Beruflich Dokumente
Kultur Dokumente
Gen 1,1–2,3 und Gen *6,9–9,29 erzählen von einer Welt, wie sie vom Schöpfergott ur-
sprünglich intendiert war, durch die Gewalt unter den Geschöpfen aber korrumpiert
und durch das „Gedenken“ Gottes an Noah (Gen 8,1a) vor dem Untergang bewahrt
wurde. Die priesterliche Urgeschichte entwirft das Bild von einem Gott, der auf „die
‚Störungen‘ der guten Schöpfung durch seine Geschöpfe“ (E. Blum) reagiert, aber die
Geschichte über tiefgreifende Brüche weiterführt – bis hin zur Errichtung des Heilig-
tums am Sinai, in dem er inmitten der Israeliten „wohnen“ will (Ex 29,45 f). Der Drei-
klang von Schöpfung, Flut und Noahbund ist der rote Faden der priesterlichen Urge-
schichte.
Das Alte Testament beginnt mit dem „Anfang“ (רא ׁשית, !qw^, principium),
d. h. mit der Entstehung der Welt, ihrer raumzeitlichen Ordnung und der
Erschaffung der Geschöpfe, die die Lebensräume Himmel, Erde und Meer
bevölkern; das Ziel dieses Proömiums ist das „Ruhen“ Gottes am siebten
Tag (Gen 1,1–2,3.4a). Dann folgt eine dichte Kette von Erzählungen, die
ein dramatisches Gefälle haben und von der Übertretung des göttlichen
Verbots (Gen *2,4b–3,24 nP) bis zum Bund Gottes mit Noah (Gen 9,8–17
P) reichen. Schöpfungsüberlieferungen gibt es auch in der Prophetie (Jer;
Isa 40–55.56–66), in den Psalmen (Ps 8; 19; 104; 136 u. a.) und in der
Weisheitsliteratur (Prov 8,22–31; Job 28; 38,1–42,6; Qoh 1,3–11; Sir 24 u.
a.).1 Aber nirgends hat das Thema „Schöpfung“ eine derart grundlegende
Bedeutung wie in der biblischen Urgeschichte. Aus ihr wird im Folgenden
der priesterliche Erzählfaden2 herausgegriffen, dessen Hauptstadien
Schöpfung, Flut und Noahbund die spannungsreiche Beziehung von Gott,
Welt und Mensch(heit) widerspiegeln.
1 S. dazu den Überblick bei K. Schmid, Schöpfung im Alten Testament, in: ders. (Hg.),
Schöpfung (UTB 3514), Tübingen: Mohr Siebeck, 2012, 71–120, hier 99–113.
2 Zu den Einleitungsfragen s. E. Blum, Art. Urgeschichte, TRE 34 (2002), 436–445; E. Zen-
ger, Das priester(schrift)liche Werk, in: ders. u. a., Einleitung in das Alte Testament
(KStTh 1,1), Stuttgart: Kohlhammer, 72008, 156–175, ferner J.Chr. Gertz, Tora und Vor-
dere Propheten, in: ders., Grundinformation Altes Testament (UTB 2745), Göttingen:
Vandenhoeck & Ruprecht, 32008, 193–311, hier 236–247 und K. Schmid, Literaturge-
schichte des Alten Testaments. Eine Einführung, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchge-
sellschaft, 2008, 146–150.
I. Die Schöpfungserzählung
3 Zu Gen 2,4a als Brückentext zwischen Gen 1,1–2,3 und Gen 2,4b–3,24 s. D.M. Carr, Rea-
ding the Fractures of Genesis. Historical and Literary Approaches, Louisville / KE: West-
minster John Knox, 1996, 73–75 und J. Chr. Gertz, The Formation of the Primeval Hi-
story, in: C.A. Evans / J.N. Lohr / D.L. Petersen (ed.), The Book of Genesis. Composition,
Reception, and Interpretation, Leiden / Boston: Brill, 2012, 107–135, hier 114–118. Zum
Verhältnis von priesterlicher und nichtpriesterlicher Schöpfungserzählung s. zuletzt R.
Heckl, Die Exposition des Pentateuchs. Überlegungen zum literarischen und theologi-
schen Konzept von Genesis 1–3, in: Ex oriente Lux. Studien zur Theologie des Alten Tes-
taments. FS R. Lux, hg. von A. Berlejung und R. Heckl (ABG 39), Leipzig: Evangelische
Verlagsanstalt, 2012, 3–37.
4 S. dazu B. Janowski, Die Welt des Anfangs. Gen 1,1–2,4a als Magna Charta des biblischen
Schöpfungsglaubens, in: ders. / F. Schweitzer / Chr. Schwöbel (Hg.), Schöpfungsglaube
vor der Herausforderung des Kreationismus, Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag,
2010, 27–53.
5 Zum Verständnis von V. 2 s. B. Janowski / A. Krüger, Gottes Sturm und Gottes Atem.
Zum Verständnis von רוחin Gen 1,2 und in Ps 104,29, in: JBTh 24 (2009), 3–29, hier 11–
17.
6 S. dazu H. Rechenmacher, Gott und das Chaos. Ein Beitrag zum Verständnis von Gen
1,1–3, in: ZAW 114 (2002), 1–20; M. Weippert, Schöpfung am Anfang oder Anfang der
Schöpfung? Noch einmal zu Syntax und Semantik von Gen 1,1–3, in: ThZ 60 (2004), 5–
22; Janowski, Welt des Anfangs (s. Anm. 4), 29–32, ferner A. Schüle, Der Prolog der he-
bräischen Bibel. Der literar- und theologiegeschichtliche Diskurs der Urgeschichte (Ge-
nesis 1–11) (AThANT 86), Zürich: TVZ, 2006, 67–74. Anders zuletzt H.-J. Stipp, Gen 1,1
und asyndetische Relativsätze im Bibelhebräischen, in: S.Ö. Steingrimsson (Hg.), Litera-
tur- und sprachwissenschaftliche Beiträge zu alttestamentlichen Texten (ATSAT 83), St.
504 Bernd Janowski
Welcher Anfang wird hier beschrieben, und wie sah der Zustand der
Welt aus, bevor diese ins Sein trat? Der zweite Teil dieser Frage weist,
wenn man auf V. 2 achtet, auf einen logischen Widerspruch hin, weil von
„Welt“ – dafür steht der Merismus „Himmel und Erde“ (V. 1) – erst ge-
sprochen werden kann, wenn es sie gibt, d. h. erst ab dem 2. (Himmels-
feste: V. 6–8) und dem 3. Schöpfungstag (Erde, Meer, Pflanzen: V. 9–13),
aber nicht, bevor es sie gibt. Diesen Widerspruch nimmt die Priester-
schrift aber in Kauf, weil sie keine anderen als die ihr zur Verfügung ste-
henden anschauungsgebundenen Ausdrucksmittel besitzt, um den chao-
tischen Zustand der ‚Welt vor der Schöpfung‘, d. h. einer Erde ohne
Himmel und Licht auszusagen.7 Die Vorweltschilderung8 von V. 2 hat
demnach nicht den Zustand der „Erde“ im Blick, wie dieser nach Ab-
schluss der Schöpfung aussieht, sondern denjenigen, wie er zum Zeit-
punkt ihrer chaotischen Existenzform (Tohuwabohu) bestand. Die so be-
schriebene Erde könnte man als „Erde in ihrer chaotischen Gestalt“9 be-
zeichnen: sie war vom uranfänglichen Wasser ( )תהוםbedeckt, über dem
Finsternis lag.
Diese chaotische Vorwelt wird „durch die göttlichen Ordnungsakte
der ersten Schöpfungstage in den Kosmos hinein verwandelt …“10, wobei
der – ‚jenseits des Chaos‘11 liegende – Ausgangspunkt der elementare Akt
Ottilien: EOS, 2007, 323–355; ders., Anfang und Ende. Nochmals zur Syntax von Gen
1,1, in: ZAH 17–20 (2004–2007), 188–196 und W. Oswald, Das Erstlingswerk Gottes –
zur Übersetzung von Gen 1,1, in: ZAW 120 (2008), 417–421, die 1,1 wieder als Mott-
overs auffassen.
7 Vgl. Weippert, aaO., 21 und Rechenmacher, aaO., 10. Man kann diesen Widerspruch
mit A. Koschorke, Zur Logik kultureller Gründungserzählungen, in: Zeitschrift für
Ideengeschichte 1 (2007), 5–12, hier 8 f als „Paradoxie der Darstellung“ bezeichnen. Ein
vergleichbarer logischer Widerspruch liegt vor, wenn in der Tagesformel V. 5b.8b.13 die
Begriffe „Abend“, „Morgen“ und „Tag“ bereits vor der Erschaffung der Gestirne (V. 14–
19) gebraucht werden.
8 S. dazu M. Bauks, Die Welt am Anfang. Zum Verhältnis von Vorwelt und Weltentste-
hung in Gen 1 und in der altorientalischen Literatur (WMANT 74), Neukirchen-Vluyn:
Neukirchener Verlag, 1997.
9 Vgl. Weippert, aaO., 13.21.
10 Ders., aaO., 22.
11 Vgl. Schüle, Prolog (s. Anm. 6), 136.
Schöpfung, Flut und Noahbund. Zur Theologie der priesterlichen Urgeschichte 505
des Sprechens Gottes ist, der das Licht als erstes Element der kosmischen
Ordnung in das vorweltliche Chaos hineinträgt. An diesem kreativen
Geschehen findet das Chaos seine Grenze.12 Deshalb steht bei der Dar-
stellung des ersten Schöpfungstages (1,3–5) die Billigungsformel nicht
am Ende, so dass sie Tag und Nacht umgriffe, sondern Gott „zieht aus-
nahmsweise am ersten Tag die Beurteilung des Lichtes vor, während er
der Finsternis zwar einen Namen gibt, sie aber nicht beurteilt, und er
nennt auch, um jedes Missverständnis auszuschalten, ausnahmsweise das
Licht ausdrücklich in der Billigungsformel (sonst lautet sie nur: Elohim
sah, daß es gut war)“13.
Das aber bedeutet, dass Gott, als er „Himmel und Erde“, d. h. die Welt
schuf, auf Vorhandenes zurückgreifen konnte.14 Die Tradition hat hier
von der „Schöpfung aus dem Nichts“ (creatio ex nihilo) gesprochen, al-
lerdings gegen die Aussageintention des Textes, der im Unterschied zu 2
Makk 7,28 nicht von einer creatio ex nihilo, sondern von einer creatio
contra nihilum, von einer Schöpfung gegen das vorgegebene Chaos15
spricht. Während also 1,1 + 1,3–31 von der Erschaffung der geordneten
Lebenswelt sprechen, nennt 1,2 „vorgegebene Größen, ohne deren Vor-
gegebenheit zu problematisieren, an denen Gott erschaffend handelt“16.
Er handelt an ihnen erschaffend, indem er sie in den Kosmos hinein ver-
wandelt und ihnen damit ihre ausschließlich chaotische Qualität nimmt.
Für die Frage nach dem „Anfang“ der Schöpfung sind diese Überle-
gungen von grundlegender Bedeutung. Gegenüber dem Kreationismus,
der die Pointe des biblischen Textes verfehlt, indem er ihn wortwörtlich
nimmt und historisiert,17 meint der biblische Text nämlich nicht einen
historischen Anfangsmoment vor etwa 6000 Jahren – nirgendwo in 1,1–
2,3 findet sich eine Datumsangabe! –, sondern ein Grundgeschehen, das
Bedeutung für die Gegenwart und Zukunft der Menschheit und Israels
hat:
12 S. dazu ders., aaO., 134ff und Janowski / Krüger, Gottes Sturm (s. Anm. 5), 11–17.
13 W. Groß, Das Negative in Schöpfung und Geschichte: YHWH hat auch Finsternis und
Unheil erschaffen (Jes 45,7), in: ders., Studien zur Priesterschrift und zu alttestamentli-
chen Gottesbildern (SBAB 30), Stuttgart: Verlag Katholisches Bibelwerk, 1999, 145–158,
hier 149.
14 Vgl. Weippert, Schöpfung (s. Anm. 6), 21.
15 Zur Kritik an einer creatio ex nihilo als Leitvorstellung von Gen 1,1–2,3 s. Weippert,
aaO., 21 f; O. Keel / S. Schroer, Schöpfung. Biblische Theologien im Kontext altorienta-
lischer Religionen, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 22008, 74 f u. a. Schüle, Prolog
(s. Anm. 6), 112 spricht statt von creatio ex nihilo von creatio ex tumulto.
16 W. Groß, Art. Creatio ex nihilo, RGG4 2 (1999), 485–487, hier 485.
17 Vgl. Chr. Link, Christlicher Schöpfungsglaube und naturwissenschaftliches Weltver-
ständnis, in: EvTh 68 (2008), 84–98, hier 92.
506 Bernd Janowski
„Wer mit Gen 1 vom Anfang spricht, macht keine objektivierbare Aussage über den
historischen Ursprung der Welt. Er bringt vielmehr zum Ausdruck, daß er selbst von
einem bleibend aktuellen, gegenwärtig wirksamen und erfahrbaren Anfang herkommt.
Er redet von seinem eigenen geschichtlichen Standort aus, weil nur er sich theologisch
verantworten läßt. Die historische Wahrheit der Schöpfungsberichte ist also gerade
nicht ein Historikum, das man hinter den alten Berichten freilegen könnte, sondern
die theologisch gedeutete Erfahrungswelt, deren Aussagekraft und Evidenz sich im
Heute des Erzählers bewährt.“18
Wer im Sinn von Gen 1,1 nach dem Anfang der Welt fragt, „muß sich
daher von der Vorstellung naturgeschichtlicher Werdeprozesse trennen,
die den Rückschluss auf ein Ursprungsdatum von Himmel und Erde na-
helegen könnten“19. Das hätte, wie auch der zeitgeschichtliche Kontext
zeigt, nicht im Interesse des priesterlichen Verfassers gelegen. Angesichts
des zerstörten Tempels und des verwüsteten Landes fragt man „nicht
primär nach den Rätseln der Kosmogonie. Der Blick ist aufs Überleben
gerichtet“20. Dieser Blick sollte durch den Glauben an den Schöpfergott
und seine grundlegenden „Setzungen“ gestärkt werden.
fühlt man sich an „die Sprachform der Genealogien“ erinnert, „für die ja
das Wiederkehren immer gleicher Sätze bezeichnend ist“;23 es ist aller-
dings eine „‚Genealogie‘ im übertragenen Sinne“24, worauf auch die (se-
kundäre) Toledot-Formel von Gen 2,4a hinweisen könnte, die 1,1–2,3
mit der folgenden Geschichte des אדםauf der אדמהin 2,4b–4,26 verbin-
det.25 K. Seybold spricht dagegen von „Sakralstil“ und J.Chr. Gertz von
„priesterlicher Wissenschaftsprosa“.26
Diese Intention kommt auch in der Komposition der priesterlichen
Schöpfungserzählung zum Ausdruck (s. Skizze 1). Sie beruht auf einer
Hervorhebung der Kategorie der Zeit (1./4./7. Tag) sowie auf einer Auf-
teilung der Schöpfungswerke in Lebensräume (1.–4. Tag) und ihnen zu-
geordnete Lebewesen (5.–6. Tag). Um die Eigenart dieser Komposition zu
erfassen, müssen wir uns deutlich machen, dass 1,3–2,3 – entgegen dem
in 1,2 skizzierten Bild einer chaotischen ‚Welt vor der Schöpfung‘ –,
Gottes Schöpfungshandeln als Ermöglichung von Leben „in einem allen
Lebewesen gemeinsam zugewiesenen Lebensraum“27 beschreibt, wobei
der Ordnungskategorie „Zeit“ eine fundamentale Bedeutung zukommt.
Diese äußert sich nicht nur in der Scheidung von Licht und Finsternis als
des von Gott gesetzten Wechsels der Zeitgrößen „Tag“ und „Nacht“ (1,3–
5) sowie in der Erschaffung der beiden „Leuchten“ Sonne und Mond
(1,14–19),28 sondern auch in der Abfolge von sechs Arbeitstagen und
einem abschließenden siebten Ruhetag. Die gesamte Schöpfung ist damit
als „Sieben-Tage-Einheit“ gestaltet, innerhalb deren die Tage I–IV (1,3–
19) einen thematisch selbständigen Textabschnitt bilden, von dem die
den Grenzen der Schöpfung. Ein Beitrag zur alttestamentlichen Anthropologie am Bei-
spiel von Psalm 8, Genesis 1 und verwandten Texten (WMANT 101), Neukirchen-
Vluyn: Neukirchener Verlag, 2004, 158–161 und F.H. Polak, Poetic Style and Parallelism
in the Creation Account (Genesis 1,1–2,3), in: H. Graf Reventlow / Y. Hoffman (ed.),
Creation in Jewish and Christian Tradition (JSOT.S 319), London / New York: Sheffield
Academic Press, 2002, 2–31.
23 Westermann, ebd.
24 Th. Hieke, Die Genealogien der Genesis (HBS 39), Freiburg / Basel / Wien: Herder,
2003, 249 Anm. 679.
25 S. dazu ders., aaO., 241–251.
26 S. dazu K. Seybold, Poetik der erzählenden Literatur im Alten Testament, Stuttgart:
Kohlhammer, 2006, 244 f und J.Chr. Gertz, Antibabylonische Polemik im priesterlichen
Schöpfungsbericht?, ZThK 106 (2009), 137–155, hier 149–155.
27 E. Zenger, Gottes Bogen in den Wolken. Untersuchungen zu Komposition und Theolo-
gie der priesterschriftlichen Urgeschichte (SBS 112), Stuttgart: Verlag Katholisches Bi-
belwerk, 21987, 78, vgl. 58.65.81 f. u. ö.
28 Zur Funktion von 1,14–19 im Kontext von 1,1–2,3 s. B. Janowski, Die lebendige Statue
Gottes. Zur Anthropologie der priesterlichen Urgeschichte, in: ders., Die Welt als
Schöpfung. Beiträge zur Theologie des Alten Testaments 4, Neukirchen-Vluyn: Neukir-
chener Verlag, 2008, 140–171, hier 158.
508 Bernd Janowski
Tage V–VI (1,20–31) als ein zweiter, durch eine Reihe von Besonderhei-
ten (Verben „ בראschaffen, hervorbringen“ und ברךpi. „segnen“) ausge-
zeichneter Abschnitt abgesetzt sind.29 Den Abschluss bildet das Motiv
der „Segnung“ und „Heiligung“ des 7. Tages (2,3a) und das „Ruhen“
Gottes an eben diesem Tag (2,2b.3b). Schematisch lässt sich das folgen-
dermaßen darstellen:
29 Zum thematischen Einschnitt nach Tag IV (Gen 1,14–19) und zu den Besonderheiten in
der Darstellung der Tage V–VI s. auch P. Weimar, Die Priesterschrift. Struktur und
Komposition eines literarischen Werkes, in: ders., Studien zur Priesterschrift (FAT 56),
Tübingen: Mohr Siebeck, 2008, 19–90, hier 59 f u. ö., anders zuletzt Schmid, Schöpfung
(s. Anm. 1), 79, der von einer Zäsur zwischen dem 3. und dem 4. Tag ausgeht. Zur
Komposition von Gen 1,1–2,3 s. Zenger, aaO., 71–80; B. Janowski, Tempel und Schöp-
fung. Schöpfungstheologische Aspekte der priesterschriftlichen Heiligtumskonzeption,
in: ders., Gottes Gegenwart in Israel. Beiträge zur Theologie des Alten Testaments 1,
Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag, 22004, 214–246, hier 232–237; N.C. Baumgart,
Die Umkehr des Schöpfergottes. Zu Komposition und religionsgeschichtlichem Hinter-
grund von Gen 5–9 (HBS 22), Freiburg / Basel / Wien: Herder, 1999, 85–89; Neumann-
Gorsolke, Herrschen (s. Anm. 22), 141–161; P. Weimar, Struktur und Gestalt der pries-
terschriftlichen Schöpfungserzählung (Gen 1,1–2,4a*), in: ders., aaO., 91–134 u. a.
Schöpfung, Flut und Noahbund. Zur Theologie der priesterlichen Urgeschichte 509
30 S. dazu O.H. Steck, Der Schöpfungsbericht der Priesterschrift. Studien zur literarkriti-
schen und überlieferungsgeschichtlichen Problematik von Genesis 1,1–2,4a (FRLANT
115), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1981, 32–72; Schüle, Prolog (s. Anm. 6),
130–134 und Janowski, Welt des Anfangs (s. Anm. 4), 37–39.
31 Chr. Link, Der Mensch als Geschöpf und als Schöpfer, in: J. Moltmann (Hg.), Versöh-
nung mit der Natur (KT 92), München: Chr. Kaiser Verlag, 1986, 15–47, hier 20.
32 Ders., ebd. (Hervorhebung im Original).
33 Ders., aaO., 20 f.
34 S. dazu Janowski, Statue Gottes (s. Anm. 28), 146–163.
35 Der Aspekt der „Artenvielfalt“ wird durch den Klassifikationsterminus „ מיןArt (botani-
sche oder zoologische Spezies)“ in Gen 1,11 f.21.24 f (insgesamt 10mal, vgl. Gen 6,19 f;
7,14; 8,17) zum Ausdruck gebracht, s. dazu Steck, Schöpfungsbericht (s. Anm. 30), 265 s.
v. Arten, vgl. Westermann, Genesis (s. Anm. 21), 175.
510 Bernd Janowski
alles, was in der Luft fliegt, „Flugtiere des Himmels“. Zur dritten Kategorie
gehören die Tiere, die auf der „Erde“ leben. Für sie gibt es keinen zusam-
menfassenden Begriff, sondern sie werden nach ihrer Beziehung zum Erd-
boden eingeteilt (1,26, vgl. 1,24 f).36 Die Klassifikation der Lebewesen des
5. und 6. Tages ist demnach auf die Taxonomie der Lebensräume – Him-
mel, Meer und Erde – bezogen, von denen am 2. und 3. Tag die Rede ist.
Diese Taxonomie ist auch für den Herrschaftsauftrag von 1,26 – 28 leitend:
26 Und Gott sagte:
„Wir wollen Menschen machen als unser Bild unseresgleichen,
damit sie herrschen über die Fische des Meeres
und über die Flugtiere des Himmels
und über das Vieh und über alle ‘Tiere’ 37 der Erde
und über alle Kriechtiere, die sich regen auf der Erde.“
27 Und Gott schuf den Menschen als sein Bild, als Bild Gottes schuf er ihn,
männlich und weiblich schuf er sie.
28 Und Gott segnete sie, und Gott sagte zu ihnen:
„Seid fruchtbar und werdet zahlreich
und füllt die Erde und (‚betretet sie‘ =) nehmt sie in Anspruch,
und herrscht über die Fische des Meeres
und über die Flugtiere des Himmels
und über jedes Lebewesen, das sich regt auf der Erde.“
36 Vgl. M. Weippert, Tier und Mensch in einer menschenarmen Welt. Zum sog. dominium
terrae in Genesis 1, in: H.-P. Mathys (Hg.), Ebenbild Gottes – Herrscher über die Welt.
Studien zu Würde und Auftrag des Menschen (BThSt 33), Neukirchen-Vluyn: Neukir-
chener Verlag, 1998, 35–55, hier 44 Anm.14 und Janowski, Statue Gottes (s. Anm. 27),
204 mit Anm.79.
37 So mit Syr (+ hjwt’ ffi ) ַח ַיּת, vgl. V. 24.25.28.
38 W. Groß, Die˙ Gottebenbildlichkeit des Menschen im Kontext der Priesterschrift, in:
ders., Studien zur Priesterschrift (s. Anm. 13), 11–36, hier 33. s. ferner Janowski, Statue
Gottes (s. Anm. 28), 146–163.
39 Nämlich Früchte und Samen für die Menschen, Gräser und Kräuter für die Tiere.
Schöpfung, Flut und Noahbund. Zur Theologie der priesterlichen Urgeschichte 511
40 Die übliche Bezeichnung des Satzes „und Gott sah, dass es gut war“ als „Billigungsfor-
mel“ (1,4.10.12.18.21.25, vgl. 1,31) ist nicht ganz passend, da „das ‚Sehen‘ Gottes nicht
examinierend, sondern aneignend-erwählend ist“ (Keel / Schroer, Schöpfung [s.
Anm. 15], 177 Anm. 86), s. dazu Schmidt, Schöpfungsgeschichte (s. Anm. 30), 61 f;
Westermann, Genesis (s. Anm. 21), 156 f u. a. Im Sehen Gottes, der sein Werk als „gut“
anerkennt, liegt im übrigen „die deutlichste Verbindung zwischen Schöpfungsbericht
und Schöpferlob; das Lob des Schöpfers setzt die Anerkennung durch den Schöpfer
fort“ (Westermann, aaO., 156). So verlegt die Priesterschrift „in das Urteil des Schöpfers
zurück, was Gegenstand des Gotteslobes ist“ (H.-F. Fuhs, Art. ָרָאהusw., ThWAT 7
[1993], 225–266, hier 255).
41 Vgl. Steck, Schöpfungsbericht (s. Anm. 30), 185.
42 S. dazu ders., aaO., 179 Anm. 758; 184 Anm. 778; 186 f, ferner Zenger, Gottes Bogen (s.
Anm. 27), 67 f und Ges18 546 f s.v. כלהpi. 1.
43 S. dazu Zenger, aaO., 98ff und A. Grund, Die Entstehung des Sabbats. Seine Bedeutung
für Israels Zeitkonzept und Erinnerungskultur (FAT 75), Tübingen: Mohr Siebeck, 2011,
43–50.
512 Bernd Janowski
der Wasser- und Flugtiere) und in 1,28 (Segnung des Menschen) den As-
pekt der Lebensfülle/-steigerung betont,44 meint das „Heiligen“ ( קד ׁשpi.),
dass dieser Tag als ein besonderer, Gott zugehöriger Tag gegenüber den
voraufgehenden sechs Schöpfungstagen ausgegrenzt ist. Bedeutet also das
„Heiligen“ des siebten Tages dessen Setzung als eines ausgegrenzten, Gott
zugehörigen Tages, so bewirkt das „Segnen“ die fortdauernde, lebensför-
derliche Gültigkeit dieser Ordnung,45 d. h. die stetige Wiederkehr des ge-
heiligten siebten Tages nach einer Folge von sechs Arbeitstagen, die zu-
sammen mit diesem als Zeiteinheit von 6 + 1 Tagen (= 1 Woche) geschaf-
fen sind. Die priesterliche Schöpfungserzählung endet in 2,2 f darum
ebenso gewichtig, wie sie in 1,1 f begonnen hatte.
Ziehen wir ein Zwischenfazit: Achtet man auf die Eigenbegrifflichkeit
und poetische Struktur von Gen 1,1–2,4a, so wird deutlich, dass im Verlauf
der sechs Schöpfungstage „ein Bildaufbau hochgefahren (wird), der in sich
so logisch und überzeugend klingt, daß man ihn fast zweitausend Jahre
lang als Naturwissenschaft verkannt hat“46. Es ist das Bild eines kosmischen
Hauses, das vom Schöpfer in das uranfängliche Chaoswasser hineinge-
stemmt wird (V. 1 f.3–5) und dessen ‚Dach‘ die Himmelsfeste mit den
großen Leuchten (V. 6–8.14–19) und dessen ‚Fußboden‘ die Erde ist, auf
der die Pflanzen für die Tiere und die Menschen wachsen (V. 9–13.29 f).47
Charakteristisch ist dabei der Akt des göttlichen Unterscheidens ( בדלhif.),
die Interdependenz von Lebensräumen und Lebewesen sowie die Position
des Menschen in dem so geordneten Weltganzen. Gott, der dieses Geflecht
lebensförderlicher Interdependenzen wahrnimmt, bewertet es auch, wie
der Text 6mal hervorhebt (V. 4.10.12.18.21.25) – bis hin zu jenem umfas-
senden „Gütesiegel“, das ausdrücklich das Ganze in den Blick nimmt:
„Und Gott sah alles, was er gemacht hatte, und siehe: es war sehr gut“ (V.
31).
44 Zur Semantik von ברךpi. s. M. Leuenberger, Segen und Segenstheologien im alten Isra-
el. Untersuchungen zu ihren religions- und theologiegeschichtlichen Konstellationen
und Transformationen (AThANT 90), Zürich: TVZ, 2008, 9 f.
45 Vgl. B. Jacob, Das Buch Genesis. Herausgegeben in Zusammenarbeit mit dem Leo Baeck
Institut, Stuttgart: Calwer Verlag, 2000, 67.
46 N. Lohfink, Die Gottesstatue. Kreatur und Kunst nach Genesis 1, in: ders., Im Schatten
deiner Flügel. Große Bibeltexte neu erschlossen, Freiburg / Basel / Wien: Herder, 1999,
29–48, hier 33.
47 Vgl. Seybold, Poetik (s. Anm. 26), 300 f.
Schöpfung, Flut und Noahbund. Zur Theologie der priesterlichen Urgeschichte 513
Es gehört zur Dramatik der biblischen Urgeschichte, dass es bei dem um-
fassenden Gütesiegel, das der Schöpfer seiner Schöpfung erteilt, nicht
bleibt. Das ist das Thema der nichtpriesterlichen Darstellung in Gen
*2,4b–4,26 und ihrer narrativen Hamartiologie.48 Sowohl die nichtpries-
terliche (Gen *6,5–8,22) als auch die priesterliche Fluterzählung (Gen
*6,9–9,29) hat auf diese Problematik reagiert und ihre jeweilige Darstel-
lung mit eigenen Akzentsetzungen versehen. Während Gott nach Gen
8,21 f in einem schwurartigen Satz die künftige Bewahrung „alles Lebendi-
gen“ zusagt, schließt er nach Gen 9,8–17 einen Bund mit Noah und seinen
Söhnen, in den „alles Fleisch“ (Menschen und Tiere) einbezogen ist. Um
diesen dramatischen Übergang von der Vernichtung zur Bewahrung der
Schöpfung nachzuzeichnen, setzen wir mit einer kurzen Beschreibung der
priesterlichen Fluterzählung ein.
1. Kompositorische Aspekte
Die priesterliche Fluterzählung beginnt nach der Toledot-Überschrift
6,9aa mit dem Abschnitt 6,9ab–10, der zusammen mit 9,28 f einen Rah-
men um *6,9–9,29 bildet (s. Skizze 2). Da dieser Rahmen dem genealogi-
schen Grundmuster von 5,1–32 nachgebildet ist,49 wird die Fluterzählung
an den bisherigen Geschehensverlauf zurückgebunden und als Fortfüh-
rung der in 1,1–2,3 begonnenen Erzählung konzipiert. Wichtig für das
Gesamtverständnis ist dabei, dass mit Gen 5,1b–2 ein Rückgriff auf die
Gottebenbildlichkeit des Menschen erfolgt (V. 1b.3a, vgl. Gen 1,26 f mit
anderer Abfolge der Bildtermini) und mit dem Verb „segnen“ (V. 2b) der
Schöpfungssegen aus Gen 1,28 erinnert und aktualisiert wird.
„Damit wurzelt die Genealogie Adams im Schöpfungssegen: Der Segen wird wirksam,
und damit gehen die Genealogien aus der Schöpfung hervor. Die Menschheit kann nach
dem mörderischen Geschlecht der Kainiten neu beginnen.“50
Wie diese Kompositionsskizze deutlich macht, ist Noah die zentrale Figur
der priesterlichen Urgeschichte, weil er den Schöpfungssegen von Gen
1,26–28 weiter trägt und der nachflutlichen Menschheit durch Gottes
„Gedenken“ an ihn und die Lebewesen in der Arche (8,1a) eine Zukunft
eröffnet.52 Um dies zu verdeutlichen, müssen wir die priesterliche Fluter-
zählung etwas genauer in den Blick nehmen.
52 S. dazu Zenger, Gottes Bogen (s. Anm. 27), 103–136.201; Witte, aaO., 130–146 und M.
Arneth, Durch Adams Fall ist ganz verderbt … Studien zur Entstehung der alttesta-
mentlichen Urgeschichte (FRLANT 217), Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2007,
43–92.
53 Zu Gen 9,1ff s. O.H. Steck, Der Mensch und die Todesstrafe. Exegetisches zur Überset-
zung der Präposition Beth in Gen 9,6a, in: ThZ 53 (1997), 118–130; J. Ebach, Bild Gottes
und Schrecken der Tiere. Zur Anthropologie der priesterlichen Urgeschichte, in: ders.,
Ursprung und Ziel. Erinnerte Zukunft und erhoffte Vergangenheit, Neukirchen-Vluyn:
Neukirchener Verlag, 1986, 16–47; Baumgart, Umkehr des Schöpfergottes (s. Anm. 29),
290–334; W. Gross, Zukunft für Israel. Alttestamentliche Bundeskonzepte und die aktu-
elle Debatte um den Neuen Bund (SBS 176), Stuttgart: Verlag Katholisches Bibelwerk,
1998, 47–52; R. Oberforcher, Biblische Lesarten zur Anthropologie des Ebenbildmotivs,
in: A. Vonach / G. Fischer (Hg.), Horizonte biblischer Texte. FS J.M. Oesch (OBO 196),
Freiburg (Schweiz) / Göttingen: Academic Press / Vandenhoeck & Ruprecht, 2003, 131–
168, hier 147–149 u. a.
516 Bernd Janowski
Damit ist, wie die der Billigungsformel von Gen 1,31a („Und siehe: sie war
sehr gut“) gegenüberstehende Formulierung von Gen 6,12a („Und siehe:
sie war verderbt“) prägnant zeigt, „ein Totalumschlag von der idealen
Schöpfung in eine durch Gewalt pervertierte Welt ausgesagt“57, der Gott in
seiner Rede vor der Flut das „Ende allen Fleisches“ ankündigt (6,13–17a)58
ziert werden soll, um dort Sühne für die Israeliten zu schaffen, s. dazu B. Janowski,
Sühne als Heilsgeschehen. Traditions- und religionsgeschichtliche Studien zur priester-
schriftlichen Sühnetheologie (WMANT 55), Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag,
2
2000, 242–247.
56 Link, Schöpfung (s. Anm. 18), 396.
57 Oberforcher, Biblische Lesarten (s. Anm. 56), 145, vgl. Schmid, Schöpfung (s. Anm. 1),
80 f.
58 Möglicherweise unter Aufnahme von Am 8,2, s. dazu R. Smend, „Das Ende ist gekom-
men.“ Ein Amoswort in der Priesterschrift, in: ders., Die Mitte des Alten Testaments
(BEvTh 99), München: Chr. Kaiser Verlag, 1986, 154–159, vgl. J.Chr. Gertz, Beobach-
tungen zum literarischen Charakter und zum geistesgeschichtlichen Ort der nichtprie-
sterschriftlichen Sintfluterzählung, in: Auf dem Weg zur Endgestalt von Genesis bis II
Regum. FS H.-Chr. Schmitt (BZAW 370), hg. von M. Beck und U. Schorn, Berlin / New
York: de Gruyter, 2006, 41–57, hier 54 f.
518 Bernd Janowski
und von dem nur Noah, seine Frau, seine drei Söhne und deren Frauen
sowie je zwei Exemplare von allen Tieren (außer den Fischen) ausgenom-
men sind (6,18b–21), „um sie mit dir am Leben zu erhalten“ (6,19a, vgl. V.
20b). Dann nimmt das Geschehen nach 7,*6.11–24 seinen katastrophalen
Lauf, bis derselbe Gott, der die Flut gebracht hatte (6,13.17), deren tödli-
che Gewalt durch einen „Wind“ aufhält (8,1b, vgl. 1,2b!) und damit die
Erde wieder in ein Lebenshaus verwandelt (8,13a.14). Und genau an die-
sem Punkt, als das Wasser seinen Höchststand erreicht hatte (7,24), setzt
mit 8,1a die durch das „Gedenken“ Gottes herbeigeführte Wende ein:
7,24 Und das Wasser schwoll an auf der Erde 150 Tage.
8,1a Und Gott dachte ( )זכרan Noah und an alle Wildtiere
und an alles Vieh, das bei ihm in der Arche war.
8,1b Und Gott ließ einen Wind wehen über die Erde hin,
so dass das Wasser sank.
59 W. Schottroff, „Gedenken“ im alten Orient und im Alten Testament. Die Wurzel zākar
im semitischen Sprachkreis (WMANT 15), Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag,
2
1967, 187, vgl. 186 und Baumgart, Umkehr des Schöpfergottes (s. Anm. 29), 344 u. a.
Schöpfung, Flut und Noahbund. Zur Theologie der priesterlichen Urgeschichte 519
Wenn man diese sprachlichen Bezüge beachtet, so wird klar, dass die Bun-
deszusage von 6,18a im Gedenken Gottes an Noah und an alle Lebewesen
in der Arche (8,1a) realisiert wird. Das aber bedeutet, dass schon in der in
6,18a angekündigten Aufrichtung des Bundes die entscheidende Voraus-
setzung für das lebensförderliche Gedenken Gottes von 8,1a gegeben ist.
Mit der Handlungssequenz 6,18a („aufrichten“) – 8,1a („gedenken“) – 9,11
(„aufrichten“) / 12 („geben“) + 15 f („gedenken“) / 17 („aufrichten“) dürfte
die priesterliche Fluterzählung demnach die Intention verfolgen, dass das
beabsichtigte Aufrichten des Bundes (6,18a) das Gedenken dieses Bundes
(8,1a) nach sich zieht und im zukünftigen Gedenken Gottes (9,15 f) sich
der dann aufzurichtende (9,11) bzw. aufgerichtete Bund (9,17) ereignet,
und zwar als „ewiger Bund“. So wird die Erzählung von der schöpferi-
schen Erinnerung Gottes in der Flut zum Paradigma für sein zukünftiges
Handeln an der Menschheit und an Israel oder anders gesagt: „Gott wird
in Zukunft handeln, wie man ihn im Erzählten handeln sah.“60
Bundesschluss
den ich hiermit gebe zwischen mir und euch und jedem B
lebenden Wesen bei euch für ewige Geschlechter:
13 Meinen Bogen gebe ich hiermit in die Wolken,
und er wird dienen als Zeichen des Bundes zwischen mir A
und der Erde.
Wie W. Groß deutlich gemacht hat, stehen in V. 12 f das Partizip [„( ֹנ ֵתןdas
Zeichen des Bundes, den] ich hiermit gebe“) und die x-qatal-Form ָנ ַתִּתי
(„[meinen Bogen] gebe ich hiermit“) für Koinzidenz, d. h. für die „Identi-
tät zwischen dem Äußern des Satzes und der Realisierung des durch ihn
bezeichneten Sachverhalts“62. Damit wird der Bund realisiert, d. h. Gott
setzt seinen Bund aktuell ein, indem er das Zeichen des Bundes in die
Wolken gibt. Demgegenüber erläutern V. 15 f die Funktion des Bundes im
Blick auf die zukünftige Realisierung der in ihr beschlossenen Zusage,
wofür die Wendung „meines/des Bundes gedenken“ gebraucht wird. Jedes
Mal wenn dieses Zeichen – „der/mein Bogen“ – in den Wolken erscheint,
wird JHWH es „sehen“ und an den ewigen Bund „denken“, den er mit
Noah und der Schöpfung geschlossen hat. Der in die Wolken gegebene
Bogen ist als „der abgelegte, entspannte, von seiner Sehne befreite Bogen
… das Erinnerungszeichen Jahwes, dass er keine Vernichtungshandlungen
gegen die Erde und ihre Bewohner mehr ausführt“63. Die tödliche Ausein-
andersetzung zwischen dem Schöpfer und seiner Schöpfung ist beendet.
III. Zusammenfassung
61 Zur Textanordnung s. Arneth, Adams Fall (s. Anm. 55), 83–92, ferner Gross, Zukunft
für Israel (s. Anm. 56), 51 f.
62 Groß, aaO., 52.
63 U. Rüterswörden, Der Bogen in Gen 9, in: ders., Dominium terrae. Studien zur Genese
einer alttestamentlichen Vorstellung (BZAW 215), Berlin / New York: de Gruyter, 1993,
131–154, hier 151. Anders Zenger, Gottes Bogen (s. Anm. 27), 11–14.124–131.181,
demzufolge der Bogen das Machtsymbol des Schöpfergottes ist, der seine Königsherr-
schaft über die Erde antritt und damit deren Bestand garantiert.
Schöpfung, Flut und Noahbund. Zur Theologie der priesterlichen Urgeschichte 521
Bernd Janowski
Professor emeritus für Altes Testament
Universität Tübingen
Liebermeisterstr. 12
D – 72076 Tübingen
bernd.janowski@uni-tuebingen.de
64 E. Blum, Studien zur Komposition des Pentateuch (BZAW 189), Berlin / New York
1990, 330.
65 S. dazu B. Janowski, Die Einwohnung Gottes in Israel. Eine religions- und theologiege-
schichtliche Skizze zur biblischen Schekina-Theologie, in: ders. / E.E. Popkes (Hg.), Das
Geheimnis der Gegenwart Gottes. Zur Schechina-Vorstellung in Judentum und Chri-
stentum (WUNT), Tübingen: Mohr Siebeck, 2013 (im Druck).
66 Blum, aaO., 331.