Freitag, 16.
September 2022
Die spinnen, die Velofahrer
Der Kampf um Hundertstel Wenn Stefan Küng, Marlen Reusser und Co. dieses Wochenende um die Weltmeistertitel
im Zeitfahren kämpfen, spielen auch Tüftler eine Rolle. Um Sekunden zu sparen, entwickeln sie Kuriositäten.
Herbie Egli und
Pia Wertheimer
Es scheint, als würden Stefan
Küng, Marlen Reusser oder
Stefan Bissegger im Zeitfahren
einen einsamen Kampf gegen
die Uhr austragen. Doch wenn sie
dieses Wochenende an der Welt­
meisterschaft im australischen
Wollongong allein auf die Strecke
gehen, profitieren sie von der
Schützenhilfe von Heerscharen
von Wissenschaftlern. Akribisch
analysieren und testen diese seit
Jahren den Luftwiderstand von
Fahrerinnen und deren Fahr­
rädern. Die Tüftler nehmen dabei
jeden Zentimeter unter die Lupe
– und entwickeln auf der Jagd
nach Sekunden neue Textilien,
Helme oder Hautgels.
Zuweilen sehen die Entwick­
lungen der Wissenschaftler
derart absurd aus, dass sie für
Aufsehen und Gespött in den
sozialen Netzwerken sorgen.
Und manchmal werden sie vom
internationalen Radverband,
kaum eingesetzt, gleich wieder
verboten, weil sie den Wettbe­
werb verzerren. Eine Übersicht:
— Von Sturmhauben und
kleinen, grünen Drachen
Der Kopf der Zeitfahrer ist für die
Wissenschaftlerinnen eine regel­
rechte Knacknuss. Er bietet dem
Wind eine der grossen Angriffs­
flächen, was den Luftwiderstand
erhöht und wertvolle Sekunden
kostet. Während die Fahrer frü­
her ganz ohne Kopfbedeckung
antraten, sind die Helme heute
nicht nur ein Schutz, sondern
auch ein aerodynamischer
Vorteil. Stundenlang testen die
Ingenieure die Helme im Wind­
kanal – auf der Suche nach der
windschlüpfrigsten Form.
Für Aufsehen sorgt besonders
Stefan Bisseggers Kopfbede­
ckung. Er tritt mit einem Helm
aus dem Hause Poc an. Dieser
sieht aus wie ein nach hinten
geschwungener Topf, der sich
über Ohren und Nacken legt.
Stirnseitig ist der Helm mit zwei
langen Lüftungslöchern verse­
hen – aus denen zuweilen die
Haare des Rennfahrers wie
kleine Hörner herausragen.
An der diesjährigen Tour de
France arbeitete der Helmher­
steller fürs Design mit einer bri­
tischen Skateboard- und Kleider­
firma. Diese machte aus den
beiden Löchern kurzerhand das
Augenpaar eines grünen Comic-
Drachens. Das kleine Monster
bringt Bissegger aber kein Glück:
Beim Auftaktzeitfahren stürzte
der Thurgauer gleich zweimal
auf der regennassen Strasse. An
der EM im München fuhr er ohne
den Drachen – und krönte sich
zum Europameister.
Dieses Jahr sorgte bei der
Tour noch ein anderer Helm für
Aufsehen: Etliche Fahrerinnen
und Fahrer trugen einen neuen
Helm von Specialized – darunter
die Schweizerin Marlen Reusser
und der Slowake Peter Sagan.
In diesem ist eine Sturmhaube
eingebaut, die den Luftstrom um
das Gesicht besser regeln soll.
Gemäss Hersteller spart die
Fahrerin damit bei einem
40 Kilometer langen Zeitfahren
nicht weniger als 26 Sekunden.
Doch nicht immer stimmt die
Theorie mit der Praxis überein.
Beim Zeitfahren kämpfen Fahrerinnen und Fahrer allein gegen die Zeit und physikalische Gesetze.
Denn: Yves Lampaert gewann
zwar das erste Zeitfahren an der
Tour mit einem Specialized-
Helm. Allerdings handelte es sich
dabei um das Vorgängermodell
– ohne Sturmhaube.
— Millimeterarbeit beim
Beinkleid
Viel diskutiert werden auch die
Socken und Schuhüberzüge der
Rennfahrer. Einige Überzieher
sind aus elastischem Material
mit spezieller Beschichtung,
damit der Luftstrom möglichst
wenig Reibung verursacht. Die
Höhe der Beinkleider ist durch
den Radweltverband denn
auch genau geregelt: «Socken
und Überschuhe dürfen im
Wettkampf nicht über die halbe
Distanz zwischen Knöchel und
der Mitte des Wadenbeinköpf­
chens hinausgehen», steht im
Reglement. Das wurde nötig, weil
die findigen Ingenieure immer
höhere Socken entwarfen,
schliesslich sind windschlüpfrige
Textilien aerodynamischer als
die menschliche Haut.
Eine Norm, die Schiedsrichter
regelmässig kontrollieren. Etwa
an der Rad-WM 2019 in York­
shire. Die Niederländerin Amy
Pieters musste vor dem Start
mit der Mixed-Staffel ihren
Überzieher einige Zentimeter
nach unten schieben. Sie hätte
ihn während des Rennens auch
wieder hochziehen können.
Nötig war das nicht: Pieters
gewann auch so den WM-Titel.
— Mal wie Superman,
mal wie ein Hase
Die grösste Angriffsfläche für
die Luft bietet die Fahrerin, das
Rad macht bei der Berechnung
des Luftwiderstandes ungefähr
20 Prozent aus. Entsprechend
sind klein gewachsene Fahrer
gegenüber den grossen im Vor­
teil. Entscheidend ist deshalb die
Position auf dem Rad. Diese hat
sich über die Jahre verändert.
Früher traten die Zeitfahrer in
der sogenannten Superman-­
Position mit weit nach vorn
gestreckten Armen an. Die Arm­
auflagen der Zeitfahrerinnen
und -fahrer thronen heute
regelrecht auf Stelzen auf dem
Lenker. Die Fahrerinnen ver­
stecken ihr Gesicht dabei hinter
ihren Händen. Statt Superman
ähnelte Stefan Küng deshalb
an der EM eher einem Hasen.
Schnell war er auch so: Er
gewann Silber.
— Wenn es um Zeit geht,
ist Haar nicht gleich Haar
Das Bild sorgte 2016 für Aufse­
hen: Anders als alle Konkurren­
ten trat der damalige Weltmeis­
ter Peter Sagan an einer Tour
in Argentinien mit unrasierten
Beinen an. Das bewog den itali­
enischen Fahrer Vincenzo Nibali,
ihm zum Geburtstag eine Rasier­
klinge zu schenken.
Schliesslich hatten Ingenieure
von Specialized zwei Jahre zuvor
im Windkanal festgestellt: Glatte
Beine reduzieren den Luftwider­
stand um etwa sieben Prozent.
Ein Athlet könne bei einem
Zeitfahren von 49 Kilometern
mehr als eine Minute wett­
machen. Andere Tests gingen von
40 bis 90 Sekunden auf 40 Kilo­
meter aus.
Es spielt aber durchaus eine
Rolle, wo die Haare wachsen.
Denn: Wie die Tüftlerinnen
ebenfalls im Windkanal feststell­
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Sport
Fussball – Champions League
Gruppe A
Liverpool - Ajax Amsterdam
Rangers - Napoli
1. Napoli
2. Liverpool
2 6 3. Ajax
2 3 4. Rangers
Dienstag
2:1 (1:1)
0:3 (0:0)
2 3
2 0
Gruppe B Dienstag
Leverkusen - Atlético Madrid 2:0 (0:0)
Porto - FC Brügge 0:4 (0:1)
1. Brügge 2 6 3. Atlético 2 3
2. Leverkusen 2 3 4. Porto 2 0
Gruppe C Dienstag
Bayern - Barcelona 2:0 (0:0)
Viktoria Pilsen - Inter 0:2 (0:1)
1. Bayern 2 6 3. Inter 2 3
2. Barcelona 2 3 4. Pilsen 2 0
Gruppe D Dienstag
Marseille - Frankfurt 0:1 (0:1)
Sporting Lissabon - Tottenham 2:0 (0:0)
1. Sporting 2 6 3. Frankfurt 2 3
2. Tottenham 2 3 4. Marseille 2 0
Gruppe E Mittwoch
Milan - Dinamo Zagreb 3:1 (1:0)
Chelsea - Salzburg 1:1 (0:0)
1. Milan 2 4 3. Salzburg 2 2
2. Zagreb 2 3 4. Chelsea 2 1
Gruppe F Mittwoch
Schachtar Donezk - Celtic 1:1 (1:1)
Real Madrid - Leipzig 2:0 (0:0)
1. Real Madrid 2 6 3. Celtic 2 1
2. Schachtar 2 4 4. Leipzig 2 0
Gruppe G Mittwoch
FC Kopenhagen - Sevilla 0:0
Manchester City - Dortmund 2:1 (0:0)
1. Man. City 2 6 3. Kopenhagen 2 1
2. Dortmund 2 3 4. Sevilla 2 1
Gruppe H Mittwoch
Juventus - Benfica Lissabon 1:2 (1:1)
Maccabi Haifa - PSG 1:3 (1:1)
1. PSG 2 6 3. Juventus 2 0
2. Benfica 2 6 4. Maccabi Haifa 2 0
Europa League
Foto: AP
Gruppe A,2. Runde Gestern
Bodö/Glimt - FC Zürich n. Red.
ten, bringt ein Bart – wie ihn es gegen das Team Sky Vorwürfe. Arsenal - Eindhoven verschoben auf 20.Okt.
etwa Anthony Turgis an der Tour Grund dafür waren die Anzüge
de France trug – einem Zeitfah­ der Fahrer, die an den Schulter-
rer kaum Nachteile: Er macht auf und Armpartien mit kleinen Kör­ Conference League
40 Kilometer nur knapp eine nern versetzt waren. Während
Gruppe E, 2. Runde Gestern
Sekunde aus. die Organisatoren den Stoff als Alkmaar - Vaduz 4:1 (1:1)
Rasieren ist aber nicht alles, zulässig werteten, verbot ihn Apollon Limassol - Dnjpro 1:3 (0:3)
was die Fahrer mit ihren Beinen der Radverband anderthalb
tun können: 2018 kam in einem Jahre später: Er verändere die
Rennen in Frankreich ein «Aero­ «Morphologie des Fahrers». Nachrichten
gel» zum Einsatz – ein Gemisch
aus Körnern und Öl. Die Fahrer Schiedsrichterinnen
strichen damit ihre Unterschen­ Ein technischer Kurs mit streiken erfolgreich
kel und Knie ein, um deren Luft­ vielen Richtungsänderungen
widerstand zu verringern. Der Fussball Die Schiedsrichterinnen
Entwickler gab an, diesen mit Das WM-Zeitfahren im im spanischen Frauenfussball ha­
der Salbe um mehrere Prozent australischen Wollongong erlebt ben ihren Streik nach der Erfüllung
senken zu können. Seine Er­ eine Premiere. Erstmals fahren ihrer Forderungen nach einerWo­
kenntnisse wurden nie publi­ Frauen und Männer auf der che beendet. Nach der Einigung
ziert, weshalb es keine wissen­ gleichen Strecke und über die mit dem Verband bekommen sie
schaftliche Diskussion dazu gab. gleiche Distanz. Die Schweizer für jedes Spiel künftig 1666 Euro
Für den internationalen Radver­ Medaillenanwärter haben sich statt bisher 320 Euro, schrieb die
band spielte das allerdings keine nach der langen Reise gut Zeitung «Mundo Deportivo» ges­
Rolle. Er hat das Gel kurz nach akklimatisiert und die Strecke tern. Für die Linienrichterinnen
dem ersten Einsatz verboten. bereits besichtigt. gebe es künftig 1066 Euro je Spiel
Der 34,2 km lange Kurs statt bisher 160 Euro. (dpa)
— Der Trick mit dem stellt die Teilnehmerinnen und
körnigen Stoff Teilnehmer vor gewisse Heraus­ Jérôme Kym
Während vor wenigen Jahrzehn­ forderungen. «Es ist eine
auf Erfolgskurs
ten die Rennfahrer noch in Woll- technische Strecke mit vielen
oder Baumwollshirts unterwegs Richtungsänderungen. Es kommt Tennis Der Möhlemer Jérôme
waren, tragen sie heute hautenge stetig zu Rhythmuswechseln, und Kym (ATP-456) erfreut sich wei­
Anzüge aus unterschiedlichen man muss nach jeder Kurve terhin einer ausgezeichneten
Materialien. Denn in akribischen wieder beschleunigen», sagt Form. Beim ITF-Turnier (Stufe
Tests haben die Zeitsparerinnen Stefan Küng. 25’000) in Plaisir (FRA) besiegte
festgestellt, dass bestimmte Tex­ Vor genau diesen Kurven hat er gestern den Franzosen Mitja­
turen in den Kleidungsstücken Marlen Reusser Respekt und na Leny glatt mit 6:1, 6:3 und
etwa die Luftverwirbelung an stapelt tief. «Es ist eine geniale steht im Viertelfinal. (twi)
Schultern und Armen verringern Strecke, aber sie entspricht nicht
und so auch den Widerstand. unbedingt meinen Fähigkeiten. Für
Deshalb liefern die Textilien mich ist es schwierig, die Bremse Eishockey – National League
immer wieder Diskussionsstoff. in der Kurve loszulassen und mit
Saisonauftakt
So auch an der Tour de France Vollgas durchzufahren», sagt die
Heute Bern - Zug 19.45
2017: Nachdem Geraint Thomas Zeitfahr-Europameisterin. Einen Fribourg - Ambri 19.45
das erste Zeitfahren gewonnen Podestplatz würde sie gerne Lausanne - Biel 19.45
hatte und sich mehrere seiner nehmen, aber wegen ihrer Lugano - Ajoie 19.45
Mannschaftskollegen unter den Kurventechnik sei dieses Ziel SCL Tigers - ZSC Lions 19.45
Top Ten befunden hatten, hagelte schwer zu erreichen. (heg) Servette - Davos 19.45