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In diesem Kapitel lernen wir diverse Anwendungen der Differentialrechnung kennen:

• Maxima, Minima und Wendepunkte von Funktionen


• Kurvendiskussion
• Der Mittelwertsatz der Differentialrechnung und der Satz von Rolle
• L‘Hospitalsche Regeln zur Ermittlung von Grenzwerten undefinierter Ausdrücke
• Extremwertprobleme und Optimierung
• Newton Verfahren zur Bestimmung von Nullstellen
• Lineare Näherungen und Taylorreihen

Die Darstellung erfolgt in Anlehnung an Stewarts Calculus, hauptsächlich Kapitel 4

Die Bestimmung von Maxima, Minima, Wendepunkten und die damit verbundene
Kurvendiskussion ist meistens aus der Schule hinreichend bekannt. Wir geben hierzu nur
exakte Definitionen und Sätze und fassen uns in diesem Bereich relativ kurz.
Zunächst halten wir fest, was wir unter Definition: Maximum und Minimum
Maximum und Minimum verstehen: Eine Funktion f: D->E nimmt ihr absolutes oder globales
Maximum auf D an einer Stelle c∈D an, wenn für alle x∈D
f(c) ≥f(x) gilt. Der Funktionswert an dieser Stelle heißt dann
Maximalwert.
Eine Funktion f: D->E nimmt ihr absolutes oder globales
Minimum auf D an einer Stelle c∈D an, wenn für alle x∈D
f(c)≤f(x) gilt. Der Funktionswert an dieser Stelle heißt dann
Minimalwert.
Minimal- und Maximalwerte heißen Extremwerte von f.

Von den globalen Extremwerten unterscheiden wir die lokalen


Extremwerte:

Definition: lokales Maximum und Minimum


Eine Funktion f:D->E nimmt an einer Stelle c∈D ein lokales
Die hier gezeigte Funktion nimmt ihr oder relatives Maximum an, wenn in einer Umgebung von c
absolutes Minimum an der Stelle a und ihr f(c)≥f(x) gilt.
absolutes Maximum an der Stelle d an. Eine Funktion f:D->E nimmt an einer Stelle c∈D ein lokales
Die Stellen b, c und e sind lokale Maxima oder relatives Minimum an, wenn in einer Umgebung von c
oder Minima. f(c)≤f(x) gilt.

Anmerkung:
Hier und im Folgenden wollen wir unter einer Umgebung einer Stelle
c immer ein offenes Intervall (c-ε,c+ε) für ein ε>0 verstehen.
Globales Minimum an der Stelle Kein Minimum kein Lokale Minima bei x=0 und
x=0; kein Maximum Maximum x=3; globales Minimum bei x=3
Lokales Maximum bei x=1; kein
globales Maximum
In den Beispielen haben wir gesehen, dass Funktionen lokale und globale Maxima und Minima haben können oder
auch nicht. Der folgende Satz gibt Auskunft darüber, unter welchen Bedingungen die Existenz von globalem
Maximum und globalem Minimum gesichert ist:

Satz: Extremwertsatz
Wenn eine Funktion f auf einem abgeschlossenen Intervall [a,b] stetig ist, so nimmt sie auf diesem
Intervall an einer Stelle c ihr globales Maximum und an einer Stelle d ihr globales Minimum an.

Der Extremwertsatz sagt uns, dass aus der Bedingung


der Stetigkeit die Existenz von globalem Maximum
und Minimum folgt. Er sagt aber nichts darüber aus,
wie diese Stellen zu finden sind. Wir versuchen
deshalb zunächst lokale Maxima und Minima zu
finden:

Satz: Fermat‘s Theorem


Wenn f an einer Stelle c ein lokales Maximum
oder Minimum hat und die Ableitung an
dieser Stelle existiert, dann verschwindet die
Ableitung an dieser Stelle.
Satz: Fermat‘s Theorem
Wenn f an einer Stelle c ein lokales Maximum oder Minimum hat und die Ableitung an dieser
Stelle existiert, dann verschwindet die Ableitung an dieser Stelle.

Der Nachweis diese Theorems ist intuitiv, weshalb wir ihn hier
vorstellen:

Wir beschränken uns auf ein lokales Maximum. Für ein lokales
Minimum verläuft der Nachweis völlig analog.

Wenn f an einer Stelle c ein lokales Maximum hat, dann gilt für
hinreichend kleines positives oder negatives h:
f (c )  f (c  h )  f (c  h )  f (c )  0
Wenn h>0 bzw. h<0 erhalten wir durch Division durch h:
f (c  h )  f (c ) f (c  h )  f (c )
Achtung: h  0: 0 h  0: 0
Fermat‘s Theorem ist nur eine sogenannte h h
notwendige Bedingung für die Existenz Für h>0 bilden wir den rechtsseitigen Grenzwert, für h<0 den
eines lokalen Extremwertes: linksseitigen Grenzwert (beide Grenzwerte existieren, da die
Aus der Existenz eines lokalen Extrem- Differenzierbarkeit von f an der Stelle c vorausgesetzt wurde!)
wertes folgt, dass die Ableitung an der be- f (c  h )  f (c ) f (c  h )  f (c )
treffenden Stelle verschwinden muss. lim  f (c)  0 lim  f (c)  0
h 0 h h 0 h
Die Umkehrung gilt nicht!
Siehe z.B. die Funktion y=x³ Aus beiden Beziehungen zusammen folgt aber unmittelbar f‘(c)=0.

Definition: Kritischer Wert


Eine kritische Wert einer Funktion f:D->E ist eine Zahl c∈D, für die f‘(c)=0 gilt
oder für die f‘(c) nicht existiert.
Beispiel:
Man bestimme die kritischen Werte der Funktion
f ( x)  x 5   4  x 
3

Lösung: 12  8 x
Die Ableitung von f ist: f ( x)  2
5x 5
Kritische Werte liegen vor, wenn f‘(c)=0 oder wenn f‘(c) nicht
existiert:
 c1  0  c2  3
2

Mit Hilfe des Begriffs des kritischen Wertes kann Fermat‘s Theorem
wie folgt formuliert werden:

Fermat‘s Theorem (Alternative Formulierung)


Wenn f an der Stelle c ein lokales Maximum oder Minimum hat, so ist c ein kritischer Wert von f.

Man beachte wiederum, dass das eine Implikation und keine Äquivalenzaussage ist: Die Umkehrung gilt nicht!

Fermat‘s Theorem besagt also, dass man bei der


Suche nach lokalen Extremwerten zunächst nach
kritischen Wertensuchen sollte.
Ein gefundener kritischer Wert ist aber keine
Garantie für einen lokalen Extremwert!
Um die absoluten Extremwerte zu bestimmen halten wir zunächst fest, dass für eine auf einem
abgeschlossenen Intervall [a,b] stetige Funktion das globale Maximum(Minimum) entweder ein lokales
Maximum(Minimum) ist oder aber das globale Maximum liegt bei x=a oder x=b, also am Rand des
betrachteten Intervalls.
Der folgende Satz liefert uns das Verfahren zur Bestimmung von globalen Extremwerten:

Methode des abgeschlossenen Intervalls


Wenn f eine auf einem abgeschlossenen Intervall [a,b] stetige Funktion ist, so bestimmt
man die absoluten Extremwerte wie folgt:
1. Man bestimme die kritischen Werte auf (a,b), dem offenen Intervall zu [a,b].
2. Man bestimme die Werte von f an den Endpunkten des Intervalls: f(a) und f(b).
3. Der größte der Werte aus (1) und (2) ist das globale Maximum von f auf [a,b].
4. Der kleinste der Werte aus (1) und (2) ist das globale Minimum von f auf [a,b].

Beispiel:
Man bestimme die globalen und lokalen Extremwerte der Funktion
f(x)=x³-3x²+1 auf dem Intervall [-½,4]
Lösung:
Die kritischen Werte sind x=0 und x=2, wie man durch Nullsetzen der
ersten Ableitung leicht sieht. Die zugehörigen Funktionswerte sind
f(0)=1 und f(2)=-3. Am Rand hat die Funktion die Werte f(-½)=1/8 und
f(4)=17.
Der Punkt (2,-3) ist also das globale Minimum und der Punkt (4,17) das
globale Maximum. An der Stelle (0,1/8) liegt zusätzlich ein lokales
Maximum vor.
Viele Anwendungen der Differentialrechnung basieren auf dem Satz von
Rolle:

Satz von Rolle:


Es sei f eine Funktion, die den folgenden Bedingungen genüge:
1. f ist stetig auf [a,b]
2. f ist differenzierbar auf (a,b)
3. f(a)=f(b)
Dann existiert eine Stelle c∈[a,b] so dass f‘(c)=0 ist.

Die Beispiele zeigen verschiedene Funktionen für die die Voraussetzungen des Satzes von Rolle erfüllt sind.
Demnach ist der Satz von Rolle zunächst plausibel.
Nachweis: Wir unterscheiden 3 Fälle:
1. f(x)=const. : Die Aussage ist trivial
2. f(x)>f(a) für mindestens ein x∈(a,b) : Extremwertsatz und Fermat‘s Theorem sind anwendbar -> f‘(c)=0
3. f(x)<f(a) für mindestens ein x∈(a,b) : wie bei (2)
Der Satz von Rolle ist die Basis für den häufig verwendeten Mittelwertsatz der Differentialrechnung:

Mittelwertsatz der Differentialrechnung:


Es sei f eine Funktion, die den folgenden Bedingungen genüge:
1. f ist stetig auf [a,b]
2. f ist differenzierbar auf (a,b)
f (b)  f (a )
Dann existiert eine Stelle c∈(a,b) mit der Eigenschaft: f (c) 
ba

Die Aussage des Mittelwertsatzes


erscheint anhand der Beispiele
plausibel.
Nachweis:
Wir definieren eine neue Funktion:
f (b)  f (a )
h( x) : f ( x)  f (a )  ( x  a)
ba
mit der Eigenschaft f(a)=f(b)=0.
Auf diese Funktion können wir den
Satz von Rolle anwenden:
Es existiert ein c∈(a,b) mit h‘(c)=0.
Daraus folgt die Aussage des
Mittelwertsatzes.
Satz: Monotonie von Funktionen
Es sei f eine auf einem Intervall differenzierbare Funktion.
Wenn auf dem Intervall f‘(x)>0 ist, so ist f(x) auf dem gesamten Intervall streng monoton steigend.
Wenn auf dem Intervall f‘(x)<0 ist, so ist f(x) auf dem gesamten Intervall streng monoton fallend.

Satz: Test der 1. Ableitung


Es sei f eine auf einem Intervall stetige Funktion und c ein kritischer Wert von f in diesem Intervall.
1. Wenn f‘ das Vorzeichen von + nach – wechselt, so hat f an der Stelle c ein lokales Maximum.
2. Wenn f‘ das Vorzeichen von - nach + wechselt, so hat f an der Stelle c ein lokales Minimum.
3. Wenn f‘ an der Stelle c das Vorzeichen nicht wechselt, so hat f an der Stelle c weder ein lokales
Maximum noch ein lokales Minimum.
Definition: Konvex, Konkav
Es sei f eine auf einem Intervall I
differenzierbare Funktion.
Wenn die Tangente an die
Funktion für jedes x∈I unterhalb
des Graphen von f liegt, so heißt
f auf diesem Intervall konvex.
Wenn die Tangente an die
Funktion für jedes x∈I oberhalb
des Graphen von f liegt, so heißt
f auf diesem Intervall konkav.

Vergleicht man die Funktionen der


linken und rechten Darstellung, so
stellt man fest, dass für eine konvexe
Funktion die Ableitung eine monoton
steigende Funktion und für eine
konkave Funktion eine monoton
fallende Funktion ist:

Convex Satz: Test der Krümmung einer Funktion Concave


Es sei f eine auf einem Intervall I zweimal differenzierbare Funktion.
1. Wenn f‘‘(x)>0 für alle x∈I, so ist f auf I konvex
2. Wenn f‘‘(x)<0 für alle x∈I, so ist f auf I konkav.
Definition: Wendepunkt
Eine auf einem Intervall stetige Funktion f(x) hat an der Stelle c einen Wendepunkt, wenn die
Krümmung der Funktion an dieser Stelle von konvex in konkav oder umgekehrt übergeht.
Ist f in einer Umgebung von dieser Stelle zweimal differenzierbar, so ist dort f‘‘(c)=0.

Die Punkte B,C,D und P sind Wendepunkte

Satz: Test der 2. Ableitung


Es sei f eine in einer Umgebung von x=c zweimal differenzierbar und die 2.
Ableitung sei stetig. Dann gilt:
1. Wenn f‘(c)=0 und f‘‘(c)>0, dann hat f an der Stelle c ein lokales Minimum.
2. Wenn f‘(c)=0 und f‘‘(c)<0, dann hat f an der Stelle c ein lokales Maximum.
In vielen Kontexten benötigt man Angaben über die Stetigkeit und Differenzierbarkeit einer Funktion und
ihrer Ableitungen. Wir geben hierfür eine formale Schreibweise an:

Definition:
Eine Funktion f heißt auf einem Intervall I stetig differenzierbar, wenn sie differenzierbar ist und
die Ableitung auf I stetig ist.
Eine Funktion f heißt auf einem Intervall I n-mal stetig differenzierbar, wenn die n-te Ableitung
auf I existiert und diese dort stetig ist.
Wir schreiben:
f∈C0(I) ⇔ f ist stetig auf I
f∈C1(I) ⇔ f ist 1-mal differenzierbar auf I und die 1. Ableitung ist stetig auf I
f∈C2(I) ⇔ f ist 2-mal differenzierbar auf I und die 2. Ableitung ist stetig auf I
f∈Cn(I) ⇔ f ist n-mal differenzierbar auf I und die n.-te Ableitung ist stetig auf I
f∈C∞(I) ⇔ f ist beliebig oft differenzierbar auf I und alle Ableitungen sind stetig auf I

Beispiele
f(x)=|x| ∈ C0(ℝ) : f(x)=|x| ist auf ganz ℝ stetig aber nicht überall differenzierbar
f(x)=sin(x)∈ C∞(ℝ) : f(x)=sin(x) ist auf ganz ℝ beliebig oft differenzierbar und die Ableitungen sind alle stetig

Alle Polynome sind aus C∞(ℝ)

Es gilt die Inklusion: C 0 ( I )  C1 ( I )  C 2 ( I )   C  (I )


Wir geben ein Rezept mit allen Zutaten für Kurvendiskussionen an. In konkreten Fällen kann u.U. und je nach
Fragestellung der eine oder andere Punkt entfallen:

Rezept für Kurvendiskussionen:


1. Definitionsbereich D und Bild B der Funktion: Injektivität, Surjektivität, Bijektivität
2. Schnittpunkte mit den Koordinatenachsen; f(x)=0 und f(0)=y lösen.
3. Symmetrie: gerade oder ungerade Funktion; Periodizität
4. Vertikale Asymptoten (Polstellen); hebbare Unstetigkeiten
5. Verhalten am Rand von D bzw. im Unendlichen; horizontale Asymptoten
6. Lokale Maxima und Minima, Monotonie-Intervalle
7. Krümmung und Wendepunkte
8. Skizze des Graphen der Funktion
Man diskutiere die Funktion f ( x)  x  e x ( an der Tafel)
cos x
Man diskutiere die Funktion f ( x)  ( an der Tafel)
2  sin x
Man diskutiere die Funktion y  ln  4  x 2  ( an der Tafel)
An den Stellen x=0 und x=2 befinden sich 2 positive Einheitsladungen und an der
(variablen) Stelle x eine negative Einheitsladung.
Nach dem Coulomb-Gesetz ist die Kraft auf die negative Ladung gegeben durch
k k
F ( x)  
x 2 ( x  2) 2
Man diskutiere die Kraft als Funktion des Ortes x. ( An der Tafel)
Belastest man eine reale Spannungsquelle mit Innenwiderstand Ri
durch einen Verbraucher (Aussenwiderstand R), so ist die
Leistung, die man der Spannungsquelle entnehmen kann eine
Funktion von R:
R
P ( R )  U q2 
 R  Ri 
2

Man leite diese Beziehung aus den Kirchoff'schen Gesetzen und


dem Ohm'schen Gesetz her und diskutiere die Funktion P(R).

(An der Tafel)


Wir geben ein paar Beispiele für Optimierungsprobleme. Siehe auch Übungsblatt 6
Unter einem indefinierten Ausdruck oder einer indefinierten Form wollen wir Grenzwerte der Form „∞/∞“,
„0/0“ oder „0⋅∞“ verstehen. Der Grenzwert sin(x)/x für x gegen 0 ist ein Beispiel einer indefinierten Form.

Satz: L‘Hospitalsche Regel


Es sei I ein offenes Intervall und a∈I eine reelle Zahl oder +/-∞. Ferner
seien f und g auf I\{a} differenzierbare Funktionen und g‘(x)≠0 für alle x∈I.
f ( x) f ( x)
Wenn lim f ( x)  0  lim g ( x)  0 , dann ist lim  lim
x a x a xa g ( x) x a g ( x)
f ( x) f ( x)
Wenn lim f ( x)    lim g ( x)   , dann ist lim  lim
x a x a x a g ( x) x a g ( x)

Anmerkung:
Der Fall „0⋅∞“ ist in diesen Regeln eingeschlossen:
lim f ( x)
lim f ( x)  0  lim g ( x)    lim f ( x)  lim g ( x)  xa
xa xa x a x a 1
lim
xa g ( x)
Der letzte Grenzwert ist aber von der Form „0/0“

Beispiele:
tan x  x 1
"0" ln x 1 " " ln x 1
3 lim 
: lim  lim  1
x : lim 3  lim 1 x 2  lim 3  0 x 0 x3 3
0 x 1 x  1 x 1 1  x  x x  3 x 3 x  x
An der Tafel
1
ln x
"0   ": lim  x  ln x   lim  lim x
 lim   x   0
x 0 x 0 1
x
x 1  x12 x 0 Weitere Beispiele
in den Übungen!
Ist eine Funktion f(x) in einer Umgebung der Stelle x=a differenzierbar,
so lässt sie sich in dieser Umgebung durch ihre Tangente ersetzen. Wir
sprechen von der linearen Näherung der Funktion f(x) an der Stelle a:

Lineare Näherung: y  L( x)  f (a )  f '(a )   x  a 

Formal erhält man die lineare Näherung aus der Forderung, dass die
lineare Funktion mit der Funktion f(x) an der Stelle x=a den gleichen
Funktionswert und den gleichen Wert der ersten Ableitung hat.

Ansatz: y=L(x)=b0+b1(x-a)

Bedingungen: L(a)=f(a) und L‘(a)=f‘(a)

Beispiel:
Lineare Näherung an der Stelle a=1 für f ( x)  x  3
Lineare Näherung: y  14 x  74
Ist eine Funktion f(x) in einer Umgebung der Stelle x=a zweimal differenzierbar, so lässt sie sich in dieser
Umgebung durch eine quadratische Funktion ersetzen. Wir sprechen von der quadratischen Näherung der
Funktion f(x) an der Stelle a:
f (a )
y  Q( x)  f (a )  f '(a )   x  a    x  a
2
Quadratische Näherung:
2
Formal erhält man die quadratische Näherung aus der Forderung, dass die quadratische Funktion mit der
Funktion f(x) an der Stelle x=a den gleichen Funktionswert, den gleichen Wert der ersten Ableitung und den
gleichen Wert der zweiten Ableitung hat.

Ansatz: y=Q(x)=b0+b1x+b2x²

Bedingungen: Q(a)=f(a) und L‘(a)=f‘(a) und Q‘‘(a)=f‘‘(a)


Das Verfahren der linearen und quadratischen Näherung kann man auf höhere Ordnungen übertragen:
Zum Beispiel:
Kubische Näherung

Ansatz: y=K(x)=b0+b1(x-a)+b2(x-a)²+b3(x-a)³

Bedingungen: K(a)=f(a) und K‘(a)=f‘(a) und K‘‘(a)=f‘‘(a) und K‘‘‘(a)=f‘‘‘(a)


f (a ) f (a ) f (a ) f (a )
K ( x)    x  a   x  a   x  a
2 3
Ergebnis:
0! 1! 2! 3!
f (a ) f (a )
 f (a )  f (a )  x  a    x  a   x  a
2 3

2 6
Taylorpolynom:
Wenn eine Funktion f(x) hinreichend oft differenzierbar ist, so kann f(x) in der Umgebung einer Stelle x=a
durch ein Polynom n-ten Grades genähert werden:

f (a) f (a) f (a) f ( n ) (a )


y  Tn ( x)    x  a   x  a    x  a
2 n

0! 1! 2! n!
Den dabei entstehenden Fehler bezeichnet man als Restglied: Rn ( x) : f ( x)  Tn ( x)
( n 1)
Für dieses Restglied gilt: Rn ( x)  f ( z)
 x  a  für ein (unbekanntes!) z zwischen x und a.
n 1

(n  1)!

In vielen Fällen verwendet man als Entwicklungsstelle a=0. Dann lautet das Taylorpolynom n-ten Grades:
f (0) f (0) f (0) 2 f ( n ) (0) n
y  Tn ( x)   x x   x
0! 1! 2! n!
x3 x5
sin x  x    
3! 5!
x2 x4
cos x  1    
2! 4! Die Funktion y=sin(x) und die Taylorpolynome T1(x) bis T7(x)
x 2 x3 x3
e  1 x   
x
T1 ( x)  x T3 ( x)  x 
2! 3! 6
x3 x5 x3 x5 x7
T5 ( x)  x   T7 ( x)  x   
6 120 6 120 5040
Die Nullstellenbestimmung ist für viele auftretende Fragestellungen von zentraler Bedeutung:
Kurvendiskussion, Extremwerte, Wendepunkte
Leider lassen sich die meisten Gleichungen der Form f(x)=0 nicht analytisch lösen.

Beispiele:
Die lineare Funktion y=mx+b hat für ≠0 genau eine Nullstelle x=-b/m

Quadratische Funktionen y=ax²+bx+c haben keine, eine oder zwei Nullstellen: p p2


Die Gleichung ax²+bx+c=0 lässt sich für a≠0 immer in der Form x²+px+q= darstellen: x1,2    q
2 4
Nullstellen kubischer Funktionen sind die Lösungen von Gleichungen der Form ax³+bx²+cx+d=0
Hier gibt es analog zur p-q-Formel die Gleichungen von Cardano, zur Ermittlung der Nullstellen. Diese
Formeln sind bereits deutlich komplizierter als die p-q-Formel und werden deshalb in der Praxis kaum
verwendet.

Für Polynome mit Grad n>4 gibt es keine Lösungsformeln mehr!


(das ist ein exakter mathematischer Satz; es liegt also nicht am menschlichen Unvermögen)

Bei nicht polynomialen Gleichungen sieht es in der Regel noch schlimmer aus:

Suchen wir z.B. die Lösungen der Gleichung x=cos(x), so ist dies
gleichbedeutend damit, die Nullstelle der Funktion f(x)=cos(x)-x
zu bestimmen
Wir entnehmen dem Grafen, das eine solche Nullstelle existiert,
haben aber keine Möglichkeit für deren Berechnung.

In solchen Situationen benötigen wir numerische Verfahren, die es


uns gestatten, die Lösung von f(x)=0 zumindest näherungsweise
zu berechnen.
Das mit Abstand wichtigste Verfahren zur numerischen Berechnung von Nullstellen ist das Newton Verfahren.
Dieses Verfahren ist eine Anwendung der Idee der linearen Näherung einer Funktion in einer Umgebung einer
Stelle x0:

Die Grundidee ist bestechend einfach:


In der Regel hat man eine Idee, wo in etwa die Nullstelle zu suchen ist. Dann
kann man die Funktion f(x) an einer geratenen Stelle x1 linearisieren und die
Nullstelle der Tangente bestimmen:

Gegeben:  x1 , f ( x1 ) 
Lineare Näherung: y  f ( x1 )  f ( x1 )   x  x1 

Nullstelle x2 der linearen Näherung sollte eine bessere Näherung für den
wahren Wert der Nullstelle sein:
f ( x1 )
x2  x1 
f ( x1 )
Das Verfahren lässt sich mit x2 als Startwert wiederholen:
f ( x2 )
x3  x2 
f ( x2 )

Allgemein können wir im n-ten Schritt einen (n+1)-ten Näherungswert für


die Nullstelle berechnen:
f ( xn )
Newton Verfahren: xn 1  xn 
f ( xn )
Wir wollen das Newton Verfahren auf die Gleichung cos(x)-x=0
anwenden, also die Nullstelle der Funktion f(x)=cos(x)-x
bestimmen:
Die Ableitung von f(x) ist f‘(x)=-sin(x)-1, so dass das Newton
Verfahren sich in diesem Fall schreibt als:
cos xn  xn
xn 1  xn 
1  sin xn
Der Skizze entnehmen wir, dass die Nullstelle in der Nähe von
x0=1 liegen muss. Wir wählen diesen Wert als Startwert und
erhalten:
x1≈0.75036387
x2≈0.73911289
x3≈0.73908513
x4≈0.73908513

Nach 4 Schritten haben wir 8 gültige Dezimalziffern erhalten!


Im Schnitt gewinnen wir also pro Iteration 2 gültige Dezimalziffern,
eine Genauigkeitsverbesserung von 100 pro Newton Schritt.

Das ist typisch für das Newton Verfahren: wir sprechen von
quadratischer Konvergenz, da wir 2 Zehnerpotenzen an
Genauigkeit pro Schritt gewinnen.
Verwendet man auf einem Taschenrechner oder Computer die Wurzelfunktion, so muss das Gerät einen
hinreichend genauen Näherungswert unter alleiniger Verwendung der 4 Grundrechenarten bestimmen.
Allgemein gilt, dass jede Funktion, die sich nicht durch die 4 Grundrechenarten darstellen lässt, nur durch
sogenannte rationale Näherungen, also durch Formeln, die nur die 4 Grundrechenarten verwenden,
berechnet werden kann.
Wir wollen dies zunächst am Beispiel der Quadratwurzel und dann für beliebige Wurzeln nachvollziehen:

Die Bestimmung von a durch rationale Näherungen:


Hierzu können wir die Gleichung f(x)=x²-a=0 mit Hilfe des Newton Verfahrens numerisch lösen. Wir
erhalten: 2
xn  a
f ( x)  x ²  a  f ( x)  2 x  xn 1  xn 
2 xn
1  a
Zur Berechnung der Näherungen benötigen wir nur die Grundrechenarten! xn 1    xn  
Das ist das schon früher betrachtete Heronsche Verfahren ! 2  xn 
Das Verfahren konvergiert für jeden Startwert x0!

Newton Verfahren zur Bestimmung von beliebigen Wurzeln


Zur Bestimmung von p a lösen wir die Gleichung f(x)=xp-a=0 mit Hilfe des Newton Verfahrens:

(an der Tafel) xnp  a


xn 1  xn 
p  xnp 1

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