche Bundesbedingung (Hören der Stimme Jhwhs) zunächst in Dtn 26,17f. um das
Gesetz erweitert (vgl. auch Dtn 30,10), später innerhalb desselben literarischen Korpus je-
doch nicht etwa um die „Stimme Jhwhs“, sondern wieder um das Gesetz reduziert worden
(Dtn :)03,4
Ob diese Entwicklung wahrscheinlich ist, sei dahingestellt. Da ein Vergleich zwischen dem
Deuteronomium und Ezechiel im Zentrum dieser Arbeit steht, wird sie sich im Folgenden
hinsichtlich der Frage nach Monolatrie im Ezechielbuch (weitgehend) auf eine Gegenüber-
stellung der Ezechielbelege mit Dtn 26,17f., einer der Grundlagen zur Formulierung des
Ersten Gebots, beschränken. Dies ist auch dann gerechtfertigt, wenn Levins Urteil einer von
Jer 7,23 ausgehenden literarischen Verbreitung der Bundesformel zutreffend sein’ sollte. Der
demnach zweitälteste Beleg im Jeremiabuch, Jer 11,4, setzt bereits Dtn 27,15-26 voraus,
doch ist dieser Text seinerseits jünger als die Verbindung von Dtn 26,17£. mit dem jetzigen
Beginn des Segen-Fluch-Kapitels Dtn 28.2+ Die Bundesformeln im Ezechielbuch setzen
somit, ob nun direkt oder über das Jeremiabuch vermittelt, das Bundesverständnis des
Deuteronomiums voraus, was im Falle von Ez 11,20 auch anhand der Stichwortverbindun-
gen zu Dtn 26,17f. deutlich wird.
Der Inhalt des Bundesschlusses nach Dtn 26,17f. besteht nun im Wesentli-
chen aus Israel auferlegten Verpflichtungen, die durch logisch auf Du/lIsrael
bezogene Infinitive mit der Präposition ל , )ךלה, רמש, רמש( עמשbenannt wer-
den. Dass Jhwh Israels Gott sein und Israel das Jhwh-Volk sein will, bedeu-
tet, dass Israel Jhwhs Satzungen, Rechtssetzungen und Gebote beachten, in
seinen Wegen wandeln und auf seine Stimme hören wird. „Der Bund ist also
hier ... mit allen seinen Inhalten einseitig im Blick auf die Gehorsamsleistung
Israels hin interpretiert.“ Darin ist logisch eingeschlossen, dass die Nicht-
erfüllung dieser Verpflichtungen einem Bundesbruch gleichkommt, wenn
auch erst die auf Dtn 26 folgenden Ausführungen zu Segen und Fluch die
Konsequenzen explizit machen. Dabei ist ein älterer Zusammenhang zwi-
schen Dtn 26,16-19 und Dtn 28,1 durch die Hinzufügung von Kapitel 27
unterbrochen worden.” Dtn 28,1 und 28,15 greifen jeweils auf Wendungen
aus Dtn 26,17f. zurück und leiten so die Aufzählung der möglichen positiven
bzw. negativen Konsequenzen des Bundesschlusses ein. Für Israel ergibt sich
aus der Bundesverpflichtung im Falle ihrer Erfüllung Segen (Dtn 28,1):
Die Fluchreihe erreicht einen gewissen Zielpunkt in Dtn 28,36 (vgl. auch
Dtn 28,64):
Der Maßstab für ein intaktes Verhältnis zwischen Israel und Jhwh ist im
Sinne der Bundesschlussszene Dtn 26,17f., die der programmatischen Mo-
nolatrie in Form des Ersten Gebots sehr nahe steht, folglich die Einhaltung
der Gebote Jhwhs. Auf späteren, das Erste Gebot bereits voraussetzenden
literarischen Stufen von Dtn 28 realisiert sich der Bundesbruch in der Vereh-
rung anderer Götter (Dtn 28,14) und zieht die Strafen des Exils und der Bil-
derverehrung nach sich (Dtn 28,36). Im Folgenden werden die (vollständi-
28 Vgl. ZIMMERLI, Ezechiel, 241; LEVIN, Verheißung, 205. In Ez 11,22-25 lassen sich so-
mit noch einmal in das Ende der eigentlichen Vision in VV.22f. und der auf Ez 8,3b zurück-
weisenden Entrückung durch den Geist unterscheiden; vgl. HOSSFELD, Tempelvision, 156f.
® Der Prophet tritt im Ezechielbuch nur hier und Ez 9,8 als Fürbitter auf; vol.
GREENBERG, Ezechiel 1-20, 235f.; Ezekiel 1-20, 188f.
3 Vgl. ZIMMERLI, Ezechiel, 202.241; GARSCHA, Studien, 258; POHLMANN, Ezechiel-
studien, 104; Ezechiel, 157.
31 Vgl. KUTSKO, Heaven, 97-99.
#.1 Monolatrie im Ezechielbuch 247
>
Dass die Vorlage für Ez 11,17--20 vor allem in Jer 32,37-41 und nicht in Jer 24,7; 31,31-34
zu suchen 18005 wird vor allem durch das wörtliche Zitat des Beginns von Jer 32,39 in
Ez 11,19aa deutlich: דָחֶא 25 םֶהְל. יִּתְחָנְוDie Deutung dieser Aussage durch Ez 11,19b
tritt als weiteres Argument hinzu, ebenso die wörtliche Entsprechung der Bundesformeln
Jer 32,38 und Ez 11,20 (ebenfalls in Ez 14,11, 37,23, vgl. noch Sach 8,8). Die von Levin
vorgeschlagene relative Datierung der Jeremiastellen (31,31-34 > 24,7 > 32,37-41)3 kann
hier nicht erörtert werden. Schmid nennt gute Gründe für die Priorität von Jer 32,37-39
gegenüber Jer 31,31-34.°° Dass der Verfasser der Ezechielstelle neben Jer 32,37-39 jeden-
falls auch Dtn 26,17£. vor Augen gehabt hat, zeigen neben dem Vokabular der Bundesfor-
mel die zahlreichen Stichwortverbindungen. „Anhand des Wortlauts ist eindeutig, daß hier
ein Rückbezug auf die Bundesschlußszene Dtn 26,16-19 beabsichtigt ist.“ Nimmt man
Dtn 26,16 hinzu, hat mit Ausnahme des einleitenden und jedes Wort in Ez 11,20a eine
Entsprechung in der Bundesschlussszene des Deuteronomiums:
מ
הַמּשֶפָטִים- לַעָשוּת אֶתהַחָקים הָאֶלֶה (וְאֶתni ּאֶלְהָיך mm mm הַיוּם61
npdraem בְכָללְכָב
לאלהים57 הָאָמַרְתּ הַיום לְהיוּתmins - 7
ְלשְמע בלו ּמִצְותִי 2773
כלימְצְותִיו פּאֶטַר ברלpam suon לית לוoem הָאָמִירף mm 8 =
2 ְמַען
Diese Gesetzesterminologie fehlt in Jer 32,37-41 (und [62 24,6f.) ganz, während sie in
Jer 31,31-34 als Torah Jhwhs ,)יִתְרות Jer 31,33a) begegnet.37
32 So MILLER, Verhältnis, 96-99; vgl. FOHRER, Ezechiel, 61; ZIMMERLI, Ezechiel, 251.
3 Vgl. LEVIN, Verheißung, 205f.; SCHMID, Buchgestalten, 82-84.
3 Vgl. LEVIN, Verheißung, 106.
35 Vgl. SCHMID, Buchgestalten, 82-84. „Die auffällige Tatsache, daß Ez 11,19 Jer 32,39
zitiert und nicht den dem Sachanliegen von Ez 11,19 näherstehenden Text Jer 31,31-34 zum
Ausgangspunkt wählt, könnte ihre Erklärung darin finden, daß Jer 31,31-34 noch nicht vor-
gelegen hat“ (aaO. 83).
36 LEVIN, Verheißung, 209.
37 Der Begriff הק ist im Jeremiabuch lediglich fünfmal belegt, Jer 5,24; 31,35; 33,25;
44,10.23 (gegen 22 Belege in Ezechiel). Nur in Jer 44,10.23 sind damit von Jhwh speziell für
Israel erlassene Ordnungen gemeint, sonst ist er im engeren oder weiteren Sinn (5,24: Ernte-
zeit) auf die Schöpfungsordnung bezogen. Zur von LEVIN, Verheißung, 55-60 vorgeschla-
genen Ausscheidung von Jer 31,33a vgl. SCHMID, Buchgestalten, 69-71.
38 Vgl. ZIMMERLI, Ezechiel, 251; LEVIN, Verheißung, 206f. Nach LIWAK, Probleme, 113,
soll lediglich V.21 „nachträgliche Erweiterung der einheitlichen Komposition 11,14ff.“ sein.
248 Kapitel 4: Der einzige Gott und die Götzen
Die positive Kehrseite der bleibenden Aufgabe ist die bleibende Gültigkeit
des mit den Vätern geschlossenen Bundes. Jhwh hält sich an seine Ver-
pflichtungen. Israel muss, kann sich aber auch selbst ändern, um seinen Ver-
# Vgl. FOHRER, Ezechiel, 62; ZIMMERLI, Ezechiel, 250f.; LEVIN, Verheißung, 209;
POHLMANN, Ezechiel, 167f.
4 Vgl. POHLMANN, Ezechiel, 168 Anm. 811.
45 Vgl. Ez 11,21; 14,3.4.6.7; 20,16, ähnlich auch 6,9, wonach das Herz von Jhwh ab-
weicht, es jedoch die Augen sind, die den םיִלּולְג nachhuren.
4 Vgl. KUTSKO, Heaven, 124-126
47 Zum Verhältnis zwischen Dtn 29,1-30,10 und Dtn 4 vgl. oben Kap. 2.2.4.1.
# Vgl. oben Kap 2.2.4.2.
250 Kapitel 4: Der einzige Gott und die Götzen
(2) Damit das Hans Israel nicht mehr von mir weg in die Irre geht... — Ez 14,11
Das zweite Zitat der Bundesformel im Ezechielbuch bildet den Abschluss der
ersten Hälfte von Ez 14. Ez 14,1-11 kreist um die Frage, wer unter den Be-
dingungen des in Israel weit verbreiteten Abfalls von Jhwh eine Prophetenbe-
fragung vornehmen kann.” Über das Thema Prophetie ist der Abschnitt mit
Ez 12,21-28 und Ez 13 verbunden. Die Einführung einer neuen Situation in
Ez 14,1 nach der Erkenntnisformel am Schluss von Ez 13,23 und vor allem
die Wortereignisformel רמאל הָוהְיירְבְד יִלֶא m (Ez 14,2) markieren einen
Neueinsatz. Die Gottesspruchformel am Ende von V.11 und eine erneute
Wortereignisformel in V.12 begrenzen den Abschnitt deutlich nach hinten.
Durch V.3 ist eigentlich klargestellt, dass es für die bei Ezechiel anwesenden
Männer wegen ihrer Verfehlungen keine Antwort Jhwhs geben kann.” V.4 ist
daher in doppelter Weise auffällig, zum einen, weil formal doch eine Antwort
an die Fragenden ergeht, wenn auch in Form einer Gerichtsansage, die in
einen Aufruf zur Umkehr mündet,’ zum anderen, weil die Antwort als an
ganz Israel gerichteter, zeitlos gültiger Rechtssatz daher kommt.” 1
entfalten schließlich im Stile des Sakralrechts,” dass dem Strafgericht Jhwhs
sowohl derjenige, der Jhwh trotz Abfalls zu den 25151 zu befragen sucht, sei
er Israelit oder in Israel lebender Fremder, ‘als auch der ihm antwortende
Prophet anheim fallen. Im Kontext der entsprechenden Bestimmung über
den antwortenden Propheten” findet sich schließlich die Bundesformel
(Ez 14,9-11):
55 Über die Frage der richtigen Auffassung von 'N’ND gehen die Meinungen auseinander.
Traditionell (vgl. etwa FOHRER, Ezechiel, 77; EICHRODT, Hesekiel, 106; ZIMMERLI, Eze-
chiel, 300 und die meisten Bibelübersetzungen) wird der Ausdruck so verstanden, als sei es
hier Jhwh selbst, der den Propheten zu seiner unrechtmäßigen Rede verleite. Dagegen hat
Mosıs, Ez 14,1-11, 203-213 ausführlich die Auffassung begründet, das „Betören“ durch
Jhwh meine nicht die Verursachung des zu bestrafenden Handelns. Die Piel-Form יִתיִּתָפ 61
deklarativ aufzufassen (vgl. Ges-K $ 52g) und das „Betören“ sei bereits Teil der auf das Ver-
gehen folgenden Strafe selbst (dazu jedoch kritisch KRÜGER, Geschichtskonzepte, 353 mit
Anm. 326). Ähnlich übersetzt nun auch POHLMANN, Ezechiel, 195 mit „ich, Jahwe, werde
diesen Propheten für verführt erklären“. Auch inhaltliche Gründe legen es nahe, das Verlei-
ten, Betören oder zum Narren machen durch Jhwh sei eine Reaktion auf die bereits bewirkte
Verleitung des Propheten durch den Fragenden und nicht selbst die Ursache der unerlaub-
ten prophetischen Antwort.
56 Ob hier (und an zahlreichen anderen Stellen des Ezechielbuches) das zweite Element
der Gottesbezeichnung zu streichen ist, muss im Rahmen dieser Arbeit nicht entschieden
werden. Zur Doppelbezeichnung הוהי ‘78, die in der Septuaginta häufig nicht belegt und
im Apparat der BHS dementsprechend oft als Zusatz eingestuft ist, vgl. ZIMMERLI, Eze-
chiel, 1253-1258 (mit Hinweisen auf weitere Literatur).
57 Vgl. POHLMANN, Ezechielstudien, 7f.; Ezechiel, 196f.
252 Kapitel 4: Der einzige Gott und die Götzen
Dabei wird Israel als „mein Volk“ (my; V.8) bzw. als „mein Volk Israel“
(xy mv, V.9) bezeichnet. Der Bund kann also durch das strafende Han-
deln Jhwhs über die Vergehen Einzelner hinweg grundsätzlich aufrecht-
erhalten werden. Wenn die Bestrafung des Propheten nach V.11 dem Ziel
dient, dass Israel nicht mehr von Jhwh abirrt )דוע ( ּועָתידאלist jedoch ein er-
folgter Abfall nicht nur Einzelner, sondern ganz Israels im Blick.” In dieser
Hinsicht berührt sich V.11 innerhalb von Kapitel 14 mit den VV.5f., die
ebenfalls das Haus Israel als kollektive Größe im Blick haben, und bezieht
sich über die VV.7-10 hinweg auf V.6 zurück.” Da zudem V.10 „im streng
gesetzlichen Stil die Erörterung der zwei Rechtsfälle ab[schließt]“ und „der
sakralrechtliche Doppelfall ... mit der Schlußformel 10 eigentlich erledigt
[wäre]““°, liegt die Annahme nahe, dass die VV.5f.11 die jüngsten Bestandteile
von Ez 14,1-11 sind.” Durch V.4 werden die VV.5f. in den Kontext einge-
fügt. Durch die V.7 vorwegnehmende Dublette sind die Rechtssätze VV.7ff.
formal nicht mehr Gottesrede an den Propheten, sondern Teil einer Ge-
richtsrede des Propheten an die Ältesten. Das angesagte göttliche Gericht
über die Diener der םיִלּולְג und ihre Ausrottung aus der Mitte Israels werden
so von der Reinigung des Volkes zum Anlass seiner Umkehr und das
richtende Handeln Jhwhs erhält einen neuen Sinn (Ez 14,5a):
Anders als in Ez 11,19 ist hier nur von einer Manipulation, nicht von einem
Austausch des Herzens die Rede. Das in den VV.7-10 verhandelte Problem
wird in seiner Bedeutung für das Gottesverhältnis ganz Israels herausgestellt.
Die Vorschrift richtet sich gegen Israeliten oder in Israel lebende Fremde, die
nicht allein Jhwh verehren, aber dennoch Jhwh befragen bzw. befragen lassen
wollen. Nichts deutet darauf hin, man solle sich diese Befragung Jhwhs als
nicht ernst gemeint denken:°” Die Fragenden erhoffen sich eine Antwort von
19 Und es wird geschehen, der Mann, der nicht auf meine Worte hört, der in meinem
Namen redet, ich selbst werde von ihm Rechenschaft fordern. 20 Doch der Prophet, der
sich vermessen sollte, ein Wort in meinem Namen zu reden, das ich ihm nicht zu reden be-
fohlen habe, oder der im Namen anderer Götter reden wird: Dieser Prophet soll sterben!
zwischen jenen, die ausschließlich Jhwh verehren auf der einen und allen an-
deren auf der anderen 56106.7 Schärfer kann der Ausschließlichkeitsanspruch
eines Gottes kaum zum Ausdruck gebracht werden. Sobald die Sphäre des
Religiösen betroffen, sobald Jhwh involviert ist, ist jedweder Kontakt, durch
den der Anspruch Jhwhs, in Israel allein verehrt zu werden, potenziell in
Frage gestellt wird, ein todeswürdiges Verbrechen. Es ist gar nicht notwendig,
offen die Verehrung anderer Götter zu propagieren, es reicht völlig aus, ihre
Verehrung durch Einzelne neben (nicht anstelle von) Jhwh durch die Ertei-
lung einer prophetischen Antwort zu tolerieren.° Man kann Ez 14,9 insofern
als verschärfende Anwendung von Dtn 18,19f. lesen, deren Bedeutung für
ganz Israel und seinen Bund mit Jhwh die VV.5f. und V.11 mit der Bundes-
formel herausstellen. Auch wenn die entsprechenden Stichworte nicht fallen,
ist damit die Alleinverehrung Jhwhs offensichtlich als Programm vorausge-
setzt.”
eignisformel V.16 markiert nicht nur einen formalen Einschnitt, sondern lei-
tet ein neues Thema ein, eine Jhwh-Rede an den Propheten, die Jhwhs Ein-
greifen, die Rückführung Israels ins Land, begründet. Israel musste ins Exil,
weil es das Land verunreinigt hatte (V.17). Die Rückkehr wird ihm jedoch
nicht verheißen, weil es sich gebessert oder Jhwh sich seiner erbarmt häte,
sondern allein wegen des heiligen Namens Jhwhs (VV.21f.). Weil Israel das
Jhwh-Volk ist, stellt seine fortdauernde Abwesenheit von seinem Land die
Macht Jhwhs in Frage, zum Ausdruck gebracht im Spott der Völker (36,20b):
„Infolge der Zerstreuung freilich ist Jahwe nun vor ein Dilemma gestellt:
Statt des Landes droht der Name Jahwes unter den Völkern entheiligt zu
werden.“ Diese Argumentation unterscheidet sich von jener in Ez 20,39, die
den Vorgang der Entheiligung nicht in der bloßen Anwesenheit, sondern im
Verhalten Israels unter den Völkern ausmacht." Wie in Ez 20,41 kündigt
Jhwh auch in Ez 36,23 an, sich bzw. seinen Namen vor den Augen der Nati-
onen als heilig zu erweisen. Doch während das Ziel allen Handelns Jhwhs in
Ez 20 die Jhwh-Erkenntnis Israels ist (vgl. Ez 20,38.42.44), zielt sein Macht-
erweis hier auch auf die Jhwh-Erkenntnis der Nationen: 717° יִנָאדיִּכ םיּוגַה1977
(V.23a). V.23 sticht nicht nur deshalb” und zn .- auf die Erkenntnis-
formel folgenden Gottesspruchformel הוהי 78 Dr)” ins Auge. Auffällig ist
außerdem, dass die Jhwh-Rede trotz des doppelten Abschlusses in V.23a.ba
in V.23bß fortgesetzt und in den folgenden Versen mit neuem Thema — Ver-
heißung von Sammlung, Reinigung und Rückführung — weitergeführt wird.
Den nächsten deutlichen Einschnitt markiert erst die Botenformel am Beginn
von V.33.* Als Nahkontext der Bundesformel in Ez 36,28 lassen sich somit
formal die von zwei Botenformeln begrenzten VV.22-32 und darin inhaltlich
die VV.23bß-32 bestimmen, die erläutern, wie Jhwh um seines Namens
willen handeln wird:
Jhwh wird sich vor den Augen der Nationen als heilig erweisen, indem er Is-
tael aus den Nationen und Ländern sammelt und in sein Land zurückführt
(V.24). Die Themen der Sammlung und Rückführung sind noch deutlicher als
in Ez 11,17 auf Dtn 30,1-10 bezogen. Mit חקל gal, ץבק pi. und אוב hi. werden
sie neben Ez 36,24 innerhalb des Ezechielbuches noch in 37,21,’° außerhalb
nur noch in Dtn 30,3-5 angekündigt.” Im Zuge dieses Geschehens wird Is-
rael von seinen Sünden und von allen seinen םיִלּולּג gereinigt werden. Der
Reinigungsvorgang selbst erinnert an Reinigungsriten, wie sie insbesondere
im Buch Leviticus für zahlreiche Fälle beschrieben sind, dort jedoch in Ver-
bindung mit dem Verb קרז unter Verwendung von Blut.” Seltener ist auch
76 Zu den literarischen Beziehungen zwischen Ez 36,24 und 37,21 vgl. unten Kap. 4.1.1.4.
דדVgl. KRÜGER, Geschichtskonzeptionen, 444f.
78 Vgl. HAAG, Untersuchung, 38; ZIMMERLI, Ezechiel, 878; קרז gal steht an 24 von 33
Belegstellen im Zusammenhang mit einem Blutritus: Ex 24,6.8; 29,16:20;" 6
4.1 Monolatrie im Ezechielbuch 27
>
von der Verwendung von Wasser als Reinigungsmedium die Rede, vor allem
im Buch Numeri: Num 8,7; 19,13.18.19.20.21; 31,23.7 Besondere Nähe weist
Ez 36,25 zu Num 19,13.20 auf, da nur hier der Vorgang des Besprengens mit
Wasser mit dem Verb קרז ausgedrückt ist,“ während an den anderen genann-
ten Stellen הזנ hi. verwendet wird. Der Verfasser von Ez 36,25 hat vermutlich
ein Reinigungsritual, wie es in Num 19 beschrieben wird, vor Augen gehabt."
So wie in Num 19 der Kontakt mit dem Heiligtum Reinigung erfordert, ist es
hier der (erneute) Kontakt mit dem Land, der Reinigung notwendig macht.”
Obwohl der Nachweis direkter Abhängigkeit der Ezechielstelle von
Num 19,13.20° mit dem Problem unterschiedlicher Bezeichnungen des Was-
sers (772 ,יִמ Num 19,13.29; םירּוהט om Ez 36,25) behaftet ist, bleibt festzu-
halten: „Mit Anspielungen auf kultische Riten verheißt V.25 eine totale Reini-
gung Israels durch Jahwe.““*
Die folgenden VV. 26-28 greifen mit der Verheißung eines neuen Herzens
und eines neuen Geistes sowie der mit der Landverheißung verbundenen
Bundesformel offensichtlich auf Ez 11,14-21, insbesondere auf die VV. 19f£.
zurück.” Dass Ez 36,26-28 dabei der nehmende und nicht der gebende Teil
gewesen ist, kann noch nicht allein durch die Abhängigkeit von Ez 11,17.19f.
von Jer 32,37-39 erwiesen werden,” da entscheidende Stichworte aus Jer 32
sowohl in Ez 11 als auch in Ez 36 fallen. Ein deutliches Indiz ist sicher, dass
der Beginn von Jer 32,39 (MX בל יִּתַתָנְו( םֶהְלnur in Ez 11,19, nicht jedoch in
36,26 tatsächlich wörtlich zitiert ist. Die Art und Weise der Verwendung des
aufgenommenen Vokabulars und der Verarbeitung der gemeinsamen Themen
erweisen Ez 36,26-28 schließlich als Neuinterpretation von Ez 11,17.19f.
Zunächst ist in Ez 36,26 tatsächlich von der Gabe eines neuen Herzens die
3,2.8.13; 7,2.14; 8,19.24; 9,12.18; 17,6; Num 18,17; 2Kön 16,13.15; Ez 43,18; 2Chr 29,22
(2x); 30,16; 35,11. Die Zerstreuung anderer Dinge bezeichnet es in Ex 9,8.10 (Ofenruß);
Jes 28,25 (Kümmelsaat); Ez 10,2 (feurige Kohlen); Hi 2,12 (Staub); 2Chr 34,4 (zermahlene
Überreste zerstörter Kultgegenstände). Die Versprengung von Wasser ist mit קרז nur in
Ez 36,25 und durch die beiden pu. Belege Num 19,13.20 zum Ausdruck gebracht.
79 In Lev 14,51 finden Blut und Wasser Verwendung.
80 Vgl. HOSSFELD, Untersuchungen, 314. Warum ZIMMERLI, Ezechiel, 879 dies übergeht,
sondern feststellt „Nu 19,9-22 reden von einem solchen Akt der Besprengung mit Wasser
(17 םייח ( םימ,gebraucht aber das Verb הזנ hiph.“ ist nicht nachvollziehbar.
81 Vgl. LEVINE, Numbers 1-20, 466.
82 HAAG, Untersuchung, 38 stellt eine Verbindung zum großen Versöhnungstag her, da
der Plural תואמט neben Ez 36,25.29 nur noch Lev 16,16.19 belegt sei. Vgl. auch HOSSFELD,
Untersuchungen, 316.
83 So HAAG, Untersuchung, 38.
84 HOSSFELD, Untersuchungen, 317.
85 Vgl. HOSSFELD, Untersuchungen, 296.317-319.336; LEVIN, Verheißung, 212; POHL-
MANN, Ezechiel, 488.
86 So anscheinend LEVIN, Verheißung, 212: „Daß dabei 36,16-28* der nehmende Teil ge-
wesen ist, folgt aus der Einsicht, daß 11,14-21* seinerseits auf Jer 32,37-39.41 beruht.“
258 Kapitel 4: Der einzige Gott und die Götzen
Rede. Was in Kapitel 11 wegen des wörtlichen Zitats aus Jer 32,39 )דָחֶא 2%)
erst durch V.19b erläutert werden musste, ist hier von vornherein explizit
ausgesprochen. Vor allem aber ist das Handeln ganz auf die Seite Jhwhs ver-
legt. Jhwh gibt nicht nur ein neues Herz und einen neuen Geist, damit Israel
in die Lage versetzt ist, die Gebote zu halten. Er selbst sorgt dafür, dass sie
auch eingehalten werden (V.27b). Entsprechend wird auch die Reinigungs-
handlung in V.25, anders als im — dort freilich sekundären — Vers Ez 11,18,
nicht von den Rückkehrern, sondern von Jhwh selbst durchgeführt. Die An-
sage des Wohnens im Lande (V.28a) zwischen Geistgabe und Bundesformel,
bekräftigt die Landverheißung. Ez 36,288 findet sich wörtlich in Jer 7,7, die
Bundesformel V.28b ist nicht aus Ez 11,20 sondern aus Jer 11,4 zitiert, was
die im Ezechielbuch ausschließlich an dieser Stelle belegte Verwendung der
Langform des Personalpronomens יִכנָא erklärt.” Schließlich wird vielfach auf
die Nähe von Ez 36,26f. zur Verheißung des neuen Bundes in Jer 31,31-34
hingewiesen,” ein Text, den Ez 11,17.19£. sehr wahrscheinlich nicht kennt,”
was ebenfalls für die Priorität von Ez 11,17.19f. gegenüber Ez 36,23bß-32
spricht.” Nachdem mit der Bundesformel in V.28 eigentlich „ein gewisser
Ruhepunkt erreicht [ist] ...wird nochmals angesetzt, um die Veränderungen
im äußeren Leben des Landes, die mit der inneren Erneuerung Hand in Hand
gehen, zu schildern.“
V.29 greift auf V.25 zurück und könnte daher nachgetragen sein.” Der
Rückgriff allein erweist ihn freilich noch nicht als sekundär und auch die Tat-
sache, dass die unmittelbare Vorlage der VV.26-28, Ez 11,19f., mit der Bun-
desformel endet, lässt sich durchaus nicht nur mit der Annahme eines hier
entsprechend einsetzenden Nachtrages erklären. Während die Gabe des
neuen Herzens in Ez 11,17.19f. im Land geschieht, erfolgt in Ez 36 erst in
V.28a die eigentliche Landgabe, während V.24 nur von der Rückkehr spricht.
Dem Wohnen im Land gehen zunächst noch die Gaben von Herz und Geist
#7 Vgl. ZIMMERLI, Ezechiel, 880; LEVIN, Verheißung, 214 mit Anm. 61.
88 Vgl. ZIMMERLI, Ezechiel, 879.
® Vgl. SCHMID, Buchgestalten, 83.
% Die literarischen Verhältnisse zwischen Ez 36,23bß-32 und Jer 31,31-34 sind keines-
wegs abschließend geklärt. Während ZIMMERLI, Ezechiel, 8795 eine traditionsgeschichtliche
und LEVIN, Verheißung, 209-214 eine literarische Priorität von Jer 31,31-34 annehmen, hat
KRÜGER, Geschichtskonzepte, 447f., bei gleichzeitiger Erwägung voneinander unabhängiger
Entwicklung, auch die umgekehrte Möglichkeit zur Diskussion gestellt. SCHMID, Buchges-
talten, 83 hat für die Priorität von Ez 36,26£. gegenüber Jer 31,31-34 die beachtenswerte
Überlegung ins Feld geführt, dass die Geistgabe an Israel traditionsgeschichtlich älter als die
Gabe der Tora ins Herz sei. Jer 31,33 sei dann „als eine antischwärmerische Reaktion
auf
Ez 36,27“ (ebd.) zu sehen.
91 ZIMMERLI, Ezechiel, 880.
92 Vgl. LEVIN, Verheißung, 210; auch HOSSFELD, Untersuchungen, 338f. sieht
hier einen
Nachtrag.
4.1 Monolatrie im E zechielbuch 259
er)
voraus, sie scheinen sich auf der Schwelle zum Land zu vollziehen.” Da das
gesamte Rückführungsgeschehen gemäß V.23bß vor den Augen der Völker
stattfinden und diese beeindrucken soll, ist die bis dahin fehlende Schilderung
der Verhältnisse im Land, wie sie die VV.29f. bieten, geradezu erzählungsbe-
dingt und muss keineswegs sekundär sein. Dem in diesem fruchtbaren Land
wohnenden Israel bleiben, da es von allen Sünden gereinigt und — mit neuem
Herz und neuem Geist ausgestattet — zu erneuten Sünden nicht mehr fähig
ist, anstelle eigentlicher Umkehr (sie hätte etwa nach Din 30,1-3 im Exil er-
folgen müssen) nur Erinnerung an die und Scham wegen der Bosheiten und
Gräuel vergangener Tage. Auch in Ez 36,28 ist somit wie in Ez 11,20 nicht
vom Bund der Bundesschlussszene im Deuteronomium, sondern von einem
neuen Bund die Rede. Maßstab eines intakten Bundesverhältnisses bleibt die
Einhaltung von Satzungen und Rechtssetzungen (een und ;ְםיִטְּפְשְמ vgl.
Dtn 26,16f.; Ez 11,20; 36,27). Dabei setzt sich die zwischen Dtn 26,16-18
und Ez 11,19f. feststellbare Verschiebung der Verantwortung für den Be-
stand des Bundes von Israel zu Jhwh in Ez 36,26-28 weiter fort. In
Dtn 26,16-18 lagen die aus dem Bund erwachsenden Verpflichtungen ein-
deutig auf Seiten Israels. In Ez 11,19f. war die Bundesformel mit der Verhei-
Bung verbunden worden, dass Israel, von Jhwh mit einem (neuen) Herzen aus
Fleisch ausgestattet, auch in der Lage sein werde, diese Verpflichtungen zu
erfüllen. In Ez 36,27b nimmt Jhwh die Erfüllung der Bundespflichten nun
selbst in die Hand: םֶחיִשעַו ּורָמָשִּתwaun ּוכְלִּת יִתיִשָעְו תֶא יִקָחְּבְדרָשַא
Wie jung diese Verstärkung der ee aus Ez 11,20 sein könnte,
vermag ein Blick auf die Textüberlieferung des Abschnitts Ez 36,23bßff. zu
zeigen. Im ältesten Textzeugen des vorhexaplarischen Ezechieltextes der
Septuaginta, dem aus dem 2. oder 3. nachchtristlichen Jahrhundert stammen-
den Kodex Pap. 967,°* ist der Textabschnitt Ez 36,23bß-38 nicht belegt. Ein
zufälliger Textausfall in Folge eines Homoioteleutons” ist schon aufgrund
der Länge der Auslassung, immerhin 1451 Buchstaben in 15 Versen, unwahr-
scheinlich” und scheint angesichts weiterer Beobachtungen unmöglich.” Zu
erwarten wäre eine Fortsetzung des Textes mit dem auf die Auslassung fol-
genden Vers, also Ez 37,1. Tatsächlich folgt in Papyrus 967 auf Ez 36,23aba
jedoch Ez 38,1, die VV.37,1-4 folgen erst nach Kapitel 39. Die vom masore-
95 Es entspräche auch den dem Text zugrunde liegenden Vorstellungen von rein und un-
rein, wenn ein Unreiner das Land nicht beträte. Die Grenze zum Land spielt auch an anderer
Stelle im Ezechielbuch eine Rolle, als Ort des Gerichts auf dem Weg ins Exil in Ez 11,10f.
9%4 Vgl. ZIMMERLI, Ezechiel, 117*f.; LusT, Ezekiel 36-40, 517; POHLMANN, Ezechiel,
490f.; SCHWAGMEIER, Untersuchungen, 180-183.
95 So der Erklärungsversuch von FILSON, Omission, 31f.
96 Vgl. ZIMMERLI, Ezechiel, 871; LUST, Ezekiel 36-40, 520; SCHWAGMEIER, Untersu-
chungen, 184. Für einen Ausfall dieses Umfanges ist ein Kopistenfehler nicht die einfachste
(gegen LANG, Ezechiel, 31), sondern keine Erklärung.
פדZum Folgenden vgl. die Aufzählung bei LUST, Ezekiel 36-40, 520.
260 Kapitel 4: Der einzige Gott und die Götzen
06ע9 עTOAABV Kal yvWwoovraı ÖtL Eyw elnı 600406 bzw. im hebräischen Text:
Zum anderen kann „the framework created by repetition in vv. 22 and 32”1% auch sekundär
im Rahmen der Einfügung der VV.23bß-32 entstanden sein. Die von Garscha vertretene
Annahme einer aus dogmatischen Erwägungen erfolgten Korrektur (erst Ansturm der Völ-
ker, Kap. 38f., dann Beginn der Heilszeit, Kap. 37)!5 vermag zwar die Kapitelumstellung,
nicht jedoch den Ausfall von Ez 36,23bß-38 zu erklären.!% Selbiges gilt schließlich auch für
den Hinweis Greenbergs, dass die Annahme einer vom masoretischen Text abweichenden
hebräischen Vorlage von Pap. 967 noch nicht deren Priorität gegenüber M erweise,!7 wo-
durch das Problem, warum Ez 36,23bß-38, dieser „Höhepunkt theologischen Denkens bei
127% ausgefallen und Kapitel 37 umgestellt worden sein sollte, nur von der griechischen in
die hebräische Geschichte des Textes verlagert wird. Auch der Verweis auf einen bisher un-
veröffentlichten Text aus Massada, der „deutliche Reste der Verse 24-34, die allesamt mit M
übereinstimmen“!® aufweise, trägt nichts zur Klärung der Frage, ob M hier Priorität zu-
kommt, bei. Dass dieser Textzeuge älter als sämtliche erhaltenen Textzeugen der Versionen
ist, ist kein Argument. Käme es nur auf das Alter der überlieferten Textzeugen an, wären 6
in Qumran belegten abweichenden Lesarten dem masoretischen Text immer vorzuziehen.
Ein Hinweis auf die Existenz des masoretischen Textes von Ez 36-40 ist übrigens auch aus
Qumran bekannt. Die Schrift 4QPseudo-Ezechiel scheint jedenfalls die Kapitelanordnung
von M zu bezeugen.!!" Damit ist lediglich bewiesen, dass die masoretische Fassung des Tex-
tes im ersten vorchtistlichen Jahrhundert existierte. Wie aus ihr die Kurzfassung entstanden
sein könnte, bleibt hingegen unklar.
Selbst wenn man annähme, die griechische Texttradition, in der Pap. 967
steht, gehe auf die älteste griechische Übersetzung des Ezechielbuches über-
haupt zurück und diese Übersetzung auch noch möglichst früh im 3. Jahr-
hundert v.Chr. 43561216, bliebe festzuhalten, dass Ez 36,23bß-32(38) in der
frühen hellenistischen Zeit noch nicht verfasst oder zumindest innerhalb der
Überlieferung des Ezechielbuches noch nicht allzu weit verbreitet war." In
108 GREENBERG, Ezechiel 21-37, 440; vgl. DERS., Ezekiel 21-37, 739.
וGREENBERG, Ezechiel 21-37, 442; vgl. DERS., Ezekiel 21-37, 740.
110 Vol. DIMANT, DJD 30, 21. Anders als LiM, JBL 123, 153 in seiner Rezension dieses
von Dimant besorgten DJD-Bandes schreibt, meint Dimant keineswegs, 4QPseudo-Ezechiel
biete dieselbe Kapitelreihenfolge wie Pap. 967. Ihre Ausführungen zeigen vielmehr das Ge-
genteil: „Yet here the specific string of episodes seems to follow that of Ezekiel 37-38,
which provides a similar sequence“ bzw. „If indeed the basic sequence of Pseudo-Ezekiel
follows that of the prophecies assigned to M Ezekiel,...‘“ (DIMANT, DJD 30, 21). Sie weist
lediglich auf die Möglichkeit hin, dass die Textanordnung des Pap. 967 zur Zeit der Abfas-
sung von 4QPseudo-Ezechiel üblich war: „Although Pseudo-Ezekiel seems to reflect the
order of chapters in M Ezekiel 36-40, these last chapters may have been ordered differently
at the time“ (ebd. Anm. 1).
ווMit einer Übersetzung ins Griechische ist im frühen 3. vorchristlichen Jahrhundert je-
doch nur für die Tora zu rechnen, während die übrigen Schriften wahrscheinlich erst später
übersetzt wurden. Ausweislich des Prologs zu Jesus Sirach ist dieser Prozess bis zum Ende
des 2.]h. v.Chr. abgeschlossen gewesen; vgl. HAAG, Das hellenistische Zeitalter, 107-109
(mit Hinweisen auf weiterführende Literatur).
112 Fin Szenario, bei dem eine Zeit lang zwei Ausgaben des Ezechielbuches neben-
einander im Umlauf waren, ist nicht nur gut vorstellbar, sondern durchaus wahrscheinlich.
POHLMANN, Ezechiel, 525 weist zurecht darauf hin, das die parallele Überlieferung zweier
unterschiedlicher Buchversionen kein Einzelfall ist. Man denke hier nur an die Unterschiede
zwischen dem masoretischen Text des Jeremiabuches und der Septuagintaversion (vgl. dazu
etwa KAISER, Grundriß 2, 67f.). Daher könnte die ältere kurze Variante des hebräischen
Textes zufällig vor bzw. an Stelle der schon existierenden längeren Variante ins Griechische
übersetzt worden sein. Es ist freilich lange bekannt, dass der traditionelle Septuagintatext in
Ez 36,23bß-38 stilistisch und terminologisch vom Rest des Ezechielbuches abweicht und
diese Beobachtung nicht allein mit den Besonderheiten des hebräischen Textes erklärt wer-
den kann, sondern die Annahme eines weiteren, nur hier tätigen Übersetzers erfordert (so
schon THACKERAY, Septuagint, 124-129; FILsoN, Omission, 29; vgl. dazu LUST,
262 Kapitel 4: Der einzige Gott und die Götzen
jedem Fall bezeugt sie eine produktive, substantielle Eingriffe in den Text
vornehmende Arbeit am Ezechielbuch bis in die hellenistische Zeit.
Ezekiel 36-40, 521-525). Der Text scheint nachträglich in eine bereits bestehende griechi-
sche Texttradition eingeflossen zu sein.
113 Alter und literarische Einheitlichkeit von Ez 37,1-14 bleiben umstritten. Der Text
wurde lange Zeit als relative literarische Einheit betrachtet und meist auf den Propheten
selbst zurückgeführt; vgl. dazu BARTELMUS, Ez 37,1-14, 366-368 mit Literaturhinweisen.
Der langjährige Forschungskonsens wurde v. a. durch HOSSFELD, Untersuchungen, 341ff.
aufgebrochen, der sechs Bearbeitungsschichten ausmacht. POHLMANN, Ezechiel, 491-499
findet den Kern von Ez 37 in den VV.11b.12a.14 und rechnet ihn dem „vorgolaorientierten
Prophetenbuch“ zu. Die zweite Stufe der Genese von Ez 37 bilden die VV.1-11a.12b-
13.25-28*, die er der golaorientierten Redaktion zuweist. Eine dritte, aus der Makkabäerzeit
stammende Bearbeitung sieht Pohlmann im Anschluss an BARTELMUS, Ez 37,1-14, 384£.,
der eine vorexilische Grundschicht (VV.1-6.7b.8a[ohne 'N’X77].10b-14[ohne ה bei ([חור
von eben jener einer Bearbeitung der Makkabäerzeit (7a.8b-10a + die außerdem aus der
Grundschicht ausgeschiedenen Elemente) unterscheidet. MOSIS, Ezechiel 37,1-14, 127-138
vermutet die Grundschicht zunächst in den VV.1-3.11-14. Darin bestimmt er dann später
(aaO. 147-149) die VV.13b.14 als sekundären Abschluss. Die VV.4-10 seien dagegen ein
Einschub aus der Makkabäerzeit (vgl. aaO. 168-171).
114 ZIMMERLI, Ezechiel, 906.
115 ZIMMERLI, Ezechiel, 912.
116 LEVIN, Verheißung, 214; vgl. ZIMMERLI, Ezechiel, 906.912.
17 Vgl. ZIMMERLI, Ezechiel, 906f.912; LEVIN, Verheißung, 214; POHLMANN, Ezechiel,
502£.
4.1 Monolatrie im Ezechielbuch 263
die Sammlung der Israeliten und ihre Existenz als eine Nation im Land unter
einem König. Eine Wiederholung des Auseinanderbrechens Israels in zwei
Königreiche wird explizit ausgeschlossen. Es folgt in V.23 die mit einer Rei-
nigungsankündigung verbundene Bundesformel. Da sie eine gewisse Zäsur
markiert, stellt sich die Frage, wie sich die Konkretisierung der Königsverhei-
Bung auf David in V.24 in den Kontext fügt. Die Unterschiede hinsichtlich
der Herrscherkonzeption zeigen deutlich, dass V.24 (David als König und
Hirte) von den VV.25ff. (David als (איִשָנ zu trennen ist.''” Auf die Frage, in
welchem Verhältnis die Verse 23 und 24 zueinander stehen, wird im Rahmen
der Auslegung zurückzukommen sein. Als Nahkontext der jetzt zu betrach-
tenden Bundesformel in Ez 37,23 sind die VV.21-24 zu betrachten:
nap אָנִי לקח אֶתבְּנִי יָשְרְאֶלman mim אָמַר אַדנִי- אָלִיהֶם פּה1727 12
12231 הָלְכוּשםruN הַגויִם
לְכָלֶםmm אֶחָדmoT בְּאָרֶץ בְּחָרִי ושְרְאלam )a kn וְעָשִיתִי22
iv יִּתְשְל תּוכָלְמִמ Tin sum םיוג אלו mob Tiny ולא Tomb
מוַטְבְתִיחֶםnaD ולא יְטַמָּאוּ עוד בְְּלוּלִיהֶם וּבְטְקוּצִיהֶם וּבְכל פַּטְעִיהֶם וְהוּשְעְתִי אמֶם3
? לאלהיםTD sim לְעֶם וַאָנִיmo חָסָאוּ בְהֶם וְטְהַרְתִי אוּסֶםTUR
)27E mm עַלִיהֶם וְרוּעָה אֶחָדnaT gm וְעַבְדִי42
sinE ּ וְעָשוyum mıpnı 1021 ּבְמַשֶפְטִי
21 Und rede zu ihnen: So spricht [der Herr]!X%- Jhwh: Siehe, ich nehme die Israeliten zwi-
schen den Nationen heraus, wohin sie gegangen sind und ich sammle sie von ringsum und
ich lasse sie in das Land kommen. 22 Und ich werde sie zu einer Nation im Land machen,
auf den Bergen Israels, und ein einziger König wird sein für sie alle zum König; und sie
werden nicht mehr zu zwei Nationen werden und sich nicht mehr zu zwei Königreichen
teilen. 23 Und sie werden sich nicht mehr verunreinigen mit ihren Mistdingern [und mit
ihren Scheusalen und allen ihren Vergehen]!X%-. Und ich werde sie retten aus allen ihren
Treulosigkeiten, mit denen sie gesündigt haben und ich werde sie reinigen und sie werden
für mich zum Volk werden und ich, ich werde für sie Gott sein. 24 Und mein Knecht Da-
vid wird König über sie sein, ein Hirte wird für sie alle sein. Und in meinen Rechts-
setzungen werden sie wandeln und meine Satzungen werden sie beachten und sie tun.
V.21 beginnt wörtlich wie V.19 )חקל הָּנַה יִנָאmm יִנדֶא הְפ- רַמָאonf]or ([רַּבַדו
fährt jedoch nicht mit dem Nehmen ()חקל der Hölzer fort, sondern verlässt
das durch den überleitenden V.20 in Erinnerung gerufene Bild und spricht
von der Sammlung Israels mitten aus den Nationen heraus. Die Wortwahl
entspricht Ez 36,24 )חקל ,641 ץבקpi., אוב hi., 09137 }P2]R) und unterscheidet
sich z. B. von Ez 11,17, wo von der Sammlung aus den Völkern (ְִמ-)םיִמַעָה
die Rede ist. Vor allem die auffällige Sammlungszusage mit npb'” wirft die
Frage des literarischen Verhältnisses zwischen Ez 37,21 und 36,24 auf. Levin
vertritt die Priorität von Ez 36,24 und stützt diese Annahme auf die Wieder-
das in der Tat für eine zunehmende Abgrenzung von den grundsätzlich als
Nichtjuden betrachteten Nachbarn sprechen. Warum diese Distanz in 37,21
größer als in 36,24 sein soll, ist nicht erkennbar. Zwar heißt es in 36,24 nicht,
Israel werde zwischen den Nationen herausgenommen, aber mit der Ankün-
digung seiner Sammlung ausdrücklich aus „allen Ländern“ (miss 727)" ist
ebenso deutlich zum Ausdruck gebracht, dass Israel nur in einem Land wirk-
lich Israel sein kann. Da anders als in 11,17 außerdem nicht ausdrücklich von
der Zerstreuung die Rede ist, ist anzunehmen, dass auch in 36,24 alle Ange-
hörigen des Jhwh-Volkes außerhalb des Landes in den Blick genommen sind
— wo immer sie sich aufhalten und wie auch immer sie dorthin gelangt sind.
Jene ביִבָּסִמ (37,21) sind in der Gruppe nisIx7">>n (36,24) mit eingeschlossen.
Ez 37,22 beschreibt die Verhältnisse im Land, wie sie nach der Rück-
führung des Volkes sein sollen. Die dann ehemals zerstreuten Israeliten sollen
eine Nation sein und ein König soll über sie herrschen: ein Land'” - ein Volk
— ein König. „Die unselige Spaltung in zwei Völker und zwei Königtümer,
welche die Vergangenheit belastete, soll dann gar nicht wieder in Erscheinung
treten )דוע וצחיxb).“'® Vergleicht man diese Ankündigung mit der Darstel-
lung der Geschichte der Spaltung in den Königebüchern, fällt die Neutralität
auf, mit der dieser Punkt hier abgehakt wird. Für den Verfasser von 2Kön
17,21-23 '* stand fest, dass Israel die Spaltung in zwei Königreiche zu ver-
antworten hatte (2Kön 17,21a):
Erst die gegen „die Israeliten“ gerichteten Anklagen im Rahmen des jüngeren
Epilogteiles 2Kön 17,7-20, insbesondere V.19, schließen auch Juda mit ein.'”
Doch während für Juda trotz der Verwerfung ein Rest Zukunftshoffnung
bleibt,'” ist Israel als politische Größe mit 2Kön 17,23 abgewickelt. Eine
31 Sammlung ()ץבק aus allen Ländern ()תּוצָרָאָהלָּכִמ nur noch Jer 23,3; 32,37, jedoch je-
weils erweitert um „wohin ich sie vertrieben habe“ )םֶש םֶתא םיִּתְחַדה/ יִּתְחַּדַהTUR).
132 Zur Bezeichnung „Berge Israels“ OR IV" 7), die das ganze Land meint und nur im
Ezechielbuch belegt ist (Ez 6,2.3; 19,9; 33,28; 34,13.14; 35,12; 36,1.4.8; 37,22; 38,8;
39,2.4.17), vgl. ZIMMERLI, Ezechiel, 146f. LEVIN, Verheißung, 214 hält sie hier für störend
und (wie manches andere in diesem Vers) aus Ez 34 nachgetragen.
133 ZIMMERLI, Ezechiel, 912.
134 Vgl. dazu AURELIUS, Zukunft, 71-73.
135 Zum reflexiven Verständnis von ערק vgl. WEIPPERT, Ätiologie, 351; BRETTLER, Ideo-
logy, 277-279; AURELIUS, Zukunft, 75.
136 Vgl. AURELIUS, Zukunft, 80.
37 Man denke allgemein an den in Form der Königebücher unternommenen Versuch,
die Unheilsgeschichte zu deuten, konkret an die Jojachin-Notiz 2Kön 25,27-30 oder an
1Kön 8,46ff. im jüngeren Teil des so genannten Tempelweihgebetes 1Kön 8.
4.1 Monolatrie im Ezechielbuch 267
die Reinigungsverheißung wirkt nach der Ankündigung, das Volk werde sich
künftig nicht mehr verunteinigen, deplatziert und die unspezifische und dem
Ezechielbuch sonst fremde Rede von Abtrünnigkeiten wirkt neben dem spe-
zifischen Vorwurf geschehener Verunreinigung durch die 2'951 recht blass.
Die Unstimmigkeiten lassen sich am besten erklären, wenn V.23a als Ein-
schub und V.23b, vielleicht auch nur die den Vers abschließende Bundesfor-
mel,'* als ursprünglicher Anschluss an V.22 erkannt werden. Der Bund wäre
dann zunächst als Folge der Wiedervereinigung der beiden Israel-Teile ver-
heißen. V.24b könnte daran ursprünglich angeschlossen und die Bundesfor-
mel mit dem Aspekt des Haltens der göttlichen Gebote verbunden haben.'”
In Ez 11,19f., Dtn 26,16-19 oder auch Jer 31,31-33 ist die Bundesformel mit
dem Halten der göttlichen Gebote verknüpft, so dass sich ein solcher Geset-
zesbezug gut in den Kontext fügt. Sowohl die Davidverheißung in V.24a als
auch die Rettungsankündigung V.23b« dürften demgegenüber sekundär sein.
Die ausdrückliche Verbindung von Königstitel und Hirtenamt markiert einen
deutlichen Rückbezug auf Ez 34,23£.'“ Die dortige Verbindung der halben
Bundesformel mit der Davidverheißung könnte in Ez 37 den Anschluss von
V.24a an die Bundesformel V.23 motiviert haben.'” Aus dem Kontext der
Davidverheißung Ez 34,23f., genauer aus dem ihr unmittelbar vorangehenden
V.22 dürfte das Motiv der Rettung in Ez 37,23 stammen." Seine Verbindung
mit dem in Jer 3 allein fünf Mal belegten Begriff הָבּושְמ geht dagegen auf das
Ez 37,15ff. und Jer 3 gemeinsame Thema der Wiedervereinigung der beiden
Israel-Teile zurück (vgl. besonders Ez 37,22 mit Jer 3,18). Die Einfügung des
(später wohl noch durch die Wendung nmyVa לכְבּו םֶהיִצּוקַשְבּוerweiterten)
Aspekts der Verunreinigung durch die םילילנ wird schließlich die Änderung
von םֶהיִתבּושמ zu םֶהיִתבָשומ hervorgerufen haben. Sie wurde sowohl durch den
dreifachen Gebrauch der Wurzel בשי in V. 25, als auch durch die Verbindung
von omniadin 552 in Ez 6,14 mit םֶהיִלּולְנ Do.am ‚Ende-von Ex 6,13 moti-
viert.'”
gen ו getrennt )נָשִיא, Ez 37,25; 77%, Ez 37,22.24( ,was auf unter-
schiedliche Herrscherkonzeptionen hindeutet.'” לע für alle Zeit, ewig,
steht bis zum Ende von Kapitel 37 nicht weniger als fünfmal und erweist als
Leitwort die VV.25-28 als vom übrigen Kapitel abgrenzbare Einheit." In-
nerhalb dieser vier Verse lassen sich verschiedene Ergänzungen von einem
Grundtext abheben. Als Nachtrag ist zunächst V.25aß verdächtig, weil dieser
עַלדְהָאָרֶץerläuternde Relativsatz einem ersten Relativsatz folgt, anders als der
Hauptsatz ץֶרֶאָהְד Sy ּובָשָיְו das Verb בשי nicht mit ,לע sondern mit ב kon-
struiert und außerdem das Suffix der 2. Person m. Pl. vom Kontext, der über
Israel in der 3. Person Pl. spricht, abweicht.'”” Die Verbindung der Landgabe
mit der Jakob-Tradition findet sich auch in Ez 28,25.'” Stellt man Ez 28,25
und 37,25a die Aussage von Ez 33,24 gegenüber, werden um den Landbesitz
konkurrierende Gruppen erkennbar, die sich einerseits auf Jakob (Jojachin-
Gola bzw. deren Nachkommen), andererseits auf Abraham (im Land verblie-
bene Bevölkerung bzw. deren Nachkommen) berufen.'” Die Ergänzung von
Ez 37,25a durch einen Verweis auf das Wohnen der Väter hat entweder den
Zweck, die Ansprüche der „Jakob-Gruppe“ zu untermauern, indem sie die
„Kontinuität der Neubesiedlung mit dem Wohnen der Väter betont“'”, oder
— ganz im Gegenteil — diesen Anspruch zu nivellieren, indem beide Gruppen
als Nachfahren derselben „Väter“ gesehen werden. Der Ergänzer läge dann
etwa auf einer Linie mit Ez 20, wo die Unterscheidung zwischen der ersten
Gola und dem Rest Israels aufgegeben ist und ganz Israel die Vergehen der
Väter vorgehalten werden.'” man my ,ובשיוף. und sie werden darin wohnen am
Beginn von V.25b könnte dann eine den Nachtrag einbindende Wiederauf-
nahme des Beginns von V.25a sein. Auffällig sind außerdem die Ausweitung
der Landverheißung auf alle zukünftigen Generationen sowie die Mehrungs-
verheißung V.26b«. Beide sind in der Septuaginta nicht bezeugt.'” Schließlich
ist V.27a&, und meine Wohnung wird bei ihnen sein, als „eine wiederholende, ver-
deutlichende Glosse“ zu bestimmen. Der Gedanke der Anwesenheit des
Heiligtums Jhwhs „in ihrer Mitte“ (a>in2) findet sich in V.26 und wieder am
Ende von V.28. Der in V.27a« verwendete, im Ezechielbuch einmalige Aus-
druck ( משכןVV.26.28 (מקדשsoll offenbar den Aspekt des Wohnens der
Gottheit im Heiligtum noch einmal betonen.'” Mit Rudnig'” ergibt sich so-
mit folgender Grundtext von Ez 37,25-28 und Kontext der Bundesformel in
Ez 37,27 (Ez 37,25aabßy.262.bß.27aßb.28):
לָהֶם לָעּלֶםa yam mm ]...[ עַליְחָאָרֶץ אַשָר נָחִַי לְעַבְדי ליעַקבJadı) 52
] וְנְתַתִּי אֶתמִקְְּשִי בְּתוּכֶם לְעוּלֶם...[ אוּמֶםmm בְּרִית שֶלוּם בְּרִית עולֶםon» 127 62
יִלְּויְהְי םָעְלnam םיֶהלאָל en» nm ]...[ 7
מִקְדָּש אֶתַיְשְרְאָל בְּהְיוּת מִקְדָּשִי בְּתוּכֶם לְעולֶםmim כִּי אָנִיDyiam )77 8
25 Und sie werden wohnen in dem Land, das ich meinem Knecht Jakob gegeben habe.
Und David, mein Knecht, wird Fürst sein für sie auf ewig. 26 Und ich schließe mit ihnen
einen Bund des Heils, ein ewiger Bund mit ihnen wird es sein; und ich gebe mein Hei-
ligtum in ihre Mitte auf ewig. 27 Und ich werde für sie Gott sein und sie, sie werden für
mich Volk sein. 28 Und die Nationen werden erkennen, dass ich Jhwh bin, der Israel
heiligt, indem mein Heiligtum in ihrer Mitte ist auf ewig.
Auch wenn ohne V.27a« das Heiligtum nicht dezidiert als Wohnort Jhwhs
beschrieben wird, ist der Zusammenhang von Bund und göttlicher Präsenz
unübersehbar.'' V.27a« trägt zwar mit ןכשמ einen neuen Begriff ein, stellt
aber kaum eine sachliche Erweiterung der Aussage dar, denn das Heiligtum
ist seit jeher Ort der Präsenz der Gottheit. Verheißen wird das Wohnen im
Land, hier näher bestimmt als das dem Knecht Jakob gegebene Land (vgl.
Ez 28,25), unter einem Davididen als .איִשְנ Vom Bund des Heils )םּולָש (תיִרְּב
handelt auch Ez 34,25 unmittelbar nach einem Wort über den Fürsten David.
Zeichen des Bundesverhältnisses ist die Existenz des Heiligtums Jhwhs in-
mitten Israels. Der Tempel verbürgt den Bund nach innen und macht ihn
zugleich auch nach außen den Nationen erkennbar: „Der Schlußakzent von
Ez 37,25ff* liegt eindeutig auf Jahwes Gegenwartsversprechen (V.26b*.28b).
Bund (V.262.27*) und Jahweerkenntnis der Völker (V.28a) fungieren sozusa-
gen als Rahmendaten: die Erfüllung der Verheißung ist sowohl Inhalt des
Bundes als auch Grund der Jahweerkenntnis der Völker.“'“” Satzungen und
Rechtssetzungen Jhwhs finden hier dagegen ebenso wenig Erwähnung, wie
etwaige Vergehen Israels. Folgt man der herkömmlichen redaktionskritischen
Einordnung der einzelnen Abschnitte in Ez 37, kann dieser Sachverhalt frei-
lich kaum verwundern. In der Regel wird ein sukzessives Wachstum des Ka-
pitels von vorne nach hinten angenommen, mit den VV.1-14 als ältestem
Abschnitt, der zunächst um die VV.15-19(20), sodann um weitere Nachträge
15% Vgl. ZIMMERL1, Ezechiel, 914; LEVIN, Verheißung, 217 sieht eine Parallelangleichung
an Lev 26,11. In der Tat sind Lev 26,11f. und Ez 37,27 die einzigen Texte innerhalb des
Alten Testaments, welche die Bundesformel mit der Aussage kombinieren, Jhwhs Wohnung
) (משכןwerde mitten im Volk sein.
160 Vgl. RUDNIG, Heilig, 69, übernommen bei POHLMANN, Ezechiel, 504.
₪ Vgl. LEVIN, Verheißung, 218.
162 RUDNIG, Heilig, 71.
4.1 Monolatrie im Ezechielbuch 21
(6) Ergebnis
Das Halten der Satzungen und Rechtssetzungen )םיִקָח und (םיִטְּפַשְמ Jhwhs ist
in Ez 11,20 und 36,(27).28 derart eng mit der Bundesformel verknüpft, dass
es wie in der Bundesschlussszene Dtn 26,16-19 den unmittelbaren Maßstab
für den Bestand des Bundes zwischen Jhwh und Israel darstellt. Auch in
Ez 37,23 ist die Bundesformel mit dem Aspekt der Gesetzesobservanz ver-
bunden, doch liegt der Fokus eher auf der Wiedervereinigung des Volkes im
Land. Ez 14,11 und 37,23 in seiner erweiterten Form heben dagegen auf den
Aspekt der Reinheit ab, der auch im Kontext der Bundesformel in Ez 36,28
eine Rolle spielt (vgl. 36,29a). Ez 37,27 scheint sich mit der Betonung der
Bedeutung des Heiligtums in der Mitte Israels auf einer von den vier anderen
Stellen verschiedenen Argumentationsebene zu bewegen. Diese lassen sich in
folgende relative chronologische Ordnung bringen. Zunächst ist deutlich,
dass Ez 11,20 älter als Ez 36,28 ist. Ez 36,26-28 greift deutlich auf
163 Vgl. etwa ZIMMERLI, Ezechiel, 906-909; GARSCHA, Studien, 219-228; LEVIN, Verhei-
Bung, 214-218.
16 Vgl. RUDNIG, Heilig, 65-68, aufgenommen bei POHLMANN, Ezechiel, 504. Rudnig
unterzieht Ez 37,1-14 jedoch keiner Detailanalyse, so dass die Frage möglicher später Nach-
träge offen bleibt; vgl. oben 5. 251 Anm. 113.
165 RUDNIG, Heilig, 66.
166 Vgl. RUDNIG, Heilig, 67f.
272 Kapitel 4: Der einzige Gott und die Götzen
Ez 11,17ff. zurück und entwickeln die Aussagen zum (neuen) Herzen aus
Fleisch weiter. Auch die Textüberlieferung spricht dafür, dass in Ez 36,28 das
jüngste Zitat der Bundesformel im Ezechielbuch vorliegt. Die in Ez 11,20
wörtlich aus Jer 32,38 zitierte Variante der Bundesformel findet sich sowohl
in Ez 14,11 als auch in Ez 37,23. Abgesehen davon, dass nur Ez 11,17.19f.
direkt auf Jer 32,37-40 zurückgreift, sprechen auch Verschiebungen hinsicht-
lich des Adressatenkreises und der Maßstäbe für ein intaktes Bundesverhält-
nis für die Priorität von Ez 11,20 gegenüber den beiden anderen Stellen.
Während nämlich hier ursprünglich allein die Gola im Blick ist,'” zielen
לת14,11 und 37,23 auf Israel insgesamt.‘ Und während in Ez 11,20 der
neue Bund noch unmittelbar mit der Einhaltung von 2’? und םיִטָּפַשִמ ver-
bunden ist, steht in Ez 14,11 und der erweiterten Fassung von Ez 37,23 die
Beseitigung von durch Umgang mit םיִלילב verursachter Unreinheit im Mittel-
punkt. Der Verweis auf das Halten der Satzungen und Rechtssetzungen ist in
Ez 37 durch die Texterweiterungen zurückgedrängt bzw. fehlt in Ez 14 ganz.
Ez 37,21-24 steht angesichts des gemeinsamen Themas der Rückführung
Ez 11,17.195 jedoch näher als Ez 14,11. Als relative Reihenfolge ergibt sich
11,20 — 37,23 — 14,11 — 36,28. Ez 37,27 hat sich gegenüber 37,23 als älter
erwiesen, das Verhältnis zu 11,20 ist allerdings schwieriger zu bestimmen.
Beide Texte teilen die Blickrichtung auf die Rückführung der Gola.'” Ein
Blick ins Jeremiabuch spricht für die Priorität von 11,20, denn die Bundes-
formel in Ez 37,27 entspricht wörtlich jener (und zwar nur jener) aus
Jer 31,33, steht also mit einem Text in Verbindung, den der Verfasser von
Ez 11,20 noch nicht kannte. Ez 11,20 spielt seinerseits zwar nicht nur auf
Jer 32,37-40, sondern auch auf die Bundesschlussszene Dtn 26,16-19 an,
zeigt gegenüber diesem Text jedoch eine solche Distanz, dass es angesichts
der Nähe zwischen Bundesschlussszene und erstem Gebot nur schwer vor-
stellbar ist, dass die Bundesformeln des Ezechielbuches zwar die Bundes-
theologie des Deuteronomiums, nicht jedoch das erste Gebot des Dekalogs
voraussetzen sollten.
170 Vgl. HÖLSCHER, 116568161, 110; ZIMMERLI, Ezechiel, 442f.; FOHRER, Ezechiel, 108f.;
GARSCHA, Studien, 117 mit Anm. 337; LIWAK, Probleme, 155-193; KRÜGER, Geschichts-
konzepte, 211.
171 POHLMANN, Ezechiel, 302f.
172 Vgl. POHLMANN, Ezechiel, 290-292.
173 Dass hier erst die jüngeren Zusätze die Bedeutung der beschriebenen Vergehen für
das Gottesverhältnis ganz Israels herausstellen, ist oben gezeigt worden; vgl. Kap. 4.1.1.2.
174 POHLMANN, Ezechielstudien, 57. Zum Aussagehorizont von Ez 20 im Vergleich zu
anderen Schuldaufweisen des Ezechielbuches vgl. POHLMANN, Ezechielstudien, 55-57.
175 Vgl. POHLMANN, Ezechielstudien, 55; Ezechiel, 302£.
274 | Kapitel 4: Der einzige Gott und die Götzen
auf allen Höhen und unter jedem Baum ihre Opfer darbrachten (VV.27-29). Wegen des
Neueinsatzes mit ןכל Redeauftrag und Botenformel werden diese Verse, die das Verhalten
Israels im Land beschreiben, häufig als Nachtrag bestimmt,!$! der die Geschichte Israels mit
Jhwh um das Verhalten im Land ergänzt. Dieser Schluss ist zwar nicht absolut zwingend,'#2
kann aber doch eine gewisse Wahrscheinlichkeit beanspruchen. Der hier erhobene Vorwurf
des Höhendienstes (vgl. Ez 6) erinnert an die charakteristische Sünde der Könige Israels und
(der meisten Könige) Judas in den Rahmennotizen der Königebücher, deren Maßstab das
Kultzentralisationsgebot ist. Er passt nicht recht zu den zuvor gemachten Ausführungen
zum Festhalten Israels an den םצוקש und םיִליִלְנ ,die in den VV.30f., die gut an V.26 an-
schließen,!#3 wieder aufgegriffen werden. Es ist zu vermuten, dass Ez 20,27-29 bewusst auf
die Darstellung der Geschichte Israels und Judas anspielen, da die Erinnerung an die ste-
reotyp negative Beurteilung der Könige — bis auf Hiskia und Josia wird allen zumindest das
Festhalten an den תומָּב vorgeworfen!®* — auch die Geschichte im Land als Geschichte des
Abfalls charakterisiert.
Die VV.30f. kommen mit der direkten Anrede an die Hörer in 2.Person Pl. und der wie-
derholten Ablehnung der Befragung Jhwhs zur Ausgangssituation der VV.1-3 zurück und
binden die Adressaten mit dem Vorwurf, weiterhin dem verunreinigenden Weg der Väter zu
folgen, in die Unheilsgeschichte Israels mit ein. Im Rahmen der Anlage des Ezechielbuches,
die den Propheten unter den 597 v.Chr. Deportierten leben und wirken lässt, ist die erste
Gola hierdurch explizit in die Unheilsgeschichte mit hineingenommen. Anders als in den
VV.5-29 ist nun nicht mehr die Vergangenheit, sondern die Gegenwart Israels im Blick. So
wird spätestens hier deutlich, dass das Ziel von Ez 20 nicht eigentlich eine abrisshafte Dar-
stellung der Geschichte Israels ist, sondern die Beschreibung seines gegenwärtigen Zustan-
des: Der Verfasser „will ... grundsätzliche Aussagen über das Israel seiner Zeit machen.“!$
Ob die ab V.32 folgenden Ausführungen zur Zukunft Israels dem Abschnitt Ez 20,1-31*
(sukzessive) zugewachsen sind,!#° oder deren ursprüngliche Weiterführung bilden,!# ist
bislang nicht abschließend geklärt.!#® V.32 bewertet das gegenwärtige Verhalten Israels als
freiwillige Angleichung an die Nationen, für deren Religion die Verehrung von Holz und
Stein charakteristisch ist.!'® Dennoch wird Jhwh Israel auch in Zukunft nicht aufgeben,
Weise aber gegen das Gebot der Verehrung Jhwhs einzig an dem einen legitimen Kultort
(|hwhs heiliger Berg; Ez 20,40) verstieß.
181 Vgl. etwa HÖLSCHER, Hesekiel, 1095 Anm. 1; ZIMMERLI, Ezechiel, 438f.; LIWAK,
Probleme, 147.149; RÖMER, Väter, 498; POHLMANN, Ezechiel, 309; ROM-SHILONI, Destruc-
tion, 200f.
182 Vgl]. die ausführliche Diskussion der Argumente Zimmerlis bei KRÜGER, Geschichts-
konzepte, 210-212.
183 Vgl. LIWAK, Probleme, 147.
184 Vgl. oben Kap. 2.1.1:
185 FOHRER, Ezechiel, 114.
186 So z. B. ZIMMERLI, Ezechiel, 437-439. LIWAK, Probleme, 148f. scheidet die VV.32-38
als sekundäres Korrektiv zu VV.39-44 aus, ROM-SHILONI, Destruction, 200f. bestimmt da-
gegen die VV.32-38 als ursprünglich und die VV.39-44 als sekundär.
187 60 KRÜGER, Geschichtskonzepte, 208-210 mit Diskussion der Position Zimmerlis
und Hinweisen auf weitere Literatur; vgl. auch GARSCHA, Studien, 115-121; RÖMER, Väter,
495-499; POLA, Priesterschrift, 151-156.175-177.
188 POHLMANN, Ezechiel 309 lässt die Frage offen.
189 Vgl. GREENBERG, Ezechiel 1-20, 422; Ezekiel 1-20, 386; SEDLMEIER, Studien, 336f.;
FREVEL, Aschera, 384f. Zum im Ezechielbuch nur hier belegten Wortpaar ןָבָאְו ץעvgl.
276 Kapitel 4: Der einzige Gott und die Götzen
sondern als König über sein Volk herrschen (V.33). Voraussetzung dafür ist die Rückfüh-
tung Israels aus den Völkern (V.34), die für Israel jedoch zunächst nicht das Heil, sondern
ein Läuterungsgericht bedeutet (V.35). Wie beim ersten Exodus wird Jhwh auch im Rahmen
des zweiten Exodus mit Israel ins Gericht gehen (V.36), doch wird in diesem Gericht nicht
mehr nach Generationen geschieden werden, sondern die Widerspenstigen werden in der
Wüste bleiben und nicht ins Land kommen (VV.37£.).19 Im Rahmen von Ez 20 weist V.35a
auf V.10b zurück, doch die Scheidung von Treuen und Abtrünnigen erinnert eher noch als
an das in den VV.15-17 konstatierte Schicksal der gesamten Auszugsgeneration an die
Kundschaftergeschichten in Dtn 1 und Num 14, die Kaleb als einzigen, der ohne Abstriche
Jhwh die Treue hielt, (mm ns אלמ / ans 89071, Din 1,36/Num 14,24) in das Land
kommen lassen. Es folgt abschließend, von einer erneuten Botenformel eingeleitet, die
Schilderung der Restitution Israels im Land. In Zukunft wird die Ehre des Namens Jhwhs
nicht mehr durch das Handeln Israels in Gefahr gebracht werden können, selbst dann nicht,
wenn wieder jeder seinen Mistdingern ()ויִלּולַּג folgt (V.39).19! Der funktionierende Kult am
zentralen Jhwh-Heiligtum im Land wird Israel Jhwh erkennen lassen und Jhwhs Heiligkeit
den Nationen vor Augen führen (VV.40-41). Die Betonung der Bedeutung des Tempels
erinnert an Ez 37,25-28, doch wird hier nicht Israel durch Jhwh geheiligt )לֶאְרָשִיתַא טָּדקמ,
bemerkungen (VV.42-44), wonach Israel nichts übrig bleiben wird, als sich angesichts des
Handelns Jhwhs seiner eigenen bösen Taten zu erinnern und sich ihrer zu schämen, erinnern
an Ez 36,31 (vgl. auch 6,9).1% Auffällig ist, dass am Ende von Ez 20 im Gegensatz zu
Ez 36,23bß-32 (und 11,17.19£.) die ausdrückliche Feststellung eines intakten Bundesver-
hältnisses in Verbindung mit einem zukünftigen Leben gemäß den Satzungen und Rechts-
setzungen Jhwhs unterbleibt.!? Israel wird nicht als „mein Volk“ bezeichnet und die Frage
der Einhaltung der Gebote Jhwhs erscheint im Licht von V.39 als irrelevant.
auch unten Kap. 4.2.1.3. Auffällig ist, dass die Initiative zur Verehrung von Holz und Stein
hier von Israel ausgeht, während sie in Dtn 28,36.64 Teil der Strafe des Exils ist; vgl. LUST,
Ezekiel, 373 und oben Kap. 2.2.2.2. Der Aspekt der willentlichen Angleichung an die ande-
ren Nationen erinnert deutlich an 1Sam 8; vgl. LUST, Ezekiel, 374 gegen ZIMMERLI, Eze-
chiel, 453. WONG, Idea, 671. vertritt dagegen die Auffassung, dass die Verehrung von Holz
und Stein hier keineswegs freiwilliger Akt, sondern wie im Deuteronomium schicksalhafte
Folge des Exils ist. Weitere Interpretationsmöglichkeiten des Verweises auf die Verehrung
von Holz und Stein bei ROM-SHILONTI, Destruction, 195f.
10 Vgl. RÖMER; Väter, 501; GREENBERG, Ezechiel 1-20, 408 bzw. Ezekiel 1-20, 360
versieht die Auslegung von Kapitel 20 entsprechend mit der Überschrift „Ein zweiter
Exodus als Drohung“ /, Threat of a Second Exodus“.
1 Vgl. KRÜGER, Geschichtskonzepte, 260f.
192 Vgl. KRÜGER, Geschichtskonzepte, 265f.
193 Vgl. KRÜGER, Geschichtskonzepte, 266.
194 Ein ganz ähnliches Bild findet sich in Hos 11; vgl. KAKKANATTU, Love, 45.
4.1 Monolatrie im Ezechielbuch 277
.®
Ansehens Jhwhs bei den Völkern willen. Das Motiv erinnert an Ex 32,7-14,
wo Mose als Fürbitter Israels Jhwh gegenüber ähnlich argumentiert
ו32/12
mas a Dun םֶתלַכְלּו Drama םֶתא mb םָאיִצּוה ּורמאי םיָרַצִמ רמאְל הָעְרְּבnn»
may הָעְֶהלַע amam Tax ןּורָחְמ בוש
Warum sollen die Ägypter sagen: In böser Absicht hat er sie herausgeführt, um sie im
Gebirge zu vernichten und vom Angesicht der Erde zu tilgen? Lass ab von deiner Zor-
nesglut und lass dich gereuen wegen des Bösen für dein Volk!
Dass die Generation des Auszugs nicht in das verheißene Land kommen soll,
ist ein Element der Auszugserzählung des Pentateuch,'” während sich die
Verbindung von Erwählung und „Nachkommenschaft“ im vorderen Rahmen
das Deuteronomiums (vgl. Dtn 4,37; 10,15) findet. Dass beide Motive in
Ez 20,5-31 nebeneinander auftreten, spricht dafür, dass der Ezechieltext so-
wohl die Erzählung von Auszug und Wüstenwanderung in Ex-Num kennt,
als auch auf die Erwählung des Volkes in den späteren Schichten des Deute-
ronomiums zurückblickt. Es fehlen jedoch Bezüge auf die Verheißungen an
die Erzväter'” oder den im Pentateuch als Mittler zwischen Jhwh und Israel
fungierenden Mose. Gemäß der Schilderung in Ez 20, wenn auch hier durch
die Person des Propheten vermittelt, sprach Jhwh in Ägypten direkt zu Israel
(Ez 20,5-7(:
] יָדִי לְזְרַעRER בְּחָרִי בְיָשְרְאֶלaiD mm RT אָמַר- אָלִיהֶם פַּהMONI 5
ָ אֶלְהָיכmm ra ] יָדִי לָהֶם לאמרRER וְעַקֶב וְאנְּרַע לָהֶם בְּאָרֶץ מִצְרָיםma
לְחֶם לְהוצִיאֶם מאֶרֶץ מִצַרָיִם אֶלאָרֶץ אָטֶריְפַרְתִיmI הַהוּא נְטָאתִיDia 6
יִבָצ אי תוצְרָאָילָכְלWan Dam nal on?
ROID mm הַשָלִיכוּ וּבְנְלוּלִי מִצְרִיִם אַלדתִּטַמָאוּ אָנִיym איש שקוּצִיNOD וָאמַר7
5 Und du sollst zu ihnen sagen: So spricht [der Herr]!X%- Jhwh: Am Tag, als ich Israel
erwählte, da erhob ich meine Hand für die Nachkommenschaft des Hauses Jakob und
ich zeigte mich ihnen im Land Ägypten; und ich erhob für sie meine Hand folgenderma-
Ben: Ich bin Jhwh, euer Gott. 6 An diesem Tag habe ich für sie meine Hand erhoben,
um sie herauszuführen aus dem Land Ägypten; in das Land, das ich für sie ausgesucht
hatte, fließend von Milch und Honig; eine Zierde ist es unter allen Ländern. 7 Und ich
sprach zu ihnen: Ein jeder werft die Scheusale seiner Augen fort und mit den Mistdin-
gern Ägyptens macht euch nicht unrein! Ich bin Jhwh, euer Gott!
In Ez 20,5.7 sowie 20,19 (vgl. auch Ez 20,20) ist die einfache Form (Kurz-
oder Hoheitsformel) der Selbstvorstellungsformel 7177 יִנָא durch םֶכיַהְלֶא zut
so genannten Lang- oder Huldformel'”* erweitert. Sie findet sich neben den
drei Belegen in Ez 20'” vor allem in Leviticus (22 Belege) und hier insbeson-
dere innerhalb des so genannten Heiligkeitsgesetzes Lev 17-26.” Neben fünf
weiteren Belegen im „priesterlichen“ Schrifttum (Ex 6,7; 16,12; Num 10,10;
15,41[2x]) steht sie nur noch in Din 29,5; Ri 6,10; Joel 4,17. Angesichts dieser
Beleglage darf man sie als für die priesterliche Literatur typisch bezeichnen.”
Die Selbstvorstellungsformel, die formgeschichtlich eine Theophanieformel
ist,” hat in Leviticus allerdings nichts mit Selbstvorstellung zu tun, sondern
dient der Bekräftigung der göttlichen Forderungen.”” Diese Funktion kann
ihr nur deshalb zukommen, weil Jhwh bereits als Gott Israels bekannt ist.
Gegenüber der Selbstvorstellung Jhwhs im Rahmen der Berufung des Mose
in Ex 6 (P°) ist die „priesterschriftliche“ Gesetzgebung in Leviticus sehr
wahrscheinlich sekundär.”
„Gerade die verschiedentliche Aufnahme und Variation der Bundesformel aus Gen 17,7f
und Ex 6,7 zeigt, daß die Zusage jeweils in neue literarische ‚Horizonte‘ gestellt ist, auch
wenn sich, wie bei Fortschreibungen üblich, die verschiedenen ‚Horizonte‘ natürlich nicht
gegenseitig ausschließen, sondern miteinander verschmelzen. Findet die Bundeszusage ur-
sprünglich mit der Einwohnung Gottes im Heiligtum in Ex 25-40 ihr Ziel (Ex 25,8; 29,45f,;
40,34), so verbindet sie sich im Heiligkeitsgesetz (Lev 20,26; 22,31-33; 25,38.55; 26,11%.42-
45) mit der Paränese. Wieder einen neuen ‚Horizont‘ eröffnet die Vorwegnahme von Heilig-
keit (Paränese) und Bund im Rahmen der Reinheitsgesetze Lev 11-15 (11,449), ganz eigene
Wege geht die - nach dem Abschluß in Lev 26 recht unpassende und darum meist unter den
Tisch gekehrte — Wiederaufnahme in Num 15,40f zum Abschluß der Reminiszenzen an
Lev 17-26 (und Lev 4), woran künftig die Quasten aus Dtn 22,12 erinnern sollen
(Num 15,37ff), anläßlich der verpatzten Landnahme in לאטמב 5
206 WEIMAR, Untersuchungen, 88-90 meint, die Formel dürfe „entgegen dem unmittelba-
ren Wortsinn der Bezeichnung ‚SF‘ — nicht als eigentliche Selbst-Vorstellung Jahwes in dem
Sinne bestimmt werden, daß eine unbekannte Gottheit sich durch Kundgabe ihres Namens
dem Empfänger der Gotteserscheinung ... zu erkennen gibt“ (aaO. 88). Die Formel habe
vielmehr „die Funktion, daß sich der bekannte, aber nicht erkannte Redende seinem Gegen-
über zu erkennen gibt“ (aaO. 90f.). Diese Bedeutung kommt dem unmittelbaren Wortsinn
jedoch sehr nahe.
207 In der überlieferten Gestalt des Pentateuch steht diese Erstoffenbarung des Jhwh-Na-
mens an Mose in offener Spannung zur bereits erfolgten vorpriesterschriftlichen Offenba-
rung in Ex 3f. Dass Ex 6 nicht als wiederholte Offenbarung formuliert ist, entspringt nach
BLUM, Komposition, 235 der Absicht „ihr das ungeschmälerte kompositorische Gewicht
einer ‚ersten‘ Zuwendung Jhwhs zu Mose/Israel zukommen“ zu lassen; vgl. auch GERTZ;
Tradition; 240.
208 Im Rahmen der Priesterschrift wird der Gottesname erstmals in Gen 17,1 erwähnt.
Zahlreichen Auslegern ist dies zu zeitig erschienen, weshalb hier häufig ein redaktioneller
Eingriff in den Text der Priesterschrift angenommen wurde (vgl. dazu WESTERMANN,
Genesis 12-36, 309). Es gilt jedoch, „die Erzählebene zwischen Erzähler und Hörer/Leser
und die Gesprächsebene zwischen Gott und Abraham (mit ידש ( לאzu unterscheiden“
(BLUM, Komposition, 421 Anm. 10). In Ex 6 wird der Gottesname erstmals im Rahmen der
Gottesrede genannt. Der Text berichtet „dem Wortlaut und eigenen Anspruch nach von der
erstmaligen Bekanntgabe des Gottesnamens“ (GERTZ, Tradition, 240). Dass der Leser, dem
der Gottesname ohnehin bekannt ist, die Berufung des Mose als den Moment der Offenba-
rung des Gottesnamens verstehen soll, ergibt sich aus der auf Gen 17,1 zurückweisenden
Bemerkung V.3, der eigentliche Gottesname Jhwh sei den Erzvätern ausdrücklich nicht be-
kannt gemacht worden; vgl. SCHMIDT, Exodus, 280f.
280 Kapitel 4: Der einzige Gott und die Götzen
216 Ein Blick auf die Forschungsgeschichte vermittelt den Eindruck, alle denkbaren Mög-
lichkeiten seien hier bereits durchgespielt worden (einen Überblick dazu bieten etwa
ZIMMERLI, Ezechiel, 70*-79*, LIWAK, Probleme, 7-26; POLA, Priesterschrift, 147-151).
Dass bis heute kein Konsens erreicht worden ist, liegt nicht zuletzt darin begründet, dass die
weiterhin diskutierten Fragen der Herkunft, Einheitlichkeit und Datierung des Ezechielbu-
ches auf die Frage seines Verhältnisses zu anderen Bereichen der alttestamentlichen Litera-
tur unmittelbaren Einfluss haben: Gehen alle wesentlichen Teile des Buches auf einen zwi-
schen 593 und 571 v.Chr. wirkenden Propheten zurück (vgl. aus jüngerer Zeit etwa
GREENBERG, Ezechiel 1-20, 28-32; Ezekiel 1-20, 12-15), kann „Ezechiel“ die frühestens
spätexilische, eher noch jüngere Grundschrift der Priesterschrift nicht voraussetzen. Soll
dieser „Ezechiel“ umgekehrt das Heiligkeitsgesetz bereits kennen, muss dieses für vorexi-
lisch erklärt werden.
217 Vgl. ZIMMERLI, Ezechiel, 442f.; GARSCHA, Studien, 117 mit Anm. 337; LIWAK, Prob-
leme 155-167.
218 Vgl. die Kommentare z. St.
219 Vgl. besonders KESSLER, Gesetze, 256, daneben ZIMMERLI, Ezechiel, 442; GREEN-
BERG, Ezechiel 1-20, 426; Ezekiel 1-20, 363; PONS, Vocabulaire, 218.
220 Vgl. LIWAK, Probleme, 158.
221 WILDBERGER, THAT 1], 285.
222 PREUSS, Deuteronomium, 201; vgl. KRÜGER, Geschichtskonzepte, 224. Der von
Preuß vorgenommenen „exilische[n]“ Verortung des deuteronomistischen Deuteronomiums
steht die Annahme eines literarischen Wachstums auch seiner gesetzlichen Partien bis lange
nach 539 v.Chr. insofern nicht entgegen, als das „Exil“ ausweislich der auch in persischer
und späterer Zeit andauernden Diasporaexistenz des größeren Teils Israels faktisch nicht
endete.
282 Kapitel 4: Der einzige Gott und die Götzen
gebracht. Sowohl Ezechiel als auch Ex 6,8 beschreiben den Vorgang des
Schwurs im Gegensatz zur dt-dtr Literatur nicht mit der Wurzel עבש (ni.),
sondern mit der Wendung די :אשנ
„One should not overlook the fact, however, that the formula used in Exod 6,8 carefully
avoids the term עבשנ (to swear) replacing it by די ( אשנto lift up one’s hand). It must be
admitted that this phraseology is typical of Ezekiel, but not of the priestly pentateuchal texts
about the gift of the land. In general the latter do not mention the lifting up of the hand.
The Moses texts in Exod 6,8 and Num 14,30 are the exceptions. In both cases a close rela-
tion with Ezekiel can be observed.“230
Römer weist die 14 alttestamentlichen Belege” von די אשנin der Bedeutung
„schwören“ vier unterschiedlichen Gruppen zu, dem Strafschwur Jhwhs
(Din 32,40; Ez 36,7; 44,12), dem Yhwh-Schwur in Ägypten (Ez 20,5[2x].6),
dem Landschwur (Ex 6,8; Num 14,30; Ez 20,28.42; 47,13£.; Neh 9,15f.) sowie
dem Strafschwur in der Wüste‘ (Ez 20,15.23).”” Da der Landschwur mit
נשא ידrun ni xE 8,6 ned nehcrairtaP ,etleg ies sla rehcilgnürpsru regnäfpmE
die Exodusgeneration identifizierbar, während P in Ex 6,8 „augenscheinlich
die Landschwurformel auf die Patriarchen uminterpretieren“ ”* wolle.
Römer selbst weist darauf hin, dass Num 14,30 gewöhnlich als Zusatz zur Priesterschrift
betrachtet wird.235 Neh 9,15 wiederum blickt auf Num 14,30 zurück. Hier wird deutlich,
dass auch solche Texte, welche die Verklammerung von Erzväter- und Exoduserzählung
durch Ex 6,2-8 voraussetzen,23” die Patriarchenverheißungen und die Verheißungen an die
Exodusgeneration nebeneinander sehen können. Die Vielzahl der ezechielischen Belegstel-
len sollte zudem nicht gegen den singulären Beleg in Ex 6,8 ausgespielt werden. Sieht man
mit Römer Ez 20 als weitgehend einheitlich an, stammen zumindest 6 der 7 Belege in die-
sem Kapitel von demselben Verfasser.?® Dazu kommt mit Römer noch der Beleg in
Ez 47,14, der mit Ez 20,42 mehr oder weniger identisch ist, auf diesen Vers zurückverweist
und deshalb auch vom Verfasser von Ez 20 stammen dürfte.” Gehen somit 8 von 10 Eze-
chielbelegen auf denselben Verfasser zurück, sind sie im Rahmen der Frage nach dem Ur-
sprung des Landschwurs mit די אשנnicht stärker zu gewichten als der Einzelbeleg in Ex 6.
Von den zwei übrigen Belegen im Ezechielbuch setzt Ez 44,12 sehr wahrscheinlich bereits
ein fortgeschrittenes Stadium der Priesterschtift bzw. der „priesterlichen“ Bearbeitung des
Pentateuch voraus.?* Das relative Alter von Ez 36,7 lässt sich an dieser Stelle nicht ermit-
teln,*#! allerdings ist der Schwur gegen die Völker im Ezechielbuch nur hier belegt und er-
geht dem Sinn nach weder zugunsten der Patriarchen noch der Exodusgeneration, sondern
ist aus Sicht der Landesbewohner formuliert.?* Für die Frage nach den ursprünglichen Ad-
ressaten des Landschwurs mit די NW) ist er deshalb nicht auswertbar. Dtn 32,40 schließlich
gehört dem sogenannten „Lied des Mose“ an, einer Dichtung „aus einer Zeit, in der man
sehr verschiedenartige und ursprünglich einander fremde Formelemente dichterisch schon
235 Vgl. RÖMER, Väter, 505 Anm. 61; NOTH, Numeri, 98; POLA, Priesterschrift, 207.
236 Vgl. RUDOLPH, Esra und Nehemia, 159. „Daß Neh 9 die in Gen-2Kön vorliegende
Geschichtsdarstellung literarisch — wie auch weitere Texte — voraussetzt und benutzt hat,
ergibt sich zum einen aus den zahlreichen, bis ins Wörtliche gehenden Anspielungen, zum
anderen aus der eigentümlichen ‚priesterlich‘-‚deuteronomistischen‘ Mischprägung dieses
Texts“ (SCHMID, Erzväter, 303). POLA, Priesterschrift, 199-201 streicht die neben P mögli-
chen Einflüsse von Ez 20 auf Neh 9 heraus. Derartige Aufnahmen wären freilich nur als
bewusstes Gegenkonzept zu Ez 20 verständlich. Im Rahmen der Bußfeier Neh 9 erfolgt ein
Rückblick auf die Pentateucherzählung, der nicht nur auf den Exodus bezogen ist, sondern
auch die Erwählung Abrahams positiv vermerkt. Darin liest sich die Betonung der Richtig-
keit der erlassenen Ordnungen in V.13 geradezu als Gegenstück des Urteils in Ez 20,25.
37 Vgl. SCHMID, Erzväter, 149.
28 Ez 20,28 ist vermutlich sekundär. Der Landschwur mit די אשנerklärt sich dann als
Übernahme aus dem unmittelbaren Kontext.
239 Vgl. RÖMER, Väter, 503f.
2% Der Vers könnte ein Zusatz zu Ez 44,6-16 sein; vgl. POHLMANN, Ezechiel, 589£. Zu
den hinter der Levitenpolemik stehenden Auseinandersetzungen vgl. ausführlich RUDNIG,
Heilig, 291-304. Der Streit um die Kompetenz der Leviten prägt auch die P-Texte Num 3f.;
8,5-26;16f.*.18. Ez 44,6ff. scheint insbesondere zadokidische Interessen gegen die Auffas-
sung der Priesterschrift, wonach alle Aaroniden zum Priesteramt befähigt sind, geltend zu
machen vgl. POHLMANN, Ezechiel, 592.
2 POHLMANN, Ezechiel, 481 weist darauf hin, dass es sich bei Ez 36,1-15 „um einen
extrem durch Nachträge überfüllten Text handelt.“ POHLMANN, aaO. 480 weist V.7 dem
ältesten Stadium des Textes zu und folgt darin z. B. ZIMMERLI, Ezechiel, 865. Dagegen sieht
GARSCHA, Studien, 213 V.7 mit V.6 wie die VV.3-5 aus der Grundschicht des Kapitels her-
ausfallen.
#42 Vgl. POHLMANN, Ezechiel, 480f.
4.1 Monolatrie im Ezechielbuch 285
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sehr frei und wirkungsvoll zu kombinieren wußte.“2# Es zeigt nicht nur eine gewisse Nähe
zu Deuterojesaja und zu dtr Ausdrucksweise, sondern weist im Rahmen als Selbstgespräch
Jhwhs stilisierter Überlegungen in den VV.26-35 auch eine besondere Nähe zu Ez 20 auf:
Hier wie dort werden die möglichen Auswirkungen der Verwerfung Israels auf das Ansehen
Jhwhs bei den Völkern erwogen.?* Im Übrigen geht es auch hier gerade nicht um einen
Landschwur. So reduziert sich der Kreis der potentiellen Urheber des Landschwurs mit די אשנ
auf zwei Verfasser bzw. Verfasserkreise. Der Verfasser von Ex 6,2-8 kommt angesichts der
Beleglage nicht weniger in Betracht, als der Verfasser der 7 oder 8 ältesten Belege im
Ezechielbuch.
Ein genauerer Blick auf Ex 6,6-8 wirft die Frage auf, ob nicht eher umge-
kehrt die Verheißungen an die Patriarchen auf die „Väter“ uminterpretiert
werden. Ist die Annahme zutreffend, dass die Priesterschrift unter anderem
durch Ex 6,2-8 die Erzväter- mit der Exodustradition zu verklammern
sucht,” hatten ihre Verfasser insbesondere zwischen den an keinerlei Bedin-
gungen geknüpften Verheißungen der Priesterschrift in Gen 12,1-3; 28,13-
15°“ und der an die Bedingung der Gebotseinhaltung geknüpften Landverhei-
Bung des Deuteronomiums, wie sie etwa in Gestalt der Bundesformel in
Dtn 26,16-19* und ihrer ursprünglichen Fortsetzung in Dtn 28 begegnet,
einen Ausgleich zu schaffen. Durch die Abwandlung der Bundesformel in
Ex 6,7 in Richtung einer einseitigen Verpflichtung Jhwhs werden die „Väter“
der Exodusgeneration in die Verheißungen an die Patriarchen mit einbezo-
gen.”” Die Übertragung des im Grundsatz unverbrüchlichen Bundesverhält-
nisses wird durch Gen 17,7f. vorbereitet, wo Abraham und seinen Nach-
kommen ein ewiger Bund )םֶלוע ( תיִרְבverheißen wird. Ex 6,6-8 verbindet
diese unbedingte Bundeszusage mit Exodus- und Landverheißung und
spricht sie ganz Israel zu. Dabei wird streng genealogisch gedacht: im Gegen-
satz zu den anderen Völkern, die Kinder Abrahams sind, besteht Israel aus
den Nachfahren Abrahams, Isaaks und Jakobs aber eben auch aus allen
Nachfahren Jakobs. Das deutlichste Gegenstück zu Ex 6,8, das Ez 20 auf-
weist, nämlich V.42, hat dagegen gar nicht mehr ganz Israel in diesem Sinne
im Blick. Die Landverheißung ist auf jene beschränkt, die das in der Wüste zu
248 Djes erinnert auf den ersten Blick an das Schicksal der Wüstengeneration in der Pen-
tateucherzählung, ist aber doch von anderer Qualität. Dort wird der Einzug ins Land um 40
Jahre aufgeschoben, eine Generation bleibt in der Wüste, aber in Gestalt ihrer Nachkommen
nimmt schließlich doch ganz Israel daran teil. Ez 20,35-38 kündigt dagegen ein Gericht von
Angesicht zu Angesicht (aaa (םיִנָּפ an, in dessen Verlauf ein Teil Israels ausgeschieden
werden wird.
29 Es handelt sich hierbei um ein ursprünglich deuteronomistisches Geschichtsbild; vol.
KESSLER, Gesetze, 257. STECK, Israel, 112 unterscheidet darin noch zwischen dem Richter-
schema (Ri 2,10ff.) und dem dtr Geschichtsbild, wie es in 2Kön 17 zu Tage tritt; vgl. SCHMID,
Erzväter, 314f. Das Ezechielbuch verschärft dieses Geschichtsbild allerdings dahin gehend,
dass die Möglichkeit von Fürbitte und Klage, die bei den Deuteronomisten Jhwhs (erneutes)
Eingreifen für Israel hervorrufen können, ausgeschlossen ist. In Ez 20 entscheidet sich Jhwh
allein wegen seines Namens, jedoch nicht wegen irgend einer Art Kommunikation mit Israel,
(vorläufig) von Strafe abzusehen. In Ez 9,8 bleibt der Fürbittschrei des Propheten unerhört, in
Ez 11,13 dient er dazu, auf die Exilierten zu verweisen, ändert aber nichts am Schicksal
der
unmittelbar betroffenen Jerusalemer. Auch Ez 14,12-23 dienen der Feststellung, dass auch
exemplarische Gerechte die Strafe nicht mehr abzuwenden vermögen.
250 Vgl. FOHRER, Ezechiel, 112.
25 Dass diese Tradition mit der sogenannten Priesterschrift keineswegs erledigt ist,
las-
sen etwa Ps 78; 106 oder 136 erkennen; vgl. KÜHLEWEIN, Geschichte, 158. Nach
GALLING,
Erwählungstraditionen, 63 lässt sie sich bis in die Makkabäerzeit verfolgen.
4.1 Monolatrie im Ezechielbuch 287
ne
terverheißungen kann sich Israel gegenüber Jhwh so wenig berufen wie auf
seine Gesetze, denn wegen seiner andauernden Widerspenstigkeit sind die aus
der Zeit des Exodus stammenden Ordnungen schlecht (V.25). Weder das
Eine noch das Andere ermöglicht ein positives Verhältnis zu Jhwh. Er selbst
wird ein solches Verhältnis durch einen neuen Exodus erst wieder ermögli-
chen.” Dass Israel nicht zur Gänze vernichtet wird und ihm am Ende doch
noch eine Existenz im Land verheißen wird, hat seinen Grund nicht in einer
Zusage an die Väter, sondern ist eine Konsequenz der Heiligkeit des Gottes-
namens, dessen Schutz vor Entweihung oberstes Handlungsprinzip ist
(Ez 20,9a; vgl. 14.22.44):°°
Setzen Ez 20,5-7 mit Ex 6,6-8 die Grundschrift der Priesterschrift und das
Fremdgötterverbot des Dekalogs voraus, liegt es nahe, die Aufforderung zum
Wegtun von םצוקש und םיִליִלְג in V.7 als Entsprechung der zweiten Hälfte des
Ersten Gebots aufzufassen.” Das Festhalten an Scheusalen und Mistdingern
entspricht dem Abfall von Jhwh zu anderen Göttern.” In gleicher Weise pa-
rallel wie in Ez 20,7 stehen diese im Ezechielbuch in 37,23, außerdem noch in
zwei deuteronomistischen Texten, Dtn 29,16 und 2Kön 23,24.” Hier wie
dort handelt es sich um sichtbare Kultobjekte, seien es jene der „Völker“
(Dtn 29,16) oder jene, die in Juda und Jerusalem eWrT23 הָדּוהְי ץֶרָאְּב87,
2Kön 23,24) zu sehen waren. Die Aufforderung, die ויִניִַע יצוקשwegzuwerfen,
legt nahe, dass wie sonst im Alten Testament auch in Ez 20,7 an bildhafte
bzw. gegenständliche Kultobjekte gedacht ist.” םצוקש und 2'751 stehen so-
252 Entsprechend ist der Bund im Ezechielbuch nicht einfach eine Restaurierung des al-
ten Bundes, sondern ein neuer Bund; vgl. oben Kap. 4.1.1.
25 Vgl. auch Ez 36,20.21.22.23. BALTZER, Heilsprophetie, 177 vermerkt Parallelen dieses
Prinzips in Deuterojesaja: „Trotz ganz verschiedenartiger theologischer Ausdrucksweise liegt
die Begründung für Jahwes Heilshandeln hier und dort nahe beieinander: Jes 43,25 um mei-
netwillen, Ez 36,22 um meines heiligen Namens willen.“ Vgl. auch HOSSFELD, Untersu-
chungen, 330f.; LEVIN, Verheißung, 213; KRATZ, Propheten, 86.
254 Vgl. ELLIGER, Ich bin der Herr, 27; ZIMMERLI, Ezechiel, 445.
255 Vgl. LIWAK, Probleme, 172. Zu beiden Begriffen vgl. unten Kap. 4.2.1.5.
256 Vgl. LIWAK, Probleme, 169.
257 Vgl. ZIMMERLI, Ezechiel, 1495; PREUSS, ThWAT 11, 4; POHLMANN, Ezechiel, 106.
Dagegen meint POLA, Priesterschrift, 181 es gehe hier gerade „nicht um die Vernichtung
von Figuren“ ..., sondern „um die in der Seele aufsteigenden Bilder.“ Dies ist sicher in
Ez 20,16 der Fall, in V.7 aber angesichts der Betonung der Rolle der Augen unwahrschein-
lich. Vielmehr scheint Ez 20 wie Ez 14 )םיִלילְג im Herzen, ןוע לושְכִמvor dem Angesicht;
vgl. dazu unten Kap. 4.2.1.5) zwischen diesen Aspekten unterscheiden zu können.
288 Kapitel 4: Der einzige Gott und die Götzen
mit nicht einfach als Chiffre für die םיִרְחַא םיִהְלֶאdes Ersten Gebots,” son-
dern setzen über dessen Verbindung mit dem Bilderverbot hinaus auch die
Gleichsetzung der im Ezechielbuch nie als solche bezeichneten anderen
„Götter“ mit den Objekten ihrer Verehrung voraus, ein Phänomen, das auch
in den späten Texten des Deuteronomiums und in der Bilderpolemik Deute-
rojesajas zu beobachten ist. Hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Jhwh
und Israel ist für den oder die Verfasser von Ez 20 das mit der Bilderfrage
verbundene Erste Gebot somit das Hauptgebot schlechthin. Vor allen ande-
ren Gesetzen ergeht es im Rahmen der Selbstoffenbarung Jhwhs gemeinsam
mit der Landverheißung am Beginn der Geschichte Israels mit Jhwh. Na-
mensoffenbarung, Landverheißung und Hauptgebot sind in Ez 20,5-7 „in ein
einziges Geschehen zusammengelrafft“”” und Jhwhs Anspruch auf Allein-
verehrung ist dadurch untrennbar mit seiner Selbstoffenbarung verbunden.
Man kann zuspitzend feststellen, dass die Gesetze keine primäre Rolle spie-
len, weil eigentlich bereits alles mit dem Gottesnamen offenbart ist.” Die in
V.11 genannten Satzungen und Rechtssetzungen (E’?n und (םיִטְּפְשַמ haben
keinen Selbstzweck, sondern sie dienen dem Menschen als Hilfsinstrument,
um dem in der Namensoffenbarung enthaltenen Anspruch gerecht werden zu
können. Für den Verfasser des Geschichtsrückblicks ist neben der Exodus-
generation auch die ihr folgende Generation an diesem Hilfsangebot ge-
scheitert, wie Ez 20,18-21a feststellt:
Auch hier erscheint Ez 20 als Abrechnung mit der priesterlichen Tradition innerhalb des
Pentateuch. Der Hinweis darauf, dass die Gesetze menschliches Leben im Angesicht Jhwhs
258 So KUTSKO, Heaven, 39: „it appears quite possible that g//2lim has been substituted
for ’2lohim.““
259 ZIMMERLI, Ezechiel, 445.
260 Vgl. POLA, Priesterschrift, 180.
4.1 Monolatrie im Ezechielbuch 289
ermöglichen, findet sich wörtlich auch in Lev 18,5.26' Die Anlage von Lev 18 als Jhwh-Rede
an Mose, die einen Redeauftrag an Israel enthält (vgl. Lev 18,1f.),?62 erinnert an den Rede-
auftrag an den Propheten in Ez 20,3, nur dass die in Lev 18 verkündeten םיִקָח und םיִטֶּפָשמ
fortdauernde Gültigkeit beanspruchen („meine Ordnungen und Rechtsbestimmungen sollt
ihr halten“), während Ez 20,11 zwischen den Empfängern der םיִקַח und D’'BEVWN und den
Adressaten der Prophetenrede unterscheidet („Ich gab ihnen meine Satzungen und Rechtsset-
zungen“). Es liegt nahe, dass Ez 20 in der Schilderung des Scheiterns Israels am gesetzlich
formulierten Anspruch Jhwhs literarisch von Lev 18,1-5 abhängig ist. Immerhin erscheint
die priesterliche Gesetzgebung in einem etwas besseren Licht als die in V.25 genannten
„Gesetze, die nicht gut waren“. Der Vers ist sichtlich als Gegenüber zu V.11 formuliert
worden.?% Von V.26 her ist in der Forschung oft auf kultische Gebote geschlossen und
konkret an Ex 34,19f. und/oder Ex 22,28 gedacht worden.?%* Dagegen vertritt Kessler die
These, dass der Verweis auf die „Gesetze, die nicht gut waren“ eine Polemik gegen das
Deuteronomium ist.26° Lese man Ez 20 vor dem Hintergrund des Geschichtsaufrisses des
Pentateuchs, sei gar keine andere Deutung möglich.26° Die Darbringung der Erstgeburt in
Ez 20,26 sei gerade nicht auf das Kinderopfer zu deuten, sondern von Ex 13,12 her zu ver-
stehen.’ Kern der Aussage und Folge der schlechten Gesetze sei, dass Jhwh selbst Israel
durch seine Gaben (NH) für Jhwh unrein machte, womit auf Dtn 16,17 gezielt 861.25 Der
Vers bildet den Abschluss der deuteronomischen Ausführungen über die drei jährlichen
Wallfahrtsfeste.2°° Im Zusammenhang mit V.16 schreibt Dtn 16,17 vor, dass alle Männer zu
diesen Festen am zentralen Kultort erscheinen, das Angesicht Jhwhs sehen und ihm ihre
Gaben bringen sollen. Das Opfer vor Jhwh ist damit nicht auf die Priester beschränkt, son-
dern soll auch von Laien vollzogen werden. Es ist nicht verwunderlich, dass der in priester-
lichen Kategorien denkende Verfasser von Ez 20 darin im Verlauf der Geschichte Israels,
wie ihn die Pentateucherzählung präsentiert, einen Rückschritt zur priesterlichen Gesetzge-
bung sieht. Veijola weist darauf hin, dass der Ausdruck דדי MIMA in Dtn 16,17a ein Synonym
für ודי nmn in Ez 46,5.11 661.79 Gerade Ez 46 weist Texteingriffe auf, die eine absolute
Vormachtstellung der Priester im Kult selbst gegenüber dem „Fürsten“ zum Ziel haben.?”!
Auch in Ez 8 scheint ein wesentlicher Aspekt der Kritik an den Zuständen in Jerusalem die
aktive Beteiligung von Laien am Kult zu sein.?7”? Kesslers Deutung der „Gesetze, die nicht
gut waren“ auf das Deuteronomium ist daher sehr plausibel, doch dürfte im Zentrum der
Kritik nicht der Gabencharakter des Opfers stehen,’ sondern die Art und Weise seiner
Neben die Warnung vor dem verunreinigenden Kontakt mit den 2'551, der
dem Anspruch Jhwhs, Israels Gott zu sein, zuwiderläuft, 25 treten ‚in
Ez 20,18-21 das Halten und Tun der Satzungen und Rechtssetzungen Jhwhs
) חָקִיםund (מִשְפֶטִיםund die Heiligung seiner Sabbate als Aufgaben Israels
hinzu.” Letztere Bestimmung erinnert nicht nur an die Sabbatgebote der
Dekalogversionen, sondern insbesondere an Ex 31,12-17 (P),”” umso mehr
wenn man die Notiz über das an die Auszugsgeneration ergangene Sabbatge-
bot in die Betrachtung mit einbezieht (Ez 20,12):
„Der Finalsatz ist praktisch ein Zitat von Ex 31,13: Das Einhalten der Sab-
bate Gottes ist ein Zeichen, daß er Israel für sich geweiht hat. Die Sabbate
sind seine Sabbate, weil er an diesem Tag ruhte (Ex 31,17 im Anschluß an
Gen 2,2£.).“””® Fohrers Hinweis, Ez 20,12 könne nicht von Ex 31,13 abhängig
sein, weil bei Ez „der Hinweis darauf fehlt, daß Jahwe diejenigen heiligt, die
seine Sabbate halten“””, vermag dagegen nicht zu überzeugen. Ez 20 zielt
darauf ab, Israel als insgesamt und von Beginn an widerspenstig darzustellen.
Für Ausnahmen wie Kaleb oder Josua (vgl. Num 14,30; Dtn 1,36.38( ist in
Ez 20 kein Platz. Unterscheidungen innerhalb Israels zwischen jenen, die Ge-
setze und Sabbate halten und solchen, die es nicht tun, erübrigen sich für die
Vergangenheit. Im zukünftigen Gericht wird der Unterschied zwischen Wi-
derspenstigen und Gehorsamen freilich entscheidend sein (vgl. Ez 20,35-38).
Die Nennung des Sabbatgebotes neben םיִקָח und םיִטְּפְשִמ und die Verbindung
mit der Wüste zeigen außerdem Verbindungen zu Ex 16 (P) auf.” Dass das
Halten der Sabbate in Ez 20 als Zeichen gilt, an dem das Verhältnis zwischen
Israel und Jhwh erkennbar wird, weist jedenfalls in die exilisch-nachexilische
Zeit.”
Wagner hat sich dafür ausgesprochen, den Sabbat als Erkenntniszeichen nach innen zu
deuten.?%? „Der Sabbattag wird zu einem pädagogischen Mittel erklärt, mit dessen Hilfe
Einsichten über Gott zu gewinnen sind. Und wenn dabei der, der den Sabbat hält, erfahren
kann und soll, daß ich, JHWH, es bin, der euch heiligt, bzw. daß ich euer Gott JHWH bin, das Un-
terrichtsziel also die Identifizierung des Gottes JHWH darstellt, dann muß man annehmen,
daß die Angesprochenen Tatbestände und Ereignisse in ihrem persönlichen Leben und/oder
in der Geschichte ihres Volkes anderen Kräften oder auch anderen Göttern zuschreiben als
JHWH.“2® Ob nun aus der Innen- oder aus der Außenperspektive gedacht, wurde bzw. ist
der Sabbat ein Unterscheidungsmerkmal des Jhwh-Volkes gegenüber allen anderen Völkern
und bis heute ein „Hauptkennzeichen jüdischer Identität.“2®* Die Sabbate Jhwhs zu halten
heißt für den Verfasser von Ez 20, Jhwh als Gott zu erkennen und zwar als den Gott, der
allein und bilderlos verehrt werden will. Allerdings sind auch die Söhne der Exodusgenera-
tion an diesem Anspruch Jhwhs gescheitert. Der Umgang mit dem Thema weist in eine Zeit
der Gefahr für den Sabbat als Institution und für den mit ihm verbundenen Glauben an
Jhwh.2®5° Da Ez 20 die den Sabbat mit der Schöpfungsordnung verbindende Priesterschrift
bereits voraussetzt, ist am ehesten an die Krisen der späten persischen Zeit oder vielleicht
auch erst der hellenistischen Epoche zu denken, zumal die hellenistische Welt den Sabbat
zwar (neben der Beschneidung) als ein Identifikationsmerkmal des Judentums wahrnahm
und in Gestalt des römischen Rechts schließlich auch respektierte, dieser Institution jedoch
weitgehend Verachtung entgegenbrachte.?®° Gerade als abgrenzendes Bekenntniszeichen
blieben das Sabbatgebot und seine Auslegung auch innerhalb des Judentums Gegenstände
lebhafter Diskussion, man denke etwa an die Liste der Sabbatverletzungen im Schlusskapitel
des Jubiläenbuches oder an 1Makk 2,32-41. Dass Ez 20 „den Verlust des Sabbats nach dem
Untergang des judäischen Staates dokumentiert‘‘,2®” muss angesichts des zeitlichen Abstands
des Textes zur vorexilischen Zeit jedenfalls bezweifelt werden. Die Thematisierung des Sab-
bats vor allem in den jüngeren Texten des Alten Testaments, insbesondere im Rahmen von
Ergänzungen der Priesterschrift,®® und hier vor allem als Klage über seine Nichteinhaltung,
spricht dagegen, dass es diesen Texten um die Erhaltung einer Institution aus vorexilischer
21 Vgl. NOTH, Gesetze, 89; SCHMIDT, Glaube, 136; ALBERTZ, Religionsgeschichte, 423;
KÖRTING/ SPIECKERMANN, TRE 29, 519; GERSTENBERGER, Israel, 350.
282 Vo]. WAGNER, Profanität, 104-107.
283 WAGNER, Profanität, 107; Kursive von dort übernommen.
284 SCHALLER, EKL IV, 1; vgl. GOLDENBERG, TRE 29, 521.
285 Vol. WAGNER, Profanität, 107.
286 Vgl. GOLDENBERG, TRE 29, 522.
287 WAGNER, Profanität, 58. Meist wird angenommen, der Sabbat sei in vorexilischer Zeit
nicht der Ruhetag der Sieben-Tage-Woche, sondern der monatlich gefeierte Vollmondtag
gewesen; vgl. etwa ALBERTZ, Religionsgeschichte, 424; KÖRTING/SPIECKERMANN, TRE 29,
519; GERSTENBERGER, Israel, 349. Dagegen geht WAGNER, Profanität, 21 davon aus, „daß
das hebräische Wort N2V in allen literarischen Schichten des Alten Testaments und für alle
Zeiten der Geschichte Israels ein und dasselbe bedeutet, nämlich den handels- und arbeits-
freien Tag jeder Woche.“ Zur Diskussion vgl. aaO. 13-25 mit Literaturhinweisen.
288 Vgl. GRÜNWALDT, Exil, 141; daneben auch in (spät-)deuteronomistischer und chro-
nistischer Literatur; vgl. WAGNER, Profanität, 55 mit Anm. 178.
292 Kapitel 4: Der einzige Gott und die Götzen
Zeit geht, die in nachexilischer Zeit gerade nicht an Bedeutung gewonnen, sondern an Ak-
zeptanz verloren habe.23° Die betonte Stellung des Sabbats zeigt, dass die Frage der Sabbat-
heiligung für den Verfasser von Ez 20 status confessionis ist. In staatlicher Zeit, als die Zu-
gehörigkeit zu Jhwh, wenn überhaupt, durch den Wohnort bestimmt war, ist sie das sicher
nicht gewesen, ob der Sabbat nun als ein wöchentlicher Ruhe- oder als ein monatlicher Fei-
ertag begangen wurde. Ez 20 hat bereits das Ergebnis einer sich ab der Exilszeit vollziehen-
den Entwicklung im Blick, in deren Verlauf der Sabbat zu einem Erkennungsmerkmal für
Jhwh-Zugehörigkeit wurde.?”
(1) Heiliger Berg und Heiligtum in der Mitte des Volkes - Ex 20,40 und 37,25 /
Ez 37,25-28 ist wegen der darin zitierten Bundesformel bereits besprochen
worden.” Die zweifache Erwähnung des Heiligtums Jhwhs in der Mitte des
Volkes )םֶכּותַּב ; יִשָדְקַמVV.26.28) lässt keinen anderen Schluss zu, als dass es
sich dabei um ein einziges Zentralheiligtum im Sinne der Kultzentralisati-
onsidee handelt. Der Text greift über das priesterschriftliche Konzept des
wandernden zentralen Zeltheiligtums auf das Kultzentralisationsgebot zu-
rück. Greenberg sieht hier eine modernere Formulierung der auf Ex 25,8;
29,44f. bezogenen Verheißung Lev 26,11.”° Dass auch für Ez 20,40 der Ort
über die Legitimität des Kultes entscheidet, macht seine Heraushebung als
„mein Berg“ in Verbindung mit dreifachem םש deutlich.” Im Kontext von
Kapitel 20 hat die Aussage ein — wahrscheinlich nachgetragenes — Gegen-
stück in der Verurteilung des Höhendienstes Ez 20,28,” die an die deutero-
nomistische Terminologie von Ez 6,13f. erinnert. Zimmerli sieht hier
(Ez 20,27-29) wie dort (Ez 6,13f.) einen Ergänzer am Werk, ohne sich fest-
zulegen, ob an beiden Stellen derselbe Ergänzer tätig war.” Ob nun mit oder
ohne V.28 setzt Kapitel 20 die Idee des einen zentralen Jhwh-Kultortes be-
reits voraus.
dass das durch die Wortereignisformel in Ez 6,1 eingeleitete und durch die
erneute Wortereignisformel in Ez 7,1 nach unten abgegrenzte Kapitel litera-
risch nicht einheitlich ist, sondern sich aus einer Grundschicht und verschie-
denen Ergänzungen zusammensetzt. Zunächst sticht die doppelte Botenfor-
mel ins Auge. In V.3 leitet sie die dem VV.2-3a ergangenen Auftrag an den
Propheten entsprechende Rede an die Berge Israels ein. Die mit V.11 einset-
zende Rede spricht dagegen von den Gräueltaten des Hauses Israel. Auch das
viermalige „und ihr/sie werdet/n erkennen, dass ich Jhwh bin“ (VV.7.10.
13.14) ist auffällig. Die Rede des Propheten im Namen Jhwhs kündigt in V.3b
den bereits in V.2 allein, nun jedoch neben Hügeln, Wasserrinnen und Tälern
genannten Bergen Israels das Kommen des Schwertes an. Damit schließt sie
thematisch an „die Vorhersage der Verwüstung des Landes ... aus Ez 4-5“
an und stellt klar, dass über Jerusalem hinaus das ganze Land Israel der
Verwüstung anheim fallen wird.” Explizit werden „eure Höhen“ ()םֶכיִתומָּב
als Objekte der Vernichtung genannt. Pohlmann stellt unter Verweis auf
2Sam 1,19.25 zwar zurecht fest, dass damit nicht notwendig immer und über-
all Kulthöhen gemeint sein müssen, doch da nicht von Bergen und Hügeln
an sich, sondern vom zugleich mit dem Bild von Tälern und Bachläufen
beschriebenen Land Israel die Rede ist, liegt es nahe, hier an die über das
ganze Land verstreuten Kultstätten zu denken.” Als „Inhaber“ der Kult-
stätten sind dann deutlich die Berge, Hügel, Wasserrinnen und Täler Israels
angesprochen. Mit V.4 wechselt die Rede jedoch unvermittelt die Adressaten
und spricht nun die Bewohner des Landes direkt an. Altäre und Räucheraltäre
ließen sich zwar mit den Kultstätten des Landes in Verbindung bringen,
meinen mit Blick auf V.6 aber viel eher die Kultgegenstände der Bewohner.
Die Rede von „euren Erschlagenen vor euren Mistdingern“ und „euren
Knochen“ kann ohnehin nicht das Land, sondern nur seine Bewohner im
Blick haben.” Während die Altäre (nin2r%) auch aus deuteronomistischen
Texten als Objekte der Zerstörung bekannt sind,” ist die Nennung der Räu-
cheraltäre auffällig. Neben Ez 6,4.6 sind die aan?” nur noch in Lev 26,30;
301 GREENBERG, Ezechiel 1-20, 157; vgl. DERS., Ezekiel 1-20, 139.
302 Vol. POHLMANN, Ezechiel, 104; WONG, Idea, 96.
303 Vgl. POHLMANN, Ezechiel, 104 mit Anm. 392.
30 Vgl. LIWAK, Probleme, 89; GREENBERG, Ezekiel 1-20, 129.131£. übersetzt entspre-
chend „shrines“, bzw. in der deutschen Übersetzung (DERS., Ezechiel 1-20, 154.162) „heili-
ge Stätten“.
305 Vgl. LIWAK, Probleme, 89f.; POHLMANN, Ezechiel, 104.
306 Vgl. LIWAK, Probleme, 97.
307 Zur Herleitung dieser Bedeutung vom nabatäischen und palmyrenischen Wort אנמח
vgl. GREENBERG, Ezechiel 1-20, 162; Ezekiel 1-20, 132. Dagegen fasst WONG, Idea, 97 mit
Anm. 93 den Begriff als Kapelle auf. Nach HOFTIJZER/JONGELING, Dictionary, 382 sind
beide Bedeutungen möglich, wobei wenigstens an einer Belegstelle Sicher eine Kapelle mit
einem Räucheraltar gemeint sei.
4.1 Monolatrie im Ezechielbuch 295
Jes 17,8; 27,9 und 2Chr 14,4; 34,4.7, mithin durchweg in späten Texten, be-
legt.“ Die Vermutung Pohlmanns, der Verfasser von Ez 6,4-6 spiele auf
kultische Zustände seiner eigenen nachexilischen Zeit an, ist insofern sehr
plausibel.”
Räucheraltäre sind, wie zahlreiche archäologische Funde belegen, alles an-
dere als eine Neuentwicklung der nachexilischen Zeit. Allerdings weisen die
Fundkontexte zahlreicher Artefakte, etwa auch jener des berühmten Kult-
ständers aus Taanach, auf einen Gebrauch in privaten Hauskulten hin.”'” Ihre
ausdrückliche Erwähnung weist also wahrscheinlich in eine Zeit, in der nicht
mehr nur gegen eine Vielzahl von Opferkultstätten — gegen solche richtet
sich ja ursprünglich das Kultzentralisationsgebot in Dtn 12 — sondern auch
gegen unblutige (Haus-)Kulte polemisiert wurde. Neben Altären und Räu-
cheraltären werden schließlich noch — jedenfalls auf der Ebene des Endtextes
erstmalig im Ezechielbuch — die םיִלּולְּג im Rahmen der Aufzählung der Kult-
geräte genannt. Die an den Höhen existierenden Kulte sind dadurch eindeutig
als Jhwh-widrig und illegitim abqualifiziert. Ez 6,5a ist im Text der Septua-
ginta nicht belegt und erscheint auf den ersten Blick als von Lev 26,30 her
bestimmte Glosse." Angesichts der Rede von den „Leichen eurer Mistdin-
ger“ ִּ)םֶכיִלּול ( יִרְנָּפin Lev 26,30, die gegenüber Ez 6,5a die Nichtigkeit der
verwerflichen Kultobjekte noch stärker zum Ausdruck bringt, scheint jedoch
eher Lev 26,30 von Ez 6,4f. beeinflusst zu sein.”'” Vor allem spricht die Be-
leglage für den in Leviticus singulären Begriff םיִלּולְּג für ezechielischen Ein-
fluss.”'” Zudem werden die in Ez 6,4f. durch den Kontext (V.3) vorgegebenen
nina in Lev 17-26 nur in 26,30 erwähnt. Hier wie dort wird ihnen die Zerstö-
rung durch Jhwh angekündigt und nicht etwa dem Volk der Auftrag dazu
erteilt.”'* Ez 6,5a dürfte als Erläuterung zu V.5b eingefügt worden sein, um
gegenüber Ez 37,1ff. klarzustellen, dass hier nicht Gebeine, sondern aus-
308 Zu Lev 26,30 vgl. GERSTENBERGER, Leviticus, 385f. („frühjüdisch“); zu Jes 17,8 vgl.
KAISER, Jesaja 13-39, 66f. (Glosse). Jes 27,9 steht im Kontext der so genannten Jesaja-
Apokalypse Jes 24-27, die zweifellos zu den jüngsten Texten im Jesajabuch zählt und
vielleicht erst in hellenistischer Zeit entstanden ist (vgl. KAISER, Jesaja 13-39, 141-145; zu
27,9 vgl. aaO. 182f.). Hinsichtlich der drei Belege im spätpersischen oder frühhellenistischen
zweiten Chronikbuch fällt auf, dass die parallelen älteren Berichte über die Kultmaßnahmen
Asas (1Kön 15,9ff.; vgl. 2Chr 14,4) bzw. Josias (2Kön 22; vgl. 2Chr 34,4.7( in den Könige-
büchern die DIA nicht nennen.
309 Vgl. POHLMANN, Ezechiel, 106 mit dem Hinweis in Anm. 409, wonach Texte wie
Jes 57,3£f.; 65,1-5; 66,17 kultische Missstände in nachexilischer Zeit eindeutig belegen.
310 Vgl. REICHERT, BRL?, 190-192; NEGEV, Bibellexikon, 261.
311 Vgl. BHS und ZIMMERLI, Ezechiel, 139f.
312 Vgl. GERSTENBERGER, Leviticus, 385f.; POHLMANN, Ezechiel, 104 mit Anm. 393.
Anders WONG, Idea, 100.
313 39 von 48 Belegen stehen im Ezechielbuch; vgl. dazu unten Kap. 4.2.1.5.
314 Vgl. LIWAK, Probleme, 96.
296 Kapitel 4: Der einzige Gott und die Götzen
drücklich Leichen gemeint sind.” V.5b ist „von 4b als dessen Parallelaussage
. nicht zu trennen.“ V.6 ist zwar keine reine Wiederholung der Aussagen
der VV.4.5b, aber wohl gerade deshalb als nachträgliche Erweiterung zu
bestimmen.” Über das reflektierende Moment, gerade in der Zerstörung der
Altäre den Sinn der Verheerung des Landes zu sehen (finales 1127, V.6b) hin-
aus, scheint nämlich auch die geographische Perspektive erweitert zu sein. Da
ja bereits nach V.3 das Schwert über das ganze Land Israel kommen soll und
eine Einschränkung seines Wirkungsbereiches dem Charakter des umfassende
Verheerung vorhersagenden Textes zuwiderliefe, weitet die Ankündigung der
Verwüstung der Städte und Höhen „an allen euren Wohnsitzen“
) מושְבותִיכֶם553) diesen Bereich viel eher aus, nämlich auf alle Orte, an denen
Israeliten wohnen. Anders als später in V.14 ist die Lage der Wohnsitze in
keiner Weise eingeschränkt. Dieselbe universale Bedeutung dürfte םֶכיִתבְשומ
auch in Lev 23,3 haben, wo die Geltung des Sabbats an allen Wohnsitzen
Israels betont wird. Hier und in Ez 6,6 ist die gesicherte Existenz von Jhwh-
Verehrern auch außerhalb des Landes Israel offenbar vorausgesetzt. Viel-
leicht soll klargestellt werden, dass das Gebot der Kultzentralisation wie auch
das Sabbatgebot universal gilt. Da Dtn 12,1 das Halten der Gebote, an deren
Spitze dann das Kultzentralisationsgebot steht, mit dem Leben „im Lande“
verbindet,’'® ist durchaus denkbar, dass Ez 6,6 der Ansicht entgegentritt, es
dürfe zwar nur einen Tempel im Land Israel bzw. in Juda/Jehud geben, au-
Berhalb des Landes seien aber weitere Kultstätten legitim.”” Ez 6,6 leistet
somit erheblich mehr, als lediglich „das im Blick auf V.4Ende mögliche Miß-
verständnis von einer Verschonung bzw. Weiterexistenz der Götzen auszu-
schließen. ‘“””
Deutlich ist, dass in Ez 6,4.5b (im Anschluss an V.3) bzw. in V.6 (durch
Wiederholung des Stichwortes nin2) die Kultstätten im Lande durch ihre
Verbindung mit allerlei zu zerstörenden Kultgegenständen, insbesondere mit
zig als Objekte des Jhwh-Handelns und Subjekte der Jhwh-Erkenntnis in Be-
tracht kommen.” Das „typisch dtr. Redeweise über Fremdgöttervereh-
rung‘ aufnehmende Bild der mit Erschlagenen verunreinigten Kultstätten
in V.13aßb”” wird oft als Nachtrag bestimmt.” Das Kapitel könnte somit
ursprünglich mit der Erkenntnisformel 7.1326 geendet haben. Da V.14aßb
das Thema der vollständigen Verwüstung des Landes wieder aufnimmt,
könnte hier jedoch auch ein ursprünglicher Anschluss an die Erkenntnisaus-
sage vorliegen.” Die verglichen mit V.6 erfolgende geographische Einschrän-
kung, zudem nicht auf „eure“, sondern auf „ihre“ Wohnsitze bezogen,
spricht in jedem Fall eindeutig dafür, dass V.14aßb älter als V.6 ist. Wie
Dtn 12,22, nimmt auch Ez 6,13 eine Außenperspektive auf die illegitimen
Kultstätten im Lande ein, unterscheidet dabei jedoch nicht zwischen Israeli-
ten und den „kanaanäischen“ Vorbewohnern des Landes, sondern stellt dem
wahren Israel der Gola das 597 v.Chr. im Land verbliebene „Haus Israel“
gegenüber. Das Ergebnis ist allerdings in etwa dasselbe, denn so wie Dtn 12,2
von der Vertreibung der Landesbewohner durch Israel ausgeht, kündigt
Ez 6,11-14 die vollständige Vernichtung des im Land verbliebenen Hauses
Israel an.””
Als Ort des Vernichtungshandelns werden die Wohnsitze im Gebiet
nn927 727%%, von der Wüste bis Dibla/Ribla”” definiert. Die genannte 727%
kann nur jenes Wüstengebiet bezeichnen, das Palästina von seinem südlichen
Nachbarn Ägypten trennt.”* Ribla liegt am Oberlauf des Orontes, am Nord-
tand des Antilibanon im Lande Hamat. Die geographische Angabe
מִמִדְבָר ִּבְלְתָהtbierhcseb timos thcer tkaxe senej ,teibeG sad hcan zE -31,74
20 im Zuge der neuen Landnahme nach dem neuen Exodus unter den rück-
kehrenden Exulanten zu verteilen sein wird.” Dass hier ausdrücklich Dibla
bzw. Ribla erwähnt wird, liegt wahrscheinlich in der Bekanntheit der Stadt als
Ort des Gerichts begründet:”” Nach 2Kön 23,33f. hatte der Pharao Necho
hier sein Heerlager aufgeschlagen, als er Joahas absetzte und dessen Bruder
Eljakim unter dem Namen Jojakim als König von Juda einsetzte. Und gemäß
2Kön 25,6.20f. (vgl. Jer 39,5f.; 52,9.26) wurden etwa zwei Jahrzehnte später
an selber Stelle, nun Ort des Heerlagers Nebukadnezars, die Söhne Zedekias
und etliche seiner Hofbeamten exekutiert.”” Die in den Königebüchern hier
verortete Auslöschung der (männlichen) Nachkommen Zedekias passt jeden-
falls gut zum Konzept des alleinigen Führungsanspruchs der Jojachin-Gola.”*
Immer wieder unternommene Versuche der Identifizierung einer Epoche der
Geschichte Israels, während der Ribla oder das Land Hamat tatsächlich die
Nordgrenze des Landes markierten, sind wenig überzeugend geblieben. We-
der eine ägyptische Provinz „Kanaan“ noch die persische Satrapie Abar Nah-
ara endeten hier.” Erst in hellenistischer Zeit verlief für ein knappes Jahr-
hundert in etwa hier eine Grenzlinie, nämlich jene zwischen den Machtberei-
chen der Ptolemäer im Süden und der Seleukiden im Norden.’”
eindeutig. Da er nicht den nördlichsten Punkt der ab Num 34,10 beschriebenen Ostgrenze
des Landes markiert, ist er schwer mit der Lage des Ribla am Orontes in Einklang zu brin-
gen; vgl. ELLIGER, BHH 3, 1596.
336 Vgl. ZIMMERLI, Ezechiel, 157.
#7 PAKKALA, Zedekiah’s Fate, 446-448 bestreitet die historische Zuverlässigkeit dieser
Auskunft und führt dazu Informationen aus dem Jeremiabuch an, die Zedekia als legitimen
Herrscher betrachten. Da Jer 34,5 ihm gar einen Tod in Frieden und ein königliches Be-
gräbnis verheiße, sei von widerstreitenden Traditionen über das Schicksal des letzten regie-
renden Davididen auszugehen, und hinter dem Bericht in 2Kön 25 ein Interesse zu vermu-
ten, die königliche Linie Zedekias gegenüber jener Jojachins als erloschen zu erweisen.
338 In diesem Punkt berühren sich somit das Ezechielbuch und das Ende der Geschichts-
darstellung in den Königebüchern. Das Datierungssystem des Ezechielbuches ist an Jojachin
orientiert, das in 2Kön 25,4-7 geschilderte Schicksal Zedekias scheint in Ez 12,12-15
aufgegriffen zu sein (so TORREY, Pseudo-Ezekiel, 79; dagegen sieht z.B. ZIMMERLI,
Ezechiel, 267 in Ez 12,12f. eine die Königebücher ergänzende Nachricht).
339 Vgl. RUDNIG, Heilig, 187£.
340 Aus den Diadochenkriegen des ausgehenden 4. Jh. v.Chr. gingen zunächst die in
Ägypten regierenden Ptolemäer als Vormacht im Vorderen Orient hervor, jedoch war
Syrien-Palästina während des gesamten 3. Jh. v.Chr. Zankapfel zwischen den Ptolemäern
und den mit ihnen rivalisierenden Seleukiden. Mehrere kriegerische Auseinandersetzungen
)1.-4. Syrischer Krieg) veränderten die Grenze zwischen den Reichen jedoch nicht ent-
scheidend (vgl. HÖLBL, Geschichte, 22-24.36-50.111-119; HAAG, Das hellenistische Zeit-
alter, 43-48). Bis zum 5. Syrischen Krieg (202-198 v.Chr.) verlief sie ungefähr von der Mün-
dung des Eleutheros (nördlich von Tripolis) in das Mittelmeer ausgehend nach Osten, quer-
te nahe Ribla den Orontes und verlief dann weiter in süd-südwestlicher Richtung etwa auf
dem Kamm des Antilibanon bis zum Hermon, von wo aus sie dann wieder ostwärts lief (vgl.
TAVO BV 16,1). Weitgehend entsprach diese Grenzlinie also in etwa der heutigen Grenze
zwischen Libanon und Syrien. Erst mit dem Sieg Antiochos’ IH. über Ptolemaios V. wurde
Syrien-Palästina, samt Jehud und Jerusalem, endgültig Bestandteil des seleukidischen Macht-
bereiches. Die Südgrenze des Seleukidenreiches verlief nun vom „Bach Ägyptens“ (Wadi el-
300 Kapitel 4: Der einzige Gott und die Götzen
“Arı5) zum Westufer des Toten Meeres und dann, dieses etwa auf halber Höhe am Ostufer
verlassend, weiter nach Osten.
» Vgl. POHLMANN, Ezechiel, 103-105. Ob, wie Pohlmann meint, auch die Bemerkung
über die Zerstörung der Städte in V.6aß zu dieser Einheit gehört, mag hier offen bleiben.
> Vgl. GERSTENBERGER, THAT II, 1053£.; PREUSS, ThWAT VIII, 590.
38 Vgl. dagegen etwa Jer 7,10, wo תּובַעְותַהְלָּכ der Zusammenfassung zuvor explizit ge-
nannter Vergehen dient.
4.1 Monolatrie im Ezechielbuch 301
scheiden. Da letztere wie die VV.1-3.7 auf das Thema der totalen Zerstörung
des Landes konzentriert sind, während die VV.4.5b mit ihrer Polemik gegen
Kultstätten und Kultgeräte neue Aspekte eintragen (die dann in den VV.11-
14 durch V.13aß.b ebenfalls nachgetragen wurden) sind die VV.11-14* sehr
wahrscheinlich älter als die VV.4.5b.”* Sie sind sicher älter als V.6, da die
Ausdehnung der Zerstörung über die in V.14 genannten Grenzen hinaus ge-
gen das golafavorisierende Interesse der hinter VV.11-14* stehenden Bear-
beitung”” gerichtet ist. In dieselbe die gesamte Diaspora als Objekte des Got-
teshandelns und Subjekte der Jhwh-Erkenntnis darstellende Richtung zielen
die VV.8-10. V.9 nennt die Hurerei von Herzen und Augen als Vergehen, ei-
ne Umschreibung für den Abfall von Jhwh bei gleichzeitiger Zuwendung zu
den 25151, die hier offensichtlich fremde Götter in materieller Form bezeich-
nen. Der Vers dürfte deshalb das Fremdgötterverbot des Dekalogs in seiner
durch das Bilderverbot ergänzten Form voraussetzen und erscheint zu gro-
ßen Teilen als „Mosaik aus Verweisen auf andere Texte: לעמ הנזwörtl. ‚die
Hure spielen‘ nur noch in Hos 9,1; לעמ ‚ רסabweichen von’ nur noch in
Jer 32,40.“ Verglichen mit den Aussagen in den VV.1-7 liegt der Schwer-
punkt der Anklage in den VV.8-10 somit nicht mehr auf der Übertretung des
Kultzentralisationsgebotes, sondern auf dem Verstoß gegen Fremdgötter-
und Bilderverbot. Wenn der Nachtrag V.13aß.b vom Dienst an den םיִלּולְג auf
allen Hügeln und unter allen grünen Bäumen spricht, sind damit gewisserma-
Ben beide Aspekte ausdrücklich zusammengebracht.”” Da für den Verfasser
dieses Nachtrags ganz pauschal jeder Hügel ()הָעְבּג"לָּכ als illegitimer Kultplatz
in Frage kommt, dürfte V.6 älter als V.13aß.b sein, da zwar der geographische
Horizont gegenüber V.14 erweitert ist, aber anders als in V.13 der zwischen
normalen Erhebungen in der Landschaft und Kultplätzen differenzierende
terminus technicus Höhen (nin277) verwendet wird.”
34 Der Dienst an den 25152 ist auch an anderen Stellen im Ezechielbuch nachgetragen
worden; vgl. unten Kap. 4.2.1.5.
345 Vgl. POHLMANN, Ezechiel, 108.
346 GREENBERG, Ezechiel 1-20, 164; vgl. DERS., Ezekiel 1-20, 134. Vgl. auch Num 15,39.
347 WONG, Idea, 97 sieht hier im Anschluss an WEINFELD, Deuteronomy, 366 eine Kom-
bination von Hos 4,13 und Dtn 12,2.
348 Vgl. die NR2-Notizen in den Königsbeurteilungen der Königebücher.
302 Kapitel 4: Der einzige Gott und die Götzen
3% Vgl. FOHRER, Ezechiel, 100; ZIMMERLI, Ezechiel, 404£.; WONG, Idea, 96.
350 Vgl. ZIMMERLI, Ezechiel, 405.
351 FOHRER, Ezechiel, 100.
352 Vgl. oben Kap. 2.2.3.1.
35 Zu den םיִלּולְּג vgl. ausführlich unten Kap. 4.2.1.5.
3% Vgl. ZIMMERLI, Ezechiel, 110*.420; GARSCHA, Studien, 33. Bei EICHRODT, Hesekiel,
161 offen gelassen, von POHLMANN, Ezechiel, 237£. als Möglichkeit erwogen, dann jedoch
aaO. 257.275f. abgewiesen. Laut aaO. 36 gehören Ez 18,6.11.15 allerdings zu jenen Texten,
die dem älteren Prophetenbuch „im Verlauf der Überlieferungsgeschichte noch vor der
grundlegenden Überarbeitung durch die golaorientierte Redaktion zugewachsen sind.“
355 POHLMANN, Ezechiel, 265.
4.1 Monolatrie im Ezechielbuch 303
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ungerecht aber offenbar keiner weiteren Erläuterung. Das weist kaum ins
frühe 6.Jh. v.Chr., sondern eher in eine spätere Zeit, als der Idee der Kult-
zentralisation und dem Ausschließlichkeitsanspruch Jhwhs vielleicht nicht
immer Folge geleistet wurden, beides aber bekannt war. Die Meinung des in
V.2 zitierten Wortes von den Söhnen, deren Zähne stumpf werden, weil ihre
Väter saure Trauben aßen, dass also die nachfolgende Generation für die
Vergehen der Väter einstehen muss, wird vehement zurückgewiesen.” Dabei
ist entgegen der weit verbreiteten Ansicht, der Ezechieltext greife ein allge-
mein gebräuchliches, mündlich umlaufendes Sprichwort aus der Zeit unmit-
telbar nach der Katastrophe von 587 v.Chr. auf,” zu erwägen, dass hier ein
Zitat aus Jer 31,29£. vorliegt.” Dieser Text stammt jedoch seinerseits keines-
wegs vom historischen Propheten Jeremia, sondern ist vermutlich später,
vielleicht sogar später als die Verheißung Jer 31,31-34, die bereits aus einiger
Entfernung auf die Bundesformel des Deuteronomiums zurückblickt, in das
Jeremiabuch gelangt.’ Die „ezechielisch-sakralrechtliche Auslegung des jere-
mianischen Satzes: ‚Ein jeder wird für die eigene Schuld sterben“ in Ez 18
setzt offenbar nicht nur das Kultzentralisationsgebot, sondern auch die Ver-
bindung von Fremdgötter- und Bilderverbot voraus und stammt dementspre-
chend aus nachexilischer Zeit.
4.1.4 Fazit
Das Ezechielbuch kennt neben der Bundesformel und dem monolatrischen
Programm des Ersten Gebots auch die Idee der Kultzentralisation. Freilich
fällt auf, dass die Bundesformeln im Ezechielbuch durchweg auf einen neuen
Bund rekurrieren und zudem weder die Beachtung des zentralen Kultortes
noch die Alleinverehrung Jhwhs in Gebotsform gefordert werden. Beide
zentralen Gebote des Deuteronomiums erscheinen nur im Rahmen von Fest-
stellungen, sie seien übertreten worden, sei es von Israel insgesamt (Ez 20)
oder jedenfalls von den „Ungerechten“ (Ez 18). Dass Israel in einem exklusi-
ven Verhältnis zu Jhwh steht, wird somit nirgends diskutiert, sondern viel-
mehr stets vorausgesetzt. Es hat sich außerdem als wahrscheinlich erwiesen,
dass keiner der mehr oder weniger direkten Belege für die Bundesformel, das
Erste Gebot oder die Kultzentralisation der ältesten Schicht des Ezechielbu-
ches angehört.” „Ezechiel“, ob man hinter diesem Namen nun konkret ei-
nen einzelnen Propheten oder den oder die Verfasser des ältesten Ezechiel-
buches sehen möchte, hat also möglicherweise weder die Bundesformel, noch
die programmatische Monolatrie oder das Kultzentralisationsgebot gekannt.
Die älteste Schicht von Kapitel 6 redet jedenfalls von der Zerstörung der
Höhen im Land Israel in einer Art und Weise, die keineswegs notwendig vor-
aussetzt, dass diese Höhen in den Augen des Verfassers an sich illegitim ge-
wesen wären. In den späteren Schichten des Kapitels sind die zentralen Ge-
bote dann sichtlich vorausgesetzt. Allerdings sind sie in ein Konzept der Res-
titution Israels eingebunden, das die im Deuteronomium vom Volk gefor-
derte Umkehr nicht mehr voraussetzt, sondern letztlich mit einer Neuschöp-
fung Israels durch Jhwh rechnet.” Außerdem erscheinen die Gebote in einer
Form, die terminologisch nicht nur auf ihre jüngste deuteronomische Gestalt
zurückgreift, sondern diese noch mit ausgesprochen ezechielischer Termino-
logie verbindet. Da die bisher gemachten Beobachtungen nahe legen, dass mit
dem Vorwurf der Verehrung der 20301 konkret der Abfall von Jhwh zu im
Bild verehrten Göttern gemeint ist, ist anzunehmen, dass dort, wo im Eze-
chielbuch auf das Fremdgötterverbot rekurriert wird, bereits das Bilderverbot
als dessen Maßstab mitgedacht ist. Die folgenden Untersuchungen zum Bil-
derverbot im Ezechielbuch werden diesen Eindruck zu bestätigen oder zu
widerlegen haben. Hinsichtlich der Frage nach Monolatrie in Ezechiel bleibt
hier festzuhalten, dass die Existenz eines ältesten Ezechielbuches, das weder
die Idee der Kultzentralisation, noch jene der programmatischen Alleinvereh-
tung Jhwhs voraussetzt, also aus exilischer Zeit stammen könnte, nicht ausge-
schlossen werden kann. Doch auch jene ältesten Schichten, die dem Land
totale Verwüstung ansagen, setzen Jhwh als für Wohl und Wehe des Landes
zuständigen Gott, mithin zumindest die faktische Monolatrie der vorexili-
schen offiziellen Staatsreligion voraus. Sämtliche späteren Anklänge an ein
Programm der Alleinverehrung Jhwhs knüpfen dagegen an jüngere Formen
(„Priesterschrift“, „Heiligkeitsgesetz“, Dtn 12,2; Bilderverbot als Maßstab des
Fremdgötterverbots, Prophetengesetzgebung in Dtn 13; 18) dieses Pro-
gramms an und verbinden es z. T. mit neuem, spezifischem Vokabular. Auf
die Frage nach dem Anlass dieser Aufnahme und Neuinterpretation älterer
Überlieferung wird später zurückzukommen sein. Da das aufgenommene
Material im Licht der oben in Kapitel 2 unternommenen Erwägungen teil-
weise wahrscheinlich der bereits fortgeschrittenen Perserzeit zuzurechnen ist,
ist dieser Anlass in einigem Abstand zu den Ereignissen des frühen 6. Jh.
v.Chr. zu suchen. Er fällt somit sicher nicht in jene Epoche, die das Datie-
tungssystem des Ezechielbuches als Zeit der Wirksamkeit des Propheten
Ezechiel ausweist.
363 Vgl. PREUSS, Verspottung, 172; ThWAT II, 3; KUTSKO, Heaven, 25. Die zusammen-
fassende Bezeichnung der Vergehen Israels als Dienst an den םיִלּולְג ist in 2Kön 17 in V.12
belegt. Der Vers fällt im Kontext Gen-2Kön aus dem Rahmen und ist nachgetragen (vgl.
AURELIUS, Zukunft, 81f.). Der Nachtrag könnte — wie auch Lev 26,30 (vgl. dazu oben Kap.
4.1.3.2) — an Ez 6,4f. orientiert sein.
306 Kapitel 4: Der einzige Gott und die Götzen
Kutsko nennt neben den genannten Begriffen auch die Wurzel הנז+ Von 134 alttestament-
lichen Belegen entfallen 47 auf das Ezechielbuch, davon 42 auf die Kapitel 16 und 23.365 Die
Verwendung des Motivs der Hurerei zur Beschreibung der Hinwendung Israels zu anderen
Göttern, Gegenständen oder Mächten ist auch in Hos 1-3 und Jer 3 belegt. Da sich das
illegitime Verhalten je nach Kontext durchaus als Bilderdienst konkretisieren kann, ist die
Wurzel הנז auch im Rahmen von Bilderpolemiken zu finden. Sie bezeichnet jedoch nie das
Objekt illegitimen Verhaltens, sondern disqualifiziert den Vorgang des Abfalls. Daher ist sie
nicht der Bilderterminologie im hier vorausgesetzten Sinn zuzurechnen. Der vom masoreti-
schen Text in Ez 30,13 bezeugte Begriff םיִליִלֶא ist im Ezechielbuch sonst nicht belegt und
geht vermutlich auf eine Verschreibung aus םיליא zurück.366 Die in der Septuaginta fehlende
Vernichtungsdrohung gegen die םיִלּולְּג יִתְדַבאַהְו( )םיִלּולַנscheint im Anschluss an diese
Verschreibung den für das Ezechielbuch typischen Ausdruck ergänzt zu haben.’ Der Vers
war ursprünglich und auch noch in der Vorlage des Septuagintatextes?°® nicht gegen Götter
oder Götterbilder, sondern gegen die Großen und Fürsten Ägyptens gerichtet.
Der Begriff תּומד fand sich bereits in Jes 40,18 im unmittelbaren Kontext der
Kultbildpolemik des Deuterojesajabuches. In Gen 1,26 greift er in Verbin-
dung mit 27% nicht nur die aus Mesopotamien und Ägypten bekannte Ideolo-
gie vom König als Ebenbild Gottes auf,” sondern stellt zugleich das Kon-
zept der Gottebenbildlichkeit des Menschen dem mesopotamischen Konzept
Zum anderen prägt nm das erste Kapitel des Ezechielbuches. Hier finden
sich 10 von 16 Belegen des Ezechielbuches, eingebunden in die literarische
Präsentation eines Jhwh-Bild, das an Anschaulichkeit im Alten Testament
seinesgleichen sucht” und in Ez 1,26-28a seinen Gipfelpunkt erreicht:
וְעַל דְּמוּתDDK TMM עַלראשֶם כְּמִרְאֶה אָבְְֶסָפִירnuS ַ לְרְקִיעbymnı 62
עָלִיו מִלְמְעְלָהNID DEIR TAM הַכְּסָא
ּלְמְעְלָהnav nayR בִּיתְלָה סָבִיבDNU nuaD DD וְאַרָא7
022 ) לוiam מְתְנִיו וּלְמַטָה רְאִיתִי כְּמַרְאַהדאֶשmann
הוּא022 m מַרְאֶה27 בְּיוּם הַגֶּשֶםap mm NUT כְּמַרְאֶה הַקשָת8
מַרְאֶה בְּמוּת כָּבוד"ְיהוָה
26 Und oberhalb des Firmamentes, das über ihren Köpfen war, war etwas wie das Aus-
sehen eines Saphirsteines, das Abbild eines Thrones; und auf dem Abbild des Thrones
war ein Abbild wie das Aussehen eines Menschen, oben auf ihm. 27 Und ich sah (etwas)
wie das Aussehen eines strahlenden Metalls, wie das Aussehen von Feuer, ein Haus für
es (das Feuer) ringsum, ausgehend von seinen Hüften und aufwärts; und vom Aussehen
372 Vgl. schon HEHN, Terminus, 45 mit Anm. 4; KUTSKO, Heaven, 54; SCHÜLE, Image, 5f.
>73 Außer an den oben genannten 16 Ezechielstellen steht MAT in Gen 1,26; 5,1.3;
2Kön 16,10; Jes 13,4; 40,18; Ps 58,5; Dan 10,16; 2Chr 4,3.
374 Vgl. BERLEJUNG, Theologie, 311.
375 Die Belege in Ez 8,2; 10,1.10.21.22 sind wahrscheinlich nachträglich in die Entrü-
ckungsvision Ez 8-11 gelangt, um diese mit der Eingangsvision zu harmonisieren; vgl.
POHLMANN, Ezechiel, 138.149, zum Verhältnis von Ez 1 und Ez 10 auch ZIMMERLI, Eze-
chiel, 28.203. Lediglich Ez 23,15 bezeugt einen von den Visionen verschiedenen Gebrauch
des Begriffs und bezeichnet mit N1% irdische Bilder, nämlich „Abbilder der Söhne Babels“.
PREUSS, ThWATIL, 274 sieht in Ez 23,15 eines von zwei Beispielen (das andere ist
2Kön 16,10) einer „relativ konkrete(n) Verwendung für ‚Abbildung‘ oder ‚Nachbildung‘.
Nach POHLMANN, Ezechiel, 347 ist der Vers dem älteren Prophetenbuch zuzurechnen, wäh-
rend er aaO. 55 die Thronwagenbeschreibung 1,4-28 einem Textstadium zuweist, das be-
reits die golaorientierte Buchredaktion voraussetzt.
376 Vgl. KUTSKO, Heaven, 88: „Indeed, Ezek 1:1-3:15 and.8:1-11:25 contain the most
graphic portrayals of the divine presence in the Hebrew Bible.”
308 Kapitel 4: Der einzige Gott und die Götzen
seiner Hüften abwärts sah ich etwas wie das Aussehen von Feuer. Und Glanz war rings
um ihn. 28 Wie das Aussehen des Bogens der im Gewölk ist am Tag des Regens, so war
das Aussehen des Glanzes ringsum ihn, das Aussehen des Abbildes der Herrlichkeit
Jhwhs.
Der über allem thronende Jhwh wird hier eindeutig anthropomorph be-
schrieben und dementsprechend trägt auch der ihn umgebende דובְּכ-הֶוהְי hu-
manoide Züge.” In dieser Hinsicht unterscheidet sich die Rede vom הֶוהְי דּובְּכ
in der Eingangsvision des Ezechielbuches signifikant von der priesterlichen
Tradition im Pentateuch, die diesen Ausdruck gerade gebraucht, um Anthro-
pomorphismen zu vermeiden.” Allerdings werden die Schilderungen durch
den häufigen Gebrauch von nnT (allein in V.26 drei Mal) und anderer
umschreibender Begriffe: (3, 787%, n2n, vgl. Ez 8,3; 10,8)” bewusst un-
scharf gehalten.” Diese Art der Schilderung ist der Beschreibung überirdi-
scher Phänomene, mit denen der Leser ausweislich Ez 1,1 konfrontiert wird,
ohne Frage angemessen” und verfolgt das Ziel, „eine Atmosphäre des Ge-
heimnisvollen zu schaffen“.”” Da traditionell Tempel Orte der Anwesenheit
der Gottheit sind, an welchen Theophanien lokalisiert werden (vgl. etwa
Jes 6), läge ohne die umschreibend-verschleiernde Sprache der Schluss nahe,
in Ez 1 werde das Kultbild Jhwhs in der Cella seines Tempels auf seinem
Thron sitzend geschildert. Die Art und Weise der Schilderung soll deshalb
auch dem Eindruck entgegenwirken, es handele sich um eine Schau realer
Verhältnisse im Jerusalemer Tempel. Der Blick in den Himmel, sonst für
apokalyptische oder von der Apokalyptik beeinflusste Texte typisch, sichert
die Legitimation des Visionärs und des von ihm Geschauten unabhängig von
vorgegebenen religiösen Autoritäten.” Die verschleiernde Redeweise und die
Übertreibungen und Übersteigerungen betonen die absolute Überlegenheit
der durch den Visionär beanspruchten Legitimationsquelle. Ob die irdischen
Verhältnisse die Verehrung eines Kultbildes einschlossen, dürfte dabei eher
nebensächlich sein. Die direkte Legitimation vom Himmel her übersteigt jede
Art vermittelter Legitimation, ob nun durch einen ikonischen oder anikoni-
schen Kult oder durch heilige Schriften. Es ist deshalb zu bezweifeln, dass
der Verfasser des Textes durch seine Sprachwahl das Ziel verfolgte, „den
Gott Israels als den alleinigen und souveränen Himmelsgott und sein Ver-
hältnis zu Welt so zu charakterisieren, daß ... jegliche Gefahr einer Identifi-
zierung dieses Gottes mit weltlichen Gegebenheiten ausscheidet“””, um die
Unmöglichkeit der Herstellung eines Jhwh-Bildes deutlich zu machen. Kult-
bilder wurden im Alten Orient nicht als Abbilder, sondern als „Repräsentati-
onsbilder““ aufgefasst und symbolisierten folglich erheblich mehr, als gegen-
ständlich darstellbar war. Um die Unabbildbarkeit Jhwhs zu begründen, wäre
es näher liegend, den Weg von Dtn 4 einzuschlagen und soweit irgend mög-
lich auf gegenständliche Beschreibungen überhaupt zu verzichten.” Dies gilt
umso mehr, als ein Blick auf die wohl meistdiskutierte jüdische bzw. judäi-
sche Münze aller Zeiten” zeigt, dass es in Juda durchaus möglich war, Jhwh
gerade als Himmelsgott abzubilden.
Die erstmals zu Beginn des 19. Jahrhunderts veröffentlichte, aus Palästina (der genaue
Fundort ist unbekannt) stammende Silbermünze (Drachme oder Viertel-Schekel?#), ist ein
Unikat und befindet sich heute in der Sammlung des British Museum in London.? Die
Vorderseite des im Durchmesser 15mm großen und 3,29 gr. schweren Stückes,?! zeigt in
Dreiviertel-Profil den Kopf eines nach rechts blickenden bärtigen Mannes mit korinthi-
schem Helm. Die Rückseite zeigt eine männliche Gestalt mit Bart, die, mit einem langen
Gewand bekleidet, auf einem geflügelten Rad sitzt. Sie blickt ebenfalls nach rechts. Auf der
Hand des ausgestreckten linken Armes sitzt ein Vogel, der von der Gestalt abgewandt ist.
Die Beischrift rechts und links des Kopfes der Gestalt besteht aus drei Buchstaben in „ara-
mäische(r) Lapidarschrift von der Art, wie wir sie von Inschriften der persischen Zeit ken-
nen, einschließlich einer Fülle judäischer Stempel“? und lautet 77°/YHD®3 — der Name
der persischen Provinz Jehud. Um die Gestalt herum befindet sich ein quadratischer Rah-
men aus Punkten, in dessen rechter unterer Ecke sich ein Kopf mit Glatze und Bart befin-
det, der nach links gerichtet ist, die Gestalt auf dem geflügelten Rad also anblickt. Wen oder
was dieser Kopf darstellt, ist bis heute nicht abschließend geklärt. Oft wird darin der ägypti-
sche Bes bzw. dessen griechisches Äquivalent, ein Silen oder Satyr, gesehen.?”* Vielleicht
handelt es sich aber auch um ein Symbol oder Emblem desjenigen, der für die Prägung der
Münze verantwortlich zeichnete. Im Lichte der von Mildenberg vorgeschlagenen und von
Meshorer übernommenen Datierung der Münze in die Zeit zwischen 380 und 360 v.Chr.3%
könnte es sich dann um ein Symbol oder eine Art Siegel des Bagohi/Bagoas handeln,??” der
in der ersten Hälfte des 4. Jh. v.Chr. Gouverneur in Jehud war.’”® Ob die Vorderseite der
Münze sein Porträt, das Idealportrait eines persischen Amtsträgers oder gar eine griechische
Gottheit zeigt, muss hier nicht diskutiert werden.”
Mit Blick auf das Ezechielbuch oder das biblische Bilderverbot allgemein ist
vor allem die Rückseite der Jehud-Drachme von Interesse. „Hält man sich an
das Vergleichsmaterial, repräsentiert die Gestalt auf der Rückseite eine männ-
liche Gottheit.“ Es liegt nahe, diese als die lokale Gottheit des durch die
Beischrift 77° bezeichneten Prägeortes zu identifizieren. Daher wird inzwi-
schen meist angenommen, dass die Münze BMC Palestine 5. 181, Nr. 29 auf
ihrer Rückseite ein Bild Jhwhs zeigt.“
Die Existenz eines Jhwh-Bildes auf einem offiziellen Zahlungsmittel der persischen Provinz
Jehud wirft Fragen wenn nicht bezüglich Existenz, dann doch zumindest hinsichtlich der
Einhaltung des biblischen Bilderverbots in persischer Zeit auf. Zunächst ist festzuhalten,
dass Münzen keine Kultbilder sind und wir nicht wissen, ob die zahlreichen auf antiken
Prägungen gezeigten Götterbilder Kultstatuen wiedergeben wollen. Sollte auf einigen Mün-
zen der persischen, später der ptolemäischen oder seleukidischen Provinz Jehud tatsächlich
Jhwh abgebildet sein, sagt dies also nichts darüber aus, ob zur entsprechenden Zeit im Tem-
pel zu Jerusalem ein Kultbild Jhwhs verehrt wurde oder nicht. Gleichwohl gibt es auch kei-
nen Grund anzunehmen, dass die Motivwahl für die Jehud-Drachme gezielt gegen eine vot-
handene bilderlose Tradition gerichtet gewesen wäre.*'? Zwar ist es grundsätzlich problema-
tisch, mit dem Fehlen von Beweisen oder Indizien zu argumentieren, doch die Jehud-
Drachme ist bislang ein Unikat und wer immer sie prägen ließ, hätte zur Bekämpfung aniko-
nischer Traditionen auf eine weitere Verbreitung. des Bildes aus sein müssen und wohl eine
kleinere Nominale gewählt. Außerdem sind auch andere Jehud-Münzen der persischen Zeit
schwerlich mit dem Bilder- oder auch dem Fremdgötterverbot des Dekalogs vereinbar. Die
ältesten Münzen aus Jehud, die wahrscheinlich um 400 v.Chr. zu datieren sind, zeigen ein
Portrait der griechischen Göttin Athena auf der Vorder- und die Eule, das Symboltier der
Göttin sowie die Aufschrift 777° auf der Rückseite.*% Sie kopieren ganz offensichtlich atheni-
sche Vorbilder, die ausweislich archäologischer Funde im 5. und 4. Jahrhundert bis nach
Indien verbreitet waren und als eine Standardwährung des internationalen Handels genutzt
wurden.*%* Da es sich um erstmalige Nachahmungen eines internationalen Standards handelt,
können aus der Existenz der Athena-Münzen aus Jehud keinerlei Schlüsse bezüglich etwai-
ger Verehrung der griechischen Göttin in Juda gezogen werden. Die Drachme mit dem
Jhwh-Bild stammt dagegen aus späterer Zeit, als man sich vom Design des athenischen Vor-
bildes bereits entfernt hatte. Der numismatische Befund legt die Vermutung nahe, dass die
Abbildung selbst fremder Gottheiten auf offiziellen Zahlungsmitteln noch um die Wende
vom 5. zum 4. Jahrhundert v.Chr. weit weniger problematisch gesehen wurde, als es die
beiden ersten Gebote des Dekalogs erwarten ließen. Der Designwechsel, den die Münzen
aus Jehud im Verlauf des 4. Jahrhunderts v.Chr. erfuhren, muss keineswegs religiöse
Gründe haben. Auch politische Gründe sind denkbar, etwa eine bewusste Abwendung vom
griechischen Vorbild infolge griechisch-persischer Rivalitäten. Erst die Jehud-Münzen aus
ptolemäischer Zeit weisen Unterschiede zum zeitgenössischen regionalen Standard auf, die
auf eine bewusste Vermeidung der Darstellung fremder Götter hindeuten.*% Und erst die
Münzen der Hasmonäerzeit entsprechen sichtlich den Forderungen des biblischen Fremd-
götter- und Bilderverbots.*”
Es ist vielfach darauf hingewiesen worden, die Darstellung der Gottheit auf
einem geflügelten Rad erinnere an die Thronwagenvision in Ez 1 und 10."
Blum weist nicht zu unrecht darauf hin, „daß die Darstellung des Flügelrades
nun gerade nicht die wesentlichen Charakteristika der belebten Ophanim von
Ez 10 aufnimmt: Körper mit Händen, Gesichtern, Flügeln und überall ‚Au-
gen‘, und zugleich die Konstruktion als ‚Rad im Rad““®, Die Rückseite der
Münze ist genauso wenig die 110166 Umsetzung der Jhwh-Visionen des
Ezechielbuches, wie diese eine exakte Beschreibung der Münze sind. Das
403 Vgl. EDELMAN, Observance, 199; Abbildungen 2. B. bei MESHORER, Coinage, Plate 1.
404 Zunächst erfolgte die Versorgung des Handels mit Prägungen aus Griechenland
selbst, ab ca. 420 v.Chr. treten dann eigene „Östprägungen“ auf; vgl. MILDENBERG, Münz-
wesen, 12f. PILCHER, Coin, 49 sieht die Niederlage Athens im Peloponnesischen Krieg mit
der Einnahme der Stadt durch Lysander im Jahr 404 v.Chr. als Auslöser für das Ende der
Versorgung des internationalen Handels mit attischem Geld.
405 Zu nennen sind der Wegfall der Athena, die z. T. durch das Symbol der Lilie ersetzt
wurde oder die Abänderung der Eule in einen Adler oder Falken; vgl. EDELMAN, Obser-
vance, 199f.
406 Vgl. EDELMAN, Observance, 207-209; bezeichnend ist vor allem, dass nur in Jehud/
Juda auf die Darstellung der (gemäß ägyptischer Tradition vergöttlichten) ptolemäischen
Könige verzichtet wurde.
407 Vgl. EDELMAN, Observance, 222.
408 Vgl. etwa KEEL, Jahwe-Visionen, 273 mit Anm. 391. Die Idee einer Beziehung zwi-
schen der Münze mit dem Gott auf dem Flügelrad und den Jhwh-Visionen des Ezechielbu-
ches findet sich erstmals bei PILCHER, Coin, 49-52.
409 BLUM, Schiqquz Schomem, 22.
22 Kapitel 4: Der einzige Gott und die Götzen
das Flügelpaar für die beiden Landeshälften Ober- und Unterägypten 5066.75 Von Beginn
an mit dem Königtum verbunden, wurde es bevorzugt über der Darstellung des Königs
abgebildet und entwickelte sich so zur zum Symbol verdichteten Erscheinungsform gottbe-
gnadeten Königtums. Die Verbindung mit dem Falkengott Horus scheint demgegenüber
sekundär zu sein. In ptolemäischer Zeit war die Flügelsonne dann die geläufige Schreibung
für den Titel „König von Oberägypten und Unterägypten‘“, stellte also eine Art Wappen für
das Einheitsreich dar. Von Ägypten aus verbreitete sich das Symbol näch Osten. Im 9./8.
Jh. v.Chr. begegnet es in Palästina und Phönizien regelmäßig auf Siegelamuletten.*!7 Auch in
Assyrien wurde es übernommen, die vermenschlichte Flügelsonne wird herkömmlich als
Darstellung des Gottes Assur gedeutet.*!® Vermittelt durch die assyrisch-mesopotamische
Tradition hielt das Motiv später ins Bildprogramm der Achämeniden Einzug. Die Flügel-
sonne muss in achämenidischer Zeit große Bedeutung gehabt haben. Man findet sie nicht
nur auf zahlreichen Gegenständen (Siegeln, Münzen, Bullen) dieser Epoche, sondern auch
auf fast allen achämenidischen Königsreliefs.*!? Stets hat sie eine hervorgehobene Position
im oberen Teil der Darstellung. Die Adaption eines mit dem Gott Assur verbundenen Mo-
tivs, kombiniert mit seiner Anzahl und prominenten Position sowie der Betonung der
Achämenidenkönige, nach dem Willen Ahuramazdas zu herrschen, haben zu der Annahme
geführt, der bärtige Mann, der in zahlreichen achämenidischen Darstellungen der Flügel-
sonne zu sehen ist, sei kein anderer als Ahuramazda selbst. Diese Deutung ist jedoch bis
heute umstritten, da die Flügelsonne in zwei Hauptvarianten begegnet. Die einfachere, nur
aus den Grundelementen Ring bzw. Kreis und Flügel bestehend, ist häufiger belegt.* Das
zusätzliche Element eines bärtigen, gekrönten Mannes findet sich nur dort, wo die Flügel-
sonne „im oberen Teil der Darstellungen von Königen, Prinzen, Satrapen oder anderen
Beamten in Erscheinung tritt“.#?! Dabei ändert der bärtige Mann mit dem jeweiligen König
seinen Ornat, trägt aber nicht immer dieselbe Krone wie der unter ihm dargestellte König.*?
Daher ist als Alternative zur Deutung des bärtigen Mannes als Ahuramazda vorgeschlagen
worden, er stelle dort, wo er eine andere Kopfbedeckung als der abgebildete König trägt,
den Vater bzw. einen Ahnherrn des Königs dar. Stimmen die Kopfbedeckungen überein
(mehrere Persepolis-Reliefs), stelle der er entsprechend der sowohl in Ägypten als auch in
Vorderasien anzutreffenden Tradition vom König als göttlich-sonnenhaftem Wesen, den
lebenden König als Sonnenkönig dar.*? Die ihn umgebende Flügelsonne wird in diesem Fall
als ein Symbol für den königlichen Glücksglanz oder sonnenhaften Königsglanz gedeutet.
Auch das geflügelte Rad auf der Rückseite der Jehud-Drachme könnte vor
dem Hintergrund der Flügelsonnensymbolik zu sehen sein.” Die Verbindung
der abgebildeten Gottheit mit dem Himmel wird auch durch den abgebilde-
ten Vogel deutlich, ob es sich bei diesem nun um einen Adler, oder — wahr-
scheinlicher - um einen Falken handelt.” Daher mag das geflügelte Rad von
einem Triptolemos- oder Dionysosbild übernommen worden sein,” kann
aber zugleich auch als zum Thron verwandelte Flügelsonne verstanden wer-
den. Die Aussage dieses Bildes hätte dann eine Entsprechung in Jes 66,1:
הַשָמִים כְּסָאִי, red lemmiH tsi niem ”.norhT sE„ treitnesärp ned nehcsidüj
Gott als ‚Gott des Himmels‘ in der ikonischen Sprache der Zeit, deren De-
sign sich an griechischen Vorbildern orientiert.“ Die Jhwh-Vision in Ez 1
verfolgt mit der Verbindung der Vorstellung vom Kommen Jhwhs im Wetter
mit jener vom thronenden Gott ein ähnliches Ziel: „Mit der hier vorgenom-
menen Verbindung beider Vorstellungen soll dem Leser signalisiert werden,
wie Israels Gott Jahwe als der über dem Himmel wie über der Platte thro-
nende Himmelsgott allgegenwärtig wirkend auf dem Plan sein kann.‘“” Beide,
Jehud-Drachme und Ezechiel-Vision, präsentieren den Gott Israels als Him-
melsgott, eine Charakterisierung, die begrifflich in der Literatur der nachexili-
schen Zeit aufkommt.”” Die Schilderung Jhwhs in der Eingangsvision des
Ezechielbuches dürfte deshalb ähnlich der Darstellung auf der Rückseite der
Jehud-Drachme Vorstellungen widerspiegeln, die in der (fortgeschrittenen)
Achämenidenzeit vielleicht unter dem Einfluss persischer Auffassungen von
Ahuramazda entstanden sind. Die späteren Ausgestaltungen, insbesondere
die den Bilderreden des Henochbuches nahe stehende Beschreibung der Rä-
der, weisen jedoch bereits in die hellenistische Epoche.”
Toranlage.‘”° Derartige Kultstätten, auch wenn sie sich nur selten zweifelsfrei
archäologisch belegen lassen, waren in Palästina offenbar weit verbreitet."
Greenberg weist auf das phönizische Wort s/ hin, welches das Standbild
eines Gottes oder Menschen, insbesondere der Göttin Aschera bezeichne.
Über die Verbindung von 2Chr 33,7.15, den neben Ez 8,3.5 und Dtn 4,16
einzigen alttestamentlichen Belegstellen von 53D, mit dem Bild der Aschera
(um (לֶסֶפ in der Parallelerzählung 2Kön 21,7 tritt Greenberg für eine
Deutung des Eifersuchtsbildes als Statue der Aschera ein.”” Dohmen weist
jedoch zu Recht darauf hin, dass durch eine solche Gleichsetzung von 598
und לָמְס jene Stellen, an denen beide Begriffe nebeneinander stehen
(2Chr 33,7; Dtn 4,16), schwer verständlich wären." Er deutet den Begriff
ebenfalls vor dem Hintergrund phönizischer und punischer Belege, legt aber
mehr Gewicht auf die Deutung als Votivstatue (des Beters vor dem Gott,
nicht des Gottes)” und folgert daraus, „daß למס im Bereich der Bildertermi-
nologie kein Wesens-, sondern ein funktionaler Begriff ist.“ Auch der
Standort außerhalb des Tempels lässt kaum an ein Kultbild im technischen
Sinne denken. Die in Ez 8 über den Begriff 539 hinaus zu beobachtenden
Anklänge an Dtn 4,16ff."” könnten darauf hindeuten, dass hier nicht nur
Kultbilder, sondern bildliche Darstellungen überhaupt als problematisch
empfunden werden. Das eigentliche Problem scheint in Ez 8,5 ursprünglich
ein Altar zu sein. Seine Verbindung mit dem Eifersuchtsbild ist in der Septu-
aginta nicht belegt und könnte im masoretischen Text nachträglich eingefügt
worden sein, um den Aspekt der Bilderverehrung zu unterstreichen oder auch
erst einzutragen. Letzteres gilt zumindest dann, wenn die abschließende Orts-
angabe** des auffällig langen V.3 mit Fohrer als erläuternde Glosse zu be-
stimmen ist." Da die Deutung des Geschehens als Gräuel in V.6 auf die Ent-
fernung vom Heiligtum abzielt, gilt die Kritik am Altar jedenfalls zunächst
allgemein der Existenz von Kultplätzen außerhalb des Tempels.*” Erst in ei-
#3 Vgl. dazu ZWICKEL, Räucherkult, 239f. Zur von Zwickel rekonstruierten Trennung
von Bild und Altar, die sich auch bei DIJKSTRA, Goddess, 91 findet, vgl. kritisch BERNETT/
KEEL, Mond, 77.
#34 Vgl. BERNETT/KEEL, Mond, 45-74.
#5 Vgl. GREENBERG, Ezechiel 1-20, 198; Ezekiel 1-20, 168; ähnlich ACKERMAN, Tree,
56-66; vgl. DIJKSTRA, Goddess, 91-94.
4% Vgl. DOHMEN, Heißt 520 „Bild, Statue“?, 265.
47 Vgl. DOHMEN, Heißt 930 „Bild, Statue“?, 264; HOFTIJZER/JONGELING, Dictionary,
792£.
#38 DOHMEN, Heißt 530 „Bild, Statue“?, 266.
439 Vgl. auch die Charakterisierung Jhwhs als אָנְק לֶאin Dtn 4,24.
94 map הַקְנְאָהaD שָם מוּשָב-אַשֶר
#1 Vgl. FOHRER, Ezechiel, 47 und bereits CORNILL, Ezechiel, 222. ZIMMERLI, Ezechiel,
213 belässt dagegen den masoretischen Abschluss des Verses und fasst ihn als reine Orts-
bestimmung auf; vgl. auch unten Kap. 4.2.2.
442 Vgl. POHLMANN, Ezechiel, 139.
316 Kapitel 4: Der einzige Gott und die Götzen
In diesem Kontext ist wohl zunächst an privaten Besitz von Gold und Silber
gedacht, der in einer belagerten und ausgehungerten Stadt wertlos wird, weil
man Geld nun einmal nicht essen kann. Ez 7,19b.20 erklären die zum Ab-
scheu gewordenen Zahlungsmittel Gold und Silber zum Anstoß für Miss-
achtungen des Verbots (vgl. Ex 20,23), sich Götter(-Bilder) aus Silber und
Gold zu machen, Ez 7,19b.20:
הָיָהavכִּידִמִכָשוּל
?mn נְתְִיו לְחֶםpop שְוּצִיהֶם עָשוּ בוniyana וְצַלְמִיnam וּצַבִי עדיו לְנָאון
.. denn es ist ein Anstoß ihrer Schuld.
Und die Zierde seines Schmuckes, zum Übermut hat man sie benutzt, und ihre Gräuel-
bilder, [ihre Abscheulichkeiten]1XX haben sie aus ihm gemacht; darum mache ich es ih-
nen zum Abscheu.
#3 Vgl. FOHRER, Ezechiel, 49: 8 es [das Bild; 5. 4 Jahwes Eifersucht erregt, muß es
einer anderen Gottheit geweiht sein.‘
#4 Vgl. oben Kap. 3.2.8.
+5 Vol. WILDBERGER, THAT II, 557; STENDEBACH, ThWAT VI, 1050; ZIMMERLI,
Ezechiel, 182; POHLMANN, Ezechiel, 120.
#6 Vgl. Ex 20,23; Ex 32,2ff.; Dtn 7,25; zu diesen Stellen oben Kap. 2.2.3. bzw. Kap.
25
#7 POHLMANN, Ezechiel, 120.
5% Der in LXX nicht belegte Satz mm תַרָבָע atra םֶליִצַהְל לָכּוידאלDamm 0803 scheint
nachträglich aus Zef 1,18 entlehnt worden zu sein; vol. BHS; ZIMMERLI, Ezechiel, 164.
4.2 Bilderverbot im Ezechielbuch 317
dung von genanntem Material, bekanntem Verbot und der Vorstellung, die
Bevölkerung habe ausnahmslos und ununterbrochen dagegen verstoßen. Die
Fertigung illegitimer Bilder in Verbindung mit privatem Edelmetallbesitz er-
innert allerdings auch an die Herstellung des goldenen Kalbes in אא 4
So wird im Rahmen der Exoduserzählung jener Schmuck, den die Israeliten
beim Auszug aus Ägypten letztlich von Jhwh erhalten hatten,*” zum Fanal
des Abfalls von Jhwh verarbeitet. Angesichts der Wendung ayıy ""לושָכִמ ist
schließlich auch eine Konkretisierung der Unheilsansage Jer 6,21 denkbar:
Die onayin יִמְלַצ spielen jedenfalls kaum auf Götterbilder eines (in den Au-
gen der Verfasser zweifellos illegitimen, gleichwohl regulären und realen)
Tempelkultes an, sondern beschreiben allgemein die Herstellung von Bildern
als Zeichen des Abfalls von Jhwh. Dasselbe dürfte für die in Ez 16,17 ge-
nannten >? יִמְלַצ gelten, wenn auch nicht ganz klar ist, was damit genau ge-
meint ist. Die Betonung des Geschlechtsmerkmales mag auf phallische Bilder
hindeuten,“ auch die Verehrung bestimmter männlicher Gottheiten wird als
Möglichkeit erwogen.” Angesichts des Kontextes ist allerdings fraglich, ob
hier überhaupt konkrete kultische Verfehlungen der Zeit des Verfassers im
Blick sind.*” Der Vers gehört dem Abschnitt Ez 16,16-21 an, vermutlich ein
Nachtrag innerhalb von Ez 16,” der „das Bild der Untreue auf den Kultus
ausgedehnt und gedeutet“ hat. Die dezidiert männlichen Bilder entsprechen
der Darstellung Jerusalems als sich nach allen Seiten feilbietende Hure. Es
dürfte deshalb unmöglich sein, hinter den >t יִמְלַצ bestimmte Gottheiten
bzw. deren Bilder oder gar mit diesen Bildern verbundene Praktiken zu iden-
tifizieren. Die Aussage besagt freilich soviel, dass der Umgang mit Bildern für
ihren Verfasser ein verwerfliches Handeln darstellt. Ez 23,14 erwähnt
schließlich „Bilder der Chaldäer“ )םיִדָשְכ [ יִמְלַצQ]), die Jerusalem gesehen
und sich daraufhin mit den Babyloniern eingelassen habe. Im Gegensatz zu
rierten Stein meinen.“ Die drei genannten Verse entsprächen dann einander
im Hinblick auf den Umgang mit den Bildsteinen: Lev 26,1 verbietet ihre
Herstellung, Num 33,52 befiehlt ihre Zerstörung im Zuge der Landnahme,
Ez 8,12 beschreibt den Verstoß gegen das Gebot im Lande durch Israel. Ein
Kultbild im eigentlichen Sinne ist jedenfalls nicht gemeint, denn Lev 26,1, wo
מַשָכִּיתunter anderem neben 595 steht, will den Katalog verbotener Objekte
gerade über das Bilderverbot des Dekalogs hinaus ausdehnen."
zen soll.””' Der Verfasser von Ez 20,32 hat zwischen der Verehrung Jhwhs im
Bild und der Verehrung anderer „Götter“, die doch nur Holz und Stein sind,
wahrscheinlich gar nicht unterschieden. Es geht ihm nicht darum, dass Israel
lediglich wie die Völker handeln und seinen Gott deshalb nun im Bild vereh-
ren will, sondern dass es wie die Völker sein (773 (םיוגכ und das heißt, nicht
mehr Israel sein will, was wiederum an der Verehrung von Holz und Stein
erkennbar wird. Für den Verfasser von Ez 20,32 ist die Bilderfrage nicht
mehr Maßstab für richtige oder falsche Jhwh-Verehrung, an ihr entscheidet
sich, ob Israel überhaupt Jhwh verehrt und noch Israel ist.
Frevel hat die auf Kultbilder bezogenen Belege für J387 YY im Rahmen eines ausführlichen
Exkutses „Holz und Stein als Fremdgötterbildpolemik“*7? zusammengestellt. An der relati-
ven Chronologie der Belegstellen, Jer 2,27; 3,9; Dtn 28,36.64; Ez 20,32; Dtn 29,16; 4,28;
2Kön 19,18//Jes 37,19; Hab 2,19,%73 lasse sich „die Entwicklung vom intoleranten Aus-
schließlichkeitsanspruch hin zum monotheistischen Bekenntnis und analog die Entwicklung
von der Kultbildkritik zur Götzenbildpolemik ... ablesen.“*’* Diese Beobachtung ist mit
Blick auf die Verortung von 1Kön 19,18//Jes 37,19 und Hab 2,19 am Ende der Entwick-
lung nicht von der Hand zu weisen, setzen diese Stellen doch deutlich die monotheistische
Theologie des Deuterojesajabuches voraus,*’® und zumindest Hab 2,19 blickt sicher auch auf
die Kultbildpolemiken in Jes 40-55 zurück. Auch die Priorität von Dtn 28,36.64 gegen-
über Ez 20,32 und die chronologische Nachordnung von Dtn 29,16 hinter Ez 20,32 leuch-
ten ein. Frevels Urteil eines zunehmenden „Identifikationsgrad[es] der Fremdgötter mit dem
Material ihrer 311161797 fordert jedoch zu Nachfragen hinsichtlich der Positionierung von
Din 4,28 und vor allem der beiden Jeremiastellen innerhalb der Belegreihe heraus. Im Rah-
men der Untersuchung des Bilderverbots im Deuteronomium hatte sich eine Einordnung
von Dtn 4,28 zwischen Dtn 28,36.64 und Dtn 29,16 nahe gelegt: Während hinter der Be-
zeichnung der Götter aus Holz und Stein als Menschenwerk bereits ein impliziter Mono-
theismus vermutet werden darf, zieht Dtn 29,16 die terminologische Konsequenz und be-
zeichnet sie - vom Ezechielbuch beeinflusst — explizit als Mistdinger und Scheusale, als
verunreinigende Götzen.’® Auf die Entstehungsgeschichte von Jer 2-6 kann hier nicht ein-
gegangen werden. Traditionell wurden diese Kapitel der Frühzeitverkündigung des Prophe-
#71 Vgl. FREVEL, Aschera, 386. Da sich Ez 20,32 somit als Verschärfung der Polemik er-
klären lässt, kann gegen SEDLMEIER, Studien 321f. festgehalten werden, dass der termino-
logische Unterschied zum Deuteronomium kein Argument gegen die Übernahme der Wen-
dung JAN] ץע in Ez 20,32 aus dem Deuteronomium liefert.
#72 FREVEL, Aschera, 380-406. :
#3 Vgl. FREVEL, Aschera, 404. Die aramäischen Belege aus Dan 5,4.23 seien hier mit
FREVEL, aaO. Anm. 1379 genannt und ausgeklammert. Da sie wie die nach Frevel jüngsten
Belege 2Kön 19,18//Jes 37,19; Hab 2,19 einen universalen Monotheismus voraussetzen, sind
sie ebenfalls am Ende der Entwicklung des Gebrauchs von „Holz und Stein“ anzusiedeln.
#74 FREVEL, Aschera, 381.
#5 Vgl. FREVEL, Aschera, 396.403. Zu 2Kön 19,18 vgl. WÜRTHWEIN, Könige, 428, zu
Jes 37,19 vgl. KAISER, Jesaja 13-39, 305.312.
#76 Vgl. PERLITT, Nahum, Habakuk, Zephanja, 78f.
#77 FREVEL, Aschera, 404; aufgenommen bei BERLEJUNG, Theologie, 313.
#8 Vgl. oben Kap. 2.2.5.
4.2 Bilderverbot im Ezechielbuch 321
ten Jeremia zugewiesen und in die Zeit Josias datiert.”° Albertz hat die damit verbundenen
Probleme zu lösen versucht, indem er lediglich Jer 2,4-4,2 (ohne 3,6-18*%) jener Frühzeit-
verkündigung zuwies, in Jer 4,3-6,30 dagegen eine Sammlung von Unheilsworten aus der
Zeit nach 609 v.Chr. fand.*! Liwaks Urteil, wonach „die Texte in Jer 2-6 ... einige Aussa-
gen des übrigen Buches aufgenommen, andere wiederum variierend verarbeitet“4%2 haben,
spricht allerdings dagegen, in Jer 2-6 überhaupt so etwas wie „Frühzeitverkündigung“ anzu-
nehmen.“ Vielmehr setzen Jer 2,2-4,4 den Untergang Judas bereits voraus.*%* Da auch
Frevel zu dem Schluss kommt, „daß *eine der Stellen [die „Holz und Stein“ belegen; S.P.]
vorexilisch anzusetzen ist“#5 und er zudem ausdrücklich auf den deuteronomistischen Ein-
fluss auf Jer 2,27 aufmerksam macht,*#° vermag seine tendenzkritisch begründete” Vorord-
nung der Jeremiastellen vor Dtn 28,36.64 nicht zu überzeugen. Für Jer 3,9 liegt dies auf der
Hand, denn im Gegensatz zu den Stellen im Deuteronomium spricht Jer 3,9 gar nicht von
der Verehrung von „Göttern“:
Der Vorwurf der willentlichen Verehrung von toter Materie steht Ez 20,32 erheblich näher,
als der Strafankündigung der Verehrung der fremden Götter in Dtn 28. Frevel selbst macht
darauf aufmerksam, dass das in Jer 3 verwandte Bild der treulosen Schwestern „durch Ez 23
beeinflusst sein [könnte].“*#® Im Kontext von Jer 2,27 werden die Verehrungsobjekte dage-
gen als „Götter“ bezeichnet (Jer 2,27£.):
#9 Vgl. z. B. RUDOLPH, Jeremia, 13f. Im Anschluss daran ist es für PREUSS, Verspottung,
159 „nicht ausgeschlossen, daß in Jer 2,1ff. sogar Jeremias erste Predigt überliefert ist.“
#0 THIEL, Redaktion, 93 findet einen jeremianischen Kern in 3,12aß-13b«, einen deute-
ronomistischen Kommentar mit Rahmen in 3,6-12a«.13bß sowie spätere Zusätze in 3,14-17
und 3,18.
#1 Vgl. ALBERTZ, Jeremia 2-6, 20-25.43-46.
#2 LIWAK, Prophet, 302.
#3 Vgl. KAISER, Grundriß 2, 73f. LEVIN, Anfänge, 428f.434f. verbindet den Beginn der
Wirksamkeit Jeremias anhand einer Analyse der Datierungen innerhalb des Jeremiabuches
mit dem Beginn der Herrschaft Jojakims.
#4 Vgl. LEVIN, Verheißung, 157f.
485 FREVEL, Aschera, 404.
#6 Vo]. FREVEL, Aschera, 369: „Aufgrund von eindeutig deuteronomistischen Formulie-
rungsparallelen aus ähnlichen Kontexten wurde die These aufgestellt, daß VV 26-28 ein
deuteronomistisch beeinflußtes Kompositionsgebilde darstellen.“ Ob Jer 2,26-28 literarisch
einheitlich sind, ist freilich umstritten. THIEL, Redaktion, 83 macht lediglich in V.26b einen
deuteronomistischen Zusatz aus. Bereits DUHM, Jeremia, 27 bemerkte zu dieser Stelle: „Wer
mit dem B. Jeremia näher bekannt ist, sieht sofort, dass die öde Aufzählung in V.26b nicht
von Jer, sondern von einem Bearbeiter herrührt.“ Zu Jer 2,20-28 vgl. auch HERRMANN,
Jeremia, 203-207.
487 Vgl. FREVEL, Aschera, 404: „Voraussetzung für diese relative Chronologie der Belege
war unter anderem die in der Verwendung erkennbare Verschiebung.“ Die durch die Wen-
dung „unter anderem“ implizierten weiteren Argumente habe ich in Frevels Ausführungen
allerdings nicht ausmachen können.
488 FREVEL, Aschera, 382; vgl. SCHREINER, Jeremia, 27f.
322 "Kapitel 4: Der einzige Gott und die Götzen
אֶלִי ערֶף ולא פָּנִיםmB )am אıpmaJ אמרים לָעץ אָבִי אַמָה72
ּוּבְעַח רְעָתֶם יאמָרוּ קוּמָה והוּשִיענו
ֶּ יָקוּמוּ אַסדיושיעוף בְּעַת רְעָת97 yaM NET וְאִיָה אַלְהָי8
יְהוּרָהrop ּ חָיוIT כִּי מִסְפַר
27 Die zum Holz sagen: „Mein Vater bist Du“ und zum Stein: „Du hast mich geboren“,
denn sie haben mir den Nacken zugewandt und nicht das Gesicht. Aber zur Zeit ihres
Unglücks sagen sie: „Steh auf und rette uns!“ 28 Wo sind deine Götter, die du dir ge-
macht hast? Sie sollen aufstehen und dich retten zur Zeit deines Unglücks, denn zahl-
reich wie deine Städte sind deine Götter, Juda!
Die pointierte Bezeichnung der Götter als Menschenwerk (77? ְתיִשָע רֶשַאTo; V.28a)
liegt eher auf einer Linie mit Dtn 4,28 )םֶדֶא 7° הָשַעַמ,( םיִהלָאals Dtn 28,36.64 vorauszu-
gehen. Neu gegenüber allen drei Deuteronomiumstellen ist in Jer 2,27f. der Vorwurf der
willentlichen Verehrung von Holz und Stein bereits vor dem Exil, nicht als Konsequenz
desselben. Dass die ausdrückliche Identifizierung der fremden „Götter“ mit ihrem Material
nicht gegen, sondern eher für einen bereits monotheistischen Hintergrund spricht, hat sich
implizit für Dtn 4,28 nahe gelegt und sich explizit an den Bilderfabrikationstexten in Deute-
rojesaja gezeigt, insbesondere an Jes 44,9-20.*% Alles in allem legt sich somit eine von Fre-
vels Vorschlag abweichende relative Chronologie der Verwendung von Holz und Stein in
der Fremdgötterbildpolemik nahe. Wie in Kapitel 2 bereits dargelegt, ist die älteste polemi-
sche Verwendung von ]381 YY in Dtn 28,36.64 zu finden.“ Literarisch setzt sie jenes Inein-
andergreifen von Kultzentralisationsgebot, Fremdgötter- und Bilderverbot voraus, das in
den jüngsten Schichten von Dtn 12 und in Dtn 7 sichtbar wird: Die zahlreichen Jhwh-Kult-
stätten im Lande werden literarisch von Orten illegitimer Jhwh-Verehrung zu Stätten des
Fremdgötterdienstes, die einst im Jhwh-Kult legitimen Ascheren und Mazzeben werden zu
Symbolen der fremden Götter. Im folgenden Schritt werden sie explizit als Machwerk von
Menschenhand bezeichnet, innerhalb des Deuteronomiums durch Dtn 4,28, im Jeremiabuch
durch Jer 2,271. Wollte man hinsichtlich der relativen Chronologie dieser beiden Belegstellen
eine Entscheidung treffen, spräche der Aspekt des vorexilischen willentlichen Abfalls von
Jhwh zu Bild-„Göttern“ in Jer 2,27£. für Dtn 4,28 als älteren Text. Sicher ist das freilich
nicht, denn auch wenn sich Dtn 4 kontextbedingt als Mahnung für die Zukunft präsentiert,
ist Bilderverehrung auch hier ein Zeichen des Abfalls von Jhwh, auf den zurückgeblickt und
in dem die Ursache des Exils erblickt wird. Auch wenn sowohl Dtn 4,28 als auch Jer 2,27f.
noch die Bezeichnung „Götter“ verwenden, ohne das Gott-Sein der Fremd-,Götter“ expli-
zit zu leugnen — eine Konsequenz, die später in 2Kön 19,18//Jes 37,19 gezogen wird — ist
das erstmals bei Deuterojesaja formulierte monotheistische Bekenntnis vermutlich bereits
impliziert. Wie sich die jüngeren Belege für Holz und Stein zueinander verhalten, ist schwe-
rer zu bestimmen. Es liegt nahe, die Formulierung von Jer 3,9 mit Jer 2,27 in Verbindung zu
bringen.*”! Deutlich ist zudem die Priorität von Ez 20,32 gegenüber Dtn 29,16, der ezechie-
lische Terminologie in das Deuteronomium einträgt. Unklar bleibt dagegen das Verhältnis
von Ez 20,32 zu Jer 3,9. Beiden Stellen gemeinsam ist der bereits in Jer 2,27f. erhobene
Vorwurf einer willentlichen Verehrung von Holz und Stein, jedoch ohne dass dabei das
Stichwort םיִהְלֶא 11616. Die Anrufung von Holz und Stein in Hab 2,19 erinnert schließlich an
#9 Vgl. dazu oben Kap. 3.2.4. Mit Jes 44,17 teilen Jer 2,271. die auf einen Gegenstand ge-
richtete Rettungshoffnung, gipfelt doch dort die Herstellung des Götterbildes in dem Ausruf
„Rette mich, denn mein Gott bist Du!“
490 Vgl. oben Kap. 2.2.5.
#1 Vgl. FREVEL, Aschera, 381-383; SCHREINER, Jeremia, 27.
4.2 Bilderverbot im Ezechielbuch 323
Jer 2527592 und die Kombination von Holz, Stein, Silber und Gold an Dtn 29,16 und die
Kultbildpolemiken des Deuterojesajabuches.
)4( תוּעָבָה
Mit mehr als einem Drittel (43 von 117) aller Belege bietet das Ezechielbuch
die größte Belegdichte des Substantivs הָבָעות im Alten Testament.”-In dezi-
diert bilderpolemischem Umfeld begegnet der Begriff außerhalb des Eze-
chielbuches unter anderem in Dtn 7,25; 27,15** und auch zweimal im Deute-
rojesajabuch.“” In Ezechiel wird regelmäßig, sei es allein oder im Rahmen
von Aufzählungen neben anderem, der Umgang mit םיצוקש und םיִלּולּנ
(Ez 5,11; 7,20; 8,10[ypY]; 11,18.21 bzw. Ez 6,9.11; 8,9; 14,6.7; 16,36; 18,12;
22,2, 23,36; 33,29; 36,31; 44,13; םיצוקש und םיִלּולְּג in Ez 20,4) als Gräuel ver-
urteilt.“ In den unmittelbaren Bereich der Bilderpolemik gehören zudem
jene Belege von הָבַעות ,die auf den Umgang mit bestimmten bildlichen Dar-
stellungen bezogen sind, Ez 7,20 (anayin ,יִמְלַצ aus Silber- und Goldschmuck
hergestellt), 8,6 (im Endtext bezogen auf das הֶאנקַה no V.5), 8,9 (bezogen
auf das Räuchern der 70 Ältesten vor Wandbildern VV.10-12) und 16,22
(zumindest im jetzigen Kontext die רֶכְז יִמְלַצV.17 einschließend). Wie im
Deuteronomium ist der Begriff auch im Ezechielbuch nicht auf den Bereich
der Bilderpolemik beschränkt. Je nach Kontext können sehr unterschiedliche
Dinge oder Verhaltensweisen als הָבַעות disqualifiziert sein, 2. B. sexuelle Ver-
fehlungen (Ez 22,11; 33,26), illegitime Kulthandlungen (Ez 8,13.15.17) oder
Verunreinigungen des Tempels (Ez 43,8; 44,6.7). Bisweilen bleibt der Begriff
auch recht vage und bezeichnet zusammenfassend allerlei Vergehen, etwa in
Ez 5,9; 7,3.4.8.9; 33,29, 43,8 oder Verstöße gegen die göttliche Ordnung,
bzw. die Taten des Gottlosen in Ez 18,24.” mayim bezeichnet somit im Eze-
chielbuch wie auch sonst im Alten Testament „etwas zwischen und durch
Menschen ethisch als Denken und Handeln zu Verabscheuendes, vor allem
aber etwas, was zu JHWH nicht paßt, was seinem Charakter und seinem dar-
aus abzuleitenden Willen widerspricht, was ethisch wie kultisch ihm gegen-
über ein negatives Tabu ist.“ Mehrfach wird hervorgehoben, dass die Stra-
fen der Eroberung und des Exils konsequente Folgen der Gräuel sind, etwa
E7273:
Jetzt kommt das Ende über dich und ich sende meinen Zorn gegen dich und ich richte
dich gemäß deiner Wege und gebe auf dich alle deine Gräuel.
Die Vorstellung, dass Jhwh Israel entsprechend seiner Vergehen richten wird,
findet sich neben Ez 7,3 auch in Ez 7,4.8.9; 9,10; 14,22£.; 16,43; 22,31; 24,14;
33,20; 36,19. Offensichtlich soll Jhwhs strafendes Handeln an Israel begrün-
det und so gegen den Vorwurf der Willkür verteidigt werden: Jhwh ist ge-
recht, wenn er sich von Israel abwendet, weil sich Israel zuvor selbst von
Jhwh abgewandt hat.” Die Vorstellung, wonach die Vergehen gegen den
Willen Jhwhs als Strafe auf Israel zurückfallen, erinnert an die Ankündigung
der Verehrung von Holz und Stein als Bestandteil der Strafe des Exils in
Dtn 28,36.64 oder 4,28. Der daran anschließenden Umkehrankündigung in
Dtn 4,29-31 entspricht sachlich, wenn auch mit erheblich drastischerer Ter-
minologie, die Ankündigung des Selbstekels in Ez 6,9 (vgl. 20,43; 36,31).
Nach Ez 12,15f. besteht die Aufgabe der Diaspora nicht nur darin, sich selbst
an die begangenen Taten zu erinnern, sondern diese auch den Nationen be-
kannt zu machen und auf diese Weise Jhwh-Erkenntnis hervorzurufen.””
Überhaupt besteht das Gericht nicht zuletzt in der Erkenntnis der Vergehen
als Gräuel, als Abkehr von Jhwh, etwa Ez 22,2 (vgl. Ez 20,4; 23,36):
Die folgenden Verse 3f. nennen als Gräuel zunächst allgemein Blutvergießen
und Götzendienst, bevor ab V.6 ein ausführliches Sündenregister konkrete
Verfehlungen nennt. Hölscher erkennt darin „einen langen Sündenkatalog,
der sich fast Satz für Satz an das Heiligkeitsgesetz anlehnt.“' Die Voranstel-
lung der „Fürsten Israels“ beschränkt die Anklage keineswegs auf die Führer
des Volkes, sondern bekräftigt den Schicksalszusammenhang zwischen den
“#9 Dem der Kollektivbestrafung inhärenten Problem der Mitbestrafung der Gerechten
stellen Ez 11,21; 18,30; 33,20 ein individuelles Gericht entgegen.
500 Ez 12,15£. nehmen Ez 14,21-23 korrigierend auf, indem sie der zweiten Gola Jhwh-
Erkenntnis und eine Aufgabe für die Völker zuweisen. Beides ist in Ez 14,21-23 nicht
gegeben, da dort die aus Jerusalem Entronnenen ihr Verhalten nicht ändern und damit nicht
den Völkern, sondern der ersten Gola die Legitimität des Strafhandelns Jhwhs bewei-
sen. Vgl. POHLMANN, Ezechiel, 174f.
501 Vgl. HÖLSCHER, 116856816, 7.
4.2 Bilderverbot im Ezechielbuch 325
Regenten und der Stadt: Weil in ihr Blut vergossen wurde, ist sie insgesamt
unrein.
2 502
Humbert weist auf die Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Gebrauch des Begriffs הבעות
im Deuteronomium und im Ezechielbuch hin und erklärt sie mit den unterschiedlichen
Standpunkten beider Bücher.’0® Das Deuteronomium zielt auf den Gegensatz zwischen
Israel und „Kanaan“ ab?" und bemüht zur Illustration dieses Gegensatzes regelmäßig die
Verhaltensweisen der „kanaanäischen“ Nachbarvölker, die הָבַעות für Jhwh sind.505 Dabei
wird keineswegs allgemeingültig für die Menschheit festgelegt, was verabscheuungswürdig
ist. Die Wendung mim! תבעות (vgl. Din 7,25; 12,31; 17,1; 18,12; 22,5; 23,19; 25,16; 27,15;
ähnlich 24,4) verdeutlicht vielmehr den monolatrischen, das exklusive Verhältnis zwischen
Jhwh und Israel betonenden Standpunkt dieser Aussagen.5% Was Israel hier verboten wird,
mag bei anderen Völkern legitim und von ihren Göttern sogar gefordert sein, Jhwh jedoch
verabscheut es. Was für Jhwh ein Gräuel ist, markiert so die Trennlinie zwischen Israel als
dem Volk Jhwhs und den anderen Völkern mit den anderen Göttern. Da die Existenz der, ja
schon das Wissen um die Praktiken der fremden Völker Israel in Versuchung zu führen
vermag, sind es der Kontakt zu bzw. die Vermischung mit den „kanaanäischen“ Nachbarn
(vgl. 2. B. Dtn 7,3f.), potenziell auch allein die Erinnerung an die Praktiken längst vertriebe-
ner Vorbewohner des Landes, die das Verhältnis Israels zu Jhwh gefährden können. Im
Ezechielbuch spielen die Nachbarvölker in dieser Hinsicht keine Rolle. Israel bedarf keiner
Verführung durch andere, die Initiative geht von ihm selbst aus (vgl. z. B. Ez 16,15; 22,4).
Nirgends ist davon die Rede, die Völker hätten Israel die Gräuel gebracht. Besteht der Ab-
fall von Jhwh im Deuteronomium darin, es den Völkern gleichzutun, hat Israel nach Ansicht
des Ezechielbuches die anderen Völker in Sachen Gräuel noch übertroffen (Ez 5,6f.; vgl.
3,7). Ein weiterer Unterschied im Gebrauch von הָבָעְות ist auffällig. Preuß führt aus, dass
der Abfall zu den םיִלּולְּג im Ezechielbuch häufig als „tö‘ebäh für JHWH“ bestimmt
werde.’ Sicher haben die Urheber dieser Urteile keinen anderen Gott als Jhwh im Blick
und sehen die Gräuel als Störung des Verhältnisses zwischen Israel und Jhwh. Dennoch
benutzt das Ezechielbuch nie die deuteronomische Wendung m17" ,תבַעְות obwohl regelmä-
Big Verstöße gegen kultische oder rituelle Ordnungen verurteilt werden. הבעת ist im Eze-
chielbuch kein Verstoß gegen Jhwhs Ordnung im Gegenüber zum Willen anderer Götter,
sondern ein Verstoß gegen (göttliche) Ordnung an sich: Der Gegensatz lautet nicht Israel vs.
„Kanaan“, sondern Ordnung vs. Unordnung, heilig vs. profan.>0®
6) שקוציםundנּלוּלִים
Neben dem zwar häufig, aber nicht ausschließlich auf Bilder zielenden Wort
mayım sind es die Begriffe םיצוקש und vor allem ,םיִלּולְּג die der Bilderpolemik
im Ezechielbuch Ausdruck verleihen. Mit acht Belegstellen weist das Eze-
chielbuch die höchste Belegdichte für ץוקש im Alten Testament auf.” Bei
Ezechiel steht der Begriff stets im Plural und ist entweder mit הָבְעות (4mal,
nur innerhalb von Ez 5-11) oder mit 25353 (ebenfalls 4mal; dreimal in Kapi-
tel 20, außerdem 37,23) verbunden.’'’ Mit dem im Ezechielbuch singulär be-
legten Nomen ץקש °" teilt sich ץוקש die mit der Wurzel ץקש verbundene
Grundbedeutung „abscheulich, verabscheuen“, steht jedoch fast immer
(Ausnahme: Sach 9,7) im Kontext von Fremdgötter- und Bilderverehrung,
während das weitgehend auf Lev 11 beschränkte ץקש" לauf verbotene Tiere
bezogen 186.77 In der hebräischen Fassung des Ezechielbuches steht ץוקש
erstmals in Ez 5,11:
Dieser erste Beleg ist allerdings schon aufgrund des textkritischen Befundes —
בְּכֶלדשָקוּצִיך וtsi mov txetatnigautpeS thcin tkcedeg — sla ztasuZ uz -ietrueb
len,” der neben dem für sich genommen inhaltlich unspezifischen הָבָעּות
(vgl. auch 5,9) den Vorwurf der Verunreinigung des Heiligtums erweitert und
konkretisiert. Auch der ursprüngliche V.11 gehört kaum zum Grundbestand
309 Sechs Belege finden sich in den Königebüchern (1Kön 11,5.7[2x]; 2Kön 23,13[2x].24),
fünf bei Jeremia (Jer 4,1; 7,30//32,34; 13,27; 16,18), drei im Danielbuch (Dan 9,27; 11,31;
12,11) sowie Einzelbelege im Deuteronomium (Dtn 29,16), in der Chronik (2Chr 15,8) und
verschiedenen Prophetenbüchern (Jes 66,3; Hos 9,10; Nah 3,6; 9,7); vgl. FREEDMAN/
WELCH, ThWAT VIII, 462.
50 Auch Ez 20,30 bildet hier keine Ausnahme (anders FREEDMAN/WELCH,
ThWAT VII, 464), da im unmittelbaren Kontext (V.31) םיִלּולּג belegt ist und zudem der
Verweis auf die Vergehen im Kontext von Ez 20 die VV.7f. und damit die Verbindung von
שקוציםund נָלוּלִיםin Erinnerung ruft. j
לווEz ;01,8 vgl. dazu unten Kap. 4.2.2.4.
512 Belegstellen sind Lev 11,10.11.12.13.20.23.41.42, in Lev außerdem noch 1
Außerhalb von Lev findet sich neben der bereits genannten Ezechielstelle (8,10) noch ein
Beleg in Jes 66,17.
53 Vgl. FREEDMAN/WELCH, ThWAT VIII. 462.
51+ Gegen den mit Verweis auf die Septuaginta erfolgenden Vorschlag in BHS, לענא zu
lesen, kann mit ZIMMERLI, Ezechiel, 98.135; POHLMANN, Ezechiel, 80 am masoretisch
en Text
festgehalten werden. Es liegt ein Rückgriff auf das Bild vom Schermesser in Ez 5,1f. vor.
315 Vgl. FOHRER, Ezechiel, 33; ZIMMERLI, Ezechiel, 98.
4.2 Bilderverbot im Ezechielbuch 7
לָהֶם לְנִדָהay yopj שְקוּצִיהָם עָשוּ בוniyamo ? שְמָהוּ וְצַלְמִיgnip ּוּצְבִי עָדִי
Und die Zierde seines Schmuckes, zum Übermut war er gemacht, und die Bilder ihrer
Gräuel, ihre Abscheulichkeiten haben sie aus ihm gemacht; darum mache ich es ihnen
zum Abscheu.
Auch hier ist zunächst festzustellen, dass DI’S1P® von der Septuaginta nicht
bezeugt wird. Für eine nachträgliche Ergänzung spricht zudem der asyndeti-
sche Anschluss an Dnayin יִמְלַצְו den neben 20 hebräischen Handschriften
auch Targum und Vulgata durch Einfügung der Kopula zu glätten suchen.”
שַקְוּצִיהֶםist somit eine nachgetragene Erläuterung des singulären Ausdrucks
anayin יִמְלַצְו Wie Ez 5,11 ist auch die ursprüngliche Fassung von Ez 7,20
jünger als ihr Kontext. Die Wiederaufnahme von 7727 legt nahe, dass der
Vers gemeinsam mit V.19b nachträglich als Kommentar an Aussage über das
Gold in V.19au angefügt wurde.”” Ob die Grundschicht von Ez 7 aus der
Zeit vor 587 v.Chr. stammt, wie es für Zimmerli sicher feststeht” und für
Pohlmann zumindest in Frage kommt,” sei dahin gestellt. Hölscher hält eine
Entscheidung für schwierig, tendiert jedoch mit Hinweis auf die Berührungen
mit anderen Prophetentexten deutlich dazu, den Text für jünger zu halten.”
Festzuhalten bleibt, dass auch der Beleg für ץוקש in Ez 7,20 ebenso wenig der
ältesten Fassung des Ezechielbuches angehört, wie die in der Lesefolge
nächsten Belege in Ez 11,18.21. Zwar sind hier keine textkritischen Probleme
auszumachen, doch haben sich beide Verse im Rahmen der literarkritischen
Erwägungen zu Ez 11,14-21 als sekundär erwiesen.” Dass sich auch das ge-
samte Kapitel Ez 20, und damit auch die 2361626-ץרקש in Ez 20,7.8.30, einer
527 Vgl. FOHRER, Ezechiel, 45; ZIMMERLI, Ezechiel, 164; ALLEN, Ezekiel 1-19, 103. Vgl.
auch Ez 11,18.21 wo ץוקש und הָבַעְות jeweils mit der Kopula verbunden sind.
>28 Vol. dazu oben Kap. 4.2.1.2.
>29 Vgl. POHLMANN, Ezechiel, 120. Ob mit ZIMMERLI, Ezechiel, 174 auch V.19aß zur
Grundschicht zu rechnen ist, kann hier offen bleiben. V.19au? zitiert aus Zef 1,18, ist in der
Septuaginta nicht belegt und deshalb jünger als die Einfügung von V.19b.20. Die VV.21-24
sind durch die Aufnahme von mm aus V.20 angeschlossen, setzen die Erläuterung von
V.19aa'(.ß) durch die VV.19b.20 also bereits voraus. Die ursprüngliche Fortsetzung von
V.19a« bzw. V.19aa!.ß dürfte in V.25 zu finden sein.
330 Vgl. ZIMMERLI, Ezechiel, 168 („ohne Zweifel“); ähnlich ALLEN, Ezekiel 1-19, 106
(„elearly““‘).
531 Vgl. POHLMANN, Ezechiel, 122.
532 Vgl. HÖLSCHER, Hesekiel, 67: „Auch abgesehen von 7,2b-4 zeigt freilich das Kapitel
vielfach eschatologische Farben und erinnert an Jes 24. Wieweit auch das auf Glossierung
beruht oder ob es sich nur durch die vielen vorhandenen Entlehnungen aus anderen Schrift-
stellern erklärt, ist infolge der schlechten Beschaffenheit des Textes schwer zu sagen.“
53 Vgl. oben Kap. 4.1.1.1. V.18 stört den Zusammenhang von Land- und Herzgabe und
führt darüber hinaus das Thema der Götzenverehrung neu ein. V.21 erläutert V.18, ist also
keinesfalls älter als dieser. Schon der unmittelbare Kontext, in welchen die VV.18.21 einge-
fügt wurden (VV.17.19f.), ist nach POHLMANN, Ezechiel, + jünger als die golaorientierte
Redaktion des Ezechielbuches.
4.2 Bilderverbot im Ezechielbuch 329
Im Lichte der neueren Forschung zum Hoseabuch, die den Vers als nachgetragene Reminis-
zenz an die Baal-Peor-Episode in Num 25 identifiziert,5?” ist diese Beurteilung mehr als
fraglich. „Erst mit jenen Texten, die in einen dtr. Horizont stehen (wie 2,4-15; 4,1-19; 5,1-8; 8,1b;
9,10b; 11), rückt die Fremdgötterpolemik und eine entsprechende Kult(bild)kritik ins Hos-
Buch ein.“S®® Immerhin bezieht sich םיצוקש hier indirekt auf einen einzelnen Gott, denn
wenn תשב für Baal steht,” wird das Volk zu םיצוקש weil Baal ץרקש ist.’ Dass hier ein
einzelner Gott als ץרקש identifiziert wird, erinnert an die fünf Singular-Belege in den Köni-
gebüchern (1Kön 11,5.7[2x]; 2Kön 23,13[2x]), die einzelne Götter der Nachbarvölker als
שקוץbezeichnen, und weniger an die mit Nachdruck verallgemeinernden und deshalb wahr-
scheinlich tendenziell jüngeren D’S1PV-Belege im Ezechielbuch oder sonst im Alten Testa-
ment.>*!
Der Befund, dass keiner der ץוקש --261626 im Ezechielbuch dessen ältesten
Texten zuzuordnen ist, wirft die Frage auf, wie es in dieser Hinsicht um jenen
Begriff bestellt ist, der wie kein zweiter die Bilder- und Fremdgötterpolemik
des Ezechielbuches prägt. Das Substantiv 25153 findet sich im Alten Testa-
ment 48mal, davon 39mal im Ezechielbuch. Da der Begriff außerhalb der
542 Vgl. NORTH, Essence, 155; WOLFF, Jahwe, 407; PREUSS, ThWAT 6
545 Vgl. ZIMMERLI, Ezechiel, 150.
5% Sonst nur Hi 20,7; vgl. auch 593, 1Kön 14,10; Zef 1,17.
55 So ZIMMERLI, Ezechiel, 150; PREUSS, ThWAT Il, 2; GESENIUS!®, 217. NORTH,
Essence, 155 vermutet den genau umgekehrten Fall.
546 ZIMMERLI, Ezechiel, 150.
547 WOLFF, Jahwe, 407.
56 Vol. oben Kap. 4.1.3.2.
545 Vgl. oben Kap. 4.1.2.
550 Vgl. oben Kap. 4.1.1.2.
551 Vgl. FOHRER, Ezechiel, 136f. (danach gehen die ersten drei Nachträge VV.28-30.31-
34.35 allerdings auch auf den Propheten zurück); EICHRODT, 116568161, 1
ZIMMERLI, 3266016, 536f.; POHLMANN, Ezechiel, 339£. (Kernbestand nur in den
VV.11-27).
552 So HÖLSCHER, Hesekiel, 129 Anm. 1: »23,7-10 wecken allerlei thythmische
, stilis-
tische und inhaltliche Bedenken: 23,7 wiederholt den Inhalt von 23,5; die
Verunreinigung
durch die assyrischen Götzen fällt aus dem Bilde heraus...“ vgl. ZIMMERLI,
Ezechiel, 537.
544; POHLMANN, Ezechiel, 341.
555 So HÖLSCHER, Hesekiel, 69 Anm. 1; FOHRER, Ezechiel, 49.
4.2 Bilderverbot im Ezechielbuch 1
Dass der nicht näher spezifizierte Hinweis auf die begangenen Gräuel als Be-
gründung des Unheils ausreichend ist, zeigt ein Blick auf Ez 6,11-14*, wo die
Gräuel erst nachträglich durch V.13aßb als Kultvergehen konkretisiert wor-
den sind.” Entsprechendes ist somit auch für Ez 33,25-29 möglich. Und
während die Plagenaufzählung in Ez 33,27 (Schwert, Raubtiere, Pest) jener in
Ez 6,11b.12 (Schwert, Hunger, Pest) ähnelt” und Ez 33,28f. stark an Ez 6,14
erinnert, entstammen die in den VV.25f. erhobenen Anklagen einem ande-
ren Kontext, sind „nur Zitate aus 18,6.10.12.°° So ist es insgesamt durchaus
denkbar, dass die Septuagintafassung von Ez 33,25-29 nicht auf einen Text-
ausfall zurückgeht, sondern ein älteres Stadium des Textes bezeugt.
Ez 33,25 ist der einzige -םיִלּולָג 6165 in Pohlmanns golaorientierter Redak-
tion des älteren Prophetenbuches. Das Druckbild seines Ezechiel-Kommen-
tars weist daneben lediglich Ez 14,7; 18,6.12 und 22,3.4 als Bestandteile jenes
älteren Prophetenbuches aus.” Schon angesichts des von Pohlmann erhobe-
nen Befundes ist die Aussage, „die ‚Götzenverehrung’ (giv/ym) ist in golao-
rientierten Texten ein wichtiges Thema (vgl. Ez 33,25; 8,10(*%% schwer nach-
vollziehbar, wird doch der hier neben Ez 33,25 als Beispiel angeführte Vers
8,10 wenige Seiten später einer jüngeren Bearbeitung zugeschrieben. Die go-
laorientierte Redaktion hätte demnach den fünf von ihr bereits vorgefunde-
nen n5r72-Belegen einen weiteren hinzugefügt — nicht gerade ein Zeichen
gesteigerten Interesses an diesem Thema. In Kapitel 18 erinnert die generali-
sierende Rede vom Kult auf den Bergen an die jüngste Fassung des Kultzent-
ralisationsgebotes in Dtn 12,2f. Auch zu Lev 19,4 und 26,1, Texten, die das
dekalogische Bilderverbot voraussetzen, besteht eine gewisse Nähe. Ez 18,2
scheint Jer 31,29f. vorauszusetzen. Zwar ist das verhandelte, letztlich auf die
Frage nach der Gerechtigkeit Gottes zielende Problem der individuellen Ver-
geltung an sich zeitlos, im Kontext des Ezechielbuches jedoch am besten als
Reaktion auf jene Bearbeitungen verständlich, die einen großen Teil Israels
oder ausnahmslos ganz Israel für schuldig erklären.” Auf das Problem des
Schicksals der (wenigen) Gerechten innerhalb des frevelnden und mit totaler
Gerichtsansage konfrontierten Volkes zielen auch Ez 14,12-20°° und
Ez 9,4.” Schließlich gesteht auch Pohlmann zu, dass die ursprüngliche Fas-
sung des von ihm in Ez 18,5-13* erschlossenen Kerns des Kapitels hypothe-
tisch bleibt,” und führt später zu Ez 22,23-31 aus:
„Die wörtlichen Berührungen deuten darauf hin, daß der Verfasser Ez 18,1ff.* ausgewertet
hat, offensichtlich jedoch nicht in der uns vorliegenden Fassung; denn daß der ‚Sündenka-
talog‘ in 22,23-31 nicht auch Hinweise auf sexuelle Vergehen und Götzenverehrung (vgl.
18,6.11.12b.15*) enthält, ist nur nachvollziehbar, sofern Ez 18 Bemerkungen in dieser
Richtung noch nicht enthielt. In der Tat läßt sich zeigen, daß das jetzige Nebeneinander
verschiedener Schuldkategorien in Ez 18 nicht schon in der Kernfassung von Ez 18* ent-
halten, also erst späteren Datums ist.‘“57>
569 HÖLSCHER, Hesekiel, 103 sieht Ez 18 vor dem Hintergrund der Vorstellung vom
Gottesgericht in Ez 20,35-38: „Die Theorie, die der Verfasser von der göttlichen Vergeltung
darlegt, ist nur verständlich vom Gedanken des bevorstehenden Gerichtes aus, in welchem
rein individuell und nach dem im Augenblick tatsächlichen moralischen Verhalten des
einzelnen entschieden wird: der Fromme bleibt am Leben, der Gottlose stirbt.“
570 Vgl. POHLMANN, Ezechiel, 201.
57! Zum innerhalb von Ez 8-11 wohl relativ jungen Kapitel 9 vgl. POHLMANN, Ezechiel,
142-147.
572 Vgl. POHLMANN, Ezechiel, 270.
573 POHLMANN, Ezechiel, 332.
574 Vgl. oben Kap. 4.1.1.2.
575 Nach POHLMANN, Ezechiel, 36 gehört Ez 14,7 zu jenen Texten, die dem älteren Pro-
phetenbuch „noch vor der grundlegenden Überarbeitung durch die golaorientierte Redak-
tion zugewachsen sind.“ Vgl. auch DERS., Ezechielstudien, 243.
334 Kapitel 4: Der einzige Gott und die Götzen
Ausdruck für den Abfall von Jhwh sind zum einen die ins Herz aufsteigenden
ְלוּלִים7
גzum anderen der vor dem Angesicht errichtete iv .לושָכִמ 6
Verbindung ist im Alten Testament nur im Ezechielbuch belegt (Ez 7,19;
14,3.4.7, 18,30; 44,12), daneben auch in Qumran )1)0255 7;
1QH XIL 15). Da im Kontext aller drei Qumranbelege auch die 2°7151 er-
wähnt werden (1QS 11,11.17; 1QH XIL,15), spielen sie eindeutig auf Ez 14
an.”” Sowohl in Ez 14 als auch in den Qumranbelegen scheinen das Aufkom-
men der םיִלּולְּג im Herzen und das Aufstellen des ונוע לּושָכִמzwar zwei Seiten
einer Medaille, aber doch nicht genau dasselbe zu sein. Ersteres weist eher
auf einen inneren Vorgang,” letzteres auf ein nach außen hin sichtbares Ver-
halten. Dabei weist die Formulierung ויִנָּפ n>} םיִשָי my ּלּושְכַמ auf ein selb-
ständiges Handeln der betreffenden Person hin. Da durch ein wie auch im-
576 Zur Formanalyse von Ez 12,21-13,23 vgl. ZIMMERLI, Ezechiel, 275.285-288. Regel-
mäßig wird auf die Nähe von Ez 14,7ff. zum Heiligkeitsgesetz hingewiesen; vgl. bereits
HÖLSCHER, Hesekiel, 87.
577 Eine ähnliche Verbindung von Herz und Götzen findet sich außerhalb von Ez 14 nur
noch in Ez 20,16.
>78 Vgl. BARTH, ThWATIV, 374 (Stellenangaben nach GARCiA MARTINEZ/
TIGCHELAAR, The Dead Sea Scrolls. Study Edition, Vol. 1, Leiden u. a. 1997). Für den Beleg
1QH sind in der Literatur unterschiedliche Angaben zu finden. Der Verweis auf 1 QH 4, 15
bei Barth (ebenso POHLMANN, Ezechiel, 199f.) geht auf die Zählung Sukeniks zurück, neu-
ere Publikationen führen die entsprechende Textkolumne nach Stegemann und Puech unter
der Nummer XII. Zudem sind auch leicht differierende Zeilennummern im Umlauf; vgl.
HUGHES, Allusions, 96.
57 Vgl. POHLMANN, Ezechiel, 1995 Zu 10 XII vgl. auch HUGHES, Allusions, 112. Im
Hintergrund von 1QS 11 scheint auch Dtn 29,17--20 zu stehen.
580 Vgl. GREENBERG, Ezechiel 1-20, 288: „Der Prophet klagt seine Zuhörer nicht offen
des Götzendienstes an. Er liest es in ihren Gedanken“; vgl. DERS., Ezekiel 1-20, 253. Vgl.
auch POHLMANN, Ezechiel, 199.
4.2 Bilderverbot im Ezechielbuch 335
mer geartetes Handeln im Rahmen eines fremden Kultes der Abfall zu frem-
den Göttern offensichtlich wäre, wird man beim Aufstellen des ונע לושָכִמ
eher an in den Augen des Verfassers illegitime und deshalb den Abfall von
Jhwh dokumentierende Praktiken im Rahmen des Jhwh-Kultes,”” oder an
religiöse Praktiken im privaten Bereich zu denken haben.” Letztere Möglich-
keit erinnert an die in Ez 7 sekundären VV.19b.20 (ayiy לושְכִמ 7,195), die
ebenfalls Verhältnisse außerhalb des offiziellen Tempelkultes im Blick zu ha-
ben scheinen.” Allerdings ist der דנוָע לושְכִמnur in Ez 14 und den Qumran-
belegen ein konkreter, sichtbarer Gegenstand. Ez 7,19b.20 deuten Silber und
Gold als Anstoß zur Verschuldung, weil der Besitz des Materials die Herstel-
lung „ihrer Gräuelbilder“ (anayin (יִמְלַצ erst ermöglicht.” Im Rahmen des
Umkehrrufes Ez 18,30 erscheint das Festhalten an den Vergehen als
ip לּושְכִמ,da die verweigerte Umkehr den Tod im Gericht Jhwhs nach sich
zieht. „So gebietet Jahwe, das rebellische Tun wie einen gefährlichen Ge-
genstand wegzuwerfen.“” Ez 44,12 erklärt die Leviten wegen ihres Verhal-
tens zum נע לּושְכִמfür das Haus Israel, entweder im Sinne eines schlechten
Vorbildes, oder weil sie als Kultspezialisten für Israel handelten und ihr Fehl-
verhalten deswegen auch auf Israel zurück fällt. So wird in jedem der drei
genannten Fälle der Ausdruck ונע לושְכִמdurch den jeweiligen Kontext mit
einer spezifischen Bedeutung gefüllt: Gelegenheit zur Herstellung verbotener
Gegenstände qua Vorhandensein des notwendigen Materials — Nichtumkehr
als Ursache des Schuldspruchs im Gericht Jhwhs — Verhalten der Leviten als
schlechtes Vorbild oder unmittelbar für das Volk negative Konsequenzen
hervorrufendes Vergehen. In Ez 14 und den Qumranbelegen wird לנוע לושְכִמ
dagegen nicht mehr näher erläutert. Die Wendung erscheint als stehender
Begriff, der keiner weiteren Erläuterung bedarf. So ergeben sich insgesamt
doch starke Zweifel an der Zugehörigkeit von Ez 14,7ff. zu einem älteren,
vielleicht noch in exilischer Zeit entstandenen” Prophetenbuch.
Es ist nun noch ein Blick auf die beiden verbliebenen 2’7153-Belege im
Ezechielbuch zu werfen, Ez 22,3.4:
yam בְּתוּכָהּ לְבוּא70 עִיר שִפְכֶתmm אֶדנִי8a וְאְמַרְתָּ פה3
לְטֶמְאֶהyam ְעָטְחָה נָלוּלִים
pmup ובוא2} וּבְנלוּליך אָשֶריְעָשִית טְמָאת וסקריביNURM בְרְמִך אַטֶרְשָפַכְת4
לגוים וְקַלֶסָה לְכָליהָאָרָצותnaem mn על"כּן
3 Und du sollst sagen: So spricht [der Herr]!XX- Jhwh: Stadt, die das Blut vergießt in ihrer
Mitte, so dass ihre Zeit kommt und über sich Mistdinger macht, so dass sie unrein wird,
4 durch dein Blut, das du vergossen hast, hast du dich mit Schuld beladen und durch
deine Mistdinger, die du gemacht hast, hast du dich verunreinigt und du hast deine Tage
sich nahen lassen und deine Jahre eintreten lassen. Darum mache ich dich zur Schande
für die Nationen und zum Spott für alle Länder.
597 Vgl. HÖLSCHER, Hesekiel, 116; GARSCHA, Studien, 48; ALLEN, Ezekiel 20-48, 33;
POHLMANN, Ezechiel, 329; GREENBERG, Ezechiel 21-37, 75£.; Ezekiel 21-37, 464£.
588 Vo]. POHLMANN, Ezechiel, 329,
59 ALLEN, Ezekiel 20-48, 35 führt aus, dass „what provides the closest overall link be-
tween the oracles is the presence of (ךות)ב “(in) the midst’ with direct or indirect reference
to Jerusalem.” Dagegen sieht HÖLSCHER, Hesekiel, 116 Kapitel 22 aus „drei selbständigen
Abschnitten“ bestehen. Auch ZIMMERLI, Ezechiel, 502-527 behandelt jeden Abschnitt für
sich.
>») Vgl. GARSCHA, Studien, 521. (allerdings ohne Festlegung, ob an die VV.1-16 zunächst
17-22 oder 23-31 angefügt wurden); ALLEN, Ezekiel 20-48, 35; GREENBERG, Ezechiel
21-37, 82; Ezekiel 21-37, 470.
591 POHLMANN, Ezechiel, 329.
592 POHLMANN, Ezechiel, 332 weist auf den Rückgriff der VV.23-31 auf die in Ez 18,5--
13* vermutete „Kernfassung“ von Kapitel 18 hin. Da diese ursprünglich auf die Könige ge-
zielt habe, sei die Verantwortung für die Katastrophe zunächst von den Königen auf die ge-
samte Führungsschicht (Ez 22,23-31) und erst in einem weiteren Schritt’ auf die ganze Stadt
(Ez 22,1-16*) ausgeweitet worden.
593 Vgl. FOHRER, Ezechiel, 130; ZIMMERLI, Ezechiel, 523; ALLEN, Ezekiel 20-48, 35.
4.2 Bilderverbot im Ezechielbuch 331
5% Vgl. HÖLSCHER, Hesekiel, 117; GREENBERG, Ezechiel 21-37, 78; Ezekiel 21-37,
+
595 Vgl. FOHRER, Ezechiel, 128.
5% Vgl. ZIMMERLI, Ezechiel, 507.
597 HÖLSCHER, Hesekiel, 119. AaO. Anm. 2 (genaue Versangaben dort) nennt Hölscher
Zef 3,1-4, daneben Lev 10; 11; 20; 22; Jer 7; 20; 22; Ez 9; 13; 18; 19; 20; 21; 42; 44. Zu
Ez 22,26 ist außerdem noch Ez 7,26 zu nennen.
598 Vo]. POHLMANN, Ezechiel, 331.
599 ZIMMERLI, Ezechiel, 178 sieht in Ez 7,25ff. eine „Schilderung der ratlosen Angst“.
600 Dass die Entweihung des Tempels bereits durch die Priester geschehen und Ursache
der Katastrophe ist (Ez 22,26), spiegelt ebenfalls schwerlich eine ältere Beurteilung der Ge-
schehnisse als die Ankündigung der Entweihung des Heiligtums durch die fremden Eroberer
it Bz 1,22.
601 Vgl. GREENBERG, Ezechiel 21-37, 75; Ezekiel 21-37, 464.
602 Vgl. ZIMMERLI, Ezechiel, 504; HOSSFELD, Untersuchungen, 101.
603 Vgl. GREENBERG, Ezechiel 21-37, 75; Ezekiel 21-37, 464; GARSCHA, Studien, 48
sieht hier „ein selbständiges Schelt- und Drohwort.“
604 Vgl. GARSCHA, Studien, 49; HOSSFELD, Untersuchungen, 102.
338 Kapitel 4: Der einzige Gott und die Götzen
und kündigt Jhwhs Reaktion auf die geschilderten Vergehen an. Der doppelte
Abschluss mit der Wortbekräftigungsformel יִתיִשָעְו יִנַא הָוהְי יִּתְרַּבִּדin V.14
und der Erkenntnisformel in V.16 deutet auf literarisches Wachstum inner-
halb dieser Verse hin.” Hinsichtlich der םיִלּולכ 6 in Ez 22,3.4 fällt nun
auf, dass sie verglichen mit dem jeweils parallel erhobenen Vorwurf der Blut-
schuld bzw. des Blutvergießens innerhalb von Ez 22,1-16 recht isoliert da-
stehen. Das Stichwort „Blut“ fällt in Ez 22,1-12 sechsmal (VV.2.3.4.6.9.12)
und verknüpft die einleitende Anklage VV.1-5 mit dem Sündenregister
VV.6-12. Darin nennen die VV.öf. zwar auch kultische Vergehen, doch das
„Essen auf den Bergen“ (V.9) deutet auf Verstöße gegen das Kultzentralisati-
onsgebot hin,“ während die gegen die Priester in V.8 erhobenen Vorwürfe
auf Missstände innerhalb des Jhwh-Kultes und nicht auf Fremdgöttervereh-
rung zu zielen scheinen.‘ Der Vorwurf des 2'9153-Machens in den VV.3.4,
der in dieser Form )השע bezogen auf 29353) nur hier im Ezechielbuch erho-
ben wird,“ und offenbar Verstöße gegen das Bilderverbot meint, hat im an-
schließenden Sündenkatalog jedoch keine Entsprechung. Angesichts der be-
reits genannten Bezüge der VV.6-12 zum Heiligkeitsgesetz ist dieser Befund
allerdings nicht überraschend, spielt das Bilderverbot dort doch allenfalls eine
marginale Rolle. Lediglich drei Verse innerhalb von Lev 17-26 enthalten Bil-
derterminologie und sind auch tatsächlich auf Bilder bzw. Bilderverehrung
bezogen. Von diesen ist der Vers Lev 26,30, der den einzigen 2'7153-Beleg in
Leviticus bietet, wahrscheinlich von Ez 6 beeinflusst.” Diese Beobachtung
steht im Einklang mit Greenbergs Urteil, dass die nicht zuletzt durch den
Begriff 29351 zum Ausdruck gebrachte „Auffassung von Götzendienst als
605 Vgl. HOSSFELD, Untersuchungen, 102 sieht in 13f. einen ersten und in 15f. einen
zweiten Nachtrag zu 1-12. POHLMANN, Ezechiel, 334 macht in 15 die jüngsten Textanteile
in Ez 22 aus. Vgl. auch ZIMMERLI, Ezechiel, 512.
606 Nach ZIMMERLI, Ezechiel, 510 trifft dieser Vorwurf „vor allem die vorjosianische
Zeit“, d.h. die Zeit vor der Kultzentralisation, „dem deuteronomischen Dogma“
(HÖLSCHER, Hesekiel, 117). Zur Idee der Kultzentralisation vgl. aber oben Kap. 2.1.2 und
2.1.5. Da die in BHS vorgeschlagene Textänderung von םיִרָהֶה in םֶּדַה keinen Anhalt in der
Textüberlieferung hat und der überlieferte Text problemlos verständlich und sinnvoll ist,
besteht kein Grund zu einer Textänderung; vgl. ZIMMERLI, Ezechiel, 503.
607 Ez 22,8 hat „sein deutliches Gegenüber in Lev 19,30“ (ZIMMERLI, Ezechiel, 509).
608 Vgl. noch 1Kön 15,12, wonach Asa die םיִלּולְג abschaffte, die seine Väter gemacht
) (עשהhatten.
6® Vgl. oben Kap. 4.1.3.2. Die in Lev 19,4 und 26,1 belegte Terminologie ,)לֶסֶפ ,הָכָסִמ
(אָלִיל מַשָכִיתtsi thcin run zE 22 ,tnnakebnu nrednos tlhef nehesegba nov משָכִיתzE( )21,
8
auch sonst im Ezechielbuch (OR Ez 30,13 geht auf einen Schreibfehler zurück:
vgl. oben
Kap. 4.2.1). Das je nach Kontext auch auf Bilder bezogene Wort הבעות bezicht sich
an allen
sechs Belegstellen in Leviticus (Lev 18,22.26.27.29.30; 20,13) auf sexuelle Vergehen.
רקָש
Lev 19,12 (vgl. Lev 5,22.24( meint falsches Schwören; Holz und Stein bezeichnen
in
Lev 14,45 (also außerhalb von H) Baumaterial.
4.2 Bilderverbot im Ezechielbuch 339
610 GREENBERG, Ezechiel 21-37, 77; vgl. DERS., Ezekiel 21-37, 466.
611 Ebd.
612 Oder als Sohn eines Priesters, vgl. POHLMANN, Ezechiel, 49 mit Anm. 63. Außerhalb
des so genannten Verfassungsentwurfes Ez 40-48 steht die Vokabel ]7> nur dreimal im
Ezechielbuch: Ez 1,3; 7,26 und 22,26. Ez 22,26 legt 7,26 aus und zielt wie dieser auf die
Priester am Tempel in Jerusalem. Lediglich Ez 1,3 ist auf den Propheten bezogen.
613 Der masoretische Text liest „auf/über ihn“; vgl. BHS.
614 GREENBERG, Ezechiel 1-20, 62; vgl. DERS., Ezekiel 1-20, 39.
615 Ebd.
616 Ebd.
617 Vgl. POHLMANN, Ezechiel, 47f.; SCHÖPFLIN, Theologie, 59-62.
618 SCHÖPFLIN, Theologie, 62. Schöpflin nimmt folgende Genese an: 1,3b; 1,3a, vielleicht
mit V.2 verbunden; 1,1.
619 Vgl. POHLMANN, Ezechiel, 49.
340 Kapitel 4: Der einzige Gott und die Götzen
Hinsicht einen Forschungskonsens, nämlich dass diese Verse nicht aus einem Guss sind.”
Es ist schon deswegen unsicher, ob der Prophet Ezechiel, sofern er nicht überhaupt das
Produkt literarischer Fiktion ist, tatsächlich aus einer Priesterfamilie stammte. Er könnte
auch erst im Zuge der Bearbeitung des Buches zu einem Priester geworden sein. Es geht
deshalb nicht an, die Vermischung priesterlicher und prophetischer Traditionen aus der Bio-
graphie des „Propheten“ heraus zu erklären. Wo solche Vermischungen auftreten, sind sie
auch im Ezechielbuch als mögliche Indizien für literarisches Wachstum ernst zu nehmen.
רמאלor ma 97 1
ָ וְהוּדַעְתָּהּ אֶת כָּלדִחוְעַבוּחֶיהamo הַתְשָפט אֶתִדְעִירgnub 3]-NID וְאַתָּה2
yam עִיר שפָכֶת דֶּם בְּתוּכָהּ לָבוּאmm אֶדנִיnaT ְאָמַרְתָ פה3
ּשְנוּתְיך- ותְּבוּא עַד1a וַתִּקְרִיבִי4
לגיִם וְקְלֶסָה לָכֶּליהָאָרְצתnrem עַליכַּן נְחַתּיך
רִבָּת הַמְּהוּמָהnuD nnam יִתְקְלְסוּדבֶךmn הַקרבוּת וְהֶרחקות5
1 Da erging das Wort Jhwhs an mich folgendermaßen 2 Aber du, Menschensohn, willst
du nicht richten, [willst du nicht richten]!XX- die Stadt des Blutes? Und du sollst sie er-
kennen lassen alle ihre Gräuel! 3a Und du sollst sagen: So spricht [der Herr]LXX- Jhwh:
Stadt, die das Blut vergießt in ihrer Mitte, so dass ihre Zeit kommt: 4aß.b Du hast deine
Tage sich nahen lassen und deine Jahre eintreten lassen. Darum mache ich dich zur
Schande für die Nationen und zum Spott für alle Länder. 5 Die dir Nahen und die Fer-
nen werden über dich spotten: Unrein bist du dem Namen nach, groß an Getümmel!
Dieser Text ist alles andere als dürftig, sondern weist alle Elemente einer
prophetischen Anklage auf.‘ Auf die für das Ezechielbuch typische einlei-
tende Wortereignisformel°” V.1 folgen der göttliche Auftrag an den Prophe-
ten (V.2) und dann, eingeleitet von der Botenformel und als Jhwh-Rede an
den Propheten weitergeführt, die eigentliche Anklage (V.3aß): das Blutvergie-
ßen hat solche Ausmaße, dass die Zeit (d.h. das Gericht) kommen muss
(konsekutiver Infinitiv). V.4aß bietet eine Art Erläuterung oder Entfaltung:
die Zeit des Gerichts ist jetzt da und die Stadt selbst hat es herbeigeführt
(konsekutives Imperfekt). V.4b geht zum Eingreifen Gottes über: Jhwh
bringt über die Stadt Schande und Spott. V.5 beschreibt, wie das Eingreifen
Jhwhs konkret erfahrbar wird (bei Westermann „Folge des Eingreifens‘‘): die
Völker verspotten die Stadt. Die Anklage ist nicht nur formal vollständig,
sondern auch inhaltlich stimmig. Durch die Ergänzung von V.3a durch den
Vorwurf der o'5151-Herstellung V.3b geriet die zeitliche Abfolge durcheinan-
der und die durch die 2‘7153-Herstellung hervorgerufene Unreinheit schien
dem drohenden Gericht zu entsprechen. Diese Unstimmigkeit ausgleichend
stellt V.4a« klar, dass Jerusalem durch Blutvergießen und [[טמש1161506-םיִלּולָּג
bereits schuldig und unrein geworden ist. Auch die -םיִלל 6 in Ez 22
gehören somit nicht zum Grundbestand des Ezechielbuches.
Die vergleichsweise kurze innerbiblische Wirkungsgeschichte des Begriffs םיִלּולַג widerrät
ebenfalls der Annahme eines hohen Alters der Götzenthematik im Ezechielbuch. Die einzi-
gen Pentateuchbelege, Dtn 29,16 und Lev 26,30, wurden in Kapitel 2 bereits als jüngere und
jüngste Elemente im Rahmen der Wirkungsgeschichte des Bilderverbots innerhalb des Pen-
tateuch identifiziert. Beide Verse sind in ihrem jeweiligen Kontext als späte Zusätze zu be-
urteilen und angesichts des spezifischen Vokabulars sicher von einem die םיִלּולְבנ 8
thematisierenden Ezechielbuch abhängig. Man kann hier erkennen, dass das Ezechielbuch
nicht nur auf die Texte des Pentateuch zurückgegriffen, sondern an zwar wenigen, aber
identifizierbaren Stellen seinerseits in den Pentateuch zurückgewirkt hat. Der Vorgang ist
angesichts der Nähe des Ezechieltextes zu den Fluchbestimmungen in Lev 26, die ein Ge-
genstück in Dtn 28 und 29 haben, recht einfach zu erklären. Leser des Pentateuch, die auch
das Ezechielbuch kannten, assoziierten bei der Lektüre von Lev 26 die auf die Fluchansagen
dieses Kapitels zurückgreifenden Unheilsansagen aus Ez 4-7, insbesondere Ez 6 und trugen
die Bilderthematik mit dem Begriff 00191 in Lev 26,30 ein. Gleichermaßen assoziierte der
Urheber von Dtn 29,16 die Rekapitulation des Exodus in Dtn 29,15 mit dem Geschichts-
rückblick Ez 20, der seinerseits die Wendung 381 YY zuvor aus Dtn 28,36.64 entlehnt ha-
ben dürfte. Auch der Einzelbeleg in Jer 50,2 ist nicht anders denn als Rückgriff auf das
Ezechielbuch verständlich. Hier kann ebenfalls von einer Rückwirkung gesprochen werden,
zeigten sich doch insbesondere im Bereich der ezechielischen Zitate der Bundesformel An-
leihen aus dem jeremianischen Schrifttum. Interessant sind die sechs Belege in den Könige-
büchern (1Kön 15,12; 21,26; 2Kön 17,12; 21,11.21; 23,24), von denen sich kein einziger in
der Chronik wiederfindet. Im Falle von 2Kön 17,12 liegt die Erklärung dafür auf der Hand,
denn die Chronik übergeht den Nachruf zur Geschichte Israels ohnehin ganz. Auch an
Ahab, dem 1Kön 21,26 die Verehrung der 00361 vorwirft, hat die Chronik kein gesteigertes
Interesse. Warum die Verfasser der Chronik jedoch Asa das in 1Kön 15,12 vermerkte Weg-
tun der םיִלּולְּג abgesprochen haben sollte, ist schwerer zu erklären. Immerhin schreiben sie
ihm nicht nur allerlei Maßnahmen gegen Fremdgötter und Götterbilder, sondern gegen
1Kön 15,14 in 2Chr 14,4 die Entfernung der תּומָּב zu. Noth bemerkt zu 1Kön 15,12: „Die
Mitteilung 12b ist merkwürdig pauschal und sieht so aus, als habe Dtr Einzelangaben seiner
Quelle kurz zusammengefasst.“62° Es ist zu erwägen, ob 1Kön 15,12f. ursprünglich nur von
der Abschaffung des „Geweihten“-Wesens <>()םישדק und der Absetzung der Königsmutter
durch Asa berichtete und der Halbvers 12b ein später Nachtrag ist, dessen Quellen bezüg-
lich weiter gehender Kultreformen Asas 2Chr 14,1-4 und hinsichtlich des zusammenfassen-
den Vokabulars das Ezechielbuch waren. Eine bewusste Auslassung der םיִלול 6 in
2Kön 21,11.21 und 23,24 ist gänzlich unerklärlich. 2Chr 33 weiß zwar gegen 2Kön 21 von
einer Umkehr Manasses zu berichten, baut ihn aber dennoch zuvor zu einem Frevler par
excellence auf. Der in 2Chr 33,7 notierte Bilderdienst Manasses berührt sich terminologisch
mit Ez 8,3.5. Und dass Jerusalem (und Juda) schlimmer als die Dj2 waren, wissen 2Chr 33,9
und Ez 5,7. Schließlich hätte sich ein םיִלּולָנ 68+ Amons in das chronistische Bild des
Josia-Vorgängers ebenso gut eingefügt, wie dessen Abschaffung durch Josia. Man wird be-
züglich der םיִלּול 6 deshalb mit „nachchronistischen“ Bearbeitungen der Königebü-
cher zu rechnen haben.
den verbleibenden acht Begriffen sind nicht weniger als sechs in der masoretischen Fassung
von Ez 8 belegt: לָמְס 8,3.5; nam 8,3.10; תיִכְשַמ ;8,12 הָבָעות8,6(2x).9.13.15.17; ץקָש 0
und םיִלּולְג 0.
629 HÖLSCHER, 116568161, 4.
630 ALBRIGHT, Archaeology, 165; vgl. ZWICKEL, Räucherkult, 244; DIJKSTRA, Goddess, 83.
631 Vgl. BERTHOLET, Hesckiel, 33, FOHRER, Ezechiel, XIV.
632 Vgl. GREENBERG, Ezechiel 1-20, 234; Ezekiel 1-20, 201f.; ähnlich schon ZIMMERLI,
Ezechiel, 223. BERTHOLET, Hesekiel, VIIL.33 führt dagegen gerade Jer 7,31; 11,10 als Ar-
gumente für eine Reaktionsbewegung an; vgl. auch ACKERMAN, Tree, 50f.
633 Vgl. KAUFMANN, Religion, 405f.
634 GREENBERG, Ezechiel 1-20, 234; vgl. DERS., Ezekiel 1-20, 202. Vgl. auch KAUF-
MANN, Religion, 406-409. Aus ganz anderen Gründen sah auch TORREY, Pseudo-Ezekiel,
64 einen Bezug zu Manasse: „The entire prophecy contained in Ezekiel 1-39 is built on the
account of Manasseh’s reign and its consequences which is given in 2 Kings 21:2-16.“ Das
Sündenregister Manasses in 2Kön 21 ist seinerseits am Deuteronomium orientiert; vgl. dazu
WÜRTHWEIN, Könige, 440f.
635 ZIMMERLI, Ezechiel, 223f.
636 ZIMMERLI, Ezechiel, 224.
344 Kapitel 4: Der einzige Gott und die Götzen
642 Ez 11,2-13.14-21 fallen aus dem Rahmen der Vision heraus. Dass die Schilderung die
nicht nur visionäre Anwesenheit Ezechiels in Jerusalem voraussetzt, wird schon aus dem
Redebefehl an den Propheten in V.4 deutlich. Ezechiel, der sich doch eigentlich in Babylo-
nien aufhält, soll zu den Jerusalemern sprechen. Auch V.13, die Schilderung des Todes Pe-
latjahus während der Rede des Propheten sowie dessen Reaktion darauf, passen nicht in den
Visionsablauf. Ebenfalls auffällig ist V.14, die einzige Wortereignisformel innerhalb von
Ez 8-11. Vgl. POHLMANN, Ezechiel, 129.
64 Vgl. POHLMANN, Ezechiel, 131f.; RUDNIG, Heilig, 75.
64 Vgl. z. B. GARSCHA, Studien, 253; ALLEN, Ezekiel 1-19, 136.
645 Vgl. POHLMANN, Ezechiel, 130.
646 V,18b fehlt im Septuagintatext und entspricht weitgehend Ez 9,1a. ZIMMERLI, Eze-
chiel, 195 stuft ihn als Nachtrag ein, denn er „fügt sich gedanklich eher in Jeremias als in
Ez’s Denken (Jer 11,11; 29,12, vgl. auch Ex 22,26; Sach 7,13)“; vgl. auch HÖLSCHER, Hese-
kiel, 69% Anm. 1; FOHRER, Ezechiel, 52. ALLEN, Ezekiel 1-19, 122 schließt diese Lösung
nicht aus, verweist aber auf die Möglichkeit eines Ausfalls durch Homoioarkton (so vermu-
tet von GREENBERG, Ezechiel 1-20, 205; Ezekiel 1-20, 175). Der Halbvers fungiert als
Scharnier zwischen den Kapiteln 8 und 9.
346 Kapitel 4: Der einzige Gott und die Götzen
9,9) und 11,15 läuft auf den in Ez 11,22f. geschilderten Auszug des 7323 aus
der Stadt hinaus, setzt also zumindest Ez 11,23 voraus.” Ez 8,4 konstatiert
die Anwesenheit der Herrlichkeit des Gottes Israels im Rahmen der Gräuel-
schilderungen. Ob er mit diesen oder nach diesen als Einschub zwischen den
VV.3 und 5 in den Text gelangt ist, ist nicht mehr eindeutig feststellbar.
657 Vgl. GREENBERG, Ezechiel 1-20, 227; Ezekiel 1-20, 196; BECKER, Ez 8-11, 141.
658 Vgl. ZIMMERLI, Ezechiel, 210.212; POHLMANN, Ezechiel, 138f.
659 Vgl. HÖLSCHER, Hesekiel, 71 mit Anm. 1; FOHRER, Ezechiel, 50; GREENBERG,
Ezekiel 1-20, 168; Ezechiel 1-20, 197. Der Verfasser des Textes denkt an vorexilische Ver-
hältnisse, als Tempel und Palast gemäß 1Kön 6f. (vgl. Ez 43,7ff.) eine bauliche Einheit
bildeten.
660 Vgl. dazu oben Kap. 4.2.1.2.
661 Vgl. ZIMMERLI, Ezechiel, 192. FOHRER, Ezechiel, 47.49 plädiert dagegen für die
Priorität der Erwähnung des Eifersuchtsbildes in V.5 und bestimmt V.3Ende als „eine
näherbestimmende Glosse (nach 5), die das Bild falsch lokalisiert“; aaO. 47. Der Verweis auf
den Standort des Bildes am Eingang in V.5 sei wiederum Korrektur des durch die Ergän-
zung in V.3 hervor gerufenen Fehlers. Anders als Fohrer annahm, sind mit der Septuaginta
jedoch nicht nur die beiden letzten Worte )הָאְּבַּב mt) in V.5 sekundär, vielmehr ist die
ganze Wendung 7822 הֶּזַה הֶאְנְקַהOno zu streichen; vgl. App. BHS gegen App. BHK.
662 Vgl. ZIMMERLI, Ezechiel, 213.
663 Anzahl und Lage der Tore Jerusalems lassen sich nicht mehr eindeutig ermitteln. Die
von ZWICKEL, Räucherkult, 239f. vorgeschlagene Identifizierung des Tores aus Ez 8,3 mit
der bei AVIGAD, Jerusalem, 50 rekonstruierten Doppeltoranlage ist spekulativ. Die Existenz
des inneren Tores ist überhaupt unsicher, die Rekonstruktion des äußeren basiert auf weni-
gen Resten. Darüber hinaus weist Avigad die Tore unterschiedlichen Epochen zu; vgl.
348 Kapitel 4: Der einzige Gott und die Götzen
BERNETT/KEEL, Mond, 76. Die Topographie Jerusalems, die gerade die Nordseite der Stadt
militärisch verwundbar machte, spricht gegen eine größere Anzahl von „Nordtoren“.
6% Laut dem Apparat der BHS, dem die Kommentare folgen, fehlt תיִמיִנָּפַה in der Septu-
aginta; BERNETT/KEEL, Mond, 75 Anm. 332 weisen darauf hin, dass die griechische Text-
überlieferung nicht einheitlich ist, und die Näherbestimmung 6 600076006 nur im Codex
Vaticanus der Septuaginta und nicht einfach in der Septuaginta fehlt. Wird es nicht aus die-
sem Grunde ausgeschieden (vgl. ZIMMERLI, Ezechiel, 191f.; POHLMANN, 132600101, 1123),
wird רצחה ergänzt (vgl. GREENBERG, Ezechiel 1-20, 194.197; Ezekiel 1-20, 164.168), da
הַפָּנִימִיתwegen seiner femininen Endung nicht auf רַעַש bezogen sein könne. Dagegen schla-
gen nun BERNETT/KEEL, Mond, 75f. mit Anm. 332 wieder vor, die Femininform als Ab-
schreibefehler zu betrachten (vgl. bereits CORNILL, Ezechiel, 222). Zudem sei רַעַש in
Jes 14,31 feminin aufgefasst und werde auch in Ez 40,19 von einem Adjektiv in femininer
Form begleitet. Ez 8,3 beschriebe dann ein Doppeltor; vgl. dazu ZWICKEL, Räucherkult,
239%.
66 Vgl. ACKERMAN, Tree, 53-55; ALLEN, Ezekiel 1-19, 139-141; DIJKSTRA, Goddess,
895 Anders GREENBERG, Ezechiel 1-20, 197; Ezekiel 1-20, 168. Folgte man Greenberg,
begönne der visionäre Rundgang im Innenhof des Tempels, würde dann im Vorhof fortge-
setzt, führte zurück zum Tor des Innenhofes und dann wieder in den Innenhof hinein. Der
Weg in der Vision des griechischen Textes nähme dagegen am Stadttor seinen Ausgang und
führte dann über den Vorhof zum Tor des Innenhofes und dann in das Zentrum des Tem-
pels. Diese Anlage passt erheblich besser zum Gesamtaufbau des Kapitels, der eine konti-
nuierliche Steigerung der geschilderten Gräuel intendiert.
666 הַקְנְאֶהOnD (vgl. Dtn 4,16.24) ist nicht der einzige von Din 4 her erklärbare Ausdruck
in Ez 8; dazu sofort.
4.2 Bilderverbot im Ezechielbuch 349
667 Vgl. BERTHOLET, Hesekiel, 32; ZIMMERLI, Ezechiel, 215; POHLMANN, Ezechiel, 139.
668 So aber FOHRER, Ezechiel, 49; EICHRODT, Hesekiel, 45.
669 Vgl. HÖLSCHER, Hesekiel, 72; BERTHOLET, Hesekiel, 30; ZIMMERLI, Ezechiel, 187;
ACKERMAN, Tree, 41 mit Anm. 19; POHLMANN, Ezechiel, 123.139. Grundsätzlich denkbar
und verständlich sind beide Möglichkeiten. Das von GREENBERG, Ezekiel 1-20, 168f.; Eze-
chiel 1-20, 198 angeführte Argument, dass wenn von Verhältnis zwischen Gott und Mensch
die Rede ist, auch sonst immer der Mensch das Subjekt der Wendung לעמ PN ist, leuchtet
ein.
670 Vgl. POHLMANN, Ezechiel, 139. Bezieht man הָקָחְרְל dagegen auf Jhwh, nimmt die
Aussage den Auszug des הָוהְי 7123 in Ez 10,185; 11,221. vorweg.
671 ZIMMERLI, Ezechiel, 215.
350 Kapitel 4: Der einzige Gott und die Götzen
des Heiligen ist klar definiert, außerhalb dieses Bereiches kann es keinen legi-
timen Kult geben. Im Hintergrund dieser Sichtweise steht zweifellos die Idee
der Kultzentralisation. Die hier ursprünglich, d. h. vor der Verbindung von
Altar und Eifersuchtsbild geäußerte Kritik, war deshalb weniger gegen
Fremdgötter- oder Bilderverehrung, sondern viel eher auf Jhwh-Verehrung
an dafür ungeeignetem Ort gerichtet.
Die Verwirrung löst sich auf, wenn man V.9 auf V.7a folgen und die 70 Män-
ner ihren Dienst nicht in einer geheimen Räucherkammer, sondern im Vor-
hof des Palastes verrichten lässt, ₪
אתִי אֶלפַתַח הֶחְצַרNam 7
עשים פהmo ruS וַאמַר אֶלִי בא וּרְאֶה אֶת"ְהַתועַבוּת הָרְעוּת9
zer שֶקֶץ וְכָלינְלוּלִי בִּיתamam nna >b-naam ımam ] נְאֶרְאָהnal 01 -
Der Anlass für die Einfügung des Grabungsmotivs in den VV.7b und 8 ist
ganz am Ende des Abschnittes in V.12 zu suchen, präziser in den vier Worten
ּ איש בְּחַדְרִי מַשָכִּית.anu tsbleS nnew nam בחשךnegegtne red nehcilmmökreh
Sichtweise” im kpüntg der Septuaginta wiedergegeben sieht,“ bleibt der
Text schwierig. Wie Zimmerli anmerkt, haben schon die Versionen תיִּכַשמ
nicht mehr verstanden und bieten somit keine Grundlage zur Herstellung
eines besseren Textes.‘ Bertholet übersetzt ּןתיִּכַשמ ma wörtlich „in den
Kammern seines Schaustückes“ und kommentiert dazu: „ein unmöglicher
Text, den man aber bei der Allgemeinheit seiner Überlieferung nicht einfach
streichen darf.“ Cornill und Fohrer legen weniger Bedenken an den Tag
und werten den fraglichen Text insgesamt als erläuternden Zusatz.” Auffällig
ist, dass durch die Wendung ּותיִּכָשִמ na שיא („ )ךָשחַּבdie Vision der siebzig
Ältesten insgesamt ... durch eine andere ersetzt worden zu sein [scheint], die
nun jeden einzelnen in seinem privaten Raum zeigt.“ Es ist dieser Zug zum
Geheimen, der letztlich den Ausschlag gibt, die Notiz über den privaten Bil-
derdienst der Ältesten als Nachtrag einzustufen. Dass die Ältesten hier einen
Geheimkult vollziehen, passt nämlich weder zum Vorangehenden - alle ande-
ren geschilderten Vergehen finden öffentlich statt - noch zu jener Aussage,
die V.12b den Ältesten in den Mund legt: „Jhwh sieht [es] nicht, Jhwh hat das
679 Vgl. BHS, der praktisch alle Kommentare folgen, 2. B. CORNILL, Hesekiel, 224#.;
BERTHOLET, 1165666 30f.; FOHRER, Ezechiel, 49; ZIMMERLI, Ezechiel, 194; vgl. auch
HÖLSCHER, Hesekiel, 69f. Anm. 1; ACKERMAN, Tree, 44 mit Anm. 28.
680 So ALLEN, Ezekiel 1-19, 121. Von der Wortbedeutung her scheint dies möglich.
Allen verweist auf die Septuagintaübersetzungen von Hi 38,2 und Jes 29,15.
681 Vgl. ZIMMERLI, Ezechiel, 194; ALLEN, Ezekiel 1-19, 121; ACKERMAN, Tree, 44 Anm. 30.
682 BERTHOLET, Hesekiel, 31.
68 Vgl. CORNILL, Hesckiel, 224f.; FOHRER, Ezechiel, 49.
684 GREENBERG, Ezechiel 1-20, 200; vgl. DERS., Ezekiel 1-20, 170.
352 Kapitel 4: Der einzige Gott und die Götzen
Land verlassen‘ Wenn die Ältesten nicht mehr mit der Anwesenheit Jhwhs
im Land bzw. seiner Zuständigkeit für das Land rechnen, gibt es keinen
Grund, ihr Tun zu verbergen. Das Motiv des heimlichen Bilderdienstes er-
innert vielmehr an Dtn 27,15 und Ex 23,13, die beide in die Nachgeschichte
des biblischen Bilderverbots gehören und bereits Verhältnisse voraussetzen,
unter denen Bilderlosigkeit geforderte Norm ist.” Ohne einen wie auch im-
mer gearteten öffentlichen Druck bestünde für die heimliche Aufstellung und
Verehrung von Bildern ebenso wenig Grund wie für ein Verbot dieses Tuns.
Heimliche Verstöße gegen die geforderten Normen werden noch in den
Qumran-Texten als besonderes Problem wahrgenommen.“ „Der Zug der
Heimlichkeit vor Gott, der im anklagenden Zitat der Worte der Ältesten
(V.12b; S.P.) zu vernehmen war, hat dann ... zur Verlegung der ganzen Äl-
testenszene in einen verborgenen Raum, der nur durch einen nach dem Vor-
bild von 12,5.7 geschilderten Mauerdurchbruch zu erreichen ist, geführt.“
Die ursprüngliche Fassung von Ez 8,7-12 hat den Visionär also in den
Vorhof des Tempels geführt und ihn zweierlei sehen lassen. Zunächst be-
schreibt V.10 das Aussehen des Vorhofes, dessen Wände mit Reliefdarstel-
lungen (npnn, vgl. Ez 23,14) verziert sind.” Wie man sich das Aussehen die-
ser Ritzzeichnungen vorzustellen hat, ja, worauf npmn überhaupt konkret zu
beziehen ist, ist strittig. Abgesehen von der Grundaussage, dass Ezechiel
bildliche Darstellungen an einer Wand zu sehen bekommt, ist kein einziges
Element in V.10 hinsichtlich seiner Ursprünglichkeit unbestritten geblieben.
Relativ regelmäßig werden mit der Septuaginta die Worte הָמָהְבּו שמְר,תיִנָבַח
die im jetzigen Textzusammenhang den Begriff ץקש erläutern, als Glosse aus-
geschieden.” Sie sind sichtlich Dtn 4,16-18 entlehnt, wie auch bereits die
685 Die sekundäre Umdeutung der Kulthandlung zum Geheim- bzw. Privatkult erklärt die
Einfügung des weder von der Septuaginta noch vom Paralleltext Ez 9,9 belegten .ּונְתא Die
nota accusativi mit dem Personalsuffix der 1. c. Pl. unterstreicht den privaten Charakter des
Handelns.
68 Vgl. oben Kap. 2.2.2.2.
687 Vgl. die bereits oben in Kap. 4.1.1.2 angesprochenen Beziehungen zwischen Ez 14
und 1605 II,12ff. sowie 1QH XIL 15.
688 ZIMMERLI, Ezechiel, 218; vgl. POHLMANN, Ezechiel, 139. Dagegen hält ACKERMAN,
Tree, 67-69 daran fest, „that Ezekiel found himself in a house or room. Surely the point of
the description of Ezekiel’s bizarre activity in vv 7b-8 is to stress that Rzekiel was entering a
place which he could not enter by conventional means“ (aaO. 68f.). Dass dieser Zug der
Schilderung ursprünglich ist, ist damit jedoch keineswegs bewiesen, sondern notwendige
Voraussetzung für Ackermans Interpretation des geschilderten Kultes als marzeah; vgl. dazu
sofort.
6% Vgl. ZIMMERLI, Ezechiel, 216.
6% Allerdings nicht von HÖLSCHER, Hesekiel, 69 Anm. 1 und FOHRER, Ezechiel,
49, die
stattdessen ץקש streichen. GREENBERG, Ezechiel 1-20, 199; Ezekiel 1-20,
169 teilt seine
Entscheidung nicht ausdrücklich mit, merkt aber an, dass die Wendung
die eigentlich zu
erwartende Verbindung Ypw-b> zerreißt.
4.2 Bilderverbot im Ezechielbuch 398
Rede vom הָאְנְקַה לָמַסin Ez 8,3.5 Bezüge zu Dtn 4 aufgewiesen hatte.’ Da-
neben ist auch vorgeschlagen worden, die Wendung 5x7 ma לָכְו-יִלּולְּנ zu
streichen.” Zimmerli wendet gegen diese Annahme ein, dass npnn als
Prädikatsnomen zu verstehen, deshalb das pluralische לֶאְרְשִי לֶכְו תיִּב- יִלּולָּנ8
Subjekt gut vertretbar sei und 2725 in V.11 eine pluralische Beziehungs-
aussage verlange.“ Eine solche wäre jedoch nicht nur in לֶאְרָשִי ma יִלּולָּגלָכְו
sondern inhaltlich auch im ursprünglichen ץקש"לָכ zu finden, das zudem den
Vorzug böte, pn auf ein grammatisch singularisches Subjekt beziehen zu
können. Insofern ist der Hinweis auf die Mistdinger des Hauses Israel durch-
aus entbehrlich. Greenbergs Kommentar zur Dtn 4 entlehnten Glosse legt
seine Streichung sogar ausgesprochen nahe: „Diese Kombination von Aus-
drücken aus Dtn 4,17-18 ... unterbricht die erwartete Abfolge ץקש 55 ‚alles
Abscheuliche‘, als ob sie die Lesung ץרש °”* bestätigen solle, die sonst in Ver-
bindung mit לולג (wie hier) als ץוקש ‚abscheulisches Ding‘ gelesen wird —
immer ein Götze.“” Dass die Lesung ץקש gesichert bzw. erläutert werden
musste, ist jedoch nur verständlich, wenn sie ursprünglich alleine stand.
Andernfalls wäre neben ‘7353 (Pl.!) nicht ,ץקש sondern םיצוקש zu erwarten.
Ursprünglich waren in Ez 8,10 jedoch keine Reliefbilder aller „Mistdinger“
Israels gemeint,“ sondern Abbildungen von .ץקָש Deshalb geht Ackermans
Deutung des ץקש als unreine 526186" fehl, denn anders als sie voraussetzt, ist
שקץ- כֶלwegen seines Bezugs auf npnn an der Wand abgebildet und nicht etwa
auf Tischen zum Verzehr bereit ו ® Für die ursprüngliche Fassung von
Ez 8,10 ergibt sich demnach folgender Wortlaut:
Was hier unter ץקש vorzustellen ist, kann nur mit einem Blick auf die übrigen
alttestamentlichen Belegstellen bestimmt werden, die sich an zwei Händen
abzählen lassen: Lev 7,21; 11,10.11.12.13.20.23.41.42, daneben vielleicht noch
Jes 66,17.” In Lev 11, dem Kapitel über reine und unteine Tiere, ist neben
den 8 Belegen des Nomens YpV auch noch drei Mal das Verb ץקש zu finden.
Dtn 14,3-21, das alttestamentliche Gegenstück zu Lev 11,” kennt die Wurzel
שקץdagegen nicht. Unreinheit wird dort durch die Wurzel אמט zum Ausdruck
gebracht, die in Lev 11 neben ץקש gebraucht wird. Im Wesentlichen scheinen
beide Wurzeln synonym zu sein, allerdings bezieht sich ץקש nur auf Wasser-
tiere, Vögel und Kleintiere, während אמט rituelle Unreinheit jeglicher Art be-
zeichnet.” Gegen Ackermans Deutung bleibt festzuhalten, dass קש auch in
Lev 11 keine unreinen Speisen bezeichnet,” sondern Tiere, die aufgrund be-
stimmter Eigenschaften als unrein gelten und deswegen nicht verzehrt wer-
den dürfen.’ In Ez 8,10 wird der Begriff ץקש immer wieder speziell auf
Mischwesen gedeutet, die auf den Wänden abgebildet seien.” Zimmerli führt
dazu aus:
„Ebenso läßt Lv 11 erkennen, daß in der Tierwelt all das, was auf Mischwesen hindeutet, als
שקץgemieden wird: Wassertiere, die nicht, wie es sich für einen rechtschaffenen Fisch ge-
hört, Flossen und Schuppen tragen (11,10), geflügelte Wesen, die nicht, wie es beim norma-
len Vogel geschieht, auf zwei Beinen gehen (11,20), und vor allem all das kleine, eidechsen-
Ez 40ff. eine bauliche Beschreibung im Rahmen einer Vision liefert, greift der Verfasser von
Ez 8 hier vielleicht bewusst auf das dort verwandte Vokabular zurück.
7% Hier ist statt קש wahrscheinlich ץרש zu lesen; vgl. WESTERMANN, Jesaja 40-66, 335
mit App. BHS.
וDin 12-3,41 ist offenbar nachträglich in den Gesetzesteil des Deuteronomiums ge-
langt; vgl. NOTH, Leviticus, 76; VEIJOLA, Deuteronomium, 295. Im Grundsatz trifft die
Einschätzung von NOTH, Leviticus, 76 wohl das Richtige: „Auf das Ganze gesehen wirkt
5.Mos. 14,3-21 durch die Konzentration auf die Frage der Eßbarkeit bzw. Nichteßbarkeit
geschlossener und ursprünglicher; auf der anderen Seite scheint das unausgeglichene Neben-
einander von ausführlichen Aufzählungen und kurzen summarischen Zusammenfassungen
in 5.Mos. 14 für die Übernahme einzelner Abschnitte aus 3.Mos. 11 zu sprechen.“ Ähnlich
beurteilt auch VEIJOLA, Deuteronomium, 297 Dtn 14 als Ursprungstext bei sekundärer
emhanrebÜ red etsillegoV sua veL טול0.
702 Vgl. ZIMMERLI, Ezechiel, 216; FREEDMAN /WELCH, ThWAT VIII, 462£.
703 So aber ACKERMAN, Tree, 71: „In both the sixth-century language of the priestly class
(Leviticus 11) and the language of sixth-century prophets who condemn Israel for religious
apostasy (Isa 66:17) seges means unclean food.”
704 Vgl. GREENBERG, Ezekiel 1-20, 169: „Ihe sense is ‚detestable animals‘, as in
Lev 11:10-42 where seges is the term for creatures (e.g., vermin) forbidden as food.” Vgl.
DERS., Ezechiel 1-20, 199, Nach Lev 7,21 ist es im Übrigen gar nicht notwendig, ץקש zu
essen, um sich zu verunreinigen. Berührung reicht dazu vollkommen aus. |
705 Vgl. ZIMMERLI, Ezechiel, 216; GREENBERG, Ezechiel 1-20, 199; Ezekiel 1-20, 169;
POHLMANN, Ezechiel, 139.
4.2 Bilderverbot im Ezechielbuch 855
artige Tierwesen (11,29f.). In den Wanddarstellungen von Ez 8,10 scheinen derlei Tiergrup-
pen vertreten zu sein.‘“7%
Diese Näherbestimmung von ץקש ist allerdings sichtlich durch die auch von
Zimmerli als Glosse bestimmte Wendung A727 שָמְר man geprägt.” Anders
ist es kaum zu erklären, dass Zimmerli die in Lev 11,13 als ץקש bezeichneten
und bis einschließlich V.19 aufgezählten Vögel, die keineswegs mischgestaltig
sind,7" übergeht und zugleich die Eidechsen mit unter diesen Begriff fasst,
obwohl Lev 11,29 diese nicht als ,ץקש sondern als AB bezeichnet. Ver-
gleichsmaterial aus Ägypten und Mesopotamien legt den Gedanken an tierge-
staltige Gottheiten oder mythologische Mischwesen nahe,” doch lässt sich
eben nicht exakt bestimmen, welche Tiere oder Gestalten hier vorgestellt
sind. Damit bleibt auch die Verbindung dieser Darstellungen mit bestimmten
Kulten spekulativ, etwa die von Albright vertretene Auffassung, Ez 8,7-13
beschreibe einen Osiris-Kult.'” Kommt man somit über die Feststellung, dass
Ez.8,10 die Darstellung unreiner Tiere auf Wandbildern im Vorhof des Jeru-
salemer Tempels vermerkt, nicht hinaus, kann man noch nicht einmal mit
Sicherheit auf fremde Einflüsse schließen: Löwe und Greifvogel, beides un-
rein im Sinne von Lev 11, waren im ganzen Alten Orient als Symboltiere ver-
breitet und fanden offenbar auch in Juda Verwendung.” Schließlich ist auch
Der zweite Missstand im Tempelvorhof, der dem Visionär in V.11 vor Augen
geführt wird, ist der Räucherdienst 70 Ältester des Hauses Israel. Gewöhnlich
wird angenommen, dieser Räucherdienst gelte den auf den genannten Wand-
bildern dargestellten Tieren oder Mischwesen.”'° Die Auskunft, die Ältesten
hätten „vor ihnen gestanden“”'’, legt diesen Schluss nahe und die späteren
Ergänzungen, die aus dem gemeinschaftlichen Räuchern der Ältesten private
Bilderkulte gemacht haben, unterstreichen diesen Eindruck noch. Es ist den-
noch zu erwägen, ob die kultische Verehrung von Bildern als solche hier auch
ursprünglich im Mittelpunkt der Kritik gestanden hat. Zimmerli fragt unter
Verweis auf 2Chr 26,19 und Num 16, ob bereits das Räuchern der Ältesten
aus athenischer Tradition stammende Eule im Münzbild ersetzt, da er besser zur einheimi-
schen Bildtradition gepasst habe (‚a bird that was more closely associated with Yahweh‘‘).
712 So ELTESTER, Leuchter, 67. Dagegen hat WIRGIN, Shape, 151-153 mit Nachdruck für
einen Dreifuß als Basis der Menora plädiert und die reliefierte Basis des Titusbogens als
Kasten interpretiert, der von den Römern zum Transport des Leuchters hergestellt worden
sei. VOSS, Menora, 77f. hält es für möglich, vom Relief des Titusbogens auf den Leuchter
der Makkabäer zurückzuschließen, legt sich hinsichtlich der Form des Leuchter-Fußes aber
nicht endgültig fest.
713 Vgl. ELTESTER, Schöpfungsoffenbarung, 102-104.
714 Vgl. Bell. Jud. VI 5,5 ($148£.).
715 Vgl. ELTESTER, Leuchter, 67.
716 Vgl. FOHRER, Ezechiel, 51; ZIMMERLI, Ezechiel, 216; POHLMANN, Ezechiel, 139;
ACHENBACH, Vollendung, 4.
27 לְפָנִיהֶםbezieht sich auf die Wandbilder zurück. Die namentliche Erwähnung Jaa-
sanjas stört den Zusammenhang und ist wahrscheinlich nachträglich ergänzt worden; vol.
FOHRER, Ezechiel, 49; ZIMMERLI, Ezechiel, 194.218.
4.2 Bilderverbot im Ezechielbuch 7
718 Vgl. ZIMMERLI, Ezechiel, 217. 2Chr 26,19 ist neben Ez 8,10 die einzige Belegstelle für
מִקְטָרֶת. Auf den Aspekt der Anmaßung kultischer Kompetenz durch Laien verweist auch
ACHENBACH, Vollendung, 89.
719 Vgl. NOTH, Leviticus, 105.
720 Vgl. ZIMMERLI, Ezechiel, 2176: „Es ist ... nicht auszuschließen, daß die devotio der
Ältesten in deren eigenem Bewußstsein eine jahwistische Deutung erfuhr.“
721 ZIMMERLI, Ezechiel, 216.
722 Vgl. SEEBASS, Numeri, 44.
723 Vgl. ACHENBACH, Vollendung, 251 mit Anm. 208.
358 Kapitel 4: Der einzige Gott und die Götzen
träglich in ihren Kontext gekommen sind,” und auch Ez 8,11 zwar unsiche-
ren Alters, aber sicher nicht vorexilisch ist,” lässt sich ein vorexilisches Äl-
testengremium auf nationaler Ebene durch nichts belegen.’” Schon Kuenen
hat darauf hingewiesen, dass für ein solches Gremium vor der hellenistischen
Zeit im politischen Raum kein Platz war.'” Die Königsideologie der vorexili-
schen Zeit scheint sich nicht wesentlich von der aus Israels Umwelt bekann-
ten unterschieden zu haben. Der König war religions-politisch betrachtet ein
Mittler zwischen Gott und Volk. Welche Rolle hätte eine kollektive Volks-
vertretung hier spielen sollen? In neubabylonischer Zeit bildeten sich ver-
mutlich im Zweistromland wie in Palästina Ältestenräte als lokale „Gremien
untergeordneter Selbstverwaltung“, eine Struktur, die bis in die Achämeni-
denzeit fortbestand.””” Achenbach führt die in Ez 8,1; 14,1; 20,1.3; Jer 19,1;
29,1 genannten Ältesten als Beispiele für diese Verwaltungsstruktur an. Nach
heutigem Kenntnisstand wurden aber sowohl das neubabylonische als auch
das im Westen auf dessen Strukturen errichtete Perserreich mittels königli-
cher Statthalter zentral regiert. Die Existenz kollektiver nationaler Leitungs-
gremien ist deshalb auch in diesen Epochen eher unwahrscheinlich.” Gleich-
wohl zielt Ez 8,10 sichtlich auf ein nationales Gremium,” denn die Zahl
siebzig soll Vollständigkeit zum Ausdruck bringen.” Die Idee eines das
74 Zu Ex 24,1f.9 vgl. AURELIUS, Fürbitter, 70 mit Anm. 65 (dort Hinweise auf ältere Li-
teratur). Zu Num 11 vgl. ausführlich ACHENBACH, Vollendung, 237-251. Demnach ist die-
ser Text einer Pentateuchredaktion zuzuschreiben und seine „Entstehung kaum vor dem
5.]Jh. anzunehmen“ (aaO. 259).
73 Die Schilderungen der Vorgänge in Jerusalem in Ez 8 setzen den Visionskontext
Ez 8,1-4*; 11,24f. voraus. Nach POHLMANN, Ezechiel, 132-134 ist er der Hand der gola-
orientierten Redaktion (5. Jh. v.Chr.; vgl. aaO. 34; RUDNIG, Heilig, 349) zuzuweisen. Auch
die im Rahmen der Vision verwandten Motive fügen sich gut ins perserzeitliche Bild Jhwhs
als „Gott des Himmels“; vgl. dazu oben Kap. 4.2.1.1.
726 Vgl. ACHENBACH, Vollendung, 251.
דפVgl. KUENEN, Zusammensetzung, 68; WOLFF, Joel und Amos, 28f. weist den Ältes-
ten der Königszeit eine untergeordnete Funktion zu.
728 Vgl. ACHENBACH, Vollendung, 252.
72 Damit ist nicht ausgeschlossen, dass die Häupter vermögender Familien zumindest
auf lokaler Ebene Einfluss haben und Politik betreiben konnten, und insofern darf man
vielleicht an Wurzeln des späteren Ältestenrats in persischer Zeit denken. Als abgegrenztes
Gremium bestand es zu dieser Zeit aber sehr wahrscheinlich nicht; vgl. HENGEL, Judentum,
48f.
70 GREENBERG, Ezechiel 1-20, 199£. erkennt hier den „Ööffentliche[n] Rat des Staates
Juda“ („national council“; DERS., Ezekiel 1-20, 170).
731 Vgl. ZIMMERLI, Ezechiel, 216; CONRAD, ThWAT II, 6495: ACHENBACH, Vollendung,
255. Insofern bereitete die von POHLMANN, Ezechiel, 136 mit Anm. 632 als Möglichkeit
erwogene Zuordnung von Ez 8,5-18* zur golaorientierten Textstufe Schwierigkeiten, als die
Vergehen der Ältesten als Repräsentanten des gesamten Gottesvolkes auch auf die Gola
zurückfallen müssten. In einer golaorientierten Aussage wären viel eher „Älteste des
Lan-
des“ oder „Älteste Jerusalems“ zu erwarten.
4.2 Bilderverbot im Ezechielbuch 359
732 ACHENBACH, Vollendung, 259 verweist auf Aischylos’ Tragödie „Die Perser“.
733 WOLFF, Joel und Amos, 29 sowie KARRER, Ringen, 305f. attestieren ihnen eine be-
tonte Rolle, ACHENBACH, Vollendung, 257 sieht sie dagegen in untergeordneter Position.
Das Rätsel der unterschiedlichen Rollen der Ältesten in Esr 4 bzw. Esr 5f. lässt sich lösen,
wenn man den Neueinsatz in Esr 5,1 erkennt und die beiden Textkomplexe unterschiedli-
chen Verfassern mit unterschiedlichen Interessen zuweist; vgl. GRÄTZ, Chronik, 414-416.
734 Zumindest der „Briefwechsel“ Esr 5,6-6,13 ist frühhellenistisch; vgl. SCHWIDERSKI,
Handbuch, 381; GRÄTZ, Chronik, 408-414 sowie oben Kap. 3.3.1.1.
75 Vgl. WOLFF, Joel und Amos, 3; KAISER, Grundriß 2, 116f.; KRATZ, Propheten, 91.
736 ACHENBACH, Vollendung, 258; vgl. HENGEL, Judentum, 49; GRÄTZ, Chronik, 420.
737 Vgl. KUENEN, Zusammensetzung, 675; HENGEL, Judentum, 48-51; GRÄTZ, Chronik,
420.
360 Kapitel 4: Der einzige Gott und die Götzen
Auf den ersten Blick lässt diese Auskunft an Klarheit wenig zu wünschen
übrig. Alle Ausleger sind sich einig, dass das hier beschriebene Ritual mit dem
Tammuz-Kult in Verbindung zu bringen ist. Tammuz ist der im Alten Tes-
tament nur hier namentlich erwähnte sumerisch-babylonische Gott Du-
muzi.’” Mit dem Sterben der Vegetation im Sommer wurde er rituell beweint,
vornehmlich von Frauen.”” Die Tammuz-Verehrung ist bereits während der
Bronzezeit aus dem Zweistromland in den westsemitischen Raum gelangt.’”
Oft wird angenommen, dass sie in Palästina im Zuge des assyrischen Kultur-
drucks des 8./7. Jahrhunderts v.Chr.’ Fuß fassen konnte. Ackerman ver-
weist dagegen auf zahlreiche Motivparallelen sowohl im ugaritischen Baal-
Zyklus als auch im Kult des Baal Samem/Zeus Helios in hellenistischer
Zeit.” „When Tammuz worship came west from Mesopotamia beginning in
the Bronze Age, the cult attracted some west Semites who recognized in the
Tammuz cult echoes of native myths and rituals associated with the cult of
Baal.“’” Die Tammuz-Klage sei im Jerusalem des 6. Jahrhunderts v.Chr. da-
her nicht als unmittelbare Folge assyrischer oder babylonischer Expansion,*
sondern als regulärer Bestandteil kanaanäischer und somit einheimischer
Baal-Verehrung zu sehen.” Die von Ackerman aufgezeigte Traditionslinie,
die vom ugaritischen Baal-Zyklus über den westsemitisch weit verbreiteten
Baal Samem bis zum nabatäischen Zeus Helios reicht, erschwert allerdings
die zeitliche Fixierung des in Ez 8,14 genannten Tammuz-Kultes. Zwar steht
unabhängig von der Frage nach dem Alter von Ez 8 der Annahme einer
Existenz von Vegetationskulten im spät-vorexilischen Juda nichts entgegen,
aber auch Zeus Olympios, dessen Verehrung im Jerusalemer Tempel im Jahr
168 v.Chr. durch Antiochos IV. angeordnet wurde, war ein hellenisierter Baal
738 Zu ihm und dem Verhältnis zu seiner Gemahlin Inanna-Ischtar vgl. GRONEBERG,
Götter, 176-181. Ursprünglich ein sumerischer Hirtengott (vgl. ALSTER, DDD2, 831), wurde
Dumuzi allmählich zum Vegetationsgott. In verschiedenen mesopotamischen Mythen wird
er als Ersatzfigur für Inannar-Ischtar in die Unterwelt verbannt. Interessanterweise wird
jedoch nirgends von seiner Wiederbelebung erzählt; vgl. aaO. 181-184. Vgl. auch
BERNHARDT, BHH 3, 1930; ALSTER, DDD?, 832f.; ACKERMAN, Tree, 79-82.
739 Vgl. GREENBERG, Ezechiel 1-20, 201; Ezekiel 1-20, 171; ACKERMAN, Tree, 81. Die
Schilderung des Tammuz-Kultes passt daher schlecht zur Datierung in Ez 8,1, wonach die
Vision nicht im 4. Monat, sondern im 6. Monat geschehen sei; vgl. DIJKSTRA, Goddess, 99.
740 Vgl. ACKERMAN, Tree, 82.
דVgl. z.B. ALBRIGHT, Archaeology, 167; EICHRODT, Hesekiel, 61; ZIMMERLI, Eze-
chiel, 220; BERNHARDT, BHH 3, 1930.
7#2 Vgl. ACKERMAN, Tree, 84-87.
76 ACKERMAN, Tree, 90f.; ähnlich FOHRER, Ezechiel, 51; DIJKSTRA, Goddess, 104
(„most probably an amalgam of ancient Canaanite and Neo-Assyrian beliefs and ritual“‘).
7% So jedoch ALSTER, DDD2, 833.
745 Vgl. ACKERMAN, Tree, 91; DIJKSTRA, Goddess, 99£.
4.2 Bilderverbot im Ezechielbuch 361
Samem.”“ Seine Verehrung bzw. seine Gleichsetzung mit Jhwh, die keines-
wegs nur von außen aufgezwungen, sondern von pro-hellenistischen Kreisen
innerhalb Jerusalems akzeptiert und gefördert wurde,” könnte deshalb auch
mit Vegetationskulten verbunden gewesen sein. Vielleicht gibt die Beschrei-
bung des verwüsteten Tempels in 1Makk 4,38 einen Fingerzeig in diese
Richtung, denn der Hinweis auf Pflanzenwuchs im Tempelareal’* könnte auf
Pflanzungen hindeuten,” und die Anlage von Gärten zu Ehren der Gottheit
war vermutlich mit dem Tammuz- bzw. (im griechischen Raum) Adonis-Kult
verbunden.’ Deshalb hat man damit zu rechnen, dass die Frage des Exis-
tenzrechts von Vegetationskulten im Umfeld des Jerusalemer Jhwh-Tempels
noch in der Makkabäerzeit virulent war. Bezüglich der zeitlichen Verortung
des in Ez 8,14 beschriebenen Tammuz-Kultes ist daher auffällig, dass keine
der (wenigen) alttestamentlichen Stellen, die weithin als Anspielungen auf
einen Tammuz- oder Adonis-Kult interpretiert werden, sicher vorexilisch ist,
sondern alle eher, wenn nicht sicher zu den jüngeren und jüngsten Texten des
Alten Testaments gehören.”
Darf somit festgehalten werden, dass Ez 8,14 einen aus Mesopotamien
stammenden, im 1. Jahrtausend v.Chr. jedoch auch im westsemitischen Raum
746 Vgl. BICKERMANN, Gott, 1126: „Zeus Olympios war, wie wir schon gesehen haben,
der alte Inhaber Zions, der Gott der Juden, der ‚Himmelsgott‘. Er wurde nunmehr in den
griechischen Akten geführt als ‚Zeus‘. Man schrieb griechisch, man sprach aber auch im
hellenisierten Jerusalem aramäisch. Es ist recht wahrscheinlich, daß man den Gott auch
weiterhin aramäisch ‚Baalschamin‘, ‚Himmelsherr‘ nannte. Der Ausdruck ‚Schikuz Scho-
mem‘, der ‚Greuel der Verwüstung‘ bei Daniel, scheint eine Verdrehung dieses aramäischen
Namens zu sein.“ Vgl. auch HAAG, Das hellenistische Zeitalter, 71.
747 Vgl. BICKERMANN, Gott, 126; HAAG, Das hellenistische Zeitalter, 71f.
748 Kol Ev 1016 abAnic bura mMebuköra 66 Ev ÖpunG ף 66 Ev Evi דע 0060;
1Makk 4,38.
7# Vgl. BICKERMANN, Gott, 109-111; VON DOBBELER, Makkabäer, 79; HAAG, Das hel-
lenistische Zeitalter, 71. Dagegen vermutet GOLDSTEIN, 1Maccabees, 284 in 1Makk 4,38
lediglich einen Hinweis auf den schlechten baulichen Zustand des Heiligtums.
750 Vgl. ACKERMAN, Tree, 83; vgl. auch Jes 17,10.
751 Es handelt sich um Jes 17,10; 66,17; Sach 12,11; Dan 11,37. Zu Jes 66,17 vgl. WES-
TERMANN, Jesaja 40-66, 335. Die dort vermerkte Nähe des Verses zu Ez 8,7ff. spräche nur
dann gegen eine Spätansetzung, wenn Ez 8 bzw. die dort geschilderten Verhältnisse sicher
vorexilisch datiert werden könnten. Sach 12,11 stammt als Teil von Sach 9-11.12-14 frü-
hestens aus persischer, eher aus hellenistischer Zeit; vgl. KAISER, Grundriß 2, 154 (mit Lite-
raturangaben). Eine Frühdatierung scheidet aus, „weil die Texte mit ihren zahlreichen Rück-
griffen auf die Sprache der älteren Prophetenbücher auf eine Zeit verweisen, in der diese
bereits zu allgemeinem Ansehen gelangt waren.“ (KAISER, Grundriß 2, 154). Dan 11,37 ist
auf die Makkabäerzeit bzw. die Zeit der Religionsverfolgung unter Antiochos IV. bezogen;
vgl. PORTEOUS, Daniel, 141. Am ehesten könnte man für Jes 17,10 ein vorexilisches Datum
erwägen, doch bleiben Adressat, Herkunft und Alter unsicher. KAISER, Jesaja 13-39, 68 hält
es für möglich, „daß es sich um ein versprengtes Wort des Propheten Jesaja handelt“, will
aber auch eine „wesentlich jüngere Entstehung“ nicht ausschließen; vgl. aaO. 69.
362 Kapitel 4: Der einzige Gott und die Götzen
Diese Deutung ist nicht ausgeschlossen, doch sind jene Propheten, die auch
von Ackerman einer vorexilischen Jhwh-Allein-Bewegung zugerechnet wer-
den, Elia, Hosea und Jeremia,’” in ihrer Kritik am Baal-Kult ganz erheblich
deutlicher.” Ez 8,14 wirkt in dieser Hinsicht geradezu unaufgeregt. Der Arti-
kel vor dem Namen der Gottheit mag als polemische Spitze zu werten sein,
die aus Tammuz, dem Gott, den Tammuz, einen Gegenstand oder einen Fe-
tisch machen will.’ Doch obwohl die beschriebenen Vorgänge durch den
Kontext als Gräuel gebrandmarkt werden, wird der namentlich genannte an-
dere Gott nicht direkt angegriffen.” Zieht man nun mit Zimmerli in Erwä-
gung, „daß die beteiligten Frauen’ diese [die Übung der Klage um den ge-
storbenen Gott, S.P.] nicht als etwas den Jahwedienst Aufhebendes, sondern
ihn vielmehr Ergänzendes empfunden haben dürften“,77stellt sich die Frage,
ob nicht auch für den Verfasser eher eine falsche Form der Jhwh-Verehrung
als die Verehrung eines fremden Gottes im Mittelpunkt der Kritik steht. Die
kurze Notiz über die Tammuzklage fügte sich so sehr gut in den Zusammen-
hang des Kapitels, denn Entsprechendes war schon mit Blick auf die Gräuel
des Altars vor dem Tor und des Räucherdienstes der Ältesten anzunehmen
und kann, wie sogleich zu zeigen sein wird, auch bezüglich der Sonnenvereh-
rung in Ez 8,16f. vermutet werden.
760 TAYLOR, Yahweh, 147 bezeichnet Ez 8,16 als „perhaps the most explicit reference to
sun worship in the Old Testament.“ Dagegen hält LıiPINSKI, 1212125, 764 fest, dass „as used
in the Bible, Hebrew שמש ... is never an actual divine name.“
761 Sonnenverehrung hat es in allen Regionen des Alten Orients gegeben; vgl. dazu
JANOWSKI, Rettungsgewissheit, passim; ACKERMAN, Tree, 93-97. Zur Verehrung des Son-
nengottes in Mesopotamien siehe außerdem GRONEBERG, Götter, 209-223. Spezielle Lite-
raturhinweise zur Sonnenverehrung in Ägypten erübrigen sich. Aus gutem Grund trägt der
von MANFRED GÖRG für die Reihe Kleine Bibliothek der Religionen besorgte Band zur Religion
im Alten Ägypten den Titel „Die Barke der Sonne“. LiPINSKI, DDD?, 765 schreibt dem
Sonnengott im westsemitischen Raum dagegen eine eher untergeordnete Rolle zu.
762 Vgl. ACKERMAN, Tree, I3f.
763 POHLMANN, Ezechiel, 141; vgl. dazu sofort.
764 Vgl. FOHRER, Ezechiel, 52. CARLEY, Ezekiel, 56 liefert für die These, dass ein ägypti-
scher Sonnenkult im Hintergrund stehe, überhaupt keine Begründung.
765 Vgl. ZIMMERLI, Ezechiel, 221; KEEL/UEHLINGER, Göttinnen, 189f. Mit ägyptischen
Einflüssen, seien sie speziell über Phönizien vermittelt worden oder andere Wege gegangen,
ist in Palästina ohnehin immer zu rechnen, einerlei, ob der Tempel eher ein Umbau (vgl.
STÄHLI, Elemente, 14f.; ALBERTZ, Religionsgeschichte, 196f., beide mit Literaturhinweisen),
oder tatsächlich ein Neubau war (so jetzt wieder ZWICKEL, Der salomonische Tempel, 29-
36). Für Zwickel steht er jedenfalls „in gewisser Kontinuität zum spätbronzezeitlichen Tem-
pelbau“ (DERS., Der salomonische Tempel und seine Wurzeln, 25), d. h. zur Architektur
einer Epoche, die von ägyptischer Herrschaft in Syrien-Palästina geprägt war (auch Jerusa-
364 Kapitel 4: Der einzige Gott und die Götzen
Kultes an diesem Tempel ist damit allerdings noch gar nichts gesagt — ganz
abgesehen davon, dass zwischen der in diesem Fall vorausgesetzten Bauzeit
im 10. Jahrhundert und dem in Ez 8,16 beschriebenen Kult mehrere Jahr-
hunderte liegen.’
Für die These eines mesopotamischen Ursprungs des Sonnenkultes wird
entweder auf den unmittelbaren Einfluss der babylonischen Eroberer” oder
auf den assyrischen Kulturdruck des 7. Jahrhunderts, insbesondere die Rolle
des assyrischen Gestirnsdienstes unter Manasse (vgl. 2Kön 21,5) verwiesen.’®
In diesem Zusammenhang werden auch regelmäßig die der Sonne geheiligten
Pferde und Wagen und die Dachaltäre genannt, deren Abschaffung durch
Josia in 2Kön 23,11f. vermerkt ist. Diese Notiz, die nach beinahe allgemeiner
Meinung eine historisch zuverlässige Information über die Josiazeit enthält
und wahrscheinlich ein Anlass war, diesen Herrscher später literarisch zum
Reformkönig schlechthin zu machen,’ weist auf Verhältnisse hin, „die sich
am ehesten mit neuass. Material illustrieren lassen.“"5Nach allem, was über
die Religionspolitik der Assyrer gegenüber den von ihnen beherrschten Völ-
kern bekannt ist, ist davon auszugehen, dass die assyrischen Götter während
der assyrischen Oberhoheit über Juda auch im Jerusalemer Tempel präsent
waren." Die Existenz von dem assyrischen Sonnengott 8 geweihten
Kultgeräten’”
8 ist in Jerusalem für die längste
5 Zeit des 7. Jahrhunderts ebenso
lem ist in den Amarna-Briefen als ägyptischer Vasall belegt; vgl. TGI, 251.( .Obwohl gerade
die Ost-West-Orientierung eine Abweichung vom spätbronzezeitlichen Standard darstellt
(vgl. STÄHLI, Elemente, 15), befindet TAYLOR, Yahweh, 86, dass „although no firm judg-
ment can be made concerning the orientation of the temple without consideration of biblical
evidence, the indirect archaeological evidence of the orientation of analogous structures
offers little or no reason to believe that the temple of Solomon was intentionally aligned to
the sun as a reflection of cultic practice.“
766 Vgl. ACKERMAN, Tree, 94.
767 So besonders pointiert EICHRODT, Hesekiel, 62, wonach Ez 8,16 „den Staatskult von
Babel, die Verehrung des Marduk-Schamasch“ beschreibt, der von den genannten „Män-
nern“ als Zeichen der Loyalität vollzogen werde. Babylonischen Ursprung vermutet auch
BERTHOLET, Hesekiel, 33.
768 Vgl. STÄHLI, Elemente, 46; ACKERMAN, Tree, 94; BLOCK, Ezekiel 1-24, 298.
לשVgl. AURELIUS, Zukunft, 44; WÜRTHWEIN, Könige, 459.
770 SPIECKERMANN, Juda, 107.
דדIn welcher Form hier assyrische Einflussnahme geschah, lässt sich den Texten jedoch
nicht mit Sicherheit entnehmen. „Zwar enthalten 2Kön 21 und 23 Hinweise auf kultische
Praktiken, die nur unter Annahme ass. Herkunft hinreichend verständlich werden, doch ist
damit keinesfalls entschieden, ob sie nur für den Gebrauch durch Assyrer bestimmt waren,
freiwilliger Assimilation durch die Judäer entstammten oder zur religionspolitischen Pres-
sion gegenüber den Besiegten genutzt wurden.“ SPIECKERMANN,
Juda, 318. Zu den üblichen
teligionspolitischen Maßnahmen der Assyter vgl. aaO. 307-372.
דפZur Rolle des mesopotamischen Sonnengottes als Garant der Rechtsordnung vgl.
JANOWSKI, Rettungsgewißheit, 84-98. Er war als Eid- und Rechtsbewahrer für die Überwa-
chung der mit Assur abgeschlossenen Verträge zuständig; vgl. Mayer-Opificius, Sonne,
200.
4.2 Bilderverbot im Ezechielbuch 365
773 Ihnen, nicht Manasse lastet der Text diesen Missstand an. BLOCK, Ezekiel 1-24, 298
meint ihm dennoch entnehmen zu können „that the horses and chariots of the sun ... had
also been erected by Manasseh.“
774 Vgl. STÄHLI, Elemente, 12f.; TAYLOR, Yahweh, 95-98. GREENBERG, Ezechiel 1-20,
201£.; Ezekiel 1-20, 172 hält es für wahrscheinlich, dass der geschilderte Sonnenkult auf
westliche, d. h. aramäische Einflüsse zurückgeht.
775 Vgl. dazu ausführlich TAyLOR, Yahwe, 24-91. Zu solaren Motiven in der palästini-
schen Ikonographie vgl. KEEL/UEHLINGER, Göttinnen, 282-298.401-406 u. ö. Auch im
aramäischen Raum hat der Sonnengott Sama$ offenbar breite Verehrung genossen; vgl.
ACKERMAN, Tree, 98.
776 Vgl. STÄHLI, Elemente, passim, v. a. 45f.; TAYLOR, Yahweh, 257; SMITH, History,
148-159.
777 ZIMMERLI, Ezechiel, 221.
778 Innerhalb von 1Kön 8 gehören die Gebete ab V.30 sicher nicht zum ältesten Bestand
und auch kaum alle derselben Bearbeitung an; vgl. dazu NOTH, Könige, 182-190; WÜRTH-
WEIN, Könige, 91-101; AURELIUS, Zukunft, 128 mit Anm. 67 (dort auch Hinweise auf
weitere Literatur).
779 WÜRTHWEIN, Könige, 103.
366 Kapitel 4: Der einzige Gott und die Götzen
tet, dieser Altar sei mit dem vorexilischen Tempel durch die Babylonier zer-
stört worden.” Sein mutmaßlicher Standort passt allerdings nicht zu der in
Ez 8,16 vorausgesetzten Situation. Zwickel vermutet, dass im Zuge seiner
Errichtung das zuvor zentral vor dem Tempelhaus befindliche eherne Meer’*
nach Süden verschoben wurde, um Platz für den neuen Altar zu schaffen.
„Die beiden Kulteinrichtungen ehernes Meer und Altar standen so nun spie-
gelbildlich einander gegenüber.“ Wenn diese Rekonstruktion der Realität
entspricht, hätte der Altar nördlich der in Ost-West-Richtung verlaufenden
Hauptachse des Tempels gestanden. Da die zwischen Vorhalle und Altar ver-
sammelten Männer in Ez 8,16 den Tempel im Rücken haben, während sie
nach Osten blicken, scheint vorausgesetzt zu sein, dass sich der Altar eben
auf dieser Hauptachse befindet. Die Ortsangabe setzt somit wahrscheinlich
die Verhältnisse am nachexilischen Tempel voraus, als der Brandopferaltar
eine zentrale, den Tempelhof beherrschende Stellung einnahm.”” An diesem
herausgehobenen Platz, wo nach Joel 2,17 die Priester ihre Bußklage vorbrin-
gen sollen,“ stehen „ungefähr“ (>) 25, nach dem Septuagintatext ungefähr 0
Männer.
Nicht zuletzt wegen ihres Standorts wird immer wieder vermutet, dass diese Männer Priester
sein könnten.” Auch die Zahlenangaben dienen als Argument. So könne der hebräische
Text die 24 Priesterklassen von 2Chr 24,7-19 (das hieße hier, jeweils einen Vertreter) und
den Hohepriester im Blick haben, bzw. der griechische Text auf die Bedeutung der 20 als
Zahl des Sonnengottes Sama$ in der babylonischen Theologie zurückgehen.’”! Angesichts
der Gesamtanlage von Ez 8, die deutlich eine Steigerung bezüglich der Heiligkeit des Ortes
und der jeweils geschilderten Gräuel aufweist, liegt es nach der Erwähnung der Ältesten und
der Frauen ebenfalls nahe, dass am Ende auch noch die Priester genannt werden.’” Letztlich
beweisen lässt sich die Priester-These freilich nicht, zumal sich auch Gegenargumente bei-
bringen lassen. Hinsichtlich der Anzahl der Männer, gleich ob man den masoretischen Text
oder die Septuagintafassung vorzieht, ist problematisch, dass es sich nur um eine ungefähre
785 Vol. ZWICKEL, Tempel, 162. Dass er trotz seiner wenig ruhmreichen Herkunft die Re-
formen Hiskias und Josias literarisch überlebt hat, mag er der Bedeutung des Brandopfers
am nachexilischen Tempel zu verdanken haben.
786 Vgl. dazu ZWICKEL, Tempel, 125-136.
787 ZWICKEL, Tempel, 162.
788 Vgl. ALBERTZ, Religionsgeschichte, 489. Auch Ez 40-48 geht offenbar von einem
zentralen Brandopferaltar vor dem Tempelhaus aus; vgl. POHLMANN, Ezechiel, 631.
789 Vgl. WOLFF, Joel und Amos, 61; ZIMMERLI, Ezechiel, 220.
790 Vgl. ACKERMAN, Tree, 98f.; ZIMMERLI, Ezechiel, 220f. Ackerman führt allerdings zu
Unrecht BERTHOLET, Hesekiel KHC, 49f. als Urheber der Priester-These an. Hatte Bertho-
let schon im Kurzen Hand-Commentar von 1897 beträchtliche Zweifel an dieser Ansicht
geäußert („es ist nicht einmal sicher, dass die 25 Priester gewesen seien“; aaO. 49), hat er sie
in seinem 1936 in HAT erschienenen Hesekielkommentar ausdrücklich ausgeschlossen:
„nichts deutet darauf hin, daß man bei den 25 Mann an Priester zu denken habe‘; DERS.,
Hesekiel, 33.
דפוVgl. dazu ZIMMERLI, Ezechiel, 220f.
792 Vgl. ZIMMERLI, Ezechiel, 221.
368 Kapitel 4: Der einzige Gott und die Götzen
Angabe handelt (> bzw. wc). Falls auf eine jeweils mit konkreten Zahlen verbundene inner-
biblische oder babylonische Tradition angespielt werden soll, wäre hier doch eine konkrete
Zahlenangabe zu erwarten.” Das zweite Problem besteht darin, dass die Männer zwischen
Vorhalle und Altar eben nicht als Priester bezeichnet werden, obwohl das Ezechielbuch an
anderer Stelle ausdrückliche Kritik an Priestern üben kann (vgl. Ez 7,26; 22,26). Zimmerlis
Überlegung, dass „die Vermeidung des Priesternamens polemisch gemeint‘ sei, könnte
diese Einwände entkräften, da gerade die ungenauen Zahlenangaben die vom Urheber der
Kritik unterstellte Illegitimität dieser (in seinen Augen Nicht-) Priesterschaft noch untetstri-
chen. Es ist festzuhalten, dass sich die hier genannten Männer an einem Ort aufhalten, der
in anderen Texten Priestern vorbehalten ist und dass sie dort rituelle Handlungen durchfüh-
ren. Deshalb handelt es sich um Männer, die entweder Priester sind, oder die sich in den
Augen des Verfassers von Ez 8,16 diese Rolle anmaßen.
Die Versammelten stehen mit dem Rücken zum Tempelhaus und haben das
Gesicht nach Osten gewandt. Es bedarf gar nicht erst des mit der Kopula
angeschlossenen Nachsatzes, um hier eine kultische Handlung zu erkennen,
die im Widerspruch zum so genannten Tempelweihspruch in 1Kön 8,12f.
steht. Danach hat Jhwh zwar die Sonne an den Himmel gesetzt,” will aber
selbst im „Wolkendunkel“ wohnen. Dieses Wolkendunkel entspricht dem
Motiv der Gewitterwolke aus der Theophanieschilderung des Wettergottes
und als ein solcher wird Jhwh in Abgrenzung von den astralen Gottheiten
qualifiziert.” Im Tempel könnte die Gewitterwolke durch die Keruben reprä-
sentiert worden sein.” Ez 8,16 kann deshalb als Umkehrung von 1Kön 8
gelesen werden:”” Nachdem in 1Kön 8,11 der הֶוהְידובְכ in den Tempel Ein-
zug gehalten hat, stellt der Tempelweihspruch Salomos die Präsenz Jhwhs in
diesem für Jhwh erbauten Haus gerade im Gegenüber zur Sonne fest. In
Ez 8,16 sieht der Visionär die versammelten Männer dem Ort der Anwesen-
heit Jhwhs den Rücken zukehren und nach Osten blicken. Wenn er am Ende
seiner Vision schaut, wie der דובְכ-הָוהי den Tempel verlässt, so ist durch
Ez 8,16 klargestellt, dass dem Ende der göttlichen Präsenz im Heiligtum die
Abkehr von Jhwh vorangegangen ist. Die Beschreibung des Abfalls als Ab-
wendung des Gesichts und Hinwendung der Rückseite erinnert an Jer 2,27;
32,33 und 2Chr 29,6.”” Ez 8,16 beschreibt eine falsche Form der Jhwh-Ver-
Juda, die Männer von Juda und die Bewohner von Jerusalem), nach 2Chr 29,6 waren es „un-
sere Väter“, die Jhwh verließen.
800 Vol. LIPINSKI, 1212125, 5.
801 Vgl. z. B. FOHRER, Ezechiel, 51; ZIMMERLI, Ezechiel, 195; ALLEN, Ezekiel 1-19, 121.
802 Sollte diese explizite Deutung des Betens in Richtung Osten als Sonnenanbetung
sekundär sein? Diese Überlegung hat zwar keinen Anhalt an der Textüberlieferung, ist aber
gerade wegen der Nähe zu Dtn 4,19 zu erwägen, da bereits die ersten beiden der vier in Ez 8
geschilderten Vergehen mit einem Seitenblick auf Dtn 4 ergänzt wurden.
803 Vgl. ZIMMERLI, Gebot, 237; STÄHLI, THAT I, 532. Zimmerli nennt neben dem Deka-
log Ex 23,24; Dtn 4,19; 8,19, 11,16; 17,3, 29,25; 30,17; Jos 23,7.16; Ri 2,19, 1Kön 9,6.9;
16,31; 2Kön 17,16.35; 21,3; 22,54; Jer 13,10; 16,11; 22,9; 25,6; 2Chr 7,19.22; 33,3.
804 STÄHLI, THAT I, 532f.
805 Das Verb wird dort jeweils ohne einen näherbestimmenden Zusatz gebraucht und be-
deutet allgemein „anbeten“.
806 Vo]. ZIMMERLI, Ezechiel, 222.
807 So selbst GREENBERG, Ezechiel 1-20, 202; Ezekiel 1-20, 172. =
808 Vgl. BHS; HÖLSCHER, Hesekiel, 69f. Anm. 1; FOHRER, Ezechiel, 51; ZIMMERLI, Eze-
chiel, 222.
809 Zu סעכ vgl. STOLZ, THAT I, 838-842.
370 Kapitel 4: Der einzige Gott und die Götzen
det offenbar den Höhepunkt der in Ez 8 geschauten Gräuel. Für den Verfas-
ser des Textes war es ein mit Jhwh-Verehrung unvereinbarer Akt, der keiner
weiteren Erläuterung bedurfte, seinen Adressaten also bekannt war. Schon
die antiken Übersetzer hatten aber offenbar Verständnisschwierigkeiten.
(7) Ergebnis
Hat man sich von Ez 8 Einblicke in die kurz vor dem Untergang der judäi-
schen Monarchie in Jerusalem und am dortigen Jhwh-Tempel herrschenden
Verhältnisse erwartet, muss die Hoffnung nach einem Durchgang durch den
Text der Ernüchterung weichen. Dass Ez 8 zahlreiche Bearbeitungsspuren
aufweist, ließe sich noch verschmerzen, wenn sich denn der Grundbestand
des Kapitels in das beginnende 6. Jahrhundert v.Chr. datieren ließe. Schon
der Visionskontext, der die „Reise nach Jerusalem“ in das Ezechielbuch ein-
bindet, arbeitet jedoch mit Bildern und Motiven, die Jhwh als den „Himmels-
gott“ darstellen und erst ab der persischen Zeit verständlich sind.” Dass
durch die Einbindung in die Tempelvision ältere Informationen über Jerusa-
lem in das Ezechielbuch gelangt sind, ist zwar theoretisch möglich, angesichts
dessen, was hier mitgeteilt wird, aber unwahrscheinlich. Am ehesten ließe sich
noch die Polemik gegen den Altar beim Nordtor in die Zedekiazeit erklären,
wenn man die Idee der Kultzentralisation historisch mit der Josiazeit in Ver-
bindung brächte. Spätestens das zweite geschilderte Vergehen, der Räucher-
dienst der Ältesten, setzt jedoch bereits im Grundbestand mit der Gruppe der
Ältesten als Repräsentanten des gesamten Gottesvolkes Verhältnisse voraus,
die keinesfalls vor der fortgeschrittenen Perserzeit plausibel sind. Auch die
Kritik an der Abbildung des Yp% an den Wänden weist deutlich in die nache-
xilische Zeit, setzt sie doch Lev 11 voraus, einen Text der seinerseits eine
Bearbeitung der Liste aus Dtn 14,3-21* ist, die ihrerseits nicht zum Grund-
bestand der deuteronomischen Gesetzgebung in Dtn 12-26 gehört. Tamm-
uzbeweinung kann es am vorexilischen Tempel durchaus gegeben haben, lässt
sich aber, wie ein Blick auf andere Anspielungen auf Fruchtbarkeitskulte im
Alten Testament zeigt, zeitlich schwer fixieren und auch für spätere Epochen
nicht ausschließen. Ähnliches gilt für die hinter V.16 stehende Frage der kor-
rekten Gebetsrichtung, denn auch hier legen andere Texte, allen voran
1Kön 8,30ff. nahe, dass dieses Thema gerade am nachexilischen Tempel vi-
rulent war. Die vorausgesetzte Position des erwähnten Altars deutet ebenfalls
auf die Verhältnisse am zweiten Tempel hin.
Im Rahmen der Kritik an verschiedenen Fällen falscher Jhwh-Verehrung
ist die Bilderthematik erst sekundär in den Mittelpunkt der Darstellung ge-
rückt. Diese Entwicklung lässt sich am deutlichsten am zweiten Fall, dem
Räucherdienst der Ältesten in Ez 8,7-13* erkennen. Zwar ist die Bilderfrage
4.2.3 Fazit
Ausgangspunkt der Frage nach dem Bilderverbot im Ezechielbuch war die
Feststellung, dass es wie kein anderes Werk innerhalb des Alten Testaments
die bildliche Verehrung fremder Götter als Ursache des Exils anprangert.
„According to this prophetic text, idolatry is the quintessential cause of the
Babylonian ***.116א6 Nach einem Durchgang durch die einschlägigen Texte
des Buches ist nunmehr festzustellen, dass dieses auf die Endgestalt des Bu-
#21 Dass die Tammuz-Beweinung nicht weiter bearbeitet wurde, erklärt sich durch den
Artikel vor dem Namen des Gottes, der diesen bereits wie einen Fetisch erscheinen lässt;
vgl. GREENBERG, Ezechiel 1-20, 201; Ezekiel 1-20, 171.
#2 Auch die Sonne ist, einerlei ob in Ez 8,16 sekundär oder nicht, im Lichte von
Dtn 4,19 wie alle Gestirne ein Objekt, weshalb hier — wie auch sonst in der Bilderpolemik —
die Verehrung eines Gegenstandes kritisiert wird.
823 KUTSKO, Heaven, 25.
4.2 Bilderverbot im Ezechielbuch 373
ches zutreffende Urteil nicht für seine älteren Formen gelten kann. Insbeson-
dere ließ sich nicht ein einziger der Belege des als typisch ezechielisch und
bisweilen als Wortschöpfung des (gemäß den Angaben des Buches frühexili-
schen) Propheten geltenden Spottbegriffs 09353 den älteren Schichten des
Textes zuweisen. Vielmehr fehlt dieser Begriff ursprünglich selbst innerhalb
der Kritik an den Verhältnissen im und um den Jerusalemer Tempel in Ez 8.
Da er sich im Kontext der Aufzählung immer größerer Gräuel angeboten
hätte, darf vermutet werden, dass der Begriff 25151 dem Verfasser bzw. den
Verfassern der ältesten Fassung von Ez 8 nicht geläufig war. Diese älteste
Fassung setzt nun ihrerseits den Visionskontext Ez 8-11* voraus, dessen
Motivik am ehesten in die fortgeschrittene Perserzeit weist. Das in Ez 8 er-
wähnte Ältestengremium spiegelt sogar eher Verhältnisse der hellenistischen
Zeit wider. Die vereinzelte Verwendung anderer Termini, die sich auch au-
ßerhalb des Ezechielbuches selten und in vermutlich späten Texten finden,
תָּבָנִית מל, ”,nam .wzb ”,nane tsiew sllafnebe ni gnuthciR renie -täps
persischen oder hellenistischen Ansetzung der Bilderproblematik im Eze-
chielbuch. Die im Deuteronomium (allerdings schon nicht mehr in Dtn 4)
prominenten Altäre, Mazzeben und Ascheren oder die vom Bilderverbot des
Dekalogs bekämpften und in der Bilderpolemik Deuterojesajas verspotteten
פִּסְלִיםspielen im Ezechielbuch dagegen keine Rolle. Der Grund dafür kann
nur vermutet werden, es ist jedoch erklärungsbedürftig, warum etwa der Be-
arbeiter von Ez 8, der die ausführliche Begründung des Bilderverbots in
Dtn 4 kannte, folglich auch auf den Dekalog und die deuteronomistische Po-
lemik gegen Ascheren und Mazzeben hätte zurückgreifen können, den direk-
ten Verweis auf das göttlich legitimierte Verbot unterlassen hat. Die ein-
fachste Erklärung ist, dass ein entsprechender Vorwurf ins Leere gelaufen
wäre, weil es um das Verbot von Kultbildern (und wohl auch von Ascheren
und Mazzeben) keinen Streit gab. Dreimal (VV.16.23.25) schärft Dtn 4 das
Verbot ein, ein Kultbild herzustellen. Möchte man Ez 8 nicht jeglichen Bezug
zu den tatsächlichen Verhältnissen in Jerusalem zur Zeit der Abfassung und
Bearbeitung des Textes absprechen, ist es unwahrscheinlich, dass sich der an
Dtn 4 orientierte Bearbeiter von Ez 8 die Gelegenheit hätte entgehen lassen,
seinen Gegnern auch noch die Verehrung eines 598 vorzuwerfen, wenn die
82 Nur Dtn 4,16; Ez 8,3.5; 2Chr 33,7.15; vgl. oben Kap. 4.2.1.2.
825 Bx 25,9.40 (P bzw. PS); Dtn 4,16.17[2x].18[2x] (vgl. dazu oben Kap. 2.2.4); Jos 22,28
(die gesamte Stämmegeographie Jos 13-22 ist sekundär; vgl. KRATZ, Komposition, 205);
2Kön 16,10 (wahrscheinlich sekundär; vgl. WÜRTHWEIN, Könige, 386); Jes 44,13 (vgl. dazu
oben Kap. 3.2.4); Ez 8,3.10; 10,8; Ps 106,20 (als Bestandteil von Ps 106,7--46 „von der abge-
schlossenen Pentateucherzählung doch wohl auch literarisch abhängig“; KRAUS, Psalmen,
900; vgl. auch oben Kap. 4.1.2); 144,12; 1Chr 28,11.12.18.19.
826 Mit derselben Bedeutung wie in Ez 8,12 nur noch Lev 26,1; יי 33,52; daneben
Ps 73,7, Prov 18,11; 25,11; vgl. oben Kap. 4.2.1.2.
827 Sonst noch Lev 26,30; Jes 17,8; 27,9 und 2Chr 14,4; 34,4.7; vgl. oben Kap. 4.1.3.2.
374 Kapitel 4: Der einzige Gott und die Götzen
Realität ihm diese Gelegenheit geboten hätte. Ez 20 wirft die Frage auf, wa-
rum der oder die Verfasser des Textes die ihnen offenbar bekannten Gebote
des Dekalogs nicht zitieren, sondern Israel statt zu andern Göttern und Kult-
bildern beten zu lassen, die Verehrung von „Mistdingern“ vorwerfen. Auch
hier ist am ehesten davon auszugehen, dass die Terminologie des Dekalogs
im Rahmen der im Hintergrund des Textes zu vermutenden Auseinanderset-
zungen nicht angemessen war, weil es im Gegensatz zum Deuteronomium
nicht mehr um die Frage der Verehrung Jhwhs im Gegensatz zum Abfall zu
anderen, üblicherweise im Bild verehrten Göttern, sondern um die Frage
richtiger oder falscher Jhwh-Verehrung ging. Es ist denkbar, dass dieselben
Erscheinungen, die für die Einen legitime Praxis der Jhwh-Religion waren,
vielleicht der Gebrauch von Votivstatuar, von (privaten?) Räucheraltären
oder auch das Gebet nach Osten, für die Anderen Verhaltensweisen darstell-
ten, die mit Jhwh-Verehrung unvereinbar waren, Abwendung von Jhwh be-
deuteten und somit einem Verstoß gegen das Erste Gebot gleichrangig waren.
Die an der Bilderfrage noch nicht interessierte Grundschicht von Ez 8 kreist
ebenso um die Frage richtiger und falscher Praxis der Jhwh-Verehrung, wie
die im Ezechielbuch über die Bilder- und 0’%151-Stellen hinaus zahlreich als
Grund für das Gericht an Israel angeführte kultische Unreinheit.
Wo lassen sich die im Ezechielbuch schließlich auf Götzenpolemik zuge-
spitzten mutmaßlichen Auseinandersetzungen um Orthopraxie innerhalb der
Jhwh-Religion historisch einordnen? Scheint ein alttestamentlicher Text eine
Krisensituation der hellenistischen Epoche, insbesondere im Bereich des
Tempelkultes widerzuspiegeln, wird regelmäßig auf Antiochos IV. Epiphanes
verwiesen. Die Zeit der Religionsbedrängnis unter dem von 175-164 v.Chr.
regierenden Seleukidenherrscher ist die hellenistische Krise der Jhwh-Religion
schlechthin. Es besteht jedoch kein Grund, wegen des Stichworts „helle-
nistisch“ geradezu reflexartig an Antiochos IV. zu denken. Zwar gilt die Zeit
der Ptolemäerherrschaft in Palästina angesichts der dürftigen Quellenlage als
„an almost blank page in Jewish History“ und ist in der Forschung immer
wieder als eine recht ereignisarme Periode beschrieben worden. Schon Well-
hausen urteilte:
„Vergleichsweise scheinen die Juden wenig unter den Stürmen der Zeit gelitten zu haben.
Seit dem Jahre 301 standen sie unter der Herrschaft der Ptolemäer. [...] Über den Hellenis-
mus in Jerusalem während der ägyptischen Periode sind wir nicht unterrichtet. Von allge-
meinem und tiefgehendem Einfluß scheint er in jener Zeit dort nicht gewesen zu sein. Eine
Gefahr für das palästinische Judentum wurde er erst während der syrischen Periode.“®2
#28 TCHERIKOVER, Palestine, 76. DONNER, Geschichte, 433 fasst unter dem Begriff
„dunkles Jahrhundert“ gar zwei Jahrhunderte zusammen, sowohl die die Zeit nach Esra und
Nehemia im 4. Jahrhundert als auch jene nach Alexander im ausgehenden 4. und während
des 3. Jahrhunderts.
#29 WELLHAUSEN, Geschichte, 219 bzw. aaO. 227.
4.2 Bilderverbot im Ezechielbuch 375
Noch fast ein Jahrhundert später findet sich bei Gunneweg folgende Ein-
schätzung:
„Damit [mit der Schlacht bei Ipsos; S.P.] wurde Judäa-Jerusalem Teil des bestorganisierten,
konstantesten und reichsten der hellenistischen Staaten. Eine lange und gute Friedenszeit
begann. Es war für Juda wohl ein Glück, daß es diese fast ein Jahrhundert währende Zeit zu
Agypten gehörte.‘“®30
aus dieser Zeit ist der Aufstieg der Tobiadenfamilie. Ausweislich der Zenon-
papyri verwaltete Tobia um die Mitte des Jahrhunderts eine ptolemäische
Kleruchie im Ostjordanland, nach Flavius Josephus war die Familie aber
vorwiegend in Jerusalem ansässig.” Im Gefolge des 3. Syrischen Krieges
(246-241 v.Chr.) erlangte Joseph ben Tobia die bis dahin dem Hohepriester
zugestandene Finanzhoheit, nachdem Onias I., offenbar mit einem Sieg der
Seleukiden rechnend, die Steuerzahlung an den ptolemäischen Hof verweigert
hatte. Zugleich erhielt Joseph die Prostasia, löste also den Hohepriester als
offiziellen politischen Vertreter des jüdischen Ethnos 4.77 Zwar ist es nicht
grundsätzlich auszuschließen, dass Joseph die sich ihm bietende Gelegenheit
spontan wahrnahm, in Anbetracht der Tatsache, dass er sich in der Folgezeit
auch noch die Generalsteuerpacht über die gesamten ptolemäischen Besit-
zungen in Syrien-Palästina und Phönizien sicherte, ist es aber sehr viel wahr-
scheinlicher, dass dieser Herrschaftswechsel von Seiten des Tobiaden von
langer Hand angestrebt und mit erheblichem finanziellen Einsatz am ptole-
mäischen Hof vorbereitet worden war. Eine pauschale Aufteilung der judäi-
schen Oberschicht in zwei Lager, priesterliche Traditionalisten einerseits und
wirtschaftlich potente, mit dem Hellenismus sympathisierende Laien anderer-
seits, beschriebe allenfalls zwei Extreme des gesellschaftlichen Spektrums.
Die Grenzen waren sicher fließend und gingen auch mitten durch Familien
hindurch. Flavius Josephus berichtet, Tobia sei mit einer Schwester des Ho-
henpriesters Onias II. verheiratet gewesen,“ Joseph ben Tobia war somit ein
Neffe seines politischen Gegenspielers. Auch die hohepriesterliche Familie
selbst war hellenistischen Einflüssen nicht verschlossen, musste sich jedoch
der Unterstützung konservativer Kreise versichern, da die Tobiaden über die
besseren Kontakte zum ptolemäischen, später zum seleukidischen Hof ver-
fügten.“" Trotz der dürftigen Quellenlage gibt es somit gute Gründe für die
Annahme, dass die innenpolitische Lage im ptolemäischen Judäa von Rivali-
täten zwischen den ökonomisch einflussreichen Familien einerseits und der
Priesterschaft mit dem jeweils amtierenden Hoheptiester an der Spitze ande-
rerseits geprägt war. Es wäre naiv anzunehmen, dass die Auseinandersetzun-
gen um politischen und gesellschaftlichen Einfluss ausgerechnet vor den To-
ten des Tempels Halt gemacht hätten. Der wachsende politische Einfluss
nichtpriesterlicher Familien in Jerusalem wird die Frage nach der Beteiligung
von Laien am Tempelkult vielmehr aufgeworfen haben, da gerade hier ein
sichtbarer Unterschied zwischen den Jerusalemer Traditionen und der helle-
nistischen Kultur bestand. War das Priestertum hier erblich und auf die Za-
#38 Ant. XII, 160; vgl. TCHERIKOVER, Palestine, 96-101; HAAG, Das hellenistische Zeit-
alter, 5
8399 Vgl. TCHERIKOVER, Palestine, 77.
840 Ant. XII 160.
84 Vgl. HAAG, Das hellenistische Zeitalter, 5
4.3 Monotheismus im Ezechielbuch Baum,
lem konnte hier lediglich mit Blick auf Kapitel 6 angerissen werden, wo sich
eine Grundschicht fand, in welcher dem Land das totale Gericht angesagt
wird und die nicht einmal das Kultzentralisationsgebot notwendig voraus-
setzt.” Es ist möglich, dass derartige Texte die ältesten Bestandteile des Eze-
chielbuches sind. Dass in ihnen nur Jhwh namentlich erwähnt wird und als
strafender Gott in Erscheinung tritt, macht sie jedoch noch nicht zu Zeugen
des Monotheismus. Eine militärische Katastrophe als Strafe des eigenen
Gottes für begangene Verfehlungen zu erklären, hatte im Alten Orient Tradi-
tion, konnte man doch auf diese Weise an der Macht der Götter auch durch
Niederlagen hindurch festhalten.” Selbst dass die Strafe nicht lediglich — was
schon schlimm genug wäre - in einer Beistandsverweigerung besteht, sondern
von Jhwh selbst vollzogen wird, ist ein Gedanke, der keinen Jhwh-Mono-
theismus voraussetzt, war es doch Bestandteil assyrischer Herrschaftsideolo-
gie, die Götter der Besiegten als aktive Unterstützer der eigenen Sache darzu-
stellen.” Allerdings ist eine exklusive Zuständigkeit Jhwhs für das Land vor-
ausgesetzt, die Gerichtsansagen im vorderen Teil des Ezechielbuches kennen
also Jhwh zumindest als Landesgottheit im Sinne der oben in Kapitel 2 auf
Grundlage des Deuteronomiums beschriebenen faktischen Monolatrie.’*
Auffällig bleibt, dass das Israel angesagte Gericht mit allerlei und keines-
wegs auf den Bereich des Kultes beschränktem Jhwh-widrigem Verhalten
) (ְתוְעָבָה,** jedoch nie mit Israels Abfall zu „anderen Göttern“ )םיִרָחַא (םיִהְלָא
begründet wird. Selbst jene Texte, die am deutlichsten mit dem Abfall von
Jhwh verbundene Vergehen anprangern und sichtlich späte Formen des
Deuteronomiums und damit sicher das Fremdgötterverbot des Dekalogs
Wenn es aber gar keine Götter außer Jhwh mehr gibt, wie kann es dann aber
überhaupt noch Abfall von Jhwh im Sinne des Ersten Gebotes geben? Ant-
850 Hier sind Ez 6 und 8 jeweils in erweiterter Form sowie Ez 20 und jene Texte, welche
die Bundesformel aufnehmen, zu nennen.
851 Vgl. ZIMMERLI, Ezechiel, 150; PREUSS, ThWAT II, 2; GESENIUS!®, 217 sowie o. S. 330.
852 Vgl. dazu KUTSKO, Heaven, 36-39.
853 Vol. dazu KUTSKO, Heaven, 16-18.
8% Vgl. KUTSKO, Heaven, 41f.151. Kutsko sieht das Ezechielbuch am Anfang einer
Tradition bewusster Vermeidungsstrategie, die später vor allem in den Targumen hervor-
trete; vgl. aaO. 40.
380 Kapitel 4: Der einzige Gott und die Götzen
wort: So, wie er sich bereits in der Vergangenheit äußerte, als Verehrung von
bzw. Umgang mit םיצוקש und .םיִלּולְּג Im Mittelpunkt der Auseinandersetzung
steht die Reinheit des Jhwh-Glaubens. םיצוקש und םיִלּולְּג sind nicht gefähr-
lich, weil in ihnen tatsächlich ein anderer Gott verehrt werden könnte, son-
dern weil dies dem heiligen Willen des einzigen Gottes widerspricht. Die Sub-
stitution von םיִהְלֶא durch םיִלּולְג ermöglicht dabei den argumentativen Rück-
griff auf das Erste Gebot in einer Situation und zu einer Zeit, als es innerhalb
der Jhwh-Religion vermutlich nicht mehr zur Debatte stand. Auch die um die
Vereinbarkeit von Hellenismus und Jhwh-Glauben ringenden „Hellenisten“,
ob nun in der alexandrinischen Diaspora®” oder in Judäa und Jerusalem ver-
standen sich als Juden und verehrten Jhwh als einzigen Gott. Auch die Bild-
losigkeit des Jhwh-Kultes scheint nicht mehr strittig gewesen zu sein. Selbst
zur Zeit der Religionsverfolgung unter Antiochos IV. ab 167 v.Chr. wurde
Jhwh auch unter dem Namen Zeus Olympios offenbar bilderlos verehrt: Der
„Gräuel der Verwüstung“ wird im Danielbuch mit dem Altar im Tempelhof
verbunden, jedoch nicht in der Cella lokalisiert, wie es von einem ordentli-
chen 595 zu erwarten wäre.’
Von den Wirren dieser Zeit wissen die 2°5751-Texte im Ezechielbuch aber
vermutlich noch nicht. Der in der Summe (vgl. Ez 20) dem ganzen Volk vor-
geworfene Abfall trägt keinerlei Züge eines äußeren Zwangs. Die Betonung
kollektiver Schuld spricht ebenfalls gegen eine Verortung in einer Epoche, die
in den Gestalten eines in mehrfacher Hinsicht abtrünnigen Hohepriesters und
eines ihn unterstützenden Tempelräubers sehr konkrete Feindbilder zu liefern
vermochte.” Das Ezechielbuch kämpft weder um die Anerkennung Jhwhs
855 HENGEL, Judentum, 128f. beschreibt geradezu eine Verschmelzung jüdischer und
griechischer Kultur, die sich im alexandrinischen Judentum ab dem 3. Jahrhundert v.Chr.
vollzog.
856 Vgl. BICKERMANN, Gott, 105. Im Übrigen sind die Verhältnisse der Religionsverfol-
gung für das Phänomen hellenistischer Einflüsse in Jerusalem alles andere als repräsentativ.
Die Einführung syrisch-kanaanäischer Kulte durch den Hohepriester Menelaos entsprang
vermutlich nicht einmal dessen persönlicher religiöser Überzeugung, sondern politischen
Erwägungen. Demnach ließ der innenpolitisch isolierte und in den Augen weiter Teile der
Bevölkerung einschließlich der Priesterschaft spätestens nach der Duldung der Tempelplün-
derung durch Antiochos IV. im Sommer 169 v.Chr. (vgl. dazu auch BICKERMANN, Gott, 67)
untragbar gewordene Hohepriester Menelaos andere Götter im Tempel zu, weil diese von
den Angehörigen der seleukidischen Garnison in der Akra, deren Unterstützung er sich ver-
sichern musste, verehrt wurden. Dass die Aufhebung des von Antiochos II. im Zuge der
seleukidischen Herrschaftsübernahme erlassenen Edikts (vgl. Ant. XII, 138-144; Überset-
zung auch bei GALLING, TGI, 89f.), das dem Ethnos der Juden ein Leben nach den Geset-
zen der Väter gewährte, Menelaos vor allem als politische Waffe diente, liegt nahe,
da auch
die Rücknahme des Religionszwangs im Jahre 165 v.Chr. nicht etwa religiösen,
sondern
Pragmatischen Erwägungen folgte; vgl. HAAG, Das hellenistische Zeitalter, 68-72.
857 Allerdings könnte die in Ez 14 vertretene Auffassung, wonach der Abfall Einzelner
auf das Volksganze zurückfällt (vgl. oben Kap. 4.1.1.2), in 2Makk 7,32 Widerhall gefunden
4.4 Zusammenfassung 381
als Gott Israels (wie das Deuteronomium), noch um seine Stellung als einzi-
ger Gott (wie Deuterojesaja), beides ist vorausgesetzt. Bedroht ist die Rein-
heit des Jhwh-Glaubens, und zwar durch Verfehlungen im kultischen wie im
sozialen Bereich. Zwar waren es gerade jene Bevölkerungsteile, die den Kon-
takt zur hellenistischen Welt suchten, die vom wirtschaftlichen System des
Ptolemäerstaates auf Kosten breiter Bevölkerungsschichten profitierten. Der
Vorwurf der Fremdgötterverehrung konnte jedoch die allermeisten „Helle-
nisten“ nicht treffen, sonst wären der Glaube an einen einzigen Gott und die
Ablehnung von Kultbildern kaum von hellenistischen Schriftstellern ab der
Ptolemäerzeit" als die Hauptcharakteristika des Judentums wahrgenommen
worden. Es ist jedoch zu vermuten, dass sich der von Teilen des Judentums
durchaus gesuchte Kontakt mit der hellenistischen Kultur auch auf dem Ge-
biet der Religion auswirkte und neue oder auch die Modifizierung alter For-
men religiöser Praxis mit sich brachte. Man mag bedauern, dass nirgends im
Ezechielbuch spezifiziert wird, was eigentlich genau die םיִלּולְּג sind, doch
geht dieser Wunsch des modernen Lesers wahrscheinlich an den Absichten
jener Bearbeiter des Werkes, die den Begriff in die theologische Diskussion
einführten, vorbei. Das Wort ist bewusst vieldeutig, soll gleichermaßen den
Bilderdienst der Vergangenheit wie unorthodoxe Frömmigkeitspraxis der Ge-
genwart abdecken. Es umfasst Kultbilder ebenso wie Beterstatuetten und
Votivgaben im öffentlichen oder privaten Bereich, etwa im Zusammenhang
mit der Ahnenverehrung. Dass ihm die Konnotation des Dinglichen anhaftet,
liegt in der Natur der Sache, denn es sind Gegenstände, Votivgaben oder Ta-
lismane wie Bilder oder Amulette, welche die religiöse Einstellung ihrer Be-
sitzerin oder ihres Besitzers am deutlichsten offenbaren. Dass nach außen
getragene Praxis und innere Einstellung bewusst divergieren können, wissen
allerdings jene Texte, die von den םיִלּולְּג im Herzen sprechen, allen voran
Ez 14.
4.4 Zusammenfassung
Im Rückblick stellt sich die Frage nach Monolatrie, Bilderverbot und Mono-
theismus im Ezechielbuch als Gang durch ein vergleichsweise unübersichtli-
ches Terrain dar, dessen Ausgangspunkt bereits schwer zu bestimmen ist.
Jhwh ist durchgehend als einziger Gott Israels vorausgesetzt, doch wird seine
Alleinverehrung nirgends programmatisch gefordert. Die Unheilsansagen im
haben, wo der gerechte Märtyrer bekennt: fuelg yap 646 tüg EavrWv änaprlac TROXONEV
/ Wir selbst leiden ja wegen unserer Sünden.
858 Als ältester griechischer Zeuge für die Bildlosigkeit des jüdischen Kultes (um
300 v.Chr.) gilt Hekataios von Abdera, allerdings wird die Echtheit der bei Josephus überlie-
ferten Hekataios-Zitate neuerdings bestritten; vgl. dazu KEEL, Tempel, 250 mit Anm. 22.
382 Kapitel 4: Der einzige Gott und die Götzen
vorderen Teil des Buches kennen ihn als Urheber des Gerichts über Jerusa-
lem und die Berge Israels. Dass andere Götter in diesem Zusammenhang
nicht erwähnt werden, deutet eine exklusive Zuständigkeit Jhwhs für Jerusa-
lem und sein Umland an, erlaubt für sich genommen jedoch nur bedingt
Rückschlüsse darauf, ob die besondere Verbindung zwischen Jhwh und Israel
auf einem Programm oder selbstverständlicher Praxis beruht. Den Zorn des
eigenen Gottes und nicht etwa die Überlegenheit der Götter der Sieger als
Erklärung für militärische Niederlagen zu bemühen, war im gesamten Alten
Orient lange geübte Praxis. Von einer Wertung der Ereignisse aus der Sicht
der Besiegten ist daher nicht zu erwarten, dass sie die Götter der Sieger in
Szene setzt, ist sie doch an der Rolle der eigenen Götter bzw. des eigenen
Gottes interessiert. Deshalb ist zunächst nicht grundsätzlich auszuschließen,
dass die Unheilsansagen Material enthalten, dessen Entstehung dem Unter-
gang des Königreichs Juda recht nahe steht, oder mit den Worten Pohl-
manns, dass der Kern des Ezechielbuches „ein älteres Prophetenbuch, das
wahrscheinlich noch in exilischer Zeit in Palästina konzipiert worden war“
sein könnte. Sicher ist das freilich nicht, denn gerade die Unheilsansagen in
den Kapiteln 4-7 weisen zum Teil deutliche Beziehungen zu den Fluchbe-
stimmungen in Lev 26 auf. Je nach Datierung des Heiligkeitsgesetzes können
die exilische Ansetzung oder auch die Existenz eines „älteren Prophetenbu-
ches“ deshalb durchaus bezweifelt werden. Diese Frage kann im Rahmen
dieser Arbeit jedoch nicht abschließend beantwortet werden. Sie bleibt mit
allerlei Prämissen hinsichtlich der Historizität der Person des Propheten, der
Zuverlässigkeit der Chronologie innerhalb des Buches, aber auch hinsichtlich
seines Verhältnisses zu anderen Bereichen der alttestamentlichen Literatur,
deren Entstehungsgeschichten selbst Gegenstand lebhafter wissenschaftlicher
Diskussion sind, verbunden und deshalb mit Unsicherheiten behaftet.
Die auf der Ebene des Endtextes des Ezechielbuches zentrale Bilderthe-
matik lässt sich allerdings durchgehend mit zumindest hoher Wahrscheinlich-
keit sekundären Erweiterungen des Textes oder sehr jungen Texten innerhalb
des Buches (Kapitel 36 und wohl auch Kapitel 14) zuschreiben. Wo immer
die Fremdgötter-, Bilder- oder Kultpolemiken des Deuteronomiums anklin-
gen, etwa in der bearbeiteten Fassung von Ez 6, in Ez 20 oder auch in Ez 8,
greift das Ezechielbuch auf junge Formen der deuteronomistischen Texte
zurück: Teile von Ez 6 erinnern an Dtn 7,5; 12,2. Ez 20 liest das Fremdgöt-
terverbot bereits vom Bilderverbot her und ein Bearbeiter von Ez 8 orientiert
sich an Dtn 4.
Die (spät-)Jdeuteronomistische Terminologie ergänzend bringt das Eze-
chielbuch den Begriff םיִלּולְג an Stelle des zuvor üblichen und aus dem De-
kalog bekannten Wortpaares םיִרָחֶא םיִהְלֶאin die Diskussion ein. Es vermeidet
damit nicht nur die Verwendung des Begriffs םיִהְלֶא für andere Götter außer
Jhwh, sondern weitet darüber hinaus, das Fremdgötterverbot durch die Brille
des Bilderverbots lesend, das Spektrum verbotener Verhaltensweisen von der
Herstellung und Verehrung von Kultbildern auf den Umgang mit allerlei
nicht näher spezifizierten Gegenständen aus. Dem vermutlich jungen Alter
des Begriffs םיִלּולּנ korrespondiert seine recht schmale innerbiblische Wir-
kungsgeschichte, da er sich außerhalb des Ezechielbuches nur sehr vereinzelt
findet. Bevor der Umgang mit den םיִלּולְג zum zentralen Vorwurf und zur
Ursache des Gerichts über Jerusalem und Juda bzw. Israel wurde, standen
andere als הָבְעות bezeichnete Verfehlungen im Zentrum der Gerichtsbegrün-
dung. Der Gebrauch von הָבָעות ist schließlich eines von mehreren Indizien,
dass das Ezechielbuch bereits vor der inhaltlichen Zuspitzung der Gräuel auf
den Umgang mit und die Verehrung von םיצוקש und םיִלּולָּג Jhwh als einzigen
Gott kannte. Wenn es um die Reinheit des Jhwh-Glaubens kämpft, setzt es
bereits voraus, dass Israels Gott Jhwh der einzige Gott überhaupt ist. Die
Suche nach dem Schauplatz dieses Kampfes führt deshalb im Wesentlichen,
wenn nicht gänzlich, in das Jerusalem der persischen und hellenistischen Zeit.
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KAPITEL 5
Die Fragen nach Monolatrie, Bilderverbot und Monotheismus mit dem Deu-
teronomium, mit Deuterojesaja und mit Ezechiel zu verbinden, hatte sich am
Beginn dieser Untersuchung nicht zuletzt wegen der vermeintlichen zeitlichen
Nähe dieser drei alttestamentlichen Textkorpora zueinander nahe gelegt. Das
Deuteronomium, in seinem Kern oft mit der so genannten josianischen Re-
form in Verbindung gebracht und entsprechend in die letzten Jahrzehnte der
judäischen Monarchie datiert, erschien mit seinem Programm der bilderlosen
Alleinverehrung Jhwhs auf den ersten Blick als Ausgangspunkt einer Ent-
wicklung, die sich in den Götzenpolemiken des sich als frühexilische Schrift
präsentierenden Ezechielbuches fortsetzte und schließlich am Ende der
Exilszeit im monotheistischen Bekenntnis Deuterojesajas gipfelte. Schien die
Ausgangslage ein Zeitfenster von vielleicht einem Jahrhundert zu eröffnen,
führte der Durchgang durch die Texte durch mehr als ein halbes Jahrtausend,
angefangen bei Kultmaßnahmen in Juda im Gefolge des Untergangs des Kö-
nigreichs Israel bis hin zu Konflikten um Einfluss auf Politik und Kult inner-
halb des judäischen Gemeinwesens unter den Bedingungen hellenistischer
Vormacht. Die Aufgabe dieses abschließenden Kapitels ist es, diesen Weg,
den die untersuchten Texte an einigen entscheidenden Stationen beleuchten
können, im Zusammenhang zu skizzieren. Nachdem die Untersuchung bis
hierher an Textgrenzen orientiert gewesen ist und die Fragen nach den The-
men Monolatrie, Bilderverbot und Monotheismus jeweils innerhalb des
Deuteronomiums, Deuterojesajas bzw. Ezechiels stellte, sollen dabei zu-
nächst rückblickend die Themen jeweils durch die verschiedenen Textkorpora
hindurch und über Textgrenzen hinweg verfolgt werden.
386 Kapitel 5: Rückblick — Synthese — Ertrag
5.1 Rückblick
sich anhand der Bezeichnung םיִרָחַא םיִהלֶאverfolgen, die mit dem Ersten
Gebot des Dekalogs geschaffen wurde.’
Das monolatrische Programm ist innerhalb des Alten Testaments nicht auf
das Deuteronomium und die deuteronomistische Literatur beschränkt geblie-
ben, sondern hat auch an anderen Stellen Spuren hinterlassen. Ein Durch-
gang durch die Texte des Deuterojesajabuches legt nahe, dass den Verfassern
die Forderung der Alleinverehrung Jhwhs bekannt war, auch wenn sie das
Erste Gebot nie wörtlich zitieren. Das Deuterojesajabuch setzt durchgehend
voraus, dass der einzige Gott der Gott Israels ist. Die Identität Israels als
Volk Jhwhs steht nicht zur Debatte. Das beherrschende Thema ist vielmehr
noch einmal die Identität Jhwhs, nur steht jetzt nicht die Frage nach seiner
Einheit, sondern jene nach seiner Einzigkeit im Raum. Im Ezechielbuch stellt
sich der Befund etwas komplexer dar. Neben wenigen Texten, die auch ohne
Kultzentralisationsgebot und Fremdgötterverbot vor dem Hintergrund der
faktischen Monolatrie der staatlichen Zeit erklärt werden könnten, stehen
erheblich zahlreicher solche, die im Tun von allerlei Gräueln® und im Abfall
von Jhwh die Ursache der über Israel hereingebrochenen Katastrophe sehen.
Zumindest im Vorwurf des Abfalls zu םיצוקש und 20361 ist die Alleinvereh-
rung Jhwhs als programmatische Forderung vorausgesetzt. Die deutlichsten
Bezüge zu den entsprechenden Passagen des Deuteronomiums fanden sich in
Texten, die sämtlich Bearbeitungen des Ezechielbuches zugehören, in den
Zitaten der Bundesformel (Ez 11,20; 14,11; 36,28; 37,23.27), in Ez 20 und in
Ez 6. Allerdings blickt bereits das älteste Zitat der Bundesformel (Ez 11,20)
nicht nur auf das Deuteronomium, sondern auch auf Jer 32,37-40 zurück, hat
Ez 20,5-7 das Erste Gebot nicht nur in der Fassung von Dtn 5,6f.//
Ex 20,2f., sondern in seiner Aufnahme durch Ex 6,6-8 im Blick und berührt
sich Ez 6 mit Dtn 12,2, einem der jüngsten Verse des Kultzentralisations-
kapitels, der schon in die Wirkungsgeschichte des Ersten Gebots gehört. Die
im Deuteronomium mit dem Kampf um die Alleinverehrung Jhwhs ver-
bundenen Topoi sind im Ezechielbuch nicht nur durchweg sekundär, son-
dern stehen zudem jüngeren Fassungen der deuteronomischen Gebote nahe.
So ergibt sich hinsichtlich des Themas Monolatrie im Deuteronomium, in
Deuterojesaja und im Ezechielbuch eine weitgehend eindeutige relative
Chronologie. Einzig das Deuteronomium enthält mit dem Schma Dtn 6,4
3 Vgl. AURELIUS, Ursprung, 12; KRATZ, »Höre Israel« und Dekalog, 84. Die 63 alttesta-
mentlichen Belegstellen (davon je 18 im Dtn und in Jer) des Ausdrucks םיִרָחַא םיִהְלֶא46
Ex 20,3; 23,13; Dtn 5,7; 6,14; 7,4; 8,19; 11,16.28; 13,3.7.14; 17,3; 18,20; 28,14.36.64; 29,25;
30,17; 31,18.20; Jos 23,16; 24,2.16; Ri 2,12.17.19; 10,13; 1Sam 8,8; 26,19; 1Kön 9,6.9;
11,4.10; 14,9; 2Kön 5,17; 17,7.35.37.38; 22,17; 2Chr 7,19.22; 28,25; 34,25; Jer 1,16; 7,6.9.18;
11,10; 13,10; 16,11.13; 19,4.13; 22,9; 25,6; 32,29; 35,15; 44,3.5.8.15
und Hos 3,1.
4 Dabei ist vorausgesetzt, dass es sich um Vergehen gegen den Willen Jhwhs handelt,
auch wenn an keiner Stelle der Ausdruck mm! תַבָעות fällt (vgl. dagegen Dtn 7,25; 12,31;
17.118,12; 22,5; 23.19: außerdem 11mal im Proverbienbuch).
388 Kapitel 5: Rückblick — Synthese — Ertrag
und der gegen das Altargesetz Ex 20,24 gerichteten ältesten Fassung des
Kultzentralisationsgebotes in Dtn 12,13-18* Vorschriften, die auf die fak-
tisch-monolatrischen Verhältnisse des Staatskultes der Königszeit bezogen
sind. In Deuterojesaja fanden sich zwar diverse Rückgriffe auf Traditionen,
die sich mehr oder weniger sicher bis in die vorexilische Zeit zurückverfolgen
lassen, doch setzt das Werk als solches die programmatische Monolatrie be-
reits voraus. Das Ezechielbuch könnte dagegen einen Kern enthalten, der
älter als das erste Gebot des Dekalogs ist, freilich nur dann, wenn die Un-
heilsansagen im vorderen Teil des Buches nicht ihrerseits gänzlich unter
Rückgriff auf die und als Erfüllung der Fluchbestimmungen in Lev 26 for-
muliert worden sein sollten.” Wo es den Abfall von Jhwh als Verstoß gegen
das monolatrische Programm thematisiert, setzt das Ezechielbuch sichtlich
jüngere Auseinandersetzungen mit dem Problem der anderen Götter inner-
halb des Deuteronomiums, also einen guten Teil oder auch die gesamte
innerdeuteronomische Wirkungsgeschichte des Ersten Gebots voraus. Der
Kampf um das Programm der Alleinverehrung Jhwhs durch Israel, um die
exklusive Beziehung zwischen Jhwh und seinem Volk, ist im Deuteronomium
und der deuteronomistischen Literatur geführt worden. Deuterojesaja und
Ezechiel blicken dagegen auf diese Auseinandersetzungen bereits zurück.
Das biblische Bilderverbot ist aus dem Fremdgötterverbot des Dekalogs ent-
standen, sowohl literarisch, da es deutlich als Nachtrag innerhalb des ur-
sprünglichen Ersten Gebots erkennbar ist, als auch logisch, weil es in einer
Umwelt, in der Götterverehrung regelmäßig als Verehrung von Götterbildern
in Erscheinung tritt, die praktische Konsequenz des Fremdgötterverbots ist.
Als solche ist das Bilderverbot allerdings nur dann verständlich, wenn der
eigene Gott Jhwh nicht im Bild verehrt wird, die Bilder (2'708) also mit den
anderen Göttern bzw. den Göttern der Anderen, d. h. der anderen Völker,
assoziiert werden. Innerhalb des Deuteronomiums hat das Bilderverbot zu-
nächst das Erste Gebot ergänzt und schließlich als Maßstab, ob Israel dem
> In diesem Fall verlöre das von Pohlmann postulierte vorexilische „ältere Propheten-
buch“ (vgl. POHLMANN, Ezechiel, 33£.) weiter an Substanz. Da sich erhebliche Zweifel auch
an der Zugehörigkeit von Ez 14,1-11 und Ez 18 zu diesem ältesten Bestand innerhalb des
Ezechielbuches ergeben, blieben folgende von POHLMANN, aaO. 34 genannte Texte übrig:
11,1-13*; 12,21ff.*; 14,12-20* 15,1-6*; 17,1-18*; 19; 21,1-5; 24*, 31* (wenige Verse; vgl.
aaO. 420-426); 36,1-15* (dann allerdings ebenfalls fraglich, da das Heilswort an die Berge
Israels der Unheilsansage in Ez 6 korrespondiert, aaO. 481 wird der den Text als „extrem
durch Nachträge überfüllt“ charakterisiert); 37,11-14*. Ob man diese Ansammlung von
Texten noch mit Recht als Buch bezeichnen kann, sei hier dahin gestellt. Weitere Untersu-
chungen werden zu klären haben, wie weit sich der von KRATZ, Propheten, 83 mit Blick auf
das Ezechielbuch als Ganzem beschriebene „Eindruck, als ob man alles irgendwo schon
einmal gelesen oder gehört habe“ auch jeweils im Detail einstellt.
5.1 Rückblick 389
Anspruch Jhwhs gerecht wird oder daran scheitert, ersetzt. Ursprünglich und
dem Wortlaut nach gegen die Herstellung und Verehrung von Kultbildern
gerichtet, wurde es durch weitere Bestimmungen gegen Ascheren und Maz-
zeben ergänzt. Die Polemik gegen diese beiden zuvor legitimen Bestandteile
des Jhwh-Kultes rief zunächst in Ditn 28,36.64 die Verspottung fremder
Götter als „Holz und Stein“ hervor. Mit Dtn 4,28 fand sie später in die -Erklä-
rung des biblischen Bilderverbots in Dtn 4,1-31 Eingang.
Wenn auch kein einziges Mal in einen Prohibitiv eingebunden, findet sich
die größte Belegdichte des Wortes 508, des dekalogischen terminus technicus
für ein Kultbild, in Deuterojesaja, genauer in dessen ersten neun Kapiteln.
Die zehn Belege zwischen Jes 40,19 und 48,5 sind sämtlich sekundären Er-
weiterungen des Deuterojesajabuches zuzuweisen, die ihrer thematischen
Gemeinsamkeiten wegen oft unter der Bezeichnung Götzen(bilder)-Schicht
firmieren, jedoch kaum von einem einzigen Verfasser stammen. Die Be-
schreibung des (exemplarischen) Kultbildes und seiner Herstellung verrät
einen Grad an Vertrautheit mit mesopotamischen Verhältnissen, die auf ei-
gene Anschauung vor Ort oder Information durch nachrichtlichen Kontakt
gegründet sein könnte, in jedem Fall jedoch auf (Erst-)Adressaten im Zwei-
stromland hindeutet. Hierfür spricht auch die Verwendung akkadischer Lehn-
wörter, vor deren Hintergrund der Gebrauch des levantinischen Begriffs 593
an Stelle des akkadischen Wortes salmu um so auffälliger ist. Den vermeint-
lichen Götterbildern wird Jhwh als der einzige Gott entgegengestellt, ein An-
tagonismus, der die bildliche Verehrung Jhwhs ausschließt und im Grundsatz
der Perspektive des Bilderverbots im Dekalog entspricht, wonach im Bild
(92) verehrte Götter die Götter der Anderen sind.’ Mazzeben und Ascheren
werden dagegen in Jes 40-55 überhaupt nicht erwähnt, auch die Wendung
jası ,ץע Holz und Stein, hat hier keinen Beleg, obwohl die Vergänglichkeit
des Werkstoffs Holz ein Hauptaspekt des Spotts in Jes 44,12-17 ist.
Die Polemik gegen Holz und Stein erscheint jedoch im Ezechielbuch,
wenn auch nur ein einziges Mal (Ez 20,32). Überhaupt weist die Bildertermi-
nologie des Ezechielbuches lediglich vereinzelte Überschneidungen mit den
beiden anderen hier untersuchten literarischen Korpora auf, etwa in den Beg-
riffen no (Ez 8,3.5; vgl. Dtn 4,16) und man (Ez 8,3.10; 10,8; vgl. Dtn 4,16.
1722): 18(2x). Die drei — abgesehen vom relativ unspezifischen Wort nayin -
häufigsten Bildertermini des Ezechielbuches sind in Deuterojesaja und im
Deuteronomium praktisch unbekannt, תּומִד (nur Jes 40,18) sowie םיצוקש und
( גלוּלִיםbeide nur Din 29,16). 27% findet sich in bilderpolemischem Zu-
sammenhang ausschließlich in Ezechiel, לֶסֶפ ליִסֶפ/ (8 Mal im Deuterono-
mium, 10 Mal in Deuterojesaja), הָכָסַמ (Dtn 9,12.16; 27,15; Jes 42,17) und das
von derselben Wurzel abgeleitete Wort 72) (Jes 41,29; 48,5) sind dagegen
nicht belegt. Die Bilderterminologie des Ezechielbuches erhält insgesamt ge-
sehen ihren ganz eigenen Charakter durch Begriffe, die den Aspekt der durch
den Bilderdienst hervorgerufenen Unteinheit betonen. Auch hier ist das Bild
ein Symbol des Jhwhwidrigen, von dem sich Israel fernhalten muss, wobei
der Begriff םיִלּולְג offensichtlich nicht nur Kultbilder im eigentlichen Sinne
(Kultstatuen in Tempeln) im Blick hat, sondern darüber hinaus auch auf an-
dere Bereiche religiöser Praxis zielt.
Die relative Chronologie der hier behandelten Bildertexte ist etwas schwie-
tiger als jene zum Programm der Alleinverehrung Jhwhs zu skizzieren. Sehr
wahrscheinlich ist allerdings das aus dem Fremdgötterverbot entwickelte
Kultbildverbot des Dekalogs an den Anfang zu setzen. Ob und wenn ja wie
weit die Bilderpolemiken in Jes 40-55 auch die Verbreitung des Bilderverbots
innerhalb des Deuteronomiums und der deuteronomistischen bzw. deutero-
nomistisch beeinflussten Literatur und seine Erweiterung um Mazzeben und
Ascheren voraussetzen, lässt sich nicht mit Sicherheit feststellen. Ascheren
und Mazzeben sind im Zweiten Jesaja kein Thema, ebenso wenig die Frage
der Kultzentralisation, in deren Zusammenhang das erweiterte Bilderverbot
z.B. in den späten Bearbeitungen von Dtn 12 begegnet. Ein tendenziell hö-
heres Alter der Deuteronomiumtexte legt sich angesichts der Beobachtung
nahe, dass sie die Herstellung und Verehrung von Kultbildern als unmittel-
bare Bedrohung der Jhwh-Religion durch andere Götter wahrnehmen. Die
Bilderpolemiken im Deuterojesajabuch behandeln die Kultbilder dagegen
zunächst nicht als Bedrohung, sondern als ein Zeichen der Unterlegenheit der
„Götter“ der Anderen. Erst Zusätze zu den Bilderfabrikationstexten betonen
wieder die mit den Bildern verbundene Gefahr und fassen den Umgang mit
ihnen als Versagen an der 6026010116 Israels vor dem Forum der Völker auf.
Diese Perspektive ist nicht zu erklären, wenn sie nicht als bekannt voraus-
setzt, wer Israel ist, wer Israels Gott ist, dass dieser Gott beansprucht, der
einzige Gott zu sein und dass er ohne Kultbild verehrt wird. Andererseits
lässt sich nicht erklären, warum die Abfassung der Bilderpolemiken des
Deuterojesajabuches das Ende der Arbeit an der Bilderthematik im Deutero-
nomium hätte bedeuten müssen, da dasselbe Phänomen von unterschiedli-
chen Verfassern an möglicherweise auch noch unterschiedlichen Orten auch
unschiedlich bewertet worden sein kann. Es ist deshalb nicht auszuschließen,
dass die Bilderpolemiken des Deuterojesajabuches in etwa zeitgleich mit den
späteren Bildertexten des Deuteronomiums entstanden sind.
Der Durchgang durch die Bildertexte im Ezechielbuch erbrachte einen
anderen Befund. Kein einziger dieser Texte ließ sich dem Grundbestand des
Werkes zuweisen. Die Bilderthematik ist hier zudem nicht nur insgesamt 86-
kundär — was an sich noch keine Besonderheit wäre, denn diese Beobachtung
trifft auch für den Dekalog und das Deuteronomium zu — sondern greift im
3.1 Rückblick 391
Rahmen einiger Passagen gerade auf die späteren Texte des Deuteronomi-
ums, insbesondere auf die jüngeren Bestandteile von Dtn 12 bzw. auf Dtn 4
zurück.’ In Ez 20 wies die Art der Verwendung der Begriffe םיִצּוקָש und
גְלוּלִיםdeutliche Bezüge zum bereits durch das Bilderverbot erweiterten
Fremdgötterverbot des Dekalogs auf. Die Bildertexte des Ezechielbuches
bedienen sich darüber hinaus eines eigentümlichen Vokabulars, dessen auf-
fälligster Vertreter der im Rahmen des Alten Testaments vermutlich erstmals
hier gebrauchte Ausdruck םיִלּולְּג ist. Die Gemengelage aus der Verbindung
spätdeuteronomistischer Motive mit spezifisch ezechielischem bzw. außer-
halb Ezechiels nur in anerkannt späten Texten belegtem Vokabular einerseits
und priesterschriftlichen Reinheitsvorstellungen andererseits, spricht deutlich
für eine grundsätzliche relative Nachordnung der ezechielischen Bilderthe-
matik hinter die entsprechenden Texte des Deuteronomiums. Freilich zeigt
Dtn 29,16, dessen typisch ezechielisches Vokabular für eine Rückwirkung
Ezechiels in das Deuteronomium spricht," dass auch hier Ausnahmen die
Regel bestätigen.
Der Versuch, das relative Verhältnis zwischen den Bildertexten in Deute-
rojesaja und jenen im Ezechielbuch zu klären, ist mit dem Problem behaftet,
dass die Kultbilder (0°502), um deren Herstellung und Verehrung die Bilder-
polemiken in Jes 40-55 im Wesentlichen kreisen, im Ezechielbuch nicht be-
legt sind. In der ezechielischen Polemik gegen den Umgang mit םיצוקש und
גְּלוּלִיםsind Kultbilder wohl mit inbegriffen, aber wahrscheinlich nicht das
eigentliche Ziel. Deuterojesaja und Ezechiel teilen gerade einmal drei Bilder-
termini. mm (Jes 40,18 und 16 Mal in Ez) bringt mit Ausnahme von
Ez 23,15 die Unvergleichlichkeit Jhwhs zum Ausdruck, ohne dass daraus un-
mittelbare Schlüsse für die Priorität des einen oder der anderen Texte zu zie-
hen wären. Ähnlich steht es mit nyan (Jes 44,13; Ez 8,3.10; 10,8), und auch
der dritte gemeinsame Begriff aus dem Bereich der Bilderterminologie, הָבָעות
068 41,24; 44,19; 43 Mal in Ez), ist zu unspezifisch, als dass er sichere Ent-
scheidungen ermöglichte. Allerdings spricht die Bewertung der Verehrungs-
objekte, die in Deuterojesaja Jhwh gegenübergestellt werden, um ihre Unter-
legenheit zu erweisen, während sie in Ezechiel nie auch nur theoretisch auf
eine Ebene mit dem Gott Israels gestellt werden, sondern lediglich als Quel-
len der Unreinheit Israels erscheinen, grundsätzlich für die Priorität der Bil-
derpolemiken Deuterojesajas.’
10 Vgl. oben Kap. 3.3.5. In diesem Sinne ist das Deuterojesajabuch im Kern mono-
theistisch.
11 Tammuz und Samas/Sonne werden in Ez 8 nicht als Götter, sondern als Objekte auf-
gefasst; vgl. oben Kap. 4.2.2.5 und Kap 4.2.2.6. Der König von Tyros kommt nach Ez 28
nicht deswegen zu Fall, weil er auf andere Götter vertraut, sondern weil er sich verhält,
als
wäre er selbst ein Gott. Dass Ez 30,13 im jetzigen Text die (Ab-)Götter Ägyptens erwähnt,
geht auf eine Verschreibung zurück; vgl. oben Kap. 4.2.1.
12 BRAULIK, Monotheismus, 151.
5.1 Rückblick 393
+ Die (dezente) zeitliche Vorordnung Deuterojesajas vor P legt sich auch mit Blick auf
den unterschiedlichen Gebrauch des Wortes םיִהְלא nahe. Während P den Begriff zugleich
als Eigennamen und als Gattungsbezeichnung verwendet, gebraucht DtJes םיִהְל אnur als
Gattungsbegriff; vgl. SCHMID, Differenzierungen, 34f. :
15 Vgl. KEEL, Tempel, 245f.
16 Vgl. BECKER, Staatsteligion, 6f.
3.2 Synthese: Die Entgrenzung Jhwhs 398
17 Diese Annahme wird durch den archäologischen Befund nahe gelegt. FINKELSTEIN/
SILBERMAN, Bible, 243-245 veranschlagen ein Anwachsen der Bevölkerung Judas von eini-
gen 10000 auf ca. 120000 Menschen. Ihrer Annahme nach wuchs Jerusalem auf mehr als das
Zehnfache seiner ursprünglichen Fläche und etwa das fünfzehnfache der vormaligen Ein-
wohnerzahl (von ca. 1000 auf 15000 Einwohner).
18 Im jetzigen Kontext will das Sch“ma freilich im Sinne des Ersten Gebotes verstanden
werden; vgl. BECKER, Staatsreligion, 14.
19 Aus der allgemein als zuverlässig eingestuften Notiz, Josia habe u. a. die Pferde und
Wagen des Sonnengottes beseitigt (2Kön 23,11f.*), geht hervor, dass es Kultreformen unter
Josia gegeben hat; vgl. AURELIUS, Zukunft, 44.
396 - Kapitel 5: Rückblick — Synthese - Ertrag
nach dem Untergang auch des Staates Juda.” Die Idee der Kultzentralisation
stammt vielmehr aus der Zeit nach der Zerstörung Jerusalems und der nach-
folgenden Verlegung des Verwaltungssitzes der nunmehr neubabylonischen
Provinz nach Mizpa. Was zuvor selbstverständlich war, nämlich, dass der
Jhwh-Kult ein Zentrum hatte, wurde jetzt als Programm formuliert, sehr
wahrscheinlich um einem drohenden Auseinanderbrechen der Jhwh-Religion
entgegenzuwirken. Ohne ein zumindest ideelles Zentrum hätte sich der judäi-
sche Einheitsgott Jhwh wieder in verschiedene lokale Erscheinungsweisen
aufspalten können. Die propagierte Fokussierung der Jhwh-Religion auf ei-
nen einzigen Kultort dient nach dem Verlust ihres natürlichen Zentrums der
Sicherung der nach dem Untergang Israels erlangten Identität Jhwhs als enes
Gottes. Dabei fällt auf, dass der Name des Ortes des zentralen Jhwh-Heilig-
tums nicht erwähnt wird. Dass es sich bei diesem Ort um Jerusalem handelt,
wird innerhalb des Alten Testaments erst im weiteren Kontext durch 1Sam-
2Kön deutlich. Wahrscheinlich kam es zunächst vor allem darauf an, dass es
weiterhin ein Zentrum des Jhwh-Kultes geben sollte. Vielleicht war es den
Urhebern der Kultzentralisationsidee aufgrund ihrer Herkunft auch noch
ohne weiteres selbstverständlich, dass ein restituiertes Königreich Juda sein
politisches und religiöses Zentrum nur in Jerusalem haben könnte. Die in den
Königebüchern erfolgte Verwendung dieser Idee als Maßstab für die Beur-
teilung des Schicksals der Königreiche, die Jhwh als Staatsgott kannten, weist
jedoch unmissverständlich auf Jerusalem hin. Die Jojachin-Notiz am Ende
des Werkes macht eine Erstfassung der Königebücher um 560 v.Chr. wahr-
scheinlich. Dass in diesem Zusammenhang Zedekias Linie des Hauses David
für erloschen erklärt wird und so allein Jojachin bzw. seine Nachkommen als
legitime Anwärter auf den Thron Judas übrig bleiben, zeigt, dass die Restitu-
tionshoffnungen hinreichend konkret waren, um einen Streit um Fragen der
Thronanwartschaft zu entfachen.”'
Die Restitutionshoffnungen der Verfasser des ältesten deuteronomisti-
schen Geschichtswerkes blieben jedoch unerfüllt. Als die Perser unter Kyros
das Neubabylonische Reich samt seiner Besitzungen übernahmen, wurde le-
diglich ein babylonischer durch einen persischen Statthalter in Mizpa ersetzt.
Zwar wurde bald nach dem Regierungsantritt Dareios’ I. wieder ein Tempel
in Jerusalem gebaut, doch hat dieses Bauprojekt offenbar auch ein gehöriges
Maß an Skepsis und Ablehnung hervorgerufen (vgl. z. B. Hag 2,3; Sach 4,10).
Der neue Tempel beherbergte keinen Staatskult, und da der Sitz der Provin-
zialverwaltung vorläufig in Mizpa blieb, war Jerusalem samt seinem Tempel
in der Praxis zunächst ein Ort unter vielen. Der Kult am Zweiten Tempel
konnte an die praktische Jhwh-Monolatrie der vorexilischen Zeit nicht an-
knüpfen, weil ihm mangels Staat und Königtum jener Kontext fehlte, in wel-
chem die alleinige Verehrung Jhwhs selbstverständlich gewesen war. In diese
Situation hinein, vermutlich noch im 6. Jahrhundert v.Chr., ist die Formulie-
rung des monolatrischen Programms der Bundesformel und des Ersten Ge-
bots plausibel. Es modifiziert die Identität Jhwhs, indem es jenen Gott, der in
der Praxis des vorexilischen Staatskultes allein verehrt wurde, zu dem Gott
erklärt, der unbedingt allein verehrt werden will. In erster Linie ringen Bun-
desformel und Erstes Gebot jedoch um die Identität der Gemeinschaft seiner
Verehrer. Unter den Bedingungen des vorexilischen Staatkultes ergab sich in
der Regel qua Wohnsitz im Territorium des Königreichs Juda eine Zugehö-
rigkeit zur Gemeinde des National- und Dynastiegottes. Der Kult des nach-
exilischen Tempels vollzog sich jedoch unter gänzlich anderen Bedingungen.
Ein Staat Juda existierte nicht mehr und die Provinz Juda bzw. Jehud, deren
Grenzen wahrscheinlich enger als jene des Königreiches gezogen waren,
wurde nicht von Jerusalem aus verwaltet. Der Ort könnte ein regionales Un-
terzentrum für die umliegenden Dörfer und Gehöfte gewesen sein, war aber
nicht mehr das Zentrum eines Staates und die Residenz einer Dynastie. Der
Kreis der Jhwh-Verehrer zwischen Dan und Beerscheba, die sich selbstver-
ständlich am Jerusalemer Tempel orientierten, dürfte deshalb signifikant klei-
ner als in staatlicher Zeit gewesen sein. Dafür gab es andererseits eine ein-
flussreiche Gruppe von Menschen, die über eine große Distanz hinweg in der
babylonischen Diaspora an der führenden Rolle des Jerusalemer Tempels
festhielten. In dieser Situation definieren Bundesformel und Erstes Gebot die
Gemeinde Jhwhs, Israel, vor allem Landbesitz also grundsätzlich unabhängig
von politischen Grenzen als Gemeinschaft derjenigen, die aufgrund eines
Bundesschlusses der Vorfahren zur alleinigen Verehrung dieses Gottes ver-
pflichtet sind.
Das Kultbildverbot ist als praktische Konsequenz des Fremdgötterverbots
diesem vermutlich recht bald gefolgt. Sein literarischer Entstehungsort, der
unmittelbare Kontext des Fremdgötterverbots, macht sehr wahrscheinlich,
dass es nicht gegen ein geplantes Jhwh-Kultbild im Jerusalemer Tempel, son-
dern gegen andere Kultbilder gerichtet war. Es ist allerdings gut vorstellbar,
dass es sich bei diesen zumindest auch um Jhwh-Bilder an Kultstätten außer-
halb Jerusalems handelte. Die Verehrung einer Gottheit anderen Namens
wäre jedenfalls viel einfacher als Verstoß gegen das Fremdgötterverbot of-
fenbar gewesen, als die Verehrung Jhwhs an einem anderen Ort. Das Bilder-
verbot des Dekalogs, das andere Götter mit Bildern assoziiert und auf diese
Weise Jhwh den im Bild verehrten Göttern gegenüberstellt, deutet darauf hin,
dass der Jhwh-Kult am nachexilischen Tempel zu Jerusalem kultbildlos war.
Es ist nicht auszuschließen, dass damit an vorexilische Traditionen ange-
knüpft wurde. Die Annahme, dass es zur Königszeit auch in Jerusalem eine
materielle Repräsentation Jhwhs gab” und die nachexilische Praxis aus der
Not geboren war, ist jedoch die wahrscheinlichere. Der Verlust von Kultbil-
dern in Folge kriegerischer Auseinandersetzungen war im gesamten Alten
Orient kein seltenes Schicksal. Kultbildentführungen gehörten zum Maß-
nahmenkatalog der Expansionspolitik des Neuassyrischen Reiches, dessen
Hegemonie nur wenige Jahrzehnte vor dem Untergang Judas zu Ende gegan-
gen und im Bereich der Levante durch die Vorherrschaft der Babylonier ab-
gelöst worden war. Grundsätzlich standen zwei Möglichkeiten zur Verfügung,
diesem Schicksal zu begegnen. Im Falle einer Deportation der Götterbilder
durch den siegreichen Gegner war die übliche Methode, diesen zu gegebener
Zeit um deren Rückgabe zu bitten.” Obwohl ein solches Vorgehen regelmä-
Big mit finanziellen und politischen Zugeständnissen verbunden war, war es
doch weitaus einfacher zu realisieren, als den anderen denkbaren Weg zu ge-
hen und ein neues Kultbild anzufertigen.” Für Juda kam nach der Zerstörung
von Hauptstadt und Staatstempel jedoch weder die eine noch die andere
Möglichkeit in Frage. Ob auch eine von einem Statthalter geführte Provinzre-
gierung um die Rückgabe eines Kultbildes hätte ersuchen können, sei dahin
gestellt. Ausweislich der überlieferten Nachrichten von der totalen Zerstö-
rung des Heiligtums wäre eine Rückgabe mangels Masse nicht möglich gewe-
sen und angesichts der aus den altorientalischen Quellen hervorgehenden
Informationen zur Bilderherstellung darf man vermuten, dass die Herstellung
eines neuen Jhwh-Kultbildes die Mitwirkung eines Königs von Juda erfordert
hätte. Solange es ernsthafte Hoffnung auf eine Restitution des davidischen
oder zumindest eines judäischen Königtums in Jerusalem gab, ließ sich das
Fehlen einer sichtbaren Repräsentanz Jhwhs als Provisorium für die königs-
lose Zeit erklären. Als aber selbst nach der Einweihung des Zweiten Tempels,
dessen Bau noch einmal Hoffnungen auf ein Wiederaufleben des davidischen
Königtums entfachten, Juda bzw. Jehud eine persische Provinz blieb, wurde
aus dem, was wahrscheinlich als Provisorium begonnen hatte, ein Programm.
In einer Umwelt, in welcher die Verwendung von Kultbildern die Regel und
ihr Nichtgebrauch die Ausnahme darstellte, mag das Fehlen eines Kultbildes
zunächst als Nachteil im Wettbewerb mit anderen Heiligtümern erscheinen.
Es hat jedoch das Profil Jhwhs erheblich geschärft. Wurde jener Gott, der
den Anspruch erhob, der alleinige Gott Israels zu sein, programmatisch ohne
” Sei es ein Kultbild (so z. B. Niehr), die Lade Jhwhs (so z. B. Keel) oder eine Mazzebe
(so 2. B. Na’aman).
24 Vgl. dazu SPIECKERMANN, Juda, 354-358.
5 Zu den damit verbundenen Umständen vgl. oben Kap. 3.2.6.
3.2 Synthese: Die Entgrenzung Jhwhs 399
26 So ist für die Samaritaner bis heute nicht der Tempelberg in Jerusalem, sondern der
Garizim der von Jhwh erwählte Ort.
27 Dass die Praxis anders aussah, dass es weiterhin andere Kultstätten, wahrscheinlich
auch Kulte anderer Götter und Menschen, die nicht ausschließlich Jhwh verehrten im Um-
feld Jerusalem und wahrscheinlich auch in der Stadt selbst gab, legt nicht nur die Existenz
jener scharfen Polemiken gegen Götter, Bilder, Kultstätten, Fremde/Andersgläubige und
Abtrünnige im Deuteronomium, sondern auch eine allgemeine Überlegung zu den da-
maligen Machtverhältnissen nahe. Welche Autorität hätte denn die Vertreibung oder Ausro-
ttung ganzer Bevölkerungsteile unter den Bedingungen des Perserreiches durchsetzen sollen.
Insofern stellen jüngere Texte wie Ri 1,28; 2,20-23 eine Anpassung des Programms an die
Realität dar.
400 Kapitel 5: Rückblick — Synthese — Ertrag
Bereits
Achämenidenkönige diese Eigenschaften Ahuramazda zuschrieben.””
Lessing nahm deshalb an, Israel habe den Monotheismus von den Persern
übernommen:
Jehova
„Da die Juden nunmehr, auf Veranlassung der reinern Persischen Lehre, in ihrem
sondern Gott erkannten; da sie ihn als solchen
nicht blos den größten aller Nationalgötter,
in ihren wieder hervorgesuchten heiligen Schriften um so eher finden und andern zeigen
konnten, als er wirklich darinn war; da sie vor allen sinnlichen Vorstellungen desselben einen
eben so großen Abscheu bezeugten, oder doch in diesen Schriften zu haben angewiesen
wurden, als die Perser nur immer hatten: was Wunder, daß sie vor den Augen des Cyrus mit
einem Gottesdienste Gnade fanden, den er zwar noch weit unter dem reinen Sabeismus,
aber doch auch weit über die groben Abgöttereien zu seyn erkannte, die sich dafür des ver-
laßnen Landes der Juden bemächtigt hatten?“
Zweihundert Jahre später vermochte Hermann Vorländer für die seiner Mei-
nung nach im Alten Testament feststellbare „erstaunliche Sympathie zwi-
schen Persern und Israeliten ... nur eine plausible Erklärung“ zu geben: „Die
Israeliten wurden in der Ausprägung ihres monotheistischen Glaubens von
den Persern angeregt und unterstützt.“ Es schwerlich zu bestreiten, dass
sich der Monotheismus Israels zur Zeit der persischen Herrschaft entwickelte
und die achämenidische (Religions-)Politik seine Entstehung also zumindest
faktisch beförderte. Dennoch sollte die Möglichkeit einer Überbewertung der
persischen Rolle bei der Entstehung des biblischen Monotheismus im Blick
bleiben. Zum einen gibt es gute Gründe für die Annahme, dass die Aufwer-
tung Jerusalems und seines Tempels eher pragmatische als religiöse Gründe
hatte.‘ Zum anderen waren die Achämenidenherrscher als Verehrer Ahura-
mazdas keine Monotheisten, wie Stausberg deutlich herausgestellt hat:
„Schon in den Inschriften von Dareios I. aber wird die Existenz anderer
Gottheiten (baga-) durch die Berufung auf Ahuramazdä keineswegs negiert;
die ‚anderen Götter‘ werden im Gegenteil explicite eingeschlossen.“”” Mag
also der israelitische Monotheismus durch die in achämenidischer Propaganda
verbreiteten Vorstellungen von Ahuramazda angeregt worden sein und unter
den Bedingungen persischer Herrschaft Fuß gefasst haben, wurde er doch
gerade nicht einfach von den Persern übernommen. Vielmehr gingen die Ver-
fasser des ersten Deuterojesajabuches einen entscheidenden Schritt über
die
achämenidische Konzeption vom Reichsgott Ahuramazda hinaus, indem
sie
Jhwh nicht nur weit über alle anderen Gottheiten stellten, sondern ihr Be-
kenntnis zur Unvergleichlichkeit Jhwhs mit דוע x formulierten. Im selben
Zuge legitimierten sie die politische Fremdherrschaft als Bestandteil der gött-
lichen Ordnung (Jes 45,1-4*), bezeichneten einen Herrscher, der Jhwh nicht
kennt, als Gesalbten (mir) Jhwhs. Der Königstitel wird in Jes 40-55 jedoch
für den Gesalbten vermieden. Er bleibt Jhwh vorbehalten, während Verhei-
Bungen aus königlicher Tradition in den so genannten Heilsorakeln auf das
Volk übertragen werden.” Die im vorexilischen Juda stets von einem Vertre-
ter der davidischen Dynastie ausgefüllte Position des irdischen Königs als
nationaler Symbolfigur und Stellvertreter der Gottheit auf Erden bleibt in
dieser Konzeption vakant. Seine Funktionen gehen auf Andere über, jene der
Ausübung irdischer Herrschaft auf den fremden Gesalbten, jene der Ver-
mittlung zwischen Gott und Welt auf das Volk, das die Einzigkeit seines
Gottes den anderen Völkern bezeugen soll. Damit erhalten auch die anderen
Völker eine neue Rolle. Sie sind nicht länger eine Gefahr für das Verhältnis
zwischen Jhwh und Israel, sondern staunende Zuschauer der erneuten Zu-
wendung Jhwhs zu seinem Volk, die an der Rückkehr Jhwhs zum Zion (vgl.
Jes 40,1-11; 52,7-10) erkennbar wird.” Die Rolle der Völker ist damit noch
nicht positiv gefasst. Es ist keine Rede davon, dass sie wie Israel der Zuwen-
dung Jhwhs teilhaftig werden. Dass Israel die Rolle eines Zeugen vor dem
Forum der Völker zugewiesen wird, zeigt allerdings auch, dass diese für Jhwh,
anders als es mit Ausnahme von Dtn 4,19 im Deuteronomium zu sein
scheint, nicht irrelevant sind. So verteidigt Deuterojesaja die Verhältnisse der
Perserzeit als von Jhwh gewollt und herbeigeführt und zwar trotz fortdauern-
der Fremdherrschaft, die vor dem Hintergrund des Deuteronomiums als An-
dauern der Strafe zu sehen wäre, zum Vorteil Israels. Diese Position dürfte
neben einer unangefochtenen persischen Herrschaft auch die Existenz des
Zweiten Tempels in Jerusalem als Zeichen erneuter Zuwendung Jhwhs zu
seinem Volk voraussetzen. Vielleicht war die Aufwertung von Stadt und
Tempel infolge der Verlegung des Sitzes der Provinzverwaltung von Mizpa
zurück nach Jerusalem der konkrete Anlass zu bedenken, ob und wenn ja wie
dieser durch die Reichsregierung angeordnete Vorgang als Zeichen der Zu-
wendung Jhwhs zu seinem Volk verstanden werden konnte. Als angesichts
einer konsolidierten Fremdherrschaft die Wahrscheinlichkeit baldiger erneu-
ter politischer Eigenständigkeit gegen Null gesunken war, bot das Bekenntnis
zu Jhwhs Einzigkeit die Möglichkeit, die geschichtlichen Rollen Israels und
seines Gottes neu zu definieren, ohne die traditionellen Verheißungen
aufzugeben. Israel hat eine königliche Rolle in der Welt, nur eben nicht jene,
politische Macht auszuüben, sondern der Welt vom Wesen ihres Schöpfers
texte entsprechen dieser rigorosen Sichtweise. Ihre Existenz deutet auf eine
Auseinandersetzung mit einer entgegengesetzten Position hin und begründet
die Annahme, dass einige Jahrhunderte zuvor noch um pragmatischere For-
men des Umgangs mit anderen Religionen und ihren Bildern gerungen wurde.
Ahnliche Fragen scheinen sich bezüglich der Beobachtung und Verehrung
der Gestirne ergeben zu haben, die gemäß Dtn 4,19 den Völkern erlaubt, ja
sogar von Jhwh gewollt ist, Israel jedoch verboten bleibt.
Die Wegbeschreibung des Aufstiegs Jhwhs vom einen zum einzigen Gott
hat an diesem Punkt eigentlich ihr Ziel erreicht. Während des 5. Jahrhunderts
v.Chr. ist Jhwh, der Gott Israels, zum einzigen, kultbildlos verehrten Gott
geworden und vermutlich um die Wende vom 5. zum 4. Jahrhundert war für
die Verfasser der späten Erweiterungen sowohl der deuterojesajanischen Bil-
dertexte als auch des Deuteronomiums die Frage der Abgrenzung von den
Verehrungsobjekten der anderen Völker an sich geklärt. Jhwh war über Län-
dergrenzen hinweg weltweit präsent und darin in keiner Weise an Kultbilder
gebunden. Es wäre jedoch bedauerlich, das Ezechielbuch, welches bislang
noch nicht einmal gestreift wurde, aus der Betrachtung auszuschließen, bietet
es doch einen Blick auf Israels weiteren Weg mit seinem, dem einzigen Gott.
Die Verfasser und Bearbeiter des Deuteronomiums waren mit dem Problem
befasst, wer und was Israel ohne Staat und König war. Die Urheber der Bot-
schaft Deuterojesajas nahmen demgegenüber nicht nur das Volk und seinen
Gott, sondern die ganze Welt in den Blick und suchten Israel seinen hervor-
gehobenen Platz darin zuzuweisen. Vermutlich nicht viel später, aber bereits
fest auf dem Boden des Monotheismus stehend, entwarfen die Verfasser der
im Rahmen dieser Arbeit nur gelegentlich und ansatzweise in den Blick ge-
nommenen Priesterschrift ein Programm für die Umsetzung der Israel aufge-
tragenen Aufgabe in Gestalt des Jerusalemer Tempelkults. Darin verbanden
sie die deuteronomische Idee des einen Kultortes mit dem deuterojesajani-
schen Konzept weltweiter und uneingeschränkter Herrschaft Jhwhs und ord-
neten die Welt in Bereiche abgestufter Heiligkeit, mit dem Allerheiligsten des
Tempels als Zentrum, um welches herum sich der Tempel und die Priester,
die Stadt und das Volk, das Land und schließlich die Welt gruppieren. Da
Jhwh als der einzige Gott schlechthin heilig ist, muss das Volk, das der Welt
seine Einzigkeit bezeugen soll und in dessen Mitte er wohnt, einen seiner
Aufgabe entsprechenden Lebenswandel führen.
Die Verfasser des Ezechielbuches blicken auf das Ergebnis der exilisch-
nachexilischen Identitätsfindung des Jhwh-Volkes zurück. Wahrscheinlich lag
es ihnen bereits in schriftlicher Form vor und besaß eine spürbare Autorität,
Das Motiv des Essens der Buchrolle (vgl. Ez 2,8-3,3) dient offenbar dazu,
das Wort des Propheten, wie es im Ezechielbuch überliefert sein will, einem
anderen verschriftlichten Wort wenigstens gleichzustellen. Die Verfasser des
Buches verorten ihren Propheten am Beginn der Exilszeit, sei es, dass sie tat-
404 Kapitel 5: Rückblick — Synthese — Ertrag
sächlich an Textgut aus dieser Zeit, das dann vielleicht auch mit dem Namen
Ezechiel verbunden war, anknüpfen konnten, sei es, dass sie in der Rück-
schau die Zeit des Exils bereits als jene Phase wahrnahmen, die den entschei-
denden Anstoß zur Identitätsfindung Israels innerhalb der Völkerwelt gege-
ben hatte. Den an Israel als erwähltes Volk des einzigen Gottes gerichteten
Anspruch, den sie der auf sie gekommenen Tradition entnehmen konnten,
legten sie als Maßstab an das Gottesvolk ihrer eigenen Zeit an und kamen zu
einem katastrophalen Ergebnis. In ihren Augen klafften Anspruch und Wirk-
lichkeit weit auseinander. Wohin sie auch blickten, nahmen sie Gräuel wahr,
Verstöße gegen den erklärten Willen Jhwhs, die Israel in einen Zustand kulti-
scher Unreinheit versetzten und es seine Bestimmung, eine auf den Dienst
für den einzigen Gott ausgerichtete Existenz zu führen, verfehlen ließen.
Tendenziell ganz ähnliche Bestandstaufnahmen finden sich z. B. in den Ka-
pitel 57-66 des Jesajabuches. Die Überprüfung, der das Ezechielbuch das
Jhwh-Volk unterzieht, setzt ein Gottesbild voraus und ist über den Visions-
kontext mit einer Motivik verbunden, die frühestens in das 4. Jahrhundert
v.Chr. weisen. Die Verfasser des Ezechielbuches bemühten sich nicht um
Einzelnachweise konkreter Verstöße. Der Gräuel-Vorwurf ist zunächst recht
unspezifisch formuliert worden, so in der Ankündigung des Gerichts
nayin->> 107 / wegen aller deiner Gräuel (Ez 5,9; vgl. 7,3.4.8.9; 33,29; 43,8)
oder der Drohung ךיִתבַעְותדלָּכ תֶאav יִּתַתָנְו / und ich lasse alle deine Gräuel
auf dich kommen (Ez 7,3; vgl. 7,4.8.9; 9,10; 14,226; 16,43; 22,31; 24,14;
33,20; 36,19). Worin die Gräuel im einzelnen bestanden, war den Rechtsbe-
stimmungen und Ordnungen zu entnehmen, die Jhwh erlassen hatte und die
Israel fortwährend übertrat (vgl. z. B. Ez 5,6). Fragen richtiger oder falscher
Jhwh-Verehrung wurden erst in späteren Bearbeitungen auf den Vorwurf der
kultischen Selbstverunreinigung des Jhwh-Volkes durch Bilder im weiteren
Sinne zugespitzt. Möglicherweise noch in der ausgehenden Perserzeit, wahr-
scheinlich jedoch während der hellenistischen Epoche verschärften sich die
Auseinandersetzungen um Bilder innerhalb der Jhwh-Religion. In diesem Zu-
sammenhang führten Bearbeiter des Ezechielbuches den Ausdruck םיִלּולְג 8
Surrogat für die einzig Jhwh zukommende Bezeichnung םיִהלֶא in die alttes-
tamentliche Literatur ein. Zum einen weist dieser Vorgang auf ihr mono-
theistisches Gottesbild hin, dem sie auch begriffliche Konsequenzen folgen
lassen. Zum anderen zeigt sich auch hier, dass ihnen der Dekalog als Autori-
tät galt. Sie erweiterten nicht seinen Wortlaut, geschweige denn, dass sie ihn
ersetzten. Aber sie unterzogen ihn einer erweiternden Neuinterpretation, in-
dem sie ihn mit jenem neuen Begriff in Verbindung brachten, der viel mehr
als Götterbilder im technischen Sinne meint. Auf diese Weise blieb das
explizit gegen „andere Götter“ gerichtete Erste Gebot, das als Konsequenz
des Monotheismus logisch überflüssig wäre — wie und warum sollte etwas
verboten werden, das es gar nicht gibt? — auch vor dem Hintergrund
der
3.3 Ertrag 405
5.3 Ertrag
Der Durchgang durch drei gewichtige Textkorpora des Alten Testaments und
einige Jahrhunderte (Religions-)Geschichte Israels erlaubt einen abschließen-
den Blick auf die Frage, ob und wie sich die Wahrnehmungen Gottes und der
Götter, der Gottesbilder und der Welt im Rahmen der Entwicklung des
Jhwh-Glaubens von der Staats- bzw. Nationalreligion zur Universalreligion
verändert haben. Welche Bedeutung haben Götterbilder, Gottesbilder und
Weltbilder zu Beginn, im Verlauf und am Ende der hier skizzierten Entwick-
lung?
Die Götterbilder sind selbst dem Deuteronomium erst als illegitime Kult-
gegenstände eine Erwähnung wert. Das ursprüngliche Kultzentralisationsge-
bot in Dtn 12,13ff. schweigt darüber, und außerhalb des Deuteronomiums
kritisiert der Grundbestand von 1Kön 12,28f. die Aufstellung der Stierbilder
von Bethel und Dan nicht wegen der Verehrung von Bildern an sich, sondern
als Verstoß gegen das Zentralisationsgebot.” Nun entstammen sowohl das
Grundgebot des Deuteronomiums als auch die darauf zurückgreifende älteste
Fassung der Königebücher bzw. des deuteronomistischen Geschichtswerks
bereits der Exilszeit. Dennoch wird man hier dem Bilderverständnis der vo-
rexilischen Zeit am nächsten kommen und sollte mangels gegenteiliger Hin-
weise davon ausgehen, dass es sich vom Bilderverständnis der mesopotami-
schen Religionen nicht wesentlich unterschied und die Götterbilder als Rep-
räsentanten der Gottheit, als Repräsentationsbilder aufgefasst hat. Dieses Bil-
derverständis ist auch noch hinter dem aus dem Fremdgötterverbot heraus
37 Dieses Problem stellte sich hinsichtlich des Schema nicht, da Dtn 6,4 auf die Be-
ziehung zwischen Jhwh und Israel eingeht, ohne „andere Götter" zu erwähnen. Der Aufruf
אֶחָדmm ּ אֶלְהָינוmim שמע ישְרְאֶלnnak enho seretiew hcsitsiehtonom treiterpretni -rew
den, auch wenn die daraus resultierende Übersetzung Jhwh, unser Gott, Jhwh ist einzig! nicht
seinem ursprünglichen Sinn entspricht (vgl. dazu oben Kap. 2.1.2).
38 Die Polemik ist mehrschichtig. Der Kult des Nordreichs verstößt demnach gegen das
Gebot der Kultzentralisation, weil er nicht in Jerusalem stattfindet. Er ist zudem auch als
Staatskult des Nordteichs nicht zentral, sondern findet an zwei auch noch weit entfernte Or-
te, geographisch markieren sie etwa die Nord-Süd-Ausdehnung des Territoriums, statt — und
nicht (polemischer Aspekt Nummer drei) in der Hauptstadt Samaria.
406 Kapitel 5: Rückblick — Synthese — Ertrag
Auch die Wahrnehmung des Gottes Israels und der anderen Götter erfuhr
grundlegende Veränderungen. Die in inner- wie außerbiblischen Quellen
greifbaren Informationen lassen Jhwh zunächst als Gottheit von regionaler
Bedeutung erscheinen, die im Gebiet der Staaten Israel und Juda, vielleicht
auch darüber hinaus, in verschiedenen lokalen Erscheinungsformen verehrt
wurde. Vermutlich wurden auch die Staats- bzw. Dynastiegötter der König-
reiche Israel und Juda nicht als ein und derselbe Gott, sondern als zwei Göt-
ter desselben Typus wahrgenommen. Zur Vereinigung der verschiedenen
Jhwh-Gottheiten zu einem einheitlichen Gott kam es wahrscheinlich erst
nach dem Untergang des Königreichs Israel 720 v.Chr. Jhwh blieb jedoch
auch als Einheitsgott ein Staats- und Nationalgott neben anderen. Auch die
Entwicklungen infolge des Untergangs des Königreichs Juda 587 v.Chr. än-
derten daran im Grundsatz nichts. Unter den Bedingungen des votexilischen
Staatskultes Selbstverständliches wurde nach dem Verlust des Staates den
veränderten Bedingungen angepasst und als Programm formuliert. An die
Stelle der Hauptstadt des Königreichs trat der eine von Jhwh erwählte Ort, an
die Stelle Israels bzw. Judas als eines Staates bzw. Landes trat Israel, das Volk
Jhwhs. Von den anderen Göttern, nicht zuletzt von jenen der unmittelbaren
Nachbarn Israels unterschied er sich nun dadurch, dass sein Zuständigkeits-
bereich nicht mehr primär territorial, sondern ethnisch bestimmt war. Im
Prinzip blieb er aber ein Nationalgott, der für die anderen Völker an sich ir-
relevant war. Sicher, er konnte sich fremder Völker bedienen, um sein eigenes
Volk für Vergehen zu bestrafen, aber davon war allein das Verhältnis zwi-
schen Jhwh und Israel berührt und keine Beziehung zwischen Jhwh und den
Völkern begründet. Diese wandten sich mit ihren Bitten selbstverständlich an
die eigenen, die anderen Götter.
Deuterojesaja bietet ein völlig anderes Gottesbild. Diese Feststellung
klingt zunächst banal, gelten doch die Kapitel 40-55 des Jesajabuches seit
langer Zeit weithin als literarischer Geburtsort des biblischen Monotheismus.
Mit der bloßen Feststellung, das Gottesbild Deuterojesajas äußere sich eben
im Bekenntnis zur Einzigkeit Jhwhs, sind die Veränderungen im Vergleich
zum Gottesbild des Deuteronomiums jedoch nicht hinreichend beschrieben.
Der Wegfall der anderen Götter als Konkurrenten Jhwhs erfordert eine Neu-
bestimmung seines Verhältnisses zu den Völkern. Zwar ist auch für das
Deuterojesajabuch das exklusive Verhältnis zwischen Israel und seinem Gott
zentral (Jes 40,1):
’ אֶלְהֶיכֶםNAT נַחָמוּ עַמִּיmm
Tröstet, tröstet mein Volk, spricht euer Gott!
Aber mit der Erwählung Israels ist nun eine Aufgabe mit Außenwirkung ver-
bunden, nämlich vor dem Forum der Welt die Einzigkeit seines Gottes zu
bezeugen. Die ganze Welt soll erkennen (Jes 45,6),
408 Kapitel 5: Rückblick — Synthese — Ertrag
Das ist noch nicht die Völkerwallfahrt zum Zion, doch wenn der Gott Israels
Wert darauf legt, in aller Welt als Gott erkannt zu werden, dann sind die an-
deren Völker nicht länger irrelevant und die traditionellen Grenzen der Nati-
onalreligion wenigstens im Ansatz überschritten. Als einziger Gott, der nicht
nur die Geschicke Israels lenkt, sondern auch die Geschichte der Welt be-
stimmt und immer bestimmt hat, ist Jhwh nicht nur Herrscher über die Welt,
sondern auch Gott für den Erdkreis und seine Bewohner.
Es vermag nicht zu überraschen, dass der Wechsel zum Monotheismus
auch für das Weltbild der Jhwh-Religion nicht ohne Folgen geblieben ist.
Dies lässt sich deutlich an den Unterschieden in der Wahrnehmung jenes
Teils der Welt erkennen, dem die biblischen Autoren in besonderer Weise
verbunden sind, dem Land Israel. Für das Deuteronomium ist die Frage des
Landes entscheidend für das Verhältnis zwischen Jhwh und seinem Volk. Im
Hintergrund steht ein Weltverständnis, das die Welt in Herrschaftsbereiche
der verschiedenen Götter einteilt und dadurch eine scharfe Trennung zwi-
schen dem eigenen Land als Zuständigkeitsbereich des eigenen Gottes und
dem Rest der Welt vollzieht.” Daraus resultiert die Vorstellung, dass das Volk
Israel nur im verheißenen Land, das Jhwh gehört, wirklich Israel sein kann.
Der Exilszustand bezeugt die Störung des Verhältnisses zu Jhwh, die durch
die Verehrung anderer Götter im Ausland als mehr oder weniger natürliche
Folge des Exils unterstrichen wird (vgl. Dtn 28,36.64). Entsprechend sind alle
Hoffnungen auf eine Rückkehr Israels in das verheißene Land gerichtet.
Nun sind Jerusalem und das Land Israel auch für das Deuterojesajabuch
von Bedeutung. Der erste Grund seiner frohen Botschaft ist jedoch nicht
etwa die Rückkehr des Volkes ins Land der Verheißung, sondern die Rück-
kehr Jhwhs zum Zion.” Mit der Botschaft von der Heimkehr des Weltenherr-
schers an seinen angestammten irdischen Wohnsitz wird dem Volk Israel eine
Aufgabe übertragen, die weit über die Grenzen des Landes Israel hinaus-
reicht. Israels Aufgabe an der und für die Welt bringt die Frage mit sich, ob
es auch in der Diaspora ein Leben gemäß dem Willen Jhwhs führen kann. Da
sich Babylonien neben Palästina (und später Alexandrien) als ein Zentrum
jüdischen Lebens entwickeln konnte, darf konstatiert werden, dass die Ge-
schichte diese Frage mit einem Ja beantwortete, eine Antwort freilich, die
schon innerhalb des Deuterojesajabuches durchaus umstritten ist. Die Verfas-
ser der Bilderpolemiken sorgen sich vermutlich um die Umsetzung der Zeu-
genaufgabe Israels in einem von Kultbildern dominierten Umfeld, während
Jes 47 offen die Flucht aus Babel fordert. Doch selbst im Deuteronomium,
sicher nicht zufällig in einem späten Text, der das monotheistische Bekennt-
nis sehr wahrscheinlich bereits voraussetzt, wird die Fremde zu einem Ort, an
dem man Jhwh nicht nur suchen, sondern auch finden kann, Dtn 4,29:
Wenn der Gott Israels als einziger Gott die ganze Welt beherrscht, dann kann
er auch weltweit verehrt werden. Schließlich ist auch das Ezechielbuch unter
anderem auch mit der Frage befasst, wie Jhwh für die Diaspora gegenwärtig
sein kann. In Ez 11,16 lässt es diese Frage Jhwh als Redeauftrag an den Pro-
pheten selbst beantworten:
UB ּ מְעַט בְאָרְצוּת אָשֶרבָּאוbnpnu gmo וְכִי הָפִיצוּתִים בְאָרְצוּת וְאֶהיsairD ִּי הְַחַקְתִּים
Ja, ich habe sie fern sein lassen bei den Völkern und ja, ich habe sie in die Länder zer-
streut, aber ich bin für sie ein wenig zum Heiligtum geworden in den Ländern, wohin sie
gekommen sind.
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4
Stellenregister
Altes Testament
Genesis 32,28£. 285
il 83.127.232, 280,377, 32,29 136
392 35,14 67
1,2 158, 232 35,20 67
17 82 49,9 355
1,26-28 229
1,26 183, 306 Exodus
1.27 183 1-14 132
1,31 235 321% 317
2-3 129-131 6 278-280, 282, 286
2,1 229 6,2-8 282, 284f.
25 200 25 279
22 229 6,3 280
2,5 130 6,6-8 279, 282, 285, 287, 387
27 127 7 1-5
4 307 6,8 280, 283-285
53 183, 307 6,9 280, 286
6-9 229 12 7
2 137 19:35 62, 317
9,6 183 12,36 ו
13 205 12 289
13,11 137 16 290
0 PAS) 16,12 278
1 278, 285 17,1—-7 132
24,3 314 18,13-27 357
24,7 314 18,20 7
25,23 137 19 312,
21.29 137 19,16-20 88
28,13-15 285 19,18 88
28,18 67 1919 88
28,22 67 20,2£. 6, 387
29,18 137 20,2 107, 280
29,20 137 20,3-5 87
31,350 162 20,3 41, 107, 280
31,45 67 20,4£. 180
31,51 67 20,4 7, 40f., 43, 53, 99
32,5 137, 20,5 107
32,21 137 20,52 41
438 Stellenregister
85 7 154
29,23
74 6,5 183
29,24
28, 74, 80, 83, 85, 98, 369 6,11 183
29,25
74f., 78, 249, 256 8 1255276
30,1-10
30,1-3 259 8,7 124
78, 256, 263 וע 125
30,3-5
79, 244 2 31%
30,10
30,17 28, 369 30,26 344
30,19 ON
31,18 28 2Samnel
31,20 28 1,19 294
ZION 176 125 294
3129 43 6 69
32,1-43 97£., 103 7,28 25
32,8f. 98 19,12 344
32,10 98
32,16 43 1 Könige
32:25 98 6f. 347
32,26-35 285 72 350
32,39 93,97 8,11 368
32,40 283f. 8.12£. 368
227 312 8,12 89
33,10 35% 8,14ff. 365
8,30ff. 365, 371
Josua 8,46ff. 266
23,7 369 8,59 94
23316 369 8,60 94%, 97, 101, 215, 392
24,3 134 8,64 366
24,4 134 9,6 369
24,14 274 9,9 369
9,25 366
Richter 1455 326, 3294362, 379
1,28 399 113 326, 329, 362, 379
2,10ff. 286 12,26ff. 18,518, 54, 67,87
20 369 12,28£. 405
2,20-23 399 12,28 52-55
5,4f. 312 1229 54
6,10 278, 280 14,10 330
8,23 14+ 14,23 293
16,23£. 154 ווב 338, 342, 1
10 14 15,14 342
17-18 + 16,31 369
18,24 162 18 362
18,24 215
18,39 215
TSamnel 19,11£. 92
4-6 69 21,26 342, 391
53 154 22,19-22 1%
5,4 154 22,19 69
5,6 154 22,20 12}
Stellenregister 443
2Könige Jesaja
6,28f. 378 212 378
11,18 183 3,14 345
16,4 293 6 70, 121, 308
16,10ff. 366 61 120
16,10 143, 307 65 120-123
16,13 257 6,1-4 101
16,15 257 6,1 69, 121
17 344 6,2 121
13 1-7 6,5 120
17,7-20 266 6,5b 1%
1778 52 6,6f. 120
01,71 50372035392, 163 8,6 וו
1712 305, 342, 391 8,14 317
17,14 176 9,14 345
17,16 46, 52, 305, 369 13,4 307
17,19 266 14,1 157
1923-23 52, 266 14,31 110, 348
17,21a 266 17,8 295
17,21b 52 24 328
1923 266 24,23 345
1785 369 27,9 295
18,4 70 29,22 135
18,4b 68 37,16 215
19,15 215 37,19 319f., 322
19,18 319£, 322 40-55 1151057107, 110-112)
21,2-16 343 125, 136, 138-141, 149,
23 369 TEICHE KT 278
21,5 364 178, 184, 188, 218, 225-
2157 315 221829092353 239320)
21,9-15 187 Sr,
21311 342, 391 40-48 12f., 142, 193, 389
2121 342, 391 40,1-11 401
22,54 369 40,1 407
24 344 40,3 131
23,8a 33,35 40,9 138
23 IE 364, 395 40,12-31 143, 145-147, 151, 188f.,
2331 365 228f., 231
23:15 326, 329, 379 40,12-17 141, 145f.
25 35 40,12-14 144, 147, 150
23,24 287, 326, 342, 391 40,17 145, 147
23,25f. 187, 344 40,18-20 142-152, 157, 178-180,
2325 26 183-185
23,33. 299 40,18 141-146, 157, 174, 306f.,
25,4-7 299 389, 391
25,6 299 40,19f. 146f., 150, 169, 182
2SR0E 299 40,19 141, 144, 164, 183,
25,27-30 266 226
25,27£.30 37 40,20 127, 141, 144, 149£., 165,
1795, 183
444 Stellenregister
Sacharja Hiob
4,10 396 1,6ff. 122,
8,8 247 18,17
9,7 326 20,7 330
1211 361
Proverbien
Psalmen 8,22 118
2 205 18,11 318
9,6 49 2514 318
17.15 69
18 312 Kohelet
18,3 98 3,14f. 228
18,32 98
18,47 98 Threni
19,8 118 1.19 345
24 69 2,10 345
24,1f. 127-129 2,20 378
29 92, 114-117,
121, 123, 4,10 378
139
29,1-9 115, 117 Daniel
203 117 2,18 314
29,3 115 2,19 314
29,9 115 2.347 314
29,10 114£., 117 2,44 314
29,11 114£. 5,4 319£.
39,7 183 5,23 319£.
58,5 307 7,9 69
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62,8 98 10,4ff. 308
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92,16 98 Esra
93 117-121,-123, 127, 139 1,2 206, 208, 314
93,1 128 5 215
93,2 118 6 20
93,4b 118 342 206
93,5 118 4-6 359
96,1 152 4 359
98 113 5,1-6,15 207
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98,3b 113 Se 359
104,30 27 4 314
106,26 23 5.12 314
119,165 7 6,3-5 208
135,4 137 6,6f. 208
149,1 152 6,9£. 206
454 Stellenregister
Neues Testament
Matthäus Jakobus
3,16par 308 2,23 135
1Korinther
8 186
Zeitgeschichtliche Quellen
Herodot Inschriften Nabonids 198f.
Hist. 1, 2 206 Strophengedicht 193, 195%, 198, 202
Hist. III, 89-94 2
Persien
Josephus Behistun 202£.
Ant.
XI, 297-301 310 Qumran
XII, 138-144 0 10H XIL15 254, 334,352
XI, 160 376 ו 334
LOSYEsl2r722,2547352
Bell. Jud. TOSIT 12 334
VI 5,5 356 ו 433
Mesopotamien Ugarit
Kyroszylinder 190, 193-196, 202, 204, 1
207-209 0 116
Nabonidchronik 193-196, 198-200, 203 KEY 128
Autorenregister
Achenbach, R. 48, 59, 358 Duhm, B. 105, 130, 142, 149, 156, 159,
Ackerman, 5. 343, 353%, 360, 2 166, 175, 186, 321
Albani, M. 12, 1266, 144, 147, 188, 193£.,
197203, 2195227, Edelman, D. 36538£. 173, 212, 265,310.
Albertz, R. 11£, 22, 2471, 208, 226, 321 400
Allbright, W. F. 343, 355 Eichrodt, W. 302, 327, 355, 362, 364
Allen E 336,310 Elliger, K. 11, 57, 124, 143, 147, 149£.,
Alt.A. 386, 120 150, 152, 1596, 162, 190, 204, 224,
Aurelius, E. 18, 24, 28, 33, 35, 51, 80, 96 278, 280
Avigad, א. 5 Eltester, W. 356
Schmid, >. 3f., 8, 10, 247, 258, 284, 394 Wagner, V. 291£.
Schmidt, W.H. 113, 128, 237, 280 Weimar, P. 279
Schmitt, H.-C. 11 Weippert, M. 7
Schöpflin, K. 339 Wellhausen,J. 19f., 51, 56, 64, 105, 108,
Schroer, S. 43, 46, 68, 155, 160 125, 208, 226, 368, 1
Schüle, A. 183 Werlitz,[. 142, 145, 156, 171, 202
Schwienhorst-Schönberger, L. 21 Westermann, C. 106f., 109f., 113, 130,
Seebaß, H. 237, 357 149, 156, 158-160, 163, 166, 191, 204,
Smend, R. 47 216, 219, 2346, 341, 361
Smith, M. 191-193, 209 Whitley, C.F. 121
Smith, S. 195 Wiesehöfer,J. 91, 100, 2005, 210
Soden, W. von 191, 193f., 196, 202 Wildberger, H. 183, 281
Spieckermann, H. 118, 121, 125, 127-129, Willi, T. 173, 206£., 2118
178, 364 Wirgin, W. 356
Stausberg, M. 90, 400 Wiseman, D. 200
Steck, ©, H, 113,123, 130, 286 Wolff, H.W. 39, 134, 330, 359
Streibert, C. 126 Wong, K.L. 276, 294, 297, 301
Begriffe
אֶלְהִים אֶחָרִים82, 04, 44, 74, 47, 08, 38, 95, 102, 141, 143, 177, 183, 297, 302£.,
58, 29, 041, 481, 372, 882, 783, 9 305, 319, 348, 352, 373
ברא521, 731, 261, 6622, £332., £732. — verehrung/ -verehrer 154f., 157-160,
גְּלוּלִים54, 761, 252, 652, £762., £472., 162-165, 168, 174, 177-180, 185-187,
782, 092, 292, 592, 792, 203-003, 403- 240, 245, 302, 315f., 322, 326, 338, 350,
603, 323, 623, 333-923, 833, 243-043, 406
353, 373, 3837- 839, 17
93,34,
04 Brandopfer 16, 195, 23, 366f.
פָסֶל8, 34-04, 64, 35, 66, 85f., ,141 ,341 Bund 47, 108, 245, 248, 254, 267, 270
541, %351, 561-261, 771, 381, 603, — mit den Vätern 75, 99, 133, 138, 249
315f., ,913 ,843 ,373 ,083 .f883 Bundesbruch 56, 61, 244-246, 249, 251,
mayim 151£., 163, 183, 323-326, 267
345, 347, 383, 389£. Bundesformel 27, 30f., 102, 106, 239,
241-250, 257-259, 262f., 268, 1%,
Achämeniden 91f., 100, 208, 210-213, 280, 285, 292, 303f., 342, 386, 397
313 (Bundes-)Lade 69-71, 154, 181, 389
— herrscher 91, 100, 203, 216, 239, 313,
400 Chaoskampf 119, 128f., 356
- reich 100, 2055, 208, 211, 213, 313
- zeit 90-92, 206, 209, 312-314, 358 Dekalog 6, 40f., 43, 55-57, 60, 66, 77, 79,
Älteste (Israels/Judas) 250-253, 274, 319, 815, 87, 107, 141, 180, 244
323, 344f., 351, 356-359, 362f., 367, Diaspora 74, 208, 246
371-373, 377
Altargesetz 19f., 23, 31f., 101, 133, 386, Einzigkeit 9, 101, 140, 159, 163, 188, 190,
388, 395 209, 211, 213, 216-222, 225, 227, 230-
Aschere/Ascheren 8, 21f., 43, 48-51, 58, 233, 235£., 239, 387, 3921, 34
8/7. 105. 297, 305, 322, 313, 28913 405-407
399, 406 Erstes Gebot 4, 6, 10, 15£., 21, 24, 26-30,
Ausschließlichkeitsformel 96, 188-190, 37£., 41-43, 46, 50, 53, 57-59, 80, 85,
214, 216, 219, 238, 392, 401 95, 106-108, 140, 177, 239, 241, 273,
287, 292, 303, 305, 316, 319, 362, 380
Baal-Zyklus 117, 119, 128f., 360 Erwählung 47, 95, 99, 101, 137, 213, 223,
Bilder 236, 274, 276£., 281£., 296, 407
— polemik 142, 156, 164f., 176, 185, 187, Erzväter 63, 133£., 136f., 277, 279, 282-
240, 319, 323, 326, 373 285 |
- theologie 170, 180f., 184-186, 307, 309 - Abraham 133-136, 138, 269, 282,
— verbot 4, 76, 13, 40-42, 44-47, 50, 55- 285
59, 61f., 64£., 71, 77-80, 84, 86f., 92, — Isaak 133£., 136, 138
460 Sachregister
Priester 34, 168, 182, 192, 195-197, 209, Stierbild 46f., 51-53, 67, 405
289, 337-340, 357, 359, 7,
403 Tempel 121, 160, 206, 270, 308, 327
Priesterschrift 20, 23, 81, 83, 132, 226- — Jerusalem 8, 38, 62, 67-70, 103, 207£,,
229, 233, 237£., 278-282, 284-287, 291, 352, 361-364, 366
293, 304, 377, 391-393, 403 = Zweiter 38, 40, 78, 86, 102, 118, 206,
Ptolemäer / ptolemäisch 206, 208, 299, 213, 235£., 367, 371, 397, 399
310, 359, 374-376, 381
Umkehr 73-76, 155, 157, 244, 250, 252,
Räucheraltar 295, 374 259, 282, 304, 324, 335, 342
Reinigung(shandlung) 168f., 252, 255- Unreinheit 45, 120, 178, 249, 251, 255,
258, + 267£., 272-275, 289£., 298, 320, 323,
325£., 339-341, 353-356, 374, 377,
Sabbat(gebot) 290-292, 296 390£., 404, 406
Sammlung Israels 75, 248, 255f., 263-267
Schema Israel 9, 16, 24-27, 30%, 94, 205, Weissagungsbeweis 109, 152f., 176, 193,
244, 386f., 395, 405 216, 221, 224£., 227, 230
Schöpfer/Schöpfung 85, 91, 106, 125- Weltbild 139, 210, 280, 393, 405, 408
127, 129, 139, 144, 147, 150, 158, 161,
178, 190, 214£., 2206, 226, 228-230, Zentralisationsgebot
233%, 237£., 291, 304, 392, 399, 401 — siehe Kultzentralisation
— des Menschen 129f., 227£. Zeuge(nrolle Israels) 156, 159, 187, 214,
Selbstvorstellungsformel 58, 107, 140, 222-225, 231%, 239£., 390, 401, 406,
277-280, 292 408
Seleukiden / seleukidisch 174, 189, 208, Zoroastrismus 906%, 228
299, 310, 359, 374-376, 380
Staatskult
— siehe Königskult
Namen
Orte Bethel 23, 34£., 39, 46, 51, 53£., 102, 138,
405
Ägypten 37, 62, 65, 78, 93, 129, 217£., Borsippa 167, 194
232,248, 27138, 21:1, 280£,.285, 285,
298, 306, 312£., 355, 363 Dan 51, 54
Ammon 21, 77
Arabien 65, 194, 196, 199f., 202, 265 Edom 21, 254, 265
Araq el-Emir 296 Elephantine 34, 210, 296, 310, 359
Athen 311, 356
Garizim 34, 296, 399
Babylon 77, 167, 171-174, 190-204, 6
209-212, 218, 228, 235 Harran 194-196, 199-202
Babylonien 12, 14, 37f., 78, 110, 127, 168, Hazotr 181
173%, 180, 182, 190-203, 242, 339, Hirbet el-Oom 21-23
344f., 379 110165 77, 79, 81, 88£., 93, 95
Beerscheba 134, 138, 397
462 Sachregister
Alexander 100, 188, 201, 208, 310, 374 Baal 116f., 119, 126, 128f., 329, 360, 362
Antiochos III. 359
Antiochos IV. Epiphanes 374, 380 Dagon 154
Artaxerxes 1. 386, 174, 212, 218, 400
Artaxerxes II. 90-92, 103, 265, 310 Ea/Enki 169
Asarhaddon 19, 26, 29, 105 El 22, 116£., 125£., 128£.
Bagoas/Bagohi 310, 359 Istar 196, 201
Sachregister 463
Alphabetische Übersicht
THEOLOGY LIBRARY
LIBRAR
CLAREMONT = a
Sven Petry analysiert die einschlägigen Texte
des Alten Testaments und stellt die Entwicklung des
monotheistischen Gotteskonzepts, das bis heute
in den Gestalten des Judentums, des Christentums
und des Islam fortlebt, im Zusammenhang dar.
ISBN 978-3-16-149451-2
BITTER EEE
Mohr Siebeck