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In modernen Gesellschaften strukturiert Geschlecht als soziale Ka-

tegorie wesentlich die Wahrnehmung und den gegenseitigen Blick


von Menschen. Doch nicht nur individuelle Wahrnehmungen und
gesellschaftliche Diskurse werden von gender, also beispielsweise
erlernten und anerzogenen angeblich typisch männlich/weiblichen
Verhaltensweisen, und sex, der vermeintlich biologischen Ge-
schlechtszugehörigkeit, maßgeblich geprägt.
Die starke Einteilung von Menschen in ‚Männer’ und
‚Frauen’, die sich zudem auch noch gegenseitig begehren sollten,
durchzieht familiäre Strukturen, Pop- und Subkultur, Sportgroßereig-
nisse und Lohnarbeitsverhältnisse. Heteronormativität, also die Se-
tzung von Heterosexualität als sozialer Norm, ist dabei zentral.
‚Frauen’ erhalten in der Bundesrepublik niedrigere Gehäl-
ter als ‚Männer’, das Erleben sexualisierter Gewalt verschiedenster
Eskalationsstufen gehört zum Alltag vieler Menschen. Menschen
mit lesbischen, schwulen, bisexuellen oder Transgender-Identitäten
werden diskriminiert, sind körperlichen Übergriffen ausgesetzt und
werden latent oder ganz deutlich als ‚unnormal’ bestimmt. Von den
Angriffen auf Gay-Pride-Paraden in Osteuropa über die Strafbar-
keit von Homosexualität im Iran hin zum Engagement von Frauen-
rechtsaktivistinnen in Ägypten: gender ist, zwar vor verschiedenen,
präzise zu trennenden gesellschaftlichen, ökonomischen und politi-
schen Hintergründen, von Gewicht, im Mikrokosmos unserer Allta-
ge und im großen Ganzen.
Die Veranstaltungsreihe trägt diesem Umstand Rechnung
und thematisiert Fragen nach sex und gender aus verschiedenen
Blickwinkeln.
Im Programm ist häufiger mit Unterstrich geschrieben, z.B.
„Feminist_innen“: Diese Schreibweise verdeutlicht den gap
between, die Lücke zwischen den ‚biologisch eindeutigen’
Geschlechtern und soll symbolisch all jene sprachlich Eine Veranstaltungsreihe des DemoZ
repräsentieren, die sich für Uneindeutigkeit und Nonkonformität
entschieden haben oder entscheiden mussten. Sie soll hinweisen
Wilhelmstarße 45/1, Ludwigsburg
auf die Konstruktion von Zweigeschlechtlichkeit. www.demoz-lb.de
Vortrag
Dienstag, 31. Mai 2011
Beginn 19:30
Eintritt frei, UKB erwünscht

Kein Geschlecht oder viele - warum es biologisch Frau und Mann nicht gibt Donnerstag, 16. Juni 2011
Beginn 20:00
Ein Vortrag mit Dr. Heinz-Jürgen Voss aus Hannover Eintritt frei
Ganz selbstverständlich nehmen wir für uns in Anspruch, Menschen
nach dem Geschlecht unterscheiden zu können. Wir erkennen sie
an Kleidung, beruflicher Qualifikation (der Chef ist niemals eine Vernissage „Iris Hellriegel“
Frau), seltener durch einen Blick auf die kulturell so aufgeladenen
Genitalien. Bart, übrige Körperbehaarung, Hüfte, Brustumfang sind Mit Ironie und vielfachen Böden übernimmt die Stuttgarter Perfor-
da schon legitimer als deutlich zugewiesene Merkmale, nach denen mancekünstlerin Iris Hellriegel die Hauptrolle in ihren inszenierten
wir gelernt haben, einen Menschen nach „Mann“ und „Frau“ sicher Fotografien und stellt unterschiedlichste Szenen nach. Mal erinnert
einzuordnen. Unter Berufung auf „natürliche Unterschiede“ wer- sie an Jack Sparrow aus Fluch der Karibik, mal an Mona Lisa mit
den auch immer wieder gesellschaftliche Ungleichbehandlungen dem Duchamp-Bart. Es ist das Spiel mit Rollen, das die Betrach-
und Diskriminierungen gerechtfertigt. ter_innen herausfordert. Diese werden aufgefordert, sowohl ihre
Aber: Was ist „natürlich“ an Geschlecht? Gibt es biologisch Sehgewohnheiten als auch Klischeevorstellungen zu hinterfragen.
zwei Geschlechter – oder haben wir das nur in der Schule so ge- Der Bezug zur Arbeit von Künstlerinnen wie Cindy Sher-
lernt? Der Ausarbeitung von „biologischem Geschlecht“ wird in man oder auch Claude Cahun, die in ihrer jeweiligen Schaffenszeit
den sich herausbildenden „modernen biologisch-medizinischen als die Vorreiterinnen der Auseinandersetzung mit Rollenbildern
Wissenschaften“ seit dem 17. / 18. Jahrhundert bis heute nachge- und (Geschlechts-) Identitäten in der bildenden Kunst betrachtet
gangen. Bei den aktuellen biologischen Geschlechtertheorien wird werden können, liegt nahe. Vieles, was wir in Hellriegels Arbeiten
offensichtlich, dass sich eine Interpretation, nach der es viele Ge- sehen, scheint uns aus Kunst, Kunstgeschichte, Pop- und Alltagskul-
schlechter geben muss, geradezu aufdrängt. tur vertraut. Doch immer ist da eine Irritation, ein Bruch mit dem,
was wir kennen und erwarten. So entsteht der Eindruck zwischen
Deja-vues und Fremdartigkeiten von Gendernauten.

(Die großen Flyerbilder sind Teile von Fotos von Iris Hellriegel.)

Vortrag Film
Donnerstag, 7. Juli 2011
Beginn 19:30 Das verordnete Geschlecht
Eintritt 3,-/4,-
Ein Film von Oliver Tolmein und Bertram Rotermund
Kopftücher, Homophobie und deutsche Leitkultur - Über die Verflechtung von Mit Michel Reiter und Elisabeth Müller
Kamera: Jörn Staeger
(antimuslimischem) Rassismus und Heteronormativität Musik: Schorsch Kamerun
Ein Vortrag mit Dr. Urmila Goel aus Berlin
„Für Ärzte ist Intersexualität eine Krankheit, die sie behandeln wol-
In letzter Zeit haben sich ungewohnte Koalitionen ergeben: Femi- len. Die Betroffenen werden durch die Eingriffe aber nicht geheilt,
nist_innen und schwul-lesbische Aktivist_innen verbünden sich mit sondern von frühester Kindheit an traumatisiert. Denn Zwitter
Konservativen, von denen sie sich sonst klar abgrenzen, mit dem ge- sind nicht und fühlen sich nicht krank - sie fordern Anerkennung.
meinsamen Feindbild ‚Muslim_innen‘. Denen, die als ‚Muslim_innen‘ Eines von 2000 Kindern wird ohne eindeutige Geschlechts-
kategorisiert werden, wird kollektiv unterstellt, dass sie Frauenrech- merkmale geboren. In den westlichen Industriegesellschaften ist die
te missachten und homophob sind. Dies wiederum wird als Recht- Existenz von Zwittern aber ein Tabu: Dass es nur zwei Geschlech-
fertigung genutzt, um ‚Muslim_innen‘ zu kontrollieren, disziplinie- ter gibt, Männer und Frauen, ist eine der grundlegenden gesell-
ren und aus der ‚deutschen‘ Gesellschaft zu verweisen. schaftlichen Normen, die nicht in Frage gestellt wird. Im Gegenteil:
Im Vortrag wird diskutiert, wie hierbei (antimuslimischer) Auch heute werden schwerwiegende und irreversible chirurgische
Rassismus und Heteronormativität (die normative Regelung von Eingriffe an den Genitalien von Kleinkindern vorgenommen, um sie
Geschlecht und Sexualität) miteinander verbunden sind, wie sie einem der beiden Geschlechter anzupassen.“
sich gegenseitig bedingen und gegeneinander ausgespielt werden. (aus: http://www.das-verordnete-geschlecht.de/)

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