KLAUS VON
DOHNANYI ÜBER
DIE DEUTSCHEN UND
IHRE IDENTITÄT
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„Stufenpläne“ –
Chaotisches Stolpern
aus der Pandemie
Sie sollen für einen geregelten Ausstieg sorgen.
K
Doch die Idee birgt Potenzial für neue Unübersichtlichkeit
ünftig können Bayerns Stadien wie-
der mit bis zu 50 Prozent der Zu-
schauerkapazität ausgelastet wer-
den – aber, Vorsicht, einschließlich
der Stehplätze dürfen maximal
15.000 Besucher hinein. Für die Kultur, für die
eben noch eine Beschränkung auf 50 Prozent
galt, wird die Auslastung auf 75 Prozent hoch
gesetzt. Test- und Maskenpflicht bleiben. Wieso
gelten für die einen 75 Prozent, für die anderen
50 Prozent? Vielleicht, weil vorher jeweils 50
Prozent und 25 Prozent vorgeschrieben waren?
Und wieso gibt es dennoch eine maximale Aus-
lastung? Ist das nachvollziehbar? Gar logisch?
Mit wissenschaftlicher Evidenz begründbar?
VON THOMAS VITZTHUM
Offensichtlich ist: Den einen großen Öff-
nungsmoment gibt es erst mal nicht. Dabei hat-
te CSU-Chef Markus Söder noch vergangene
Woche großmütig von Lockerungen gespro-
chen, einen Plan der Ampel-Koalition in Berlin
für Öffnungen im Februar eingefordert. Nun
spricht Söder vom „sanften bayerischen Weg
der schrittweisen Öffnung“. Diese solle „nach
kluger Abwägung gemeinsam mit den Gesund-
heitsministern“ erfolgen; der übrigen Länder,
ist wohl gemeint. Das ist aber so eine Sache. Für
die körpernahen Dienstleistungen führt Bayern
etwa die 3G-Regel ein, also den Zugang für
Geimpfte, Genesene oder Getestete. Bisher galt
2G. Das Land Berlin hingegen hat in der vergan-
genen Woche für diese Dienstleistungen auf 2G
plus verschärft. Dies verhalte sich analog zum
Restaurantbesuch, so wird in Berlin argumen-
tiert. In Bayern sieht man dagegen nicht die
Gastronomie als Referenz. Für Dinge wie Fuß-
pflege sollten „vergleichbare Maßstäbe wie im
,,
Handel“ angelegt werden, so Söder. Was auch
unlogisch ist, gilt im bayerischen Handel ja nach
einem Gerichtsurteil nur die Maskenpflicht.
Diese neuesten verwirrenden Lockerungen
auf der einen und Verschärfungen auf der ande-
ren Seite zeigen: Deutschland kriecht aus der
WIR SOLLTEN
DEFINIEREN, WELCHE
SCHRITTE WIR GEHEN
HENDRIK WÜST (CDU)
nordrhein-westfälischer Ministerpräsident
Pandemie. Seit einigen Tagen ist in dem Zusam-
menhang von „Stufenplänen“ die Rede. Sowohl
aufseiten der Opposition im Bund, als auch der
Regierungsvertreter. Auch in den Bundeslän-
dern gibt es die entsprechende Diktion. Stufen-
pläne suggerieren Ordnung, Struktur. Bayerns
„schrittweise Öffnung“ ist nichts anderes als die
Umsetzung eines imaginären Stufenplans. „Wir
sollten uns darauf vorbereiten. Wir sollten defi-
nieren, welche Schritte wir gehen, wenn wir se-
hen, dass in diesem Moment das Gesundheits-
system stabil ist und die Krankenhäuser nicht
überlastet sind“, sagt auch der nordrhein-west-
fälische Ministerpräsident Hendrik Wüst
(CDU). Doch schon der Vergleich mit den zu-
letzt vollzogenen Maßnahmen in Bayern und
Berlin zeigt, wohin diese Strategie der schritt-
weisen Öffnung führen wird und muss: zu Un-
wucht, zu Ungerechtigkeiten, zu unlogischen
Abfolgen der Maßnahmen, zu noch mehr Unter-
schieden zwischen den Bundesländern, mithin
Chaos. Deutschland beschreitet den Weg aus der
S
chweine dienen dem Menschen als medi- vergessen, dass Schweine hochintelligent sind.
zinische Ersatzteillager. Seit mehr als ei- Sie wissen, dass der Mensch sie eines Tages um-
nem Monat lebt ein Patient mit einem bringen wird. Das wollen sie sich nicht mehr bie-
Schweinherzen, und über das Schweinefleisch ten lassen und haben angefangen, den menschli-
werden wir alle mit lebenswichti-
gen Antibiotika versorgt. Der
Mensch ist vom Schwein inzwi- ZIPPERT ZAPPT
schen so abhängig wie der Deut-
sche vom russischen Gas. Weil
menschliche Organspender knapp
sind, greifen Mediziner zu schweinischen Inne- schweinischer Biomasse bestehen. Die Schweine
reien. Die Schweine bieten sich scheinbar bereit- übernehmen Stück für Stück die Herrschaft über
willig an und werden verharmlosend als horizon- ihre Ausbeuter und züchten Menschen nur noch
taler Mensch bezeichnet. Doch wir sollten nie als billige Fleisch- und Organlieferanten.
DIENSTAG, 8. FEBRUAR 2022
Pandemie auf dieselbe Art wie den Weg durch
die Pandemie. Man erinnert sich noch gut an die
Baumärkte, die in einem Land offen waren, im
anderen zu. An die Unterscheidung zwischen
Schuhläden und Bekleidungsgeschäften, an die
Privilegien für den Fußball, die Kirchen – und
die Geringschätzung, die der Kultur, den Clubs,
dem Nachtleben überhaupt entgegengebracht
wurde und wird. Das wird sich nun wiederholen.
Zur Erinnerung: Clubs und Diskotheken müs-
sen spätestens ab einer Inzidenz von 350 schlie-
ßen. Der Beschluss vom 2. Dezember stammt aus
einer Zeit lange vor der Omikron-Welle. Bis die
350 unterschritten werden, kann wegen Omi-
kron aber noch viel Zeit vergehen. Die Inzidenz
liegt etwa in Berlin, wo die Clubs eigentlich als
Kulturbetriebe gelten und eine zentrale Rolle für
Wirtschaft und Tourismus spielen, derzeit bei
über 1700. Dennoch wurde der Grenzwert – be-
zeichnenderweise der einzige Inzidenzwert, der
noch Maßnahmen nach sich zieht – bis heute
nicht revidiert. Es denkt auch keiner dran, weil
sich keiner um diese Branche schert. Die Ver-
zweiflung kleiner Clubs, die erleben, wie etwa
große Bars ihre Funktion übernehmen, weil die
in manchen Bundesländern unter 2G plus-Bedin-
gungen öffnen können, ist da nachvollziehbar.
Gerichte dürften den Betroffenen kaum zu
Hilfe eilen. Das zeigt das Urteil zum Einzelhan-
del in Bayern. Die Richter des Verwaltungsge-
richts haben ja Mitte Januar die 2G-Regel nicht
gekippt, weil sie der Auffassung waren, dass Un-
geimpfte das Recht haben müssten, einkaufen zu
gehen. Ihnen ging es weniger um Grundrechte
oder Gleichbehandlung. Der Vorwurf der Richter
war, dass Läden „mit Mischsortimenten“, also
solche, die neben allem Möglichen auch Waren
des täglichen Bedarfs anbieten und deshalb nicht
der 2G-Regel unterliegen, nicht hinreichend ge-
kennzeichnet würden. Die Richter plädierten al-
so nicht für weniger Ausdifferenzierung, sondern
im Gegenteil für noch mehr. Dem gab sich sogar
der bayerische Gesetzgeber geschlagen und er-
laubt seither auch Ungeimpften den Einkauf.
Es ist sich ein fortsetzender deutscher Irrtum
während der Pandemie, dass ein möglichst aus-
geklügeltes System an Regeln hilft, Ungerech-
tigkeiten zu vermeiden. Das Gegenteil ist pas-
siert. Das trug zur Erosion der Akzeptanz der
Corona-Maßnahmen massiv bei. Folgerichtig
werden auch die zu erwartenden Stufenpläne
zum Ausstieg aus den Corona-Regeln einen ho-
hen politischen Preis haben. Das Freiheitsge-
fühl, wie es Länder hervorrufen, die einen Free-
dom Day definieren, kann sich wegen der Trip-
pelschritte schwerlich einstellen. Es ist spekula-
tiv, ob Boris Johnson sich nach all den Skanda-
len noch als britischer Premier halten könnte,
stünde das restriktive Corona-Management in
England an dem Punkt, wo es in Deutschland
steht. Die ruckartige Aufhebung der Corona-Re-
geln half Johnson beim politischen Überleben.
Auch die dänische Ministerpräsidentin Mette
Frederiksen ging einen solchen Schritt. Die
Mehrheit der Dänen steht laut Umfragen hinter
ihr. Ähnlich das Vorgehen in Spanien.
Die deutsche Bundesregierung steht aktuell
ebenfalls in der Kritik. Ein wenig politische Eu-
phorie täte ihr gut. Wird sie das Momentum
nutzen, das eigentlich in ihrem Infektions-
schutzgesetz angelegt ist? Darin ist der 19. März
als Frist für das Auslaufen aller Maßnahmen ge-
setzt. Ob es dabei bleibt, ist noch nicht abseh-
bar. Die FDP wäre wohl dafür, bei der SPD will
man abwarten, die Grünen würden gerne ver-
längern, dies fordern auch die Ministerpräsi-
denten der Länder – egal welcher Partei. Wird
kein neues Gesetz gemacht, wären all die noch
zu schreibenden Stufenpläne mit ihren abseh-
bar widersprüchlichen und sich von Bundesland
zu Bundesland unterscheidenden Inhalten mit
einem Mal passé.
chen Körper in Einzelteilen zu
übernehmen. Mit Herz, Leber und
Nieren fängt es an und bald kom-
men Nase, Mund, Ohren und Ge-
hirn dazu. In wenigen Jahren wird
der Mensch überwiegend aus
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SEITE 13
* D 2,00 E URO B Nr. 27
REISEN
WIE IM
HOMEOFFICE
Bundeskanzler Olaf
Scholz (SPD) im
Airbus A340 der
Luftwaffe auf
dem Weg nach
Washington zu
DPA/ KAY NIETFELD
seinem Antritts-
besuch in den USA
Deutschland ist bereit,
„hohen Preis zu zahlen“
Außenministerin Baerbock droht Moskau mit Sanktionen , die auch für Deutschland
B
wirtschaftliche Folgen hätten. Bundeskanzler Scholz trifft US-Präsident Biden
undesaußenministerin Annalena wurden terminliche Schwierigkeiten genannt. Am Frankreichs Präsident Emmanuel Macron
Baerbock (Grüne) hat bei ihrem Be- Dienstag will die Ministerin die Kontaktlinie im reiste am Montag nach Moskau, um Russlands
such in Kiew die Drohung harter Osten des Landes besuchen, die prorussische Se- Präsident Wladimir Putin zu treffen. Vor seiner
Sanktionen gegenüber Russland paratisten vom ukrainischen Kernland trennt. Abreise sagte er der Zeitung „Journal du Diman-
wiederholt, sollte es zu einer weite- Unterdessen teilte Bundesverteidigungsmi- che“, bevor man wieder Vertrauen aufbauen
ren Eskalation seitens Moskaus kommen. Diese nisterin Christine Lambrecht bei ihrem Besuch könne, müsse man eine weitere Verschärfung
würden „präzedenzlos“. Angesichts enger wirt- auf dem Truppenübungsplatz in Munster mit, der Lage verhindern. „Das geopolitische Ziel
schaftlicher Verbindungen Deutschlands nach dass die Bundesrepublik 350 weitere deutsche Russlands heute ist eindeutig nicht die Ukraine,
Russland erklärte Baerbock: „Dafür sind wir Soldaten zu dem Nato-Kontingent nach Litauen sondern die Regeln des Zusammenlebens mit
auch bereit, einen hohen wirtschaftlichen Preis entsenden wird. „Damit stärken wir unseren der Nato und der EU klarzustellen.“ Es sei „legi-
zu zahlen, denn es geht um die Sicherheit der Beitrag an der Ostflanke. Auf uns ist Verlass“, tim für Russland, die Frage nach seiner eigenen
Ukraine.“ Um welche Maßnahmen es sich genau sagte die SPD-Politikerin. Derzeit sind in Litau- Sicherheit zu stellen“, sagte Macron. Gleichzei-
handelt, ließ sie allerdings offen. Auch in der en rund 500 Soldatinnen und Soldaten der Bun- tig dürfe es bei der Sicherheit und Souveränität
Frage nach Waffenlieferungen an die Ukraine deswehr stationiert. der Ukraine oder irgendeines anderen europäi-
gab es keinen Fortschritt. „Heute haben wir Am Montagmorgen traf Bundeskanzler Olaf schen Staates keine Kompromisse geben.
nicht darüber gesprochen, was Deutschland Scholz zu seinem Antrittsbesuch in Washington Am Dienstag will sich Bundeskanzler Scholz
nicht machen kann“, sagte der ukrainische Au- ein. Vor dem Treffen mit US-Präsident Joe Bi- mit Macron und dem polnischen Staatspräsiden-
ßenminister Dmytro Kuleba. den am Abend im Weißen Haus wies er Vorwürfe ten Andrzej Duda über die Russland-Ukraine-
Vor ihrer Abreise hatte Baerbock die Bedeu- zurück, Deutschland unterstütze die Ukraine Krise austauschen. Duda reiste am Montag noch
tung ihres Besuchs hoch gehängt. „Es geht um nicht ausreichend und sei kein zuverlässiger zu Gesprächen mit Nato-Generalsekretär Jens
nicht weniger als den Frieden in Europa“, erklär- Bündnispartner der USA. Zusammen mit seinen Stoltenberg nach Brüssel. Scholz hat zu dem
te die Ministerin noch in Berlin. „Mit meiner Verbündeten sei Deutschland bereit, notfalls Treffen im Rahmen des Weimarer Dreiecks ein-
zweiten Reise in die Ukraine innerhalb von weni-
ger als einem Monat setze ich das fort, was Diplo-
„alle nötigen Schritte“ zu gehen, sagte Scholz
der „Washington Post“ auf die Frage nach Sank-
geladen, kündigte die stellvertretende Regie-
rungssprecherin Christiane Hoffmann am Mon-
matie im Kern ausmacht: das Bemühen darum, tionen gegen die Ostsee-Gaspipeline Nord Stre- tag an. Das Gespräch soll an diesem Dienstag-
brandgefährliche Konflikte auf friedlichem Weg am 2. Putin wisse, dass er für eine Aggression ge- abend im Bundeskanzleramt in Berlin stattfin-
zu entschärfen“, erklärte die Grünen-Politikerin. gen die Ukraine einen sehr hohen Preis zahlen den. „Im Mittelpunkt der gemeinsamen Unterre-
Entgegen einer ersten Ankündigung traf Baer- müsse. „Aber wir sind klar über die nötige stra- dung wird die Lage in und um die Ukraine ste-
bock in Kiew doch nicht mit dem ukrainischen tegische Ambiguität“, sagte Scholz als Begrün- hen“, erklärte Hoffmann. Das sogenannte Wei-
Staatspräsidenten Wolodymyr Selenskyj zusam- dung, warum er keine Details zu den Sanktionen marer Dreieck ist ein Forum, in dem sich
menkommen. Stattdessen sollte eine Begegnung nennen wolle. Die russische Führung solle nicht Deutschland, Frankreich und Polen seit 30 Jah-
mit Ministerpräsident Denys Schmyhal stattfin- ausrechnen können, wie kostspielig ein Vorge- ren zu grenzüberschreitenden und europapoliti-
den, hieß es in diplomatischen Kreisen. Als Grund hen gegen die Ukraine wirklich werden würde. schen Fragen abstimmen. dpa/rtr/AFP Seiten 6, 7
KOMMENTAR
Weiter reden, weiter verhandeln, weiter besuchen
Z
um ersten Mal seit den Gesprächen über JACQUES hat sein Land an die Weltspitze zurückgeführt.
die deutsche Wiedervereinigung genießt SCHUSTER Ohne einen einzigen Schuss abzugeben, ist es
Russland die Aufmerksamkeit, die es ihm gelungen, das Gesprächsthema der Welt zu
seither entbehrte. Tag für Tag geben sich Präsi- sein. Der Schluss daraus ist einfach: weiter spre-
denten, Außen- und Verteidigungsminister die politisch gesehen hatte er recht. Zur Realpolitik chen, weiter verhandeln, weiter besuchen!
Klinke in die Hand, um mit Moskau im Ge- gehört allerdings auch ein Empfinden für die Es sollte Dauergespräche wie in manchen Jah-
spräch zu bleiben. Allein diese Woche schauen Seelenlage eines Landes, zumal wenn es sich um ren des Kalten Krieges mit dem Ziel geben, den
der Kanzler, Frankreichs Präsident Macron und eine Atommacht handelt. Eine der wichtigsten europäischen Frieden und die Unabhängigkeit
die deutsche Außenministerin entweder im Regeln dazu stellte Machiavelli auf: Demütige der Ukraine zu bewahren. Eine Säule dieser Ord-
Kreml und in Kiew oder nur in Kiew vorbei. niemanden, den du nicht vernichten kannst. nung könnte sein: Die Nato-Staaten erklären,
Genau das war es, was der russische Präsi- Wer an diese Gesetzmäßigkeit im Umgang die Ukraine nicht in das Bündnis aufzunehmen,
dent Wladimir Putin seit der Münchener Si- mit dem Kreml erinnerte, dem begegnete man wenn Russland seinerseits deren staatlichen Be-
cherheitskonferenz 2007 gefordert hatte: Er mit einem Hauch von Verachtung und dem ge- stand garantiert. Diese Erklärung wäre nicht
wollte, dass sein Land ernst genommen und als zielten Versuch, ihm als „Russlandversteher“ einmal eine schmerzhafte Konzession. Selbst
Großmacht anerkannt werde. Der Westen ver- den Boden unter den Füßen wegzuziehen. Heu- Washington ist nicht bereit, Kiew die Nato-Mit-
sagte ihm diesen Respekt. US-Präsident Obama te ist die Lage anders. Ob Russlandversteher gliedschaft anzutragen. Wären die USA anderer
machte es sogar noch schlimmer, als er Russ- oder Kremlfresser – alle müssen anerkennen: Meinung, stünde Kiew längst im Bündnis.
land als eine Regionalmacht verspottete. Real- Putins Rüpelspiel an der Grenze zur Ukraine jacques.schuster@welt.de
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2 AUF EINEN BLICK * DIE WELT DIENSTAG, 8. FEBRUAR 2022

PLATZ DER REPUBLIK THEMA DES TAGES

THOMAS VITZTHUM

Was die Union „Wir brauchen, wie jede

da vorlegt, ist
ein Tarn-Gesetz Nation, eine ,Identität‘“
D
Klaus von Dohnanyi (SPD) erklärt den „Bundesstaat Europa“ zur Illusion.

A
ie Union wird einen Vorschlag für ein eigenes
Impfpflicht-Gesetz präsentieren. Wochen- Und sagt, warum die Verfolgung nationaler Interessen hierzulande verpönt ist
lang beharrte die Fraktion darauf, dass sie
nicht tätig werden würde, wenn nicht die Bundes-
regierung zuvor einen eigenen Vorschlag gemacht ls Streitschrift hat der Sozialde- Das ist eben für uns mit unserer belasteten und Europa nur erfolgreich sein, wenn die
hat. Doch das politische Kapital der Verweigerung mokrat Klaus von Dohnanyi Geschichte schwieriger als für andere. Aber Europäer auch die Interessen anderer Na-
und gleichzeitigen Anklage, die Regierung tue nichts, sein neues Buch „Nationale In- als heute erfolgreiche Wirtschafts- und Kul- tionen wie die USA, Russland oder China
ist aufgebraucht. Dafür gibt es nun keine Meriten teressen“ nicht geplant – und turnation machen wir es dann doch ganz gut verstehen?
mehr. Dass die Bundesregierung keinen eigenen Vor- doch ist es „am Ende zu einer und können ein Motor für Europa sein. Auch Um uns herum gruppieren sich große Mäch-
schlag machen wird und will, hat jetzt jeder ver- solchen geworden“. Darin fordert der 93-jäh- Frau Merkel hat das gezeigt. te, in meinem Buch behandle ich aus prakti-
standen. rige frühere Hamburger Bürgermeister und schen Gründen nur die USA, China und
Deshalb erfolgt nun ein Stimmungswandel, die Bundesbildungsminister in Zeiten des Bundeswirtschaftsminister Robert Ha- Russland. Diese Mächte nehmen erheblichen
Union will doch einen eigenen Vorschlag für eine machtpolitischen und technologischen Um- beck (Grüne) schrieb 2010 in einem Buch, Einfluss auf Europa und die europäischen
Impfpflicht vorlegen. Wobei hier von Pflicht nicht bruchs eine strategische Neuausrichtung dass er „mit Deutschland nichts anzufan- Möglichkeiten. Und da müssen wir zusam-
mehr gesprochen werden kann. Das Konstrukt soll von Deutschland und Europa. gen weiß“. Warum braucht Deutschland menstehen: mit unseren vielfältigen Fähig-
„Impf-Vorsorge-Gesetz“ heißen. Unionsleute wie eine „nationale Identität“ – und inwiefern keiten und doch gemeinsamen Interessen.
CDU-Chef Friedrich Merz und CSU-Landesgruppen- VON JANA WERNER würde sie nützen? Diese Vielfalt zu erhalten, ist auch unsere
chef Alexander Dobrindt bemühten sich dieser Tage, Ich kenne den Satz nicht und auch nicht den politische Aufgabe.
die konkrete Ausgestaltung zu erklären. So viel: Es WELT: Herr von Dohnanyi, Sie beschäfti- Zusammenhang, in dem er eventuell gefallen
wird kompliziert. Deshalb soll es demnächst auch gen sich seit Längerem mit der Suche sein sollte. Aber natürlich brauchen wir, wie Würde die Vision der Vereinigten Staaten
erst mal nur Eckpunkte dazu geben. nach einer deutschen Identität: Wer sind jede Nation, eine Wurzel, eine „Identität“, von Europa die EU wirtschaftlich refor-
In der Kommunikation wird vor allem ein Bogen wir Deutschen heute? aus der sich eine gewisse Kontinuität unse- mieren, Bürokratie abbauen und die Posi-
um einen Begriff gemacht: „Impfpflicht“. Es wird an KLAUS VON DOHNANYI: Alle europäischen rer Interessen ableiten lässt. Wenn zum Bei- tion im internationalen Kräfteverhältnis
einem Gesetz geschrieben, das erst „scharf gestellt“ Nationen haben eine lange kulturelle und spiel heute im Ausland oft behauptet wird, festigen?
werden soll, wenn es gebraucht wird. Heißt: Falls im politische, ihre Identität prägende Ge- Deutschland habe ein „Russland-Problem“ – Ich kenne niemanden in der deutschen Poli-
Oktober die x-te Corona-Welle dräut, müssen der schichte. Für die meisten Nationen spielt na klar, wir sind Nachbarn und hatten eine tik, der zulassen würde, dass Brüssel über
Bundestag und der Bundesrat das bis dahin schon diese Geschichte heute noch eine beachtli- lange historische Verflechtung, auch mit die Einzelheiten unseres Bundeshaushaltes,
verabschiedete Gesetz erst noch in Kraft setzen. che Rolle für ihr Selbstverständnis und sehr negativen Folgen zum Beispiel für Po- zum Beispiel für Verteidigung oder Sozialpo-
Dann sollen genau auf die dann vorherrschende Co- Selbstbewusstsein. Ungarn wurde zum Bei- len. Auch das gehört zu unserer „Identität“. litik, entscheidet. Hier zeigt sich die demo- so war aus meiner Sicht der Ausstieg ange-
rona-Variante zugeschnittene Impfstoffe, die aber spiel über Jahrhunderte von Türken, Öster- kratische Souveränität eines Staates. Also: sichts der politischen Gesamtlage für uns
bereits in ausreichender Menge vorhanden sein reichern oder Russen beherrscht. Polen lit- Warum wird denn die Verfolgung nationa- „Staatenbund“ in Europa und gemeinsames unausweichlich. Wie die „nationalen Inte-
müssten, einer noch festzulegenden Zielgruppe – ten unter russischen und deutschen Teilun- ler Interessen in Europa hierzulande vor- politisches Handeln ja, aber der „Bundes- ressen“ innerhalb der EU fortbestehen, zei-
vielleicht besonders Kranke, vielleicht über 60-Jäh- gen und Besetzungen. Frankreichs Präsi- schnell als Nationalismus diskreditiert? staat Europa“ bleibt Illusion. gen gerade hier die Meinungsverschieden-
rige – in kürzester Zeit verimpft werden. Ach ja, dent Macron führte noch kürzlich den US- Viele Leute denken die Dinge nicht zu Ende: heiten mit Frankreich.
wissenschaftliche Begleitung soll auch noch erfolgen. Präsidenten Trump stolz an den Sarg Na- Die Nation bleibt die größte mögliche politi- Sie beklagen, dass „in der Politik eine Nei-
Das Gesetz enthält so viele unbekannte Variablen poleons. Bei uns hat der Holocaust einen sche Einheit für eine Demokratie. Wer sollte gung besteht, Wunschvorstellungen zu Überschätzt die Bundesrepublik ihre
und Kann-Optionen, die sich als vermeintlich Be- tiefen Riss im historischen Bewusstsein denn über Deutschlands Schicksal entschei- folgen, ohne die längerfristigen Konse- Möglichkeiten, einen maßgeblichen Ein-
kannte tarnen, dass man es selbst als Tarn-Gesetz entstehen lassen. Man hört, dass ein tiefe- den außer Deutschland? Etwa ein Parlament quenzen zu bedenken“: Welche Folgen fluss auf den Umgang mit dem Klimawan-
bezeichnen muss. Es soll verschleiern, dass die Uni- rer Geschichtsunterricht in der Schule oft in Brüssel aus 27 Nationen mit 24 Sprachen hat der hierzulande geplante Atomaus- del auszuüben?
on inzwischen keine Impfpflicht mehr will. Das fühlt kaum weiter zurückgeht als bis zu den Na- und einer Präsidentin aus Malta? Könnten stieg inmitten einer Staatenunion, die er- Ich glaube ja. Auch, weil es zwei große Staa-
sich für die Partei ein bisschen wie ein Kater an, den zis. Sind wir nun historisch weniger nostal- die zum Beispiel entscheiden, Deutschland wägt, der Atomkraft ein grünes Label an- ten gibt, die dabei besonders bedeutsam sein
man schwer bereut. gisch, aber deswegen moderner und kön- müsse die Atomenergie wieder einführen? zuheften – zumal alternative Stromquel- werden und zu denen Europa gegenwärtig
Als im November plötzlich von den Spitzen von nen in Europa unbefangener vermitteln? Oder dass Frankreich sie abschaffen müsse? len noch nicht ausreichen? die Möglichkeit einer langfristigen vertrau-
Partei und Fraktion aus einem kategorischen Nein Mein Buch „Nationale Interessen“ ver- Nationale Egoismen in Europa sind schädlich Zunächst zu den Wunschvorstellungen: ensvollen Zusammenarbeit infrage stellen
zur Impfpflicht ein definitives Ja wurde, sprangen sucht eine positive Antwort. – aber nationale Interessen sind ein Fakt. Mein Buch macht den Versuch, die Interes- könnte: Russland und China. Wäre nicht ei-
die Allermeisten auf. Nun, eine Omikron-Variante sen anderer Staaten realistisch zu verstehen, ne enge klimapolitische Zusammenarbeit für
später, hat sich die Mehrheit wieder ihrer ursprüng- Wissen Deutsche viel zu oft, wer sie Brauchen wir im deutschen Interesse um so tragfähige Kompromisse mit den Deutschland und Europa wichtiger als Kritik
lichen Haltung besonnen. Bei der CSU-Klausurta- nicht sein wollen – und viel zu selten, noch mehr Europa – und warum kann deutschen und europäischen Interessen zu an der Innenpolitik dieser Staaten, die wir
gung am Mittwoch und Donnerstag vergangener wer sie sind? Deutschland nur mit Europa bestehen ermöglichen. Was die Atomenergie angeht, doch nicht werden ändern können?
Woche war das Stimmungsbild gegen die Impf-
pflicht recht eindeutig. In der CDU sieht es nicht
viel anders aus.
Doch aus parteipolitischer Räson, nicht zuletzt,
weil CSU-Chef Markus Söder nach wie vor für die
allgemeine Impfpflicht ist und man sich nicht dem

Antrag aus der mitregierenden FDP gegen die Pflicht
anschließen will, konstruiert die Union nun ein Ge-
setz, das ihren Meinungswandel verschleiert. Das ist
unlauter. Die Union sollte sich politisch ehrlich ma-
chen. Bei diesem sensiblen Thema gibt es schon viel
INNENPOLITIK
Agrarwende, um die Treibhausgase zu reduzieren. Sie blo- Veranstaltungen oft unangemeldet. Auch aus der SPD gab es
ckieren seit etwa zwei Wochen immer wieder Autobahnen, Kritik. Benjamin Grimm, Staatssekretär in der Staatskanzlei,
vor allem in Berlin, aber auch in Hamburg, München oder sagte der „Lausitzer Rundschau“, Schröter „sollte sich sehr
Freiburg. Im Zusammenhang mit Polizeiaktionen bei den genau ansehen, mit wem er da mitmarschiert“.
IMPFPFLICHT FÜR PFLEGEKRÄFTE Blockaden erheben sie schwere Vorwürfe. Demonstranten

Söder: „großzügigste“ Regeln AUSSENPOLITIK

zu viel Taktiererei. Wer keine Impfpflicht will, soll seien teils mit Skalpellen von der Fahrbahn geschnitten
aufrichtig sein und es sagen. worden, das sei Folter und unnötige Gewalt. Einen Kom-
mentar zu den Protesten und der Rolle der Grünen dabei
Bayern will die Corona-Impfpflicht für Beschäftigte im Ge- lesen Sie auf Seite 7.
MIGRATION
IMPRESSUM
sundheitswesen nach Angaben von Ministerpräsident Mar-
Verleger AXEL SPRINGER (1985†)

Ägäis: Leichen an Land gespült

kus Söder (CSU) bis auf Weiteres nicht umsetzen. Es werde
„großzügigste Übergangsregelungen“ geben, was „de facto UNVEREINBARKEITSLISTE
Herausgeber: Stefan Aust Ausland: Klaus Geiger Forum: Rainer

AfD will keine „Freien Sachsen“

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zunächst einmal auf ein Aussetzen des Vollzugs hinaus-
läuft“, sagte der CSU-Vorsitzende nach einer Videoschalte Gut sechs Wochen nach dem Untergang von Booten mit Mig-
des Parteivorstands. Grundsätzlich plädierte Söder erneut ranten haben die griechischen Behörden in der Ägäis drei
für eine allgemeine Corona-Impfpflicht – er hoffe sehr, dass Sie sind im Fokus des sächsischen Verfassungsschutzes, der weitere Leichen entdeckt. Die Leichen von zwei Männern und
es hier eine „kluge Entscheidung“ gebe. Die Impfpflicht nur sie als rechtsextremistisch und verfassungsfeindlich ein- einer Frau seien stark verwest, hieß es seitens der Küsten-
für Beschäftigte im medizinisch-pflegerischen Bereich sieht stuft: die „Freien Sachsen“. Nun wird die rechtsextreme wache am Montag. Die Behörden gehen davon aus, dass es
er mittlerweile dagegen kritisch: Sie sei „kein wirksames Kleinpartei von der AfD auf ihre Unvereinbarkeitsliste ge- sich um Migranten handelt, die nach dem Kentern ihrer Boo-
Mittel mehr, um die jetzige Omikron-Welle zu begleiten setzt. Das habe der Bundesvorstand einstimmig beschlossen, te Ende Dezember vermisst wurden. Seitdem werden immer
oder zu dämpfen oder zu stoppen.“ Die Abwanderung von sagte ein Parteisprecher am Montag nach einer Schalte des wieder Leichen auf Inseln der Ägäis angespült. Die Migranten
Pflegekräften könnte zu einer Zusatzbelastung und Ver- Vorstands. Weitere Informationen gab es zunächst nicht. hatten versucht, direkt aus der Türkei durch die Ägäis nach
schlechterung der Situation in der Pflege führen, warnte Der Vorstand hatte Anfang Januar die Bundesgeschäftsstelle Kalabrien in Italien zu gelangen. Es handelt sich um Migrati-
Söder. Aus der SPD kam scharfe Kritik. Die bayerische Re- der AfD beauftragt, „die Organisations- und Unterstützer- onsbewegungen, die sich in den nächsten Monaten verstärken
gierung hintertreibe den gemeinsamen Beschluss von Bund struktur“ der „Freien Sachsen“ zu prüfen. Auf der Unver- dürften. Die Gründe dafür werden erklärt auf Seite 5.
und Ländern und das von CDU/CSU breit mitgetragene einbarkeitsliste führt die AfD Organisationen und Vereine
Gesetz, sagte die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD- auf, deren Mitgliedern ein Zutritt zur Partei verwehrt wird,
Bundestagsfraktion, Heike Baehrens. Bundesgesundheits- etwa NPD, DVU oder „Der III. Weg“. In der Vergangenheit BORIS JOHNSON

Olaf Gersemann, Thomas Exner (Senior
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„I will survive“
minister Karl Lauterbach (SPD) sagte: „Laxe Vollzugsregeln gab es aus dem Rechtsaußen-Lager der AfD wiederholt For-
der einrichtungsbezogenen Impfpflicht können nicht nur derungen nach Abschaffung der Unvereinbarkeitsliste. Die
das Leben der älteren Menschen mit schwachem Immun- „Freien Sachsen“ zählen zu den Kräften, die immer wieder
system gefährden.“ Sie untergrabe auch die Glaubwürdigkeit Gegner der Corona-Politik mobilisieren. Der britische Premierminister Boris Johnson (57) bemüht in
von Politik. Einen Kommentar zur Impfpflicht im Gesund- der „Partygate“-Affäre einen Partyklassiker, um seinen
heitswesen finden Sie auf Seite 7. Kampfgeist zu beweisen. Johnsons neuer Kommunikation-
BRANDENBURGS EX-INNENMINISTER schef Guto Harri berichtete dem Nachrichtenportal

Karin Sturm
Chefökonomin: Dr. Dorothea Siems
Auslandskorrespondenten: Athen:
Kritik an Demo-Teilnahme
spiegel erhalten Sie über PMG Presse-
Golwg360, dass er den konservativen Regierungschef als
BERLIN
Monitor GmbH, www.presse-monitor.de,
E-Mail: info@presse-monitor.de. Für Erstes gefragt habe: „Wirst Du das überstehen, Boris?“ („Are

Protestler blockieren Autobahn

Carolina Drüten Brüssel: Dr. Tobias
Kaiser, Dr. Christoph Schiltz Kapstadt:
Christian Putsch London: Stefanie
Bolzen Marrakesch: Alfred Hackens-
berger Moskau: Pavel Lokshin New York:
Hannes Stein Paris: Martina Meister
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you going to survive, Boris?“). Daraufhin habe der Premier
Dieser Besuch sorgt für Aufsehen: Brandenburgs ehemaliger angefangen, den berühmten Song von Gloria Gaynor von
Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) hat in Hohen sich zu geben: „I will survive“ („Ich werde überleben“).
Wieder Blockade, wieder ein (umweltschädlicher) Stau: Neuendorf an einer Demonstration gegen Corona-Maß- Dann sangen beide angeblich die nächsten zwei Zeilen noch
Klimaaktivisten haben am Montagmorgen erneut zeitweise nahmen teilgenommen. Das bestätigte Schröter dem „Nord- gemeinsam weiter. Harri soll die Außendarstellung der Re-
Zufahrten zur Berliner Stadtautobahn A100 besetzt. Die kurier“. Er tue das, weil er überzeugt sei, dass die 2G-Re- gierung verbessern. Johnson steht wegen der Affäre um
Polizei berichtete von zwei Aktionen in Charlottenburg- gelungen nicht mit dem Grundgesetz vereinbar seien, so Lockdown-Partys in der Downing Street während der Coro-
Wilmersdorf. An der Ausfahrt Kurfürstendamm seien sechs Schröter. „Ich weiß, dass man bürgerliche Freiheitsrechte na-Pandemie unter Druck. Sogar mehrere Abgeordnete sei-
Aktivisten von der Fahrbahn gezogen worden, auf der Ge- einschränken kann, wenn von Menschen Gefahren ausgehen ner Konservativen Partei fordern seinen Rücktritt.
genseite am Messegelände 15, sagte ein Polizeisprecher. Fünf und sie andere Menschen in Gefahr bringen.“ Von negativ
Menschen hätten sich auf der Fahrbahn festgeklebt. Eine getesteten Menschen gehe seiner Ansicht nach aber keine
weitere Aktion sei verhindert worden. Es gab einen langen Gefahr aus. Schröter war von 2014 bis 2019 Innenminister in ISRAEL

„Grüner Pass“ nicht mehr nötig

(Frankreich), „Le Soir“ (Belgien),
„Tages-Anzeiger“ und „Tribune de
Genève“ (beide Schweiz)
Verantwortlich im Sinne des Pressege-
setzes: Seite 1/Auf einen Blick: Christian
Gaertner Deutschland: Claudia Kade
notierungen. Für unverlangt eingesandtes
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Stau Richtung Wedding. Nach Beobachtung eines Reporters Brandenburg. Grünen-Landeschefin Julia Schmidt nannte es
der Deutschen Presse-Agentur war die Stimmung der blo- den Potsdamer „Neuesten Nachrichten“ gegenüber „ziem-
ckierten Autofahrer teils aggressiv. Auf Twitter kursierte ein lich erschreckend“, das ein ehemaliger Innenminister zu
Video von schimpfenden Männern, die versuchten, Pro- Anti-Corona-Maßnahmen-Demos gehe. Diese würden oft Trotz Rekordzahlen bei den Schwerkranken in der Omikron-
testierende von der Straße zu ziehen. Die Aktivisten fordern von Rechtsextremen unterwandert, es gebe dabei teils Ge- Welle entfällt in Israel weitgehend die Pflicht für den so-
ein Gesetz gegen Lebensmittelverschwendung und eine walt gegen Polizisten und Journalisten, zudem seien die genannten „Grünen Pass“. Seit Montag müssen die Men-

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DIE WELT DIENSTAG, 8. FEBRUAR 2022 * AUF EINEN BLICK 3

KULTUR UND GESELLSCHAFT

Betroffen wären davon mehrere hundert Millionen Nutzer
in Europa. Ob dahinter nur eine leere Drohung steckt, lesen
Sie auf Seite 9.

GELDWÄSCHE FÜR KOKAINHÄNDLER?
Credit Suisse vor Gericht
Mit der Credit Suisse sitzt seit Montag erstmals eine Groß-
bank auf der Anklagebank des Schweizer Bundesstrafge-
richts. Die Staatsanwälte werfen dem Institut und einer
ehemaligen Mitarbeiterin Geldwäsche für einen bulgari-
schen Kokainhandelsring vor. Bei einer Verurteilung droht
dem Institut eine Zahlung von rund 42,4 Millionen Franken.
Schwerer ins Gewicht fallen dürfte allerdings die potenzielle
Rufschädigung für die Bank, die auf eine Reihe von Skan-
dalen und Verfahren zurückblickt. Credit Suisse bestreitet
die Vorwürfe. Die 515 Seiten lange Anklageschrift liest sich
wie ein Krimi. Im Zentrum steht ein ehemaliger bulgarischer
Spitzenringer, der tonnenweise Kokain geschmuggelt haben
LEIPZIGER BUCHMESSE
Portugal präsentiert 30 Autoren
Unter dem Motto „Die Unerwartete Begegnung des Ver-
schiedenartigen“ tritt Portugal als Gastland der diesjährigen
Leipziger Buchmesse vom 17. bis 20. März auf. Rund 30 Au-
toren aus portugiesischsprachigen Ländern nehmen am
Messeprogramm teil. „Uns geht es nicht um ein einzelnes
Land, sondern um die Vielfalt einer Sprache, die von über
240 Millionen Menschen auf der Welt gesprochen wird“,
erklärte Patrícia Salvacão Barreto, Kulturrätin der Botschaft
von Portugal in Berlin. Im Rahmen des Gastlandauftrittes
erscheinen rund 50 neue Bücher in deutscher Sprache.
RASSISTISCHE AUSSAGEN

Spotify stärkt Joe Rogan

soll. Ein Vertrauensmann soll in Rollkoffern Millionen an
Bargeld in gebrauchten Scheinen zur Credit Suisse gebracht
und in ein Schließfach gelegt haben. Die Beraterin habe mit
der Abwicklung von Finanztransaktionen von mehr als 146
Millionen Franken dazu beigetragen, die kriminelle Her-
kunft des Vermögens zu verschleiern, so die Anklage.
INTERNATIONALE SCHIFFFAHRT
Der Musik-Streaminganbieter Spotify hält an dem wegen
rassistischer Aussagen in die Kritik geratenen Podcast-Mo-
deratoren Joe Rogan fest. Er verurteile zwar das, was Rogan
von sich gegeben habe, es sei aber nicht richtig, diesen zum
Schweigen zu bringen, sagte Spotify-Geschäftsführer Daniel
Ek. Vergangene Woche wurde eine Sammlung mit Aus-

Elf Prozent der Container im Stau

schnitten veröffentlicht, in denen Rogan wiederholt ras-
sistische Ausdrücke verwendete. Die Grammy-Preisträgerin
India Arie präsentierte die Sammlung auf ihrem Instagram-

BERTOLD FABRICIUS/ PRESSEBILD.DE

Staus auf den internationalen Routen der Containerschiff-
fahrt behindern weltweit weiterhin die Versorgung mit Gü-
tern und Rohstoffen. „Rund elf Prozent aller weltweit ver-
schifften Waren stecken derzeit in Staus fest“, berichtete
das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW). Parallel legt
Konto. Dazu stellte sie den Hashtag #DeleteSpotify (Spotify
löschen). Rogan entschuldigte sich für die Ausdrücke.
BERLINER OPERNREGISSEUR

Trauer um Hans Neuenfels

Meinen Sie also, Deutschland sollte etwa
beim Umgang der Chinesen mit den Uigu-
ren den Mund halten?
indes der Welthandel kräftig zu und liegt inzwischen nach
Einschätzung der IfW-Volkswirte sogar über dem Niveau vor
der Corona-Krise. Die Pandemie hat die Fahrpläne der Li-
nienreedereien durcheinandergebracht, auch, weil immer Der renommierte Theater- und Opernregisseur Hans Neu-
wieder Häfen nach Corona-Ausbrüchen geschlossen wurden. enfels ist tot. Er starb im Alter von 80 Jahren in Berlin. Der
werbsfähige Politik gibt. Unter anderem soll- Der frühere in Krefeld geborene Regisseur hatte seine Schauspiel- und
ten dafür die heutigen Begrenzungen von Hamburger Regieausbildung in Wien begonnen und dort seit Mitte der
staatlichen Kapitalzuwendungen, genannt Bürgermeister BÖRSE 60er-Jahre inszeniert. Er arbeitete unter anderem am Thea-

Dax etwas erholt

Natürlich nicht. Wir sollten aber so vorge-
hen, dass sich auch etwas ändern könnte:
Asyl in Einzelfällen ermöglichen? Mit der
Regierung über Alternativen reden? Nur
durch lauthalse Ermahnungen werden wir
das Schicksal der Uiguren in China nicht ver-
bessern. Und die übliche moralische Selbst-
bestätigung reicht mir eben nicht.
Sie fordern „politischen Mut, Geduld für
große Debatten und Führung“: Erkennen
„Beihilfen“, an private Unternehmen nicht Klaus von ter Heidelberg, dem Stuttgarter Staatstheater und dem
enger sein, als bei unseren großen internatio- Dohnanyi Schauspiel Frankfurt. Ende der 80er-Jahre war er Intendant
nalen Wettbewerbern, wie zum Beispiel bei der Freien Volksbühne in Berlin. Bekannt wurde Neuenfels
den USA. Heute werden wir hier von der EU Im aktuell schwierigen Börsenumfeld gewann der Dax rund auch als Opernregisseur mit Inszenierungen etwa von Verdi-
im Wettbewerb erheblich behindert. Dann 0,7 Prozent und stand zum Xetra-Handelsschluss bei 15.207 und Mozart-Opern in Frankfurt, Berlin, Bayreuth und Wien.
brauchen wir außenpolitisch und sicherheits- Punkten. Online-Titel wie die des Kochboxenversenders 2005 und 2008 wurde er als Opernregisseur des Jahres aus-
politisch eine Debatte darüber, dass die USA Hellofresh und des Essenlieferdienstes Delivery Hero erhol- gezeichnet, 2016 erhielt er den Deutschen Theaterpreis
natürlich nur ihre Interessen vertreten – und ten sich mit Kursaufschlägen von bis zu vier Prozent. Auch „Faust“ für sein Lebenswerk.
was dann die europäischen wären, etwa in die Papiere des Softwarekonzerns SAP kamen mit plus 2,4
der Ukraine-Frage. Die USA sind 6000 Kilo- Prozent in Gang. Am Dax-Ende verbilligten sich Vonovia um
meter von Europa entfernt – ist ihnen die 1,9 Prozent. Weitere Kurse finden Sie auf Seite 9. POLIZISTENMORD

400 Fälle von Internet-Hetze

Sie das in der neuen Bundesregierung – Unversehrtheit Europas ebenso wichtig wie

und was ist für Deutschland jetzt wichtig?
Man muss der neuen Bundesregierung Zeit
geben. Aber wichtig erscheint mir zum Bei-
spiel: Deutschland braucht in Brüssel eine
Wirtschaftspolitik, die uns den notwendigen
SPORT
uns? Oder: Wir brauchen eine Klimapolitik,
die schon jetzt die Klimafolgen berücksich-
tigt und auch die Zusammenarbeit mit Russ- In der Woche nach der Tötung von zwei Polizisten in der
land und China stärkt. Mir geht es um mehr Pfalz hat die Ermittlungsgruppe „Hate Speech“ 399 Fälle
Ehrlichkeit in der Beurteilung der Interessen BUNDESLIGA von Hass und Hetze im Internet im Zusammenhang mit der

Süle unterschreibt in Dortmund

Freiraum für eine international wettbe- Deutschlands, Europas und anderer Staaten.
schen den Nachweis für Geimpfte und Genesene nur noch
bei großen Veranstaltungen wie Feiern und Hochzeiten vor-
zeigen. Der Besuch von Restaurants, Kinos und Hotels ist
nun auch ohne „Grünen Pass“ und ohne negativen Corona-
Test möglich. Auch bei der Ausreise müssen Ungeimpfte
keinen negativen Corona-Test mehr vorlegen. Israel hat
nach derzeitigem Stand vor rund zwei Wochen den Höhe-
punkt der Omikron-Welle überschritten. Nach mehr als
Fußball-Nationalspieler Niklas Süle wechselt im Sommer
ablösefrei vom FC Bayern München zu Borussia Dortmund.
Der Vertrag des 26-Jährigen in München läuft nach der ak-
tuellen Saison aus, die Unterschrift beim BVB gaben die
21. Februar um die Aufhebung seiner Bestellung bitten, Dortmunder am Montag bekannt. Süle, dessen Abgang vom
teilte der einflussreiche Lobbyverband mit. Lang wolle sich Rekordmeister seit einiger Zeit feststand, war im Sommer
neuen Aufgaben außerhalb des Verbandes widmen. „Dies 2017 von der TSG 1899 Hoffenheim für rund 20 Millionen
geschieht in voller wechselseitiger Wertschätzung der Be- Euro zu den Münchnern gewechselt. Mit den Bayern wurde
teiligten“, heißt es in einer von BDI-Präsident Siegfried er in jeder Saison Meister, dazu zweimal DFB-Pokalsieger
Russwurm und Lang gemeinsam verbreiteten Erklärung. und einmal Champions-League-Gewinner. Süle und die
Ob der Rückzug nicht aber doch politische Gründe hat, Münchner hatten sich vor allem aus wirtschaftlichen Grün-
lesen Sie auf Seite 9. den nicht auf eine Verlängerung des am Saisonende aus-
Tat festgestellt. 102 Beiträge davon seien nach vorläufigem
Stand strafrechtlich relevant, sagte der rheinland-pfälzische
Innenminister Roger Lewentz (SPD). 15 mutmaßlich Verant-
wortliche seien mit Klarnamen bereits ermittelt worden.
Lewentz nannte die Erschießung der beiden jungen Polizis-
ten „einen feigen Mord auf brutalste Art und Weise“. Bereits
in der Nacht zu Freitag hatte die Polizei in der Verbands-
gemeinde Herrstein-Rhaunen (Rheinland-Pfalz) einen Mann
festgenommen. Der 55-Jährige soll in seinem öffentlichen
Facebook-Profil zwei Videos hochgeladen haben, in denen er
unter anderem eine Anleitung dazu gab, Polizisten auf einen
Feldweg zu locken und aus dem Hinterhalt zu beschießen.
RETTUNGSAKTION IN DEN USA

18 Menschen auf einer Eisscholle

85.000 Neuinfektionen an einem Tag wurden am Sonntag laufenden Vertrags einigen können.
noch 33.394 neue Fälle gemeldet.
KRYPTOWÄHRUNGEN
BELÄSTIGUNG
WISSEN
Die US-Küstenwache hat 18 Personen von einer treibenden

Overmars tritt bei Ajax zurück

Wer sind die Vorreiter? Eisscholle gerettet, die sich kurz zuvor auf einem See an der
Grenze zu Kanada gelöst hatte. Sieben Menschen seien per
Anteil der Befragten, die Kryptowährung nutzen/besitzen Hubschrauber, die übrigen mit Booten in Sicherheit ge-
MEDIZIN in Prozent Der ehemalige niederländische Fußball-Nationalspieler Marc bracht worden. Alle seien unverletzt. Trotz Warnungen des

Gelähmte können wieder gehen

Overmars ist wegen Belästigungsvorwürfen als Sportdirektor Wetterdienstes war die Gruppe demnach mit Schneemobi-
Südafrika 22
des Vereins Ajax Amsterdam zurückgetreten. Sein Verhalten len unterwegs, als sich das Eis von der Küste bei Catawba
Indien 18 weiblichen Mitarbeitern gegenüber sei „inakzeptabel“ gewesen, Island (US-Bundesstaat Ohio) im Eriesee löste. Der See
Es klingt biblisch, ist aber moderne Medizin: Nach einem Südkorea 17 erklärte Overmars. Einer Mitteilung des Vereins zufolge hatte gehört zu den fünf Großen Seen („Great Lakes“) im Nord-
nur vergleichsweise kurzen Training haben drei Quer- Schweiz 17 der 48-Jährige eine „Reihe von unangemessenen Nachrichten“ osten der USA. Durch ihn verläuft die Grenze zu Kanada.
schnittsgelähmte es geschafft, wieder zu stehen und kurze USA 13 an die Betroffenen verschickt. Overmars, der die Niederlande
Strecken zu gehen. Möglich ist dies dank einer neuen, ex- Österreich bei den Weltmeisterschaften 1994 und 1998 sowie den Europa-
WETTER
12
perimentellen Therapie, bei der Elektroden an Nervenbah- meisterschaften 2000 und 2004 vertrat, war seit 2012 bei Ajax
Deutschland 10
nen implantiert wurden. Wie das unmöglich Erscheinende im Amt. Aufsichtsratschef Leen Meijaard bezeichnete Over- 4 5
den Forschern der Eidgenössischen Technischen Hoch- China 8 mars als „den besten Fußballdirektor, den Ajax je hatte“. 5 Kiel
schule Lausanne in der Schweiz glückte: Seite 8. UK 5 9
8 7
Rostock
Frankreich 7 Hamburg 8
FC BAYERN MÜNCHEN
Bremen
7
Basis: Über 2000 Befragte (18-64 Jahre) je Land; erhoben
10 9
VERHALTENSFORSCHUNG
Neuer fällt wochenlang aus
in vier Wellen von Jan. - Dez. 2021 8 8
Hannover Berlin

Affen benutzen Insekten als Medizin

9
Quelle: Statista Global Consumer Survey
11 6
8 Münster 10
Nach der überraschenden Operation von Fußball-National- 8
9
Berichte, nach denen Tiere die heilende Kraft von Pflanzen GEHALTSREPORT 2022 torhüter Manuel Neuer rückt Sven Ulreich beim FC Bayern 7 Kassel Leipzig
Düsseldorf 8

Das verdienen die Deutschen

nutzen, um Infektionen zu kurieren, gibt es immer mal wie- vor dem Start der K.-o.-Runde in der Champions League in 8 6
Köln 4 6
4 Dresden
der. So esse Affen bestimmte Sprösslinge gegen Darmbe- den Blickpunkt. Der 33-Jährige, der den Fußball-Nationaltor- 11
7 Sonne
schwerden oder schmieren sich mit Pflanzensäften ein, um hüter schon nach dessen Mittelfußbrüchen 2017/18 vertreten Frankfurt
Parasiten zu vertreiben. Nun berichten deutsche Forscher Um ihr Gehalt machen viele Deutsche noch ein Geheimnis. hatte, soll den Münchnern bei einem erfolgreichen Start in 10 4
Saarbrücken 6
davon, dass Schimpansen in Gabun ihre Heilkünste weiter Der Gehaltsreport 2022 gibt jetzt eine Orientierung, was die die Königsklasse helfen. Neuer fällt nach einer nicht näher 7
Nürnberg 07:48 17:24
vervollkommnet haben: Sie fangen Insekten und schmieren Menschen im Land verdienen – aufgeschlüsselt nach Bran- benannten Operation am rechten Knie für die „kommenden 2 6
Stuttgart 2 Mond
sich deren Körpersaft auf klaffende Wunden. Was dahinter- che, Berufsfeld, Region. StepStone und Gehalt.de haben Wochen“ aus.
10
steckt und ob sich Menschen möglicherweise manche Heil- dafür rund 600.000 aktuelle Gehaltsdaten analysiert. In 3 1
künste im Tierreich abgeguckt haben, lesen Sie auf Seite 8. welchen Berufen und Branchen am meisten verdient wird, Friedrichshafen München
9
10:45 01:07
6
erfahren Sie auf Seite 11. IM ELFMETERSCHIESSEN -1 1 Angaben für Kassel

WIRTSCHAFT UND GELD Senegal gewinnt Afrika-Cup Teils etwas Regen, teils freundlicher
INSTAGRAM UND WHATSAPP
Heute: Im Norden, im Osten und vereinzelt über den Mittelgebirgen

Meta droht mit Abschaltung

BDI
Hauptgeschäftsführer Lang geht
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) sucht
einen neuen Hauptgeschäftsführer. Amtsinhaber Joachim
Lang werde das Präsidium in dessen nächster Sitzung am
Senegal hat erstmals den Afrika-Cup gewonnen. Das Team
um Liverpool-Star Sadio Mané setzte sich im Endspiel in
Kameruns Hauptstadt Yaoundé gegen Rekordsieger Ägypten
Meta, der Mutterkonzern von Facebook, Instagram und mit 4:2 im Elfmeterschießen durch. Die beste Chance in der
WhatsApp, erwägt, seine Dienste nicht mehr in Europa regulären Spielzeit vergab Mané in der siebten Spielminute.
anzubieten, sollte es weitere Regulierungen zum Transfer Der Angreifer des FC Liverpool schoss zu schwach, sodass
von Daten durch die EU geben. Das geht aus dem Jahres- Ägyptens Keeper parieren konnte. Doch im Elfmeterschie-
bericht des Konzerns an die US-Börsenaufsicht SEC hervor. ßen machte der Liverpool-Star den entscheidenden Treffer.
fällt aus grauen Wolken etwas Regen, auf den Gipfeln Schnee. Im
äußersten Südwesten, an den Alpen und später zum Teil auch an der
Küste zeigt sich hin und wieder die Sonne. Die Temperaturen steigen
auf 2 bis 11 Grad. Der Wind weht teils schwach bis mäßig, teils frisch
und an der Küste anfangs stark aus Südwest bis West.
Biowetter: Bei Personen mit niedrigen Blutdruckwerten kommt es
vermehrt zu Kopfschmerzen und Schwindelgefühlen. Entsprechend
vorbelastete Menschen müssen auch mit Migräne rechnen. Neben
einer erhöhten Reizbarkeit ist die Leistungsfähigkeit eingeschränkt.

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4 POLITIK
Mehr als 45 Millionen in
Deutschland geboostert
Große Unterschiede zwischen den Bundesländern
D
ie Impfung der Bevölkerung in
Deutschland gegen das Coro-
navirus schreitet langsam vo-
ran. Nach Angaben des Robert-Koch-
Instituts (RKI) vom Montag (Stand
09.31 Uhr) wurden am Sonntag 45.000
Impfdosen verabreicht. Damit haben
nun 61,9 Millionen Menschen oder
74,4 Prozent der Bevölkerung einen
Grundschutz, für den meist zwei
Spritzen nötig sind. Mindestens 45,2
Millionen Personen (54,3 Prozent)
hätten jetzt zusätzlich eine Auffri-
schungsimpfung.
Eine große Gruppe von 20 Millionen
Menschen bleibt aber weiterhin un-
geimpft. Das entspricht 24 Prozent der
Bevölkerung. Für vier Millionen von
ihnen (4,8 Prozent) ist allerdings bis-
her kein Impfstoff zugelassen, weil sie
vier Jahre oder jünger sind. Mindes-
tens eine Impfdosis haben 63,2 Millio-
Kalkulierte Gefährdung des
Koalitionsfriedens
Die FDP geht in der Corona-Politik auf Distanz zu
SPD und Grünen. Was heißt das für die Regierung?
D
ie Rückkehr zum gesellschaftli-
chen Normalzustand sei
„Staatsaufgabe Nummer eins“,
sagt Thomas Kemmerich, Vorsitzender
der Thüringer FDP. „Unser Land
braucht sofort, also nicht erst in ein
paar Wochen, einen Plan zur Abschaf-
fung aller Maßnahmen.“ Nun ist Kem-
merich in der FDP ein Paria, seit er sich
im Frühjahr 2020 mit den Stimmen der
AfD zum Ministerpräsidenten des Frei-
staats wählen ließ und danach allen Bit-
ten trotzte, als Landesparteichef zu-
rückzutreten. Doch seine auf die Thü-
ringer Landesregierung gemünzten
Forderungen in der Corona-Politik
treffen nun den Nerv der Liberalen
auch im Bund: „Die Menschen möchten
endlich wieder leben, und nicht immer
nur immer Durchhalte-Parolen hören.“
VON THORSTEN JUNGHOLT
Ob der Bundesvorsitzende und Fi-
nanzminister Christian Lindner, Jus-
tizminister Marco Buschmann, Bun-
destagsfraktionschef Christian Dürr
oder Generalsekretär Bijan Djir-Sarai:
Sie alle versammelten sich in den ver-
gangenen Tagen hinter dem Schlag-
wort „Öffnungsperspektive“. Was da-
runter zu verstehen ist, das wurde um-
so deutlicher, je weniger formelle Nähe
zur Bundesregierung gegeben ist. So
betonte Lindner noch recht vorsichtig,
es gehe bei der Öffnungsdebatte nicht
darum, „dass jetzt alle Maßnahmen fal-
len“. Eine verlässliche Planung sei je-
doch bereits jetzt dringend notwendig,
etwa für den kulturellen Bereich oder
die Veranstaltungsbranche. Es solle
„über einzelne Vorgaben wie 2G im
Handel, einen Stufenplan zur Öffnung
und vor allem die Perspektive nach
dem 19. März gesprochen werden“, so
der Minister. Wenn der Bundestag
dann neu über die gesetzlichen Grund-
lagen für alle Corona-Maßnahmen ent-
scheide, dürften nach Überzeugung der
FDP „Eingriffe in unsere Grundrechte
nicht automatisch verlängert werden“.
Buschmann erinnerte in den „Tages-
themen“ daran, dass die Corona-
Schutzmaßnahmen der Gefahrenab-
wehr dienten. Wenn sich die Gefahren-
lage entspanne, müsse man auch Maß-
nahmen reduzieren. Die Politik müsse
„raus aus dem Modus des Improvisie-
rens“ und stattdessen „schauen, wel-
che Maßnahmen dann in welcher Rei-
henfolge aufgehoben werden können“.
Deutlicher auf Konfrontationskurs
zu den Regierungspartnern SPD und
Grüne, die sich mehrheitlich gegen
schnelle Lockerungen aussprechen,
gingen Dürr und Djir-Sarai. Das ent-
spricht ihren Aufgaben. Sie haben von
Lindner den Arbeitsauftrag bekom-
men, jenseits der notwendigen Kom-
promisse in der Ampel-Koalition das
Profil der FDP herauszuarbeiten. So
verlangte Dürr, die nächste Minister-
präsidenten-Konferenz am 16. Februar
solle konkrete Öffnungsschritte be-
schließen. So gehörten „die Kontaktbe-
schränkungen für Geimpfte jetzt auf
den Prüfstand. Wir müssen uns auf Lo-
ckerungen vorbereiten und dürfen der
Entwicklung nicht erneut hinterher-
laufen“, sagte Dürr WELT. Generalse-
kretär Djir-Sarai wiederum knöpfte
sich den Chef des Robert-Koch-Insti-
nen Menschen oder 76,0 Prozent der
Bevölkerung bekommen. Im Schnitt
der vergangenen sieben Tage wurden
rechnerisch jede Sekunde fast drei Per-
sonen geimpft.
Bei den Auffrischungsimpfungen
gibt es große Unterschiede zwischen
den Bundesländern. An der Spitze liegt
hier Schleswig-Holstein, wo bereits
62,4 Prozent der Menschen einen
Booster erhielten. Das Schlusslicht bil-
det Sachsen mit 43,9 Prozent.
Das Robert-Koch-Institut weist seit
Längerem darauf hin, dass die ausge-
wiesenen Zahlen als Mindestimpfquo-
ten zu verstehen sind. Eine hundert-
prozentige Erfassung durch das Mel-
desystem könne nicht erreicht werden.
Das RKI geht davon aus, dass die tat-
sächliche Impfquote bis zu fünf Pro-
zentpunkte höher liegt als auf dem
Dashboard angegeben. dpa
tuts (RKI) vor, Lothar Wieler. Der hat-
te in einer Nacht- und Nebelaktion den
Genesenenstatus von sechs auf drei
Monate verkürzt, was dazu führte, dass
Personen ohne vollen Impfstatus
plötzlich nicht mehr in Restaurants,
Bars oder in Fitnessstudios gehen
konnten. Gesundheitsminister Karl
Lauterbach (SPD) hatte zwar von Kom-
munikationsproblemen mit dem RKI
gesprochen, die Drei-Monats-Frist
aber verteidigt. Und ein Regierungs-
sprecher beteuerte, Wieler genieße
weiterhin das Vertrauen von Kanzler
Olaf Scholz (SPD). Djir-Sarai aber sagte
nun im „Spiegel“, für seine Partei gelte
das nicht: „Des Vertrauens der FDP
kann sich Herr Wieler aufgrund dieser
neuerlichen Verfehlung, die ja leider
keinen Einzelfall darstellt, nicht mehr
sicher sein.“ Gegenüber WELT ergänz-
te der Generalsekretär, dass „über den
Genesenenstatus künftig im Parlament
entschieden werden“ solle, nicht mehr
im RKI. Es ist der Versuch, den Unmut
der Betroffenen und auch der Wirt-
schaft über die Entscheidung aufzu-
greifen und politisch für die FDP aus-
zunutzen. Aber es ist eben auch eine
Distanzierung von der Ampel.
Überraschen kann das nicht, Djir-Sa-
rai hatte zu Jahresbeginn auf dem Drei-
königstreffen der FDP angekündigt,
kein „zusätzlicher Regierungsspre-
cher“ sein zu wollen, sondern sich um
das Wohlbefinden der Partei zu küm-
mern. Das ist ihm gelungen, von der li-
beralen Basis ist vornehmlich Lob für
die Attacke auf Wieler zu vernehmen.
Die Frage ist nur, was diese Art der
Profilierung für den Koalitionsfrieden
bedeutet. Schließlich mussten SPD und
Grüne der FDP bereits in Sachen Impf-
pflicht weit entgegenkommen. Sie ver-
zichteten auf einen Gesetzentwurf der
Regierung und ließen sich auf eine
Bundestagsdebatte ohne Fraktions-
zwang ein, deren Ausgang mehr als un-
gewiss ist.
Und in Sachen Wieler sagt die Grü-
nen-Parteivorsitzende Ricarda Lang:
„Das RKI hat eine wahnsinnig wichtige
Arbeit geleistet, das ist nicht zuletzt
das Verdienst von Lothar Wieler.“ Die
Kritik der FDP habe man zur Kenntnis
genommen: „Jeder entscheidet selbst
über seinen Stil.“ Djir-Sarai ficht das
nicht an. Er sieht es als Aufgabe einer
liberalen Partei, gerade in der Corona-
Politik immer wieder aufs Neue die
Frage nach der Verhältnismäßigkeit
staatlichen Handelns zu stellen. Er sei
überzeugt, „dass das Land eine Öff-
nungsperspektive braucht“. Dass eine
Regierung auch eine gemeinsame Linie
braucht, ist freilich ebenso wenig be-
streitbar. Dazu heißt es aus der Partei,
man zeige an anderer Stelle ausrei-
chend Solidarität. So sei Fraktionsvize
Konstantin Kuhle gerade der wegen
ausbleibender Abgrenzung zum Links-
extremismus ins Gespräch gekomme-
nen Innenministerin Nancy Faeser
(SPD) zur Seite gesprungen. Auch Au-
ßenministerin Annalena Baerbock
(Grüne) erfahre viel Unterstützung –
obwohl nicht alle in der FDP ihren
Kurs der Ablehnung von Waffenliefe-
rungen an die Ukraine teilten. Bei Co-
rona aber, dieser „Staatsaufgabe Num-
mer eins“, wollen sich die Liberalen
weiter Beinfreiheit nehmen.
DIE WELT DIENSTAG, 8. FEBRUAR 2022
S „Aus Sicht
ein Angebot, einige Tausend nicht verhehlen, dass wir uns als Berufs-
PCR-Tests pro Monat auszu- verband bislang gewehrt haben, andere
werten, werde bestimmt Gruppen diese ursprünglich humanärzt-
willkommen sein, sagt sich liche Tätigkeit ausüben zu lassen.“ Man
der Pandemie-
Karsten Heidtke im Frühjahr habe Qualitätsbedenken. Dabei sind etwa
2020. Knapp zwei Jahre später bezeich- die Labore Atlas Biolabs und CeGaT
net er diese Vorstellung als „naiv“. Die durch die Deutsche Akkreditierungsstel-
Erfahrungen seines molekulargeneti- le offiziell geprüft. Bobrowksi zufolge
Bekämpfung
schen Labors und anderer Unternehmen, hätte es für höhere PCR-Testkapazitäten
mit deren Vertretern WELT gesprochen einer finanziellen Absicherung der hu-
hat, zeigen deutlich: Die PCR-Testeng- manmedizinischen Labore bedurft – zum
pässe in Deutschland hätten verhindert Beispiel, um neue Geräte anzuschaffen.
ein Skandal“
werden können, wenn die Politik rechtli- Stattdessen sei die Vergütung für Tests
che Voraussetzungen geschaffen hätte. verringert worden.
Die Testpriorisierung, die voraussicht- Christoph Neumeier, Geschäftsführer
lich ab kommender Woche greifen soll, der Covimedical, eines der größten Test-
hätte es wohl nicht gebraucht. stellenbetreiber in Deutschland, sieht
Labormediziner betonen, die
einen anderen Weg, der zunächst para-
VON ANNA PARRISIUS UND LUISA HOFMEIER dox klingt: Schnelltests sollten durch
Denn Heidtkes Labor, die Atlas Biolabs PCR-Testkapazitäten seien ausgeschöpft. die ohnehin sichereren PCR-Tests er-
setzt werden. Neumeier sagt: Wer in
GmbH in Berlin, wo er den Bereich For- Dabei gibt es Labore, die gar nicht oder nur Deutschland aktuell Anrecht auf einen
beschränkt testen. Doch die Politik versäumte
schung und Bioinformatik leitet, führt kostenfreien PCR-Test hat, ist mit hoher
längst PCR-Tests durch – allerdings nur Wahrscheinlichkeit infiziert, die Rate
Anreize. Handelte sie im Interesse einer Lobby?
zu Forschungszwecken bei Personen, bei der positiv Getesteten hoch. Bundesweit
denen bereits eine Infektion diagnosti- lag sie laut Laborverband ALM zuletzt
ziert wurde. Regulär testen dürfen sie bei 41,1 Prozent. „Würden wir breiter
nicht. Es fehlt ein gesetzlich vorgeschrie- und auch anlasslos mit PCR-Tests tes-
bener Facharzt, der den Befund ausstel- ten, wäre sie niedriger“, sagt Neumeier.
len müsste. „Das ist, als würde man nach Dann könne man Pool-Tests sinnvoll
einem schweren Autounfall den Ersthel- einsetzen und mit derselben Kapazität
fer fragen, ob er approbierter Arzt ist“, mehr Menschen testen. Dabei werden
sagt Heidtke. „Und ihn wegschicken, mehrere Proben zusammengeführt. Nur
wenn er Nein sagt. Es grenzt an unterlas-
sene Hilfeleistung.“ WELT liegen zahl-
reiche Schreiben des Labors vor: an die
wenn der gesamte Pool positiv ist, wird
einzeln ausgewertet.
Das Pooling-Verfahren wird auch in
Berliner Landesregierung, die dortigen
Gesundheitsämter, die Fraktionen im
Wien eingesetzt, wo man bei knapp zwei
Millionen Einwohnern auf zwei bis 2,3
Bundestag und im Brandenburger Land- Millionen PCR-Tests pro Woche kommt
tag. Darin warnt das Unternehmen zwi- – in Deutschland liegt die Kapazität laut
schen April und Dezember 2020 mehr- Verband der Akkreditierten Labore in
fach vor Engpässen und schlägt in einem der Medizin wöchentlich bei 2,65 Millio-
Impulspapier gemeinsam mit anderen nen. Die Firma Lifebrain wertet in Wien
Akteuren Lösungen vor. Antworten gibt aktuell durchschnittlich 350.000 Proben
es kaum – und wenn, sind es Absagen. In am Tag aus. Deutschland hatte sich an-
den zwei letzten Mails an den damaligen ders als Österreich aktiv für eine
SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauter- Schnellteststrategie entschieden. Um-
bach sowie den Virologen Alexander Ke- schwenken will das Gesundheitsminis-
kulé ist die Frustration deutlich heraus- terium jedoch nicht. „Es gibt keinen An-
zulesen: „Wie viele der Todesfälle und haltspunkt dafür, dass sich die PCR-ba-
Infektionen mit Sars-CoV-2 hätten ver- sierten Bürgertestungen in Österreich
mieden werden können?“ positiv auf den Pandemieverlauf auswir-
Andernorts ähneln sich die Schilde- ken“, heißt es auf Anfrage. Auch Labor-
rungen: In Tübingen darf das humange- ärzte-Chef Bobrowski bewertet die Wie-
AFP/ ALEX HALADA
netische Labor CeGaT GmbH zwar PCR- ner Strategie kritisch. „Eine Industriali-
Tests durchführen, allerdings weniger als sierung der Medizin bedeutet immer,
möglich. Im Sommer 2020 testete das dass monetäre Gründe vor Qualitäts-
Labor täglich bis zu 3000 Reiserückkeh- gründen überwiegen.“
rer am Flughafen Stuttgart, aktuell sind Laborbeschäftigte der Firma Lifebrain in Wien Dass deutsche Betreiber humanmedi-
es maximal halb so viele. „Wir könnten zinischer Labore sein Modell bislang
mehr leisten“, sagt Geschäftsführer Dirk nicht nachahmen, sieht Lifebrain-Ge-
Biskup. Doch weil das Labor durch einen schäftsführer Michael Havel in Eigenin-
Arzt für Humangenetik geleitet wird und teresse begründet. „Sie wollen offenbar
nicht durch einen Allgemein- oder La- wenige Tests für einen möglichst hohen
bormediziner, dürfen sie symptomati- Tägliche Corona-Tests pro 1000 Menschen Preis anbieten statt möglichst viele Tests
sche Personen nicht testen. Ein Arzt al- Schnell- und PCR-Tests nach Ländern, gleitender Sieben-Tage-Schnitt zu niedrigem Preis.“ Wien zahle pro
lein reicht nicht, auch die fachärztliche PCR-Test inzwischen etwa sechs Euro. In
Richtung muss stimmen, wie die Kassen- 40 Deutschland sind es bei gesetzlich Versi-
ärztliche Bundesvereinigung (KBV) be- cherten mit Symptomen 35 Euro. Für ei-
stätigt. Biskup vermutet „einen starken 30 Griechenland**
ne Strategie wie in Wien fehlten aber ein-
Lobbyismus der abrechnungsberechtig- Israel* deutig auch Anreize seitens der Politik.
ten Labore“ hinter der Regelung. „Aus 20 Großbritannien* Lifebrain hat in Wien 65 Millionen Euro
Sicht der Pandemie-Bekämpfung ein Italien* investiert – nachdem die Stadt das Un-
Skandal“, findet er. Würde man alle hu- 10 Rumänien* ternehmen beauftragt hat.
mangenetischen Labore und Firmen, die USA* Der krankenhauspolitische Sprecher
sich mit PCR-Tests auskennen, einbezie- 0 Deutschland*
Polen***
der Linksfraktion im Bundestag, Ates
hen, könnte man ihm zufolge die Kapazi- 1. März 2020 8. Aug. 24. Feb. 2021 4. Feb. 2022 Gürpinar, fordert von der Bundesregie-
täten ohne Qualitätseinbußen um 50 * durchgeführte ** getestete *** getestete
Tests Stichproben Personen Quelle: Our World in Data
rung, die Erfahrungen in Wien auf
Prozent anheben. Auch veterinärmedizi- Deutschland zu übertragen. „Ein massi-
nische Labore dürfen laut KBV nur ver Ausbau der PCR-Kapazitäten wäre
asymptomatische Personen testen. Dass möglich, wird aber politisch blockiert.
sie überhaupt PCR-Tests durchführen Naturwissenschaftliche Labore bleiben
dürfen, daran hatte Heiko Färber, Ge- Tierärzte kurz vor der Abstimmung im dann eben sein zu lassen. Dabei könnten von der PCR-Diagnostik ausgeschlos-
schäftsführer des Bundesverbandes Bundestag heraus. „Das hat auf mich den alle gemeinsam etwa 150.000 PCR-Tests sen, obwohl sie das Know-how dafür ha-
Praktizierender Tierärzte, zwischenzeit- deutlichen Eindruck gemacht, dass man wöchentlich stemmen, schätzt er. An- ben.“ Karsten Heidtke sagt, sein Labor
lich gar nicht mehr geglaubt. Bereits im uns nicht braucht“, sagt Färber. Dann statt Veterinärmediziner aktiv einzube- könne mit den vorhandenen Kapazitä-
März 2020 habe sein Verband an den Kri- wurde die Gesetzeslage doch noch ange- ziehen, sei die Politik jedoch „auf den ten sofort einsteigen, wenn das Arztpro-
senstab des Bundesgesundheitsministe- passt. Ein paar tiermedizinische Labore Standesfrieden innerhalb der Humanme- blem gelöst wäre. Um neue Geräte anzu-
riums geschrieben, ohne eine Antwort zu testeten inzwischen; wie viele genau, ist dizin bedacht“. schaffen und in der Omikron-Welle
erhalten. Aus einer Änderung des Infekti- unklar. Viele hätten sich Färber zufolge Andreas Bobrowski, Chef des Ver- noch im großen Maße zu testen, sei es
onsschutzgesetzes im Mai 2021 fielen aber schon vor Monaten entschieden, es bands der Laborärzte, sagt: „Ich will inzwischen aber zu spät.
Israelfeinde sollen Deutsche Welle verlassen
Prüfbericht bestätigt Antisemitismusvorwürfe gegen mehrere Mitarbeiter des Auslandssenders
D
ie Deutsche Welle (DW) hat ein Intendant Limbourg sagte nun: „Es rungen getroffen hätten, sagte Man- cebook und Twitter ihre Entlassung pu-
Trennungsverfahren gegen fünf tut mir und der Geschäftsleitung auf- sour. Alle diese Fälle seien an den Inten- blik gemacht. Mansour betonte, es gehe
Journalisten eingeleitet, die richtig leid, dass wir in dieser Situation danten mit einer Empfehlung der ge- in keinem Fall um Israelkritik: „Auch
sich antisemitisch und israelfeindlich sind.“ Allein der Verdacht, dass es in ei- naueren Prüfung weitergeleitet worden. wenn ich nach dieser Pressekonferenz
geäußert haben. Das teilte Intendant nem steuerfinanzierten Sender Antise- Ahmad Mansour und Leutheusser- auf arabischen Seiten lesen werde, dass
Peter Limbourg am Montag bei einer mitismus gebe, müsse für Juden in Schnarrenberger betonten, es gebe kei- Leute entlassen wurden, weil Israel kri-
Pressekonferenz mit. Die betroffenen Deutschland unerträglich sein, erklärte nen Hinweis auf ein „strukturelles Anti- tisiert wurde, das ist nicht der Fall.“
Journalisten waren Mitglieder der ara- Limbourg. Die Meinungsfreiheit sei nie semitismusproblem“ im Sender. Die Auch in der Berichterstattung der arabi-
bischen Redaktion des Auslandssen- eine Rechtfertigung für Antisemitis- arabische Redaktion habe mehr als 200 schen Redaktion seien punktuell Fehler
ders. Der Redaktionsleiter habe zudem mus, Israelhass und die Leugnung des Mitarbeiter. „Die meisten handeln aus passiert, betonte Mansour. Dabei gehe
seinen Rücktritt angeboten und werde Holocausts. Liebe zur Deutschen Welle und sind es etwa um die Einladung von Ge-
den Posten räumen. Eine externe Kommission um den sehr sensibel, wenn es um Antisemitis- sprächspartnern. WELT hatte über
Psychologen Ahmad Mansour, dessen mus geht“, sagte Mansour. Dennoch ha- mehrere regelmäßige Gäste der DW be-
VON LENNART PFAHLER Ehefrau Beatrice Mansour und die ehe- be er eine zutiefst gespaltene Redaktion richtet, die für Israelfeindlichkeit oder
malige Justizministerin Sabine Leut- erlebt, in der teilweise „Angst“ herr- Sympathie für den syrischen Diktator
Ende November 2021 hatte zunächst heusser-Schnarrenberger (FDP) war im sche. Mansour machte deutlich, dass Baschar al-Assad bekannt sind.
die „Süddeutsche Zeitung“ über kritik- Dezember vom Sender mit einer Unter- ein Neuanfang dringend notwendig sei. Die DW will nun eine für alle Mitar-
würdige Äußerungen mehrerer DW- suchung der Vorwürfe beauftragt wor- Die Kommission empfahl dem Sender beiter verpflichtende Antisemitismus-
Mitarbeiter berichtet – darunter Social- den. Am Montag präsentierte die Kom- etwa ein zusätzliches Workshopange- Definition einführen. Zudem werde
Media-Posts, in denen der Holocaust mission ihren Abschlussbericht. Neben bot zu emotionalen Themen wie dem man in Zukunft mit einem „werteba-
geleugnet wird. Recherchen von WELT fünf Personen, bei denen man die Sus- Nahost-Konflikt. Auch Holocaust-Ge- sierten Recruiting“ beginnen, bei dem
AM SONNTAG zeigten zuletzt, dass das pendierung empfehle, seien acht weite- denkstättenbesuche könnten für die neue Mitarbeiter nach ihrer Haltung zu
Ausmaß der problematischen Einträge re Mitarbeiter aufgefallen, die in „unter- Mitarbeiter in Betracht kommen. Themen wie Antisemitismus, Rassis-
von DW-Mitarbeitern größer war als bis schiedlichen Intensitäten“ antisemiti- Bereits vor der Pressekonferenz hat- mus und Homophobie befragt werden
dahin bekannt. sche oder gewaltverherrlichende Äuße- ten zwei DW-Mitarbeiterinnen bei Fa- sollen, erklärte Intendant Limbourg.
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DIE WELT DIENSTAG, 8. FEBRUAR 2022 POLITIK 5

Nicht Mann,
nicht Frau,
sondern Muxe
Migranten verlassen
ein Rettungsschiff
der Organisation
Salvamento Maritimo Im Süden Mexikos gibt es
ein drittes Geschlecht
auf Lanzarote

S
ofia wäscht ihre Lieblingsper-
ücke, spült das Shampoo ab,
bürstet Knoten aus und legt sich
zurück in die Hängematte. Die stroh-
blonde Mähne bleibt zum Trocknen auf
der Wäscheleine. Morgen wird sie das
Haus für eine Feier verlassen, in den
bunt bestickten, traditionellen Klei-
dern der istmenischen Frauen, deren
Tracht einst Frida Kahlo zu ihrem ein-
zigartigen Stil inspiriert hatte. Doch
heute trägt sie Jogginghose und T-
Shirt, außer den schmal gezupften Au-
genbrauen weist nichts auf das hin, als
was sie sich beschreibt. „Ich bin nicht
Mann, aber auch keine Frau, ich bin
eben Muxe“, sagt sie.

VON MARC PFITZENMAIER

PICTURE ALLIANCE / PHOTOSHOT/

AUS MEXIKO-STADT

Europa in der
Die Muxes (ausgesprochen: Mu-
sches) sind eine Gemeinschaft von bio-

A
logischen Männern der Zapoteken, ei-
nem Urvolk Mexikos. Muxes kleiden

m frühen Morgen entdeckt
die spanische Seenot-
rettung nacheinander zwei
Boote, die im hohen Wel-
lengang zu kentern drohen:
eines vor Gran Canaria und ein anderes
MIGRATIONSFALLE
hara-Afrika in der EU. Als Gegenleis-
tung erhielt Niger, einer der ärmsten
Staaten des Kontinents, großzügige
EU-Hilfen. Alleine zwischen 2017 und
2020 überwies Brüssel eine Milliarde
In Afrika warten Hunderttausende Migranten darauf, auf den Kontinent Euro. „Humanitäre Hilfe wird hier als
sich in der Regel als Frauen, sie über-
nehmen traditionell weibliche Rollen in
Familie und Gesellschaft. Sie fühlen
sich zu Männern hingezogen, in aller
Regel heterosexuellen Männern. Diese
sogenannte Mayates gelten auch dann
noch als hetero, wenn sie Sex mit Mu-
xes haben. Anders als in westlichen Dis-
kursen, in denen ständig neue Defini-

überzusetzen. Die Deals, die das verhindern sollen, sind brüchig

vor Fuerteventura. Die insgesamt 150
Insassen können gerettet werden. Ein
weiteres Schiff hat in dieser kalten Ja-
nuarnacht weniger Glück. Es sinkt, be-
vor es die Gewässer der Kanarischen
Inseln erreicht. Zehn Menschen über-
leben. Von den anderen 45 Passagieren
findet man später nur zwei Leichen.
Der Rest ist im Atlantik verschollen.
VON ALFRED HACKENSBERGER
AUS TANGER
Der spanischen Hilfsorganisation
Caminando Fronteras zufolge starben
letztes Jahr mehr als 4400 Menschen
tung“ braucht Zeit. Aber viel Zeit bleibt
der Bundesregierung nicht.
Auf den Migrationsrouten in Afrika
und im östlichen Mittelmeer warten
Hunderttausende Menschen darauf, in
die EU zu gelangen. Um dem Einhalt zu
gebieten, kommt allerdings auch die
bisherige Strategie an ihre Grenzen.
„Bisher hat man eine Ad-hoc-Politik be-
trieben, die nur dann Probleme an den
Außengrenzen zu lösen versuchte,
wenn sie auftraten“, sagt David Kipp
Deckmantel zur Grenzsicherung be- tionen und Begriffe für Geschlechtsi-
nutzt“, sagt Jana Ciernioch von Ärzte dentitäten gefordert oder bekämpft
ohne Grenzen. werden, sind solche Fragen in der Kul-
Eine der größten Abschreckungen tur der Zapoteken seit Jahrhunderten
enorm hohen Inflation kaum ihren Le- Klimawandel, Terror islamistischer für Migranten ist jedoch Libyen mit gelöst. Schon lange bevor die Spanier
bensunterhalt verdienen. Zusätzlich le- Gruppen und Instabilität von Regie- seinen Internierungslagern. Zehntau- den Kontinent erreichten, lebten sie im
ben 3,6 Millionen Syrer in der Türkei, rungen“, erklärt die Migrationsexper- sende Menschen sind in diesen Camps Isthmus von Tehuantepec, einer Region
die einem wachsenden Ausländerhass tin. „Trotzdem bleibt der überwiegen- von Folter und Tod bedroht. „Die Lage im Süden Mexikos. Heute leben dort
ausgesetzt sind und lieber heute als de Teil afrikanischer Migranten noch für Geflüchtete und Migranten in Li- rund 600.000 Menschen. Die meisten
morgen nach Europa wollen. Auf den auf dem Kontinent.“ byen ist eine einzige politische und sprechen neben Spanisch auch Zapote-
Kanarischen Inseln ist die Zahl der Denn bisher funktioniert die euro- humanitäre Katastrophe“, klagt Cier- kisch, in dieser Sprache wird nicht un-
Migranten aus Afrika im Jahr 2021 mit päische Abschreckungspolitik in Afri- nioch. „Letztendlich trägt auch die EU terschieden zwischen weiblicher und
mehr als 20.000 auf ein Niveau gestie- ka. Aber wie lange noch, wenn die exis- mit ihrer Abschottungspolitik und männlicher Form. Deshalb müssen sich
gen, wie es schon seit 14 Jahren nicht tenzielle Not der Menschen immer Auslagerung der Außengrenzkontrolle Muxes wie Sofia auch nicht fragen, mit
mehr erreicht wurde. In Libyen warten größer wird? Mithilfe Nigers hat die die Verantwortung dafür.“ Im Zen- welchem Pronomen sie sich wohlfüh-
600.000 Menschen seit Jahren darauf, EU die traditionelle Migrationsroute, trum der Kritik von Menschenrechts- len. Doch ein queeres „Paradies“ ist Ju-

auf dem Weg nach Spanien. Mindes-
tens 1865 weitere Opfer zählte die UN,
die von Libyen aus über das Mittelmeer
nach Malta und Italien in See stachen
und ihr Ziel nie erreichten. Jahr für
Jahr bezahlen Migranten den Traum
von Europa mit ihrem Leben. Ihr Tod
auf dem Meer ist längst zur Gewohn-
heit geworden. Geht es nach der neuen
Bundesregierung, soll sich das nun än-
dern. Man dürfe sich mit dem Sterben
von der Stiftung Wissenschaft und Poli-
tik in Berlin. „Mit dieser kurzfristigen
Strategie hat man unerwünschte Migra-
tion mal mehr, mal weniger verhindert,
aber das Konzept ist letztlich nicht
nachhaltig“, sagt der Migrationsexper-
te. Jederzeit können neue Krisenherde
aufflammen, die dann kurzfristiges
Handeln erfordern. Denn die „Deals“,
die Deutschland und die EU zur Grenz-
sicherung mit der Türkei, Marokko, Li-
,,
nach Europa überzusetzen. Das seit die durch die Sahara an die Mittel- organisationen steht die libysche Küs- chitán nicht.
zehn Jahren vom Bürgerkrieg geplagte meerküste Libyens führt, strapaziöser tenwache. Sie verhindert Migration Felina, die einen Schönheitssalon be-
nordafrikanische Land ist höchst insta- und gefährlicher gemacht. 2015 stellte und wird dafür von Brüssel finanziert, treibt, ist an einem normalen Arbeitstag
bil. Jede noch so kleine Machtverschie- das Transitland den Transport von ausgerüstet und trainiert. „An Bord des lässig gekleidet, trägt ein pinkfarbenes
bung eröffnet immer wieder Tausen- Migranten unter Strafe. Infolgedessen eigenen Rettungsschiffs beobachten Shirt und Jeans, die Haare sind zum
den Menschen die Möglichkeit, das sank die Zahl der Migranten aus Subsa- die Teams von Ärzte ohne Grenzen Zopf gebunden, nur die Augen sind
Mittelmeer nach Italien zu überqueren. immer wieder, wie die Küstenwache leicht geschminkt. „Die Frauenkleider
Im vergangenen Jahr registrierte Rom Boote in internationalen Gewässern sind nur der Aspekt, der am sichtbarsten
sechsmal so viele Migranten aus Libyen stoppt und sie zurück nach Libyen ist“, sagt sie. Und das habe wenig mit
wie vor der Pandemie 2019. bringt“, berichtet Ciernioch. „Das ist westlichen Transpersonen zu tun, die
Der europäischen Grenzagentur völkerrechtswidrig.“ Dennoch haben sich dem weiblichen Geschlecht anglei-

nicht mehr abfinden, fordert die neue
Außenministerin Annalena Baerbock
(Grüne). Es brauche einen „Aktions-
plan“. Man will eine Koalition von EU-
Staaten schmieden, die Migranten auf-
nehmen. Damit zeichnet sich der Para-
digmenwechsel ab, von dem im Koaliti-
onsvertrag die Rede ist: „Wir wollen
Migration vorausschauend und realis-
tisch gestalten“, heißt es darin. Aber
wie praktikabel ist ein radikaler Kurs-
wechsel? „Vorausschauende Gestal-
byen oder auch dem Niger vereinbart
haben, sind brüchig und oft vom dorti-
gen politischen Kalkül abhängig. Somit
ist es nur eine Frage der Zeit bis zur
nächsten „Flüchtlingskrise“.
Seit die Taliban in Afghanistan an
der Macht sind, fliehen immer mehr
Menschen über den Iran in die Türkei.
Von den bisher insgesamt rund
400.000 Afghanen wollen die meisten
weiter ins EU-Land Griechenland. In
der Türkei können sie aufgrund der
DIE LAGE
Frontex zufolge kamen im vergange- Deutschland und die EU bisher weitge- chen wollen. Die meisten Muxes beto-
nen Jahr insgesamt etwa 190.000 Men- hend zugesehen. Ihre Abschottungspo- nen diesen Unterschied und möchten
FÜR MIGRANTEN
schen in die EU, 60 Prozent mehr als litik hat funktioniert – zumindest wur- sich nicht von entsprechenden Debatten
im Vorjahr. Weit mehr als die Hälfte de ein zweites Jahr wie 2015 verhin- vereinnahmen lassen. „Hier gibt es
von ihnen kam aus Afrika, vorwiegend
aus dem Norden, aus Algerien, Marok-
IN LIBYEN dert, als eine Million Menschen über-
wiegend aus Syrien in die EU und ins-
Männer, Frauen und Muxes“, sagt Feli-
na. „Die Begriffe der LGBT-Bewegung
ko und Tunesien. „Die Zahl der Migran- IST EINE EINZIGE besondere nach Deutschland kamen. benutzen wir nicht, weil wir uns davon
ten aus subsaharischen Ländern ist da- Ob diese Abschottung jedoch auch in abgrenzen.“ Felina und viele andere Mu-
zu im Vergleich gering“, sagt Wendy KATASTROPHE Zukunft funktioniert, wenn wieder xes unterstützen zwar deren Anliegen,
Williams vom African Center for Stra- mehr Menschen fliehen wollen und an „doch unsere Realität hier ist eine ande-
tegic Studies in Washington. „Der Mi- JANA CIERNIOCH die EU-Außengrenzen gelangen, ist je- re“. Die Muxes führen die Schönheits-
grationsdruck steigt dort zwar durch Ärzte ohne Grenzen doch zu bezweifeln. und Friseursalons, weben traditionelle
Kleidungsstücke und verkaufen sie auf
dem Markt, in der jüngeren Generation
gibt es auch Lehrerinnen, einige sind

„Worauf wollen wir noch warten?“ Anwälte oder Akademikerinnen. Die

Muxes sind zudem für die Haupteinnah-
mequelle der Region mitverantwortlich:

Lungenfacharzt Thomas Voshaar befasst sich tagtäglich mit den Folgen der Corona-Pandemie. Er fordert eine Rückkehr zur Normalität
Hunderte der „Velas“ genannten Feiern

T
homas Voshaar, Chefarzt der Kli-
nik für Lungen- und Bronchial-
heilkunde im Bethanien-Kran-
kenhaus in Moers, hält die Gefahr der
Corona-Pandemie mit Omikron für
weitesgehend beendet.
VON ANNA KRÖNING
WELT: Während Omikron hochanste-
ckend, aber weitgehend milde ver-
läuft, zeigen Politiker warnend auf die
Krankenhäuser und die Belastung
durch hohe Infektionszahlen. Wie se-
hen Sie die Folgen von Omikron?
THOMAS VOSHAAR: Die Situation ist
abgesehen vom Personalkrankenstand
entspannt. Die Hälfte der Mitarbeiter,
die gerade fehlt, ist wegen Quarantäne,
also als Kontaktperson oder wegen Kin-
derbetreuung zu Hause. Die Intensivbe-
legung mit Covid-Patienten wechselt
natürlich von Woche zu Woche, nimmt
Trotzdem warnen Politiker wie der
Grünen-Gesundheitssprecher Ja-
nosch Dahmen vor einer steigenden
Hospitalisierungsrate. Darum seien
Öffnungen nicht möglich.
Die Hospitalisierungsrate liegt im Mo-
ment deutschlandweit nur bei etwa fünf
Menschen auf 100.000 Einwohner pro
sieben Tage. Und das, obwohl wir vor
dem Maximum der Ausbreitung durch
Omikron stehen. Eigentlich wäre sie so-
gar noch deutlich niedriger, wenn wir
sie korrekt berechnen würden.
In die Hospitalisierungrate fließen al-
le Covid-Infizierten ein, darum steht
sie als Maßstab in der Kritik. Teilen
Sie diese?
Sie wird undifferenziert erhoben. Da
nicht zwischen Covid-Patienten und je-
nen mit anderen Erkrankungen bei po-
sitivem Test unterschieden wird, erfah-
ren wir bei der Meldesystematik nicht
werden von ihnen alljährlich geplant,
Muxes organisieren Festumzüge und
Nun sagt die Krankenhausgesell- Der Virologe Christian Drosten man Kohortenstudien eingeführt hät- Partys, sie kochen, frisieren, schminken.
schaft, dass die Normalstationen von sprach zuletzt über den Omikron- te, wie es schon längst gefordert wurde Am meisten profitiert die Stadt von der
Omikron belastet seien, weil alle Infi- Subtyp BA.2 und warnte vor Locke- und was der normale, wissenschaftli- Feier zu Ehren der Muxes selbst, wenn
zierten einen Mehraufwand bedeuten. rungen vor Ostern. Wie schätzen Sie che Weg ist. Niemand versteht, warum bis zu 10.000 nationale und internatio-
Wie erleben Sie das in Ihrer Klinik? die Entwicklung von weiteren Varian- wir es in Deutschland nicht gemacht nale Gäste in die Stadt kommen.
Dass die Krankenhäuser mehr Arbeit ten ein? haben. Dann wüssten wir, wie viele Ge- Doch auch in der Welt der Muxes
durch Hygiene und Isolation haben, ist Diese Hinweise sind ermüdend. Wir nesene oder Geimpfte erneut erkran- werden Traditionen auf die Probe ge-
völlig klar, da man Infizierte von Nicht- wissen ja, dass dieses Virus immer wei- ken und wie krank sie werden, was die stellt. „Bis ich 18, 19 Jahre alt war, dach-
Infizierten trennen muss. Das ist aber ter mutiert und noch viele Varianten Immunität am stärksten prägt, hätten te ich, ein schwuler Mann zu sein. Ich
kein medizinisch begründeter Mehr- kommen werden. Es ist aber weder an- genaue altersbezogene Daten und war glücklich damit“, erinnert sich So-
aufwand, sondern er betrifft Hygiene gemessen noch rational, mit weiteren wüssten wohl auch endlich genauer wie fia. Dann kam eine Feier mit Freunden,
und Organisation. Entweder braucht Mutationen gegen Öffnungen zu argu- hoch die Infektionssterblichkeit nun zum Spaß zog sie ein Kleid an und
man also Einzelzimmer oder nutzt mentieren. Wenn Herr Drosten von der eigentlich ist. schminkte sich. „Erst war es nur ein
Mehrbettzimmer für einen Patienten, Variante BA.2 und einer wahrscheinlich Spiel. Doch es gefiel mir immer mehr,
was die Bettenzahl reduziert und einen höheren Infektiosität spricht, führt dies Aber ist es ohne dieses Wissen gefähr- ich fühlte mich vollständig.“ Ihr Vater
erheblichen Aufwand bedeutet, da Ärz- zu der Frage, ob man damit weitere Ein- lich oder riskant, Öffnungen zuzu- war gegen die Verwandlung, die Mutter
te und Pfleger bei jedem Betreten schränkungen rechtfertigen kann. Ich stimmen, wie es einige Ministerpräsi- hatte die Familie verlassen, als Sofia ein
Schutzkleidung anlegen müssen. Weni- denke nicht. Omikron ist eine Mutati- denten begründen – mit Hinweis auf Teenager war. Als weiblich gekleidete
ger aufwendig ist es, Infektionsstatio- on, mit der wir gut zurechtkommen, die genau diese fehlenden Zahlen? Muxe im eigenen Zuhause zu leben kam
nen einzurichten, so machen wir das in dazu noch die Chance auf viele natürli- Das ist natürlich inkonsequent. Der Da- also nicht infrage. Erst Jahre später
unserem Haus. che Infektionen und damit aufgefrisch- tenmangel ist ja lange bekannt, er ist kehrte sie zurück und pflegte ihren
te und verbreiterte Immunität in der quasi ein Dauerthema, und jetzt wird er schwer kranken Vater, bis zu seinem
Bevölkerung bietet. Das ist die Grund- als Rechtfertigung für das Verharren im Tod. So sehr sie vor allem von weibli-
PASCAL SKWARA/BETHANIEN MOERS

aber nicht kontinuierlich zu. Wir haben
derzeit 37 Patienten in Zusammenhang
mit der Pandemie. Davon sind 27 in Iso-
lation, ohne, dass sie eine Covid-Er-
krankung haben, sie sind also lediglich
positiv auf Corona getestet. Der Auf-
wand ist größer, die Infizierten, die
nicht wegen Corona kommen, im Kran-
kenhaus zu versorgen.
das, was wir erfahren wollen, nämlich,
wie hoch die Krankheitslast ist. Hinzu
kommt: Wenn die Infektionsrate durch
Omikron weiter steigt, was absehbar ist,
werden immer mehr Menschen im
Krankenhaus positiv getestet, sie wer-
den irgendwann wohl sogar in der Über-
zahl sein. Natürlich steigt dann auch die
Hospitalisierungsrate.
voraussetzung für die Endemie. Status quo benutzt. Merkwürdig. Als chen Familienmitgliedern unterstützt
Grundlage für die aktuell anstehenden werden und geachtet sind, auch die Mu-
Es heißt: Wir brauchen noch mehr Entscheidungen, also vor allem für Lo- xes leiden häufig unter der ausgepräg-
Zahlen und mehr Sicherheit in den ckerungen, reichen die Daten aus dem ten Machokultur ihres Landes. Für vie-
Kliniken, bevor wir wieder alles für al- eigenen Land und der Abgleich mit Da- le Väter oder Brüder sind die Muxes ein
le öffnen können. ten aus anderen Ländern mit ähnlicher Makel, der in der eigenen Familie
Für die Antworten auf viele Fragen sozioökonomischer Struktur. Und es nichts zu suchen hat. Auch von Diskri-
bräuchten wir tatsächlich mehr Daten. braucht eine rationale, ideologiefreie minierung und Gewalt gegen Frauen
Thomas Voshaar Die hätte man aber bekommen, wenn Betrachtung und Abwägung. sind sie nicht ausgenommen.

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6 POLITIK * DIE WELT DIENSTAG, 8. FEBRUAR 2022

Ukraine erhält Notstand in der

Helme, Ägypten kanadischen
moderne Waffen Hauptstadt
Umstrittene Exporte Bürgermeister Ottawas
in Milliardenhöhe reagiert auf Trucker-Demo

K W
ein anderes Land der Welt erhält egen des anhaltenden Pro-
so viele Waffen aus Deutschland tests von Lkw-Fahrern ge-
wie Ägypten. Allein 2021 hat Ber- gen die Corona-Maßnah-
lin Rüstungsexporte im Wert von mehr men hat der Bürgermeister der kanadi-
als vier Milliarden Euro nach Kairo ge- schen Hauptstadt Ottawa den Not-
nehmigt – fast die Hälfte der Gesamt- stand ausgerufen. Die Situation sei
summe an Waffenlieferungen ins Aus- „völlig außer Kontrolle“, sagte Bürger-
land. Ein Rekordwert. Während die meister Jim Watson. Die Lkw-Fahrer
Ukraine mit Helmen und Zelten abge- mit ihren riesigen Trucks und selbst
speist wird, bekommt die ägyptische gebauten Hütten und Zelten sowie de-
Militärdiktatur hochmoderne U-Boote, ren Unterstützer blockieren seit Tagen
Fregatten und Flugabwehrsysteme aus die Straßen Ottawas und legen das öf-
deutscher Produktion. fentliche Leben lahm. Die Ausrufung
des Ausnahmezustands spiegele „die
VON CHRISTINE KENSCHE ernste Gefahr und Bedrohung für die
AUS TEL AVIV Sicherheit der Einwohner durch die an-

D
dauernden Demonstrationen“, erklärte

Die Ampelkoalition verweist darauf,
dass die Entscheidung noch von der
Vorgängerregierung getroffen wurde.
Doch in der saß auch der jetzige Kanz-
ler. Olaf Scholz (SPD) gehörte zu dem
nur siebenköpfigen Bundessicherheits-
rat, der die Exporte bewilligte, und das
in allerletzter Minute, wenige Tage vor
Angela Merkels Abschied aus dem Kanz-
leramt. Ein in zweifacher Hinsicht un-
gewöhnlicher Vorgang. Zum einen ge-
hört es zum guten Ton, dass eine schei-
dende Regierung keine grundsätzlichen
politischen Entscheidungen mehr trifft.
Zum anderen erteilte der Bundessicher-
heitsrat die Exportgenehmigungen für
drei Kriegsschiffe und 16 Luftabwehr-
systeme der Hersteller ThyssenKrupp
An einem Tisch: Der russische Präsident Wladimir Putin (l.) empfängt seinen französischen Amtskollegen Emmanuel Macron in Moskau
ie Einladung Emmanuel
Macrons nach Moskau
fiel nicht aus heiterem
Himmel. Seit Mitte De-
zember haben Russlands
Präsident Vladimir Putin und Frank-
reichs Staatschef zahlreiche Male mit-
einander telefoniert, allein drei Mal in
den vergangenen Tagen. Es waren aus-
führliche Gespräche, keinen kurzen
Calls. Während des letzten Telefonats
am Donnerstag vergangener Woche soll
Putin sogar persönlich geworden sein.
Der Elysée-Palast ließ durch-
AFP/-
Watson. Die Stadt brauche Hilfe von
höherer Regierungsebene.
Die Lkw-Fahrer und ihre Unterstüt-
zer hatten die Hauptstadt am 29. Januar
gen ist und jetzt die europäische Füh- davon, mit Russland eine „Sicherheits- stand der Annäherung von Moskau und nach einem Protestzug über 4400 Kilo-
rungsrolle beansprucht. Macron be- und Vertrauenspolitik“ wiederaufzu- Peking in keiner Weise im Wege. meter quer durchs Land erreicht. Hat-
herrscht diese Strategie gut, schließ- bauen zu wollen, kritisierte aber gleich- Das deutlichste Symptom des Schei- ten sie am Anfang noch gegen die Impf-
lich ist er auch bei den letzten Präsi- zeitig Moskaus Umgang mit den Men- terns von Macrons Russland-Offensive pflicht für Pendler an der US-kanadi-
dentschaftswahlen so verfahren, in- schenrechten und mit Homosexuellen kann man weit ab von Europa beobach- schen Grenze demonstriert, hat sich die
dem er einfach in die Lücke sprang, die in Tschetschenien. Es klang wie Zu- ten, in Afrika. Auch dort ist Moskau ak- Aktion mittlerweile zu einem allgemei-
Konservative und Sozialisten gelassen ckerbrot und Peitsche. Doch Macron tiv und lässt sich nicht von französi- nen Protest gegen Corona-Maßnahmen
hatten, nachdem sie sich selbst zerlegt überschätzte seine Machtposition. schen Bedenken umstimmen. In Mali und gegen die Regierung von Premier-
hatten. Dass Europa einen Dialog mit Spätestens zwei Jahre später, bei Pu- droht den Franzosen und mit ihnen den minister Justin Trudeau ausgeweitet.
Russland führen müsse, ist das Man- tins Besuch im Sommer 2019 im Fort Alliierten das Ende eines unrühmlichen Bewohner Ottawas klagten über das un-
tra, das er seit Amtsantritt wiederholt Brégançon, dem Sommersitz des fran- Militäreinsatzes, der auf Wunsch einer ablässige Hupen der Trucks sowie über
und das ihm damals viel Kritik einge- zösischen Präsidenten an der Côte d’A- Regierung begonnen wurde, die inzwi- Belästigungen und Beschimpfungen
bracht hat – auch im eigenen Land. zur, bröckelte die Pseudo-Idylle. schen gestürzt ist. Seit dem Putsch durch die Demonstrierenden. Die Tru-
durch die Militärjunta ist dort cker ließen ständig ihre Hupen oder Si-

Marine Systems und Diehl Defence im
Voraus. Üblicherweise wird über Aus-
fuhrlizenzen erst kurz vor dem tatsäch-
lichen Export entschieden.
Absehbar war, dass solch lukrative
Emmanuel Macron,
sickern, der Kreml-Chef habe mit der Wagner-Gruppe russi- renen ertönen und entzündeten Feuer-
betont, Macron sei wirklich sche Privatmiliz im Einsatz, werk, sagte Watson. „Wir sind eindeutig
der einzige, mit dem er „tief- also Söldner des Putin-Ver- in der Unterzahl und verlieren diesen
gehende Gespräche“ führen trauten Jewgeni Prigoschin. Kampf“, sagte der Bürgermeister dem
kann. Das klang überraschend Mehrfach haben die Franzo- Radiosender CFRA. Die Zahl der De-

Geschäfte mit der Regierungsbeteili-
gung der Grünen schwieriger werden
dürften. Laut Koalitionsvertrag soll es
keine Exportgenehmigungen für Staa-
der Putin-Flüsterer
nach Augenhöhe. sen betont, dass der Einsatz monstranten sei weit höher als die der
der Wagner-Gruppe mit ihrem Polizeibeamten der Stadt. „Das muss
VON MARTINA MEISTER eigenen Engagement „unver- rückgängig gemacht werden; wir müs-
AUS PARIS einbar“ sei. Doch das Thema sen unsere Stadt zurückerobern.“

Der französische Präsident versucht,

ten geben, solange diese „nachweislich ist so heikel, dass Macron es Die Polizei kündigte ein entschiede-
unmittelbar am Jemen-Krieg beteiligt Gut möglich, dass solche bei den Unterhaltungen mit nes Vorgehen an, um Menschen daran

im Ukraine-Konflikt zu vermitteln. Dabei überschätzt er

sind“. Danach kann man darüber strei-
ten, ob es in Zukunft überhaupt noch
Rüstungsexporte nach Ägypten geben
darf. Denn das Land gehört nach eige-
nen Angaben der von Saudi-Arabien ge-
führten Kriegskoalition im Jemen an.
Nachdem die Huthi-Rebellen die jeme-
nitische Regierung 2015 vertrieben hat-
ten, hatte sich Ägypten unter anderem
an der Seeblockade des Landes beteiligt
und Militärberater geschickt, nicht aber
unmittelbar an der Front eingegriffen.
Im Bürgerkrieg in Libyen unterstützte
die ägyptische Luftwaffe den abtrünni-
gen General Khalifa Haftar – die Bun-
desregierung hingegen erkennt die Re-
gierung von Premierminister Fajis al-
Sarradsch an. Trotz eines UN-Waffen-
embargos gelangt über Ägypten Militär-
material an die Aufständischen in Liby-
en. Kairo droht sogar mit einem Ein-
marsch ins Nachbarland, sollten die
dortigen Kriegshandlungen zu nah an
seine Grenze rücken.
Waffenexporte in Spannungsgebiete
sollten eigentlich die Ausnahme blei-
ben. Aber Deutschland hat von Ausnah-
men eifrig Gebrauch gemacht. Insbe-
sondere für Ägypten. Laut einer Studie
des Leibniz-Institut Hessische Stiftung
Friedens- und Konfliktforschung
(HFSK) hat Deutschland zwischen 2001
und 2019 Rüstungsexporte im Wert von
1,5 Milliarden Euro genehmigt – Fregat-
ten, Kleinwaffen, gepanzerte Fahrzeu-
ge, Teile für Flugabwehrsysteme. Deut-
sche Exporte helfen der Regierung indi-
Worte nur Teil der russischen Putin bislang offensichtlich zu hindern, die Demonstranten bei ih-
Strategie sind, um Macron am ausspart. rer Blockade zu unterstützen. „Jeder,
seine Machtposition, wie frühere Treffen zeigen
Ende umso demonstrativer Dass Frankreich, das im Ja- der versucht, den Demonstranten mate-
auflaufen und scheitern zu nuar turnusmäßig die EU- rielle Unterstützung (Treibstoff etc.)
lassen. Offiziell gibt sich Paris Ratspräsidentschaft über- zukommen zu lassen, kann verhaftet
in seiner Vermittlungsmissi- nommen hat, in Moskau zu werden“, erklärte die Polizei im Online-
on bescheiden. Schon „Signale der De- Seine eigenen Diplomaten kritisierten Harsch fuhr man sich vor laufenden Ka- vermitteln versucht, ist bereits ein Er- Dienst Twitter. Erste Festnahmen seien
eskalation“ seien ein Erfolg, hieß es im ihn, denen er wiederum vorwarf, Re- meras an. Die Idee, Russland aus seiner folg. Bislang zog Putin vor, den mögli- bereits erfolgt. Die „extrem störenden“
Vorfeld von Macrons Moskau-Reise, präsentanten eines „deep state“ zu Isolation zu befreien und mit Moskau chen Kriegsfall vor der Haustür der Eu- Demonstranten bedrohten die öffentli-
die ihn am Dienstag weiter nach Kiew sein, eines heimlichen politischen Ap- wieder ins Gespräch zu kommen, schei- ropäer mit US-Präsidenten Joe Biden che Sicherheit und fügten den Bewoh-
und schließlich nach Berlin führen parats, der die Entscheidungen der terte. Wenige Tage vor dem G7-Treffen zu verhandeln. Doch die zentrale Frage nern der Stadt „inakzeptables Leid“ zu.
wird. Gleichzeitig ließ Macron wissen, Staatsspitze torpediere. in Biarritz war nichts aus der symboli- ist, ob Paris von Moskau wirklich ernst- Es seien bislang 97 Ermittlungsverfah-
dass es Kompromisse niemals umsonst In Erinnerung geblieben sind jedem schen Annäherung geworden. Putin genommen wird oder das gemeinsame ren eingeleitet und seit Samstag 450
gebe. Im Gespräch mit der französi- die Bilder vom Staatsempfang, den Ma- hatte die französische Charmoffensive Abendessen im Kreml nur Teil eines ge- Strafzettel ausgestellt worden, erklärte
schen Sonntagszeitung „Journal de Di- cron Putin im Sommer 2017, wenige ins Leere laufen lassen, versuchte in schickten Schachspiels ist, bei dem Ma- die Polizei. Zudem würden Droh-Emails
manche“ sagte Macron im Vorfeld sei- Wochen nach seinem Amtsantritt, im keinem Augenblick, nach der ausge- cron am Ende als Verlierer vom Feld an Behördenvertreter untersucht.
ner Mission: „Wir müssen realistisch Schloss von Versailles offerierte. Ge- streckten Hand Macrons zu greifen. ziehen könnte. Zwei Monate vor den Stadträtin Diane Deans hatte die Pro-
sein. Wir werden keine unilateralen meinsam schritt man durch die Weder in Syrien zeigten die Diskussio- Wahlen geht der Franzose ein großes teste am Samstag als „landesweiten
Gesten erwirken, die Verschlechterung Schlachtengalerie des Schlosses, durch nen mit Putin eine Wirkung, wo der Risiko ein. Sollte er erfolgreich vermit- Aufruhr“ und „Bedrohung für unsere
der Lage muss aber unbedingt verhin- die der Wind der Geschichte zu wehen Russe den Diktator Baschar al-Assad teln, könnte er international als Held Demokratie“ bezeichnet: „Das ist
dert werden.“ Macron fügte hinzu, dass schien. Und wie einen alten Kumpel tatkräftig beim Krieg gegen sein eige- gefeiert werden. Aber Erfolge haben be- Wahnsinn.“ Eine Blockadeaktion von
in diesem Prozess die Zukunft und Si- chauffierte er Putin am Lenkrad eines nes Volk unterstützte, noch in der kanntlich viele Väter und bei den Wah- rund 30 Truckern in der Stadt Québec
cherheit Europas verhandelt werde: Golfcarts durch den Schlosspark. Es Krim- oder Ukraine-Frage konnte er Er- len im eigenen Land wird ihm das kaum wurde am Sonntag nach wenigen Stun-
„Das geopolitische Motiv der Russen wirkte kurzzeitig so, als habe er nicht folge vermelden. Als untrügliche Zei- etwas bringen. In Frankreich gewinnt den abgebrochen. Allerdings kündigten
ist heute ganz klar nicht die Ukraine, Putin, sondern Peter den Großen emp- chen der Desillusion muss man den man bekanntlich keine Wahlen mit Au- die Teilnehmer ihre Rückkehr in zwei
sondern die Klärung der Regeln des Zu- fangen. Doch schon bei diesem ersten Giftanschlag und die Verhaftung von ßenpolitik. Scheitert er aber, würde das Wochen an, wenn die laufenden Karne-
sammenlebens mit der Nato und der Besuch versuchte Macron seine politi- Alexej Nawalny interpretieren. Auch Frankreichs Bedeutungsverlust endgül- valsfeiern beendet sind. Auch in ande-
Europäischen Union.“ sche Strategie des „sowohl als auch“, hat das Hauptargument Macrons, dass tig besiegeln und Macrons politische ren Städten wie Toronto kam es zu ähn-
Der Franzose ist der Einzige, der auf die ihm zur Macht verholfen hat, auch Putin in die Arme der Chinesen laufen Gegner würden im Wahlkampf nicht lichen, wenn auch kleineren Protesten
Angela Merkels leeren Platz gesprun- außenpolitisch umzusetzen. Er sprach werde, nicht gefruchtet. Frankreich zögern, das aufzublasen. gegen die Corona-Maßnahmen. AFP
Propaganda für den Kreml – wie auf Knopfdruck
Auffallend häufig sprechen AfD-Abgeordnete mit russischen Medien. Die freundlichen Äußerungen werden bereitwillig weiterverbreitet

rekt dabei, gegen Menschen im eigenen
Land vorzugehen. So setzte Ägypten ge-
gen Proteste 2011 Radpanzer ein, für die
Deutschland lange Komponenten gelie-
fert hatte, ehe die Ausfuhr gestoppt
wurde. Auch Präsident Abdel Fattah al-
Sisi setzt das Militär intern ein, um De-
monstrationen blutig zu unterdrücken.
„Wenn man das ägyptische Militär rüs-
tet, rüstet man ein Regime, das massiv
gegen Meinungsfreiheit und Menschen-
rechte vorgeht“, kritisiert Andreas
Krieg, Nahost-Experte vom Londoner
King’s College.
Nach Saudi-Arabien herrscht seit
2018 ein Exportstopp für deutsche Rüs-
tungsgüter, nachdem es den kritischen
Journalisten Jamal Khashoggi ermor-
den ließ. Zehn deutsche Patrouillenboo-
te konnten deshalb nicht mehr ausgelie-
fert werden. Dann sprang Ägypten ein
und Deutschland lieferte die Boote an
die nächste Diktatur. „Offiziell hat un-
sere Exportpolitik mit wirtschaftlichen
Interessen gar nichts zu tun, sondern
folgt rein sicherheitspolitischen Erwä-
gungen. Aber das ist natürlich absurd“,
sagt Stephan Roll, Nordafrika- und Nah-
ost-Experte der Stiftung Wissenschaft
und Politik. „Ich sehe hier keine politi-
sche Strategie dahinter.“
F
ür Leser russischer Medien ist
seit Mitte Januar folgendes klar:
„Sputnik V“, der russische Impf-
stoff gegen Corona, wird aus politischen
und wirtschaftlichen Motiven nicht in
Europa zugelassen. Eine Artikelüber-
schrift lässt anscheinend keine Fragen
offen: „In Deutschland hat man den
Grund für die Nichtzulassung genannt.“
Dutzende Nachrichtenseiten haben die-
se Meldung aufgegriffen, bis hin zur
staatlichen Nachrichtenagentur „TASS“.
Haben wir in Deutschland vielleicht et-
was verpasst?
VON ALEXEJ HOCK
Mitnichten, denn was in Russland
breit als vermeintlicher Fakt behauptet
wurde, geht auf eine einzelne Äußerung
des AfD-Bundestagsabgeordneten Petr
Bystron in der kremltreuen russischen
Zeitung „Iswestija“ zurück. Es handelte
sich also nicht um einen Fakt, sondern
vielmehr um der Vorwurf eines Politi-
kers. Und zwar um einen, wie man sie in
den vergangenen Monaten immer wie-
der aus Moskau hörte: Europa lehne
Sputnik aus vorgeschobenen Gründen
ab. Tatsächlich sind die Fakten andere: in der „Iswestija“ eine „Politik der ideo- gen oder im Fernsehen auch hierzulande lem mit der Zunahme von Desinformati-
In Europa wird vielmehr argumentiert, logischen Blockade“. Ein paar Tage zu- verwerten. „Man nutzt die Kooperation, onskampagnen rund um die militäri-
es fehlten valide Daten für eine Ent- vor lobte er in dem reichweitenstarken um gegenseitig Legitimität und Bedeu- schen Drohgebärden gegen die Ukraine
scheidung über eine Zulassung. Online-Portal „lenta.ru“ Russland als tung zu schaffen“, so Pagung. zusammen. Damit wird einmal mehr
Dass der Vorwurf dieses Mal direkt zuverlässigen Energielieferanten. In Be- Kotré selbst sagt zu seinen Auftritten: deutlich, dass die AfD in offener Ableh-
aus dem Bundestag kommt, ist für die zug auf die Ukraine-Krise sagte Kotré „Selbstverständlich“ würde er gerne die nung zu unserer Demokratie und Frie-
russische Propaganda-Maschinerie ein der Nachrichtenagentur TASS, mögliche Positionen der AfD stärker in der deut- densordnung steht“, teilte er WELT auf
besonderes Geschenk – aber keine Aus- Sanktionen würden nur „denjenigen schen Presse vertreten als in russischen Anfrage mit. Für FDP-Fraktionsvize
nahme. Einer Auswertung von WELT schaden, die sie einführen“. Neben Medien. Deutsche Journalisten sperrten Konstantin Kuhle ist die AfD-Fraktion
zufolge kam im Januar jeden Tag ein Kotré äußerten sich auch die Fraktions- sich jedoch. „Die russischen Journalis- „der verlängerte Arm der russischen
AfD-Politiker in russischen Medien zu kollegen Stefan Keuter und Petr Bystron ten kommen direkt auf mich zu und ich Staatspropaganda“. Der Unterschied
Wort – und zwar meist mit Aussagen, mehrfach zur Ukraine-Krise und mögli- gebe jedem ein Interview, der danach zwischen einer Einzelmeinung und der
die sich in die offizielle russische Linie chen Sanktionen gegen Russland. In den fragt“, so der Bundestagsabgeordnete. offiziellen Position eines deutschen Ver-
fügten. Ob Sputnik, Nord Stream 2, Beiträgen werden solche Äußerungen Dem Eindruck, Futter für die russische fassungsorgans werde gezielt verwischt.
Sanktionen oder das allgemeine Verhält- einzelner Abgeordneter schnell mal dem Propaganda zu liefern, tritt er entgegen. „Diese Methode funktioniert bei über-
nis zu Russland – AfD-Politiker lieferten gesamten Bundestag zugeschrieben. „Ich lege lediglich die Position der AfD setzten Zitaten besonders gut und
die passenden Zitate. Vertreter anderer Laut Sarah Pagung, Russland-Exper- in ihrer Vertretung deutscher Interes- zeichnet ein falsches Bild vom öffentli-
Parteien wurden im gleichen Zeitraum tin der Deutschen Gesellschaft für Aus- sen dar“, sagt Kotré. „Eine Überschnei- chen Diskurs in Deutschland“, so Kuhle.
meist mit Ausschnitten aus öffentlichen wärtige Politik, ist die Ukraine-Krise ein dung mit den russischen Interessen, wie Laut CDU-Außenpolitiker Roderich
Reden oder Äußerungen in deutschen Thema, das sich für Russland gut eignet, bei Nord Stream 2, ist dann natürlich er- Kiesewetter passt es in Russlands Stra-
Medien zitiert. um eine angebliche Spaltung des Wes- freulich – denn in diesem Fall sind die tegie, durch Propaganda die eigene Be-
Allein der Bundestagsabgeordnete tens aufzuzeigen. „Hier geht es darum, Interessen der Deutschen und der Rus- völkerung zu beeinflussen und ein fal-
Steffen Kotré kam in dem vergangenen Deutschland als das Land darzustellen, sen nahezu deckungsgleich." sches Bild von Deutschland zu zeichnen.
Monat zehnmal in russischen Medien zu das aus dem westlichen Konsens aus- Ganz anders sieht es Robin Wagener, Der Bundestagsabgeordnete sagte
Wort. Als energiepolitischer Sprecher bricht, das der russischen Seite in der Berichterstatter für Russland und WELT: „Insofern spielen solche Inter-
der AfD-Fraktion war er vor allem zum Einschätzung, wie es zu dem Konflikt Ukraine der Grünen-Fraktion im Bun- views Putin erheblich in die Hände, sie
umstrittenen Projekt Nord Stream 2 ge- kam, zustimmt“, sagte Pagung WELT. destag. „Dass die AfD-Abgeordneten schaden der deutsch-russischen Freund-
fragt. Ende Januar nannte Kotré die Aus- AfD-Politiker hingegen können Äuße- nun vermehrt als russische Stichwortge- schaft, weil sie ein bewusst gefälschtes
setzung der Zertifizierung der Pipeline rungen in bekannten russischen Zeitun- ber in Erscheinung treten, hängt vor al- Deutschlandbild verbreiten.“

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DIE WELT DIENSTAG, 8. FEBRUAR 2022
ESSAY
Angst vor dem
Gesichtsverlust
Z
eiten politischer Ungewissheit
sind Hochzeiten historischer Ana-
logien. Vor Entscheidungen ge-
stellt, bei denen sich nicht mit
Sicherheit sagen lässt, welche
Folgen sie haben werden, wendet
man den Blick zurück in die Ver-
gangenheit und sucht nach vergleichbaren Kon-
stellationen und Entscheidungslagen, um Anhalts-
punkte für die Gegenwart zu finden. Diese Art der
Vergewisserung ist freilich ausgesprochen riskant.
Das beginnt bei der Frage, ob in den herangezoge-
nen Analogien womöglich Unvergleichbares einan-
der gleichgesetzt wird, und endet damit, dass man
nicht wirklich weiß, welchen Anteil die damals
getroffenen Entscheidungen an den dann einge-
tretenen Ereignissen gehabt haben. Auf der Suche
nach Gewissheit begibt man sich in neue Ungewiss-
heiten. Sollte man es da nicht besser lassen, die
Historie nach Ratschlägen zu durchsuchen?
Das Problem strikter Askese gegenüber histori-
schen Analogien besteht indes darin, dass es zu
ihnen so gut wie keine Alternative gibt. Natürlich
kann man zu Recht und Moral als Maßgabe für
anstehende Entscheidungen Zuflucht nehmen,
doch bei außen- und sicherheitspolitischen Ent-
scheidungen, wie etwa den jetzt mit Blick auf den
Russland-Ukraine-Konflikt zu treffenden, findet
man keinen, der zur Befriedung des Streits nicht
nur Recht sprechen, sondern auch durchsetzen
könnte. Und bei der Selbstvergewisserung über
moralische Verpflichtungen steht man schnell vor
der Frage, ob man damit die Sache womöglich noch
schlimmer macht, wenn man mehr auf das eigene
Gewissen als die Folgen seines Tuns schaut. Um
mögliche Folgen im Sinne einer konsequenzialisti-
schen Ethik abschätzen zu können, ist man jedoch
auf historische Analogien verwiesen, denen man
gerade hatte entkommen wollen.
Es ist zweifellos ein gefährliches Feld, das man
auf der Suche nach historischen Analogien betritt,
aber offensichtlich eines, das sich bei der Suche
nach richtigen politischen Entscheidungen nicht
umgehen lässt. Umso sorgfältiger und gewissen-
hafter muss man sich darauf bewegen; vor allem
darf man sich nicht mit dem ersten Fund zufrie-
dengeben. Am besten ist es, mehrere denkbare
Analogien miteinander zu vergleichen. Der Ver-
gleich, so könnte man sagen, ist der methodische
Zweifel an der Aussagekraft von Analogie – oder,
positiv gewendet, ein Verfahren zur Optimierung
der Analogien.
Es liegt auf der Hand, die gegenwärtige Lage im
Osten Europas mit der Vorgeschichte des Münch-
ner Abkommens vom Herbst 1938 zu vergleichen.
Da war ein Land, die Tschechoslowakei, das gerade
erst durch Herauslösung aus einem imperialen
Herrschaftsverband entstanden und von den Sie-
germächten des Ersten Weltkriegs zum Bestandteil
eines Cordon sanitaire gegen Deutschland gemacht
worden war. Die Tschechen selbst feierten die
Gründung ihrer Republik als Einlösung des Wun-
sches nach nationaler Selbstständigkeit und Selbst-
KOMMENTAR
In der Pflege wird jede und jeder gebraucht
D
as Gesetz, um das es geht, heißt: „Gesetz
zur Stärkung der Impfprävention gegen
Covid-19“. Es wurde im Dezember von
Bundestag und Bundesrat verabschiedet, und es
besagt, dass Beschäftigte in medizinischen Einrich-
tungen bis zum 15. März 2022 Nachweise vorlegen
müssen, dass sie geimpft oder genesen sind – oder
ein Attest, dass sie nicht geimpft werden können.
Werden diese Nachweise nicht erbracht, müssen
die Arbeitgeber die Gesundheitsämter informieren.
Diese können die Beschäftigung in der Einrichtung
untersagen. Viele Gesundheitsämter haben al-
lerdings Zweifel geäußert, diese Aufgabe schnell
stemmen zu können. Schon dieses Eingeständnis
ist ein Vorbote. Im März könnte es zu chaotischen
Szenen in Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen
kommen. Es überrascht deshalb nicht, wenn Bay-
erns Ministerpräsident Söder jetzt ankündigt, dass
die Impfpflicht für Pflegepersonal ausgesetzt wer-
den soll.
Wer sich eine Weile mit diesem Thema beschäf-
tigt und mit Pflegekräften spricht, dem wird
schnell eines klar: Die einrichtungsbezogene Impf-
pflicht wird, ja, kann nicht umgesetzt werden.
Denn in jeder Einrichtung gibt es ungeimpfte Mit-
arbeiter, und diese können nicht einfach so ersetzt
werden. Schon jetzt gibt es einen Mangel an Fach-
personal, vor allem bei Pflegekräften. Jeder Mann
und jede Frau wird gebraucht. Dass das seit Lan-
gem bekannt ist und bei der Verabschiedung des
Gesetzes offenbar nicht bedacht wurde, ist ein
Skandal.
Etwa 20 Prozent der Pflegekräfte in vollstatio-
nären Einrichtungen sind nach einer deutschland-
weiten Umfrage der Charité nicht geimpft. In
FORUM 7
KOMMENTAR
Blockaden sind bequem
Gibt es so etwas wie eine Determination des wei-
teren Handelns im Fall von Nachgeben?
Und vor allem: Hat der nachgebende Chamber-
lain wirklich geglaubt, er habe in München den licht oder passiv-aggressiv beim Zer-
Frieden in Europa für die nächsten Jahrzehnte stören des Alltags ihrer Mitmenschen.
gerettet? Oder hat er nur Zeit kaufen wollen, um Die stolzen Gesichter der Demons-
sich durch eigene Aufrüstung auf den Krieg gegen tranten beim Wegschleifen wirkten so,
Hitler vorzubereiten? Wer das Münchner Abkom- ULF POSCHARDT als hätten sie die eigenen moralischen
M
men aus der Sicht späteren Wissens betrachtet und Ambitionen nachhaltig befriedigt.
dabei Putin und Hitler analogisiert – wird der sich Nichts ist bequemer als Blockade.
auch Chamberlains Aufrüstungspolitik zum Vorbild an muss Ricarda Lang für Vor allem deshalb, weil es in den Me-
zu nehmen? Und was ist von einem zu halten, der ihre Klarheit dankbar sein. dien so viel Applaus für die aufge-
die Hitler-Analogie stark macht, aber die Chamber- Die neue Grünen-Chefin wühlten Jugendlichen und ihr kindli-
Die Ukraine-Krise erinnert lain-Analogie umgeht? Wer in historischen Analo- hatte zuletzt die aktuellen Autobahn- ches Protestschema gibt. Die Grünen,
viele an die Zeit des
gien zwecks politischer Selbstvergewisserung blockaden nicht nur zum „legitimen in der Regierung ja staatstragend und
denkt, sollte das konsequent tun. Wer nur heraus- Mittel des politischen Protestes“ er- vizekanzlerisch, lassen ihre eher mi-
Münchner Abkommens
pickt, was ihm in den vorgefassten Plan passt, klärt, sondern mahnend gefragt, „wa- litanten Ränder nie alleine. Mit Ricar-
denkt nicht in Analogien, sondern nutzt sie bloß rum junge Menschen zu solchen Mit- da Lang bekommen sie nun eine pola-
von 1938 – Stichwort
propagandistisch. Die Analogie zu München 1938 teln greifen“. Diese Einladung an den risierende Chefin, die ihre Sympa-
läuft nämlich darauf hinaus, dass der Krieg unver- vorpolitisch pubertierenden Raum der thien offen bekennt. Das ist für die
„Appeasement“.
meidlich ist. Diese Analogie ist fatalistisch. Schon Grünen wurde angenommen. Schon Opposition hilfreich, wäre es auch für
deshalb sollte man sie mit Misstrauen betrachten. am Montagmorgen gab es kilometer- die FDP. Die aber hat ja gerade auch
Mindestens so wichtig
Eine Alternative dazu ist die Analogie zum Som- lange Staus, wütende, aufgelöste Auto- beim Skandal um Innenministerin
mer 1914: Zwei Bündnissysteme, die beide den fahrer:innen (damit die Aktivist:innen Faeser entschieden, freundlich zu
wäre aber ein Blick
großen Krieg nicht wollten, steuerten wegen einer das auch lesen). Einige trugen und grinsen, auch wenn diese für ein frag-
geopolitisch nachrangigen Frage auf ihn zu. Keine schleiften die Aussitzer und Blockierer würdiges, radikales Antifa-Magazin
auf den Vorabend des
Seite war bereit, ihr Gesicht zu verlieren. Und vor von den Straßen, was in den einschlä- schreibt.
allem wollte keiner den Zusammenhalt des Bünd- gigen, eher unterkomplexen, linken Die Gesellschaft reißt seit 2015 aus-
Ersten Weltkrieges 1914
nisses, dem er angehörte, riskieren, was bei Nach- Social-Media-Bubbles dann als Selbst- einander. Die selbsterklärten mora-
giebigkeit oder Einlenken nicht auszuschließen justiz denunziert wurde. lischen Eliten, die dem Land sonst
war. Die Frage der Zuverlässigkeit der Bündnis- Es spricht sich bei den Autofahrern wenig zu bieten haben, nutzen die Ori-
partner stand auf dem Spiel. Was fehlte, war ein herum, dass die Grünen diese Art von entierungslosigkeit der Bürgerlichen,
mächtiger, von beiden Seiten anerkannter Ver- Sabotage der fleißigen Mitte der Ge- um eine Provokation nach der anderen
mittler. Großbritannien hatte in den zurückliegen- sellschaft, der Handwerker, Müllfahrer zu setzen. In den Vierteln ohne Flücht-
den Jahrzehnten diese Rolle mehrfach gespielt. und Immobilienverwalter, begrüßen. lingsheime und Problemschulen parlie-
Aber dieses Mal war es zunächst mit seinen in- Jede weitere Aktion der Paniksektierer ren sie über Integration, bitten Polizis-
neren Problemen beschäftigt, und als es merkte, von der „letzten Generation“ ver- ten, die sie von der Straße räumen, zu
was sich da entwickelte, war der Konflikt schon so deutlicht mit ihrer fast archaischen gendern, führen einen kulturellen Klas-
HERFRIED MÜNKLER weit fortgeschritten, dass die Bündnisloyalität Symbolik, dass diese Generation fertig senkampf nach oben und unten. Und
mehr zählte als die Vermittlerrolle. Die Folgen hat, bevor sie überhaupt richtig losge- staunen, wenn das zunehmend auf
sind bekannt. legt hat – entweder autodestruktiv wie Widerstand stößt.
Man könnte, nimmt man letztgenannte Analogie beim eitlen Hungern im Scheinwerfer- ulf.poschardt@welt.de
ernst, das gegenwärtige Bemühen der deutschen
bestimmung, aber es gab auf ihrem Territorium und der französischen Regierung als den Versuch
auch einige ethnische Gruppen, die Sudetendeut- verstehen, sich für eine Vermittlerrolle bereit- KOMMENTAR
schen etwa, dazu ungarische Gruppen in der Slowa- zuhalten oder gar offensiv dafür in Stellung zu
kei sowie kleine polnische Minderheiten, die mit bringen. Freilich muss man dann auch sagen, dass
Transatlantischer Datenschutz
ihrer Staatszugehörigkeit unzufrieden waren. Und dies, gemessen an dem qua Analogie Nahegelegten,
dann war da ein mächtiger Politiker, der den Se- viel zu tapsig und unsicher erfolgt und, jedenfalls
parationswillen der deutschen Minderheit aufgriff, bei der deutschen Bundesregierung, eher auf ein
um seinem längerfristigen Ziel näherzukommen: Heraushalten als ein Initiativwerden hinausläuft.
der Wiedererrichtung des Reichs und der Wieder- Die Analogie zum Sommer 1914 ist eine, die ex waltig, während immer größere Teile
herstellung früherer geopolitischer Konstellationen negativo appelliert, denn die Briten sind damals ja unseres Lebens ins Digitale wandern.
durch die Zerschlagung des Cordon sanitaire. Er nicht tätig geworden, und so kann man auch nicht Die größten Internetdienste sitzen in
argumentierte mit dem Selbstbestimmungsrecht sehen, welche Schritte womöglich erfolgreich sein den USA, deshalb sollten die USA EU-
der Minderheit, aber es war erkennbar, dass es ihm könnten, um die drohende Katastrophe zu ver- TOBIAS KAISER Bürgern die gleichen Daten-Rechte wie
D
um die Schwächung eines Verbündeten der Sieger- hindern. Darin sind die gegenwärtigen Akteure auf ihren Bürgern geben. Andernfalls könn-
mächte, zumal Frankreichs, ging. Er drohte mit sich allein gestellt und müssen selbst herausfin- ten Unternehmen keine Daten mehr aus
Krieg. Sollte man ihm um des Friedens willen nach- den, was möglich und was sinnvoll ist. Dass sie atenschützer verzweifeln in Europa in die USA schicken. Das hat das
geben? Oder sollte man auf der Unverletzlichkeit sich dabei so ungelenk und tollpatschig anstellen, der Regel am Facebook-Mut- höchste EU-Gericht bereits klar ge-
der vorhandenen Grenzen bestehen? Und welchen könnte, wenn man das Denken in historischen terkonzern Meta. Diesmal macht. Nur wenn die Daten von EU-
Preis war man dafür zu bezahlen bereit? Analogien zu Ende treiben will, auch daran liegen, allerdings könnten sie ihm danken. Bürgern auf US-Servern genauso gut
Die Analogie zur Ukraine und zum Auftreten dass es dafür keine historischen Vorbilder gibt, an Warnte der doch gerade Anleger davor, geschützt sind wie in der EU, dürfen die
Putins liegt auf der Hand. Aber es gibt sicherlich denen sie sich orientieren und auf die sie sich dass sein Europa-Geschäft mit Face- Daten über den Atlantik geschickt wer-
keine völlige Kongruenz der Fälle: Böhmen und berufen können. book, Instagram und Whatsapp gefähr- den. Das machen Unternehmen zwar
Mähren gehörten vor 1918 zur Donaumonarchie und Analogien sind eben doch nur Fingerzeige und det sei, weil die US-Regierung die weiterhin. Damit bewegen sie sich aber
nicht zum Deutschen Reich. Erst die Besetzung keine fertigen Handlungsmuster. Es könnten indes Nutzerdaten europäischer Kunden in einer rechtlichen Grauzone, der die
Österreichs und dessen „Anschluss“ hatte die frü- gerade solche Fingerzeige sein, die den richtigen nicht ausreichend schützt. Das Unter- Aufseher bald ein Ende setzen könnten.
here Zugehörigkeit virulent gemacht. Das ist im Fall Weg weisen. Man muss gute Gründe geltend ma- nehmen fürchte, dass die EU den in- Das macht auch Facebook Angst.
Russland-Ukraine anders. Doch diese Unterschiede chen, wenn man ihnen nicht folgt. ternen Datenverkehr von Europa in Adäquate Datenschutzstandards bei-
sind nicht das Problem der konkreten Analogie. Das die USA ganz unterbinden könnte. derseits des Atlantiks sind nicht nur
Problem ist der Umstand, dass sich das Nachgeben T Herfried Münkler ist Politikwissenschaftler Dann sei das Geschäftsmodell des notwendig für die Wirtschaft. Sie wären
gegenüber Hitler nicht gelohnt hat, dass der Frie- mit dem Schwerpunkt Politische Theorie und Konzerns gefährdet. auch eine Chance für die beiden großen
den dadurch nicht gesichert, sondern die Expansi- Ideengeschichte. Er lehrte bis zu seiner Tatsächlich sind EU-Bürger in den westlichen Wirtschaftsräume, eine libe-
onslust des Diktators nur angefüttert wurde. Aber Emeritierung 2018 als ordentlicher Professor USA Datenschutz-Freiwild: US-Behör- rale Avantgarde für das digitale Zeitalter
lässt sich Putin wirklich mit Hitler gleichsetzen? an der Humboldt-Universität zu Berlin. den und Geheimdienste können deren zu formen. Eine liberale Datenallianz
Daten immer noch massenhaft spei- könnte weltweit Standards setzen und
chern und auswerten. Zwar hatte bereits ausstrahlen auf China, Russland und
die Regierung von Präsident Obama andere autokratische Länder, die ihre
Gesetze erlassen, die Amerikaner vor repressiven Systeme ins Digitale über-
Datenschnüffelei schützt, nachdem tragen. Anders ist es kaum vorstellbar.
Edward Snowden enthüllt hatte, in Je mehr Daten ins Internet wandern
welch gewaltigem Umfang der US-Ge- und je mehr Zeit wir in Chats, Online-
heimdienst NSA Daten durchleuchtet. Spielen oder gar dem Metaverse ver-
Aber Ausländer können sich dagegen bringen, desto dringender müsste unser
weiterhin kaum wehren. Bedürfnis sein, im Digitalen genauso gut
vathaushalten. Einige haben bereits ihre Koffer Das kann so nicht weitergehen. Der geschützt zu sein wie im realen Leben.
gepackt und sind umgezogen. Andere wollen ih- Datenhunger der US-Dienste ist ge- tobias.kaiser@welt.de
rem oft sehr anstrengenden Beruf den Rücken
LESERBRIEFE
kehren. Sie werden in den Einrichtungen bald
STEFFI UNSLEBER schmerzlich fehlen.
Das Vertrauen in „die Politik“, in „die Medien“
und – ganz grob – in „die Demokratie“ wurde
Sachsen sind es mehr. Dort sind rund 35 Prozent
leichtfertig verspielt. Ich beobachte, dass viele
dieser Menschen sich rechtsextremen Gruppen
Rechtswidrig Den Planeten retten
der Pflegekräfte nicht geimpft. Wenig deutet da- zuwenden und keine Berührungsängste mehr ha- Zu: „Ganz einsam zaudert die EZB“ Zu: „Zwischen Größenwahn
rauf hin, dass sich all diese Menschen jetzt noch ben. Denn diese Gruppen zählen zu den wenigen, vom 4. Februar und Heulsusigkeit“ vom 2. Februar
umentscheiden, auch nicht mit dem neuen Impf- die ihrer Verzweiflung Beachtung schenken. Es ist
stoff Novavax. Die Einrichtungen werden es sich schwierig, das Vertrauen zurückzugewinnen. Ich Die EZB zaudert nicht, sondern be- Klimaaktivisten und Naturschützer
im März nicht leisten können, all diese Menschen versuche das, wenn ich als Reporterin unterwegs treibt in rechtswidriger Weise Reali- werden von Ulf Poschardt ins Lächerli-
freizustellen. Denn wer soll dann die Patienten bin. Ich erzähle ihnen auch, dass ich dreimal tätsverweigerung, indem sie im Unter- che gezogen. Komplett ignoriert wird
versorgen? geimpft bin und dass ich die Impfung gut ver- schied zu anderen Zentralbanken die dabei die nicht von der Hand zu wei-
Es bleibt auch fraglich, welchen Sinn eine solche tragen habe. Das funktioniert aber nur, wenn es galoppierende Inflation einfach nicht sende Tatsache, dass unser Lebensstil
Impfpflicht für das Pandemie-Geschehen ab Mitte ohne missionarischen Eifer geschieht. Die Ent- zur Kenntnis nimmt, sondern sie durch den Klimawandel verursacht, beschleu-
März überhaupt noch hätte. Die Menschen in scheidung, welches Mittel sie ihrem Körper zu- ihre ultralockere Geldpolitik und ihre nigt und aller Wahrscheinlichkeit nach
Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen hatten führen und ob sie es überhaupt tun, müssen sie Anleihekäufe weiterhin befeuert. Frau den Planeten zerstören wird, wenn wir
die Möglichkeit, sich vollständig impfen zu lassen. selbst treffen. Das Grundgesetz garantiert die Lagarde an der Spitze der EZB betätigt so weiter leben. Ich bin 29 Jahre alt
Die meisten besonders gefährdeten Menschen körperliche Unversehrtheit. Ein Staat sollte keine sich wie ihr Vorgänger Mario Draghi als und habe somit hoffentlich noch einige
haben das getan. Ab Mitte März werden die Infek- medizinischen Eingriffe verordnen dürfen. Cheflobbyistin ihres Heimatlandes Jahre zu leben. Ist es tatsächlich zu viel
tionszahlen vermutlich deutlich sinken. Und mit Die Gesellschaft hat sich daran gewöhnt, über Frankreich und der anderen verschul- verlangt, dass ich auch mit 50 Jahren
Omikron ist die Gefahr einer tödlichen Covid- die Körper der Pflegekräfte zu verfügen und ihnen deten Südstaaten der EU. Es war ein noch auf einem lebensfreundlichen
Erkrankung nicht mehr so hoch. Das Risiko, dass eine sehr anstrengende Arbeit mit wenig Pausen schwerer Fehler von Frau Merkel, den Planeten leben will? Ohne wöchentlich
auch geimpfte Mitarbeiter das Virus verbreiten, ist zuzumuten. Am Anfang der Pandemie haben sie Chefposten der EZB nicht für Deutsch- neue Naturkatastrophen und mit sau-
bei dieser Variante, die den Immunschutz teilweise unter oft hohem persönlichen Risiko schwer kran- land zu reklamieren. berer Luft zum Atmen?
austrickst, ebenfalls da. Die Kosten, die eine ein- ke Menschen versorgt, oftmals ohne adäquate HEINZ-JÜRGEN WURM, SIEGBURG JULIA POST, OCHTRUP
richtungsbezogene Impfpflicht verursacht, sind Schutzausrüstung. Wir haben es ihnen nicht ge-
daher viel höher als ihr Nutzen. dankt. Aber sie nun mit einer Impfpflicht zu gän-
Aber der Schaden ist angerichtet. Viele Pfle- geln, die ungeimpfte Pflegekräfte aus ihrem Beruf Ihre Post an: DIE WELT, Brieffach 2410, 10888 Berlin, Fax: (030) 2591-71606, E-Mail: forum@welt.de
gekräfte verlassen in diesen Tagen ihre Einrich- drängt und geimpfte Pflegekräfte zu Überstunden Leserbriefe geben die Meinung unserer Leser wieder, nicht die der Redaktion. Wir freuen uns über jede
tung oder gehen ins Ausland. Sie werden umwor- zwingt, das ist beschämend. Zuschrift, müssen uns aber das Recht der Kürzung vorbehalten. Aufgrund der sehr großen Zahl von
ben, von Kliniken aus der Schweiz oder von Pri- stefanie.unsleber@welt.de Leserbriefen, die bei uns eingehen, sind wir leider nicht in der Lage, jede einzelne Zuschrift zu beantworten.
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8 WISSEN
Gletscher haben
weltweit weniger
Eis als gedacht
Satellitendaten: Forscher
berechnen Eisvolumen neu
Z
u den unbestrittenen und deut-
lich sichtbaren Entwicklungen
gehört die weltweite Gletscher-
schmelze. Aber wie viel Eis gibt es, wie
viel davon schmilzt und wie schnell?
Wissenschaftler haben nun mit hoch-
auflösenden Satellitendaten fast die
gesamte globale Gletscherfläche unter-
sucht, die Fließgeschwindigkeiten der
Gletscher ermittelt und daraus Eisdi-
cken und -volumina berechnet. Ergeb-
nis: Die Gletscher führen insgesamt
weniger Eis als bisher angenommen
und könnten deshalb bei weiterer
Schmelze deutlich weniger zum Mee-
resspiegelanstieg beitragen, etwa ein
Fünftel weniger.
In der aktuellen Studie im Fachjour-
nal „Nature Geoscience“ zeigen die
Autoren, dass sich die bisher prognos-
tizierte Eismengen in den Regionen
unterscheiden. Im Himalaja gibt es 37
Prozent mehr Eis in den Gletschern als
gedacht, in den Anden dagegen 27 Pro-
zent weniger. Das hat erhebliche Kon-
sequenzen für die Menschen in diesen
Regionen. „Hochgebirge sind die Was-
sertürme unserer Erde und entschei-
dend für die Trinkwasserversorgung
von etwa 1,9 Milliarden Menschen“,
sagt Celia Baumhoer vom Zentrum für
Luft- und Raumfahrt in Oberpfaffen-
hofen. Die Himalaja-Gletscher etwa
versorgen die sieben größten Flüsse
Asiens. Eine Änderung der Eismenge
kann sowohl mehr Hochwasser in Flüs-
sen bedeuten als auch frühere Aus-
trocknung.
Auf der Erde gibt es etwa 217.000
Gletscher. Die tatsächlichen Auswir-
kungen der Schmelze hängen stark von
der Größe der Eisspeicher und der Ver-
teilung der Eisdicke ab, die nach wie
vor häufig unsicher ist. Bisher gab es
für knapp 4700 Gletscher Messungen
der Eisdicke. Diese Erkundungen sind
nicht einfach, „man muss auf dem Eis
stehen“, sagt Ben Marzeion, Professor
für Klimageographie in Bremen. Viele
Gletscher sind unzugänglich. Die 4700
Gletscher stellen nur zwei Prozent der
Gesamtzahl dar, bedecken aber 40 Pro-
zent der weltweiten Gletscherfläche.
Über die Alpen weiß die Forschung
ziemlich gut Bescheid, in Hochasien
gibt es gewaltige Lücken. Vor zehn Jah-
ren kannte man die genaue Eisdicke so-
gar nur von rund 300 Gletschern.
Mithilfe hochauflösender Satelliten-
daten konnten die Forscher für die Stu-
die nun 98 Prozent der weltweiten
Gletscherfläche untersuchen. Die Ge-
schwindigkeiten, mit der sich Glet-
scher bewegen, nahezu in Echtzeit zu
verfolgen, ist erst seit kurzem möglich.
Analysiert wurde die Fließgeschwin-
digkeit in den Jahren 2017 und 2018, die
Forscher errechneten daraus die Ver-
teilung der jeweiligen Eisdicken und
,,
konnten so das Volumen der Gletscher
bestimmen. Da es sich um eine Model-
lierung handelt, bleiben die Unsicher-
heiten über die tatsächliche Eisdicke
natürlich erhalten. „Wenn man in Zu-
kunft Satelliten hätte, mit denen man
MAN MUSS AUF
DEM EIS STEHEN
BEN MARZEION, Klimageograf, zur
Frage, wie man die Eisdicke misst
Eisdicken messen könnte, würde sich
die Datengrundlage natürlich deutlich
verbessern“, sagt Celia Baumhoer. Das
klappt zwar auf dem Mars, wegen der
Atmosphäre aber bisher nicht auf der
Erde.
Die Ergebnisse legen nahe, dass der
potenzielle Beitrag zum Meeresspie-
gelanstieg 20 Prozent geringer ist als
bisherige Schätzungen beschreiben. Al-
lerdings gibt es Kritik an der Analyse.
Die Studie schlage für die Zählung grö-
ßere Teile des Eises in der Antarktis
dem Eisschild zu – statt den vom Eis-
schild unabhängigen Gletschern, sagt
Ben Marzeion. Entsprechend erhöhe
sich in der Rechnung der potenzielle
Beitrag des antarktischen Eisschilds.
„Ich halte daher die Angabe eines um
20 Prozent verringerten Potentials des
Meeresspiegelanstiegs für grob irre-
führend“. Auf den tatsächlich zu erwar-
tenden Anstieg des Wassers habe das
keine Konsequenz. krei
DIE WELT DIENSTAG, 8. FEBRUAR 2022
REDA&CO/UNIVERSAL IMAGES GROUP VIA GETTY IMAGES
PA / BLICKWINKEL/MCPHOTO/R. MUELLER
GETTY IMAGES/KATRIN RAY SHUMAKOV
Forsythien blühen elf Tage früher Elf Tage eher – für Apfelblüten steigt das Frostrisiko Sommerlinden stehen für Sommer – der beginnt zehn Tage früher
Immer früher
Scheeglöckchen recken ihre Knospen im Januar aus dem
Schnee, und die Sommerlinde blüht zur Frühlingszeit. Der
Klimawandel lässt einige Pflanzen mehr als einen Monat
früher als noch vor Jahrzehnten erblühen. Das haben For-
scher von der Uni Cambridge entdeckt. Das Team hatte
Daten von 406 Pflanzenarten zum Blühbeginn von 1952 bis
2019 analysiert. Die meisten Arten blühte demnach im
Zeitraum nach 1986 im Schnitt 31,5 Tage früher als in der
Zeit zuvor, die Baumblüte beginnt 15 Tage früher, die der
Sträucher zehn Tage. Insgesamt korreliere der Blühbeginn
HPICTURE ALLIANCE / BLICKWINKEL/F. HECKER
mit der Entwicklung der Temperaturen. Veränderter Nie-
derschlag oder frühere Schneeschmelze hätten keine Aus-
wirkungen gezeigt. Von 1952 bis 2019 hätten die Pflanzen
GETTY IMAGES/ © JACKIE BALE
ihre Blühte im Mittel um 5,4 Tage pro Jahrzehnt vorgezo-
gen. In Deutschland gibt eine ähnliche Entwicklung. Die
Haselblüte beginnt im Vergleich der beiden Zeiträume 17
Tage früher – ähnliches gilt für Schneeglöckchen. Die For-
sythien- und die Apfelblüte sind um elf Tage vorgezogen,
die Sommerlinde blüht zehn Tage früher.
D
Haselnüsse blühen mehr als zwei Wochen früher 17 Tage früher strecken Schneeglöckchen ihre Blüten aus dem Boden
ie klaffende Wunde des
Schimpansen im Regen-
ten, wenn ihr Tier plötzlich scharfkanti-
ges Gras frisst“, erklärt Pika. Oft hätten
achtet. Dort falten die Tiere die Blätter
der zusammen, rollen sie im Mund hin
Darin stecken vermutlich Inhaltsstoffe,
die Insekten abschrecken. Gelähmte
wald des Loango-Natio-
nalparks im zentralafrika-
diese Hunde Bauchschmerzen und ver-
suchten mit dem Grünzeug zum Bei-
und her und schlucken sie schließlich
unzerkaut hinunter. Da die Blätter viele
Ein ähnliches Mittel haben die Braun-
bären Nordamerikas entdeckt. Sie können
wieder gehen
nischen Gabun sah nicht spiel krankmachende Parasiten im Haare hat, werden die Aspilia-Blätter schmieren sich die zerkauten und mit
gut aus. Schon kleine Verletzungen kön- Bauch loszuwerden. weitgehend unversehrt wieder ausge- Speichel vermischten Wurzeln der ka-
nen im bakterienreichen Dschungel Michael Huffman von der Universität schieden. Zwischen den Haaren bleiben rottenähnlichen Pflanze Ligusticum
schnell zu schweren Entzündungen im japanischen Kyoto hat ein ganz ähn- aber zahlreiche Würmer hängen, die so porteri ins Gesicht, um Insekten zu ver- Durchbruch bei Stimulation
des Rückenmarks
führen. Aber das Tier wusste sich zu liches Verhalten im Mahale Mountains aus dem Darm entfernt werden und treiben.
D
helfen: Es fing mit einer schnellen Nationalpark in Tansania beobachtet. wahrscheinlich die Bauchschmerzen Dieses Gewächs ist auch bei den indi-
Handbewegung ein Insekt und zer- Dort quälte ein starker Durchfall ein lindern. genen Navajos beliebt, sie lindern damit
quetschte es mit den Lippen. Dann rieb Schimpansenweibchen, das apathisch Einige Tiere kennen auch äußerliche Magenschmerzen und Infektionen. Die ie ersten Schritte waren un-
er das Tier mit dem Zeigefinger der auf dem Boden saß. Nach einiger Zeit Behandlungen. „Zum Beispiel kauen Legenden dieses Volkes erzählen, dass glaublich – ein Traum wurde
rechten Hand über seine Wunde – und zog das Tier einen Schößling des Bu- Orang-Utans auf Borneo Blätter der sie von Bären das Wissen über die Heil- wahr!“, berichtet Michel Rocca-
verblüfft damit Simone Pika von der sches Vernonia amygdalina aus dem Bo- Pflanze Dracaena cantleyi, die mit dem kräfte der Wurzel gelernt haben. Solche ti, ein Italiener, der nach einem Motor-
Uni Osnabrück und ihr Team: „Wir wis- Sagen über weise Tiere, die den Men- radunfall querschnittsgelähmt war.
sen schon lange, dass Schimpansen in schen medizinisch wirksame Pflanzen Nach monatelangem Training kann er
Doktor Affe
der Natur Insekten fressen“, erklärt die geschenkt haben, gibt es bei vielen Na- jetzt mit einem Rollator 500 Meter am
Kognitionsbiologin. „Aber dass sie da- turvölkern. Und tatsächlich sind viele Stück laufen und Treppen hoch- und he-
mit auch Wunden verarzten, haben wir der von Tieren genutzten Heilpflanzen runtersteigen. Zwei weitere Patienten
jetzt zum ersten Mal beobachtet.“ bei den Menschen bekannt, die in der haben in noch laufenden klinischen Ver-
jeweiligen Region leben. suchen ebenfalls einen Teil der Beweg-
In Gabun behandeln Schimpansen ihre
VON ROLAND KNAUER „In Asien verwenden Menschen auch lichkeit ihrer Beine und ihres Rumpfes
viele aus Insekten gewonnene Substan- wiedererlangt, sie können jedoch keine
Wunden mit Insekten – ein erneuter Nachweis
In den folgenden 15 Monaten stellte zen, die gegen Bakterien, Viren und Pil- Treppen bewältigen. Für jeden von ih-
das Team um Simone Pika fest: Die un- ze helfen, Entzündungen hemmen und nen haben die Wissenschaftler ein indi-
gewöhnliche Therapie war kein Zufall.
Bei der von ihnen beobachteten Gruppe
von medizinischem Wissen im Tierreich. Schmerzen lindern“, sagt Simone Pika.
„Als wir die Mitarbeiter unseres Ozou-
viduelles Programm zur Stimulation
des Rückenmarks geschrieben.
aus 45 Schimpansen traten in der Zeit Er lässt zudem Spekulationen über den ga Schimpansen Projektes in Gabun Die neue, experimentelle Therapie
Ursprung des Heilwissens zu
76 offene Wunden auf. In 22 Fällen nach solchen Naturheilmitteln aus In- beruht auf einer implantierten Folie mit
drückten die Tiere mit den Lippen zer- sekten fragten, kannten sie diese Me- 16 Elektroden. Sie gibt kleine elektri-
quetschte Insekten auf die Verletzun- thoden aus ihren Dörfern aber nicht.“ sche Impulse an Nervenbahnen ab, die
gen, berichtet die Forscher in „Current Entweder ist dieses Wissen verloren zu Motorneuronen in der Wirbelsäule
Biology“. gegangen, oder die Einheimischen ha- führen. Die Patienten konnten bereits
Simone Pika und ihr Kollege Tobias ben es nie von den Schimpansen abge- am ersten Tag nach der Aktivierung des
Deschner leiten im Loango-National- schaut. Umgekehrt sollten daher aller- sogenannten Elektrodenarrays erste
park in Gabun das „Loango Chimpan- dings auch die Tiere solche Behand- Schritte auf einem Laufband machen.
TOBIAS DESCHNER/ OZOUGA CHIMPANZEE PROJECT
zee Project“, welches das Verhalten ei- lungsmethoden nicht von Menschen ge- Jocelyne Bloch und Grégoire Courtine
ner Schimpansen-Gruppe erforscht, die lernt haben. Vermutlich haben sie ihre von der Eidgenössischen Technischen
sich in vielen Jahren an die Menschen Heilmethoden also selbst entdeckt. Hochschule Lausanne (EPFL) in Lau-
gewöhnt wurden. „Im feuchten Regenwaldklima sitzen sanne (Schweiz) und ihr Team stellen
Im November 2019 filmte die Projek- auf offenen Wunden ja rasch Insekten“, ihre Ergebnisse im Fachmagazin „Na-
Volontärin Alessandra Mascaro gerade erklärt Pika. Darunter können auch Tie- ture Medicine“ vor.
eine Schimpansenmutter mit ihren bei- re sein, deren Sekrete Krankheitserre- Um das Elektrodenarray zu entwi-
den Kindern, als das erwachsene Tier ger abwehren oder Entzündungen und ckeln, analysierten Bloch, Courtine und
mit einer schnellen Bewegung ein In- Schmerzen lindern. Die Schimpansen Kollegen 27 Wirbelsäulen und erstellten
sekt von einem Blatt fing. Ein solches könnten so lernen, dass manche Insek- Computermodelle. Sie stellten fest,
Verhalten ist alles andere als unge- ten ihre Wunden rascher heilen lassen dass die Lage der Nervenbahnen, die zu
wöhnlich: Bereits Jane Goodall hatte in oder die Schmerzen stillen. „Vielleicht den motorischen Zentren im Rücken-
den 1960er-Jahren in Tansania Schim- Schimpansen im Loango-Nationalpark Gabun setzen sie ja solche Sekrete frei, wenn mark führen, sich von Mensch zu
pansen beobachtet, die Termiten mit sie die Insekten zwischen ihren Lippen Mensch unterscheidet. Schließlich fan-
Grashalmen oder Stöckchen aus ihren zerquetschen.“ Der gemeinnützige den sie ein Arrangement der 16 Elektro-
Hügeln fischten und anschließend of- den. Es schälte sorgfältig Rinde und Speichel einen seifenartigen Schaum er- Ozouga-Verein, der die Forschung im den, mit dem erheblich besser als bisher
fensichtlich als eine Art Leckerbissen Blätter ab und kaute das saftige Mark. geben, den sie dann auf ihre Oberarme Loanga-Nationalpark unterstützt, will die entscheidenden Nervenbahnen für
verspeisten. Einen Tag später war das Weibchen wie- und Beine schmieren“, sagt Simone Pi- dies nun erforschen. jede Art der Bewegung durch elektri-
Tatsächlich steckte sich auch die der fit. ka. Labor-Untersuchungen zeigen, dass Hat ein Schimpanse solche Insekten- sche Impulse erreicht werden können.
Schimpansenmutter im Loango-Natio- Im Kot des Tieres fand Michael Huff- dabei Zytokine entstehen. Naturheilmittel erst einmal entdeckt, Die Elektroden auf der Folie sind mit ei-
nalpark das gerade erbeutete Insekt man Darmparasiten, die durch die Kur Diese Proteine spielen eine wichtige verbreitet sich sein Wissen schnell in- nem Impulsgeber verbunden, der wie-
zwischen ihre Lippen. Nur schluckte sie offenbar abgetötet worden waren. In Rolle bei etlichen Prozessen im Körper nerhalb der Gruppe. Die Tiere behan- derum drahtlos über einen Tabletcom-
es nicht hinunter, sondern drückte es der Pflanze steckte ein Wirkstoff gegen und steuern auch Entzündungsreaktio- deln sowohl ihre eigenen Wunden oder puter angesteuert werden kann. „Die
auf die Verletzung am Fuß, die sich ihr Parasiten und Bakterien. Da in den Blät- nen und Abwehrmaßnahmen des Im- die Verletzungen der nächsten Angehö- Patienten können die gewünschte Akti-
halbwüchsiger Sohn zuvor zugezogen tern und der Rinde des Busches sehr munsystems gegen Krankheitserreger. rigen, als auch die anderer Mitglieder ih- vität auf dem Tablet auswählen und die
hatte. viele giftige Substanzen stecken, kaute Möglicherweise wehren sich die Orang- rer Gruppe. „Solche pro-sozialen Ver- entsprechenden Protokolle werden an
Verhaltensbiologen wissen, dass Tie- das Schimpansenweibchen für seine Utans mit diesem Naturheilmittel also haltensweisen zum Wohle anderer Tiere den Schrittmacher im Bauchraum wei-
re medizinisches Wissen nutzen. Einige Kur nur das Mark. gegen Hautparasiten und lindern ihren sind bisher außer bei uns Menschen nur tergeleitet“, sagt Courtine. Dabei werde
Arten behandeln ihre Infektionen und Eine weitere Naturheilmethode ge- Juckreiz. äußerst selten beobachtet worden“, sagt das Rückenmark aktiviert, wie es das
Verletzungen mit Heilmitteln aus der gen Bauchschmerzen hat Richard Kapuzineraffen in Costa Rica bre- Pika. Die erste Studie zur Anwendung Gehirn natürlicherweise tun würde. Ne-
Natur, allerdings verwenden sie dazu Wrangham von der Harvard-Universität chen die Früchte bestimmter Zitrus-Ge- von Naturheilmitteln aus Insekten stößt ben dem Stehen und Gehen sollen so et-
meist Pflanzenteile. „Hundebesitzer in Cambridge, USA bei Schimpansen im wächse auseinander und schmieren sich daher die Türen zu einem neuen For- wa auch Schwimmen und Liegerad fah-
können ein solches Verhalten beobach- Gombe-Schutzgebiet in Tansania beob- das Fruchtfleisch und den Saft ins Fell. schungsfeld der Verhaltensbiologie auf. ren möglich sein. dpa/bhe
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WIRTSCHAFT UND GELD
DIE WELT DIENSTAG, 8. FEBRUAR 2022 SEITE 9 *

BÖRSEN-WELT: INDIZES
DAX 15206,64 Dow Jones 35043,18 Euro in $ 1,1434 Gold $ / Feinunze 1817,73 Rohöl $ / Barrel 92,83 Bund-Future 165,68 Kanada Großbritannien Deutschland Russland
21186,83 –0,40 1526,72 +0,78 15206,64 +0,71 1445,20 +0,64

DAX
• ••••• • Europa

07.02. Kurs Veränderung 12 Monate Marktk. Div. Div. KGV Kurs

in €
Veränderung
Vortag in % Tief
12 Monate
Vergleich
Marktk.
Hoch Mrd. €
Div.
in €
Div.
Rend.
KGV
2021
•
4125,37 +0,95
•
• •
in € Vortag in % Tief Vergleich Hoch Mrd. € in € Rend. 2021
Adidas NA 240,45 +0,1 W 231,6 336,3 46,19 3,00 1,25 31,03 Henkel Vz. 71,84 +1,4 WWWW 68,92 99,50 12,80 1,85 2,58 16,71 Frankreich
Airbus 112,88 +2,4 WWWWWW 89,59 121,1 88,73 - 29,71 Infineon NA 33,32 WW –0,5 29,79 43,85 43,51 0,22 0,66 39,20 USA 7009,25 +0,83
Allianz vNA 225,75 +1,6 WWWW 182,5 230,1 92,21 9,60 4,25 11,29 Linde PLC 259,95 WW –0,6 201,8 309,4 133,24 3,35 1,29 33,98 35043,18 –0,13
BASF NA 66,97 +0,4 WW 57,06 72,88 61,51 3,30 4,93 19,13 Mercedes-Benz 67,56 WW –0,4 53,83 76,92 72,28 1,13 1,68 8,45
Bayer NA 53,09 +0,9 WWW 43,91 57,73 52,16 2,00 3,77 14,75 Merck 190,45 WW –0,4 126,6 231,5 24,61 1,40 0,74 35,93 Schweiz Japan
Beiersdorf 87,76 +0,1 W 81,86 108,1 22,12 0,70 0,80 29,25 MTU Aero 184,65 +0,5 WW 161,6 224,9 9,85 1,25 0,68 33,57 Brasilien 12193,81 +0,44 27248,87 –0,70
BMW St.
Brenntag NA
Continental
Covestro
89,86
75,50
85,19
52,80
+0,2
+1,2
+1,5
+0,4
W
WWW
WWWW
WW
68,87
63,14
82,36
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100,4
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10,20
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1,35
-
1,30
2,11
1,79

2,46
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12,72
Münch. R. vNA
Porsche Vz.
Puma
Qiagen
270,25
78,70
91,50
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+1,2 WWWW
WW –0,3
0,0 W
+1,2 WWW
215,3
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102,0
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10,02
9,80
2,21
0,16
-
3,63
2,81
0,17
13,28
5,96
45,75
21,97
111812,89 –0,28

• •
Deliv. Hero
Dt. Bank NA
Dt. Börse NA
Dt. Post NA
67,80
13,70
157,55
52,34
+4,0
+0,9
+1,0
+0,3
WWWWWWWWW
WWW
WWW
WW
62,44
8,61
130,1
40,68
142,0
13,78
163,4
61,38
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3,00
-
-

1,35
1,90
2,58
68,49
25,01
18,05
RWE St.
SAP
Sartorius Vz.
Siem.Energy
36,76
111,20
465,60
19,07
WW –0,3
+1,9 WWWWW
+0,5 WW
WWW –1,2
28,39
100,5
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38,14
129,7
631,6
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13,85
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-
2,31
1,66
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20,42
27,80
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Dt. Telekom 17,09 +0,3 WW 14,60 18,92 85,20 0,60 3,51 22,78 Siem.Health. 57,02 W –0,1 44,17 67,66 64,32 0,80 1,40 37,76 Argentinien Südafrika Indien China
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Fres. M.C.St. 60,98 +0,4 WW 52,06 71,14 17,87 1,34 2,20 16,26 Symrise 103,20 WWW –0,8 95,88 132,7 14,42 0,97 0,94 37,94

D
Fresenius 37,23 +0,6 WW 32,91 47,60 16,84 0,88 2,36 11,28 Vonovia NA 48,39 WWW –0,7 45,53 57,15 37,58 1,58 3,27 10,08
Heidelb.Cem. 64,92 +0,4 WW 56,60 81,04 12,88 2,20 3,39 9,27 VW Vz. 175,94 W –0,1 159,7 252,2 36,28 4,86 2,76 7,20 Veränderungen sind zum Vortag und in Prozent. * = Preis vom Vortag oder letzt verfügbar.
HelloFresh 57,34 +4,9 WWWWWWWWWWW 50,98 97,50 9,97 - 33,73 Zalando 66,12 +0,2 W 63,46 105,9 17,32 - 69,60 Alle Angaben ohne Gewähr. Quelle

Industrie ie Drohung steht nur in

einem Nebensatz, doch Meta-Chef Mark Zuckerberg
gentlich bis Ende 2021 ein Nachfolgeab-
kommen für Privacy Shield präsentie-

produzierte im sie birgt Sprengkraft:

„Wenn wir uns nicht wei-
sieht die neuen EU-Vorhaben
als Bedrohung für Facebook,
ren. Daraus wurde jedoch nichts. Jetzt
will die US-Regierung aber offenbar

Dezember mehr
terhin auf Standardver- Instagram und Co. noch in diesem Monat einen Vorschlag
tragsklauseln oder andere alternative dazu machen, wie die EU-Nutzerdaten
Mittel zur Datenübertragung von Euro- besser geschützt werden könnten. Im
Aber Wirtschaftsleistung pa in die Vereinigten Staaten verlassen Mai wollen sich die für Digitales und
noch unter Vorkrisenniveau
können, werden wir wahrscheinlich ei- Handel zuständigen Mitglieder der US-

D
ie Lieferengpässe der vergange-
nen Monate lösen sich offenbar
langsam auf: Deutschlands In-
dustrieunternehmen steigerten ihre
Produktion im Dezember den dritten
Monat in Folge, so das Statistische Bun-
desamt in Wiesbaden. In der wichtigen
Auto- und Autozulieferbranche war das
Plus demnach sogar sehr groß. Das Bun-
deswirtschaftsministerium erwartet ei-
ne „dynamische Entwicklung“ in den
kommenden Monaten, auch weil der
Auftragsbestand hoch ist.
Laut Statistik stieg die Industriepro-
ne Reihe unserer wichtigsten Produkte Regierung und der EU-Kommission zu
und Dienstleistungen, einschließlich Gesprächen treffen. Bis dahin könnte
Facebook und Instagram, in Europa ein neues Abkommen stehen und der
nicht mehr anbieten können“, schreibt Öffentlichkeit präsentiert werden – so
der Facebook-Mutterkonzern Meta in die Hoffnung in Brüssel.
seinem jüngsten „10-K“-Jahresbericht Allerdings: Aus der Kommission
an die US-Börsenaufsicht. heißt es seit mehr als einem Jahr, dass
man kurz vor einer Einigung stehe. Er-
VON TOBIAS KAISER UND BENEDIKT FUEST gebnisse gibt es bisher nicht. „Solange
die USA ihre Massenüberwachung eu-
Der Satz verbirgt sich auf Seite 9 der ropäischer Bürger fortsetzen und die
Mitteilung, mitten in einer Auflistung EU-Kommission das akzeptiert, müs-
von Risiken, die dem Social-Media- sen die Gerichte die Datentransfers un-
Konzerns aus den jüngsten Regulie- terbinden“, sagt der FDP-Europaabge-
rungsvorhaben in Europa und den USA ordnete Moritz Körner. „Die Wirt-
erwächst. Facebook listet weiter die schaft braucht endlich Rechtssicher-

AFP/ KIRILL KUDRYAVTSEV

duktion im Dezember um 1,2 Prozent im
Vormonatsvergleich. Das Bundeswirt-
schaftsministerium hob hervor, dass
der „gewichtige Bereich“ Kfz und Kfz-
Teile um 12,1 Prozent zulegte. Im Ma-
schinenbau dagegen ging die Produkti-
on um 3,7 Prozent zurück. Beide Bran-
EU-Datenschutzrichtlinie DSGVO so- heit und es ist die Aufgabe von der Ley-
wie das kommende EU-Gesetz über di- ens, diese mit ihren amerikanischen
gitale Märkte als Risikofaktoren für Partnern zu garantieren.“
sein Werbegeschäft: „Wenn wir daran Der Datenaustausch zwischen der EU
gehindert werden, Daten zwischen un- und den USA gehört seit Jahren zu den
seren Produkten auszutauschen, könn- heiklen transatlantischen Themen. Tau-
te dies unsere Fähigkeit beeinträchti- senden von Unternehmen beiderseits

Meta droht mit

chen blieben im Dezember wegen der gen, (...), Anzeigen gezielt auszurich- des Atlantiks fehlt seit Jahren eine ver-
anhaltenden Knappheiten vor allem bei ten.“ Mit anderen Worten: Meta fürch- bindliche Rechtsgrundlage für den Aus-
Halbleitern aber weiterhin unter dem tet, dass die aktuellen und kommenden tausch von Daten zwischen den USA
Vorkrisenniveau. Verbraucher- und Datenschutzgesetze und EU-Ländern. Bis Mitte 2020 wurde

Die Produktion im gesamten verar-
beitenden Gewerbe – also inklusive der
Baubranche und des Energiebereichs –
sank im Vormonatsvergleich um 0,3
Prozent, wie das Statistikamt weiter
mitteilte. Grund war vor allem ein star-
ker Rückgang im Baugewerbe – hier
der EU nicht nur das Geschäft mit ziel-
gerichteten digitalen Anzeigen er-
schweren oder ganz unmöglich machen
könnten, sondern sogar den Betrieb
von Facebook oder Instagram komplett
unmöglich machen könnten.
Diese Rückzugsdrohung spricht der
EU-Boykott
der Datenverkehr über Privacy Shield
geregelt; ein Übereinkommen zwischen
beiden Seiten, das regeln sollte, dass die
strengen EU-Datenschutzvorschriften
auch dann gelten, wenn die Daten auf
US-Servern gespeichert werden.
Der US-Konzern fürchtet wegen der strengen EU-Datenschutzgesetze Am 16. Juli 2020 kippte der Europäi-

um sein Werbegeschäft und warnt: Facebook und Instagram könnten in

ging die Produktion um 7,3 Prozent zu- Konzern nicht unüberlegt aus, sie ist sche Gerichtshof die Vereinbarung. Die
rück. Die Energieerzeugung sank um auch nicht nur an potenzielle Investo- Daten der europäischen Nutzer seien

der EU bald abgeschaltet werden

0,7 Prozent. Das Wirtschaftsministeri-
um äußerte sich aber insgesamt opti-
mistisch: Trotz der schwachen Ergeb-
nisse des Baugewerbes stabilisiere sich
die Gesamtproduktion.
Auch das Kiel Institut für Weltwirt-
schaft (IfW) erwartet für Januar einen
„kräftigen“ Anstieg der Industriepro-
duktion. Insgesamt hinke die Produkti-
on allerdings weiterhin deutlich den
Auftragseingängen hinterher. „Sofern
die Lieferengpässe weiter nachlassen
und die Auftragslage stabil bleibt, dürf-
te die Industrieproduktion im Verlauf
des Jahres um mehr als zehn Prozent
steigen.“ Im vergangenen Jahr sorgten
die Lieferengpässe laut Berechnungen
des IfW dafür, dass die Industriepro-
duktion um etwa zwölf Prozent hinter
dem Niveau zurückblieb, das angesichts
der hohen Auftragseingänge möglich
gewesen wäre. Das entspreche einer
entgangenen Wertschöpfung von etwa
70 Milliarden Euro.
ren gerichtet. Vielmehr ist sie eine drin-
gende Botschaft an die Politiker in im
Heimatmarkt USA: Facebook wünscht
sich mehr Unterstützung von der US-
Regierung in Verhandlungen mit der EU
– und droht mit den Folgen übermäßi-
ger Regulierung. Denn auch in den USA
laufen aktuell diverse Wettbewerbs-
verfahren gegen den Konzern – unter
anderem will die US-Wettbewerbs-
behörde FTC Meta zerschlagen. Zudem
will die Regierung Biden die US-Inter-
netriesen mit neuen Wettbewerbs- und
Verbraucherschutz-Gesetzen ausbrem-
sen. Die Folgen dieser Gesetzgebungs-
initiativen beschreibt Facebook nun so
drastisch wie möglich. In Brüssel schin-
Falsche Partei? BDI trennt sich von Hauptgeschäftsführer
Nach 16 Jahren CDU stehen viele Lobbyverbände plötzlich mit dem falschen Personal da. Wohl auch der Industrieverband
auf den US-Servern nicht ausreichend
vor dem Zugriff von US-Behörden und
Geheimdiensten geschützt, urteilten
die Richter damals. Der Datenhunger
det der Konzern mit seiner Rückzugs- zu begrüßen, weil dadurch endlich grund wird deutlich, warum Meta gera- von FBI, CIA und NSA lasse sich mit
drohung zunächst wenig Eindruck, im bessere Wettbewerber eine echte de jetzt mit einem kompletten Rückzug den strengen europäischen Vorstellun-
Gegenteil: Erste Reaktionen von Netz- Chance erhielten.“ droht. In Europa macht aktuell der Kon- gen von Datenschutz kaum vereinba-
politikern lassen sich am ehesten mit Breyer weist darauf hin, dass sich die zern etwa 7 Milliarden Dollar Wer- ren. Seither müssen Unternehmen, die
„Mimimi, macht doch“ zusammenfas- EU-Kommission aktuell in Verhandlun- beumsatz pro Quartal – nach den USA Daten in die USA übermitteln, eigen-
sen. „In Anbetracht des Profits von Me- gen mit den USA über eine Neuauflage mit etwa 13 Milliarden Dollar Quartals- ständig ein entsprechendes Daten-
ta in Europa halte ich es für ausge- des Datenaustauschabkommens „EU umsatz ist Europa damit der zweitgröß- schutzniveau sicherstellen. Das ist kom-
schlossen, dass der Konzern seine Dro- US Privacy Shield“ befindet, das der Eu- te Markt für den Konzern. Die Einstel- pliziert, stellt gerade kleinere und mit-
hung wahr macht“, kommentiert etwa ropäische Gerichtshof Mitte 2020 ge- lung von Facebook in Europa ist damit telgroße Unternehmen häufig vor er-
Patrick Breyer, Abgeordneter der Pira- kippt hatte. Seitdem fehlt Facebook ei- mindestens unwahrscheinlich. hebliche Probleme und kann dafür sor-
tenpartei im EU-Parlament. ne solide Rechtsgrundlage für die Verar- Wegen der prekären Rechtslage für gen, dass europäische Unternehmen be-
„Im Übrigen wäre ein Rückzug des beitung von EU-Nutzerdaten auf seinen den Datenaustausch wollten die EU- stimmte US-Dienste gar nicht mehr
Überwachungsmolochs aus Europa Servern in den USA. Vor diesem Hinter- Kommission und die US-Regierung ei- nutzen können.

Das Bruttoinlandsprodukt dürfte
demnach durch die Lieferengpässe 2021
um bis zu zwei Prozent gedrückt wor-
den sein. „Die Lieferproblematik ist ei-
ne wesentliche Ursache dafür, warum
die Wirtschaftsleistung in Deutschland
zuletzt noch hinter ihrem Vorkrisenni-
veau zurückhing, während sie in vielen
anderen Ländern ihr Vorkrisenniveau
bereits überschritten hat“, sagte IfW-
Konjunkturexperte Nils Jannsen. Denn
in Deutschland liege der Anteil des Ver-
arbeitenden Gewerbes an der gesamten
Wertschöpfung mit rund 20 Prozent
deutlich höher ist als in vielen anderen
Ländern. In Frankreich etwa liege die-
ser Anteil bei rund zehn Prozent. afp
Qualitätstest für Druckereien
B
ei den Verbänden dreht sich nach
dem Regierungswechsel das Per-
sonalkarussell. Nach dem sich be-
reits der Bankenverband (BdB) vor eini-
gen Wochen von seinem Hauptgeschäfts-
führer Andreas Krautscheid getrennt hat,
zieht nun auch der Bundesverband der
Deutschen Industrie (BDI) nach. Wie
WELT erfuhr, wird Hauptgeschäftsführer
Joachim Lang in den nächsten Monaten
seinen Hut nehmen. Der BDI bestätigte
diese Information auf Anfrage.
VON JAN DAMS
Verbandskenner begründen die
Wechsel vor allem mit dem neuen Per-
sonal in der rot-grün-gelben Bundesre-
gierung. Krautscheid beim BdB etwa
hatte lange Zeit führende Positionen in
der nordrhein-westfälischen CDU inne.
Zeitweise war er Fraktionschef der
CDU im NRW-Landtag.
Bankenverbandspräsident Christian Beim BDI selbst hieß es offiziell: Lang Wie in Wirtschaftskreisen zu hören Ein so grundlegender Regierungs-
Sewing, Chef der Deutschen Bank, soll wolle das BDI-Präsidium in der nächs- ist, fühlen sich viele Unternehmen mit wechsel wie jetzt heißt eben auch
auch deshalb nach einem neuen Haupt- ten Sitzung am 21. Februar um „die Auf- ihren Verbandsspitzen nach dem Macht- Wechsel bei den Lobbyisten. Einige
geschäftsführer für den Verband ge- hebung seiner Bestellung bitten, um wechsel suboptimal aufgestellt. „Als je- Verbände sind da schon besser aufge-
sucht haben. Auf Krautscheid folgte sich künftig neuen Aufgaben außerhalb mand, der ganz nah an der CDU ist, der stellt: Der Bundesverband der Ener-
beim BdB Christian Ossig – und damit des Verbandes zu widmen. Dies ge- jahrelang andere Interessen vertreten gie- und Wasserwirtschaft hat mit
ein waschechter Banker. schieht in voller wechselseitiger Wert- hat, sind sie bei Bundeswirtschaftsmi- Kerstin Andrea etwa eine ehemalige
Lang vom BDI wiederum war zuvor schätzung der Beteiligten.“ Im Umfeld nister Robert Habeck (Grüne) nicht gut Grünen-Bundestagsabgeordnete zur
Leiter der Repräsentanz des Energie- ist zu hören, der 54-Jährige mache sich gelitten“, erzählt einer. „Für die Interes- Hauptgeschäftsführerin. Beim Ge-
konzerns E.on bevor er zum BDI wech- schon seit einiger Zeit Gedanken über sen der Wirtschaft ist das ein Nachteil.“ samtverband der deutschen Versiche-
selte. Vorher allerdings arbeitete er in berufliche Alternativen. Sie brauche daher neue Zugänge. rungswirtschaft ist Jörg Asmussen
der Politik. Zunächst war er seinem Le- Lang und Krautscheid dürften aller- Auf den falschen Fuß könnte es zum Hauptgeschäftsführer.
benslauf zufolge als Dezernent für Rüs- dings nur die Ersten sein in einem Revi- Beispiel auch den Automobilverband Er arbeitete unter Peer Steinbrück
tungskontrollrecht im Zuständigkeits- rement, dass jetzt an der Spitze der gro- VDA erwischt haben. Dort sind mit Prä- und Andrea Nahles als Staatssekretär
bereich des Bundesministeriums der ßen deutschen Wirtschaftsverbände be- sidentin Hildegard Müller und Ge- für die beiden SPD-Bundesminister.
Verteidigung tätig. ginnt. In 16 Jahren Unions-geführter Re- schäftsführer Jürgen Mindel gleich zwei Gerade zu Grünen und Liberalen müs-
Später war Lang bis 2006 Koordina- gierung haben viele Lobbyisten-Vereini- Unions-Getreue auf den entscheiden- sen die Lobbyvereinigungen jetzt drin-
tor für Bund-Länder- und Europaan- gungen auf CDU-Vertreter in ihren Rei- den Posten. Müller selbst war zwischen gend neue Kontakte suchen. Vor allen
gelegenheiten beim Ersten Parlamen- hen gesetzt, um mit Nähe zur stärksten 2005 und 2008 Staatsministerin im Dingen für Personalberater bricht jetzt
tarischen Geschäftsführer der Uni- Regierungspartei Einfluss auf die Politik Bundeskanzleramt von Angela Merkel eine gute Zeit an – und natürlich für al-
onsbundestagsfraktion. Vor dem zu gewinnen. Mit der neuen, SPD-ge- (CDU). Er leitete einst das Büro von le anderen, die schon intensive und gu-
Wechsel zu E.on arbeitete er im Bun- führten Ampel-Regierung, bringt das den Matthias Wissmann (CDU), als der te Verbindungen zu den neuen Regie-
deskanzleramt. Verbänden nur noch wenig. noch Verkehrsminister war. rungsparteien pflegen.

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10 WIRTSCHAFT UND GELD
Straßenmaut statt
Kfz-Steuer auf der Insel
Wegen Steuerausfällen durch den E-Auto-Boom
drängt die britische Politik auf Alternativen
D
ie Hoffnung, mit einem Elek-
trofahrzeug Mineralöl- oder
Kfz-Steuer zu sparen, dürfte
sich für Autofahrer in Großbritannien
bald erledigt haben. Denn das Land
sucht aus Angst vor hohen Steuerausfäl-
len infolge der zunehmenden Elektrifi-
zierung des Verkehrs alternative Ein-
nahmequellen: zu einer Straßennut-
zungsgebühr gebe es „keine brauchbare
Alternative“, teilte der einflussreiche
Verkehrsausschuss des Unterhauses am
Freitag mit.
VON CLAUDIA WANNER
Ab 2030 ist der Verkauf von neuen
Diesel-Fahrzeugen und Benzinern auf
der Insel verboten, um das gesetzliche
festgelegte Ziel von Netto-Null-Emis-
sionen zwanzig Jahre später zu errei-
chen. Schon heute greifen immer mehr
Käufer zur elektrischen Variante. Im Ja-
nuar wurde fast jeder dritte Neuwagen
elektrisch oder hybrid angetrieben.
Doch der Trend hat erhebliche Aus-
wirkungen auf den Staatshaushalt. Mit
einer Lücke von 35 Milliarden Pfund,
umgerechnet 42 Milliarden Euro, rech-
net der Verkehrsausschuss zum Ende
des Jahrzehnts. 80 Prozent des Betrags
entfallen auf die Mineralölsteuer, der
Rest auf die Kfz-Steuer.
„Die Zeit ist reif für eine ehrliche
Diskussion über die Besteuerung des
Verkehrs“, sagte Huw Merriman, kon-
servativer Abgeordneter und Vorsitzen-
der des Ausschusses. Die Steuerausfälle
würden ein Loch von vier Prozent in
die Steuereinnahmen reißen. Unwei-
gerlich betreffe das den Unterhalt des
Straßennetzes, für den die Gelder ein-
gesetzt werden. Andere Einnahmen
sind nicht zweckgebunden, somit
PA/ IMAGEBROKER/ XYZ PICTURES
In der Hauptstadt London gibt es
schon seit 2003 eine City-Maut
könnten auch Schulen oder Kranken-
häuser betroffen sein, wenn die Auto-
fahrer nicht länger zahlen.
Neue Technologien, zum Beispiel auf
der Grundlage von GPS-Systemen, wür-
den aber schon bald ein Gebührenmo-
dell ermöglichen, bei dem Fahrer für die
tatsächliche Nutzung von Straßen zah-
len. Auch den Verkehrsfluss könnte es
verbessern, indem die Preise zu Stoß-
zeiten oder auf besonders befahrenen
Strecken teurer werden.
D GASTBEITRAG
as EU-Parlament diskutiert ak-
tuell darüber, neben dem be-
stehenden Europäischen Emis-
sionshandel ein zweites Emissionshan-
delssystem zu etablieren. Es soll die
Sektoren Verkehr und Gebäude umfas-
sen und dort den Einsatz fossiler Ener-
gie zum Zwecke der Treibhausgasmin-
derung verteuern. Höhere Preise für
Kraft- und Brennstoffe wären die Fol-
ge. Dies würde einkommensschwache
Haushalte über Gebühr belasten, weil
sie in der Regel einen höheren Anteil
ihres Einkommens für ihren Energie-
bedarf aufzuwenden haben – insbeson-
dere zu Heizzwecken – als einkom-
mensstarke Haushalte.
Einen sozialen Ausgleich für solche
klimapolitischen Lasten zu schaffen,
wäre gerade in Deutschland längst an-
gebracht, weil mit dem seit dem Jahr
2021 existierenden nationalen Brenn-
stoff-Emissionshandel bereits eine
Verteuerung von Brenn- und Kraftstof-
fen zum Zwecke des Klimaschutzes
einhergeht, die unter dem Begriff CO2-
Bepreisung firmiert. Tatsächlich disku-
tieren Politiker und Wissenschaftler
Ein System nach diesem Prinzip
nutzt der Stadtstaat Singapur schon seit
dem Jahr 1998. Wichtig sei auch, Auto-
fahrern immer wieder Alternativen auf-
zuzeigen, etwa die Strecke mit Bus und
Bahn, zu Fuß oder mit dem Fahrrad zu-
rückzulegen, sagte der Vorsitzende des
Verkehrsausschusses. „Die Straßennut-
zungsgebühr sollte für Autofahrer unter
dem Strich keine zusätzlichen Kosten
bedeuten oder Fortschritte bei aktive-
ren Formen der Fortbewegung unter-
laufen“, so Merriman
Die Regierung stehe der Idee einer
Nutzungsgebühr grundsätzlich positiv
gegenüber, heißt es in britischen Me-
dienberichten. Vor allem Finanzminis-
ter Rishi Sunak gilt als Befürworter.
Schon 2007 hatte die damals regieren-
de Labour-Partei versucht, eine Stra-
ßenmaut durchzusetzen. Die öffentli-
che Reaktion war damals so vernich-
tend, dass die Idee jahrelang als nicht
durchsetzbar galt.
Doch die Stimmung hat sich geän-
dert. „Es ist unumgänglich, dass ein
neues System entwickelt werden muss“,
sagte Nicholas Lyes vom Autodienst-
leister RAC. Dem Prinzip, mehr zu zah-
len, wenn man mehr fährt, würden Ver-
braucher grundsätzlich zustimmen.
Rund 45 Prozent halten eine kilometer-
abhängige Abgabe für fairer als die heu-
tige Abgabenstruktur, würden aktuelle
Untersuchungen von RAC belegen.
Egal, wie ein neues System aussehe, es
müsse einfach und fair sein, sowohl für
Fahrer von konventionellen als auch
von Elektrofahrzeugen, so Lyes.
„Die Arbeit sollte so schnell wie mög-
lich beginnen“, drängte Merriman. Die
Lage sei dringend. Neue Steuern, die auf
neuer Technologie aufbauen, würden
Jahre bei der Einführung brauchen.
„Netto-Null-Emissionen sollten nicht
bedeuten, dass wir null Steuereinnah-
men haben.“
Die britische Hauptstadt London ist
schon einen Schritt weiter. Seit 2003
gilt dort in der Innenstadt von 7 bis 22
Uhr eine Stauabgabe von 15 Pfund. In
einem größeren Kernbereich der Stadt,
der Ultra Low Emission Zone (ULEZ),
kommt dazu rund um die Uhr eine Ge-
bühr von 12,50 Pfund für alle Fahrzeu-
ge, die die strengen Abgasnormen
nicht erfüllen.
Doch Bürgermeister Sadiq Khan hat-
te Mitte Januar angekündigt, dass radi-
kalere Schritte nötig seien, um die Luft-
verschmutzung und die Staus in der
Stadt in den Griff zu bekommen. Bis
zum Jahr 2030 müssten 27 Prozent aller
Autofahrten entfallen, um die geplanten
Reduzierungen beim Kohlendioxid-Aus-
stoß zu erreichen. Die städtische Ver-
kehrsbehörde Transport for London
(TfL) hat er daher damit beauftragt, ei-
ne Reihe von Maßnahmen zu prüfen,
darunter die Ausweitung der ULEZ auf
den gesamten Stadtbereich und eine
Gebühr für alle nicht in der Stadt regis-
trierten Fahrzeuge.
Längerfristig führe aber kein Weg an
einer Straßennutzungsgebühr vorbei,
sagte Khan. Das sei ein einfaches und
faires System, das alle bisherigen Abga-
ben ersetzen könnte. Auch mit der Prü-
fung möglicher Technologien für eine
solche Maut ist TfL beauftragt. „Ich bin
nicht bereit, untätig zuzusehen und zu
warten, wenn es mehr gibt, was wir in
London unternehmen können, um einen
entscheidenden Beitrag zu leisten.“
Sozialpolitik
liegt aus
guten Gründen
bei den
Mitgliedstaaten
CHRISTOPH M. SCHMIDT
UND MANUEL FRONDEL
DIE WELT DIENSTAG, 8. FEBRUAR 2022
PA/ DPA/ FABIAN STRAUCH
Corona-Ausfälle sind eine
Gefahr für wichtige Einrichtungen wie
Krankenhäuser. Bislang kam es aber noch zu
keinen Einschränkungen bei der Handlungsfähigkeit
Vorerst kein Omikron-STURM
W
egen der hohen Krankenstände und dürfte die tatsächliche Prozentzahl et- Infrastruktur fallen. Oder eben Kliniken
Quarantäne drohen
Übertragbarkeit sei- was geringer sein. Dennoch kursieren und Pflegeheime, die ohnehin mit Per-
en strenge Maßnah- vor allem in Medienberichten immer sonalnot zu kämpfen haben. Zwar gibt
die kritische
men nötig: Die War- wieder Sorgen, Patienten würden vor es lokal viele Fälle, in denen Unterneh-
nungen, die deut- Kliniken abgewiesen, Müll werde nicht men von Engpässen und Ausfällen be-
Infrastruktur zu
sche Politiker um die Zeit des Jahres- abgeholt, Brände nicht gelöscht und die troffen sind. Beispielsweise in Braun-
wechsels aussprachen, hatten einen öffentliche Sicherheit durch die Polizei schweig oder Frankfurt/Main, wo es we-
neuen Sound. Bisher war das Ziel der
Corona-Einschränkungen vor allem,
belasten. nicht mehr gewährleistet. Verwiesen
wird dabei oft auf Fälle aus Großbritan-
gen des „ungewöhnlich hohen Kranken-
standes“ Anfang Februar zu Zugausfäl-
Kliniken vor dem Überlaufen zu bewah- Recherchen von nien, wo es Anfang Januar laut briti- len kam. Bei den regionalen Verkehrsge-
WELT zeigen
ren. Omikron jedoch könne durch hohe schen Medien zu Versorgungsengpäs- sellschaften und der Bahn heißt es je-
Krankenstände die kritische Infrastruk- sen kam, weil mehr als 11.000 Pflege- doch: Von einer dramatischen Entwick-
allerdings: Bisher
tur gefährden, es drohe gar ein Zusam- kräfte nicht im Dienst waren und rund lung könne keine Rede sein. Ähnlich
menbruch. 90 Pflegeheime eine „rote Warnung“ sieht es in Hamburg aus: „Wir haben ei-
sind die Warnungen
signalisierten – der Pflegeschlüssel sei ne leicht erhöhte Krankenquote, etwa
VON JAN KLAUTH UND JANA SEPEHR nicht mehr einzuhalten gewesen. In um zwei bis drei Prozentpunkte gegen-
Noch immer ist viel von der „extre-
unbegründet Einzelfällen sollen Patienten mit aku-
ten Problemen von Kliniken abgewiesen
über Januar-Monaten vergangener Jah-
re“, heißt es bei der Hamburger Hoch-
men Belastung“ der kritischen Infra- worden sein. bahn auf Nachfrage. Diese Lücke könne
struktur zu lesen, wie der Expertenrat Hierzulande ist die Gefahr von gro- aber gut geschlossen werden. Sollte sich
der Bundesregierung bereits Ende De- Not-Situationen vor. Und diese schei- ßen Ausfällen – eines Omikron-Sturms die Situation verschärfen, habe man ge-
zember formulierte. Und die potenziel- nen gut zu funktionieren – auch bun- – gerade in der Privatwirtschaft den- stufte Fahrpläne in petto.
le Gefahr gilt weiter als Argument dafür, desweit. Das Bundesamt für Bevölke- noch nicht aus der Welt. In einer bran- Und in Berlin sagte die regierende
dass Lockerungen nicht möglich seien. rungsschutz und Katastrophenhilfe chenübergreifenden Blitzumfrage des Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD)
Berlins Gesundheitssenatorin Ulrike kam Ende Dezember zum Schluss: Die Deutschen Industrie- und Handelskam- am 25. Januar, die Ausfallquote in der
Gote (Grüne) beispielsweise sagte kürz- Versorgung durch die kritische Infra- mertages (DIHK) bewertet jeder vierte kritischen Infrastruktur läge bei 15 Pro-
lich: „Wir sind noch nicht an dem struktur ist nicht gefährdet. Auf Nach- der 370 teilnehmenden Betriebe die ak- zent. Ob dies ausschließlich auf Covid
Punkt, an dem wir sagen können: Wir frage von WELT ergänzt die Behörde tuellen Personalausfälle als „erheblich“. zurückzuführen ist, führte sie nicht aus.
können es jetzt laufen lassen. Auch, da- nun: „Die Ausfälle bewegen sich nach Vier Prozent stufen ihre personelle Un- Auch Nicolai Savaskan, Leiter des Ge-
mit nicht alle gleichzeitig erkranken hiesiger Kenntnis auf einem niedrigen terbesetzung als „kritisch“ für die Auf- sundheitsamts Berlin-Neukölln kennt
und die kritische Infrastruktur am Lau- Niveau und verursachen derzeit keine rechterhaltung des Angebots ein. Zu- diese Quote. Derzeit schwanke sie zwi-
fen gehalten wird.“ Auf Nachfrage von gravierenden Folgeprobleme.“ dem rechnen viele Betriebe damit, dass schen 15 und 20 Prozent. Es herrsche
WELT in mehreren Großstädten sind Die kritische Infrastruktur setzt sich sich die Situation in den kommenden bei der kritischen Infrastruktur aber bei
komplette Ausfälle ganzer Einheiten, aus neun Sektoren zusammen: Dazu ge- Tagen verschärft. Zu welchem Anteil die Weitem kein Personalnotstand, sagt er
großer Betriebe oder der Verwaltung je- hören Krankenhäuser, Polizei, Feuer- Ausfälle jedoch Covid-bedingt sind, im Gespräch mit WELT. Zudem betont
doch nicht bekannt. Auch die Versor- wehr, Rettungsdienst, Telekommunika- geht aus der Umfrage nicht hervor. der Arzt: „Januar und Februar sind un-
gung durch die kritische Infrastruktur tion, Strom- und Wasserversorgung. Weniger besorgt sind Verantwortli- abhängig von Covid die krankheits-
sei gegenwärtig gesichert, heißt es etwa Abgesehen von der medizinischen Ver- che der kritischen Infrastruktur: Der stärksten Monate. Das wirkt sich auf die
aus Dresden, Dortmund, Bremen, Ham- sorgung, die schon seit Beginn der Pan- Vorsitzende des Bundesverbandes für Statistik aus.“ Savaskan verweist auf
burg und Berlin-Neukölln. demie sehr angespannt ist, sind die Be- den Schutz kritischer Infrastrukturen, Zahlen der Krankenkassen: Demnach ist
„Über Ausfälle von kompletten Ein- fürchtungen demnach bislang nicht ein- Holger Berens, hatte bereits vor Wo- die durchschnittliche Ausfallquote im
heiten in Betrieben liegen uns keine In- getreten. Konkret sind laut Risklayer, chen in mehreren Interviews gesagt, ein öffentlichen Dienst gerade in den Win-
formationen vor. In der öffentlichen die private Forschungseinrichtung, die Zusammenbruch sei nicht zu befürch- termonaten nicht selten zweistellig – al-
Verwaltung gab es keine Ausfälle von sich seit Beginn der Pandemie deren ten – auch dank der vielerorts ausgear- so nicht viel niedriger als in der mo-
kompletten Referaten oder Einheiten“, Zahlenaufbereitung widmet, am 06. Fe- beiteten Notfallpläne. Diese existieren mentanen Omikron-Welle. Mit Sorge
heißt es auch in Bremen. Bei Polizei, bruar etwas mehr als 2,4 Millionen übrigens nicht erst seit der Pandemie. blickt Amtsarzt Savaskan jedoch auf die
Feuerwehr und Co. sei die Lage ähnlich: Menschen in Quarantäne. So viele wa- Vielmehr werde der Begriff „kritischer Kliniken, Pflegeheime und Kitas. „Sie
„In keinem Bereich der kritischen Infra- ren es nie zuvor in Deutschland. Das Infrastruktur“ verwässert, sagte Berens bleiben die wirklich kritischen Berei-
struktur kommt oder kam es bisher zu entspricht ungefähr 2,9 Prozent der Ge- dem „rbb“. Problematisch seien andere che.“ Mancherorts fehlt ein Drittel der
Einschränkungen der Handlungsfähig- samtbevölkerung und umgerechnet 5,37 Bereiche: Kleinere Versorger, wie regio- Belegschaft, hunderte Kitas sind derzeit
keit.“ Dort, wie in vielen anderen Städ- Prozent der Erwerbstätigen. Da jedoch nal betriebene Wasserwerke etwa, die geschlossen. Auch Kliniken werden
ten, liegen Pläne für entsprechende auch viele Kinder in Quarantäne sind, nicht unter das Gesetz der kritischen durch die Ausfälle noch weiter belastet.
bereits seit geraumer Zeit über soziale noch immer nicht. Dieses Versäumnis eines zweiten EU-Emissionshandels- nalen Regierungen der Mitgliedstaa-
Ausgleichsmaßnahmen für die aus der ist angesichts der gerade explodieren- systems, in dem die nationalen Beprei- ten gefordert, diese Härten entspre-
CO2-Bepreisung resultierenden Bela- den Energiepreise besonders bedauer- sungssysteme aufgehen sollten, ein chend den länderspezifischen Erfor-
stungen. Diese sollen aus dem Energie- lich. Künftig aber dürfte ein solcher wichtiger Schritt in Richtung einer ef- dernissen abzufedern.
und Klimafonds (EKF) finanziert wer-
den. In ihn fließen die Einnahmen aus
der nationalen CO2-Bepreisung ebenso
Ausgleichsmechanismus für die Akzep-
tanz jeglicher Maßnahmen zur Treib-
hausgasminderung unverzichtbar sein.
fektiven und kosteneffizienten Minde-
rung von Treibhausgasen wäre, sollte
jedoch auf die Gründung eines Klima-
Gerade die Unterschiede in den
Lohnniveaus und Lebenshaltungsko-
sten sprechen für nationale Aus-
wie die Erlöse aus der nationalen Ver-
steigerung von Zertifikaten des EU-
Vor diesem Hintergrund erscheint es
auf den ersten Blick begrüßenswert,
sozialfonds aus zahlreichen Gründen
verzichtet werden. Erstens würde da-
gleichsmechanismen und gegen einen
europäischen Klimasozialfonds. Für
Emissionshandels an der Leipziger
Strombörse. Um Stromverbraucher zu
entlasten, soll beispielsweise mithilfe
dass auch die EU-Kommission einen
sozialen Ausgleich für die aus ihrer am-
bitionierten Klimapolitik erwachsen-
mit ein intransparenter und demokra-
tisch nicht legitimierter Umvertei-
lungsmechanismus zwischen den Mit-
die Unterstützung einkommensschwa-
cher Regionen in der Europäischen
Union existieren bereits umfangreiche
der Gelder des Energie- und Klima-
fonds die EEG-Umlage zur Förderung
den Lasten schaffen möchte — durch
Gründung eines Klimasozialfonds, in
gliedstaaten in Gang gesetzt. Intrans-
parente Umverteilungsmechanismen
Förderprogramme. Ihnen sollte kein
weiterer Umverteilungsmechanismus
regenerativer Stromerzeugungstech- den die Einnahmen aus dem zweiten, gibt es in der Europäischen Union hinzugefügt werden, selbst wenn er
nologien abgeschafft werden. Eine di- noch zu etablierenden Emissionshan- ohnehin bereits mehr als genug. Zwei- noch so gut gemeint ist.
rekte Ausgleichszahlung, wie das von del fließen sollen. tens liegt in der Europäischen Union
den Grünen im Wahlkampf geforderte Zumindest ein Teil der Gelder des die Sozialpolitik aus guten Gründen in T Christoph M. Schmidt (links) ist
Energiegeld, ist aktuell nicht geplant. Fonds soll an die ärmsten Haushalte in der nationalen Verantwortung der Präsident des RWI – Leibniz-Institut
Stattdessen werden vielfach Maß- der Europäischen Union zurückgezahlt Mitgliedstaaten, denn die Institutio- für Wirtschaftsforschung.
nahmen gefördert, die einkommens- werden. Darüber hinaus sollen langfri- nen und Mechanismen der Sozialpoli-
schwachen Haushalten weniger zugu- stige Investitionen wie Gebäudesanie- tik sind historisch gewachsen und Manuel Frondel ist außerplanmäßiger
tekommen, etwa indem Elektromobili- rungen oder die Förderung von grüner spiegeln unterschiedliche Präferenzen Professor für Energieökonomik und
tät oder Wärmedämm-Maßnahmen Mobilität aus diesem Klimasozialfonds und Zugänge wider. Wenn die Erhe- angewandte Ökonometrie der Ruhr-
subventioniert werden. Einen breit an- finanziert werden. bung einheitlicher CO2-Preise in Universität Bochum, Leiter des Kom-
gelegten Ausgleichsmechanismus, der Während die möglichst rasche EU- Europa dazu führt, dass einkommens- petenzbereiches „Umwelt und Ressour-
insbesondere einkommensschwache weite CO2-Bepreisung fossiler Brenn- schwächere Haushalte besonders stark cen“ am RWI und Fakultätsmitglied der
Haushalte spürbar entlastet, gibt es und Kraftstoffe durch die Etablierung belastet werden, dann sind die natio- Ruhr Graduate School in Economics.
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DIE WELT DIENSTAG, 8. FEBRUAR 2022 WIRTSCHAFT UND GELD 11

Wer verdient was in Deutschland? geteilt durch die Zahl der Beschäftigten.
Sehr hohe Gehälter, die relativ wenige
Spitzenkräfte vereinnahmen, können
den Durchschnitt nach oben ziehen.
Kartellamt:
Grünes Licht für
Der Gehaltsreport schlüsselt die Gehälter in Deutschland nach Branche, Berufsfeld und Region auf – bis Schufa-Rivalen
Insgesamt haben Akademiker ein um

B
48 Prozent höheres Gehalt als Nicht-
auf die Ebene der Kreise und Städte. Spitzenverdiener sind Ärzte, gefolgt von Ingenieuren und IT-Leuten
akademiker: Sie kommen laut Step-
Stone auf ein Jahresbrutto von 59.700
Euro, während Arbeitnehmer ohne Stu-
Sowohl EQT als auch
Team-Bank dürften kaufen

ei sämtlichen Produkten
und Preisen wird in
Deutschland hohe bis
höchste Transparenz ver-
langt. Im Grunde gibt es
nur noch einen einzigen Markt, bei
dem direkte Vergleiche schwierig sind:
den Arbeitsmarkt. Gehälter gerade und
vor allem im außertariflichen Bereich
gehören weiter zu den großen Tabu-
Themen in der Bundesrepublik. Aller-
dings ändert sich hier gerade einiges:
Das Lohngefüge wird zunehmend
transparenter. Einen großen Schritt
hin zur Transparenz stellen der Ge-
haltsreport 2022 dar, den die Online-
Jobplattform StepStone und Gehalt.de
jetzt veröffentlicht haben.
VON DANIEL ECKERT
Die beiden Portale, die wie WELT zu
Axel Springer gehören, haben gemein-
sam mehr als 600.000 Lohn- und Ge-
haltsdaten von Beschäftigten ausgewer-
tet. Ergebnis ist der größte Report die-
ser Art in Deutschland. Eine solch tief-
greifende Analyse, wer was verdient, hat
es auf Basis aktueller Daten bisher nicht
gegeben. Der Gehaltsreport 2022
schlüsselt die Gehälter nach Branche,
Berufsfeld und Region auf – bis hinun-
ter auf die Ebene der Kreise und Städte.
Selbst formulierter Anspruch der
Jobplattform StepStone ist, mit Ge-
haltstabus und zu brechen und dadurch
zu mehr Gerechtigkeit am Arbeitsmarkt
beizutragen. Fest steht, dass die Analyse
für Gesprächsstoff sorgen wird. In den
vergangenen Monaten hat sich in vielen
Branchen die Personalknappheit ver-
schärft. Schon ist nicht mehr nur von
Fachkräftemangel, sondern von „Ar-
beitskräftemangel“ die Rede. Gleichzeit
haben die Lebenshaltungskosten in
Deutschland stark angezogen. Anfang
2021 lagen die Preise fast fünf Prozent
höher als vor einem Jahr. Bei einem Job-
wechsel oder dem Einstieg ins Berufsle-
ben ist eine einkömmliche Arbeitsstelle
also ein Muss.
Arbeitgeber können also damit rech-
nen, dass sich Mitarbeiter und Bewer-
ber mit den Tabellen munitionieren
werden, wenn sie in die Gehaltsver-
handlung gehen. „Eine Gehaltsverhand-
lung auf Augenhöhe ist nur dann mög-
lich, wenn Jobsuchende wissen, wie viel
sie verdienen können“, sagt Korbinian
Nagel, Gehaltsexperte bei StepStone.
Allerdings glaubt Nagel, dass Firmen
ebenfalls einen Nutzen davon haben,
wenn Kandidaten und potenzielle Mit-
arbeiter von Anfang an wissen, was sie
realistischerweise erwarten dürfen.
„Auch Unternehmen profitieren von
mehr Transparenz und Augenhöhe im
Bewerbungsprozess.“ Werde erst am
Ende des Prozesses klar, dass die Erwar-
tungen nicht zusammenpassen, würden
beide Seiten verlieren.
Schaut man sich die verschiedenen
Berufsgruppen an, bilden Ärzte mit ei-
nigem Abstand die Spitzenverdiener.
Bundesweit kommen die Mediziner auf
ein Median-Gehalt von 78.300 Euro.
Dieser Median ist in dem Zusammen-
hang wichtig, verortet er doch den
„normalen“ angestellten Arzt im Ein-
kommensspektrum ohne statistische
Ausreißer nach oben. Der Wert von
78.300 Euro bedeutet, dass Ärzte drei
Viertel (78 Prozent) mehr verdienen
als der Normalo-Arbeitnehmer. Dieses
Bruttomedian-Gehalt in Deutschland
liegt den aktuellen Daten zufolge bei
44.100 Euro. Weitere lukrative Berufs-
gruppen sind laut StepStone Inge-
nieur-Berufe mit 59.300 Euro, IT-Beru-
fe mit 57.000 Euro und Unternehmens-
beratung mit 56.400 Euro
Was die Branchen anbelangt, so fin-
den Beschäftigte in der Halbleiterindus-
trie und in der Biotechnologie die bes-
ten Einkommensmöglichkeiten, mit
63.000 Euro und 61.500 Euro. Ebenfalls
dienabschluss 40.600 Euro erreicht.
Ein Schub kommt für die meisten mit
der Übernahme von Personalverant-
wortung. Den Daten zufolge werden
Gehälter in Deutschland im Überblick Arbeitnehmer für die Führungsverant-
Bruttomediangehalt in Euro wortung mit einem Bruttomediange-
halt von 86.300 Euro belohnt – fast
Gesamt doppelt so viel, wie Beschäftigte ohne
Median 44.074 Personalverantwortung verdienen.
Bruttodurchschnittsgehalt 51.009 Doch bereits mit zunehmender Berufs-
Geschlecht erfahrung verbessern sich die Gehalts-
aussichten: Während Berufseinsteiger
Männlich 47.320
Weiblich im Median 33.800 Euro verdienen,
40.533 steigt das Gehalt nach mehr als elf Jah-
Personalverantwortung ren im Job auf 52.000 Euro.
Ja 86.349 Der StepStone-Analyse zufolge kön-
Nein
43.628
nen Arbeitnehmer 2022 mit deutlichen
Gehaltssteigerungen rechnen. In den
Berufseinsteiger
zehn Jahren vor Corona – also im Zeit-
Unter 3 Jahren Berufserfahrung 36.400 raum 2010 bis 2019 – sind die Gehälter
hierzulande um durchschnittlich 2,4
Bildungshintergrund Prozent gestiegen. „Wir gehen davon
Mit Studienabschluss 59.696 aus, dass die Gehälter in diesem Jahr
Ohne Studienabschluss 40.560 um drei bis 4,7 Prozent steigen wer-
den“, sagt Nagel, „der Faktor Gehalt
Berufserfahrung wird in Zukunft noch stärker zum stra-
Weniger als 1 Jahr 33.800 tegischen Hebel im Kampf um die bes-
1 - 2 Jahre 37.440 ten Mitarbeiter.“ Im Kampf um die
3 - 5 Jahre 42.952 knappen Talente entscheide das richti-
6 - 10 Jahre 49.333
11 - 25 Jahre 52.000
ge Gehalt und der transparente Umgang
damit maßgeblich darüber, ob sich Job-
Datenschatz Gehaltsdaten: 618.404 Quelle: StepStone
suchende für einen Arbeitgeber ent-
scheiden oder nicht. Allein die Anhe-
bung des Mindestlohns um knapp neun
Prozent wird das Gehaltsniveau in Tei-
len des Landes anheben. Für den Osten
hoch sind die Gehälter im Pharmasek- keiten ohne Hochschulabschluss gibt es gilt das stärker als für den Westen.
tor mit 56.200 Euro. Alle drei Branchen laut StepStone im Finanzbereich. Wer Denn in den ostdeutschen Bundeslän-
haben während der Corona-Pandemie zum Beispiel eine Bankausbildung ge- dern liegen die Löhne vielfach unter
einen fortgesetzten und sogar verstärk- macht hat, kann hier mit einem Brutto- dem westdeutschen Niveau. So verdie-
ten Aufschwung erfahren. In der deut- mediangehalt von 43.200 Euro rechnen. nen Beschäftigte laut StepStone in
schen Schlüsselindustrie Automobil be- Median bedeutet, dass 50 Prozent der Mecklenburg-Vorpommern 33.600 Eu-
trägt das Normalo-Gehalt 55.900 Euro, Beschäftigten mehr und 50 Prozent we- ro, in Brandenburg 34.300 Euro und in
rund ein Drittel über dem bundeswei- niger verdienen. Auch in der Informati- Sachsen-Anhalt 35.400 Euro. In Hessen
ten Median. Für die gut vergüteten Po- onstechnologie (IT) und im Personalbe- liegt das Durchschnittsmediangehalt
sitionen ist vor allem in der Chip-, Bio- reich haben Arbeitnehmer ohne akade- dagegen mit 47.800 Euro am höchsten.
tech- oder Pharmabranche häufig ein mischen Abschluss gute Gehaltsper- Auf Platz zwei folgt Baden-Württem-
akademischer Abschluss die Vorausset- spektiven. Der Durchschnitt ergibt sich berg mit 47.800 Euro, dann kommt der
zung. Die besten Einkommensmöglich- hingegen aus der gesamten Lohnsumme Freistaat Bayern mit 46.800 Euro.
D
as Bundeskartellamt würde den
konkurrierenden Beteiligungs-
plänen des schwedischen Fi-
nanzinvestors EQT und der zur DZ-
Bank-Gruppe gehörenden TeamBank
für den Datenanbieter Schufa grünes
Licht geben. Die Behörde prüfe nur die
wettbewerblichen Auswirkungen ange-
meldeter Zusammenschlüsse, erklärte
Kartellamtspräsident Andreas Mundt.
„Aus dieser Sicht waren beide Vorhaben
freizugeben.“ Wie der Bieterwettbe-
werb um die Schufa, die den Handel und
die Banken in Deutschland mit Daten
zur Bonität von Kunden und Geschäfts-
partnern versorgt, weiter voranschrei-
te, hänge daher allein von unternehme-
rischen Entscheidungen ab.
Der Finanzinvestor EQT hat sich von
der französischen Großbank Societe
Generale zehn Prozent an der Wiesba-
dener Kredit-Auskunftei gesichert und
eine Komplett-Übernahme beim Kar-
tellamt angemeldet. Die Sparkassen
und Genossenschaftsbanken haben je-
doch ein Vorkaufsrecht für zum Verkauf
stehende Anteile an der Schufa. Sie po-
chen auf die Neutralität der Schufa, die
Insidern zufolge mit rund zwei Milliar-
den Euro bewertet wird. Die genossen-
schaftliche TeamBank (easyCredit) hat
Pläne zur Aufstockung ihrer Anteile von
zuletzt knapp 18 Prozent angemeldet.
Im Januar war EQT auf die Sparkas-
sen und Genossenschaftsbanken zuge-
gangen. Damals wurde signalisiert, dass
man sich auch als bedeutender Minder-
heitsaktionär an der Schufa beteiligen
wolle. EQT sei dazu bereit, einen drei-
stelligen Millionenbetrag zur Verfügung
zu stellen, um das Wachstum der Aus-
kunftei zu beschleunigen. Die 1927 als
„Schutzgemeinschaft für Absatzfinan-
zierung“ gegründete Schufa sammelt
Daten zum Zahlungsverhalten und zu
Kreditverpflichtungen von rund 68 Mil-
lionen Bürgern. rtr

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12 WIRTSCHAFT UND GELD * DIE WELT DIENSTAG, 8. FEBRUAR 2022

D
as beliebteste Getränk hängig. So kann zum Beispiel das Mün- Als Grund für die rasante Entwick- ausüben. Kaffee wird nur in wenigen

Kaffee wird
der Deutschen – Kaffee chener Familienunternehmen Dall- lung gelten vor allem Wettereinflüsse Ländern der Erde gepflanzt und geern-
wird mit 166 Litern im mayr den Preis für die Marke Prodomo und schwache Ernten. So haben Regen- tet. Denn die Kaffeepflanze wächst nur
Jahr pro Kopf am mei- durchaus anheben und dies bei Preis- fälle und auch Trockenheit im weltweit in tropischen Regionen rund um den
sten getrunken – wird verhandlungen mit den Supermarkt- größten Anbauland für Rohkaffee, in Äquator, weil sie viel Niederschlag und

deutlich teurer
deutlich teurer. Und das nicht nur ein ketten auch durchsetzen. Doch welche Brasilien, zu Ausfällen geführt. Zudem Temperaturen über 21 Grad Celsius be-
bisschen: Marktführer Tchibo hebt die Preisaktionen oder Sonderpreise dann fehlen in den Ländern viele Arbeits- nötigt. Die größten Produzenten der
Kaffeepreise je nach Sorte und Her- Edeka, Rewe und Co. machen und was kräfte als Folge der Corona-Pandemie. wichtigsten Kaffeesorte Arabica sind
kunftsland zwischen 50 Cent und 1,30 der Privatkunde am Ende tatsächlich Bei einem Vertreter der Anbauländer, Brasilien und Kolumbien. Andere An-
Euro pro Pfund an. Ein Pfund des Fil- für den Kaffee aus München bezahlt, bei der Organisation Fairtrade, gibt es bauländer von Bedeutung sind Costa
Bei Tchibo kostet der
terkaffees Feine Milde kostet dann dies unterliegt der Preishoheit der Zustimmung. „Wenn die Preiserhö- Rica, Mexiko und Guatemala. Die welt-
6,99 Euro. Zuvor waren es 5,69 Euro. Einzelhandelsunternehmen. hung den Produzenten vor Ort hilft, weit meistverkaufte Kaffeesorte ist
Begründet wird dies mit den gestiege-
nen Preisen für Rohkaffee, besonders
meistverkaufte Filterkaffee „Seit vergangenem Sommer sind die
Rohkaffeepreise um 50 Prozent gestie-
dann ist sie überfällig“, sagt Dieter
Overath, der Geschäftsführende Vor-
Nescafé aus dem Nestlé-Konzern. Die
zweitwichtigste Sorte Robusta wird da-
für die in Deutschland stark nachge- bald 6,99 Euro. gen“, heißt es bei Tchibo zur Begrün- standsvorsitzende von Fairtrade gegen vor allem in Afrika und Asien an-

Begründung sind die

fragte Sorte Arabica. dung. Dieser Entwicklung trage das Un- Deutschland, im WELT-Gespräch. gebaut. Darunter ist Vietnam zu einem
ternehmen nun Rechnung. Sobald die Teilweise werde Kaffee in Deutsch- der größten Verkäufer des eher günsti-

gestiegenen
VON BIRGER NICOLAI Rohkaffeepreise dies wieder zuließen, land derzeit unter dem Produktions- gen Robusta-Kaffees aufgestiegen. Nach
werde Tchibo die Preise senken. wert verkauft. Doch die Corona-Pande- Erdöl ist der Kaffee der meistgehandel-
Rohkaffeepreise
Für den Kaffeemarkt in Deutschland Die neuen Preise gelten ab dem 21. mie wie auch der Klimawandel erschwe- te Exportrohstoff.
hat der Schritt von Tchibo eine große Februar. Davor hatte das Unterneh- re die Arbeit der Kaffeebauern und füh- Auch die globalen Transportproble-
Bedeutung. Schließlich betreibt das men nach einigen Preissenkungen zu- re zu Ernteausfällen. „Ich vertraue ein- me wirken sich auf die Preise aus.
Hamburger Familienunternehmen letzt Mitte Juni 2021 die Kaffeepreise mal darauf, dass die Preisanhebung Schließlich arbeiten die Schifffahrt so-
rund 900 eigene Kaffeeläden. Vor angehoben. Das war die erste Erhö- auch dort ankommt, wo sie hingehört“, wie Teile des Landtransports seit Mo-
allem aber kommen im Lebensmittel- hung seit mehr als vier Jahren. In sagt Overath. Bewegung in den deut- naten an der Kapazitätskrise. Dadurch
einzelhandel weitere rund 24.300 De- Österreich folgt die Anhebung für die schen Kaffeemarkt dürfte demnächst treiben die stark gestiegenen Fracht-
pots als Verkaufsregale hinzu. Nicht Tchibo-Läden und Verkaufsregale auch durch den Discounter Lidl kom- kosten die Kaffeepreise zusätzlich in
nur in den Tchibo-Läden, sondern zum Mitte März. men. Denn das Unternehmen will den die Höhe. Tchibo ist in acht Ländern

GETTY IMAGES/ FLAVIO COELHO

auch etwa bei Edeka oder Rewe setzt
Tchibo über diese Depots die Kaffee-
preise selbst fest.
Die anderen großen Kaffeeröster
Dallmayr, Darboven oder Melitta sind
dagegen ebenso wie die Kaffeekonzer-
ne Jacobs oder Nestlé wesentlich von
der Preispolitik des Einzelhandels ab-
Tatsächlich haben sich die Preise am eigenen Kaffee statt in fremden Röste- tätig und zählt rund 11.420 Beschäftig-
Weltmarkt stark verändert. So wurde reien nun selbst verarbeiten. te. Für das Geschäftsjahr 2020 nennt
das Pfund Arabica-Rohkaffee (das briti- Schon Ende März soll in Nordrhein- das Unternehmen einen Umsatz von
sche Pfund entspricht 454 Gramm) im Westfalen in Rheine die eigene Rösterei 3,13 Milliarden Euro, so viel wie im
vergangenen Februar zu 1,21 Dollar (1,06 den Betrieb aufnehmen. Zunächst sind Jahr zuvor. Beim Röstkaffee ist Tchibo
Euro) gehandelt. Aktuell steht der Preis 50.000 Tonnen Rohkaffeeverarbeitung nach eigenen Angaben Marktführer in
an den Kaffeebörsen mit 2,42 Dollar bei im Jahr vorgesehen. Lidl will dadurch Deutschland, Österreich, Tschechien
Der Deutschen liebstes Heißgetränk wird eine kostspielige Angelegenheit exakt dem doppelten Wert. Druck auf die Preise anderer Hersteller und Ungarn.

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07.02.22 Währung ISIN Ausgabe Rücknahme +/- % 3 J. Perf. BW Zielfonds 2025 € DE000DK0ECP8 44,92 44,04 -0,92 +6,41
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Deka-Deut.Bal. TF € DE000DK2CFC9 107,49 107,49 -0,15 +2,55 Curr Diversif Bd R € LU0526000731 98,27 95,41 -1,11 +1,74
Deka-Eurol.Bal. CF € DE0005896872 59,50 57,77 -0,22 +5,70 Der erste Schritt R € LU0952573136 110,48 109,39 -0,27 +3,08
Deka-Eurol.Bal. TF € DE000DK1CHH6 114,61 114,61 -0,23 +4,58
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Fundament RT
€
€
LU0831568729
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Nomura Asset Management Europe
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Tel.: 069 / 7147-652 www.deka.de Deka-Sachwer. TF € DE000DK0EC91 105,50 105,50 -0,01 +12,22 Real Return* € DE0008484361 605,02 593,16 -0,95 +11,52
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Deka-BaAZSt off 23 € DE000A2N44K6 105,05 102,99 -0,49 - EuropaBond TF € DE0009771980 41,48 41,48 -0,65 +3,38 am.oddo-bhf.com
Deka-Nach.E.St CF A € LU2206794112 99,56 99,56 -0,20 - Frankf.Sparinrent € DE0008479981 53,34 52,81 -0,28 +6,16
Basis-Fonds I* € DE0008478090 136,74 136,74 -0,19 -0,76
Deka-Nachh ManSel € DE000DK1CJS9 118,89 114,59 -0,88 +13,90 Frankf.Sparinvest € DE0008480732 165,86 157,96 -0,53 +28,57
DC Value One I(t)* € DE000A0YAX64 242,34 242,34 +0,45 +55,43
Deka-NachhAkt CF € LU0703710904 259,23 249,86 +0,48 +54,62 GlobalChampions CF € DE000DK0ECU8 291,86 281,31 +1,01 +59,77 www.hal-privatbank.com
Deka-NachhRent CF A € LU0703711035 130,65 127,46 -0,69 +7,11 GlobalChampions TF € DE000DK0ECV6 255,85 255,85 +1,01 +56,35 DC Value One P(t)* € DE000A0YAX72 225,19 214,47 +0,44 +52,70
Deka-NachStrInv CF € DE000DK2EAD4 142,41 137,26 -0,51 +22,20 ERBA Invest OP € LU0327349527 30,64 29,18 -0,07 -3,28 FT EuroGovernm. M* € DE000A0NEBR5 52,74 51,20 -0,31 -2,18
Mainfr. Strategiekonz. € DE000DK2CE40 184,09 184,09 -0,52 +20,30
Deka-NachStrInv TF € DE000DK2EAE2 133,08 133,08 -0,51 +19,59 H&A Dynamik Plus B € LU0090344473 126,81 120,77 -0,80 +34,12 O.BHF € ShTe Bd FT* € DE0008478124 114,49 113,36 -0,30 +0,39
Mainfr. Wertkonz. ausg. € DE000DK1CHU9 100,29 100,29 -0,08 -1,21
Nachh Dynamisch CF € DE000DK0V6U7 109,46 104,25 +0,68 - H&A Rend. Pl. CI € LU0456037844 118,35 114,35 -1,05 +7,47 O.BHF AlgoGlob CRW* € DE0009772988 95,17 90,64 -0,30 +55,28
Multi Asset In.CFA € DE000DK2J662 92,45 89,76 -0,75 +7,98
Nachh Mlt Asset CF € DE000DK0V5F0 108,62 105,46 -0,48 - H&A SmCap.Eq EMU B € LU0100177426 174,32 166,02 -0,78 +53,26 Substanz-Fonds* € DE000A0NEBQ7 1308 1270 -0,60 +27,26
Multirent-Invest € DE0008479213 33,75 32,77 +0,06 +3,17
Nachh Mlt Asset TF € DE000DK0V5G8 104,56 104,56 -0,49 - MB Fd Max Value € LU0121803570 168,56 160,53 -1,27 +13,45 Vermögens-Fonds* € DE000A0MYEJ6 852,89 828,05 -0,67 +21,01
Multizins-INVEST € DE0009786061 28,45 27,62 +0,22 -1,85
Nachhltg Gl Champ CF € DE000DK0V554 129,18 124,51 +0,99 - MB Fund Flex Plus € LU0230369240 62,69 62,07 -0,48 +4,35
NachSeAkReEdTF € DE0009771907 48,21 48,21 -1,07 +26,02
NachSeAkREd CF € DE000DK0V7B5 97,88 94,34 -1,06 - MB Fund Max Global € LU0230368945 115,01 109,53 -0,74 +38,21
Naspa-Fonds € DE0008480807 42,15 41,12 -0,72 +8,78 ODDO BHF Luxemburg
Naspa-Ak.Gb NachCF € DE0009771956 84,96 82,29 -0,44 +28,70 MB Fund Max Pl € DE000A2N68L3 40,89 40,89 +2,43 -
RenditDeka € DE0008474537 25,19 24,46 -0,61 +7,73
Naspa-Ak.Gb NachTF € DE000DK0LNH7 121,11 121,11 -0,44 - MB Fund S Plus € LU0354946856 81,30 77,43 +0,08 -38,70 Grand Cru € LU0399641637 191,34 189,45 -0,88 +23,11
RenditDeka TF € DE000DK2D640 31,62 31,62 -0,63 +7,25
Grand Cru (CHF) CH LU0580157419 138,05 136,68 -0,90 +22,78
RentenStratGl TF € DE000DK2J6Q9 90,29 90,29 -0,19 +4,02
SMS Ars selecta € LU0118271369 57,58 55,37 -1,14 +27,27
RentenStratGlob CF € DE000DK2J6P1 93,59 90,86 -0,19 +5,23
RentenStratGlob PB € DE000DK2J6R7 92,69 90,87 -0,19 +5,37
RheinEdition Glob. € DE0009786129 38,43 38,43 -0,03 +13,84
Rntfds RheinEdit € DE0008480666 30,52 29,45 -0,34 +6,09
Tel. +41 41 55 20 255, info@ethius-invest.ch, www.ethius-invest.ch Rntfds RheinEdit oA € DE0009771915 30,29 30,29 -0,39 +5,27 www.heemann.org
Technologie CF € DE0005152623 68,52 66,04 +1,18 +86,36
Technologie TF € DE0005152631 52,86 52,86 +1,17 +81,24 FU Bonds Monthly* € LU1960394903 101,27 98,32 -0,64 -
ETH Global Impact* € DE000A2QCXY8 104,94 104,94 -0,68 - FU Dachfonds* € LU1564460761 29,01 29,01 -1,29 +28,12 Tel.: 069 58998-6060
UmweltInvest CF € DE000DK0ECS2 214,48 206,73 -0,45 +73,59 www.union-investment.de
UmweltInvest TF € DE000DK0ECT0 185,88 185,88 -0,46 +69,89 FU Multi Asset P* € LU0368998240 257,00 257,00 -0,71 +32,98
Weltzins-Invest P € DE000A1CXYM9 22,52 21,86 +0,09 +2,87 PrivFd:Kontr.* € DE000A0RPAM5 134,34 134,34 -0,53 +10,18
PrivFd:Kontr.pro* € DE000A0RPAN3 173,79 173,79 -0,32 +27,66
Uni21.Jahrh.-net-* € DE0009757872 45,06 45,06 -0,07 +56,36
Deka International (Lux) UniDeutschl. XS* € DE0009750497 209,26 201,21 -1,08 +38,21
1822 Str.Cha.Pl. € LU0151488458 144,83 139,26 -1,44 +32,74 UniEuroAktien* € DE0009757740 91,50 87,14 -1,18 +44,52
ÖkoVision Classic € LU0061928585 246,83 235,08 -0,91 +40,24
Klima € LU0301152442 119,37 113,69 -0,04 +68,15 1822 Str.Chance € LU0151488029 94,83 91,62 -1,53 +24,74 UniEuropa-net-* € DE0009750232 88,53 88,53 -1,30 +51,12
1822 Str.Ert.Pl. € LU0151486320 46,39 45,26 -1,14 -1,75 www.hwb-fonds.com | info@hwb-fonds.com UniEuroRenta* € DE0008491069 65,56 63,65 -0,44 -0,50
Water For Life C € LU0332822492 223,50 212,86 -1,11 +34,09 Tel +49 651 1704 301 | +352 48 30 48 30
Öko Rock‘n‘Roll € LU0380798750 177,42 168,97 -1,25 +25,36 1822 Str.Wachstum € LU0151487302 51,80 50,29 -1,53 -1,84 UniEuroRentaHigh Y* € DE0009757831 35,60 34,56 -1,09 +11,27
Growing Mkts 2.0 € LU0800346016 268,65 255,86 -0,34 +72,06 1822-Struk. Ertrag € LU0224663640 41,70 40,88 -0,39 -4,76 HWB Alex.Str.Ptf R* € LU0322055855 79,19 75,42 -0,96 +18,82 UniFav.:Akt. -net-* € DE0008007519 128,02 128,02 +0,45 +53,07
Berol.Ca.Chance € LU0096429435 66,48 64,54 -0,98 +24,09 HWB Alex.Str.Ptf V* € LU0322055426 79,21 75,44 -0,96 +18,81 Unifavorit: Aktien* € DE0008477076 212,92 202,78 +0,45 +54,69
Union Investment Berol.Ca.Premium € LU0096429609 87,03 84,09 -1,37 +39,55 HWB DfdsV.V.Vici R* € LU0322916437 58,76 57,05 -1,14 +19,64 UniFonds* € DE0008491002 65,88 62,74 -1,94 +41,33
PrivatFonds: Nachh* € LU1900195949 55,43 55,43 -0,61 +11,22 Berol.Ca.Sicherh. € LU0096428973 43,57 42,51 -0,75 +1,85 HWB DfdsV.V.Vici V* € LU0322915462 58,76 57,05 -1,13 +19,67 UniFonds-net-* € DE0009750208 92,12 92,12 -1,91 +36,58
UniNachh AkEu A* € LU0090707612 67,61 64,39 -1,51 +51,85 Berol.Ca.Wachst. € LU0096429351 40,87 39,78 -1,00 +1,23 HWB Europe Pf.* € LU0119626884 4,53 4,31 -1,15 +9,98 UniGlobal* € DE0008491051 357,11 340,10 -0,01 +74,92
UniNachh AkEu netA* € LU0096427496 54,17 54,17 -1,53 +50,53 DekaEuAktSpezAV € LU1508335152 139,85 139,85 -0,83 +35,19 HWB Glb.Conv.Plus* € LU0219189544 92,21 89,52 -0,87 +2,95 UniGlobal-net-* € DE0009750273 204,86 204,86 +0,03 +71,89
UniNachh Akt Glob* € DE000A2N7V22 133,85 133,85 -0,50 - DekaEuAktSpezCF(A) € LU0835598458 204,47 197,08 -0,83 +34,82 HWB Inter.Pf.* € LU0119626454 4,71 4,49 -1,10 +16,20 UniNordamerika* € DE0009750075 505,27 481,21 +0,48 +74,91
UniNachh AktDeu nA* € DE000A2QFXN4 94,53 94,53 -1,89 - Deka-EuropaVal.TF € LU0100186849 56,97 56,97 -0,54 +31,15 HWB Pf. Plus R* € LU0277940762 101,89 97,04 -1,17 +32,84 UnionGeldmarktfds* € DE0009750133 47,48 47,48 -0,02 -1,49
UniNachh AktDeut A* € DE0009750117 255,94 243,75 -1,88 +37,32 Deka-FlexZins CF € LU0249486092 961,73 956,95 -0,17 -0,01 HWB Pf. Plus V* € LU0173899633 101,90 97,05 -1,17 +32,42 UniRak* € DE0008491044 149,98 145,61 -0,95 +33,43
UniNachhaltig A Gl* € DE000A0M80G4 155,27 147,88 -0,50 +63,35 Deka-FlexZins PB € LU0475811682 963,70 963,70 -0,17 -0,03 HWB Vict.Str.Pf. R* € LU0277941570 1305 1243 -0,70 +22,88 UniRak Kons.-net-A* € DE000A1C81D8 121,55 121,55 -1,08 +15,55
UniRak Na.Kon. A* € LU1572731245 118,63 116,30 -0,62 +18,63 Deka-FlexZins TF € LU0268059614 958,55 958,55 -0,17 -0,09 HWB Vict.Str.Pf. V* € LU0141062942 1305 1243 -0,69 +22,83 UniRak Konserva A* € DE000A1C81C0 126,02 123,55 -1,09 +16,77
UniRak Nach.K-net-* € LU1572731591 115,92 115,92 -0,61 +17,39 DekaGlobAktLRCF(A) € LU0851806900 226,34 218,16 -0,43 +31,50 HWB Wdelan + R* € LU0277940929 50,92 49,44 -1,00 +7,76 UniRak -net-* € DE0005314462 78,30 78,30 -0,95 +32,04
UniRak Nachh.A net* € LU0718558728 94,04 94,04 -0,70 +34,46 Deka-Indust 4.0 CF € LU1508359509 189,15 182,31 +1,01 +45,51 HWB Wdelan + V* € LU0254656522 51,44 49,94 -1,01 +8,81 UniRenta* € DE0008491028 19,51 18,94 -0,68 +6,47
UniRak NachhaltigA* € LU0718558488 99,84 96,93 -0,70 +35,87 Deka-Indust 4.0 TF € LU1508360002 175,79 175,79 +1,01 +42,40 UniStrat: Ausgew.* € DE0005314116 73,12 70,99 -0,52 +21,67
UniZukunft Klima A* € DE000A2QFXR5 47,64 46,71 -0,79 - Deka-Mul Asset Ert € LU1508354294 97,72 96,75 -0,33 -0,31 UniStrat: Konserv.* € DE0005314108 74,72 72,54 -0,53 +10,02
UniZukunft Kli-neA* € DE000A2QFXS3 47,61 47,61 -0,77 - HMI Chance € LU0194947726 77,50 75,24 +0,35 +34,29 IPConcept (Luxembourg) S.A.
HMI Chance+ € LU0213544652 80,05 77,34 +0,51 +44,56 ME Fonds PERGAMONF € LU0179077945 924,82 880,78 -1,69 +41,99
HMI Ertrag+ € LU0194942768 37,43 36,70 -0,16 -3,72 ME Fonds Special V € LU0150613833 3505 3338 -0,50 +34,88 Union Investment Luxemburg
HMI Wachstum € LU0194946595 43,74 42,67 +0,21 -1,83 PrivFd:Konseq.pro* € LU0493584741 105,03 105,03 -0,29 -4,26
Köln Str.Chance € LU0101437480 68,82 67,47 -1,01 +22,55 UniAsia Pac.net* € LU0100938306 156,83 156,83 +0,94 +26,07
Köln Str.Ertrag € LU0101436672 44,59 43,72 -1,06 +0,58 UniAsia Pacific A* € LU0100937670 159,84 153,69 +0,95 +27,40
Alte Leipziger Trust Köln Str.Wachstum € LU0101437217 42,97 42,13 -1,47 +0,62 UniAusschü. net- A* € LU1390462262 52,14 52,14 -0,57 +19,73
€uro Short Term € DE0008471699 42,47 42,05 -0,45 -0,77 KölnStr.Chance+ € LU0117172097 61,83 60,62 -1,33 +34,49 UniAusschüttung A* € LU1390462189 52,99 51,45 -0,56 +20,83
Aktien Deutschland € DE0008471608 131,09 124,85 -0,76 +24,93 UnterStrat Eu CF € LU1876154029 193,38 186,39 -1,00 - UniDividAss net A* € LU0186860663 61,06 61,06 -1,48 +35,86
info@LBBW-AM.de www.LBBW-AM.de UniDividendenAss A* € LU0186860408 64,32 61,85 -1,47 +37,30
AL Trust €uro Relax € DE0008471798 54,98 53,38 -0,63 +9,66
AL Trust Stab. € DE000A0H0PF4 68,92 66,91 -0,59 +14,47 Div. Str. Eurol. R* € DE0009780411 40,93 38,98 -1,79 +2,46 UniDyn.Europa A* € LU0085167236 135,44 130,23 -1,56 +59,44
Deka Immobilien Investment UniDynamic Gl. A* € LU0089558679 104,67 100,64 +0,61 +88,36
AL Trust Wachst IT € DE000A2PWPE6 65,77 65,77 -0,69 - Multi Global R* € DE0009766881 110,86 107,63 -0,87 +12,64
AL Trust Wachstum € DE000A0H0PG2 88,18 84,79 -0,70 +24,24 Deka Immob Europa € DE0009809566 49,07 46,62 +0,02 +8,36 RentaMax R* € DE0005326144 70,62 68,23 -1,13 +4,49 UniEMGlobal* € LU0115904467 105,76 100,72 +0,74 +17,01
Trust €uRen IT € DE000A2PWPA4 49,01 49,01 -0,93 - Deka Immob Global € DE0007483612 57,22 54,36 ±0,00 +4,73 Rohstoffe 1 R* € DE000A0NAUG6 43,03 40,98 +0,27 +32,19 UniEurKap Corp-A* € LU0168092178 36,75 36,03 -0,39 +1,94
Trust €uro Renten € DE0008471616 45,54 44,21 -0,92 +1,74 Deka-Immo Nordam $ DE000DK0LLA6 57,03 54,97 +0,02 +6,53 RS Flex R* € DE000A14XPW0 62,77 60,65 +0,28 +31,36 UniEurKap.Co.net A* € LU0168093226 36,67 36,67 -0,38 +1,01
Trust Akt Europa € DE0008471764 55,69 53,04 -0,73 +23,44 Deka-ImmoMetropol € DE000DK0TWX8 54,30 51,59 ±0,00 - UniEuropa* € LU0047060487 2802 2668 -1,31 +51,46
Trust Chance € DE000A0H0PH0 99,91 95,15 -0,83 +33,88 WestInv. InterSel. € DE0009801423 50,10 47,60 +0,02 +7,60 UniGlobal Div A* € LU1570401114 133,72 127,35 -1,47 +40,73
Trust Chance IT € DE000A2PWPC0 74,79 74,79 -0,82 - LRI Invest S.A. UniGlobal Div-netA* € LU1570401544 125,67 125,67 -1,47 +39,64
Trust Glb Inv IT € DE000A2PWPB2 76,00 76,00 -0,37 - ALTIS Bal Value* € LU0142612901 93,94 89,47 -0,61 +26,02 UniIndustrie 4.0A* € LU1772413420 78,58 75,56 -0,15 +73,55
Trust Glbl Invest € DE0008471715 121,42 115,64 -0,37 +40,26 Deka-Vermögensmanagement GmbH
ALTIS Global Res* € LU0188358195 168,17 160,16 +0,19 +26,41 UniOpti4* € LU0262776809 96,31 96,31 -0,07 -1,06
Trust Stab IT € DE000A2PWPD8 58,21 58,21 -0,58 - Deka-MM ausgew CF € DE000DK2J8Q5 118,13 114,41 -1,57 +15,07 M&W Privat C* € LU0275832706 150,73 144,93 +0,10 +44,37
Deka-MM defensiv CF € DE000DK2J8R3 117,56 114,14 -1,45 +15,46 UniSec. BioPha.* € LU0101441086 159,06 152,94 -0,75 +40,78
NW Global Strategy* € LU0303177777 100,68 95,89 -0,07 +35,86 UniSec. High Tech.* € LU0101441672 187,89 180,66 +0,53 +104,86
Deka-PfSel ausgew € DE000A2N44B5 111,84 108,58 -1,07 -
Deka-PfSel dynam € DE000A2N44D1 119,60 116,12 -1,21 - UniStruktur* € LU1529950914 110,32 107,11 -0,53 +12,54
Deka-PfSel moderat € DE000A2N44C3 103,66 101,63 -0,77 - UniVa. Global A* € LU0126315885 149,59 143,84 -0,19 +52,89
DekaStruk.5Chance € DE000DK1CJP5 192,13 188,36 -1,51 +27,63
DekaStruk.5Chance+ € DE000DK1CJQ3 311,10 305,00 -1,43 +38,21 Union Invest Real Estate
www.ampega.de DekaStruk.5Ertrag € DE000DK1CJL4 96,98 95,08 -0,23 -2,77 UniImmo:Dt.* € DE0009805507 98,61 93,91 -0,02 +7,47
terrAss Akt I AMI € DE0009847343 46,72 44,71 -0,84 +64,50 DekaStruk.5Ertrag+ € DE000DK1CJM2 99,97 98,01 -1,05 -0,31 Telefon (0251) 702 49 www.lvm.de UniImmo:Europa* € DE0009805515 56,75 54,05 ±0,00 +5,78
Zan.Gl.Cred AMI Ia* € DE000A1J3AJ9 109,70 109,70 -0,92 +15,31 DekaStruk.5Wachst. € DE000DK1CJN0 104,21 102,17 -1,53 -0,89
Euro-Kurzläufer* € IE0000641252 28,86 28,77 -0,10 +0,52 UniImmo:Global* € DE0009805556 51,51 49,06 ±0,00 +1,00
Zantke Eu.HY AMI Ia* € DE000A0YAX49 120,58 120,58 -1,00 +6,41 Hamb Stiftung D € DE000DK0LJ38 997,64 978,08 -0,54 +9,04
Hamb Stiftung I € DE000A0YCK34 911,94 894,06 -0,54 +8,94 Europa-Aktien* € IE0000663926 29,80 28,31 -1,15 +38,69
Euro-Renten* € IE0000663256 36,73 35,63 -0,53 +1,60
Hamb Stiftung P € DE000A0YCK42 91,57 88,05 -0,54 +7,88 Universal Lux.
BNP Paribas Real Estate Hamb Stiftung T € DE000A0YCK26 117,53 113,01 -0,55 +7,89 Inter-Aktien* € IE0000664338 41,29 39,23 +0,33 +69,90
Inter-Renten* € IE0000663470 33,70 32,69 -0,91 +0,57 CondorBalance-UI* € LU0112268841 100,30 95,52 -1,33 +24,59
BNP Pa MacStone P € DE000A2DP6Y8 26,94 25,66 +0,04 - Haspa TrendKonz P € LU0382196771 94,98 91,33 -0,28 +0,27
ProBasis* € IE00B13XV652 31,32 30,22 -0,69 +10,24 CondorChance-UI* € LU0112269146 97,91 93,25 -2,18 +52,21
INTER ImmoProfil € DE0009820068 60,90 58,00 -0,02 +9,06 Haspa TrendKonz V € LU1709333386 100,97 97,09 -0,29 +1,48
ProFutur* € IE0000663694 35,62 34,37 -1,01 +29,52 CondorTrends-UI* € LU0112269492 104,55 99,57 -2,15 +48,79
LBBW Bal. CR 20 € LU0097711666 46,82 45,90 -0,89 +11,62
LBBW Bal. CR 40 € LU0097712045 54,36 53,29 -1,00 +18,67
LBBW Bal. CR 75 € LU0097712474 70,09 68,72 -1,16 +33,36 W&W Int. Asset Mgmt. Dublin
Naspa Str.Chan.Pl. € LU0202181771 127,07 124,58 -1,71 +33,49 SouthEast Asian Eq* € IE0002096034 135,10 +1,09 +19,74
Naspa Str.Chance € LU0104457105 61,50 60,29 -1,50 +24,43
Naspa Str.Ertrag € LU0104455588 46,96 46,04 -0,84 -0,58
PB Balanced € DE0008006263 59,10 56,29 -0,67 +7,48 Naspa Str.Wachstum € LU0104456800 45,30 44,41 -1,25 -1,34 Warburg Invest
PB Europa* € DE0009770289 56,95 54,24 -1,74 +32,02 www.meag.com privatanleger@meag.com
Priv BaPrem Chance € DE0005320022 160,78 151,68 -0,20 +37,56 DMüller Prem Akt € € DE000A111ZF1 94,01 90,39 -0,31 -9,67
PB Eurorent € DE0008006255 55,80 54,17 -0,57 +0,85 Dividende A* € DE000A1W18W8 61,24 58,32 -1,32 +29,18
PB Megatrend € DE0005317374 183,81 175,06 +0,20 +72,33 Priv BaPrem Ertrag € DE0005320030 50,79 48,84 -0,57 +0,50
EM Rent Nachh.* € DE000A1144X4 48,33 46,47 -0,60 +3,72
PB Triselect € DE0009770370 51,07 48,64 -0,37 +13,99 Sonstige
ERGO Vermög Ausgew* € DE000A2ARYT8 59,72 57,15 -0,75 +19,60
DWS ERGO Vermög Flexi* € DE000A2ARYP6 61,86 58,91 -0,77 +26,28 Leading Cities* € DE0006791825 112,15 106,30 +0,01 +8,66
C&P Funds (Creutz & Partners) Offene Immobilienfonds
ERGO Vermög Robust* € DE000A2ARYR2 53,98 51,90 -0,67 +7,94
C&P Funds ClassiX* € LU0113798341 77,56 74,58 -0,69 +38,52 EuroBalance* € DE0009757450 63,26 60,83 -0,38 +23,11
grundb. europa IC: € DE000A0NDW81 41,72 39,73 -0,13 +8,47
C&P Funds QuantiX* € LU0357633683 151,65 145,82 -0,28 +35,98 EuroCorpRent A* € DE000A1W1825 55,94 54,05 -0,92 +3,55
grundb. europa RC € DE0009807008 41,65 39,67 -0,13 +6,87
EuroErtrag* € DE0009782730 72,48 70,03 -0,72 +11,47
grundb. Fok Deu RC € DE0009807081 56,26 53,58 -0,04 +7,53
EuroFlex* € DE0009757484 42,91 42,49 -0,14 -0,11 * Fondspreise etc. vom Vortag oder letzt verfügbar; Währung: € = Euro, $ = US-Dollar, ¥ = Yen, £ = Brit.
Commerz Real grundb. Fokus D IC: € DE0009807099 56,67 53,97 -0,04 +11,50
EuroInvest A* € DE0009754333 103,28 98,36 -1,48 +33,84 Pfund, CH = Schweizer Franken,PL = Polnische Zloty. Alle Angaben ohne Gewähr, keine Anlageberatung
grundb. global IC: € DE000A0NCT95 55,50 52,86 +0,02 +8,76
hausInvest € DE0009807016 45,38 43,22 -0,02 +6,66 EuroKapital* € DE0009757468 54,99 52,37 -0,38 +32,06 und -empfehlung.
grundb. global RC € DE0009807057 55,05 52,43 ±0,00 +7,32
EuroRent A* € DE0009757443 30,89 29,85 -0,67 +2,26
FairReturn A* € DE000A0RFJ25 56,71 55,06 -0,54 +3,95 Alle Fonds mit weiteren Informationen auf http://fonds.welt.de/
DAVIS FUNDS SICAV GlobalBalance DF* € DE0009782763 74,17 71,32 -0,89 +25,10
Global A* $ LU0067889476 50,64 47,73 +0,93 +34,33 GlobalChance DF* € DE0009782789 76,77 73,11 -1,19 +36,08
Value Fund A* $ LU0067888072 77,61 73,15 +0,95 +47,57 Nachhaltigkeit A* € DE0001619997 143,01 136,20 -0,23 +51,78
ProInvest* € DE0009754119 208,51 198,58 -1,68 +33,51
www.ethenea.com, Telefon 00352-276921-10 VermAnlage Komfort* € DE000A1JJJP7 62,80 60,68 +0,03 +7,23
VermAnlage Ret A* € DE000A1JJJR3 75,07 72,18 +0,06 +18,62
Ethna-AKTIV A € LU0136412771 138,92 134,87 -0,24 +10,64
Ethna-AKTIV T € LU0431139764 146,10 141,84 -0,24 +10,67 Funds Service+49 69 26095760 I fundsservice@infrontfinance.com
Ethna-DEFENSIV A € LU0279509904 137,11 133,77 -0,35 +8,81 Metzler Asset Management GmbH
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Aktfds RheinEdit I € DE000DK2J7N4 128,03 124,91 -0,61 +37,38 Ethna-DYNAMISCH A € LU0455734433 92,20 87,81 -0,24 +15,59 RWS-DYNAMIK A* € DE0009763334 36,69 34,94 -1,55 +23,18 besonderen Service für deren Anleger.
Aktfds RheinEdit P € DE0008480674 64,03 60,83 -0,62 +36,15 Ethna-DYNAMISCH T € LU0455735596 96,10 91,52 -0,24 +15,63 RWS-ERTRAG A* € DE0009763375 16,02 15,55 -1,08 +8,45

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DIE WELT DIENSTAG, 8. FEBRUAR 2022
Wut nach
Disqualifikation
beim Skispringen
Bundestrainer spricht
von „Kasperletheater“
A
n der Schanze in Zhangjiakou
herrschte Chaos und Verwir-
rung. „Was ist passiert? Was ist
los?“, fragten sich sowohl die deutschen
Springerinnen und Springer des Mixed-
Teams als auch die Betreuer. Eben noch
auf einem vorderen Rang im Zwischen-
klassement, plötzlich auf Rang neun.
Weil Topspringerin Katharina Althaus
disqualifiziert wurde. Und sie war nicht
die einzige Weltklasse-Athletin im Feld.
VON MELANIE HAACK UND ROUVEN CHLEBNA
Wenig später stellte sich heraus:
Grund war ein nicht regelkonformer
Anzug der 25-jährigen Oberstdorferin.
Damit schied das deutsche Quartett,
das bis dahin aussichtsreich im Wett-
kampf lag, bereits nach dem ersten
Durchgang am Montag als Neunter aus.
Neben Althaus zählten Selina Freitag,
Karl Geiger und Constantin Schmid
zum Team. „Das ist echt eine harte
Nummer“, sagte Geiger. „Es ist schon
megaskurril, dass da drei Athletinnen
rausgenommen werden.“
Aus der Verwirrung wurde schnell
Frust. Dann Ärger. Bundestrainer Ste-
fan Horngacher machte sich Luft: „Bei
Olympia fangen sie an, mehr zu messen.
Ich verstehe das nicht. Für mich ist das
langsam ein Kasperletheater. Das ist
nicht mehr im Sinne des Sports. Man
muss zittern und bibbern, dass man
durchkommt. Finde es eher lächerlich
und bin sehr enttäuscht.“
Ein Horngacher, wie man ihn an der
Schanze selten erlebt. Normalerweise
ruht der Österreicher in Diensten des
Deutschen Skiverbandes (DSV) eher in
sich. Er ist keiner, der sich zu vor-
schneller Kritik hinreißen lässt. Umso
schwerer wiegt, was er sagt. Und er war
nicht der einzige an diesem Tag, der
sich wunderte.
Denn Althaus war schließlich nicht
die einzige, die es traf - auch jeweils
eine Top-Springerin aus Österreich und
Japan wurden disqualifiziert: Daniela
Iraschko-Stolz und Sara Takanashi. Bei-
de keine Unbekannten. Mario Stechert,
Trainer der Österreicher, sagte WELT
an der Schanze: „Es ist eine Farce.“ Sein
Team und das der Japaner schaffte es
zwar von den zehn Mannschaften (Chi-
na wurde Letzter) noch in den zweiten
Durchgang der besten acht, beide Mitfa-
voriten hatten aber keine Chance mehr,
sich den Traum vom Sieg zu erfüllen.
„Wir sind alle stocksauer. Alle drei
Frauen sind die gleichen Anzüge ge-
sprungen wie im Einzelwettbewerb“,
sagte Horst Hüttel, Sportlicher Leiter
der Deutschen. „Das ist nicht nachzu-
volllziehen. Das geht um drei Topathle-
tinnen."
Von den Disqulifikationen profitier-
ten andere Teams. Das Mixed-Springen
gewann Topfavoroit Slowenien in der
Besetzung Nika Kriznar, Timi Zajc, Ur-
sa Bogataj und Peter Prevc. Das Team
setzte sich deutlich durch und gewann
Gold vor Russland und Kanada. Beiden
Mannschaften wurden vor dem Wett-
bewerb nicht einmal Außenseiterchan-
cen eingeräumt.
Drei Jahre nach der Chemotherapie gewinnt er Gold
Snowboarder Max Parrot hatte Lymphdrüsenkrebs. Doch der Kanadier kämpfte – und feiert einen kaum für möglich gehaltenen Triumph
E
s ist 12.04 Uhr Ortszeit im Gen-
ting Snow Park in Zhangjiakou,
Max Parrot atmet noch einmal
tief durch. Dann stürzt sich der 27 Jahre
alte Snowboarder in den Slopestyle-
Parcour. Es war der Gedanke an diesen
Moment, der ihm am meisten half
durchzuhalten, als nichts mehr ging. Als
sein Körper „auf null runtergefahren“,
alle Energie verschwunden war, er sich
übergeben musste und sich die Haare
abrasiert hatte, weil sie ihm ausfielen.
Am Ende des ersten von drei Runs ju-
belt er und streckt die Zunge raus. 79,86
Punkte, Rang drei. Im zweiten Durch-
gang dann sorgt er für Begeisterung:
90,96 Punkte! Ein Wert, den niemand
mehr toppen konnte. Es ist 13.30 Uhr,
Parrot reckt beide Arme in den blauen
Himmel und schaut nach oben. Mit der
kanadischen Fahne um die Schultern
nimmt er die Umarmungen der Konkur-
renz entgegen. Und genießt.
Dass es an diesem Tag für Parrot so-
gar zu Gold reicht, ist das Happy End ei-
ner langen Reise. Oft ist die Rede von
sportlichen Märchen, dieses ist wirklich
eines. Parrot hat viel gewonnen, Zu-
E
Herrmann musste im Vorfeld der Spiele viel Kritik einstecken. Die Ergebnisse waren mau. Es irritierte sie nicht. „Ich wusste, dass es in Peking aufgehen kann“, sagte sie
s dauerte, bis die Tränen ge-
trocknet waren. Die schön-
sten Erfolge sind eben meist
die, mit denen man am we-
nigsten gerechnet hat. Das
gilt im Sport wie auch im Leben allge-
mein. Dementsprechend emotional fei-
erte Denise Herrmann ihren Olympia-
sieg – erst im Athletenbereich neben
dem Ziel, dann bei der Siegerehrung.
VON ROUVEN CHLEBNA UND MELANIE HAACK
Die 33-jährige Biathletin gewann völ-
lig überraschend die Goldmedaille im
Einzelrennen über 15 Kilometer. Dabei
zeigte sie vor allem am Schießstand eine
überragende Leistung und leistete sich
insgesamt nur einen Fehler. Trotzdem
musste Herrmann nach ihrem sensatio-
nellen Lauf noch fast eine Stunde lang
zittern. Denn nach ihrer Glanzleistung
auf den fünf Runden in Zhangjiakou wa-
ren noch 81 Starterinnen ins Rennen ge-
gangen. Für Herrmann begann also die
fast unerträgliche Zeit des Zitterns, die
schließlich vor den Augen von IOC-Prä-
sident Thomas Bach mit einer kleinen
Sensation endete. Denn diesen Olym-
piasieg hatten im Vorfeld nur die wenig-
sten erwartet.
„Ich habe versucht, den perfekten
Wettkampf zu machen. Am Ende auch
ganz oben zu stehen, ist natürlich ein-
fach unglaublich. Es war das perfekte
Rennen“, sagte Herrmann, die nach
Olympia-Bronze mit der Langlauf-Staf-
fel 2014 nun die erste Medaille im Biath-
lon gewann. „Ich bin super stolz, dass
ich zwei Medaillen in zwei Sportarten
habe“, sagte sie.
Sie sei „sehr entspannt“ gewesen:
„Ich habe in diesem Jahr schon ordent-
lich auf die Fresse bekommen, wusste
aber, dass ich es kann. Ich habe ver-
sucht, im Moment zu leben, habe ge-
stern noch ein paar gute Gespräche ge-
habt. Dass ich ganz oben stehe, das
macht mich unglaublich stolz und
schauer und Konkurrenten immer wie-
der ins Staunen versetzt. Aber vor al-
lem: Er lebt. Drei Jahre ist es her, dass er
den Krebs besiegte. Nun gewinnt er
Olympiagold, und eine weitere Chance
hat er bei diesen Spielen noch: beim Big
Air. „Es ist unglaublich“, sagt er kurz
nach seinem Sieg. „Durch die Chemo zu
gehen, war ein Alptraum. Ich bin sehr
stolz und glücklich, dass ich drei Jahre
später wieder auf dem olympischen Po-
dium stehe – dieses Mal mit Gold.“
Parrot, der sein Olympia-Debüt 2014
in Sotschi gab, gewann bei den X Games
13 Medaillen im Slopestyle und Big Air,
feierte 2018 in Pyeongchang Olympia-
Silber im Slopestyle. Kurz vor Weih-
nachten dieses Jahres erhielt er die Di-
agnose: Lymphdrüsenkrebs. Sechs Mo-
nate Chemotherapie folgten. „Natürlich
hatte ich Angst“, erzählt er nach der
Siegerehrung: „Aber ich habe dem
Krebs nie eine Chance gegeben. Ich ha-
be ihn jeden Tag so hart bekämpft wie
ich konnte.“ Mit dem Sport aufzuhören,
sei keine Option gewesen.
Rückblickend sagt er: „Meinen Sport
wieder betreiben zu können und an die-
OLYMPIA 13
WAS WICHTIG
WAR
SKI ALPIN
Beat Feuz hat Gold in der Abfahrt
gewonnen. Der Schweizer siegte
mit 0,10 Sekunden Vorsprung vor
dem Franzosen Johan Clarey und
Matthias Mayer aus Österreich. Das
Rennen wurde überschattet von ei-
nem schweren Sturz von Dominik
Schwaiger. Der Deutsche rutschte
in ein Fangnetz und wurde später
mit einem Rettungsschlitten weg-
gefahren. „Unterarmverletzung“,
lautete die erste Diagnose.
EISSCHNELLLAUF
Ireen Wüst hat ihre sechste olympi-
sche Goldmedaille gewonnen. Die
Niederländerin siegte über 1500
Meter. Die 35-jährige Wüst verwies
Miho Takagi aus Japan auf Platz
zwei. Dritte wurde Antoinette de
Jong aus den Niederlanden.
SKI ALPIN
Für Mikaela Shiffrin haben die
Spiele mit einem herben Dämpfer
begonnen. Die Topfavoritin rutsch-
DPA/HENDRIK SCHMIDT
te im ersten Durchgang des Riesen-
slaloms weg und schied aus. Der
Sieg ging an Sara Hector (Schwe-
den) vor Federica Brignone (Ita-
lien) und Lara Gut-Behrami aus der
Das PERFEKTE
Schweiz.
RODELN
gebnis mit Platz vier ab, verpasste Bron- Nach einem Sturz von Julia Taubitz
ze nur um eine Sekunde. „Erst habe ich liegt Natalie Geisenberger auf
mich kurz geärgert, weil es nur eine Se- Goldkurs. Die 34-Jährige führt nach
kunde zu Platz drei war, aber eigentlich zwei von vier Läufen mit vor Anna
Rennen
ist es wie Gold für mich“, sagte Voigt Berreiter aus Berchtesgaden. Tau-
nach dem Rennen. „Die Zeit nach der bitz hatte nach dem ersten Lauf ge-
Mixed-Staffel war hart für mich.“ Platz führt, ist nach einem Sturz aber
fünf sprang da nur heraus, auch durch chancenlos.
zwei Strafrunden von Voigt.
Biathletin Denise Herrmann gewinnt über Schlechter lief es dagegen für Fran-
ziska Preuß. Für die 27-Jährige, die zum MEDAILLEN
die 15 Kilometer sensationell Gold. Auftakt der Biathlon-Wettbewerbe am SPIEGEL
Für die 33-Jährige ist es ihre erste Einzelmedaille.
Samstag bei der Mixed-Staffel noch ge-
fehlt hatte, endete mit dem Einsatz im
Sie berichtet von einem harten Jahr
härtesten aller Rennen der Skijäger
allerdings auch eine schwere Zeit. Im NATION
Dezember hatte sich die Ex-Weltmei- 1. Schweden 3 0 0
sterin erst eine Fußverletzung bei 2. Russ. Ol. Komitee 2 3 2
glücklich“, jubelte die neue Olympiasie- Aktuell liegt die Weltmeisterin von einem Treppensturz zugezogen und 3. Niederlande 2 2 1
gerin im ZDF. Als feststand, dass sie 2019 gerade mal auf Rang 18 des Ge- sich Ende des Jahres auch noch mit dem 4. China 2 2 0
Gold gewonnen hatte, brach Herrmann samtweltcups. Bloß nicht in Panik gera- Coronavirus infiziert. 5. Deutschland 2 1 0
in Tränen aus. Später sagte sie: „Im Bi- ten, war da das Motto vor der Abreise zu Bei insgesamt vier Weltcups konnte 6. Norwegen 2 0 2
athlon kommt extrem viel mehr Kritik den Spielen gewesen. „Die Beziehung sie deswegen nicht antreten und hatte 7. Slowenien 2 0 1
als im Langlauf. Man übt ja auch Selbst- zwischen dem Stehendschießen und eine denkbar schlechte Vorbereitung 8. Italien 1 3 1
kritik. In Deutschland hat man aber mir ist nicht die leichteste“, sagte sie auf ihre dritten Winterspiele. Zuvor 9. Kanada 1 1 4
auch ein extremes Anspruchsdenken kurz vor den Spielen zu WELT. „Ich galt Preuß im deutschen Lager lange als 10. Japan 1 1 2
durch die vergangenen Jahre.“ weiß ja, dass ich es kann und Geduld ha- aussichtsreichste Medaillenkandidatin. 11. Australien 1 0 1
Die Frauen waren nach teils enorm ben muss. Mit Krampf wird es auch „Ich freue mich, jetzt wieder dabei zu Schweiz 1 0 1
schwachen Weltcups zuletzt hart kriti- nicht besser.“ Aber gerade das ist sein und mitmischen zu können“, hatte 13. Neuseeland 1 0 0
siert worden, weil sie mit der Spitze manchmal gar nicht so leicht umzuset- Preuß vor dem Rennen gesagt. Beson- 14. Frankreich 0 3 0
nicht mithalten konnten und pünktlich zen. Herrmann war aber überzeugt, ders die Corona-Infektion Ende De- USA 0 3 0
vor Olympia total außer Form schienen. „dass es in Peking aufgehen kann. Ich zember hatte der Gesamtweltcup-Drit- 16. Österreich 0 2 2
Auch Herrmann hatte in dieser Sai- bin sehr froh, dass ich den Sportarten- ten des vergangenen Winters schwer 17. Ungarn 0 0 2
son bisher mit ernsten Problemen am wechsel gemacht habe. Das Risiko war zugesetzt. „Einen Tiefpunkt“ nannte 18. Finnland 0 0 1
Schießstand zu kämpfen – besonders im es wert. Letztendlich ist es dieses Jahr sie die Tage, die sie isoliert zu Hause Polen 0 0 1
Stehen. Und nicht zum ersten Mal in ih- auch fast egal, was vor den Spielen ist – verbringen musste, während die Kon-
rer Zeit als Skijägerin. Seit ihrem Wech- wenn es dort dann funktioniert.“ Und kurrenz intensiv auf Olympia hinarbei-
sel vom Langlauf zum Biathlon im Jahr das tat es. Ziemlich gut sogar. Denn als tete. Auf dem Kurs in Zhangjiakou
2016 hatte sie so manches Mal gehadert, es darauf ankam, blieb Herrmann ner- schloss sie letztlich auf Rang 25 ab. Die
wie sie im Gespräch mit WELT verriet. venstark und fast fehlerfrei. vierte deutsche Starterin Vanessa Hinz WAS WICHTIG
„Natürlich verfluche ich die Waffe Von insgesamt 16 Schüssen zwischen landete auf Platz 14. WIRD
manchmal. Aber das ist Biathlon, das den fünf Runden über drei Kilometer Doch an diesem Abend richteten sich
wusste ich vorher“, sagt sie. „Mal him- setzte die Deutsche nur einen neben das ohnehin alle Augen auf Denise Herr-
melhochjauchzend, mal zu Tode be- Ziel. Am Ende lag sie 9,4 Sekunden vor mann. „Ich konnte in der Früh immer SNOWBOARD
trübt. Und dazwischen liegen nur Milli- der Französin Anais Chevalier-Bouchet in den Spiegel gucken und sagen, ich Im Parallel-Riesenslalom der Damen
meter. Das macht es aber auch so inter- und 15,3 Sekunden vor der Norwegerin habe alles dafür getan. Man muss dann kann sich Ramona Hofmeister aus
essant.“ Wirklich ernsthaft darüber Marte Olsbu Roieseland. auch wirklich mal loslassen. Das ist für Bischofswiesen berechtigte Hoff-
nachgedacht, doch zurück zum Lang- Vanessa Voigt, Herrmanns Teamkol- mich der größte Sieg heute. Der Sieg nungen auf die Goldmedaille ma-
lauf zu gehen, habe sie aber nie. legin, rundete das starke deutsche Er- über mich selbst.“ chen. Neben ihr gilt die Österreiche-
rin Melanie Hochreiter als Favoritin.
Das Finale startet um 8.39 Uhr.
BIATHLON
Die Herren gehen um 9.30 Uhr im
Einzel über 20 Kilometer an den
Start. Die Norweger, Tarjei Bö, Jo-
hannes Thingnes Bö, Sturla Holm
Laegreid dürften die Goldmedaille
sen Olympischen Spielen teilzuneh- Air-Wettbewerb der X Games in Norwe- Und er will etwas zurückgeben. Die unter sich ausmachen. Die deut-
men, war eine riesige Motivation für gen und im Februar 2020 bei den X Ga- Dokumentation „Life as a gold medal“ schen Starter sind Erik Lesser, Jo-
mich, den Krebs zu besiegen – Snow- mes in Aspen. Bei den Sport-Oscars, ist die Chronik seines Kampfes und kam hannes Kühn, Bendedikt Doll und
boarden ist mein Leben.“ Während der den Laureus Awards, wurde er später kürzlich heraus. „Es ist immer einfach, Roman Rees.
Chemotherapie habe er oft das Gefühl für sein Comeback ausgezeichnet. über positive Dinge zu sprechen, aber
gehabt, in einem Käfig zu liegen. Doch Die Krankheit und der Weg zurück wenn es darauf ankommt, über deine NORDISCHE KOMBINATION
die Behandlung wirkte. So schnell er ins Leben haben ihn verändert. „Als größte Angst zu reden, dass du in ein Im Einzelspringen von der Normal-
konnte, begann Parrot mit dem Trai- Mensch und als Sportler“, erzählt er: paar Monaten sterben könntest, ist es schanze und Langlauf über 10 Kilo-
ning – und das hieß erst einmal Wieder- „Man wird mental stärker. Es gibt viele verdammt schwer“, sagt er. Mit ge- meter ist ab 12 Uhr Vinzenz Geiger
aufbau von Muskeln, Energie, Ausdauer. Lektionen, die ich auf das Snowboarden mischten Gefühlen sehe er der Veröf- neben dem Norweger Joergen Graa-
Nichts war übrig. Das Unglaubliche: übertragen kann. Ich sehe das Leben an- fentlichung entgegen: „Der Welt mei- bak ein heißer Anwärter auf Gold.
Nur gut zwei Monate später, im Sep- ders, schätze die Dinge viel mehr, lächle nen Kampf und mein verletzliches
tember 2019, triumphierte er beim Big- doppelt so viel und packe weniger Selbst zu zeigen, als ich ganz unten war LANGLAUF
Druck auf meine Schultern.“ Mit dieser – das ist nicht leicht. Aber es ist ein Teil, Um 12.47 Uhr starten die Damen ihr
Einstellung gewann er seit seiner Gene- der zeigt, dass es möglich ist, für alles Sprintrennen im Freistil. Für
sung recht viel. Zuletzt Silber im Big Air im Leben zu kämpfen.“ Deutschland gehn mit Victoria Carl,
bei den X Games in Aspen, jener Diszip- Parrot will Mut machen. Er setzt sich Sofie Krehl, Pia Fink und Coletta
lin, in der er im vergangenen Winter deshalb als Sprecher der Leukämie- und Rydzek vier Läuferinnen an den
auch die Weltcupwertung für sich ent- Lymphkrebs-Gesellschaft Kanadas Start. Mit der Medaillenvergabe
scheiden konnte. Auch das Testevent (LLSC) ein und beschloss: Der Doku- dürften sie nichts zu tun haben. An-
auf der olympischen Big-Air-Schanze mentarfilm ist auf seiner Website max- schließend sind die Männer dran.
gewann er. Aber selbst, wenn es am 15. parrot.com gegen eine Spende anzuse-
RODELN
AFP/ MARCO BERTORELLO
Februar nicht mit einer weiteren Me- hen, die der LLSC zugutekommt: „Bei
daille klappen sollte – Parrot hat schon dem Krebs, den ich hatte, gab es 1960 ei- Nach dem Sturz von Julia Taubitz
Max Parrot gewonnen: „Ich bin einfach dankbar da- ne zehnprozentige Überlebenschance. geht Natalie Geisenberger als Gold-
gewinnt in Peking für, jeden Tag leben zu dürfen. Vor dem Heute ist sie viel höher. Deshalb ma- favoritin in die beiden abschließen-
die Goldmedaille Krebs habe ich mein Leben als selbst- chen Spenden für die Krebsforschung den Durchgänge. Der entscheidende
verständlich betrachtet.“ einen so großen Unterschied.“ mel vierte Lauf startet um 14.35 Uhr.
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14 FEUILLETON DIE WELT DIENSTAG, 8. FEBRUAR 2022

K
ein Ende erreichen die
Kommentare und Reaktio-
nen der deutschen Medien
zum Missbrauchs-Skandal
in der katholischen Kirche.
Dabei gibt es bemerkenswert Neues ei-
gentlich kaum zu besprechen. Offenbar
kommen mit dem langen Atem der Be-
richterstattung ebenso heftige wie
schwer greifbare Irritationen der sich
selbst für kohärent vernünftig und al-
ternativlos säkular haltenden Öffent-
lichkeit zum Ausdruck.
Doch auch höchste Vertreter der Kir-
che stimmen in die allgemeine „Insol-
venz-Rhetorik“ ein, wenn sie – wie
jüngst die Erzbischöfe von München
und Mainz – von einem „toten Punkt“
oder einer „heillosen Überforderung“
ihrer Institution reden. Die Urteile fie-
len gewiss weniger vernichtend – und
als Selbstgeißelung: weniger verzweifelt
– aus, wenn man die jüngsten Maßnah-
men der katholischen Kirche vor allem
in Deutschland mit den sonst üblichen
säkularen Maßstäben analysierte. Sie
führten zu einem immer noch strengen,
aber weniger aufgeregten Bild.
Lüge („er habe an der entscheidenden
Verwaltungssitzung nicht teilgenom-
men“) und später, umrahmt von „Be-
dauern“, mit der konventionellsten
aller Ausreden („Fehler bei der Über-
mittlung einer Antwort“) entziehen zu
können, mag sein persönliches Ansehen
für immer zerstört haben. Doch nach
säkularen Kriterien wären ähnliche Ver-
gehen seitens eines ehemaligen Unter-
nehmensleiters, einschließlich des pein-
lichen Unwillens, Verantwortung zu
tragen, nicht mehr als eine einmalige
Erwähnung wert.
Warum aber fällt es der Öffentlichkeit
so schwer, sich von jener Konzentration
auf den Katholizismus zu lösen? Darin
mag ein Widerspruch gegenüber den für
sie verbindlichen säkularen Werten zu-
tage treten und mithin die Notwendig-
keit, jene Fragen explizit zu machen, um
die es in einem fortgesetzten Gespräch
gehen sollte. Die professionellen Vertre-
ter der Öffentlichkeit – aber auch eine
Mehrzahl „engagierter“ Katholiken –
stoßen sich wohl am nicht-säkularen
Selbstverständnis der Kirche.
Zu diskutieren wären also – mit den

Ganz schön WELTFREMD

Nach Jahrhunderten aktiver Verdunk- Vertretern der Institution – erstens
GETTY IMAGES/ CARSTEN KOALL

lung und halbherzig „gut gemeinter“ Lö-
sungsversuche erkennt ein „Unterneh-
men“, wie die Kirche derzeit gerne, wenn
auch unangemessen genannt wird, dass
es sich einen schonungslos offenen Blick
auf den Habitus kriminellen Sexual-Ver-
haltens zumuten muss, welcher aufgrund
der Enthaltsamkeitsverschreibung des
„Zölibats“ als typisch für seine Vertreter
gilt. Die Erzdiözese München hat deshalb
bei der angesehenen Kanzlei Westphal/
Spilker/Wastl ein Gutachten in Auftrag
gegeben und dessen – die schlimmsten
Erwartungen bestätigenden – Befunde
ohne Vorbehalt zugänglich gemacht. Auf
diesen endlich vollzogenen richtigen
Schritt haben nun Entschlüsse zur Un-
terstützung und Entschädigung der noch
lebenden Opfer zu folgen (wobei die
Hilflosigkeit solcher Begriffe nur belegt,
wie unaufhebbar die Schuld ist).
Dass nach den Detailergebnissen des
Gutachtens ausgerechnet der emeritier-
te Papst Benedikt XVI. und ehemalige
Kardinal-Erzbischof Joseph Ratzinger
die Rückkehr eines wegen pädophiler
Vergehen bekannten Priesters in die pa-
storale Praxis aufzuhalten versäumt
hat, musste die schärfsten Kritiker der
Kirche in ihrer Einschätzung bestätigen
und Ratzingers Anhänger zutiefst ent-
täuschen. Dass Ratzinger glaubte, sich
der potenziellen Anklage von Mittäter-
schaft mit einer leicht aufzudeckenden
Möglichkeiten wie denkbare Ziele einer
Reform und zweitens, gesamtgesell-
schaftlich gesehen, die Grenzen von To-
leranz gegenüber einer nicht-säkularen
Präsenz innerhalb der säkularen Gegen-
wart. Individuell hat eine wachsende
Zahl ehemaliger Katholiken beide Fra-
gen für sich mit Kirchenaustritten be-
antwortet, an die (Stichwort „Kirchen-
steuer“) erhebliche finanzielle Konse-
quenzen gebunden sind.
Eine öffentliche Debatte jedoch, die
mehr als nur hämisch sein will, müsste
sich zunächst die Dimensionen des
überlieferten und nicht aufgegebenen
Selbstanspruchs des Katholizismus ver-
gegenwärtigen. Nicht zu seiner Verteidi-
gung, sondern um eine ernsthafte Aus-
einandersetzung vorzubereiten. Als aus-
schlaggebend erweist sich dabei der im
Gegensatz zu anderen christlichen Kon-
fessionen und in einer Interpretation
des Neuen Testaments durchgehaltene
Anspruch der Kirche, Stellvertreterin
Gottes auf Erden zu sein – und nicht
bloß eine Gemeinschaft, die moralische
Normen sichtbar verkörpert.
Statt die Auslegung dieser Selbstrefe-
renz nachzuvollziehen, muss man sich
auf ihre Verdichtung im Begriff der „Un-
fehlbarkeit“ und auf dessen Auswirkun-
gen für die Praxis der Kirche konzentrie-
ren. Strikt logisch gesehen, ist das Be-
stehen auf Unfehlbarkeit im Zusammen-
hang mit der Rolle als Stellvertreterin auch angesichts scheinbar zwingender ich solle ihn wissen lassen, „wenn der Gebete statt effizienter Finanz- wie
Gottes gar nicht zu vermeiden. Offiziell Argumente aus der Gegenwart niemand Priester mich anfasse“. Glücklicherwei- Therapie-Hilfe für die Opfer – unser er-
wurde sie erstaunlich spät im Jahr 1870 setzen. Ebenso exzentrisch erscheint die se kam es zu keinem Anlass, der mir die ster Blick aus der säkularen Gegenwart
festgeschrieben. Und selbst innerhalb Existenz der katholischen Religionsge- Bedeutung des damals unverständlichen auf das Selbstverständnis und die Pasto-
der katholischen Theologie divergieren meinschaft als Staat, wie sie die italieni- Satzes enthüllt hätte. Doch in der Erin- ralpraxis der katholischen Kirche
die Meinungen darüber, welche Glau- sche Regierung unter Mussolini 1929 nerung deuten seine Worte an, dass pä- scheint allein die Notwendigkeit einer
bensverkündigungen im Einzelnen als aushandelte und die deutsche Regierung dophile Übergriffe schon damals vorka- Reform nahezulegen. Immerhin besteht
unfehlbar gelten können. nach 1933 zum Abschluss von auf Dauer men und mit Vertuschung rechnen durf- Anlass zu der Hoffnung, dass Vertreter
Zugleich hat sich die Kirche aber bis gestellten Verträgen nutzte. Auch in ten. Einen komplementären Eindruck der deutschen Hierarchie den spät ein-
heute von der Unfehlbarkeit als einem einer akuten Krisensituation wie im Mo- von Weltfremdheit ruft der Bericht über geschlagenen Weg zur Unterbindung
ihre besondere Autorität begründenden ment verpflichtet diese Staatlichkeit Bi- das Pontifikat Benedikts XVI. hervor, der Pädophilie-Tradition fortsetzen
Begriff nicht distanziert. Daraus ist ein schöfe, ihr Verhalten mit dem Vatikan zu mit dem der Vatikan den ehemaligen werden. Ihre Rede von der „heillosen
Widerstand gegen alle Tendenzen des koordinieren und auf Interessen der Papst derzeit zu verteidigen sucht. Er Überforderung“, bei denen ihre Institu-
historischen Relativierens und der Mo- Weltkirche abzustellen, was immer wie- habe bei seinen Reisen immer wieder tion angekommen sei, macht allerdings
dernisierung erwachsen, die dann wäh- der Empörung auslöst. Ebenfalls gekop- Opfer sexuellen Missbrauchs empfan- deutlich, dass sie die Chancen auf wei-
rend des zweiten vatikanischen Konzils pelt an den schwer zu definierenden wie gen und sich mit ihnen im Gebet verei- tergehende Erneuerungen in Richtung
vor sechzig Jahren unter dem Pro- global fortbestehenden Einfluss des Va- nigt. Doch selbst zu unterstellen, dass auf eine Demokratisierung der Kirche,
gramm-Wort „aggiornamento“ („Annä- tikanstaats hat die Wandlungsresistenz Joseph Ratzinger solche Begegnungen wie sie sich auch die Gläubigen erhoffen,
herung ans Heute“) in eine flexible Zu- der Kirche allzu lange eine Überzeugung für die beste ihm und der Kirche zur pessimistisch einschätzen.
rückhaltung gegenüber Beschlüssen und vom Funktionieren informeller Vertrau- Verfügung stehende Geste der Zuwen- Doch muss man die Diagnose einer
Akten der Veränderung überging. lichkeit erhalten, deren Akzeptanz in un- dung ansieht, rettet sein und das Anse- harten Reform-Grenze des Katholizis-
Hinsichtlich der Glaubensinhalte je- serer Gegenwart längst kollabiert ist. hen seiner Institution nicht mehr. mus tatsächlich als ihren „toten Punkt“
doch ist der Katholizismus wandlungsre- Als ich 1956 mit sieben Jahren am Mi- Unfehlbarkeit, Staatlichkeit der reli- identifizieren? Vor Jahrzehnten unter
sistent geblieben. Auf eine Verabschie- nistranten-Unterricht teilnahm, sagte giösen Gemeinschaft, eingespielte Ver- deutschem Kirchensteuer-Druck aus
dung vom Zölibat etwa sollte deshalb mein Vater ohne sichtbare Aufregung, fahren von Missbrauchstoleranz und der Kirche ausgetreten, halte ich dafür,

DIENSTAG
ARD ARD
 9.03 ¥ g Olympische Winter-
spiele Peking 2022 Ski alpin:
Super-G Herren / ca. 09.15 Bi-
athlon: 20 km Herren / ca. 11.30
Langlauf: Sprint Damen und
Herren, Finale / ca. 13.15 Eis-
schnelllauf: 1500 m Herren / ca.
13.35 Rodeln: Damen, 3. Lauf;
ca. 14.30 4. Lauf / ca. 15.30 Hö-
hepunkte des 4. Olympiatages
u. a. Rodeln: Damen / Ski alpin:
Super-G Herren / ca. 16.15 Eis-
hockey: Vorrunde Damen,
Russland – Finnland
17.00 ¥ g Tagesschau
17.15 ¥ Brisant Magazin
18.00 ¥ g Wer weiß denn sowas?
18.50 ¥ g WaPo Duisburg
19.45 ¥ g Sportschau
19.55 ¥ g Börse vor acht
20.00 ¥ g Tagesschau
20.15 ¥ g Die Heiland – Wir sind
Anwalt Anwalts-Serie
Schikane einer alten Dame
Mit Christina Athenstädt Tilly
21.00 ¥ g In aller Freundschaft
Arzt-Serie. Andere Pläne
21.45 ¥ g Report München
Magazin. Der Izmir Clan
Beutezug durch Deutschland
22.15 ¥ Tagesthemen
23.00 ¥ g Das Begräbnis Jacky &
Kevin – Die Enkelkinder
23.45 ¥ g Die Nachricht vom Tod
 0.15 ¥ g Nachtmagazin
 0.35 ¥ g Die Heiland (Wh.)
PHOENIX
13.15 phoenix plus 14.00 vor ort 14.05
phoenix plus 14.45 phoenix plus 15.15
unter den linden 16.00 Dokumentation
16.45 Dokumentation 17.30 der tag
18.00 Aktuelle Reportage 18.30 Die
Spanische Armada (Wh.) 19.15 Die
Spanische Armada (Wh.) 20.00 ¥ Ta-
gesschau 20.15 Die Spanische Armada
21.00 Kampf um die Freiheit – Der
amerikanische Bürgerkrieg 21.45 ¥
heute-journal 22.15 ¥ phoenix runde
23.00 phoenix der tag 0.00 ¥ phoenix
runde 0.45 Die Spanische Armada
STREAMING-TIPP
Süße Magnolien (Dramaserie) Die
Wohlfühlserie nach der aus 11 Büchern
bestehenden Bestseller-Reihe von Sher-
ryl Woods dreht sich um die Freundinnen
Dana (Brooke Elliott), Helen (Heather
Headley) und Maddie (Joanna Garcia
Swisher), die in der kleinen Südstaaten-
stadt Serenity leben, wo jeder jeden
kennt. Staffel zwei werde „alle Fragen
beantworten, die die Zuschauer zum Au-
tounfall, zu Maddie und Coach Cal und
allem anderen haben”, verspricht Show-
runnerin Sheryl Anderson. Netflix
ZDF
5.30 ¥ g ZDF-MoMa 9.00 heute
Xpress 9.05 ¥ g Volle Kanne – Service
täglich 10.30 ¥ g Notruf Hafenkante
11.15 ¥ g SOKO Wismar Millionener-
be 12.00 heute 12.10 g drehscheibe
13.00 ¥ ARD-Mittagsmagazin
14.00 g heute – in Deutschland
14.15 ¥ g Stadt, Land, Lecker
15.00 ¥ g heute Xpress
15.05 ¥ g Bares für Rares
16.00 ¥ g heute – in Europa
16.10 ¥ Die Rosenheim-Cops
17.00 ¥ g heute
17.10 ¥ g hallo deutschland
17.45 ¥ g Leute heute Magazin
18.00 ¥ g SOKO Köln
Krimi-Serie. Elternabend
19.00 ¥ g heute / Wetter
19.25 ¥ g Die Rosenheim-Cops
Stadler allein zu Haus
20.15 ¥ g Die Tricks der Lebens-
mittelindustrie Reportagerei-
he. Milka, Oreo, Philadelphia
Moderation: Sebastian Lege
21.00 ¥ g frontal Magazin
Moderation: Ilka Brecht
21.45 ¥ g heute-journal
mit Olympischen Winterspie-
len Peking 2022 und Wetter
22.30 ¥ g Nicht vergessen, nie
vergeben Dokumentation
23.00 ¥ g Leschs Kosmos Magazin
23.30 ¥ g Markus Lanz Talkshow
 0.45 g heute journal update
 1.00 ¥ g Venom Sci-Fi-Film (USA/
CHN 2018) Mit Tom Hardy
EUROSPORT 1 / SPORT 1
Eurosport: 18.15 Olympische Winter-
spiele (Wh.) 20.00 Olympia News (Wh.)
20.15 Olympic Hockey Night 21.45
Hambüchen & Friends – Die Olympia-
Show (Wh.) 22.45 Olympia News (Wh.)
23.00 Olympische Winterspiele Peking
2022 0.00 Hambüchen & Friends  Sandmann 19.00 ¥ g MDR Regional
Sport1: 15.30 Normal 16.00 Storage
Wars 16.30 Die Drei vom Pfandhaus
17.25 Fußball: FIFA-Klub-Weltmeister-
schaft 19.30 News 20.00 Volleyball:
Bundesliga der Damen 22.00 Scooore!
22.45 Die Drei vom Pfandhaus (Wh.)
NDR
16.10 ¥ g Rentnercops 17.00 NDR In-
fo 17.10 ¥ Leopard, Seebär & Co. 18.00
Ländermagazine 18.15 Die Nordrepor-
tage 18.45 ¥ DAS! 19.30 Ländermagazi-
ne 20.00 ¥ Tagess. 20.15 ¥ g Visite
Magazin 21.15 ¥ g Panorama 3 21.45
¥ NDR Info 22.00 ¥ g Polizeiruf 110:
Verdammte Sehnsucht TV-Krimi (D
2008) 23.30 ¥ g Weltbilder 0.00 ¥ g
Kleine Germanen – Eine Kindheit in
der rechten Szene Dokumentarfilm (D
2019) 1.25 Bauern, Bonzen und Bom-
ben: Alle gegen alle Drama (D 1973)
SAT.1 RTL 3SAT ARTE PRO SIEBEN KABEL 1
5.30 g Sat.1-Frühstücksfernsehen 5.15 g Mordfälle USA – Täterinnen 12.15 ¥ g Servicezeit 12.45 g Erleb- 12.15 g Re: 12.50 Arte Journal 13.00 5.05 g Galileo 5.55 g The Middle 6.15 5.00 ¥ g Blue Bloods – Crime Scene
Magazin. Gast: Charlotte Karlinder, Sa- auf der Spur 6.00 g Guten Morgen nisreisen Reportagereihe 13.00 ¥ g g Stadt Land Kunst 13.45 g „Stadt g The Middle 6.40 ¥ g Two and a New York 5.45 g Navy CIS: New Orle-
scha Zöller, Rolf Schmiel 10.00 g Let Deutschland 8.30 GZSZ 9.00 g Unter Traumgärten auf La Réunion 13.20 g Land Kunst“-Inspirationen Half Men 7.10 ¥ g Two and a Half ans 6.30 ¥ g The Mentalist 7.20 ¥ g
the music play – Das Hit Quiz 11.00 g uns Soap 9.30 Alles was zählt 10.00 g Wildes Pantanal – Am letzten Wasser- 14.20 g Krabat Fantasyfilm (D/GB/ Men 7.35 ¥ g The Big Bang Theory Elementary 8.20 g Scorpion 9.15 ¥ g
Rolling – Das Quiz mit der Münze 12.00 Der Blaulicht-Report 11.00 g Die Re- loch (1/2) Dokumentationsreihe RUM 2008) Mit David Kross 8.00 ¥ g The Big Bang Theory 8.25 ¥ Navy CIS Krimi-Serie. Die Zeugin 10.15
g Klinik am Südring Doku-Soap 13.00 tourenprofis Show 12.00 g Punkt 12 14.05 g Wildes Pantanal – Jaguar- 16.55 g USA – Noch immer Cow- g The Big Bang Theory 8.50 g Man g Navy CIS: New Orleans 11.10 g
g Auf Streife – Berlin Doku-Soap 15.00 g Echt jetzt?! – Land Dokumentationsreihe boys Dokumentation with a Plan 9.15 ¥ Scrubs – Die Anfän- Scorpion 12.05 ¥ g Castle Krimi-Serie.
14.00 g Auf Streife Doku-Soap mit Ilka Bessin Show 14.50 g Magische Anden 17.50 g Sibiriens wilde Jahreszei- ger 9.45 ¥ Scrubs – Die Anfänger 11.35 Code 44 / Man stirbt nur dreimal 13.55 ¥
15.00 g Auf Streife – 15.45 g Die Retourenprofis Dokumentationsreihe ten Dokumentation ¥ g Brooklyn Nine-Nine 13.50 ¥ g g Elementary Injektion für die Ewigkeit
Die Spezialisten Doku-Soap Show. Mini-Mystery-Boxen Ecuador und Kolumbien / Boli- 18.35 g Sumpfland Taiga – Das Two and a Half Men Sitcom 14.55 ¥ g The Mentalist
16.00 g Klinik am Südring jetzt auch für Kunden vien / Argentinien und Chile – Berezinsky-Biosphärenreser- 14.40 g The Middle Sitcom Krimi-Serie. Peppers Geist
17.00 g Die Gemeinschaftspraxis 16.45 g RTL Aktuell Der Norden / Argentinien und vat Dokumentation 15.35 ¥ g The Big Bang Theory 15.50 g News
18.00 ¥ g K11 – Die neuen Fälle 17.00 g Explosiv Stories Magazin Chile – Der Süden / Peru 19.20 Arte Journal Sitcom. Howards Phasen / Ter- 16.00 ¥ g Navy CIS Krimi-Serie
Doku-Soap. Es war Mord! / 17.30 g Unter uns Soap 18.30 g nano Magazin 19.40 g Re: Reportagereihe ror in der Stadt der Rosen / Männer und Frauen
Fatale Unschuld 18.00 g Explosiv – Das Magazin 19.00 ¥ g heute Spaltung in Bosnien – Gemein- Fast wie Einstein 16.55 g Abenteuer Leben täglich
19.00 g Let the music play – 18.30 g Exclusiv Magazin 19.20 g Kulturzeit Magazin sam gegen Populisten 17.00 g taff Magazin Magazin. Pimp my sleep –
Das Hit Quiz Show 18.45 g RTL Aktuell 20.00 ¥ g Tagesschau 20.15 g China: Das Drama der 18.00 Newstime Top X Schlafgadgets
Sabrina, Vera, Thomas 19.05 Alles was zählt Soap 20.15 ¥ õ g Harter Brocken: Der Uiguren Dokumentation 18.10 ¥ g Die Simpsons 17.55 g Mein Lokal, Dein Lokal –
Moderation: Amiaz Habtu 19.40 Gute Zeiten, schlechte Bankraub Kriminalfilm (D 22.00 Gespräch mit Antoine 19.05 g Galileo Magazin Der Profi kommt Reportage-
19.55 g Sat.1 Nachrichten Zeiten Soap 2017) Mit Aljoscha Stadelmann Bondaz (1/2)Gespräch 33 Jahre unschuldig im Knast reihe. „L’Onore“, Reutlingen
20.15 ¥ g Navy CIS Versteckte 20.15 g Undercover Boss 21.45 g kinokino Magazin 22.10 g Chinas neue Cybermacht 20.15 g Wer stiehlt mir die Show? 20.15 g Meine Frau, unsere Kin-
Talente. Navy Admiral Henry Doku-Soap. Badischer 22.00 ¥ g ZIB 2 Dokumentation. Es wird ge- Kandidaten: Anke Engelke, Mark der und ich Komödie (USA
Davis wird in seinem Büro tot Winzerkeller. André Weltz 22.25 g makro Magazin zeigt, wie China eine Cyber- Forster, Riccardo Simonetti. 2010) Mit Robert De Niro, Ben
aufgefunden. Der Ausbilder, vom Badischen Winzerkeller 22.55 g Tierärztin 24/7 Dokureihe macht aufgebaut hat. Show-Erfinder Joko Winter- Stiller, Owen Wilson. Regie: Paul
war allseits beliebt, und so arbeitet undercover u.a. bei  0.15 g Reporter Reportage- 23.40 Gespräch mit Antoine Bon- scheidt sucht neue Weitz. Greg kommt gut mit dem
hat das NCIS-Team zunächst der Weinlese, Weinproduktion, reihe. Höhenangst – Meine daz (2/2)Gespräch Herausforder:innen, die antre- Vater seiner Frau aus, bis dieser
keine Verdächtigen. in der Gastronomie. Angst vor dem tiefen Fall 23.50 g 1648 – Der lange Weg ten, um ihm seinen Job als vermutet, dass sein Schwieger-
21.15 ¥ g Navy CIS: L.A. 22.15 g RTL Direkt  0.50 g 10vor10 zum Frieden Wie der Dreißig- Quizmaster zu stehlen. Der sohn eine Affäre habe.
Krimi-Serie. Alte Freundinnen 22.35 g Undercover Boss Doku-  1.20 ¥ g Hart aber fair jährige Krieg beendet wurde. oder die Sieger:in gewinnt den 22.20 ¥ g Shanghai Knights Ac-
22.15 g Bull Krimi-Serie. Eine Frau Soap. Vedes AG. Undercover  2.35 g Magische Anden (Wh.) Dokumentarfilm (D 2018) außergewöhnlichsten Preis in tionkomödie (USA/HK 2003)
mit Prinzipien / Fahrerflucht im Einsatz ist Achim Weniger der Geschichte aller Quizshows. Mit Jackie Chan, Owen Wilson
 0.05 g SEAL Team Action-Serie  0.30 g RTL Nachtjournal 23.25 g Balls – für Geld mache  0.40 ¥ g Jackie Chan: Chinese
Konkurrenzkampf  1.00 g Das Wetter  1.50 g Carrier Strike Group 8 ich alles Show Zodiac Actionfilm (HK/CHN
 0.55 ¥ g Navy CIS Krimi-Serie  1.05 g Wohnungsnot in Dokumentationsreihe. 7000  0.25 g TV total Show 2012) Mit Jackie Chan, Oliver
Versteckte Talente (Wh.) Deutschland Dokureihe  6.00 g Die Welt am Morgen Soldaten auf hoher See /  1.30 g Spätnachrichten Platt. Regie: Jackie Chan
 1.40 ¥ g Navy CIS: L.A. (Wh.)  1.55 g CSI: Miami Krimi-Serie  9.00 g WELT-Newsroom Angriff auf dem Atlantik  1.35 g Wer stiehlt mir die Show?  2.30 g Kabel Eins Late News
12.00 g Die Welt am Mittag  3.10 g Waffenkammer der
14.00 g WELT-Newsroom Bundeswehr Dokumentation
MDR RBB 17.00 g Die Welt am Abend  3.55 Hubschrauber der Bundes- VOX BILD
20.05 g Carrier Strike Group 8 wehr – Technik und Einsatz
12.30 ¥ g Die Gipfelstürmerin Komö- 13.40 ¥ g Fuchs und Gans 14.30 ¥ g Dokumentationsreihe. 7000 5.00 g CSI: NY 5.45 g CSI: NY 6.30 g 5.20 g Lost Ships 9.00 g Bild Live
die (D 2007) 14.00 ¥ MDR um zwei Für immer im Herzen Drama (D 2004) Soldaten auf hoher See / CSI: NY 7.20 g CSI: Vegas 9.10 g CSI: Nachrichten, Hintergrundberichte und
15.15 ¥ Gefragt – Gejagt 16.00 ¥ g 16.00 rbb24 16.10 In aller Fr. – Die jun- Angriff auf dem Atlantik Miami 10.05 g CSI: Miami Der Augen- Gespräche zu den wichtigsten Ereignis-
MDR um vier 16.30 ¥ g MDR um vier gen Ärzte 17.00 rbb24 17.05 Gefragt – 22.05 g Waffenkammer der zeuge / Paparazzi 11.55 nachrichten sen der letzten Tage. Dabei geht es dem
17.00 MDR um vier 17.45 ¥ aktuell Gejagt 17.53 Sandmann 18.00 rbb24 Bundeswehr 12.00 g Shopping Queen 13.00 g Sender vor allem darum, auch kompli-
18.05 ¥ Wetter 18.10 ¥ Brisant 18.54 18.15 g schön + gut 18.45 g STUDIO 23.05 g Hubschrauber der Zwischen Tüll und Tränen Doku-Soap zierte Vorgänge verständlich zu machen
3 – Live aus Babelsberg 19.30 g Bundeswehr – Technik und 14.00 g Mein Kind, dein Kind und trotzdem zu unterhalten.
19.30 ¥ aktuell 19.50 ¥ Einfach genial Abendschau 20.00 ¥ g Tagesschau Einsatz Dokumentation 15.00 g Shopping Queen 14.00 g Footprints Dokumentati-
20.15 ¥ g Umschau Magazin 21.00 ¥ 20.15 ¥ g Baustart am Alex 21.00 ¥  0.05 g Die deutsche Marine – 23.05 Dank ihrer Flexibilität spielen Doku-Soap. Motto in onsreihe. Europas größtes Ge-
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 DIE WELT DIENSTAG, 8. FEBRUAR 2022
Spirituelle Kraft: der
emeritierte Papst
dass gerade von dieser Stelle der Debat-
te unser Blick auf einen möglichen neu-
en Status in der säkularen Gegenwart
fallen kann, während Demokratisierung
Benedikt XVI. und Säkularisierung wohl tatsächlich
auf das viel beschworene Insolvenz-Ver-
fahren hinausliefen.
Dabei setze ich voraus, dass sich un-
sere Gegenwart interne Komplexität
und Differenzierung leisten kann und
leisten sollte, um einer Verhärtung und
Austrocknung in ihrem eigenen Gestus
von Rationalität entgegenzusteuern.
Gerade die Grenze, gerade der ver-
meintlich „tote Punkt“ der Kirche wür-
den dann in ein Potenzial interner Bele-
bung für die säkulare Gesellschaft um-
schlagen. Durch seinen betont langsa-
men Rhythmus in den institutionellen
und durch seine Resistenz gegenüber
theologischen Veränderungen hat der
Katholizismus Formen von individueller
und kollektiver Existenz bewahrt, die
ohne ihn für uns erloschen wären. Ein
Besuch im Vatikanstaat zeigt, wie die
Exzentrizität der Kirche selbst die In-
tensität der in ihren Museen ausgestell-
ten Kunstwerke überbietet.
Vor allem aber kann der Anspruch
der Kirche, Stellvertreterin Gottes auf
Erden zu sein, zu der Einsicht verhel-
fen, dass die sogenannte „Immanenz“
unserer säkularen Welt, das heißt: ihre
konsequente Beschränkung auf das im
menschlichen Alltag Plausible und Ver-
nünftige, nur eine von vielen lebbaren
Versionen unserer Existenz ist. Daraus
folgt nicht notwendig eine Konversion
Missbrauch, zum Glauben an Sphären, die dem
menschlichen Alltag übergeordnet
Täterschutz, sind. Vielmehr geht es um ein Durch-
Zölibat: Man scheint
brechen der Immanenz als Beschrän-
kung unserer Imagination. So gesehen
sich darin einig zu
läge der tote Punkt des Katholizismus
und langfristig gesehen auch der tote
sein, dass der Punkt säkularer Kultur in der Überre-
aktion einer gnadenlos modernisieren-
Katholizismus den Reform. Ganz abgesehen davon,
unzeitgemäß ist.
dass den Opfern der Missbrauchstradi-
tion mit einer Zerstörung der Kirche in
Dabei zeigt sich
ihrer Exzentrizität ja keinesfalls gehol-
fen wäre. Eher sollten wir uns wün-
gerade jetzt, wofür
schen, dass aus ihrer unumkehrbaren
Schuld ein Impuls zur Wiederbelebung
wir ihn brauchen. spiritueller Kraft werden kann.
Von Hans Ulrich T Hans Ulrich Gumbrecht, 1948 im
katholischen Würzburg geboren, ist
Gumbrecht
Albert Guérard Professor in Literature
Emeritus an der Stanford University
und Professor of Romance Literatures
an der Hebrew University, Jerusalem
(2020-2023).
VON STEFAN HEINE
RÄTSEL UND SUDOKU
FEUILLETON 15
Es gibt wieder Tote auf dem Nil
F
Zum zweiten Mal klebt sich Kenneth Branagh den Schnurrbart von Hercule Poirot an. Es ist purer
Dreißigerjahre-Eskapismus. Und doch entkommt die Christie-Neuverfilmung aktuellen Debatten nicht
ür ihren Hercule Poirot hat Nun also – „ändere nie ein erfolgrei- heutigen Zeit. Er präsentiert aber auch worden sind, um Verdacht zu erregen.
sich Agatha Christie einige ches Rezept“ (danach lebt die Filmin- jenen, der die Sicherheit wieder herstel- Zum anderen ist offenbar kein Film
der verblüffendsten Plots dustrie seit 100 Jahren) – das gleiche len wird, den Detektiv, der aus den vor- mehr vor solchen Kontroversen gefeit.
der Krimigeschichte einfal- wieder: Branagh als Schnurrbartzwirb- gespiegelten Tatsachen reale macht. So hat Kuweit, der beinharte Anti-Isra-
len lassen. In „Alibi“ wird ler (und Regisseur), diesmal eingerahmt Wir alle hätten gern einen Hercule Poi- el-Staat am Golf, die Aufführung von
die Geschichte aus der Sicht von Poirots von Stars wie Annette Bening, Gal Ga- rot, der uns aus der Flut von „fake facts“ „Tod auf dem Nil“ verboten, weil die Is-
Assistenten geschildert – und am dot und Armie Hammer. Die Produzen- herausführt. „Tod auf dem Nil“ ist so raelin Gal Gadot (berühmt seit „Won-
Schluss entpuppt sich der Ich-Erzähler ten sind dieselben, Komponist, Caster, ein höchst beruhigender Film, ganz zu der Woman“) das erste Mordopfer
als Mörder. In „Mord im Orient-Ex- Szenenbildner, alle gleich. Vor allem ist schweigen von dem Hauch von Luxus, spielt. Das ist der übliche – von Blog-
press“ wird ein Passagier mit zwölf Branaghs Leibkameramann zurück, der den wir uns nicht mehr leisten können; gern eingeforderte – anti-israelische Re-
Messerstichen getötet – und am Ende Zyprer Haris Zambarloukos, und wenn wer soll die Wasserhähne so blank po- flex, den man wohl nicht groß beachten
stellt sich die Tat als Kollektivmord von man heute bei einem Kameramann lieren und die Edelholzplanken so glän- muss, solange die anderen arabischen
zwölf Mitreisenden heraus. In „Tod auf schwärmt, er male mit Licht, dann ist es zend schrubben? Staaten sich ihm nicht anschließen.
dem Nil“ wird eine frischverheiratete Zambarloukos, der schon die gleißende Es ist also – abgesehen von den Lei- Weitreichender ist schon der Fall Ar-
Ehefrau auf einem Nildampfer ermor- Sonne in „Mamma Mia“ zauberte. chen, deren Anzahl der neue Film von mie Hammer. Von Hammer, gutausse-
det, aber der Hauptverdächtige kann es Hier ist der Maler wieder am Werk, drei auf fünf erhöht hat – alles in Ord- hend, begabt und die ganzen Zehnerjah-
nicht gewesen sein, weil er zur fragli- und er setzt den weißen Dampfer auf nung auf der SS Karnak. Die Neuverfil- re auf dem Sprung zum Star, wurden an-
chen Zeit mit einem Beinschuss bewe- dem blauen Band des Nil zwischen den mung hat ein paar dunkle Gesichter gebliche Chats auf Instagram bekannt.
gungsunfähig in seiner Kabine lag. Her- kurz begrünten und dann gelb bewüste- hinzugefügt, ein paar rassistische Un- Er soll durch Vergewaltigungs-Fant-
cule Poirot weist nun nach… ten Ufern malerisch in Szene, und seine tertöne getilgt und wähnte sich so auf asien und Kannibalismus-Fetische ge-
Sonnenuntergänge sind so traumhaft, der politisch korrekten Seite. prägte Affären unterhalten haben, nicht
VON HANNS-GEORG RODEK dass man auf der Stelle eine Kreuzfahrt Doch dessen sollte man sich heute immer einvernehmlich. Die Vorwürfe
buchen möchte, aber man bezwingt nie so sicher sein. Zum einen ist Agatha bleiben ungeklärt, doch Hammer verlor
Ach, jetzt hätten wir beinahe den Tä- sich, weil das Handy im Kino aus zu Christie schon lange Kandidatin für ei- Rollen und seinen Agenten.
ter verraten! Die Frage ist, ob das so bleiben hat. Zambarloukos lässt seine nen Korrektheitssturm. In einem frü- „Tod auf dem Nil“ war abgefilmt, und
schlimm gewesen wäre. Kaum ein Poi- Kamera an den Außenwänden des hen Roman, „Die Memoiren des Gra- am liebsten hätten die Produzenten ihn
rot-Fan, der den Roman nicht kennt. Dampfers entlanggleiten, der fast rund- fen“, zeichnet sie das stereotyp antise- entfernt, doch das war nicht so einfach
Kaum ein Fan, der die erste Verfilmung um verglast ist, und fängt Spiegelungen mitische Porträt eines jüdischen Finan- wie damals bei Kevin Spacey in „Alles
mit Peter Ustinov nicht gesehen hätte. und Dopplungen ein, nichts ist eindeu- ziers, es wimmelt bei ihr von vollbärti- Geld der Welt“, dessen mittelgroße Rol-
Und den Fernsehfilm mit David Suchet.
Weshalb also musste dieses Dutzend
tig, und jeder hat noch ein anderes Ge-
sicht als das, was er zeigt.
gen, dunkelhäutigen Ausländern, die
sich zwar meist als unschuldig heraus-
le mit Christopher Plummer ein zweites
Mal gedreht wurde. Hammer spielt im
Leute aus der – sagen wir – unteren Es ist einerseits ein Gefühl der Ver- stellen, aber natürlich mit ihrer fremd- „Nil“ eine Schlüsselrolle – den Gatten
Oberschicht erneut auf Kreuzfahrt von unsicherung und entspricht exakt der artigen Erscheinung dazu eingebaut des Mordopfers – und im Grunde hätte
Assuan nach Abu Simbel gehen? man den gesamten Film wiederholen
Die Antwort liegt in der tiefen Verun- müssen. Also beschloss Disney ein „Au-
sicherung der Studios. Man weiß nicht gen zu und durch“ und bringt den Film
mehr, was beim Publikum funktioniert,
außer Marvel-Verfilmungen, und selbst
nun in die Kinos. Ähnlich verfuhr der
französische Regisseur Claude Lelouch,
bei denen scheint eine gewisse Sätti- der sich weigerte, den Schauspieler Ary
gung erreicht. Lieber zu den Klassikern Abittan aus seinem neuen Film „L’
© 2020 TWENTIETH CENTURY FOX FILM/ ROB YOUNGSON
greifen, die gehen immer. Nun hätte amour c’est mieux que la vie“ zu schnei-
man denken können, dass Agatha Chris- den, obwohl Abittan einer Vergewalti-
tie sich längst jenseits des Verfallsda- gung angeklagt ist.
tums befindet; der letzte nennenswerte So viel Schmutz liegt jenseits des
Kinoausflug von Poirot („Rendezvous Vorstellungshorizonts eines Christie-
mit einer Leiche“, mit Ustinov, Lauren
Bacall und Carrie Fisher) lag drei Jahr-
Films. Mord – ja, Vergewaltigung – nein;
das Äußerste an Zumutung für uns Zu-
zehnte zurück. Dann, vor fünf Jahren, schauer ist das Trauma, weswegen Poi-
setzte Kenneth Branagh sein Lieblings- rot Schnurrbart trägt. Und wir stehen
projekt durch, er als Poirot im „Orient- anscheinend am Anfang eines Christie-
Express“; mit im Zug waren Penélope Revivals. Die „Mausefalle“ wird gerade
Cruz, Judi Dench und Willem Dafoe, verfilmt, und Ben Affleck arbeitet an ei-
und siehe da: Der Film spielte nie er- ner neuen „Zeugin der Anklage“. Die ist
wartete 350 Millionen Dollar ein. Jeder ist verdächtig: Poirot (r.) mit der Reisegesellschaft nun wirklich überflüssig.
Jede Ziffer von eins bis neun wird in jeder Spalte, jeder Zeile und
in jedem 3x3-Feld genau einmal eingetragen. Das obere Sudoku
ist von mittlerer Schwierigkeit, das Rätsel darunter etwas leichter.
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16 FEUILLETON
ZU GUTER LETZT
Durch die
Brille der
Claudia Roth
K
ein Interview mit Clau-
dia Roth ohne Ton-
Steine-Scherben-Zitat.
„Reißen wir die Mauern ein,
die uns trennen“, heißt es im
Gespräch, das die „Frankfurter
Allgemeine Zeitung“ mit der
einstigen Bandmanagerin und
jetzigen Kulturstaatsministe-
rin geführt hat. Es geht, etwa
beim Berliner Humboldt Fo-
rum, natürlich um die Mauern
in den Köpfen und nicht etwa
um die Fassaden des Schlosses,
wie man argwöhnen könnte.
Durch die barocke Hülle samt
Kuppel, Kreuz und Inschrift
blickt Claudia Roth (Grüne)
einfach hindurch; die Preußen-
brille, die noch die Sicht ihrer
Amtsvorgängerin Monika
Grütters (CDU) tönte, hat sie
sich schon als bayerische
Schwäbin nie aufgesetzt. Das
Humboldt Forum sei, so Roth,
„noch ein Rohbau“ und solle
schon laut Koalitionsvertrag
zu einem „weltoffenen Ort“
gemacht werden.“ Das heiße:
„So wie bisher geht es nicht.“
Im Reformprozess der Stif-
tung Preußischer Kulturbesitz,
die Strukturen entwickeln
müsse, um ihren „unfassbaren
kulturellen Reichtum besser
zur Geltung“ zu bringen, ist
das Humboldt Forum eine der
großen Baustellen. Claudia
Roth möchte die „Öffnung
einer der weltweit größten und
wichtigsten Schatztruhen der
Kultur“. Und dabei gehe es um
weit mehr als die Frage nach
der Rückgabe von Objekten,
die während des Kolonialismus
in die Museen gelangten. Roth
möchte generell die „Funktion
der Museen in den 2020er-
Jahren“ klären.
Die nächste Abkehr von
Grütters – und zwar dem von
ihr maßgeblich vorangetriebe-
nen Museum des 20. Jahr-
hunderts, das am Berliner
Kulturforum gebaut wird –
kann man zwischen den Zeilen
lesen. Noch vor dem ersten
Spatenstich verdoppelten sich
die Kosten auf bis zu 450 Mil-
lionen Euro. Der Finanzierung
stimmten im Bundestag auch
die Grünen zu, gemeinsam mit
CDU und SPD. Nun sagt Roth,
sie stehe dafür, „dass Kultur-
politik sich nicht vornehmlich
auf große Bauprojekte konzen-
trieren sollte, sondern dass sie
Gesellschaftspolitik und De-
mokratiepolitik ist“.
Damit ist klar: Große Bau-
stellen werden auch ihre Amts-
zeit prägen. MARCUS WOELLER
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W
as haben Carrie
Bradshaw und Heidi
Klum gemeinsam?
Am vergangenen
Donnerstagabend
vor allem eins: ein Sprachproblem. Car-
rie bemerkt in der finalen Folge von
„And Just Like That“, der „Sex and the
City“-Fortsetzung, dass sie ihre „girls“
eigentlich mittlerweile „ladies“ nennen
müsste. Und auch Heidi ahnt, dass es an
der Zeit ist: In der Auftaktfolge der 17.
Staffel „Germany’s Next Topmodel“
(GNTM) gilt ihre gesammelte Anstren-
gung dem Versuch, ihre Kandidatinnen
nicht mehr „Mädchen“, sondern „Mo-
dels“ zu nennen.
VON MARIE-LUISE GOLDMANN
Wer jetzt allerdings denkt, Carrie
und Heidi – beide Vertreterinnen
eines Retro-Feminismus des
„Sich-selbstbewusst-in-Szene-
Setzens“ –, hätten erkannt, dass
es womöglich nicht ganz ange-
messen ist, Frauen jenseits des 18.
Lebensjahrs auf „Mädchen“ herab-
zustufen, erwartet von den Mode-En-
thusiastinnen zu viel. Eher wirkt es so,
als hätten beide gerne munter damit
weitergemacht, 24- und 34-Jährige mit
einem Kindlichkeitsfilter zu belegen,
hätte eine veränderte Realität ihnen
nicht kürzlich ein paar deutlich ältere
Exemplare ins Leben gespült:
In „And Just Like That“ ist das Groß-
stadt-Trio mittlerweile in seinen Fünfzi-
gern angekommen, bei Komplikationen
wie Stirnfalten, Menopause und Verwit-
wung, die jetzt in den obligatorischen
Diner-Sessions ausdiskutiert werden.
Auch Heidi nimmt die bislang ungesehe-
ne Altersspanne ihrer Kandidatinnen
zwischen 18 und 68 Jahren zum Anlass
für ihre sprachliche Umorientierung:
Barbara ist 68, Lieselotte 66, Martina 50
und Paulina 32. „Die meisten Models
sind in meinem Alter längst in Rente“,
sagt Paulina. „Viele hängen ihre Träume
mit 30 an den Nagel, weil einem die Ge-
sellschaft vorschreibt, dass man in dem
Alter Kinder haben, verheiratet sein,
mitten im Beruf stehen müsse.“ Sie wol-
le jetzt dieses Stigma durchbrechen und
zeigen, dass es jeder schaffen kann. „Äl-
tere Models werden immer angesagter“,
frohlockt auch Heidi in Athener Som-
merschwüle. Für sie gebe es keine Gren-
zen, Diversität sei gefragt wie nie. Gleich
beim ersten Kennenlernen ihrer Kandi-
datinnen stellt sie fest, dass die Älteren
viel mehr Elan hätten als die Jüngeren.
Dass fünf von 31 Kandidatinnen
schwarz sind, wird gar nicht mehr er-
wähnt, ein Hut fast so alt wie Transmo-
dels, Narben, Mini-Körpergrößen oder
kurvige Figuren. Das Diversitätsmerk-
mal, das in dieser Staffel am explizites-
ten strahlt, ist das Alter. Alle drei Ü-50-
Kandidatinnen erscheinen im stolzen
Silber-Look, Lieselotte und Barbara mit
wellender Mähne, Martina mit ent-
schiedener Kurzhaarfrisur. Dass beide
Inszenierungen – das würdevolle Navi-
gieren von Ü-50-Frauen durch die Stra-
ßen Manhattans und die Laufstege
Griechenlands – so ungewohnt erschei-
nen, zeigt einerseits, wie präsent
„Ageism“, also die Benachteiligung oder
Stereotypisierung von Menschen auf-
grund ihres Alters, heute noch ist. Und
andererseits, wie wenig die Thematisie-
rung dieser speziellen Diskriminie-
DIE WELT DIENSTAG, 8. FEBRUAR 2022
selten über 40. „Die körperlichen Al-
terserscheinungen einer Frau sind eine
Tragödie. An einem Mann sind sie aus-
gezeichnet“, schreibt die Autorin Mela-
nie Jame Wolf. Wo der Gender-Pay-Gap
schon länger Gespräch ist, bleiben die
Probleme des ebenso statistisch beleg-
ten Gender-Dating-Age-Gaps erstaun-
lich unterthematisiert (etwa das Pro-
blem, dass bei einer Beziehung, in der
der Mann 40 Jahre alt ist und die Frau
30, der Mann zehn Jahre mehr Zeit für
seine Karriere hat, bevor das erste Kind
kommt, und dadurch wahrscheinlich
mehr Geld verdient, wenn die Frage an-
steht, wer in Elternzeit geht). Umso
wichtiger, dass die genrestiftende Kult-
erzählung vom Sex und der Stadt das
Problem jetzt mit noch größerer Verve
angeht als schon zu Beginn des Origi-
nals 1998 angedeutet. Das Serialitäts-
prinzip verortete seine Protagonis-
tinnen nämlich stets über der ak-
zeptablen Altersgrenze, um diese
dennoch unablässig weiter nach
hinten zu verschieben. In der al-
lerersten Folge erklärte ein Mann
das Problem der Single-Frauen mit
einer „Mitt-Dreißiger-Machtverschie-
bung“, also dem Phänomen, dass bei der
Partnersuche ab Mitte 30 Männer die
Oberhand erhielten. „Das ist eine Frage
des Alters und der Biologie. Es geht
beim Heiraten immer noch darum, Kin-
der zu bekommen. Und das will man
nicht mit einer Frau, die älter als 35 ist.“
Dass jetzt auch 66-Jährige mit High
Heels und feurigem Blick über den Lauf-
PROSIEBEN/ RICHARD HÜBNER
steg stolzieren dürfen – ja, sogar wirt-
schaftlichen Erfolg versprechen, so Heidi
Keine Mädchen mehr: Martina, unentwegt –, kann man als Sieg im
Lieselotte und Barbara in der 17. Kampf gegen einen obsessiven Jugend-
Staffel „Germany‘s Next Topmodel“ wahn feiern. Doch auch kritische Stim-
men machen sich bereits breit. Die Berli-
ner Künstlerin Cibelle erkennt laut „The
Art Newspaper“ in der zunehmenden
Eine Frage des Alters
Aufmerksamkeitslenkung auf ältere
Künstlerinnen nur eine andere Form der
Fetischisierung des Neuen. Und was ver-
spricht größere Neuigkeiten, als alle Dis-
kriminierungsformen einmal durchzude-
Früher verschwanden Frauen ab einem gewissen Alter
klinieren? Die Comic-Autorin Liv Ström-
quist argumentiert in ihrer kürzlich er-
von der medialen Bildfläche. Doch in „Sex and the City“ und
schienenen Kulturgeschichte der Schön-
heit, „Im Spiegelsaal“, dass die Gesell-
„Germany‘s Next Topmodel“ dreht sich alles um Weiblichkeit schaft noch nie so besessen von Schön-
heit war wie heute. Deshalb sei es nur lo-
jenseits der Fünfzig. Aber was bringt uns das? gisch, dass sich der Imperativ, schön zu
sein, auf noch mehr Menschen ausweitet.
„Heute muss man für viel längere Le-
rungsform bisher Eingang in die Pop- teiligung unterscheidet. Erstens geht ärmeren Verhältnissen aufwächst oder bensabschnitte schön sein. Früher konn-
kultur gefunden hat. Einzig die von 2015 sie meist weniger subtil vonstatten, ja, sich um Angehörige kümmern muss, hat te man einfach nur eine Großmutter oder
bis 2021 ausgestrahlte Serie „Younger“ sie agiert oft mit erschreckender Di- womöglich erst später die Möglichkeit, Mutter sein. Die Welt hielt verschiedene
beförderte das Alter ihrer Heldin expli- rektheit. Im Journalismus, in der Litera- ein Studium zu beginnen als Gleichalt- Rollen für Frauen bereit und man wurde
zit zum Hauptkonflikt: Die 40-Jährige, tur- und Kunstbranche werden einige rige und ist bei Berufsbeginn mit ähnli- für andere Dinge wertgeschätzt“, sagt
alleinerziehende Liza will sich nach ei- Preise und Stipendien explizit für Men- cher Qualifikation älter als die Konkur- Strömquist im WELT-Interview. „Ist das
ner längeren Elternauszeit wieder ins schen unter einer bestimmten Alters- renz. „GNTM“-Kandidatin Barbara er- Fortschritt?“, fragt auch eine Twitter-
Berufsleben stürzen. Als sie aber fest- grenze, sei es 25, 30 oder 40 Jahre ver- zählt davon. Sie habe schon immer Mo- Nutzerin unter einem Bild der „Sex and
stellt, dass sie in ihrem Alter niemand geben. Wer älter ist, darf sich gar nicht del werden wollen, aber zuerst stellte the City“-Ladies erschöpft, so als hätte
mehr einstellen will, täuscht sie vor, 26 erst bewerben oder fliegt unbesehen ihr Mann sie vor die Entscheidung: Er sie sich eigentlich darauf gefreut, in ein
Jahre alt zu sein – und erhält sofort ei- raus. Diese Unverhohlenheit mag auch oder das Modeln. Dann kamen die vier paar Jahren nicht mehr zum Schmink-
nen Traumjob in einem angesehenen mit einer anderen Besonderheit des Al- Kinder, schließlich musste sie ihre Mut- täschchen greifen zu müssen.
Verlag. Wie sehr sich unsere Sicht auf ters zusammenhängen: Niemand wird ter pflegen. Erst jetzt, mit 68 Jahren Die beste Antwort auf das Alters-Di-
Frauen in ihren 50ern und ihre Hand- verschont. Nicht alle werden im Laufe kann sie sich dem Weg widmen, der an- lemma hat Brook, das Kind von Char-
lungsspielräume jetzt ändern könnte, ihres Lebens erfahren, wie es ist, dick, deren bereits mit 18 offensteht. lotte, parat: „Ich will mich nicht festle-
zeigt der Vergleich mit den „Golden weiblich oder schwarz zu sein, aber die Ohnehin bedeuten Lachfalten und gen müssen. Nicht als Mädchen, Junge,
Girls“, auf den die Journalistin Flora meisten werden erleben, wie es ist, 20, graue Haare für Frauen nicht das glei- nicht-binär, Jude, Christ oder Muslim.
Gill verweist. Die Hauptfiguren in der 40 oder 60 zu sein. che wie für Männer: Die vom „People“- Nicht einmal als New Yorker.“ „Also
ersten Staffel „Golden Girls“ stellen Obwohl das Alter also irgendwann al- Magazin zum „Sexiest Man Alive“ ge- bist du gar nichts?“, fragt Charlotte
überraschenderweise jüngere Frauen le trifft, trifft es nicht alle gleich. Die be- kürten Männer sind selten unter 40 entsetzt, woraufhin Brook lapidar ent-
dar als Carrie, Miranda und Charlotte in rühmte Intersektionalität, also die Idee (vergangenes Jahr erhielt die Auszeich- gegnet: „Ich bin 13“. Eine auf Zahlen be-
„And Just Like That“. einer Verschränkung verschiedener nung der 52-jährige Paul Rudd), die vom ruhende Identität ist einerseits
Es gibt einiges, was Altersdiskrimi- Formen der Benachteiligung, macht „Esquire“-Magazin bis 2015 jährlich ge- schrecklich konkret, und gleichzeitig
nierung von anderen Arten der Benach- sich auch hier bemerkbar. Wer etwa in kürte „Sexiest Woman Alive“ dagegen unheimlich offen.
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