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Den folgenden Brief empfängt Cicero im Jahre 45 von seinem Freund, dem Schriftsteller Lucius Lucceius, kurze

Zeit nach dem Tod seiner Tochter Tullia: (Ad familiares 5.14)

L. LUCCEIUS Q. F. S. D. M. TULLIO M. L. Lucceius, der Sohn des Quintus, grüßt


F. Marcus Tullius, den Sohn des Marcus
Wenn es dir gut geht, ist es gut; mir geht es wie
S. V. B. E. V., sicut soleo, paullulo tamen üblich, aber noch ein bisschen schlechter als
üblich. Ich habe mir öfters gewünscht, dich zu
etiam deterius, quam soleo. Te requisivi
sehen; ich habe mich gewundert, da du nicht in
saepius, ut viderem: Romae quia postea non Rom warst, nachdem du mich verlassen hast,
fuisti, quam a me discesseras, miratus sum; und ich wundere mich jetzt noch. Ich weiß nicht
quod idem nunc miror. Non habeo certum, genau, was dich vor allem zurückhält; wenn du
quae te res hinc maxime retrahat: si die Einsamkeit genießt – wenn du etwas
solitudine delectare, cum scribas et aliquid schreibst oder etwas von dem tust, was du
agas eorum, quorum consuesti, gaudeo normalerweise tust, freue ich mich und tadele
neque reprehendo tuum consilium; nam deinen Entschluss nicht. Nichts nämlich kann
nihil isto potest esse iucundius non modo angenehmer sein als das, nicht nur in diesen
miseris his temporibus et luctuosis, sed traurigen Zeiten, sondern auch in ruhigen und
etiam tranquillis et optatis. […] wunschgemäßen. […] Wenn du dich aber, so
wie du von hier weggegangen warst, Tränen
Sin autem, sicut hinc discesseras, lacrimis
und Traurigkeit überlassen hast, dann trauere
ac tristitiae te tradidisti, doleo, quia doles et ich, weil du trauerst und dich quälst, und ich
angere, nec possum te non […] accusare. kann nicht umhin, dich zu tadeln. […]
Tu non intelleges te querelis cotidianis nihil  Verstehst du nicht, dass dich dein tägliches
pro-ficere ? […] Quod si non possumus Klagen nicht weiterbringt? […] Wenn ich dich
aliquid proficere suadendo, gratia aber nicht überreden kann, dann bitte ich nur
contendimus et rogando, si quid nostra um einen Gefallen, wenn du es vielleicht um
causa vis, ut istis te molestiis laxes et ad meinetwillen tun könntest, nämlich dich von
convictum nostrum redeas atque ad diesen Beschwernissen zu befreien und zu
consuetudinem vel nostram communem vel unseren gemeinschaftlichen oder deinen
tuam solius ac propriam. Cupio non eigenen Gewohnheiten zurückzukehren. Ich
möchte dich nicht bedrängen, falls du keinen
obtundere te, si non delectare nostro studio:
Gefallen an meinem Nachdruck hast, ich
cupio deterrere, ne permaneas in incepto. möchte dich nur aus deiner jetzigen Situation
Nunc duae res istae contrariae me herausholen. Diese zwei unterschiedlichen
conturbant, ex quibus aut in altera mihi Dinge bewegen mich – wenn möglich, folge
velim, si potes, obtemperes aut in altera non meiner Bitte oder sei mir zumindest nicht böse.
offendas. Lebewohl.
Vale.

Den folgenden Brief schreibt Cicero an seinen Freund, den ehemaligen Konsul Marcus Claudius Marcellus:
(Ad familiares 4.10)

CICERO MARCELLO S. Cicero grüßt Marcellus


Etsi nihil erat novi, quod ad te scriberem, Auch wenn ich dir gar nichts Neues zu
magisque litteras tuas iam exspectare schreiben habe und jetzt schon anfange eher
incipiebam vel te potius ipsum, tamen, cum einen Brief von dir zu erwarten als dich selbst,
Theophilus proficisceretur, non potui nihil ei kann ich doch nicht umhin, da Theophilus
litterarum dare: cura igitur, ut quam primum aufbricht, ihm einen Brief mitzugeben. Sieh
venias; venies enim, mihi crede, exspectatus, also zu, dass du möglichst bald kommst; glaub
neque solum nobis, id est, tuis, sed prorsus mir, nicht nur wir warten auf dich, also deine
omnibus; venit enim mihi in mentem subvereri Freunde, sondern eigentlich alle. Manchmal
interdum, ne te delectet tarda decessio. […] kommt es mir nämlich so vor, dass du gerne
Me tamen velim, quod ad tempus te etwas später kommst. […] Teile mir allerdings
exspectemus, certiorem facias. bitte mit, wann wir dich erwarten können.
Aufgabe:
- Stelle im ersten Brief zusammen, welche Brieffloskeln der Autor verwendet hat. Vervollständige die
Abkürzungen.
- Finde Gründe, warum der zweite Brief fast ohne alle Floskeln auskommt.
- Nenne ggf. weitere Eigenschaften der Briefform, die dir überraschend oder auffällig erscheinen.
- Welche Form würdest du heute für die erste und zweite Mitteilung jeweils wählen?

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