Beruflich Dokumente
Kultur Dokumente
II
SO DENKEN UND
HANDELN DIE PROFIS
SPITZENPERFORMANCE MIT
MENTALTRAINING
FBV
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichn et diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte
bibliografische Daten sind im Internet über http://d-nb.de abrufbar.
1. Auflage 2012
© 2012 by FinanzBuch Verlag, ein lmprint der MünchnerVerlagsgruppe GmbH
Nymphenburger Straße 86
D-80636 München
Tel.: 089 651285-0
Fax: 089 652096
Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vor-
behalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes
Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektroni-
scher Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden ..
Danke, dass es euch gibt und ihr Teil meines Lebens seid -
Sabine, Jens, Christoph.
Ohne euch hätte es dieses Buch nicht gegeben!
Inhalt
Vorwort ........................................................................................................... 9
2. Trader-Ängste - der größte Feind des Traders ist die Angst .............. 37
2.1 Die Angst unter der Angst ..................................................................... 39
2.2 Sinnvolle Ängste ..................................................................................... 41
2.3 Sinnlose Ängste ....................................................................................... 42
2.4 Trading-Ängste sind sinnlose Ängste .................................................. 43
2.5 Jeder hat seine individuelle Angstgrenze ........................................... 44
2.6 Habe ich verloren - oder bin ich ein Verlierer? .................................. 45
2. 7 Wie uns die ersten Lebensjahre prägen ................................................ 49
Das zentrale Thema beim Börsenhandel sind Gefühle, vor allem Ängste. In die-
sem Buch geht es mir darum, Ihnen zu zeigen, wie diese kraftvollen Gefühls-
zustände beim Iraden entstehen und was Sie wirkungsvoll tun können, um
dennoch die richtigen Entscheidungen zu treffen. Wer beim Trading langfristig
Erfolg haben möchte, braucht dafür ein gewisses mentales Wissen, das er kon-
tinuierlich anwendet. Der Händler benötigt sozusagen ein Trading-Gehirn. Um
das zu entwickeln, muss er konstant an sich arbeiten. Je früher, desto besser!
Profis wissen das und trainieren sich die nötigen Voraussetzungen und das
Fachwissen an. Der Anfanger vernachlässigt diesen Aspekt des Tradings meist
vollkommen. Das führt dazu, dass er bei jedem Irade, manchmal sogar bei
jeder kleinen Bewegung des Marktes verunsichert wird. Ständig bangt er dann
um sein Geld, seinen Irade und seinen Erfolg. Wer in diesem Gefühlskarus-
sel agiert, hat es sehr schwer, sachliche Entscheidungen zu treffen und seine
Irades routiniert umzusetzen. Das ist einer der Hauptgründe, weshalb so viele
beim Trading scheitern. Sie handeln ihre Emotionen und nicht ihre Irades.
Ich bin davon überzeugt, dass Trading zu 100 Prozent Psycho logie ist. Denn
ohne die Psyche und Psychologie wäre niemand in der Lage gewesen, all die
anderen wichtigen Faktoren wie etwa Risikomanagement, Moneym anagement,
Positionsgrößenberechnung oder die Ausarbeitung eines profitablen Regelwer-
10
kes zu kreieren. All diese sehr nützlichen Tools helfen kaum, wenn man nicht
in der Lage ist, sie diszipliniert anzuwenden. Und nur wer seine Emotionen
beherrscht, der beherrscht auch das Trading. Denn Trader scheitern nicht am
Handelssystem - sie scheitern an der Durchführung desselben, sie scheitern an
sich! Viele wissenschaftliche Studien haben das eindeutig bewiesen.
Der Mensch wird von seinen Emotionen gesteuert. Wenn Sie es schaffen, Ihr
Unterbewusstsein als Verbündeten ins Boot zu holen, dann geht vieles beim
Iraden sehr viel leichter. Ich möchte fast sagen: wie von selbst! Profls sind
beim Iraden in der Lage, das Richtige so selbstverständlich zu tun wie atmen.
Sie müssen nicht mehr darüber nachdenken, was richtig und was falsch ist.
Sie handeln automatisch, basierend auf ihrem Wissen, ihren Erfahrungen und
ihren Fähigkeiten. Sie erfmden keine Chancen, sie fmden sie und setzen sie
dann mithilfe des erlernten Verhaltens um. Sie wissen: Den Rest entscheidet
der Zufall. Mehr geht nicht. Deshalb haben sie auch keine Angst vor Verlus-
ten, weil sie verstanden haben, dass sie Teil eines jeden Irades sein können.
Immer. Für sie zählt nicht der einzelne Irade, sondern die Summe aller Irades.
Damit auch Sie ein erfolgreicher Trader werden können, gebe ich Ihnen vie-
le Tipps, wirksame Übungen und stelle Ihnen das gezielte Selbstcoaching-
Programm vor. All diese Erkenntnisse habe ich in meiner eigenen Trading-
Lautbahn schmerzhaft erfahren müssen.
Ich beschreibe also nicht nur, sondern berichte vor allem von dem, was ich
selbst mühsam erlernt habe und teuer an der Börse bezahlen musste. Ich hof-
fe sehr, dass Sie seltener auf die Nase fallen, als ich es tat. Mit diesem Buch
haben sie also die Chance, sich viele seelische Blessuren zu ersparen. Von
den vielen unnötigen Verlusten mal ganz abgesehen. Wenn Sie die wichtigs-
ten Aspekte meines Buches umsetzen, werden Sie schnell viel Freude beim
Trading haben. Mir ist die Lust an diesem Thema trotz der schmerzhaften
Erfahrungen nicht abhanden gekommen. Im Gegenteil. Trading ist meine
Leidenschaft. Von der ich weiß, dass sie manchmal Leiden schafft.
Ich gebe Ihnen aber auch das Wissen weiter, welches mir von professionellen
und sehr erfahrenen Tradern in zahlreichen Gesprächen in den letzten Jahren
anvertraut wurde.
Erfolgreiche erkennt man am Start.- erfolglose auch! Prof1s haben die Fähig-
keit, erfolgreich zu denken und zu handeln. Nur etwa 5 Prozent der Trader
sind in diesem Geschäft prof1tabel, heißt es. Was machen sie anders als die
95 Prozent Verlierer am Markt? Nicht viel, aber das konstant.
Ich möchte Ihnen Mut machen: Auch Sie können sich dieses Basiswissen der
Spitzentrader aneignen. Da Trading nicht per se schwer ist, liegt die Entschei-
dung bei Ihnen: Wenn Sie bereit sind, sich Ihrem inneren Schweinehund zu
stellen, und alle Schritte unternehmen, um es zu schaffen, dann werden Sie
ein profitabler Trader! Ich sage nicht, dass es leicht ist, aber ich sage: Es ist
möglich!
In den nächsten Kapiteln werde ich dieses Profiwissen an sie weitergeben. Ich
werde Ihnen aus psychologischer Sicht erklären, wie wir Menschen ticken,
wovor wir Angst haben und wie Sie den manchmal sehr steinigen Weg zum
Erfolg bewältigen können. Und ich werde Ihnen auch zeigen, was ein Tra-
ding-Gehirn braucht, um zur Elite in diesem Business zu gehören. Sie werden
erkennen, dass es zwar typische Trading-Probleme gibt, aber die Reaktionen
darauf immer individuell sind. So gibt es nicht nur den einen Grund, wes-
wegen jemand eine Depression bekommt, sondern unglaublich viele Gründe.
Jeder Mensch hat seine eigene Geschichte und jeder Mensch trägt seine eige-
nen Lösungen für seine Probleme in sich. Der Mensch muss aber die Antwort
auf seine Probleme selbst glauben können. Er muss seine eigenen Lösungen
12
für ein Problem fmden und nicht bloß die von anderen übernehmen. Im
Trading-Handwerk, wo es z. B. um Signale geht, also um sinnvolle Ein- und
Ausstiege, da funktioniert so etwas. In der Tradingpsychologie nicht! Es ist
wichtig, dass Sie das zu unterscheiden lernen. Die Lösung muss für Sie stim-
mig sein. Dieser sehr wichtige Aspekt bestimmt darüber, wie schwer oder
leicht es für Sie wird, ans Ziel zu kommen. Das unterschätzen viele. Ich werde
Ihnen nicht einzureden versuchen, was für Sie richtig ist, sondern Sie ermuti-
gen, sich selbst auf die Schliche zu kommen. Letztlich werden Sie immer nur
sich selbst glauben und nicht mir. Die Antwort muss für Sie stimmig sein,
denn Sie kennen ja auch die Hindernisse. Es ist wie bei einer Schraube und
einer Mutter: Sie können 100 verschiedene Muttern und die dazugehörigen
100 Schrauben haben. Jedoch wird nur eine zumjeweils anderen Gegenstück
passen. Alles andere wird zu einem unbefriedigenden Ergebnis führen! Wa-
rum jemand nicht in der Lage ist, seine Gewinne sinnvoll laufen zu lassen,
beruht nicht nur auf einem einzigen Grund, sondern auf vielen verschiede-
nen. Sicher, Angst steht meist im Vordergrund. Aber wovor genau hat je-
mand Angst? Ich kann niemandem etwas einreden, das er selbst nicht glaubt
oder glauben kann. Als Tradingpsychologe sehe ich deshalb meine Aufgabe
nicht darin, Ihnen zu sagen, woran es liegt, sondern wie Sie sich selbst helfen
kö nnen für Ihre Probleme Ihre eigenen Lösungen zu fmden. Wir bräuchten
keine Therapeuten, wenn es anders wäre. Es würde ein Standartwerk genü-
gen, in dem allgemeingültige Tipps zur Heilung stünden. So ein Buch gibt es
nicht. Und das hat seinen Grund. Vor allem Trading-Anfänger wollen immer
schnelle Tipps, aber das ist unrealistisch und führt nicht ans Ziel. Wäre es
so, dann bräuchte dieses Buch nur eine Seite und auf der stünde: ,,seien Sie
bei dem, was Sie tun müssen, diszipliniert.(( Dass es nicht reicht, sich zu sa-
gen, beim Iraden muss ich diszipliniert sein, haben Sie natürlich auch schon
bemerkt. Und dafür gibt es eine ganz einfache Antwort, sie befmdet sich
sozusagen im Aufbau unseres Gehirns. Alles, was Sie erfahren werden, wird
Sie weiterbringen und Sie werden viele Aha-Erlebnisse haben, nicht nur zum
Thema Trading.
Vielleicht hören Sie irgendwann mit dem Trading wieder auf. Entweder weil
Sie genug Geld damit verdient haben oder weil es ihnen keine Freude mehr
bereitet. Doch eines verspreche ich Ihnen - Ihre psychologischen Erkenntnis-
se, die Sie auf dem Weg zum erfolgreichen Trading gewonnen haben, werden
Sie weiterhin in Ihrem Leben bereichern. Trading ist Leben und gerade des-
halb so schwer, verlockend und spannend zugleich.
13
Ich empfehle Ihnen daher, dieses Buch Kapitel für Kapitel, sprich chrono-
logisch, zu lesen. Sie bauen teilweise aufeinander auf und Sie werden des-
halb leichter verstehen, warum Tradingpsychologie so wichtig ist, um an den
Märkten erfolgreich zu sein.
Ich wünsche Ihnen viel Freude mit meinem Buch und einen guten Weg zu
ihrem Trading-Erfolg.
Norman Welz
I. Die Basis
Ich handelte seit vielen Jahren mit Aktien. Wahrscheinlich ging es mir so wie
den meisten, ich verlor überwiegend mein Geld. Zwar war ich auch mal im
Plus, aber da ich keine Ahnung von Risikomanagement und Moneymanage-
ment hatte, endeten die Investments meistens im Minus. Die Gewinne fraßen
die Verluste ums Vielfache wieder auf. Meine Strategie war so einfach wie
wirkungslos. Jedenfalls für mich: Ich folgte den Tipps von Freunden oder
Finanzjournalisten aus den Medien. Am liebsten denen aus einer bekann-
ten TV-Börsensendung eines deutschen Nachrichtensenders. In der saßen hin
und wieder ))Experten« und gaben ihre Einschätzungen zu den Märkten und
zu den speziellen Aktien preis. Sie durften das, denn sie hatten jahrzehnte-
lange Erfahrungen. Dass sie auch ihre eigenen Interessen vertraten, war mir
damals noch nicht klar.
Manchmal folgte ich auch den Anlageideen meines Bankberaters. Oder wenn
ich las, dass eine Aktie eine Menge Gewinnpotenzial hatte, dann kaufte ich
sie. Vor allem dann, wenn die Erklärungen dazu logisch und nachvollziehbar
waren. Was sie ja immer sind, da man unbewusst nach solchen Informatio-
nen sucht, wie ich heute weiß.
Besonders spannend war die Zeit zu Beginn des Internetbooms. Der Neue
Markt mit all seinen Chancen versprach schnell reich zu werden. Es soll wel-
che gegeben haben, die das geschafft haben. Ich gehörte nicht dazu!
Ich erinnere mich noch heute mit Belustigung daran, wie ein sehr bekannter
Börsenjournalist des besagten TV-Nachrichtensenders aus ew York einen
Vortrag über die Chancen des neuen Marktes in Harnburg hielt. Die meisten
Gäste waren stark beeindruckt von dem, was sie da härten. Auch ich! ))Es
bricht ein ganz neues Zeitalter an. Alles wird jetzt mögUch sein. Und das
16 I Der Ritt auf dem Wildpferd
Unvorstellbare werden wir erleben. Big Companys werden nicht mehr die
Rolle spielen, die sie heute spielen. Die Old Economy ist auf dem Weg zum
Friedhof- es lebe die New Economy!«
Er versprach uns noch, dass die neue Technik alles bald leichter machen wird.
Einkaufen war gestern. Die Kühlschränke der neuen Generationen werden
unser Essverhalten abscannen und unsere Lebensmittel werden automatisch
via PC an den Online-Superrnarkt geschickt. Schon am selben Abend wird
die prall gefüllte Lebensmittelkiste vor unserer Haustür stehen!
Meine Augen wurden immer größer. Unglaublich, dachte ich. Und ich Idiot
weiß das alles noch gar nicht. Gut, dass ichjetzt hier bin und das schon heute
erfahren darf. Ich kann ja gleich morgen die Zukunftsaktien von übermorgen
ordern.
Am nächsten Tag war ich Teil dieser großen Visionnamens Zukunft. In Fonds
und Aktien. Ich hatte sogar eine Versicherung dafür noch aufgelöst. Wenn
schon reich werden, dann richtig, dachte ich. Nun Sie können sich ja denken,
wie das Spiel ausgegangen ist. Sechs Monate später wünschte ich mir, ich
wäre nie auf dieser Veranstaltung gewesen und hätte mein Geld damals lieber
auf dem Sparbuch gelassen.
immer noch an der Supermarktkasse an. Es dauert wohl noch ein bisschen
bis zur Konsumrevolution.
Freunden und Bekannten ging es genauso wie mir oder noch schlimmer. Sie
hatten sich zum Teil mit den erhofften Gewinnen schon eine Eigentumswoh-
nung oder ein Haus gekauft. Doch anstelle von Reichtum hatten sie nach dem
großen Crash große Schuldenberge. Ich hatte glücklicherweise keine Schul-
den. Aber Geld hatte ich auch nicht mehr.
Noch lange nach diesen sehr enttäuschenden Erlebnissen war ich fest davon
überzeugt, alles richtig gemacht zu haben. Ich hatte, wie alle anderen, ein-
fach nur Pech. So kannte ich das Spekulieren mit Aktien: Aktien kaufen, weil
man einen Tipp bekam - und dann halten, bis sie genug im Gewinn sind.
Wann denn genug ist, wusste ich nicht. Ich wusste auch nicht, dass Aktien
sich in Phasen befmden: Aufwärtstrend, Abwärtstrend, Seitwärtsphase. Auch
dass man einen Stopp setzen kann, war mir völlig unbekannt. Aktien wur-
den gekauft, und wenn sie ins Minus liefen, dann wartete man eben, bis sie
wieder im Gewinn liegen würden. Dass das Im-Gewinn-Liegen niemals mehr
sein würde, war für mich und andere undenkbar. Aktienanlage war doch ganz
einfach und auch so logisch. Schließlich machte es mein Bankberater doch
genauso. Und er machte es tatsächlich so! Und was noch schlimmer ist - er
macht es heute immer noch so. Aber ich wusste damals ebenso wenig, dass
ich von einem als Profi verkleideten Laien lernte. Ich war vollkommen davon
überzeugt, als er mir erzählte, dass Profis so an der Börse investieren. Ich kam
nicht einmal auf die Idee, ein Buch darüber zu lesen. Ich glaubte ja, mit die-
sem Bankberater einen Profi an meiner Seite zu haben. Wenn ich heute darü-
ber nachdenke, könnte ich vor Wutall die Orders fressen! Mein einziger Trost
ist und bleibt die Tatsache, dass ich es eben nicht besser wusste. Ich tat nur,
was ich glaubte oder zu wissen glaubte. Nicht mehr und nicht weniger. Punkt!
Einige Jahre später kam ich in dem Sportcenter, in dem ich dreimal wöchent-
lich trainierte, mit einem jungen Typen ins Gespräch. Er erinnerte mich an
einen Türsteher einer schicken Discothek. Er hatte ein Kreuz wie ein Klei-
derschrank und Oberarme, die in etwa dem Umfang meiner Oberschenkel
entsprachen. Als Türsteher einer Feudaldisco sah er zu intelligent aus und
seine Augen ließen einen ruhigen, sanftmütigen und tiefsinnigen Charakter
erkennen. Wir trainierten beide schon lange dort. Aber ich hatte ihn vorher
nie wirklich wahrgenommen. Obwohl er mit seinem sehr gut durchtrainierten
Körper wahrlich kaum zu übersehen war.
18 I Der Ritt auf dem Wildpferd
Ich erinnere noch, wie ich damals auf dem Fußboden auf einer Gummimatte
lag so wie schon die letzten zwanzig Jahre zuvor auch und vergeblich ver-
suchte, mir einen Waschbrettbauch anzutrainieren. Irgendwann härte ich ihn
etwas Fundiertes über den Dax sagen. Mir kam das seltsam vor, weil ich mir
nicht vorstellen konnte, dass er sich damit auskannte. Ich verwickelte ihn in
ein Gespräch >>Hey, ich bin Norman!«, »Hallo, ich heiße Christoph!« - weil ich
irgendwie ahnte, dass er mehr zum Thema Börse wusste, als ich vermutete. Wir
sprachen sofort über die Märkte und härten überhaupt nicht mehr auf. Schnell
erfuhr ich, dass er privater Futures-Trader war und davon lebte. Er scalpte den
Dax meist auf 15-Minuten-Basis. Schnitt sich ein paar Punkte aus einer Bewe-
gung, wie er es nannte. Ich verstand nur Bahnhofund wurde immer neugieriger.
Alles, was er mir erzählte, machte mich neugierig und klang total verlockend.
Ich dürstete nach mehr Wissen wie ein trockener Fisch nach Wasser. Am
Ende des Gesprächs empfahl er mir mehrere Trading-Bücher, die ihm sehr ge-
holfen hatten, die Märkte besser zu verstehen und auch profitabel zu werden.
Dieser Zettel mit den Notizen existiert noch heute. Zwei der Bücher habe ich
sechs Mal hintereinander durchgelesen!
Denn das, was ich da las, konnte ich nicht glauben. In diesen Büchern erkann-
te ich all meine Fehler und alle meine gesamten Börsenerlebnisse wieder- ich
konnte nicht glauben, wie dumm ich damals war!
Seit diesem Tage unserer Begegnung haben wir ständig über das Thema Tra-
ding gesprochen. Manchmal telefonierten wir dreimal täglich und häuf1ger.
Ich fand in ihm meinen Trading-Lehrer und Ausbilder. In den folgenden
zwei Jahren brachte er mir das meiste bei, was ich heute weiß. Und was noch
viel wichtiger ist, er gab nie den Glauben an mich auf und zog mich immer
wieder aus dem Sumpf meiner Verzweiflung. Dafür werde ich ihm immer
dankbar sein. Heute verbindet uns eine tiefe Freundschaft, die weit über das
Thema Trading hinausreicht. Und eine neue Liebe fand ich obendrein - das
aktive Kurzfrist-Trading!
Nachdem ich die Bücher gelesen oder sollte ich besser sagen studiert hatte,
eröffnete ich ein CFD-Demokonto. Kurze Zeit später ein Livekonto. Christoph
begleitete mich auf diesem Weg. Leider konnte er es aber auch nicht vermei-
den, dass ich ohne Ende »Fehler« machte. Eines Tages sagte er mir: »Ich hatte
gehofft, dass du es als Psychologe leichter hast. Und all die Fehler, die ich
gemacht habe, nicht auch machen musst!«
Die Basis I I9
Aber Psychologen sind auch nur Menschen! Sie sind vielleicht in psycho-
logischer Hinsicht um vieles wissender, aber deshalb noch lange nicht in
der Lage, wichtige Verhaltensstrukturen zu ändern. Und darauf kommt es
schließlich beim Trading an!
Tag für Tag, Woche für Woche, Monat für Monat, Jahr für Jahr übte ich das
Wunderwerk Trading. Ich erinnere mich noch wie heute an ein Treffen mit
Christoph und seiner Freundin Tina in einem Cafe. Ich war mal wieder völlig
verzweifelt. Es war immer das Gleiche, erst konnte ich mein Handelskonto
gut in den Gewinn traden, dann war das ganze Geld wieder weg. Es folgten
dann meistens aus Wut über mich selbst noch einige unsinnige Irades - und
es war mehr Geld von meinem Konto verschwunden als vorher. Ein Fass
ohne Boden. Tina sprach mich an: ))Na, Norman, wie läuft es mit dem Tra-
ding?« Ich sagte: ))Ich befürchte, es ist ganz leicht. Aber diesen Dreh habe ich
noch nicht raus!«
Ich spürte, dass Trading eigentlich sehr leicht war, aber ich war ständig voll-
kommen verzweifelt und hatte keine Ahnung, warum es mir so schwerf1el,
profitabel zu werden.
Während meiner Arbeit als Therapeut stellte ich fest, dass sich das Gefühls-
schema beim Iraden mit den Ängsten der Klienten deckte. Sie erlebten
ähnliche Symptome wie ich beim Iraden. Sie, meine Angstpatienten, und
ich waren ständig auf der Suche nach Sicherheit. Das fand ich spannend
und ich fmg an, die Parallelen gerrauer zu erforschen. leb begann von da
an, mich immer gerrauer zu beobachten. Studierte meine Glaubenssätze,
mein Verhalten, mein Denken, mein Fühlen, meine unlogischen Reaktio-
20 I Das Wichtigste zuerst
nen, schaute mir die Verhaltensmuster meiner Eltern und Geschwister an.
Schrieb ganze Abhandlungen über Verhalten, Wünsche, Ziele und vieles
mehr. Irgendwann fühlte ich mich wie mein eigener Angstklient Das mach-
te ich über Jahre.
So, wie meine Klienten z.B. Angst an einer Supermarktkasse hatten, genau-
so hatte ich panische Angst, zum dritten Mal in Folge 100 Euro bei einem
Irade zu verlieren. Je mehr ich verglich, desto klarer wurde mir der Grund
für meine Erfolglosigkeit: Ich hatte Angst! Angst, zu verlieren. Angst, nicht
zu gewinnen. Angst, das falsche System einzusetzen. Angst, nie ans Ziel zu
kommen. Angst, zu wenig pro Irade zu riskieren oder zu viel in einem Irade
zu riskieren. Oder einfach zu wenig zu traden und wieder zu viel zu traden.
Angst, zu wenig Rendite zu erzielen und nicht schnell genug mit Irading
reich zu werden. Angst, Angst, Angst ... Ich war ein Gefangener in meiner
Angst. Irading war für mich wie ein Ritt auf einem Wildpferd. Mit dem Ge-
fühl, Pferd und Reiter in einer Person zu sein. Es schüttelte mich - vor lauter
Angst - unentwegt durch!
Je mehr ich begriff, dass ich ständig fast alles aus Angst machte, desto ge-
zielter konnte ich an mir arbeiten. Denn ich verstand, dass ich zwar über
das nötige Wissen verfügte, um erfolgreich zu traden. Aber ich war nicht in
der Lage, es auch anzuwenden. Wahr ist: Unsere Fähigkeiten liegen dafür
vor allem in unserem unbewussten Verhalten. Und das Verhalten zu ändern
ist beim Iraden wie im alltäglichen Leben die größte Herausforderung. Erst
wenn uns das gelingt, erreichen wir unsere Ziele!
seines neuen Hauses. Laien glauben das. Profis wissen, dass das Unsinn
und der Einstieg sogar das Unwichtigste ist! Profis schauen auch nicht auf
Turbogewinne, sondern auf das Risiko . Der bekannte amerikanische Trader
Larry Williams sagte einmal: »Bei jedem Irade stelle ich mir vor, dass dies
mein schlechtester Irade aller Zeiten wird. Und ich überlege mir vorher, wie
viel von meinem Geld ich damit verlieren will«.
In Fachkreisen weiß man, dass etwa 90 bis 95 Prozent der Trader kontinu-
ierlich verlieren und die meisten davon ihr Handelskonto nach drei Mona-
ten wieder schließen müssen. Und in den meisten Börsenmedien berichten
Trading-Profis, dass etwa 70 bis 80 Prozent des Börsenerfolges von der Psy-
chologie abhängt. Ob es da wohl einen Zusammenhang gibt?
Tatsache ist auch, dass die meisten Trading-Neulinge, die nach drei Monaten
ihr Handelskonto auf null getradet haben, den Ruf der Tradingpychologie gar
nicht erst hören. Das Wichtigste kommt für sie zu spät.
Ich glaube, dass die meisten Börsenteilnehmer um die Brisanz dieses Themas
nicht wissen. Was nicht unbedingt verwundert. Einerseits steht das Thema
in den Börsenmedien nicht sonderlich im Mittelpunkt. Andererseits liegt es
sicherlich auch daran, dass Selbstanalyse eine harte Arbeit ist. Selbstver-
änderung erst recht! Und die eigene Persönlichkeit zu erkunden ist nicht
gerade die Lieblingsbeschäftigung des Menschen. Psychologie ist für viele in
unserer Gesellschaft immer noch ein gefährliches Terrain, worüber man un-
gern offen spricht. Und womit man sich nicht auseinandersetzen mag. Sich
Hilfe bei einem Psychologen oder Coach zu holen bedeutet für viele immer
noch, irgendwie »geistig krank« zu sein. Selbst heutzutage erhalte ich immer
noch E-Mails von Leuten, die diesen ganzen »Psychoscheiß(( ablehnen. Un-
glaublich, aber wahr!
Wie oft lesen Sie in den gängigen Börsenmedien strukturiert und fundiert
etwas über das Thema Tradingpsychologie? Das Thema ist heute meine Lei-
denschaft und einer meiner Berufe. Ich schätze mal, dass das Thema Bör-
senpsychologie maximal 5 Prozent des redaktionellen Teils ausmacht, wenn
überhaupt! 5 Prozent für etwas, wovon die Profis überzeugt sind, dass es zu
95 Prozent unseren Erfolg ausmacht! Das wäre so, als würde ich bei einer
Kochsendung im Fernsehen zu 5 Prozent nur über die Technik des Back-
ofens, der Töpfe, der Messer reden.
22 J Das Wichtigste zuerst
Warum ist das so? Kurz gesagt: weil sich das Thema nicht so profitabel ver-
kaufen lässt. Die meisten Menschen, die sich für das Thema Börse interessie-
ren, wollen den Reiz des schnellen Geldes befriedigen. Oder sie wollen ihre
Abenteuerlust ausleben. Es locken Risiko und Reichtum- nicht die Erkennt-
nis. Klingt doch lässig, wenn man weiß, welche Aktien man gerade wieder
haben sollte. Wer will denn schon darüber reden, dass er bei den ständigen
Verlusten an der Börse immer wieder seine Verlustängste spürt oder stock-
sauer wird und deshalb noch mehr verliert. Oder immer dieselben Fehler
macht und sich emotional einfach nicht im Griff hat!
Über Geld spricht man ja nicht. Und über die Börsenverluste erst recht nicht.
Außer natürlich bei großen Crashs, wo es ja sowieso jeden erwischt hat. Da
ist es schon wieder trendy, wenn man auch dabei war und sich gemeinsam
die Wunden lecken kann. ))Scheiß Lehman Brothers!« Ganz nach dem Motto:
))Das Leiden will Gesellschaft haben.« Mit den Gewinnen schmückt man sich
jedoch gerne. Allein diese Aspekte beinhalten interessante psychologische
Hintergründe. Aber dazu später mehr!
Viel wichtiger sind die ersten Schritt zuvor: die Psychologie der Märkte und
die Psychologie der eigenen Absichten beim Traden zu durchschauen. ))Wa-
rum will ich eigentlich traden?« ))Was will ich damit erreichen?« ))Weiß ich
eigentlich, was ich beim Traden tue?« ))Warum bewegt sich ein Chart, wie er
sich bewegt?« ))Welche Informationen enthält ein Chart?« ))Welche Risiken
gibt es beim Traden?« >>Worauf sollte ich achten, wenn ich trade?« Vor allem
die erste Frage >>Warum will ich eigentlich traden?« ist die wichtigste Frage,
die sich jeder am Anfang seiner Trading-Aktivität stellen sollte. Von Trader-
Karriere will ich an dieser Stelle noch gar nicht sprechen. Die Antwort auf
diese Frage entscheidet nämlich darüber, ob Sie Trading als Spiel, als Hobby
oder als Geschäft betreiben möchten. Und, haben Sie diese Frage schon für
sich beantwortet? Wenn nicht - tun Sie es jetzt!
Wer an der Börse das schnelle Glück sucht, braucht keine Psychologie, der
braucht nur Glück! Börse bleibt dann ein Glücksspiel. Profis haben auch
Glück, aber sie verlassen sich nicht darauf. Sie wissen um das wichtige The-
ma Tradingpsychologie und schulen sich darin. Manche arbeiten konstant
an diesem Thema, während der Laie weiter nach Tipps für Einstiege sucht
oder sich an seinem letzten Super-Gewinn-Trade erfreut, der natürlich reines
Glück war und nicht nach festem System gehandelt wurde.
Die Basis I 23
Mein Rat deswegen an alle, die sich fü r Trading interessieren: Das Wichtigste
zuerst! Denn die Psyche entscheidet beim Trading über Sieg oder Niederlage,
über Profi oder Laie.
In der Werbung sieht Trading verlockend einfach aus. Während die sexy
Freundin sich für die anstehende Party hübsch macht, hüpft sie schnell noch
ei nmal an den Computer ihres Liebsten und mit einem flotten Klick wird
no ch rasch ein Irade gemacht. Natürlich erfolgreich. Aber: So traden die
Profis- nicht! Die Trading-Werbung hat mit der Realität nicht viel gemein-
sam. Dennoch prägen solche lässigen Szenen unser Vorstellungen und un-
sere Erwartungen. Letztlich sollen sie unsere Sehnsüchte, Träume und Wün-
sche wecken. Denn wer fände es nicht verlockend, wenn Geld so einfach zu
verdienen wäre. Tatsache ist, dass dauerhaftes Geldverdienen an der Börse
einer der schwersten Jobs der Welt ist. Der Grund dafür liegt in unserer Psy-
che. Der Mensch tut bei Risikogeschäften gern das Gegenteil von dem, was
sinnvoll wäre. Das ist auch der Grund, weshalb es auf diesem Gebiet nur so
wenig erfolgreiche Akteure gibt. Trading braucht Konzentration und Vorbe-
reitung. Wer es spontan nebenher betreibt, wird vermutlich nicht erfolgreich
werden. Denn Sie kämpfen gegen den härtesten Gegner- gehen sich selbst!
Was so einfach aussieht, ist am Ende ein komplexer Prozess, der sich aus
vielen Komponenten zusammensetzt. Haben Sie diesen begriffen, dann sind
Sie auf der Zielgeraden des Erfolges. Vorausgesetzt, Sie haben erfolgreich
an Ihrer Psyche gearbeitet. Ohne die geht es nämlich nicht! Jedes Element
fü r sich allein ist nicht unbedingt schwer zu verstehen. Was die Sache beim
Trading so schwer macht, ist die richtige Zusammensetzung aller Aspekte.
Dafür benötigen Sie entweder die entsprechende Persönlichkeit oder/und
ei nen eisernen Willen.
Profis haben ihn. In Interviews und Büchern können Sie immer wieder lesen,
dass Profis oftmals durch die Hölle gegangen sind, um beständig erfolgreich
zu werden. Warum sollte es bei Ihnen leichter sein. Es ist zuerst wichtig, dass
24 I Was bedeutet Trading wirklich?
Sie realistisch sind. Glauben Sie wirklich das Zeug zum Profi-Trader zu ha-
ben? Wollen Sie den mitunter steinharten Weg gehen? Sind Sie bereit, aktiv
an Ihrer Persönlichkeit zu arbeiten? Sind Sie bereit, Geld zu verlieren, um
Geld zu verdienen? Sind Sie bereit, sich für den Erfolg sehr viele Jahre Zeit
zu nehmen? Wenn ja, dann können Sie es schaffen, ein erfolgreicher Trader
zu werden. Wenn nicht, dann investieren Sie Ihre Zeit lieber in die Recherche
nach einem guten Vermögensverwalter oder zahlen Sie Ihr Geld regelmäßig
in einen Sparfonds ein und lernen Sie die wichtigsten Grundkenntnisse der
Technischen Analyse. Ein kleines Buch für ein paar Euro reicht. Wenn Sie
sich nicht sicher sind, dann buchen Sie eine Coaching-Stunde bei einem gu-
ten Trader-Coach und fmden sie es heraus. Das ist sehr gut angelegtes Geld.
Letztlich werden Sie so wesentlich mehr Geld sowie Zeit und Nerven sparen.
Das Geheimrezept beim Börsenhandel ist in der Tat die bekannte Börsen-
weisheit: »Gewinne sinnvoll laufen lassen - Verluste sinnvoll begrenzen.~~
Jedenfalls bei den meisten Trading-Ansätzen. Doch bis man diese Formel
perfekt anwenden kann, braucht es einige Erfahrungen und Wissen. Mit
dem alten weisen Satz des bekannten Spekulanten Andre Kostolany »Aktien
kaufen - Schlaftabletten nehmen und nach vielen Jahren aufwachen und
reich sein« klappt es nur in absoluten Ausnahmen. Ein aktiver Trader wartet
nicht einfach ab, dass sich Gewinne anhäufen, und überbrückt seine Zeit bis
dahin auch nicht mit Schlaftabletten. Ein aktiver Trader managt seine Trades
aktiv. Er behält sie im Auge und rechnet in jedem Augenblick mit allem, was
passieren könnte. Vor allem rechnet er mit dem Schlimmsten! Und schlimm
sind beim Trader unübersehbare Verluste. Und genau das unterscheidet den
Anfänger vom Profi. Der Trading-Anfänger möchte viele, schnelle, große
Gewinne machen. Das wollen Profis natürlich auch. Der Profi achtet jedoch
vor allem darauf, wie er sichere Gewinne und wenige Verluste erzielen kann.
Was so einfach klingt, ist außerordentlich schwer. Ich erkläre Ihnen noch
woran das liegt. Wichtig ist zunächst, dass Sie verstehen, dass Trading nicht
vergleichbar ist mit Investing. Der Investor lässt den Markt entscheiden. Der
Trader übernimmt selbst die Verantwortung für sein Handeln. Das Konto
des Investors ist großen Schwankungen ausgesetzt. Trader akzeptieren nur
kleine Schwankungen. Investoren bleiben mit ihren Positionen meist Monate
oder Jahre im Markt. Trader stellen die Trades oft schon nach wenigen
Minuten oder Stunden glatt. Swingtrader nach wenigen Tagen. Investoren
setzen meist auf steigende Märkte. Trader holen sich ihre Gewinne in Short-
und Longpositionen. All diese Komponenten führen dazu, dass die Psyche
unterschiedlich stark beansprucht wird. Für Sie ist es zunächst wichtig,
Die Basis j 25
zu wissen: Sind Sie ein Investor oder ein Trader? Ein Gespräch mit einem
professionellen Trader-Coach kann diesbezüglich Klarheit schaffen
Trading ist einfach: Man sucht sich ein Einstiegssignal mit einer guten Ge-
winnchance, die einen mehr verdienen lässt, als man verlieren könnte. Das
Geldrisiko wird bewusst berechnet, eine Position gekauft, dann setzt man
einen Stopp - und nun wird der Irade nur noch verwaltet, bis das Ziel er-
reicht ist, oder der Markt den Irade ausstoppt - fertig! Herzlichen Glück-
wunsch - Sie beschäftigen sich gerade mit einem der schwersten Berufe der
Welt. Und ein überschaubares 500-Euro-Konto macht es nicht leichter, im
Gegenteil! Was in der Theorie so einfach klingt, ist in der Praxis meist ex-
trem schwer umzusetzen. Am Anfang des Tradings spielt man ein bisschen
mit den Charts und versucht sein Glück. Dann merkt man, dass es irgendwie
nicht so funktioniert, wie man sich das vorgestellt hat. Der Markt scheint
immer genau das Gegenteil von dem zu machen, was man wollte: Setzt man
auf steigenden Kurs - fällt der Kurs. Setzt man auf fallende Kurse, steigt er.
Es folgt der Wunsch, herauszufmden, warum das so ist. Und nun beginnt eine
Wissensspirale, die einen immer tiefer in die Materie Trading zieht. Bücher
und Zeitschriften werden gelesen, im Internet wird gesurft, Blogs werden
besucht und Webinare angesehen oder Seminare gebucht oder andere Trader
imitiert. Wie funktioniert der hundertprozentig sichere Irade? Man will wis-
sen, was das Geheimnis für den Trading-Erfolg ist. Plötzlich steht man vor
einem Berg Informationen. Doch je mehr Wissen man sich aneignete desto
kleiner wird das Handelskonto. »Verdammt! Da scheint doch etwas nicht zu
stimmen!«, denkt man. »Ständig lerne ich an allen Ecken und Enden dazu,
aber das bringt alles gar nichts!«
Wo doch ständig erfolgreiche Trader Interviews geben, wie toll es bei ihnen
funktioniert mit dem BörsenhandeL Passend dazu veröffentlichen sie ihre
erfolgreichen Beispiel-Trades - natürlich alles Treffer. Na, super! In dieser
Gedankenspirale habe ich mich Jahre befunden. Bis ich wusste, dass ich von
den klassischen Marktgesetzen überhaupt nichts verstand. Ich wusste nur
eines: »Ich will Geld verdienen!«
Der Fallstrick beim Trading ist die Tatsache, dass es einfach aussieht, aber
letztlich doch umfangreicher ist, als es auf den ersten Moment scheint. Man
muss sich Fachwissen aneignen und genau selektieren, was man selbst davon
für seinen Trading-Stil braucht: Technische Analyse, Markttechnik, Pivot-
Punkte, Indikatoren, Oszillatoren etc.
Es gibt unendlich viele Hilfsmittel beim Traden, doch man wird später viel-
leicht nur ein oder zwei davon benutzen, wenn überhaupt. Man kann es
mit einem Puzzle vergleichen. Stellen Sie sich vor, Sie möchten ein Puzzle
zusammensetzen. In Ihrem Puzzlekasten befmden sich 55 Puzzleteile. Sie
möchten aber nun gerne ein Motiv zusammenmontieren, welches Ihnen ge-
fällt. Sozusagen eines, welches genau zu Ihnen passt. Nun müssen Sie erst
mal sortieren. Welche Teile brauche ich? Diese Teile suchen Sie sich zusam-
men und am Ende werden Sie Ihr ganz persönliches Puzzlebild haben. Ihr
Spiel kann losgehen!
Kann stimmen, muss aber nicht. Ein dauerhafter Test schafft Abhilfe! Aber
irgendwann entscheiden Sie sich für ein profitables Handelssystem und
konkretisieren es. Dabei werden Sie merken, dass Sie sich immer wieder
davon abbringen lassen, Ihr System diszipliniert durchzuhandeln. Das hat
seinen Grund: Während dieser Phase der Regelwerk-Findung und der sau-
beren Umsetzung Ihres Systems sind Sie am intensivsten mit Ihren psychi-
schen Konflikten konfrontiert. Das ist der schwierigste Teil der Trading-
Ausbildung.
Die Basis J 27
Dieser Aspekt macht Trading so sch\ er! Iraden zu lernen bedeutet, einen
Veränderungsprozess an sich durchzuleben. Denn Trading betrifft den gan-
zen Menschen und nicht nur das Trading-Handwerk allein! Das macht die
Sache so anstrengend und mühevoll und den Lernprozess so langwierig. Die
Widerstände, denen Sie in diesem Prozess begegnen, sind die stärksten, die
Sie als Mensch erleben können. Sie nehmen es mit der Veränderung Ihres
Hormonhaushaltes auf. So wie ein Drogensüchtiger vom Stoff loskommen
will, so wollen Sie von alten Verhaltensweisen loskommen und sich neue
aneignen. Das ist für Ihren Körper und Ihre Psyche eine enorme Herausfor-
derung. Das ist auch ein Grund, weshalb die Persönlichkeitsveränderung so
viel Zeit benötigt. Schließlich bringen wir uns als Mensch voll und ganz ins
Iraden ein - unsere Gedanken, unsere Lebenserfahrung und - unsere Ver-
anlagung - und werden dabei ständig von den stärksten Gefühlen gesteuert,
ohne erst einmal darauf viel Einfluss nehmen zu können.
Ein Beispiel: Sie gehen täglich gedankenlos die Treppen hinunter. Sie putzen
sich gedankenlos die Zähne und Sie fahren meist gedankenlos Auto oder
Fahrrad. Versuchen Sie, diese Dinge augenblicklich nicht mehr zu können!
Obwohl Sie das früher einmal nicht in Ihrem Leben konnten, geht es nicht.
Der Grund ist, dass Sie es immer und immer wieder getan haben. Diese wie-
derholten Abläufe haben sich fest in Ihrem Gehirn verankert. Und so verhält
es sich auch mit Gedanken und jeder Fähigkeit. Sie können nicht erfolgreich
traden, wenn Sie Ihr Gehirn nicht in die mentalen Mechanismen für das
Trading geschult haben. Ihr Gehirn muss das geeignete Denken und neue
Handeln fürs Trading erst lernen. Aber wenn ich nicht ausreichend Disziplin
oder Geduld mitbringe, dann kann ich sie auch nicht anwenden!
Das zentrale Problem beim Trading sind Gefühle - nämlich Ängste. Ängste,
die wir schon seit vielen Hundertausenden von Jahren in uns tragen. Zwar
hat der Mensch sich in zahlreichen Bereichen enorm weiterentwickelt. Sein
genetisches Programm istjedoch fast gleich geblieben. Denn die menschliche
Genetik verändert sich in 10.000 Jahren nur um 0,1 Prozent. Das bedeutet,
dass wir zum größten Teil mit den Anlagen unserer Vorfahren, den Nean-
derta lern, vor der Trading-Plattform sitzen und arbeiten. Es ist natürlich ein
Trugschluss, zu glauben, nur weil man ein scheinbar rational denkendes,
modernes Wesen mit einem Handy in der Tasche ist, sei man deshalb auch in
der Lage, seine selbstaktiven Ängste abzuschalten, um dann unproblematisch
traden zu können, wie man es gerade möchte. Das geht ebenso wenig, wie
hier und jetzt plötzlich keine Treppen mehr steigen zu wollen. Doch genau
28 I Ein Gehirn - drei Meinungen
dieser Prozess ist es, der das Erlernen des Tradings so mühsam und langwie-
rig macht. Denn Sie müssen zuerst einmal Ihr Gehirn auf die emotionalen
Bedürfnisse, die das Trading erfordert, konditionieren. Doch ich kann Sie be-
ruhigen- es geht! Menschen können ein Leben lang lernen. Aber das braucht
Engagement, Wille, Zeit und die richtige Lerntechnik.
Es wird kaum in ein paar Monaten zu schaffen sein. Aber überlegen Sie mal,
wie lange Sie benötigen würden, um Chinesisch einwandfrei sprechen und
schreiben zu können, sodass Sie sagen könnten: ))Ich spreche und schreibe
perfekt Chinesisch.« Bis Ihr Gehirn diese Sprache durch ständige Wiederho-
lungen der Übungen derart vernetzt hat, dass Sie sie ständig abrufen können
wird es seine Zeit brauchen. Und darum geht es: Prof1tables Trading-Verhal-
ten so zu erlernen und stetig fehlerfrei zu wiederholen, bis ihr Gehirn dieses
neue Wissen so verinnerlicht hat, dass es konstant abrufbar und verfügbar
ist. So wie tägliches Zähneputzen oder Treppensteigen. In der Psychologie
nennt man diese Fähigkeit ))unbewusste Kompetenz«. Sie können etwas aus-
führen, ohne darüber nachdenken zu müssen, weil Ihr Unbewusstes Sie dabei
unterstützt. Das zu erreichen erfordert Wille, Geduld und die Bereitschaft, auf
die alten Handlungen zu verzichten.
Kein Mensch gleicht einem anderen, jeder Trader trägt seinen eigenen Weg
zum Erfolg in sich und braucht seine Zeit, um ans Ziel zu kommen. Trading-
Probleme sind nicht bei allen Menschen gleich, sondern immer einzigar-
tig! Das hat auch mit dem Aufbau unseres Gehirns zu tun. Oder, wie Sie
gleich sehen werden, mit unseren drei Gehirnen. Denn unser Gehirn besteht
aus drei Systemen, die unterschiedlich alt sind und verschiedene Interessen
verfolgen. Und diese zumal völlig gegensätzlichen Interessen der drei Ge-
hirnregionen beeinflussen sich ständig gegenseitig. Diese gegensätzlichen
Ausrichtungen sind es, die das Trading so schwer machen. Denn im Laufe
der Entwicklung des Menschen entstanden parallel immer wieder neue Ge-
hirnteile. Das Gehirn gleicht somit einem Haus, das seit Jahrtausenden von
Jahren aus- und umgebaut wurde und in dem einzelne Zimmer miteinander
verbunden sind. Es unterscheidet sich von den Gehirnen anderer Lebewesen
durch die Fähigkeit, logisch zu denken, mit unseren Mitmenschen zu kom-
munizieren und aufgrund der Größe des Erinnerungsvermögens. Ursprüng-
lich nahm man an, das Gehirn sei ein einziges zusammenhängendes Gebilde.
Die Basis I 29
.,.. Das Stammhirn ist das älteste Gehirn, weil es mit seinen Funktionen sich
so schon in Reptilien befand. Es speichert Erfahrungen von Jahrmillionen
Jahren. Es ist Sitz der Lebensgefühle und Instinkte wie z.B. Angst und
Panik. Es wird auch ))Reptiliengehirn(( genannt.
.,.. Das Zwischenhirn ist der mittelalterliche Teil unseres Gehirns. Es gibt ihn
seit dem Auftauchen der ersten Säugetiere. Das ))emotionale Gehirn(( ist
die Schaltzentrale der Emotionen und wird auch das Limbisehe System
genannt.
.,.. Das Großhirn ist evolutionsgeschichtlich das jüngste Gehirn. Man nennt
es auch das >>Denkhirn(( und es nimmt den meisten Raum ein. Es versetzt
uns in die Lage, zu organisieren, zu kommunizieren und kreativ zu sein.
Es ist das Gehirn der Rationalität, des planenden Handeins und der Vor-
aussicht.
30 I Ein Gehirn - drei Meinungen
Sie werden erkennen, dass sich dieses ))Wechselspiel der Gehirne« auf das
individuelle Trading-Verhalten und ihren Trading-Stil auswirken kann!
Die stammhirnorientierte Person strebt nach menschlicher Nähe und ist per-
sonenorientiert. Für diesen Typus sind Menschen immer wichtiger als Dinge,
weshalb er auch relativ stark um Harmonie bemüht ist. Er vermeidet Streit
und hält gegensätzliche Meinungen nicht gut aus. Er ist ein Gewohnheits-
mensch - Markentreue, Urlaub immer am selben Ort, gleicher Supermarkt.
Sein Denken und Handeln sind eher unflexibel. Dieser Typ von Mensch lebt
gedanklich zumeist in der Vergangenheit, liebt Gewohntes und Vertrautes,
hat ein starkes Sicherheitsbedürfnis und ihm sind Traditionen sehr wichtig.
Ein Mensch mit dieser Prägung muss Dinge selbst erleben und durch Hand-
lungen erfahren, denn er ist praktisch veranlagt. Neinsagen fällt ihm schwer,
weil er niemandem wehtun will. Er nimmt sich und seine Bedürfnisse stark
zurück und ihm liegen Routineaufgaben.
ihn zählt nur der Moment. Er ist ein Macher, handelt impulsiv. Diese Person
ist ein Improvisationstalent, erkennt schnell, was machbar ist, agiert flexibel,
hält nicht lange an Altem fest.
Dieser Typ ist durchaus für das kurzfristige Trading geeignet. Seine robuste
Art hilft ihm, die vielen ))NEINs« des Marktes auszuhalten und sich schnell
wieder von Irades zu trennen. Er muss jedoch aufpassen, dass er nicht über-
tradet und den Trading-Erfolg durch zu viele Aktionen und impulsives Han-
deln erzwingen will. Auch sein ))Machenwollen« könnte ihm zum Nachteil
gereichen. Er will die Kurs-Geschehnisse ))machen«, statt sie auf sich zukom-
men zu lassen.
Die großhirnorientierte Person ist jemand, der eher verschlossen und distan-
ziert wirkt. Er strebt nach Sicherheitsabstand, ist ein Einzelkämpfer. Dieser
Menschentypus löst die Probleme auf der Sachebene, hat wenig Bezug zu
seinen Gefühlen und ist rational und prozessorientiert. Er geht systematisch
vor, ist zuverlässig, ausdauernd und arbeitet schematisch. Er ist fähig, weit-
räumig zu abstrahieren, braucht lange, um Entscheidungen zu treffen, und
muss unterschiedliche Aspekte vor seiner Entscheidung abwägen, um dann
strukturiert vorzugehen. Er weicht nur von seiner Meinung ab, wenn neue,
triftige Argumente vorliegen. Im Chaos bewahrt er die Ruhe und behält den
Überblick.
Das Stammhirn
ist das älteste Gehirn, Speicher der Er-
fahrungen von Jahrmillionen, Sitz der
Instinkte und Lebensgefühle
Das Zwischenhirn
ist das Gehirn der Emotionen,
der Selbstbehauptung im Daseinskampf.
Das Großhirn
ist das Gehirn der Rationalität,
des planenden Handeins und
der Voraussicht, es ist evolutionsgeschichtlich
das jüngste Gehirn.
Das »drei-einige Gehirn(( nach Paul D. MacLean
Abb. I: MacLean-Gehirn
1.6 Haben Sie keinen Erfolg - oder wollen Sie keinen Erfolg
haben?
Wenn ich mit Tradern spreche, die mitunter schon seit Jahren versuchen, er-
folgreich zu werden, aber letztlich nicht von der Stelle kommen, dann frage
ich mich, ob sie wirklich Erfolg wollen? Mein Eindruck ist, dass nicht sehr
viele ernsthaft den Trading-Erfolg anstreben. Sie haben die Hoffnung, mit
Trading erfolgreich zu werden, ja, aber sie sind nicht bereit, konstant struk-
turiert und engagiert daran zu arbeiten. Die Handelsabläufe beim Trading
können tückisch sein. Alles sieht ganz einfach aus - und ist es eigentlich
auch. Das wahrlich komplizierte am Iraden ist der Mensch selbst. Genauer
gesagt seine wechselhaften, mal mehr oder weniger starken Emotionen, die
ihn stets begleiten und leiten. Und ausgerechnet der Mensch als Verursacher
seiner Probleme muss sie auch noch allein lösen. Meist ist er dabei ganz auf
sich selbst gestellt, was die Sache wirklich nicht leichter macht!
Sie suchen nach Tipps im Internet oder in Büchern. Reicht das? Jein! Wie
oben beschrieben sind Sie der Verursacher des Problems. Es alleine zu lösen
ist möglich, aber sehr zeitaufwe ndig. Erstaunlicherweise weigern sich viele,
Die Basis J 33
Geld in eine Ausbildung zum Trader zu investieren, weil Sie davon ausgehen,
dass Selbsterkenntnis genauso einfach zu fmden ist wie gute Einstiegssignale
Wäre es so, würden sicher weitaus mehr Trader erfolgreich werden! Anstatt
einige Hundert Euro in ein gutes Trader-Coaching zu investieren, lassen sie
sich von ihrer Unwissenheit leiten und bezahlen dafür teuer mit Minus-Irades
und zermürbenden Erfahrungen. Hätten sie rechtzeitig in ein gutes psycho-
logisches Trader-Coaching investiert, hätten Sie auf jeden Fall gewonnen -
mehr fachliches Trading-Wissen und wichtige Erkenntnisse über sich selbst.
Wertvoller kann eine Investition kaum sein! Viele begnügen sich jedoch mit
dem schillernden Drumherum. Wer sich dem Thema Trading widmet, macht
per se etwas Besonderes. Trotz des Minikontos befmdet man sich ja schließlich
im Dunstkreis der großen Geldvermehrer in diesem Geschäft. Ein Hauch von
großer weiter Welt schwingt immer mit. Finanzielle Unabhängigkeit, selbst-
bestimmtes Leben, Freizeit und Freiheit inklusive. Der Mensch braucht Träu-
me. Wenn Sie aber erkennen, dass es Ihnen nur um die schillernde Welt des
Tradings geht, nicht aber um die Ernsthaftigkeit, die Trading erfordert, dann
haben Sie den Mut und ziehen Sie die Konsequenzen. Überweisen Sie sich
jeden Monat eine feste Summe auf Ihr Handelskonto und spielen Sie Trader.
Handhaben Sie es wie ein Hobby, zum Beispiel Fitnesstraining. Doch statt des
Monatsbeitrags für ein Fitnessstudio, zahlen Sie für Ihr Trading-Hobby. Was
ich Ihnen zu verstehen geben möchte, ist: Wer als Trader nicht bereit ist, dis-
zipliniert an sich, seiner Entwicklung und an seinen Zielen zu arbeiten, wird
letztlich nur das Niveau eines Hobby-Traders erreichen. Ersparen Sie sich den
Stress und die hohen Geldverluste. Wenn Sie nicht bereit sind, den Preis zu
zahlen, den es kostet, um ein erfolgreicher Trader zu werden, dann schaffen
Sie es nicht. Erfolg ist eine Entscheidung. Misserfolg kommt von allein!
den Eindruck: Hier spielen die meisten Fußball, nur ohne Tore und ohne Ball.
Es geht ihnen um eine verlockende Beschäftigung und um die Hoffnung, dass
sich ihr Wunsch erfüllt, der sich hinter dem Trading versteckt, aber nicht um
den ernsthaften Willen, in diesem Geschäft erfolgreich zu werden. Fragen
Sie sich selbst - welche Intention steckt eigentlich hinter Ihrem Wunsch, zu
traden? Wenn Sie auf Dauer nur mit 1000 Euro traden wollen, dann lohnt
es nicht, für eine gute Ausbildung viele Tausend Euro zu bezahlen. Haben
Sie aber das Ziel, irgendwann einmal vom Trading zu leben oder ein gutes
Zusatzeinkommen zu erzielen, dann sollten Sie in eine gute Ausbildung in-
vestieren. Sie haben die Wahl, entweder auf der Wandergitarre am Lagerfeuer
rumzuklimpern oder auf dem Konservatorium Konzertgitarre zu studieren,
um später mit den besten Dirigenten auf Welttournee zu gehen. Beides hat
seinen Einsatz - psychisch, physisch und monetär. In einer Studie (von Erics-
son), in der das unterschiedliche Leistungsvermögen von Violinisten unter-
sucht wurde, zeigte sich ganz deutlich, dass diejenigen am besten waren,
welche die meiste Zeit für ihre Übungen aufbrachten. Die besten Musiker
wandten etwa 10.000 Übungsstunden auf. Am wenigsten vollkommen waren
diejenigen mit einer Übungszeit von etwa 5000 Stunden. Diese Erkenntnisse
können auf andere Disziplinen wie etwa Schach oder Leistungssport übertra-
gen werden. Gehen wir einmal davon aus, dass Sie sich an 200 Tagen im Jahr
vier Stunden mit dem Thema Trading beschäftigten, dann würden Sie in 12,5
Jahren Exzellenz erreichen. In meinen zwanzig Berufsjahren als Redakteur
und Moderator habe ich sehr viele erfolgreiche Menschen kennen gelernt.
Und es zeigte sich deutlich : Wer wirklich etwas erreichen wollte, der holte
sich Hilfe von anderen und arbeitete hart dafür. Fragen Sie sich doch einmal:
Warum lassen Sie es sich eigentlich von sich selbst gefallen, so erfolglos im
Trading zu bleiben?
Sehen Sie Trading so früh wie möglich als ein ernst zu nehmendes Geschäft an und gehen Sie
so professionell wie möglich in Ihrer Ausbildung vor; dann werden sie auch professionell werden.
Wer Trading nur als ein abwechslungsreiches Spiel betracht et, m it dem er seinem Leben etwas
Würze verleihen kann, der wird kein profitabler Trader werden. Die professionelle Einstellung
bringt Sie ans Ziel. Sie trägt Sie auf diesem oft steinigen Weg zum Erfolg und gibt Ihnen die nötige
Kraft und das Durchhaltevermögen, das Sie unbedingt für diesen Job brauchen.
Die Basis I 35
Wenn man ein dauerhaft erfolgreicher Trader werden möchte, sollte man
ständig an seiner Weiterentwicklung arbeiten. Externes Coaching und Selbst-
coaching sind hier die Lösung. Wer das nicht praktiziert, wird vermutlich
wesentlich länger brauchen, um an seine Ziele zu kommen, oder sie sogar
niemals erreichen. Jeder Wettkämpfer, der ein Spitzensportler werden möch-
te, holt sich Unterstützung von einem Trainer oder Coach. Das hat seinen gu-
ten Grund: Bewegungsabläufe, Denk- und Verhaltensmuster können besser
von einem Außenstehenden erkannt und beurteilt werden. Ein unabhängi-
ger Beobachter ist emotional nicht verhaftet und kann dadurch mit Abstand
zum Geschehen besser erkennen, wo genau es in einer Situation hakt. Hinzu
kommt, dass man von den vielfältigen Erfahrungen eines Coach oder Trai-
ners profitiert. Unverzichtbar zum regelmäßigen Training mit einem exter-
nen Begleiter gehört das mentale Selbstcoaching. Denn mit Selbstcoaching
können gewünschte Ziele Stück für Stück für den täglichen Handelsablauf
beim Trading eingeübt werden. Das hilft, um gutes Trading bei jedem Irade
anzuwenden. Was schlussendlich zu einem entspanntem Handeln und einer
Performancesteigerung führt.
Trader scheitern in den meisten Fällen an sich selbst. Die mentalen Heraus-
forderungen beim Trading sind immens groß und werden immer wieder un-
terschätzt. Beim Trading stehen vor allem psychologische Aspekte im Vor-
dergrund. Sie entscheiden über Erfolg und Misserfolg und weniger die Frage:
»Wann muss ich was kaufen?« Was Sie brauchen, ist die Kraft und unerschüt-
terliche Überzeugung, Ihren Irade so auszuführen, wie es sinnvoll ist und wie
es Ihrem Trading-Plan entspricht. Beijedem Irade! Davon lesen Sie natürlich
in den meisten Börsenmedien nichts. Ihre mentalen Fähigkeiten werden vo-
rausgesetzt. Desgleichen, dass Sie einen fundierten Trading-Plan haben und
sich mit Money- und Risikomanagement auskennen. Empfohlen werden Ih-
nen bloß Einstiege und die entsprechenden Derivate dazu. Aber das ist eben
nicht das Wichtigste am BörsenhandeL Um das Allerwichtigste müssen Sie sich
selbst kümmern - mentale Stärke und ein sinnvoller Umgang mit dem Risiko.
Schließlich dürfen beim Trading auch die Nebenkosten (Gebühren, Spreads)
nicht außer Acht gelassen werden! Sie können ein erfolgreiches System schnell
erfolglos machen. Was wiederum zu Frust und Fehlverhalten führt.
Wenn Sie mental nicht vorbereitet oder ausgebildet sind, werden Sie es
höchstwahrscheinlich sehr schwer haben, Ihre Tradingziele zu erreichen.
36 I Mit Selbstcoaching zum Ziel
Denn Sie brauchen psychische Stärke und Ausdauer, um einen Irade sauber
ausführen zu können. Wieder und wieder, auch wenn Sie schon sechs Mal
oder häuflger einen Minus-Irade hintereinander erlebt haben bzw. sich in
einer Draw-down-Phase befmden, also eine anhaltende Verlustphase. Ohne
mentale Stärke scheitern die meisten Trading-Anfänger. Denn Disziplin und
Konzentration stehen im Vordergrund, wenn es darum geht, seinen Trading-
Plan präzise einzuhalten. Mit Selbstcoaching können Sie sich alle mentalen
Fähigkeiten, die Sie für erfolgreiches Trading benötigen, dauerhaft aneignen
und einsetzen.
Die vielen emotionalen Reize, die Charts auslösen können, lenken immer
wieder von gewünschtem Verhalten ab. Stress aktiviert beim Menschen alte
Verhaltensmuster. Hinzu kommen zahlreiche Gedanken, die den Trader bei
seinen Entscheidungen beeinflussen. Der Schlüssel zum Erfolg von wirkungs-
vollem Selbstcoaching ist die Regelmäßigkeit. Je häuf1ger Sie Selbstcoaching
praktizieren, desto nachhaltiger wirkt es. Der erste Schritt zum Erfolg ist
eine Analyse was Sie genau an Ihrem Verhalten ändern möchten bzw. müs-
sen. Haben Sie das herausgefunden, erstellen Sie sich ein Selbstcoaching-
Programm für dieses Thema. Wie genau das funktioniert, erkläre ich in dem
Kapitel >>Das Selbsthilfe-Programm für Iraden<.
Die Qualität des Traders bestimmt die Qualität des Tradings! Man hat nur dann dauerhaft Erfolg
in diesem Beruf, wenn man vor allem an sich selbst arbeitet. Dazu zäh lt die Arbeit an der Psyche
ebenso wie die Pflege und der Erhalt eines gesunden Körpers.
Es ist wie mit einem wertvollen Oldtimer: Nur wenn Sie ihn ständig gut warten und pflegen.
wird er Ihnen viel Freude bereiten und seinen Wert steigern und steigern.
2. Trader-Angste - der größte Feind des
Traders ist die Angst
Können und wollen sind zwei Paar Schuhe. Auch beim Trading. Wer möchte
nicht erfolgreich an der Börse sein? Aber wie viele sind es tatsächlich? Hiesi-
ge Broker berichten, dass die Mehrzahl der Trading-Anfänger nach etwa drei
Monaten ihr Trading-Konto wieder schließen muss. Bankintern nennt man sie
deshalb auch ))Quartalskunden«. Genauere Untersuchungen darüber, warum
das so ist, sind mir nicht bekannt. Schaue ich mir allerdings mein anfang-
liches Verhalten und das anderer Trading-Anfänger an, so wird schnell klar,
was schieflief: Sie und ich hatten Angst, zu viel ))falsch« zu machen. Dass
Menschen aber nicht wirklich etwas falsch machen können, erkläre ich später.
Letztlich geht es in der Tiefe immer um das gleiche Problem: Angst! Trader
haben Angst vor Verlusten, Angst vor dem Mangel an Disziplin, Angst vor
der Angst, Angst, ausgestoppt zu werden oder Gewinne laufen zu lassen,
Angst vor dem Risiko und Verluste zu realisieren, Angst vor der Ungewissheit
sowie Angst, Gewinne wieder zu verlieren, Angst, nicht genug zu gewinnen
und Angst, einen Gewinn zu verpassen, Angst, nicht billig genug wieder in
den Trend zu kommen und das falsche System zu haben, Angst, dass man das
System nicht präzise umsetzen kann, etc.
Aber was ist Angst eigentlich? Ist die Angst zum Beispiel vor dem Jobverlust
die gleiche Angst wie die beim Trading, ausgestoppt zu werden? Oder ist die
Angst, bei einem Rendezvous einen Korb zu bekommen, dieselbe, wie in ei-
nem Irade zu wenig Gewinne zu machen? Die Antwort lautet: JA!
Angst ist ein Gefühl, welches immer an der gleichen Stelle in unserem Gehirn
entsteht - in der Amygdala. Der Auslöser für Angst ist letztlich egal. Doch
Angst ist weit mehr als ein Gefühl. Angst erzeugt Gedanken und Reaktionen.
Und diese Gedanken und Reaktionen verursachen beim Trading oft ein Ver-
halten, welches dazu führt, erfolglos zu bleiben. Deshalb ist Angst der größte
Erfolgsverhinderer beim Trading.
38 I Trader-Ängste - der größte fe ind des Traders ilt die Angst
Der tiefere Sinn von Angstgefühlen ist, in Gefahr für Sicherheit zu sorgen.
Sicherheit vor einer möglichen Bedrohung. Denn Angst ist eine Abwehrre-
aktion, also der automatische Schutzmechanismus des Menschen vor einer
Todesgefahr. Er funktioniert selbstaktiv und kann nur eingeschränkt durch
den Verstand gesteuert werden. Vermutlich sollen Ängste verhindern, dass
der Mensch so schwer zu Schaden kommt, dass es ihm letztlich nicht mehr
möglich ist, seine Art zu erhalten.
Dieser Reflex ist seit Hundertausenden von Jahren im Menschen aktiv und
wird es vermutlich für eine sehr lange Zeit auch noch so bleiben. Dabei hilft
auch das moderne Wissen nicht, dass einige Geschehnisse, wie zum Beispiel
Trading an sich nicht lebensgefährlich sind. Der Mechanismus geschieht un-
bewusst, weshalb er so machtvoll ist und die emotionale Belastung mitunter
sehr groß. Beim Trading haben wir es demzufolge mit dem stärksten Gefühl
des Menschen zutun - dem Überlebenstrieb. Diesem ist die Angst als Schutz-
mechanismus vorgeschaltet Die Todesangst tradet also immer mit!
Ich möchte Ihnen im Folgenden erklären, wie Fehler und Missgeschicke im-
mer wieder durch Ängste beim Iraden entstehen. Vor allem aber sollen Sie
lernen, wie Sie Herr der Angst werden können! Das wird Ihr Trading enorm
verbessern. Es wird Ihnen die nötige Ruhe und Ausdauer geben, um langfris-
tig entspannt zu handeln und noch erfolgreicher an den Märkten zu werden.
Sie wissen es selbst: Es gibt unzählige Auslöser von Ängsten beim Iraden.
Und ein Handelssystem, das nicht besteht oder individuell angepasst wurde,
basiert letztlich auf Angst Haben Sie erst einmal ein gewinnbringendes Re-
gelwerk für sich erarbeitet, fällt es wiederum schwer, das Richtige zu tun und
die Irades vernünftig zu handeln.
Der Grund dafür sind meistens sinnlose Ängste. Ich werde Ihnen den Unter-
schied zwischen sinnvollen und sinnlosen Ängsten gleich genauer erklären.
Außerdem erfahren Sie alles über Denkstrukturen, die beim Iraden nicht hilf-
reich sind. Die meisten davon sind in unserem Unterbewusstsein verankert.
Wissen und logisches Denken helfen leider häuf1g nicht, das eigene Verhalten
zu ändern, weil das Unterbewusstsein eigenen Mechanismen folgt Es will Sie
vor Schaden schützen. Wie wenig hilfreich Ihnen das auch beim Iraden er-
scheinen mag. Außerdem werden Sie erfahren, dass es ein falsches Verhalten
in dem Sinne nicht gibt Alles hat seinen Sinn!
Trader-Ängste - der größte Feind des Traders ist die Angst I 39
Nun sagen Sie vielleicht: ))Und was ist mit Gier? Wenn man zu schnell zu viel
will? Wenn man nicht genug bekommen kann? Es heißt zwar, Gier ist der
Trading-Feind Nummer eins, aber Gier ist doch keine Angst?« Ist sie doch!
Wer viel zu viel will, hat meist Angst, zu wenig zu bekommen. Und wer etwas
zu schnell will, hat vielleicht Angst, irgendwann nicht mehr dabei sein zu
können, eben Angst, den Zug zu verpassen.
Das oben genannte Beispiel zeigt, dass die wahren Gründe für Ängste, Be-
gierden oder Sehnsüchte oftmals tiefer liegen, als wir anfangs vermuten. Und
genau da liegt das Gold beim Coaching und dem Selbstcoaching!
Wir Trader haben vor allem Angst, nicht recht zu haben. Nicht recht zu haben bedeutet etwas
nicht richtig zu machen, die eigenen Fähigkeiten nicht sinnvoll anwenden zu können, keinen Wert
zu erfahren bei dem, was man tut. Es ist gleichbedeutend mit: der Angst zu unterliegen. ln letzter
Konsequenz ist es die Ur-Angst, nicht zu überleben.Wenn Sie herausfinden, wovor sie beim Tra-
den genau Angst haben, dann können Sie sich überlegen, wie Sie die Angst so klein halten, dass
sie für Sie auszuhalten ist. Ist das Gefühl der Angst unter Kontrolle, gehen Sie in kleinen Schritten
in die gewünschte Richtung weiter. Denn jede Angst ist immer nur so weit überwindbar, wie Sie
es sich erlauben!
Immer wieder erlebe ich während meiner Arbeit als Coach, dass Klienten die
Antwort auf ihre Probleme schon zu kennen glauben. Eines Tages betrat ein
Klient meine Praxis mit den Worten: ))Ich mache keine Gewinne, weil ich stän-
dig Angst vor Verlusten habe!« Am Ende der gemeinsamen Arbeit stellte sich
schließlich heraus, dass seiner Angst vor Verlusten letztlich die Angst zugrunde
lag, wie sein Großvater zu enden. Denn dieser hatte vor Jahrzehnten die Fami-
lie durch sein Kartenspielen in schwere existenzielle Nöte gebracht und Haus
und Hof verspielt. Neben den fmanziellen Verlusten hatte zudem das Ansehen
der Großfamilie stark gelitten. Seine Mutter warnte ihren Sohn immer wieder
mit den Worten: ))Mache uns nicht so eine Schande wie Opa!« Für meinen Kli-
enten war unbewusst der Gedanke entstanden: ))Wenn ich verliere, dann endet
das in einer schweren fmanziellen und familiären Krise«. Es ging also nicht nur
um denjeweils möglichen Verlust-Irade, sondern beijedem Verlust-Irade um
die Gefahr, damit die gesamte Familie in ein Desaster zu treiben.
40 j Die Angst unter der Angst
Oft zeigen sich Ängste sehr versteckt und erst in der Tiefe fmden sich die
wahren Gründe und Antworten für ihr Dasein. Deshalb spricht man von der
Angst unter der Angst. Nur wenn man diese erfasst, kann man das Problem
nachhaltig lösen.
Wenn ich als Trader also unbewusst denke, dass ich mit jedem einzelnen
Irade gleich Haus und Hof verlieren könnte, dann ist das weder hilfreich
noch angemessen!
Folgende Einstellungen und Überlegungen zeigen sich immer wieder bei der
unter der Angst liegenden Angst:
Der Trader handelt, wie er denkt, er kann gar nicht anders. Und sein Denken wird immer von un-
bewussten Glaubenssätzen und Gefühlen beeinflusst. Deshalb der Tipp: Wer mit seinem Trading-
Erfolg nicht zufrieden ist, der sollte den Mut haben, zu überprüfen, ob die Gründe dafür nicht
in seinen Gedankenmustern oder Überzeugungen zu finden sind. Schreiben Sie zu jedem Ihrer
nächsten hundert Trades auf. welche Gedanken Sie vor, während und nach einem Trade hatten.
Je besser Sie sich und Ihre Denkwe1se'1 ennen, desto gezielter können Sie an den Lösungen
Ihrer Trading-Probleme arbeiten.
Trader-Ängste - der größte Feind des Traders ist die Angst I 41
Angst ist die älteste Schutzfunktion des Menschen. Sie wird in bedrohlichen
Situationen als ein Gefühl von Besorgnis und Gefahr empfunden. Ohne den
schnellen und sensiblen Angstmechanismus wäre der Mensch in der Evoluti-
on wohl nicht dahin gekommen, wo er heute ist Der Angstmechanismus ist
ein Reflex, der vor Lebensgefahr warnen solL Besonders die objektbezogene
Angst (ein bissiger Hund läuft auf mich zu) löst einen körperlichen Reflex
aus in Form von Kampf, Flucht oder Erstarrung. Da das Angstzentrum sehr
sensibel reagiert, kommt es häuf1g zum sogenannten ))Fehlalarm«.
Sinnvolle Ängste sind Ängste, die den Menschen vor lebensgefährlichen Si-
tuationen schützen sollen. Kurz gesagt: bei allen Ereignissen, in denen ganz
offensichtlich Leib und Leben eines Menschen in Gefahr sind. Da sie über
Tausenden von Generationen lang ein wesentlicher Bestandteil unseres Kör-
pers wurden, kann man auch von genetischen Ängsten sprechen. Sie haben
den Sinn, das menschliche Leben vor dem Tod zu schützen, damit die Art
erhalten werden kann.
Fasst ein Kind auf eine heiße Herdplatte und verbrennt sich dabei die Finger,
wird es vermutlich künftig Angst vor Herdplatten haben (Konditionierung).
Geht man jedoch sorgsam mit heißen Herdplatten um, braucht man keine
Angst vor Herdplatten zu haben. Diese Angst ist also eine sinnlose Angst,
weil Herdplatten an sich nicht gefährlich sind und somit auch keine Angst
verursachen müssen.
Auf das Thema Trading übertragen bedeutet dies, dass ein Trader eigentlich
keine Angst vor Verlusten haben müsste. Zumal dann nicht, wenn das Geld-
risiko sinnvoll gewählt ist. Dennoch führen Geldverluste immer wieder zu
Ängsten und damit verbunden zu Fehlverhalten. Folglich kann sich rasch eine
Negativspirale entwickeln, die zu noch größeren Verwerfungen beim Trading
führen. Ein Beispiel: Sie traden ein gutes EinstiegssignaL Die Chance Gewinn
zu Verlust liegt bei 5:1. Sie könnten also das Fünffache von dem gewinnen,
was Sie verlieren könnten. Sie werden bei dem Irade ausgestoppt, steigen
aber erneut wieder ein, weil das Signal noch Sinn macht. Was richtig ist, da
die Chancen ja die gleichen geblieben sind. Dann werden Sie ein zweites Mal
ausgestoppt. Nun verlässt Sie der Mut, ein drittes Mal das Signal aufzuneh-
men, und ignorieren das Setup. Ihr Gedanke hierzu ist: ))Ach, das wird sowieso
nichts! Ich will hier ja nicht einen Minus-Irade nach dem nächsten machen.
Da habe ich ja bald kein Geld mehr auf dem Konto!« Bei diesem Gedanken
spüren Sie eine unbestimmte Angst. Dieses Gefühl bestätigt Sie unbewusst
darin, das Richtige zu tun. Sie ignorieren das Setup und Ihre Angst löst sich
auf. Einige Zeit später sind Sie neugierig und wollen wissen, was aus Ih-
rem Einstiegssignal geworden ist. Zu Ihrer Überraschung stellen Sie fest, dass
der dritte Irade etwas geworden wä re. Sie hätten tatsächlich das Fünffache
mit diesem Irade verdienen können. Sie ärgern sich und riskieren bei Ihrem
nächsten Irade das Doppelte, um so Ihre entgangenen Gewinne unbewusst
Trader-Ängste - der größte Feind des Traders ist die Angst I 43
Ich habe viele Jahre als Therapeut in einem Fachinstitut zur Angstüberwindung
gearbeitet. Die meisten Menschen, die ich therapeutisch begleitete, litten unter
sinnlosen Ängsten. Eines zeigte sich dabei ganz deutlich: Alle hatten nicht
wirklich Angst vor den Situationen oder Gegebenheiten, mit denen sie im Ins-
titut vorstellig wurden. Sie kamen z. B. wegen Flugangst, Brückenangst, Angst
vor Tiefe, Angst vor Höhe, Angst, mit dem Auto zu fahren, oder Angst, sich in
Menschenmengen zu begeben. Viele hatten auch Angst vor den Aufenthalten
in Einkaufszentren oder Supermärkten. Andere wiederum davor, Präsentatio-
nen und öffentliche Reden zu halten. Auch Angst vor schweren Krankheiten
oder Angst, Entscheidungen treffen zu müssen, war oft die erste Diagnose. Tat-
sächlich aber ist der wahre Angstauslöser fast immer der Sicherheitsverlust in
der jeweiligen Situation. Mit anderen Worten: Nicht die Angst selbst, sondern
der Verlust von Sicherheit bei Ängsten ist der zentrale Punkt!
Niemand wird gezwungen, an der Börse zu spekulieren und sich den starken
emotionalen Belastungen einer Trader-Karriere auszusetzen. Dennoch nimmt
die Begeisterung für das Trading stetig zu. Die reizvolle Aussicht, das große
Geld zu verdienen und endlich sein eigener Chef zu sein, ist immens. Die Ge-
fahr, fmanzielle Verluste zu erleiden, scheint dagegen eher gering - gemessen
an den vielversprechenden Chancen des Reichtums und Trader-Ruhms.
Schon bald nach den ersten ernüchternden Erfahrungen münden Gefühle wie
Verzweiflung, Wut und Ärger in das übergeordnete Gefühl Angst. Und die
Ängste sind vielfältig:
All diese Ängste, die Sie auf dem steinigen Weg des Tradings begleiten, sind
sinnlose Ängste! Das Schlimme dabei ist, dass sie im selben Areal des Gehirns
44 I Jeder hat seine individuelle Angstgrenze
verursacht werden, in dem auch die sinnvollen Ängste entstehen. Das lässt
Sie die Gefühle entsprechend stark erleben. Aber ich kann Sie beruhigen: Die
Chance, von diesen sinnlosen Ängsten wieder loszukommen, ist bedeutend
größer, als man meint! Und das ist entscheidend. Denn sinnvolle Ängste
sind so stark im Menschen verankert, dass sie kaum beeinflussbar sind. Sie
beherrschen uns nämlich schon seit gut 200.000 Jahren. Da reichen ein paar
Generationen moderne Neurowissenschaften und Psychologie leider nicht
aus, dieses manifeste Konstrukt zu verändern.
In den nächsten Kapiteln werde ich genauer auf die einzelnen Aspekte der
sinnlosen Ängste beim Trading eingehen. Sie werden auch erfahren, wodurch
diese Angstfallen ausgelöst werden. Vor allem aber werden Sie lernen, wie
Sie diese Ängste nachhaltig überwinden können.
Oft glauben die Menschen, dass alle Menschen gleich sind. Dies ist natürlich
nicht der Fall. Wir sehen nicht nur unterschiedlich aus, sondern jeder macht
auch seine ganz eigenen Erfahrungen und hat seine ganz eigenen Erlebnisse.
Die beginnen manchmal schon vor der Geburt. Uns Menschen werden nicht
nur Nase, Ohren und Haarfarbe unserer Eltern oder Großeltern vererbt, son-
dern auch emotionale Prägungen. Manch einer neigt zu Depressionen oder
Schwermut, wie die Oma. Ein anderer hat die unermüdliche Zuversicht und
Freude am Leben, so wie der Opa oder die Mutter. Das betrifft auch das The-
ma Ängste. Der eine ist mutiger und furchtloser, während ein anderer lieber
den sicheren Weg im Leben bevorzugt. Solche Eigenschaften entstehen meist
durch die Prägungen der Eltern. Das Kind schaut sich das Verhalten bei der
Mutter oder dem Vater ab und gelangt zu der festen Überzeugung: ))Das ist
normal, so muss ich auch sein.« Und natürlich hat jeder Mensch seine prä-
genden Erlebnisse. Manche sind sogar traumatisch.
Es ist wichtig, um die Beeinflussung durch die vielfaltigen Ängste beim Ira-
den zu wissen. Denn oft genügt es schon, sich bei seinem Trading-Verhalten
innerhalb seiner eigenen Familie, bei den Eltern oder den Geschwistern um-
zuschauen. Stellen Sie sich vor, Ihre Eltern würden traden. Was meinen Sie,
würden diese sich auch so verhalten wie Sie? Dann wissen Sie jetzt, warum
Sie vielleicht so ängstlich reagieren, wenn es darum geht, Gewinne laufen zu
lassen.
Trader-Ängste - der größte Feind des Traders ist die Angst I 45
Dieses Kämpfen mit dem Markt passiert immer wieder. Auch Prof1s sind da-
vor nicht geschützt. Dahinter verbergen sich meist tiefgreifende Kindheits-
erlebnisse.
Die Kindheit ist eine sehr prägende Zeit unseres Lebens. Die Wissenschaft
geht davon aus, dass die ersten drei Lebensjahre vor allem von nahen Be-
zugspersonen zu etwa 70 bis 80 Prozent beeinflusst werden. Das bedeutet,
dass sämtliche Handlungen in der Gegenwart von den frühesten Erlebnissen
geprägt sind. Diese Kindheitsprägungen durch Mutter, Vater oder andere nahe
Bezugspersonen wirken sich auf unsere spätere Gesundheit, Beziehungsfa-
higkeit und Stressresistenz aus. Nur wer in den ersten drei Lebensjahren eine
gute und sichere Bindung an wichtige Bezugspersonen erlebt, kann in späte-
ren Zeiten die so lebenswichtige psychische Sicherheit entwickeln.
»Ich bin ein Verlierer!(( Der Unterschied ist gravierend. Denn Christian hatte
das Gefühl, dass er als Mensch ein Verlierer ist und seine gesamte Person
abgelehnt wird.
Dies ist in der Gefühlswelt eines Menschen gleichzusetzen mit: »Du bist nicht
liebenswert(( oder auch >>Du wirst in diesem Leben nicht gebraucht Du bist
wertlos((.
Es ist verständlich, dass niemand so etwas empfmden möchte, und dann ent-
sprechend emotional darauf reagiert.
Im folgenden Gespräch stellte sich heraus, dass Christians Vater ihn immer
wieder als »dumm((, »eigensinnig((, »blöd(( oder als »Versager(( beschimpft hat-
te. Als Kind und Jugendlicher verletzte ihn das immer zutiefst Seine Reak-
tion darauf waren Wut und Ärger, Emotionen, die er meistens an seiner jün-
geren Schwester auslebte. Manchmal machte er auch anderer Leute Sachen
mutwillig kaputt. Hinterher fühlte er sich zwar irgendwie befreit, aber auch
schlechter. Denn durch sein Verhalten bestätigte er ja indirekt die Beschuldi-
gungen seines Vaters.
Da Christian dieses Thema nie bearbeitet hatte, löste es bei ihm auch heute,
als Erwachsener, unbewusst immer wieder die gleiche Reaktion aus. Kritik er-
lebte er nicht als Sachkritik, sondern als Zurückweisung seiner Persönlichkeit
im Ganzen. Es ist wichtig, solche Gefühls- und Verhaltensmuster aufzulösen,
um künftiges Trading nicht davon beeinflussen zu lassen.
Die Lösung:
Zunächst ist es wichtig, das missliche Verhalten sich klar vor Augen zu füh-
ren und sich bewusst zu machen. Auf diese Weise ist es möglich, zu erken-
nen, was genau der »gute Grund(( oder der Grund hinter der Angst für solche
Handlungen beim Trading ist Andernfalls besteht die Gefahr, dass dieses
unbewusste Reaktionsmuster immer wieder die Führung in Tradingsituatio-
nen übernimmt
alles anderer Meinung war bzw. sie anders wahrgenommen hat. Man wird
erkennen, dass solche Personen überwiegen.
Wir tragen im Leben immer einen Rucksack mit unserer Vergangen heit mit uns herum, auch
beim Traden. D er Inhalt dieses Gepäckstücks beeinflusst ständig unsere Arbeit. Es ist deshalb sehr
wichtig und nützlich, so viel wie möglich über die Zusammenste llung dieses Rucksacks zu wissen.
Fragen Sie Ihre Familie nach wichtigen Ereignissen oder begeben Sie sich auf eine innere Reise
in Ihre Vergangenheit. Oft findet man hier die Gründe und sogleich die Lösungen für hartnäckige
Trading-Probleme.
Trader-Ängste - der größte Feind des Traders ist die Angst I 49
In der Kindheit formatiert man quasi den Computer ))Gehirn«. Eine spätere
Einflussnahme ist nur noch schwer möglich, da die Grundverdrahtungspro-
zesse bereits in der frühen Kindheit angelegt wurden. Wird das Gehirn in der
Kindheit nicht gefördert, ist es auch in späteren Jahren wenig aktiv. Jeder
Mensch ist also durch seine Vergangenheit beeinflusst, er wird aber nicht
vollständig von ihr bestimmt Es sind auch weniger die Ereignisse der Ver-
gangenheit, die am stärksten unser Leben bestimmen, viel bedeutsamer als die
Ereignisse selbst ist unsere Haltung diesen Erlebnissen gegenüber. Entschei-
dend für eine gesunde Entwicklung und Persönlichkeit eines Kindes in den
ersten Lebensjahren ist daher die Beziehung zu den Eltern. Haben diese in der
Erziehung versäumt, eine stabile, verlässliche und enge Bindung aufzubauen,
so kann das bei dem späteren Erwachsenen unter anderem zu Selbstwertpro-
blemen führen. ))Ich kann nichts« «Andere sind besser« ))Ich bin dumm« ))Ich
bin nichts wert« «Ich habe Angst, Verantwortung zu übernehmen« usw. Wer
ein geringes Selbstwertgefühl hat, der könnte durchaus versucht sein, diesen
Selbstwertmangel über das Trading ausgleichen zu wollen. Der Ungeduld
und Disziplinlosigkeit sind dann Tür und Tor geöffnet Denn hat man in
Kindheitstagen die leidige Erfahrung gemacht, dass die Eltern einem nichts
zutrauen, ist man mit hoher Wahrscheinlichkeit auch heute als Trader stark
verunsichert und auf Anerkennung beim Trading angewiesen. Mehrmaliges
Ausgestopptwerden kann dann schnell als ))Ich kann nichts - ich bin nichts
50 I Wie uns die ersten Lebensjahre prägen
wert« interpretiert werden. Der Händler wird also unbewusst versuchen, sei-
nen inneren Konflikt über die Märkte auszutragen. Und oft zeigt sich dabei,
dass der Trader mit seiner Position versucht, recht zu behalten im Sinne von:
))Na, dem Markt werde ich es jetzt aber mal zeigen!« Das kann schnell zu un-
disziplinierten Handlungen und schmerzvollen Trading-Erfahrungen führen .
Deshalb mein Rat: Unterziehen Sie sich als Trader immer wieder regelmäßig
genauen Verhaltensbeobachtungen. Taucht ein Fehler immer wieder auf, so
kann der Grund dafür durchaus seine Wurzeln in der Kindheit haben.
Das innere Kind, also unser innerer (kindlicher) Seelenanteil, der sich in Sehnsüchten, Wünschen
und Träumen sowie in Verwundbarkeit, alten Verletzungen und Ängsten zeigt, dieser Ant eil in
uns tradet immer mit Das ist auch okay, solange es nicht die Führung übernimmt Wenn es
aber dominiert, dann kann dies beim Traden zu Problemen fü hren . Dem inneren Kind geht es
nämlich nicht um Trading-Resu ltate, sondern um seelischen Ausgleich von Verletzungen, Enttäu-
schungen, Trauer- und um Wiedergutmachung. Wer wissen möchte, ob er aus seinem inneren
verletzten Kind heraus tradet, der sollte prüfen, ob er sich beim Traden wie ein »kleines Kind«
verhält Ist dem so, dann wäre professionelle Hilfe und Unterstützung angesagt.
3. Wissen ist Macht
Dennoch treffe ich in meiner Praxis immer wieder Menschen an, die das
Gefühl haben, zu wenig zu wissen. Sie fühlen sich minderwertig oder entwi-
ckeln einen Drang zum Wissensperfektionismus. Geschürt wird dieser Druck
durch die schier unüberschaubare Vielzahl an Medien. Hunderte von Zeitun-
gen und Zeitschriften, Radio und IV-Sender sind voller Informationen. Wir
plaudern mit anderen über Gott und die Welt, wissen, welcher Star gerade
mit wem sein Bett teilt. Mit Wissens-Talkshows oder Spiel-Wetten polieren
wir unser Halbwissen auf und lassen andere unsere Meinung vorformulie-
ren, damit wir auch ja mitreden können. Die Menschen haben sich daran
gewöhnt, zu glauben, dass es erstrebenswert ist, möglichst alles zu wissen.
Dank Smartphone können selbst die Ampelrotphasen genutzt werden, um
sich für die Wissens-Spielshows fit zu machen. So kommt es, dass jeder von
uns ca. 80.000 Informationen täglich aufnimmt, aber nur fünf bis zehn da-
von wirklich wichtig für unser tägliches Überleben sind! Unser Gehirn ist
ergo völlig überfordert. 99 Prozent dessen, was wir am Tag an Informationen
aufnehmen, ist am Abend wieder weg. Was bleibt, sind jene Informationen,
bei denen unser Gehirn einen Zusammenhangaufgrund von bereits Vorhan-
denem herstellen konnte und es dementsprechend als wichtig bewertet. Die
52 I Wissen ist Macht
großartige Chance, die zu jedem Zeitpunkt jeder hat, besteht darin, selbst
entscheiden zu können, was für ihn wichtig ist, und sich folglich nur darauf
zu konzentrieren.
Auch ich glaubte anfangs, alles wissen zu müssen über das Thema Trading.
Stundenlang recherchierte ich im Internet, las in Foren, besuchte Vorträge
und schaute Webinare. Ich verschlang ein Buch nach dem anderen, so an-
dächtig, als würde ich meine Doktorarbeit in Medizin vorbereiten. Perma-
nent erfuhr ich etwas Neues, verpackt in den verschiedenartigsten Trading-
Systemen. Der eine hatte Erfolg mit diesem Indikator, der andere mit jenem.
Mal waren es gleitende Durchschnitte, dann wieder Fibonacci-Retracements
oder der RSL Ein Dritter benutzte alles auf einmal. Jeder hatte seine Sicht
der Dinge und alle erschienen mir richtig. Kaum gelesen, setzte ich das neue
Wissen auch gleich um. Und ehe ich mich's versah, tradete ich schon wieder
ein anderes System. Ich sprang in den Zeiteinheiten umher, dass es einem
schwindlig wurde. Vom Stunden-Chart wechselte ich zum Tages-Chart, um
mich wenige Tage darauf im Minuten-Chart wiederzufmden. Ich wollte doch
bloß so erfolgreich sein wie die Profi-Trader. Was ich nicht bemerkte: Ich gab
keinem System eine reelle Chance. Es schien, als würde ich nach den ersten
erfolgreichen Schwimmzügen eines Anfängers das Wasser aus dem Swim-
mingpool wieder ablaufen lassen. Noch ehe ich profitabel werden konnte,
befand ich mich schon wieder auf neuen Trading-Pfaden. Das tat letztlich
weder mir noch meinem Handelskonto gut.
Dass ich mit all der Wissensanhäufung ständig mein Gehirn überforderte,
blendete ich dabei völlig aus. Und je intensiver ich das tat, desto schwerer
wurde es, dieses Wissen mir wieder abzugewöhnen!
Heute weiß· ich, dass Profis durchaus an Neuern interessiert sind. Allerdings
betrifft dies die Vertiefungen ihres Handelssystems. Es macht ja schließlich
keinen Sinn, ständig nach neuen Regelwerken Ausschau zu halten, wenn die
bestehenden profitabel und gut umsetzbar sind.
Profis reflektieren sich und ihr Handelssystem wie ein akribischer Uhrma-
cher. Sie justieren die einzelnen Rädchen, versuchen, den Lauf geschmeidiger
zu machen, passen ruhig und sicher alles den Anforderungen an. Der Anfän-
ger schaut bloß auf das Ziffernblatt: Erkennt er, dass die beiden Zeiger sich
drehen, glaubt er schon am Ziel seiner Kunst angekommen zu sein. Wer so
denkt, für den schlägt die Stunde des Erfolges meist sehr viel später.
Wissen ist Macht I 53
Trading-Wissen ist vor allem dann von Nutzen, wenn es unserem System
hilft! Blicke ich heute zurück, sehe ich mich zwar mit all der Literatur von
einem Trading-Room zum nächsten flitzen, doch für mein tägliches Handeln
setze ich heute davon nur etwa 1 Prozent um.
Was also tun? Denken Sie immer daran, dass dieses Sich-Überinformieren
normal ist. Wir sind eben gefangen in der Schleife: ))Wer viel weiß, kann
viel.« Die magische Frage sollte dabei aber lauten: Hilft es meinem Handels-
system?
Viel Wissen kann auch für viel Verwirrung sorgen. Außerdem trainieren Sie
ihrem Gehirn Wissen an, welches es dann vielleicht auch unbewusst und
reflexartig umsetzen will. Das kann der Umsetzung eines reibungslosen Tra-
dings massiv schaden.
Wenn Sie den Dax im kurzfristigen Bereich traden, dann brauchen Sie kein
Seminar zum Thema Aktien-Trading auf Tagesbasis zu besuchen oder ein
Buch darüber zu lesen. Wenn Sie dem Prinzip folgen ))Dient es meinem Ziel?«,
werden Sie merken, wie viel Zeit Sie plötzlich für andere Dinge haben. Und
das ist wichtig. Auch wird es Ihre Erkenntnis fördern, wie einfach Trading
letztlich ist. Warum zehn Systeme mit zehn Konten traden, wenn Sie auch
mit ein oder zwei Systemen profitabel sind?
Wer immer wieder neues Wissen erlangt, will dieses früher oder später auch
umsetzen. Es kann sogar dazu verleiten, es während des Tradings umsetzen
zu wollen. Ehe man sich's versieht, tradet man binnen kürzester Zeit zwei,
drei Handelsansätze. Sie erkennen dann blitzschnell Chancen, von denen Sie
wissen, dass die profitabel sein könnten. ))Oh, Trader A hat gesagt eine Ham-
merkerze ist ein Zeichen dafür, dass der Markt gleich steigt, also rein in den
Markt - zack.« ))Der Kurs prallt vom gleitenden Durschnitt 50 ab - Trader B
sagt, das ist immer eine gute Chance. Ich kaufe - zack long« ))Trader C meint,
ein 50-Prozent-Retracement im Abwärtstrend ist seine Goldader-Strategie -
jetzt gehfs bestimmt wieder abwärts, ich verkaufe- zack.«
54 I jeder lebt in seiner Weit
Das kann kurzfristig durchaus funktionieren. Auf lange Sicht gesehen soll-
ten Sie aber wissen, dass Sie dabei nur beliebige Chancen traden und kein
beständiges System. Sie können sicher sein, dass das weder nützlich ist noch
Ihrem Konto guttut!
Weniger ist mehr und vor allem qualitativ besser. Man muss nicht alles wis-
sen, sondern nur das Wichtigste. Und was das ist, entscheiden Sie!
Wissen darf beim Traden nie überbewertet werden. Es geht nicht darum, viel zu wissen, sondern
das Richtige . Die Märkte funktionieren oft erstaunlich einfach. D er Mensch mit seinen Emotio-
nen ist da kompl i zierte~ Versuchen Sie einmal, vier Wochen lang ohne Informationen und Ein-
flüsse anderer zu t raden. Sie werden erstaunt sein, was das mit ihnen macht. Schreiben Sie Ihre
Eindrücke und Erkenntnisse jeden Tag genau auf und schauen Sie auf Ihre Trading-Ergebnisse. Sie
können sicher sein, dass Sie dieses Experiment weit er bringen wird als das nächste Buch, das Sie
zum Trading lesen I
Wir sehen die Welt nicht, wie sie ist, sondern so, wie wir sind!
Es ist daher nur allzu natürlich, dass auch Trader sich vergleichen. Ich habe
das anfangs auch oft gemacht: »Mensch, der Trader holt 70 Prozent Rendite
pro Jahr aus dem Markt, das muss ich doch auch schaffen!« »Der macht j a
nur tolle Prognosen mit sei nem System, so trade ich jetzt auch, so werde ich
bestimmt erfolgreich!« )) Er sagt immer, dass er mit 1000 Euro pro Irade han-
delt, mit meinem Minikonto schaffe ich das doch nie, ich muss sofort mehr
riskieren, sonst werde ich ja niemals so erfolgreich wie der!«
Wissen ist Macht I 55
Wie sehr wir uns auch bemühen - wir werden nie wie der andere sein kön-
nen. Der Grund dafür ist ganz einfach: Wir sind wir! Jeder hat seine eigenen
Lebenserfahrungen gemacht, seine eigenen Ereignisse erlebt und kommt aus
einem individuellem Lebensumfeld: Eltern, Geschwister, Verwandte, Freunde,
Lehrer. Wenn ich Sie fragen würde »Wer sind Sie?<<, was würden Sie darauf
antworten? Überlegen Sie und beantworten Sie sich diese Frage bitte jetzt
sofort, bevor Sie gleich weiterlesen ...
Die Antwort ist die Summe aller Gedanken, die Sie bisher gedacht haben!
Mit anderen Worten, Sie können Ihre Persönlichkeit nur aus dem entwickeln,
was Sie denken Und genau das ist heute Ihr Leben. Ihre Gedanken schaffen
Ihre Realität.
Und weil Sie so denken, wie Sie denken, handeln Sie auch entsprechend und
denken vermutlich in ähnliche Richtungen weiter.
Tatsache ist, dass Sie heute ein anderer Mensch wären, wenn Sie in der Fami-
lie Ihres Nachbarn geboren worden wären. Und wenn Sie Geschwister haben,
dann würde es schon ausreichen, an einer anderen Stelle innerhalb Ihres
Familiensystems geboren worden zu sein, um anders zu sein.
Es gibt nicht die Realität, es gibt nur Ihre ganz persönliche Sicht auf die
Dinge. Sie können das gut in Talkshows beobachten. Dort sitzen unter-
schiedlichste Menschen mit verschiedensten Meinungen . Jeder von diesen
Gästen ist davon überzeugt, recht zu haben. Und jeder hat auch recht. Denn
es gibt nicht die eine, alleinige Wahrheit. Es gibt nur unsere eigene Wahr-
heit. Was für den einen richtig ist, kann für einen anderen vollkommen
falsch sein.
Auf das Trading übertragen bedeutet dies, dass z.B. die einen behaupten, mit
Kurzfrist-Trading kann man kein Geld verdienen, während andere beteuern,
niemanden zu kennen, der mit Aktien-Trading reich geworden ist. Na und?
Nur weil andere das behaupten, muss es nicht stimmen. Es stimmt nur für
diese beiden Menschen. Punkt.
Dass jeder Einzelne in seiner ausnahmslos eigenen Welt lebt, ist ganz ent-
scheidend für das Gestalten eines persönlichen Handelssystems. Allzu oft
versuchen gerade Anfänger, das System eines anderen 1:1 nachzutraden,
aber es gelingt ihnen nicht. Auch ich habe das viele Male ausprobiert und
56 I Jeder lebt in seiner Weit
bin immer wieder daran gescheitert. Ich fand das unerklärlich. Da inves-
tierte ich einen Haufen Geld, um am Ende genauso schlau zu sein wie vor-
her! Wieder war ich nicht an mein Ziel gekommen: ein profitables System
zu traden. Also buchte ich ein anderes Seminar - in der Annahme, dass
der vorhergehende Referent mich beschummelt hatte. Sicher hatte der mit
seinen Irades nur Glück.
Regelwerke von anderen Tradern nachzuhandeln, das ist, als würde mein
Freund an meiner Stelle zum Maßschneider gehen, alle Maße für meinen
Anzug an seinem Körper nehmen lassen und den Maßanzug dann in Auftrag
geben, damit ich ihn abhole und anziehe. Er wird nicht passen!
Warum das auf das Trading anwendbar ist ? Weil jeder in seiner Welt lebt,
die er sich im Laufe des Lebens erschaffen hat. Der eine wird schnell ner-
vös, wenn die Gewinne wieder verloren gehen. Einen anderen erschrecken
schnelle Bewegungen im Kurzfrist-Trading. Der Nächste kann emotional
nicht drei Mal am Tag Minus-Irades verkraften. Der Nächste glaubt nicht
an die Wirkung der gleitenden Durchschnitte. Ich könnte das ganze Buch
mit unterschiedlichen Persönlichkeitsmerkmalen füllen. Wichtig ist, dass
Sie verstehen, dass jeder Mensch anders ist und anders handelt. Manche
sind sich zwar ähnlicher als vermutet, aber zwei sind nie absolut gleich.
Selbst Klone nicht.
Vergleiche sind unsinnig. Dennoch leben wir in einer Welt, in der wir ständig
alles mit allem vergleichen. Somit folgen wir allzu oft den Ideen anderer. Und
wundern uns, warum wir nicht bei uns bleiben! Aber gerade der eigene Stil
lässt den Trader erfolgreich werden.
Wissen ist Macht I 57
Wollen Sie eine Kopie sein, oder lieber das Original? Wer sich als Trader mit den Leistungen
eines anderen Traders vergleicht, tradet nicht seine Überzeugungen, sondern die des anderen.
Wer so arbeitet, der sorgt nur für Verwirrung und möchte keine Verantwortung übernehmen.
DerVergleich mit einem anderen Trader ist immer ein Zeichen dafür, dass man Angst hat, nicht
gut genug zu sein oder zu genügen. Konzentrieren Sie sich auf sich selbst. Trader brauchen
Selbstbewusstsein. Streben Sie besser an, dass andere sich mit Ihnen vergleichen. Dann haben
Sie wenigstens einen Konkurrenten weniger am Markt!
Trading ist spannend und macht Spaß. Manches am Trading-Alltag ist jedoch
auch eine Herausforderung, zu der man sich zwingen muss. Aber auch dies ge-
hört nun mal zum Weg, um zukünftig erfolgreich zu traden. Für viele ist zum Bei-
spiel das Aufschreiben der gehandelten Transaktionen eine lästige Aufgabe. Man
ist schon beschäftigt genug mit der Selbstmotivation, der Analyse des Marktes,
dem Verdauen der Minus-Irades, den vielen emotionalen Erschütterungen, dem
Frust über das eigene Fehlverhalten. Und da soll man sich auch noch am schwer
verdienten Feierabend mit Tagesaufzeichnungen seiner Trading-Geschäfte befas-
sen? Da fragt sich natürlich so mancher, worin denn hier der Reiz liegen soll.
Genau dieser fehlende Reiz ist der Grund dafür, warum viele eben keine Auf-
zeichnungen ihrer Irades machen. Es fehlt die Einsicht, der monetäre Nutzen,
der Sinn dieser Aufgabe. Das ist aber auch mit ein Grund dafür, weshalb viele
länger brauchen, um profitabel zu werden.
Beim Trading selbst lockt immer der mögliche Gewinn. Die Hoffnung, ir-
gendwann am Ziel seiner Träume anzukommen. Wer tradet, bewegt etwas,
man spürt sich und kommt über das Trading mit seinen Gefühlen in Kontakt.
Bei den Trading-Hausaufgaben kommt man meistens nur mit seiner inneren
Abneigung ihnen gegenüber in Kontakt.
Schon in der Schule haben die meisten von uns Hausaufgaben gehasst. Wir
empfanden sie als bloße Zeitverschwendung. Viel lieber wollte man spielen,
mit seinen Freunden unterwegs sein oder ausruhen. Und nun soll man sich
selbst die Hausaufgabe auferlegen, ein Trading-Tagebuch zu führen? Das
grenzt ja an Bestrafung!
58 I Der Coach in uns - das Trading-Journal
Auch für mich war das Aufschreiben meiner Irades eine unliebsame Ver-
pflichtung, die ich gerne vermied. Zumal ich teilweise beim vielen Iraden
den Überblick verlor. Zwar produzierte ich von meinen Charts Screenshots
und fotografierte die Trading-Setups sowie meine Einstiegssignale, doch ur-
plötzlich stellte ich einen Irade aus irgendeinem Grund schnell wieder glatt,
nur um kurze Zeit später mit einem neuen Irade im Spiel zu sein.
Unbewusst ahnte ich, dass ich etwas gravierend falsch machte. Aber be-
wusst fehlte mir der Mut zur Konfrontation mit der Wahrheit. Ich hätte mir
ja eingestehen müssen, dass ich gar kein bestehendes Handelssystem habe,
sondern bloß einen Irade nach dem anderen abfeuere. Und ich hätte mich
folglich mit der Frustration darüber, dass ich keinem Regelwerk folgte, aus-
einandersetzen müssen. Autsch! Und da mein Trading lange Zeit keiner pro-
fitablen Logik folgte, wollte ich mich damit nicht konfrontieren. Der Mensch
will sich ja in erster Linie vor Schmerzen schützen. Das ist oberstes Prinzip
des Überlebensplans, auch bei diesem Thema. Meine Irades aufzuschreiben
hätte ja bedeutet, mir eingestehen zu müssen, dass ich gar nicht professionell
trade! Und das hätte mir Schmerzen in Form von Gefühlen wie Scham, Pein-
lichkeit und vieles mehr verursacht. Also erfand ich einen guten Grund, um
keine Trading-Aufzeichnungen zu erstellen und keine Schmerzen spüren zu
müssen. Eine sehr beliebte Ausrede war bei mir: ))Keine Zeit.«
Wie bei allen wichtigen Dingen hat auch das Schreiben von Trading-Auf-
zeichnungen mit Disziplin zutun. Und jeder hat seine guten Gründe, warum
er es nicht macht. Deshalb kann das Verfassen eines solchen Journals schon
eine wichtige Übung sein, um eine Verhaltensänderung herbeizuführen Der
Weg zum Trading ist eine Aneinanderreihung von Verhaltensveränderungen.
Finden Sie heraus, was Sie davon abhält, Ihre Irades zu notieren. Sagen Sie
nicht: ))Ich habe keine Zeit!« Denn das ist eine Lüge. Wenn Sie frisch verliebt
sind, haben Sie ja auch Zeit, Ihre neue Liebe zu treffen. Beim Verwirklichen
von Zielen geht es immer darum, wie wichtig es einem ist. Hinter ))keine Zeit«
verbirgt sich etwas anderes! Stellen Sie sich dieser Realität, dann kommen
Wissen ist Macht I 59
Sie weiter. Haben Sie Angst, sich einzugestehen, dass Sie Ihren Trading-Plan
nicht einhalten? Hassen Sie vielleicht Aufzeichnungen, weil es Sie an die
Pflichten der Schulzeit erinnert? Liegt es an der Struktur, wann und wie Sie
es machen? Oder fehlt Ihnen der Reiz, mit sich in Kontakt zu kommen, wenn
sie solche Dinge erledigen müssen? Ist es eine lästige Pflicht, die Sie nicht als
ergänzende Trading-Arbeit ansehen?
Bei mir war es auch die Fülle der Informationen. Ich verlor einfach den Über-
blick. Es war, als hätte ich eine endlos lange Schnur mit festen Knoten und
müsste einen nach dem anderen geduldig öffnen. Ich war außerdem so auf-
gerieben von all den Trading-Erlebnissen, dass ich abends einfach keine Lust
mehr hatte auf die Buchhaltung. Naja, und ich hatte, ehrlich gesagt, auch
keine Motivation mehr, meine Aufzeichnungen zu erledigen und alle Daten
herauszusuchen, wenn ich einen schlechten Trading-Tag hinter mir hatte. Da
wollte ich mich lieber von meinem miesen Tageswerk erholen, anstatt mich
stundenlang mit meinen Fehlern zu beschäftigen!
Heute schreibe ich, nachdem ich einen Irade eingegangen bin, sofort alles
auf, was mir wichtig ist. Ich mache ein Foto vom Chart und lege es meinem
Text bei. Dann beschreibe ich das genaue Setup und notiere alle wichtigen
Informationen zum Irade. Meinen Einstiegsgrund, wo der Stopp liegt, die
Positionsgröße und Zielvorstellung, wie ich mich bei diesem Irade fühle.
Weshalb ich ihn einging. Und während der Irade läuft, notiere ich manch-
mal auch spontane Empfmdungen: ))Ich liege nun schon so weit im Gewinn
und spüre Nervosität. Gedanken tauchen auf wie: Soll ich nicht doch besser
glattstellen und den Gewinn mitnehmen?! Nein, ich weiß, es istjetzt schwer
für mich, aber ich vertraue auf meinen Trading-Plan.«
Welches waren meine Hauptemotionen bei diesem Irade? Ich lasse auf mei-
nem Computerbildschirm immer Platz für mein Ward-Dokument mit den
Trading-Aufzeichungen. So habe ich es immer im Blick und es dient mir als
Kontrolle. Dadurch dass ich es ständig sehe, erinnert es mich an mein Vorha-
ben, warum ich die Position einging und wie ich sie managen will. Das Blatt
ist sozusagen mein Controller während des Tradings.
60 I Die positive Absicht
Beim Trading sind die meisten auf sich allein gestellt. Sie sitzen zu Hause
vor ihrem Computer und müssen alle Entscheidungen selbst treffen. Keiner
kontrolliert sie. Das ist für viele eine große Belastung. Auch die zahlreichen
emotionalen Achterbahnfahrten erleben sie in Einsamkeit mit sich und dem
Chart. Ein Trading-Tagebuch kann da als Tagesbegleiter sehr hilfreich sein.
Heute sehe ich mein Trading-Journal als Coach. Es motiviert mich, mich
korrekt zu verhalten, zeigt mir, wo ich etwas besser machen kann, und ich
habe etwas, das mich zwingt, meine Irades und mein Trading-Verhalten zu
überwachen. Ich benutze es außerdem, um mich von Frust zu befreien. Denn
es ist sehr wichtig, seinem Ärger Luft zu machen!
Am Trading-Tagebuch erkennen Sie die Qualität eines Traders! Ein guterTrader hat ein gut ge-
führtes Trading-Journal. Wenn Sie nur unregelmäßig Trading-Aufzeichnungen machen oder gar
keine, dann finden Sie heraus, welches Ihre guten Gründe dafür sind, damit Sie zukünftig moti-
vierter sind, regelmäßig ihre Trading-Aufzeichnungen zu machen. Letztlich gibt es immer einen
guten Grund, warum wir etwas nicht tun. An Ihrem Trading-Journal können Sie auch erkennen,
ob Sie zu viel traden. Hat man nämlich keine Lust mehr, all seine Trades aufzuschreiben, dann
macht man meist zu viele Trades.
In meiner täglichen Praxisarbeit zeigt sich immer wieder, dass bei jedem
Menschen hinter jedem Verhalten eine positive Absicht steckt. Dies ist auch
eine These des NLP (Neurolingustische Programmierung). NLP befasst sich
mit dem Thema menschliche Kommunikation und geht davon aus, dass durch
Analyse des alten Verhaltens und Programmieren von neuen Reaktionen das
eigene Verhalten veränderbar ist.
Die wirklichen Gründe für ein Fehlverhalten beim Trading liegen immer tie-
fer, als der Trader im ersten Moment erkennen kann. Aus diesem Wissen
heraus gibt es auch keine Fehl-Irades, sondern nur Minus-Irades. Ich bin
davon überzeugt, dass Menschen nie Fehler machen. Jeder trifft die beste
Entscheidung, die ihm im gegenwertigen Moment zur Verfügung steht. Sie
ist sozusagen die beste Wahl. Hätte man eine andere Entscheidung treffen
können, die man in dieser Situation für besser hielte, so hätte man sich für
diese entschieden.
Wissen ist Macht I 61
Marcel ist Swing-Trader. Er tradet Aktien für einige Tage, manchmal Wochen.
Er sucht meine Hilfe auf, weil er einfach nicht dauerhaft in die Gewinnzone
kommt. Sein Ziel ist es, in der Lage zu sein, Gewinne sinnvoll laufen zu las-
sen. Er erlaubt mir, dass ich seine Persönlichkeit analysieren darf. Dafür lasse
ich ihn einen 50-seitigen Fragenkatalog ausfüllen und mache mit ihm eine
Coaching-Sitzung zur Vertiefung seiner Antworten aus dem Fragenkatalog.
Sein Trading-Plan ist gut ausformuliert und sein System nachweislich pro-
fitabel. Bei der Auswertung seiner Aufzeichnungen zeigt sich aber, dass er
immer wieder die Gewinne zu früh mitnimmt. Dadurch sind unterm Strich
die Verluste größer als seine erwirtschafteten Gewinne. Manchmal ist er in
der Lage, seinem Plan zu folgen. Dann ist er nachweislich profitabel. An
einem gewissen Punkt dreht sich die Kompassnadel seines Erfolges wieder
nach unten gen Süden, was auch nichts mit einem Draw-down zu tun hat.
also dem natürlichen Verlust durch eine veränderte Marktsituation. Marcel
verliert mehr, als er gewinnt. Er scheint einer inneren Verweigerung zum
Gewinnen zu folgen.
Anschließend arbeite ich mit ihm in Hypnose und mache eine innere Wan-
derung in sein Unbewusstes (Imagination). Dazu lasse ich ihn eine innere
Gestalt, ein inneres Bild kommen - den »Verbündeten«. Denn der Verbündete
steht für das innere Potenzial, das jeder von uns in sich trägt, die bedingungs-
lose Selbstannahme. Er soll Marcel nun zum Ort seines Erfolges führen.
Die beiden starten ihre innere Fantasiewanderung auf einer weiten, freien
Wiese. Auf dem Weg zum Ort des Erfolges führt der Verbündete ihn durch
eine schöne Landschaft. Es fühlt sich frei und sicher für Marcel an (Einhaltung
des Trading-Plans). Zwar gibt es kleine Unebenheiten (kleine Minus-Trades),
die den Weg beeinträchtigen, aber sie sind nicht von übergroßer Bedeutung
für Marcel. Je weiter der Verbündete diesen Weg mit ihm geht, desto wohler
fühlt sich Marcel (anlaufende Gewinne). Es stellt sich das Gefühl ein, dass
es immer so weitergehen könnte (Erfolgssträhne). Das Gefühl von Sicherheit
und Erhabenheit nimmt deutlich Raum in ihm ein. Dann gehen Marcel und
der Verbündete an einem langen Flusslauf entlang. Je länger sie an diesem
Flusslauf entlangspazieren, desto unruhiger wird das Wasser (Wasser steht
bei der Imaginationsarbeit für Emotionen). Am Ende des Flusslaufes wartet
62 I Die positive Absicht
ein dichter Dschungel (Verwirrung) auf sie. Alles ist verästelt, voller Gestrüpp
und undurchdringlich. Sie werden förmlich in diesen Dschungel hineingezo-
gen (Loslösung vom eigenen Willen) .
Der Verbündete geht unnachgiebig weiter voran, schlägt sich durch den un-
durchsichtigen Urwald. Marcel fühlt Angst und Unsicherheit, möchte am
liebsten die Wildnis verlassen. Plötzlich bleibt der Verbündete stehen. Auch er
weiß nun nicht mehr, wo der Weg sich befmdet (Stress, Erstarrung). Ich lasse
Marcel durch die Augen seines Verbündeten schauen. Vielleicht sieht er dann
den Weg klarer. Nach einer kurzen Zeit entdeckt er in dem Dickicht einen Weg
mit kleinen bunten Blumen, der ihn anzieht. Sie gehen darauf zu und es öffnet
sich ein fruchtbares Feld, auf dem ein riesengroßer Glaskubus steht. Er bein-
haltet viele kostbare Gegenstände: Gold, Diamanten, Geld in Hülle und Fülle,
das Buch des Glücks. Marcel spürt, dass dieser Glaskubus der Ort des Erfolges
ist. Ich (der Coacher) bitte ihn, den Glaskubus einmal anzufassen. Marcel spürt
mit seinen Händen, dass der Kubus nicht aus Glas, sondern aus Eis ist. ))Es ist
gefrorener Angstschweiß«, sagt Marcel.
Ganz oben auf diesem ))gläsernen Reichtum« thront ein Herz. Es ist zerbro-
chen.
Erneut bitte ich Marcel, durch die Augen seines Verbündeten zu schauen.
Diesmal auf das zerbrochene Herz. Und nach einer geraumen Weile sieht Mar-
cel brennendes Geld, während im Hintergrund ein Haus (seine ehemalige Wer-
beagentur) zusammenfällt.
Es verbarg sich hinter diesen Bildern ein tatsächliches, reales Ereignis, welches
er vor zwölf Jahren erlebte. Auf dem Höhepunkt seines beruflichen Erfolges
verlor er als Inhaber einer Werbeagentur seinen wichtigsten Kunden. Dieser
kündigte ihm einen Millionenauftrag, den er zum größten Teil schon in die
Erweiterung seiner Firma investiert hatte. Die Konsequenz daraus war, dass
er seine gesamte Existenz verlor. An ein Leben in fmanzieller Unabhängigkeit
gewöhnt, war er von einem auf den nächsten Tag vollkommen pleite bzw.
mittellos. Alles, was ihm blieb, war eine Matratze und ein kleiner tragbarer
Fernseher und viele Schulden. Er zog sogar wieder in sein altes Kinderzimmer
im Haus seiner Eltern ein, weil ihm das Geld für eine eigene Wohnung fehlte.
Wissen ist Macht I 63
Dieses Trauma zeigte seine Wirkung nun auch beim Trading. Sobald er er-
folgreich wurde und gutes Geld mit dem Trading verdiente, zog sein Unbe-
wusstes die Notbremse, um Schlimmeres zu verhindern - den Totalverlust
Die positive Absicht, keinen dauerhaften Gewinn mit dem Trading zu ma-
chen, war bei Marcel der unbewusste Selbstschutz vor einem erneuten To-
talverlust. Oberflächlich betrachtet sah es nur nach einem Angstgefühl aus
wie ))Ich kann keine Gewinne laufen lassen«. Das Unbewusste hatte aber eine
stärkere Absicht: Marcel vor zu großem Schaden zu schützen. Deshalb kapp-
te es kurzerhand die Erfolgssträhne. Denn unbewusst ist das traumatische
Erlebnis ))Auf Erfolg folgt ein Totalverlust« noch zu stark in ihm verankert.
Marcel machte also beim Trading keine sogenannten >>Fehler«, weil er seine
Gewinne nicht laufen lassen konnte, sondern sein Unbewusstes steuerte das
Trading und hatte eine positive Absicht - ihn vor dem Totalverlust und des-
sen Folgen zu schützen.
Die Lösung:
Wir strukturierten Mareeis Handelssystem an der Börse neu, das er frei von
emotionalen Einflüssen traden konnte. Der Markt bestimmte künftig, wann
seine Position beendet sein würde, nicht Marcel. Dadurch war die Stabilität
seines Systems wesentlich höher und sein Regelwerk wurde nicht mehr so
stark von seinem Trauma beeinflusst, da er nicht mehr direkt aus dem Chart
heraus tradete.
Als Näch?tes entwickelte ich mit Marcel einen positiven Leitsatz, der ihn
künftig bei seinem Trading unterstützen sollte und sein Verlusttrauma ent-
schärfte. Ich nahm diesen Satz auch in einem speziellen Audio-Coaching-
Programm mit auf, das ich für ihn erstellte. Dieses Audio-Programm hilft,
erwünschte Fähigkeiten mit dem Unbewussten zu unterstützen. Mareeis posi-
tiver Coaching-Satz war: ))Ich bin dauerhaft erfolgreich, weil ich mein Risiko
so niedrig wie nötig halte!«.
Fazit:
Dauerhafter Erfolg war für Marcel unbewusst mit dem Risiko des Totalverlus-
tes verknüpft. Deshalb durfte er keinen Erfolg haben und konnte nach einer
bestimmten Zeit keine Gewinne laufen lassen.
Gut zu erkennen ist an dem Beispiel von Marcel, dass ein Problem immer
individuelle Hintergründe hat. Jeder hat seine positive Absicht, weshalb er
etwas nicht tun, entscheiden oder umsetzen kann. Mareeis positive Absicht,
keine Gewinne laufen zu lassen, gründete auf dem Wunsch seines Unterbe-
wusstseins, ihn vor dem fmanziellen Ruin zu schützen.
Stellen Sie sich vor, Sie bewerben sich in einer Firma um einen Job. Im
Gespräch sagt Ihnen der Chef: ))Damit wir in dieser Firma erfolgreich sind,
werden Sie ca. 40 Prozent Ihrer Arbeit damit verbringen müssen, mein Geld
zu verlieren!cc
Und genau das ist einer der Hauptgründe warum Anfänger beim Trading
scheitern! Sie übertragen unbewusst ihre Vorstellungen von bekannten Ver-
haltenssituationen der Arbeitswelt auf das Trading. Deshalb versuchen sie
mit größtem Engagement, Verluste zu verhindern. Sie interpretieren Verluste
als Fehler oder Versagen. Ihnen ist klar: Würde man sich in einer Firma
unentwegt fehlerhaft verhalten, verlöre man zwangsläufig seinen Job, wäre
ohne Einkommen und hätte keine gesicherte fmanzielle Existenz mehr. Geld
ist in der kapitalistischen Gesellschaft besonders stark mit der Existenz ver-
knüpft. ))Ohne Moos nix los.cc ))Haste was, biste was!cc Man könnte fast mei-
nen, nicht die Menschen verfügen über das Geld, sondern das Geld verfügt
über Menschen!
Wohl jedem ist klar: Wem hin und wieder in seinem Job ein Missgeschick pas-
siert, der wird vermutlich nicht deshalb gleich seine Anstellung verlieren. Aber
etwa 40 Prozent seiner Arbeitszeit nur Verluste für eine Firma zu erwirtschaf-
Wissen ist Macht I 65
ten, ohne dass spürbare Konsequenzen für den Mitarbeiter folgen werden, ist
schwer vorstellbar. Es wäre wohl eher für Sie und den Chef eine Katastrophe!
Arbeit muss erfolgreich sein und zum Ziel führen. Möglichst bei jeder Tätig-
keit. Dies ist der Normalzustand, den die Menschen in der kapitalistischen
Welt anstreben. Schon während der Schulzeit liegt der Fokus vor allem da-
rauf, was Schüler in Klassenarbeiten falsch machen. Da werden Fehler rot an-
gestrichen und führen zu einer schlechteren Benotung. Das ist das klassische
Benotungssystem.
frustriert, wenn Sie auf dem Weg dorthin verzweifeln und vielleicht die ge-
samte Lust am Trading verlieren. Selbstverständlich dürfen Sie es sich auch
leicht machen und die Tatsache annehmen, dass es das perfekte System nicht
gibt. Tatsachen anzunehmen kann für einen Menschen sehr entlastend sein.
Beim Trading ist es eines der Allheilmittel schlechthin!
Der wohl größte Nachteil bei diesem Nachkauf-Verhalten ist die Gefahr, vor
allem je öfter dieses Verhalten gut geht, dass es zu dauerhaftem Fehlverhalten
führt. Denn Sie trainieren Ihrem Gehirn Verhaltensabläufe an, welches das
Unterbewusstsein künftig leicht selbstständig vollziehen kann. Es ist dann
sehr schwer, sich diesen Trick wieder abzugewöhnen.
Eine andere Blitzidee von Tradern ist, Verluste dadurch zurückholen zu wol-
len, indem einfach die Positionsgrößen bei den nächsten Irades erhöht wer-
den. Frei nach dem Motto : »Viel hilft viel!11 Leider hilft es vor allem, das
Handelskonto zu zerstören. Das Prinzip ist einfach: Hatte der Trader z.B. drei
Irades in Folge von je 100 Euro Risiko verloren, riskiert er beim vierten Irade
300 Euro mit der Idee: »Wenn dasjetzt gut geht, dann habe ich ja alle Verlus-
te auf einen Schlag wieder drin!« Das ist in etwa so sinnvoll, als würden Me-
chaniker in einen Formel-l-Rennwagen die Bremsen eines Trabbis einbauen,
Wissen ist Macht I 67
und dies nur, weil diese leichter sind als die Profi-Bremsen, um sich damit ins
Finale der Weltmeisterschaft zu begeben!
Manchmal geht so etwas gut, manchmal nicht. Das Wichtigste bei diesem
Verhalten ist, zu erkennen, was denn einen dazu bringt, so zu traden. Die
Konsequenz ist, dass damit ein unprofessionelles Irading antrainiert wird!
Meistens ist der Grund für diese dummen Irades einfach der, keine Verluste
akzeptieren zu können. Wenn Verlustsituationen zu solchen desaströsen Ak-
tionen führen, befmdet man sich mit dem Markt gemeinsam in der Kampf-
arena mit dem Ziel: Der Stärkere soll gewinnen. Schon jetzt kann ich Ihnen
verraten, der Stärkere wird schließlich immer der Markt sein! Wenn man sich
in solchen Momenten seine Stärke beweisen muss, dann am besten die, solch
riskantes Verhalten zu unterlassen und Minus-Irades in Folge emotionslos
zu akzeptieren. Es ist wichtig, konsequent an den richtigen Entscheidungen
beim Irading zu feilen, auch wenn es schwer fällt. Dennjede einzelne Chance
ist eine Chance zur positiven Veränderung. Und es ist wichtig, nicht zu ver-
gessen: Die Wiederholung von professionellem Verhalten führt zum Ziel. Was
vor allem der Irading-Anfänger tief verinnerlichen sollte, ist, zu lernen, beim
Irading auch falsch liegen zu dürfen. Nicht der einzelne Irade entscheidet
über Sieg oder Niederlage, sondern die Summe aller Irades! Und alle Irades
bedeuten, den Irading-Erfolg in einem großen Zeitraum zu betrachten: 100
Irades, 1000 Irades oder mehr über das Jahr gesehen.
Gehen Sie bitte selbstverständlich davon aus, dass Sie von 100 Irades etwa
30 Verlierer-Irades in voller Höhe haben werden, 30 Irades, die Ihnen Ihre
Verluste in selber Größe wieder reinholen werden, 20 Irades, die plus/minus
null ausgehen, und dann haben Sie noch 10 Irades, die Ihnen ganz gute Ge-
winne erwirtschaften, und ca. 10 Irades, bei denen Sie richtig gut abkassieren
werden. So in etwa sieht die Irading-Realität aus. Natürlich nur dann, wenn
Sie einem festen System folgen, welches auch nachweisbar profitabel ist!
Wer sein neues Verhalten stetig trainieren will, sollte sein altes und destruk-
tives Verhalten radikal und bewusst unterbrechen!
Wer langfristig erfolgreich werden will, der muss dem Versagen und Verlieren
beim Trading eine ganz neue Bedeutung geben. Trader müssen sich das Ver-
lieren als vollkommen normale Ursachenwirkung des Tradings antrainieren,
ohne die Erfolg an der Börse unmöglich ist. Beim Trading sind nur gute Ver-
lierer auch gute Gewinner. Oder anders ausgedrückt: Nur wer verlieren kann,
wird gewinnen können! Beim Trading bedeutet zu verlieren nicht: >>Ich habe
versagt«, sondern: »Die Idee war gut - der Markt verlief aber anders als er-
hofft.« Mehr ist realistisch gesehen nicht geschehen. Regelmäßiges Arbeiten
an negativen unbewussten Glaubenssätzen kann helfen, eine positive Ein-
stellung zum Verlieren beim Börsenhandel zu entwickeln. Denn unbewusste
Gedanken steuern die Entscheidungen und die wichtigsten Verhaltensmuster.
Es kann sehr hilfreich sein, Verluste beim Iraden als den Normalzustand für
diese Arbeit anzusehen.
Wenn Sie merken, dass Sie Schwierigkeiten haben, ihre Verluste zu akzeptieren, oder sogar
den Reiz verspüren, mit dem Markt zu kämpfen zu wollen, um so die Verluste wettzumachen,
dann ist es sinnvoll, die Situation radikal zu unterbrechen. Schließen Sie in solchen Momenten
am besten sofort Ihre Trading-Piattform. Legen Sie eine Kaffeepause ein, gehen Sie eine Runde
mit dem H und spazieren oder erledigen Sie Büroarbeiten. in solchen Momenten hilft vor allem
physischer Abstand von der Trading-Piattform, um mental die nötige Ausgeglichenheit Zurück-
zugewinnen, die Sie brauchen, um die nächsten Schritte gehen zu können. Denn physischer
Abstand reduziert die GefUhle und Gedanken, die mit dem negativen Auslöser gekoppelt sind.
Ganz nach dem Motto: »Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß!« Anschließend prüfen Sie,
ob das Risiko. welches Sie eingehen, noch Ihren Absichten beim Trading entspricht. Wenn nicht,
dann ändern Sie es so, dass Sie mit Ihrem Trade w ieder in Ihre Sicherheitszone kommen. D as ist
oberstes Prinzip, sonst sind Ihren negativen Emotionen Tür und Tor geöffnet und veranlasst Sie
dazu, unnötige Fehler zu machen.
Ob Sie Ihre Handelsaktivitäten auswerten oder nicht, ich bin sicher, die meis-
ten Börsenhändler fragen sich bei dem einen oder anderen Irade: »Warum
habe ich das bloß nur wieder gemacht - gegen den Trend gehandelt? Dass
70 I Denn wir wissen nicht, was wir run
wollte ich doch nicht!« »Auf dem Höhepunkt der Bewegung eingestiegen,
mein alter Trading-Fehler. Wie oft wird mir das noch passieren?« »Im Verlust
nachgekauft, ich kann es einfach nicht lassen!« >>Nicht nach Regelwerk ge-
handelt, nur weil es nach einer Chance aussah, ich wollte doch diszipliniert
sein!« »Wieder getradet- bloß um dabei zu sein.«
Eigentlich wissen wir genau, was wir in solchen Situationen tun sollten, um
dauerhaft profitabel zu sein, trotzdem können wir es nicht konstant umset-
zen. Warum nicht? Weil nicht unser Verstand, der diesen Gedanken denkt,
unser Verhalten maßgeblich steuert, sondern es unsere Gedanken und vor
allem unser Unbewusstes sind. Man könnte auch sagen : Wir handeln nicht,
was wir wollen, sondern was wir denken müssen! Lassen Sie mich diese
Macht des Unbewussten an einem Coaching-Beispiel erklären.
Die Coaching-Stunde:
Thema : Gegen den Trend handeln.
Peter erzählt mir, dass er viele Bücher über das Trading gelesen hat und au-
ßerdem eine Menge Seminare besucht. In unserer Zusammenarbeit zeigt sich
schnell, dass er sehr erfahren im Trading ist.
Nun wollte ich Peters guten Grund oder gute Absicht für dieses Verhalten
herausfmden.
Aus meiner täglichen Praxisarbeit wusste ich, dass nur der Klient die richtige
Antwort auf seine Fragen kennt. Für mich sind Probleme immer individuell zu
verstehen. Jeder hat einen guten Grund, weshalb er sich so und nicht anders
verhält. Und dass jeder Mensch aus seiner Sicht in jeder Situation richtig und
niemals falsch handelt. Nämlich nur so, wie er es in dem Augenblick für richtig
hält. Er entscheidet sich also immer aus einem guten Grund, auch wenn dieser
gute Grund für andere oder für einen selbst vollkommen unlogisch zu sein
scheint. Diese guten Absichten werden meist unbewusst ausgelöst. Die häu-
figste »gute Absicht« des Unbewussten ist Schutz vor Schmerz! Denn Schmerz
ist für unser Gehirn gleichzusetzen mit Gefahr für Leib und Leben. Und somit
eine Bedrohung, dass die Art nicht erhalten werden kann. Die Art zu erhalten
ist für das menschliche Dasein oberstes Prinzip. Es steht über allem! Was war
nun Peters »guter Grund«, immer wieder gegen den Trend zu handeln?
72 I Denn wir wissen nicht, was wir run
Ich ging mit ihm seine gesamten wichtigen Lebensereignisse durch. Ein Zu-
sammenhang zu seinem Trading-Problem war hier nicht zu erkennen. Dann
sprachen wir intensiv über seine Trading-Erlebnisse. Er erzählte von einem
))Monster-Irade«. Geradezu über Nacht verlor er gleich zu Beginn seiner Tra-
ding-Laufbahn ))unendlich viel Geld«, wie er mir sagte. Eigentlich hatte er
sich geschworen nie mehr darüber zu reden.
Peter: Das habe ich irgendwann aus meinem Leben ausgeblendet, so schlimm
war das für mich.
Erst als er sich ein Jahr später nach diesem Ereignis näher mit den Prinzipi-
en der Markttechnik beschäftigte, erkannte er die ganzen Zusammenhänge
seines Verhaltens.
Ich stellte ihm zu diesem Ereignis vertiefende Fragen. Seine Antworten dazu
waren unter anderem: ))Ich hatte mir damals geschworen, ich werde nie mehr
der Letzte sein, der aus einer Bewegung aussteigt.« Oder: ))Wäre ich doch bloß
short gegangen, dann wäre es mir nach diesen Erfahrungen nicht so schlecht
ergangen.« Peter hatte nämlich monatelang seelisch wie körperlich stark un-
ter diesen immensen Verlusten gelitten. Also besorgte ich mir die Charts von
der damaligen Marktsituation noch einmal und zeigte sie Peter. Ich fragte ihn
daraufhin, was sie in ihm auslösen.
Peter: Ganz klar. Ich sehe jetzt wieder, was ich falsch gemacht habe. Ich hätte
statt auf steigende Märkte auffallende Märkte setzen müssen. Ich hätte gegen
den Trend handeln müssen, dann hätte ich eine Menge Geld verdient!
Wir schauten dann auf die Charts seiner letzten Minus-Irades in seinem Ta-
ding-Journal. Ich sagte zu ihm: )) Schaue konzentriert auf diese Charts.« Dann
las ich ihm noch einmal seine Sätze vor, die er mir eben sagte: ))Ich hatte mir
damals geschworen, ich werde nie mehr der Letzte sein, der aus einer Bewe-
Wissen ist Macht I 73
gung aussteigt.« Und: ))Hätte ich doch bloß gegen den Trend gehandelt, dann
wäre es mir nach diesen Erfahrungen nicht so schlecht ergangen.«
Peter härte, wie ich seine Sätze wiederholte, er schaute nachdenklich auf
die Charts. Dann atmete er tief ein, schüttelte verständnislos den Kopf und
antwortete mit leichter Bitternis in der Stimme: Jetzt gehe ich short, ich gehe
gegen den Trend. Aber jetzt ist es zu spät. Coach: Und was, Peter, ist wohl
dein guter Grund, das zu tun?
Ich will alles wiedergutmachen, was ich damals falsch gemacht habe. Als
würde ich diesen sogenannten Monster-Trade von damals nachholen und nun
alles richtig machen wollen, indem ich short gehe. Ich will die Gewinne von
damals nachholen. Es ist eigentlich immer derselbe Chartverlauf wie damals,
als alles schiefging. Nur will ich heute das Richtige tun.
Coach: Ja, Peter, du tradest jetzt mit den Charts von heute, aber noch immer
mit den gleichen Gefühlen von damals.
Peter unterlag sozusagen einem ))Irrtum der Zeit«. Er wollte die Gescheh-
nisse von damals wiedergutmachen. Er war davon überzeugt, dass er sich
von seiner Schuld und seinen erlebten Schmerzen befreit, wenn er heute,
natürlich unbewusst, bei seinen Irades das tut, was damals das Richtige
gewesen wäre - gegen den Trend zu gehen. Peter wollte sein Fehlverhalten
in Bezug auf seinen ))Monster-Trade11 in der Vergangenheit wiedergutma-
chen. Das war seine positive Absicht, wenn er heute gegen die vorherr-
schende Marktrichtung handelte. Es war vollkommen unlogisch, aber das
interessierte Peters Unterbewusstsein nicht. Es wollte ihn nur vor erneuten
Schmerzen schützen, die ausgelöst werden könnten, wenn er in steigende
Märkte in Richtung Trend handelte. Denn genau das glaubte Peter damals
getan zu haben, wodurch er eine riesige Summe Geld verlor. Sein scheinbar
unlogisches Verhalten sollte ihn vor erneuten Schmerzen schützen. Sein
Unterbewusstsein erkannte dasselbe Chartmuster von einst und zwang ihn
zu einer Handlung, die er eigentlich nicht wollte. Vollkommen automa-
tisch.
74 I Denn wir wissen nicht, was wir run
Die Lösung:
Wir erarbeiteten gemeinsam, inwiefern er diese Situation sinnvoll loslas-
sen konnte und welches neue Verhalten er sich für sein zukünftiges Trading
wünschte.
Eine Unterstützung war für Peter ein heilender, positiver Glaubenssatz. Ein
Satz, von dem er selbst überzeugt war und den er glauben konnte - der
vollkommen stimmig mit seinen Trading-Zielen war. Ich überprüfte mit ihm
immer wieder die Glaubwürdigkeit seines Motivierungssatzes. Es musste
ein Satz sein, den Peters Unbewusstsein bedingungslos annehmen konnte.
Ein allgemeiner motivierender Satz im Sinne von ))Ich trade jetzt nur noch
mit dem Trend« war für Peters Situation vollkommen ungeeignet. Denn die-
ser Satz stimmte nicht mit Peters innerer Haltung gegenüber dem Iraden
überein. Das zeigten seine Gefühle ganz deutlich. Viele meinen, es würde
einfach ausreichen, sich positive Sätze zu sagen, und alles wird gut. Doch
unser Gehirn funktioniert anders. Es ist, als würde ein Depressiver in einer
ausweglosen Situation sich Mut zusprechen und ständig wiederholen : ))Alles
ist gut, alles ist gut !« Dieser Mensch erlebt seine Wirklichkeit aber höchst
wahrscheinlich vollkommen anders und sein Unterbewusstsein wird diesen
Hilfeversuch vermutlich so interpretieren: ))Der redet sich was ein, das nichts
mit der Realität zu tun. Es ist nicht alles gut!«
Peters Motivierungssatzes war: ))Ich erlaube mir, mich von der Schuld zu
befreien. Vergangenes ist vergangen. Ich bin vollkommen sicher - Irade für
Irade nach meinem Plan.«
Diese Aussagen entsprachen Peters Realität. Von nun an durfte er sich erlau-
ben, seine Schuld - damals verantwortungslos gehandelt zu haben - loszulas-
sen. Und Vergangenes ist in der Tat vergangen; die Irades sind aufgelöst, das
Geld verloren. Sein Ziel ))Irade für Irade nach meinem Plan« entsprach einem
sinnvollen Ziel: Nicht zu groß, nicht zu klein, sondern absolut realisierbar!
Nun brauchten wir noch ein inneres Bild für Peter, das diesen Satz visuell
repräsentierte. Denn das Unbewusste speichert Aussagen und Gedanken am
besten gekoppelt mit inneren Bildern ab. Auch hier testeten wir gemeinsam
immer wieder die Glaubwürdigkeit dieser motivierenden Darstellung. Dann
hatte Peter sie gefunden: Eine Raupe, die ihren Kokon abwirft und nun als
Schmetterling leicht und unbeschwert ihren Zielen entgegenfliegt Sicher ge-
tragen in den Weiten der Lüfte.
Wissen ist Macht I 75
Das Abwerfen des Kokons stand für das Loslassen von Vergangenern und
Schuld. Der leichte, unbeschwerte Flug des Schmetterlings symbolisierte für
Peter die routinierte Abfolge seiner Irades. Und das Gleichnis der Flügel-
schläge stand für die konstante Ausführung seiner Irades nach der immer
gleichen Abfolge, so wie er es in seinem Irading-Plan festgehalten hatte. Das
Getragenwerden in den Weiten der Lüfte war für Peter ein annehmbares Bild
und bedeutete ihm unendliche Sicherheit. Für ihn war das Bild Ausdruck von
))Sicherheit, die im Überfluss immer um mich herum vorhanden ist. Ich muss
sie nur so optimal wie möglich nutzen.«
Das Unbewusste kann man nicht sehen, sehr wohl aber seine Handlungen ver-
folgen, die unbewusst ausgeführt werden. Aber dann ist es meist zu spät für
Korrekturen. Da der Mensch überwiegend unbewusst agiert und nicht immer
mitbekommt, wieso er sich gerade so und nicht anders verhält, versucht er,
sich seine Handlungen im Nachhinein zu erklären. Das ist aber so, als würde
man nach der Ziehung der Lottozahlen sich sagen: »Hätte ich beijeder Zahl die
nächsthöhere angekreuzt, hätte ich jetzt sechs Richtige im Lotto und wäre Mil-
lionär.« Das klingt zwar logisch, geht an der Realität aber vollkommen vorbei.
Der Mensch will sich und die Zusammenhänge seiner Welt, wie er sie wahr-
nimmt, begreifen. Deshalb versucht er, Probleme auf Verstandesebene zu lö-
sen. Da das Unbewusste aber ein selbstaktiver Prozess ist, kann man hier mit
Logik nichts bewirken! Denn wir handeln zu mehr als 95 Prozent unbewusst.
Wir sind förmlich wie auf Autopilot eingestellt. Unser Gehirn verarbeitet
ununterbrochen Reize. Und wenn es keine gibt, dann produziert es selber
welche. Das Fatale daran ist, dass unser Gehirn selbst entscheidet, was richtig
und was falsch ist - ohne uns.
Alles, was wir wahrnehmen, geht über eine Kommandozentrale in unser Gehirn:
in das Angst- und Panikzentrum. Dieses liegt im Mandelkern (Amygdala). Und
über ihre Gegenspieler in die Glücks- und Belohnungszentren. Beide können wir
nicht bewusst kontrollieren. Nimmt der Mensch in seinem Umfeld Signale wahr,
76 I Denn wir wissen nich~ wa.~ ·r run
Im Trading drückt sich dieses Gefühl der Bedrohung z.B. in Form von Akti-
onsverweigerung aus. Wir stellen die Verlustposition nicht glatt, sondern ver-
harren im Nichtstun. Befmdet sich unsere Position im Gewinn, verliert aber
zunehmend, weil der Markt sich geändert hat, dann verkaufen wir unser In-
vestment leichtfertig aus Angst, noch mehr zu verlieren. Im Gehirn entsteht
also folgender Prozess: Sie nehmen wahr, dass die Gewinne Ihres Irades kleiner
werden. Weil Sie diese Informationen wahrnehmen, gelangen sie zur emotio-
nalen Kommandozentrale. Von hier aus gehen die Informationen, noch bevor
es Ihnen bewusst wird, zum Angst- und Panikzentrum sowie zum Lust- und
Freudezentrum. Da Geldverlust für den heutigen Menschen in der Regel Gefahr
bedeutet, nämlich Existenzverlust, wird das Angst- und Panikzentrum aktiviert.
Nun werden entsprechende Reaktionsmuster aktiviert, Kampf, Flucht, Erstar-
rung, und die dazu passenden Gefühle erzeugt, die Sie zu einer Handlung ani-
mieren: Sie verkaufen Ihre Position mit kleinem Gewinn, weil Sie Angst hatten,
alle Gewinne zu verlieren bzw. wieder Verluste zu machen. Der gesamte Ablauf
geschieht unbewusst, etwa 230 Millisekunden lang, bevor Ihnen all das bewusst
wird. Die Wissenschaft hat zudem herausgefunden, dass unser Gehirn in man-
chen Situationen bereits sieben Sekunden vor der Ausführung einer Handlung
schon entschieden hat, wie wir im nächsten Moment handeln werden. Der Pro-
fessor für Verhaltensphysiologie Gerhardt Roth bringt es auf den Punkt: ))Wir
sind eine Marionette in den Händen unseres Unbewussten. Und wir bekommen
nur dann andere Gedanken, wenn das Unbewusste meint, dass wir jetzt mal
andere Gedanken bekommen müssen. Und auch die werden uns eingegeben.«
Keiner von uns weiß, warum wir tun, was wir tun. Sicher ist, der Verstand
agiert in die Zukunft, das Unbewusste aus der Vergangenheit. Wir kreieren
uns also ständig eine Zukunft mit den Einflüssen aus der Vergangenheit. Vie-
les davon wurde in der Kindheit geprägt. Augeeignete Denk- und Verhaltens-
muster, Erlebnisse, Erfahrungen und die zahlreichen Glaubenssätze stammen
meist ebenso aus der Vergangenheit. Es reicht also nicht aus, sich zu sagen:
))Ich kann nur erfolgreich werden, wenn ich diszipliniert trade, also tue ich
das jetzt mal!« Oder: ))Ich habe keine Angst mehr, ausgestoppt zu werden, das
gehört doch zum Trading d azu !~ Denken hilft zwar zu verstehen, aber ver-
Wissen ist Macht I 77
stehen alleine nützt nichts. Der Verstand zieht meist den Kürzeren gegenüber
unserem Unterbewusstsein.
Der Grund dafür ist, dass unser Gehirn es sich so einfach wie möglich macht.
Schalten, kuppeln, bremsen und gleichzeitig den Blinker wie beim Autofahren
auf einmal zu betätigen ist für unser Unbewusstes kein Problem. Müssten wir
über all diese Handlungsabläufe nachdenken, würden wahrscheinlich nur sehr
wenige das Auto benutzen. Denn nachdenken strengt unser Gehirn enorm an
und verbraucht Unmengen an Energie. Es wird deshalb aufwenige Zentren, die
sich in der Großhirnrinde befmden, begrenzt. Es ist eine ein Millimeter dünne
Schicht, die unser Gehirn scheinbar wie eine faltige Badekappe umschließt.
Im vorderen Teil des Stirnbereichs dieser Kappe sitzt unsere Intelligenz. Dieses
Zentrum ist mit der gleichzeitigen Verarbeitung von fünf bis sieben Informa-
tionseinheiten vollkommen ausgelastet. Sie können das selbst ganz einfach
prüfen. Lesen Sie sich einen dieser Textblöcke durch und schreiben Sie ihn
dann wortwörtlich aus Ihrer Erinnerung auf. Sie werden feststellen, dass Sie
sich vermutlich nur fünf bis sieben Worte eines Satzes merken können.
Dennoch sind wir so egozentrisch veranlagt, dass wir glauben, unser Verstand
regiere die ganze Zeit über die Welt oder er hätte absolute Willensfreiheit.
Nur weil die Mehrzahl der Eindrücke unbewusst aufgenommen werden, be-
deutet das nicht, dass sie nicht wieder aktiviert werden können. Das Un-
bewusste ist vergleichbar mit einer Perlenkette. Jeder Sinneseindruck, jedes
Erlebnis wird Perle für Perle aufgezogen. Und je stärker eine Perle, also ein
Sinneseindruck, mit einer Emotion behaftet ist, desto leichter wird sie akti-
viert. Ängste und Glücksmomente sind die intensivsten Gefühle. Das erleben
Sie vermutlich immer wieder, wenn Sie bei einem Irade viel gewonnen haben
oder häuftg ausgestoppt werden.
keinen Autopiloten fürs Trading, der selbstaktiv und unbewusst die nötigen
Tätigkeiten wie von selbst abspult. So, wie wir es etwa beim Autofahren er-
leben. Zudem mischt sich bei unbekannten Gefahren immer unser Verstand
ein. Damit sind den Trading-Fehlern Tür und Tor weit geöffnet.
Dennoch sind die Resultate, die unser Unbewusstes hervorbringt, sehr zu-
verlässig. Wir wären sehr zufrieden, gelänge uns das Gleiche mit unserem
bewussten Denken. Es ist fast absurd, aber bevor der Mensch bewusst über
etwas nachdenkt, hat das Gehirn auch schon entschieden, was richtig oder
was falsch ist. Das hat zur Folge, dass wir ständig in der Vergangenheit leben.
Denn das, was der Verstand wahrnimmt, ist schon eine Drittelsekunde alt.
Eine weitere Einschränkung ist, dass das wichtigste Sinnesorgan bei unserer
Wahrnehmung unsere Augen sind. Wir sehen zu 99 Prozent das, was in unse-
rem Gedächtnis bereits vorhanden ist. Und etwa nur 1 Prozent kommt aktuell
über die Sinnesorgane hinzu. Unser Gehirn ist also in der Lage, Bilder zu
manipulieren! Ein Beispiel: Hat ein Trader etwa überwiegend eine pessimis-
tische Einstellung zu den Märkten, wird er öfter dazu tendieren, gegen den
Trend zu handeln, weil seine Handlungsentscheidungen auf einem negativ
geprägten Gedächtnis-Reservoir basieren. Unser Gehirn fälscht also die Ab-
bildungen. Zwar sehen wir einen Aufwärtstrend, aber unsere pessimistische
Einstellung überschreibt sozusagen diese positive Wirklichkeit, damit sie auf
uns wirkt, wie unser Gehirn sie sich denkt und wie sie aussehen müsste. Das
ist machtvoll!
Gerade zu Beginn des Tradings ist das sehr oft der Fall. Trader sehen dann
Chancen im Chart, wo gar keine sind, weil sie sich einen bestimmten Kurs-
verlauf wünschen und durch die zahlreichen negativen Bilder aus dem Reser-
voir unbewusst selbst manipulieren. Es erfolgt nach dem Prinzip: Negatives
zieht Negatives an, um Negatives zu erleben.
Sie sehen, auch wenn die meisten Prozesse in unserem Gehirn schnell und
präzise ablaufen, so macht es dennoch Fehler. Unbewusste Fehler sind aller-
dings für uns schwer mitzubekommen. Sie beeinflussen uns, auch wenn wir
es nicht bemerken. Zwar führen wir eine Reaktion aus, doch da uns der wahre
gedankliche Auslöser dieser Reaktion nicht bewusst ist, erklären wir ihn uns
logischerweise mit unserem Verstand. Wir erhalten so Antworten, aber eben
falsche Antworten auf unsere drängenden Fragen wie zu Beispiel : ))Warum
passiert mir das immer wieder? !«
Auch beim Trading fällt es uns schwer, festgefahrene Denk- und Verhaltens-
muster zu korrigieren. Zwar bekommen wir mit, dass wir zum Beispiel immer
wieder auf Schwierigkeiten stoßen wie : ))Ich muss die Gewinne sinnvoll lau-
fen lassen«, jedoch sind wir nicht in der in der Lage, diese Absichten dann
auch wirklich umzusetzen.
Wenn wir nicht w issen, wer wir sind, dann kö nnen wi r auch nicht wissen, war um wi r etwas nur
auf diese eine Art und We ise und nicht anders t un. Manchmal liegt der wah re Grund fü r unser
unerwünscht es Verhalten eben t iefer, als unser Bewusstsein uns glauben lassen wil l. Wenn Sie
den wahren Grund für Ihr unerwünschtes Verhalten finden, dann fi nden Sie auch die Lösung, um
ihre Verhaltensweise zu ändern. Es hilft außerordentl ich, seine unbewussten Gedanken ans Tages-
licht des Bewusstseins zu holen. Eine gute Einstiegsübung hierzu ist das Erkennen Ihrer wahren
Glaubenssätze. Schreiben Sie jeden Tag circa 30 Minuten lang alle inneren Überzeugungen oder
Glaubenssätze auf, die Ihnen zu Ihrer Person und dem Trading einfallen. Wiederholen Sie diese
Übung einige Tage. Schauen sie sich dann Ihre Liste an und überprüfen Sie sie mit Ihren Resulta-
ten beim Traden oder ihren Trading-Fehlern.
Unser Verstand will verstehen. Mit ihm erklären wir uns die Zusammenhänge
der Welt und sagen uns, dass es vorteilhaft ist, beim Trading Gewinne sinnvoll
80 I Erfolgsbremse Verstand
laufen zu lassen, Stopps zu setzen, bei diesem oder jenem Einstiegssignal ein-
zusteigen oder nicht usw. Aber der Verstand alleine sorgt nicht dafür, Verän-
derungen herbeizuführen. Wäre es so, bräuchten wir nicht Hunderte von Diät-
büchern und mit dem Rauchen aufzuhören wäre eine Sekundenentscheidung.
Einer der größten Erfolgsverhinderer beim Trading ist das Ego. Denn mit ihm
wollen die meisten Akteure ihre mentalen Probleme lösen. Und genau das
funktioniert nicht! Die Wissenschaft hat bewiesen, dass vor allem unbewusste
Handlungsmuster die Zügel unseres Verhaltens in der Hand halten.
Warum also graben beim Trading so viele das Gold an der falschen Stelle
aus? Schauen wir uns dazu einmal ein alltägliches Problem an - ein tropfen-
der Wasserhahn. In so einem Fall rufen wir einen Klempner zu Hilfe. Der er-
kennt, dass zahlreiche Gummidichtungen defekt sind, und tauscht sie gegen
neue aus. Problem gelöst. Der Handwerker stellt eine Rechnung aus und der
Kunde überweist den Betrag. Starke Gefühle oder gar Ängste sind in diesem
Zusammenhang eher weniger im Spiel. Stattdessen wurde ein Problem er-
kannt, ein Auftrag erteilt und die Lösung rasch herbeigeführt. Der eine hat,
was der andere braucht. Man einigt sich auf eine Summe und das Geschäft
ist besiegelt. So funktioniert in der Regel auch unser Geldfluss.
Beim Trading funktioniert der Geldfluss ganz anders. Da passiert es, dass Sie
ein Geschäft tätigen und am Ende des Tages haben Sie Geld verloren, weil
Ihre Irades nicht den Gewinn erzielt haben, wie Sie es ursprünglich geplant
hatten. Sie haben absolut keine Gewissheit über das Ergebnis. Und das ist
keine Ausnahme, sondern die Regel. Ein gängiges Handelssystem verliert
etwa 45 bis 50 von 100 Irades. Es gibt Trendfolgesysteme, bei denen die
Anzahl der Verlust-Irades noch weit höher liegt. Manche Händler sind trotz
einer Trefferquote von nur 30 Prozent dennoch sehr erfolgreich und verdie-
nen ein Vermögen.
Nun muss man wissen, dass das menschliche Gehirn immer im Vergleich
zu vorhandenen Erfahrungen agiert. Wenn ich also als Kind in der Schule
lernte, dass Fehler in Klausuren mit Zensuren bewertet werden, dann prägt
es mein Verhalten. Es gibt zahlreiche Einflüsse dieser Art auf unser Leben:
Als Kleinkind soll ich keine Sachen kaputtmachen und mich wie erwartet
verhalten, andernfalls droht Strafe, manchmal sogar körperliche. Im Berufs-
leben wird Zuverlässigkeit und Disziplin erwartet, sonst bin ich gefeuert.
Im Straßenverkehr darf ich nicht zu schnell fahren, nicht falsch parken und
vieles mehr, sonst bekomme ich einen StrafzetteL Der Mensch ist heutzutage
überall konfrontiert mit Regeln, die er einhalten muss. Ansonsten erfährt
er schwere Nachteile: Liebesentzug oder gesellschaftliche Ausgrenzung, kein
Gehalt, Geld und Strafgelder oder in weitaus schlimmeren Fällen körperliche
Schmerzen und vieles mehr. Wir sind eingesperrt in einer Welt unserer selbst
geschaffenen Konditionierungen.
Mit diesen unbewussten Erwartungen handeln wir auch beim Trading. Der
Trader will alles richtig machen, sonst droht Bestrafung, oder er fühlt sich als
Versager, weil er sich für unfähig hält, fehlerfrei zu arbeiten. Die Menschen
beunruhigt nicht, was passiert, sondern das, was sie von den Geschehnissen
denken oder besser: befürchten. Und je weniger ein Trader an sein Ziel kommt,
prof1tabel zu traden, desto verzweifelter und hoffnungsloser wird er sich füh-
len. Diese Hoffnungslosigkeit veranlasst ihn dazu, sich unklug beim Trading zu
verhalten. Er macht zu viele Irades, verzichtet auf Stopps, riskiert mehr Kapi-
tal, als es sinnvoll ist usw. Das Wollen treibt ihn nun an, weil der Schmerz dar-
über, vielleicht ein Versager zu sein, zu groß sein würde. Er ist also bemüht den
Status quo wiederherzustellen. Jene Ausgangssituation, als noch alles gut war.
Mit solchen Gefühlen ist ein diszipliniertes Trading nicht mehr möglich. Zu
82 I Erfolgsbremse Verstand
diesem Zeitpunkt haben längst die Gefühle die Führung übernommen. Und die
agieren nicht logisch und zu unserem Vorteil, sondern nach unbewussten Ver-
haltensmustern. Meist sind es simple Schutzmechanismen der Kindheit. Zwar
wurde der Verstand längst außer Kraft gesetzt, aber er glaubt immer noch, die
Zügel in der Hand zu halten. Dem Trader fällt daher eine schlechte Idee nach
der anderen ein, ohne die Bedeutung seines unsinnigen Handeins wirklich zu
verstehen. Er ist nicht mehr in der Lage, Ereignis und Erlebnis auseinander-
zuhalten. Denn emotionsgetriebenes Trading ist unbewusstes Trading. In so
einem Moment traden wir nicht, sondern wir werden getragen - von unse-
ren Überlebensstrategien! Unsere Denkmaschine ist nämlich nicht in der Lage,
zwischen einer tatsächlichen Bedrohung und einer bloß scheinbaren Gefahr zu
unterscheiden. Außerdem gaukelt uns dieser nahezu perfekte Denkapparat vor,
wir seien unser Verstand und würden die ganze Zeit über im vollen Besitz un-
serer geistigen Kräfte sein. Tja, wir nhaben« zwar einen Verstand, der natürlich
in vielen Situationen unseres Lebens auch sehr nützlich ist, aber wir sind nicht
unser Verstand. Es gibt weitaus größere Kräfte wie das Unbewusste, das uns
bei unserem Denken und Handeln beeinflusst. Und weil unsere unbekannten
Glaubenssätze uns nicht bewusst sind, erleben wir auch beim Trading im-
mer wieder dieselben Probleme. Nicht nBauchmenschen<<, sondern sogenannte
»Kopfmenschen<< mit einem starken Ego haben es deshalb auch anfangs be-
so nders schwer, an den Märkten erfolgreich zu sein. Ihr Verstand steht ihnen
ständig im Weg. Sie wollen den Markt mit ihrem Denken und Handeln gefügig
machen, statt mit den Marktverläufen zu gehen und der Realität ins Auge zu
blicken. Stattdessen scheinen sie den Kampf mit einem Gegner aufzunehmen,
den es in Wirklichkeit gar nicht gibt! Man kann auch sagen : Je größer das Ego,
desto größer die Probleme beim Trading.
Trader, die zugleich von ihrem kindischen Gebaren und ihrem Verstand ge-
führt werden, müssen diese Tatsache erst einmal in ihrer Tiefe verstehen, um
gezielt daran zu arbeiten ihr Ego-betontes Verhalten loszulassen. Erst dann
gibt es einen fruchtbaren Boden dafür, das zu handeln, was man sieht, was
wirklich an den Märkten und im Chart passiert, und nicht was man denkt,
das passiert oder passieren müsste oder sollte.
Trading beinhaltet immer zwei Ebenen: Bewusstsein und Emotionen. Mit un-
serem Bewusstsein erkennen wir Chartmuster oder wie hoch die Nachfrage
im Orderbuch der Börse ist. Wir können anband von Indikatoren erkennen,
ob ein gleitender Durchschnitt einen anderen geschnitten hat oder ob der
Markt scheinbar überkauft ist. Alle diese Interpretationen bereiten den meis-
Wissen ist Macht I 83
ten Iradern keine Probleme. Die Hindernisse fangen erst an, sobald ein Irade
eröffnet wurde. Denn dann kommen unerwartete Gefühle wie Angst, Hoff-
nung und Schmerz hinzu.
Irader versuchen sehr häufig, die Probleme auf der Verstandesebene zu lösen,
also mit handlungsauslösendem Gedanken: »Ja, man muss Gewinne sinnvoll
laufen lassen.« Oder: nlch muss einen Stopp setzen.« Oder: >>Ich kann auch
mehrfach ausgestoppt werden, das ist normal und gehört zum Irading dazu.«
Ja, wissen tun Sie das als Irader, aber Sie sind nicht in der Lage, entspre-
chend zu handeln! Das bewusste Denken hilft nicht, weil der Hauptauslöser
für Irading-Probleme Gefühle wie eben Ängste sind. Ängste werden unbe-
wusst aktiviert und zugleich verdrängt. Sie entstehen in Schaltkreisen, deren
Reize automatisch ausgelöst werden. Und solche Reize sind z.B. nDie Angst,
ausgestoppt zu werden«, nGewinne, die sich wieder reduzieren«, >>Verluste in
Folge«. In dem Moment, wenn ein Irader wahrnimmt, dass ihm solche oder
ähnliche Situationen widerfahren, wird im Geh irn eine Kopie dieser Infor-
mation an die Schaltzentrale nAngst« gesendet. Noch bevor es Ihnen bewusst
wird. Diese Kopie löst blitzschnell ein Gefühl aus, welches Sie als Irader zu
entsprechenden Handlungen zwingt: Sie lösen Positionen zu früh auf, lassen
Gewinne nicht laufen, nehmen Stopps wieder aus dem System usw. Sie tun
das, weil Sie sich unbewusst vor diesem Schmerz schützen wollen. Haben Sie
sich mit Ihrer Handlung und dem Auflösen des Irades außer Gefahr gebracht,
fühlen Sie sich danach wohler und Ihr Verstand bestätigt Sie sofort mit die-
sem Gefühl. Sie fühlen sich erleichtert und gleichzeitig bestätigt, das Richtige
getan zu haben. Es gibt Situationen beim Irading, da ist ein radikaler Be-
freiungsschlag von einer Position wohltuender als den anhaltenden Schmerz
einer Verlustposition zu ertragen.
Meist erfmden Sie gute Gründe mit Ihrem Verstand, warum diese Entschei-
dungen und Aktionen die richtigen waren. nDer Kurs läuft wieder zurück,
gut, dass ich ausgestiegen bin! Oh Gott, jetzt steigt der Dax ja erst richtig!«
nich steige lieber aus der Position aus, ich werde sowieso gleich ausgestoppt
- verdammt, jetzt wo ich draußen bin, dreht der Markt wieder!« nNun bin
ich dreimal an der Stelle ausgestoppt worden, noch einmal gehe ich da nicht
mehr rein. Oh Mann, jetzt hätte es beim vierten Mal geklappt und alle meine
Verluste wären wieder drin gewesen!«
Wer beim Irading Erfolg haben möchte, muss sich vor allem ein Bewusstsein
für seine unbewussten Angstauslöser aneignen! Die Emotionen sind es, die
84 I Erfolgsbremse Verstand
Probleme beim Trading verursachen. Nicht das Verstehen der Abläufe oder
die Einstiegsignale.
Ein typisches Problem, welches durch Denken verursacht wird, sind sogenann-
te>> Trading-Halluzinationen«. Trader interpretieren dann die aktuellen Situati-
onen nach ihren Überzeugungen: »Der Markt kann nicht weiter steigen.« »Da
geht der nie hin.« »Der Kurs muss jetzt in die andere Richtung drehen.« Das
alles hat mit professionellem Trading nichts zu tun. Wer auf diesem Niveau
tradet, der folgt meist keinem ausgearbeiteten System. Und der wird auch nie
dauerhaft erfolgreich werden. Solche Mutmaßungen sind nutzlose Versuche
zu glauben, der Markt funktioniert nach Logik. Das tut er aber nicht. Und das
ist der Unterschied zwischen einem kaputten Wasserhahn und der Börse. Es
ist sinnvoll, einen kaputten Wasserhahn auszutauschen. Und wenn man ihn
ausgetauscht hat, hat man ein positives Ergebnis. Die Börse funktioniert hin-
gegen anders. Beim Trading gibt es keinen vorhersehbaren, immer sinnvollen
Verlauf eines Kurses. Fakt ist: Man kann sich auf nichts verlassen. Manchmal
geht ein Kurs zu einer bestimmten Zielmarke, manchmal nicht. Punkt. Wäre
die Börse der Wasserhahn, dann müssten Sie davon ausgehen, dass er manch-
mal funktioniert und manchmal nicht. Und Sie wüssten auch nicht, wie viel
Wasser er Ihnen bei jedem Öffnen gibt. Und es wäre Ihre Aufgabe, mit diesem
Wissen zuverlässig Ihren täglichen Wasserbedarf zu decken.
Ob der Kurs einer Aktie bis zu einem bestimmten Ziel läuft oder nicht, bleibt
immer fraglich. Denn nichts an der Börse ist so unsicher wie der Verlauf eines
Kurses! Manchmal folgt man den Vorhersagen eines Börsenbriefes. Es kann
sein, dass ein Trader zehn Mal hintereinander mit seinen Vorhersagen recht
hat und große Gewinne einfährt. Damit hat er aber nicht mehr Wissen oder
Können als Sie, sondern er hat sein System eingehalten und Glück gehabt.
In solchen Momenten prägt sich im Gehirn des Börsenbrietlesers ein Wahr-
nehmungsglaube ein. Der Leser gewöhnt sich an diese Erfolgsserie und denkt
sich: »Wenn der so zuverlässig ist, dann sollte ich beim nächsten Trade mehr
Geld riskieren.« Oft reißt genau in solchen Momenten die Erfolgsserie des
Traders ab und man verliert große Summen.
Zu überlegen, wohin ein Kurs gehen könnte, macht nur Sinn, wenn dies auf
festgelegten Parameter basiert. Etwa nach Berechnungen von Kursprojektionen,
Fibonacci-Verhältnissen oder aufgrund wichtiger Unterstützungen und Wider-
stände. Wichtig ist aber, sich daran zu erinnern, dass auch diese keine hundert-
prozentige Sicherheit geben. Marktanalysen aufgrund von Vermutungen sind
Wissen ist Macht J 85
nichts wert- lassen Sie das! Iraden Sie, was Sie sehen, und nicht, das Sie glau-
ben, was passieren könnte. Passieren kann immer alles und auch das Gegenteil.
Je stupider Sie Ihr System handeln und j e seltener die emotionalen Auslöser
sind, desto erfolgreicher werden Sie beim Iraden. Kreieren Sie ein System,
bei dem Sie so wenig wie möglich denken müssen. Das sind meist die ganz
einfachen Systeme. Es gibt diesen schönen Satz: »Denken hilft zwar - nützt
aber nichts.« Auf das Irading trifft er hundertprozentig zu. Als Irader müs-
sen Sie sich das Interpretieren von Kursverläufen geradezu abgewöhnen. Sie
müssen sich tief einprägen, dass Ihr Geist Sie ununterbrochen beschäftigen
möchte. Deswegen macht er Ihnen Gedanken. Und Menschen glauben, dass
diese Gedanken die Realität sind. Sind sie aber nicht. Es sind bloß Gedanken,
denen wir die Macht geben, unsere Realität zu kreieren. Die Betonung liegt
hier auhunsere«! Man muss nichtjeden Gedanken, den man denkt, glauben!
Aber vielleicht mögen Sie sich jetzt einen kleinen Moment Zeit nehmen, um
für sich einmal die Frage zu beantworten: »Was genau ist ein Gedanke?«
Hören Sie auf, Wahrsager der Märkte zu sein! Gewöhnen Sie sich an, zu handeln, was Sie sehen,
und nicht was Sie meinen zu sehen oder annehmen. Professionelle Trader raten keine Marktver-
läufe, sondern entdecken Top-Chancen. Niemand w ürde einem Vermögensverwalter sein Geld
anvertrauen, der die Marktverläufe errät. Aber die meisten Trading-Einsteiger agieren exakt so.
Ein Profi prüft, ob der Markt ihm ein handelbares Signal liefert, das seinem System entspricht. Ist
das der Fall, macht er einen Trade. Macht der Markt es nicht, sucht er sich einen anderen Markt
oder wartet geduldig auf eine Chance.
Handeln Sie Ihr System und nicht Ihr Konto. Verdecken Sie dafLir Ihren Kontostand. Führen Sie
die nächsten I 0 Trades mit dem imm er selben Geldrisiko aus. Wenn sie nicht dramatisch ver-
loren haben, dann wiederholen Sie diese Aufgabe ein weiteres M al für die nächsten 20 Trades.
Gewöhnen Sie sich an, Verluste oder Gewinne als Punkte oder Pips zu zählen - und nicht als
gewonnene oder verlorene Geldbeträge. So schaffen Sie einen Abstand zum Geld, das beim
Trading immer eine große emotionale Wirkung auf uns ausübt. Schließlich verursachen vor allem
finanziel le Verluste Ängste beim Traden. Je schneller Sie sich von dieser Anhaftung am Geld lösen,
umso positiver wirkt sich das beim Traden aus, desto ausgeglichener werden Sie. Anfangs mag
sich die Entfremdung von den Geldbeträgen ungewohnt und unsicher fUr Sie anfUhlen. Haben
Sie den Mut; durch diese Lernphase zu gehen. Es wird Ihnen sehr helfen, mehr Ruhe und Gelas-
senheit in lhrTrading zu bringen.
Handeln Sie die Märkte immer in dem Bewusstsein, dass diese im nächsten Moment in eine ganz
andere Richtung gehen können. Und sie dort vielleicht auch eine ganz lange Zeit bleiben. D er
berühmte amerikanische Trader LarryWilliams drückte es einmal so aus: »Bei jedem Trade gehe
ich davon aus, dass das der schlechteste Trade meiner Karriere werden kann.«
86 I Vermeiden Sie Fremdanaly1en
))Er hat gesagt, wenn ich 200 Euro verdient habe, dann muss ich Gewin-
ne auch mal mitnehmen«. Diesen Satz sagte letztens einer meiner Trading-
Kiienten. Er nahm verzweifelt Kontakt zu mir auf, weil ein bekannter Trader
ihm obigen Tipp in seinem Webinar gab. Mein Klient befolgte seinen Rat mit
dem Resultat, dass er sich mit diesem Verhalten ständig um gute Gewinne
brachte, weil er sie zu früh mitnahm. Nun war er irritiert, weil der Profi es ja
schließlich wissen müsse, wie man es richtig macht.
Dazu kann ich nur sagen: Richtig ist, was zu Ihrem Handelsstil passt. Punkt.
Ein anderer Profi wird wiederum andere gute Tipps auf Lager haben, wie man
Gewinne sinnvoll mitnimmt. Die Ratschläge der Profis muss man nicht als
in Stein gemeißelte Gesetze betrachten, sondern als eine Möglichkeit, die für
Sie infrage kommen könnte - oder auch nicht. Ihr eigener Körper ist dafür
der beste Seismograph. Fragen Sie sich bei jedem Trade: ))Wie fühle ich mich
mit meiner Entscheidung?«
Die grenzenlose Sicherheit, mit der Experten ihre Analysen präsentieren, ver-
ursacht vor allem bei ungeübten Tradern Verunsicherungen. Äußerungen wie
>>Der Dax wird jetzt in den nächsten beiden Tagen defmitiv fallen«, kann
bei instabilen Tradern zu starken Irritationen führen. Manche werden sogar
dadurch handlungsunfähig. Andere wiederum lassen sich von solchen Vor-
hersagen so stark beeinflussen, dass sie nach Trading-Chancen suchen, die in
die vom Experten prophezeite Richtung gehen. Obwohl sie selbst eine ganz
andere Meinung vertreten. Sicherheit schafft das nicht!
Woran liegt es, dass man sich so leicht beeinflussen lässt? Die Medien ver-
kaufen uns ständig neue Behauptungen und täglich hören und lesen wir aufs
neue, was jetzt angeblich mit uns und der Welt passiert. Schlagzeilen wollen
uns mit absoluten Beteuerungen verführen, den Artikel weiter zu lesen und
die Zeitschrift, oder was auch immer, zu kaufen. Das klingt dann in etwa so:
))So bleiben Sie ein ganzes Leben lang fit.(( >>Nie mehr rauchen - so schaffen
sie es wirklich!« >>So wird ihr Kind Kita-fit!(( >>Ihre Traumfrau - daran erken-
nen Sie diese wirklich/!< 11Worauf Sie bei der Urlaubsplanung jetzt unbedingt
achten müssen!« Ich kann diese Sätze unendlich weiterführen. Achten Sie
mal darauf, wie häuf1g Ihnen solche absoluten Versprechen in der Medien-
welt begegnen. Die Welt scheint voller Experten zu sein, welche die absolute
Wahrheit für uns parat haben. Tatsache ist, es handelt sich nur um die Wahr-
Wissen ist Macht I 87
heit dieses einen Autors. Lassen Sie es nicht zu, dass diese Menschen Sie
maßgeblich beeinflussen. Es gibt zahlreiche Beispiele in der Geschichte der
Menschheit, die beweisen, wie sehr sich Menschen geirrt haben. Besonders
heilig sind in diesem Zusammenhang Studien. Menschen wollen Sicherheit
und Studien befriedigen dieses Gefühl der Sicherheit. Doch die Experten, die
diese Studien erstellt haben, werden nicht selten von denen bezahlt, die ein
starkes Interesse daran haben, dass diese Studien die Wirksamkeit, Glaub-
würdigkeit, Seriosität eines Produktes bekräftigen. Und vergessen Sie nie,
dabei was der eigentliche Hintergrund für diese Behauptungen ist. Meistens
will Ihnen jemand etwas verkaufen. Seien Sie sich immer gewiss, es ist nur
die Meinung eines Menschen, der selektiv aufgrundseiner Aufgabe und sei-
nes Interesses etwas zusammenfasst und schreibt. Jede Analyse eines Traders
ist seine subjektive Beurteilung der Geschehnisse. Und da jeder Trader nur
eine Trefferquote von etwa 60 Prozent hat, kann es genauso gut sein, dass
seine Vermutung, wohin der Kurs eines Wertes gehen wird, falsch ist. Der
Bekanntheitsgrad eines Analysten macht die Sache nicht besser!
Lernen Sie, sich zu vertrauen. Konzentrieren Sie sich ganz auf Ihre eigene Arbeit beim Traden.
Wenn Sie merken, dass Sie Ihr System nicht sicher genug anwenden können, weil die Analysen
anderer Sie ablenken, dann hören Sie rigoros damit auf, diese Analysen zu lesen: »Ja, aber der
Trader vom Börsenbrief meint, der Dax geht jetzt steil bergauf. Ich selbst komme durch meine
Analyse zu ganz anderen Ergebnissen. Was mache ich denn nun?«.
Traden S1e ausschließlich Ihre Analysen! Wenn Sie die Analysen anderer handeln, bekommen Sie
auch die Resultate anderer! Das schafft nur Verunsicherung und innere Konflikte. Einsteiger ten-
dieren dazu, weil ihnen das Fachwissen fehlt, um eigene Analysen zu erstellen. Mein Tip: Arbeiten
Sie an dieser Herausforderung. Geben sie die Verantwortung fUr Ihr Handeln nicht ab, indem Sie
sich auf die Analysen anderer stützen
man das unentwegte Denken mit einem wilden Affen, der ständig eine Palme
rauf und runter klettert
Setzen Sie sich bequem und mit aufrechtem Rücken auf einen Stuhl oder in
den bekannten Lotussitz. Den Kopf halten Sie so, dass Sie geradeaus sehen
können. Dann schließen Sie Ihre Augen. Atmen Sie einmal tief ein und atmen
Sie langsam durch die Nase wieder aus. Dabei entspannen Sie Ihre Gesichts-
muskulatur. Anschließend atmen Sie auf die gleiche Art und Weise weiter
und entspannen dabei kurz Ihre gesamte Körpermuskulatur. Immer wenn Sie
ausatmen, entspannen Sie den Nacken, die Schultern, die Arme, den Rücken
usw. Je geübter Sie sind, desto schneller geht das. Nach einiger Zeit hat Ihr
Gehirn diesen Entspannungsablauf verinnerlicht. Das verkürzt den Prozess.
Nach dieser Kurzentspannung atmen Sie ruhig ein und sagen dabei innerlich
zu sich selbst >>Eins«. Dann atmen Sie aus und sagen dabei innerlich »Zwei«.
Sie können sich die Zahlen zur Unterstützung vor Ihrem geistigen Auge vor-
stellen, wenn Sie es möchten.
Dies machen Sie nun zwanzig Minuten, stellen Sie sich zur Sicherheit einen
Wecker.
Sie werden bemerken, dass sich immer wieder Gedanken aufdrängen wer-
den. Sie kommen ganz von allein. Versuchen Sie nicht, nicht zu denken.
Das ist vergebens. Denken ist ein selbstaktiver Prozess. Nicht zu denken
geht eben nicht. Was aber geht, ist, entscheiden zu können ob Sie diesen
aufsteigenden Gedanken Aufmerksamkeit schenken oder nicht. Nehmen Sie
einfach nur wahr, dass ein Gedanke aufgetaucht ist, dann lassen Sie ihn wie
eine Wolke davonwehen. Ich stelle mir immer vor, wie ein aufgestiegener
Gedanke zu einer Wolke wird und diese Wolke sich dann auflöst. So wie
man es an heißen Sommertagen erlebt, wenn die Hitze der Sonne die Wolke
verdunsten lässt. Mehr müssen Sie nicht tun.
Wissen ist Macht j 89
Sie werden feststellen, dass es anfangs schwer ist, Ihren Geist zu Ruhe zu
bringen. Das ist normal. Schon nach einigen Malen fällt es Ihnen immer
leichter. An manchen Tagen verläuft die Meditation besser als an anderen.
Der Mensch ist eben nicht immer in der gleichen Verfassung. Und mit den
Tagen, Wochen und Monaten werden Sie erleben, wie viel mehr Gelassenheit
und innerer Frieden sich in Ihnen ausbreitet. Und vor allem werden Sie in
der Tiefe ihres Bewusstseins erleben, was Gedanken wirklich sind: Nichts -
bloß Gedanken. Sie werden allmählich mitbekommen, wie sehr Gedanken
immer wieder versuchen, Ihre Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, damit
Sie sich mit ihnen beschäftigen. Und In der Regel reagieren wir dann auch.
Beim Trading führt das aber oft zu Fehlentscheidungen. Denn Trading ist
kein Hergang, den man gedanklich vorhersehen kann, sondern eine unbere-
chenbare Abfolge von unvorhersehbaren Zufällen. Und um diesem zittrigen
»Chartgezappel« Herr zu werden, braucht es ein festes Handelssystem und
nicht noch zusätzlich weitere verwirrende Gedanken, die herumsausen wie
wilde Fliegen.
Statt innerlich »Eins« und »Zwei« zu zählen und die Zahlen während des
Zählens vor dem geistigen Auge zu sehen, können Sie den Gedanken auch
einfach nur wahrnehmen und ihm keine weitere Aufmerksamkeit schenken.
Oder Sie stellen sich vor, wie Sie Ihre Gedanken in einen Karton verpacken
und an einen unbekannten Ort verschicken. Vielleicht haben Sie auch eine
ganz eigene Idee, wie Sie Ihre Gedanken auflösen können.
Wichtig ist auch hier die Regelmäßigkeit! Lediglich mal ab und an zu medi-
tieren bringt nichts. Um dauerhaft etwas zu verändern, braucht das Gehirn
ständige Impulse. Sie werden eine Fremdsprache auch nur sehr schlecht ler-
nen, wenn Sie sich nur hin und wieder die Vokabeln ansehen.
Lernen Sie, Ihre Gedanken zu kontrollieren. Unsere Gedanken sind Mitverursacher unserer Ge-
fühle und verleiten uns zu Handlungen. Es ist außerordentlich wichtig, beim Trading konzentriert
zu bleiben. Sorgen Sie deshalb während Ihres Tradings für so wenig Störungen w ie möglich. Dazu
zählen auch Sauberkeit und Ordnung an Ihrem Trading-Piatz. D isziplin in Ihrem Arbeitsumfeld
fördert die Disziplin beim Trading.
90 I Wer nicht verlieren kann, kann nicht gewinnen
Coaching -Stunde:
Frederic ist 38 Jahre alt und tradet seit zwei Jahren Aktien. Er handelt auf Ta-
gesbasis und hält seine Positionen meist mehrere Tage. Er weiß, wie die Märk-
te funktionieren, kennt sich mit Markttechnik und technischer Analyse aus.
Frederic arbeitet als Rechtsanwalt in eigener Kanzlei. Sein Traum ist es, vom
Trading irgendwann ganz zu leben. Sein derzeitiger Beruf nimmt aber viel
Zeit in Anspruch. Zu viel, wie er fmdet, und er möchte weniger arbeiten und
beruflich unabhängig von anderen werden. Sein hohes Arbeitspensum hat
ihm schon einen Burn-out eingebracht. Das will er nicht noch einmal erleben.
Meist tradet er zwischendurch, wenn er Pause hat, und etwa zwei Stunden
zusätzlich am Abend. Er kommt zu mir in die Beratung, weil er es einfach
nicht schafft, dauerhaft profitabel zu werden.
Frederic: Eigentlich ist alles klar, aber ich schaffe es trotzdem nicht.
Coach: Was genau schaffen sie nicht?
Frederic: Ich habe das Gefühl, dass ich mir immer wieder selbst gegen das
Schienbein trete; anschließend wundere ich mich, dass ich Schmerzen habe.«
Coach: Und wie machen Sie das, dass Sie sich selbst treten?
Frederic: Es ist eigentlich immer der gleiche, blöde Fehler. Ich steige in eine
Position ein, der Markt läuft in die gewünschte Richtung, ich ziehe meinen
Stopp schnell nach und werde ausgestoppt.
Coach: Dann ist der Stopp also zu kurz gewählt. Passiert das immer?
Frederic: Nee, nicht immer, aber oft, zu oft. Wenn ich den Stopp da hinsetzen
würde, wo er sinnvollerweise hingehört, dann wäre alles bestens.
Coach: Und, was hält Sie davon ab, Ferderic?
Frederic: Meine schwachen Nerven.
Coach: Nur Ihre schwachen Nerven?
Frederic: ))eh kann nicht verlieren! Ich weiß, das gehört zum Trading dazu,
aber ich kann es nicht!
Coach: Geht es Ihnen um das verlorene Geld oder um das Verlieren an sich?«
Frederic: Gute Frage, diese Frage habe ich mir noch nie gestellt. Was ist denn
der Unterschied?
Coach: Der Unterschied ist - habe ich verloren? Habe ich Geld verloren und
ergo weniger davon? Das gehört beim Trading dazu. Oder bin ich ein Verlie-
rer, weil ich vielleicht denke, zu dumm für dieses Geschäft zu sein?
Wissen ist Macht I 91
Frederic: Ich glaube, ich setze die Stopps so dicht am Markt, weil ich nicht
versagen kann. Ich kann es nicht ertragen, unrecht zu haben!
Coach: Naja, das ist in Ihrem Beruf als Jurist ja nicht gerade unüblich.
Frederic: Das stimmt!
Coach: Sie wollen gewinnen, möglichst jeden Prozess.
Frederic: Na klar, dafür werde ich bezahlt.
Coach: Verständlich, und wenn Sie einen Trade eingegangen sind, dann ver-
langen Sie dasselbe am Markt - einen guten Job zu machen!
Frederic: Aber den Markt kann ich ja nicht beeinflussen. Niemand weiß, wo-
hin der Kurs geht.
Coach: Stimmt, aber Sie wissen, wohin ihr nächster Stopp geht!
Nach einem kurzen Moment schmunzelt Ferderic und sagt mit einem kleinen
Lächeln:
Zensur, bekam ich Geld dafür. Gab es aber eine schlechte Note, wurde mir
das Taschengeld gekürzt. Anders gesagt: Tat ich, was sie wollten, wurde ich
beschenkt. Ging ich meinen eigenen Weg, wurde ich eiskalt mit Liebesentzug
bestraft. Dann wurde tagelang mit mir nicht gesprochen.
Coach: Liebe für Leistung. Wenn Sie aber etwas schlecht machen, werden Sie
nicht geliebt. Entweder Sie passen sich an oder Kerker.
Frederic: Das tat weh, wenn sie mich tagelang ignorierten.
Coach: Ichfassefür Sie zusammen, Frederic: Ausgestoppt zu werden bedeutet
versagt zu haben, bedeutet, kein Geld zu verdienen, und bedeutete ehemals,
durch Liebesentzug oder Kerker bestraft zu werden.
Frederic: Klingt heftig! Aber so gesehen ist es kein Wunder, dass ich das nicht
aushalte. Es ist eine ziemliche Bestrafung.
Coach: Und das alles in nur einem Trade.
Ein ))Nein« des Marktes zu akzeptieren fällt beim Iraden vielen schwer.
Bei Frederic verursachte es ein Gefühl des Versagens. Seine hohen beruf-
lichen Ansprüche, angelegt in der Kindheit, führten bereits zum Burn-out.
Der Grund, weshalb man ein ))Nein« des Marktes nicht aushalten kann, ist
immer individuell, das zeigt das Beispiel von Frederic. Der eine fühlt sich
als Versager, der andere ist zu ängstlich. Sicher ist, ohne die Fähigkeit,
ein ))Nein(( des Marktes auszuhalten, wird der Weg zum profitablen Iraden
nur schwer zu erreichen sein, denn Trading bedeutet, verlieren zu können.
Aber was macht es so schwer, diese Tatsache beim Iraden zu akzeptieren?
Die Antwort liegt wie so oft bei unseren frühkindlichen Prägungen. Bei
den meisten Aktivitäten unseres Lebens geht es um gewinnen, um perfekt
sein und um recht haben wollen - darum, das Ziel zu erreichen. Verluste,
Niederlagen und Nachteile müssen auf jeden Fall vermieden werden. Der
Grund dafür ist: Wir leben in einer geregelten Welt. Alles hat seine Ord-
nung, nichts darf dem Zufall überlassen werden. Vom beruflichen Erfolg bis
zum Familienglück scheint alles planbar zu sein - man muss es nur wollen.
So zu denken lernt man als Kind schon in den ersten Jahren seines Lebens
durch das Vorbild der Eltern. Im Kindergarten und in der Schule geht es auf
diese Weise immer weiter. Probleme sind keine Hindernisse, sondern dazu
da, gelöst zu werden! Mit diesen und weiteren Glaubensmustern werden
wir erwachsen. Sie prägen uns und lassen uns allzu oft glauben, dass dies
die einzige Wahrheit im Leben ist. Ist sie aber nicht. Der deutsche Schrift-
steller Kurt Tucholsky schrieb einmal: >>Das Leben ist gar nicht so - es ist
ganz anders!« Und er hat recht. Jede Ordnung kann zu jedem Zeitpunkt in
Unordnung geraten. Das O"roße Liebesglück geht über Nacht auseinander.
Wissen ist Macht J 93
Die Firma geht pleite, das weltweite Finanzsystem bricht zusammen. Sicher
ist, dass nichts sicher ist. Und wer auf der Strecke der allgemeinen Ansprü-
che zurückbleibt, der wird im Zweifel ausgegrenzt, bestraft und als Verlierer
abgestempelt. Das schmerzte schon in der Schule und ist als erfolgreicher
Manager nicht anders.
Die Lösung:
Frederics Problem lösten wir folgendermaßen: Nachdem wir seine Versa-
gensangst entlarvt hatten, arbeiteten wir an seinem Handelsplan. Wir gingen
seine Irading-Aufzeichnungen durch und prüften, inwieweit das Stoppma-
nagement für seinen Irading-Stil am günstigsten läuft. Anschließend formu-
lierten wir einen persönlichen ArbeitszetteL Seine Aufgabe war, bevor er in
einen Irade eingreifen wollte, diesen Laufzettel immer vorher auszufüllen.
Dieser unterstützte ihn jedes Mal, seine Versagensängste und -gedanken re-
alistisch zu überprüfen.
Was ist jetzt wichtig? A: Dieser eine Irade. I B: Die Summe aller Irades
Wie fühle ich mich jetzt: besser I schlechter I genauso wie vorher
Hören Sie auf, beim Trading ein von Ihnen festgelegtes Ergebnis erreichen zu wol len. Akzeptieren
Sie, dass dieses Geschäft von Wahrscheinlichkeiten bestimmt wird, und sichern Sie Ihre Trades
entsprechend ab. Das ist das Einzige, was Sie kontrollieren können. Tun Sie es! Rech nen Sie mit
allem. Auch mit dem Gegenteil. N ichts ist so flüchtig wie ein Börsenkurs. Mal zieht er gemäch-
lich seine Bahnen wie ein Walfisch. Dann w ieder ist er wechselhaft wie ein H eringsschwarm Je
gewissenhafter Sie das in Ihrem Trading berücksichtigen, desto erfolgreicher werden Sie sein.
Eines der größten Probleme beim Trading besteht darin, mehr zu handeln,
als es sinnvoll ist. Das konnte ich während meiner Ausbildung häufig genug
feststellen. Oft hatte ich am Vormittag gutes Geld verdient, um im Nachmit-
tagshandel alles wieder zu verlieren.
Besonders ärgerlich wurde es, wenn ich den Tag auch noch mit einem di -
cken Minus auf dem Konto abschloss. Manchmal begann ich den nächsten
Handelstag dann voller Wut und mit der Absicht, mir mein Geld von der
Börse wieder zurückzuholen. Das Ergebnis war dann noch verheerender.
Ich fand zu dem Zeitpunkt heraus, dass die beste Möglichkeit, aus dieser
Minusspirale wieder herauszukommen, die ist, bewusst Abstand zum Han-
del zu nehmen. Wenn es sein musste, verordnete ich mir eine ganze Woche
Trading-Abstinenz. In der Zeit ging ich dann anderen sinnvollen Dingen
nach: Sport treiben, Büro aufräumen, Steuererklärung erstellen, Freunde
treffen und mich psychologisch weiterbilden, besonders was das Thema
Trading anbelangte.
Ich ging der Frage nach: Woher kommt nur dieses ungewünschte Verhalten?
Welcher ))gute Grund« steckte dahinter? Denn keine menschliche Handlung
geschieht zufällig! In der Fachpresse las ich, dass Langeweile zum Übertra-
ding führte. Schön und gut, aber das war mir zu unpräzis. Ich wollte wissen:
Was genau ist Langeweile und weshalb drückt sie sich beim Handel in Über-
trading aus?
Der übergeordnete Sinn dieser Empfindung ist, dass der Mensch etwas leisten
möchte. Dadurch hat er das Gefühl, etwas wert zu sein, das wiederum ver-
schafft ihm ein positives Gefühl. Ganz nach dem Motto: Ich tue, also bin ich.
96 I Chancen finden - nicht erfinden
Außerdem ist der westliche Mensch meist ergebnisorientiert Wenn er eine Auf-
gabe erledigt, dann deshalb, weil er dafür etwas bekommt, z.B. Geld, Anerken-
nung, Sicherheit, Freiheit, Liebe. In diesem Moment wird das Belohnungszent-
rum in unserem Gehirn aktiviert. Es erzeugt im Menschen neben der Angst die
stärksten Empfmdungen - die Glücksgefühle. Wer mit Trading Geld verdient,
der will auch mehr von diesen guten Gefühlen. ))Ich kann etwas.<< ))Ich bin etwas
wert.« >>Ich erreiche meine Ziele.« >>Ich werde reich.« Diese und ähnliche unbe-
wusste Gedanken erzeugen in uns den Impuls, weiter zu traden. Um sich gut zu
fühlen. Die entgegengesetzte Variante sind Verluststrecken, die uns schließlich
dazu zwingen, unbedingt einen Erfolg verbuchen zu müssen. Dann hat das
Angstzentrum die Führung übernommen und will vermeiden, dass wir uns als
Versager fühlen und unangenehme Gefühle oder gar Ängste empfmden. Der
Trader möchte dann unbedingt wieder in seine Komfortzone zurück - Irade für
Irade, koste es, was es wolle.
Ich erinnere mich an einen Klienten, der zu mir kam, weil er sich wegen
dieses Themas so verloren fühlte. Diese Verlorenheit ließ sich auch gut auf
seinem Konto ablesen. Je mehr er tradete, desto kleiner wurde sein Konto.
Und wie ich im Live-Coaching erkennen konnte, tradete er viel, zu viel. Es
zeigte sich deutlich, dass nicht er den Markt unter Kontrolle hatte, sondern
der Markt offensichtlich ihn. Er handelte. Oder um es deutlicher zu sagen, er
musste sieben Märkte gleichzeitig handeln. Auf seinen Computer-Monitoren
sah man insgesamt fünfzehn kleine Charts im Zeitfenster von einer und fünf
Minuten. In jedem Augenblick huschte er hecktischmit seiner PC-Maus über
die Bildschirme. Ich konnte beobachten, wie er innerhalb der Charts ständig
in den Zeiteinheiten hin- und hersprang. Vom Ein-Minuten-Chart wechselte
er zum Fünf-Minuten-Chart, um dann blitzschnell auf den Fünfzehn-Minu-
ten-Chart zu springen. Sofort fand er irgendwo ein Muster oder eine Ein-
stiegschance, zog eine Trendlinie, setzte ein Retracement an, um dann kurz
darauf zum nächsten Markt zu wechseln. Hier passierte das gleiche Spiel von
vorn, er verglich beide Märkte miteinander, sprang erneut in die Zeiteinstel-
lungen. Es schien, als würde er ein Computerspiel spielen und auf der Jagd
nach Feinden sein. Währenddessen kommentierte er seine Handlungen: >>Hier
ist eine super Unterstützung, wenn die nächste Kerze hier gleich aufsetzt,
dann springt der Markt bestimmt wieder nach oben -tolle Long-Chance, da
kann ich reingehen. Und was wird das hier? Das sieht aus wie das typische
Setup von Trader XY, das könnte ich natürlich auch gleich nehmen, macht
der bestimmt auch. Mal sehen, was wir hier haben? Ja, super 61,8 Prozent
Retracement auf Stundenbasis, besser geht es nicht. Da schaue ich mal, wie
Wissen ist Macht I 97
das auf dem Fünf-Minuten-Chart aussieht. Nee, wird nichts - und auf dem
Ein-Minuten-Chart? Das könnte gleich was werden. Ja, long gehe ich mit.«
Meinem Klienten fehlte es vor allem an zwei Dingen. Erstens wusste er über-
haupt, nicht welche Signale wirklich profitabel waren und welche nicht.
Durch das viele Trading verlor er vollkommen den Überblick und er konnte
die ganze Flut der Irades gar nicht professionell und strukturiert kontrol-
lieren. Zweitens ging es ihm darum, beschäftigt zu sein. Ruhe und Nichts-
tun waren für ihn der Horror. Er glaubte, als Trader war es seine Aufgabe,
immerzu die Charts auf mögliche Einstiege abzuscannen, um dann auch zu
handeln. Vor seiner Trading-Station sitzend, erinnerte er mich an den Ko-
miker Charly Chaplin in seinem Film ))Moderne Zeiten((. Da steht ein Arbei-
ter am Fließband und ist ohne Unterbrechung damit beschäftigt mit beiden
Händen Schrauben anzuziehen. Irgendwann läuft das Band so schnell, dass
der Arbeiter dem Tempo nicht mehr folgen kann und sich deshalb auf das
Fließband legen muss. Kurze Zeit später wird er vom Fließband verschluckt.
98 I Chancen finden - nicht erfinden
Mein Klient befand sich, wie unschwer zu erkennen war, beim Traden immer-
zu im Trancezustand - er war vom Virus Übertrading befallen. Dieses ent-
steht vor allem beim schnellen Handel auf kleinen Zeiteinheiten. Die Magie
der Märkte trennen einen dann von der bewussten Aufmerksamkeit. Und ehe
einem das klar wird, versinkt man im Rausch des Börsenhandels. Um sich vor
solchen Zuständen zu schützen, können Sie sich das Ritual angewöhnen, im-
mer wieder kleine Pausen einzulegen. Verlassen Sie einfach für einen kurzen
Moment den Arbeitsplatz - holen Sie sich etwas zu trinken oder recken und
strecken Sie sich für einen Moment.
Nichts zu tun ist für uns Menschen außerordentlich schwer. Aktivität ist eine
uralte menschliche Prägung. In einer Jäger-und-Sammler-Umgebung hatte
das einen viel wichtigeren Stellenwert als das Nachdenken. Außerdem ist
unser Gehirn selbstaktiv. Nicht zu denken funktioniert nicht. Und weil Tra-
ding so viele Reize verursacht, kann ein automatischer Aktionismus in Gang
kommen, der einem ständig zum ungewollten Trading verleitet.
Jede Bewegung des Marktes wird dann blitzschnell analysiert und unbewusst
mit Erfahrungen abgeglichen. Ständig kreist im Kopf eines Traders die Frage:
))Was könnte ichjetzt aus diesem Signal machen?« Am besten nichts, wenn es
nicht zum persönlichen Handelssystem gehört! Doch genau das ist für Neulin-
ge außerordentlich schwer. Ständig lockt der Impuls -jetzt und sofort agieren
zu wollen. Allstatt perfekte Einstiegssignale zu fmden, werden daraufhin wel-
che erfunden. Kann sein, dass daraus ein Gewinn-Trade entsteht. Mit profes-
sionellem Trading hat das aber nichts zu tun und. Sie trainieren sich Trading-
Fehler an, die Sie nur mit viel Aufwand wieder loslassen können!
Häufig liegt das Problem auch an einer übergroßen Wissensflut Durch die
zahlreichen Bücher, Seminare, Workshops, Webinare und Internetrecherchen
eignen wir uns mit der Zeit unfassbar viel Fachwissen an. Das führt dazu,
dass wir irgendwann das Gefühl bekommen, den Wald vor lauter Bäumen
nicht mehr zu sehen. Hier ein Flaggenmuster, da ein gleitender Durchschnitt,
der geschnitten wird, ein 1-2-3-Ausbruch, ein Tageshoch, das gerissen wird,
der RSI, der anzeigt, dass der Markt völlig überkauft ist, der Börsenbriefautor
empfiehlt, den Markt jetzt sofort massiv zu shorten, die Umkehrmuster an
Retracementmarken und die Candlesticks, die ein Einstiegssignal nach dem
Nächsten geben. Hinzu kommt eine Vielzahl an Handelsansätzen anderer
Trader, die einem ständig im Kopf herumschwirren wie ein wild gewordener
Bienenschwarm. Wissen kann hier schnell zu Verwirrung führen.
Wissen ist Macht j 99
Ich selbst habe Übertrading mit Meditation in den Griff bekommen. Hierfür
beobachtete ich jeden Tag 20 Minuten meinen Geist und konzentrierte mich
auf meinen Atem. Mit der Zeit machte ich die Entdeckung, dass nicht ich
meinen Geist beschäftige, sondern mein Geist mich. Ich kam mir vor wie eine
Marionette. Indem es mir gelang, diesen dahergewehten unnützen Gedanken
keine Beachtung mehr zu schenken, schaffte ich es, Einstiegschancen zu ig-
norieren, die nicht zu meinem Regelwerk gehörten.
Um meinem Gehirn noch deutlicher zu signalisieren, dass ich selbst die Füh-
rung bei meinen Entscheidungen übernehmen möchte, entwickelte ich die
»Als-ob-Methode«. Dazu bereitete ich mich perfekt auf mein Trading vor, öff-
nete meine Minuten-Charts und ließ dann das Börsengeschehen tatenlos an
mir vorüberziehen. So schaute ich einige Woche lang Stunde für Stunde nur
den Kursverläufen zu, ohne einen einzigen Irade zu tätigen. Wer jetzt allein
bei diesem Gedanken ganz unruhjg wird, sollte diese Übung auf jeden Fall
ausprobieren! Sie trainieren sich so mit der Zeit die nötige Gleichgültigkeit
an, die Sie beim Trading unbedingt brauchen. Freiwilliger Verzicht ist eine
Meisterleistung und auf dem Weg zur professionellen Trading-Meisterschaft
unverzichtbar. Dem Gehirn wird dadurch nebenbei signalisiert, dass immer
wieder neue Einstiegschancen auf einen zu kommen. NDR -Nur Die Ruhe!
Die Routine dabei ist sehr hilfreich. Dadurch entwickeln Sie eine automati-
sierte Handlungsstärke. Hat unser Gehirn erst einmal zu verzichten gelernt,
beherrscht es diese Selbstkontrolle auf allen Gebieten. Deshalb ist es sehr
nützlich, diese Fähigkeit auf unterschiedlichste Art und Weise einzuüben. Ich
trainierte Verzicht auf diversen Ebenen. Kuchen zum Kaffee? - Heute nicht!
Fahrstuhl benutzen? - Heute nicht! Mit dem Auto zum Einkaufen? - Heute
nicht! Eine Zeitlang trainierte ich das an der Supermarktkasse. Stand ich kurz
vor dem Warenlaufband, nahm ich meine sieben Sachen und stellte rich
hinten am Ende der Warteschlange wieder an. Am Samstagvormittag hat
diese Übung die größte Wirkung.
Ein anderer Auslöser für Übertrading ist die Annahme : Wer viel arbeitet,
kriegt viel Geld. In unserer Leistungsgesellschaft funkti oniert dieses Prinzip
auch in vielen Bereichen. Beim Trading trifft meist das Gegenteil zu - weni-
ger ist mehr! Wer wild drauflostradet, handelt in der Regel nach dem Mono:
»Ein blindes Huhn fmdet auch mal ein Korn.« Aber Gewinne werden ge-
macht, indem man gut tradet - nicht viel!
I 00 I Chancen finden - nicht erfinden
Welche Medaille würde ich diesem Irade geben? Gold? Silber? Bronze?
Wenn ich ausgestoppt werde, hätte ich den Trade trotzdem gemacht?
Arbeiten Sie vor allem an Ihrer Geduld. Lernen Sie, nur auf die guten und chancenre ichsten Ein-
stiegssignale zu warten .Ver pflichten Sie sich dazu, nicht mehr als einen Trade am Tag zu machen.
Das ist gerade zu Beginn sehr schwer, aber vermeidet Unmengen an Minus-Trades. D enn wir
fühlen uns ständig von den Kursverläufen animiert, zu handeln. aber beim Trading ist es w ichtig,
zu lernen, wann Sie keinen Trade machen.
Wenn Sie Ihr Tagessoll beim Trading erreicht haben, dann hören Sie auf. Das kann schon nach
kurzer Zeit sein, sei 's drum. Haben Sie den Mut, sich als stiller Beobachter in den Märkten aufzu-
halten. Je regelmäßiger Sie das üben, desto erfolgreicher werden Sie!
Wenn Sie sich dennoch nicht einschränken können, dann sorgen Sie dafür, dass Sie nur noch
maximal die Hälfte Ihrer vorherigen Tagesgewinne verlieren. Das Trading am kommenden Tag ist
wesentlich entspannter, wenn Sie den vorherigen Tag mit einem Gewinn abgeschlossen haben.
Denn ein positiv motivierter Trader ist wesent lich erfolgreicher als ein negativ motivierter. Er
macht auch weniger Fehler. Und vor allem: Fehler kosten beim Trading Performance!
Weniger ist mehr! Der Lehensmittel-Discounter ALDI ist dafür ein gutes Vor-
bild. Seine Strategie der Einfachheit wurde für viele Geschäftsinhaber zum
Vorbild. Ein ehemaliger Manager dieses Konzerns berät heute mittelstän-
dische und große Unternehmen, dieses Konzept der Reduzierung auf ihren
Unternehmensbereich zu übernehmen, mit großem Erfolg. De facto hoffen
Firmenchefs sehr oft, je breiter sie sich mit ihrem Sortiment aufstellen, umso
mehr Kundschaft erreichen sie. Das Gegenteil ist meistens der Fall. Speziali-
sierung ist wesentlich erfolgreicher. Die Konzentration auf das Wesentliche
bringt den Erfolg. Auf das Irading übertragen heißt das, wer zu Beginn ein
einziges Handelssystem konstant umsetzt, hat einen wesentlich größeren Er-
fol g als der, der fünf, zehn oder gar zwanzig Systeme gleichzeitig tradet. Das
trifft auch auf den Lernerfolg zu. Wer viele Regelwerke parallel handelt, der
verliert schnell die Übersicht. Das Führen des so wichtigen Irading-Journals
wird dann meist auch unterlassen, weil die Auflistung der zahlreichen Irades
so kompliziert ist. Ein weiterer Vorteil der Reduzierung ist der Verzicht. Wer
sich auf nur ein Einstiegssignal konzentriert, der braucht sich um die anderen
gar nicht erst zu kümmern.
fest, dass das auch nur eine Illusion ist. Der Satz »Viel hilft viel« bringt beim
Traden in der Regel nichts. Auch dreißig Indikatoren gleichzeitig garantieren
keinen besseren Treffer. Stattdessen sollte der Trader daran arbeiten, Minus-
Trades als etwas Selbstverständliches in diesem Geschäft zu akzeptieren.
Ein sehr erfolgreicher Hedgefondsmanager, mit dem ich befreundet bin, tra-
det jährlich viele Hundert Millionen Euro und ist seit dreißig Jahren im Ge-
schäft. Er hat die schwedische Musikband ABBA zum Vorbild gewählt. Er ist
selbst Hobbymusiker und erzählte mir, dass die beiden Hauptkomponisten
der Band Björn und Benny sich zum Komponieren immer auf eine Insel zu-
rückgezogen hätten. Der eine oben auf einem Hügel, der andere unten am
Meer. Jeder komponierte den ganzen Tag lang für sich allein. Abends setzten
sie sich zusammen und warfen den musikalischen Ballast ihrer Komposi-
tionen über Bord. Übrig blieben eingängige Lieder, die sich millionenfach
verkauften. In einer anderen Geschichte wird berichtet, dass sie ihre fertigen
Musikstücke vierjährigen Kindern vorspielten. Waren die Sprösslinge nach
einmaligem Hören in der Lage, die eingängigen Passagen eines Stückes pro-
blemlos nachzuträllern, gab es deutliche Pluspunkte in Bezug auf die Veröf-
fe ntlichung des Liedes.
Gerade zu Beginn ist es wichtig, so wenig Ablenkung wie möglich beim Traden zu haben. Suchen
Sie sich zu nächst nur ein, höchstens zwei Signale, welche Sie konstant handeln. Sie bündeln da-
durch Ihre gesamte Aufmerksamkeit auf ein oder zwei Signale Das sorgt fLir die nötige Ruhe, die
Sie am Anfang Ihres Tradings brauchen, um sich einen disziplinierten Handelsstil anzutrainieren.
Zuerst geht es vor allem darum, die richtige Umsetzung zu praktizieren, nicht ums Geldverdie-
nen. Es ist wesentlich einfacher, nur ein oder zwei Signale auf vielen Märkten zu t raden als viele
Signale auf einem Markt oder gar auf vielen Märkten gleichzeitig.
Will man als Trader Erfolg haben, dann muss man lernen, Verantwortung
zu übernehmen. Und genau das ist nicht jedermanns Sache. Man tut es in
der Regel genauso ungern wie auf mehr Gehalt zu verzichten. Es scheint fast
einen inneren Drang dafür zu geben, jemanden fmden zu wollen, dem man
die Schuld am eigenen Fehlverhalten in die Schuhe schieben kann. Ob beim
Autofahren, im Beruf oder wenn es um die Geschehnisse an den spekulativen
Wissen ist Macht I I 03
Kapitalmärkten geht. Mal war der Tipp eines Experten falsch, dann die Emp-
fehlung eines Börsenbriefautors, oder aber die Beratung des Bankangestell-
ten. Beim aktiven Trading kann so ein Verhalten der Schuldzuweisung fatale
Folgen haben und sogar den Erfolg unmöglich machen.
Der Beruf des Traders ist anspruchsvoll. Sie brauchen die Kraft und den Mut
Entscheidungen selbst zu treffen und die Bereitschaft, aus Ihren Fehlern zu
lernen. Wenn Sie diese Einstellung nicht haben, dann wird es sehr schwer, in
diesem Beruf voranzukommen.
Wann ein Trader ungern Verantwortung für sein Handeln übernimmt, er-
kennt man beispielsweise an Situationen wie diesen:
Nicht jeder kann gleich gut Entscheidungen treffen. Auch diese Fähigkeit
entwickelte sich vor allem in der Kindheit. Eltern, die ihren Kindern etwas
zutrauten, sie ausprobieren ließen und ihnen die Möglichkeit gaben, Proble-
me selbst zu lösen, legten damit den nötigen Grundstein für diese Fähigkeit.
Die Wissenschaft geht davon aus, das etwa 80 Prozent der Menschen »Lage-
Typen« und 20 Prozent ))Ziel-Typen« sind.
I 04 I Die Macht der Entscheidung
Der ))Ziel-Typ« wird es leichter haben, zu traden. Das heißt aber nicht, dass
der ))Lage-Typ« keine Chance auf Erfolg hat, er muss aber mehr dafür tun.
Hilfreich sind für ihn strikte Pläne, die er einhält. Der ))Lage-Typ« muss sich
selbst eine Struktur verordnen und sie so gestalten, dass er sie diszipliniert
einhalten kann. Zum Beispiel mithilfe von Laufzetteln, welche die Trading-
Aktivität gerrau vorgeben.
Kürzlich sprach ich einen sehr erfolgreichen Geschäftsmann an, den ich schon
seit vielen Jahren wegen seines Erfolges bewundere. Er hat es sprichwörtlich
vom Lehrling zum Inhaber eines Versicherungskonzerns geschafft. Heute be-
sitzt er mehrere Villen in bester Lage, fährt teure Autos, führt einen Verlag und
war erfolgreicher Chef eines Fußball-Bundesligavereins. Ich sprach ihn einfach
auf der Straße an, stellte mich ihm höflich vor und sagte: ))Sie sind unglaub-
lich erfolgreich und sagenhaft reich. Was haben sie, das andere nicht haben?«
Er antwortete mit nur einem Wort: ))Disziplin.<< Wir kamen ins Gespräch und
er gestand, dass auch er ein ))Lage-Typs« sei. Es f1el ihm unglaublich schwer,
sich die Fähigkeiten eines ))Ziel-Typ« anzueignen. Aber er hat es geschafft.
Dafür leistete er sich zahlreiche Mentalcoachings, um sich mit deren Hilfe viele
Strukturabläufe anzugewöhnen. So lernte er Schritt für Schritt, sich zu diszi-
plinieren. Er zog einen kleinen Zettel und einen Stift aus seiner Hosentasche:
))Sehen sie hier. Die habe ich mir extra gedruckt. Meine IdeenzetteL Auf die
schreibe ich immer sofort alles auf, was mir wichtig ist. Abends lese ich sie und
entscheide dann, ob und wie ich eine Idee verfolge. Es hat Jahre gedauert, aber
Sie sehen ja selbst, was aus meinem Leben wurde. Sie müssen dranbleiben,
Wissen ist Macht j I 05
immer dranbleiben, dann wird es was. Lernen Sie aus ihren Fehlern, denn es
sind ungenutzte Stärken!«
Wenn man einmal die Zufalligkeit der Marktverläufe außen vor lässt. dann ist alles im Trading
eine Frage der Entscheidung: Bin ich bereit, auf gute Trading-Chancen zu warten und auf un-
nötige Trades zu verzichten? Bin ich bereit, ein sinnvolles Geldrisiko einzugehen und Stopps zu
setzen? Bin ich bereit, bei jedem Trade das Chance-Risiko-Verhältnis zu berücksichtigen und kon-
tinuierlich ein Trading-Journal zu führen? Bin ich bereit, Gewinne sinnvoll laufen zu lassen? Usw.
Das W ichtigste aber ist die Frage: Bin ich bereit, den alten Gewohnheiten Widerstand zu leisten,
die mich von meinem Verhalten abhalten wollen? Wenn Sie im Trad ing erfolgreich werden w o l-
len, dann müssen Sie bereit sein, es mit diesen großen W iderständen aufzunehmen und diesen
mitunter sehr großen Schmerz auszuhalten!
Monatsgehalt! Da kommt schnell die Frage auf: ))Wieso arbeite ich eigentlich
noch?!« Die erste Kontoeröffnung zum Iraden ist nun nicht mehr weit. Der
erste Totalverlust aber auch nicht.
Meine Beobachtung ist, dass die meisten Trading-Anfänger nicht reich, son-
dern gern schnell reich werden wollen. Sie interessiert vor allem dieses Ziel
und fmden meistens das Gegenteil. Während Profi-Trader das Risiko ein-
schätzen, starren Neueinsteiger auf den großen Reichtum. Mit jedem Irade
hofft der Anfänger nicht nur eine Bewegung komplett mitzunehmen, son-
dern auch unfassbar viel Geld damit zu verdienen. Stellt er irgendwann fest,
dass er es selber nicht schafft, sucht er in allen Medien nach Super-Tradern,
die seine Wünsche erfüllen! Ohne wirklich zu wissen, ob und wie diese ver-
meintlichen Trader ihre versprochenen Gewinne erzielt haben, kauft er deren
Börsenbriefe und Handelssignale. Ein Kasinobesuch wäre vermutlich die si-
cherere Variante, sein Geld zu vermehren!
Dass soch ein Verhalten schnell auch in eine andere Richtung verläuft, erlebe
ich immer wieder in meinen Coachings. Kürzlich erzählte mir jemand, dass er
einen Börsenbrief tradet, der im letzten Jahr über 150 Prozent Rendite erwirt-
schaftete. Doch seitdem er den Brief abonniert hat, geht es nur noch bergab.
Sein Depot weist bereits ein Minus von über 60 Prozent vom Einstiegniveau
auf. Er wollte von mir wissen, was man da tun kann. Ich riet ihm, dabeizublei-
ben, schließlich hatte er sich für diesen Trader und sein System entschieden.
))Ja, aber ich trade nicht jeden Irade von ihm mit. Manchmal habe ich auch
eine andere Meinung zu den Märkten.« Im weiteren Verlauf des Gesprächs of-
fenbarte er einen weiteren typischen Denkfehler von Anfängern. Er berichtete,
dass dieser Trader in drei Jahren rund 700 Prozent Gewinne mit seinem Sys-
tem aus den Märkten holte. Er selbst hatte aber aus beruflichen Gründen nicht
alle Irades nachgehandelt Außerdem hatte er bei einigen Entscheidungen des
Traders eine andere Meinung und ließ die Irades dann einfach aus. Er schätze
Wissen ist Macht I I 07
es als unwichtig ein, weil ihm auch 200 Prozent Rendite in drei Jahren reichen
würden. Hier liegt allerdings ein massiver Denkfehler vor! Wer das System
eines Iraders nachhandelt, der muss natürlich jeden Irade mithandeln, sonst
kann er unmöglich dieselbe Rendite erwirtschaften. Andernfalls müsste man
davon ausgehen, dass jeder Irade des Händlers eine bestimmte Gewinnsumme
erzielt, was ja nie der Fall ist, sondern mal erzielt der Irader einen kleinen
Gewinn, dann wieder viele Male gar keinen und manchmal - und davon le-
ben Irader meistens - einen sehr großen. Und niemand weiß, welchen Irade
sie gerade mittraden. An- und Verkaufspreise sowie Gebühren müssen dabei
natürlich unbedingt berücksichtigt werden. Wer etwa einen Futures-Scalp-
Irader mit CFDs nachhandelt, der erzielt vollkommen andere Resultate.
Kurz und gut: Wer Irading-Systeme anderer so umsetzt, kann nur verlieren.
Der Hauptgrund ist: Niemand weiß, wann der Irader einen dicken Fisch an
der Angel hat, deshalb muss jeder Irade nachgehandelt werden. Und wenn
man merkt, dass einem die Zeit fehlt, dem Regelwerk des Börsenbriefes kon-
stant zu folgen, sollte man es gleich ganz lassen.
Wer Börsenbriefe anderer Irader nachhandelt, sollte sich immer die Fragen
stellen: ))Bin ich in der Lage, den Börsenbrief 1:1 nachzutraden?« ))Entspricht
dieser Börsenbrief meiner Persönlichkeit?« ))Verfüge ich über genügend Zeit?«
))Habe ich die emotionale Gelassenheit?« ))Ist mein Handelskonto groß ge-
nug?« ))Macht es mir Spaß, diese Märkte, dieses System zu traden?« ))Entspre-
chen die Depot-Schwankungen meinem Nervenkostüm?« ))Kann ich so viele
Minus-Irades ertragen?« >>Handle ich dieselben Instrumente?« ))Bezahle ich
dieselben Gebühren?« Usw.
Man sollte sich darüber im Klaren sein, dass Börsenbriefe anderer zu tra de n
auch immer bedeutet, ein Stück Verantwortung abzugeben. Der Blick auf die
Rendite allein reicht jedenfalls nicht aus, um Erfolg an der Börse zu hab en .
Tatsache ist, dass etwa 40 von 100 Irades mit dem riskierten Einsatz ausge-
stoppt werden. Doch der Trading-Anfanger hat andere Wünsche, er möchte,
dass möglichst 90 von 100 Irades erfolgreich sind und die meisten davon
riesige Gewinne abwerfen. Wer den Mut hat, sich der Realität zu stellen,
und aufhört, Traumrenditen hinterherzujagen, der kann es weit bringen. Die
anderen überweisen zwangsläufig auf Umwegen den Profis ihr Geld aufs
Handelskonto.
Wer den Börsenbrief eines Profis nachtradet, muss sich auch hier wie ein Profi verhalten: un-
eingeschränkte Verantwortung übernehmen und auf allen Ebenen des Tradings diszipliniert sein.
Was für das eigene System gilt, gilt auch für ein fremdes Regelwerk -man muss ihm hundert-
prozentig vertrauen! Das tun Sie nur, wenn es eindeutig zu Ihrer Persönlichkeit passt. Wer in
diesem Geschäft nicht realistisch ist, der tradet nicht in der Wirklichkeit. Die Illusion wird ihn
dazu verfuhren, auch unrealistische Handlungen auszuführen. Wohin das führen kann, können
Sie sich ja denken! Wer glaubt, mit einem I 0.000-Euro-Konto vom Trading seinen Lebensunter-
halt bestreiten zu können, der wird sich einem enormen Erfolgsdruck beim Traden aussetzen.
Im Gegenzug dazu müssen Sie sich auch fragen, ob Sie die mentale Stärke besitzen, mit einem
50.000- oder I 00.000-Euro-Konto zu traden, damit Sie vom Trading leben können. Viele begin-
nen mit 5000 Euro und wünschen sich dann, ein großes Handelskonto zusammenzutraden. Bei
einer realistischen Jahresrendite von 20 Prozent bräuchten Sie dann etwa I 3 Jahre, um über ein
Trading-Konto in Höhe von 50.000 Euro zu verfügen.
Trading ist für viele ein einsames Geschäft. Die meisten sitzen zu Hause vor
ihrem Computer und nehmen die Herausforderung mit den Märkten alleine
auf sich. Das kann eine enorme Belastung für einen ungeübten Trader sein.
Denn für all die Zweifel, Ängste, Fragen und Probleme gibt es niemanden,
mit dem man sich direkt austauschen kann, niemanden, der mitfühlt, wenn
man sich im Tunnel der Ratlosigkeit befmdet. Da ist auch niemand, der einen
aufmuntert oder motiviert, durchzuhalten, einem sagt, dass diese oder jene
Situation normal ist, der einen korrigiert oder hilfreiche Tipps gibt, einen
Wissen ist Macht I I 09
wieder aufbaut, wenn man mental am Boden liegt. Keine Person, die einen
ablenkt von der Langeweile des mitunter zermürbenden Wartens auf eine
Trading Chance, manchmal stundenlang. Wenn Sie sich für das aktive Tra-
ding entscheiden und sogar den Beruf Trader ausüben möchten, dann ist es
wichtig diese Umstände zu berücksichtigen. Denn sie können das Trading
enorm belasten! Gerade für Menschen, die es nicht gewohnt sind, alleine und
selbstverantwortlich zu arbeiten, kann das eine immense Herausforderung
sein.
Lob und Tadel fmdet beim Trading über Sieg oder Niederlage statt, nicht über
menschliche Begegnung und Emotionen, wie es in vielen anderen Berufen
der Fall ist. Niemand klopft uns auf die Schulter und sagt: nGut gemacht!((
Man ist vollkommen auf sich allein gestellt. Das erfordert eine große Selbst-
stärke. Denn die mangelnde Interaktion mit anderen kann Gefühle von Lan-
geweile oder Nutzlosigkeit entstehen lassen, welche sich unbewusst auf den
Handel übertragen und so zu unüberlegten Irades führen.
Zum Geldfluss der Firma haben wir oftmals keinen realen Bezug. Außer es
betrifft unser eigenes Gehalt. Als Trader ist das anders, hier muss man seine
Arbeitsbedingungen selbst bestimmen und organisieren, für jede Handlung
und jede Entscheidung die volle Verantwortung übernehmen. Fehlverhalten
kann man niemandem in die Schuhe schieben. Und Fehler kosten sofort das
eigene Geld. Von einem Moment zum anderen wird man vom Angestellten
zum Firmeninhaber, muss dementsprechend denken und handeln! Das kann
nicht jeder von jetzt auf sofort. Und nicht wenige scheitern genau aus diesen
Gründen am Beruf des Traders.
Wer merkt, dass ihm der soziale Aspekt beim Trading fehlt, kann überlegen,
sich einem Handelsbüro anzuschließen, oder selbst eines gründen. Das gilt
allerdings eher für gefestigte Trader, die sich von den Ideen anderer beim
Trading nicht ablenken lassen. Ansonsten ist es besser, sich einer Büroge-
meinschaft anzuschließen, die nichts mit Trading zu tun hat. Wer sich nur
hin und wieder mit anderen austauschen möchte, für den böte sich vielleicht
die Gründung eines Trader-Clubs an. Manchen reicht auch schon der stete
Kontakt in Internetforen. Darüber hinaus fmden sich auch Interessenten bei
Veranstaltungen von Banken und Brokern. Wer nicht so mutig ist und sich
nicht vor der Gruppe mit seinem Anliegen offenbaren möchte, der sollte
einfach den Referenten fragen, ob er sein Anliegen anonym vor den Gästen
bekannt gibt und seine E-Mail-Adresse bei Interesse aushändigt. Auf diesem
Wege sind schon exzellente Trader-Clubs ins Leben gerufen worden. Die Fra-
ge bei diesem Thema ist nicht, wie eine Lösung auf den Weg gebracht wird,
sondern dass man sie umsetzt!
Immer wiederhöreich von Trading-Anfängern: ))Ja, aber wenn der mit dem
Trading Geld verdienen würde, dann würde der doch keine Workshops und
Seminare machen!(( Als wäre dieser Mensch ein Betrüger. Es gibt zahlreiche
Trader, die genau aus diesem Grund sich den fehlenden sozialen Aspekt da-
mit in ihr Trading-Leben holen. Was spricht auch dagegen? Würde man ei-
nem Dozenten der Uni vorwerfen, dass er wohl zu wenig Geld verdient, weil
er es noch nötig hat, sein Wissen an den Nachwuchs weiterzugeben? Ist es
nicht unsere eigene Kleingeistigkeit, so etwas den Referenten immer wieder
vorzuwerfen? Es tut gut, sich daran zu erinnern, dass man mit diesem unfle-
xiblen Denken Tag für Tag an seinen Börsenhandel geht!
Aus eigener Erfahrung und aus meiner täglichen Praxisarbeit weiß ich, dass
man im Leben nicht unbedingt glücklicher wird, wenn man persönliche Be-
Wissen ist Macht I III
Vollzeit-Trader sollten sich unbedingt eine feste St ruktu r für ihre Arbeit schaffen. Sie werden
wesentlich erfolgreicher sein, wenn Sie Ihren Handel zeitlich begrenzen. Ebenso ist ein Ausgleich
zum Trading wichtig: Sport, Freunde treffen, mit der Familie zusammen sein oder was Sie sonst
gerne tun. Die Börse hat praktisch 24 Stunden geöffnet. Passen Sie auf, dass Sie sich nicht zum
Sklaven der Märkte machen!
Wer an den Kapitalmärkten spekuliert, der sucht vor allem unbewusst nach
Sicherheit. Das Erstaunliche ist, dass wir genau die in unserem täglichen
Geldverkehr nicht haben. Im Gegenteil. Die Zahlen auf unserem Konto sind
bloß Zahlen, ihnen steht kein realistischer Wert gegenüber. Das Gleiche gilt
für Papiergeld. Oder sollte ich es präziser ausdrücken und Geldpapier sagen?
Letztlich beruht der Wert des Geldes nur auf einem Versprechen. Realistisch
gesehen ist Geld nur bedrucktes Papier. Versuchen Sie doch mal, mit Mün-
zen oder Scheinen fremder Länder oder vergangener Zeiten etwas in Ihrem
Supermarkt zu bezahlen. Es wird Ihnen nicht gelingen. Und dennoch meinen
die meisten Menschen, dass Geld ihnen Sicherheit gibt. Absurd, oder?
Auch beim Börsenhandel suchen Trader vor allem nach Sicherheit. Das ist
auch der Grund für zahlreiche Trading-Fehler: zu komplizierte Handelssys-
teme, unlogisches Eingreifen in de n laufenden Irade oder unsinniges Setzen
von Stopps usw. Ist Sicherheit beim Trading überhaupt möglich? Ja! Und das
I 12 I Sicherheit ist alles
Schöne ist, man hat es selbst in der Hand. Niemand zwingt uns, beim Trading
möglichst viel Unsicherheit zu empfmden - das sind nur wir selbst!
Fragen Sie sich einmal selbst, was Sie beim Trading unsicher macht! Viele
verunsichert es, dass es viel Zeit braucht, bis sich der Trading-Erfolg einstellt.
Trading ist für sie eine Abfolge von Handlungen und die müssen erfolgreich
sein. Und weil sie es so lange Zeit nicht sind, fühlen sie sich verunsichert.
Verständlich. Aber das sind die Spielregeln ! Die nächste Frage ist: Warum
müssen Sie so schnell erfolgreich sein? Ist das Ziel Ihnen nicht wert, diesen
langen Weg zu gehen? Dann ist Trading das falsche Ziel für Sie!
Sicherheit bedeutet, sich wohlzufühlen. Jeder Mensch hat seine ganz persön-
lichen Wohlfühlinseln im Leben : beim Essen, beim Trinken, beim Schlafen,
bei seinem Gewicht, bei Nähe, bei Beanspruchungen wie etwa Sport oder
Arbeit. Im Gegensatz zu Ängsten, die durch das Trading entstehen.
Welches Werkzeug kann bei dem Problem am besten helfen? Natürlich nur
die richtige Dosierung des Geldrisikos! Je höher das Risiko, desto unsicherer
fühlt man sich beim Trading.
Wissen ist Macht I I 13
Zwar heißt es, beim Traden sollte man 1 Prozent seines Handelskontos pro
Trade riskieren, aber was, wenn diese Summe Ihnen zu groß ist und zu viel
Unsicherheit verursacht? Dann nichts wie raus aus dem Risiko - weniger ist
mehr, mehr Sicherheit! Man darf auch 0,5 Prozent, 0, 25 Prozent oder weniger
pro Trade aufs Spiel setzen. Nur wir selbst kennen unser Sicherheitsniveau,
um uns beim Trading gut zu fühlen , sodass wir in unserer Komfortzone sind.
Kein Broker, kein Banker ruft uns an und beschwert sich, dass wir ein zu klei-
nes Risiko eingehen. Hier können höchstens die eigenen Ansprüche einem
im Weg stehen, weil man vielleicht befürchtet, nicht gleich die gewünschten
hohen Gewinne erzielen zu können. Gerade zu Beginn des Tradings geht es
aber nicht darum, so schnell wie möglich die Fähigkeit zu erlangen, hohe
Gewinne zu machen, sondern darum, einen sauberen und beständigen Han-
delsstil zu traden! Und den erreicht man auf dem schnellsten Weg, wenn man
so viel wie möglich Sicherheit verspürt. Und jetzt kommt's: Diese Form der
Sicherheit bestimmt nicht der Markt, sondern der Trader selbst! Jeder Trader
kann sich Sicherheit verschaffen. Wer es nicht tut, ist selbst schuld.
Wer sein Sicherheitsniveau beim Traden fmdet, sorgt unweigerlich für Stabi-
lität in seinem Trading. Hat sich unser Gehirn an dieses Niveau gewöhnt, ge-
hen wir zur nächsthöheren Stufe über. Wie lange das dauert? Das hängt ganz
von Ihnen ab. Jeder Mensch ist anders! Auch hier gilt es, sich mit anderen
nicht zu vergleichen. Niemand auf dieser Welt kann das Gefühl eines anderen
empfinden. Jeder ist sich selbst der wichtigste Seismograph!
Achten Sie darauf, dass Sie Ihre Komfortzone und ihr Sicherheitsniveau beim Trad ing stets be-
achten. Das bestimmen Sie vor allem durch die Anzahl der Trades, die Sie handeln, durch die
Z eiteinheiten, in denen Sie handeln, und ganz besonders durch die Festlegung des Geldrisikos.
Bestimmen Sie diese Parameter. wie es zu Ihrer Persön lichkeit passt. Es gibt keine St andards
daft..ir. Nur Sie können diese festlegen! Wer ausgeglichen t radet, tradet definitiv erfolgreicher.
Veränderung braucht Zeit. Zeit al leine führt aber noch zu keinen Veränderun-
gen. Ich habe Trader kennen gelernt, die glaubten, sie müssten ihren Trading-
Stil nur immer weiterverfolgen, um endlich erfolgreich zu werden. Wenn Ihr
Trading nicht erfolgreich ist, dann wird es nicht dadurch besser werden, in-
I 14 I Mit der Zeit wird alles besser
dem Sie einfach nur lange genug durchhalten. Das wäre in etwa so, als wür-
de ich mit abgelaufenen Schuhen herumlaufen im Glauben, sie würden sich
schon wieder von alleine besohlen, wenn ich nur weit genug darin gehe.
Wenn Sie nicht prof1tabel beim Iraden sind, dann liegt es entweder an Ihrem
Handelssystem, an Ihnen - oder an beidem. Sie verschwenden unnötig Zeit,
Energie, und wahrscheinlich auch Geld, wenn Sie nicht herausfmden, wo der
Haken ist.
Trading-Ergebnisse werden nur dann besser, wenn Sie aktiv an ihnen ar-
beiten. Lachen Sie jetzt nicht. Viele sind nicht bereit, den Preis für Verän-
derungen zu zahlen, deshalb ändern sie nichts und alles bleibt beim Alten.
Trotzdem hoffen Sie, ans Ziel an zu kommen. Sie können das mit dem Erler-
nen einer Sprache vergleichen. Wenn Sie zwanzig Englischvokabeln lernen,
können Sie noch nicht behaupten, perfekt Englisch zu sprechen. In Gesprä-
chen mit anderen würden Sie feststellen, dass viele Sie nicht verstehen, da
Sie zu wenige Vokabeln beherrschen. Abwarten würde hier nichts bringen,
also müssten Sie schauen, welche Vokabeln Sie als Nächstes lernen sollten,
um sich sinnvoll weiterzuentwickeln.
Beim Trading ist es nicht anders. Zur Überprüfung Ihrer Fähigkeiten brau-
chen Sie ein geeignetes Instrument, mit dem Sie Ihre Leistungen kontrollieren
können. Ein Trading-Journal zum Beispiel und am besten noch eine Excel-
Tabelle dazu, mit der Sie Ihre Irades auswerten können. Nur so wissen Sie,
mit welchem System Sie profitabel werden, welcher Handelsansatz Ihnen
liegt, wo Sie die wenigsten Fehler machen und was Sie beim Iraden fühlen
und denken. Erkennen Sie ein Problem, sollten Sie es Schritt für Schritt be-
seitigen. So werden Sie erfolgreich.
Überlassen Sie bei Ihrem Trading nichts dem Zufall. Je mehr Sie Ihre Handlungen überprüfen
und verbessern, desto sicherer fühlen Sie sich. Legen Sie sich dazu am besten eine feste Struktur
zu. Gewöhnen Sie sich Routinen an. Je vertrauter ihnen eine Gewohnheit ist, um so zuverlässiger
setzen Sie sie um. Anfangs fallt es Ihnen vielleicht schwer, sich an Ihre neuen Aufgaben zu halten.
Das ist normal. Bleiben Sie dran. Nach sechs Wochen kontinuierlicher Umsetzung hat sich Ihr
Gehirn an diese neue Aufgabe gewöhnt und es wird Ihnen wesentlich leichter fallen, sie dauer-
haft anzuwenden!
Es ist immer wieder erstaunlich, wie präsent altes Wissen in unserer moder-
nen Welt ist, auch beim Trading. Ob westliche oder asiatische Weisheiten,
wie beispielsweise »In der Ruhe steckt die Kraft« oder »Du bist die Summe
deiner Gedanken« - überall gibt es Antworten auf die eigenen Fragen. Wer
seine mentalen Fähigkeiten beim Trading aktiv mit einer Bewegungsform in
Verbindung bringen möchte, dem empfehle ich Yoga.
Richtiges Yoga ist mehr als nur Körpertraining. Den Meistern ging es vorder-
gründig nicht um die geschmeidigen Verrenkungen, sondern um die Erweite-
rung des Geistes im Zusammenhang mit dem Körper.
Der Geist sollte beim Yoga dazu dienen, seine eigenen Grenzen zu durchbre-
chen, indem er sich erweitert und flexibel wird. Yoga möchte verdeutlichen,
dass alles im Leben seine Grenzen hat. Nur der Geist ist unendlich. Sehr vieles
ist möglich, wenn wir nur die geistige Kraft aufbringen, es auch umzusetzen.
Der Körper zeigt bei den Yogaübungen, dass er begrenzt ist. Mithilfe der Wil-
lenskraft (Geist) kann man diese Begrenzungen bis zu einem gewissen Grad
überschreiten. Es liegt deshalb an jedem selbst, wie beweglich er auf die Ein-
schränkungen in seinem Leben und im Trading reagiert. Wer beschließt, die
Konsequenzen für seine Entscheidungen zu übernehmen, der kann dadurch
enorme Entwicklungen und Veränderungen erreichen.
Um den einzigartigen Wert des echten Yogas zu praktizieren, sollte man sich
an zertifizierte Yogazentren wenden. Yogakurse im Fitnesscenter bieten diese
authentische Weisheit meist nicht. Ich selbst praktiziere Yoga in den SIVAN-
ANDA Zentren (www.artyoga.de).
I 16 I Meditation
Wer sich intensiver mit Yoga beschäftigt, wird erkennen, dass man hier viele
Antworten auf Trading-Probleme fmden kann.
3.18 Meditation
In der Stille öffnet sich Ihr Unbewusstes. Sie können es in Trance sogar
befragen und bekommen meist klare und direkte Lösungen angeboten, auf
die Sie mit bewusstem Nachdenken manchmal gar nicht kommen würden.
Die Forschung hat herausgefunden, dass unser Angstzentrum, mithilfe von
regelmäßiger Meditation nicht mehr so anfallig auf Angstauslöser reagiert.
schäftigt uns nämlich ununterbrochen. Wir denken dies, wir denken jenes.
In jeder Sekunde kommt ein neuer Impuls, manchmal kreisen die Gedanken
ständig um sich selbst. Der Grund dafür ist, dass unser Gehirn selbstaktiv ist.
Wir denken nicht, sondern Gedanken drängen sich uns auf. Meist kommen
sie aus dem Unbewussten. Was wir denken, wird zum großen Teil durch das
Unbewusste beeinflusst.
Während der Meditation lernt man seine Gedanken ohne Beurteilung zu be-
obachten. Dazu sucht man sich einen ruhigen Ort, setzt sich mit geradem Rü-
cken auf einen Stuhl oder im Lotussitz auf ein Meditationskissen und schließt
die Augen. Nun spürt man kurz in seinen Körper hinein, entspannt alle Mus-
keln und atmet zweimal tief ein und wieder aus. Danach konzentriert man
sich auf seinen Atemrhythmus, atmet durch die Nase langsam ein und wieder
aus, möglichst in den Bauch hinein. Drängen sich einem Gedanken auf, lässt
man diese wie Wolken am Himmel vorbeiziehen und konzentriert sich weiter
auf seinen Atem. Ziel ist, nicht mehr den Gedanken verhaftet zu sein, son-
dern sie nur noch als das wahrzunehmen, was sie sind - bloße Gedanken. Sie
sind nicht die Realität, sondern etwas, womit wir uns beschäftigen sollen, so
wie unser Geist es gerade will. Sinn der Meditation ist, diesen Automatismus
zu durchbrechen, um Abstand zu seinen Gedanken herzustellen, indem man
ihnen keine Aufmerksamkeit mehr schenkt. Man lässt sie einfach vor seinem
geistigen Auge vorbeiziehen. So macht man es einmal täglich etwa zwanzig
Minuten.
Beim Trading nehmen Sie den Einfluss der Meditation dadurch wahr, dass Sie
wesentlich disziplinierter, strukturierter und konzentrierter handeln können.
Indem Sie sich für Ihren Weg öffnen, fmden Sie diesen auch schneller und
bekommen den natürlichen Impuls, ihm dann zu folgen. Sie werden unabhän-
giger von äußeren Einflüssen, insbesondere von den (Trading-)Meinungen an-
derer. Sie bekommen mehr Gelassenheit, Ihren Trading-Stil zu entdecken und
diesen umzusetzen. Meditation unterstützt Sie effektiv darin, die zahlreichen
Fremdeinwirkungen loszulassen, ihnen keine Beachtung zu schenken und sich
auf das Wesentliche zu konzentrieren. IHREN Trading-Stil. Die Meinungen an-
derer werden zunehmend belanglos. Sie erkennen, dass es nicht DIE eine wahre
I 18 I Was ist eigentlich Erfolg?
Meinung über eine Kursentwicklung oder die Märkte gibt, sondern so viele
verschiedene, wie es Trader und Analysten gibt. Denn jede Meinung ist sub-
jektiv und nur eine von vielen. Vor allem aber erkennen Sie, dass es nur eine
Wahrheit gibt, der Sie wirklich vertrauen und folgen sollten -IHRER eigenen!
Nichts und niemand kann uns glücklich machen - außer wir uns selbst.
Erfolg ist per Defmition erst einmal nichts anderes als das positive Resultat
persönlichen Handelns. Das klingt vielleicht jedoch zu nüchtern, um es er-
strebenswert zu fmden. Gerrauer betrachtet geht es um Gefühle wie Glück,
Zufriedenheit, Geborgenheit, Sicherheit und Anerkennung. Wer erfolgreich
ist, der ist beliebt, mitunter verfügt er dadurch sogar über Einfluss und
Macht. In der Tiefe geht es bei Erfolg um Liebe, also um eines der wichtigsten
Gefühle unseres Lebens.
Erfolg ist immer individuell. Der eine mag sich erfolgreich fühlen, wenn er
eine große Karriere im Berufsleben macht. Ein anderer, wenn er so wenig
wie möglich Zeit mit Arbeit verbringen muss. Letztlich geht es um das Ge-
fühl der Stimmigkeit in sich. Wichtig beim Streben nach Erfolg ist, ob es die
eigenen Erfolgswünsche sind, die man erreichen möchte. Sehr viele streben
Erfolge an, die weder ihnen entsprechen noch von ihnen gewählt wurden.
Sie befmden sich in einem unbewussten Wettkampf mit Kollegen, Familien-
mitgliedern, Freunden, Nachbarn oder sogar Stars aus der Medienwelt Aus
meiner täglichen Praxisarbeit weiß ich, dass viele unbewusst denselben Weg
wie ihre Eltern gehen oder deren Vorstellungen verwirklichen. Entweder weil
sie wissen, dass sie sonst abgelehnt werden, oder befürchten abgelehnt zu
werden.
Es ist wichtig, sich die Frage zu stellen und für sich zu beantworten, wozu
man denn seinen Erfolg erreichen möchte. Welche Qualität, welche Werte
stecken hinter dem Erfolgsstreben? Und - entspricht die Erfolgsabsicht eines
anderen auch der eigenen? Meist will man nämlich nur denselben Status
wie ein anderer erreichen, weil man sich selbst nicht erfolgreich oder nicht
wertvoll genug fühlt.
Wissen ist Macht I I 19
Doch was dem einen hilft, muss dem anderen nichts nützen!
Nicht selten werden Verbindungen zum Erfolg geknüpft, die gar nicht vor-
handen sind. Wer Erfolg im Beruf hat, hat nicht gleichzeitig auch eine schöne
Frau an seiner Seite, tollen Sex oder eine harmonische Beziehung. Ganz nach
dem Motto: »Mein Haus, mein Auto, meine Yacht, meine Frau - meine Ge-
liebte!« Die Werbung hätte uns gerne so gleichgeschaltet, davon lebt sie. Sie
möchte Bedürfnisse wecken und Konkurrenz schaffen, um uns dadurch zum
Konsumieren anzuregen.
Häufig fmdet man die Antworten auf Erfolgswünsche, die wir von anderen
übernehmen, in unserer Kindheit. Wir wollten auch gut aussehen, in der
Gruppe mitspielen, geliebt und anerkannt werden, Freiheiten haben, der Ge-
winner sein, der Anführer, der Star. Der Mensch sehnt sich unbewusst ständig
nach Beachtung. Studien aus der Positivpsychologie haben bewiesen, dass
Mitarbeiter wesentlich bessere Arbeit leisten, wenn ihr Vorgesetzter ihre Tä-
tigkeit würdigt und die betreffende Person anerkennt. Dieser positive Einfluss
hält nachweislich bedeutend länger vor als eine Lohnerhöhung.
Erfolg bestätigt die eigenen Fähigkeiten, gibt einem das Gefühl, recht zu
haben und etwas gut zu können. Es ist ein wunderschönes Gefühl, denn
es bestätigt uns als ganze Person, unser ICH: Ich bin erfolgreich! Wer beim
Trading aufgrund von überlegten Handlungen schon einmal gute Gewinne
erzielt hat, weiß, wovon ich rede.
Erfolg ist machbar. So haben wir es gelernt: Leiste was, dann haste was, dann
biste was. Kurzum, dann stellt sich der Erfolg schon ein. Beim Iraden hat
aber nicht derjenige am meisten Erfolg, der am meisten handelt, sondern der,
der es richtig macht. Beim Trading gelten eben andere Regeln, damit sich der
Erfolg einstellt. Das muss man erst einmal begreifen und dann fähig sein, es
entsprechend umzusetzen.
Oft stehen wir uns beim Erreichen unseres Trading-Erfolges selbst im Weg,
weil wir unsere eigene Messlatte sehr hoch angelegt haben. Etwa durch uner-
reichbare Renditeziele oder bei der Umsetzung neuer Verhaltensweisen. Da-
bei kann es schon ein sehr großer Erfolg sein, nur einen Tag lang diszipliniert
seinen Trading-Plan durchzuhalten, einen schlechten Irade auszulassen oder
geduldig auf eine gute Trading-Chance zu warten. Wer sich eher auf kleine
Erfolgsziele konzentriert, ist wesentlich zufriedener, weil er häufiger Glücks-
120 I Niemand zwingt uns, erfol~os zu sein
gefühle erlebt. Das motiviert und macht den Weg zum Ziel wesentlich leich-
ter. Dieses Verhalten überträgt sich auf die gesamte Persönlichkeit, das ganze
Lebensgefühl. Denn nicht zu unterschätzen ist Erfolg als Motivator. Erfolg
bewirkt Erfolg. Von erfolgreichen Menschen geht oft eine positive Energie
aus. Lebensfreude, Kra ft, Überzeugung und Selbstbewusstsein. Sie sind nicht
so sehr am Erfolg selbst interessiert, sondern am Erleb nis. Erfolgreiche Men-
schen sind erlebnisorientiert und nicht ergebnisorientiert !
Die Erfolgsformel ist ganz einfach: Erfolg - folgt dem Erfolg. Das geschieht durch die Umsetzung
kleiner positiver Schritte. N ehmen Sie dazu Ihren Trading-Pian und setzen Sie ihn in kleinen
Schritten diszipliniert um. Nach dem Motto: »Du musst heute sein, was du morgen werden
willst.« Anfangs scheint das eine große Herausforderung zu sein. Damit es einfacher geht, ma-
chen Sie sich eine »Erfolgsliste«. Auf der steht, was Sie nur heute richtig machen werden. »Ich
warte heute auf ein gutes Setup.« »Ich riskiere heute nur gemäß meines veranschlagten Geld-
risiko.« »Wenn ich einen Gewinn mache, dann riskiere ich heute nur einen Teil des ganzen
Gewinns.« Achten Sie darauf, dass Sie sich selbst immer wieder kleine Erfolge schaffen, sodass
Sie am Ende des Tages auf diese Erfolge zurückblicken können. Machen Sie sich Ihre Tageserfolge
abends, vielleicht vor dem Schlafengehen, noch einmal bewusst. Sie können dazu die Augen
schließen und diese Momente noch einmal vor Ihrem inneren Auge ablaufen lassen, wie Sie
erfolgreich agiert haben.
Professionelle H ändler streben beim Trading nicht vordergründ ig Reichtum an, w ie es Anfanger
oft glauben und selbst oft tun. Sondern sie konzentrieren sich darauf, immer wieder das Richtige
zu tun und werden so völlig selbstverständlich erfolgreich. Wiederholen Sie das, was zum Ziel
führt, in kleinen Schritten wieder und wieder - und Sie werden erleben, dass Erfolg im Trading
machbar ist.
Kann man Erfolg lernen? Wie Sie eben erfahren haben: Ja, man kann! Dazu
brauchen Sie nur auf Ihre Art und Weise nachzumachen, wie es andere
geschafft haben. Erfolgreiche Menschen sind vor allem disziplinierte Men-
schen, die beständig und strukturiert ihr Ziel verfolgen. Die Vorbedingung
dafür ist, dass Sie bereit sind, die Konsequenzen Ihrer Entscheidungen aus-
zuhalten! Dazu sollte man gleich von Anfang an den Fokus auf die wich-
tigsten Dinge legen. Schnell reich werden, jeder Irade ein Treffer, absolute
Wissen ist Macht I 121
Beim Trading ist es dasselbe. Es wird immer wieder Rückschläge geben auf
dem Weg zum Erfolg. Entscheidend ist, was Sie aus diesen Rückschlägen
herausholen. Werfen sie Sie zurück oder bringen sie Sie voran? Die Entschei-
dung hat jeder von uns selbst in der Hand. Ein Ziel erreicht man nur, wenn
man es konstant verfolgt. Und Beim Trading hatjeder Trader seine ganz eige-
ne Wegstrecke bis zum Ziel vor sich. Diese ist abhängig von der individuellen
Persönlichkeit jedes Einzelnen und dem Einsatz, den er bereit ist zu geben.
Auffallend ist auch, dass erfolgreiche Menschen den Mut haben, ihren ganz
eigenen Weg zu gehen. Frank Sinatra hat seine Erfolgsformel einmal in ei-
nem Lied verfasst - ))I did it my way«.
122 I Die drei größten Trading-fehler
Lernen Sie, Entscheidu ngen zu treffen und diese dann auch entschlossen umzusetzen. Das ist
für die Trading-Laufbahn überaus wichtig. Zum Traden brauchen Sie von Anfang an Mut Die
zahlreichen Widerstände auf der Gefühlsebene, die Sie beim Traden erleben, brauchen eine
feste Hand, die sie führt, damit Sie die Handlungen durchführen und umsetzen können, um in
diesem Geschäft erfolgreich zu werden. Trading kann emotional bis an die äußersten Gren-
zen gehen. Aber mit Entschlossenheit, Ausdauer, Disziplin, Realitätssinn und Selbstbewusstsein
werden Sie die Kraft haben, den zahlreichen emotionalen Gegenspielern, die sich Ihnen auf
dem Weg zu Ihrem Erfolg in den Weg stellen werden, Paroli zu bieten. Wen n Sie es schaffen,
für die Dauer der Lernphase sich den mentalen Strapazen zu stellen, und Sie stärker als Ihre
Ängste sind, dann werden Sie ein erfolgreicher Trader werdenl Sicher, Erfolg braucht auch
Glück. Aber das Glück können Sie ein Stück weit selbst erschaffen, wenn Sie wollen. Denn
Glück und Erfolg haben emes gemeinsam: Man kann sie jederzeit finden, man muss nur bere1t
sein, sie auch finden zu wo llenl Und wer Glück und Erfolg bewusst sucht, der ist ein aktiver
Gestalter seiner Trading-Laufbahn . Ein weiterer wichtiger Baustein beim Trading ist die Gelas-
senheit Die haben Sie, wenn Sie sicher sind, dass Sie im Spiel bleiben, also über Trading-Kapital
verfügen. Denn der größte Demotivator ist der Kapitalverlust Konzentrieren Sie sich daher
hauptsächlich darauf, Ihr Kapital zu konsolidieren. ln der Lernphase und Startphase des Tra-
dings geht es ausschließlich um das Begreifen der Zusammenhänge des Marktes und um dem
Aufbau von emotionaler Stärke. Es geht überhaupt nicht darum, was gerade Anfanger immer
wi eder denken - um den schnellen Reichtum! Wer sich zu Beginn nur darauf konzentriert,
wird mit Sicherheit scheitern!
System-Fehler
Weil die Märkte für den Einsteiger anfangs undurchschaubar sind, schießt
er wie ein Jahrmarktschütze wild drauflos - Irade für Irade. Will sich der
erhoffte Erfolg aber nicht einstellen, versucht er, über die Stopptechnik ans
Ziel seiner Träume zu kommen. Er platziert seine Stopps entweder zu weit
entfernt vom Einstieg oder er setzt erst gar keine. Die allerwenigsten Börsen-
teilnehmer begreifen anfangs, dass es so nicht funktionieren kann. Ihr un-
logisches Verhalten ist verständlich - sie wollen Verluste vermeiden, jedoch
wirkungslos! Ein Anfanger weiß eben noch nicht, wie er professionell große
Verluste vermeiden bzw. sinnvoll Gewinne erwirtschaftet kann. Deswegen
wendet er nur jene Regeln an , die sein Verstand und sein Unbewusstes ihm
zur Verfügung stellen! Mehr leider nicht.
Genauso ist es beim systemlosen Trading. Niemand weiß, ob das Signal, wel-
ches Sie ein paar Mal mit Glück erfolgreich getradet haben, wieder erfolg-
reich sein wird. Vor allem wissen Sie nicht, ob es dauerhaft erfolgreich ist!
So kann es sein, dass Sie zehn, zwanzig, dreißig oder mehr unterschiedliche
Handelssignale traden, aber gar nicht sicher sind, wie profitabel das einzel-
ne Signal überhaupt ist. Es könnte sein, das zwei Einstiegsstrategien gute
Gewinne erzielen, die anderen aber alles Nieten sind, die nur die Gewinne
wieder auffressen und zusätzlich noch Verluste verursachen. Trading ist eben
kein Glücksspiel, sondern ein StrategiespieL Und wer keine Strategie hat, der
hat vielleicht mal Glück, aber sicher auf Dauer keinen Erfolg!
Um zu wissen, ob Ihr System wirklich profitabel ist, sollten Sie es testen. Beim
sogenannten Backtesting haben Sie allerdings das Problem, dass es natürlich
Ergebnisse der Vergangenheit sind. Testen Sie zum Beispiel Irades, die alle
in einer Crashphase gehandelt wurden, während der Markt sich aber wieder
in einer ruhigen Trendphase befmdet, kann das zu Ungenauigkeiten in der
Auswertung führen . Backtesting können Sie mit einer speziellen Software
vornehmen. Fragen Sie zum Beispiel Ihren Broker, ob er sie anbietet. Wenn Sie
Ihr Handelssystem schon traden, dann können Sie auch Ihre Aufzeichnungen
auswerten. Je detaillierter und größer die Anzahl der Irades tun, desto präziser
wird Ihr Ergebnis werden. Hundert Irades sind hier Minimum. Es versteht sich
von selbst, dass Aspekte wie Zeiteinheit, Volatilität und Marktphase bedeuten-
den Einfluss auf die Testung haben. Manchmal zeigt sich, dass schon wenige
Justierungen am System ausreichen, um aus einem unprofJtablen Regelwerk
ein profitables zu machen. Wenn Sie es sich selbst nicht zutrauen, nehmen
Sie die Hilfe eines Fachmannes in Anspruch. Das ist wesentlich zeitsparender,
geld-und nervenschonender, als immerzu ins Ungewisse zu traden! Entschei-
den Sie selbst: Wollen Sie Laie bleiben oder Profi werden?
Ein profitables Handelssystem ist die Grundlage des erfolgreichen Tradings. Es gibt kaum etwas,
das Ihnen mehr Sicherheit undVertrauen schenkt! Arbeiten Sie sich ein Regelwerk aus, mit dem
Sie sich wohlfü hlen, das Sie geme traden. E1n guter Trading-Pian hat die Qualitäten eines guten
Partners: Er ist verlässlich, unproblemat1sch. vertrauensvoll, man fühlt sich wohl mit ihm, weil
er zu einem passt. Achten Sie an angs darauf, dass Sie nur wenige Setups haben, das macht es
leichter; diszipliniert zu handeln.
Wissen ist Macht I I 25
Stopp-Fehler
Keine Stopps beim Trading zu setzen ist wie Autofahren, ohne zu bremsen.
Dennoch gehen täglich Tausende an den spekulativen Kapitalmärkten dieses
Risiko ein. Warum? Meistens aus Angst, Geld zu verlieren. Aber Geld zu
verlieren gehört zum Trading dazu. Oder anders gesagt: Man kann nicht ge-
winnen, wenn man nicht verlieren kann.
Eine ausgelöste Stopp-Order ist ein ))Nein(( des Marktes. Und wer mag es
schon, dass jemand einem widerspricht? Einmal geht ja noch, aber mehrere
Male? Und das auch noch mehrmals hintereinander? Das ist ein Angriff auf
das Ego. ))Nein(( bedeutet: falsch gemacht. Und Fehler zu machen fühlt sich
für uns Menschen nicht gut an. Wer etwas falsch macht, der wird oft schon
als Kind mit Liebesentzug bestraft - das sitzt! Diese emotionale Prägung hält
meist bis ins Greisenalter. Bei zu vielen ))Neins(( entstehen Unzulänglichkeits-
gefühle. Da Menschen diese Gefühle nicht sonderlich schätzen, versuchen
sie deshalb, sie mit aller Anstrengung zu vermeiden. Ein ))Nein(( des Marktes
verursacht Angst. Viele ))Neins(( bedeuten sehr viel Angst. Um Angst zu ver-
hindern, geht man einer Gefahrensituation am besten aus dem Weg. Dieser
Mechanismus läuft in uns schneller, als wir ihn bewusst denken können.
Beim Trading schützt man sich unbewusst vor Verlustängsten, indem man
keine Stopps setzt, oder sie vom Einstieg weit weg platziert. So glauben die
Trader: ))Wenn ich beim Trading nicht ausgestoppt werde, dann brauche ich
auch keine Angst zu haben.(( Logisch kombiniert, aber leider in der Praxis
nicht sehr wirkungsvoll. Weit weg platzierte Stopps, die nicht mit einem
sinnvollen Geldrisiko einhergehen, oder gar keine gesetzten Stopps führen
zwangsläufig zu großen Verlusten oder zum Totalverlust
Wer bei seinen Irades nicht die Reißleine zieht, der gerät irgendwann in die
Situation, dass so hohe Verluste auflaufen, dass er fürchten muss, sein ge-
samtes Trading-Kapital zu verlieren. Mit der Konsequenz, dass der enorme
Druck den Trader dazu zwingt, die bereits aufgelaufenen großen Verlusten
zu realisieren, um sich der mentalen Schmerzen zu entledigen. Das Geld ist
zwar dann verloren, aber das zurückgewonnene innere Gleichgewicht wiegt
den Verlust beim Trader oft um Tonnen wieder auf. Er fühlt sich von der im-
mensen Belastung, die durch die Schieflage ausgelöst wurde, endlich befreit.
Im Geiste rechnet er sich alsbald schon wieder aus, wie er sich das verlorene
Geld vom Markt zurückholen kann.
126 I Die drei größten Trading·fehler
Was die meisten nicht wissen, ist, wie gefährlich sich dieses Verhalten auf das
Trading auswirken kann. Unser Gehirn speichert alles, insbesondere wenn
starke Emotionen mit im Spiel sind. Erzielt man nämlich auf diesem Weg
wiederum große Gewinne, dann speichert unser Gehirn diese Lösung als
Möglichkeit für künftige Erfolge ab und reaktiviert sie gegebenenfalls unbe-
wusst erneut. Wenn nun häuf1ger einige Irades ausgestoppt werden und man
von sich schnellstens bessere Ergebnisse erwartet, dann kann es passieren,
dass man sich plötzlich mit einem Irade konfrontiert sieht, der einem gera-
de riesige Verluste aufs Konto beschert. Ausgelöst durch einen Irade ohne
Stopp, der munter in die falsche Richtung läuft. Unser Gehirn will uns nur
helfen, erinnert sich an diese >>besondere Stoppstrategie«, löst unbewusst den
Reflex aus - und schon tradet man wieder munter ohne Stopporder.
Im Coaching wird mir diese Frage oft gestellt : »Wieso passiert das ausgerech-
net mir immer wieder, obwohl ich das doch gar nicht will und ich ja auch
weiß, dass das falsch ist!« Unser Gehirn speichert starke emotionale Erleb-
nisse besonders einprägsam ab. Geld ist ein Turbomotor für unsere Emotio-
nen. Es ist im Nachhinein schwer, sich diese Prägung wieder abzugewöhnen,
weshalb das Wissen zur Tradingpsychologie gerade zu Beginn so wichtig ist.
Gerade am Anfang seiner Lernphase sollte man daher seinen Fokus auf einen
guten Handelsstil ausrichten und nicht auf das Geldverdienen selbst.
Handeln Sie mit Stopps. Es ist Ihre einzige Versicherung in diesem Geschäft. Es gibt Strategien
ohne Stopps, doch es handelt sich um absolute Ausnahmestrategien.
Generell gilt Sie müssen bewusst das Risiko eingehen, Geld zu verlieren. Wenn Sie bei einem
Trade ausgestoppt werden, dann hat dies. sofern Sie systematisch korrekt gehandelt haben.
nichts mit Ihrem Können zu tun. Im Gegenteil. Dann haben Sie einen guten Job gemacht. Wenn
Sie eine gute Trading-Chance Ihres profitablen Handelssystems durch einen Minus Trade verlie-
ren, dann hat das nichts mit Ihnen, sondern mit dem unvorhersehbaren Verlauf der Märkte zu
tun. Trainieren Sie sich an, Geldverluste nicht persönlich zu nehmen. Sie sindTeil des Börsenhan-
dels. Indem Sie bereit sind, diese Verluste anzunehmen, sind Sie ein Trader. Andernfalls sind Sie
ein Spieler. Achten Sie auf ein sinnvolles Geldrisiko. Passen Sie die Höhe des Geldbetrages, den
Sie riskieren, Ihrem persönlichen Angstpegel beziehungsweise Ihrer Komfortzone an. Riski eren
Sie nur so viel pro Trade, dass der Ver lust Ihnen emotional gleichgültig ist.
Risi ko-Fehler
Trading ist ein Risikogeschäft Wer hier Geld verdienen will, der muss das
Risiko anvisieren, der Gewinn kommt dann praktisch von allein . Der Profi
sucht die Sicherheit! Ihm geht es vor allem darum, so wenig Geld wie nötig
zu riskieren, um so viel wie möglich zu gewinnen. Die Grundvoraussetzung
dazu ist natürlich ein profitables Handelssystem. Der Anfänger tradet nicht
selten ohne festes Regelwerk und versucht so, über ein erhöhtes Risiko sein
Ziel zu erreichen- damit legt er sichjedoch selbst riesige Steine in den Weg!
Gewinne ohne Risiko gibt es im Trading nicht. Viele beschäftigen sich aber
genau mit dieser Idee. Sie wollen am liebsten gar nichts verlieren, aber viel
gewinnen. Das ist verständlich, aber nicht realistisch. Beim Trading gibt es
keine Geld-zurück-Garantie.
Wer tradet, der muss sich bewusst machen, dass er am Ende des Tages nicht
mehr, sondern weniger Geld auf dem Konto haben kann, obwohl er alles rich-
128 j Die drei größten Trad ing-Fehler
tig gemacht hat Das ist ungefähr so, als würden Sie morgens zur Arbeit fah-
ren, Ihren Job bestens erledigen, um am Ende des Tages von Ihrem Chef ge-
sagt zu bekommen: ))Alles richtig gemacht, aber dieser Tag wird Ihnen nicht
bezahlt.« In der Berufswelt eine völlig absurde Situation. Im Börsengeschäft
vollkommen alltäglich. Nun mag man sich sagen, okay, so ist das eben beim
Trading. Unser Gehirn hat sich aber über die vielen Jahre und Jahrzehnte an
das Gleichnis Arbeit= Geld gewöhnt Trifft dieses Gleichnis, wie beim Trading,
manchmal sogar mehrere Tage hintereinander nicht zu, kann das zu Angst,
Wut, Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit und vielem mehr führen. Das wiederum
überträgt sich auf das Trading-Verhalten und verursacht Disziplinlosigkeit Die
Folgen davon sind dann unschwer auf dem Handelskonto zu erkennen.
Niemand weiß, wie ein Trade ausgeht Niemand! Alle Experten sind nur
Wahrsager, ohne die Wahrheit zu kennen. Risiko bedeutet beim Trading, Ver-
luste angemessen zu kalkulieren. Wichtig ist, sich immer zu fragen: Wie viel
kann und darf ich mit diesem Trade verlieren? Wer nur wenig bei einem
Trade riskiert, der kann viele Male verlieren, hat aber auch die Chance, grö-
ßere Gewinne zu erzielen, mit denen er die letzten Verluste ausgleicht und
darüber hinaus noch einen Gewinn übrig behält Das Erfolgsprinzip von Tra-
ding ist: Zwei Schritte vor und einen zurück!
Abb. 2:Wer sein Geldrisiko ständig verändert, erzielt unterschiedliche Gewinne und Verluste. Das ist
meist nervenaufreibend. Ein Gleichklang beim Geldrisiko macht das Traden leichter..
Wissen ist Macht I I29
Gewinn
+5°/o
+4%
+3%
+2%
+ 1%
ausgestoppt -1 %
Abb. 3: Das richtige Verständnis (ur Trade-Verläufe hilft, realistisch zu bleiben. Nicht jeder Trade wird ein
Gewinner! Trading ist ein ständiger Ablauf von Versuch und Irrtum. Mal holt man einen kleinen Gewinn,
mal keinen, dann verliert man und hin und wieder hat man Glück und erzielt einen großen Gewinn.
Beim Irading muss man geradezu Lust auf das Risiko bekommen. Allerdings
weniger, indem man unüberlegt hohe Risiken eingeht, sondern indem man
130 I Die drei größten Trading-fehler
das Risiko als einen spielerischen Aspekt des Iradings verinnerlicht ))Diesmal
wurde ich ausgestoppt, aber dann steigt meine Chance wieder, beim nächsten
Irade zu gewinnen.« Das gilt natürlich nur für ein identisches System und heißt
nicht, dass das Risiko deshalb erhöht werden sollte! Denn statistisch gesehen
nimmt die Chance auf einen Gewinn mit jedem Verlust-Irade tatsächlich zu.
Noch einmal das erste Irading-Gesetz: Wer beim Irading nicht verlieren
kann, der kann beim Irading nicht gewinnen! Es ist deshalb sehr ratsam, sich
gleich zu Beginn eine positive Einstellung zu seinen Verlusten anzutrainieren.
Eine gute Möglichkeit ist die Desensibilisierung. Je kleiner der Schmerz ist,
den man durch einen Impuls erlebt, desto mutiger wird man sich diesem
stellen. Kommt man an die Schwelle der Erträglichkeit und fühlt keine Angst
mehr vor dieser Barriere, dann geht man einen Schritt weiter, so lange, bis
man sein erwünschtes Ziel erreicht hat Man gewöhnt sein Gehirn also stu-
fenweise an die Angst, indem man sich ihr Schritt für Schritt immer mehr
nähert. So oft, bis die gewünschte Situation angstfrei erlebt werden kann. Für
das Irading bedeutet das: Je kleiner die Angst vor dem Ausgestopptwerden
ist, desto gelassener kann man einen Irade eingehen und sich ausstoppen
lassen. Und diese Angst ist mit der Höhe des Geld-Verlust-Risikos steuerbar.
Eine weitere sehr nützliche Methode ist, sein Gehirn mithilfe von geführten
Suggestionen und Hypnosen auf die Realität der Irading-Geschehnisse ein-
zustimmen. Der Irader erlebt auf diese Weise immer wieder Handlungsab-
läufe, die für ihn zur gefühlten Normalität werden. Erlebt er diesen Ablauf
dann irgendwann in der Realität, reagiert sein Gehirn darauf wie gewünscht,
nämlich so, wie er es vorher immer wieder suggestiv eingeübt hat
Je kleiner Ihr Risiko, umso größer die Chance, dass Sie entspannt handeln können. Dagegen
wartet der Gedanke auf, dass man zu wenig oder nicht schnell genug Geld verdient. Es ist gut
zu wissen, dass ein zu hohes Geldrisiko Sie erst recht nicht an Ihre Trading-Ziele bringen wird.
Denn es ist das verlorene Geld, das zu unangenehmen Emotionen und den Trading-Problemen
führt! Und unsinniges Trading-Verhatten kostet Sie in diesem Geschäft am meisten Geld. Wenn
Sie den Mut haben, wenig zu riskieren, werden Sie mehr gewinnen. Wer sein Risiko durch das
Aufstocken von Positionen zum Beisp el erhöhen will (»Pyramidisieren«), der sollte auch hier
immer überprüfen, ob sein Risiko angemessen gewählt ist. Und angemessen ist es immer dann,
wenn der Trader sich mit seinem Trade 1n der emotional en Sicherheitszone befindet. Ängste sind
Gift für jeden Trade und jeden Trace"'
Wissen ist Macht I I3 I
chen, wird einfach mehr riskiert, um sie wieder wettzumachen. Das verwäs-
sert natürlich enorm die Ergebnisse.
Viele achten zuerst auf die erzielte Rendite des Börsenbriefes. Viel wichtiger
ist aber, darauf zu achten, ob der Börsenbrief zum eigenen Persönlichkeits-
profil passt. Wer nur wenige Stunden Zeit zum Nachtraden hat, der braucht
keinen Börsenbrief zu abonnieren, bei dem die Gewinne über den gesamten
Tag erwirtschaftet werden. Wichtig ist es auch, einen Blick auf die Draw-
down-Phasen (Verlustphasen durch Marktveränderungen) zu werfen. Diese
sind normal und gehören zum Trading dazu. Auch die Draw-down-Phase
sollte zum eigenen Risikoempfmden passen.
Besserwisser sind nicht immer zwangsläufig die Bessermacher! Sicherer ist es, wenn Sie sich ei-
gene Fachkenntnisse für das Trading aneignen. Das dauert zwar seine Zeit, aber dafür weiß man,
wie sie entstanden sind! Wenn Sie einem Börsenbrief nicht vertrauen, dann lassen Sie die Finger
davon. Die versprochenen Renditen sollten unbedingt logisch, nachvollziehbar und natürlich mit
einem seriösen Geldrisiko entstanden sein.
3.23 Expertengläubigkeit
Als ich mich für das Thema Börse zu interessieren begann, las ich zunächst
Börsenzeitschriften und schaute entsprechende Sendungen im Fernsehen. Ich
war fasziniert von dem Wissen der Reporter und glaubte, so würde professi-
oneller Handel funktionieren. Man müsse nur früh genug an die relevanten
Wissen ist Macht I 133
Dass eine Aktie von SIEMENS gerade um 3 Prozent stieg, weil in China ein
neu es Werk gebaut wurde, klang für mich logisch. Aber wieso f1el sie dann am
nächsten Tag wieder um 4 Prozent? Und war es sinnvoll, dass alle nur deshalb
diese Aktie kauften? Woher wussten diese TV-Reporter das eigentlich? ))Die
Händler greifen heute beherzt bei SIEMENS zu«, hieß es. Ja, aber die paar
verlorenen Männchen im Hintergrund konnten doch unmöglich ))die Händler«
gewesen sein. Da war ja mehr auf unserem Wochenmarkt in der Fußgänger-
zone los. Und das sollte die Händlerszene des Weltbörsengeschehens sein?
Vermutlich meinten sie all die zigtausend Händler in ihren Büros in New
York, Frankfurt, Tokio, Sydney, Moskau usw., die via Internet orderten. Aber
woher wussten die Journalisten, was deren Beweggründe waren? Telefonier-
ten sie mit allen Händlern, um zu fragen was ihre Gründe für ihre Käufe und
Verkäufe waren? Sicherlich nicht. Und bei einer Kauf- oder Verkaufsorder
steht auch nirgendwo: ))Ich kaufe SIEMENS-Aktien, weil sie jetzt ein Werk in
China bauen.« Also wussten die Journalisten das gar nicht und erfanden diese
Begründung nur? Genau! Vielleicht fragten sie ein paar Händler auf dem Par-
kett, aber ist das die Masse? Bestimmt nicht. Niemand weiß, weshalb irgend-
jemand eine Aktie kauft oder verkauft - außer er fragt ihn. Aber die Mehrheit
der Händler zu fragen, weshalb sie dieses oder jenes tun -unmöglich!
Es musste also andere Beweggründe für die Transaktionen an der Börse ge-
ben und nicht nur eine einzige, wie man mir in den Medien immer allzu gern
weismachen wollte. Und was konnte ich schließlich mit all diesen Informati-
onen anfangen? Nichts! Als ich das durchschaute, kaufte ich mir nie wieder
eine Börsenzeitschrift und guckte mir auch nie wieder eine dieser Börsensen-
dungen im Fernsehen an. Ich begriff, dass die Kurse die Nachrichten mach-
ten, aber die Nachrichten nicht die Kurse. Es mag Ausnahmen geben, aber
die sind so selten wie prof1table Trading-Anfanger. Vielleicht auch gerade
deshalb.
Es gab nur einen plausiblen Grund, warum die Kurse an den Börsen stiegen
oder f1elen: weil es entweder mehr oder weniger Käufer oder Verkäufer für
ein Wertpapier gab. Wer sie sind, weiß niemand, nicht einmal der Reporter
oder die Reporterin im Fernsehen! Also der sogenannte Experte.
134 I Expertengläubigkeit
Doch die Macht, die diese Medien mit ihrer Omnipräsenz ausüben, können die
Kaufentscheidungen der unwissenden Kleinanleger maßgeblich beeinflussen.
Ich erinnere mich noch sehr gut an einen Klienten, der 2008 zu mir kam, weil
er unter einem Finanztrauma litt. Ausgelöst durch einen renommierten ))Ban-
ken-Expertenll, der in einer sehr bekannten TV-Börsensendung ein Interview
gab. Er empfahl den Zuschauern einen Zertiftkate-Korb, bestehend aus vier
))Top-Banken«, zu kaufen: >>Das sind jetzt Kaufkurse, jetzt, wo die Kurse et-
was zurückgekommen sind. Da kann nichts passieren, die Stoppbarriere ist
so weit weg, da braucht man keine Angst zu haben. Das Zertifikat lässt man
liegen und freut sich irgendwann über die Gewinne!« Da war er sich sicher.
Einige Monate später hatte sich nicht nur das Zertifikat, sondern auch eine
der vier Banken in Luft aufgelöst. Und der Rückkaufspreis des Zertifikates
wurde nach der Entwicklung der Aktie mit der schlechtesten Performance
bemessen. Schlechter ging es nicht. Das Geld meines Klienten war verloren.
Dieses Beispiel von sogenannten Experten zeigt, wie sicher ihre Aussagen sind.
Nämlich gar nicht. Es ist nur eine Meinung von vielen, mehr nicht. Und man
darf nicht vergessen, dass Experten meistens ein persönliches Interesse daran
haben, Werbung für eine Aktie oder ein Produkt zu machen. Wenn Bankana-
lysten in die Börsenwelt hinausposaunen, man solle jetzt unbedingt Aktie XY
verkaufen, dann ist es gut möglich, dass die Bank selbst ein Interesse daran
hat, den Kurs zu drücken, um die Stücke günstiger wieder zurückzukaufen.
Ein Experte ist auch nur ein Mensch, eben einer mit seiner eigenen Meinung.
Doch allzu oft glauben die Anleger und Trader, dass jene die absolut sichere
Antwort auf die Frage ))Wohin geht der Kurs von XY?ll kennen. Niemand weiß
das. Und wer so tut, als ob er es wüsste, dem sollte man erst recht nicht trauen!
Denken Sie nur an die weltweite Finanzkrise dieses Jahrhunderts. Keiner der
ausgebildeten Ökonomen auf dieser Welt hat die Finanzkrise exakt voraus-
sagen können. Das gilt für das Timing der Immobilienblase und den Zerfall
der Credit Default Swaps genauso. Man könnte auch sagen: Nie zuvor hat
eine Expertengemeinde zuverlässiger versagt. Analysen zu einem bestimm-
ten Wert oder zu bestimmten Geschehnissen sind letztlich nicht mehr und
nicht weniger als die persönliche Meinung desjenigen, der sie äußert. Mehr
nicht! Bei einer Recherche wird man erkennen können, dass Analysten zu
unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Die Chance, dass sie eintreffen kön-
nen, steht bei allen Analysen 50:50. Und weil das so ist, sollte man besser nur
Wissen isr Hachr J I35
einen sehr geringen Betrag investieren. um mit Glück etwas Gewinn zu er-
wirtschaften oder nur einen kleinen Yerlust hinzunehmen. Wesentlich klüger
wäre es, eigene Analysen zu erstellen. Das ist zwar aufwendiger, aber solider.
Viele machen sich diese Arbeit nicht, weil ihnen das nötige Fachwissen zum
Marktgeschehen fehlt und sie die Mühe scheuen, die das Erlernen desselben
bereitet. Andere wollen kein e Entscheidung fällen und die Konsequenzen
tragen. Sie wollen heute traden, sind aber nicht bereit, den steilen Berg der
Irader-Ausbildung zu erklimmen, der meist viele Jahre dauert. Wer keine
Meinung hat oder ein ungenügendes Fachwissen, der sucht eben bei anderen.
Das ist okay, solange man auch mi t den Analysen, Meinungen und Resulta-
ten anderer leben will! Seien Sie sich darüber im Klaren, dass Fremdanalysen
immer eine Scheinsicherheit verkaufen. Prof1-Trader verlassen sich nicht auf
die Analysen anderer, sondern nur auf ihre eigenen.
Wer sich anfangs mit dem Thema Trading beschäftigt, der fmdet ein über-
großes Angebot an Informationen. Besonders das Internet ist voller Ideen
und Ratschläge, wie man den Börsenhandel professionell angehen sollte. In
Trader-Foren verbreiten unzählige Händler ihre Meinung über die Märkte ins
Netz. Wie sinnvoll das überhaupt ist, muss jeder für sich selbst entscheiden. In
den meisten Fällen allerdings führt das nur zu Verwirrungen.
Zu mir kam ein junger Trader, Anfang zwanzig, namens Marcel. Er beschäf-
tigte sich seit knapp zwei Jahren mit den Märkten und hatte das Gefühl, je
mehr er wusste, desto schlechter wurden seine Trading-Ergebnisse. Er wollte
wissen, wie das denn sein könne. Schließlich kann es doch nicht verkehrt
sein, sich mit etwas gut auszukennen!
Ich bat ihn also, mir seine theoretische Herangehensweise ans Trading einmal
zu beschreiben:
Marcel: Ich habe etwa 50 Trading-Bücher bisher gelesen. Immer wenn ein
neues Buch auf dem Markt erscheint, will ich es gleich haben.
Coach: Was erhoffst du dir?
Marcel: Ich will möglichst viel über das Trading wissen.
136 I Wer die Wahl ha~ hat die Qual
Coach: Setzt du von dem Wissen für dein Trading einiges um?
Marcel: Ja, ich versuche, so viel wie möglich davon in mein System einzu-
bauen.
Coach: Ach, du hast also ein System?
Marcel: Ja, sicher.
Coach: Und hast du den Eindruck, dass durch diese ständigen Ergänzungen
dein System besser wird?
Marcel (lacht) : Nee, irgendwie nicht. Ich habe das Gefühl, ich baue immer
mehr Profi- Tools ein, verfeinere mein System mit vielen Tipps, aber das Er-
gebnis wird immer schlechter. Jedenfalls verliere ich mehr, als ich gewinne.
Was ich komisch finde, weil es ja alles Profi- Tipps sind.
Coach: War das zu irgendeinem Zeitpunkt mal anders?
Marcel: Ja, so im ersten Dreivierteljahr meines Tradings, da lief es eigentlich
ganz gut. Und dann wollte ich noch besser werden und suchte Hilfe in Fachbü-
chern. Aber irgendwie scheint stattdessen das Gegenteil eingetreten zu sein.«
Coach: Denkst du, dass Profis das auch so machen, dass sie sich ständig An-
regungen aus Büchern holen, um die neuen Tipps der anderen Trader dann in
ihr System zu integrieren?
Marcel: Dachte ich jedenfalls. Wie sonst sollten sie sich verbessern?
Coach: Informierst du dich noch anderweitig?
Marcel: Ja klar. Ich lese in Internetforen und Fachzeitschriften. Da stehen ja
auch tolle Sachen drin.
Coach: Und diefügst du natürlich auch in dein System ein?
Marcel: Ja, schon, wenn der Zusammenhang Sinn macht.
Coach: Klingt so, als würdest du jeden Monat in dein System eingreifen?
Marcel: Einmal im Monat? (lacht)
Coach: Marcel, stell dir vor, du fährst von zu Hause aus zur Arbeit, aber jeden
Tag gibt es eine kleine Umleitung. Und du weißt nie, wohin diese Umleitung
dich genau führt. Was könnte das für deinen Arbeitsweg bedeuten?
Marcel: Das könnte bedeuten, dass ich wohllänger zur Arbeit brauche.
Coach: Genau. Und was könnte noch passieren?
Marcel (überlegt eine Weile) : Naja, wenn die Umleitung so umfangreich ist,
dann könnte es sein, dass die Strecke zur Arbeit gar nicht mehr in meine ge-
wünschte Richtung führt. Dann käme ich nur über sehr große Umwege zum
Job, dann müsste ich mir etwas Neues einfallen lassen.
Coach: Nun vergleiche das mal mit deinem Trading. Um ans Ziel zu kommen,
baust du dir immer wieder neue Umwege ein und erreichst damit, dass du nur
sehr schwer oder gar nicht mehr das Ziel erreichst. Was wäre also zu tun?
Marcel: Die Umwege wieder abzubauen ...
Wissen ist Macht I I 37
Marcel: Verstehe. Ich glaube, ich brauche erst mal kein neues Buch mehr!
Coach: Klingt gut.. !
Fachwissen ist eine nützliche Sache fürs Trading. Man muss verstehen, wie
die Märkte funktionieren . Zum Beispiel dass Trends eher weiter in die ein-
geschlagene Richtung laufen, als dass sie drehen. Oder das Fibonacci-Ver-
hältnisse durchaus Sinn machen können. Auch die Dow-Theorie, nach der
Marktbewegungen bestimmten Kriterien unterliegen. Und natürlich, dass
man einem festen und profitablen System folgen sollte, um Geld an der Börse
zu verdienen. Zu jedem Zeitpunkt kann an den Märkten einfach alles passie-
ren. Und Sicherheit beim Trading kann nur der Trader selbst herbeiführen,
nicht der Markt an sich.
Die vielen Fachartikel und Bücher, die mit immer neuen Handelssystemen
verführen wollen, reizen vor allem immer dann zur Nachahmung, wenn man
selbst unsicher ist beim Iraden. Irgendwann hat man unzählige Regelwerke
im Kopf, sodass man sie auch meistens unbewusst einsetzt. Und häufig nicht
mal der Reihe nach, sondern alle gleichzeitig. Das ist wie Kochen mit allen
Zutaten, die im Kühlschrank zu fmden sind. Schmackhaft wird das nicht!
Ich kenne das übrigens von mir selbst auch. Ich hatte so viele Handelsideen
von anderen im sprichwörtlichen Trading-Köcher, dass ich meinte, für jede Si-
tuation im Chart die richtige Strategie zu besitzen. Mein Unbewusstes schickte
mir ständig neue Impulse, was ich zu machen habe: ))Widerstand im Stun-
denchart -jetzt long.« ))Hammerkerze im 10-Minuten-Chart - rein!« ))Zwei
gleitende Durchschnitte kreuzen sich auf 15 Minuten- sofort short.« ))Höhere
Hochpunkte im 30-Minuten-Chart- long, das wird ein Trend.« ))Trendlinie auf
10 Minute wird short gerissen - schnell short, das wird eine riesen Abwärts-
bewegung!« ))Doji-Kerze im 5-Minuten-Chart - der Markt dreht - ich kaufe.«
))Der Kurs läuft aus dem Seitwärtskanal des Ein-Stunden-Charts - short ein-
gestoppt.« Ich kannte so viele Einstiege, dass mein Unterbewusstsein mich in
einem fort in die Startposition schickte - traden, traden, traden.
Ich bin schier verrückt geworden. Am Abend saß ich dann vor meinem Com-
puter und war völlig geschafft. So, dachte ich, traden die Profis. Heute weiß
ich, so traden die Doofis!
Wer die Wahl hat, der hat die Qual. Das trifft zu 100 Prozent auf das Trading
zu. Heute weiß ich: Weniger ist mehr - weitaus mehr! Die Kunst liegt nicht
Wissen ist Macht I 139
in der Erweiterung, sondern darin, den Mut zu haben, mal was wegzulassen!
Viel traden kann jeder - auf den aussichtsreichsten Trade zu warten, die
wenigsten. Keinen Trade zu machen, das ist mentale Stärke! Unser Verstand
will recht haben, will gewinnen. Der Mensch ist es gewohnt, Probleme lo-
gisch zu lösen, und er schaut, ob nicht vielleicht andere eine Lösung für sein
Trading-Problem haben. In den allermeisten Fällen ist die Lösung aber nicht
im Außen zu fmden, sondern in einem selbst!
Profis handeln sehr oft sehr einfache Handelssysteme. Sie überprüfen regel-
mäßig, wo ihr Trading einiger Korrekturen bedarf - logische wie mentale.
Dann arbeiten sie intensiv an der emotionalen Fähigkeit, um ihr Regelwerk
konstant umzusetzen zu können. Im Laufe der Zeit bekommt ein Profi zu-
nehmend einen siebten Sinn für die richtigen Handlungen. Er kontrolliert
ständig, ob alles in Balance ist, die Handelslogik sowie die Gefühlsebene.
Fremdes Wissen interessiert Profls zwar, aber sie nutzen es nicht, um damit
ständig ihren bestehenden Trading-Stil zu ändern. Warum sollten sie auch
etwas ändern, wenn es funktioniert? Das wäre so, als würden Sie jeden Tag
Ihren Maßanzug zur Änderungsschneiderei geben. Wenn Sie bemerken, dass
die Ärmel zu lang sind, dann sollten Sie die Armlänge einmal kürzen lassen,
aber doch nicht vollkommen neue und völlig andere Ärmel annähen lassen!
Wenn Sie beständig Ihr System nach bessern, dann stimmt etwas an Ihrem System oder an Ihrer
mentalen Herangehensweise nicht! Ungeübte Trader nehmen laufend Änderungen an ihrem
System vor, weil sie hier den Fehler vermuten, auch wenn es objektiv betrachtet, dazu keine Ver-
anlassung gibt. Verständlich, denn der Mensch wird ja vorwiegend von seinem Verstand gesteuert.
Unbewusst wollen wir jedoch unseren Verlustängsten ausweichen. Das macht Sinn, denn Ängste
sind schmerzhaft. Und Schmerz will der Mensch tunliehst vermeiden. So hart es auch klingen
mag, Sie machen sich selbst etwas vor; wenn Sie die Antworten auf Ihre Probleme in immer neu-
en Regelwerken suchen und glauben, das Problem dadurch schnel ler lösen zu können. Allzu oft
liegt die wahre Antwort in Ihnen! Wer sich mit den psychologischen Aspekten des Tradings nicht
beschäftigt, tappt schnell in die Falle, Probleme im Außen lösen zu wollen. H aben Sie deshalb
den Mut, sich immer zuerst zu fragen: »Inwieweit könnte der Grund für dieses Problem in mir
liegen?« Oder: »Was ist der Grund für dieses Problem in mir?«
140 j Vom Typ zum Original - so rraden Sie Ihre Persönlichkeit
Wir werden als Unikate geboren - leider sterben viele als Kopien.
Viele meinen, alle Menschen seien irgendwie gleich. Tatsache ist aber, je-
der ist anders! Zwar mag es zwischen den Persönlichkeiten gewisse Über-
schneidungen geben. Eine absolute Deckungsgleichheit gibt es jedoch nicht.
Jeder macht seine ganz eigenen Erfahrungen und erlebt das Leben auf sei-
ne einzigartige Art und Weise. Talente, Fähigkeiten, Bedürfnisse, Wünsche,
Sehnsüchte, Grenzen - all dies wird geprägt von den Eltern, Geschwistern,
Familienmitgliedern, Freunden, dem Kindergarten, der Schule, dem Beruf,
den Medien, der Gesellschaft. Es reicht schon, innerhalb der Familie an einer
anderen Stelle der Geschwisterordnung geboren worden zu sein, um eine
vollkommen andere Persönlichkeit zu entwickeln.
Diese Unterschiede sind es auch, weshalb Trading nicht für jeden auf gleiche
Weise erlernbar ist. Der eine ist ungeduldig, der andere hat mehr Disziplin, ein
Dritter neigt zu großen Ängsten, ein weiterer ist grenzenlos risikofreudig. Das
ist auch der Grund, weshalb ein Trading-Plan auf die individuelle Persönlich-
keit abgestimmt werden muss. Es reicht in der Regel nicht, den Trading-Stil
eines anderen Traders 1: 1 zu kopieren. Denn dieser Plan ist wie ein Maßanzug
auf die Bedürfnisse und Fähigkeiten dieses Traders zugeschnitten. Das passiert
zum Teil bewusst, größtenteils jedoch unbewusst. Denn die menschliche Seele
ist stets bestrebt, mit ihren Bedürfnissen im Einklang zu leben.
Wer an der Börse erfolgreich werden will, der sollte unbedingt herausfn1den,
was seine Persönlichkeit ausmacht. Dabei hilft eine genaue Selbstanalyse.
Schreiben Sie dafür zunächst eine Selbsteinschätzung auf. Was ist Ihnen
wichtig im Zusammenhang mit Trading? Mögen Sie es eher ruhig bei der Ar-
beit oder bevorzugen Sie es, dass ständig um Sie herum etwas passiert? Kön-
nen Sie schnell entscheiden oder brauchen Sie Raum für Bedenkzeit? Sind
Sie flexibel und spontan oder bedacht und tiefgründig? Anschließend be-
sprechen Sie diese Aufzeichnungen mit einer vertrauten Person. Diese kann
im Anschluss Ihrer Analyse vielleicht noch mit eigenen Wahrnehmungen Ihr
Selbstbild ergänzen. Wichtig sind die Erkundungen zu den Aspekten: Ge-
duld, Risikobereitschaft , Aufnahmefähigkeit, Disziplin, Flexibilität, Sturheit,
Schnelligkeit, Ängstlichkeit. Kreativität, Durchhaltevermögen, Recht-haben-
Wissen ist Macht I 14 I
Ergänzen Sie diese Aspekte gerne um weitere Punkte, die Ihnen wichtig er-
scheinen.
Wer nun schon tradet, bekommt bereits während des Tradings eine Viel-
zahl an Feedbacks. Der Markt spricht beim Handeln ständig zu uns. Dazu
müssen Sie lediglich den Fleiß aufbringen, konstant Ihre Wahrnehmungen
beim Iraden zu notieren und zu analysieren. Wie fühlen Sie sich, wenn Sie
in kleinen Zeiteinheiten traden? Sicher? Ausgeglichen? Freudig? Entspannt?
Leidenschaftlich? Können Sie es gelassen hinnehmen, wenn Sie einige Male
hintereinander binnen Kürze ausgestoppt werden? Beantworten Sie sich sol-
che Fragen ehrlich, um herauszufmden ob das Marktgeschehen Ihnen liegt.
Beobachten Sie an sich, ob Sie beim Iraden immer wieder dieselben Fehler
machen, und fragen Sie sich. weshalb Sie das tun. Gehen Sie so alle wich-
tigen Punkte des Tradings durch und fmden Sie Schritt für Schritt zu dem
Trading-Stil, der zu Ihnen und Ihrer Persönlichkeit passt.
142 I Selbstaggression
Profis handeln nicht bloß ein System, sie handeln durch sich hindurch! Erfolgreiche Trader sagen
immer wieder, dass erfolgreiches Trading langweilig ist. Das liegt vor allem daran, dass Sie nach
Rege ln traden, die ihnen entsprechen.Vergleichen Sie es mit Ihrer Arbeit. Wenn Sie einen Beruf
haben, der Ihren Vorlieben und Talenten entspricht, den Sie selbstbestimmt ausüben können
und der Ihnen leicht von der H and geht. also der Ihnen generell großen Freiraum lässt, dann
empfinden Sie diese Arbeit sicherlich als äußerst wohltuend und angenehm. Schaffen Sie sich
diese Parameter beim Traden und Sie werden den erfolgreichen Börsenhandel als langweilig
erleben - im positiven Sinne.
3.26 Selbstaggression
Jens ist Daytrader und Anfang vierzig, er möchte, dass ich ihm helfe. Er
schafft es einfach nicht, dauerhaft diszipliniert zu sein. Er hat sein Trading-
System getestet und weiß, dass es funktioniert, trotzdem ist er nicht profi-
tabel. Manchmal gelingt es ihm, konstant Geld aus den Märkten zu holen,
doch dann macht er wieder einige ))sehr dumme Irades«, wie er sagt, und alle
Gewinne ))sind wieder futsch« .
Jens: Genau das werde ich dann - ärgerlich . Und je mehr der Markt mich
dann zum Narren macht, desto ärgerliche u·erde ich.
Coach : Wie machen Sie sich ärgerlich. Jens?
Jens: Wie ich das mache? Ind em ich dem Ma rkt was um die Ohren haue!
Coach: Um die Ohren hauen S ie ihm!
Jens: Ja, ich glaube, ich spinn e. Ic h lasse mich doch nicht zig Mal von einem
Idiotenmarkt für dumm verkaufen!
Coach: Das macht wütend.
Jens: Und wie!
Coach: Und wie geht es dann in solchen Situationen mit Ihnen und dem
Markt weiter, Jens?
Jens: Wenn ich dann so ein paar Mal was vom Markt auf die Nase bekommen
habe, dann ist es gut. Dann wehre ich mich und schlage zurück.
Coach: Oh ja, wenn man angegriffen wird, dann sollte man sich wehren!
Jens: Genau, und das mache ich dann.
Coach: Weil Sie wütend sind, so richtig stinkt-sauer!
Jens: Und wie!
Coach: Na klar ... Und wer gewinnt dann den Kampf meistens?
Jens: Ja, ich nicht. Und da wollte ich mal fragen, wie ich den Markt da besser
handhaben kann.
Coach: Den Markt wollen sie besser handhaben lernen? Und an was dachten
sie da so, Jens?
Jens: Ich habe mal ein paar Aufzeichnungen von Trades mitgebracht. Viel-
leicht machen die ja gar keinen Sinn und ich sollte es lieber lassen, damit ich
mich nicht immer so ärgern muss.
Coach: Ich glaube, das Problem liegt nicht in den Trades , also in der Logik
ihres Handelssystems, sondern bei Ihnen.
Jens: Bei mir? Wieso, was kann ich denn dafür, dass der Markt mich immer
verarscht?
Coach: Woher wissen Sie denn, dass der Markt Sie verarscht, Jens?
Jens: Na , sonst würde er mich ja nicht immer rausschmeißen, um mir zu zei-
gen, dass er dann doch in meine Richtung will. Vielleicht betrügen mich ja auch
die Broker. Sahnen kurz mein Geld ab und ab geht"s in die andere Richtung.
Coach: Jens, was genau machen Sie, wenn der Markt Sie einige Male so un-
glücklich ausgestoppt hat?
Jens: Dann werfe ich noch mehr Kohle ins Feuer.
Coach: Soll heißen?
Jens: Ich nehme dann mal die Stopps raus oder nehme einfach bei den nächs-
ten Trades mehr Geld in die Hand. Irgendwie müssen ja die aufgelaufenen
144 I Selbstaggression
Verluste wieder rein kommen. Ich bin ja wohl schlauer als diese Kurven da
auf dem Chart.
Coach: Wo wohnt eigentlich >>dieser Markt11 mit dem Sie immer den Kampf
aufnehmen?
Jens: Wie, wohnen?
Coach: Wenn ich Ihnen so zuhöre, dann klingt es so, als hätte dieser Markt
irgendwo ein Zuhause. Und es hört sichfür mich so an, als wäre dieser Markt
Ihr Nachbar und Sie kriegen sich ständig mit ihm in die Wolle, weil er nicht
das macht, was Sie wollen.
Jens: Naja, wenn man täglich so viel Zeit mit den Märkten verbringt, dann
wird der ja fast zum guten Freund. Ich verbringe ja nicht mal mit meiner Frau
so viel Zeit wie mit den Charts.
Coach: Das stimmt. Aber behandelt man so einen guten Freund? Das klingt
mir mehr nach einem Feind. Ich frage mich die ganze Zeit, wer verarscht da
eigentlich wen: der Markt Sie? Sie den Markt? Oder sie sich selbst?
Jens: Also, ich mich selbst bestimmt nicht, Nein, nein, es ist schon der Markt!
Coach: Also kennt der Markt Sie und macht das alles Ihretwegen so. Rennt
den Chart runter, sagt sich: »So, kurz den Jens ausstoppen, dann wieder
hoch.11 Dann macht der Markt eine Korrektur, stoppt Ihren Trade ein, dann
sagt sich der Markt wieder: »Ah, der Jens ist wieder da - den ärgere ich heute
mal besonders doll - schnell mal ausstoppen.« Dann läuft er wieder in Ihre
gedachte Richtung weiter und sucht Sie und wartet, wo er Sie gleich wieder
verarschen kann. Dann sieht der Markt, dass Sie Ihr Geldrisiko massiv er-
höhen, und sagt sich: »Mensch super, den Jens mache ich heute aber mal so
richtig fertig.(( Zack - ausgestoppt. Sie reagieren darauf, setzen gar keine
Stopps mehr und der Markt denkt sich: »Jens, da musst du schon früher
aufstehen - ich kann auch Minicrashs!11 Zack, Ihr Handelskonto ist dick im
Minus und Sie stellen Ihre Position lieber glatt, weil Sie dem Druck nicht
mehr standhalten können. Ist es so?
Jens: Ja, so ist das. Aber das ist doch der Markt ... !
Coach: Nein, das sind Sie, Jens! Emotional gesehen reagieren Sie völlig über
bei den Geschehnissen des Marktes . Und mit Ihrer Wut über diese Gescheh-
nisse am Markt wollen Sie irgendwohin. Aber was haben wir schon als Kind
gelernt? Wenn uns einer ärgert oder wehtut, dann rennen wir weg oder weh-
ren wir uns, wenn wir können. Und Sie wehren sich bei Ihrem Gegenüber, bei
Ihrem »guten Freund11, dem Markt. Doch letztendlich verletzten Sie natürlich
nicht Ihren guten Freund, den Markt, sondern sich selbst! Den Markt können
Sie gar nicht verletzen Je11s. Tatsache ist, Sie ärgern sich darüber, dass Sie
zig Mal ausgestoppt werden. Der Markt wiederspricht Ihnen, gibt Ihnen ein
Wissen ist Macht I 145
NEIN und noch ein NEIN und noch ein NEIN. Und das macht Sie stinkwü-
tend.
Jens: Genau, stinkwütend!
Coach: Und diese Wut muss ja irgendwohin. Unbewusst wissen Sie, dass Sie
selbst diese Wut verursachen. Und was machen wir Menschen dann? Wir
richten diese Wut gegen uns selbst, weil die Wut ja irgendwohin muss! Wir
bestrafen uns für unsere eigene Dummheit. Das schmerzt uns noch mehr und
wir geraten in eine negative Wutsp irale. Aus der wollen wir uns befreien. Wir
wünschen uns, dass alles wieder so wird, wie es vorher war. Trader nehmen
dann Stopps aus dem System oder erhöhen das Geldrisiko in der Hoffnung
auf Besserung der fatalen Situation. Sie wollen ihr Geld zurück. Wollen, dass
alles wieder so wird, wie zu Beginn der Ausgangssituation. Meistens führt
das nur zu noch größeren Problemen. Aber das ist uns dann fast schon egal.
Wir befinden uns in dem Moment schon im akuten Stressmodus und wollen
nur noch recht haben, raus aus der eigenen Falle, in die wir uns selbst ge-
bracht haben!
Jens: Und der Markt?
Coach: Der Markt ist nicht der Auslöser Ihrer Selbstsabotage. Es ist Ihre
Interpretation des Marktes! Sie behandeln die Märkte die ganze Zeit über
wie einen Menschen. Charts werden zwar von den Emotionen der Käufer und
Verkäufer beeinflusst, aber es ist dumm, zu glauben, dass diese die Absicht
haben könnten, Einfluss auf ihre Order zu nehmen. Da draußen sind in jedem
Moment Hunderte, Tausende von Händlern, die werden nicht wegen ein paar
Euros von Ihnen Jagd auf Sie machen. Stellt man fest, dass die Stopps stets
um wenige Punkte abgefischt werden, dann heißt es das System anzupassen.
Zum Beispiel indem man die Stopporder einige Punkte tiefer setzt. Um das
zu wissen, führt man ja ein Trading-Journal.
Jens: Also bin ich schuld?
Coach: Ich würde es nicht Schuld nennen. Trading ist immer eine Reflexions-
fläche unserer Persönlichkeit und Fähigkeiten. Wir übertragen, meist unbe-
wusst, unsere Emotionen auf die Trading-Plattform. Deshalb sollte man sich
immer die Frage stellen: >>Wie reagiere ich gerade auf das, was im Trading
passiert? Werden die Probleme durch meine Psyche verursacht oder durch
die Parameter meines Handelssystems ?<< Wenn ich überreagiere oder vor Wut
koche, weil ich einige Male unglücklicherweise ausgestoppt wurde, und mich
daraufhin von meinem Trading-Plan abbringen lasse, dann hat es garantiert
mit meiner Psyche zutun!
Jens: Okay, aber was kann ich da tun?
Coach: Wir Menschen sind vor allem dann emotional in einer Situation ver-
146 j Selbstaggression
haftet, wenn wir sie gerade erleben. Entweder weil wir aktiv beteiligt sind
oder weil wir gerade intensiv daran denken. Es gibt in diesem Moment Mil-
lionen Stressauslöser. Aber sie lassen uns alle kalt, weil wir an den Situ-
ationen nicht direkt beteiligt sind. 11 Was ich nicht weiß, macht mich nicht
heiß!11 Die Lösung ist, sich von dem Stressauslöser beim Trading zu trennen,
also bewusst eine Unterbrechung zu verursachen. Hierbei kann ein Trading-
Kontrollzettel große Dienste leisten. Nach jedem Trade wird aufgeschrieben,
ob der Trade dem eigenen Plan entspricht und wie man sich dabei fühlt. Läuft
der Trade nicht nach Plan, muss er sofort glattgestellt werden. Dann folgt
mindestens eine kurze Pause. Das Gehirn braucht sofort einen Unterbrecher-
impuls. »Stopp, bis hierher und nicht weiter!11 So wird vermieden, dass eine
Aggression entsteht, die über das Trading ausgelebt wird. Man sollte dann
etwas anderes tun und am besten den Computer runterfahren. Durch den
zeitlichen Abstand wird die Chance größer, anschließend wieder korrekt nach
Trading-Plan zu handeln. Es ist auch sinnvoll, einige Tage mit dem Trading
auszusetzen.
Jens: Danke, ich denke, ich weiß jetzt, was ich ändern muss!
ergründen und dann mit einer Strategie beheben. Es ist natürlich auch möglich,
den nWillenskraft-Muskel« zu trainieren. Ist dieser stark genug entwickelt, kann
man solchen Wutauslösern gelassen entgegensehen. Ich empfehle Visualisie-
rungen und Entspannungsmethoden einzusetzen, um diese Problematik gezielt
anzusprechen. Denn es tut äußerst gut, eine Gegenkraft parat zu haben, um
sich nicht machtlos zu fühlen, wenn solche emotionalen Tsunamis einen Trader
wegspülen.
Trading macht Spaß. Es bietet viel Abwechslung und birgt zahlreiche Entfal-
tungsmöglichkeiten für unterschiedliche Persönlichkeiten. Bei kaum einem
anderen Betätigungsfeld wird man zwangsläufig so intensiv mit der eigenen
Gefühlswelt konfrontiert.
Wenn über Trading berichtet wird, dann geht es meist um das schnelle große
Geld. Erzählt werden Geschichten von Menschen, die sich ihren Traum erfüll-
ten: vom Trading zu leben. Die Fachzeitschriften und vor allem das Internet
sind voll mit Trading-Informationen zu diesem Thema. Und je mehr man sich
mit dem Thema beschäftigt, desto verlockender werden die Anreize, selbst das
langersehnte Ziel zu erreichen: Freiheit durch fmanzielle Unabhängigkeit.
Doch wie alles im Leben hat auch das Trading seine zwei Seiten - denn wo
Licht ist, da ist auch Schatten! Die dunkelste Zeit in diesem Geschäft ist wohl
spätestens dann erreicht, wenn man feststellen muss, dass man süchtig nach
Trading ist. Und zwar nicht, weil man es so gerne ausübt oder weil es so viele
positive Erlebnisse verursacht, sondern weil man das Trading nicht mehr aus
freiem Willen loslassen kann. Wenn man es nicht als Bereicherung in sei-
nem Leben empfmdet, sondern als drückende Belastung. Dann hat der Trader
nicht mehr das Trading, sondern das Trading hat den Trader fest im Griff.
Wie hoch die Zahl der Betroffenen ist, ist unbekannt. Sicher ist, es gibt sie.
Denn alles, was in unserem Leben einen Reiz ausübt, kann uns süchtig ma-
chen. Und die Suchtkomponenten sind beim Trading enorm. Erfolg und Nie-
derlage stehen gemeinsam auf einer Stufe. Stand man eben noch auf dem
obersten Siegerpodest, so kann es sein, dass man schon im nächsten Augen-
blick wieder zu den Verlierern gehört. Der Börsenhandel ist für viele nicht
selten eine packende Achterbahnfahrt der Gefühle. Es ist deshalb äußerst
148 j Trading und Sucht
wichtig, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Hier sind Trader und
ihre Angehörigen gleichermaßen aufgefordert, die Gefahren zu überprüfen.
Die Gründe für das Entstehen von Trading-Sucht sind unterschiedlich. Letzt-
lich sind es meist Gefühle von Unzufriedenheit und Unzulänglichkeit. Ein
zu geringes Selbstwertgefühl zählt hier ebenso dazu wie der Drang, mit aller
Gewalt recht haben zu wollen. Anhaltender Kapitalverlust kann den Ehrgeiz
nach Erfolg noch mehr anfeuern.
Wer tradet, um sich so von seinen privaten oder beruflichen Problemen di-
stanzieren zu können, der sollte äußerst vorsichtig sein. Eine Überprüfung
seiner Einstellung bei einem psychologisch geschulten Trader-Coach oder
Experten für Suchterkrankungen ist in diesem Fall ein Muss.
Kürzlich meldete sich ein Klient bei mir, der unbedingt erfolgreich traden
wollte. Er bat mich um Hilfe, um sein Ziel schnell zu erreichen. Im Telefon-
Coaching stellte sich heraus, dass er traden musste, wie er glaubte. Da er
arbeitslos wurde, sah er für sich in seinem Alter nur noch die Chance, genug
Geld zu verdienen, darin, zu traden. Die Chance, unter diesem Druck ein er-
folgreicher Trader zu werden, ist aber sehr klein. Sich in die Abhängigkeits-
spirale des Tradings zu begeben allerdings sehr groß.
schneller, als Sie es verdient oder erspart haben. Noch gravierender wird es,
wennjemand Kredite aufnimmt oder anfängt, sich von Menschen aus seinem
Umfeld ständig Geld fürs Trading zu leihen.
Wer an sich bemerkt, dass er nicht mehr auf das Trading verzichten kann,
ständig wissen muss, wo die Kurse von Dax & Co gerade stehen, sollte wach-
sam werden. Das gilt auch für den, der sich vornimmt, nur ein oder zwei
Stunden am Tag zu traden, und am Ende doch wieder zwölf Stunden und
mehr vor den Charts sitzt. Dazu zählt auch das ständige Checken der Kurse
via Smartphone. Generell kann man sagen: Wer nicht mehr ohne den Sucht-
stoff leben kann, der ist süchtig.
Ein Rückzug von Freunden und privaten Aktivitäten können erste Anzei-
chen für eine Abhängigkeit sein. Bei manchen zeigen sich auch Symptome
von Depressionen der Trader wird dann zunehmend einsamer, trauriger und
lustloser - ein Gefühl der Leere breitet sich aus. Trading macht dann schon
längst keinen Spaß mehr, aber man meint, gerade jetzt weitermachen zu
müssen, um nicht als Versager zu enden. Wer an dieser Stelle des Tradings
steht, der hat sich schon verloren.
Drehen sich die Gedanken und Handlungen nur noch ums Trading, dann
kann auch diese Isolation zu selbst herbeigeführter sozialer Ausgrenzung
führen. Andere Suchtkomponenten, wie zum Beispiel übermäßiger Alkohol-
konsum, können dann hinzukommen.
Oft zeigen sich Süchte über Aggressionen. Diese werden dann vielfach über
den Suchtauslöser selbst ausgelebt. Es wird versucht, Gefühle von Angst, Wut,
Trauer, Einsamkeit und Verzweiflung über das Trading zu lösen. Ein Teufels-
kreis. Der Trader verursacht in solchen Situationen unbewusst mithilfe des
Tradings starke Gefühle. Entweder um seinen Ärger abbauen zu können, oder
um sich wieder zu spüren, denn Verzweiflung und Einsamkeit machen dumpf.
Wer abhängig ist, der kann sich kaum noch von seiner Trading-Plattform
lösen und vernachlässigt alsbald wichtige Parameter wie Risiko- und Money-
management, das Setzen von Stopps und vieles mehr.
Wenn die Partnerschaft, der Beruf, die Finanzen oder die allgemeine Lebens-
freude durch die Ausübung des Tradings deutlich leiden oder gar in Gefahr
sind, dann sollte man unbedingt professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. Es
150 I Mentales Trauma
gibt ein einfaches Erkennungsmerkmal bei Sucht - wenn die Handlung selbst
zum Leiden führt.
Um sich vor der Trading-Sucht zu schützen, kann man auf einige Dinge ach-
ten. Es sollte nur mit Geld getradet werden, das nicht zum Erhalt des Lebens-
unterhalts benötigt wird. Das bedeutet aber nicht, dass Sie die Ersparnisse
der letzten Jahre binnen weniger Monate aufs Spiel setzen! Die eingesetzten
Summen dürfen gerade zu Beginn nur sehr sehr klein sein. Wichtig: Gerade
zu Beginn der Trading-Ausbildung geht es nicht um das Geldverdienen, son-
dern um das Erlernen der Grundfähigkeiten!
Es ist wichtig, zu verstehen, dass Trading an sich nichts Negatives ist. Son-
dern wir selbst tragen die Verantwortung dafür, zu prüfen, weshalb wir etwas
in unserem Leben tun und ob es uns schadet. Wer dieses Geschäft gleich von
Anfang an professionell erlernt, der hat gute Chancen, Trading zu nutzen, um
damit sein Vermögen zu mehren oder um hauptberuflich gar als Wertpapier-
händler zu arbeiten.
Typisch in so einer Situation ist die Schockstarre. Dem Trader fällt es schwer,
seinen herkömmlichen Trading-Alltag wieder aufzunehmen. Manche entwi-
ckeln geradezu eine Trading-Angst. Sie sind entweder vollkommen handlungs-
unfähig oder sie überprüfen präzise jede Aktion. Das Einstellen von Orders
entwickelt sich zu einer übergroßen Anstrengung, begleitet von starken Ängs-
ten. Es kommt dann zu Überreaktionen: Das Trading-Konto wird geschlossen,
alle Bücher werden weggeworfen oder verkauft. Das gesamte Trading-Geschäft
wird aufgelöst und beendet. Strikt vermeiden sie alles, was sie an das schlimme
Geschehen erinnern könnte. Dies kann sogar dazu führen, dass sie sich von der
Außenwelt abkapseln und ihr Gefühlsleben völlig ausschalten.
Wie gut ein Trauma verarbeitet wird, hängt von den eigenen körperlich-
seelischen Ressourcen und der Art des Traumas ab.
Besonders wenn das Trauma noch nicht lange zurückliegt, können Metho-
den, die den Stress reduzieren, dazu verhelfen, wieder Zugang zu seinem
seelischem Ausgleich zu fmden . Gut eignen sich regelmäßige Entspannungs-
und Atemübungen.
Das Trauma kann ohne therapeutische Hilfe nur schwer verarbeitet werden,
da die erlebten Gefühle und Sinneseindrücke in der Mandelkernregion des
Gehirns abgespeichert werden. Die Amygdala befindet sich im Zentrum des
Gehirns. Sie besitzt eine direkte Verbindung zu unserem Ursprungsgehirn,
dem sogenannten Reptiliengehim, das der älteste Teil des menschlichen Ge-
hirns ist und selbstaktiv arbeitet. Es gibt aber noch eine Verbindung zu un-
serem emotionalen Zentrum, dem limbisehen System und dem Cortex, also
dem modernen Gehirn, das unseren Verstand steuert. Die Amygdala spielt
eine entscheidende Rolle bei den zentralen Überlebensmechanismen. Sie
analysiertjede Situation, mit der wir konfrontiert werden, und beurteilt diese
als gefährlich oder harmlos. Sie wird deshalb auch das Angst- und Panik-
zentrum des Gehirns genannt. Die anhaltende Übererregung verhindert, dass
das Erlebte in übergeordneten Hirnstrukturen weiterverarbeitet, bewertet und
152 I Das innere Kind
Warum es wirkt, ist noch nicht endgültig geklärt. Dass es wirkt, ist hin-
reichend bewiesen. Selbst Bundeswehr-Krankenhäuser arbeiten mit diesen
anerkannten Methoden, um traumatisierten Soldaten aus Krisengebieten zu
helfen. Auch ich arbeite in meiner Praxis mit diesem Verfahren und kann von
sehr guten Erfolgen berichten.
Viele unserer Denk- und Verhaltensweisen stammen aus der Kindheit. Diese
sehr prägende Zeit beeinflusst unser gesamtes Leben. Einige Grundthemen
zeigen sich auch im späteren Erwachsenenalter immer wieder. Das können
Gefühle von Ablehnung und Leere sein, sich nicht zugehörig oder angenom-
men fühlen, oder ein starkes Bedürfnis nach Sicherheit.
Kinder sehnen sich nach bedingungsloser Liebe. Sie möchten erleben, dass
sie etwas können, etwas wert sind und selbstständig ihren Weg gehen dürfen.
Immer in dem Wissen, dass ihnen der Halt und die Unterstützung von Vater
und Mutter sicher sind.
Die meisten von uns erlebten häufig etwas anders. Das kann zu Verunsiche-
rung, Selbstzweifel und einem mangelndem Selbstwertgefühl führen.
geprägt und mutet wenig erwachsen und reflektiert an. Das zeigt sich zum
Beispiel an der Körpersprache. Wer sich kindlich verhält, das beobachtet man
immer wieder, der zieht sich meistens in sich zurück, sitzt zusammenge-
sunken, verhält sich ))bockig« und macht andere Umstände für die eigenen
Gefühle verantwortlich.
Beim Trading kann es enorm hilfreich sein, seine Gefühle und Handlungen
auf kindliches Verhalten hin zu überprüfen. Denn gerade das verletzte ))in-
nere Kind« ist für viele Trading-Probleme zuständig bzw. der Auslöser dieser
Probleme. In der Psychologie spricht man in solchen Situationen von einem
))Irrtum in der Zeit«. Zwar agiert der Erwachsene autark, gesteuert wird er
jedoch von Gefühlen des inneren verletzten Kindes.
Ist die Antwort gefunden, kann man sich fragen: nWas braucht mein inneres
Kind um das Gefühl nicht immer wieder empfmden zu müssen?(( Dann sucht
man nach Lösungen, wie man sein kindliches Gefühl beim Trading zur Gel-
tung bringen kann. Entsteht etwa ein Wutgefühl, weil man sich ständig vom
Markt aufgrund von Minus-Irades abgelehnt fühlt (nDu darfst nicht mitspie-
len((), dann kann man sich zunächst einmal bewusst machen, dass hier kei-
ne selbst gemeinte Ablehnung stattfmdet, sondern eine fremdgesteuerte. Und
man selbst wird nicht persönlich abgelehnt, sondern es hat etwas beim Trading
nicht funktioniert, weil der Zufall anders entschieden hat. Ziel solcher Übun-
gen ist, seine Verhaltensmuster zu durchschauen und dem verletzten ))inneren
Kind(( gegenüber eine realistische, verstehende und tröstende Haltung einzu-
nehmen. Im nächsten Schritt übernimmt der Erwachsene die Verantwortung
für die kindlich-verletzende Situation und löst das Problem nun als Erwachse-
ner. Als Kind war man nicht in der Lage, sich gegen den Einfluss und die Ab-
hängigkeit von anderen zur Wehr zu setzen. Als erwachsener Mensch ist man
aber sehr wohl in der Lage und hat die Möglichkeit, die Verantwortung für
sich, sein Handeln und seine Gefühle zu übernehmen. Indem man sich diese
Tatsache bewusst macht, kann man das Problem nun realitätsnah sehen: ))Ich
bin mir bewusst, dass mich Abweisung verletzt. Aber dieser Minus-Irade hat
154 lieh, der Minus-Trade
nichts mit meinen Abweisungen in der Kindheit zu tun. Es geht um das Tra-
ding hier und heute. Und Minus-Irades bedeuten nicht Abweisung, sondern
sind Teil dieses Geschäftes!«
Wer die Geschehnisse beim Irading persönlich nimmt, der bringt sich zwangs-
läufig unnötig in Unruhe. Disziplinlosigkeit ist meist die Folge, Unsicherheit
und Kapitalverlust das Resultat. Ausgestoppt zu werden ist kein Angriff des
Marktes auf den Trader, sondern eine natürliche Zufälligkeit des Börsenge-
schehens. Und sie nur als solche zu betrachten muss man lernen.
Der Mensch tendiert dazu, Leistung als etwas Persönliches zu werten. Was
wir selbst geschaffen haben, kommt aus uns selbst und bestätigt gleichzeitig
unser Selbst. Wir befmden uns somit in einem unaufhörlichen Wechselspiel
zwischen werten und bewertet zu werden_ Handelt man einen Irade erfolg-
reich, dann erzeugt das positive Gefühle, da man die Situation vielleicht
richtig eingeschätzt hat oder genügend Mut hatte, diszipliniert seinem Plan
zu folgen. Letztlich hatte man Glück, der Irade hätte auch ganz anders aus-
gehen können. Wäre der Irade ausgestoppt worden, dann hätte man sich
womöglich geärgert oder es sogar persönlich genommen.
Gerade ungeübten Iradern passiert das immer wieder. Sie meinen, ihre Er-
folge beim Trading beruhten auf ihren Fähigkeiten, und vergessen dabei die
Spielregeln des Tradings. Und die wohl wichtigste Spielregel beim Irading
ist: Verluste gehören dazu!
Wer sich emotional an einen Irade bindet, der sieht sich als Irade ())Ich wurde
ausgestoppt«). Wer emotional frei von einem Irade ist, der verwaltet ihn bloß
(>>Mein Irade wurde ausgestoppt«).
Die Verbindung von ICH und ES lernen wir schon sehr früh in der Kindheit.
Auch heutzutage erlebt man ständig Eltern, die ihre Kinder mit ))Du-Bot-
schaften« bestrafen: ))Marcel, du bist so dumm!« ))Maike, du kannst aber auch
gar nichts!« Ein Kind fühlt sich durch solche Aussagen als ganzes Wesen
abgelehnt. Hört das Kind solche Du-Botschaften öfter, schleift sich mit der
Wissen ist Macht I 155
Zeit im Unterbewusstsein die Information ein »Ich bin dumm« oder »Ich kann
nichts«. Natürlich ist das Kind nicht als cranze Persönlichkeit dumm oder un-
fähig, sondern es hat sich nur in diesem einen Moment ungeschickt verhal-
ten. Ich habe immer wieder Klienten in meiner Praxis, die sich durch solche
Glaubenssätze in ihrer Persönlichkeit mitunter stark eingeschränkt fühlen.
Wer als Kind immer wieder zu hören bekommt, dass er als ganzer Mensch
abgelehnt wird, der kann als späterer Erwachsener schlecht mit der kleinsten
Kritik umgehen, weil er die Kritik unbewusst als komplette Ablehnung seiner
Person auffasst. Beim Trading passiert in so einem Moment das Gleiche. Ein
Irade ist dann kaum noch ein fachspezifisches NEIN des Marktes, sondern
fortan eine Ablehnung der ganzen Person. Dass das für unterschiedlich starke
Emotionen und Folgen sorgen kann, können Sie sich vorstellen. Da kann ein
kleiner Minus-Irade schnell eine ganze Lawine von Wut, Verzweiflung, Ärger
und Angst auslösen. Der Trader handelt dann nicht mehr seinen Irade, son-
dern seine Emotionen! Es geht ihm nicht mehr darum, den aktuellen Irade
sinnvoll zu handhaben, sondern seine Existenzberechtigung zu verteidigen.
Es ist äußerst wichtig, frei von solchen Verstrickungen zu sein, ansonsten wird
es nur schwer möglich sein, gelassen zu traden. Prof1s trainieren sich die-
sen Gleichklang von Gewinn und Verlust für das Trading an. Ob sie gerade
500 Euro gewonnen oder verloren haben, merkt man ihnen nicht an. Sie kon-
zentrieren sich auf ihren Handelsplan. Sie wissen, dass Irades ausgestoppt
werden. Das Resultat eines Irades hat für sie keine Bedeutung. Sie wissen:
Nicht der einzelne Irade, sondern die Summe aller Irades machen den Gewinn.
Wer Trading-Resultate zu persönlich nimmt, der kann sehr effektiv daran mit
einem kalkulierten Geldrisiko arbeiten. Man sollte dazu die Positionsgröße so
klein halten, dass der Verlust unbedeutend ist. Zwar fällt der Gewinn dann
auch nicht groß aus, aber darauf kommt es im Moment bei dem Training nicht
an. Jetzt ist es für den Trader erst einmal wichtig, zu verstehen, dass Verluste
zum Trading gehören und nichts mit seinen Fähigkeiten als Mensch zu tun
haben. Er muss lernen, dass der Irade nicht er selbst ist, sondern dass er einen
Irade verwaltet und dieser auch zu einem Geldverlust führen kann . Was also
nichts mit ihm als Mensch zu tun hat, sondern was von der Zufälligkeit des
Marktverlaufs bestimmt wird. Um bestimmte Trading-Stategien emotional ge-
lassener einzuüben, können Sie einen einfachen Trick anwenden: Stellen Sie
sich vor, Sie besuchen ein Fachseminar. Das kostet Sie 2000 Euro. Mit diesem
Geld haben Sie die Möglichkeit, ein spezielles Verhalten einzuüben, das Sie
gerne beherrschen möchten. Sie teilen die Summe auf 100 Irades auf und
156 l ieh, der Minus-Trade
riskieren nun pro Irade 20 Euro. Jetzt setzen Sie jeden Irade wie erwünscht
um, immer in dem Wissen, dass die 20 Euro der Preis dafür sind. Sie werden
schnell beobachten können, wie viel gelassener Sie an Ihr Trading herangehen
werden. Und bitte: Machen Sie präzise Aufzeichnungen von diesen Irades,
damit Sie Ihr Verhalten kontrollieren können.
Wenn Sie im kurzfristigen Bereich traden und viele Male ausgestoppt wer-
den, aber bemerken, dass es Sie mental zu sehr fordert, dann ist es hilfreich,
zunächst die Trading-Frequenz zu reduzieren. Mehr als ein bis zwei I rades
sollten pro Tag nicht eingegangen werden, bis Sie eine deutliche Verbesse-
rung der Situation spüren. Um den Angstdruck weiter zu mindern, können
Sie zusätzlich das Geldrisiko reduzieren. Verläuft das Trading wieder posi-
tiver, können Sie sich langsam wieder steigern. Überprüfen Sie aber bitte
weiterhin Ihr Befmden während des Tradings.
Gewöhnen Sie sich als Trader sehr früh an, Verluste nicht persönlich zu nehmen. Da draußen
wartet niemand auf Sie, um Ihnen etwas heimzuzahlen oder Ihnen eine Falle zu stellen, auch
wenn es manchmal so scheint. Sie werden feststellen, die Chancenverteilung liegt auch hier bei
50:50. Fangen Sie nicht an, mit dem Markt zu kämpfen. Er ist weder ein Feind noch ein Compu-
terspiel, bei dem es darum geht, dass einer als Sieger hervorgeht. Je eher Sie begreifen, dass der
Zufall beim Traden mal für und mal gegen Sie auftaucht, desto schneller werden Sie eine gesunde
Gelassenheit entwickeln, die Ihren Handel r uhiger werden lässt.
4. Grundwissen Behavioral Finance
Die Finanzpsychologie ist ein relativ junges Teilgebiet der Psychologie. Sie
erforscht, wie sich Menschen im Umgang mit Geld oder geldnahen Produk-
ten verhalten und diese erleben. Im Mittelpunkt dieser Wissenschaft stehen
vor allem die Wahrnehmung und Verarbeitung von Informationen, die mit
Finanzprodukten zusammenhängen.
Behavioral Finance geht davon aus, dass Anleger vor allem aufgrund von
unbewussten Verhaltensweisen unlogisch agieren. So lautet ein bekannter
Lehrsatz: ))Wer schlauer sein will als der Markt, hat schon verloren. Wem sein
irrationales Verhalten bewusst ist, der hat eine Chance.«
Der Mensch hat den Drang, mithilfe seines Wissens die Geschehnisse zu kon-
trollieren. Am spekulativen Kapitalmarkt ist genau das aber nicht möglich.
Der Verlauf von Börsenkursen ist unkontrollierbar. Das Einzige, was der An-
leger lernen kann zu beherrschen, ist sein Denken, vorausgesetzt, dass er ak-
tiv daran arbeitet. Da der Trader aber auch hier den schnellen Weg bevorzugt,
ist er oft nicht bereit, den langen Weg der eigenen Persönlichkeitsentwick-
lung zu beschreiten. Diese benötigt in der Regel viel Zeit, meist viele Monate,
eher Jahre. Eindeutig ist jedoch, dass der wesentliche Grund für Erfolg beim
Börsenhandel auf der mentalen Seite zu fmden ist.
1. Kognitive Dissonanz
2. Framing-Effekt
3. Sunk-Cost-Effekt
4. Heuristiken
5. Dispositionseffekt
Ein Trader möchte eine Aktie eines bestimmten Sektors kaufen. Nach seiner
Recherche fällt er eine Entscheidung zum Kauf eines bestimmten Wertpa-
piers. Kurz drauf dreht der Kurs dieser Aktie und verliert deutlich an Wert.
Die ebenfalls in Betracht gezogenen Aktien aus dem gleichen Sektor steigen
stark. Der Trader ärgert sich und entwickelt Reuegefühle. In ihm entsteht ein
innerer Konflikt (kognitive Dissonanz). Er fragt sich, wie er die eingegangene
Position noch retten könnte, sodass er trotzdem mit einem positiven Ergeb-
nis abschließt. Der Trader tendiert in diesem inneren Konflikt meistens dazu,
gute Gründe zu fmden, weshalb er an seiner Entscheidung festhalten will.
Alle neuen Informationen, die zu seinem Entschluss in Widerspruch stehen,
werden erst einmal von ihm ignoriert.
Diese Konfliktsituation wird als unangenehme Spannung erlebt und übt auf
den Trader Druck aus, diesen zu beseitigen oder zu reduzieren. Erst wenn der
innere Druck zu stark wird, weil die Verluste einer eingegangenen Position zu
groß werden, lässt er von seinen Überzeugungen ab und löst sich von seiner
inneren Anspannung, indem er die Position verkauft.
Um sich vor den Folgen der kognitiven Dissonanz zu schützen, sollte der
Trader einen strukturierten Handelsplan ausarbeiten und diesen diszipliniert
umsetzen. Wichtig ist zudem, das Geldrisiko so gering wie nötig zu hal-
ten . Sinnvoll wäre, etwa 0,5 bis maximal 2 Prozent seines Trading-Kontos
pro Trade zu riskieren. Entscheidend ist, wie entspannt sich der Trader mit
dem eingegangenen Geldrisiko fühlt. Da niemand den Verlauf einer Positi-
on vorhersagen kann, sollte man entsprechend seinem Regelwerk aus dem
Basiswert aussteigen, wenn sich ein Kurs anders entwickelt als geplant. Die
nächste Chance bietet vielleicht bessere Möglichkeiten.
4.2 Framing-Effekt
Wenn Menschen eine Entscheidung treffen, dann setzen sie diese in einen
Bezugsrahmen und überprüfen ihre Einschätzung auf Gewinn oder Verlust.
Das erkannten die beiden Nobelpreisträger Tversky und Kahneman (2000)
und nannten es ))Framing-Effektt<.
Vereinfacht ausgedrückt bedeutet der Framing-Effekt: ))Worauf schaue ich?ii
Zahlreiche Studien beweisen, dass Menschen auf ein und dieselbe Sachlage
160 I Sunk-Cost-Effekt
Ein Beispiel: Im Fall A sagte man den Probanden, dass sie 20 Euro behalten
dürfen. Im Fall B sagte man den Probanden, dass sie 30 Euro verlieren wer-
den. Der Ausgangswert sind 50 Euro. Das Wert bleibt bei beiden gleich, beide
Gruppen dürfen 20 Euro behalten, aber die Bewertung der Situation im Fall
A ist positiver.
Ein weiteres Beispiel: Einen Gewinn in Höhe von 10 Euro auf 20 Euro
(100 Prozent) empfmdet der Mensch in der Regel wertvoller als den Gewinn
von 1000 Euro auf 1010 Euro. Absolut betrachtet beträgt der Unterschied
jeweils 10 Euro.
Beim Lotteriespiel zeigt sich, dass Menschen einen sicheren Gewinn von bei-
spielsweise 500 Euro vorziehen, statt sich dem Risiko auszusetzen, mit einer
Wahrscheinlichkeit von 50 Prozent 1000 Euro zu gewinnen oder eventuell
leer auszugehen. Das ist auch ein Grund, weshalb Trader so schwer Gewinne
laufen lassen können: Sie entscheiden sich eher für die sofortige und sichere
Gewinnmitnahme, als die Chance auf noch höhere Profite zu nutzen.
4.3 Sunk-Cost-Effekt
Ins Deutsche übersetzt heißt sunk cost wersunkene Kosten«. Es sind Kosten,
die bereits in der Vergangenheit entstanden sind und die bei der aktuellen
Bewertung keine Rolle mehr spielen.
Grundwissen Behavioral Finance I 161
Dazu ein Beispiel: Ein Trader kauft Aktien zum Stückpreis von 100 Euro.
Kurze Zeit später beträgt der Wert des Investments nur noch 75 Euro pro
Stück. Niemand kann vorhersagen, ob diese Aktien jemals wieder den Ein-
stiegspreis erreichen werden. Viele Anleger sind jedoch bereit, in dieser Si-
tuation die billigen Aktien nachzukaufen. Sie werfen also gutes Geld einer
vielleicht schlechten Investition hinterher und ))versenken« damit weiteres
Geld.
Hierzu zählt auch das Festhalten an Börsenwerten, die sich bereits im Verlust
befmden. Statt die Assets mit einem kleinen Minus auf dem Konto zu verkau-
fen, halten die Trader an ihren Positionen fest und hoffen, dass sich der Kurs
erholt und möglichst wieder den Einstiegspreis erreicht. Das führt allerdings
meist zu noch größeren Verlusten, wie zuvor unter ))Kognitive Dissonanz((
beschrieben.
4.4 Heuristiken
Nur weil etwas bekannter ist, muss es nicht zwangsläufig besser sein. Das zei-
gen immer wieder zahlreiche Investments in heimatnahe Aktien. Vergleich-
bare, aber unbekannte Unternehmen aus dem Ausland können wesentlich
renditestärker sein. Doch auch hier bewirkt der Bekanntheitsgrad von heimi-
schen Unternehmen beim Trader ein Gefühl von Vertrauen und Sicherheit.
Weshalb Aktien des eigenen Landes immer wieder bevorzugt werden.
Präsenz eines Thema in den Medien bewirkt so beim Trader Interesse, das zu
entsprechenden Handlungen führen kann, die letztendlich marktbewegend
sind.
4.5 Dispositionseffekt
In der Praxis bewirkt der Dispositionseffekt also, dass Gewinne viel zu früh
und Verluste viel zu spät realisiert werden. Dieses Verhalten wird bei Tradem
und Anlegern immer wieder beobachtet, obwohl es der goldenen Börsenregel
widerspricht: »Gewinne sinnvolllaufen lassen und Verluste klug begrenzen.«
Man muss kein Finanzexperte sein, um zu erkennen, dass dies genau das
Gegenteil dessen ist, was die meisten tatsächlich tun.
Bekannt ist die I-Prozent-Regel. Demnach sollte ein Trader nicht mehr als
1 Prozent seines gesamten Handelskontos pro Irade riskieren. Anfangern wird
sogar zu 0,5-Prozent-Risiko geraten. Bei einer Kontogröße von 5000 Euro läge
der Risikobetrag dann bei 25 Euro pro Irade. Es kann vorkommen, dass man
mit einem kleinen Handelskonto keine sinnvollen Stopps platzieren kann. Wer
etwa mit 1000 Euro Kapital den Dax im Ein-Stunden-Chart tradet, dessen Risi-
ko dürfte klugerweise pro Irade bei maximal nur 1 Prozent des Kontos liegen,
also 10 Euro. Nimmt man ein CFD-Kontrakt mit der Wertigkeit 1 Dax-Punkt
gleich 1 Euro, so hat der Irade eine Stoppgröße von 10 Dax-Punkten. Kalkuliert
Grundwissen Behavioral Finance I 165
man realistischerweise die Kursdifferenzen (Spreads) mit ein, die beim An- und
Verkauf immer entstehen, dann wären die Stopps noch kleiner. Unter diesen
Voraussetzungen wird man in dieser Zeiteinheit vermutlich nur sehr wenige
geeignete Irades fmden. Die Folge ist, dass der Trader nun unlogische Stopps
setzen wird, was zu einem unsauberen Handel führt, oder er sich gezwungen
sieht, in eine kleinere Zeiteinheit zu wechseln. Dort wird er zwangsläufig einen
volatilaren Markt traden, der vielleicht gar nicht seiner Persönlichkeit entspricht.
Aus der Not heraus fmdet sich der Anfänger auf einmal in der Königsklasse des
Tradings wieder - dem Scalp-Trading. Solche extremen Märkte beherrschen nur
sehr erfahrene Trader, da sie mit sehr hohen emotionalen Belastungen verbun-
den sind. Die Wahrscheinlichkeit, ausgestoppt zu werden, ist in dynamischen,
sprunghaften Märkten durch die Häufigkeit der Signalgebung enorm hoch. Der
Trader muss sich also entscheiden: Entweder stockt er sein Konto auf, um lang-
samere Märkte und somit höhere Zeiteinheiten zu traden, oder er muss an seiner
mentalen Stärke arbeiten. Denn nicht jeder erträgt es, in kurzen Zeitabständen
viele Male ausgestoppt zu werden, was in Tick- und Minuten-Charts völlig nor-
mal ist. Es gäbe natürlich auch die Möglichkeit, sich dergestalt zu disziplinieren,
dass man in schnellen Märkten nur einen oder zwei Irades am Tag macht. Aber
die Disziplin bringen nur wenige ungeübte Trader auf. Der für Anfänger eher
ruhigere Trendhandel ist unter diesen Voraussetzungen kaum möglich.
Aus psychologischer Sicht sollte man die Wirkung eines falschen Handels-
stils nicht unterschätzen. Wenn ein Trading-Anfänger wegen eines zu klei-
nen Kontos nur allzu oft mit unrealistischem Geldrisiko und Stopps tradet,
dann prägt sich dies im Gehirn ein. Gerade im Zusammenhang mit starken
emotionalen Reizen entstehen im Gehirn stabile neuronale Verknüpfungen,
die zur Folge haben können, dass solche Trading-Aktivitäten sich zu unbe-
wussten Routinen entwickeln. Es ist dann sehr schwer, sich diese Verhaltens-
weise wieder abzugewöhnen. Wesentlich sinnvoller ist es, sich von Anfang
an ein richtiges Trading-Verhalten anzugewöhnen. Dazu benötigt man aber
das Wissen, um zu entscheiden, welcher Handelsstil zur Persönlichkeit und
zur Kontogröße passt.
Ein weiterer Nachteil von kleinen Konten sind die zu erwartenden kleinen
Gewinne. Anfänger neigen dazu, Gewinne aus Angst vor Verlusten schnell
zu realisieren. Gleichzeitig sind ihnen diese kleinen Gewinne zu unbedeu-
tend. Das zu erreichende Ziel scheint so zur Qual zu werden, Hoffnungslo-
sigkeit breitet sich aus. Während des Handels begleiten sie Gedanken wie:
>Non solchen Minigewinnen bezahle ich ja gerade mal mein Mittagessen.((
166 I Emotionale Trading-fallen
))Wie lange soll ich denn noch warten, bis ichjemals vernünftig Geld an der
Börse verdiene? Ich will doch auch mal mit einem großen Konto traden!«
Das Ziel, mit dem Trading baldmöglichst passable Gewinne zu erzielen,
scheint bei diesen geringen Kontobewegungen unerreichbar_ Aus der Not
heraus sind sie bereit, ihre Risiken enorm zu erhöhen. Sie übernehmen als
Trader oft das gewohnte Anlageverhalten des Kleinsparers und investie-
ren den ganzen Anlagebetrag für eine Position und verzichten auf einen
Stopp-Loss. Das kann beim Trading schnell zu fatalen Folgen führen, da
die zu groß gewählten Beträge nach wenigen Minus-Irades das gesamte
Konto auslöschen können. Professionelles Trading ist so unmöglich. Die
großen Kontoschwankungen führen unweigerlich zu starken emotionalen
Belastungen und veranlassen den Trader zu weiteren unklugen Trading-
Entscheidungen. Statt konsequent einem ausgearbeiteten Handelsplan zu
folgen, werden vorwiegend Irades aus Angst eingegangen. Diese werden
dann von Gedanken begleitet wie: ))Ich will mein Geld wiederhaben!« >>Alles
oder Nichts!(( ))Dem Markt zeige ich es jetzt aber!(( ))Ich will auch mal einen
großen Gewinn!(( ))Das muss doch jetzt mal klappen!((
kann ich sagen: Ich war dabei! Aber leider in die falsche Richtung. Recht
behalten hätte ich übrigens am nächsten Tag, als der Markt komplett die
Gewinne des Vortages wieder abgab und sogar noch weit mehr verlor.
Meine Position wäre gut im Plus gewesen. Aber ich war am Abend zuvor
am Höhepunkt der Monsterbewegung aus nackter Verzweiflung und aus
Angst, noch mehr Geld zu verlieren, aus dem Trade ausgestiegen. Es war
der bisher teuerste Trade meines Lebens!
Eines hat mich dieser Tag aber unwiderruflich gelehrt: Recht zu haben kann
man an der Börse nicht erzwingen und man sollte immer und zu jedem Zeit-
punkt mit allem rechnen!
Beim Traden werden wir ständig von unserem Verstand beschäftigt. Gerade
Anfänger interpretieren jede noch so kleine Kursbewegung bis ins Detail
und versuchen, sie in einen Zusammenhang zum aktuellen Kursgeschehen zu
stellen. Dahinter verbirgt sich - richtig! - der Wunsch nach Sicherheit. Der
Trading-Anfänger hofft, eine Logik zu erkennen, die ihm dabei helfen könn-
te einen gewinnbringenden Trade einzugehen. Manchmal ist das möglich,
meistens nicht. Die zufälligen Ergebnisse der Analysen lassen so manchen
Trader schier verzweifeln. Denn der Markt scheint immer genau das Gegen-
teil von dem zu unternehmen, was der Trader denkt, hofft oder glaubt. Wo-
durch entsteht das? Zum einen ist es die Unkenntnis über die Marktverläufe,
zum anderen ein natürlicher Mechanismus des Teils unseres Gehirns, der für
das Denken zuständig ist - der Verstand.
Was wir denken, das glauben wir zu sein. Das Ego kreiert ununterbrochen
unsere Realität. Kein Wunder also, dass wir als Trader ständig davon über-
zeugt sind, dass die Kursverläufe von Wertpapieren vorhersagbar seien. Wir
sind gerade zu Beginn der Lernphase felsenfest davon überzeugt, dass nur
die Logik hinter diesen Kursverläufen zu verstehen sei. Profis, so meinen die
Anfänger, können das. Doch das ist ein großer Irrtum. Börsenkurse können
ebenso wenig vorhergesagt werden wie die Lottozahlen. Aber Ihr Verstand
lässt Sie das unermüdlich glauben. Das ist sein Job. Und er macht ihn gut.
168 I Emotionale Trading-Fallen
Hätten Sie so viel Hartnäckigkeit wie Ihr Verstand, verfügten Sie binnen ei-
nes Tages über so viel Disziplin wie ein erfahrener Profi-Trader.
Sicherheit und Kontrolle sind nun mal die größten Bedürfnisse des Men-
schen_ Das Ego will die Welt, in der es lebt, verstehen. Deshalb versuchen
auch die meisten Trader, ihre Probleme im Börsenhandel mit logischem Den-
ken zu lösen. In einigen Bereichen des Tradings mag es funktionieren und ist
auch die geeignete Herangehensweise. Es ist natürlich sinnvoll, seinen Ver-
stand einzusetzen, um wiederkehrende Kursmuster zu entdecken und darauf
ein profitables Regelwerk aufzubauen. Auch Money- und Risikomanagement
basieren auf Logik und sind extrem nützlich, um ein erfolgreicher Händler
zu werden. Dazu zählen auch die Berechnungen von Stopps und des Chance-
Risiko-Verhältnisses. Also der Teil beim Trading, mit dem Sie erkennen kön-
nen, wie groß das Verhältnis von Gewinn zu Verlust ist.
Instanz von seinem Verstand! Auch wenn Ihr Verstand versucht, Ihnen das
Gegenteil 24 Stunden am Tag einzureden. Es ist so, als würden Sie am Meer
stehen und vor sich das viele Wasser und den Himmel sehen. Und nun mit
Ihren Händen das Wasser in die Luft werfen in der Hoffnung, dass es sich
mit der Luft vermischt. Es sind zwei getrennte Elemente, die einen eigenen
Weg benötigen, um sich miteinander zu verbinden. Beim Wasser ist es der
Verdunstungsprozess. Beim Trading die Selbsterkenntnis mit schrittweiser
Veränderung der Verhaltensweisen. Wir müssen erst unsere unbewussten
Verhaltensweisen erkennen und verstehen lernen, um unseren Verstand
dazu zu benutzen, das richtige Verhalten einzuüben.
Zu vermuten, wohin ein Aktienkurs geht, zu hoffen, dass ein Markt sich erho-
len wird, überzeugt zu sein, dass ein Wert wieder steigen muss, zu spekulieren,
weshalb eine Währung nicht weiter fallen oder steigen kann, dass alles sind
nachvollziehbare Gedanken unseres Verstandes, aber kein hilfreiches Instru-
mentariumm um im Trading dauerhaft erfolgreich zu werden. Profis wissen :
Je weniger man beim Trading seinem Wunschdenken folgt, desto profitabler
wird man.
Nur der Einsatz eines festen Regelwerkes, das uns von den dauernden Mut-
maßungen und Interpretationen zum weiteren Geschehen der Märkte befreit,
bietet einen stabilen Ausgleich zum gedankengetriebenen Handeln. Pron-
Trader warten auf ihre Einstiegssignale, sie traden Tatsachen mit kleinem
Risiko, keine Vermutungen.
170 j Emotionale Trading-Fallen
Falle 3: Vergleichen
Wer sich mit anderen vergleicht, vergisst, dass Trading ein individueller Pro-
zess ist Der Mensch neigt immerfort dazu, insbesondere jene Anteile, die er
an sich selber nicht mag, mit anderen zu vergleichen. Daher schneidet er na-
türlich schlechter ab. So wird ein Vorbild zum falschen Motivator. Das führt
allzu oft in eine Frustspirale und raubt positive Energien.
Trading ist ein anonymes Geschäft. Keiner kennt den anderen. Vorhaltungen
wegen Fehlverhalten gibt es nicht, keinen Einzigen, der einen kritisiert, nie-
manden, der sich über die Leistungen beschwert oder mehr fordert. Gerade
diese Bedingungen machen diesen Beruf so attraktiv. Und doch taucht immer
wieder ein böser Kritiker auf- derjenige in uns!
Je unerfahrener der Trader ist, desto häuf1ger vergleicht er sich mit anderen.
Wer macht eine stabile Performance? Wer hat das bessere System? Wer macht
beständigere Gewinne? Wer hat den kleinsten Draw-down? Wer die größere
Rendite? Wer macht weniger Verluste? Wer wendet die technische Analyse prä-
ziser an? Wer hat die letzte große Bewegung oder gar den Crash besser voraus-
gesehen? Wer sieht perfektere Einstiege?
Anfänger vergleichen sich ständig mit Prof1s und vergessen dabei vollkom-
men, wie sinnlos das ist Schließlich brauchte es viele Jahre, um so routi-
niert zu handeln. Und diese Händler haben hart an ihrer mentalen Stärke
gearbeitet, um ihr Handelssystem konstant umsetzen zu können. Sich als
ungeübter Trader mit Prof1s zu vergleichen ist, als würde ich am Computer
Formel-l-Videospiele spielen und mich fragen, warum ich eigentlich nicht in
Monaco auch Formel-1-Rennerfahrer bin.
Aktien zu irgendeinem Zeitpunkt zu kaufen und zu hoffen, dass man ganz oben
aussteigt. Wo, bitte schön, ist da ein duplizierbares System? Aber solch journa-
listischer Unsinn kann dazu führen , dass Trader in die Vergleichsfalle tappen
und sich sagen: ))Siehste, andere haben wieder fett abgesahnt. Und ich?«
Die Straße des Vergleichens führt immer in eine Sackgasse. Wieso will man
sich mit einem anderen messen? Beim Trading kommt es vor allem darauf
an, seinen persönlichen Handelsstil zu finden . Dieser ist immer geprägt von
den individuellen Anlagen und Fähigkeiten. Oberstes Gebot beim Trading
ist, sich gut zu fühlen, der Handel muss leicht von der Hand gehen. Es geht
nicht darum, genauso gut wie ein anderer zu sein, sondern eher darum, sich
zu fragen: ))Was könnte ich von einem anderen lernen?« Vorausgesetzt, Sie
möchten an einem gewissen Punkt noch etwas lernen.
Wer sich durch Vergleiche von sich wegbringen lässt, vertraut sich nicht. Und
kein hundertprozentiges Selbstvertrauen in sich und seinen Handelsstil zu
leben ist der Performance-Killer schlechthin beim Trading!
Was nützt es mir, wenn ein Scalp-Trader 100 Prozent Rendite pro Jahr er-
wirtschaftet und hierzu 100 Irades am Tag durchführt. Ich hingegen als Posi-
tions-Trader nur zwei Irades am Tag einstelle und folglich unglücklich über
meine Jahresperformance von 20 Prozent bin, obwohl mir Scalp-Trading
weder liegt noch ich in der Lage wäre, 100 Irades am Tag zu machen!
Mit wem vergleiche ich mich da eigentlich? Das ist ein perfekter Weg, um
die Lust am Trading zu verlieren und sich zunehmend selbst zu frustrieren .
Das Trading bietet viele Möglichkeiten, die Märkte zu interpretieren, jeder auf
seine Weise. Die Frage sollte daher nicht lauten: >>Sind die Betrachtungsweisen
der Anderen die besseren?«, sondern: >>Fühle ich mich mit diesen bei meinem
Trading wohl?« Wer sich beim Handeln ausgeglichen und zufrieden fühlt, der
hat viel erreicht. Glücklich in einem Beruf zu sein ist eine der wichtigsten
Säulen unseres Daseins. Wüssten die Menschen, wie wertvoll dieser Aspekt für
ihre Gesundheit ist, würden sie aktiv daran arbeiten, dem Konkurrieren unter-
einander ein Ende zu bereiten. Dennjedes negative Empfinden beeinflusstjede
einzelne Zelle unseres Körpers, schwächt unseren gesamten Energiehaushalt.
Vergleichen ist eine Volkskrankheit Wir tun es nicht nur beim Trading, son-
dern in unserem gesamten Dasein. Ständig überprüfen wir, wie gut wir sind,
172 I Emotionale Trading-Fallen
Die Fragen, die man sich stellen sollte, müssen auf einen selbst gerichtet sein:
))Was kann ich gut?« ))Was sind meine Talente?« ))Wo liegen meine Grenzen?«
))Was macht mich zufrieden?« ))Worum geht es mir?« nWas macht mich glück-
lich?« nWas sind meine Ziele?« nWas gibt mir Sinn?« nWas fühlt sich für mich
leicht an?« ))Was brauche ich, um mich gut zu fühlen«. Und für das Trading:
))Verbessert es meinen Handelsstil?« nFühle ich mich damit beim Trading ent-
spannter?«, ))Erziele ich damit bessere Ergebnisse?«
Wer einmal erleben möchte, wie gut es sich anfühlt, sich nicht mehr mit
anderen vergleichen zu müs en dem sei folgende Übung ans Herz gelegt:
Gehen sie bewusst immer \'.,rieder mit dem Satz im Herzen durch den Tag:
Grundwissen Behavioral Finance j I 73
))So wie ich bin, bin ich absolut gut und liebenswert.« Dem Vergleich werden
dadurch Berechtigung und Energie entzogen!
Warum erlauben wir uns eigentlich, uns ständig mit anderen zu vergleichen?
Tatsache ist, dass wir gar nicht wirklich wissen, was andere von uns denken,
wir befürchten nur, dass sie Schlechtes über uns denken. Meistens ist es
unsere eigene Interpretation, es ist unsere eigene Sichtweise auf die Dinge,
nicht die der anderen! Fest steht, dass wir beim Vergleich immer schlechter
abschneiden als geplant, weil wir den Fokus immer auf das richten, was wir
nicht haben oder nicht können. Einem unbekannten Trader ist es aber voll-
kommen egal, welche Rendite wir erwirtschaften, ob wir eine große Bewe-
gung oder einen Crash vorhergesehen haben oder wissen, wie die Märkte sich
aufgrund der technischen Analyse nun weiter entwickeln werden.
Jeder kann wählen: )) Worauf schaue ich?!« Als ich einst argentinischen Tango
lernte, hatten alle Schüler Angst, sich zu blamieren, wenn sie zu den Tanz-
abenden mit den Profis kommen sollten. Viele ließen es genau deswegen
sein. Mein großartiger Tanzlehrer Alejandro sagte zu uns dann : ))Ihr braucht
keine Angst zu haben. Die Besseren vergleichen sich immer mit den noch
Besseren, nie mit den Schlechten!« Beim nächsten Tanzabend waren alle
Schüler anwesend.
Das Suchen am Negativpol - was das Vergleichen nun mal ist - tut immer
weh und man ist selbst dabei meistens der Verlierer. Man ist sozusagen Täter
und Opfer in einer Person. Aber es sind nur unsere Gedanken. Mehr nicht.
Mit unseren Gedanken kreieren wir die Realität. Wichtig ist hierbei, sich im-
mer wieder bewusst zu machen: Es ist nicht die Realität, sondern nur unsere
Realität. Jeder hat es in jeder Sekunde seines Lebens selbst in der Hand -
unfrei oder frei zu sein. Man muss sich nicht alles glauben, was man denkt!
Zum Abschluss noch ein Satz, der dieses Thema gut auf den Punkt bringt:
Immer wieder gibt der Mensch Geld aus, das er nicht hat,
für Dinge, die er nicht braucht,
um Leuten zu imponieren, die er nicht mag.
Danny Kaye
17 4 I Emotionale Trading-fallen
Falle 4: Ungeduld
Viele reizt beim Trading das schnelle Geschäft. Deshalb handeln viele in
den kleinen Zeiteinheiten. Im Volksmund heißt es: Zeit ist Geld. Auf die
Börse bezogen kann das zutreffen. Jedenfalls dann, wenn man jede Be-
wegung auf dem Chart als ein Abbild entgangener Gewinne oder Verluste
sieht. Verluste, die man vermeiden konnte, sind natürlich großartig. Aber
entgangene Gewinne zählen für viele Trader zu den unerfreulichsten Er-
lebnissen. Solche Ereignisse können nervös machen und Gedanken auf-
kommen lassen wie: »Immer wenn ich nicht dabei bin, kommt so eine
Superchance« »Was für eine Bewegung - was für ein Gewinn. Und leider
alles wieder ohne mich!« Solche Momente provozieren beim Trader leicht
unüberlegtes Handeln. Übertrading kann die Folge sein oder die Erhöhung
der Positionsgröße, um damit die verpassten Chancen nachzuholen.
Wer sich beim Trading von solchen Erlebnissen derartig beeinflussen lässt,
macht sich unnötig Stress und schafft die Grundlage für Fehlverhalten. Es
geht nicht darum, ob Sie einen Gewinn hätten machen können, sondern ob es
innerhalb dieser Bewegung ein Einstiegssignal gab, welches Ihrem Trading-
Plan entsprach. Gab es eines, wäre die nächste Frage: Warum haben Sie es
nicht gehandelt? Waren Sie nicht am Computer? Dann hatten Sie eben Pech.
Saßen Sie aber am Computer und hatten Angst, das Signal zu gebrauchen,
weil Sie direkt vorher schon einmal ausgestoppt wurden? Dann sollten Sie an
dem Thema arbeiten, wenn es häufiger vorkommt!
»Ich fange mein Leben noch einmal ganz von vorne an!« Sie kennen solche
Sätze. Das ist Quatsch! Leben kann man nicht von vorne anfangen, man kann
seinem bestehenden Leben höchstens eine neue Ausrichtung geben. Und so,
wie man sein Leben nicht nachholen kann, kann man auch Börsenbewegun-
gen nicht nachholen. An der Börse, wie im Leben, gibt es nur eine Zeiteinheit
- das Hier und Heute. Das Jetzt zählt, die Gegenwart, nicht die Vergangenheit.
In der Vergangenheit kann man nicht mehr reich werden, nur in der Zukunft.
Eine der größten Schwierigkeiten beim Trading ist die Ungeduld. Viele Ein-
steiger, die mit dem Iraden anfangen, wollen möglichst schnell ans Ziel kom-
Grundwissen Behavioral Finance I I 75
men. Das Machen steht an erster Stell e. Klar, so gehen wir ja auch täglich an
unsere Aufgaben. Die meisten jedenfall s. Oder gehen Sie zur Arbeit, schalten
Ihren Computer an, öffnen Ihr Programm und warten erst einmal zwei Stun-
den, bis Sie irgendwann mal einen Satz schreiben? Vermutlich nicht. Beim
Trading besteht die Arbeit aber genau aus dieser Situation - warten! Warten
auf gute Chancen, warten auf Ihr Setup, so wie Sie es haben wollen. Dafür
braucht es allerdings Geduld, Geduld und nochmals Geduld. Während der
gesamten Trading-Ausbildung wird einem immer wieder unglaublich viel
Geduld abverlangt. Da die allermeisten heute keine Geduld mehr haben, weil
sie von sich und den alltäglichen Rahmenbedingungen des Lebens ständig
zum Tun getrieben werden, unterwerfen sie sich diesem Reiz und handeln in
Zeiteinheiten, die nur sehr erfahrene Trader handeln sollten: kleine Zeitein-
heiten im Minuten- oder Tick-Chart.
Gerade weil die vielen entgangenen Chancen, die man immer wieder bedau-
ert, so verlockend waren und an jeder Ecke scheinbar eine neue Chance lauert.
Gefährlich wird es, wenn man vor lauter Ungeduld nach Trading-Alternativen
in anderen Zeiteinheiten sucht. Der Trader wechselt dann vom Minuten-Chart
zum Stunden-Chart, geht wieder auf den Tages-Chart und wechselt alsbald
in den Tick-Chart. Es ist wichtig Trading-Chancen nicht vorwegnehmen zu
wollen oder sie in Zeiteinheiten zu suchen, die man üblicherweise gar nicht
handelt, nur damit man auf jeden Fall fündig wird, um etwas handeln zu
können. Achten Sie darauf, dass Sie Ihr Setup fmden und nicht erfinden. Sie
wissen, was Sie fmden müssen, Sie haben es vertraglich mit sich vereinbart.
Es steht alles ganz genau in Ihrem Trading-Plan - hoffentlich!
176 I Emotionale Trading-Fallen
Die Märkte können einen dauernd dazu verleiten, aktiv zu werden, obwohl
man es gar nicht möchte. Gerade Trading-Anfanger kennen das : Sie öffnen
ihre Charts und wollen sofort handeln. Warum? Weil es möglich ist. Denn
niemand kontrolliert sie und nirgendwo ist so viel los wie in der großen wei-
ten Welt der Spekulation. Wenn man diesen Impuls bei sich verspürt, sollte
man den Computer sofort wieder ausschalten. Erst wenn Sie die Charts öff-
nen mit der Absicht, auf Ihr spezielles Einstiegssignal zu warten, so wie Sie
es mit sich im Selbstvertrag vereinbart haben, dann fahren Sie die Trading-
Plattform wieder hoch. Sie müssen sich selbst konditionieren, niemand tut
es sonst für sie. Gewöhnen Sie sich solche kleinen Tricks an, Ihr Gehirn wird
es entsprechend nachhaltig verankern. Sie können zur Unterstützung auch
gezielte Hypnose oder Selbsthypnose anwenden. Diese Methoden haben eine
starke Wirkung und können helfen, gezielt das beim Trading umzusetzen,
was Sie wirklich wollen.
Nicht jeder Mensch verhält sich beim Thema Geduld gleich. Dem einen fallt
es leichter als dem anderen. Das hat, wie vieles andere auch, mit der Per-
sönlichkeitsstruktur eines Menschen zu tun. Menschen sind eben nicht alle
gleich. Oder um es noch deutlicher zu sagen: Jeder ist anders! Hinzu kommt,
dass die meisten Menschen in der westlichen Welt fast zu jeder Zeit über die
lebenserhaltenden Dinge verfügen. Haben wir Hunger, gehen wir zum Kühl-
schrank oder kaufen etwas. Wollen wir Kommunikation, benutzen wir das
Telefon oder den Computer. Sind wir krank, gehen wir zum Arzt und lassen
uns ein Medikament verschreiben usw. Selbstkontrolle ist da nicht mehr er-
forderlich.
Das sah bei unseren Urahnen doch noch anders aus: Hatten diese Hunger,
mussten sie im Zweifelsfall viele Stunden geduldig auf die Jagd gehen in der
Hoffnung, fündig zu werden. Kommunikation mit anderen war nur möglich,
wenn ihre Gruppenmitglieder in unmittelbarer Nähe waren. Bei Krankheit
hieß es vor allem, geduldig auf Besserung zu warten. Um eine Feuerstelle
zu erschaffen, musste man entweder tagelang gehen, um das Feuerholz von
anderen Stämmen zu holen, oder, wenn man schon so weit war, es selbst mit
Holz, Stroh und viel Ausdauer selbst erzeugen.
Der Mensch von heute hat eine ganz andere Vorstellung von Ausdauer und
Geduld. Die Zeit ist zwar nicht schneller geworden, aber die Möglichkeiten,
ein Ziel zu erreichen, sind wesentlich kürzer und selbstverständlicher. Das
prägt - auch beim Trading.
Grundwissen Behavioral Finance J 177
Schaden wird es jedenfalls nicht: weder dem Alltagsleben noch dem Trading.
Geduld ist beim Trading unerlässlich. Wer sich Geduld antrainiert. der wird sie in allen Lebensbe-
reichen spüren. Man kann nicht in einer Sache geduldig sein und in einer anderen nicht Sie profi-
tieren also auf allen Ebenen Ihres Lebens davon. Somit ist es auch unwichtig, in welchem Bereich
Sie beginnen, Geduld einzuüben. Wenn Sie beim Autofahren geduldiger werden, so wi rd sich
diese Qualität auch bei Ihrem Trading bemerkbar machen. Ist Geduld fortan Ihr Lernfeld, dann
legen Sie sich ein kleines ))Geduldbüchlein« zu. Schreiben Sie am Ende des Tages auf, in welchen
Situationen Sie heute geduldig waren. Um Erfolge zu erzielen, braucht es ständige Wiederholung
und Kontrolle. Nur so wird es zu einer dauerhaften Gewohnheit
dem sind die meisten Trader dazu nicht in der Lage. Selbst Profis scheitern
noch nach Jahren an dieser einfachen Regel.
Man kann die Nervenzellen auch als Speichermodule, als Akkus unserer Fä-
higkeiten und Erfahrungen bezeichnen. Sie verwahren unsere Lebenserfah-
rungen wie eine Festplatte, wie die Daten eines Computers. Alles, was wir
denken, fühlen und aktiv umsetzen, hat hier eine Verbindung untereinander.
Jedes Erlebnis wird wie auf einer Perlenkette aufgezogen - Akku für Akku
-für immer! Undjeder Akku ist mit vielen Tausend anderen Akkus um sich
herum verbunden. Wie bei einem Computernetzwerk. Dadurch sind all unse-
ren Gedanken, Erinnerungen und Emotionen verknüpft. Je zahlreicher diese
Verknüpfungen sind, desto mehr beherrschen wir eine bestimmte Handlung
und fühlen die dazugehörigen Emotionen.
Unser Gehirn ist unermüdlich aktiv und entscheidet selbst, welche Erlebnis-
se abgespeichert werden. Hier spielen vor allem zwei Gefühlsbereiche mit
hinein: Angst und Freude. Eine neuronale Verknüpfung ist umso stabiler, je
öfter wir eine Handlung wiederholen bzw. je stärker diese mit einer Emotion
verbunden ist. Ein Beispiel: Wird ein Kind unerwartet von einem 10-Meter
hohen Sprungbrett gestoßen, kann diese angstauslösende Situation (starke
Emotion) sehr schnell zur Bildung eines stabilen neuronalen Netzes führen,
welches das Kind künftig sehr ängstlich auf Höhe, Wasser und Tiefe reagie-
ren lässt. Auch bei ständiger Wiederkehr einer bestimmten Handlung (zum
Beispiel Kartoffelchips essen vor dem Fernseher) entwickelt sich ein stabiles
neuronales Netz, das mit zunehmender Wiederholung zu einer ausgeprägten
Gewohnheit wird. Bildlich gesprochen: Aus dem Trampelpfad unseres Ver-
haltens wird ein Wanderweg, daraus eine Landstraße und in der Vollendung
eine Autobahn.
Grundwissen Behavioral Finance I I 79
Die Macht des neuronalen Netzes bietet natürlich genauso viele Vorteile. Denn
alle routinierten Abläufe beim Trading vereinfachen und erleichtern den Han-
del, außerdem sorgen sie für eine sichere und entspannte Umsetzung. Je früher
Sie damit anfangen, desto fehlerfreier können Sie Ihr Trading durchführen und
umso schneller konstant profitabel werden. Damit aus einem beabsichtigten
Verhalten eine routinierte Angewohnheit wird, müssen Sie diese nur regelmä-
ßig praktizieren. Das braucht etwas Zeit, denn das menschliche Gehirn gleicht,
was seine Veränderungsgeschwindigkeit anbelangt, eher einem behäbigen
Tanker als einem rasanten Motorboot. Die Wissenschaft hat nachgewiesen,
dass alles was wir mindestens sechs Wochen lang diszipliniert wiederholen, in
unserem Gehirn ein derart starkes neuronales Netz installiert, dass es von die-
sem Zeitpunkt an uns immer leichter fällt, es kontinuierlich durchzuführen. Es
wird nach dem bekannten Prinzip »Steter Tropfen höhlt den Stein« zur Routine.
Lassen Sie es gerade zu Beginn Ihres Tradings langsam angehen I Achten sie darauf, dass Sie so
we nige StörgefUhle wie möglich erleben. H andeln Sie deshalb mit einem kleinen Ri siko. So klein,
dass IhnenderVer lust vollkommen egal ist. Wen iger bei dieser Ü bung ist definitiv mehr! Beginnen
Sie, die Frequenz dann zu erhöhen, wenn Sie an sich bemerken, dass Sie das neu Gelernte voll-
kommen ent spannt und angstfrei umsetzen kön nen. Seien Sie gut zu sich und belohnen Sie sich
für Ihre D isziplin, auch das unterstützt den Lernprozess.Traden Sie gerade am Anfang vorrangig
aus dem Gru nd, um Sicherheit bei der U msetzung des Systems zu erlangen, und nicht, um Geld
damit zu verdienen!
Beim Irading, so heißt es, ist die Königstugend entscheidend: Disziplin, Dis-
ziplin, Disziplin. Denn nur wer über ausreichend Selbstkontrolle verfügt, um
seinen Irading-Plan nach den immer gleichen Rahmenbedingungen umzu-
setzen, wird beim Irading dauerhaft Erfolg haben. Ihnen ist sicher bekannt,
dass Irader nicht an ihrem Handelssystem selbst scheitern, sondern an des-
sen präziser Ausführung. Zahlreiche Studien belegen das: Erst die konstante
und exakte Umsetzung des eigenen Regelwerks führt zu messbaren Ergebnis-
sen und zum Erfolg.
Der Mensch ist in der Regel froh wenn er nicht diszipliniert sein muss, da er
diese Form des Verhaltens als Last empfmdet. Sich zu disziplinieren gehört
deshalb nicht zu unseren Lieblingsbeschäftigungen. Viele meinen, sie wären
diszipliniert, weil sie regelmäßig zur Arbeit gehen. Doch eine abhängige Ar-
Grundwissen Behavioral finance I 181
beit hat nichts mit Disziplin zutun. Sie tun es, weil Ihr Chef Sie dafür bezahlt.
Sie befmden sich in einem Abhängigkeitsverhältnis. Ohne Arbeit kein Geld.
Und Sie können sich die Arbeit in der Firma nicht selbst geben, sondern
der Chef stellt Ihnen diese Arbeitsmöglichkeit zur Verfügung. Beim Trading
geben Sie sich die Arbeit selbst und müssen sie auch komplett nach eigenen
Maßstäben umsetzen.
In den meisten Fällen wird Arbeit als Muss und Belastung in unserem Leben
empfunden. Wir sind deshalb froh, wenn wir während unserer arbeitsfreien
Zeit keine Verpflichtungen eingehen müssen. Sich unterordnen und anpas-
sen, Verzicht üben und durchhalten - also alles, was Disziplin ausmacht,
wollen wir dann nicht erleben. Aber wann trainieren wir bewusst unseren
Muskel Disziplin? Prüfen Sie es selbst - in welchen Situationen Ihres Lebens
fokussieren Sie sich auf diszipliniertes Verhalten?
Bestimmt geht es Ihnen wie den meisten anderen auch, Sie zwingen sich
selten, diszipliniert zu sein. Diese Tatsache ist mit ein Grund, weshalb die
Anwendung von Disziplin beim Trading so ungeheuer schwerfallt Bewusster
Verzicht durch Selbstkontrolle gehört nicht zu unseren alltäglichen Verhal-
tensformen. Im Allgemeinen spulen wir unsere Routine ab und entscheiden
uns selten, ein neues Verhalten einzuüben und dauerhaft umzusetzen. Aber
genau das ist speziell für erfolgreiches Trading notwendig. Sie schöpfen dieses
Mal nicht aus vorhandenem Können, sondern Sie müssen sich diese neue Ei-
genschaft, die Disziplin, erst mühsam aneignen. Was beim Trading besonders
schwerfallt, da viele Einflüsse uns ablenken und wir ständig von sehr starken
Emotionen begleitet werden.
Disziplin ist vor allem dann erfolgreich anwendbar, wenn sie zielgerichtet
ist. Je genauer Sie wissen, welches ihr Ziel ist, desto besser gelingt es Ihnen,
diszipliniertes Verhalten einzuüben.
Es ist wichtig, dass Sie ein Handelssystem traden, welches zu Ihnen passt.
Denn Ihre Überzeugung lässt Sie absolutes Vertrauen in das System haben
und Sie sind motiviert, es diszipliniert umzusetzen. Wenn Sie z.B. ungern
in kurzen Zeiteinheiten handeln, dann werden Sie auch keine Motivation
fmden, dieses Regelwerk diszipliniert anzuwenden. Beim Trading fördert die
Disziplin vor allem die Umsetzung eines Systems, das man gerne tradet, und
nicht die Absicht, Geld zu verdienen!
Der größte Gegenspieler der Disziplin ist die Angst. Sie entsteht dann, wenn
das Risiko zu hoch ist. Trader sollten daher darauf achten, dass sie nicht zu
viel riskieren. Ein zu hohes Geldrisiko ist der Disziplin-Killer Nr. 1. Wer spürt,
dass er zu unruhig tradet, wenn er 1 Prozent seines Handelskontos pro Trade
riskiert, der sollte es einmal mit 0,5 oder 0,25 Prozent versuchen. Niemand
zwingt uns, mit Angst zu traden, außer wir selbst!
Ein weiterer Punkt ist die Nähe zum Trading. Nicht jeder ist in der Lage,
seelenruhig vor seiner Trading-Piattform zu sitzen und die Bewegungen des
Marktes gelassen hinzunehmen. Neigt ein Trader dazu, in solchen Fällen ins
aktuelle Trading-Geschehen einzugreifen, sollte er mit festen Gewinnzielen
arbeiten oder sein System teilautomatisieren.
Wenn Sie nicht wissen, wohin Sie wollen, dann kommen Sie irgendwo bezie-
hungsweise nirgendwo an. Das ist bei einer Autofahrt nicht anders als beim
Iraden. Geben Sie Ihrem Trading eine Richtung. Legen Sie genau fest, was
Sie wann und wie sie es tun wollen beim Handeln. Viele Trading-Anfänger
weigern sich, einen Trading-Plan zu schreiben. Aber genau dieser ist unver-
zichtbar für diszipliniertes Verhalten. Er ist Ihr Fahrplan durch die Welt der
Märkte. Ich plädiere bei meinen Klienten immer dafür, dass sie sich ihren
Businessplan wie eine Dokto rarbeit binden lassen und dann sichtbar neben
ihren Trading-PC stellen. Als Anfänger sollten Sie sich angewöhnen, diesen
Businessplan vor Ihrer Trading-Arbeit täglich einmal durchzulesen. Das wird
Sie noch einmal daran erinnern, was und wie Sie traden wollen. Schreiben
Sie sich außerdem Ihr individuelles Trading-Setup auf eine DIN-A4-Seite und
Grundwissen Behavioral finance j 183
Undiszipliniertes Verhalten beim Iraden hat vor allem mit Ihren Gefühlen
zu tun. Platon drücke es so aus: ))Der Reiter lenkt die wild galoppierenden
Pferde.« Der Reiter steht für die Vernunft, die galoppierenden Pferde für die
Emotionen. Die Vernunft versucht, die Gefühle zu zähmen. Wenn das nicht
gelingt, siegt die Unvernunft.
Ihre Emotionen veranlassen Sie vielleicht, beim Irading Dinge zu tun, die
Sie eigentlich nicht möchten. Bei sehr erfahrenen Iradern kann man dann
erkennen, dass es ihnen oft an Emotionalität fehlt. Sie haben sich sozusa-
gen störende Emotionen wie Verlustangst mit der Zeit abtrainiert. Bei Ira-
ding-Anfängern entdeckt man oft das Gegenteil. So war es auch bei mir.
Ich erinnere mich nur allzu gut daran, als ich mich von den Geschehnis-
sen der Märkte derart emotional durchschütteln lies, dass ich meinen Lap-
top am liebsten gegen die Wand geschmissen hätte. So erging es mir mehr
als einmal! Und ich bin wahrlich ein ausgeglichener und ruhiger Mensch!
Jetzt bleibe ich absolut gelassen beim Irading. Es hat mit dem Prozess der
Arbeit zutun. Denn wer dauerhaft an seinem Irading-Gehirn arbeitet, des-
sen Persönlichkeit verändert sich. Heutzutage rege ich mich kaum noch über
irgendwelche überraschenden Situationen in meinem Leben auf. Ich habe
mich daran gewöhnt, die Dinge so zu nehmen, wie sie sind. ))Es ist, wie es
ist« ist zu meinem Leitspruch geworden. Fährt mir jemand ins Auto, bleibe
ich auf der Sachebene: Wer haftet für den Schaden? Muss das Auto in die
Werkstatt? Wer beim Irading ständig mit den Abläufen emotional assozi-
iert ist, der befmdet sich unentwegt im Gefühlschaos, wird zu unsinnigen
Handlungen gezwungen und tradet meist mehr, als es dem Irading-Budget
guttut. Seien Sie ehrlich: Wäre es Ihnen nicht auch am liebsten, Sie wären im
Besitz einer Irading-Maschine? Sie zahlen einfach einen bestimmten Betrag
ein und am Monats- oder Jahresende hat sich der Betrag deutlich erhöht.
Und genau an diesem Beispiel können Sie erkennen, worum es beim Irading
184 I Disziplin braucht Emotionen
Wenn Sie diszipliniert traden wollen, dies aber nicht können, weil Sie sofort
von Ihren Gefühlen übermannt werden, dann verkleinern Sie die Angstaus-
löser oder schaffen Sie sich rigorosen emotionalen Abstand. Was ich nicht
weiß, macht mich nicht heiß!
Unsere Gefühle unterliegen nicht unserem Willen. Wir können nicht einfach
beschließen, verliebt zu sein, uns zu freuen oder Schuldgefühle einzustellen.
Unsere Emotionen lassen sich aber mithilfe von kleinen Tricks kontrollieren.
Wir können zum Beispiel unsere Einstellung gegenüber etwas ändern: Sie
haben die Wahl - Sie können sich über Minus-Irades maßlos ärgern, oder
sich mehr und mehr bewusst machen: Ohne Verluste gibt es beim Trading
keine Gewinne. Und je häuf1ger Sie hintereinander ausgestoppt werden, desto
größer wird die Chance, dass Sie beim nächsten Irade gewinnen.
Wenn Sie Ihre Emotionen kontrollieren wollen, dann machen Sie es aus-
schließlich mit positiven Worten. Würde ich Sie bitten: ))Denken Sie jetzt
nicht an einen rosa Elefanten!« Woran würden Sie dann wohl denken? Eben,
an den rosa ... Wenn Sie sich beim Trading in der Situation befmden, dass der
Kurs gerade gegen Ihre Position läuft und droht, diese auszustoppen, dann
hilft es Ihnen nicht, Ihre Angst zu kontrollieren, indem sie sich sagen: ))Ich
habe keine Angst, ausgestoppt zu werden!« Wörter wie ))keine« oder micht«
wirken in unserem Gehirn wie ein Verstärker. Sie können die Frage anders
stellen, dann verstehen Sie, was ich meine: ))Was habe ich nicht? ANGST.« Da
Sie sich also bei Ihrer Aussage »Ich habe keine Angst, ausgestoppt zu werden«
auf die Angst konzentrieren, wird in Ihnen zu dem Wort Angst ein Gefühl
entstehen. Vor allem wenn Sie Situationen beim Trading erlebten, die stark
angstbesetzt waren. Solche Begriffe oder Situationen sind in unserem Gehirn
Grundwissen Behavioral Finance J 185
direkt mit einer entsprechenden Emotion verknüpft. Es ist wie beim Memory-
spiel: Die Vorstellung von Verlustangst oder ausgestoppt zu werden, aktiviert
sofort das dazugehörige neuronale Netz - und somit die dazugehörige Emo-
tion. Und sofort reagiert Ihr Emotionszentrum, das limbisehe System, und
Sie werden zu einer Handlung gezwungen. Der Mechanisus funktioniert wie
bei einem Lichtschalter. Ich betätige den Schalter (denke das angstauslösende
Wort) und der Strom schießt blitzschnell zur Lampenfassung (Emotionszent-
rum) und die Glühbirne leuchtet (ich werde zu einer Handlung gezwungen).
Die beste Art, sich vor diesen Auslösern zu schützen, ist, sich nicht erst in ei-
ner Angstsituation zu befmden. In diesem Moment gibt es gerade zig Gründe
weshalb Sie Angst haben könnten. Doch weil diese Situationen momentan
nicht eintreten oder Sie bei diesen Erlebnissen auch nicht dabei sind, können
Sie völlig entspannt bleiben. Nicht anders ist es beim Iraden. Wenn Sie nicht
gerade erleben, wie Ihr Irade droht, ausgestoppt zu werden, oder Ihr Take
Profit um einen Punkt verfehlt wird, dann erleben sie auch keine Angst, die
Sie veranlassen könnte, in den Irade einzugreifen. Sie traden also diszipli-
nierter. Wenn Sie die aufsteigenden Emotionen beim Trading nicht aushalten
können, dann gibt es eine Alternative, disziplinierter zu traden: Halten Sie
sich von Ihren Irades fern! Niemand zwingt Sie, jedes Zucken des Marktes
live mitwerleben - außer Sie selbst! Gehen Sie eine Position ein, klicken Sie
Ihren Chart weg, und wenn es Ihnen sinnvoll erscheint, wieder nach dem
Rechten zu schauen, dann schalten Sie sich wieder ins Live-Geschehen ein.
Gestalten Sie Ihr Trading so, wie Sie es emotional aushalten können!
186 I Disziplin braucht Energie
Sie würden nicht anders verfahren, wenn Sie während einer Autobahnfahrt
feststellen müssten, dass Sie nur noch fünf Liter Benzin im Tank haben, die
nächste Tankstelle aber in 100 Kilometer Entfernung liegt. Sie würden sicher-
lich auch zuerst die Geschwindigkeit drosseln, um Benzin zu sparen.
Ein anschauliches, wenn auch sehr trauriges Beispiel für diesen Mechanis-
mus unseres Gehirns sehen Sie immer wieder in den Nachrichten, wenn über
Hungerkatastrophen berichtet wird. Die hungernden Kinder haben scheinbar
sehr große Köpfe im Verhältnis zu ihrem Körper. Grund dafür ist das Glukose-
Prinzip. Das Gehirn nimmt die geringen Glukosemengen, die dem Kleinkind
Grundwissen Behavioral finance I 187
noch zur Verfügung stehen, zuerst für sich in Anspruch, um seine Hirnfunk-
tionen aufrechterhalten zu können. Was übrig bleibt, und das ist meist nicht
viel, gibt es erst dann an die Organe weiter. Das hat zur Folge, dass der Kopf
im Verhältnis zum Körper übergroß wirkt. In Wirklichkeit ist der Kopf normal
groß und alle anderen Organe und Muskeln sind aufgrund von Glukoseman-
gel zusammengeschrumpft.
Sie sehen, eine ausgewogene Ernährung kann Ihnen sehr dabei helfen kon-
zentrierter und disziplinierter zu traden. Und es wird schon seinen guten
Grund haben, weshalb Spitzensportler guter Ernährung so viel Bedeutung
beimessen!
Ob Sie überhaupt diszipliniert traden, wissen Sie nur, wenn Sie Ihr Trading
regelmäßig kontrollieren. Ansonsten bleibt es nur eine vage Vermutung. Erst
die Rückmeldung zeigt, wie diszipliniert Sie handeln.
Händler, die ihr Trading nicht regelmäßig überprüfen und daraufhin anpas-
sen, wissen nicht, was sie tun. Sie traden -ja, aber professionell ist das nicht.
Es ist, als würden Sie jeden Morgen in einem See Ihr Frühstück angeln,
ohne zu wissen, ob sich darin überhaupt Fische befmden. Auswertungen
Ihres Tradings sind daher äußerst wirkungsvoll. Nur so haben Sie eine Chan-
ce, herauszufmden, was gut funktioniert und was Sie besser lassen sollten.
Besonders wenn Sie mehrere Handelssysteme parallel traden, brauchen Sie
eine Kontrolle. Stellen Sie sich vor, erst nach einiger Zeit fmden Sie heraus,
dass Ihr System doppelt so viel Rendite erwirtschaftet hätte, wenn Sie die
Stopps nur um wenige Punkte verändert hätten. Oder dass Ihr System A
Ihnen so viele Verluste eingebracht hat, dass es alle Gewinne von System
B verschlungen hat. Mit der Selbstkontrolle können Sie auch Details Ihres
Grundwissen Behavioral finance I 189
Tradings genau ftltem: >>Wann isr mein System profitabel?« >>An welchem
Tag, im Vor- oder Nachmittagshan del?« »Gibt es Tage, Wochen oder Monate,
an denen es besser funktioniert?« Gold z.B. steigt in der zweiten Jahreshälfte
mehr als in der ersten. Auch emotionale Zustände können überprüft werden:
Wie sehr beeinflussen Sie unangemeldete Störgefühle Ihres Alltags? Mit einer
detaillierten Excel-Tabelle können Sie praktisch alle Parameter Ihres Tradings
kontrollieren, die Ihnen wichtig sind.
Viele traden einfach wild und für sie selbst unüberschaubar drauflos. Sie
jagen Einstiegssignale, als gäbe es morgen keine Börse mehr. Sie verfallen
in eine Art Trading-Rausch und sind wie von Sinnen. Das sorgt zwar meist
für Beschäftigung, aber für keine befriedigenden Trading-Ergebnisse. Damit
Sie sich über Ihre Handlungen bewusst werden, legen Sie sich einen To-do-
Zettel neben ihren Trading-Computer. Darauf sollte in wenigen Worten Ihr
Setup beschrieben sein. Überprüfen Sie nach jedem Trade, ob Sie das Setup
wirklich so getradet haben. Auch Piloten haben Checklisten, die sie vor je-
dem Flug genau durchgehen. Jagdbomber-Piloten checken vor ihrem Start
bis zu 150 Funktionen. Vielen privaten Tradem fehlt diese sehr wichtige
Prüf-Instanz. Sie wollen traden, nicht Trades verwalten. Aber erinnern Sie
sich? Disziplin braucht messbare und erreichbare Ziele! Sie haben keinen
Vorgesetzten oder Chef, dem gegenüber sie Rechenschaft ablegen müssen.
Sie sind nur sich selbst gegenüber verantwortlich. Nicht jeder verfügt über
diese notwendige und sehr wichtige Selbstkontrolle. To-do-Zettel helfen Ih-
nen auf sehr einfache Weise dabei, sich selbst zu kontrollieren. Eine weitere
wirkungsvolle Methode sind tägliche Aufzeichnungen ihres Tradings, die Sie
so detailliert notieren, als würden Sie sie einem Vorgesetzten als Handels-
bericht vorlegen müssen. Sie werden feststellen, dass diese Aufzeichnungen
Ihre Trading-Ergebnisse wesentlich verbessern. Ich rate meinen Klienten, am
Abend einen Tagesbericht ihres Tradings zu verfassen und diesen sich dann
selbst zuzumailen.
richtige Richtung zu gehen. Am Anfang fühlt man sich immer unwohl mit
seiner neuen Entscheidung. Man befürchtet, einen Fehler zu machen. Das ist
vollkommen normal, denn Ihr Gehirn möchte nur sehr ungern von seiner al-
ten Gewohnheit loslassen. Neuesund vor allem Unsicheres mag unser Gehirn
nicht. Erst die Wiederholung bringt aber die nötige Ruhe ins Geschehen. Ich
vergleiche es immer mit einer Autofahrt in London. Wenn Sie das Fahren
auf der ))falschen Seite« nicht gewohnt sind, dann kostet es Sie zunächst Mut
und Konzentration. Am Anfang fühlen Sie sich nervös und unsicher. Aber
je häuf1ger Sie das ausprobieren, desto sicherer fühlen Sie sich dabei. Und
irgendwann ist es normal für Sie und Sie praktizieren es vollkommen selbst-
verständlich. Genauso verhält es sich mit Disziplin. Anfangs sträuben Sie
sich, sich gegen Ihren Hauptimpuls zu verhalten und das damit verbundene
negative Gefühl auszuhalten. Aber wenn Sie sich überwinden, neue Wege zu
gehen, dann gewöhnen Sie sich mehr und mehr daran und erkennen schnell
den Vorteil. Es braucht Mut, aber es lohnt sich! Selbsthypnose und spezielle
Hypnose-Coaching-CDs für Irader können Sie bei dieser Überwindungsangst
wirkungsvoll unterstützen.
Wer etwas Neues möchte, der muss auf etwas Altes verzichten. Er muss sei-
ne geliebte Komfortzone verlassen. Und das auch noch freiwillig. Menschen
hassen in der Regel Veränderungen, und seien sie noch so logisch und nach-
vollziehbar. Wenn Sie zehn Signale traden und sich damit völlig überfordert
fühlen, weil das zu großen Irading-Problemen führt, dann ist es sinnvoll, eine
Veränderung vorzunehmen. Handeln Sie statt zehn Setups nur eins oder zwei.
Das wird ihnen anfangs vielleicht schwerfallen, denn erstens müssen Sie sich
entscheiden, welche der zehn Strategien Sie aufgeben, und zweitens müssen
Sie auch noch freiwillig die Kraft aufbringen, die acht anderen Signale be-
wusst zu ignorieren. Aber Disziplin liebt nun mal die Einfachheit. Je einfacher
eine Handlung, desto besser können Sie sie umsetzen. Seien Sie ehrlich: Was
macht es für einen Sinn, zehn Signale schlecht zu handeln anstatt ein oder
zwei Setups entspannt und erfolgreich? Nicht viele Irades bringen den Erfolg,
sondern gute Irades!
Grundwissen Behavioral finance J 191
Wenn wir jemanden nachahmen, dann erzielen wir auch ähnliche Resultate. In
meiner Schauspielausbildung erarbeitete ich das >>Als-ob-Prinzip« nach Stanis-
lawski. Berühmt wurde diese Schauspiel-Methode vor allem in New York durch
das Actors Studio von Lee Strasberg. Hier lernten auch so bedeutende Darsteller
wie Marlon Brando, James Dean. Robert deNiro und Marilyn Monroe ihr Hand-
werk. Bei dem »Als-ob-Prinzip« geht es darum, sich so intensiv wie möglich
mit der Person oder Situation zu identifizieren, die Sie darstellen wollen. Na-
türlich hat kein Schauspieler je einen Menschen wirklich getötet, um bei Bedarf
solche Rolle zu spielen, aber nach dem »Als-ob-Prinzip« fragt er sich, welche
Situation wohl vergleichbare Gefühle erzeugen würde. Hier mögen Gefühle wie
Wut, Ausweglosigkeit, Hass, Verzweiflung und viele mehr angebracht sein. Die-
se Momente vergegenwärtigt sich der Nachahmer erneut, indem er sich die
Situation so genau wie möglich vorstellt, sodass die entsprechenden Gefühle
entstehen und die Rolle des Täters nun gespielt werden kann. Ahnen Sie, wor-
auf ich hinaus will? Aber kommen wir zurück zum Trading: Suchen Sie sich ein
Vorbild aus der Trader-Branche. Studieren Sie diesen Menschen so genau wie
möglich. Finden Sie alles über ihn heraus, wie er über das Trading denkt, wie
er selbst handelt, was er Ihrer Meinung nach richtig macht. Wenn Sie traden,
192 I Disziplin braucht Motivation
dann fragen Sie sich, wie diese Person in dieser Situation wohl reagieren würde,
was sie zu dem Irade sagen, was denken würde. Iraden Sie Ihren Irade, als ob
Ihr Vorbild ihn tradet. Sie können sich zur Unterstützung ein Foto von ihm an
Ihren PC kleben oder als Bildschirmschoner benutzen. Es ist sozusagen immer
bei Ihnen, wenn Sie traden, und mit ihm seine förderlichen Verhaltensweisen,
die Sie bei Ihrem Irading unterstützen. Sie werden sehen, wie wirkungsvoll das
ist. Es ist ein sehr einfaches und machtvolles Motivationsinstrument
Wie haben Sie gehen gelernt? Durch Wiederholung! Wie haben Sie sprechen
gelernt? Durch Wiederholung! Wie haben Sie Autofahren gelernt? Durch
Wiederholung! Alles, was Sie gut beherrschen, haben sie durch Wiederho-
lung gelernt. Alles Schlechte übrigens auch. Mit der Disziplin verhält es sich
nicht anders. Wenn Sie gewisse Abläufe wieder und wieder ausführen, dann
werden Sie disziplinierter. Ein Indiz für ungeübte Abläufe sind Ihre Irading-
Probleme. Viele unerfahrene Irader sind sehr geschult darin, immer wieder
die gleichen Missgeschicke zu wiederholen. Das ist ärgerlich, zeigt aber, wo-
rum es bei Disziplin im Wesentlichen geht - um Wiederholung. Nun müssen
Sie es nur noch auf die passenden Irading-Abläufe anwenden. Dazu verein-
fachen Sie zunächst die konkreten Handlungsschritte. Wie schon erwähnt:
lieber ein Setup richtig als zehn falsch traden. Lieber 0, 1 Prozent Risiko ent-
spannt und diszipliniert traden als 1 Prozent gestresst. Dann repetieren Sie
diese kleinen Schritte wieder und wieder. Je öfter Sie sich dabei wohlfüh-
len, desto schneller werden Sie Erfolg damit haben. Seien Sie realistisch, das
braucht Zeit. Dann steigern Sie sich angemessen. Ihr Seismograph ist dabei
immer Ihr Wohlfühlfaktor. Und so, wie Sie heute entspannt Auto fahren, per-
fekt Ihre Sprache beherrschen oder souverän einen Sport ausüben, so werden
Sie diszipliniert traden können. Wenn Sie Ihr Gehirn dazu bringen, sich klei-
ne Ziele vorzunehmen und umzusetzen, dann schaffen Sie es auch, größere
Dinge in Angriff zu nehmen. Denn sobald sich die positiven Gewohnheiten
in Ihrem Gehirn eingeschliffen haben, erfordern sie keine Anstrengung mehr.
Wenn Sie etwas in Ihrem Leben erreichen wollen, dann brauchen Sie ein loh-
nenswertes Ziel, das Sie anzieht. Das kann entweder »weg von« etwas sein,
Grundwissen Behavioral Finance I I 93
das Sie nicht mehr in Ihrem Leben möchten, oder »hin zu« etwas, wonach
Sie sich in Ihrem Leben sehnen. Viele Weltklasseboxer wollten mithilfe des
Boxsports >~Weg von« den schlechten Lebensbedingungen, die sie in ihrer
Kindheit erleben mussten. Sicher ist, Sie brauchen als Trader etwas, das Sie
motiviert. Wenn Ihnen nicht klar ist wozu Sie die Willensstärke aufbrin-
gen sollen, diszipliniert zu traden, dann wird es Ihnen sehr schwerfallen,
es umzusetzen. Wenn Sie vor den Charts sitzen und ziellos sind, dann sind
Ihnen die einzelnen Irades unwichtig. Vermutlich geht es Ihnen dann nur um
eine Beschäftigung oder den Reiz, als Trader ein wenig mitzumischen und
ein bisschen am großen Rad der lnvestmentbanker, die Millionen verdienen,
mitzudrehen. Oder Sie wollen sich von anderen Dingen ablenken. Wenn ich
als Sportler das Ziel, einen Marathon zu gewinnen oder in der persönlichen
Bestzeit zu laufen, dann bin ich motiviert, regelmäßig dafür zu trainieren.
Wenn es mein heißer Wunsch ist, im Sommer ein Cabriolet zu fahren, dann
werde ich motiviert sein, diszipliniert das Geld für die Anschaffung zu spa-
ren. Verschaffen Sie sich Klarheit darüber, was Sie beim Trading motiviert.
Wenn Ihrer Disziplin etwas anderes im Wege steht, dann schauen Sie, ob
Sie in Ihrem Leben eine mentale Brücke fmden, die Ihnen hilft, ans Ziel zu
kommen. Hier ein gelungenes Beispiel aus der Praxis: Als das erste Schach-
spiel zwischen Jan Wahls und dem damals stärksten Schachcomputer Deep
Thought angesetzt war, war es Jan Wahls mulmig zumute. Er hatte großen
Respekt vor den zehn Millionen Stellungen, die der Computer pro Sekunde
berechnen konnte. Jan war daher zunächst in einem alles andere als optima-
len Zustand, um gegen diesen Riesengiganten aus dem IBM-Forschungszen-
trum anzutreten. Die Lösung kam von seiner Freundin. Sie wusste, dass Jan
gegen Frauen fast noch nie verloren hatte und gegen Frauen immer sehr gut
spielte. Sie sagte, er solle sich einfach vorstellen, Deep Thought sei eine Frau.
Jan Wahls gewann das Spiel - nach 28 Zügen gab der Computer auf.
Probleme damit hat, beständig seine Irades einzugehen, bat ich ihn, seinen
Ablauf wie ein Sportschütze anzugehen. Ich übertrug seine Fähigkeiten als
Sportschütze auf sein Trading-Verhalten, auch indem ich es in eine indivi-
duelle Hypnose-CD mitaufnahm. Gewehr laden, anlegen, zielen - Schuss.
So, wie er es zig tausendmal auf dem Schießstand einstudiert hatte. Völlig
konzentriert, sicher, entspannt und diszipliniert. Schon nach kurzer Zeit war
sein Problem gelöst. Er übertrug lediglich dazu eine seiner Fähigkeiten aus
einem anderen Bereich auf das Trading. So einfach kann man den Schlüssel
zum disziplinierten Trading finden.
Jeder Mensch ist die Summe seine Gedanken und Gewohnheiten. Das, was er
bisher über sich gedacht hat, hat ihn zum größten Teil zu dem gemacht, was
er heute ist.
Es ist für das Trading äußerst wichtig, dass Sie Ihre Glaubenssätze kennen,
denn sie sind der Fahrplan Ihrer Entscheidungen. Jeder Mensch hat Tausende
von diesen bestimmenden Überzeugungen. Wenn Sie Ihre Überzeugungen
kennen lernen wollen, dann schreiben Sie alles auf, was Sie über sich, Ihr
Trading und vor allem den Börsenhandel denken. ))Ich will beim Trading kein
Geld verlieren.« ))Ich habe keine Disziplin.« ))Andere sind besser als ich.« Ma-
chen Sie das täglich eine halbe Stunde, sieben Tage lang. Sie werden danach
deutliche Zusammenhänge zu Ihrem Trading-Verhalten erkennen können.
Wir traden, was wir glauben I 197
Schreiben Sie auch Ihr allgemeines Befmden während des Tradens auf. Füh-
len Sie sich sicher, risikofreudig oder haben Sie gerade persönlichen Ärger in
Ihrem Leben?
Regelmäßig zum Jahresanfang fassen viele Leute gute Vorsätze für das neue
Jahr. Sie wollen ihr Gewicht reduzieren, mehr Sport treiben, weniger arbeiten,
liebevoller zum Partner sein und mit dem Rauchen aufhören. Meistens bleibt
es bei den Vorsätzen, schon nach wenigen Tagen oder Wochen befmden sie
sich im alten Laufrad ihrer Gewohnheiten wieder. Beim Trading ist es nicht
anders: Sie wissen, dass Sie Gewinne sinnvoll laufen lassen sollten, weil vor
allem die großen Gewinne die vielen kleinen Verluste ausgleichen. Und Sie
wissen auch, dass Sie Stopps setzen sollten, um Ihr Kapital zu erhalten. Trotz-
dem scheitern Sie immer wieder daran, und obwohl Sie schon deswegen ein
Konto in Grund und Boden getradet haben, basteln Sie immer wieder an Ihrer
Stopplogik. Sie wissen, wie Sie es richtig machen müssen, aber Sie können es
trotzdem nicht! Wieso ist es so schwer, sein Verhalten zu verändern?
Weil unser Verhalten mit Emotionen verknüpft ist. Und gespeicherte Emo-
tionen sind viel stärker als irgendein rationales Argument. Hier kämpft die
198 J Warum es so schwer is~ sein Verhalten zu ändern
Mücke gegen den Elefanten. Unser Gehirn kann jederzeit auf bereits Erlebtes
zurückgreifen und schätzt in Bruchteilen einer Sekunde ein, ob etwas wichtig
oder unwichtig, gut oder gefährlich für uns ist. Dies geschieht in unserem
limbisehen System, der emotionalen Schaltzentrale unseres Gehirns. Hier
werden unsere Gefühle produziert, abgeglichen und bewertet. Die Hormon-
produktion kommt in Gang und bestimmt unser Verhalten.
Der Mensch ist ein Gewohnheitstier und meistens hat unser innerer Schwei-
nehund uns an der Leine - statt wir ihn. Die Ursache dafür fmden wir in
unserem Gehirn. Genauer gesagt im neuronalen Netz. Es ist die oberste
Schaltzentrale des Menschen. Alle Gewohnheiten sind hier in Form von zig
Milliarden Gehirnzellen hinterlegt und mit Emotionen verbunden. Haben Sie
einen Gedanken oder führen Sie eine Handlung aus, dann werden in diesem
Moment die dazugehörigen neuronalen Verknüpfungen aktiviert. Sie können
es mit der Bedienung der Tastatur Ihres Computers vergleichen. Drücken Sie
den Buchstaben R, erscheint auf Ihrem Bildschirm ein R. Allerdings hat das
neuronale Netz keine abgeschlossenen Grenzen. Alles ist mit allem verbun-
den, wie bei einem Fischernetz. Die Wirkung dieser Verschaltungen können
wir in den banalsten Handlungen unseres Lebens erleben: Schalten wir den
Fernseher ein, bekommen wir plötzlich Appetit auf Chips, weil wir uns das
Verhalten ))Fernsehen + Chips essen« angewöhnt haben.
Dieser Gleichklang ist es, der es uns so schwer macht, unsere Gewohnheiten zu
durchbrechen, denn wir schöpfen immer aus dem Vorhandenen. Wenn Sie sich
nneu« verhalten möchten, dann müssen Sie dafür erst einmal die neuen neuro-
nalen Verknüpfungen herstellen. Wie beim Erlernen einer Fremdsprache. Auch
hier können Sie nur Vokabeln benutzen, die Sie vorher gelernt haben. Wenn
Sie also neue Fähigkeiten einsetzen möchten, dann müssen Sie sich diese erst
antrainieren. Das ist, je nach Aufgabe, unterschiedlich schwer. Beim Trading ist
es meist schwerer, weil die Zusammenhänge komplexer und mit unserer stärks-
ten Schutz-Emotion, der Angst, verbunden sind. Aber natürlich ist es möglich.
Beim Trading hat man sich beso nders zu Beginn viele schädliche Gewohn-
heiten antrainiert: kein e Stopps setzen, Stopps verändern, zu früh aus einer
Wir traden, was wir glauben I I 99
Position aussteigen, unsinniges Geldrisiko etc. Diese sind meist mit starken
Gefühlen verbunden. Manches Fehlverhalten wird vom Trader seit Jah-
ren praktiziert. Dadurch sind besonders starke neuronale Verknüpfungen
entstanden, was die Abänderung dieses Verhaltens wesentlich schwerer
macht.
Alte Gewohnheiten können im Gehirn nicht gelöscht werden. Sie ruhen so-
zusagen - wie Glühbirnen, die gerade keinen Strom bekommen. Eignen Sie
sich neue Fähigkeiten an, wird dadurch das Wachstum neuer Gehirnzellen
angeregt. Je intensiver und häufiger Sie diesen Lernprozess wiederholen,
desto stärker wird er zu einer natürlichen Gewohnheit, was für das Ge-
hirn weniger Anstrengung bedeutet und somit künftig von uns wesentlich
leichter ausgeführt werden kann. Mehr und mehr entwickelt sich daraus
eine unbewusste Kompetenz. Das bedeutet, Sie praktizieren etwas, ohne viel
darüber nachdenken zu müssen. Beim Trading vereinfacht das die Hand-
lungsabläufe enorm! Das ist auch der Grund, weshalb Prof1-Trader davon
sprechen, dass erfolgreiches Trading langweilig ist. Sie spulen wieder und
wieder unbewusste Kompetenzen ab. So wie wir in unserem täglichen Leben
die meisten Handlungen ausführen: Türen öffnen, Anziehen, Zähneputzen,
Autofahren, Treppensteigen. Da wir gerade zu Beginn des Tradings nicht
über diese Autopilot-Funktion unseres Gehirns verfügen, kostet es uns viel
Anstrengung. Wir fühlen uns überfordert, verzetteln uns und versuchen, mit
einfachen Lösungen schnell ans Ziel zu kommen. Vor allem um Verluste zu
vermeiden. Das ist verhaltenspsychologisch gesehen auch der einzig richtige
Weg, da unser Gehirn nur maximal sieben Eindrücke gleichzeitig bewusst
aufnehmen kann. Im selben Moment werden von unserem Gehirn jedoch
Hunderttausende Sinneseindrücke unbewusst verarbeitet. Der Mensch wäre
vollkommen überfordert, müsste er all diese Informationen bewusst verar-
beiten. Um diese Aufgabe zu bewältigen, würde unser Gehirn so viel Energie
verbrauchen, wie der Mensch gar nicht in der Lage wäre zu sich zu neh-
men. Ihr Gehirn würde dann schon beim Essen Ihres Frühstücksmüslis mehr
Energie verbrauchen, als Sie mit dem Müsli zu sich nehmen. Unser Gehirn
arbeitet deshalb ständig auf Sparmodus. Das führt zu extremen Vereinfa-
chungen unseres Denkens und Handelns, auch beim Trading. Sogenannte
Sinnesfiiter, die durch das Unbewusste gesteuert werden, entscheiden unent-
wegt, welche Ihrer Prägungen (Glaubenssätze, Erfahrungen, Erlebnisse) für
die aktuelle Entscheidung von Bedeutung sind. Ist zum Beispiel Ihre Angst
vor Verlusten sehr groß, dann werden die unbewussten Programme Sie dazu
veranlassen, sich so zu verhalten, dass Sie keine Verluste machen werden.
200 I Selbstkontrolle
Was allerdings dazu führen kann, dass Sie Ihren Trading-Plan nicht mehr
diszipliniert einhalten (Stopps rausnehmen, oder Stopps versetzen, Gewin-
ne zu früh realisieren etc.). Und somit genau das erleben werden, was Sie
eigentlich vermeiden wollten - Verluste! Um gegen diese Mächte bewusst
angehen zu können, benötigen Sie Selbstkontrolle.
5.2 Selbstkontrolle
Selbstkontrolle ist eine Fähigkeit, die uns schon seit der Kindheit begleitet.
Sie ist uns teilweise angeboren und wir erlernen sie durch unsere Eltern.
Es war deutlich zu erkennen: Das Maß der Selbstkontrolle war ein Erfolgsin-
dikator. Je weniger diese Eigenschaft ab dem dritten Lebensjahr ausgeprägt
war, desto schlechter entwickelten sich die Kinder- und zwar deutlich. Diszi-
plinlose Kinder hatten später öfter gesundheitliche Probleme, waren schlech-
ter in der Schule, verdienten weniger Geld, verübten häufiger Verbrechen
und wurde eher drogensüchtig.
Zu gleichen Ergebnissen fü hrte auch eine Studie, die Caspi und Moffit in
Großbritannien mit 500 zweieiigen Zwillingen durchführten. Trotz gleicher
Gene neigte derjenige Zwilling, der schon als Kind weniger selbstbeherrscht
war, auch im späteren Leben eher zu undisziplinierterem Verhalten. Daraus
zog man das Fazit: Wer bereits als Kleinkind gewissenhaft und diszipliniert
ist, der wird auch später mit höherer Wahrscheinlichkeit erfolgreich.
Wir traden, was wir glauben J 20 I
Selbstkontrolle beim Trading ist also etwas, das wir uns bewusst antrainieren
müssen, wenn wir diese Fähigkeit nicht ausreichend genug erlernt haben.
Allerdings ist es umso schwerer, je weniger die Grundlagen dafür in der
Kindheit gelegt wurden.
Selbstkontrolle lernt man umso besser und schneller, je größer die Notwen-
digkeit ist. Was es benötigt, ist der Wille. Ein kraftvoller Motor ist ein starker
Motivator. Wir müssen uns fragen: »Was treibt uns an, was überzeugt uns,
was gibt uns den unbedingten Willen, ans Ziel zu kommen?« Sie brauchen
etwas, das Sie wie ein starker Magnet zu Ihrem Ziel zieht. Wenn Sie diesen
Magneten fmden, geht alles leichter und schneller.
Wenn Sie etwas herstellen wollen, dann benötigt es Zeit, bis es fertig ist. Ein
Modedesigner hat anfangs eine Idee, er zeichnet eine Skizze, besorgt sich
das Material, schneidet ein Muster zu, schließlich werden die Stoffteile nach
Vorlage zusammengenäht - und fertig ist das Kleidungsstück.
wohnheit. Wenn Sie dauerhaft Ihr Verhalten verändern möchten, dann braucht
Ihr Gehirn dafür entsprechende Impulse. Nur so entstehen im neuronalen Netz
neue Verknüpfungen, die ein langfristiges und zuverlässiges Verhalten garan-
tieren werden. Das geschieht durch Wiederholungen und wird durch positi-
ve Gefühle noch forciert. Wer sich eine stabile Veränderung seines Handeins
wünscht, muss ein neues Verhalten mindesten 400 Mal zuverlässig in Folge
wiederholen. Anfangs wird es ungewohnt und schwer sein, die neuen Erkennt-
nisse konsequent durchzuführen. Wir kennen dieses Problem als Disziplinlosig-
keit auch aus anderen Situationen, zum Beispiel wenn wir unser Gewicht redu-
zieren wollen, das Rauchen beenden, oder regelmäßig Sport treiben möchten .
Ihr Gehirn wird immer wieder versuchen, die alten, gewohnten Wege zu
gehen. Wollen Sie sich beim Trading nun angewöhnen, Gewinne konstant
sinnvoll laufen zu lassen, dann wird Ihr Gehirn anfangs versuchen, eher
der bekannten Strategie zu folgen und z.B. Gewinne schnell zu realisieren.
Das geschieht so oft, bis ausreichend neuronale Verknüpfungen für das neue
Verhalten vorhanden sind. In der Regel braucht das drei Monate. Sie müssen
sich also mindestens drei Monate lang so verhalten, wie es Ihr Ziel vorgibt
und von Ihnen verlangt. Nach den ersten sechs Wochen fällt es Ihnen schon
bedeutend leichter, das neue Verhalten regelmäßig anzuwenden.
Am besten können Sie sich Ihr neues Verhalten antrainieren, wenn eine Kon-
trollinstanz es begleitet. Ein Ausbilder oder Coach, der Ihr neues Verhalten
überwacht, wäre ideal. Auch Routinen sind sehr wichtig. Denn alles, was Sie
regelmäßig durchführen, können Sie leichter umsetzen. Ich selbst unterstütze
meine Klienten dabei mit gezielten Hypnoseprogrammen. Diese Programme
beschleunigen beim Trader, sein neues Verhalten unbewusst anzuwenden.
Dazu verwende ich spezielle Visualisierungen und geführte Hypnosen. Damit
soll beabsichtigt werden, dass der Trader die erwünschten Handlungen ohne
viel Anstrengung beim Trading umsetzen kann.
Trading- D atum:
Trading-Zeit:
Trade Nr.:
Falls NEIN -warum nicht und wie genau habe ich mich anders verhalt en?
Verbesserungen:
Vor:
Während:
Nach:
Fazit: Ich weiß, dass ich Disziplin nur erreiche, wenn ich mich diszipliniert verhalte!
204 I Wie Veränderung wir'Klich gelingt
Überprüfen Sie dann Ihre Checkliste vorher oder nachdem Sie den Irade ein-
gegangen sind und haken Sie die einzelnen Punkte ab bzw. kommentieren sie
diese. Gut ist es, wenn Sie diese Checkliste in Papierform vor Ihrem Trading-
PC liegen sehen. Das unterstützt Sie unbewusst, sich an Ihre Abmachung
auch wirklich zu halten!
Erkennen Sie während des Irades, dass dieser nicht Ihrem gewünschten Ver-
halten entspricht, brechen Sie den Irade sofort ab, unabhängig davon, ob Sie
in der Verlust- oder Gewinnzone sind. Das ist wichtig, denn sonst gewöhnen
Sie sich falsches Verhalten an.
Eine gute Kontrolle erreichen Sie auch, wenn Sie regelmäßig ein gutes Tra-
ding-Journal führen. Je detaillierter, desto sicherer werden Sie Ihre neuen
Gewohnheiten einhalten. Ein Trading-Tagebuch ist mehr als nur die Buch-
haltung ihres Tradings. Es hat die Funktion eines Chefs oder Vorgesetzten,
der Ihr Verhalten in positiver Absicht kontrolliert. Die Aufzeichnungen zei-
gen Ihnen wie Ihr Verhalten Ihre Resultate beeinflussen. Denn wer zuhause
allein vor seinem Trading-PC sitzt, der wird von niemandem beaufsichtigt.
Sie können traden, wie Sie wollen, keiner wird Ihre Handlungen überprüfen,
und seien sie noch so unsinnig. Das kann zu einem Problem werden. Die
Analyse und Kontrolle der eigenen Arbeit ist beim Trading eine der wich-
tigsten Grundlagen für den Erfolg. Ansonsten droht schnell Ungenauigkeit
durch Disziplinlosigkeit. Strikte Kontrollmechanismen sind einer der stärks-
ten Hilfsinstrumente, wenn Sie sich das neue Verhalten antrainieren wollen.
Sie können Ihr Trading natürlich auch von Ihrem Partner oder einem Freund
überprüfen lassen. Erklären Sie ihm dazu, was Sie genau beim Trading um-
setzen wollen, und legen Sie ihm detailliert Ihre Tages- oder Wochenergeb-
nisse vor. Auch hier bietet ein klar geführtes Trading-Journal beste Dienste.
Erstellen Sie ebenso ein kurzes Protokoll dieses Kontrollgesprächs und notie-
ren Sie, was Sie gut umgesetzt haben und wo Sie Ihr Trading noch verbessern
können. Sie werden sehen, wie wirkungsvoll dieser Check für das Erreichen
Ihrer Ziele ist.
6. Trading & Stress
Stress kommt aus dem Englischen und bedeutet ursprünglich Druck, Zug,
oder hohe Beanspruchung eines Materials. Um 1930 herum bezog der Natur-
wissenschaftler und Mediziner Hans Selye (1907-1982) das Wort zum ersten
Mal auf den Menschen und seine körperlichen Belastungen. Selye machte
deutlich, dass Stress eine Reaktion auf eine Bedrohung ist - und nicht die
Bedrohung selbst.
Entscheidend ist also, wie wir eine Situation, die stressen könnte, bewerten
und darauf reagieren.
Proft-Trader wissen, Stress ist beim Trading immer gegenwärtig. Denn jeder
Irade wird von Unsicherheit begleitet. Wohl die meisten Menschen streben
nach Sicherheit und empfmden Situationen als angenehm, wenn sie diese
kontrollieren können. Ist das nicht der Fall, entsteht schnell Stress. Auslö-
ser dafür sind unsere Körper- und Hirnfunktionen, die maßgeblich durch
Hormone gesteuert werden. Die wichtigsten Stresshormone sind Adrenalin,
Noradrenalin, Dopamin und Cortisol. Die bekanntesten Stressarten sind der
))Adrenalinstress« und der ))Cortisolstress«. Adrenalinstress wird sehr schnell
ausgelöst. Man spricht hier gern vom sogenannten ))Tropfen, der das Fass
zum Überlaufen bringt«. Anders beim Corisolstress, den man als Dauerstress
206 I Kampf-flucht-Reaktion
6.1 Kampf-Flucht-Reaktion
Dieser Teil unseres Gehirns agiert selbstaktiv und noch vor der Bewusstwer-
dung im Bruchteil einer Sekunde. Er bewertet Situationen als gefährlich oder
ungefährlich. Hier entsteht auch der Reflex des Wegziehens unserer Hand
von einer heißen Herdplatte oder beim Trading die Versetzung eines Stopps
aus Angst, ausgestoppt zu werden.
Laut Cannon haben Mensch und Tier vor allem zwei Möglichkeiten, auf eine
Bedrohung zu reagieren - Ka mpf oder Flucht. Eine weitere ist Erstarrung_
Zur Vorbereitung auf diese Reaktionen nimmt der Körper physische Ver-
änderungen vor: Das Stresshorm on Adrenalin wird im verstärktem Maße
ausgeschüttet, bestimmte Muskeln spannen sich an und werden vermehrt
durchblutet, Herzschlag und Blutdruck erhöhen sich und die Schweißbil-
Trading & Stress J 207
dung nimmt zu. Der gesamte Körper ist in Alarmbereitschaft und mit ent-
sprechender Energiezufuhr versorgt. Oberstes Prinzip - das eigene Überle-
ben sichern!
Heute ist die Kampf-Flucht-Reaktion bei der Bewältigung der meisten Stress-
situationen nicht mehr hilfreich. Zwar erleben wir in unserem Alltag und
auch beim Trading zahlreiche Stressmomente, aber diese tragen wir natürlich
nicht kämpferisch aus, indem wir z.B. unseren Chef körperlich angreifen oder
bei jedem Minus-Irade unseren Computer zerstören. Sondern wir übertragen
diese Stressimpulse unbewusst auf das Börsengeschehen, indem wir einen
indirekten Kampf mit dem Markt eingehen.
Nicht abgebauter Stress in Form von Stresshormonen, Fett und Zucker, die
nicht verarbeitet werden, kann unseren Körper durch Langzeitbelastungen
schädigen. Denn die Stressreaktion ist von Natur aus nur als kurze Belas-
tung für Gefahrensituationen angelegt. Heutige Stressoren sind aber meist
über Stunden, Tage, Wochen, Monate oder gar Jahre aktiv. Zum Beispiel
in zwischenmenschlichen Beziehungen, im Beruf oder auf existenzieller
Ebene. Somit bleibt ein erhöhtes Stressniveau über lange Zeit bestehen,
das nicht mit Bewegung, Ruhe oder Entspannung körperlich abgebaut
wird. Dadurch bleibt der Körper ständig ))unter Strom«. Der Organismus
verliert sein natürliches Gleichgewicht und kehrt nur sehr schwer zu sei-
nem normalen Ruheniveau zurück. Die Folge sind Gefäßveränderungen,
Muskelanspannungen, Schlafstörungen und seelische Belastungen bis hin
zum Burn-out-Syndrom und Depressionen sowie zahlreichen organischen
Schäden.
Beim Trading zeigen sich die drei von Cannon aufgestellten Handlungsmus-
ter wie folgt:
208 I Stress durch Kontrollverlust
Der Mensch hat das Bedürfnis, die Geschehnisse in seinem Leben zu kont-
rollieren. Was er nicht unter Kontrolle hat, verursacht ihm ein Gefühl von
Unsicherheit.
Trading ist geprägt von Unsicherheit, da es keinem festen System folgt. Die
ständigen Kursbewegungen sind zufällig und werden vor allem durch die
Emotionen der Beteiligten stark beeinflusst. Für unerfahrene Teilnehmer ist
Trading deshalb oft Stress pur!
Stress entsteht hier vor allem durch eine der beiden stärksten menschlichen
Emotionen. Neben Liebe ist das die Angst. Die größte Angst des Menschen ist
der Verlust seiner Existenz. Da dem Geld in der Gesellschaft der westlichen
Hemisphäre eine sehr wichtige Bedeutung für die Existenz zukommt, löst
Geldverlust bei vielen das Gefühl von Existenzangst aus. Ein weiterer, sehr
wichtiger Angstauslöser beim Trading ist der Kontrollverlust
Sieht ein Trader zum Beispiel, dass sich ein Kurs negativ zu seinem einge-
gangenen Trade verhält, bewertet das Angstzentrum im Stammhirn (Rep-
tiliengehirn) diese Situation automatisch als lebensbedrohliche Situation
und zwingt den Trader im Zweifelsfall, durch unlogisches Verhalten ins Ge-
schehen einzugreifen. Im Nachhinein bewertet der Trader diese Reaktion als
unsinnig und kontraproduktiv zu seiner eigentlichen Absicht, profitabel zu
traden.
Auch andere typische Verhaltensweisen beim Traden werden oft durch Stress
verursacht: Mit Spontan-Trades Verluste ausgleichen zu wollen, Stopps
wahllos zu versetzen, zu löschen oder gar nicht erst zu platzieren. Gedank-
liches Einsinken in den Chanverlauf und dadurch den Gesamtüberblick zu
verlieren. Umherspringen in den verschiedenen Zeiteinheiten, auf der Suche
nach Chancen - statt Chancen auf Grundlage seines Regelwerks zu suchen.
Trading & Stress I 209
Sähe man einem Trader, der sich im erhöhten Stresszustand befmdet, bei
seiner Arbeit zu, könne man leicht den Eindruck gewinnen, da sitzt jemand
wie ferngesteuert an seiner Trading-Plattform. Stress verleitet uns nämlich
zu Handlungen, die von alten Gewohnten und oft kindlichem Verhalten
geprägt sind. Deshalb ist es gerade zu Beginn so wichtig, das Trading-Hand-
werk so professionell wie möglich zu lernen. Denn in Stresssituationen greift
das Gehirn gern auf altbekannte oder unsinnige Verhaltensweisen zurück.
Hat man sich als Trading-Anfänger etwa angewöhnt, Stopps in Notsituatio-
nen einfach zu löschen, um nicht zu riskieren, ausgestoppt zu werden, kann
diese für das Gehirn sehr bekannte nNotlösung« bei Stress schnell wieder
aktiviert werden.
Das Tragische ist, dass diese Handlungen unbewusst passieren. Noch bevor
wir uns über die Tragweite dieser Aktion im Klaren sind, haben wir ins Sys-
tem eingegriffen und sind auch noch überzeugt davon, richtig gehandelt zu
haben. Es gibt zahlreiche Beispiele, in denen Stress die Ursache für Fehl-
verhalten mit katastrophalen Folgen war. So hatte etwa der sehr erfahrene
Kapitän der Titanic kurz vor der schweren Kollision mit einem Eisberg bei
seinem Ausweichmanöver die Geschwindigkeit seines Ozeanriesen stark ge-
drosselt. Es ist jedoch ein ungeschriebenes Gesetz in der Schifffahrt, dass
man bei Schiffen dieser Größe die hohe Geschwindigkeit beibehält, damit ein
Ausweichen in einer Gefahrensituation überhaupt möglich ist.
Es sind vor allem die physischen und psychischen Reaktionen, die anzeigen,
dass man überfordert ist. Typische Anzeichen von Stress beim Iraden sind:
21 0 I Stress erkennen und besiegen
1. Häufige Fehlentscheidungen
2. Starke Angstgefühle
3. Innere Anspannungen
4. Nervosität
5. Entscheidungsunfähigkeit
6. Überreaktion
7. Andauernde Erschöpfungszustände
8. Traurigkeit/anhaltende Hoffnungslosigkeit
9. Kopfschmerzen
10. Verspannungen
11. Rückenschmerzen
12. Rückzug
13. Nachtschweiß
14. Schlafstörungen
15. Unregelmäßiges Essen
16. Bauchschmerzen
17. Übelkeit
18. Herzprobleme
19. Zu viel rauchen/trinken
20. Suchtsymptome
Nicht nur das Iraden selbst kann Ihnen Stress verursachen und Ihre Han-
delsentscheidungen beeinflussen. Auch problematische Ereignisse aus Ihrem
Umfeld wie Familie, Partnerschaft, Beruf, Nachbarschaft, fmanzielle Nöte,
Krankheiten usw.
Bei Dauerstress besteht die Gefahr, wegen kleiner Auslöser stark zu überre-
agieren. Eine >>Alles oder nichts-Mentalität« tritt auf. Der Trader will dann
nur noch recht haben und geht unbedacht hohe Risiken ein. Manchmal büßt
er so die Gewinne von Wochen und Monaten binnen Kürze wieder ein. Mit-
unter wird durch diesen Stressauslöser sogar ein Totalverlust des Kontos ver-
ursacht.
Vollkommen frei von Stress zu sein ist beim Trading wiederum kaum mög-
lich und auch nicht erstrebenswert. Wissenschaftler haben bewiesen, dass
ein zu niedriger Stresslevel hinderlich für das Erreichen unserer Ziele sein
kann. Durch Stress entsteht im Menschen das Gefühl, lebendig zu sein, am
Leben teilzunehmen, etwas aktiv zu gestalten. In unserer Kultur gehört Stress
durchaus zum Streben nach Erfo lg dazu. Die Dosis macht den Stress und
Trading & Stress I 21 I
diese ist bei jedem unterschiedlich. \ ichtig ist, eine Balance zu schaffen, in
der Dauerstress keine Chance hat.
Hilfreich ist ein persönlicher Suesstest, der Ihnen herauszufmden hilft, was
Sie in Stress versetzt. Dazu können Sie sich folgende Fragen beantworten:
Starker Stress kann aber auch schon durch einen Computerausfall ausgelöst
werden, sodass Sie nicht mehr in der Lage sind, Ihre offenen Positionen zu
managen. Kürzlich erzählte mir ein Trader, dass er seinem Mitarbeiter während
der Mittagspause per Telefon eine Order aufgab. Dieser verwechselte Kurs und
Stückzahl miteinander. Als der Trader ins Büro zurückkam, sah er das Desaster.
Auf seinem Konto war ein Minusbetrag von 340.000 Euro aufgelaufen. Dieser
Betrag überstieg seine gesamten Gewinne und Rücklagen der letzten Jahre.
212 I Stress erkennen und besiegen
Überlegen Sie vorher, wie Sie auf solche und ähnliche Geschehnisse reagieren
werden, und erstellen Sie einen entsprechenden Notfallplan.
Es ist sehr nützlich, seine Auslöser für Stress genau zu kennen. So haben Sie
die Möglichkeit, sie gezielt anzugehen. Irading-Fehler, die durch Stress aus-
gelöst werden, rauben Ihnen ein großes Stück ihrer Performance! Hier einige
Ideen, wie Sie Ihre Stressauslöser besser kennenlernen können:
Beispiele:
Ich unter Zeitdruck bin. Viel Volatilität im Markt herrscht. Ich mehrmals
ausgestoppt worden bin. Ich sehe, dass mir der Kurs schon ))weggelaufen« ist.
Beispiele:
Ich unbedingt gewinnen will. Ich zu hohe Positionen trade. Ich verschiedene
Systeme oder Märkte gleichzeitig handle.
Beispiele:
Mache ich viele Minus-Irades. Kann ich Verluste nicht gelassen wegstecken.
Springe ich schnell unbedacht in einen neuen Irade. Werde ich unkonzen-
triert. Irade ich zu viel. Werde ich wütend und gerate in Selbstsabotage-
Attacken.
Erstellen Sie für diese Punkte eine Liste, schreiben Sie sich anschließend Bei-
spiele auf, wie Sie gegen diese Stressauslöser gezielt vorgehen werden.
6.5 Stressverstärker
Es kann Sie auch Kraft kosten, wenn Sie Ihre Leistungsgrenzen nicht respek-
tieren. Einige Trader schaffen nun mal mehr als andere. Hören Sie auf, sich
mit anderen zu vergleichen. Vergleich verursacht Stress!
Stress wird bei einigen auch eingesetzt, um seelische Zustände, die sie nicht
spüren wollen, zu verdrängen. Dann wird unbewusst vom Trader Druck ge-
macht, um die eigene innere Leere, die Gefühle von Hilflosigkeit, Sinnlo-
sigkeit oder Einsamkeit nicht zu spüren. Hier ein Beispiel für einen inneren
Konfliktgedanken: ))Wenn ich viel trade und mit dem Markt kämpfe, brauche
ich meine Unfähigkeit - ein System diszipliniert zu traden - nicht spüren.«
Auch die ständige Aufnahme von Informationen aller Art - diverse Kurse
checken, Chartformationen anderer Trader suchen, Börsenbriefe abgleichen,
Artikel und Kommentare lesen, Foren auf neue Handelssysteme überprüfen
- erfordert enorm viel Aufmerksamkeit. Ständiges Überinformiertsein führt
zu Stress. Dahinter verbirgt sich oft der Wunsch nach Sicherheit. ))Wer viel
weiß, der macht auch keine Fehler!« Gleichwohl sorgt aber gerade die Ver-
tiefung des eigenen Systems für Ruhe und Gelassenheit und Sie gewinnen so
die gewünschte Sicherheit
Je schwerer es für einen Trader wird, seine Ziele zu erreichen, desto stärker
empfmdet er sie als Bedrohung. Wenn dies geschieht, ist es angebracht, sei-
ne Ziele zu überprüfen. Sind Ihre Ziele wirklich realistisch? Wenn Sie un-
realistische Renditeerwartungen haben, dann setzen Sie sich damit enorm
unter Druck. Jeder Irade muss dann gelingen, damit Sie Ihr Ziel erreichen.
Verluste werden überbewertet und müssen vermieden werden. Viele Trading-
Anfanger wollen die Trad in<1-Z iele von Profi-Tradern erreichen. Das ist zum
Trading & Stress I 215
Scheitern verurteilt, weil sie die Fähicrkeiten der eigenen Persönlichkeit nicht
berücksichtigen.
Die Unerreichbarkeit von Zielen, Wünschen und Bedürfnissen, wie etwa fi-
nanzielle Unabhängigkeit, vom Trading leben oder selbstbestimmtes Arbei-
ten, verwandelt sich bei zunehmender Erfolglosigkeit mehr und mehr in Ge-
fühle wie Frustration, Hoffungslosigkeit und Stress. Der Mangel an Kontrolle
())Schon wieder ausgestoppt«), die unzureichende Belohnung ())Immer verliere
ich nur<<) sowie das Fehlen von Fairness ())Jetzt arbeite ich schon so intensiv
und habe trotzdem keinen Erfolg«) können zu starken Stressoren werden.
Konzentrieren Sie sich auf ein Handelssystem, das zu Ihnen passt, und fmden
Sie heraus, wie viel Rendite es erwirtschaftet. Zäumen Sie das Pferd nicht
von der falschen Seite auf, indem Sie einen Handelsstil eines anderen Tra-
ders nachtraden, nur weil dieser eine hohe Rendite erwirtschaftet. Sie wer-
den dann die ganze Zeit bewusst oder unbewusst in Konkurrenz mit diesem
Trader und seiner Rendite stehen. Das ist das Gegenteil eines entspannten
Handels! Und was werden Sie tun , wenn das System dieses Traders nicht
mehr funktioniert? Er hat vielleicht schonjahrelange Erfahrungen und kennt
die Schwächen seines Handelssystems. Doch Sie müssen dann hilflos mit-
ansehen, wie Ihr Konto den Bach runtergeht!
6.7 Stresssymptome
Jeder Mensch hat seine eigenen Schwachstellen. Das gilt auch für Stresssymp-
tome.
Während der eine durch starke Beanspruchung Probleme mit dem Herzen
bekommt, leidet ein anderer unter Körperverspannungen oder Unwohlsein im
Magen. Oft zeigt sich, dass lang anhaltende Belastungen körperliche Proble-
me verursachen. Bei sehr großem Stress kann das auch zu Panikattacken füh-
ren. Diese werden begleitet von Herzrasen oder dem Gefühl von Herzinfarkt,
Schwindel, Schlaflosigkeit, Kopfschmerzen, Unsicherheit und Angstgefühlen.
Sollten Sie solche Symptome an sich feststellen, suchen Sie bitte unbedingt
einen Arzt auf und stellen Sie das Trading vorerst ein.
216 j Arousal
Körperliche Stresssymptome
Psychische Stresssymptome
6.8 Arousal
Arousal ist eine Stressskala, an der Sie erkennen können, in welchem Bereich
sich Ihr Stressniveau befindet. Verläuft das Arousal im unteren Drittel der
Skala, sind Sie eher antriebsl os. Verläuft das Niveau in der Mitte, ist es opti-
mal. Befmden Sie sich mit Ihren alltäglichen Anspannungen im oberen Drittel
sind Sie im Dauerstress (Cortisolstress). Kommt dann noch ein kleines Ereignis
hinzu, dass sie psychisch überfordert, kann es zu einem Stresspeak (Adre-
nalinstress) kommen. In solchen Momenten neigt der Trader dazu, dass sich
seine Handlungen verselbstständigen, er unreflektiert und unlogisch handelt.
Trading & Stress I 217
zu niedrig
6.9 Stresspeaks
gen beherrschen. Dann sind Sie vollkommen unabhängig und können Teile
davon zu jeder Zeit, auch während des Tradings, anwenden. Ich gehe später
noch vertiefend auf das Coaching-Programm für Trader ein.
Regelmäßiger Sport oder Yoga ist ebenfalls eine gute Möglichkeit, einen see-
lischen Ausgleich zu fmden. Natürlich sind auch andere Hobbys gut geeignet,
um sich vom Stress zu befreien: musizieren, singen, Rad fahren, lesen, wandern
etc. Langes Surfen im Internet oder Online-Videospiele gehören nicht dazu.
6.11 Bauchgefühl/Intuition
Von klein auf werden wir in der westlichen Hemisphäre darin geschult, lo-
gisch und rational zu handeln. Das Ergebnis: Wir entwickeln uns zu den
brillant denkenden Kopfmenschen, die es jedoch verlernt haben, auf ihre
innere Stimme zu hören. Rationale Erklärungen sind uns eben vertrauter und
angenehmer als das Eingeständnis, dass Gefühle unsere Handlungen steuern.
Denn Intuition wird meistens als instinktives Erfassen oder als gefühlsmäßige
Ahnung wahrgenommen.
Beim Trading ist es dasselbe. Je mehr Erfahrungen Sie beim Trading sammeln,
desto stärker wird Ihr Gefühl für die weitere Entwicklung der Kursverläufe. Es
liegt dann an Ihnen, ob Sie diesen Empfindungen Raum geben. Wenn ich heute
Trading & Stress I 219
die Kursverläufe der Charts beobachte, dann bekomme ich nach großen Be-
wegungen das Bild einer Soldatentruppe, die sich versammelt. Sie stehen eine
Zeitlang unruhig auf der Stelle, um dann alle alsbald in die entgegengesetzte
Richtung zu rennen. Am Anfang meines Tradings hätte ich nicht gedacht, dass
es so etwas wie Ahnungen gibt. Heute weiß ich, dass auch ich Intuitionen habe
- weil ich Erfahrungen gesammelt habe. Denn Intuition ist Wissen aus dem
Unbewussten, durch Wiederholung erlernt. Aber Vorsicht! Auch Intuition ist
keine Garantie für hundertprozentige Kursvorhersagen!
Der Satz ))Du bist, was du isst« gilt auch für das Thema Trading & Stress.
In Stressmomenten greifen wir meist schnell zu ungesunden Sachen: Chips,
Schokolade, Cola, Pizza. Gesünder ist es, den Körper mit dem zu versorgen,
was ihm in Stresssituationen wirklich hilft.
Die moderne Wissenschaft weiß heute, wie wichtig Glukose (Zucker) für un-
ser Gehirn ist. Etwa bis zu ein Drittel unserer täglichen Glukosezufuhr nimmt
unser Gehirn für seine Arbeitsleitungen in Anspruch. Den Rest überlässt es
den Organen und Muskeln. Bei Nahrungsknappheit kann sich das Verhältnis
noch enorm verändern, denn das Gehirn verhält sich dann egoistisch und
beansprucht den Großteil der Glukose für sich. In unserem Körper regiert das
Gesetz: Das Gehirn zuerst!
Besser sind Getreideprodukte wie z.B. Hafer, ein klassisches gehim- und
nervenstärkendes Getreide, Kartoffeln, Obst, Gemüse. Mit dem Anstieg von
Stress steigt auch der Proteinbedarf: Fisch, fettarmes Fleisch, Milch- oder
Sojaprodukte, Hülsenfrüchte können hier helfen. Unser Gehirn braucht auch
Flüssigkeit, um konzentriert arbeiten zu können. Täglich zwei Liter sind ein
Muss! Am besten gutes Mineralwasser, verdünnte Säfte ohne Zucker oder
220 j Der Mythos vom Dax-fahrplan
Kräutertees. Ideal sind auch Ginseng oder Ingwerwasser. Kaffee oder Tee ma-
ximal zwei Tassen pro Tag.
sehe Analyse, scheinen das auch zu ermöglichen. Jedenfalls lassen das einen
die Analysten glauben. Damit nähren sie beim Trader den Wunsch nach Si-
cherheit. Realistisch ist das nicht und machbar schon gar nicht. Sicher ist an
der Börse, dass nichts sicher ist!
Den Dax nach Fahrplan gibt es genauso wenig wie Kurse, die wie auf Schie-
nen laufen. In der Nachbetrachtung scheint das zwar möglich, aber hinter-
her ist jeder schlauer. Auch Dax- oder Zeitpunktgenaue Kursprognosen sind
letztlich reine Glückssache. Die Fahrpläne für Kursabläufe sind mindestens
so unzuverlässig wie die der Bahn. Nur eines ist sicher: Die Kurse verlaufen
aufwärts, seitwärts und abwärts. Ich zeige Ihnen gleich, wie Sie selbst mit
solchen Vorhersagen zum Börsenmeister werden können.
Menschen neigen dazu, positive wie negative Annahmen aus der Vergan-
genheit in die Zukunft zu projizieren. Das suggeriert ein Gefühl von Si-
cherheit. Sie glauben an das, wovon sie selbst überzeugt sind, und sie su-
chen unbewusst nach Informationen, die ihre eigene Meinung bestätigen.
Doch nur weil ein Fonds die letzten fünf Jahre eine bessere Performance
erwirtschaftet hat als der Dax, ist das keine Garantie dafür, dass er dies
auch im nächsten Jahr schaffen wird. Banken und Vermögensberater wol-
len uns das gerne glauben machen, aber die wollen meist auch nur Ihr
bestes - Ihr Geld!
Was eben noch gleichmäßig in die eine Richtung verlief, kann im nächsten
Moment schon die andere Richtung einschlagen. So funktioniert die Börse.
Die meiste Zeit verhalten sich die Kurse an den Märkten wie ein Herings-
schwarm.
Natürlich kann es sein, dass ein Analyst immer mal eine Glückssträhne mit
seinen Prognosen hat, aber keiner kann die Kurse dauerhaft voraussagen. Ich
zeige Ihnen, wie einfach diese scheinbare Sicherheit von Vorhersagen erzeugt
werden kann. Stellen Sie sich vor, Sie verschicken 100.000 Börsenbriefe. In
50.000 Briefen behaupten Sie, dass der Dax in diesem Monat steigen wird. In
den anderen 50.000 Briefen behaupten Sie, dass der Dax am Monatsende auf
jeden Fall tiefer stehen wird.
Der Monat ist vorbei und die eine Hälfte Ihrer Börsenbrief-Leser ist erfreut
über die genaue Prognose. Nun teilen Sie diese 50.000 Leseradressen erneut
auf. Wieder bekommt die eine Hälfte eine Prognose über einen positiven
222 I Nichts ist unmöglich
>>Nichts ist unmöglich«, diesen Satz benutzte einst ein japanischer Autoher-
steller als Werbespruch für seine Fahrzeuge. Er wurde auch zum Leitspruch
des Unternehmens und machte es zum größten Autohersteller der Welt.
Was erfolgreiche Trader von erfolglosen Tradern unterscheidet, ist ihr Ehr-
geiz. Wenn Sie an sich glauben, dann schaffen Sie das scheinbar Unmögliche
- ein erfolgreicher und dauerhaft profitabler Trader zu werden. Was Sie dafür
brauchen, ist der unermüdliche Wille und die Bereitschaft, sich zu verbessern
und zu steigern, die Konsequenzen dafür auszuhalten, die Kraft zum Durch-
halten aufzubringen sowie sich die richtigen Informationen von erfahrenen
Prof1s zu besorgen. Dann, versichere ich Ihnen, werden Sie es schaffen!
7. Das Selbsthilfe-Programm für Trader
1. Disziplin
2. Disziplin
3. Disziplin
Prof1-Trader bestätigen die ersten drei Punkte immer wieder. Aber natürlich
beinhaltet professionelles Trading weitere Gesichtspunkte wie zum Beispiel:
Die ersten fünf Punkte dieser Liste sind vermutlich in etwa einem Jahr erlern-
bar. Am schwersten ist der letzte Aspekt: ))Die Bereitschaft, aktiv an seiner
Persönlichkeit zu arbeiten«. Natürlich zeigt sich diese Bereitschaft auch schon
bei den zuvor genannten Punkten. Denn wer nicht bereit ist, herauszufmden
wie Profls im Markt agieren, der verzögert unnötig seinen Entwicklungs-
prozess und verursacht dadurch vermeidbare Verluste. Dasselbe gilt für das
Geldrisiko. Es braucht den unbedingten Willen, mit einem für sich stimmigen
Risiko- und Geldmanagement zu traden. Wer nur wild und planlos drauf-
lostradet und sich kein profitables und getestetes Regelwerk ausarbeitet, der
sucht den Erfolg auf gut Glück. Es braucht Ausdauer und Engagement, ein
gutes Handelssystem zu erarbeiten- und Mut ! Denn unbewusst schwingt im-
mer die Angst mit, dass man dieses Regelwerk nicht für sich fmdet, weshalb
224 I Das Selbsthilfe-Programm für Trader
Auch der vorletzte Aspekt erfordert eine bewusste Einstellung: Sich und seine
Irades ständig zu überprüfen, um sicher zu sein, dass alle Parameter noch
stimmen. An den Trading-Aufzeichnungen scheitern die meisten Anfänger.
Wer sich also auf den Weg macht, ein erfolgreicher Trader zu werden, der
macht sich in erster Linie auf den Weg zu sich selbst! Denn Trading bedeutet
vor allem Selbsterkenntnis und Persönlichkeitsveränderung: bereit zu sein,
die wichtigsten Punkte dieser Arbeit zu verstehen, sie professionell anzuwen-
den, und den Willen aufzubringen, die unbequemen Konsequenzen dieses
Weges durchzustehen. Ich sehe Iraden-Lernen als ein Selbstcoaching-Pro-
gramm. Denn ohne die Bereitschaft, dauerhaft an sich zu arbeiten, werden
Sie es nicht schaffen. Sonst bleibt erfolgreiches Trading nur Glücksspiel. Das
hat es dann mit allen anderen Berufen auf dieser Welt gemeinsam, die nicht
professionell und praxisnah gelernt wurden. Oder würden Sie sich von je-
mandem am Herzen operieren lassen, der vorher nur ein paar Bücher dazu
gelesen hat und im Internet einige Webinare angesehen hat? Trading hat so
die Qualität eines Hobbys, mit denselben Ergebnissen. Ganz nach dem Motto:
))Schau mal, ich habe meine Wohnung komplett selbst renoviert!« Antwort:
))Ja, sieht man!« Sie sollten den oft steinigen Weg, der diese Selbstausbildung
mit sich bringt, nicht unterschätzen. Sie sind Schüler und Lehrer in einer
Person. Und Sie müssen dabei auch noch die Disziplin und den Mut aufbrin-
gen, sich selbst zu kontrollieren, sich zu maßregeln, um sich danach auch
wieder selbst zu motivieren. Es ist fast so, als würden Sie als Hobbysportler
versuchen, sich zum Olympiasieger zu entwickeln, ohne professionelle Hilfe!
einem Satz zusammen, daraus werden mehrere Sätze, dann komplexe Inhalte.
Sie beginnen sie zu sprechen und erweitern Ihr Wissen immer mehr. Am Ende
können Sie perfekt in dieser Sprache kommunizieren und erleben über das
Feedback der anderen, ob Sie alles richtig gemacht haben.
Der Mensch hat in seinem Gehirn eine Unmenge an inneren Bildern und die
dazugehörigen Emotionen abgespeichert. Denken Sie an die Terroranschläge
des 11. September auf das World Trade Center. Sie haben sofort eigene Bilder
dazu präsent. Menschen nehmen Informationen vor allem visuell auf, das
haben Forscher in jüngster Zeit erneut bestätigt. Wir erfassen Zusammen-
hänge am besten über Bilder. Jeder von uns macht es eigentlich täglich, ohne
sich dessen bewusst zu sein. Innere Bilder sind Vorstellungen, die wir in uns
tragen. Sie bestimmen maßgeblich unser Denken, Fühlen und Handeln. Der
Mensch nutzt diese Bilder für seine Ideen und Visionen, für das, was er er-
strebenswert fmdet und was er vielleicht einmal in seinem Leben erreichen
will.
Wer schon einmal einen Trance-Zustand erlebt hat, der weiß, wie es ist, wenn
scheinbar aus dem Nichts plötzlich Bilder in sein Bewusstsein aufsteigen.
Manchmal erlebt man solche Momente auch kurz vor oder nach dem Schlaf.
Diese inneren Bilder kommen aus dem sogenannten Unbewussten. Auch
Träume sind innere Bilder. Es sind im Gehirn abgespeicherte Realitäten. Sie
helfen uns bei der Orientierung in unserem Leben. Wir nutzen sie auch, um
Handlungen zu planen oder in die Zukunft zu blicken. Durch innere Bilder
gleicht der Mensch seine eigene Vorstellung von den Dingen und der Welt
ab. Sie geben ihm Halt und Richtung. Grundlage für innere Bilder können
biologische Konditionierungen sein, persönliche Überzeugungen oder kultu-
relle Werte. Alles kann unser Wesen bestimmen und damit unsere Weltsicht
beeinflussen.
Innere Bilder werden auch sehr wirkungsvoll zur Unterstützung von Hei-
lungsprozessen benutzt oder um erwünschte Ziele zu erreichen. Dabei helfen
uns die sogenannten Spiegelneuronen. Das menschliche Gehirn kann bei in-
neren Bildern nämlich nicht zwischen Fiktion und Wirklichkeit unterschei-
den. Stellen wir uns eine Situation vor, so werden im Gehirn dieselben Areale
aktiviert, als würden wir die Situation wirklich erleben.
226 j Die Macht der Suggestionen
Suggestionen sollen eine Person nicht von etwas überzeugen, das nicht
wahr ist, sondern sie zu dem befähigen, was ihr möglich ist. Sie nutzen
also mit Suggestionen bereits vorhandene Fähigkeiten und vorhandenes
Wissen. Suggestionen können den Glauben, dass etwas unmöglich sei, auf-
lösen und die Überzeugung wecken, dass es doch möglich ist. Eine Sug-
gestion ist ein Vorschlag, der umgesetzt wird, weil er überzeugt. Und dieser
Vorschlag wird vom Klienten umgesetzt, weil ihm die Suggestion überzeu-
gend erscheint.
macht mobil ... « oder in der Politik: »Die Renten sind sichere<, oder in zahlrei-
chen Schlagzeilen in den Print-Medien. Ihre Wirkungskraft ist umso größer,
je intensiver die emotionale Verbindung ist. Eine besonders starke Beeinflus-
sung erfahren wir deshalb durch unsere Mitmenschen: Eltern, Familienmit-
glieder, Nachbarn, Kollegen, Freunde und Partner. Was uns eingeredet wird,
setzt sich irgendwann als Überzeugung fest und wir denken gar nicht mehr
über den Wahrheitsgehalt der Aussagen nach.
Beeinflussungen finden aber nicht nur über andere statt, sondern auch durch
uns selbst. Der Mensch erschafft durch seine eigene Weltsicht ein globales
Meinungsbild von sich und von anderen. Daraus entwickelt er sein persönli-
ches Selbstbild, aus dem heraus er denkt, fühlt und handelt. Bewusst oder un-
bewusst lebt er auch seine negativen Überzeugungen: ))Ich kann nichts«, ))Ich
habe keine Disziplin«, ))Ich habe kein Selbstbewusstsein«, ))Aus mir wird nie
etwas<<, 11/ch bin ein ängstlicher Mensch<<, 11Die anderen mögen mich nicht<<,
11lch bin zu blöd für das Trading«. Sie kennen solche oder ähnliche Sätze
vielleicht auch von sich. Sie sind unsere inneren Begrenzungen. Sie geben
unserem Leben eine Richtung, die Erfolg verhindert. Denn unser Denken be-
stimmt unsere Handlungen, unsere Lebensgeschichte.
Ob durch Kindheit, Konsumwelt oder Medienmüll, von allem werden wir be-
einflusst, meist ohne es zu merken. Durch positive Suggestionen können wir
diesen negativen Beeinflussungen etwas entgegensetzen. Wer sich mit ihrer
Hilfe eine Richtung gibt, der geht sein Leben zielorientiert und erreicht seine
Lebensziele einfacher und schneller, das gilt auch fürs Trading. Sie können
negative Glaubensmuster mithilfe von Suggestionen in positive Überzeugun-
gen umwandeln. Spüren Sie dazu genau in sich hinein und formulieren Sie
klare, einfache und kraftvolle Sätze, von denen Sie bedingungslos überzeugt
sind. ))Ich folge meinem Handelsplan, wie eine Kerze der nächsten folgt!<< 11Der
Erfolg ist schon da - wunderbar!« Je bildlicher Sie Ihre positiven Suggesti-
onen formulieren, umso wirkungsvoller sind sie. Denn unser Unbewusstes
kommuniziert in Bildern. Suggestionen sind deshalb so machtvoll, weil sie
direkt an das Unbewusste gerichtet werden. Je mehr es Ihnen gelingt, ihr Un-
bewusstes mit positiven, zielgerichteten Suggestionen beim Trading zu un-
terstützen, desto schneller und wirkungsvoller erreichen Sie Ihre gewünsch-
ten Ziele. Profi-Trader wissen, wie einschränkend Denk- und Glaubensmuster
beim Iraden sein können, und arbeiten deshalb konzentriert an der Maxime:
))Ich trade, was ich sehe, nicht, was ich denke.<<
228 I Hypnose
7.3 Hypnose
Normalerweise gelangt alles, was wir zuerst wahrnehmen, nach hinten ins
Gehirn, zur Sehrinde, und erst anschließend nach vorne zur bewussten Ent-
scheidung ins Stirnhirn. Das bedeutet, dass alles gedanklich kontrolliert wird.
Unter Hypnose oder im Trance-Zustand gelangt das Gehörte, also die Sug-
gestion, ungefiitert nach vorne ins Gehirn und erst dann nach hinten, ohne
dass es kritisch kontrolliert wird.
Menschen vermuten nach der ersten oder zweiten Sitzung nicht, dass sie
hypnotisiert wurden. Der Grund dafür ist, dass ihnen der Bewusstseinszu-
Das Selbsthilfe-Programm für Trader J 229
stand durchaus vertraut ist, sie aber, beeinflusst durch die Medien, eine an-
dere Vorsteilung vom Hypnosezustand haben. Jeder kennt Trancezustände,
täglich erleben wir sie in zahlreichen Momenten unseres Alltags, sie werden
nur nicht mit Hypnose in Verbindung gebracht Das kann das konzentrierte
Fahren auf der Autobahn sein, das Warten an einer roten Ampel oder versun-
kenes Lesen eines spannenden Buches.
Hypnose ist keine Form von Schlaf, auch wenn es häufig so aussieht Das
Gehirn befindet sich im hypnotischen Zustand in einer lebhaften Wachsam-
keit, bei dem bestimmte Gehirnprozesse allerdings anders ablaufen als im
bewussten Erleben.
Die moderne Hypnose und Hypnotherapie wurde insbesondere von dem ame-
rikanischen Psychiater und Psychotherapeuten Milton Erickson geprägt Er
konzentrierte sich mehr auf die tatsächlichen Belange des Klienten. Ziel ist
dabei die Aktivierung der Fähigkeiten und Ressourcen des Klienten. So ent-
steht eine kommunikative Kooperation von Therapeut und Klient Der Hyp-
notherapeut nutzt hierfür Metaphern, Sprachbilder, Analogien und Wortspie-
le, um im Klienten in Trance neue Ideen und Lösungsmöglichkeiten für seine
Probleme anzuregen. Im Vordergrund dieser Methode steht, dass der Klient
vor allem seine Lösung für sein Problem selbst fmdet Die Kontrolle darüber,
welche dieser Ideen angenommen und genutzt werden, bleibt vollkommen
dem Klienten selbst überlassen.
zuleiten und zu führen. Denn alle Menschen tragen die Fähigkeiten in sich,
Stress abzubauen, Angst zu überwinden und erwünschte Gewohnheiten zu
forcieren. Blitzhypnose, wie man die Showhypnose auch nennt, ist bisher
keine anerkannte Heilmethode.
Selbsthypnose
Bei der Arbeit mit Selbsthypnose können Ihnen zwei Methoden helfen, Ihre
Ziele zu erreichen: Entweder Sie malen sich den Weg zu Ihrem Ziel aus oder
Sie stellen sich vor, wie Sie Ihr Ziel bereits erreicht haben. Beides ist gleich
wirkungsvoll. Probieren Sie beide Varianten aus und nehmen Sie die, die
Ihnen besser entspricht.
Achten Sie bei Ihren Suggestionen auch darauf, dass Sie so viele Sinne wie
möglich ansprechen. Je lebhafter und intensiver, desto wirkungsvoller. An-
fangs wird das für Sie vielleicht noch etwas ungewohnt sein. Doch je häu-
figer Sie sich in Selbsthypnose versetzen, desto einfacher und leichter wird
Ihnen diese Übung fallen. Bevor Sie loslegen, nehmen Sie sich ein paar Mi-
nuten Zeit und schreiben auf, welches Ihre Ziele sind. Selbsthypnosen sind
einfacher, wenn man seinen roten Faden, den man in der Trance-Arbeit ver-
folgen möchte, schon kennt.
23 2 I Hypnose
Damit Sie sich selbst in eine Hypnose begeben können, benötigen Sie zu-
nächst einen ruhigen und privaten Ort. Achten Sie darauf, dass Sie sich sicher
und vor allem ungestört fühlen. Später, wenn Sie geübter in der Selbsthypno-
se sind, werden Sie in der Lage sein, an fast allen Plätzen in Trance zu gehen.
Es wird Ihnen dann sogar leichtfallen, äußere Geräusche und Ablenkungen
zur Trance-Vertiefung zu nutzen.
Reservieren Sie sich für Ihre Selbsthypnose einen bestimmten Zeitraum. Ver-
abreden Sie sich sozusagen mit sich selbst zu diesem Termin. Es hilft Ihnen,
wenn Sie an die Hypnose mit der Einstellung herangehen, als würden Sie
auf Ihr Konto für positive Selbstveränderung einzahlen. Dafür gibt es keinen
»besten Zeitpunkt«. Experimentieren Sie mit Ihrer Trance-Arbeit und fmden
Sie so heraus, wann für Sie der optimale Zeitpunkt ist.
Planen Sie anfangs für eine Hypnosesitzung etwa 20 Minuten ein. Sie wer-
den mit der Zeit ein Gefühl dafür bekommen, wie lange Ihr innerer Rückzug
dauern sollte. Die Dauer wird hier maßgeblich von Ihren Zielen bestimmt.
Umso öfter Sie üben, desto schneller werden Sie in den gewünschten Trance-
Modus kommen und Erfolge erzielen. Sie werden erleben, wie einfach Sie die
Selbsthypnose mehrmals am Tag überall nutzen können und dass schon nach
einiger Zeit wenige Minuten dafür ausreichen, um erfolgreiche Ergebnisse zu
erzielen. Diese Mini-Trancen sollten Sie immer wieder trainieren und in Ihr
Leben einfließen lassen.
Das Selbsthilfe-Programm für frader I 233
Die meisten Menschen schließen bei der Selbsthypnose die Augen. Es funk-
tioniert aber genauso gut mit geöffneten Augen. Sie sollten dann allerdings
einen festen Punkt fixieren. Achten Sie auch hier möglichst auf wenig Ablen-
kung. Sollten sich jedoch Irritationen wie etwa Außengeräusche auftun, die
Sie nicht beeinflussen können, dann hilft meist schon ein Satz wie: ))Alle Ge-
räusche dürfen sein und bringen mich nur noch tiefer in meine Entspannung.«
Haben Sie eine gute Sitzposition eingenommen und Ihre Augen z.B. ge-
schlossen, dann nehmen Sie zunächst Kontakt mit sich auf. Spüren Sie, wie
Sie auf dem Stuhl sitzen, wie Ihre Füße den Boden berühren, Ihre Gliedma-
ßen den Stuhl. Nehmen Sie sich und Ihren Körper für einen Moment in Stille
bewusst wahr. Anschließend beginnen Sie mit der Atemübung: Atmen Sie in
aller Ruhe vier oder fünf Mal tief ein und wieder aus. Während der Einat-
mung zählen Sie dabei bis drei. Dann halten Sie Ihren Atem an und zählen
erneut bis drei. Nun atmen Sie aus und zählen bis sechs. Nun warten Sie ein
bis vier Sekunden und wiederholen diese Übung. Der Entspannungsprozess
kann durch kleine Sätze bei der Ausatmung wie etwa ))Ich entspanne mich
und lasse alles los« zusätzlich unterstützt werden.
Ich empfehle Ihnen, während dieser Atemübung ein inneres Bild kommen zu
lassen. Wählen Sie etwas aus, das zu Ihnen passt. Das kann zum Beispiel ein
stiller See sein, das Meer oder wehender Sand, der über eine Wüstenland-
schaft schwebt und sanft zu Boden sinkt.
der Selbsthypnose vorstellen, wie sich die Charts Ihrer Trading-Plattform öff-
nen und Sie gleichzeitig während dieses Vorgangs alle Ihre Ressourcen für
ein diszipliniertes Trading aktivieren. Bei häuf1ger Wiederholung dieser ziel-
gerichteten Suggestion wird das dazu führen, dass sich diese Eigenschaften
mit dem realen Geschehen automatisch verknüpfen. Mit dem Aufbau Ihrer
Charts auf dem PC-Bildschirm baut sich dann auch Ihre Disziplin auf.
Es ist auf jeden Fall sehr ratsam, sich eine posthypnotische Suggestion zu
geben, die Sie darin unterstützt, den Weg zur Trance zu verkürzen. Dazu
können Sie am Anfang Ihrer Selbsthypnose sich ein inneres Bild zur Akti-
vierung vorstellen, welches symbolisiert, wie Sie zügig in Trance kommen.
Zum Beispiel können Sie als Bild das bewusste Sitzgefühl im Körper, das Sie
wahrnehmen, wenn Sie sich in Selbsthypnose begeben, verwenden.
Während Sie sich Ihre inneren Zielbilder vorstellen, können Sie zusätzlich
unterstützende Sätze in Form eines Mantras aufsagen. Diese sollten immer
einfach, kraftvoll und positiv formuliert werden, zum Beispiel: ))Geduld führt
mich zu meinem Ziel - in der Ruhe liegt die Kraft.« Wiederholen Sie diese
kurzen, prägnanten Sätze etwa fünf bis acht Mal pro Sitzung.
Es empfiehlt sich, bei der Sprache der Suggestion Sätze zu verwenden, die
mit Ihnen und den erwünschten Zielen zu tun haben. Wählen Sie eine Bil-
dersprache, die eindeutig ist. ))Ich folge meinem Trading-Plan wie der Trend
seinen eindeutigen Bewegungen.«
Suggestionen formulieren
Beide Varianten erzeugen dieselbe Wirkung. Bemerken Sie, dass Sie auf eine
Formulierung besser reagieren als auf die andere, verwenden Sie nur diese.
Achten Sie darauf, dass Sie clie Suggestionen positiv formulieren. Worte wie
mein«, »nicht<<, ))keine« werden leicht vom Unbewussten ignoriert. Daher sind
Worte wie ))Ich bin ... «, ))Ich werde ... «, ))Ich sollte ... « wesentlich effektiver.
Das Selbsthilfe-Programm für Trader J 235
Nachdem Sie einen ruhigen Ort aufgesucht und einen bequemen Platz ein-
genommen haben, schließen Sie am besten Ihre Augen und führen sich
selbst in die Trance ein. Nehmen Sie dazu Kontakt mit Ihrem Körper auf und
praktizieren Sie eine aktive Entspannung. Beginnen Sie bei Ihren Füßen und
gehen sie dann gedanklich schrittweise jeden Körperteil durch, bis zu Ihrem
Kopf. Sagen Sie innerlich ruhig zu sich selbst: »Ich entspanne meine Füße,
meine Füße sind entspannt.« Usw. Fühlen Sie zu Ihren Füßen hin und ver-
suchen Sie, eine Entspannung wahrzunehmen. Sie können diesen Vorgang
auch dadurch unterstützen, indem Sie ihn mit ihrem Atemrhythmus kom-
binieren. Immer wenn Sie sich entspannen, atmen Sie dabei aus. Prüfen Sie
selbst, wie weit Sie mit der Körperentspannung gehen müssen, bis Sie eine
wohlige innere Schwere, den Trance-Zustand erleben. Manchmal reichen
wenige Minuten, manchmal braucht es länger. Sie können dann zusätzlich
Augen, Ohren, Kopfhaut, Lippen, die inneren Organe usw. entspannen. Sie
werden bemerken, dass sich dieser Entspannungsprozess mit der Zeit ver-
kürzen wird.
Eine andere Möglichkeit, in eine Trance zu gelangen, ist folgende: Mit ge-
öffneten Augen fixieren Sie einen Punkt in Ihrer Umgebung. Ihr Kopf sollte
dabei gerade und entspannt sein, schauen Sie möglichst geradeaus. Sagen Sie
sich dann innerlich auf, welche vier Dinge Sie aus dem unscharfen Umfeld
Ihres Blickfeldes wahrnehmen können, zum Beispiel: »Ich sehe eine silberne
Fläche, ich sehe ein blaues Quadrat, ich sehe eine Tasse, ich sehe ein Buch.«
Während Sie das tun, bleiben Sie ständig mit der Aufmerksamkeit bei Ihrem
fokussierten Ausgangspunkt. Suchen Sie mit Ihren Augen nicht die Dinge
auf, die Sie wahrnehmen. Dann sagen Sie sich vier Dinge, die Sie gerade
hören. Danach sagen sie sich vier Körperwahrnehmungen, die Sie spüren.
Danach machen Sie einen weiteren Durchlauf mit jeweils drei Dingen, die Sie
sehen, hören, fühlen. Dann mit zwei Dingen, dann mit einem. Wenn Sie im-
mer dasselbe wahrnehmen, dann zählen Sie es eben erneut auf. Meist werden
Ihre Augen schon nach kurzer Zeit müde und Sie möchten sie schließen. Tun
Sie es und machen Sie dann nur noch mit den anderen Wahrnehmungska-
nälen weiter. Sie werden feststellen, dass Sie schon bevor Sie bei eins ange-
kommen sind, in eine schwere Müdigkeit sinken. Dann sind Sie in Trance und
können mit Ihren Suggestionen und Visualisierungen weitermachen.
236 I Hypnose
Sie können sich auf unterschiedliche Art und Weise aus der Trance wieder
herausführen. Sagen Sie sich dazu zunächst Sätze wie diese: nlch weiß, dass
ich jederzeit auf meine Ziele hinarbeiten kann.(( nlch kann immer wieder an
diesen Ort der Entspannung zurückkehren.(( nDie Kraft meiner Visualisierungen
und Suggestionen bleibt bestehen, auch wenn ich nicht in Trance bin.(( nGanz
langsam, in kleinen Schritten, so wie es für mich richtig ist, werde ich nun
wieder in den Wachzustand zurückkehren. Dann werde ich vollkommen wach
und erfrischt sein. Ich zähle bis fünf und mit jeder Zahl werde ich einen Schritt
wacher und erfrischter sein: eins ... zwei ...drei ...vier ... fünf. Ich bin wach und
munter, ganz erfrischt.(( Nehmen Sie danach ein paar tiefe, erfrischende Atem-
züge und bewegen Sie Ihre Hände, Arme, Beine. Sein Sie mutig und experi-
mentieren Sie mit Ihrer Rückführung in den Wachzustand. Machen Sie es so,
dass es für Sie stimmig ist und Sie sich dabei wohlfühlen, dann ist es richtig.
Dass Sie in Trance waren, merken Sie daran, dass die erwünschten Wahrneh-
mungen, die Sie sich suggeriert haben, eingetreten sind. Die Arme werden
schwer, der Atem ruhiger etc. Auch ist die Zeitwahrnehmung meist ungenau,
wenn Sie sich in einer Trance befanden. Oft meint man, die Selbsthypnose sei
viel kürzer oder länger gewesen, als sie es tatsächlich war.
8. Denken hilft - manchmal
Mit dieser Übung kann der Trader leicht unrealistische Denkmuster, z.B. ))Ich
verliere immer nur« auf seinen Wahrheitsgehalt hin überprüfen.
Klient: Es hat alles keinen Sinn. Ich trade jetzt schon seit zwei Jahren und
komme überhaupt nicht voran!
Coach: Angenommen, Sie tragen Ihren Groll Auf einer Skala von 1 bis 10
ein - 10 bedeutet, dass es Ihnen sehr schlecht geht. An welcher Stelle in der
Skala befinden Sie sich mit Ihrem Groll?
Klient: Acht.
Coach: Was sind dabei Ihre schlechtesten Gedanken?
Klient: Dass ich meine Zeit nur verschwendet habe, dass ich viel Geld für
nichts und wieder nichts investiert habe. Aber auch, dass ich mich vor all
meinen Freunden blamiere. Ein Versager bin.
Coach: Was wäre in dem Zusammenhang das denkbar schlechteste Szenario
als Ausgang?
Klient: Ich werde immer wieder von meinen Freunden und meiner Familie
wegen meines Versagens aufgezogen, lächerlich gemacht, als Spinner titu-
liert.
Coach: Wie oft ist das bisher passiert?
Klient: Noch nie.
237
238 I Oie Übung des positiv-realistischen Oenkens
Coach: Wie realistisch ist es dann, dass Ihre Freunde und Familienmitglieder
Sie wirklich verächtlich als Versager und Spinner titulieren werden?
Klient: Ja, das ist wohl nicht so realistisch.
Coach: Auf einer Skala von 1 bis 10. Wie realistisch ist Ihre Befürchtung?
Klient: Eins.
Coach: Frage: Sie befürchten, mit Ihrem Trading überhaupt nicht voranzu-
kommen, obwohl Sie seit zwei Jahren traden. Stimmt das, sind Sie überhaupt
nicht vorangekommen, haben nichts, überhaupt nichts gelernt?
Klient: Doch.
Coach: Was genau haben Sie in den zwei Jahren gelernt?
Klient: Naja, technische Analyse, Markttechnik, Candlesticks, Moneyma-
nagement, Chance-Risiko- Verhältnis, Risikomanagement. Und sicher noch
einige Sachen mehr.
Coach: Stimmt dann Ihre Aussage, dass Sie nicht vorangekommen sind, über-
haupt nichts gelernt haben?
Klient: Nein, natürlich nicht.
Coach: Auf einer Skala von 1 bis 10. Was würden Sie sagen, wie viel haben
Sie gelernt?
Klient: Acht.
Coach: Was könnten Sie Positives über Ihre verzweifelte Situation denken,
jetzt, wo sie die realen Einschätzungen kennengelernt haben?
Klient: Dass das auch mal dazu gehört und dass alles nicht immer so genau
verläuft, wie ich es mir wünsche.
Coach: Noch etwas. Was ist mit dem Gedanken, dass alles keinen Sinn macht?
Klient: Klar, ich ärgere mich, aber ich kann auch dadurch lernen. Fehler ma-
chen immer Sinn. Davon kann ich ja nur profitieren.
Coach: Was könnten Sie stattdessen Positives über Ihre Situation denken?
Klient: Jeder benötigt seine eigene Zeit, um voranzukommen. Und ich kann
nicht erwarten, dass alles glatt läuft, ich ärgere mich ja auch über andere
Dinge in meinem Leben. Das gehört dazu und geht auch wieder vorbei.
Coach: Wie realistisch Ist nun Ihre Vorstellung, dass Sie ein Versager und ein
Spinner sind, dass Sie Ihre Zeit und Ihr Geld nur verschwenden: auf einer
Skala von 1 bis 10?
Klient: Zwei.
Wer im Trading erfolgreich ist, der hat vor allem eine Qualität: die Bereit-
schaft und den Willen, aus seinem Verhalten zu lernen und die Konsequen-
zen dafür zu übernehmen. Das erfordert viel Kraft und Motivation, denn
wer sich mit seiner Persönlichkeit konfrontiert, der wird sich auch seiner
Schwächen bewusst. Viele meinen, beim Trading liegt die größte Schwäche
darin, Geld zu verlieren. Doch Verluste gehören im Börsenhandel bekanntlich
unweigerlich dazu. Ich behaupte, die größte »Schwäche« (im positiven Sinne)
beim Iraden liegt darin, den Mut und die Kraft aufzubringen, sein Verhalten
zu verändern! Wer sich neue Verhaltensweisen antrainiert, der muss unwei-
gerlich auf die alten Verhaltensweisen verzichten . Dadurch entstehen teil-
weise enorme Widerstände. Es sind geradezu Entzugserscheinungen, wie bei
einer Sucht. Diese Widerstände auszuhalten und trotzdem den erwünschten
Eigenschaften zu folgen , darin liegt für einen angehenden Trader die größte
Herausforderung!
Der realistische Blick auf die eigenen Stärken und Schwächen machen den
Weg frei für die so notwendigen Erkenntnisse, die man braucht, um beim
Trading dauerhaft profitabel zu werden. Es ist jedoch wesentlich zeitinten-
siver und emotional anstrengender, an seinen Schwächen zu arbeiten, als
seine Stärken weiter auszubauen. Der nachweislich schnellere Weg zum Er-
folg ist deshalb, seinen Fokus auf seine Stärken zu richten. Fragen Sie sich:
240 j Was die Erfolgreichen erfolgreich macht
))Welches sind meine Talente, meine Fähigkeiten, was kann ich gut, was f;i.llt
mir leicht, was entspricht meiner Persönlichkeit, womit fühle ich mich bei
meinen Handlungen wohl?((
Wenn Sie diese Aspekte berücksichtigen, dann kommen Sie wesentlich ein-
facher und direkter ans Ziel. Wenn Sie zum Beispiel eher die Persönlichkeit
eines Positions-Traders haben, der viele Wochen oder Monate in einen Wert
investiert, dann hören Sie auf, mit aller Gewalt aus sich einen Scalp-Trader
zu machen, der im Minuten-Chart handelt, nur weil das vielleicht lässiger
wirkt oder ihm schnellere Gewinne verspricht. Sie müssen auch nicht mit
großem Geldrisiko traden, wenn Sie sich schlecht dabei fühlen. Keiner zwingt
Sie, unnütze Dinge zu tun - außer Sie selbst!
Erfolgreiche Menschen achten darauf, dass zu tun, was ihnen leichtfällt Sie
stärken ihre Stärken. Der Vorteil dabei ist, dass Sie tun, was Ihnen Spaß
macht. Und wenn Sie tun, was Ihnen Freude bereitet, dann werden Sie auto-
matisch motivierter, konzentrierter und disziplinierter sein. Also genau das,
was beim Trading so elementar wichtig ist!
Wenn Sie Ihre Talente fördern, dann werden Sie Begeisterung ernten. Arbeit
wird dann für Sie zur Leidenschaft und nicht zu einem quälenden Muss, dem
Sie täglich dienen. Sie agieren mit Lust und Freude statt mit Frust und Leid.
Genauso wenig macht es Sinn, Trader werden zu wollen, wenn Sie es allein
des Geldes wegen machen wollen. Ihnen müssen auch die Rahmenbedin-
gungen zusagen, die dieses Geschäft bietet: die selbstständige Arbeitswei-
se, Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen, Selbstreflektion
und persönliche Weiterentwicklung, der ständige Umgang mit Verlusten, ein
Denken hilft - manchmal j 241
großes Maß an Unsicherheit und die Bereitschaft, sein Denken und Handeln
an die Wesensart der Märkte anzupassen. Denn Trading ist auf gewisse Art
und Weise eine Form von Persönlichkeitsentwicklung. Wer dafür nicht offen
und nicht bereit ist, sich darauf einzulassen, der wird es schwer haben, hier
erfolgreich zu werden! Wer aber den Mut hat, sich beim Trading selbst zu
entdecken, und diese Erkenntnisse in seinen Börsenhandel einfließen lässt,
indem er sein Handelssystem vertieft, der wird zwangsläufig Erfolg ernten!
Wenn Sie sich einmal die Charts der letzten einhundert Jahre ansehen, dann
werden Sie erkennen, dass die Verläufe immer in die gleichen Richtungen
gehen: aufwärts, abwärts, seitwärts. Dennoch neigen viele dazu, den Börsen-
handel neu erfmden zu wollen. Ausgelöst wird dieses Bedürfnis vor allem
durch emotionale Unsicherheiten wie Angst und Stress. Statt die Lösung für
das Problem bei sich zu suchen, wird es im Handelssystem vermutet. Und um
der eigenen Unsicherheit Herr zu werden, entscheidet sich der ungeübte Tra-
der kurzerhand für ein neues Regelwerk. Doch viele Trader vor Ihnen haben
dieses Problem bereits gelöst. Es gibt nun zwei Entscheidungswege: Entweder
Sie versuchen, durch schmerzhafte Erfahrungen selbst auf die Lösung des
>>Rätsels Börse« zu kommen, oder Sie nutzen die Erfahrungen anderer, etwa
eines Coach. Die eine Variante kostet Geld für den Coach - die andere Vari-
ante bezahlen Sie mit Minus-Irades.
Eines ist gewiss: Die Lösungen für Ihre Trading-Probleme sind schon in Ih-
nen. Sie müssen sie nur in sich entdecken.
Wenn Sie eine Reise mit dem Auto antreten und die genaue Strecke zu Ihrem
Zielort nicht kennen, dann gibt es verschiedene Möglichkeit, anzukommen.
Sie könnten z.B. ein GPS benutzen, eine Streckenkarte oder andere befragen.
Sie könnten die Fahrt auch auf gut Glück antreten. Beim Trading entscheiden
sich viele für die letzte Variante. Sie müssen sich aber darüber im Klaren sein,
dass dann ein anderer am Steuer sitzen wird - Ihr Unbewusstes nämlich. Ob
Sie dann da ankommen, wo Sie hin wollen, das bleibt absolut offen.
Seien Sie der Schöpfer Ihres Trading-Erfolges und unternehmen Sie auch die
richtigen Schritte. Wenn Sie den Weg dorthin nicht kennen, dann fragen Sie
die, die schon dort angekommen sind. Manchmal kostet es etwas: Mut, Zeit,
Engagement oder Geld. Doch wer ankommen will, der fmdet einen Weg!
9. Jetzt ist Schluss - der Anfang
))Bleiben sie, wie sie sind!« Dieser Satz ist ein beliebter Abschluss für eine
Geburtstagsrede. Für den Beginn einer Trading-Karriere ist es der Tod.
Wenn Sie ein erfolgreicher Trader werden wollen, dann bleiben Sie nicht, wie
Sie sind. Das ganze Leben ist Veränderung, auch wenn wir das nicht wahrha-
ben wollen. Während Sie dieses hier lesen, wirft Ihr Körper in jeder Sekunde
Millionen Zellen ab und produziert Millionen neue Zellen. Täglich werden so
Teile unseres Körpers erneuert. Einige brauchen ein paar Monate, andere ein
paar Jahre. Aber innerhalb weniger Jahre entsteht so ein völlig neuer physi-
scher Körper. Ihre Haare und Nägel wachsen in diesem Moment, alles befmdet
sich ständig im Veränderungsprozess. Die Börse ist ein idealer Ort, um dieses
natürliche Phänomen des Lebens zu begreifen. Denn auch die Märkte befmden
sich immerzu in einem Veränderungsprozess, den wir nicht maßgeblich beein-
flussen können. Und je eher Sie das verstehen und lernen, darauf sinnvoll zu
reagieren, desto schneller werden Sie Ihr Ziel erreichen - erfolgreich zu traden.
Amateure lernen, indem sie etwas tun, diese Erfahrungen aber nicht aktiv zur
Weiterbildung und Veränderung nutzen und keine externe Hilfe in Anspruch
nehmen. Profis lernen durch permanentes Üben. Sie wiederholen ihre Hand-
lungen beim Trading wieder und wieder und arbeiten beständig an ihren
mentalen Stärken. Ihre Rückmeldungen nutzen sie zur Weiterentwicklung
ihrer Fähigkeiten und lassen sich dabei gegebenenfalls von Mentoren hel-
fen. Profi-Irader suchen nach guten Chancen mit kleinem Risiko. Amateure
suchen ein sicheres System. Sie vernachlässigen die Qualität der Chancen
und gehen zu hohe Risiken ein. Profis wissen, dass Rentabilität von gutem
Trading abhängt und nicht von guten Irades. Sie sehen die Gesamtheit dieses
Geschäftes, sammeln kleine Gewinne ein und verdienen ihr Geld mit einigen
wenigen großen Irades. Amateure fixieren sich auf den einzelnen Irade und
244 I Jetzt ist Schluss - der Anfang
Wer an den Finanzmärkten agiert, bewegt sich ständig auf dünnem Eis. Ein
Einbruch ist jederzeit möglich. Man ist deshalb gut beraten, alle Sicherheits-
maßnahmen selbst zu ergreifen, dass man im Falle eines Einbruchs keinen
Schaden nimmt. Die meisten vertrauen jedoch darauf, dass das Eis schon
halten wird, oft mit fatalen Folgen für das Konto und die Persönlichkeit.
In diesem Buch konnten Sie viele Anregungen und ein Menge Wissen fmden,
um sich selbst für das Irading zu coachen! Es liegt nun an Ihnen, es zu tun. Der
Wendepunkt zum erfolgreichen Irading ist, den Mut und die Kraft dafür auf-
zubringen, den Missklang auszuhalten, den Veränderungen zwangsläufig mit
sich bringen. Aber eines ist sicher: Wenn Sie nichts ändern, ändert sich nichts!
Aus meiner Praxisarbeit weiß ich, dass die meisten an ihrer Weiterentwick-
lung scheitern, weil sie nicht den Mut haben, die Konsequenzen, die Verände-
rungen nun mal mit sich bringen, auszuhalten. Stattdessen fallen sie in alte
Muster zurück. Wenn Sie erfolgreich beim Iraden sein wollen, dann braucht
es diese Entscheidung und den Willen, diese schweren Momente auszuhal-
ten. Das ist nicht immer leicht, aber Sie werden reich belohnt. Mit Stolz und
innerem Reichtum. Das ist letztlich mehr, als in jedes Portemonnaie passt.
Gelesenes behalten wir Menschen nur zu 10 Prozent. Wenn Sie sich durch das
Lesen dieses Buches eine hundertprozentige Wirkung wünschen, dann wissen
Sie, was Sie tun müssen, um die Inhalte dauerhaft zu festigen.
Der Weg zum erfolgreichen Irading braucht seine Zeit. Oder genauer gesagt:
Ihre Zeit. Denn jeder hat seine eigene Entwicklungsgeschwindigkeit Gras
wächst auch nicht schneller, wenn man daran zieht! Es wird nicht immer
einfach sein, aber wenn Sie dranbleiben, dann kommen Sie mit Sicherheit an.
Wenn Ihnen das Buch gefallen hat, dann würde ich mich freuen, wenn Sie es
entsprechend positiv bei Ihrem Online-Händler bewerten würden.
Machen Sie es gut, dann machen Sie es richtig! Und denken Sie immer daran:
Im Leben müssen Sie mit allem rechnen, auch mit dem Guten!
Norman Welz
Stichwortverzeichnis
A Disstress 206
Abhängigkeit 149 Disziplin-Killer 182
Achterbahnfahrten, emotionale 60 Disziplinlosigkeit 185
Adrenalinstress 205 Dopamin 179
Aggression 149
Alles oder nichts 105
E
Als-ob-Methode 99 Ego 80
Als-ob-Prinzip 191 Einstiegssignale 123
Amygdala 37 Emotionen 184
Angstauslöser 38 Entzugserscheinungen 68
Angstauslöser, unbewusste 83 Erfolgswünsche 119
Angstgrenze 44 Erickson, Milton 229
Angstmechanismus 41 Erwartungen, unbewusste 81
Anzeichen von Stress 209 Eustress 206
Augen 78 Experten 86
Experten, sogenannte 134
B
F
Backtesting 124
Behaviorai-Finance-Forschung 158 Fachwissen 51
Bewusstsein 82 Fahrplan 182
Bewusstseinserweiterung 116 Feedback 141
Börse, Gesetze der 25 Fehler 81
Börse, Unberechenbarkeit der 65 Fehlervermeidung 65
Börsenbriefe, seriöse 131 Festinger, Leon 158
Börsen-Crash 211 Finanzkrise 134
Börsenhandel-Geheimrezept 24 Frank Sinatra 121
Frusterlebnisse 179
c Fußball 33
Cannon, Walter B. 206
G
Charly Chaplin 97
Cortisolstress 205 Geldfluss 80
Geldrisiko , kalkuliertes 155
D Gewohnheiten 198
Dauerstress 210 Gier 39
Dax nach Fahrplan 221 Glaubenssätze 196
Daytrading 123 Glaubenssätze, positive 74
Denkstrukturen, feste 195 Glaubenssätze, unbewusste 69
Desensibilisierung 130 Gleichgültigkeit 109
245
246 I Stichwortverzeichnis
M s
Macht der Gewohnheit 178 Schmerzen 58
Maßregelungen 81 Schocksituation 150
Meditationsübung 88 Schockstarre 151
Moneymanagement 35 Schutz vor Schmerz 71
Moneymanagement, falsches 180 Schutzmechanismen 82
Monster-Trade 73 Science-Fiction 222
Motivationsbild 63 Selbstanalyse 140
Stichwortverzeichnis j 247
Benjamin Graham
Hier zeigt Ihnen Benjamin Graham, einer der einfluß reich sten
Investoren aller Zeiten und Vater der bahnbrechenden Finan-
zanalyse, wie Sie sich persönlich die erfolgreichsten Anlage-
konzepte aufbauen und am gewinnbringendsten realisieren
können. Zeitlos wichtige Informationen, äußerst praxisnah und
spannend! Hier findet sich schnell direkt anwendbares Wissen
für den aggressiven und konservativen Anleger gleichermaßen!
Bf.NJAMIN GRAIIAM
INTELLIGENT
INVESTIEREN
Dtr Be:srsdll!r aber di~ richtige Anlagestrategie
Rodney G. Klein
David M. Darst
Mit Rea lismus erkennt Graham, dass der Kurs etwas anderes ist
als der Wert. Nach Grahams Überzeugung wird der Kurs von
den Zufälligkeiten, Launen, Übertreibungen, von der Begeiste-
rung und Verzweiflung an der Börse bestimmt. So strebt er
immer wieder danach darzulegen, dass der Wert eines Unter-
nehmens von der Fähigkeit abhängt Cash zu generieren, sowie
vom Timing, der Dauer, dem Ausmaß und der Zuverlässigkeit
der Barmittelzuflüsse. Die Value-lnvesting-Strategien von War-
ren Buffetts Lehrmeister!
NO
DAY-TRADING:
SCHNELL, SCHNELLER,
SCALPING
FBV
MaxOtte
Für viele Deutsche ist es nach wie vor unerklärlich, warum die
Banken, die Deutsche Börse und die offizielle Politikden Klein-
anleger damals bei der »Volksaktie« so schamlos ins offene
Messer laufen ließen. ln de r Folge ist der Aktienbesi t z in
Deutschland dramatisch eingebrochen- zu Unrecht, wie Max
Otte in diesem Buch deutlich macht. Mit Blick auf die expan-
sive Geldpolitik der EZB, die an ihre Grenzen stößt und Geld-
vermögen ebenso wie Lebensversicherungen vern ichten wird,
sind Aktien attraktiver denn je!
Raghuram G. Rajan
Aus der Finanzkrise ist über die Währungskrise längst eine we ltweite
Bedrohung des Finanzsystems geworden . Die akuten Brandherde der
globalen Finanzstruktur scheinen zwar immer wieder unter Kontrolle,
doch unter der Oberfläche brodelt es weiter.
RAGHURAM G. RAJAN
FBV
vertrieb@finanzbuchverlag .de
FBV
FinanzBuch Verlag
uer großte Feind des Traders
ist die Angst
Wer Angst hat, verliert. Und beim Traden heißt das bares Geld. Finanzpsychologe,
Mentaltrainer und Trader Norman Welz erklärt, was Angst im Tradingalltag anrich-
tet. Vor allem aber demonstriert er, wie sie sich beherrschen lässt. Er begleitet den
Leser in seiner Entwicklung als Trader und ze igt viele praktische Wege auf, wie
man Angst und Stress in den Griff bekommt, ausgeglichen wird und lernt, sich zu
konzentrieren. So ist Börsenerfolg in Zukunft kein Zufallsprodukt einer positiven
oder negativen Grundstimmung oder der persönlichen Disposition, sondern eine
Folge kontrollierten Tradens .
Das Standardwerk enthält einen umfangreichen Überblick über die Psychologie des
Tradens . Die klassische Evolutionsbiologie findet ebenso Anwendung wie Behavioral
Finance, Persönlichkeitsforschung und die neuesten Erkenntnisse der Neurowissen-
schaften und de.,gstforschung.
Lernen Sie, wie Sie Angst als Stör- und Verlustfaktor beim Traden erkennen und
beherrschen .
»Nur wer das Wesentliche beim Trading erkennt und in der Lage ist, es bestän-
dig umzusetzen, hat als Händler eine Chance, auf Dauer profitabel zu sein. Wer
diese Antwort darauf im Außen sucht, wird den erwünschten Erfolg nicht finden,
denn sie liegt im Trader selbst verborgen. Der Trader braucht Fachwissen über die
Märkte. Vor allem aber braucht er Fachwissen über sich selbst. Darüber, warum
er so handelt, wie er handelt. Und er braucht den Mut und die Kraft, sein menta-
les Verhalten den Bedingungen der Börse anzupassen. Mit diesem Buch liegt dem
Trader eine exzellente Anleitung vor, mit der er seinen eigenen Schlüssel zum
mentalen Tradingerfolg finden kann. Leicht verständlich, praxisnah und außer-
ordentlich spannend beschreibt Norman Wetz alle psychologischen Tradingfallen .
Wer sie kennt und sein psychologisches Fachwissen anwendet, wird es wesentlich
leichter haben, ans Ziel zu kommen: ein dauerhaft profitabler Händler zu werden.«
Michael Voigt, Bestsellerautor von Das große Buch der Markttechnik und der Buchre ihe DER HÄNDLER
ISBN 978-3-89879-700-9
II FBV
www.fi.nanzbuch ver lag.de 9
I 1111111
7 B 3 8 9 B 7 9 7 0 0 9