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MARTIN HE I DRGGER MARTIN HEIDEGGER

GESAMTAUSGABE ANMERKUNGEN VI-IX


(SCHWARZE HEFTE 1948/49-1951)
IV. ABTEILUNG: HINWEISE UND AUFZEICHNUNGEN

BAND98

ANMERKUNGEN VI-IX
(SCHWARZE HEFTE 1948/49-1951)

VITTORIO KLOSTERMANN VITTORIO KLOSTERMANN


FRANKFURT AM MAIN FRANKFURT AM MAIN
Anmerkungen VI-IX INHALT
herausgegeben von Peter Trawny

ANMERKUNGEN VI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

ANMERKUNGEN VII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95

ANMERKUNGEN VIII . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209

BEILAGE: DER HOLZWEG 317

ANMERKUNGEN IX . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329

Nachwort des Herausgebers ........................... 417

© Vittorio Klostermann GmbH · Frankfurt am Main · 2018


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R./114
ANMERKUNGF,N VI

1948/49
Doch die Sage des Untenichiedes könnte irrig sein - aber Irre noch 1
ist Wahrnis .

Das Andere zur Gewißheit des Vorstellens ist nicht die Ungewiß-
heit, sondern das andenkende Vermuten; dies mutet das Ratsal des
Unterschieds.

Solange der Mensch sich in der vorstellenden Reflexion bewegt,


bleibt ihm ein Erkennen der Wahrnis des Unterschiedes versagt.

Das Menschenwesen ist zu dürftig geworden in seinem Verhältnis


zu Seyn, als daß noch ein 11ückgang auf sein Selbst je eine Ort-
schaft des Erfahrens ausku:nden oder gar erlangen könnte.
Das Rinnsal zum ego cogito versickert fernab vom Strom des
~ und seiner Ruhe im Sand der rechnenden Anhäufung des
Hergestellten.
Wann wird der Mensch zum Sterblichen?

Das Rinnsal des reflexiven Vorstellens, das zwar das Herstellen Q


sichert, vollzieht nur das in der Vergessenheit des Unterschiedes
wesende Ausweichen vor Welt - so wehrt es dem Ereignen des
Menschen in das Wesen der Sterblichkeit.

Angst ent-setzt ins rein verhüllte Nichten der ungekannten Dif-


ferenz.
Angst west aus Ent-setzen.
Ent-setzen aber ruht im lang verborgenen Ereignen.
Ent-setzen stellt das Menschenwesen heraus aus der bloßen An-
hängigkeit an das Seiende; -versetzt in die unerfahrbare Wahrnis
des Seins, das selber nur mit dem Seienden als einem solchen aus
dem Unter-schied kommt, als welcher Welt sich ereignet.
Ent-setzen ist der Wink des sich verweigernden Ereignens.
Das Nichten im Entsetzen entstammt dem Unter-Schied.
6 Anmerkungen VI Anmerkungen VI 7

3 Verschließe die Sage ins schweigende Wort prägende Form finden müssen, die Unscheinbares als ein solches
und wirf ihren Schlüssel ins Einfache fort. wahrt.
Eine Verwandtschaft der frey Gediegenen aus dem Ereignis. 19
Warum verkennen und verleugnen die Deutschen immer wieder
das bei ihnen bildsame Wesen und dessen bildendes Werk? Da- .\Ver vom Denken Erbauliches erwartet, wird enttäuscht. Schlim- 5
mit gegen sie und in solcher Weise noch durch sie, die Engen und mer ist, daß solche Erwartungen die Luft um das Denken verder-
Törichten, die Zänkischen und Groben, ein Bleibendes erstehe. ben. Indessen gewöhnt man sich heute daran, solche Erwartun-
gen für selbstverständliche Ansprüche auszugeben. An ihnen mißt
Die Verwandtschaft derer, die um 1932 je in ihrer Weise wuß- man das Denken, um es in einleuchtender Weise herabzusetzen. -
ten, was weltgeschichtlich zur Entscheidung steht, ist nicht die Das Denken ist durch einen Abgrund von der Bergpredigt des
schlechteste (Gottfried Benn, Ernst Jünger). Daß alle im Vorder- Evangeliums geschieden.
gründigen in ihrer Weise irrten, wird keiner leugnen; aber noch
weniger dem heutigen Geschwätz, das eine Weltöffentlichkeit den »Existentialphilosophie« - wenn schon ...
Deutschen von Außen aufredet und sogar mit zum Teil richtigen Man hat, ohne es recht zu merken, inzwischen im ungefähren
vordergründigen Argumenten, jemals zustimmen. ihre Denkweise übernommen und man bewegt sich völlig in ih-
rem Vorstellungskreis, um die Notwendigkeit des Überschrittes
Ihr erblickt nichts vom ~' solange ihr die Nasen ins Seiende zum rettenden Glauben sichtbar zu machen und zu erweisen. Zu-
steckt. gleich verkündet man laut, diese Philosophie habe versagt und
wisse nichts zu bieten, was hält und erlöst.
4 Auch reine Sprache wird heute über Nacht zur vernutzten VVare. Diese Falschmünzerei, mit der man sich noch ein kulturelles
Ungeehrt fällt sie jedem Macher zur Beute. Die Wendigkeit des Ansehen erschwindelt, ist eine alte Praktik der Kirchenväter. Sie
Ausdrucks geht ins Endlose; denn das zu Sagende ist verschwun- verdirbt das Denken durch die ihm fremden Absichten. Sie ver-
den, die Maschinerie des schlauen Sprechenkönnens beherrscht unstaltet den Glauben durch ein ungemäßes Wissen. Sie ist die
das Diktat. Wurzel der Kulturfähigkeit des Christentums, der Verderb des
Christentums.
Warum müssen wir so viel Schein ertragen, um ein Geringes von
~ zu erlangen? Langer Geduld bedarf es, bis die Dinge des Denkens auch nur 6
beginnen, zu gedeihen. Einer noch längeren aber, die über unsere
Vermöchten wir das Sagen im gediegenen Wort, so würde das Lebenszeit hinauslangt, bis sie so beachtet werden, daß sie aus
Sprechen seltener; Sprache bliebe wahrender; das Menschenwesen ihrem Eigenen sprechen. Wer das nicht weiß und nicht wissend
wäre wohnender; Welt schenkte die Fülle von Einfalt; Einkehr vollbringt, sollte sich nicht mit dem Denken einlassen.
von Ratsal träte über die Schwelle des Unterschieds.
Totale Diktatur und Anarchie entsprechen einander. Beiden bleibt
Das Wesende muß im Unscheinbaren bleiben. Ebenda kann sich das Ungemeine fremd, das Unnütze verhaßt, alles aus sich Leuch-
allein auch die Sammlung vollziehen, dafür wir allerdings die tende der Todfeind.
8 Anmerkungen VI Anmerkungen VI 9

Innerhalb der Verwahrlosung ist Denken das vorstellende Begrei- *vgl.V. H. I, 5, 171
fen des Seienden als eines solchen im Ganzen.
In der Kehre der Vergessenheit ist Denken die Sage des Unter- Das Wesen der Technik beruht in der unbedingten Herstellung
schieds und demgemäß die Sage der Vergessenheit des Unterschie- uneingeschränkter Herstellbarkeit des Anwesenden. Dergestalt ist
des und ihrer Kehr e. schon jedes von sich her Anwesende (Natur) nur zugelassen und
verfolgt in seinem Zusteiibaren für das Herstellen. Vgl. 35.
Die Sage des Unterschiedes ist ein Herbst vor dem Weltalter des Dieses Herstellen aber hat sich selbst schon aufgestellt in der Si-
Ereigneus. cherung seiner Herstellbarkeit. So ist es für sich durch sich in sei-
Wer schätzt die hohen Tage des herbstlichen Jahres? nem. Anwesen für es beständigt. Vergessen jedoch bleibt in all dem
die Verweigerung der Herkunft des Herstellens aus dem welti-
7 Der Wille zum Seienden will dieses als ein solches; dergestalt schen Ereignen. Sogar die Abkunft aus der A11,iJ9sta(vgl. V. H. I,
müht er sich um Sein und hat doch gerade die Differenz beider 101)bleibt innerhalb des Geschickes der Verwahrlosung verborgen .
vergessen. Würde er eigens auf sie gestoßen, dann müßte er sie Vgl. V.H. J, 103.
aus einem der beiden erklären. So wäre die Differenz beseitigt. Die Her-stellung müssen wir nach allen Hinsichten stets ale-
Vielleicht ist alles, was im ausdrücklich oder unausdrücklich ge- thetisch -ereignishaft denken; nicht als Verfertigen. 23 f.
nannten Namen der ontologischen und ontischen Transzendenz
geschah, ein solches Wegerklären der Differenz. Im vorstellenden und vorbauenden Denken (vgl. Anmerkungen V, 9
143)2 sagt das »vor« -jäh Verschiedenes.
Um etwas nur mit zusammengerafften Vorstellungen herum- Das Vor-stellen ist zumal Vernehmen von Anwesendem als sol-
gehen, bleibt weit entfernt vom Vermögen, sich am Wesen einer chen und wird so zum Vor-sich-stellen im Subjekt als der bestän-
Sache zu versuchen; denn diese erfordert eine gediegene Perspek- dig gesicherten Sphäre der Praesenz der Repräsentation.
tive in das Wesen ebenso wie den Mut, mitten im Versuch und sei- Dieses »Vor«- ist zugleich das »Zuvor« des n:p6tspov <pucrst,das
ner Grenze innezuhalten und von hier aus zu sprechen. Die Heu- in der ontologischen-ontischen Transzendenz aufkommt und mit
tigen tummeln sich in einer äußerlichen Form des literarischen der Praesentation im Herstellen zusammengeht wie »vor« und
Essays, ohne die Erfahrung des versuchenden Denkens auch nur »zurück«. - »Vor« in das Vor-herige des Zu-gestellten (Apriori) und
aus der Ferne zu kennen. Versuchen geht im Gang des Vermutens. »vor« für das auf sich zu stellende Menschenwesen.
Das Muten entspricht dem Ratsal.* -
Die Unverschämtheit der Psychologie und die Anmaßung der Das »Vor« im Vorbauen aber bestimmt sich aus der weltisch er eig-
Wissenschaft gegenüber Natur und Geschichte laufen unter 1 neten Nähe; vgl. das Vor im Für-Wort .
8 dem selben Joch. Die Herstellbarkeit von allem erzwingt sich eine Das Vorbauen: die Vorhut des Wohnens: das Hüten der Nähe.
Möglichkeit im unbedingten Vorstellen von jedem, was Menschen Wahrnis der Welt in die Sage.
begegnet.
' [Die Abkürzung »V.H.« bedeutet »Vier Hefte«. Sie werden im Band 99 der
Die Herstellbarkeit will ihre Herstellung. Die s ist das Wesende
Gesamtausgabe voraussichtlich von Peter Trawny herausgegeben.]
des Willens selber. • [Martin Heidegger: Anmerkungen 1-V (Schwarze Hefte 194,2-1948). GA 97.
Hrsg. von Peter Trawny. Frankfurt am Main l2015,S. 512.]
10 Anmerkungen VI Anmerkungen VI 11

Hüten: im Unversehrten des Ereignens bergen. unmöglich geworden. Zugleich hat sich die Ortschaft der Einsa-
Das »Vor« im Vorbauen kommt aus dem Unter-Schied und men im Unbekannten des ~ ausgebaut; andere Gesetze des
nennt das »für« -; der Denkende als Bauer. Sagens und Hörens walten. Langsam erst und weithinaus behut-
Vor-bauen: erhüten Welt dem Ratsal des Unter-Schieds. sam gedeihen erst wenige, die hier siedeln.
Die Einsamen, die sich selber nie so nennen dürfen, ziehen sich
10 Im Ereignen von Welt erst entschwindet Geschichte. So zerfällt nicht zurück, sondern sie sind die Vorhüter einer Wandlung in das
der Anhalt für die Historie. Erwohnen von Welt.

Die Erde als Planet vorgestellt ist für die Herstellung im Prinzip Für das vorbauende Denken ist die Sprache nicht mehr nur ein 12
erobert. Dieser Angriff auf die Erde geschieht aus der Vergessen- Vehikel, um darin und damit das Mannigfaltige des Wirklichen
heit von Welt. und der Menschentümer innerhalb seiner zu erfahren (d. h. zur
Erde ist hergestellt. Welt wartet auf Schonung. Kenntnis zu bringen), sondern die Sprache ist das noch ungespro-
Schonen weltet im Ereignen des Unterschieds. chene Gespräch der Welt, Welt gedacht als das wahrende Ereignen
In der Herstellung ist die Erde verwüstet. des Ratsals des Unterschied es.
Die Kehre zum Acker. Sprache ist nicht mehr Äußerung, die als Instrument und Vehi-
Das Korn des freyen Geschehens. kel der Erkennung von Geist und Charakter des Menschen dient
Das Wirtshaus der Einsamen. (so Humboldt).
Die Sprache ist das Haus des ~, d. h. weltisch-dingendes
Wer vereinzelt bleibt und gesondert, wird nie einsam. Denn Ein- Ereignis des Unter-Schiedes. Darum ist sie Ent-Scheidung über
samkeit ist hohe Einfalt zu Welt. Vergessenheit und Verheyterung des~ - ist sie die Gefahr des
Menschenwesens in den Jähen des Weltereignens.
Nur aus Welt ist Einkehr der Erde und Hoheit des Himmels. Haus ist nicht Gehäuse, sondern das Einheimisch e der wel-
tischen Wahrnis des Unter-Schieds.
Ohne Geschichte, doch reich aus Ereignis. Haus: das Gediegene der Vierung des Spiegel-Spiels.
Gebärde von Gaben, ledig der Tünche.
Das Meisterliche hat ein Meister nie gelernt; er kann es auch nicht
11 Besinnungslos stürzt die Öffentlichkeit auf jede s ihr ungeläufige lehren.
Wort. Sie zerwühlt die kaum genannte Sache und zerreibt sie in
den Flugsand ihres Meinens. So organisiert sie die Wüste der völ- Erst nach der Verwindung der Vergessenheit des ~ (d. h. der 13
ligen Ver-wüstung. Gemessen an dieser ist alles Zerstören nur Metaphysik in ihrem Wesen (V. H. I, 100)) kommt das heillose
eine Vorstufe und vordergründige Folge der schon herrschenden Unheil der Geschichte in das Andenken.
Verwüstung. Diese untergräbt jedes Gedeihen in seinem Wesen.
Innerhalb der Gewaltsphäre der Öffentlichkeit gibt es keine Sprache als Zeiger; afjµa.
Veröffentlichung mehr, wenn dieser Name di e Mitteilung des Sprache als Ausdruck; expressio. -
geschriebenen Gedachten nennen soll. Auch die Mit-teilung ist Sprache: die Gediegenheit des Ereignisses.
12 Anmerkungen VI Anmerkungen VI 13

Sprache: .die Welt-Stille. belagert und ausgetreten durch die bloßen Macher. - Sie sind die
Sprache: die Musik des Unter-Schiedes. Funktionäre der Massen, die sie in Ketten legen.
Das Sprechende der Sprache ist die stimmend e Stimme des Wor- Die Ortschaft der Sterblichen ist ereignet aus dem Unter-Schied.
tes, keineswegs die im bloßen Vorstellen gemeinte Bedeutung. Das Diese Ortschaft besiedeln zuerst die Hirten. Deren Vorhut sind
Stimmende waltet im Ton und Fluß des Sagens, in der Abwand- die Sagenden. Unter ihnen bereiten zuvor die Denkenden das Ge-
lung und Verteilung des Klanges, im Zögern und Vorstürmen der , spräch der Welt. Sie bereiten es, indem sie in das Ungesprochene
Rede - das Stimmende ist nicht identisch mit dem Genannten der Sprache weisen. Aber Sprache ist hier erfahren als die Welt-
und besteht nicht daraus. Im Stimmenden west die Stimme der Stille.
Welt-Stille; es ist das eigentliche Bedeuten - das weltisch winkend
deutet und das Hören und Gehören weist. Im Welten beruht das Wer in der Welt-Stille heimisch geworden, kennt einig es von der
Bedeuten, nicht im vorstellenden Meinen. Dieses Stimmende ist Tragweite des Denkens.
die eigentliche Musik. 25
Die Weisheit, die sich in der Ständigkeit der Ortschaft (stabilitas
14 Wer sich auf das Beweisen verlegt, dünkt sich im Besitz der Wahr- loci) verbirgt, ist noch nicht geschöpft. Aber die Klöster sind dem
heit. Wer Beweise fordert, weiß nicht, was Wahrheit ist. Beiden Religionsgewerbe verfallen.
bleibt das Denken fremd.
Die reine Beschreibung ist diejenige, die ihr Wesen kennt; daß sie 16
Die Meisten erwarten von der Philosophie eine Belieferung mit nämlich des Weltausblickes bedarf. Das bloße Beschreiben meint,
dem, was sie denken, d. h. was sie vorstellen und um sich stellen diesen entbehren zu können.
sollen als Schutz ihres übrigen Meinens. Aber Denken sagt nur,
wie zu denken sei. Wer darauf achtet, hat schon gedacht. Wie kann die Sage des Denkens die Musik des Unter-Schiedes ins
Inwiefern bringt die rechte Weise des Denkens in das zu Den- Spiel bringen?
kende? Weshalb ist diese Weise keineswegs nur die Form zu einem Wie kann das Stimmende des Gesagten gewahrt, wi e kann es
Inhalt? zum Klingen gebracht und wie gehört werden?
Die Weise ist hier der Einklang mit dem Wink des ~. das Ist die Rede nicht unmittelbar stimmender? Gewiß, aber zu-
hörende Gehören in das Welten des Unter-Schieds. Die Weise ist gleich flüchtiger.
selber das Was des Gedachten. Form und Inhalt haben hier keinen Die Schrift ist beständiger, aber zugleich verschlossener. Vgl. 13.
Platz; denn hier west Ereignen und machtet kein Herstellen. Wie aber die Sage? 16
Weisheit - ist das Wesende solchen Weisens. Inwiefern darf ein Denkender nie von dem zu Anderen spre-
Die Weise weist, das Was befängt. Das Weisen läßt in den chen, was ihn unablässig angeht?
Unterschied gehören. Befängnis macht ihn vergessen. 23.
Die sprechende Schrift ist etwas Anderes als die geschriebene
15 Die Stelle der Schaffenden und ihres Schöpferischen gehört in den Rede.
Bereich der Machenschaft als der Bezirk des Herstellens. Die Inschrift der Welt - die in das Gespräch der Welt ein-
Bald wird diese Wesensstelle des Menschen verödet sein oder geschriebene, eingefaltete Sage. Vgl. V. H. I, 17.
14 Anmerkungen VI Anmerkungen VI 15

17 Da-sein -; in diesem fundamentalontologisch gedachten Wort Gleichwohl gehört das Einzige einzig dem Einen, das al s Welt er-
wird Orthaftes genannt und Zeithaftes - aber der Ort ist die Ort- eignend vereint in das Ratsal des Unter -Schiedes. Einziges pocht
schaft des ekstatischen Zeit-Wesens; »-sein« aber gehört in das nie auf Auszeichnung. 35
~ und meint nicht Anwesen von Anwesendem.

Da-sein ist der Name des Vorspiels von Welt, insofern das Wesen W ie ereignet sich Verwandtschaft einer Vorhut der Hirten? (41) 19
des Menschen zugleich als wohnendes erfahren wird. Vgl. V. H. I, Wie wohnen Verwandte?
39f.
Wie wahrt Verwandtschaft ihr Bleiben?
Die Wenigen der Verwandtschaft; einander entzogen.
Nietzsches Denken beruht auf der Grunderfahrung aller Meta- Das Wesen der Ver-wendung ruht im weltischen Ereignen der
physik, Sein sei ständige Beständigkeit . Weil er solches im Werden Freye ins Schonen des Eigentums des Welt-Dinges. In solcher
zu retten sucht, d. h. weil er den Willen in solchem Wesen denken Weise verwendet, d. h. rein in den Unter-Schied gewendet, ist der
muß, deshalb ist sein Denken metaphysisch. Die Besinnung auf Mensch ein Verwandter. Ein solcher ist er nicht erst im Verhältnis
die Wahrheit (Unverborgenheit) des Seins selber als der ständigen zu anderen Menschen, sondern aus seinem Wesen als der eigens in
Beständigkeit bleibt so vergessen wie je. die Sterblichkeit geeignete und so ge-wendete.
Zwischen Nietzsches Denken und der in »Sein und Zeit« ge- In die Verwandtschaft gelangt je jeder für sich - aber dergestalt
fragten Frage nach der Wahrheit des Seins gähnt ein Abgrund, gehört er in die Verwendung des Wesens der Sterblichen und ist
der sich zugleich gegen die Bestimmung des Menschenwesens als aus solchem Wesen »mit« anderen verwendet und so verwandt.
subjectum durch Descartes im Wesen des Da-seins 'öffnet. Wahr- Die Freye ist die weltische Ortschaft der Sterblichen. Verwandt-
heit des Austrags.
schaft gehört in das Weltalter der Kehre der Vergessenheit. Sie
ist durch Bünde und Orden weder zu erreichen noch zu ersetzen.
18 Das Geschriebene der Heutigen ist unglaubwürdig; nicht nur weil Gleichwohl ist ihr Wesen gediegen im Ereignis und darum in
es wesenlos bleibt, sondern weil es imstande ist, alles in der ge- anderer Weise fest und beständig. Schülerschaft ist ihr fremd. An-
wandtesten Weise auszudrücken und darzustellen. Nirgends zeigt merkungen V, 128.3
sich die Spur eines Kampfes zwischen Gedachtem und der Sage.
Aber vielleicht kann die Routine auch das noch, wenn Bedarf ist, Im Denken dorthin gelangen, wo es das Welt-Ding so belassen IW
nachliefern.
muß, wie es ist.
Worin besteht die Belassenheit, die allem Seltenen und Ein-
Die Bestialität, die im öffentlichen Aburteilen über jeden Weg des fachen eignet?
Denkens sich breit macht, übertrifft alle ihre übrigen Abartungen .
Alle Welt schwätzt zwar von Gespür - wofür? Denken - mit dem Rat-sal des Unter-Schiedes beisammen woh-
nen - wohnend bei-stehen. Beistand das Beiständige des Lassens.
Es gibt nichts Einzigartiges; denn das Einzige hat sein Wesen 28,41.
darin, daß es nicht von einer Art und selber nie eine Art sein kann.
Darum ist auch das Bleiben des Einzigen von einziger Weise. Es
dauert nicht fort. Es geht jäh zugrunde. Es kommt in Jähen hervor. 5
[Heidegger : Anmerkungen 1-V. GA 97. A.a .O., S. 505.]
16 Anmerkungen VI Anmerkungen VI 17

Be-lassen: mit freyend-schonendem Lassen in die Nähe des Din- rnit der seynsgeschicklichen Verwindung des iiv0pco,to<;wäre die
ges gehen. - Anthropologie beseitigt - durch den bloßen Mangel an Boden.
Das Lassen als Hervorrufen das Wesende des Dinges zu Welt. Der Über-mensch erinnert immer noch zuerst an den Menschen.
Lassen: freyend das Welt-Ding schonen. Die Verwandten sind einander schwer zugänglich. Ein Kennzei-
Lassen - ist nur gewahrt in der Kehre der Verwahrlosung des chen der Verwandtschaft könnte das Erfreuende sein, das in den
Unter-Schiedes. Einzelnen strahlt. Erfreuend sind aber nur die Freudigen. Vgl. 34.
Lassen: bei-stehen dem Ereignis; als Schonen der Freye . Die Freude hat ihr eigen Gesetz. Sie ereignet sich in das Heytere
Lassen: verwandtschaftlich wohnen. der Welt, aus der jedoch der Schmerz nicht ausgeschieden, sondern
in die er unter -schiedlich verheytert ist.
Lassen: der Gelassenheit des Welt-Dinges entsprechen . Wer aber ahnt schon das stille Ent-setzen im Wesen der Freude?
Der Verwandten sind nicht nur wenige, sondern sie werden, je
Lassen: die Weise, in der Edle lieben. 41 ferner die Jähe der Kehre bleibt, noch seltener. Das Zutrauen der
Denkenden in das Ereignis von Welt ist so einfach, daß sie aus-
21 Wenn das Wesen von Welt die Stille ist, als welche sie das Spiel der harren im Gedeihen des Seltenen, das sie weder kennen noch gar
Spiegel des Unter-Schiedes stillt und sein Ratsal verwahrt, müs- mitbewirken können.
sen dann die Denkenden noch ihr Gedachtes schreiben und die
Schrift mitteilen und d. h. der Öffentlichkeit preisgeben? Was hat Im Denken ist die Weise entsetzlich, weil das Was des zu Denken- 23
die Öffentlichkeit noch mit dem Wesen von Welt zu tun? Sie ist den als das Ereignis des Unterschiedes selber die stimmende Welt-
nicht einmal mehr ihr Unwesen, geschweige denn ihr Gegensatz. Stille ist, die Urweise des Spieles (14). Die Weise des Ereignisses
Sie gehört in das Zeitalter der Verwahrlosung. hebt an im Ratsal. Die Weise des Denkens ist etwas anderes als
Aber Schrift ist nicht notwendig und zuerst Mitteilung. Schrift eine Methode des Forschens. Methode ist auch in der Metaphysik;
könnte als Sage des Unter-Schieds eine verborgene Gebärde einer denn sie geht vorstellend das Anwesende als ein solches an. Die
unbekannten Verwandtschaft bleiben und rein nach dem Maß der Art, wie sie vorstellend das Anwesende und Gegenständige angeht
Welt-Stille. und diesem Angang nachgeht, ist die Methode. Wo das Anwe-
sen zur Gegenständigkeit und diese zur Subjektität wird, ist die
Die Verwandten vermeiden von selbst jedes Nachahmen; sie ver- Methode identisch mit dem Gedachten : sie ist das Vorstellen der
lieren sich nicht in die Hingabe; sie hängen einander nicht an. Vorgestelltheit in seinem Sich-vor-stellen: das Sicherscheinen der
Einander entzogen wohnen sie im Entzug, ohne ihn je zu betrei- Praesenz in der repräsentierten Repräsentation. Diese Identität ist
ben . die Dialektik der absoluten Subjektität.
Verwandte: verwendet ins Geviert der Welt aus der Mitte der Aber Methode ist nie Weise, denn Subjektität ist die unbedingte
Stille. Vergessenheit des Ereignisse s.

22 Vielleicht ist das aus dem ~ (als dem Ereignis des Unter- Wenn das Herstellen aus der Herkunft zu Anwesen in das Vorstel-
Schiedes) gedachte Menschen-wesen nach der bisherigen Vorstel- len im Sinne der Repräsentation an die Reflexion der Subjektität
lungsart eine höher e Gattung von »Wesen« als der Mem:ch. Erst (Subjekt-Objekt-Beziehung) übergeht, ! wenn Anwesen sich in die 24
18 Anmerkungen VI Anmerkungen VI 19

Gegenständigkeit und d. h. in das Gegnen des Vorstellens sich be- Wer fordert, ob dazu berufen oder nicht, daß der oder jener sich 96
ständigt, wird das Herstellen in die unbedingte Herstellbarkeit heute aus der Öffentlichkeit zurückziehe, ist der gleichblinde Lob-
von Allem als Gegenständigem und damit als Verständigem gesi- redner und Nutznießer dieser Öffentlichkeit. Er gehört zu ihr und
chert. So ist Anwesen erst ganz ungewahrt, aus der in der 'A1.110eia mag mit ihr als Geröll weitertreiben. Es ist unnötig, ihm zu er-
sich verbergenden ereignenden Wahrnis der Differenz herausge- widern.
nommen. Die Verwahrlosung wird so, d. h. in der Wesensentfal-
tung der Technik, vollständig. Wer in der Ortschaft der Welt-Stille wohnt, hat nicht erst nötig,
sich aus der Öffentlichkeit zurückzuziehen. Noch weniger aber
Das, was ist (das Wesende des Seyns), finden wir durch keine noch braucht er gegen sie vorzugehen.
so umfassende und eindringliche Zergliederung der Situation.
Denn mit dieser haben wir uns schon in das Vorstellen begeben Außerdem könnte einer in der fast unvermeidlichen Weise in der
und durch dieses uns auf die Lage des Menschen inmitten des Sei- Öffentlichkeit stehen, ohne doch in ihr umherzuziehen und mit
enden festgelegt. Dadurch ist nicht nur, was das Geringste bleibt, ihr seine Geschäfte zu machen. Es könnte ihm freilich auch zusto-
der Gehalt der Situation vorweggenommen, sondern im Wesen ist ßen, daß er von diesen Geschäftemachern allererst in »die« Öffent-
der Mensch von einer Lage inmitten des Seienden und somit aus lichkeit, nämlich die ihrige, mit allen nur erreichbaren Mitteln
diesem her vorgestellt. Sein von hier aus undenkbares Verhältnis gezerrt und dort mit einer unausdenkbaren Brutalität hin und her
zu Seyn bleibt ungedacht. gejagt würde. Diese Sklavenhändler sollten sich nicht entrüsten.

95 Das Stimmen der Welt-Stille läßt den Laut der Sprache erklingen. Wie sollte Seyn nicht einst verwesen, gewaltig schwinden im Er- 97
Der Laut wird im Sprechen nie bewirkt und dann mit einer Bedeu- eignis, dem die Jähe aufgespart des Unter-Schiedes in das Ratsal?
tung ausgestattet, - sondern das Lauten schwebt als Klang im Wel- ~.
ten, insofern der Mensch dieses in die Freye schon geschont hat. 13. Geschicklich denken an das, d. h. in die Nähe des Geschicks
Das Stimmen der Stille spielt die Spiegelung des Gevierts. Im der Welt-Stille, ist Andenken. Das geschickliche Andenken ist die
Spiel erklingt der Klang. Im Klang verlautet der Laut. eigentliche, im Ereignis wohnende Andacht.
Im Klang schon jauchzt die Erde. So hellsichtig und inständig ist der Mensch nie, daß er ver-
möchte, ohne Stöße eines Geschickes auf das ~ achtsam zu
Denken ist das einfache Gehör für die Welt-Stille - das in sich werden und beiständig seiner Wahrnis.
versammelte Hören ihrer einfältigen Stimme. Wesentlich bleibt nur, wie er die Tragweite der Stöße zum Aus-
trag kommen läßt.
Beten ist der moralische Notbehelf innerhalb eines wesenhaften
Unvermögens zum Denken. Weil dieses selten ist und nur Weni- Europa ist unzerstörbar; aber es verschwindet - wohin? zunächst
gen geschenkt, behält das Gebet seine eigene Notwendigkeit. (27) in die platte Öffentlichkeit des Planetarischen. Dann kehrt es,
vollends unscheinbar, zurück, aber anders wesend, in der Kehre
Stets ist es zu früh, vom Gedachten eines Denkers öffentlich in des ~' die sich abendländisch ereignet. Keine Vorstellungsart
Rede oder Schrift zu sprechen. im Sinne der metaphysischen Bezirke (Politik, Wirtschaft, Gesell-
Anmerkungen VI Anmerkungen VI
20

schaft, Religion, Technik) reicht zu, um das Abendländische des Damit es selber für sich ungestört schaffe? nein; denn hier ist
Weltereignisses gebührend zu denken. kein Schaffen.
Damit das Denken sein eigenes Wesen schütze? nein; denn hier
28 Es ist irrig, zu meinen, die neuzeitliche Naturwissenschaft sei im ist nichts eigenes.
Gegensatz zur Philosophie entstanden, durch den Willen zum Hier gibt es überhaupt kein »damit«.
·wirklichen gegen die Spekulation. Denn es gab damals keine Das Denken ist weltisch in das schonende Vor-Bauen ereignet,
Philosophie, die sich wesensgerecht so nennen durfte; es gab theo- das die Inschrift der Sage des Unterschiedes / in das Gespräch der 30
logische Dialektik. Die neuzeitliche Naturwissenschaft aber ist Welt einschreibt. So wesentlich gehört die Sage des Unterschiedes,
durch die Philosophie und als Metaphysik entstanden, wobei der wenn sie Sage ist, in die Welt-Stille, daß sie um alles übrige sich
Mensch in eine andere Freiheit zum Seienden, nämlich zu diesem nicht kümmern kann, weder um den Humanismus, noch um die
als Gegenstand des Vorstellens gelangte. Herrschaft eines Glaubens, noch um das vermeintliche Drama,
das Gott und der Teufel für die christlichen Romanschreiber auf-
Gegenstand und Beistand. führt. 31.
Gegenstand aus der vorstellenden Herstellung. Keine Art von Abrede mit der Öffentlichkeit kann die Sage des
Hergestelltheit - / Herstellung als Wesen des Seyns /. Unterschiedes kennen. Im Gegenteil - wenn sie auf etwas bedacht
sein könnte, dessen sie aber nicht bedarf, dann ist es der Schutz
Beistand aus Ereignen der Freye ins Schonen. 20 durch die Unverständlichkeit, die sich von selbst ergibt, weil die
Beistand und Inständigkeit des Wohnens. Sage auf lange hinaus ungedacht bleiben muß; das schließt nicht
aus, sondern ein, daß sie alsbald die Beute des öffentlichen Vor-
Das Zweideutige ur..d jäh Verschiedene in Stand und Ständigkeit. stellens wird.

Katholische Kirche - evangelisches Leben. Heute gibt es Menschen genug, die meinen, weil Hitler und seine
Spießgesellen durch die Internationale zerschlagen sei,_ sei die
29 Wer heute, da nur das öffentlich Gelärmte gilt, schweigt, muß in ewige Wahrheit des Christentums bezeugt. Man hält die Inter-
Kauf nehmen, daß er nicht nur als überwunden ausgegeben wird, nationale für die Inkarnation der Moralität; man meint, es sei ein
sondern daß man dafür hält, er nehme sich selber als jemanden, Beweis des Glaubens, wenn Kirchenregiment und Kirchenglauben
der nichts mehr zu sagen hat. an die Macht und Ein- / flußstelle der Gruppe politischer Verbre- 31
Aber es könnte vorkommen, daß einer, der nichts mehr zu sagen eher sich schieben.
hat, dem man Gehör und Geltung verwehrt, gleichwohl einiges
zur Sage bereit hat. Denken als Sage des Unterschieds ist nie geeignet, das Wissen zu
mehren.
Warum ist nötig, daß ein Denken des~ von aller Öffentlichkeit Denken verzögert stets das Wissen - ins Denken. -
nicht nur unberührt, sondern auch durch sie unerreichbar bleibt? Der Weg wird lang sein, auf dem erst das Denken wieder, be-
Damit es umso re iner auf sie wirke? nein; denn hier ist kein freit von dem Anschein eines Wissens und der Wissenschaft, aber
Wirken. auch befreit vom Anschein des Dichtens (Poesie) und der Kunst,
22 Anmerkungen VI Anmerkungen VI 23

aber auch befreit vom Anschein eines Glaubens, den Wesensweg, mer noch nicht zu merken, wie entschieden ihre Anbiederungen
seiner Ereignung im Unterschied, gehen kann. an die moderne Wissenschaft jedes einfache Wort der Schrift ver-
Woran liegt es, daß so Vielerlei Fremdes das Wesen des Denkens leugnen; um von der hier waltenden Verwüstung alles Denkens
verschüttete? Hat es selber als Vorstellen diese Herrschaft des - zu schweigen. Dieselben Theologen verschreien allerdings solche
Anscheins heraufgeführt und verfestigt? Überlegungen als Atheismus - vermutlich mit vollem Recht; denn
mit ihrem Theismus hat eine denkende Schonung der Göttlichkeit
Erst wenn Denken nicht mehr nach Werk und nach irgend einer durchaus nichts zu tun.
Art von Artistik schielt und sich nicht mehr versieht im Stil seines
Wesens, kommt Gedachtes in die Sprache. Das Schickliche seiner Das versteckte Sichwegschleichen zu dem, was im Wesen schon
Ereignung läßt die s Denken im Unscheinbaren der Welt-Stille üb erwunden ist, erweckt den Anschein von Erneuerung und be-
untergehen. Nie läßt es sich vom öffentlich Ausgesagten her vor- schwindelt jene Menge, die meint, nicht zur Masse zu gehören.
stellen.
Das heutige Getue um die Transzendenz ist der neueste Ersatz
32 Natur windet sich unter der Folter des vorstellenden Herstellens. für den Fortschrittsglauben und der Anschein einer Option für
Dieses Sichwinden halten die Vorstellenden für die Antwort der den Geist.
Natur auf ihre Fragen. Vermutlich sind diese Fragen von einer
Art, daß nur noch jene Antwort möglich ist, die in Wahrheit eine Kausalität aus IIoiT]crn;(vgl. Mscr.). 5
Absage der längst verstummten Natur bleibt.
Wenn die Aufhebung der Nationalstaaten und des nur ihnen ent- 34
Der Ausweg in das Akausale, der sich noch besonders neu und frei sprechenden Internationalismus dahin gedrängt und gesteuert
vorkommt, ist die endgültige Verstrickung in die Kausalität." wird, die Fruchtböden der Volkschaften einzuebnen und zu ver-
Wäre die atomare Energie im geringsten außerhalb der Kausa- wüsten, ist es mit dem Menschen zu Ende. Er geht seiner kleinsten
lität vorgestellt, dann wäre mit einem Schlag im Wesen jede Mög- und leersten Größe entgegen. Vermutlich kommt es dahin und
lichkeit von Technik erloschen. Die Atombombe und jede künftig hierdurch in die Entscheidung, ob das Fruchtbare des Menschen-
gebaute Atomenergiemaschine erweist unmittelbar alles akausale wesens in einer ganz anderen Saat von anderer Gediegenheit auf-
Gerede als das, was es ist. geht, oder ob es bei der Verendung des Menschen in seine leere
In den Hinterhöfen dieses Geschwätzes wirkt als treibende Dauer innerhalb der Einrichtung der Wüste bleibt.
Kraft die »Spekulation« des scholastischen Kausalismus auf die Denn auch der wesentlich gedachte Übermensch Nietzsches
Möglichkeit einer möglichst modernen und so bauernfängerischen gehört noch in den Bereich des letzten Menschen. Vgl. 22.
Auffrischung der sinnlosen Gottesbeweise. Diese Physiker unter 1 0
33 den Theologen und Theologen unter den Physikern scheinen im- Wenn wir Europa nicht abendländisch und das Abend-land nicht

• [Der Begriff des »Akausalen« wurde am Beginn der 50er Jahre von führenden 5
[Unbekannt . Möglich aber, dass Heidegger an ein Manuskript denkt, das
Physikern der Zeit diskutiert. Vgl. z.B. Wolfgang Pauli: Wissenschaftlicher Brief- veröffentlicht wurde in Martin Heidegger : Leitgedanken zur Entstehung der
wechsel mit Bohr, Einstein, Heisenberg u. a . Band IV. Teil 1: 1950-5g_ Hrsg. von Metaphysik, der neuzeitlichen Wissenschaft und der modernen Technik. GA 76.
Karl von Meyenn. Springer-Verlag : Berlin, Heidelberg, New York 1996.] Hrsg . von Claudius Strube . Frankfurt am Main goo9.]
24 Anmerkungen VI Anmerkungen VI 25

~-geschicklich aus der Kehre der Vergessenheit des Unter- Interpretation - man meint neuerdings, die rechte Interpreta-
schiedes denken, wenn wir im Erfahren solchen Denkens nicht tion eines Textes sei geleistet, wenn man nur, statt wie früher all-
ausfahren in die rein-einfachen Boden-Gründe eines geackert- gemein über den Textinhalt hinzureden, jetzt Zeile für Zeile und
-geläuterten Volkhaften (was weder national noch völkisch ist), Wort für Wort vornehme und dazu - die früheren Gemeinplätze
entsprechen wir nirgends und nach keiner Hinsicht der Jähe der des üblichen Vorstellens anbringe.
einzigen Entscheidung. -
Die Interpretation des wesentlich Gedachten kommt nur dann in
35 Denn: je himmlischer der Welthimmel, je reiner die Erde; je gött- ihr Ziel, wenn sie damit endet, daß ihr Ausgelegtes nun erst be-
licher die Gottheit, je schonender das Menschenwesen. fremdet und ins Befremdende sich entzieht. Interpretieren als ver-
Denn: je stiller der Unter-Schied in das Ratsal, je wehender ständlich machen ist das genaue Unwesen der Interpretation. 48
die Welt; je einfältiger Welt, je eignender Ereignis; je ereigneter
das Eigentum, je dingender das Ding. Welt-Ding ruft das Eigen- Das gewöhnliche und alles ordinär beurteilende Meinen lebt in 37
tümliche. Dieses gedeiht im Acker der befreyten Erde. dem Anspruch, daß alles wesenhaft Gedachte ebenso leicht und
Das Eigentümliche aus Eigentum des Welt-Dinges wahrt allein rasch zu vollziehen sei, wie dies, daß man sich die Nase schneuzt.
das Einzige. 18, 40. Genügt ein Denken diesem Anspruch nicht, dann ist es schon der
Ablehnung anheimgefallen.
Das Wesen der Technik ist die unbedingte Herstellung der schran- Daß vollends gar das Denken des Gedachten den Gang eines
kenlosen Herstellbarkeit alles Anwesenden in die Hergestelltheit. Menschenlebens durchdauere und seinem Wesen nach wie dieses
Das Wesende dieser ist das Wesen der Technik. In der Hergestellt- wachse und ruhe, geht dem gewöhnlichen Vorstellen nicht ein, das
heit beruht die Gegenständigkeit in das sich vorstellende Vorstel- tagtäglich, durch Lichtspiel und Rundfunk zum billigsten Auf-
len. Vgl. 8. nehmen des Allerbilligsten erzogen wird.
In dieser Gegenständigkeit und ihrem Bereich bewegt sich
alles Erleben von Begegnungen, die hilflose Jagd nach »Leben« Die Heutigen lesen Hegel und alles Gedachte wie ihre Morgenzei-
als »Sein«. tung; wundern sich, daß sie das Gedachte nicht verstehen. Aber sie
wundern sich nur flüchtig; denn die Zeitung ist ihnen das Wich-
36 Streng genommen gibt es im Griechentum kein Wort für Wissen- tige und der Maßstab . Aber das Schlimmste an der Zeitung sind
schaft (scientia, science). Was sagt das für das Wesen dieser Sache? nicht die Mord- und Skandalgeschichten, sondern das Feuilleton,
Vgl. 50. weil es sich ausgibt, als wahre es den Geist -; aber es ist nicht
J 38
Wissenschaft gibt es erst seit der Gründung der Gewißheit des nur eine Historie über Morde und Skandale; es ist selber der Mord
Selbstbewußtseins, der conscientia. Vgl. 44. des Denkens und der Skandal des Geistes.
Man sehe sich nur einige Wochen - und dann nie wieder - das
Interpretation - alle Welt stürzt sich auf das Interpretieren - man Feuilleton der »Neuen Zeitung« 6 an.
will verständlich machen und sich als Verstehenden gebärden.
• [»Die Neue Zeitung« (NZ) war eine nach dem Zweiten Weltkrieg in der
Das ist die verfänglichste Form, alles in die Gedankenlosigkeit amerikanischen Besatzungszone herausgegebene bedeutende Zeitung. Leitender
zu festigen. Redakteur des Feuilletons war Erich Kästner.]
Anmerkungen VI Anmerkungen VI
26
40
Die Welt-Öffentlichkeit verschließt wohl am gründlichsten das Gang in die Nähe - lang bedacht. 35.
Wesen von Welt.
Die Öffentlichkeit ist die unheimlichste, weil durchgeplante Denken bleibt fern sowohl dem klugen und ernsten und sogar
Gestalt des Willens zum Willen. drängenden Anspruch der Öffentlichkeit auf unmittelbare För-
Zwischen der planetarischen Weltöffentlichkeit und ihrem derung und Hilfe,
kaum gedachten Wesen auf der einen und dem ereignishaften als auch fern der Auseinandersetzung mit den öffentlich geläufi-
Wesen von Welt auf der anderen Seite besteht die weiteste und gen und herrschenden Erscheinungen, . .. . .
tiefste Kluft, die das ~ selber ereignet und bereit hält für die fern sogar der unmittelbaren Verstehbarke1t fur die angeblich und
Jähe eines Geschicks. (42) vermeintlich Unterrichteten.
- Das ist die Kehre der Vergessenheit des Unter-Schieds. Diese Ferne ist nötig trotz der Welt-Katastrophe. (44)
Nur bei solcher Ferne kommt ein Gang in die Näh e zur Be-
Der Mensch ist kein Lebewesen, aber das Menschen-wesen ist -wegung seiner Wege.
Welt als das Ereignis des Unterschiedes.
Solche Ferne ist nicht der Grund der Möglichkeit des Ganges in
Einfaches gedeiht nur aus der Klarheit der Fülle. 71. die Nähe, sondern schon die Folge ihres ereignenden Nahens.

39 Denken kann als nachträglich vorstellendes und zergliederndes Denken be-wegt das Menschen-wesen in den Unter-Schied.
Meinen jedes unmittelbare Gedeihen wesentlicher Erfahrung Be-wegen: den Weg bereitend auf den Weg bringen.
entwurzeln. Das Be-wegen aber ist ereignet aus der Enteignis/
Denken kann als Sage des~ in die Stille still der fruchten- der Welt. Weg ist in sich Pfad und Gang. /
den Gediegenheit höchster Gestaltung den Nährboden bereiten. \ 1 /

Denken kann in einer unbeherrschten Mehrfältigkeit seines 1 Begehen den Pfad I vgl. 47
Wesens und Unwesens alles verwirren und entfruchten.
Denken be-wegt den Menschen in sein Wesen. Aber dieses »Wesen« 41
Noch weniger als jedes andere läßt sich der Stil des Denkens erden- ist das Ereignis des Unter-Schiedes, in dessen Wahrnis der Mensch
ken und machen. Der Stil des Denkens ist der unscheinbarste aller vereignet ist.
Stile - wenn Stil ist: das Geleit des Gedeihens in der Fügung*; das Be-wegen aber bewirkt nichts;
Geleit als weisend-winkendes; Fügung als das Ereignis der Fuge es bereitet den Pfad und bringt in den Gang. -
des Dinges. Doch das Bereiten und Bringen ist das Schonen der Freye in der
Denken ist die Weise aller Weisen. Weise aller Weisen, in der Weise der Sage der Welt. 47
Denkende sind die gewiesenen Weiser solchen Weisens. Gedei- Be-wegen ist das Bei-ständige des Lassens. 20
hen ins Gediegene - aus Ereignen. Das be-wegende Denken ist ereignet aus dem Unter-Schied. 47
* Fügung der Fuge des Ereignens; Fuge: da s Ding im Anwe- Die Nachbarschaft der Einsamen: 52
senden. der Vor-rat des Ratsals.
Weniges, aber Wesendes.
28 Anmerkungen VI Anmerkungen VI 29

Vom vorstellenden Wirken im Gegenständig Wirklichen aus ge- Ein fades Unbehagen beschleicht den Geist, wenn er merkt, daß
rechnet, sieht das be-wegende Denken überall nur so aus, als er- rnan ihn noch einmal zum öffentlichen Reden überreden will. -
läutere es Wörter der Sprache. Doch diese Art des Sagens ist das
Be-wegen; man muß freilich das vorstellende Wirken verlassen Rednerei und Schriftstellerei gehören in die Verwahrlosung. -
und das bewegende Lassen aufgesucht und besucht haben. 20
Doch sind wir überall unbeholfen im Versuch, die Sage des Ünter -
42 Das fatale Verfahren, alles bodenständig Gediegene nur so auf- schiedes im Gesetz der Stille zu halten.
und anzunehmen, daß man es historisch erklärt und ableitet, ent-
springt einem angeborenen Widerwillen gegen alles jäh Ereig- Der Feldweg 7
wurde in den Ostertagen 1949 auf der Hütte ge-
nete und in sich Fruchtende. Oft ist es auch nur das Unvermögen, schrieben.
einem Gediegenen sich zu stellen und sein Rätsel auszutragen.
Man hält sich dann an das einem Geläufige und historisch Be- Welt-Katastrophe sagt, daß das Ganze des Seienden aus dem Seyn 44
kannte, in der Meinung, dieses sei erfahren. und als dieses sich Kata (zu hin) crtpecpei- sich wendet - nämlich
Der Widerwille gegen das bodenständig Gediegene ist der Ret- in die Irre. -
tungsanker aller unfruchtbaren Geister. Sie machen sich daraus Das Wesen der Technik und mit ihm die Herrschaft der sich
den Geist des übereilt hinterherlaufenden und so darüber kom- sichernden Richtigkeit alles Seienden als die beständigte Gegen-
menden und so überlegen scheinenden Besserwissens. Dieser ständigkeit stellt sich in seiner Öffentlichkeit als die Wahrheit auf
Widerwille zerstört, wenn er in alles und jedes eingreift, jedes und ist, in der Wahrnis des ~ gesehen und erfahren, die Irre
Wachstum. Das Verfahren dieses Widerwillens ist inzwischen ins der vollständigen Verwahrlosung.
Große entwickelt und zersetzt jedes gewachsene Verhältnis zum »Die Wissenschaft« - als die technische Organisation der Si-
Seienden. Dieser Widerwille ist der Wille der Öffentlichkeit , die cherung der Sicherheit der Richtigkeit des Vorstellens innerhalb
ihr selber verborgene Vergessenheit der Wahrheit des Seins ins des Herstellens.
Äußerste unbedingt zu verfestigen. In diesem Willen will sich die Der Wille zum absoluten System in der absoluten Metaphysik
Verweigerung des Seyns selber. (38) Als dieser Wille west das alle und das Wesen der Technik. Über das »System« vgl. S.S. 36.8
Repräsentation und Vergegenständlichung ereignende Anwesen
des Anwesenden. Wie erbildet und richtet die Re-praesentation des Gegenständigen
und Aufständigen die Öffentlichkeit als das ihr gemäße Offene
43 Ohne Anhalt in der Wahrnis des ~ geht die Flucht in das ein?
beliebig Wegreißende des Seienden.
Im Krampf der Verzwingung grundloser Aushilfen ersteht der
Anschein von Rettungen. 7
(Martin Heidegger: Der Feldweg. Vittorio Klostermann Verlag : Frankfurt am
Überall sind das die letzten Trümmer der Verendung der Meta- Main 1949. S. auch Martin Heidegger : Der Feldweg . In: Ders. : Aus der Erfahrung
physik, die sich noch mit den Mitteln der historischen Selbstkennt- des Denkens 1910-1976. GA 13. Hrsg. von Hermann Heidegger . Frankfurt am Main
1983, s.87-90 .]
nis neu aufzurichten versucht. Merkmale der Verwahrlosung. 8
[Martin Heidegger: Schelling: Vom Wesen der menschlichen Freiheit (1809).
GA 42. Hrsg. von Ingrid Schüßler. Frankfurt am Main 1988, S. 23-106.]
30 Anmerkungen VI Anmerkungen VI 31

Im Vermögen des Wesens (v*) beruht die Macht. Alles Nachverstehen und Besserverstehen hinkt hinter dem' Ge-
Im Ereignen beruht das Mögen des Vermögens. dachten her. -
Die Macht der Stille. Nur Denken überholt Gedachtes, um von diesem angesprochen
* [v =verbal] zu werden.

45 Die Weltkatastrophe, deren geschickliche Vvahrheit wir kaum ah- Der geistesgeschichtliche Historismus, der vor nichts haltmacht,
nen, birgt vermutlich den Anlaß für eine Gelegenheit des Men- verführt zu der Meinung, das von ihm beigebrachte Verstehen,
schen in sich, in die Armut seines Wesens im ~ einzukehren. das alles mit allem vergleicht und ausgleicht, sei ein Erfahren der
Solche Einkehr ereignet sich nur in der Kehr der Vergessenheit Geschichte.
des~. Grausig Leeres entsteht, wenn man Einfaches nur nachmacht,
Die Vollendung des Unheils könnte dahin gehen, daß Europa ohne im Gediegenen zu wurzeln.
sich auf diesen ihm nahegelegten Anlaß nicht mehr einläßt, weil
es sich darauf nicht mehr einlassen kann, insofern ihm der Anlaß Groß ist, was in das Unerschöpfliche seines Wesens einweiht und 47
verdeckt und der Einlaß verbaut werden durch die noch einmal der Not des Wirkens enthoben bleibt.
andrängende Herrschaft der vollendeten Technik und der von ihr
eingerichteten Öffentlichkeit des Willens zum Willen. Die Armut Die Unterscheidung des vor-stellenden und des be-wegenden Den-
als die Freye im Unter-Schied. kens denkt noch aus dem Selben, insofern je in jedem Denken
das Sein den Bezug der Sage bestimmt; aber »Sein« als Sein des
Amerika - die in das Vollständige des Riesigen sich einrichtende Seienden und als ~-
Selbst-verblendung des neuzeitlichen Wesens des abendländisch-
-europäischen Geschickes. Dieses Blendwerk im Glanz der Beherr- Weg als Pfad und Gang bestimmt sich aus dem Ereignis des Unter-
schung aller Herrschaftsmittel des Willens zum Willen. Amerika Schiedes, weltisch aus der Entfernung, die als Nähe das Menschen-
als äußerste Gefahr des Abend-Landes. Die irrige Sucht Europas, -wesen in die Freye und durch diese ins Geviert vereignet. 40/41, 57.
46 durch das Blendwerk der Selbstverblendung zur Einsicht ge-1 lan-
gen zu können. Die Sage des Unter-Schiedes bewegt die Einkehr der Kehre. Dies
Wenige noch mag das Denken erlangen. So könnte es den Glanz-
Denkende müssen stets selber ihren Nachkommen erst die Mittel raum der Armut entdüstern.
in die Hand spielen, womit die also Belehrten den Denkenden
die Abhängigkeit von den Vorfahren vorrechnen in der Meinung, Jedes eigentliche Denken ist sich selber verborgen; denn es birgt
dadurch sei ein Verständnis der Denkenden und ihres Gedach- sein Wesen vielfältig. Selten vermögen wir, Gedachtes erst zu den-
ten gewonnen. Das trifft auch zu. Aber solches Verständnis bleibt ken.
noch wesentlich entfernt von einem entsprechenden Denken des
Gedachten. Im Denken des Gedachten heißt auslegen: das Befremdliche vor - 48
legen.* Das Befremdliche gibt uns zu raten.
Ratsam dem Ratsal ist Denken.
32 Anmerkungen VI Anmerkungen VI 33

Die Historie kennt nur Überlieferung; vorstellend das Vergan- Wissenschaft als absolutes Wissen ist die ontologische , Wissen-
gene, trägt sie daraus zusammen und liefert es weiter von einem !schaft als Forschung die ontische Weise des Vorstellens der im 50
Vorstellen über das andere. Vorstellen gegenständigen-präsenten Gegenständigkeit des gegen-
Die Geschichte aber [als] Geschick des ~ kennt allein die ständigen Wirklichen in seiner Wirklichkeit.
Übereinstimmung, die in das Eine Selbe vor und zurück, herüber Im Wesen der Technik ist beides schon verborgener Weise geeint.
und hinüber stimmt und das Menschenwesen im ~ einbehält.
Die Art und der Grad dieses Einbehaltens ist unabhängig von der Für die Griechen wird zuletzt die enun:1µ,1 - das Vor-dem-Anwe-
Masse der historischen Kenntnisse und der Historie überhaupt. senden-als-solchen-Stehen (Anwesen zu Anwesendem in der Weise
Die Übereinstimmung in das Schickliche - als das Verhältnis- des iöclv des döoc; als µopcpiJder 'ÖATJim uuvoA-ovdes apyov in seiner
-mäßige. svspysia zum sehenden (0scopia) Verhältnis zum s6v der öv-ra);
Das Verhältnis-mäßige west im Geviert der Welt. die Auslegung auf »Sehen« und Gesehenhaben, die Sicht des
Aus-sehens und dieses als Weise des Anwesens - erst seit Platon?
Die Über-ein-stimmung ist gestimmt aus der Stille des Ereignens Im »Aussehen« zumal: ein Anwesen und ein Gesicht. Das sehende
der Welt. Vor-dem-Anwesenden-Stehen ist die Vorform der percipierenden
Die Über-ein-stimmung wahrt den Unter-Schied. Praesentation - d. h. des Vor-stellens.
Sie hält sich frey den Jähen des Ratsals. In der Frühe aber das vociv und als A-sysiv.
* Vor-legen auf den Weg des be-wegenden Denkens. 36 rppov17az~- uocp6v.
Nicht auf Gewißheit eine s Gewußten, nicht einmal I auf Ge- 51
49 Nicht das, was nur dauert, hat Wesen. Dieses vergönnt sich eher sehenhaben des Gesichteten, sondern auf das Selbe des vociv und
den Jähen eines Geschickes und öfter, als wir merken. des dvat bleibt das A-systvbezogen - d. h. es west als Anwesen in der
Moi:pa der <l>umc; - im "Ev des A6yoc;; [ge-eignet der Unverborgen-
Zuletzt bleibt das Denken in seinem Gedachten wie ein blinder heit] gegen die L1oc;a.Vgl. Der Spruch des Anaximander, Holzwege. 9
Zeiger stehen. Um dieses einen Stillstands willen bedarf es vie-
ler Umläufe um die Welt. Doch die Welt selbst ist der sich in den Weil das frühe Denken außerhalb der smu-riJµTJund vollends der
Unter-Schied entringende, lichtend-bergende, d. h. er-eignende scientia und der Gewißheit bleibt, kann es, gemäß diesem Außer-
Ring, für den es kein Außerhalb gibt, in dem noch ein Vorstellen halb von »Wissenschaft« in jedem Sinne, auch nie unwissen-
sich »herum«-treiben und nach etwas greifen könnte. schaftlich sein; nicht einmal vor-wissenschaftlich. Hier ist jeder
Hinblick auf »Wissenschaft« schon eine Herabsetzung oder doch
»Wissenschaft« ist neuzeitlich zweideutig und doch des selben Versetzung ins Unverhältnismäßige; auch dann, wenn wir sagen,
Herkunftstammes: das Denken sei außer-wissenschaftlich.
Wissenschaft als absolutes, d. h. unbedingtes Sichselbstwissen
des Wissens als der Gewißheit im Sinne der in sich gekehrten
Vorgestelltheit des Vorstellens. 9
[Martin Heidegger: Der Spruch des Anaximander. In: Ders.: Holzwege. GA 5.
Wissenschaft als sich entfaltende Forschu ng innerhalb der H rsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann. Frankfurt am Main 1977, S. 321-371.
Regionen des Gewußten jener Gewißheit. Die Erstausgabe der »Holzwege« erschien 1950 im Vittorio Klostermann Verlag.]
34 Anmerkungen VI Anmerkungen VI 35

Jedes Nachdenken über »Wissenschaft« , das nur von der For- Deyen als Wachsenlassen: in das Wurzeln bergend, aufgehen
schung ausgeht, bleibt unfruchtbar; die Wissenschaft als For- lassen im Gewurzelten.
schung gehört in das Wesen der Technik; dieses entstammt der Die Erde deyt -; die Freye freyt; der Himmel heytert, die Spar -
Wahrheit des~ - Vgl. 54. In deren Geschick auch die Wahrheit nis heilt.
als Gewißheit (con-scientia). Aber jedes Welten ist gegnend im Geviert des Unter-Schiedes.
Das Wesen der Technik beruht darin, dq:ß sie die Verwahrlosung
vollendet, vom Ende her sie einrichtet und so das wahrlose ~ Der Gang über Feld ergeht erst Feld und bewegt die Nachbar-
ist . 63 schaft der Einsamen, die an ihr bauen. Vgl. V. H . I , 123.

52 Mächtig ist , was im Vermögen des Wesens wohnt. Wesen (v) aber
ist Ereignis der Welt .
Macht und Macht ist verschieden, je nach der Wahrheit des
Das bewegende Denken kennt keine Wissenschaft.

Das be -wegende Denken baut an der Nachbarschaft.


>o
Wesens und so je nach dem Wesen der Wahrheit.
Wenn Wahrheit zur Gewißheit geworden und diese eine Bedin- Nur wenn sie wehend west, wird die Erde irdisch. •
gung eines Willens zum Willen, ist Macht der Wille; der Wille Not ist: die Erde von der Natur befreien; insgleichen den Him -
hat sich, herkünftig aus <l>ucric;
- A6yoc;- "Ev, dem Herstellen und mel. Die Natur als die Verwahrlosung des e6v der AA:fJ81na.
demzufolge der Machenschaft ausgeliefert. Das Vieldeutige retten in das Vierdeutige der Welt . V. H. I, 53.
Macht aus Wille - 1 - Macht im Ereignen.
Die Kehre von der Machenschaft der Technik zur Macht des Was heißt dies: die Erde von der Natur befreien?
Ereignens. Hier ist Natur als Gegenständigkeit der Natur-wissenschaften 54
Die Kehre als die Einkehr der Stille. gedacht. Die Erde aus dieser Gegenständigkeit lösen; dazu nötig:
Im Weltalter der Kehre wird alles vieldeutig. 53 u . die Gegenständigkeit der Seiendheit aus der Wahrheit des Seyns
Die Einsamen sind im Weltalter der Kehr e die Mächtigen; verwinden. Woher und wie Verwindung des ~? Die Eschato -
mächtig aus Ereignis. logie des~.
Die Einsamen werden geboren. Natur als »Dasein« des Erscheinenden; das Von-sich -aus-Vorlie-
Aber ihre Nachbarschaft müssen sie bauen. gen - »Wesen« - <l>ucnc;.
Die Einsamen sind die Bauern; landlos, aber irdisch.?
Ihr Bauen hat nicht nötig, erbaulich zu werden.

Verwahrlosung :
Aus ihrer Nachbarschaft gedeiht ein anderes Wohnen . Im Wahr-los : Ab-Kehr von der lichtend-bergenden Wahr des
Wie wird Nachbarschaft? Im Gang über Feld . Austrags . Ab-Kehr in Vg der Differenz (vgl. V.H. I).
Die Verwahrlosung ist nichts Negatives, weder Verfall noch Ver-
53 Feld als die Gegend der weltischen Erde: der Acker der Welt. lu st; denn als Wesen des ~ west sie im reinen »ist« des ~-
Gegend als das unter-schiedlich ereignende Gegnen im Sinne Im Wahr -los ist die Näherung der Kehre. - Nur in der Kehre ist
des freyend-sparenden, heyternd-deyenden Gevierts der Welt. Ereignis - als einkehrendes im Eigenen.
36 Anmerkungen VI Anmerkungen VI 37

Verwahrlosung ist die äußerste Ent-Scheidung zur Kehre -; ist Insofern wir geschicklich sind, gelangt das Gewesen in das fü-
in sich als die unbedingte Beständigung der Wirklichkeit die äu- gende Gelicht seiner Übereinstimmung mit der Ankun~!· Durch
ßerste Weite des Ergrimmens im Ereignis. das historische Vorstellen besorgen wir höchstens eine Uberliefe-
Gleichwohl keine Teleologie; kein um-zu (wie Entfremdung rung des Vergangenen an das Gegenwärtige. Historie beliefert die
und Rücknahme dieser), sondern in sich alles die Jähe des Ereig- jeweilige Gegenwart mit Vergangenem.
nisses selber; jedes »um-zu« würde trennen! nicht einmal Stufen Geschickiich denken bringt das Einstige zum Keimen, ohne
und Phasen, sondern Jähen des Selben . daß es historisch daran rührt.
Geschicklich denken überwiegt alles historische Darstellen un-
55 Denken: die Zukunft be-wegen; d. h. Wege in die Ankunft des endlich. Dieses erreicht jenes nie; jenes versagt sich diesem immer.
Einstigen finden und darauf bringen. Der Keim der Jähen im Ratsal der Stille.
Ankunft ist nur als An-Kunft der Welt; ist als Ereignen des
Unter-Schiedes . Dadurch, daß etwas durch die Historie als geschichtlich wirklich 57
Zukunft ist hier nicht historisch gemeint, nicht die durch das dargestellt wird, ist noch keineswegs erwiesen, daß das darge-
vorstellende Erwarten verlängerte Gegenwart. stellte Wirkliche bei all seiner Wirksamkeit je geschicklich war
Zu-kunft als Ankunft der Weltwest in der Übereinstimmung und ist.
von Einst und Einst.
0 Im Denken kommt es auf die unscheinbaren Nuancen an; das
Denken - wer es nicht vermag, sein Gedachtes, wenn es überhaupt sind die Winke des winksamen ~- Die Goldschmiedekunst
je einen Augenblick lang das Seine sein kann, frei zu verschwen- ist gegenüber dem Denken noch ein grobes Handwerk.
den und zugleich sich als den Denkenden zu verschwenden und so
vom Wesenskern aus arm zu sein, der tut gut daran, sich nie mit Die be-wegende Auslegung des Gedachten bringt vor das Be-
dem Denken einzulassen. fremdliche und legt darin das Reine (Lautere) des Ratsals vor. -
Arm kann nur sein, wer in das Reich (das regere) des Ereignens So ist Erläuterung.
reicht, in seinem Wesen dahin gelangt, weil ereignet ist. Selbst-
täuschung wäre es, diese Armut zu wollen und zu meinen, im Sich begnügen aus dem Geringen: das Wesende rufen.
Eigenwollen von sich aus sie ausstehen zu können, im Sinne einer
»Haltung«. Be-wegen : auf einen Pfad zum Gehen bringen. Die so gedachte
Be-wegung ist nur aus dem Ereignis zu denken. Das Be-wegen ist
56 Wer nicht in der Wahrnis des~ aus ihrer vierfältigen Fuge in sich aus Winken her in diese be-zogen. (72)
denkt, vermag weder das je nur einmal Schickliche des Denkens
noch die Verschwendung des Gedachten; verschwenden ist hier Wer, der noch denkt, darf sich heute der Gewalttätigkeit einer 58
das freie Säen des Korns auf dem unbekannten Acker der Welt. Öffentlichkeit und deren Getümmel preisgeben, die mit ihren
Machenschaften die Einzelnen nicht nur überspielt, sondern mit
Eine Geschichte der Schicklichkeit der Denker und ihres jewei- Spülicht überspült?
ligen Vermögens - wer wird sie erzählen? und wem?
38 Anmerkungen VI Anmerkungen VI 39

Das furchtbare Geschick der Denkenden in der Epoche der Kehre Nur die Entschiedenen gelangen in das Verhältnismäßi ge.
der Eschatologie des Seyns:
Daß sie schreien müssen als die Verschwiegendsten - Wenige erfahren den Reichtum des Selben. (V.H. I, 60).
daß sie Rede stehen dem, was nie Gerede werden darf. Den Meisten verkehrt es sich in das Gleiche; das tröstet ihren
Aber dieses Widrige in ihrem Wesen kommt aus dem Stachel Neid und verschafft der Rachsucht neue Schliche, alles ins Gleiche
der Weltmitte. Es entstammt dem Riß des Unter-Schieds. einzuebnen und mit diesem Anschein des Selben zu prahlen.

Wahr, wahre Ungesprochenes. Was einer Gediegenheit eines Geschickes entstammt, errechnen
die Spätlinge als bloßes Ergebnis von Erziehung. Sie meinen durch
Das Gestein der Sage; woher die Versteinerung? die Einrichtung dieser noch etwas bewirken zu können. Sie wir-
ken auch. Allein, dieses Gewirkte bleibt in der Verwahrlosung und
Wahre die Sage des Unter-Schiedes. befestigt ihre Beständigkeit. Schließlich machen sie aus dem Er-
ziehungswesen noch einen Gegenstand der Soziologie. Als Vor-
59 Der Feldweg- damit wir dem Gang einer Schrift oder einer Rede stellung des Gestelles der Gesellschaftsordnung gehört sie in das
eines Denkers nachgehen können, bleibt Eines unumgänglich: wir Wesen der Technik.
müssen zuvor in der Dimension heimisch werden, worin der Gang
des Denkens seinen Weg nimmt. Die Dimension ist, meistens dem Die Wissenschaften schwächen und entwurzeln den Mut zum Irr- 61
Denker selbst verborgen in ihrer Fügung, das Feld; der Weg, den turn. Nur in ihm gedeiht das Denken. Vgl. 85.
es zu weisen und zu gehen gilt, ist der Feld-weg . Der Mut zum Irrtum eignet den Wohnern des Ratsals. Sie
Alle Einübung des Denkens muß den Gang auf dem Feldweg erbauen die Irrgänge; entwohnen dem Richtigen; erfahren das
lernen. Die gewöhnliche und eilige bloße Beschäftigung mit den Ungewahrte, bedenken die Wahrnis. Der Mut zum Irrtum wur-
Denkern übersieht die Feldwege. Man schätzt die großen Aussich- zelt im freyenden Gemüt der Sterblichen. - Sie sind die Wahrer
ten von den beliebten Standpunkten aus. Man scheut das Gehen; des Todes.
vollends das einsame Gehen über Feld, wo nur das Wenige be- Was wollt ihr von Ewigkeit wissen, solange ihr das Wesen des
gegnet. Zeit-Raumes ungedacht laßt und mit dem Anschein von Zeit eure
Ohne die lange Erfahrung des Wesens von Welt fehlt der Sinn Rechnungen macht?
für das Dimensionale des Denkens.
Die Dimension ist die Durchmessung, die das Verhältnis-Mä- Sage des Unter-Schieds bleibt gleich weit entfernt von Schriftstel-
ßige in seinem Maß ermißt. Alles Verhältnis beruht im An-sich- lerei und Rednerei. 16.
Halten, dem wahrenden Verschenken des Ereignisses. (V.H. I, 113), Sage des Unter-Schieds befürwortet die Stille - ist das ihr
vgl. 118u. gehörige vor-herige sterbliche Wort, das die Stille ihrer Wahr
empfiehlt. Vgl. 72.
60 Froh noch Höhen des Ungleichen ersteigen.
froh: freudig und ruhig Wesender als das Ewige im Menschen ist das Sterbliche im Men-
entschieden im Unter-Schied. schenwesen. Das Sterbliche ist nicht der Leib; ein Leib kann nie
40 Anmerkungen VI Anmerkungen VI 41

sterben. Sterblich ist nur die Seele der Seele. Das ist der Bezug, als 1. Geschichte als Geschehen , abgesetzt gegen die Historie als
welcher das Ereigni s sich Freye ereignet. Kenntnis.
2. Geschichte aus dem Geschick, dem fügenden Gelicht und
62 Wie wollt ihr je da s Ewige erblicken, ohne das Sterbliche zu er- Gebirg des Ereignisses.
fahren? 3. Geschichte in der Übereinstimmung aus dem Selben, nicht
durch die Überlieferung des Gleichen.
Holzwege - Weshal b handeln sie jedesmal und je in anderer Weise 4. Das Geschehen des übereinstimmenden Geschicks ist die
und Hinsicht vom subiectum? Be-wegung des Ereignens.
Weil das Geschick des Seyns und zwar von seiner Wende aus zur 5. Geschichte ist Geschichte des ~ und nur so, weil das We-
Sprache kommt. Vgl. V. H. I, 68. sen des Menschen im ~ ereignet ist , Geschichte des Menschen.
Das subiectum weist zurück in das u1toKEiµevov,das Schon-An- Geschichte ist Welt-Geschichte im ereignishaften Sinne von
wesende aus Aufgang (<I>) in Versammlung (A). Das subiectum Welt . Geschehen: das Sich -be-wegen des ~ als Ereignis aus
weist voraus in die Subjektivität, das vorstellend -sichherstellende Welt als der Enteignis zur Stille .
Wesen des Willens zum Willen und so in das Gestell der Bestän-
digung. Von der 'AliJ0eta bis zur Beständigung waltet ein einziges Weil die Herrschaft des technischen Vorstellens und mit ihr die 64
Geschick des Wahrlos des Anwesens, welches Anwesen sich ge- Macht der gegenständigen Wirklichkeit (aus dem Gestell der
währt in die Beständigung der Wirksamkeit. Wirksamkeit) sich noch steigert, verstrickt sich das Denken noch
Im subiectum als der Wende der Entfaltung des Anwesens des mehr in die Art des Vorstellens des Seienden sowohl wie des Seins
Anwesenden von der Hergestelltheit im Werk (evepyeia) zur Wirk- (övTlöv; apriori). Wo das Denken einen Ausfall aus solcher Verstrik -
lichkeit im Gestell (T) verbirgt sich ein Wink auf das ganz Andere kung versucht, gerät es, weil ihm jeder ursprüngliche Wesensbe -
der Kehre aus der Letze der Verwahrlosung in die Nähe von Er- reich fehlt, nur noch entschiedener in das Fordern und Betreiben
eignis. Das her-vor-bringende Stellen (0foti;, 1toi11cni;)
und das wirk- von Weltanschauungsgebilden und der in ihnen erwarteten Si-
same Stellen (Beständigung - als Machenschaft des Bestandes). cherheit. Auch die Glaubenspredigt der heutigen Kirchen bewegt
sich in diesem Feld, das kein Feld ist.
63 Technik, in ihr neuzeitliches Wesen seynsgeschicklich gedacht, ist Inmitten solcher Herrschaft des vorstellenden Denkens ent-
das Gestell der Beständigung des Anwesenden in die Wirksam- behrt das bewegende Denken jeder Gelegenheit zu einem Anlaß
keit, und zwar die unbedingte, des Wirklichen, und zwar des voll- für seine Schritte.
ständigen. (Vgl. 51f.) Darum ist nötig, das vorstellende Denken erst einmal in die
Bedenklichkeit des seynsgeschichtlichen Andenkens zu bringen,
Je zwingender das Richtige der Wissenschaften wird, um so wahr- auf einen Absprung auf den Weg einer Be-wegung des bauenden
loser bleiben sie. Denkens vorzubereiten.

Um das Wort Geschichte im seynsgeschichtlichen Sinne zu den- Das vorstellende Denken (verschieden zwar, je nachdem es im 65
ken, müssen wir wenigstens fünferlei zuvor beachten: voeiv und leyeiv oder in der repraesentatio und conceptus gründet)
bleibt im Wesen ausgegeben an das Anwesende und an das Anwe -
42 Anmerkungen VI Anmerkungen VI 43

sen; dergestalt ist es wesenhaft ungesammelt auf die Differenz als Zuletzt gelangt das Denken dahin, keine Unterkunft mehr zu 67
den Unterschied. Das vorstellende Denken ist zerstreut. suchen, sondern selber sie zu~- Das Fürwort in der Sprache.
Diese Zerstreuung betreut in ihrer Weise, in einem gemäßen Diese Unter-kunft bietet kein Obdach, sondern ist das Kommen
Verhältnis die Vergessenheit des Unterschieds. Diese Zerstreuung eines Ganges, der im Unter-Schied geht, weltisch wohnt.
schließt nicht aus, sondern ein die Konzentration auf das Vorstel-
len des Anwesenden, zumal im Sinne des Gegenständigen. Der gewöhnliche Leser einer Interpretation erklärt diese sogleich
Die Konzentration richtet sich ein im Betrieb und System; in für gewaltsam, wenn sie den Vorstellungen, in die man sich be-
Planung und Ordnung. Je mächtiger diese ihre Machenschaft aus- quemt hat, nicht angenehm entspricht. Weil die gewöhnlichen Le-
breiten und festigen, um so entschiedener wird die Zerstreuung; ser das öffentliche Urteil machen, ist man sich über das Gewalt-
um so gesicherter ist die Vergessenheit gewahrt, d. h. vergessen. same einer Interpretation sogleich einig. Man ist der Nachprüfung
Das Gestell der Wirksamkeit, worin das geschickliche Wesen des Urteils enthoben; vollends aber der Besinnung über das, was
dieses Vorstellens gründet, verstellt die Vergessenheit des Unter- zum Wesen einer Auslegung gehört.
schieds und erstellt die Verwahrlosung ins Vollständige - dieses Wann erkennt man die Diktatur des Verständlichen? Nie. (72)
jedoch inmitten der aufdringlichen Wirklichkeit und Gegenstän-
digkeit aller Bestände. Sein und Zeit. Statt auf einen zweiten Band zu warten, statt die
Das Gestell der Wirksamkeit löscht die Möglichkeit jeden Ge-1 bloße Abänderung des Vorgehens und eine Wandlung des Stand-
66 hens des ~ aus dem Ereignis des Unterschieds aus. Die Aus- punktes historisch zu erörtern, wäre nur nötig, den Weg von Sein
löschung der möglichen Gediegenheit ist die Wüste. und Zeit noch einmal, den selben, aber entschiedener, zu gehen
Im Gestell der Wirksamkeit herrscht die Verwüstung. Wer er- und zwar noch als Weg vor dem Denken aus der Kehre.
fährt die Wüste des ~?
Die Kehre der Vergessenheit des Unterschieds ist zugleich die 68
Was jetzt im offenbaren Ganzen des Seienden für uns auf dem Pla- Kehre des Denkens aus dem vorstellenden (transzendentalen) in
neten geschieht, ist eine Weltgeschichte ohne Welt. Hier geschieht das bewegend ereignete Denken der Sage des Unterschiedes.
das Verlöschen der Möglichkeit von Geschichte innerhalb dieser Aber das vorstellende Denken und sein Weg, wie er fundamen-
Wahrheit des Seienden (als der Technik). Dieser angebliche Beginn talontologisch in »Sein und Zeit« gegangen wird, bleiben in ihrer
der Weltgeschichte im Sinne des planetarischen Betriebs ist die geschicklichen Notwendigkeit und bleiben so gerade jetzt, wo man
Verendung von Geschichte und die letzte Verweigerung von Welt. durch irgend eine Zauberei sich zu etwas Anderem wegschleichen
möchte.
Es ist möglich, in reicher Gliederung und Umschau die Welt- Die Kehre im Wesen von Welt.
geschichte und Vorgeschichte des Menschen historisch darzustel- Welt als ekstatischer, ereignet-ereignender Horizont - der Sei-
len, ohne im geringsten von einem wesentlichen Geschick der endheit des Seienden.
Geschichte ereignet und in Anspruch genommen zu sein. Welt als die lichtende Bergung des Unterschieds.
Umfassende historische Kenntnis kann ohne geschichtliche Er-
fahrung bleiben, sie kann sogar den Anschein dieser erwecken. Wie dagegen das Planetarische? Genannt ist damit di e Bestand-
Das Geschicklich e bedarf nicht des Historischen.
44 Anmerkungen VI Anmerkungen VI 45

sicherung der ganzen Erde für die Sicherheit der herstellenden zurück in die Stille . Allerdings verlangt diese ein Verhältnis zu
Machenschaft von allem als Bestand des Willens zum Willen. ihr, das sie zum Maß nimmt und alle Maßstäbe des Auftretens,
Das Planetarisch e: 1. universalhistorisch vorgestellt. des Geltens, des Begehrtwerdens und Wirkens weggeworfen hat.
2. welt-geschicklich erfahren . 89. Aller Communikationswille haftet versteckter und ungedach -
ter Weise am Anspruch auf Er-leben des Lebens (d. h. des »Seins «).
69 Eines ist, daß wir uns historisch vorstellend uns in die vorgestellte Nur wird das egoistische Subjekt zugunsten des kommunizie-
Geschichte ein und mit dazu rechnen. renden aufgegeben; aber im Wesen ist damit das Verhältnis von
Anderes ist, ob wir geschicklich sind und zum Geschick werden, Seyn und Menschenwesen noch entschiedener vergessen und in
ohne vor und zurück zu rechnen. Vgl. V. H. II, 13. die Vergessenheit gestoßen; der Ernst und die Lebendigkeit des
Anspruchs auf Communikation täuscht über das Gedachte der
Das vorstellende und so ordnende Denken - Wesensverhältnisse weg und genügt eher den Forderungen der
Das be-wegende, weil ereignete Denken. Wirksamkeit des Wirklichen und seines Betriebes.

Zum Ordnen gehört auch noch das Bewußtmachen und das Be- Wird vollends die Communikation auf Transzendenz bezogen, 71
reiten von Aufrechnen und Aufschwung und Verwirklichen von dann scheint alles Philosophieren dieser Art den herkömmlichen
Kommunikation. 10 Bedürfnissen zu genügen. Von hier aus leuchtet ein, daß solchem
Zum bewegenden Denken gehört schon das Fragen nach dem »Denken « eine Sache des Denkens als Gedachte fremd bleibt und
Sinn des Seins, im Sinne der Frage nach dem Wesen der Differenz. ein Greuel.
Die Gefahr ist , daß diese transzendierende Communikation
Solange wir aus der Kommunikation und in diese denken, wissen nicht durch das lediglich, was sie erreicht und betreibt, sondern
wir nichts von dem, was sich ereignet, wenn Einsame sich aus der als Communikation den Menschen auf sein Erlebnis -Wesen fest -
Einsamkeit erreichen. Daß diese steigt; daß ein Walten ohne Wir- schraubt und so gerade im Transzendieren den möglichen Bezug
ken erwacht. Die Ortschaft der Einsamen hat ihre Nachbarschaft zum Geschick des ~ gegen dieses abriegelt, all dieses zugleich
im Ereignis. Andenken : einander in das Eigene des Ereignisses im Anschein, als sei jetzt das Lebendigste geliebt. Aber dieses ist
entlassen. nicht der Fall, weil solches Philosophieren weit davon entfernt
bleibt, das Tiefste zu denken . Wie soll es auch denken, da es das
70 Von der Communikation her vorgestellt sieht das einsame Denken Gedachte nicht erfahren kann. Gleichwohl dürfen wir dem Philo -
im Geschick der Wahrnis des ~ so aus wie ein autoritäres Be- sophieren den Ernst der Bemühung um das »Sein « nie absprechen.
sitzenwollen der einzigen Wahrheit . In der Sache aber ist solches
Denken jedoch nur dahin gewiesen, das Ratsal des ~ zu be- Das Einfache und das Vereinfachte sind grundverschieden .
-wegen. Es ist kein herrschaftliches Auftreten, sondern der Schritt Jenes ist Ereignis, dieses nur Ergebnis. 38

10
E iniges, Weniges, zustande bringen, was in sich die Kraft hat, zu 72
[Vgl. Karl Jaspers: D er philosophische Glaube. R. Piper und Co. Verlag: Mün-
chen 1948, S. 38: »Vernunft ford ert grenzenlose Kommunikation , sie ist selbst der warten und wartend zu zeugen und hervorzubringen, was selber
totale Kommunikationswille .«] entbirgt, um zurückgeborgen zu werden in den Vorrat des Ratsals.
46 Anmerkungen VI Anmerkungen VI 47

Das Ge-Wesen besamen, indem wir Ankunft erkeimen. Zur Kehre gehört, daß wir uns dessen entschlagen, alle s nur im
Jäh einmal werden Denkende, falls sie diese sind, zu Andenken- Geschick des Seyns zu denken, statt dieses Geschick und so das
den . Sie er-innern das Einstige (E) in sein Äußerstes (V~) - ~ selber als eine der Jähen des Ereignisses zu erfahren .
Andenkende be -wegen die Wahrnis des Anwesens im Ereignis Mit der Vergessenheit des Unter-Schiedes entbirgt sich erst das
des Unterschieds. (vgl. 59) Ratsal des Ereignisses als Ratsal; der Reichtum seines Eigentums.
Fürwortlich denken ist wesentlicher als sich verantwortlich
gebärden . Vgl. 61, 67 Das Geschick des ~ sagen , heißt: die Kehre der Vergessenheit
des Unterschiedes zur Sprache bringen .
Denken verlangt den Mut zu irren und in das Unverständliche
einzugehen. Verständlichkeit kann nie ein Maßstab des Den-
•Darum bleibt die Not, darauf zu achten, daß wir im Namen »Ge -
kens werden; Irrtum gelangt nie in die Gegnerschaft zur Wahr- schichte des Seins« nicht nur Sein als Seyn und Seyn als ~
heit. denken, sondern ~ selber als eine Jähe des Ereignisses; näm-
lich als die Kehre seiner frühen Verweigerung. So entfällt ihm der
Be-wegen: das Wesen des Menschen in den Gang des Freyens auf langher mitgeschleppte Zug des Allgemeinsten; geschicklich birgt

.
den Pfad des Weltens bringen. es sich als eine Jähe, gestillt ins Ratsal.

73 Die Wendung »Geschichte des Seins« muß , wenn sie in den Um- ~
kreis des bisherigen Denkens gesprochen wird, notwendig un- Interpretation und Interpretation - vgl. Anmerkunge n VII, Er -
verstanden bleiben; denn Sein meint hier schon: Seyn, d. h. den läutern
Unterschied des Seins und des Seienden, in welchem Unterschied Man meint, sie sei dazu bestimmt, einen Text verständlich zu
Welt wehet . Das Seyn aber ist~' das in seiner Verweigerung machen. Man übergibt ihn der schon bestehenden Verständlich-
sich verwindende Ereignis - ereignend Enteignis der Stille . Ge- keit . Man gibt vermutlich das in ihm Gesprochene an das herr -
schichte aber sagt: Geschick und zwar im Sinne des Ereignenden schende Meinen preis. Wo eine Interpretation andere Wege geht
Sichschickens des Unter-Schieds in sein weltisches Wesen. (63) und so der schnappenden Verständlichkeit nicht entgegenkommt,
Geschick des ~' das ist das Ereignis selber in seinem Ereig- wird sie alsbald als willkürlich und darum als verfehlt ausgege-
nen, zu welchem Ereignen das Wesen des Menschen im Sinne des ben.
St erblichen gehört. »Geschichte des Seins « ist daher in sich, nicht Man läßt sich nicht auf den Gedanken ein , ob eine Interpre-
erst in der Folge, Wesensgeschick des Menschen. tation nicht dahin gewiesen sein könnte, in einem Gesprochenen
Geschichte des Seyns ist zugleich Geschick der Gottheit, Ge- (Geredeten oder Geschriebenen) das Ungesprochene zu retten und
schick der Natur als Geschick der Erde und ihres Welt -Kreises; ist mit diesem das Gesprochene. »Verstehen« wir die Interpretation
Geschick des Himmels. 97 so, denken wir in das Ungesprochene einer Sprache zurück und
vollziehen wir solches Denken als ein Erfahren, dann erhält der
Das Geschick des ~ ist eine Jähe im Ereignis, dessen Ereignen Versuch, ein selbst Gesagtes noch auszulegen, einen anderen Cha-
74 wir nicht kennen, so- !lange nicht Spuren von ihm selbst gezogen rakter. Die Selbstinterpretation macht sich dann nicht verständ -
sind. lich, sondern erweist das Gesprochene als zugehörig in ein Un-
48 Anmerkungen VI Anmerkungen VI 49

gesprochenes. Sie befreit von der Gefahr, Gesprochenes für sich der Natur gebeugt und in einer demütigen Frömmigkeit geforscht.
und damit zu gewichtig zu nehmen. Sie be-irrt und be-wegt das Daß große Forscher ihr Verhalten in solchem Sinne auslegten, ist
Denken. nicht zu bestreiten; aber hier sprechen sie weder als große Forscher
noch als Philosophen, sondern als naive Menschen. Ihr Zeugnis
76 • besagt aber gar nichts über das ontologische Wesen ihres Verhal-
Indessen gilt für das künftige Denken: vgi. V.H. II, 13 tens und vollends nicht das Geringste über den fundamentalonto-
nicht nur zur Sprache zu bringen die Kehre der Vergessenheit Zogischen Grund dieses Wesens. Daß sie, die Forscher, in ihrer on-
des Unterschieds, sondern zugleich diesem Gesprochenen, in die tischen Selbstbetrachtung ihres Tuns, sich in einer Andacht vor der
Sprache Gesprochenen, das Ungesprochene zu retten. Darum ge- Natur finden, schließt keineswegs aus, daß das Wesen ihres Tuns,
hört zu solchem Denken das, was nach dem üblichen Vorstellen als ihnen verborgenes ontologisches, den Charakter der unbeding-
wie eine nachträgliche Selbstinterpretation aussieht. ten Vergegenständlichung, 1 des Her-stellens, des Her-zwingens 78
In Wahrheit jedoch ist es ein fürwortliches Vortragen des und Einkreisens hat. Durch den Hinweis auf die Andacht und
Gesprochenen in das Denkwürdige des Ungesprochenen; keine Ehrfurcht der Forscher vor der Natur kommt schließlich nur an
Selbstinterpretation als lahmlegende Zergliederung, sondern die den Tag, daß sich das eigentlich Waltende Wesen des Seins des Sei-
bewegende Auslegung auf die Inschrift des Ratsals. enden, der Wille zum Willen, verbirgt, und daß alles forschende
Tun sich wesenhaft in einer ihm entzogenen Unheimlichkeit be-
Nur in »Strichen« könnte diese bewegende Auslegung der Vier wegt. In keinem Falle ist der Hinweis auf die Andacht der Forscher
Hefte gewagt werden. eine Widerlegung des Satzes vom wesenhaften Angriffscharakter
Aber Striche sind keine Aphorismen. der modernen Naturforschung als eines Instrumentes der Technik.
Angreifend ist sie gerade als theoretische Naturforschung; unent-
Genug an Ereignis bliebe schon, wenn wir nur erst Gerufene schiedene Vor-stufe: die E1tt-crtiJµ11.
wären der Stille, ohne daß wir vermöchten, schon verhältnismäßig Die geheimnisvollste und darum verfänglichste Form des
zu hören. So waltete doch ereignender Einklang - für die Pflüge Angriffes ist vielleicht die Morphologie der Natur. (µopcpiJ- UATt;
des Ackers der Welt; aber nicht Be-Rufene. 1toi11cr1c;;
µopcpiJ- döoc;).

77 Eine Täuschung über den Wesensbereich der Technik - Andacht steht nichts ahnend, d. h. Sein vergessend, im Dienste
Man hat einmal (als ich 1938 den Vortrag über das neuzeitliche des Angriffs.
Weltbild hielt, vgl. demnächst: Holzwege) 11 vermerkt, die moderne Aber der Angriff ist im Sein selber als dem Willen zum Willen
Wissenschaft sei da insofern in der Verzeichnung dargestellt, als gewillt: das Einrichten der letzten Verwahrlosung.
ihr ein Angrfffecharakter hinsichtlich der Natur zugesprochen
werde. Man hat dagegen geltend gemacht, große Naturforscher Das Geschick der Wissenschaft von der E1ttcrtiJµ11
bis zu der Be- 79
gerade seit dem 17. Jahrhundert hätten sich voller Ehrfurcht vor standsicherung.

11
[Martin Heidegg er: Die Zeit des Weltbildes. In: Ders.: Holzwege. GA 5.
A ndacht (oder eher der täuschende Schein von ihr) geht das Ab-
A.a.O., S. 75-113.] hören der Gegenstände an, ist Beziehung zum Anwesenden.
50 Anmerkungen VI Anmerkungen VI 51

Angriff beherrscht den Entwurf und den Angang des Anwe- Erst wer diesen Ruf, ihn durchdenkend in seine Wesensher-
senden auf sein Anwesen, das als Gegenständigkeit gesichert, im kunft, ins Gehör genommen, kann hie und da versuchen, auf den
Vorgriff des Begriffes in diese ereignet wird. Dichter hinzuweisen. Wenn unser Hören lauterer wird, ist das im
Gedicht Gesprochene fremder geworden. Wenn es der Befrem-
Alle hier genannte Andacht beruht in solchem Angriff. Der An- dung zugeht, wird das Hören vernehmender. Verstehen heißt jetzt:
griff kommt aus dem Aufstand des Menschen in die Subjektität - das Befremdliche als ein solches wahren.
als dem Willen zum Willen.
Der Aufstand ist das aus dem Willen zum Willen gewillte Wol- Verstehen gibt es nur dort, wo schon Einklang waltet. Verstehen 81
len der Bestandsicherung der Beständigung des ständig Gleichen. kann deshalb erweisen, daß schon Einklang ist; Verstehen kann
Vgl. Vorbeigang. nie Einklang erst bewirken.
Einklang freilich kann in der bloßen Gewohnheit einer Über-
Der Brief des Humanismus 12 täuscht, wenn man seine Sprache einkunft im Stil des Dasein s beruhen; Einklang kann aber auch
nur metaphysisch versteht. Das Einfache, das er sagt, ist noch ein- aus der Welt-Stille erklingen, im einsamen Klang; hier bedarf es
facher, als es scheint, einfach aus der Einfalt des gedachten, aber keiner Verständigung; denn Nachbarschaft des Wohnens ist dann
nicht aus-gesprochenen Ereignisses des Unterschieds . schon gegründet. Hier gibt es auch kein Bewirken und Be-arbei-
ten und Be-treffen. -
80 Bevor die Werkstatt geschlossen wird, wünschte ich, ihr noch Alles ist ereignet in das einsame Gedeihen. Der Einklang der
einige Gesellenstücke zu überlassen. Einfalt - V. H. II, 15.

Erläuterungen zu Hölderlin - »Vorgang« - ereignishaft gedacht ist im Denken das fürwortliche


unser Hören möchte lauterer werden, reiner vereignet dem Sagen aus der Nähe - vgl. 40 - im Da-vor der Dinge als der Welt.
Wort des Heiligen. Nur was in sich Vorgang ist, vergeht nicht.
Die Zwiesprache meines Denkweges mit Hölderlins Dichtung
läßt sich auf keine Formel bringen; sie ist, wenn etwas an ihr ist, Die Rilke-Sucht schlägt in Ablehnung um; beide sind das Selbe;
selber ein Prägen eines Geschicklichen. so oder so bleibt die denkende Zwiesprache mit dieser Dichtung
Hölderlins späte Dichtung steht im Zwischen seines eigenen aus.
Wortes aus der Elegie Stutgard:
»und heiliger spreche das kühnere Wort.« 13 Der Auf-stand des Menschen und der Gegen-stand der Dinge - 82
kommen zumal, weil zusammengehörig, aus der Beständigung
12
[Martin Heidegger : Über den Humanismus. Vittorio Klostermann Verlag: des Anwesenden, welche Be -ständigung sich in die Bestände des
Frankfurt am Main 1949. S. auch Martin Heidegger: Brief über den Humanismus.
In: Ders.: Wegmarken. GA 9. Hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann. Frank-
Ge-stells einrichtet und so sich verbirgt und dergestalt verstellt,
furt am Main 1976, S. 313-364 .] daß sie nämlich die äußerste Verwahrlosung des Ereignisses ist
15
[Friedrich Hölderlin: Stutgard (Die Herbstfeier). In: Ders .: Sämtliche Werke. und gleichwohl sein Eigenstes, weil Verweigerung als die Jähe
Historisch-kritische Ausgabe. Unter Mitarbeit von Friedrich Seebass besorgt
durch Norbert von Hellingrath. Bd. 4- Gedichte. Propyläen : g/ßerlin 19g3, S. 118:
zum Geschick der Kehre der Vergessenheit des Unterschiedes ge -
»[.. .] und heiliger soll sprechen das kühnere Wort.«] hört.
52 Anmerkungen VI Anmerkungen VI 53

Dem Aufstand in die Subjektität entspringt die Aufregung des »vernünftig« besagt: technisch - und zwar im Sinne dessen, was
Sichdurchsetzens innerhalb der Wirksamkeit des Gegenständigen. aus dem Wesen der Technik als Gestell her- und vorgestellt und
Die Aufregung erregt die Unrast, die Unrast stachelt die Raff-gier; so beständigt ist - aus dem Willen zum Willen.
das Raffen prägt das Ordnen . Die Hast. Gestell und Einrichten
des Ordnens; die Unrast aus Hast. Die Aufregung innerhalb des Holzwege - 84
Aufstandes. ·Was oben S. 62 wesentlich gedacht ist, läßt sich zunächst, ohne
Das Rasende im Gegen-stand und durch die Ver-gegen-ständi- schon gemäß aussprechbar zu sein, in folgender Weise andeuten:
gung er-regt. - Dem künftigen Menschen steht die Auseinandersetzung mit
Das Rasende in der vergegenständigten Natur und die Schnel- dem Wesen und der Geschichte der abendländischen Metaphysik
ligkeit innerhalb der Maschinen. bevor. Erst in dieser Besinnung wird der Übergang in das plane-
Die Raserei herrscht im Ge-stell (in der Technik). tarisch bestimmte Dasein des Menschen vollziehbar und dieses
Aber das Wesen der Technik gehört in die Ruhe der Stille des weh-geschichtliche Dasein als gegründetes erreichbar .
Ereignens. Darum handeln wir ungemäß, wenn wir uns im Den- Die Holzwege sind Versuche solcher Besinnung. Äußerlich ge-
83 ken, das als seynsgeschickliches das Wesen I der Technik zu be- nommen geben sie sich als eine Sammlung von Vorträgen über
denken hat, übereilen. Die Übereile läßt sich auch dann nicht Gegenstände, die unter sich keine Beziehung haben.
rechtfertigen, wenn man sich darauf beruft, daß es nötig sei, über Aus der Sache gedacht steht alles in einem verborgenen und
die Technik Bescheid zu wissen. Diesen Bescheid gibt sie selber. streng gebauten Einklang.
Aber das Andenken an ihr Wesen gehört in die Bedächtigkeit der Keiner der Wege ist zu begehen, wenn nicht die anderen ge-
bedachtsamen Bauern. Erst muß das Wesen der Technik befrem- gangen sind. In ihrer Einheit zeigen sie ein Stück des Denkweges,
den; dazu müssen wir in die Fremde der Vergessenheit des Unter- den der Verfasser von »Sein und Zeit« her inzwischen versucht hat.
Schieds. Sie gehen in der Irre. Aber sie verirren sich nicht.

Erst auch muß das Wesen des Kunst-Werks befremden. Erst wer in die Irre gelangt ist, hat den Mut zum Irrtum. Die Irre 85
ist weltisch die Ortschaft des Menschenwesens. 61.
Kraft-Werk und Kunst-Werk.
Wenn die »Holzwege« voraussichtlich in einem halben Jahr er-
Hegels Satz in der Vorrede seiner Rechtsphilosophie (vgl. 93) scheinen, könnte sich vermutlich das folgende kurze Gespräch
»Was vernünftig ist, das ist wirklich; irgendwo ergeben:
und was wirklich ist, das ist vernünftig.« 14 Der Erste: Heideggers Holzwege erschüttern nach meiner Über-
denkt ihr erst wesentlich, wenn ihr bedacht habt, daß Wirklich- zeugung das bisherige Denken von Grund aus.
keit besagt: absolute Gegenständigkeit in der Subjektität; daß Der Zweite: Er kann leicht so gründliche Arbeit leisten, wenn
er zwanzig Jahre nichts veröffentlicht.
1
Der Dritte: Wer oder was hindert die Anderen, daß sie schwei-
• [Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Grundlinien der Philosophie des Rechts,
oder Naturrecht und Staatswissenschaft im Grundrisse. Werke Bd. VIII. Hrsg. von gen? Am Ende nur die Eitelkeit der Autorschaft.
Eduard Gans. Duncker und Humblot : Berlin 1833, S. 17.J Der Vi erte: Vielleicht auch, daß sie unerfahren sind in der Ge-
54 Anmerkungen VI Anmerkungen VI 55

fahr, die bei;eits, obzwar unerkannt, einer Kehre des Seyns aus Est esse, ergo cogitamus.
diesem vorausgeschickt ist. Doch im ergo liegt kein Schluß, nicht einmal eine Wesensfolge,
sondern das ergo nennt jetzt das Schon-Selbe des Ereignisses, das
als solches das Menschenwesen in die Freye ereignet .
Holzwege und der Feldweg. Vgl. V. H. I, 123.
Holzwege - auch für die Leser, die noch nicht denkenden, als Daß das Wesen des Menschen, ci.h. dergleichen wie schonende
Gelegenheit, sich zu verlaufen und so auf den Wald zu merken. Freye der Enteignis im Ereignis zu diesem, d. h. dem ~ zu-
gehört, ist erst die Verwindung jeder Art von Idealismus. Jetzt ist
86 »Logik« - Man kann jede These demonstrieren; denn sobald ein allererst gegründet, inwiefern die Tätigkeit des Menschen als zum
Vorstellen sich auf eine These verlegt, hat es eine Vorgestelltheit L eben Gottes gehörig vorgestellt werden kann, welches Vorstellen
des Vorstellbaren festgemacht. Die Demonstration besteht dann sich aber immer j im Ontischen bewegt und nicht einmal seine 88
darin, daß man eigens dem Vorstellen zu-stellt und »beibringt«, eigene Ontologie ins Wesenhafte gedacht hat, insofern wie bei
was man schon ge-setzt hat. Dieses Demonstrieren beweist im- Schelling zwar Sein als Wille erfahren und demzufolge der Grund
mer nur, daß es selber sich in der Gedankenlosigkeit bewegt und als Wille des Grundes und Existenz als der Wille des Verstandes
d. h. in seinen Thesen, den demonstrierten und demonstrablen (idea) gedacht wird.
schlechthin dogmatisch auftritt und von einem Weisen in die Un-' Die Unterscheidung von Grund und Existenz beruht aber auf
verborgenheit des ~ und d. h. in dessen Verbergung nicht die dem zweideutigen subiectum; inwiefern aber die Subjektität Wille
geringste Ahnung besitzt und darum auch keine zuläßt. ist und Wille das Wesen des Seyns vollbringt, wird weder gefragt
Alles zwingende Wissen der Wissenschaften ist von dieser Art. noch bedacht.
Daß die Philosophie sich auf solches Wissen stützt und es ernst
nimmt, ist der Gipfel der Ahnungslosigkeit im Denken. Vgl. 102. Inwiefern passen auf »Urseyn als Wollen« 15 alle Prädikate des
»Seyns«? Inwiefern ist der Wille in seinem Wesen das Wesen des
Weise: vis, kundig, d. h. gesehen haben; weison: Aussehen. Seins des Seienden? Inwiefern ist die 'AA1')0eia(<l>ucnc;
- A6yoc;- UEv)
Wer gesehen hat, kann weisen: lernen lassen im Sehen. Wille?
Be-weisen, de-monstrare geht nur von Gesehenem aus und dar- Diese Frage fragt wesentlich anders als Schelling.
auf zurück.
Wenn das Geringe sich vor dem Großen als Geringes erkennt und
87 Descartes: cogito ergo sum; insofern aber cogitare zugleich perci- behält, gewinnt es eine Größe, ohne groß zu werden. Aber die
pere ist, dies aber percipere perceptum, sagt cogito ergo sum zu- Meisten bleiben vor dem Großen nur klein und retten sich ins
gleich cogito ergo est obiectum: esse= percipi. Kleinliche.
In der äußersten Kehre zu Descartes' cogito ergo est, wäre in
dieser Sprache jetzt zu sagen: est, ergo cogito. Allein, das est nennt
15
jetzt nicht obiectum und subiectum, nennt, so schlechthin gesagt, [Vgl. Friedrich Wilhelm Joseph Schelling : Das Wesen der menschlichen
Freiheit. Neu hrsg . von Christian Herrmann . Felix Meiner Verlag: Hamburg 1925,
überhaupt nicht das ens qua ens; das est nennt das qua als wesen- S. 350: »Wollen ist Ursein, und auf dieses allein passen alle Prädikate desselben
des, das esse. [.. .].«]
56 Anmerkungen VI Anmerkungen VI 57

89 Weltgeschichte als Universalhistorie vorgestellt ist das Welt-Ge- Das Stumpfe in den geläufigen Reden von »Sein« ist noch nicht
schick, als welches sich die Verwahrlosung des Unter-Schieds überwunden, wenn wir statt »Sein« nur »Anwesen« sagen; denn
ereignet; sie ist das Geschick der Welt des Wesens der Technik; dieses Wort spricht nur, wenn es das Ungesprochene, Zu-Denkende,
Universalhistorie ist ein technisches Vorstellen des Ganzen des uns zuspricht und unser Wesen einspricht in das~ selber.
Geschehens, das Geschichte genannt wird. Von dieser Weltge- Die Differenz denken wir erst als Differenz, wenn wir den
schichte gibt es keinen Weg zum „Welt-Geschick als dem Ereignis Unter-Schied erfahren haben; Differenz und Unter-Schied sind
des Unter-Schieds, erfahren aus der Wahrnis des~- Vgl. ob. 68. ungleich, aber das Selbe.

Das Wesen der Technik (im modernen Sinne) hat nichts Techni- Die Summe meines Denkens - (vgl. 97 ff.) 91
sches in sich; denn es gehört in das Seyn selbst - nämlich in die Sie besteht in dem einfachen Schritt aus dem vorstellenden
Verweigerung des Unter-Schiedes. zum be-wegenden Denken. Der Schritt geht zurück; aber nicht
Das Wesen ist das Ge-stell: die Versammlung des Stellens; hier dorthin, wo das Denken jemals schon war, sondern dorthin, wo es
meint Stellen keine Tätigkeit des Menschen, sondern dies, daß das bisher noch nie sich aufhalten konnte. Der Schritt geht aus dem
Anwesende als solches gestellt wird: es wird ihm Rechen-schaft Vorstellen des Seienden in seiner Seiendheit heraus in die Nähe
abgefordert über seinen Stand, d. h. seine Ständigkeit, und über des Unterschiedes. Dieser läßt die Differenz zwischen Seiendem
seinen Bestand und dessen Beständigung in seiner Bestellbarkeit. und Sein wesen. Beide ent-gehen in der Frühe des Seynsgeschik-
Das Ge-stellte als solches muß Rechen-schaft geben für das be- kes dem Unter-Schied zumal, aber ihm als dem verborgenen. Das
ständigende Rechnen mit ihm und auf es! (Rechtfertigung). In Walten des Unter-Schiedes, das ihn zuläßt als Differenz, indem es
diesem Stellen und d. h. seiner Versammlung in das Beständigen ih n vergißt, ist niemals schon ein Weg in den Unterschied als den
beruhen alle Weisen des entsprechenden menschlichen Verhal- Unter-schied.
tens: Her- und Vor-stellen, Auf- und Aus- und Anstellen; Um- und Der einfache Schritt ist das Erfahren des Ereignisses. Das
Verstellen (vgl. Holzwege). Im Ge-stell beruhen Gegenstand der Erfahren be-wegt das Ereignis des Unter-Schieds, indem es das
Dinge und Aufstand des Menschen. (109) Wesen von Welt welten läßt und d. h. zur Sprache bringt. Das Er-
fahren gehört in den Unter-Schied. Das Er-fahren ist das fürwort-
90 »Sein« - Im Handumdrehen so, als ob nichts geschehen sei und liche Sagen, das Freyen der Sprache ist weltisch sie selbst; kein
nicht vielmehr eine Besinnung durch mehrere Jahrzehnte hin- Aussprechen und kein Darstellen. Die Sprache des be-wegenden
durch - übersetzt man jetzt öv mit Anwesendes und dvm mit An- Denkens ist das Für-Wort der Stille.
wesen. Das wäre in der Ordnung und gut, wenn auch dabei ge-
dacht würde, wenn nicht einfach nur die Benutzung der Wörter Das Denken be-wegt den Unter-Schied, indem es die Kehre seiner 92
geändert würde und so getan, als gälte es nichts anderes, nämlich Vergessenheit sagt.
das, was als Sein selbst genannt ist, was als Wahrheit des Seins zu Die Wege im Unter-Schied sind solche des weltischen Ereignis-
denken gesagt ist, nun auch als die Differenz erfahren und diese ses aus dem Geviert der Welt.
als das Seyn im Sinne des~' der Verwindung seiner in die Dies Denken verschwindet in seinen Wegen, die nicht die sei-
Wahrnis als Ereignis er-fahren würde. nen sind. Vgl. V. H. II, 16 ff.
58 Anmerkungen VI Anmerkungen VI 59

Der einfache Schr itt vom Seienden als Seienden (vom Sein des Selben des noch vergessenen Ereignens) das Her-stellen und Vor-
Seienden) zum ~- Der Schritt erfragt erst eigens, in welcher -stellen (iöEi'.v- 1totsiv- 'tEXVTJ
als ci.ATJ0sustv).
Wahrheit das Seiende als solches wese. Aber diese Wahrheit ist
noch nicht die Wahrnis des ~; recht gedacht gehört jene in J:rnEntbergen west gegnende Versammlung; das Gegnen wird 94
diese als das Geschick der Verweigerung des Unter-Schiedes. zum Anwesen und An-stehen - Vor-liegen.
Der einfache Schritt im~: daß zu seinem Wesen, zum Er- Die Hergestelltheit im Hervorgebrachten evepystu stellt verbor-
eignis des Unterschieds, gehört das Wesen des Menschen, die gener Weise das Vor- und Herstellen; bis es zunächst als percep-
ek-sistente Schonung der Freye. Dieses ereignete Gehören des tio der scientia der conscientia deutlicher sich lichtet und sich zu-
Menschenwesens in das~ spielt aber im Spiegel-Spiel des Wel- gleich als Vorform der Kraft-Maschinen-Technik entfaltet.
tens der Welt. Das Gehören ist weltisch zu denken im Erfahren
des Unterschieds. Technik und Moral -
Der Schritt in das~ zurück, in die Nähe (deren Austrag die Solange man die Technik nur als ein Mittel nimmt, wenn
Zeit ist), ist das Erfahren der Welt als des Ereignisses des Unter- schon als ein sehr besonderes, begegnet man ihr als solchem, wo-
schiedes. von ein rechter Gebrauch gemacht werden soll, was nur in einer
entsprechenden sittlichen Haltung und Art des Handelns gesche-
93 Versammlung des Stellens ist das verborgene Wesen der Subjecti- hen kann. Man reagiert auf die Technik moralisch oder amora-
tät (vgl. Holzwege). In dieser wird das Subjekt (qua Selbstbewußt- lisch. Wo das geschieht und solange dies in den mannigfaltigsten
sein) gestellt vom Objekt und dieses als solches von jenem. Sie Formen geschieht, darf angenommen werden, daß die Technik
stellen einander zur Auseinandersetzung, als welche sich die Sub- in irgendeiner Weise als Mittel vorgestellt ist. Aber die Technik
jektität entfaltet; wobei sich das Willenswesen herausstellt, ohne üb ermachtet, nämlich in ihrem Wesen, alle Moral. Weil dieses
sich doch ins ereignishafte Wesen bringen zu können. Wesen die Verwahrlosung des Unterschiedes ist, deshalb kann es
Das Ge-Stell als Wesen der Technik bekundet sich zuerst als nur in der Kehre vereignet werden.
Subjektität des Geistes, aber gleichzeitig schon, obzwar verborgen,
als Kraft-beistellende und über Kraft (vis, monas) alles Anwe- Das Wesen der Zeit (aus Ge-wesen, Ankunft, Vorliegen gedacht) 95
sende her-stellende Technik. Das Ge-Stell »stellt« die Subjekt- ist der Austrag der Nähe, die in ihr (weltisch Gelicht) Ge-wesen -
Objekt-Beziehung. Die Absolute Vernunft in der absoluten Meta- Ankunft - Vor-liegen nähert und nähernd erst ihnen ihre Ferne
physik der Subjectität und die moderne Technik sind im Wesen (in die Enteignis) gibt und so entfernt (aus der Ferne sie ent-neh-
das Selbe; vgl. Hegels Satz in der Vorrede zur Rechtsphilosophie mend einbehält).
(ob. 83). Der Austrag der Nähe (Litacpopliseynsgeschicklich gedacht) ist
Das Wesen der Technik und die J0,10eza. - das Ge-Stell, das ereignishafte Wesen der Differenz von Seiendem und Sein.
Die Versammlung des Stellens, ist die zu sich selber, wahrlos das Der Austrag west im Unter-Schied.
Ge-Stell, losgelassene JJ.210eza.Das Entbergen fängt sich im Anwe- »Zeit« verbirgt in sich das Ereignis des Unterschieds.
sen in die mitgebrachte, aber wahrlose Unverborgenheit und stellt, Der Austrag der Nähe als die Wesende Differenz ist das ~'
(verlangt) das Vernehmen (voEi'.v)und sammeln - ')..,€:ystv.Das Ent- verwunden im Unter-Schied .
bergen als Hervorbringen verlangt (verborgene r Weise aus dem
60 Anmerkungen VI Anmerkungen VI 61

»Zeit«, wesend, aus Ereignis des Unterschieds gedacht, ist die Denken ist geschicklich die be-wegende Sage des Unterschiedes
Wahrnis des ~: Sein und Zeit. in der Weise der Entsage . Vgl. V. H . II.
Nähe west, weltisch ereignet, aus der Enteignis der Stille. Inwiefern ist das Geschickliche seynsgeschicklich? (Vgl. ob. 73f.)
Welten ereignet Nähe . Vgl. 99. Insofern Seyn als ~ eine, die frühe Jähe des Geschicks , d . h .
Nähe ist die vierte und d. h. hier erste Dimension , die Dimen- der Ereignung der Enteignis aus Stille des Ratsals ist.
sion der Zeit. Dieses V\Tesenvon Geschick ist das Wesen der Geschichte - als
Gelicht und Gewirk. der ereignishaft zu erfahrenden Welt -Geschichte.
Wie in der Verwahrlosung das Gelicht des Anwesenden zugun- Geschickliches, d. h. enteignetes, enteignet-bewegendes Den -
sten des Ge-stellten Gewirkes zurückfällt in den Entfall. ken, ist deshalb immer zugleich ~-geschickliches Denken;
solches ist es nur in der Wesensfolge, insofern es das Geschick
96 Das Wesen der Metaphysik: daß Anwesendes als solches in die in seiner Kehre und diese selber zu denken hat. Die Kehre aber
Unverborgenheit mit dieser ankommt. So ist das Anwesen in der ist Kehre der Vergessenheit des Unter -Schiedes, d. h. de s ~-
Weise des Anwesenden als das Anwesende zugelassen. Das »als« Noch ist das Geschicklich mißdeutbar (105). Das geschicklich-be -
birgt in sich die Differenz: so kann das Anwesende aus Anwesen- wegende Denken beginnt, Sein und Zeit denkend, seynsgeschick -
dem erklärt und in Anwesen begründet werden . lich, erfährt erst dieses seynsgeschickliche Ereignis als ein solches
Das »als« nennt die mögliche Hinsicht auf An-wesen, das und gelangt so erst auf seinen Weg der Sage des Unter-Schiedes
ÄJ:fJOetain sich birgt als die Gewähr. (V. H.). [Diese sind, wenn man es um jeden Preis so haben und
1 98
»Wesen« ist hier von Differenz her gedacht; weder ontisch als am Vorigen hängen bleiben will, der vielverlangte »II. Teil von
das allgemeine Genus, noch ontologisch als Ermöglichung; also Sein und Zeit «. Im Wesen des Weges liegt , daß dieser II. Teil nur
nicht metaphysisch; »als«: das TIim öv TIöv. Das »als« entfällt , ein gewandert-gewandeltes Unter-Wegs des Weges ist , welches
indem es entbirgt. Vgl. Anmerkungen VII, 56. Unterwegs den Weg be-wegt und d . h. als den Selben verandert.]
Mit der im Anwesenden als Anwesenden verborgenen Diffe- Die Sage des Unterschiedes ist seinsgeschichtliches Denken,
renz ist das ontisch-ontologische und das ontisch -theologische als weil es ~geschickliches Denken ist. Solches aber ist es, weil
Scheidung entschieden ; aber diese Scheidung bleibt ungedacht es geschickliches, in das Be-wegen von Welt vereignete Sage der
und erscheint demgemäß der Entfaltung der Metaphysik in den Sprache der Stille ist.
einzelnen Disziplinen der Philosophie. Das Wesen der Metaphy- Welt aber sagt hier: das in das Enteignen der Stille ereignete
sik geht an das Vorstellen über. Das vorstellende Denken: erklärt, Geviert des Unter-Schiedes.
ergründet, begründet, beweist . Das Vor-stellen ist so das Rech- Welt ist, seynsgeschicklich gedacht, die enteignende Wahrnis
nen mit ... und Rechnen auf ... ; kausal-rational und mystisch- (Ratsal) des ~ -
irrational. Das ~geschickliche Denken, das wir vielleicht in Eini -
gem versuchsweise vermögen, erfährt erst Welt; solches Denken
97 Das geschickliche Denken ist das im Ereignis des Unterschieds findet erst be-wegend den Unter-Schied in sie. In der Sage den
ereignete, der Wahrnis der Stille vereignete Denken (vgl. 91). Unter-Schied er-fahren, das ist: Welt finden; nie als Befund eines
Geschicklich: in das Geschick, d. h. die Ereignung der Welt, Vorstellens, sondern in sie finden, als die Unter-Kunft, das enteig -
geschickt, als wesenhaft ihm eingehörig. nende Sich -Nahen I der Still e in das Ratsal des Ereignisses. 99
62 Anmerkungen VI Anmerkungen VI 63

Unter-Kunft, al s die Kunft des Inter-, d. h. des Inzwischen, als nicht verändern. Sie wollen überhaupt nicht, sofern wollen heißt,
welches der Unter-Schied sich ereignet. Vgl. V. H. II, 21. sich mit etwas als Seiendem durchsetzen im Seienden.
Stille ist der Hort der Nähe. Die geschichtlich Denkenden versuchen, Welt, das Ereignis 1
Welt.finden wir erst, wenn wir die Kehre der Vergessenheit des des Unter-schiedes in ihrem Welten erst zu finden. 101
Unter-Schiedes und zuvor die Vergessenheit des Seyns erfahren, Im Welten, seinem Geviert, west aber die Freye, die geschick-
vordem nur erst auf die Vergessenheit der Differenz gemerkt, all liche Wesensortschaft des Menschen.
dem zuvor allererst auf die Differenz als solche gemerkt haben. Welt finden ist in sich schon: Eingang bereiten in das Wohnen.
Solches Denken versucht sein Wesen in der Epoche des Vor-
Welt erst finden - in ihr Wesen, die Stille, erst, sagend-bereitend, beigangs (vgl. V. H. II, 16 f.). Die äußerste Bedrohung des Men-
vor-helfend der Freye, ge-langen; das Wohnen vorbereitend. schenwesens durch seine bereits geschehende, in der vollendeten
In der Seyns-Vergessenheit ist Welt, ihr Welten, ihr weltisches Verwahrlosung waltende Vernichtung ist ein Wink in die Jähe
»Wesen«, ihr Währen im Sinne des enteignenden Stillens, ihr Er- der Kehre; deren Geschick läßt sich nicht abschätzen nach einer
-eignen als Er-blitzendes - Ent-tragen in Stille, noch verborgen. Dauer von Beständen, sondern nur nach dem Ereignis und seiner
Welt wehet: erblitzend-ent-tragend stillt sie das Ratsal. Wehend Stille.
ereignet sie Nähe. Vgl. ob. 95. Denken:
Welt nennt, geschicklich gedacht, anderes als das Ganze des Welt.finden, verschwendend verschwinden. (104)
Seienden. Vgl. V. H. I, 89.
Wir müssen verlernen, kausal (nach Wirkungen) und rational
100 Das geschickliche Denken findet erst in das Welten der Welt und (nach gerechneten Gründen) zu denken. Doch verlernen heißt
findet so allein das Wesen der Welt. nicht nur: aufhören und aufgeben. Verlernen ist für uns ein Ler-
Das geschickliche Denken findet nur, indem es dabei verharrt, nen eigener Art und zwar das schwerste. Lernen sagt hier: Welt-
Welt zu be-wegen: die Wege des Gevierts in di e Sage gelangen zu Erfahrung ein- 1 üben. Eine alte Weisheit ist's, daß man durch 102
lassen. Beweisen nicht weise wird. Das Beweisen verweist ständig auf
Welt erst finden. Gründe und Ursachen, es weist von der Sache weg und nie zu ihr
Wehende Welt erst ereignet uns vermeintliche, im Vorstellen hin. Es hat der Sache schon alle Rätsel genommen. Vgl. 86.
und Herstellen ge-»bildete« Welt, d. h. das Anwesende im Einen Erfahre die Einfalt: daß Ereignis Entbergen entfaltet, weil die-
seines Anwesens. ses in jenem eingefaltet ist; eingefaltet, weil Ereignis enteignet
Das vor-geschickliche Denken der Metaphysik meint »Welt« zu zur Stille des Ratsals. Im Entbergen entfaltet sich, aber sich ver-
kennen und zu haben. bergend, das Ereignen in den ersten Vorschein des bloßen Gelich-
Darum verlegt sich dieses Denken auf das Beschreiben und Er- tes. Einfalt ereignet sich aus Stille als diese.
klären von Welten; Beschreiben nach Wesenheiten und Gestalten, 0
Erklären aus ersten und letzten Ursachen. Geschicklich-be-wegend Denken heißt einfältig Denken; einfältig:
der Einfalt des Ereignisses ent-sprechend. Dieses Sprechen ist das
Die geschicklich Denkenden wollen die Welt (das Seiende im Gespräch der Sprache als des Wortes der Stille. Dieses Entspre-
Ganzen) weder beschreiben, noch deuten; sie wollen die Welt auch chen ist in seinem gestillten Wesen das ... (vgl. V. H. II, 24).
64 Anmerkungen VI Anmerkungen VI 65

Einfältig Denken ist die eigentliche Andacht. 27 schließende Vornehmtun einer Anmaßung, die beansprucht, das
Erfahren: im ... die Enteignis erlangend in den Unter-Schied :Maß des Denkens zu sein. Man ahnt nichts von der Verlassenheit
gelangen, ohne Verlangen das Eigentum (Welt/Ding) be-wegen. des Erfahrens.
105
·Das einfältige Denken verschwindet in die Verlassenheit des ...
103 Holzwege - auch für die Leser und die Neugierigen; daß sie mei- und verschwendet seine Erfahrung. (101)
nen: jetzt redet Heidegger endlich wieder und redet eigentlich aus Das vorstellende Denken: das erklärende, begründende, ergrün-
dem Eigentlichen - - während ich schweige und d. h. dieses ver- dende Vor-stellen; das Rechnen.
schweige.
Ihr wollt in die Weltgeschichte eintreten und kennt weder Ge- 105
Holzwege - geleiten jäh vor das Unbegangene, das noch aus ihm schick noch Welt.
selber verborgen gedeiht aus eigenem Gesetz - des verborgenen
Ratsals: das Wesen der Wildnis: Wild und Wald - das Selbe. Erfahrend denken:
Das geschickliche Denken (Anmerkungen VI, 97) denkt eigent-
Denken - Vorstellen und Begreifen ist noch nicht Denken. Ihr lich nicht mehr auf Herkunft, auch dann nicht, wenn die Her-
müßt in die Wahrnis des~ einfahren und, erfahren, seinem kunft statt kausal-rational vorgestellt zu sein, ereignishaft erfah-
Einspruch entsprechen. ren wird als: der Enteignis in den Unterschied vereignet. Geschick
ist nicht Zu-schicken auf den Menschen zu; Ge-schick ist die er-
Das geschickliche, be-wegende, einfältige Denken ist als die Sage eignende Versammlung der Enteignis, das Ent-Schicken zur Stille
des Unter-Schiedes das Erfahren, das Welt findet und sich in sie, aus deren Ratsal.
weil in sie, ihre Freye, vereignet. Die Stille ereignet sich enteignend als die Nähe. -
Das geschickliche Denken ergründet nicht Herkunft; es führt
Dieses Denken ist verlassen in die Gelassenheit der Welt-Stille. ein in das enteignende Stillen des Unter-Schieds;ßndet Welt; fin-
Ver-lassen, d. h. hier: ohne jeden Beistand aus dem Anwesenden det sich in das Welt/Ding, bereitet das Wohnen im Eigentum.
104 der Enteignis übereignet, ihr I Ungesprochenes in die Sprache zu
bergen; d. h. zu sagen, und so die Stille erschweigen, daß sie ins Die Kehre des Geschicks- (111),vgl. 122, (11)
Wesen des Menschen wehe. Daß sich Verweigerung aus Enteignis in diese selber ereignet.
Die Verlassenheit, darin kein Entbehren ist, wozu doch Verlan- Sie entwendet das Menschenwesen dem Ge-Stell und damit sein
gen gehörte, beruht im Opfer. Tun dem rechnenden Wirken (dem Rationalen und Kausalen).
Das einfältige Denken bricht keineswegs erst Brücken ab für
den Übergang zum vorstellenden Denken und zu der Unterredung Das Tun wendet sich so nicht in die Untätigkeit und das bloße 106
mit diesem. Es hat im voraus keine Brücken. Doch brückenlos be- Gleitenlassen; das Tun als Wesen der 1toi11m<;
wendet sich in das
wegt es Welt. So erscheint es dem vorstellenden Denken, als poche weltische Freyen der Stille.
das einfältige Denken auf sich und maße sich die Herrschaft an. Das Tun wird jetzt »höh~r« als alle rastlose Tätigkeit in das
Man hält das Zurückbezogene der Verlassenheit für das sich ab- ~ vereignet, ist Schonen der Gelassenheit des Unterschieds.
66 Anmerkungen VI Anm erkungen VI 67

0 und wehend auch schon dingend. Die Fuge des Welt-Spiels ist
Einfältig Denken: Maß der ereigneten Freye und so des Schicklichen im Schonen.
Das Vorstellen (das Erklären, Begründen, Ergründen, Bewei-- 0
sen) verlernen lassen.
Verlernen im anderen Lernen. Einfältig Denken: Die Fuge des Welt -Spiels finden: die Fügung 108
Wie lernen wir das geschickliche Erfahren? der Sage des Unter-Schiedes.
Nötig ist: zumal im Selben das wesende Wesen des ~ zu
erlangen und in das Geschick zu gelangen. Jugend : Wenn je noch irgendeine Gelegenheit sich böte, ihr zu be -
gegnen, außerhalb der Einrichtungen des Unterrichts, dann gälte
Be-wegen - das sagt stets : den Pfad wieder verlassen , auf dem ein es nur , ihr aus der Ferne auf ihren Weg zu verhelfen ; keineswegs
Gang ermöglicht worden und zum Begehen hingelegt. Ein Den- aber , sie auf den meinen zu bringen oder gar zu zwingen .
kender kann nie auf dem Weg bleiben, durch den er einen Aufent- Aber es wäre ungemäß dem Geschick, wollte mein Denken den
halt erging und zum Wohnen erlangte. Die Wohnenden kennen lauten Ansprüchen der Jugend folgen. So käme es nur dahin, daß
nicht das Be-wegen. Dieses ist die Ruhe der Denkenden. die Bemühung auf einer bereits zurückgelassenen Stufe noch mit-
zuwirken versuchte und darüber vergäße, den Weg des Be-Wegens
107 Die Nachbarschaft der Einsamen; die Einsamen sind die, die in an sein Ende zu gehen. Vielleicht ist sogar auch die Epoche der
der Ortschaft des Unter-Schiedes wohnen-; ihr Nahe -Wohnen handwerklichen Ausbildung von Denken vorläufig abgeschlossen,
ereignet sich aus der Einfalt in der Enteignis . so nötig sie allerorts noch zu sein scheint . Aber aus bloßem Hand -
Statt des Verkehrs und der Kommunikation waltet hier das werk gedeiht nichts, wenn in seinem Handeln nicht der Hauch der
Vor-Bauen als das Vermögen des freyenden Abstandes zwischen ereignenden Stille waltet.
dem Gediegenen.
Die Nähe der Nachbarschaft ist die Nähe der freyend zugetrau- 0 ~

ten Distanz. Die Nachbarschaft müssen wir erst finden und dann Das Wesen der Technik ist das Ge -Stell. Das ist die Versamm -
aufsuchen lernen. Dies sagt: über Feld gehen. lung des vollständigen Herstellens der unbedingten Herstellbar -
keit aller Bestände in die beständige (gesicherte) Wirksamkeit
Innerhalb dieser Nachbarschaft lebt noch ein e ungesprochene ihres gegenständigen und zuständlichen Gewirkes. Die Tech -
Erinnerung daran, daß vormals solches bestand, was Werk und nik ist die Wahrnis des~ im Sinne der sich einrichtenden
Bewahren trug und einordnete, als Kultur, geistige Welt und Verwahrlosung. Der Charakter von »Wesen « bestimmt sich aus
Überlieferung; daß dieses aber zu unvermögend bleibt, um das der verweigernden Gewähr des Wahrlos in die Beständigkeit des
geschickliche Ereignis von Welt schicklich zu bauen . - Gewirkes. Verweigerung aber ist Enteignis. Enteignis ist Ein -
X falt der Stille. Darin entlassener und deshalb unmittelbar ratsal -
Enteignis: ihr entsprechen im Geschicklichen des Fortrisses in ha fter Widerhall ist das Wesen der Technik. Sie ist weder Ver-
heller Wachsamkeit. Der Fortriß in das Ratsal der Stille; die fall noch Verirrung. Darum ist sie auch nicht Fortschritt und
Wachsamkeit in der gelassenen Fr~ye. Der Fortriß ist weltisch; Segen.
68 Anmerkungen VI Anmerkungen VI 69

0-0 d. h. ereignishaft, ist Geschick das Entschicken in die Enteignis;


Ge-Stell und Enteignis - Die Einheit beider im Geschick der Entschicken ist weltisch und erst als wehendes vereignet es den
Kehre der Verwahrlosung. Der Augenblick des Vorbeiganges. Vgl. Menschen in die Stille des Ratsals. Weltisch bleibt es im Geviert.
V. H. II, 16 ff. Das Enteignen in die Einfalt der Stille scheidet die weltische Nähe
Ge-Stell ist die vollendete Verwahrlosung des Geschicks. Ent- und in dieser scheidet sie das Menschenwesen zurück in das geop-
eignis ist die Wahrnis der Stille des Unter-Schiedes. Die Einheit ferte Wohnen im Schonen. Das entschickende Geschick, das den
von Ge-Stell und Enteignis ist eine geschickliche, im Austrag sich Unter-Schied weltisch ereignet, läßt sich nach keiner Hinsicht ver-
verdingende; weder machbar noch hinzunehmen; selber Ratsal söhnen und vermitteln. Der Unter-Schied ist der einfallende Riß,
bergend und Denken verlangend. die Fuge des Schmerzes der Stille.

110 Der Umkreis, worin der Mensch sich handelnd, bildend, wirkend Die Enteignis im Ereignis des Unter-Schiedes langt dingend nach
umtut, ist nie der Bereich der möglichen Bestimmbarkeit seines dem so erst gewahrten Anwesenden, also langend ist sie das Ge-
Wesens; vollends dann nicht, wenn dessen Zugehörigkeit in das langen der Stille in das Ratsal.
Ereignis erfahren ist.
0-0 Verhängnis (zweideutig): das sich verhüllende Geschick aus der 112
Ge-Stell und Enteignis. Vgl. 119. Enteignis im Ereignis des Unter-Schiedes.
Gestell entstellt Seyn (Differenz als der Unter-Schied). Im Verhängnis verbirgt sich in abschiedlicher Gegenwendung
~ enteignet sich als Ereignis. Weihe und Opfer. Weihen: Enteignen in die Stille des Ratsals. Das
Entstellung ward verborgen gewährt in ungelichteter Enteignis. Wesen der geschicklichen Überlieferung liegt nicht in der histori-
Ge-Stell ist ein Aufblitzen des Ereignens aus dem Herdfeuer schen Tradition (dem Weitergeben von Vorstellungen), sondern in
der Welt-Stille. Vgl. 123. der verhängnis-vollen Auslieferung in das Ereignis au s der Ent-
eignis.
Ge-Stell als Wesen der Technik ist weder etwas Negatives noch
Verfall, sondern die Bahn des Vor-bei-gangs der Enteignis in der Die Jähe überrascht. Sie ist rascher denn jedes Rasche. »Rasch«
Kehre der Vergessenheit. Die Bahn der Kehre steigt spiralig in den meint nicht nur schnell, sondern hurtig und gewandt und »ge-
Abgrund der Welt-Stille. schickt«. Das Geschickliche in der Jähe bestimmt sie als über-
Ge-Stell: Her-stellend das Seiende entstellt es Seyn. -raschend. Die Jähe kommt nicht nur dem menschlich Unvorge-
Ge-Stell entstellt: stellt Seyn weg in das Beständige der Gegen- sehenen zuvor, sie ist geschicklicher denn jedes sonst Geschickte.
ständigkeit und verstellt dergestalt den Unter-Schied. Irgendwo nennt Stifter, wo er das unmittelbar Schickliche im
Wesen eines Mädchens sagen will, dieses ein »rasches Mädchen«. 16
111 Das Geschick in der Kehre (vgl. 105) Im Alemannischen sagen wir: »e buschbar Maidli«.
Solange wir Geschick vorstellend vernehmen, fassen wir es
als das uns Zugeschickte und verlegen es schließlich noch in die
16
[Adalbert Stifter: Kalkstein. In: Ders.: Bunte Steine und Erzählungen. Wink-
ler-Verlag: München 1951, S. 110: »Ich fragte nach seiner schönen Tochter, die
Subjekt-Objekt-Beziehung. Geschick ist so Schickung an den Men- damals, als sie in meiner Gegenwart öfter in das Krankenzimmer des Pfarrers
schen, das, was ihn anfällt und so mit sich nimmt. Aber im Wesen, gekommen war, ein junges rasches Mädchen gewesen war.«]
70 Anmerkungen VI Anmerkungen VI 71

Das Rasche der Überraschung läßt sich nicht aus der Raserei ehern Fall gar nicht erst eigens zu bedenken braucht. Sie folgt
der maschinellen Schnelligkeit vorstellen. Das Rasche ist sorgsam seinem Gang und duldet nicht, daß sie gar noch vorgestellt werde
und kann warten. und beredet.

113 Holzwege. - Wer den Holzwegen, die jetzt gesetzt werden sol- So einfach gesagt wie der Feldweg sind die Vier Hefte. Wir woh-
len, nachgeht und sie als Pfade des Schweigens nachdenkt, der nen aber noch nicht in ihrer Sprache. Wir beurteilen diese nach
denkt gemäß. Daß er so gedacht hat, bezeugt er dadurch, daß er dem geläufigen Sprechen, statt aus dem Zu-Denkenden und seiner
nachschweigt. Statt dessen wird vermutlich ein neues Gerede ent- Sage. Wir fordern vom Ungewöhnlichen, daß es sich dem Maß des
stehen. Außerdem sind die Schweigenden schwer auszumachen. Gewöhnlichen füge.
Schweigen können sie nur, wenn sie den Schritt aus dem Vorstel-
len des Seienden als solchen, des so gedachten Seins, hervor in den Wollen ist das Sichzusammenraffen in das Sichdurchsetzen. Sich: 115
Unter-Schied gewagt haben. Im Unter-Schied verscheiden Seien- nämlich das vorstellend herstellende Wesen, das sich mit Wirk-
des und Sein. Der Unter-Schied läßt sich nicht mehr vorstellen. Er samkeit und gerechneten Gründen umgeben hat. Wer nur will,
wird erfahren. Nur in den Unter-Schied ist ein Gelangen, weil er vermag nichts.
ereignend enteignend nach dem Wesen des Menschen langt und Vermögen: Sichsammeln in das schonende Zutrauen zum
so, nach ihm auslangend, es verlangt (erreicht und einbehält). Schicklichen des Geschickes; also geeignet im Ereignis. Das Wol-
len brechen heißt nicht: in die Untätigkeit versinken, sondern im
Daß philosophische Vorstellungen sich auf dem Weg über die Wis- Vermögen erwachen. Darin waltet aber schon weltisches Erfahren.
senschaften und Glaubenslehren, über die Bildung und Technik Laut und Ton erklingen weltisch und brechen die Stille. Stimme
ausgeweitet und ausgebreitet haben in das Vorstellen und Meinen ruht in der Welt-Stille und kommt aus ihr, ohne sie zu verlassen,
von Jedermann und Irgendwem, führt zu der verderblichen Irr- und ruft in sie zurück.
meinung, die Philosophie sei, als Denken, für die Menschheit be-
stimmt und müßte darum selbst verbreitet und dafür verbreitert Sprechen - Das Großverschiedene darin ist oft nicht und nie so-
und verflacht werden. gleich auszumachen bei der jetzt herrschenden beinahe gleichför-
migen Sprachfertigkeit: ob einer laut und leer spricht oder still
114 Inzwischen hat sich das Denken aus vielfachen, aber zuerst doch und reich sagt. Dieses kann zu jenem umgefälscht, jenes als dieses
aus Wesensgründen immer mehr auf die Einsamkeit des »Ge- ausgegeben werden. Für Maße ist niemand erzogen. Film und
birgs« (118) versammelt. Die Zugehörigkeit seiner Pfade zu denen, Funk regieren. Jeder spricht von jedem.
die es angeht, ist darum nur eindeutiger und beständiger.
Doch die Gefahr bleibt und steigt, daß der Kreis derer, die auf Wälder lagern 116
einem Weg notwendig zurückbleiben, alles zu sich zurückziehen Bäche stürzen
und fordern, daß nur ihren Ansprüchen, die angeblich das Wirk- Felsen dauern
liche aussprechen, genügt werde. Regen rinnt
Der wesentlich, aus dem Denken Einsame (10) verschwendet
sich nie reicher, als wenn er die Einsamkeit wahrt, die er bei sol-
Anmerkungen VI Anmerkungen VI 73
72

Felder warten nen, nur auf andere Weise, dessen achten beide zu selte n. Woran
Brunnen eilen liegt dies?
Winde wohnen Weil beide die Milde nicht kennen, die weder weich noch hart
Segen sinnt den Reichtum des Ereignens weggibt. Milde zartet aus der Stille;
sie verzärtelt nie.
Zarten ist das weltische Erheytern cies Unterschiedes in die Ent-
eignis zur Stille des Ratsals.
Weil Denken als die Sage des Unterschiedes das Ungesprochene [Zarton 17 - altes Verbum, 8. Jahrhundert.]
in die Sprache birgt, gelangt jeder Denker nur dahin, daß ihm Gelicht des~ verglän zt in sein Gebirg. (114)
sein Ungesprochene s durchaus sich entzieht und damit auch die
Weise des Entzugs. Weil aber im Ungesprochenen das eigentlich Das bloße Aufleuchten und gar das Hervorscheinen in den An-
Gedachte sich birgt, bedarf jeder Denker der Hilfe eines Denkers. schein und das Beharren darin gehört zum Schein des Blitzes;
Derjenige, der hilft, steht notwendig in einer Hilflosigkeit und denn Blitz erblickt; erblickend ereignet er Welt, das Gelicht des
ruft durch sie die Kommenden. (124) Unter-Schieds, das sich, enteignend, in die Stille birgt aus Ver-
sammlung des Ratsals.
117 Ob wir Geschick vermögen - ob wir uns sammeln in das Zutrauen
zur Enteignis in das Ratsal der Welt-Stille als des Risses des Die Milde des Ratsals als der Riß des Unter-Schiedes.
Unterschiedes. In der Stille stillt sich die wogende Tiefe der Erde Milde: das ereignishaft-unterschiedliche Wesen der xup1i;.
und die lichte Heitere des Himmels, durchkreuzend die Gegen- Milde als das Ereignis des weltisch enteignenden Unter-Schieds.
wendige Fährnis von Sparnis und Freye. Sich stillend erreißt sie
Riß und Ratsal. Sie ist alles andere, nur nicht die bloße Abwesen- Das Ge-Stell - ist Versammlung des Stellens. 119
heit von Lärm und Umtrieb. Diese Vorstellung von Stille ist die Stellen ist
geräuschgewohnte. 1.)Stellen als angreifendes Anhalten, das zur Rechenschaft zieht
Der Rifl ist der fortreißende und doch reißende (fügende) Schied im erklärend-begründenden, planenden vorgreifend überholenden
(Gelicht des enteignenden Gebirges) des Ratsals. Rechnen. Calculation des Calculs. Darin ist die Notwendigkeit der
Was man metaphysisch das Dämonische zu nennen pflegt, hat Logistik begründet.
seinen Sitz nicht erst bei den Überirdischen (den Göttern) und den
Unterirdischen (Titanen). Es sitzt in der Mitte der Welt am Herd Q.)Dieses Stellen ist Her-Stellen, aber nicht mehr in die Unver-
der Stille. Die liaiµovEi; entragen der Welt -Stille in ihr Geviert borgenheit, worin Anwesendes verweilt aus der Weile zwischen
und erscheinen nur dem rechnenden Wirken nach dessen Art als Ent-stehen und Vergehen; sondern Her-Stellen in die errechen-
Wirkungsmächte.
Milde zartet verborgen im Rifl, ist Gebirg des Streites.
17 [Vgl. Friedrich Kluge: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache.
118 Daß Größe die Gefahr ist für die Großen gleichwie für die Klei- Unter Mithilfe von Hans Krahe besorgt von Alfred Schimer. 20/Walter de Gruyter:
Berlin 1967, S. 874.]
74 Anmerkungen VI Anmerkungen VI 75

bare Verfügbarkei t nur wieder und einzig für das Stellen (in das 7.)In all den Weisen des Stellens, worin das Anwesende in das Ge-
Bestellbare). stell gestellt wird, waltet das Ent-stellen des Seyns. Das sagt: das
Sein als solches bleibt weggestellt, da stets nur und höchstens das
3.) Dieses Stellen ist Beistellen, insofern es stets zugleich den Be- Anwesende als ein solches und das Anwesen nur dergestalt vor-
zirk der Sicherung alles Stellens vorstellt und so die Wahrheit des gestellt wird. Mit dem Wegstellen des Seins als solchen wird der
Gestells des Gestellten diesem zu-stellt. Unter-Schied verstellt; er bleibt verborgen und darum unkenntlich.

4.) Dieses Stellen erstellt die nicht weiter bedenkbare Wahrheit 8.) Dem Stellen entsprechend ist das Versammeln bestimmt, das
des Gestells so, daß ihm ausschließlich am Erstellen gelegen ist, jenes durchwaltet und in sein Wesen entläßt.
das die Beständigung des Gestellten sichert.
9.) Versammlung liest nicht nur die gleichwesentlichen Weisen
120 5.) Dieses Stellen stellt das immer nur im herstellenden Vorstellen des Stellens auf, gleich als lägen sie gesondert vor und würden
und für dieses Anwesende, d. h. ihm Gegenständige, unter in der dann zum Ge-Stell vereinigt.
berechenbar beständigen Wirksamkeit des Gegenständigen und
Zuständlichen. Diese Wirksamkeit ist darin festgestellt, daß ein 10). Versammlung birgt das ursprünglich mannigfaltig-einige 122
Gestelltes nur ein solches ist, darauf etwas in irgend einer Vor- Stellen in die dem Ge-Stell selber unstellbare Enteignis, aus der,
hersehbarkeit und Lenkbarkeit folgen kann. Dieses Folgen ist der als dem verweigerten Wesen des Ge-Stells, dieses in seinem Stel-
Erfolg. Die Wirksamkeit des Herstellbaren erschöpft sich darin, len sich will und so der entfaltete Wille zum Willen ist.
daß es erfolgen lassen kann und hinsichtlich dieses Könnens in
die Verfügbarkeit des Rechnens gestellt bleibt. 11.) Gestell ist Geschick des Ereignisses des Unterschieds zwischen
Dieses Unterstellen entspricht, obzwar durch Jähen geschie- Einst und Einst. (105)
den, dem vernehmenden Versammeln des Anwesenden in die Die bloße Aufzählung einiger Kennzeichen des Gestells als des
Unverborgenheit, innerhalb deren es aufgenommen wird und Wesens der Technik sagt noch nichts von diesem Wesen als der
Aufnahme findet (öo~a). Vollendung des Seynsgeschickes.
Nach dem Weltalter der Technik und während seiner Voll-
6.) Dieses Stellen ist ein zur Verfügung stellen, nämlich der endung geht Seyn und mit ihm Sein des Seienden und Seiendes
Fügung des Ge-Stells - der Mensch als Subjekt in der Subjekt- im Sein in die Sprache zurück. Es wird namenlos, insofern Sein
Objekt-Beziehung, die im vorstellenden Herstellen innerhalb der nicht mehr eigens genannt werden kann, wenn das Zu-Denkende
121 Gewußtheit der certitudo der idea als J perceptio west, der Mensch zur Sprache kommt. Das namenlose, nicht mehr als Name im Na-
stellt sich ganz dieser Beziehung, er geht in die Objektität ein und men des Seienden waltende Sein des Seienden wird mit der Ver-
gehört als Instrumentum des Ge-Stells ausschließlich in die stän- windung der Verweigerung des Austrages zurückgenommen in
dige Beständigung der Bestandsicherung aller Bestände. Das im die Sprache des Unter-Schiedes. Mit der Eschatologie des Seyns
Gestell gestellte Gelicht des Ständigen ist die Weltöffentlichkeit. geht die Metaphysik zu ihrem Ende und bleibt doch geschicklich,
Vgl. ob. 38.
nicht als historische Tradition J von Vergangenem, sondern als die 123
gewesende Verweigerung.
76 Anmerkungen VI Anmerkungen VI 77

Seyn als .ein Blit z des Spiegel-Spiels der Welt-Stille. Vgl. 110. es als Schon der Freye nie dahin langt und führt, die Welt, im
Eine Jähe, die sich das metaphysische Vorstellen durch Jahr- Ansichreißen zu sein, wohl aber als das Selbe des Unter-Schieds
tausende zerdehnt hat, weil sich die Nähe der Jähe durch Erklären weltisch notwendig zu ihr zu gehören.
und Ergründen entzog, aber gleichwohl das Geschick des Seyns
vollzog und die ungekannte Seynsvergessenheit erlitt, ohne die Wann gelangt und wie das Wesen des Menschen in die Milde der
Seinsverlassenheit des Menschen inmitten der schrankenlosen Enteignis?
Verfallenheit an das Seiende bedenken zu können und zu denken
daß die Verlassenheit vom Sein die Verweigerung des Ereignisses
' •Die Milde in der Stille des Risses - ist das Ungeheure in der Ein-
ist, aber in der Gestalt der Loslassung des Menschen an das Sei- falt des Ereignisses.
ende, dergemäß er Seiendes aus Seiendem erklärt und den Bezug
des Seyns zu ihm als den in das Wesen des Seyns Übereigneten Zur Gegenwart - Alle Welt schreit immer noch darüber, welche 125
nicht erfahren kann. Gewalttaten Hitler verübt habe. Die sind schlimm genug. Aber
niemand denkt daran, daß keiner der großen Sieger zu siegen ver-
12.) Gestell macht (verborgen ereignishaft) das Menschenwesen stand. Dieses Unvermögen ist noch schlimmer. Nicht weil seine
zuständig zum Gegenständigen; zuständig: der Mensch steht Folgen uns treffen, sondern den ganzen Weltzustand wesentlicher
überall und nur zum Gegenständigen, das er für das Wirkliche angehen als die Rasereien Hitlers. Doch dieses Unvermögen ist
erklärt und dabei sich als die Maßgabe dieser Erklärung aufstellt. nur eine Erscheinung unter vielen, worin sich bezeugt, daß der
Zuständig zum Gegenständigen ist der Mensch im (ereigneten) Zuspruch der Milde des ~ ausbleibt.
Aufstand. Gestell will als Wille zum Willen den Aufstand in das
bloße Wollen - als das Sichdurchsetzen im Setzen des Be-stellens. Dem heutigen Menschen vergehen durch Funk und Film hören
V.H. II, 57f. und sehen. Aber dieser Schwund ist schon die immer noch nicht
erfahrene Folge dessen, daß sein Gehör ohne Zuspruch und ohne
124 • Erblicken bleibt sein Gesicht. Noch ist Verweigerung des Ereignis-
Die Hilfe der Denkenden aus der Nachbarschaft der Einsamen ses hinter der Herrschaft des Ge-Stells, das jeden Bestand zugäng-
entspricht dem verborgenen , aber eigentlichen Gefüge einer Ge- lich zu machen scheint und zuständig für Ordnen und Einrichten
schichte des Denkens. Was ist inzwischen in dieser Geschichte den Menschen. Doch meinen die Heutigen, durch Funk und Film
geschehen? Wie gehört zu ihr das Sichversehen und doch Helfen? lerne man hören und sehen. Die technische Nutzbarkeit beider
Das Geschick der Irre ist anderes als die Historie von Denkfehlern gilt dafür, auch das Wahre des Wirklichen zu vermitteln. Die un-
und falschen Ansichten. hemmbaren Erfolge verfestigen dieses Meinen.

Welt und Menschenwesen. Film und Funk enthüllen sich als die eigentlichen, weil techni- 126
Welt können wir weder vernehmen (voeiv), noch vornehmen sehen Instrumente des Journalismus. Dessen Wesen besteht nicht
(percipere, repraesentare) , noch an uns nehmen (Gestell). Welt in der Zeitungschreiberei, sondern in der Veralltäglichung des
vermögen wir höchstens zu finden, indem wir unser Wesen als Täglichen im Weltalter des Gestells. Zeitung und Zeitschrift tre-
Freye weltisch in sie finden. Das Höchste ist im Wesen so, daß ten in die Dienstbarkeit zu Film und Funk . Das Wesen des Journa-
78 Anmerkungen VI Anmerkungen VI 79

lismus entspricht der im Gestell gewillten ständigen Zustellung schieds dem gestellhaften Vorstellen unzugänglich bleiben. Das
der Bestandsicherung der je gerade gegenständigen Bestände der Neue ist das Gestell, das sich zunächst als der Angriff auf das An-
Öffentlichkeit. wesende als solches bekundet, welcher Angriff es in die Präsenz der
Repraesentation zwingt. Der Angriffscharakter bleibt verborgen,
Wenn Hören und Sehen vergehen, entziehen sich Myoc; und dlioc;, weil das herstellende Vorstellen auf das Anwesende eingeht und es
n
die selber die metaphysische Wahrheit des Seins, als die des öv öv, im Experiment auf sein Re-agieren abhört. Daß hier Re-agieren
ausmachen. Sie entziehen sich, weil sie seit der Frühe des Seyns-Ge- geschieht, verrät, daß eine Aktion (die des Gestells) am Werk ist.
schickes auf dem Entzug sind und nicht in das Wesen der 'Al~0eta Das Abhören scheint ein reines Sichanmessen zu sein und ist
einkehren. Funk und Film stellen sich im Gestell an die Wesens- doch die Anmaßung, die die Natur dem gestellhaften Entwurf an-
Stel~~ von Myoc; und dlioc;. Sie sind die gestellhafte Einrichtung mißt, dessen Bestand zuerst Kant angemessen, d. h. hier systema-
der Offentlichkeit, die zum Gestell gehörig die Verwahrlosung des tisch, vorzustellen versuchte. Das Älteste des Neuen der Neuzeit
Unterschieds vollendet. Wenn Hören und Sehen vergehen, bleibt kommt in seiner Wesensherkunft am spätesten zum Vorschein;
die Gier des Gaffens und Gaunerns. Zur Sicherheit des Gestells dann nämlich, wenn es mit ihm schon zu spät geworden ist, in-
gehört die Unsicherheit des Vorstellens und seiner Äußerung. sofern das Gestell selbst in der Kehre des Geschickes seine We-
sensherkunft aus der xoiricnc;und d. h. aus der Vergessenheit des
127 Scheitern, als Charakter des metaphysischen, besser, mit Meta- Unterschiedes hervorkehren muß.
physik nur noch spielerisch umgehenden Vorstellens genommen,
beruht auf der Voraus-setzung, Sein sei: das Seiende und das Sei- Weil uns schon Winke des Geschickes treffen, wäre es an der Zeit, 129
endste, das alles Vorstellen auf sich konzentriere. Dieses Voraus- einzusehen, daß die moderne Naturwissenschaft zwar immer
-setzen weiß nichts von der Erfahrung, daß Sein nur aus ~ ist, schneller und ausgreifender ihre Entdeckungen macht und durch
d. h. die Differenz, verborgen im Seienden als einem solchen; die sie ihre Erfolge steigert, daß sie aber in keiner Weise am lang
Differenz aber als der Unter-Schied; dieser jedoch als das Ereignis entschiedenen Geschick der neuzeitlichen Wahrheit des Seienden
der Welt-Stille. Vgl. V. H. II, 37. auch nur ein Geringes ändern kann. Für die Öffentlichkeit und
Holzwege gehören zum Wesen des Denkens, weil die Irre im Un- ihren Journalismus sind diese Erfolge die wirkliche Wissenschaft .
begangenen zum Wesen gehört des Gelichtes des Sichverbergens. Auch die Philosophen bewegen sich in diesen Vorstellungen. Die
Die irrige Reklame der modernen Naturwissenschaft, die zur Resultate der Wissenschaften gelten als Einsichten und werden
Vorhut die Atomphysik hat. Sie erhebt den Anspruch, das Welt- den Massen als geistige Güter zum Fraße vorgeworfen. Funk
bild zu ändern, während sie nur Weltbild allererst herstellt. Sie und Film, Zeitschrift und Zeitung betreiben diese Einkehr im
beansprucht, die Kategorien zu ändern, während sie nur das, was Geist, ohne zu ahnen, daß sie die bereits entschiedene unbedingte
Kant vorgedacht hat, ausbaut. Ihr Neues bleibt immer entschie- Geistlosigkeit (d. h. die Verwahrlosung der Wahrheit des Seins)
dener hinsichtlich seines ontologischen und d. h . technischen We- verfestigen und davon leben.
sens beim Alten. Dieses Alte ist das Neue, aus dem die Zeit des Die Reklame der modernen Naturwissenschaft ist irrig, weil
Neuen zur Neuzeit wird. Das Sein des Seienden beginnt sich als die Wissenschaft irrt, insofern sie ihre Wesensherkunft aus dem
das Gestell einzurichten, aber so, daß gerade dieser Wesensbeginn Wesen der Technik als dem Gestell nicht erfahren und nie einse-
128 / und seine Herkunft aus der Verweigerung im Ereignis des Unter- hen kann, daß und inwiefern die Wissenschaft niemals in das Sein
80 Anmerkungen VI Anmerkungen VI 81

130 reicht, sondern stets I nur dem Anwesenden anheimfällt, neu- Sein ist überall entborgen vom Seienden her auf das Seiende hin.
zeitlich dergestalt, daß sie es im vorhinein als Objekt faßt, bis sie Darum läßt sich hier niemals das Sein selber, das Sein als sol-
sich selbst als ein Objekt innerhalb des Objektiven zur Funktion ches Denken.
gebracht hat.
Das Sein müßte, wenn dies metaphysisch versucht würde, als vom 132
Differenz - Zuerst, als sie erblickt war als solche , war das Denken Seienden her auf dieses hin Bestimmtes, vom Seienden gleichsam
versucht, sie, auch sie noch in der Weise der Metaphysik vorzustel- getrennt werden. In solcher Trennung würde nun a~er voll~n~s
len, nämlich zu versuchen, sie zu befragen auf die Bedingungen das übersehen, was, längst entfallen, ungedacht geblieben seit Je:
ihrer Möglichkeit. Dieser Weg war ein Irrgang, der nicht zuvor die Differenz des Seienden und des Seins.
sah, daß die Differenz als der Austrag des Unter-Schiedes so sich Nur sie, die Differenz und zwar als ~tacpopa als der Austrag vom
überhaupt nicht befragen läßt. Daß sie eine Antwort verlangt, Seienden und Sein in ihrer Einheit, nur der Austrag als das frühe,
als Gegenwort, das nicht auf eine Frage antwortet, sondern dem aber sogleich entfallende Gelicht des Unter-Schieds ist das Sein
Spruch der Welt-Stille im Unter-Schied entspricht. selber: das~ als das Wesende im Seienden von Sein, als das
Der Unter-Schied ereignet Welt. Das »als«, qua, Tiin Bezug auf Wesende des Seins von Seiendem.
Anwesendes, das vordem in der vergessenen Differenz behaust war, Die Frage nach dem Sein in »Sein und Zeit« fragt nach dem
verschwindet mit dieser; denn der Unter-Schied nimmt weltisch Sein als solchem selber, denkt somit in die Wahrheit des Seins,
enteignend der Differenz und ihrer Einrichtung (Transzendenz nicht wie die Metaphysik auf die Wahrheit des Seienden, die
und Metaphysik) das Element. Aber kehrt die Differenz nicht im »Sein« genannt wird. Aber »Sein und Zeit« denkt von der Meta-
Welt/Ding wieder? Wir fallen ins Vorstellen. physik her, in einen Rückgang zu ihrem Grund und so noch im-
mer auf die Metaphysik zu.
131 Sein - Erst in der Eschatologie des ~ ergibt sich eine hinrei- Insofern aber der Name »Sein« als Name des Seienden als sol-
chende Klarheit der Hinsichten, in denen während der Metaphysik, chem im Ganzen einzig der Name im Ge-1 schick der Metaphysik 133
und d. h. überhaupt während seines Geschickes, Sein genannt ist. ist, ihrer Vorbereitung zugleich und ihrer Verendung, ist schon
Sein nennt das Seienden im Ganzen. Das All. der Titel des Denkens in »Sein und Zeit« noch ein Tribut an die
Sein nennt das Seiende als solches. Seiendheit. Metaphysik. In der Eschatologie des~' die das Denken als
Sein nennt das höchste Seiende als das Andere zum übrigen die Sage des Unterschiedes ereignet, entfällt das Wort »Sein« als
Seienden . wesentlich nennender Nam e.
Sein ist in eins gedacht der Name für: das Seiende als solches
im Ganzen aus dem Höchsten . Zur Abhandlung »Vom Wesen des Grundes« 18 - Der allgemeine
und auch genaue, aber erst später im Beginn der Neuzeit auf-
Sein ist hier überall der Name für das Seiende als ... Ganzes, als gekommene Titel »Ontologie« bezeichnet den Grundzug des
solches, als höchstes.

Sein ist der Name für die Unverborgenheit des Seienden als des '" [Martin Heidegger: Vom Wesen des Grundes. In: Ders.: Wegmarken. GA 9.
Seienden. A.a.0., S. 123-175.]
Anmerkungen VI 83
82 Anmerkungen VI

Denkens innerhalb der Metaphysik als der Wahrheit des Seien- gungen der Ermöglichung der Wahrheit des Seins. Auf diese und
den. damit auf die Differenz wird zwar gedacht, aber der Weg zum
Weil jedoch das Vorstellen des Seienden als solchen im Ganzen Wesen der Differenz bleibt auf der Bahn des ergründenden Fra-
die Art ist, in der ausschließlich das Sein innerhalb der Metaphy- gens. Die gesuchte Ermöglichung der Differenz wird in der Tran-
sik gedacht wird und gedacht werden kann, bleiben Sein und Den- szendenz gesucht. Das Wesen des Grundes wird noch in der Weise
ken des Seins (des Seienden als ... ), bleiben Sein und Ontologie eines ergründenden und begründenden Denkens vollzogen. Das
einander zugeordnet. Denken bleibt so im Bezirk des Grundes selber und kann darum
Weil nun andererseits das Denken in »Sein und Zeit« das Sein nicht ins Wesen des Grundes gelangen. Das Denken fällt zurück
selbst im Blick hat im Sinne der Differenz und ihres nächsten ek- in das, was es verlassen möchte. So kommt es nicht rein ins Freie.
statischen Bereiches (nämlich der »Zeit«), das Denken der Meta- Dennoch denkt es die »Freiheit« als das Wesen von Grund und
physik aber das Seiende als solches vorstellt und nur dieses, kann Transzendenz. Freilich die »Freiheit« nicht als Auszeichnung des
134 das metaphysische Denken noch in einem weiten I Sinne als on- menschlichen Handelns und das Menschliche gar noch als Sub-
tisches genommen und seine Wahrheit als die ontische Wahrheit jekt des Bewußtseins . »Freiheit« ist hier das aus der wesentlichen
bezeichnet werden. und trotz aller Rückfälle leitend gebliebenen Erfahrung gedachte
Gegen sie abgesetzt bleibt das Denken des Seins selber, das nicht Sichlichtende Bergen der Unverborgenheit als solcher - das Ge-
mehr vom Seienden her fragt und dieses in ein »als« stellt, son- schehnis des Seins selber, um das allein und aus dem Welt spielt,
dern vom Sein her, nämlich der Unverborgenheit, in der es als Sein deren Wesen hier gleichfalls um ein Geringes deutlicher in den
west. Dieses rein dem Sein selber gewidmete Denken kann daher Bezug zur Wahrheit des Seins gelangen soll.
das ontologische heißen und die Wahrheit, in der es geht, die on-
tologische Wahrheit. Aber »ontologisch« hat jetzt nur den weiten In der »Conception« dieser Abhandlung war das Wissen von dem, 136
Sinn: dem Sein gewidmet, aber nicht in der Weise der Metaphysik, was in ihr noch unaustragbar und dennoch das Wesentliche sei,
sondern, von dieser aus gesehen, in der Weise, daß jetzt der Grund durchaus klar . Dieses Erfahrene wurde darum festgehalten und
der ontischen (metaphysischen) Wahrheit gedacht wird, das fun- trotz des Unvermögens, das Gemäße hinreichend zu denken und
damentum, - ontologisch im fundamental-ontologischen Sinne. zu sagen, in die Sprache gewagt. Die Abhandlung ist geladen mit
Die so zu denkende Unterscheidung zwischen ontischer und Dunkelheit und darum enthält sie vielfältig verschiedene Wei-
ontologischer Wahrheit leitet den Sprachgebrauch in der Abhand- sungen für das Denken. Sie helfen in der Zukunft mehr als eine
lung »Vom Wesen des Grundes«. Ihr Weg ist zwar als Weg zur glatte Darlegung geglätteter Ergebnisse.
Differenz eindeutig außerhalb der Metaphysik, aber auf die über- Das ergründende Fragen nach der Ermöglichung der Differenz
lieferte Terminologie hin gesehen und die übliche Weise ihres ist ein transzendentales Fragen. Aber dieses Transzendentale be-
unbeholfenen Gebrauches, ist die genannte Terminologie unge- stimmt sich nicht aus der Subjektivität des vorstellenden Bewußt-
wöhnlich mißverständlich. seins und fragt daher nicht nach der Bedingung der Möglichkeit
eines Objekts und Gegenstands. Dieses Transzendentale gehört
135 Die Schwierigkeit des Weges der Abhandlung steigert sich noch in das Dasein, das der Mensch ekstatisch eksistent ist, welches Da-
dadurch, daß auch hier noch wie in »Sein und Zeit« das Vorge- -sein als das Wesende der Lichtung von Sein zum Sein selber und
hen in der Weise des Ergründens fragt, nämlich nach den Bedin- seiner Wahrheit gehört. D ieses, Sein selber, ist das »transcendens
84 Anmerkungen VI Anmerkungen VI 85

schlechthin« (vgl. Sein und Zeit),19 nicht ein Bewußtseins-subjekt Die Abhandlung »Vom Wesen des Grundes« behält die nächste
und nicht ein ego cogito. Aber im »transcendens« ist das zu Beden- Nähe zum Vortrag »Vom Wesen der Wahrheit«, 21 der 1929/30 ent-
kende das Übergehen, nämlich von der Metaphysik her gesehen worfen wurde und das Wesen der Freiheit aus der Wesenseinheit
137 das Übergehen des Seienden I in ein »als«, worin es, das Seiende' Jl].itder Wahrheit des Seins, denn dies ist das Wesen der Wahrheit,
als es selber und so im Licht des Seins anwest. Dieses das »als« zu erfahren versucht. So weit ins Wesen des Seins muß Freiheit
lichtende und so gewährende Übergehen, das kein Fortgehen ist schon in der Abhandlung »Vom Wesen des Grundes« gedacht wer-
hinauf zu einem anderen und höchsten Seienden, das gar als Ursa- den, um zu verstehen, was dort auf den letzten Seiten »Wahl« be-
che oder sonst welche Einfassung und Umfassung vorgestellt wird, deutet. Wahl ist bezogen auf die Wahrheit des Seins, d. h. auf die
dieses, das »als« lichtende und gewährende Übergehen, galt es zu Differenz und auf die Entscheidung im Unter-Schied; nicht dage-
denken und zwar aus der Hinsicht auf die eigens im Voraus als das gen auf ein I Auswählen faktischer Möglichkei~en d~s Handeln~ 139
Nächste des Nahen erfahrene Differenz. Sein selber, das transcen- des Menschen inmitten des Seienden. Wahl betrifft hier Entschei-
dens schlechthin genannt und gedacht, ist in jeder Hinsicht ver- dung über die Unverborgenheit des Seins und die Weise, wie der
schieden von »der Transzendenz«, als welche das Transzendente Mensch zu ihr steht, indem er sie so oder so aussteht oder vergißt,
als das Höchste des Seienden in der Metaphysik von alters her sie entfallen läßt und dem Seienden in seiner vorgegebenen onti-
theiologisch vorgestellt wird. schen Wahrheit anheimfällt. Wahl betrifft die Zugehörigkeit oder
(Ob Karl Jaspers in seiner 1932 erschienenen »Philosophie« 20 Nichtzugehörigkeit des Menschenwesens zur Freiheit . Wahl ist ge-
das in »Sein und Zeit« gedachte »transcendens schlechthin« me- dacht als die Antwort des Menschenwesens auf den Zuspruch des
taphysisch und im Sinne der gewöhnlichen Vorstellung des Tran- Seins selber. Allein, der Denkversuch ist dort all diesen Bezügen
szendenten umgedeutet hat, oder ob er nur von Kant und dem noch nicht gewachsen und nicht im gemäßen Verhältni s.
Idealismus her das Absolute als »Sein« ins Thema nahm, vermag Weil so das Denken als ergründendes sich vom Wesen des Grun-
ich nicht auszumachen. In jedem Fall ist es eine grobe Geschichts- des gerade abkehren muß, bleibt es in einer Irre. Daran liegt es,
fälschung, wenn man jetzt die Meinung verbreitet, die »Seins- daß im Hinblick auf das eigentlich zu Denkende, auf die Differenz,
138 frage« innerhalb meines I Denkens sei von der »Philosophie« be- die notwendige Kehre nicht nachvollzogen wird. Denn die Diffe-
stimmt, die Jaspers in seinem dreibändigen Werk darlegt. Doch renz west nicht aus der Transzendenz, sondern »das transcendens
handelt es sich hier nicht um Fragen der Originalität und Nicht- schlechthin« und mit ihm das Wesen der Metaphysik ereignet
Originalität, nicht um Priorität und Posteriorität, die nur die gel- sich aus der Differenz als dem Ereignis des Unter-Schieds.
tungssüchtigen Geschäftemacher des Philosophiebetriebs interes-
Sein und Zeit - Sobald Sein als solches gedacht, sobald die Wahr- 140
sieren, wohl dagegen handelt es sich um eine klare Scheidung der
Wege des Denkens und der Art seiner Ansprüch e. heit des Seins erfragt, sobald das Sein selber bedacht wird, muß
In einer Zeit, die wie die heutige ihrer eigenen Wahrheit so die Differenz als Austrag erfahren sein. Denn, wenn dies ge-
fern steht, wäre es nur töricht, auf einen Besitz der Wahrheit zu schicklich glückt, ist »Sein« auch schon [in] die Letze gegangen
pochen.) und verabschiedet. »Sein« hat sich im Austrag geborgen. »Seien-

19
[Martin Heidegger : Sein und Zeit. GA 2. Hrsg. von Friedrich-Wilhelm von
Herrmann. Frankfurt am Main 1977, S. 51.] •1 [Martin Heidegger: Vom Wesen der Wahrheit . In: Ders.: Wegmarken. GA 9.

0
[Karl Jaspers: Philosophie 1-III. Julius Springer Verlag: Berlin 1932.] A.a.O., S. 177-202 .]
86 Anmerkungen VI Anmerkungen VI 87

des an sich« .vermag so wenig mehr aufzutrete n wie »Sein für losung an der Ankunft des Ereignisses zu erkennen, dies aber so
uns«. »Sein« kann dann auch nicht mehr als nennender Name des lange und ausdauernd, bis zu seiner Zeit das geschickliche Denken
~ zur Sprache kommen. Das Geschick der Verwindung des nach der Verwindung der Eschatologie des Seyns unmittelbar in
Wesens der Metaphysik in die Kehre verlangt die andere Sprache. seine einfache Bahn einschwingen und darin bleiben kann.
Aber solange der Wink dieses Geschickes uns nicht nur getroffen, Der Vorbeigang ist wie die Kehre spiralig. Die Vollendung der
solange dieser Wink noch nicht gedacht ist, vermag das Denken Verwahriosung geht noch in der Bahn und Ebene der Vergessen-
auch die Sprache des Seins des Seienden noch nicht in gemäßer he it des Unterschiedes; die Ankunft des Ereignisses ereignet sich
Deutlichkeit zu sprechen. im sich lichtenden Geschick des Enteignisses in die Welt-Stille.
So trifft es denn die aus der Metaphysik her anhebende Frage Verwahrlosung und Ankunft (Ankunft als Einkehr aus Kehr) der
nach der Wahrheit des Seins (d. h. nach der Differenz als Austrag Enteignis aber wesen gleichwohl je im Selben des Unter-Schiedes.
des Unter-Schiedes), daß ihr Suchen die Rede vom »Sein« am Schied ist in der Verwahrlosung in der Weise des Entfalls, als Welt
141 stärksten begünstigt und der Tradition gemäß dazu verhilft, 1 die (Ankunft) aber in der Weise des Risses.
Ontologie im gängigen metaphysischen Sinne zu betreiben. Der-
gestalt handelt dieses Denken in »Sein und Zeit«, das der Wahr- R iß des Unter-Schieds und Entfall der Differenz entsprechen sich 143
heit des Seins nachgeht, nicht nur sich selber entgegen, sondern es geschicklich.
kommt selbst unversehens in die Verstrickung durch die Stricke, Das Geschick verbirgt sich in der Geschichte des Seins, als wel-
die zu lösen es sich auf den Weg begab. che die Metaphysik sich ereignet.
Diese Fährnisse sind unvermeidlich, wenn das Denken den Ab- Metaphysik ist die einzige Geschichte des Seins; vordem war
sprung von der Metaphysik wagen muß, um so zugleich in der weder Sein noch Geschichte; nachmals ist Sein verwunden und
Destruktion derselben und durch sie die verborgene Überlieferung Geschichte aus der Historie gelöst; seinsgeschichtlich ist nur das
zurückzugewinnen und der Bewahrung zu übergeben. Wesen der Metaphysik. Zu Geschick als Ereignis des Unter-Schie-
Man kann freilich mit Recht meinen, ein anderer hätte solche des gehört weder »Sein« noch Geschichte, noch Historie .
Fährnis besser überstanden und wäre eher zu deutlichen Ergeb- Nur innerhalb der Metaphysik und durch sie ist~ das Sei-
nissen seines Denkens gekommen. ende als ein solches im Ganzen, d. h. Sein.
Allein, vielleicht liegt geschicklich alles daran, daß einer vor Nötig ist, die Metaphysik ihrer Verendung zu überlassen.
dem Ereignis der Kehre der Metaphysik die Verstrickung und Ge- ~ - das ist das sich vorenthaltende Ereignis des Unter-
fahr aussteht, die eine Vorbereitung für sie mit sich führt. Nur so Schieds, das in der Kehre zu Welt sich ereignet.
wird die Kehre selbst zum Geschick, das trifft und entschickt. Geschichte des Seins ist das Verborgene Geschick der entfallen-
Darum handelt es sich bei der immer wieder versuchten Besin- den Vergessenheit der Differenz.
142 nung über »Sein und Zeit« nicht um eine eitle Beschäfti-1 gung Die Geschichte des Seins: Aletheiologie des Anwesenden , Ar-
mit einem eigenen Werk oder gar nur um das Ausrufen seiner chäologie des Geschaffenen; Monadologie des Wirksamen; Ideolo-
vermeintlichen Bedeutung. gie des Gegenständigen; Phänomenologie des Absoluten; Zoologie
Es gilt das Eine: den geschicklichen Augenblick der Kehre der des Willens; Eschatologie des Seins. Das Ganze des »Idealismus« -
Wahrheit des Seienden als solchen in die Wahrheit des~ im - im wesentlichen Sinne, seiner Vor- und Nachgeschicht e. Vgl. IV,
mer deutlicher zu erfahren und als den Vorbeigang der Verwahr- 13.
88 Anmerkungen VI

144 Winterkeit -
wenn das geläufige Sprechen dieses Wort hören könnte, müßte
ihm sogleich der Verdacht kommen, es sei auf eine gekünstelte [STICHWORTVE RZEICHNIS]
Weise für eine ausgedachte Sache ausgeheckt. Auch müßte es ur-
teilen, das Wort sei befremdlich und unschön. Darum verdiene es,
zurückgewiesen zu werden.
Allein, das Wort »Winterkeit« läßt sich nicht mehr zurückwei-
sen; denn es ist ein langher gewachsenes Wort, freilich auch ein
Wort, das inzwischen selten wurde. Es nennt bei den Bauern, die
noch in ihrer alemannischen Sprache wurzeln, die Silberdistel
und das Heidekraut, die Blumen, die als Schmuck der Kränze für
Verstorbene dienen und in der strengen Jahreszeit des Winters das
Heitere (-heit und »-keit«) bewahren und ihn so erleuchtend und
weihend überstehen.
Nur wenige Ohren hören in dem Wort noch den Klang, der
wundersam dem Mund der Bäuerin entschwingt, wenn sie die
Winterkeit in die Kränze für ihre beiden in Rußland gefallenen
jungen Söhne flicht. Wunder der Sprache, Geheimnis des ~-
)\}.,iJ8Et<l 93. 102. (vgl. 88). 118 Enteignis 109 ff.
»als« 96 Erde 53
Amerika 45 Ereign is 102. 110
Andacht und Andenken 27. Erfahren 103
102 Eschatologie 140
j A ndacht und Angst 1 77 f. Essay 7
Andenken 72 Europa 27. 34. 45
Angst 2. 22
Apriori 9 Feld 53. 59
Armut 45. 47. 55 Feldweg 59. 114
Freude 22
Bauern 52. 83 Funk und Film 125 f.
Belassenheit 20
Bestand 20. 27. 28. Gang in die Nähe 40. 81
Beten 25. 27 Gegenwart 125
Be-wegen 40/ 1. 47. 57. 72. 75. Geschichte 10. 13. 46. 48 . 56.
106 63. 66. 68. 89. 97. 105. 111f.
Blitz 123. (118) 122
»Geschichte des Seins« Zl.J
Da-sein 17 97. 143.
Denken 6. 9. 14f. 20. 23. (25). Gerufene 76
29 f. 31. 39 ff. 46. 47. 55f 57. Gestell 110
59. 61.64. 67. 69. 72. 76.97jf.
103f 105 ff. 133 ff. Haus 12
Descartes 87 Hegel 83
Dialektik 23 Herstellung 8f
Differenz 3. 7.90.95. 130 Hilfe 116. 124
Dimension 59 Hirten 15
ö6~a 120 Hölderlin 80
Holzwege 62. 84 f. 103. 113.
Einfaches 38. 71 127
Einfalt 102ff. Humanismusbrief 79
Einsam 10. 114
Einsame 41. 52. 69 f. 124 Interpretation 36. 48. 57. 67.
Einziges 18. 35 75f
92 Stichwortverzeichnis Stichwortverzeichnis 93

Irre 61. 84 Riß 117, 142 Verwahrlosung 27 f. 43. 54. 78. Welt-Katastrophe 44
82.94.95. 109. 123. 126 Wille 7 f. 42. 87 f. 88. 115. 122
Jähe 112 Sage 1. 3. 6. 9. 16. 21. 25. 31. Verwandtschaft 4. 19. 21f. »Wissenschaft« 36. 44. 49ff.
Journalismus 126 58. 61. 91 »Vor-« 9 61. 63. 77f 79. 86. 127 ff.
Jugend 108 Scheitern 127 Vorbauen 9 Wüste 65f
Schelling 87 f. Vorbeigang 142
Kausalität 32 f. Schonen 106/~124 Vorgang 81. 109 Zarten 117f.
Kehre 52. 54.67f. 105.110f Schrift 16. 21 Zeit 95
Kommnikation 69 f. »Sein« 90. 97f 131. 143 Wahl 138 Zukunft 55
Kraft-Werk 83 Sein und Zeit 67f. 95. 131f Weihe 112
140 Welt 12. 38. 53. 66. 68. 89. 97.
Lassen 20. 41 Situation 24 98.105. 124
Laut 25. 115 Sprache 2. 12. 13. 16. 25
»Logik« 86 Sterbliche 15. 19. 61
Stil 39
Macht 44. 52 Stille 99. 115
Maschine 82 subjectum 62
Mensch 22. 34. 38.87f. 124 Summe 91
Metaphysik 96. 143 System 44
Milde 117f 124
Technik 8 f. 23 ff. (10). 35. 45.
Nachbarschaft 51. 52. 107 49. 51f. 63f 65. 77. 82 f. 89.
Nähe 95. 99 93f. 109.ff. 119f 127ff.
Natur 32. 53f 127 ff.
Neuzeit 28 Übereinstimmung 48. 56. 63.
Nietzsche 17 112
Unter-Schied 113
Öffentlichkeit 11. 26. 29. 37f.
38.42.44. 121. 126 Vergessenheit 42. 65 f.
Opfer 112 Verhältnis-mäßige 48. 60. 76
Verhängnis 112
Philosophie 113 Vermögen 107. 115.
Planetarisch 68 Vermuten 7. (1)
Verstehen 81
Rechnen 105
95 0-0 o 39.
128 0- 0 X 41.
133f. 0 -0 X 81
137 0- 0 © 86f.
143 0- 0 o 100
146.ff o-o IQI105
159f. 0 -0 ij] 119
171 0- 0
182/ 0-0

X-X
158
162
164f
170
171
oo<po<; dom<;q,u~1
ö rcoAJ...a
Pindar
Weise, der vielerlei gesehen hat, weil er der Aufgegangene ist
[für das Versammelnde].

ANMERKUNGEN VII

1949 Herbst

1
[Pindari carmina cum fragmentis. Recognovit brevique adnotatione critica
instruxit Cecilius M. Bowra. Oxford 1935, Olympia II, v. 86.]
Laßt nur Moos im Duft des Quells 1
verborgen leuchten

froh der Stille


gut der Milde
entfaltet Denken die Einfalt

ein gewaltiger Herbst


stillt sich in unser Gebirg

Ruhe der Sprache:


Wörter warten, daß ein Denken sie
als Worte einhole zur Welt.

Wegkreuzung, Kreuzweg, Wegkreuz

bleib in der Einkehr der Enteignis,


geschicklich dem Welt-Geschick der Kehre

Einkehr ist der weltische Riß


des Unter-Schieds

froh: ruhig in der Freude


beruhigt aus der Stille der Milde

gut: entschieden ins Ge-eignete


bereit zum Schonen (..)

froh der Stille; »der« als Dativ und Genitiv.

Unumgänglich ist Befremden


weil nur Fremdendes Ferne wahrt
Ferne aber Nähe verbürgt.
100 Anmerkungen VII Anmerkungen VII 101

Wenn im Zeitalter der Vergessenheit des Unterschiedes sogar die solcher Vereignung gehören wir der Stille und sind enteignet zur
Wirklichkeit seines Wirklichen nicht mehr befremdet , muß das Milde.
Denken das Geleit des Erfahrens übernehmen. Niemals bringt uns das universalhistorische Wegflüchten zu
Denken verändert nicht das Wirkliche, aber es ist der Anlaß fremden Religionen und Deutungen des Alls und ihren Sitten-
einer Einkehr der Kehre der Wirklichkeit als Sein in das Ereignis. lehren in jenes Eigene, das geschicklich geeignet ist und uns dem
Ereignis der ~Weltopfert.
3 Im Gestell werden Geschichte und Natur bestandlos. Doch um dieses zu erfahren, müssen wir uns zuvor und lange
Weltgeschichte als Universalhistorie ist der letzte Schatten von das Ereignis des Unterschieds sagen lassen. (V. H. II, 49 ff.)
Geschichte - Geschichte ohne Welt, ohne Geschick. Im Welt-
Geschick aber enteignet sich Welt sogar des Geschickes, insofern Die Sage des Unterschieds ist das einfältige Denken. 5
Welt sich aus der Milde stillt. Vgl. 63. Das einfältige Denken ist das ereignishafte Dichten. (Anmer-
kungen VI, 102, 108).
Die Kehre schickt Welt . Welt entschickt Geschick. 66
X-X Das Wesen der Dichtung hat sich bisher nur metaphysisch be-
Wann wird der Mensch mild und still? stimmt.
Wenn sein Wesen aus der Stille der Milde ereignet ist. Wenn Nach dieser Bestimmung ist die Dichtung Poesie. Die Poesie
Ereignis einkehrt, gelangt der Mensch in solches Wesen. Ereignis gehört in die Iloiricrn;,die als das Hervor-anste[he]n-Lassen, verbor-
kehrt ein, wenn Kehre sich ereignet. Kehre ereignet sich, wenn gen im Ereignis wesend, Anwesen und mit ihm und für es Gelicht
Kehre sich ereignet. Kehre ereignet sich, wenn Vorbeigang ist von des Anwesenden gewährt.
Verwahrlosung des Unterschieds zum Welten der Enteignis. Ver- In der Iloiriote; als dem Wesen des Anwesend (des Seiend in sei-
wahrlosung geht vor und bei, wenn die Verwahrlosung der Diffe- nem Sein) beruht alles Anwesen bei ... und zu; vornehmlich bleibt
renz als solche sich ereignet hat. Dies ist, wenn die Vergessenheit aus der Iloirimc; bestimmt das Anwesen des Menschen zu ... und
in ihre Vollendung gelangt und die Metaphysik in die Verendung bei Anwesendem: das menschliche Her-stellen des Anstehenden
übergegangen ist. als eines solchen in das Gelicht des Unverborgenen. Diese mensch-
liche Weise des Anwesens zu ... und bei Anwesendem als solchen
4 Die Metaphysik ist als die Wahrheit des Seienden das Geschick läßt sich, weit genug gedacht, als 'tEXVT'l bezeichnen.
des Seins. Aus der Kehre des verborgenen Wesens dieses Geschik-
kes, das die abendländische Geschichte trägt und bestimmt, er- In dieser aus der Iloirimc; ereigneten 'tEXVT'lund damit in jener be- 6
eignet sich die Zukehr des Menschen in sein ereignishaftes welt- ruht alle Poesie und Kunst und d. h. alles menschliche Tun und
isches Wesen. Die Einkehr des Ereignisses von Welt ruht in der Handeln innerhalb des Geschickes des Seins.
Kehre des Ereignisses, nämlich seiner Verweigerung des Unter-
schiedes. Unterschieden von der Dichtung als Poesie und Kunst ist das
Nur aus der Verwindung des Geschicks des Seins, nur durch das Wesen des ereignishaften Dichtens die Nach-sage des Für-Wortes
Ausharren in der Kehre des Eigenen, gelangen wir in das Wesen, der Stille der Milde. Die Nach-sage ist dem Ereignis vereignet und
das uns dem Ereignis des Unterschieds weltisch ereignet. Nur in so hörig der Welt-Stille.
102 Anmerkungen VII Anmerkungen VII 103

Die Nach-sage kann mit dem lateinischen Wort dictare benannt Das Christliche - Verstehen wir darunter Leben und Predigt Jesu,
werden, das freilich jene Bedeutung nicht kennt. Aber sprachge- das von Jesus erfahrene und ausgetragene Gottes- und Welt-Ver-
schichtlich enthält das ereignishaft-weltische Dichten in seinem hältnis, dann liegt dieses »Christliche« vor aller Umdeutung der
Namen den Bezug zu dictare, nicht nur zur IIoiricrn;der Poesie. Person Jesu zum Christus. Das Christliche ist in Wahrheit dann
das Vor-Christliche und vielleicht in gewisser Weise so außerhalb
Das einfältige Denke n ist das in der Kehre des Ereignisses an- des Metaphysischen - außerhalb vielleicht, doch nie sein e seyns-
fängliche Dichten. geschickliche Verwindung.
Vermutlich muß der heutige Mensch, wenn er noch gesonnen
Dichten ist inskünftig anfänglich: Denken. 12 ist, »christlich« zu sein, in das Vor-1 christliche Leben Jesu zu- 9
rückkehren. Vielleicht könnte mittelbar für diese Rückkehr in
7 Säkularisierung und Verweltlichung - sind nicht das Selbe. Vgl. das Vorchristliche, das noch anderes ist als das Urchristentum, ein
14ff. D enken zum helfenden Anlaß werden, das der Verwindung des
Verweltlichung: daß das Sein in das Welten von Welt einkehrt; Wesens der Metaphysik in seiner Weise sich fügt und ins Freye
dafür muß erst Welt sich ereignen, ihr Wesen sich lichten und zeigt, ohne sich je anzumaßen, sich in das Vorchristliche einzulas-
alles Anwesende in dieses enteignen. sen. Vielleicht könnte das einfältige Denken dem Rückgang in das
Säkularisierung: daß innerhalb von Metaphysik und Christen- Vor-Christliche hilfreicher sein als alle Theologie und Metaphysik
tum das bloß menschliche Tun und Herstellen die Oberhand ge- der Transzendenz.
winnt und sich in seiner Weise die christliche Offenbarung zu-
nutze macht und in eine Sittenlehre einbildet. Man müßte hierfür allerdings einsehen lernen, daß das einfältige
Säkularisierung spielt innerhalb der Metaphysik und setzt sie Denken etwas anderes ist als die rationale Erklärung der christli-
überall voraus und hilft dazu, sie zu vollenden. chen Offenbarungslehren. Diese Einsicht kommt nicht ohne den
Verweltlichung ereignet sich aus der Verwindung des Wesens Einblick der Einkehr des Ereignisses des Unterschieds.
der Metaphysik in das Ereignis des Unterschiedes. Noch einmal: das gesuchte Christliche ist eigentlich das Vor-
Wie, wenn wir bald anders über Säkularisierung des Religiösen Christliche; das, was sich vor der Umdeutung des Jesumäßigen in
und Christlichen urteilen müssen? den Christus mit Jesus ereignet hat.
Wie, wenn das Christliche, als das Christentümliche, selber das
8 Wesen von Welt nie erfahren konnte, weil I das Christentum der Wahrheit des Austrags ruht im Ereignis. 10
Metaphysik verhaftet bleibt und überall aus ihr sprechen muß,
sogar dort, wo es (das Christentum) das Christliche meint. Wahrheit: Gelicht des Gebir ges des Unterschiedes.
Alle Säkularisierung bleibt hinter dem Wesen von Welt zurück,
die als das Ereignis des Unter-Schieds jede Mißdeutung des Hei- Austrag: die aus dem Ereignis des Unterschiedes wesend e fümpopa
ligen durch die Metaphysik verwehrt und sogar das Christliche von Anwesendem und Anwe sen.
noch, nicht nur das Christentum und seine Kultur, von aller Meta-
physik befreit. ruhen: gestillt aus der Welt-Stille
104 Anmerkungen VII Anmerkungen VII 105

Ereignis: Erblitzen und Enttragen wesend als das Selbe der Milde. Denken heißt: erfahren den Einblick .

Selbst im Denken, da noch eher als sonstwo , müssen wir für jeden Einblick: der Ein-blitz des Ereignisses in das ~; Ein: in die
Schritt opfern. Welt -Stille .
Die Jähe der Kehre .
Rinnsal des Baches bleibt Schicksal des Stromes. Kehre: nicht Umdrehen des Gleichen, sondern Einkeh r des bis-
lang verweigerten Selben .
11 Ein himmelweiter Unterschied besteht zwischen dem Wörter- Blitz: die Jähe des ereignenden Gelichtes des Unter-Schiedes.
artisten und dem Sparsamen im Wort. Jener lebt im literarischen
Bezug zum Seienden als dem Gegenständigen der Darstellung; Erläutern: ins Reine bringen: in die Einfalt der Welt-Stille ein - 13
dieser erfährt die Wahrheit (das Gelicht des Gebirges) des legen: in das Befremden des Ereignisses bergen;
Seyns im Ereignis der Sage des Unterschiedes. erläutern ist nicht mehr auslegen, hinaus und weg in die öf-
Der Sparsame kommt aus der Welt-Stille . fentliche Verständlichkeit. Vgl. Anmerkungen VI, Interpretation .
Der Artist hastet in der Ratlosigkeit des Planeten.
Der Artist fasziniert . Der Sparsame verschwindet. Übereinstimmung aus der Stimme (21) des Selben; aber nicht
Sein Unscheinbares beruht eine lange Zeit. Überlieferung in den bloßen Fortgang.
Die Artistik beherrscht das Momentum.
M ildern heißt: die Milde der Welt-Stille leuchten lassen; heißt nie:
Kurze Sätze sind noch kein Beweis für lange Gedanken. abschwächen.

Deren Einfaches braucht zuweilen den weitgebauten Satz. Jeder Schritt zurück verschenkt eine Vorgabe.

Der Artist bespricht die Sprache. Sie gibt Freye vor, in der Welt naht.
Der Sparsame sagt die Sache.
L aß das Geringe ins .Unscheinbare gedeihen.
12 Der Artist jagt nach seinem Gesprochenen .
Der Sparsame hütet das Ungesprochene. Rein ist, was gering sich in die Milde entringt.

Dem Denkenden bleibt verborgen , wie sein Gedachtes ereignis- Entchristlichung-Man redet jetzt viel und laut von der Entchrist - 14
haft Welt erwinkt den Sterblichen . Was er sehen kann, sind nur li chung, mit einem moralistisch überheblichen Ton und so, als
Wirkungen im Öffentlichen. Darauf zu sinnen, und sei es auch, sei man im unbedingten Besitz der ewigen Wahrheit und aller
um sie anders zu lenken, ist ein müßiges Geschäft. Die Herrschaft Sachen sicher. Man urteilt über die letzten Jahrhunderte der euro -
der Wirksamkeit als Maßstab der Wirklichkeit und dieser als der pä ischen Geschichte ab, daß sie die Entchristlichung verschuldet
Wahrheit des Seins verblendet jeden Einblick in das, was ist. und vollzogen haben .
106 Anmerkungen VII Anmerkungen VII 107

Hier sei eine Frage erlaubt. Weshalb ließ sich un d läßt sich das dessen Gelicht die Griechen das ihnen verborgene Da-sein aus-
Christentum entchristlichen, wenn es die Wahrheit und die Kraft standen?
selber ist? Die Theologie, die um Auskünfte nie verlegen ist, hat
auch hier eine Antwort bereit . Man sagt, die Entchristlichung Abendland - das aus dem Morgen kommend, ihn behaltend, in den
läge im Plan der Vorsehung und sei göttliche Zulassung. Abend landet und eine lange Nacht zu bestehen wagt.
Gut; dann bleibt die Entchristlichung der Welt ein Geschenk
des christlichen Gottes und die geschmähten Jahrhunderte sind Der Morgen entbirgt verwesenen Abend.
seine Werkzeuge . Abend birgt den gewesenen Morgen .
Christen dürfen sich dann am wenigsten anmaßen, mit ge-
schichtsphilosophischen Aburteilungen sich in Szene zu setzen. D ie Fuge ihres Geschickes kehrt sich in das Ereignis des Unter-
Vielleicht wäre es überhaupt christlicher, sich der Flüchtlingsfür- schiedes. Vgl. V. H. II, 44.
15 sorge I zu widmen als über welthistorische Perspektiven zu reden.
Außerdem gibt es in der Geschichte des Christentums Ketzer- Sprachstil - Man hat sich daran gewöhnt, die Sprache in »Sein 17
gerichte und ähnliches. Wenn man schon sich historisch gebärdet, und Zeit« nach dem Gebrauch zu beurteilen, den solche von ihr
dann dürfte man auch einmal der Entstehungsgeschichte der Kir- machen, die, was in jenem Versuch gedacht ist, weder je erfahren
chenherrschaft nachgehen. Doch sind das alles nicht die wesent- noch das Erfahrene nach -gedacht haben.
lichen Dinge . Das Christentum selber und mit ihm die Entchrist- Man findet dann diese Sprache, die ein bloßes Wörtergeschiebe
lichung könnten auf einem Ereignis beruhen, das erst den Nihi- geworden ist, mit Recht schauerlich.
lismus jeder Art zur Folge hat und zu seiner Erfahrung bereits Doch wäre es an der Zeit, sich einmal zu überlegen, woher diese
Bereiche braucht, die zu treffen weder das christliche Glauben Sprache stammt; ob sie nicht in der Zwiesprache mit einer Sa-
noch das unchristliche Meinen imstande sind. Hat es überhaupt ' che entstand, die vordem noch niemand zu Gesicht bekommen, so
einen Sinn, sich in historische Betrachtungen einzulassen, gesetzt, daß sie ohne die entsprechende Sprache geblieben. Vielleicht über-
daß man ein Christ ist oder, es zu sein, wenigstens meint? Darüber denkt man, ob die Sprache in »Sein und Zeit « nicht eben darum
hat Kierkegaard schon genug gesagt, was man immer noch über- mit den Mitteln der geläufigen Sprache sich begnügen mußte, in-
hört. Man tut jetzt so, als sei Kierkegaard ein Existenzialist gewe- sofern sie diese durch Um - und Neubildung ihres Wörterbestan-
sen und habe nur von der Angst geredet und über Anthropologie? des gefügiger der Sache und zugleich beschwerlicher der Sprache
Wofür hat er sich aufgerieben?- Vgl. 7f . machte.
Was wissen diejenigen, die sich schnell darüber erregen, wenn
16 Auch jetzt, in der Sage des Unterschieds, vermag ich nicht hinrei- da und dort »geheideggert« wird, 1 davon, daß ein Denken sich 18
chend zu sagen, was ich sagen möchte. Ich bin von dem zu Den- dem Ungedachten aussetzt und sich auf Entscheidungen im We-
kenden so weit entfernt wie in »Sein und Zeit «, nur in anderer sensgang der Geschichte einlassen muß?
Weise . Meint man, hier sei noch Gelegenheit zu Stilübungen?
Vielleicht ließe sich eines Tages die Sache gefälliger darstel-
Wie fern ist unser Denken noch, trotz aller historischen Kennt- len. Aber wohin hilft dies, wenn man vergißt, das Gesprochene
nis der griechischen Philosophie, vom Bau des Anwesens , in erst einmal zu denken ? Man verfalle doch nicht der Meinung, es
108 Anmerkungen VII Anmerkungen VII 109

sei nur eine äußerliche und machbare Änderung des Sprachstils, Denken erfährt den Einblick des Ereignisses. Denken ist in das
wenn mein Denken jetzt dem Anschein nach einfacher spricht. zu Denkende schon enteignet, bevor es zum ersten Wort kommt.
Diese einfache Sage ist noch gewagter als jenes frühere not- Denken bleibt arm im Gesetz.
gedrungen gewaltsame Sprechen. (81) Denken bleibt unterwegs des Be-wegens der Fahrt, die den Ein-
blick erfährt.
Man beurteile die Sprache in »Sein und Zeit« künftig nicht nach
der Wendigkeit derer, die im bloßen Ausdruck »heideggern«. Man Ist dies nur eine Frage der höheren Physiologie, weshalb ein Den-
nehme das Maß der Abschätzung aus dem in »Sein und Zeit« Un- kender an Vortagen vor dem heiteren Denken jäh mißgestimmt
gedachten, das als das Zu-Denkende mühselig genug zur Sprache und unaufhaltsam verschlossen ist?
kommt.
Wenn wir den Denkenden als Lebewesen unter die vorkom-
menden Lebewesen einordnen, ja.
19 Ärger noch als das äußerliche Nachreden der oft ratlosen Sprache Wenn wir die Bahn seiner Wanderschaft bedenken, nein.
in »Sein und Zeit« wäre das Nachmachen des vermeintlich leich-
ten, weil einfachen Sagens. Dieses erneute Nachmachen müßte Stimmung - ob einige ihr Wesen bald erfahren lernen, insofern 21
den Anschein, daß jetzt dem einfachen Wörtergebrauch entspre- sie das in »Sein und Zeit« Gedachte ausdenken?
chend auch wesentlich gedacht werde, vollends verfestigen. Man Befindlichkeit sei ihr Wesen, heißt es dort. Aber Befindlichkeit
lerne erst, daß es sich hier noch gar nicht um ein Mitteilen und meint hier nicht den leiblich-seelischen Zustand, auch nicht eine
Belehren und nie um ein Darstellen handelt. anders geartete leiblich-seelische Verfassung; auch kein Gefühl
Anderes steht auf dem Spiel: das Be-wegen, mit Wegen ver- und sei es ein geistiges. Befindlichkeit nennt keinen anthropo-
sehen, der Pfade des Wortes. logischen Bestand, wie immer man ihn fassen mag.
Be-findlichkeit ist, in »Sein und Zeit«, auf die Wahrheit des
Keineswegs liegt es so, daß jetzt schlichtere und bekannte Wörter Seins hin gedacht, als Charakter des Daseins, das befindbar im
für das Zu-Denkende zur Verfügung stehen, sondern daß Worte ekstatischen Gelicht des Anwesenden als eines solchen. Befindbar
der Sprache in das erst Gedachte zurückfinden und dort in ihren ist Dasein im Anspruch von Anwesen.
verborgenen Einklang einschwingen. Ge-stimmt aus der Stimme der Welt-Stille auf den Unter-Schied,
Der Stil der Sprache gedeiht in der Fuge der Sache. Aber die auf dessen Einfalt.
Sache zu finden, das, was ihre [der Fuge] einzige Sache ist, bleibt Gestimmtheit: das strenge Gelicht der Welt-Stille der Milde .
einem Denken, das seit Jahrtausenden in die Metaphysik gewöhnt Denken ist Hören der Stille; Hören gehört der Stimme; also gehö-
ist, das Schwerste.
rig findet Da-sein sich je weggerufen in den Riß der Welt-Stille.
Stimmung: daß Stille ereignend Dasein (Freye) und zuvor Welt
20 Durch vielfältigen Anschein gerät unsereiner leicht in den Ver- auf den Unterschied stimmt (enteignet der Milde).
dacht, daß er sich absichtlich aus dem Gewohnten herausnehme
und sich zur Ausnahme hinaufsteigere, damit er sich aus dem Zwar wird Stimmung zunächst von Affektion und mi0oc; her ge- 22
bloß Ungewohnten seines Sagens her eine Autorität erkünstele. dacht· ' allein , diese sind im vorhinein aus dem CLA.T]0Sl'.>Elv
erfahren.
In Wahrheit ist alles anders. Damit wird der Bezug der Unverborgenheit des Anwesenden als
Anmerkungen VII 111
110 Anmerkungen VII

solchen zum Menschen tragend und wesentlich. Die so erfahrene Kehre in der äußersten Gefahr stehen, die in der Vollendung des
Stimmung läßt sich darum nur ins Wesen ausdenken, wenn die- Geschickes (in der Verwahrlosung als Gestell) beruht?
ser Bezug selber gedacht wird, d. h. der Bezug des Anwesens zum
Menschenwesen, d. h. das Seyn, das als das Ereignis von Welt sel- Ob wir den Einblick des Ereignisses des Unterschiedes erfahren,
ber den Menschen in das ereignete Wesen vereignet und d. h. stillt. ist auf der Fahrt noch nicht verbürgt. Aber wir gelangen in die
Man kann allerdings hinterher, wenn diese Bezüge und Dimen- Dimension der Kehre. Sie verlangt einen Schritt zurück ins V'/e-
sionen erlangt sind, leicht die bisherige, psychologisch-anthropolo- sen der Sterblichen. Denken als Erfahren des Einblickes rettet das
gische Auslegung der Stimmungen im Sinne der Gefühlszustände Unscheinbare und birgt es in die Welt-Stille.
verbessern. Man kann sogar jene Bezüge, kaum geahnt und be- Denken bewegt der Welt die Freye;
nutzt, wieder fallen lassen und alles in das Feld der Anthropologie Denken ist Einlaß von Welt in die Enteignis.
umsetzen. Man betreibt so ein nützliches Geschäft der Wissen-
schaft. Man lebt vom Umsatz; demjenigen nämlich, der Gedachtes Denken ist Schenken - der Armut.
in das Beherrschbare versetzt mit dem Zusatz von Moral.
Schenken ist Entschränken. 25
23 Angst- Man schreibt nur ängstlich in der Angst. Wir folgen nicht
ruhig ihrem Ent-setzen. Man müht sich ab, den Zustand der Welt braucht Freye.
Angst zu ersetzen. Wir erfahren nicht, ent-setzt, das, worein wir
seit langem versetzt sind: die Vergessenheit des Seyns im Sinne Freye gewährt Empfängnis der Entschränkung.
des Unter-Schieds.
Das Entsetzen aber ist verborgener Weise ereignend, ein Wink Geringes den Wenigen im Unscheinbaren zurücklassen.
des Ereignisses selber.
Rein gering ist das mild Gedachte.
Durch Andenken verlieren wir das Gedächtnis.
Schenke Gedachtes, daß es Vorgestelltes entschränke des Gestells.
Andenken: hier als Erfahren, das an die Ankunft des Einblickes
gelangt. Das Anwesende ist erst, wenn Anwesen verwunden wird in den
Ring des Unterschiedes, auf dem Weg zum Ding.
Gedächtnis: hier als Fähigkeit, ein Vorgestelltes wieder vorzustel-
len und dabei sich begnügen. Im Ring wehet Ding.

Echt gedacht, ist recht gesagt. Gering heißt das Echo vom Ding.
Echt gesagt, ist recht gedacht.
Ding dingt . 26
24 Untergang? und Kehre, zueinander im Vorbeigang. Ding dingt Welt.
Wie sollte nicht die Jähe des Seinsgeschickes mit der Jähe seiner Welt vereignet Ding. Ereignis von Weh/Ding.
112 Anmerkungen VII Anmerkungen VII 113

Aus Welt erspielt, empfängt jeglich Ding sein gerundet Eigen- Versammlung als Gelicht des Gebirgs.
tümliches.
Ding dingt. Weltisch aus der Stille versammelt es.

Erweltet aus Welt dingt das Ding Welt; Erst wenn der Mensch zum Sterblichen wird und als dieser, er- 28
bedingt den Menschen; vgl. 42
fahrend den Einblick, einfährt in die Einkehr von Welt als die
bleibt verdingt den Göttern.

<
Ankunft von Ding, erst dann gelangt der Mensch in das Gebirge
der Welt-Stille der Milde.
H
Menschenwesen )W( Götterwesen Im Gebirg der Stille der Milde ereignet sich ~ der Enteignis in
X 28, 41,44
(Sterbliche) (Gottheit) das Spiegel-Spiel des Unter-Schiedes.
E
Inwiefern sind die Sterblichen und Göttlichen weltisch-dinglich;
gehören zum Ereignis; sind weltisch.
Himmel und Erde aber dinglich-weltisch? Vgl. 35.
Ereignis »ist« der Unter-Schied zum Ding. Was sagt dies für das Spiegel-Spiel des Welt/Dinges, d . h . des
Ereignisses der Milde?
WalsW
Weltisch: im Spiel des Spiegels aus Geviert des Unterschieds. Göttlich sind nur Götter. Aber Göttliches gehört zum Welt/Ding.
Sterblich ist nur der Mensch. Aber Sterbliches gehört zum
27 In der Nähe ist Wohnen am weitesten.
Welt/Ding.
Nähe eignet die Weile der Weite zur Welt. Die »Unsterblichen« - da s ist eine Vermenschlichung der Göt-
ter.
In der Nähe sind die Nächsten sich der Sterblichen am fernsten.
Aus der Ferne ist Geschenk des Eigenen. )J).~0eza aus der Kehre gedacht, und deshalb nicht nach der Pri- 29
Feme als die gestillte Weile der gedingten Weit e. vation und bloßen Verbergung, ist das Gelicht des Gebirges des
Unter-Schiedes, das sich im Ereignis von Welt in das Ratsal stillt.
Ding wahrt Nähe.
'AAi]0sta ist solches, nicht in der Unverborgenheit ihrer selber,
Doch was birgt Din g?
vorgestellt aus Anwesen.
Das Gebir g des Gelichts von Welt. 'AAi]0sta ist solches im~ als der Verwindung der Vergessen-
heit des Austrags, welche Vergessenheit durch die Ankunft der
Ankunft des Dinges ist Einkehr von Welt.
'AAi]81navergessen bleibt.

Gegenstand verstellt Ding.


Eine vergessene Spur des Di nges:
Ding entgeht dem Gegenstand.
lhoµov siöo~, das in das unverwechselbare Einzelne abgesondert
unzerschneidbare Aussehen: das jeweilig Anwesende.
Ding versammelt Welt, aus der es vereignet, zum Eigentum. 'AAi]0smwest bis in das ihoµov stöo~ und das x:a0'fücacnov.
114 Anmerkungen VII Anmerkungen VII 115

In der Verwahrlosung des Dinges [Eigentum des Unter-Schieds] Gemäß der Herrschaft der Metaphysik hält man das Vorstellen
wohnt das Gebirge der Welt. für das Denken.
Das Vorstellen vollzieht sich als Beschreiben und Erklären . Das
30 Wer vermag das Denken? Beschreiben des Wirklichen besorgt heute der Roman. Das Erklä-
Inwiefern ist es ein Vermögen? ren übernimmt die philosophische und theologische Abhandlung.
Insofern es, erfahrend den Einblick, das Wesen der Sterblichen Doch das Beschreiben und Erklären erfährt nie ~-
anvertraut der Welt . Ihrem Spiel zugetraut , sind wir in den Unter-
schied gespiegelt. Das Beschreiben liest nie die Inschrift, in die alles Anwesen des 32
Denken vermag nie, das Wirkliche (Anwesende ) zu verändern, Anwesenden eingeschrieben (ereignet) bleibt. Diese Inschrift ist
aber es vermag Wirklichkeit (Anwesen) in ihrem Geschick des der Riß des Unterschiedes. Doch die Schrift ist keine Geheim-
Wandels zu schonen. schrift. Ihre Züge sind die der Welt-Stille -; sie lassen sich nur
Also schonend läßt es die Sterblichen und das Ding, das sie be- einfältig lesen , d. h. sammeln in ihr Wort durch die Sage des
dingt, in das Ereignis von Welt gehören. Unter-Schiedes.
Solches Gehören bereitet das Echo für den Zuspruch aus der Das Erklären stellt als Vorstellen das Vorgestellte in ein Klares,
Milde der Welt-Stille. als welches das Bekannte gilt, worin alles Anwesende als Anwe-
Dieses Schonen, Gehörenlassen, Anvertrauen im Bewegen der sendes erscheint. Dieses Bekannte macht das Anwesende als ein
Erfahrung ist unscheinbar. solches aus. Das Ausmachende sind die vier Ursachen, die sich aus
Denken baut am Element des Unscheinbaren. Denken berei- der Machenschaft der Iloiricrn;ergeben . Im Klaren, worin sich das
tet die Nachbarschaft der Sterblichen, die als die Unscheinbaren Erklären mit seinen Gegenständen unterbringt, findet das Erklä -
gezeichnet sind und das Gedeihen von Welt in das Eigentum des ren nichts Unklares; geschweige denn ein Verborgenes, darin das
Dinges hüten. 35. Klare sein Wesen hat.

31 Denken bleibt im Vorspiel von Welt und bringt ihr Welten zur Beschreiben und Erklären bleiben als Vorstellen außerhalb der
Sprache, die der Stille entspricht. Wahrnis des ~' in der Vergessenheit des Unterschied s.
Denken schweift nicht aus in ein universales Vorstellen (uni-
versalhistorische Betrachtungen). Denken verfängt sich nicht in Wesen Denken - 33
das Rechnen mit dem Wirklichen . Jenes Vorstellen hilft nichts; »Wesen«, »weren« (an-wesen - Weltisch- Weilen).
dieses Rechnen nützt nichts. Beide betreiben nur das, dem sie sich »Wesen« denken wir nicht mehr nur und nicht zuerst als essen-
entziehen möchten: den Andrang des Wirklichen, der sich von der tia, als quidditas. Vgl. V. H. 1, 22.
Vergessenheit der Wirklichkeit nährt. »Wesen« nennt jetzt die Weise, als welche ~ ist -. Das We-
Beide steigern den Anschein, mitten im Wirklichen aus diesem sen von . .. nennt das, was wir erfahren, wenn wir etwas in seiner
zu handeln. Aber das Wirkliche hat keine Mitte. Seine Wirklich- Gehörigkeit zum~ einblickend erlangen.
keit jedoch bleibt ungewahrt; denn der Austrag beider ist ohne Wesen der Technik - ist nicht das »Was«, die allgemeinen, dem
die Wahrnis. betrachtenden Vorstellen feststellbaren Merkmale; auch nicht nur
Anmerkungen VII 117
116 Anmerkungen VII

(vgl. Wahrheitsvortrag) der Grund der inneren Möglichkeit; son- Eigentlich Denken: die Einfalt des Welt/Dinges in das Ereignis
dern die Weise, als welche sich~ geschicklich ereignet. des Unterschiedes erfahren.
Gefahr ist, daß wir »Wesen« immer noch in einer Art meinen, die Einfältig Denken: das Unscheinbare der Stille der Milde erfah-
hinter dem, was wir bereits denkend erfahren, zurückbleibt. ren.
Wesen der Technik: die Technik selber ist das Wesen, nämlich
das letzte Vollendungsgeschick des Seinsgeschickes selber. So Denken: Sage des Unterschiedes.
34 Solange wir noch »Wesen« metaphysisch vor-1 stellen und d. h. Bauen an der Nachbarschaft des Unscheinbaren. 30.
etwas Beschreibbares, Erklärbares, Ergründbares meinen, können Ereignis enteignet sich in das Eigentum.
wir jedes Anwesende nach seinem Wesen befragen. Jegliches Sei-
ende besteht aus essentia und existential [Doch dieses gehört in Immer wieder unterhält man sich und den Literaturbetrieb damit, 36
seiner Notwendigkeit in die Iloi'flcrt<;- ihr Ausmachen bestimmt daß man Einflüsse erforscht. Dieses Geschäft ist ein Luxus, wenn
diese Unterscheidung. ] es offen oder versteckt darauf ausgeht, die Beeinflußten und die
Künftig aber, für das einfältige Denken, wird die Wesens- als solche Nachgewiesenen dadurch zu verkleinern. Wenn man
-erfahrung selten und verschwiegen. wüßte, wie abhängig ein Denkender vom ~ ist, ließe man sich
Wesen heißt für solches Denken verbal: ereignendes Welten als durch seine vermeintliche Größe nicht beunruhigen, was man
Gebirg der Stille; dahin enteignet ist auch Technik, insofern sie ist. offensichtlich tut, insofern man ihn klein haben möchte.
Sie ist weder Verhängnis noch Katastrophe. [Heideggers vollständige Abhängigkeit von Schelling, der neue-
Technik als das Gestell (Verweigerung der Einkehr des Ereig- ste Dreh, ist jetzt wissenschaftlich erwiesen; denn irgendwer hat
nisses von Welt) ist jetzt das einzige Wesen. entdeckt, daß Schelling irgendwo das Wort »Holzweg« gebraucht.]
Man meint, Denken ließe sich aus einer Kombination von Wör-
Nur Welt ist Wesen (Ereignis der Milde). tern anfertigen.
Kein Anwesendes hat Wesen. Solches Treiben der Rechner ist ohne Gewicht. Aber es be-
Ding ist Eigentum des Ereignisses. herrscht in unkenntlichen Spielarten das öffentliche Meinen.
Darum darf man sich nicht wundern, wenn ein Denken selten
35 Das Eigentliche. Nachdenken findet.
Das Wort erlangt erst seine Sprache aus dem Ereignis.
37
Eigentlich: was zum Ereignis gehört und aus ihm erfahren ist. Philosophie und Denken.
Inwiefern hat die Philosophie dem Denken Ungemäßes zu-
Welt/Ding ist einzig eigentlich: ereignend - eigentümlich. Vgl. gemutet? Insofern sie versucht, das Sein aus dem Seienden als
V. H. II, 52, 63. solchen zu ergründen. Inwiefern mußte die Philosophie so weit
gehen? Insofern ihr die Wahrheit des Seins (Sein als gehörig in
Welt/Ding ist Welt (vgl. 41) den Austrag von Seiendem und Sein) entzogen blieb.
Ding ist Welt/Ding. Demgemäß sucht die Philosophie Sein nicht nur am ungemä-
ßen Ort (im Seienden als solchen, statt im Austrag und als die-
sen), sondern das philosophische Fassen von Sein (Vorstellen der
118 Anmerkungen VII Anmerkungen VII 119

Seiend~~it) überspringt gerade das Wesen von Sein (den Austrag). den Entfernungen des Gestells in die Nähe , das Ding in der Nähe
Dieses Uberspringen jedoch nimmt die Philosophie als den ihr und so Welt/Ding zu erfahren und also den Einblick.
eigenen Überstieg des Seienden zum Sein. Diese Transzendenz als Nähe ist weltisch gedingt.
solche zur Seiendheit und zum Seiendsten gilt ihr für das Höchste. Nähe ist, der noch verborgenen Kehre eigen, ein Charakter so-
Die Philosophie macht die Vergessenheit des Austrags, die ihr in wohl der Erstreckung der Raum-Zeit des Gestells als auch ein Zug
der Transzendenz verborgen bleibt, zur Gottheit. des Dinges, das Welt dingt und so Weile der Weite des Gevierts
des Unterschiedes in das Ereignen versammelt, das Eigentum des
38 Denken bietet keine Wahrheiten (richtigen Aussagen) über das Ereignisses ist.
Sein. Ereignende Nähe fernt.
Denken als Erfahren der Einfalt des Einblickes baut an der Abständige Nähe (Nahes) hat abständige Ferne abständig neben
Gewähr von Ortschaft für das Ereignis, damit Nach-Denkende sich, beigestellt.
unterwegs bleiben.
Nähe ist Wink der Stille der Milde. 40
Denken ist Raten.
Es rät zum Rätsel. Nähe nähert Ferne des Gebirgs des Ratsals.
Rätsel ist Ratsal.
Ratsal ist das einstig ereignende Gebirg Fernend naht Nähe.
der Stille der Milde. (Vgl. V. H. II, 64.)
Fernend verschleiert Nähe im Genahten (Ding) Welt .
Erfahren den Einblick - Nähe: Vorspiel des Ereignens von Welt/Ding .
inwiefern braucht es Gefährten?
Mitfahrende in die Gefahr; Aber ihr Verschleiern lichtet Gebirg als Gebirg.
Vorfahrer;
Gefährten der Nachbarschaft. Weil wir die vereignende Nähe des Welt/Dinges noch n icht erfah -
ren , retten wir uns in unsere Einbildungskraft und ihre Entwürfe.
Warum legt man die Denkenden immer wiede r nur auf ihr
Gesagtes fest, statt ihrem Ungesagten nachzugehen? Statt immer aufgeregter zu fragen, was wird jetzt aus dem Men-
schen, wäre es an der Zeit, zu bedenken: was ist inzwischen aus
39 Ein Schimmer von Ereignis spielt noch, und das sagt: spielt schon , dem~ geworden .
im Gestell. X
Darin winkt Nähe in aller Beständigung des Bestellbaren. Wir bedenken das Ding und denken an Welt, eingedenk ihrer , 41
Nähe: der Wink des Welt/Dinges im Unheimischen des Ge- weil eingeeignet in sie. Wir denken das Welt/Ding.
stells und seines Stellens . Wir denken es im Ereignis des Unterschiedes.
Im Glanz dieses Schimmers vermag das Denken, wandernd aus Dies ist die Stille der Milde.
Sie ist enteignet in das Rätsel des Ratsals.
120 Anmerkungen VII Anmerkungen VII 121

Denkend das .Ratsal als Rätsel, denken wir das Selbe. Viele, die nur vom Hörensagen etwas über das Denken wissen,
Denkend das Selbe, wohnen Sterbliche im Unscheinbaren. merken nie, daß Denkende außerdem beim Denken sich noch et-
Die Nachbarschaft des Unscheinbaren ist die Ortschaft des was dabei denken. Sonderbare Leute, die am bloßen Denken of-
Welt/Dings. fenbar nicht genug haben.

Ereignis des Unterschiedes erwest Welt/Ding. Wie will man von Bedingung und Bedingen reden, solange das
Wesen von Ding nicht einmal geahnt, geschweige denn gedacht
Die Sterblichen sind die Menschen, die in ihrem Wesen nicht erst ist?
als Gestorbene, sondern als die Lebenden zur Erde des Himmels
zurückkehren und im Welt/Ding wohnen. Nie ist eine Zeit reif für das Gedachte eines mit ihr gleichzeitigen
Die Rückkehr der Sterblichen in die Sterblichkeit. Sie ist welt- Denkens.
isch Göttlichkeit.
Die meisten Vorstellungen (Beschreibungen, Erklärungen, Aus-
42 Unterschied - Differenz - Austrag - Ötacpopa legungen) sind unwahr, weil sie - richtig sind. Dieses richtige
Der Unterschied läßt als Riß des Geviertes von Welt kein Ver- Vorstellen aber meint, das wahrhaft Wahre (was Seyn und Wesen
mischen zu und kein Übertreiben. wahrt) sei »unwahr«. Irrig ist es. 59
Das Spiegel-Spiel der Welt ist scharf und lind.
Der Unterschied stillt in die Milde des Ratsals. Denke: 44
Das Es gibt ereignet sich als das Ereignis.
Die sterblich-göttliche Schonung der Erde des Himmels in das Das »Es« ist: Ereignis.
Welt/Ding als das Ereignis des Ratsals ereignet sich aus der Kehre Sein »geben« ist: ereignend-enteignen;
der Verwahrlosung. ist: der Unter-Schied.
ist: die Stille der Milde.
Ding be-dingt die Sterblichen in ihr Wesen. (45, 49)
Ding sammelt sie in die Sammlung des Wohnens im Sinne des Das Neutrum aber ist nicht das Gleichgültige zu den Geschlech-
Schonens; das ist das freyende Gedeihenlassen von Welt als Welt/ tern, sondern das Ratsal ihrer Stille.
Ding in die Stille der Milde. Die Geschlechter aber sind: der Himmel - die Erde. Ihre Hoch-
Die Sterblichen sind die Be-Dingten; zeitwest aus dem Wesen der im~ wehenden Zeit: im Ereignis
be-dingt, das sagt: gesammelt. der Welt.
Gesammelt (aus Ereignis des Unterschiedes): Ihrer hohen und höchsten Zeit erblühen, was schon Johann
in die Stille gestillt, ihrem Zuspruch entsprechen. Peter Hebel gedacht: »Tag und Nacht, Märzveilchen, Erntekränze,
Vgl. 26. Wein und gefrorene Fensterscheiben.« 2

43 Irrtum. Der schärfste Irrtum besteht darin, daß wir die Irre für • [Johann Peter Hebel: Schatzkästlein des rheinischen Hausfreunde s. In: Ders.:
ein Blendwerk halten und wie einen bloßen Fehler behandeln. Werke. Hrsg. von Wilhelm Altwegg. Bd. II. Atlantis Verlag: Zürich u. Berlin o.J., S. 17.]
122 Anmerkungen VII Anmerkungen VII 123

Ereignis ist Ereignen der Welt als Vereignen ins Ding als das Die Entscheidung (aus dem Unterschied sich ereignend, nicht
Eigentum; Ereignend Vereignen in der Weise der Enteignis zur als unser Wählen gewollt) reift:
Stille der Milde. Ob wir durch die Technik alles zu verlieren oder, was das Selbe
ist, alles zu gewinnen meinen . Oder ob wir uns in unser Wesen (das
45 Unablässig bedenke den Feldweg. 48 der Sterblichen) finden lassen durch das Wesen der Technik als
des Gestells; ob wir dieses erst er -fahren, erfahrend übernehmen,
Der Feldweg ist der Weg über Feld. übernehmend ausstehen und so in die Gefahr gehen. Vgl. u. 75.

Über Feld sagt: in die Nachbarschaft; Rettendes ist nur , wo die Gefahr ist. 47
Ist die Gefahr?
die Nachbarschaft des Unscheinbaren; Lassen wir die Gefahr eine Gefahr sein?
Sind wir zur Fahrt gesammelt, die ausfährt in die Ortschaft
der Weg in die Nachbarschaft. der Einkehr der Kehre? Erfahren wir den Wink der Kehre in der
Durchfahrt durch die Verwahrlosung des Unterschiedes? Rettend
ist nur das Ereignende.
Retten: Wahren die Wahrnis des Unterschiedes . (50.)
Nur die Sterblichen gelangen auf diesen Weg. Sind wir zur Durchfahrt gesammelt?
Verwerfen wir nicht vielmehr die Gefahr, indem wir sie weg -
Die Sterblichen sind die, die das Wesen des Todes vermögen. schieben und zudecken? So ist es.
In dreifacher Weise geschieht es.
Auf den Weg gelangen, Unwegsames be-wegen, heißt: erfahren. Wir stempeln die Technik zum Verhängnis.
Erfahren den Einblick. rn,24 Wir preisen die Technik als den Fortschritt.
Der Einblick und das Wesen des Todes . Wir vermitteln zwischen beiden, schwächen beides ab und trei-
ben so gerade die Verblendung in das Äußerste.
Wir erfahren stets nur auf einer Fahrt in die Gefahr. 50
Gestell ist Gefahr als Ankunft, verborgene, der Kehre, die Ent-
46 Auf der Fahrt zum Ding in der Gefahr des Gestells erfahren wir scheidung birgt zwischen Verblendung und Irre.
Welt; gelangen in das Welt / Ding. Wie die Gefahr gefährlich ist
dem Menschenwesen. - Noch sind wir entwegt, nicht auf dem Weg, der ein Feldweg ist. 48
Gestell ist Gefahr, aber nicht Verhängnis, nicht Katastrophe . Wer entzieht uns den Weg, daß wir nicht gehen als Erfahrende?
Gefahr beirrt und verblendet zumal. Gestell ist höchste Gefahr : Wir erfahren nicht. Wir lassen alles stehen und liegen durch
reine Versammlung von Gewähr des Erfahrens; Nähe des Ein - den Betrieb des Bestellens.
blicks. Gestell gewährt Gelicht aus dem Wink der Kehre , der Ver- Wir stehen nicht in der Gefahr; unerfahren, sind wir ohne In -
weigerung erwinkt: Enteignis als Stille des Ereignisses der Milde. ständigkeit in ihr.
Nähe von Entscheidung beirrt . Als die Entwegten bleiben wir Unerfahrene.
124 Anmerkungen VII Anmerkungen VII 125

Wann werden wir unentwegt? Rettend ist das Ereignende. Ereignend ist das Ereignis.
Wann gelangen wir und wie auf den Weg, der ein Feldweg ist? Die Gefahr ist: daß wir im voraus das Rettende vernichten; daß
Wann bleiben wir auf dem Weg, inständig im Gehen? wir jeden Wink aus dem Rettenden ins Nichtige umrechnen, in-
dem wir sogleich jede Sage des Denkens ins Gerede bringen und
Dann erst geschieht es, wenn wir der Irre der Gefahr gehören. u ns damit als Weltanschauung beschäftigen und alles in das Bis-
Dann sind wir von der Irre ereignet. Dann sind wir be-irrbar, in he rige verrechnen als das Neueste im Gewöhnlichen.
die Gefahr gesammelt. Die Gefahr ist: die Entscheidung, die Kehre des Ereignisses.
Redlich: wer vermag, dem Zuspruch des Ereignens Rede zu Die Gefahr ist: daß wir ausweichen vor dem Weg, dem langen,
stehen. in das langmütige Wohnen in der Nachbarschaft der Unschein-
baren. 45
49 Die Beirrbaren sind die Unentwegten; Die Gefahr besteht nicht in der äußeren Bedrohung des Lebens
denn die Unbeirrbaren bleiben die Entwegten. und Überlebens durch Zertrümmerung und Verwüstung der Erde.
Beirrbar sind wir als die Be-Dingten. 42. D ie Gefahr ist, daß wir uns nur zu den Überlebenden des bisheri-
gen Lebens rechnen wollen. 53
Aus Entwegten müssen Beirrbare werden.
Die ontologische Differenz ist der Austrag von Seiendem und Sein. 51
Die Sterblichen sind, d ie sie sind, als I vgl. 71 1 Austrag trägt und hält das Auseinander aus von Seiendem und
die Unentwegten die Vorhut der Zurückbleibenden, 154 Sein: das Gelicht des einen (des Seienden) im anderen (dem Sein).
die Beirrbaren die Verhältnis-Mäßigen, IX, 45 Im Gelicht aber und nur in ihm als Austrag kommt Sein zum
die Inständigen die Armseligen Scheinen und bleibt in diesem. Es gelangt nicht in seine Helle, die
die Bedingten die Wenigen sich im Gelicht des Austrags mit diesem selber verbirgt.
die Unscheinbaren die Verstreuten Unentwegt, beirrbar, bedingt, müssen wir unablässig beden-
die Redlichen die Be-Kehrten Ivgl. VIII, 102, 109, 167. ken:
die Selbigen (:;i:die Gleichen) vgl. VIII, a, 162. Daß der Mensch im Austrag von Seiendem und Sein sich auf-
Der Zuspruch des Feldweges spricht zu den Ent-wegten. hält, der eine vom anderen her und das andere im einen vorstellt,
Die Sparsamen. Die Schonenden. VIII, 167 dergestalt vorstellend den Austrag im Vorstellen braucht und so
Denken: Einübung in die Sprache. vorstellend ihn gleichsam macht, dieses alles sagt noch keines-
Doch was ist Sprache? Wer ist eingeübt? wegs: den Austrag als den Austrag erfahren, ihn gar aus seinem
Wesen (dem Ereignis des Unterschieds) denken und vollends
50 Das Rettende west als die Wahrnis der Wahr-heit (des Gelichtes Wesenheit da her bedenken.
des Gebirges des Ratsals). Vgl. ob. 47, 53.
Das Rettende ist das, was uns von der vermeintlichen Erlösung Leibniz. In der Weise, wie Leibniz das Wesen der Kraft monado- 52
und dem eiligen Erlöstseinwollen erlöst. Das Rettende befreyt in logisch denkt, aus dem "Ev als dem verhüllten Wesen der A11,iJ0eta,
die Freye des Erfahrens der Gefahr, befreyt in das Ausstehen die- di e selber die Vergessenheit des Unterschieds, d. h. das Seyn als
ser.
126 A nmerkungen VII Anmerkungen VII 127

Ereignis des Welt/Dinges verbirgt, verbirgt sich das Wesen des in gewandelter Zeit: die Ankunft des Einstigen, des Ge-wesenen
Gestells als des Wesens der Maschinen-Technik. Selben. Vor sich: die Rückkehr in das Schonen.
Darum ist nötig, in der genannten Hinsicht die Metaphysik des
Leibniz erst denkend zu erfahren. Philosophiehistorisch ist das Der Mensch - d. h. hier der geschichtliche Mensch des Weltge- 54
unnötig; aber nötig wird es erst aus der Not, das Wesen der Tech- schickes.
nik übernehmen und ausstehen zu müssen, d. h . den Vorbeigang
denkend zu bereiten. D ie Gefahr und ihre Jähe .
Aber auch meine, so genötigten, Bemühungen um eine Zwie- Daß in ihr jäh zumal di e gröbste und umfassendst e Verwü -
sprache mit Leibniz reichen nicht zu . stung und das Ende des Menschen als Lebewesen
Wir sind noch zu wenig erfahren im Wesen der Technik, im und
Gestell; und noch weniger im ganz anders wesenden Wesen die- die Nähe der Rückkehr in sein Wesen als des Sterblichen -
ses Wesens. sich ereignen. Der Einblick und die Unerblickten.
Das bloß auslegende Studium der Leibnizschen Philosophie Die Jähe der Gefahr und der Vorbeigang.
hilft nichts; läßt ratlos. Aber auch das echter Versuchte bleibt dem
heutigen Meinen unzugänglich . Die Sterblichen (45), die, die das Wesen des Todes vermögen.
Das Wesen des Todes: er ist das höchste Gebirg des Gelichtes
53 Die Gefahr, nämlich die Kehre des Ereignisses, birgt alles Gefähr- des~ .
dende, das Ent-scheidende. Tod: versammelt in das Ratsal: das Ereignis von Welt als Ent -
Die Gefahr, das Ereignis selber, »ist« in sich das Rettende; »ist « eignis in die Welt-Stille.
dies als Kehre: Versammeln in das Bergende des Ratsals ist Wesen I des Ge - 55
als Preisgabe in die Verwahrlosung, birges .
als Wink in dies Ratsal. Das höchste Gebirge ist jenes , über das hinaus innerhalb des
Aber die Preisgabe noch rettet - ereignet Bereitung der Kehre weltischen Ereignens kein Bergen reicht.
in die Enteignis.
Die Gefahr west im Seyn als Seyn und demgemäß für den Men- Wir betrachten nicht mehr die Situation des Menschen .
schen . Wir bedenken die Konstellation des ~-
Die Gefahr - ihr Wesen beruht dari~, daß sie Entscheidung
birgt . Die Gefahr birgt den Untergang. Die Gefahr birgt das Ret- ~ kommt in die Konstellation des Vorbeigangs.
tende.
Die Gefahr lichtet, was der Mensch seinem Wesen nach, als Zunächst: der Vorbeigang von Verwahrlosung des Dinges und
der Sterbliche hinter sich und was er vor sich hat. Hinter sich Einkehr von Welt: die Kehre im Ereignis.
und so nahe noch die Metaphysik als die Verwahrlosung des Din -
ges (Eigentum des Unterschieds) , vor sich und so nahe schon die Erst in der Konstellation des~ gelangt der Mensch unter sei-
Einkehr des Welt/Dinges; vor sich - nicht als Zukunft im histo- nen Stern, d. h . in sein Wesen.
rischen Sinne; Historie mit der Metaphysik verwunden; vor sich - Solange wir nur die Situation des Menschen betrachten, schlie-
128 Anmerkungen VII Anmerkungen VII 129

ßen wir uns ständig entscheidend von der Erfahrung seines We- Was ereignet sich? Der Vorbeigang, als welcher die weiteste Ent-
sens aus; auch dann, wenn wir die Situation weltgeschichtlich, d. h. fernung ein Vor-bei ... lichtet - das innere Gelicht der Kehre und
56 hier stets nur: J universalhistorisch fassen. die Ferne als ungenahte Weite; unverweilt.
Durch die Historie (als eine Funktion der Technik) wird das
Geschickliche der Geschichte verbaut. Die Gefahr west im Geschick des Seyns, als dieses. V. H. II, 48.

Das »als« - vgl. Anmerkungen VI, 96, vgl. unten S. 83, 85 Holzwege muß das Denken be-wegen und gehen; sonst gelangt es 58
Das »als« der ontologischen Reflexion beugt das Anwesende nicht in das Gebirg des Gelichtes des Ereignisses. Aber es muß sie
ins Anwesen zurück - sei es, daß das Anwesen ungewahrt in der gehen, um sie zurückgehen zu können.
entfallenen AÄi,0eta belassen wird, sei es, daß Anwesen, dem An- Das Denken ist notwendig auf dem Holzweg und ist es zugleich
schein nach gewahrt, in die Repraesentation zurückgenommen nicht.
und im Subjectum untergebracht wird, dessen eigenes 3 Anwesen Jeder Denkende be-wegt Holzwege im Gebirg des ~; dies
ungewahrt und darum unbestimmt bleibt. muß er sogar dann, wenn er nur die von den Vorfahren ergan-
Das »als« der Freye in die Enteignis jedoch ist ereignishaften, genen aufsucht - die gewöhnlichen und geläufigen Waldgänger
unter-schiedlichen Wesens. gehen an ihnen vorbei.
In diesem »als« west Kehr in die Einkehr zur Einfalt der Stille.
Ding als Ding; Welt als Welt-; Was uns vertraut ist, wird nicht geläufig.
Von hier aus durchzudenken, das Bedeutsame aber zugleich die Das Geläufige führt, für sich genommen, nie zum Vertrauten.
Grenze dessen, was Kant unter dem Titel der »Reflexionsbegriffe«
denkt. Die Wissenschaft verbietet und untergräbt den Mut, zu irren;
gesetzt, daß sie überhaupt in den Bereich der Irre reicht, da sie
57 ~ ist un-bedingt im wesenhaften Sinne von be-dingen. ihn als das Unrichtige und Unbeweisbare verabscheut.
~ ist das Unbedingte, denn ~ dingt, insofern das din-
gende Ding das Eigentum ist des Ereignisses von Welt. Ereignis Das Denken ist im Wesen irrig. 67, 43 u. 59
aber ist Ereignis »des« Unterschiedes zur Stille der Milde aus dem Das Irrige besteht darin, daß die Denkenden das rein Gedachte
Ratsal. zu gern auf das anwenden, was sie im Gedachten als das Unwahre
verlassen haben.
Der Sterbliche - Es sieht so aus, als sollte zu der Zeit, da der Tod Die Denkenden wenden das rein Gedachte zu gern zurück auf
massenhaft auftritt, der Mensch am fernsten sein seinem Wesen: das, was als das vordem ungedacht Gebliebene auch jetzt nicht
daß er der Sterbliche ist, weltisch vereignet dem Ereignis. dem Gedachten entsprechen kann. Das Unwahre - im Gedachten
Verlassene - vermag nicht, Beweisstücke für das Gedachte abzu-
So aber ist es auch mit dem Schmerz als dem Riß des Unterschie- geben, gesetzt das Unmögliche, daß hier ein Beweisen am Ort sei.
des. Aber nicht einmal Momente des Weisens und Erläuterns kann
das im Gedachten verlassene Anwesende in seinem ungedachten
• [Von Heidegger handschriftlich der Abschrift hinzugefügt.] Anwesen geben. Ein naheliegendes Beispiel gibt Nietzsches Ge-
130 Anmerkungen VII Anmerkungen VII 131

danke der ewigen Wiederkunft des Gleichen. Nietzsche erfährt Wirkliche sich geltend macht und beansprucht, unmittelbar zu
nicht, wohin das Gedachte selbst als Sein des Seienden gehört; erweisen, was die Wirklichkeit des Wirklichen sei, das Sein, das
in welche Wahrnis und in welches Geschick. Nietzsche meint, es im Denken der Denker gedacht bleibt.
sei die Auslegung der von den Zeitgenossen vorgestellten und be-
triebenen Welt. Und die Ausleger Nietzsches meinen richtig, bei- Wie! wenn der eifervolle Versuch, durch viele verständliche
60 des gehe nicht zusammen; aber sie schließen unrichtig: 1 also ist Gründe mich noch einmal an die Lehrtätigkeit in der heutigen
Nietzsches Gedanke falsch, unwahr; darum nur eine Phantasterei; Universität zu ketten, nur das rachsüchtige Vorhaben wäre, mich
ein religiöser Spleen und ähnliches. Aber das Gedachte ist wahr; vom Feldweg abzuhalten?
es wahrt das Wesen dessen, was wirklich ist; die Wirklichkeit des
Wirklichen ist das Wesen der Technik: das Gestell. Man meint jetzt den Menschen entdeckt zu haben, wenn man 62
Ein Wesensmoment des Gestells ist, so weit es von der Meta- ihn als Mangelwesen verherrlicht; 4 als Wesen, das sich, im Unter-
physik her überhaupt denkbar wird, die ewige Wiederkehr des schied zu Pflanze und Tier, nur unvollkommen in seiner Umwelt
Gleichen. behauptet und deshalb allerlei Aushilfen erfinden muß. Man sieht
Aber Nietzsche muß als der Denker dieses schwersten Gedan- nicht, daß diese Auslegung des Menschen ihn ganz und gar vom
kens am schwersten irren. Er versucht, das Gedachte naturwis- Tier her vorstellt; man bleibt sogar hinter Nietzsche zurück, der
senschaftlich zu beweisen und universalhistorisch vorzustellen. den Menschen als das noch nicht festgestellte Tier denkt, 5 aber
Beides ist Rückfall in das Anwesende, dessen genaues Anwesen zugleich auf seine Feststellung innerhalb des ihm verborgenen
gerade erst im Gedachten erfahren ist, so zwar, daß es durch diese Seinsgeschickes drängt.
Erfahrung zurückbleiben muß, wenn es sich noch in der Gestalt Man sieht nicht, daß diese Vertierung des Menschen schlimmer
des bisher Gemeinten vordrängt. ist und bösartiger als jeder noch so grobe Biologismus. Diese Ver-
Nietzsche irrt, trotzdem gerade er im Gedanken des Willens tierung bedient sich des Geistes als ihres Instrumentes.
zur Macht einen Wink des Seins erfahren hat, aus dem die Tech-
nik wesentlicher zu denken wäre. Aber Nietzsche denkt auch den Die »Holzwege« sind Holzwege und nicht ein Essayband mit ei-
61 Willen zur Macht nicht seinsgeschicklich I aus dem Seyn als dem nem sonderbaren Titel; sie sind ein anderer Weg im Seyn; keine
Willen zum Willen. Nietzsche fällt zurück in die Biologie, obzwar Ansicht über Gegenstände.
er alles Psychologische und Biologische aus dem Willen zur Macht
zu denken versucht.
Das Denken irrt wesenhaft; je wahrer es denkt, desto wah- • [Vgl. Arnold Gehlen: Der Mensch. Seine Natur und seine Stellung in der Welt.
render ist das Gedachte hinsichtlich der Wahrnis des~. Je Junker und Dünnhaupt Verlag: Berlin 1940, S. 20: »Morphologisch ist nämlich der
Mensch im Gegensatz zu allen höheren Säugern hauptsächlich durch Mängel be-
wahrender das Denken ist, umso enteigneter schont es den Unter- stimmt, die jeweils im exakt biologischen Sinne als Unangepaßtheiten, Unspezia-
Schied in die Stille der Milde. Je enteigneter es sein muß, umso lisiertheiten, als Primitivismen, d. h. als Unentwickeltes zu bezeichnen sind [.. .].«]
5
einsamer ist es in die Einfalt des Ereignisses vereignet. [Friedrich Nietzsche: Unveröffentlichtes aus der Umwerthungszeit (1882/83-
1888). Werke . Bd. XIII. C. G. Naumann: Leipzig 1903, S. 276: »Grundsatz: Das, was
Je enteigneter es bleibt, umso weiter ist der unmittelbare Weg im Kampf mit den Thieren dem Menschen seinen Sieg errang, hat zugleich die
zurück zum Anwesenden selber - das gleichwohl zugleich, weil schwierige und gefährliche krankhafte Entwicklung des Menschen mit sich ge-
der Denkende zu seiner Zeit geschicklich ist, als da s maßgebende bracht. Er ist das noch nicht festgestellte Thier.«]
132 Anmerkungen VII Anmerkungen VII 133

63 Der heutige Mensch hat keine Zeit, weil er keine Zeit haben will; Wie, wenn diese vielberufene Mitte selber das wäre, was den
denn er will keine Zeit verlieren, d. h. er läßt sich keine Zeit; wenn eigentlichen Verlust eingerichtet und verhärtet hat: daß wir, mei-
er Zeit hat, muß er sich die Zeit vertreiben. Aus welchem Wol- nend mit der Mitte das Seiendste zu haben, dadurch in die Verges-
len will der Mensch keine Zeit verlieren, d . h. sie möglich schnell senheit der Wahrheit des Seins verblendet und in diese Verblen-
vernutzen? Aus dem Wollen, das gewollt ist aus dem Wollen zum
Willen, der sich in der Weise des Gestells ereignet.

Weltgeschichte - Wir haben weder Welt noch Geschick, ge-


schweige denn die Frühe beider: das Welt-Geschick als das Ereig-
dung verstoßen sind. - 66

Hölderlin: » ... Lang ist


die Zeit, es ereignet sich aber
das Wahre.« 7
J ungemäß
und
unzureichend
65

nis des Unterschiedes . Wir haben nur, als Angestellte im Vorstel-


len innerhalb des Gestells, Universalhistorie, die wir irrigerweise H eidegger: Was ist das Wahre? Das Wahre ist das Ereignis sel-
für die Welt-Geschichte halten. ber. Das Ereignis ist die Enteignis des Unter-Schieds. Der Unter-
Schied ist die Wahrnis des Austrags (Differenz) des Seienden und
Der Feldweg - Dem Denken wurde hier vielleicht ein Sagen ge- des Seins.
schenkt. Aber es bedurfte der vier Jahrzehnte, um diese wenigen
Seiten zu schreiben. Nietzsche. Nichts kennzeichnet Nietzsches Zugehörigkeit in die
Metaphysik entschiedener als dies, daß er das Vergessen lediglich
Im Welt-Geschick ruh t das Schicksal des Menschenwesens. als eine Lücke im Willen zur Macht kennt. Nietzsche vermag die
Vergessenheit nicht als zum Wesen des Seyns gehörig zu erfahren;
64 Wir sind vermutlich sehr weltlich, aber nirgends weltisch, d. h. aus als Ereignis der Enteignis. Nietzsche vermag dies so wenig wie
dem Welten von Welt ereignet, d. h. für das Wesen des Menschen: Hölderlin es vermag, das Wahre, das sich ereignet, als Ereignis
wir sind nicht die Sterblichen. u nd dieses aus dem Unter -Schied zu denken.
Wir sind weltlich und darum sind wir religiös . Wir sind nur,
metaphysisch, aus dem Ganzen des Seienden und darum auf sei- Die christliche Spenglerei: 66
nen Grund bezogen. Der Untergang der Welt in das Christentum, das die Amerika-
ner finanzieren.
Wesentlicher und einstiger als alle Religiosität des Menschen ist
seine weltische Sterblichkeit. Zufolge der Verblendung in die Seinsvergessenheit sind wir so
h armlos, zu meinen, die Technik sei ein Mittel in der Hand und
Man redet jetzt vom Verlust der Mitte 6 und bedenkt nicht, daß in der Intelligenz des Menschen.
die Mitte schon der Verlust ist - nämlich die Folge bereits und so
die Verhärtung der ereigneten Vergessenheit des Seins.
7
[Friedrich Hölderlin: Mnemosyne. In : Ders. : Sämtliche Werke . Bd. 4. Ge-
6
[Hans Sedlmayr: Verlust der Mitte. Die bildende Kunst des 19. und 20. Jahr- dichte . A.a.O., S. 225. In Heideggers reich annotiertem Handexemplar ist »ereig-
hunderts als Symptom und Symbol der Zeit . Otto Müller Verlag: Salzburg 1948.J net « unterstrichen .]
134 Anmerkungen VII Anmerkungen VII 135

Die technische Selbstauffassung der Technik erreicht niemals das ihr Maßgebendes, das Seyn als ~; die Frage fragt demzufolge
Wesen der Technik. auch nicht, wer »wir« sind (im Seyn), die wir uns auf das Tun
Dieses Wesen gehört in das Seyn. stürzen möchten.
Seyn ist Ge-Schick des Ereignisses; jenes Ereignen, das sich los- Die Frage sucht ihre Antwort zum voraus beim Leisten und
läßt in das Lichten der dabei ungewahrt bleibenden Verbergung; Wirken des Menschen; fraglich ist ihr nur noch, wo dieses Wirken
d. h. sich losläßt in die Vergessenheit des Unterschiedes. (vgl. V. H. ansetzen soll. Die Frage steht darum zum voraus nicht in der Ent-
II, 48) sprechung zum Wesen des Seyns, das selber das Wesen des Men-
Die Technik und ihr Selbstbewußtsein beruhen auf der Verges- schen ereignet. Ereignet sich aber diese Entsprechung (im Hö-
senheit des Unterschiedes. Das Wesen der Technik ist vermutlich ren des Zuspruches), dann gehören wir in die Wahrnis des ~;
die äußerste Epoche des Geschickes der Vergessenheit . dann brauchen wir nicht etwas zu unternehmen, das sich anmaßt,
im Seyn selber etwas zu erwirken. Wir sollen darum nicht nur
67 Denken will nicht ein Verstehen erwirken. Es möchte nur Anlaß nichts tun, wir dürfen auch nach »tun« überhaupt nicht fragen;
werden für ein Entsetzen. gesetzt, daß wir in der Nähe wohnen. 72
Ein Denkender darf nie auf Zustimmung warten; deshalb darf
er sich noch weniger als der Unverstandene gebärden. Wenn er Im Wesen der Technik sich aufhaltend das Gestell erfahren. Sol- 69
Mißverständnisse, die unumgänglich sind, sofern sein Gedachtes ches Denken ist keine Flucht vor der Technik; ist aber auch nicht
mit Verständnis bedacht wird, beseitigt, dann geschieht das nicht, die Verstrickung in sie. Im Wesen des Gestells ereignet sich das
um das Gedachte verständlicher zu machen, sondern um die, die Geschick des Ereignisses (das Seyn) in die Vollendung.
mitdenken möchten, vom Verstehenwollen abzubringen und da-
hin, daß sie der Verständlichkeit ent-setzt werden, der ihr Verste- Das Wesen des Gestells ist die Gefahr, als welche Seyn im Ge-
hen botmäßig bleibt und dadurch geschieden vom Gedachten, das schick Sein gefährdet und so die Wahrnis lichtet.
sich ihnen zuspricht, damit sie ihm entsprechen.
Die Irre, der kein Denken ausweichen kann, in der es geht, je Auf die Frage, wie sich das Gestell, als Wesen der Technik, zur
denkender es ist, besteht darin, daß der Denker auf irgend eine Kennzeichnung der Technik verhalte, die aus der Hinsicht auf die
Weise sein Gedachtes aus dem schon Enthüllten als einem Ver- »totale Mobilmachung« 8 genommen ist, wäre zu antworten:
standenen verständlich machen muß. So entsteht der Anschein, 1. totale Mobilmachung denkt von der Rüstung her und dehnt die-
als bleibe das Gedachte auf das Verständliche und nur auf dieses sen Vorgang auf das Ganze des menschlichen Tuns aus;
zurückbezogen. (59) 2. so wird alles vom Menschen her, aus einer Typik desselben be-
schrieben - diese Beschreibung fördert vieles zu Tage; sie bleibt
68 Was sollen wir tun? (tun nämlich, um den Weltzustand zu ändern). aber im voraus auf dem Grunde der Metaphysik j Nietzsches ste- 70
Wir dürfen nicht einer Antwort auf diese Frage nachfragen; denn hen, ohne die wesentlich zu denken und damit aus dem Geschick
die Frage ist ungemäß. Die Frage will, ohne es zu wissen, unser des Seins;
Verhältnis zum Seienden im Ganzen angehen. Aber ihr Fragen
hat dieses Verhältnis von je her vergessen, weil das Sein sich in 8
[Ernst Jünger: Die totale Mobilmachung. In : Krieg und Krieger . Hrsg. von
seiner Wahrheit entzieht. Die Frage stellt sich nicht nur nicht in Ernst Jünger . Junker und Dünnhaupt Verlag: Berlin 1930, S. 9-30.]
136 Anmerkungen VII Anmerkungen VII 137

3.) darum bleibt das Wechselverhältnis zwischen der Technik und Die Unscheinbaren: a) sie stehen außerhalb der Bestände des An-
dem Arbeiter ungedacht; das Wesen der Arbeit bleibt bodenlos; die scheins und der Fassade der Öffentlich-
Stärke der Beschreibung schiebt sich vor die Schwäche des Den- keit;
kens und denkenden Fragens - und erweckt durch diese Schie- b) sie bleiben vereignet dem Gelich t im Ge-
bung den Anschein, als würde hier gedacht. birg der Stille.
4.) Weil aber keine Dimension des Denkens erreicht wird, bleibt
es bei der Ratlosigkeit des Beschreibens; ihr zufolge gelangt diese Die Namenlosen vgl. ob. 49.
Darstellung der Technik nur so weit, nach neuen »Werten« Aus-
schau zu halten. Damit bestätigt man den erneuten Rückfall in Inwiefern hat der Mensch noch viel mehr, d. h. weit Wesenderes, 72
das Rechnen. vor sich, als er schon hinter sich zu haben meint?
5.) Die Technik wird durch diese Kennzeichnung von der Mobili-
sierung her immer noch und immer nur technisch vorgestellt (als Das Selbe zeigt sich immer nur dann als das Selbe, wenn es sich
»Art und Weise« des menschlichen Tuns). jedesmal als das unerhörte Einzige bekunden kann.
6. »Gestell« dagegen ist ein Name aus dem Geschick des Seins, das Vom Selben können wir, wenn wir es erfahren, nie sagen, daß
als <l>fotc;beginnt und 0foic; ruft. (75) es »schon« gewesen sei.
Mit dem »schon« vertreiben wir das Selbe in das bloße Gleiche.
71 Die Sterblichen, die Wohner in der Nachbarschaft der Nähe, sind:
49, 71 Die häufige Frage, was sollen wir tun?, erweckt den Anschein, als
sei der Mensch bereit, auf die Maß-Gabe des ~ einzugehen.
Die Redlichen: sie stehen Rede dem Zuspruch des Feldweges - in Aber der Mensch ist in seinem Wesen noch gar nicht vor-bereitet,
der Rede des Entsprechens. um bereit zu sein und Bereitschaft zu bekunden. Wäre das Wesen
des Menschen ereignishaft vor-bereitet in die Wahrnis des ~,
Die Bedingten: sie sind beeignet vom Ding und so geeignet dem dann verfiele er überhaupt nicht mehr auf jenes Fragen und an
Ding als Ding. seine Frage.
Daß diese Frage jedoch so häufig und in vielen I Formen geäu- 73
Die Inständigen: sie stehen mitten inne im Geviert von Welt. Bert wird, verrät umgekehrt, daß der Mensch noch so weit von der
Vor-Bereitung weg ist, daß er sogleich alles, was aus dem Bereich
Die Beirrbaren: sie vermögen, vom Vorbeigang zwischen Ver- dieses Vor-Bereitens gedacht wird, umfälscht in jenen lauten Eifer,
wahrlosung und Wahrnis, von der Gefahr beirrt zu bleiben. der bewirken will, was jeder Wirksamkeit entzogen bleibt.
Man müht sich ab, auf politischen und kirchlichen Geleisen eine
Die (Un)Entwegten: sie gehen über Feld in die Nachbarschaft der Gemeinschaft der Menschen und Völker und Kontinente zusam-
Nähe; sie gehen nicht ab vom Feldweg- aber jedes anderen Weges menzubringen; man pendelt im Entweder-Oder von Krieg und
und der Straßen bar - Frieden hin und her; man betreibt das Ordnen der Wirtschaft in
der Arbeit. Man kann nicht erkennen, daß all dieses Tun sich im
vorhinein an jeder Vorbereitung des Wesentlichen vorbeijagt; denn
138 Anmerkungen VII Anmerkungen VII 139

nicht gilt irgend ein Ideal von Menschengemeinschaft; Ideale sind Das Gestell, das gerade die Natur her-stellt, ist die äußerste Ver-
mit der Verwahrlosung der Idee schon hinfällig geworden und da- gessenheit der <l>uo1c;,
diese aber die Vergessenheit des Ereignisses
mit alles sollensmäßige Streben nach ihrer Verwirklichung. Es gilt des Unterschieds. Vgl. ob. 70.
nichts dergleichen. Aber Es, das Ereignis, gibt Wahrnis des Seyns,
oder Es entzieht sie noch. So oder so ist die Konstellation des ~- Die Vergessenheit der Differenz bleibt; sie kehrt sich aber .
Ihr entspricht nur die Nachbarschaft der Sterblichen (71). Ohne
74 diese bleibt I jeder Glaube eine voreilige Selbsttäuschung und Gott und Mensch- Das Verhältnis erscheint dem geläufigen Vor- 76
Ausflucht, die vor dem Wesen des Menschen ausweicht. Ohne die stellen als das zwischen dem Anwesendsten und dem zu ihm An-
Nachbarschaft der Sterblichen wird jedes politische Einrichten und wesenden. Doch sogar dieses Verhältnis ist heute verworren, auf
Betreiben zu einem Tun, das den Menschen immer entschiedener die Ausflüchte eines beinahe geschäftlichen Wechselverkehrs zu-
aus der Nähe seines Wesens fernhält und ihn vollständig ent-wegt . sammengedrückt und darum in der ihm noch verbliebenen Frei-
heit sogar zerstört. Weshalb? Weil das Wesende dieses Verhält-
Solange wir die Gefahr, als welche das Gestell das Wesen der nisses, das Anwesen als solches, ver-stellt und vertrieben und das
Technik ist, nicht erfahren, gelangen wir auch nie in den Zu- Verhältnis selber deshalb, metaphysisch vorgestellt, grundlos ist.
spruch des Rettenden. Das Grund- und Bodenlose ist jedoch nur die unerfahrene und
dem bisherigen Denken unerfahrbare Wesensfolge und damit zu-
In der äußersten Verwahrlosung des Dinges ereignet sich höchste gleich die Vergessenheit des Wahrlosen, das sich in der Verwahr-
Verweigerung, ist eigentlich das Ereignis.* losung ereignet und die Kehre bereitet.
In der äußersten Vergessenheit des Seyns ist das Seyn mit dem Der Metaphysik und ihrer Theologie bleibt nur noch der an-
Wesen des Menschen, ist noch bei ihm; aber der Mensch ist nicht thropologische Ausweg, das genannte Verhältnis dadurch dem
eigentlich beim Seyn. Anschein nach noch »lebendig« zu machen, daß man es als ein
75 * Denn eigentliches Ereignen ist Enteignen I in den Unter- personales ausgibt und und auf die Formel der Ich-Du-Beziehung
schied. Die Enteignis ereignet Eigentum. bringt.

Die Gefahr, als welche das ~ selber ist, so daß der Mensch we- Ist es aber so weit gekommen, dann gerät die Deutung des Ver- 77
senhaft in sie gehört, und zwar weltisch, läßt sich darum zunächst hältnisses in die Abhängigkeit von der Psychologie im weitesten
von der Art aus zeigen, in der das Seyn dem Menschen gefährlich Sinne. Es ist darum der Psychoanalyse preisgegeben; die Folge
ist. Vgl. ob. 46 ff. Gleichwohl enthüllt dies Gefährliche niemals ergibt sich leicht, daß die katholische Theologie bereits mit den
das volle Wesen der Gefahr, ihr Er-eignendes in der Weise des Archetypen der C. G. Jung'schen Psychoanalyse sympathisiert. 9
Nach-stellens. - Der Psychotherapeut wird zum eigentlichen Seelsorger; ich frage:
In diesem lange verborgenen Nachstellen bringt sich das Seyn welcher »Seelen« und aus welcher Sorge für welchen Gott? Diese
als <l>ucnc;in die 0fo1c; als das Gestell. Das Aufgehen in die Un-
verborgenheit des Anwesens ist in sich schon der Beginn der Ver- 9
[Vgl. Carl Gustav Jung: Über die Archetypen des kollektiven Unbewussten.
gessenheit der Bergung als solcher, d. h. der Wahrnis des Unter- In: Eranos-Jahrbuch 1934. Bd. II - Ostwestliche Symbolik und Seelenführung.
schiedes. Hrsg. von Olga Fröbe-Kapteyn . Rhein-Verlag: Zürich 1935, S. 179-229.]
140 Anmerkungen VII Anmerkungen VII 141

Versumpfung des Denkens in der Psychologie legt die massivsten kommt, ereignet sich Sprache. In dieser erst können Anspruch des
Hindernisse vor das Tor des einfachen Eingangs zur Erfahrung Gottes und Entsprechen des Menschen zum Wort kommen.
auch nur des Anwesens als solchen, worin das genannte Verhältnis Darum ist Not, den Einblick von Welt erst vorzubereiten. Not
verfugt ist. aber ist nur aus der Gefahr. Nötig bleibt, die Gefahr zu erfahren.
In Wahrheit ist jedoch das Verhältnis abgestorben und darum So allein sind wir auf der Fahrt, die Kehre der Vergessenheit vor-
unfruchtbar. zubereiten.
In Wahrheit bleibt der Anspruch des Göttlichen und das Ent- Die Vor-Bereitung verlangt ein langes Denken. Es allein voll-
sprechen des Menschlichen aus. Anspruch und Entsprechen finden bringt den Rückgang in das Schonen, das die Gefahr als die
keine Sprache, die sich erst im Wort der Stille aus dem Welt-Spiel Gefahr wesen läßt.
ereignet.
78 Aber Sprache ereignet sich nicht, denn Ereignis ent-1 zieht sich Nur das Schonen bringt auch ins Wohnen.
und verbirgt den Entzug im geschickten Gestell. Entzug aber ist
eine Weise der Enteignis, west als das Ereignis des Unter-Schiedes, Die Gewohnheit und das Wohnen. Vgl. 87. 80
dessen Vergessenheit sich erst kehrt, wenn sie in ihr Äußerstes
gelangt ist. Die Gewohnheit ist das Wesende des in sich gesammelten Woh-
Gibt es Merkmale der äußersten Vergessenheit? Ein solches Mal nens.
wäre nur zu merken im äußersten Andenken, im Denken an das Wohnen ist der bereitende Aufenthalt in der Nachbarschaft der
Letzte; denn nur im An-ge-dachten lichtet sich Vergessenheit als Nähe.
Vergessenheit. Die Sammlung des Wohnens gelingt nur in der langen Übung.
Kann der Mensch das Äußerste denken? Steht er schon, als Ungeübte vermögen das Wohnen nie.
Menschenwesen, in solchem Andenken? Wie steht es mit dem Darum muß der Mensch das Üben lernen.
recht erfahrenen Denken an den Tod? Ist nicht dieses äußerste Solches Lernen muß sich wagen inmitten der Herrschaft des
Andenken das »Sein zum Tode«? Gestells, das als Getriebe in die Routine des Betriebes treibt und
Tod aber ist das Gebirg des~- Zu diesem Gebirg gehört, alles Üben schon vertrieben hat. Das Üben lernen wir in der Ein-
weil ~ wesenhaft vergessen geblieben, der Berg der Verges- übung des Wohnens. Diese Einübung beginnt mit dem stetigen
senheit. Er ist der höchste Gipfel des Gebirges des ~- West Gehen über Feld. Das Be-wegen des Feldweges in die Nachbar-
im äußersten Andenken an den Tod die äußerste Vergessenheit schaft stiftet die Vor-übung für das Wohnen - stiftet die erste
des ~ und, so gefügt, das ~ selber? (Warum handelt »Sein Gewohnheit.
79 und J Zeit« vom »Sein zum Tode«? Vielleicht um einer gedanken- Solches Stiften geschieht als Denken.
losen Zeit zum Nihilismus zu verhelfen? Oder gar, oder nur, um in In der Nachbarschaft ist die Gewohnheit des Wohnens gebor-
»Sein und Zeit« an das ~ zu denken?) gen und verbürgt.
Im Entzug des Ereignisses verweigert sich Welt.
Das Verhältnis von Gott und Mensch gehört aber, wenn wir es Das Einfache - hütet euch, daraus ein Schlagwort zu machen oder 81
wesentlich erfahren aus dem Göttlichen und Sterblichen, in das gar zu meinen, das jedermann Verständliche sei das Einfache; es
Spiegel-Spiel von Welt. Erst wenn die Vierung von Welt ins Spiel ist nur das Versimpelte. Wollte man schon das Einfache aus dem
142 Anmerkungen VII Anmerkungen VII 143

Verhältnis zur Verständlichkeit bestimmen, was unmöglich ist, Das »als« in der Sprache der Metaphysik. Vgl. ob 56 u. 91. 83
dann müßten wir sagen: das Einfache ist das, was keiner versteht Alle Metaphysik kennt das Sein nur aus dem Seienden als sol-
und durch keine Verständlichkeit zu erlangen ist. Das Einfache chen; insofern das Seiende [Anwesende] in das »als solches« her-
west im ~- - 88 gebogen wird, kommt »Sein« zum Vorschein. Aber dieser bleibt in
Es ist die Einfalt der Welt in die Enteignis des Unter-Schiedes. das Seiende als ein solches verhaftet.
(18), 56, 88 Das Vorstellen innerhalb der Metaphysik hält sich an das aus-
n
gesprochene oder unausgesprochene öv öv, ens qua ens: Seiendes
Zugewohnt der Wahrni s des Unterschiedes - als Seiendes;
das »als solches« - enthält und ist die Weisung der Hinsicht für
Jahrzehnte und mehr mag es dauern, bis die öffentlich gelten- das Vorstellen.
den Schilder und Verdeckungen abgebaut sind, die das Denken Jede Phase der Metaphysik ist jeweils eine Bestimmung des
des Unterschieds umfälschen und so das Eine Wesentliche: Die »als solches« - d. h. des Solchen. Sie antwortet auf die Fr age, die
Konstellation des ~ übergehen und erst vollständig, gerade kaum gestellt wird: als welches - nämliche Anwesende - ist das
nämlich durch die Seins- und Existenz-Philosophie, vergessen. Anwesende vorgestellt. Daß das Seiende das Anwesende ist, bleibt
Die Kehre trennt abgründig das Denken aus Welt als Sage des für alle Metaphysik das Fraglose.
82 Unterschiedes I von aller Metaphysik, Existenzphilosophie und Als welches Anwesende stellt Kants Kritik das Seiende vor? Als
Existenzialismus; aber auch von aller Artistik, die mit den vorigen das Erscheinende - und zwar im Scheinen und Sichzeigen inner-
zur Technik gehört. halb des »Ich denke« - ich stelle vor nämlich sinnlich Gegebenes.

Eine noch in sich größere Entsprechung zu diesem Verdecken liegt Als welches hier das Anwesende vorgestellt ist, nämlich als »Er- 84
in der Meinung über Heraklit, er habe das II<iv.a pei: gelehrt. 10 scheinendes«, das wird dann innerhalb der Metaphysik (von der
Diese Ansicht wurde vermutlich von Platon und den Platonikern Iloiricrn;her) er-klärt und begründet-;
durch ihre Auslegung des alten Parmenides in den Heraklit hin- dadurch ergibt sich das Anwesende als solches in der Bestim-
eingefälscht. Eine grandiose Verschüttung, die auch auf Nietz- mung der Gegenständlichkeit im Sinne der realen Objektivität,
sches Denken lastet, insofern der Gegensatz von »Werden« und die sich vom ego cogito her als transzendentale Idealität bestimmt.
»Sein« als der vermeintlich urgriechische Nietzsches Denken von Der Grund-Satz jeder Metaphysik ist die Ansetzung dessen,
früh an bestimmt und ihn dazu bringt, sich für einen Herakliteer als welches das Anwesende vorgestellt wird. Für Descart es ist es
zu halten. das firmum quid et mansurum - und zwar für das ego dubito -
co-agito - in der Gewußtheit des Vorgestellten als solchen; der idea
Das Wesen des Eigentümlichen bestimmt sich aus dem Eigentum, qua perceptio.
als welches das dingende Ding aus Welt ereignet ist. Für Aristoteles ist das Anwesende das evepyei«;iöv. Mit der Nen-
nung des epyov in dieser Weise lichtet sich der Wink auf die in der
10
[Bei Heraklit selbst nicht nachzuweisen. Cf. Simplicii in Aristotelis Physi- AJ„ft0eta verborgene Iloiricm;, ohne daß dieser Wink vernommen
corum libros commentaria. Libros quattuor priores commentaria. Edidit Herman-
nus Diels. In: Commentaria in Aristotelem Graeca. Volumen IX . G. Reimeri: Be- werden kann.
rolini 1882, p. 1313.] Für Nietzsche ist das Anwesende als solches der Wille zur Macht.
144 Anmerkungen VII Anmerkungen VII 145

85 Ein Pflug, der, seit Wochen in einer Ackerfuhre stehen geblieben, Ei nblick - ist das Erblitzen, das im ~ das Gelicht des Unter- 87
nur die Herbststürme um sich und den Krähenschrei über sich Schiedes ereignet: das Innige des Spiegel-Spiels der Welt. Einblick
hat- verwindet~ in die Wahrheit des Unter-Schiedes. Dieser ist das
Ereignis von Welt, das, auf den Menschen gedacht, dessen Wesen
Das »als« der Reflexion, der noch nicht subjektiven sowohl wie der in das Schonen vereignet, das die Nachbarschaft der Nähe erwohnt.
subjektiven, zugunsten des »als« der Einkehr der Enteignis in den Statt auf Aussichten und mit ihnen zu rechnen, bereitet der
Unterschied verwinden, ist, spricht Welt. Mensch, im Einblick erblickt, sein Wesen der Bereitschaft, sich in
Erfahrenes Denken ist weder reflektiert noch abstrakt. das Schonen zu gewöhnen. Vgl. ob. 80f.
Das »als« der Reflexion und das »als« der Enteignis sind Merk-
male einer Kehre im Wesen der Sprache. Gegenständlichkeit und~ -
Im Geschick, als welches Sein des Seienden geschickt das Er-
Winterwolken ziehen weiten Hügeln zu. eignis vergißt, ist die Gegenständlichkeit im Vorstellen der erste
es noch verhüllende Vorschein des Gestells.
Nicht ausweichen in der Konstellation des ~' sondern ausste- Gegenständlichkeit als Sein ist die Verwahrlosung des~ -
hen - den Austrag als den Unter-Schied, als welcher Welt sich Auch wer Sein als das Un-Gegenständliche ausgibt, stellt es noch
ereignet. vor als das Sichvorstellende, 1 das alles Vorgestellte (Objekt) und 88
alles Vorstellende (Subjekt) umstellt.
86 Inwiefern ist das reine Eigentümliche des Eigentums, inwiefern Aber dieses Umstellen ist nur der anscheinend harmlose Vor-
ist das Ding aller dingenden Dinge die Sage des Unterschiedes im schein des Stellens, als welches das Gestell alles Vorstellen schon
Weltalter der Kehre: das denkende Gedicht der Welt? bestellt hat.

Aussicht und Einblick. Die Kehre. Sein, mit Ü'!'tAovgeschrieben: Seyn, nennt das bloße, das sagt hier
das Einfache des Seins des Seienden. Das Einfache ist die ereig-
Noch herrscht die Aussicht und stellt alles auf Aussehen, obzwar nende Einfalt der Wahrnis des Austrags in das Ereignis des Unter-
i;{6oc;gewandelt ist in das Vorgestellte des Bestellens. schiedes. 81.
Weil die Aussicht herrscht und mit ihr das Horizontale und ~ - ist das eingefaltete und so verwundene Wesen des
darin alle Art von Transzendenz, deshalb ist der Mensch, gemäß Seyns - das Ge-wesene Geschick.
seiner noch verborgenen Zugehörigkeit zum ~' selber in die
Aussicht gestellt, die sich als Wille im eigenen Wesen noch ver- Aussicht und Öffentlichkeit
stellt. Darum giert der Mensch nach Aussichten, ob er sie noch Einblick und Welt.
habe als etwas, womit er rechnen darf und was so in Aussicht steht.
Aussicht: das Geschick der A11:fJ8Eta. Noch herrscht die Aussicht Das Gemeinverständliche ist nicht nur vom Einfachen am weite-
und verstellt Einblick. sten entfernt. Es vollzieht die Abtrennung vom Einfachen, ohne
dieses je erfahren zu können. Abtrennen ist hier: wesenhaftes
Sichverschließen.
146 Anmerkungen VII Anmerkungen VII 147

89 Die Philosophie wird mehr und mehr, weil aus dem Wesen genö- diesem Wege gerät die Onto-logie im weiteren Sinne in die Bot-
tigt, zum Raub dessen, was ihr selbst seine Herkunft verdankt: der mäßigkeit zum Ontischen.
Wissenschaft. Deren Wesen gehört, zumal in seiner neuzeitlichen Mit anderen Worten: Was das Anwesende als solches ist, hat
Gestalt, in das Gestell, das im Geschick des Seins jäh mit der ge- sich bereits entschieden. Die Metaphysik gelangt ihrem Wesen
wesenen IIoi11crn;der selben Herkunft ist aus der Verweigerung nach niemals zu einem »Seinsbewußtsein« - gesetzt, daß dieses
des Ereignisses. Wort aus dem Ungefähren des Meinens herausgenommen wird
Wenn die Philosophie zur Wissenschaft und gar zu der Wis- und nicht nur bedeutet : das Seiende als Seiendes vorstellen - d. h.
senschaft im Sinne der Wissenschaften wird (nicht aus der Abso- wie Kant das Gegenständliche der »Erfahrung« als dieses Gegen-
lutheit der sich vorstellenden Subjektität), entsteht das seltsame ständige. So wird Gegenständigkeit nur dort festgestellt, wo sie ist,
Verhältnis, daß der Grund in die Botmäßigkeit zu seiner Folge iro Entgegen und Vorstellen - d. h. im »Ich stelle vor «.
gerät. Die nur vorgestellte (d. h. logische) Widersinnigkeit dieses Was jedoch die Subjektität des Subjekts selbst ist, inwiefern das
Verhältnisses verhindert nicht, daß das Wider-Wärtige geschicht- Sein und das, als welches es west, in den Unterschied zum Seien-
lich wirklich wird und alle Beziehung der Wissenschaften zur den mit diesem selber zurückgehört, das bedenkt Kant so wenig
»Philosophie« (und d. h. in Wahrheit zum Sein des Seienden) prägt wie Descartes, dieser so wenig wie Aristoteles oder Platon. Bedeu-
und beherrscht. Dieses Widerwärtige zeigt sich vor allem darin, tet »Seinsbewußtsein« das Sein als Sein, d. h. als Sein von Seien-
daß die Wissenschaften vom Seienden als dem Gegenständlichen dem, d. h. im Unterschied I und als diesen denken und denkend 92
90 (Objektiven) her I alles Vorstellen und gemäß diesem grenzen- erfahren, dann suchen wir in aller Metaphysik durch ihre ganze
losen Vorstellen auch und gerade sich anmaßen, über die Gegen- Geschichte hindurch vergeblich ein »Seinsbewußtsein«.
ständlichkeit der Gegenstände zu verfügen. Sie verhalten sich wi- So kommt es klar an den Tag:
derwärtig gegen jeden anderen Anspruch der Gegenständlichkeit Gleichwenig wie die Wissenschaften und das ihnen gemäße
als solcher. Je entschiedener gar noch die Gegenständigkeit in alltägliche Meinen vom Seienden her je das Sein denken können,
die Beständigkeit des Bestandes (des Ge-Stells) zurückgeht, umso gleichwenig vermag die Philosophie das Sein des Seienden als das
rücksichtsloser fallen alle Differenzen zwischen Beständigen des Sein und als das Sein des . . . aus dem Unterschied zu denken . Die
Bestandes und der Beständigkeit und deren Wesen. Wissenschaften und die Philosophie verharren notwendig in der
Das Widerwärtige steigert seine Wirksamkeit; der Versuch, selben Verstrickung, die sie in die Vergessenheit des ~ fesselt
noch auf die Gegenständigkeit als das andere zu den Gegen- und so gegenüber dem Unterschied als solchen verblendet .
ständen hinzuweisen, wird mehr und mehr aussichtsloser. Die Philosophie wird es wohl immer geben, immer nämlich, so-
Vergessenheit der Differenz von Sein und Seiendem gelangt ins lange eigens das Seiende gelichtet bleibt und Sprache ist.
Äußerste . Aber dadurch kann höchstens erwiesen werden, daß Philoso-
So wird deutlich, daß die Erfahrung der Differenz als solcher phie als Vorstellen des Seins von Seiendem fortbesteht und durch
innerhalb der Metaphysik unmöglich ist; daß das Sein da immer dieses Bestehen gerade außer Kraft gesetzt ist, jemals noch I für 93
nur entweder als das höchste und seiendste Seiende vorgestellt das Denken des Seins als des Seins das geringste zu vermögen . Die
91 wird, oder aber, was das Selbe bleibt, in der bloß negativen I Ab- Ph ilosophie lebt weiter ; aber sie lebt wie bisher als Philosophie am
setzung, innerhalb der gleichbleibenden Dimension des vergesse- Wesen des Seyns vorbei und ist deshalb durch dieses Weiterleben
nen Unterschiedes, zum Ungegenständlichen erhoben wird. Auf gerade das Abgestorbene.
148 Anmerkungen VII Anmerkungen VII 149

Die Philosophie lebt. Sie ist tot für das Denken. Rückbiegung ist selber vorstellend in Aussicht (vgl. 86).
Freigabe ist geeignetes Schonen des Ereignisses.
Das seynsgeschickliche Ende der Philosophie beruht darin, daß sie
wesensmäßig hinter dem Denken zurückbleibt. Die Philosophie Das unbedacht hingesagte und mehr noch das ungesagt herge-
ist nicht zu Ende, weil an die Stelle des Denkens etwas anderes dachte »als« bleibt so das verborgenste Zweideutigste, über das
tritt (Anthropologie, Weltanschauung, Kirchenglauben, Wissen- man unversehens immer schon hinweggegangen ist.
schaft), sondern weil die Philosophie sich nicht mehr an der Stelle Im unbedachten »als«, das aus der Vergessenheit her herrscht,
des Denkens zu halten, sie nicht eigentlich zu betreten vermag. verbirgt sich die Kehre.
Die Philosophie stirbt daran, daß sie zu wenig denkt, nicht
daran, daß sie nach der Meinung der Wissenschaft und des Welt-
anschauungsglaubens zu viel denkt und dieses Zuviel das Ab- 0-0
strakte ist. Wegsehen vom Bestand aus Hinhören in das Gestell; ein Sehen,
das aus Hören kommt; ein Hören, das im Gehören beruht; ein
94 Philosophiegelehrsamkeit ist noch nicht Philosophie. Philosophie Gehören, das aus Ereignung geschenkt; Ereignung, die in Enteig-
ist noch nicht Denken. nis gestillt, Stille, die Welt spricht, Sprache, die dem Unterschied
Denken ist: Erfahren die Gefahr der Verwahrlosung des Unter- entspricht.
schiedes.
Erfahren: Gelangen in das sagende, entsprechende Schonen der Sein ist~. 96
Welt. Sein des Seienden west -
Entsprechen: Dem Wort der Stille des Ereigniss es. Seiendes als Seiendes ist -
aus dem Austrag des Unterschiedes und zwar als das Geschick
Dieses Entsprechen spricht nach; nämlich dem Einspruch der seiner Vergessenheit.
Stille, der einblickend Welt ereignend in den Unterschied enteig- Der Austrag ist die Verwindung der unerfahrenen Differenz
net. (Seyn), ist: ~-
Dieses Nach-sprechen dem Unterschied ist sein e Sage. Das Ereignende des~ ist das Ereignis der Welt, die in den
Die Sage des Unterschiedes ist ein Nachsprechen; dictare, des Unterschied enteignet, enteignend die Verwindung ereignet hat.
Einspruchs der Stille.
Die Irre der Metaphysik und d. h. zugleich ihre Wahrheit besteht
Das Denken als die Sage des Unterschiedes ist ein Dichten. darin, daß sie das Seyn (Differenz), ohne es je bedacht zu haben,
als Sein des Seienden, hinter dem Seienden, über dem Seienden,
Anders als der Gedanke dichtet der Gesang des Sängers. um alles Seiende herum - sucht - in der Transzendenz I über
das Seiende, welches Seiende selber sie nie darauf hin bedenkt,
95 Das »als« der Rückbeugung in das Vorstellen; als welches es mit welcher Wahrheit immer schon vorgestellt ist .
das »als« der Freigabe in die Enteignis. Vgl. 110. Man sieht das Sein »über« dem Seienden, statt vor ihm - als die
Nähe selber.
150 Anmerkungen VII Anmerkungen VII 151

97 Es gibt nur eine »Existenzphilosophie«: das Philosophieren von Tod - merkt ihr immer noch nichts - ist in »Sein und Zeit« aus 99
Karl Jaspers . dem Da-sein gedacht; Da-sein aber gehört zum Wesen des Seyns.
Es gibt nur einen »Existenzialismus«: die Schriftstellerei von »Tod«, der sterbliche, hat nichts mit dem »Leben« zu schaffen.
Jean Paul Sartre. »Tod und Leben« - denkt zu kurz .
Es gibt einen echten Jaspers bei den Franzosen: Gabriel Marcel.
Mein Denken in die Wahrheit des ~ ist zwar von jenen be- Ailes ist zerrechnet. Doch im Rechnen nur ersteht Bestand. Dann
nutzt und verarbeitet, aber nirgends jemals bedacht worden. sammelt sich der Wüstensand .
Bedenken: Gedachtes auslösen in sein zu Denkendes.
Mit diesen Hinweisen sollte man sich in dem immer noch fort - Rechnen wehrt ab und zwar solches, was es nie erfahren , worein
schwelenden Gerede über die Existenzialisten zurechtfinden. Aber es nie gelangen kann.
»man« will das gar nicht. Die Gegner der Angst haben nur Angst, Rechnen (Vorstellen) wehrt Einblick ab und alles, was ihn be-
sie könnten eines Tages das Leere ihres Geredes sehen, um einge- reiten könnte. Diese Abwehr jedoch verbirgt sich dem Rechnen
stehen zu müssen, daß es ein verderbliches Gerede war und - im in dem Anschein, als betreibe es nur das Beschaffen im Bestellen.
vermeintlichen Kampf gegen den Nihilismus - der verderblichste,
weil anscheinend unkenntliche Nihilismus. Jeder Versuch des Denkens ist schon irrig, wenn er nachgemacht
Jaspers bleibt in der Antiontologie stecken; steril. (171) und so zur Mache wird.
Die Meisten und die Meister.
98 Immer das Gleiche, nie das Selbe. Rätselhaft bleibt es, daß wir das
Selbe am schwersten finden. Rätselhafter noch, daß wir das Ge- Nicht nur: Geist gegen bloßes Leben; 100
wohnte nicht lernen und schon dem Üben uns entziehen. nicht nur : Sein statt nur Seiendes;
Dem Selben entspricht erst und nur das Gewohnen. Statt des - sondern: Einkehr des Unterschieds, der beide in die Vergessen-
sen: immer das Gleiche. Man rechnet weiter und merkt immer heit seiner ereignet und so beide in das Gefüge der Metaphysik
weniger, daß man mehr und mehr dem Rechnen anheimfällt und losläßt als Geschick. Bedenke immer neu das Gedachte: das Nich-
dieses für das Denken hält. tende des Nichts ist der Unter-Schied. Das Welten als die Enteig -
Man rechnet weiter und verblendet sich gegen die Konstellation nis zur Stille. Das Loslassen fügt erst das Gefüge.
des~- Man errechnet den Zustand des Menschen um das Jahr Seiendes und Sein [Anwesendes und Anwesen in allen Pha -
2000 post Chr., meint mit dem Jahr 2000 ante Chr. fertig zu sein; sen des Geschickes der Vergessenheit des Unterschiedes] bilden
man rechnet auf Sensationen. nie den Unterschied; sie bleiben der ungewahrte Schein seines
Gelichtes. Darum wäre es immer irrig, versuchte das Denken,
Bis heute (Oktober 1949) ist meinem Denken noch kein fruchtba- Anwesendes und Anwesen als unterschiedene zum Grunde zu
rer und dadurch erst furchtbarer Widersacher entstanden; denn legen, um dann an ihnen den Unterschied abzunehmen. Zu sol-
man hat diese Sache dieses Denkens (die Wahrnis des Seins als chem Vorgehen möchte alles vorstellende Denken allzuleicht ver-
des Seins des Seienden, die Wahrnis des Unterschieds) noch nicht sucht sein.
als die Sache bedacht.
152 Anmerkungen VII Anmerkungen VII 153

101 In diesem Jahrhundert sammelt sich Welt in das Ganze eines Ge- »Zur Sache selbst« 11 ist ein Weckruf, aber zu welchem Wachen
schickes. Alles wesentliche Tun des Menschen wird ins Lot einer auf welcher Wacht?
Jähe des ~ gestellt.
Der Versuch muß gewagt werden, den Menschen in ein erfahre- 103
»Holzwege« - man nimmt das Buch als einen »Essayband«. Man nes Verhältnis zum Wesen der Technik zu bringen. Einzig deshalb,
sieht einzelne Bäume an, macht sich aber nicht auf den Weg in weil hier der Bezug des ~ zum Menschenwesen infrage steht;
den Wald. denn nicht handelt es sich um die Aufgabe, mit der Technik und
ihr er Gefährlichkeit fertig zu werden. Moralische und politische
~ ist kein »Jenseits« und abgetrennt vom Menschenwesen; es Verabredungen über die Art ihres »Gebrauches« sind bodenlos;
ist ebenso wenig die Objektivität einer Subjektivität oder auch denn die Moral und Politik sind ebenso grundlos wie die Technik.
nur die als die Subjektität der Subjekt-Objekt-Beziehung. »Sein« So bleibt alles nur in zufälligen Machenschaften des Menschen.
ist nichts »Transzendentes« und keine »Transzendenz« in diesem
Sinne; zwar gilt, daß das Sein qua Sein des Seienden (ens qua ens, Es genügt weder für die Wissenschaften noch gar für die Tech-
n
das transcendens ist - im Sinne der durch das qua, und »als« nik , daß man sich dort herbeiläßt, vielleicht gelegentlich »über«
genannten Transzendenz). die Wissenschaft und »über« die Technik zu philosophieren. Wir
müssen lernen, aus dem Wesen der Technik zu existieren . Dafür
Das »Wesen« des ~' das Ereignis des Unterschiedes, ereignet ist eine Grundvoraussetzung, daß wir dieses Wesen erst erfah-
das Wesen des Todes. Keine Anthropologie, auch keine philosophi- ren. Wie soll dies geschehen, wenn schon die Forscher und Lehrer
sche, kann dieses Verhältnis vorstellen. der Wissenschaften I sich weigern, auch nur die innere ontologi- 104
sehe Transzendenz der Wissenschaft existent zu erfahren und zu
102 Einsam im Einen des Selben, das der Unter-Schied ereignet. übernehmen; ganz zu schweigen von der Notwendigkeit, die Tran-
szendenz als etwas Vorläufiges aufzugeben und in ihr verborgenes
Gegen die Gedankenlosigkeit, das Unvermögen zum Denken und Wesen, die »Differenz«, einzugehen?
den Unwillen gegen das Denken, eigens anzugehen, lohnt nicht . Nichts anderes als diese Aufgabe, die innere Transzendenz der
Auch wenn es sich lohnte, käme es nur darauf hinaus, die Gedan- Wissenschaften existent zu übernehmen und zu entfalten, ist im
kenlosigkeit anzuerkennen. Doch »lohnen« und »nicht lohnen« ist Vortrag »Was ist Metaphysik?« (1929) und in der Rektoratsrede
hier kein Maßstab. (1933) »Die Selbstbehauptung der deutschen Universität« ausge-
Die Gedankenlosigkeit des Menschen beruht in der Vergessen- sprochen.12 Statt dessen hat man sich an unumgängliche Neben-
heit des Unterschieds, die sich als Sein ereignet.
11
[Vgl. Edmund Husserl: Logische Untersuchungen. Zweiter Band. Untersu-
chungen zur Phänomenologie und Theorie der Erkenntnis . I . Teil. Max Niemeyer
Wer die Philosophie zur Sache selbst ruft, muß doch wohl vorher Verlag: Halle an der Saale 1901, S. 7: »Wir wollen auf die ,Sachen selbst< zurück-
bedacht haben, was die Sache der Philosophie ist. Wie aber kann gehen.«]
12
einer dies bedenken, ohne dessen gedacht zu haben, dem das Den- [Martin Heidegger : Was ist Metaphysik? In: Ders.: Wegmarken. GA 9. A.a.O.,
S. 103-122 und Martin Heidegger: Die Selbstbehauptung der deutschen Universi-
ken als solches zugehört? tät. In: Ders.: Reden und andere Zeugnisse eines Lebensweges. GA 16. Hrsg. von
Hermann Heidegger. Frankfurt am Main 2000, S. 107-117.]
154 Anmerkungen VII Anmerkungen VII 155

sachen und Fassaden gehalten; man hat sich um die geistige Ent- Was hilft die Abgrenzung gegen die früheren Denker, wenn wir
scheidung gedrückt und ein parteipolitisches Geschrei gemacht. deren Gedachtes nicht aus der Ortschaft bedacht haben, aus der
Heute ist man genau so weit. Man ist so verblendet wie damals. die Abgrenzung versucht wird? Was bringt die Abgrenzung, selbst
Man meint, mit allgemeinen Vorträgen und weltanschaulichen wenn sie in gemäßer Weise glückt, solange wir nicht reif dafür
Übermalungen sei es getan. Dieser hartnäckige Stumpfsinn ist sind, im schärfsten Gegenüber die Zugehörigkeit zu übernehmen?
nur noch durch Katastrophen zu beseitigen. - Aber das Gegenüber noch muß erst die Abgrenzung ergrenzen;
dazu gehört das Wählenkönnen, der Sinn für das äußerste Ge-
105 Der RifJ der Stille in die Wand, mit der die Universalhistorie und genüber. Dies wird erst für das Denken, das zur Sage des Unter-
ihr Lärm durch Funk und Film alles umstellt, um vorzugeben, schieds geworden, durch den Namen Platon festgehalten. In Pla-
der Mensch trete jetzt in die Weltgeschichte ein. Das Wesen der ton -Aristoteles vollendet sich die entscheidende Vergessenheit 1
Welt kennt keine Geschichte. Diese ereignet sich nur im Geschick der Differenz, die sich als Beginn des Seinsgeschicks seit Anaxi- 107
»des« Seyns. Mit der Kehre der Vergessenheit versinkt das Wesen mander einrichtet. Diese Vollendung aber bleibt die Basis für die
der Geschichte in der Jähe der Nähe. - Entfaltung des Seinsgeschickes in der Weise der Metaphysik bis
zu Nietzsche. Vgl. 124.
Das Wesentliche lernen wir, wenn wir lernen, von jenen, die wir Gleich als schreckte man überall vor einem ersten, erst wieder
dem Anschein nach belehren. Das Schwierige beim Lernen, was lichtend-erfahrenden Schritt des Denkens zurück, ist all das Zu-
nur Wenige vermögen, ist, einzugstehen, daß wir gelernt haben. rückfliehen zu Platon, das jetzt überall merklich und verkündet
Viele halten das Lernen für erniedrigend. Lernen ist freilich et- und gepredigt wird. Man wirft den Mantel der Verehrung der
was anderes als: übernehmen oder gar ablisten. Lernen heißt: das, Tradition und des Großen um sich bei dieser Flucht. Man salviert
was uns lehrt und belehrt, in seinem Wesen erfahren und dieses sich gegen jeden Schritt in die Gefahrenzone des Denkens durch
empfangen. Lehren und Lernen ist kein Verhältnis des Transpor- die verstandlose Verhimmelung dessen, was man gar nicht kennt
tes. oder nur in der Gestalt überlieferter Darstellungen zuläßt. Der
Rückzug zu Platon wird ein raffiniertes und doch aussichtsloses
Wir erfahren nur das, dem wir uns in die Gefahr seines Wesens Gebahren dadurch, daß man halbverstandene Gedanken aus dem
verschenken - die Gefahr. »seynsgeschichtlichen« Denken in Platon wiederfindet; um ihn
dann als den Denker vorzuführen, bei dem »schon« alles steht -
106 Die vormalige Hierarchie der katholischen Kirche liefert sich der alles, wovon man vor dem Versuch des genannten Denkens nicht
Demokratie aus. Man begibt sich jetzt auch organisatorisch auf die die geringste Ahnung hatte.
Ebene der bloßen Politik. Für das kommende anno santo 15 ist ein
internationaler Thomisten-Kongreß vorgesehen. Was er verhan- Wir sind nicht weiter als Platon und zwar deshalb nicht, weil es 108
delt, ist heute schon gleichgültig. Aber daß er geplant ist, genügt hier kein Weiter gibt, sondern nur das dabeibleibende Erfüllen
als Zeichen des Verfall s. - dessen, was durch sein Denken als Geschick der Vergessenheit
des Seins sich ereignet hat. Weiter wollen - das hieße in diesem
15
[1950 war ein annus sactus, in dem Papst Pius XII. das Dogma der leiblichen Geschick verharren. Wir sind nicht weiter als Platon im Den-
Aufnahme Mariens in den Himmel verkündete.] ken, insofern er das Seiende als das Seiende und so das Sein des
156 Anmerkungen VII Anmerkungen VII 157

Seienden denkt und so im vorhinein die Differen z vergißt, d. h. wesendes als ein solches anwest - und d. h. jetzt vom Gelicht her:
der sich ereignenden Verweigerung der Lichtung der Differenz scheint, er-scheint - sich zeigt.
als des Austrags entspricht. Wir sind nicht weiter; aber das Den-
ken des Unterschieds wohnt in einer ganz anderen Ortschaft, die Das n ist kein »als« der Rückbeugung in das Vorstellen , betrifft
dem nahe ist, was Platon und aller Metaphysik verborgen bleiben nicht perceptio, sondern dooc;, svepyaia.
mußte, was außerhalb des Bezirks des Transzendentalen in jeder Das n ist aber auch nicht das »als« der ereignet schonenden Frei-
seiner Gestalten liegt. gabe in die Enteignis des Unterschieds. vVas nennt das n? Mit an-
deren Worten: Wie west A'.A..ft0ata? Wie ist <l>umc;?
Ereignen wegt Pfade der Welt, die das Denken, also be-wegt, als
Wege begeht. 162 Gegen das ontologische »als« unterscheiden wir das geradezu
ontisch entsprechende »als«: etwas als etwas. -
Überall Pointen, nirgends ein Gipfel. »Der Bauer als Radfahrer« - das »als« nennend ein anderes
innerhalb des So und So-seins; dieses »als« führt weiter und fort
109 Weil der Tod das Gebirg des ~ (162) ist, sterben wir, wenn uns entlang dem Anwesenden: das fortlaufende »als«.
ein Sterben vergönnt ist, für das ~ im ~- Der Tod ist nicht
das Mittel und der Weg des Sterbens, gleich als stürbe der Mensch Das »als« der Freigabe ist weder ein transzendentales noch über- 111
durch den Tod - der Tod ist die Welt-Stille des Sterbens. - haupt ein »ontologisches« al s.
Kann es dann noch gesagt werden - wenn das »als« doch im
Die Stille und das Ungesprochene. Grunde stets das Wort ist, das die Vergessenheit der Differenz
Der Mensch, das Wesen, das spricht und sterben kann: das deckt und zudeckt, indem es von der Differenz diesen seltsamen
»und«. Gebrauch macht?

Das »als« (das ontologische im weiten Sinne) ist nicht erst im n Die zwei Aspekte, in denen sich die Geschichte des Denkens mir
gesagt und gedacht, sondern im övtmc;,das Platon gebraucht. Was deutlicher seit »Sein und Zeit« zeigte, sind für das Vorstellen un-
sagt dies Adverb? Jedenfalls nennt es ad-verbial das Verbale in vereinbar. Der eine, der öffentliche, in Vorlesungen und Übun-
dem, womit es genannt wird, mit dem ov,dem Anw esenden. - gen dargestellte, gibt das Gedachte der Denker dem Lernen und
övi-mc;sagt: in der Weise von Anwesend - 'tO öv övi-mc;nennt das Nachdenken anheim und erreicht gewisse andere Dimensionen
Anwesende in der Weise des Anwesend, nennt das Anwesende als der Auslegung als die herkömmliche Historie, ohne daß jedoch
Anwesend. Daraus ist ZU entnehmen: im öv n öv ist öv verbal im deutlich ausgesprochen wird, woher diese Dimensionen selber
Sinne des Anwesenden gedacht - nicht nominal als das, was je ein stammen; es sieht so aus, als sei jeweils der dargestellte Denker
dies und jenes Anwesende ist. der einzig maßgebende. Der andere Aspekt, immer verschwie-
110 Das ontologische »als« läßt dem Anschein nach I die Dimen- gen mitlaufend, denkt das Gedachte nach der Hinsicht, daß in
sion (Wahrheit) des »Anwesend« offen und doch fällt der Entscheid ih m sich die anfängliche Vergessenheit des Unterschieds ereig-
früh von der AJ„ft0ata - <l>ucni;her - Unverborgenheit, Aufgang, net hat.
Gelicht - Solches, in da s hinaus und »hinauf« und hin-über - An-
158 Anmerkungen VII Anmerkungen VII 159

112 Schelling und Hegel - Nur aus der verborgenen, ihnen selbst ver- als Wissenschaft zu und setzt dieser als dem »Logos« höchstens
hüllten, Freundschaft ihres Denkens erfahren wir die eine Philo- noch den »Mythos« entgegen, dessen Verlust man bedauert oder
sophie, in der Zwiesprache, mit der erst die absolute Metaphysik kümmerlich ersetzt.
zur Sprache kommt. 186
Aber der Wesensgefahr des Denkens weicht man aus. Durch das 114
Die Schande der leeren Überheblichkeit und das Dumme der Meinen hat man sich, auch wenn es sich in die metaphysische
blinden Unwissenheit vereinigen sich heute, um über Hegel abzu- Dialektik des Absoluten hinaufläutert, schon der Gefahr entzogen.
urteilen. Die Philosophiegelehrten beeilen sich, diesem Aburtei- Das gilt von allem vorstellenden Denken, worin Schelling und
len die Grundlagen zu verschaffen. Doch wo in aller Welt - des Hegel und Nietzsche sich ausschließlich bewegen.
amerikanischen und des russischen Herrschaftsbereiches, wo in
Europa selbst- ist ein Werk des Gedachten von der Art und dem Im Zeitalter der zügellosen Raserei des Meinens, das sich zugleich
Rang der Phänomenologie des Geistes? Dieser Hinweis nährt kei- mit dem Glauben vermischt und die elendesten Mißgeburten
nen Nationalstolz; er zeigt in die Bereitung der Bereitschaft für zeugt, ist es beinahe aussichtslos, eine Frage anzubringen, die in
das Welt-geschick, an dem alle jetzt ins Kraut schießende Univer- die Gefahr des Zu-Denkenden ausfährt und die Vergessenheit des
salhistorie vorbeiflüchtet. Unterschiedes erfahren hat.
Aber weil dieses erfahrene Denken sich weder an »Aussehen«
Wie wollt ihr abstrakt malen, wenn ihr noch nicht einmal ab- (döoc;) noch an »Aussichten« kehrt, die als Erfolgsmöglichkeiten
strakt denkt? aus jenem erfolgen (causa formalis und causa finalis gehören zu-
sammen), kann sich das Denken des Unterschiedes leicht mit der
113 Die einzige und bleibende Kritik unter Denkern beruht darin, Aussichtslosigkeit abfinden und ein Genüge finden, indem es dem
daß einer dem schon Gedachten der Anderen das Ungedachte ent- Einblick entspricht, welches Entsprechen aber zugleich dem Ge-
gegendenkt, durch welches Zu-Denken das Zu-Denkende sich als nügen entsagt.
das Selbe in die Nähe des immer noch nie Gedachten hereinhebt
(Kpivinv).Vgl. 146f. Das Zu-Denkende - ist das, was von sich aus verlangt, in seine 115
Wahrheit erfahren und aus ihr gesagt zu werden: dies ist der
Wenige lassen sich vom Gedachten überdenken. Unter-Schied.
Wenige der so Überdachten wahren ihr Zu-Denkendes in das Das Zu-Denkende ist das schon Zu-Gedachte - zugedacht als
Selbe. Sich-zu-weisend in der Weise des Ereignisses. Aber das Ereignis ist
Keiner weiß das Gesetz, das hier fügt. 150 nicht für sich ein Gegenstand, auch nicht der Gegenstand.
Ereignis ist das Sich-zu-eignen, der Zu-spruch, der die Entspre-
Das heutige Denken ist bereits so weit in das bloß e Meinen ver- chung ereignet.
düstert, daß es sich mit dem Glauben gleichsetzt und sich gleich Das Zu-Denkende ist daher nie eine bloß vorgestellte Aufgabe
ihm gebärdet. In dieser Verdüsterung sieht man keine Möglich- oder eine Idee oder ein Idea l.
keiten mehr für einen Aufschluß des kaum ereigneten Wesens des 0

Denkens. Man läßt dieses, von der Logik her geprägt, nur noch Erst wenn wir das Selbe als das Selbe denkend erfahren und nicht
160 Anmerkungen VII Anmerkungen VII 161

nur das Selbe, es erfahrend, denken, gelangen wir in das Freie der Das Wahr-nehmen, das Welt in die Hut der Sage aufnimmt,
Wahrheit. Es ist wehende Welt. hin-nehmend das Ereignete, ist weltisch - aber niemals »sinnlich«,
0 d. h. bloß von den Empfindungsdaten her bestimmt.
Die Philosophie entwickelt sich nicht von der Metaphysik zum Wahrnehmung ist außerhalb von jedem Sensualismus; so wie
Denken des Unterschiedes. Sondern mit diesem Denken beginnt Erfahrung nicht mit Empirismus in Beziehung gebracht werden
völlig Anderes. Genauer: das Andere, das Ereignis, er-eignet und darf.
be-ginnt das Denken.
Oft wird die Meinung noch abzuwehren sein, Ereignis bedeute 118
116 Ereignis hat sich ereignet. Wie? Das läßt sich nicht sagen; denn so Vorkommnis und Vorgang. Immer wird bei solcher Abwehr das
können wir nicht fragen; so fragen wir nur solange, als wir nicht Vergebliche zurückbleiben; denn durch keine Art von Vorstellung
Ereignete sind. dessen, was Bewegung nennt, läßt sich ein Anwink geben, um
Einblick wehrt jeden Versuch ab, eine Entwicklung vorzustel- Ereignis zu denken.
len.
Sagen wir: Welt sei Ereignis des Unterschieds, dann ist der Unter-
Wie, wenn Denken wäre: Wahrnehmen den Einblick? schied nicht etwas, was vorkommt, das Ereignis aber sein Vorkom-
Doch hierzu ist nötig, nicht nur die echte etymologische Bedeu- men. Der Genitiv in der Wendung »Ereignis des Unterschiedes«
tung von »Wahrnehmen« zurückzugewinnen, sondern auch und läßt sich nach dem vorstellend-aussagenden Sprechen überhaupt
allem zuvor das ereignishafte Sagevermögen diesem Wort eigens nie denken. Die Wendung sagt: der Unter-Schied ist als das Ge-
zu überlassen. viert der Welt er-eignend - das Wesende des Ereignisses eignet
Wahrnehmen besagt nicht das Wahre, Richtige nehmen und dem Unter-Schied, er west als Ereignen.
fassen, sondern:
Die Wahr - das Wahrende empfangend annehmen. Das Wah- Methode - Das Denken muß seinen Weg erfahren aus dem Ereig-
rende wahrt Welt. Die Wahr ist die Sage des Unterschiedes. nis. Aber dieser Weg ist nie bestellbar; keine Technik. So bleibt das
Wahrnehmung und Erfahrung, ereignet gedacht, gehen dem Denken ohne »Methode«; das unumgängliche Handwerk bringt
Denken nicht als einem Vorstellen des Allgemeinen voran, sie sind ihn vor den Zuspruch.
117 [ das Denken selber. Und zwar steht die Wahrnehmung im Dien-
ste der Erfahrung, die die Gefahr erfährt und in den Unter -Schied Das Abschiedswort an die Metaphysik lautet (vgl. V. H. II, 80): 119
einfährt - hier nimmt die Wahrnehmung Welt in die Wahr der Sein ist Welt. 163
Sage. Vgl. kürzer: 129. [Sein: Seiendes als Seiendes; Sein des Seienden,
Wahren ist hüten, garder - regarder: ist zurückwahren den Ein- Welt: Ereignis des Unter-Schieds.
blick: entsprechen dem Blick. »ist«: west; wesen als Welten .]
Zu dieser War des Wahrnehmens gehört: war [ ten - der Welt
warten - sie wahrnehmen (be-sorgen im wesentlichen Sinne). Welt aber ist nicht Erscheinung; sondern:
Warten: zum voraus in der Hut behalten. Zum »War«- des War- Erscheinen: Anwesen im angebrachten Geliebt ist Welten.
tens gehört das Warnen.
162 Anmerkungen VII Anmerkungen VII 163

Nur im Abschied noch kann das Denken des Unterschiedes den Nur der Beschenkte ist belehrt und dadurch behütet davor, daß er
Namen »Sein« gebrauchen; dann nicht mehr. Fortan jedoch und nur gelehrt wird.
seitdem erst bleibt »Sein« gewahrt. Beschenken kommt nur von dem, was zu vergeben, d . h. zu er-
eignen hat.
Sage den Einblick. Ereignis zieht den Kreis des Beschenkbaren. Vgl. 155.
Gedenke der Verwahrlosung.
Sein ist Welt.
Für das vorstellende Denken geht die Sage des Unterschiedes Die Tragweite des Wortes habe ich erfahren.
überall gegen jeden Sinn und bleibt im voraus unverständlich. Aber ich werde sie nie kennen.
Welten: ereignend, unterschiedlich.
120 Aber die Sage des Unterschiedes ist erst recht für das Denken des Welt: das Ereignis: der Unterschied. (Das Ereignis »des« Un-
Einblickes unverständlich; dieses Denken versteht sein Gedachtes terschieds.)
nie; denn Verstehen als Erklären aus allgemein Vor-gestelltem ist
der Art dieses Denkens fremd. Eines Tages wird man dvm durch Anwesen übersetzen oder we- 122
Es kann sich daher nicht verständlich machen; es darf sich vor nigstens »sein« in dieser Bedeutung denken. Man wird still-
allem nie verständlich machen wollen; schweigend dazu übergehen, so als ob nichts geschehen wäre, so
es wird solchen Willen auch nie kennen und versuchen, sobald als ob dieses andere Sprechen dieses Wortes eine lexikalische Lap-
es im eigenen Wesen ereignet ist. palie wäre und nicht die Kehre im Geschick des Seins; so als ob
nicht das Geringste dazu gehörte, erst einmal dvm aus dem Bezug
Unter dem Vielen, was gemacht wird und andrängt, gibt es kaum zur AAit0etuzu denken und diese aus dem Verborgenen Wesen von
etwas, was be-achtlich wäre. Sein zu erfahren. Aber es ist durchaus nicht nötig, daß man von
Be-achten - mit Achtung beschenken, weil es selbst Geschenk all dem etwas erfährt.
ist; Geschenk nicht an uns, sondern Geschenk aus Ereignis. Zunächst freilich wird man den Hinweis auf das, was dvm sagt,
Schenken heißt: aus Freiheit Freies geben; darin macht sich dazu benutzen, um dem Platonismus jeder Schattierung eine neue
ansäßig: zu trinken geben; einschenken. Krücke zu verschaffen.

121 Jeglich Ding hat sein Wort bei sich. Zum Platonismus gehören die unbekehrten und die umgekehrten
Wir hören es ihm nur ab. Pl atoniker.
Wenige wissen, daß Denken in einer langen Übung beruht, die
Wahre Sprache: sie vereignet jeglich Ding in sein weltisch Wesen. sich unablässig auf Gedachtes eingelassen hat.

»Sein« - heißt aus solchem Wesen: Ereignis. Dies Wort birgt in In das rechte Alter für das große Gedachte kommen wir erst an 123
sich die Jähe der Kehre, die ~ verwindet in: Welt. der Schwelle zum Alter.
Philosophieunterricht un d Einübung im Denken sind grund-
verschiedene Sachen.
164 Anmerkungen VII Anmerkungen VII 165

Jede Kunst ist handwerklich; auch die des Denkens; aber kein Autoren - sind Schriftsteller, die vom Lesen der Schriften leben, 125
Handwerk ist je schon Kunst. di e sie selber nicht schreiben und geschrieben haben. Sie stellen
diese Schriften mit gutem Geschmack und hoher Sorgfalt so zu-
Für die aesthetische Erfahrung der Kunst bestimmt das Form- sammen, daß der Anschein entsteht, das Ganze sei rein von ihnen
Inhalt-Verhältnis, also das Formende der Form, die auch den In- gestellt, zur Verfügung verschenkt, während es nur gestellt, d. h.
halt erst zu solchem be-stimmt, das Wesen des Kunstwerkes. Staffage in einem überdurchschnittlichen Sinne bleibt.
Allein, das Wesen der Form, dessen, was innerhalb der Meta- Autoren verstehen sich auf die Kunst, das Konversationslexikon
physik so genannt worden, entstammt dem Werk. auf ein höheres Niveau zu bringen und das Geschriebene als selber

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gemachtes anzubieten. Die Autoren gehören in das noch kaum
gelichtete Weltalter des Gestells. Man beschäftigt sich bereits mit
der eigenen Autorschaft.
Damit wird die For m nicht preisgegeben, sondern jetzt emp-
fängt sie erst aus dem Ereignis als dem Wesenden innerhalb des Ein wesentlicher Unterschied besteht, ob einer etwas für die Ewig-
124 Sich-ins-Werk-Setzens ihre Entschiedenheit. Diese I gehört in die keit schafft und dabei schon lächerlich ist, oder ob einer nur für
Fuge des Risses des Unterschieds - in einem mit dem Wort. seine Zeit dichtet und denkt, deren Ankunft außerhalb der Mache
liegt, die sich auch nie als Gegenwart feststellen läßt.
Form-Inhalt west aus Iloiricni; - diese ist die Verweigerung des Austragen das Weltalter der Kehre -
Ereignisses in der Weise des Her-vor-bringens in die Gestalt.
Ereignis und Eigentum. Besitz und Gestell. 126
Die Flucht in die Astrologie, zu dem kollektiven Unbewußtsein,
zur Anthroposophie entspricht in gebildeteren Bezirken die viel- Was wir be-sitzen, darauf sitzen wir und sind darauf versessen - ;
gestaltige Auferstehung des Platonismus. Man wird so an den Aus- das ist der be-stellte Bestan d.
gangsort der eigens sich einrichtenden Vergessenheit des~ Auch den Raub, das Geraubte, besitzen wir; aber es wird nie
zurückgesogen, ohne doch diesen Ort als solchen zu erkennen. Eigentum.
Man nimmt ihn vielmehr als den heilbringenden. Bei dieser Lage Dies entstammt dem Ereignis.
läßt sich vermuten, daß, wenn die »Holzwege« bekannt werden, Beide, Ereignis und Eigentum, nennen den Unter-Schied selber,
das Wegstück »Über Nietzsches Wort >Gott ist tot<«14 befremdet. als solchen, im »als« der Enteignis.
Man wird es übergehen; denn man kann jetzt eine Erschütterung Das Selbe ist Welt und Ding; jedes: Unterschied.
des Platonismus nicht brauchen. Auch der Expressionismus und Aber die Zwiefalt beider?
die abstrakte Kunst gehören in den Platonismus. Jedes ist das Unvereinbar e;
der Unter-Schied des Unvereinbaren. (Das Selbe). Vgl. V. H. II,
78.
0

14 [Martin Heidegger: Nietzsches Wort »Gott ist tot«. In: Ders.: H olzwege. GA 5.
Die Einfalt ist die ereignende Enteignis von Welt in die Stille des
A.a.O., S. 209-267.] Ratsals. Einfalt ist stille Wahrnis des Unterschieds.
166 Anmerkungen VII Anmerkungen VII 167

0 Das Gestell aber verwehrt Ortschaft, denn es errichtet die Ver-


Die Einfalt des Unterschieds ortlos in der Oede des Gestelles. gessenheit vollständig in ihrem eigenen Entfall und sichert so
128u. ihren Bestand. V. H. II, 78.

127 Der Rachen der Rache - Denken: erfahren den Unterschied; 129
Daß sie nichts in sich beruhen läßt; daß sie alles ins Öffentliche erfahren: Welt wahrnehmen in die Sage. Vgl. 117.
zerrt und dafür verrechnet. Daß sie da jeden fesselt und nie ein- Wahrnehmen: in die Wahr verwahren.
kehren läßt in die Einkehr zum Einblick. Jede Sage gilt nur als Wahrnehmung: Empfangen das Ereignis in das Schonen der
Aussage und diese rechnet auf die folgenden; alle versperren den Stille. Schonen als das Verhältn is; verhalten aushalten im Sinne
Weg zurück zur Sage , die nur ist , wenn sie eigentümlich geeignet von hüten, wahren.
bleibt. (86)
Denken ist: Wahrnehmen den Unterschied.
Holzwege - Die beiden Mittelstücke zu Hegel und Nietzsche wird regarder wirklich übersetzt: gewahren - das Wahrgenommene
man am wenigsten schätzen und noch weniger bedenken. Aber in die Wahr versammeln, zu sich zurücknehmen.
sie gerade gelangen in die Nähe des Ortes der Ent-scheidung des 0

~ in die Jähe der Einkehr des Unter-Schiedes. Wer das Unge- Erst vom Gestell aus ist Vorstellen in seinem Wesen erfahrbar. In
sprochene dieser zwei Wege im Durchdenken nicht erfahren hat, diesem erkennen wir die Weite des Abstandes, den alles Vorstellen
kann die übrigen zwar zu mancherlei Allotria der Wissenschaften zum Ereignis einnehmen muß. Das Vorstellen hängt im Be -stel-
benutzen; aber er gelangt nicht in das Denken. Um den Nietzsche- len .
Weg wird man sich verlegen herumdrücken; den Hegel-Weg fin- Anders denn dieses ist das Verhalten (wobei halten als bewah -
128 det man zu verwachsen mit hartem Gestrüpp. Kaum an- ! gelesen rendes hüten gedacht wird). Aus dem Vorstellen in das Verhalten
wird ihnen das Buch höchstens als etwas Vorläufiges erscheinen; ist kein Übergang. Auch der Sprung springt nicht aus jenem in
man wartet dann schon darüber hinweg auf das folgende und dieses; er entspringt der 1, Jähe des Ereignisses. 130
merkt nichts vom Ungesprochenen des Unterschieds.
Man möchte mehr und verachtet das Wenige. Alles Anmerken des Bedenkens dient der Befreiung des Denkens
Man verlangt Lösungen, platte Antworten, feste Positionen und in das Ereignis.
fragt dabei immer noch nicht, wo in welchem Bereich von Wahr-
heit und ~ solches stehen und sich ergeben solle. Denken ist Erfahren des Unterschiedes.
Ein Merkmal für dieses Ausweichen vor dem Denken als Er- Erfahren ergeht den Weg in die Ortschaft des Ereignisses .
fahren bleibt immer noch das Verhältnis der Heutigen zum Denk- Der Weg verlangt den Gang über Feld.
weg Nietzsches. Der Gang dauert lang. Das Feld weitet sich weit; bis in den
0-0 H erbst eines Lebens; da ist vielleicht Ankunft.
Denken muß sich dort ansiedeln, wo jede Ortschaft fehlt, weil Denken als erfahrendes vermögen wir erst aus der Reife des
sie versagt bleibt. Denken muß selber die Ortschaft werden dem Alters; doch Reifen glückt nur im Gedeihen des Keimes; diesen zu
Ereignis. hüten, ohne ihn doch zu kennen, ist das Schwerste.
168 Anmerkungen VII Anmerkungen VII 169

Erfahren verlangt die ganze Gefahr eines Lebens und jeden Wir, die wir Menschen sind, müssen, Welt sagend, solches den-
seiner Aufenthalte. ken, was sich nur mit im Menschenwesen ereignet und gleichwohl
ni chts Menschliches ist.
Wissen: Gesehenhaben das Angesicht des Zurufs der Stille. Sol- Das Befremdliche für alle Metaphysik: Zum Seyn, daß es wese,
ches Wissen wird nie Gewißheit im Sinne der Sicherheit. gehört das Menschenwesen. Der in seiner Wesenswahrheit noch
ungedachte VViderschein davon ist, daß die Metaphysik Sein als
131 Denkend das Nichtende, den Unterschied, die Enteignis der Welt Subjectität denkt und das Subjekt menschlich vorgestellt wird.
zur Stille, sind wir Ereignete, Erblickte; haben wir gesehen; wis- Der früheste, noch unerkannte Widerschein aber verbirgt sich in
sen wir- dem Wort: .o yap au.ovoEiv fo.iv .e Kaidvm. 16

Der Weg. Von »Sein und Zeit« gibt es keinen Übergang, im Sinne Fü r »Sein und Zeit« sind die Leittitel: Sein und Dasein. Dieses 133
eines Fortschritts, in das Denken des Unterschiedes. Dazwischen nennt das Wesende des Da: der Austrag der Wahrheit; jenes nennt
liegt die in der Kehre ereignete Kluft . Aber deshalb ist der Weg in Sein als Differenz zwischen Seiendem und Sein beschlossen im
»Sein und Zeit« keineswegs hinfällig geworden. Eher bedürfte es transcendens: die Wahrheit der Differenz. Bis zum »Wesen des
noch eines Versuches, die Analytik des Daseins in das Eksisten - Grundes« noch herrscht der Versuch vor, durch Ergründung der
tiale noch entschiedener an ihre Grenze zu bringen, um die im von der Differenz her gedachten Transzendenz das Wesen der Dif-
»Da« schon mitgedachte Lichtung des Seins (im Sinne der Diffe- ferenz zu erfahren. Aber so noch bleibt, obzwar sie genannt und
renz) reiner zu erfahren und dadurch an den Rand der Jähe der sogar befragt wird, die Differenz vergessen, vergessen insofern, als
Kehre zu gelangen. Die Zugehörigkeit des Menschenwesens zum sie nicht in ihre eigene Wahrheit als der Unterschied zugelassen
Seyn käme anders zum Vorschein; die Gefahr, trotz Da-sein und ist.
AAi]0ina,alles doch im Sinne eines abgewandelten Subjektivismus X
zu verstehen, wäre entschiedener gebannt. Die Differenz läßt sich erst dann als der Unterschied in das ihr
»Geschichte des Seins« (Humanismus-Brief) 15 ist eine verhül- entsprechende Denken ein, wenn dieses im Ereignis von Welt dahin
lende Wendung. vereignet ist . Vgl. 139f., 142.
0-0
132 Menschenwesen und~- Der Mensch
Weil der Mensch zum Wesen des Seyns gehört, so daß ohne das Wer kennt die Stille, der sich Welt entweitet?
Menschenwesen ~ sich nicht ereignet, weil jedoch der Mensch Wer wagt zu wohnen, wo das Glück entgleitet?
gleichwohl nicht das Seyn schafft, noch seine Zugehörigkeit zum Was ruft die Jähe in ihr Jahr?
Seyn dieses erschöpft, muß der Mensch den ersten Schritt in das Wem neigt Ereignis zu: die Wahr?
Ereignis tun. Dieser Schritt ist der Rückschritt in sein Denken, Und wer entspricht dem Welt -Gedicht?
ist dieses selbst.

15
[Heidegger: Brief über den Humanismus. In: Ders.: Wegmarken. GA 9. 16
[Die Fragmente der Vorsokratiker . Bd. 1. Hrsg. von Hermann Diels. Weid-
A.a.0., S. 339.] mannsche Buchhandlung: Berlin 4/1922, 18 B 5.]
170 Anmerkungen VII Anmerkungen VII 171

134 Welchem Gedicht? Denken

Das Ende der Geschichte Entfache


Einfalt
Ohne Wende in die Sache
nur noch Ende; lerne Anhalt
denn Geschehen endet an die Wache
und sogar Geschick, vordem Riß
darin sich Jähe sendet, der Finsternis.
selber ohne Kunft und Gehen,
ohne Augenblick. Gedachtes wirkt nicht; höchstens dadurch, daß es in mannigfalti- 136
Nur Nähe rinnt. ger Weise mißverstanden wird.
Sie läßt spenden Gedachtes rührt nicht an Gewirktes und das Wirkliche.
Ihr Verschwenden.
Welt beginnt. Denken bewirkt nichts; dennoch muß allem zuvor gedacht sein.
vgl. 185
Denken legt die Schatten an die Dinge. So treten sie in ihren
[Welt-Geschick nimmt als das Ereignis das Wesen von Geschichte Glanz.
und Geschick in die Enteignis des Unterschiedes zurück.]
Die meisten lösen sich schwer und selten von der Überschätzung
135 Welt des Denkens, von dem sie in der Gestalt der Philosophie das Licht
und die Kraft, die Leitung und den Halt erwarten. Werden sie
Im Tausch der Blicke enttäuscht, beschuldigen sie das Denken, statt von der Überforde-
durchs Geviert rung abzulassen, die sie daran hindert, auf das Denken und sein
ruhn die Geschicke Unumgängliches sich einzulassen. Unumgehbar ist dem Gang des
steht der Hirt Menschen sein Wesen, das zur Welt gehört, die dem Wort ent-
zieht der Riß stammt und die Sage braucht.
geht die Berufung
durchs Verließ Das Ku'inzige: die im voraus überall überholende Freiheit zum 137
im Bau der Stufung Je-nach-dem alles Wesenhaften, die Selbständigkeit im Unter-
Schied.
Es steht im Anschein, daß auf nichts ein Verlaß ist, es sei denn
auf das Je-nach-dem - um hier nicht dem Beliebigen und Lau-
nischen anheimzufallen, muß einer weit eingelassen sein in den
Unterschied. Dieser ist das Element für das Je-nach-dem. Das
172 Anmerkungen VII Anmerkungen VII 173

Ku'inzige kennt nicht das Entweder-Oder; kennt nicht das Sowohl- Grundes, 3. Auflage und sonst) eigens noch einmal zu nennen. Die
-als auch; kennt nicht das Weder-Noch; es hat erkannt das Je-nach- Einsamkeit mit ihr schien unaustragbar, das Vorbeigehen an ihr
-dem; es hält (d. h.) hütet das Eigentümliche je in seinem We- schien immer hartnäckiger zu werden, die Gelegenheit, auf Mit-
senden; es wohnt im Eigentum des Ereignisses; ist nicht Willkür, denkende zu treffen, schien günstiger. Doch dies alles entschuldigt
sondern hält sich an das Maß, das im Eigentümlichen geborgen den Irrgriff nicht, der darin liegt, die Differenz erneut dem Vor-
ist und entschieden. 155 stellenden Denken und dem gelehrten Verhandeln prei sgegeben
Aber es ist weiteste Gefahr der Ek-sistenz. 157 zu haben; denn sie gehört dem Unterschied.
0-0
Doch ist darum auch keine Gefahr, daß die Differenz zu eilig
Bedenke die Unterkunft von Sein während der Vergessenheit der als Problem erledigt wird. Alles Vorstellen erfährt sie nicht; denn
Differenz trotz der Verwahrlosung. Bedenke Verweigerung als diesem bleibt schon verwehrt, auch nur »das Sein« different gegen
Gewähr aus Ratsal. Vgl. 141. das Seiende zu stellen, gesetzt, daß hier »Sein« als Fragwürdi-
ges gedacht bleibt, als welches es freilich nur zum j Schein un- 140
138 Wir brauchen zur Auslegung des Gedachten immer noch einen tergebracht wird, als Gegenständlichkeit und Objektivität in der
zu breiten Aufwand, auch dort, wo wir nur das Gediegene be- Subjektivität, deren »Sein« fraglos bleibt, als actualitas im actus
achten, das unser Denken angeht. Nähern wir uns dem Ort, wo purus, dessen agere ungedacht bleibt in seiner Wesensheimat, als
das Gedachte nur bleibt, wenn ein Denken auf sein Eigenes sich evtpyeia sogar und als iöfo (Aussehen und Prägung), die insglei-
beschränkt und so schweigend dem Gedachten antwortet? Dieser chen wie dvm wahr-los bleiben.
Ort ist die Nähe selbst, in der sich das Gedachte des Seyns in ihre Die Wahr weist schon in den Austrag als Unterschied; weil aber
Einfalt läutert und die Sage, nur dieses sagend, zu'r Erläuterung diese Weisung gemäß der Vergessenheit verwehrt bleibt, bleibt
wird. Das Gedachte ist jetzt namenlos in einfache Sagen entfacht. dvm und sein Gefolge wahrlos vergessen stehen und sucht Unter-
Sie erscheinen freilich dem noch verbliebenen historischen Vor- kunft in der poietischen und gestellhaften Beziehung zum »Sei-
stellen leer und zusammenhanglos. (Nähe als die vierte, d. h. ei- enden«. »Sein« scheint hinreichend gewahrt, wenn sein Erfolg im
gentliche und einzige Dimension des Gevierts. Dimension: die Seienden als solchen gesichert ist; darum ist es nur noch ein Schritt,
Durchmessung als Verhältnis der Welt). Vgl. V.H. II, 45. »das Sein« selbst als das Seiendste vorzustellen. Dies erlaubt dann
Erläutern: das Lautere der Einfalt, die den Unterschied enteig- die Differenz im weitesten Sinne theologisch zu nehmen als das
net zur Stille (läutert), entsprechend sagen. Erläutern denkt vom Verhältnis zwischen »dem Sein« als der ersten Ursache alles Sei-
Unterschied her. enden (dem Seiendsten) und dem verursacht gewirkten Seienden.
Auslegen: geht vom Gesprochenen des Gedachten aus - denkt Mit dieser Aufnahme des j Problems der Differenz ist jeder Weg 141
auf Verständlichkeit. zu ihr verlegt; der Weg zu ihr jedoch verlangt unterwegs ein an-
deres Denken; Seyn kommt zur Erfahrung, mit ihm der Wesens-
139 Verwirrung droht. Der erneute, lang zurückgehaltene Hinweis auf bezug zum Menschenwesen, mit all dem: der Anklang von Welt .
die Differenz führt dazu, jetzt übereilt die Differenz zum Thema 0
der Metaphysik zu machen, gleich als ließe sich das Licht mit Nötig aber wird, eines Tages zu zeigen, wie innerhalb der Verges-
Hilfe von Sensen und Rechen einheimsen. senheit des Unterschiedes das »Sein« eine Unterkunft findet- die
So war es denn ein Mißgriff, neulich die Differen z (Wesen des Subjektität als solche des Vorstellens und Wissens - Gewißheit; die
174 Anmerkungen VII Anmerkungen VII 175

Subjektität als die des Subjectum qua causa prima; die Subjektität o-O 143
als die des uxoKeiµevov qua cruvoA.ov(epyov): oucria als ev&pyeiaund Das Wesen des Gestells :
iöfo. Das Gestell ist die Gewähr des Seyns, Gewähr aus Verweige-
Die Unterkunft des »Seins« trotz der Verwahrlosung der Diffe- rung der Wahrnis des Unterschiedes.
renz. Die Unterkunft bleibt seit der Ä.A.iJ0etaund mit dieser unge-
dacht, aber gewährt durch Iloil]crt<;- Gestell. Die Unterkunft und Die Vergessenheit des Austrags: Jähe der ereignenden Einfalt. Die
die Art ihrer Vergessenheit sind jedoch Züge der Weise , wie die Weite ihrer Jähe; sie ist unermeßlich durch jede Geschichte.
Verweigerung des Unterschieds die Herrschaft des Seienden ereig-
net. Die Verweigerung ist Gewähr der verborgenen Enteignis als Das Gestell: die Verstellung der Vergessenheit .
der Wahrnis des Ratsals. In der Unterkunft verbirgt und verfestigt
sich die Vergessenheit. Gestell und Anwesen -
Anwesen, eivm, e6v, denken wir nur voll, wenn wir es aus dem
142 Die Unterkunft erstellt den Anschein, als sei »Sein « im Wesen ,:oaui:6 - mit voe'iv denken - als Anwesen-Lassen - Im Anwesen -
gewahrt. Dieser Anschein bringt mit sich, daß eine Frage nach Bringen (<l>ucrii;)
und als Anwesen zu ... Aufenthalt bei - und so
der Wahrheit von Sein nicht nur für überflüssig gehalten, sondern vernehmen. Sonst denken wir dvm zu leicht nur aus dem avti - das
überhaupt nicht verstanden wird. Demzufolge wird die Frage, wo Gegenüber innerhalb der Unverborgenheit.
sie auftaucht (mit »Sein und Zeit«) übergangen oder als eine Ab- Zu bedenken, woher von früh an die Einengung von dvm - ge -
art der Frage nach dem Seienden als solchen genommen. Dieser gen 111uxiJ
- und diese? Vgl. 166f.
Absicht kommt noch die Unentschiedenheit der Sprache und des
überganghaften Denkens in »Sein und Zeit« entgegen . Der Unterschied. Lange schien er das Nichtige, ein Nichts zu sein, 144
0 Gebild des Vorstellens. Langsam erschien er als das Nichtende, aus
Der Weg in die Differenz - Seitdem sie, sie als das Ungedachte, sich Rufende, dem kein Gehör entsprach. So blieb das Ausharren
erfahren war, schwankte der Gang des Denkens zwischen vielfa- im Unterschied lange ohne denkbaren Anhalt - der Anschein des
chen Versuchen, sie doch noch aus Anderem (Transzendenz - Frei- Unfaßlichen, Unsagbaren überwog. Bis der Unterschied sich in
heit) zu ergründen und der wachsenden Vermutung, die Differenz das eigene Einfache barg und reines Entsprechen verlangte, ohne
möchte aus ihr selber das eigene Wesen sagen: den Unterschied. Hinter- und Tiefsinn.
Indessen lichtete sich das wehend Ereignende des Austrags deut- Aber dennoch fremd und fern; bis die Ferne sich als die Dimen -
licher (Beiträge),1 7 die Scheu vor der Zugehörigkeit des Seyns zum sion der wehenden Nähe erwies und Verhältnis verlangte ; bis jedes
Menschenwesen (Dasein) schwand; der andere Stil des Sagens Wort der Sage durch die Kehre ging und vierfältig erblühte ; so daß
wurde frei. Vgl. 144. die vormals gesuchte Nachbarschaft zum Gesang aus der Nähe
rückte und das Gedicht des Denkens ins Freye gelangte und der
lange Weg des Denkens sich im rein Gedachten bestätigte .
Weder verbiegen noch über eins stimmen, sondern entsprechen,
17
[Martin Heidegger: Beiträge zur Philosophie (Vom Ereignis) . GA 65. Hrsg.
so daß die Sprache die Entfernung wahrt, die dem weltischen
von Friedrich-Wilhelm von H errman n . Frankfurt am Main 1989.] Spiel der Nähe eignet.
176 Anmerkungen VII Anmerkungen VII 177

145 Das eigentliche Ratsal bleibt: die Lichtung des Sichverbergens. und zwar rein und bloß vom nur Differenten in der Differenz als
Die Lichtung ist wehend . Das Sichverbergen ist enteignend in solcher. Die Skepsis sieht durch I die von ihr erst ersehene Diffe- 147
das Ereignis. renz hindurch in den Unterschied .
All dies ist ledig des Geheimnisvollen und des Dunklen; gehört Die Skepsis ist kritischer als die Kritik der reinen Vernunft, die
dem Gelicht des Blitzes. zum ersten und einzigen Mal seit dem Denken im öv TIöv die-
0 n
sem zu folgen und es aus dem Selbstbewußtsein des »Ich ~enke
Erst wenn wir die Zugehörigkeit des Menschenwesens zum Seyn Gegebenes « zu ergründen versucht. Das qua untergebracht in der
gedacht haben, erfahren wir, wie wesenhaft menschlich alles Sei- Einbildungskraft.
ende ist; um so menschlicher, je weniger subjektiv es, je weniger Die Skepsis erfährt das Kritische der Kritik, bleibt aber nicht
als Objekt es vorgestellt wird . dabei stehen, sondern denkt es als Differentes in der Differenz;
Der Sachverhalt als das Verhältnis. denkt diese aus ihrem Wesen als Unterschied; behält nur dieses
Der Unterschied ist der Sachverhalt, bei dem solches Denken in der Sicht und ist nur Skepsis .
aushält . Aber was heißt hier Sachverhalt? Die Sache ist der Streit. Die Sage des Unterschiedes geht darum nicht wie der absolute
Im Streit ist das Geviert der Welt durch das vierfältige Spiel, das Idealismus über Kant hinaus; hierbei würde nur das transzenden-
Menschliches und Göttliches, Himmel und Erde auf ihr unter- tale Vorstellen auf die Subjektivität zurückgewendet und dadurch
schiedliches Wesen ermißt und so darin verwahrt, verhütet, ver- absolut genommen. Das Kritische (das Differente als solc~es in
hält. Der Verhalt der Sache, die Wahrnis des Streits ist der Unter- seiner Differenz) ließ alle Metaphysik des deutschen Idealismus
schied. so ungedacht wie Kant selbst -; er gelangte durch eine Abso~ut-
setzung des Ontologischen zum Ontischen des Absoluten: SubJek-
146 Das Selbe: Welt und Ding, jene un d dieses, sind der Unterschied; tit ät des u1to1CEi-l
µevov aus der unendlichen, schaffenden, bildenden 148
und nur sie. Was sagt hier »sind« ? Dies vermag nur der Unter - Subjektivität.
schied zu sagen. Nach dem Gesagten ist es daher im vorhinein irrig, das Denken
Ding versammelt die Enteignis: ist der Schied der Welt. der Differenz aus dem Unterschied sich in der Weise verständ-
Welt ereignet das Geviert: ist das Spiegel -Spiel des Schieds. lich zu machen, daß man es mit Hegel und Schelling in Zusam-
[Welt nicht das Ontologische zum Ding als dem Ontischen. menhang bringt oder gar identifiziert. Die entschiedene ~bk~hr
Ebensowenig beide ontologisch; vielmehr beide nicht innerhalb kommt nicht aus der Sorge um die eigene Originalität; es gibt 1m
des Differenten; sondern die Differenz selbst.] D enken keine Originalität - sondern nur die reine Fügsamkeit in
0-0 das Selbe.
Kant - Der Kritik der reinen Vernunft entspricht in der Sage des Doch dieses verbirgt sich im Unterschied .
Unterschieds die Skepsis der reinen Kritik. Vgl. ob. 113, 153, 171. Nicht weniger irrig aber ist die Meinung, das Fragen nach_?-em
Kritik nennt hier die Ab- und Hinaushebung des Transzenden- »Sinn von Sein« seit »Sein und Zeit« sei ein kritikloses Uber-
talen, d. h. des Ontologischen, für das jedoch das Ontische als das schreiten der von Kant gezogenen Grenzen. Kant hat hier über-
Gegenständige für das Vorstellen gedacht ist. Die reine Kritik be - haupt keine Grenze gezogen, weil er die Differenz als Differenz
schränkt sich nicht auf diese Auslegung des Anwesenden, sondern gar nicht sah; die Grenzziehung betrifft den ontischen Gebrauch
denkt dieses in allen seinen seynsgeschicklichen Möglichkeiten des für sich genommen Ontologischen.
178 Anmerkungen VII Anmerkungen VII 179

Wie aber, wenn es sich einzig darum handelt, di eses Ontologi- Existenz«- (Sein und Seiendem) fußt nicht nur in der Subjektivität,
sche nicht ontisch, sondern gerade erst eigens und nur in seinem sondern gehört als Ganze auf die Seite des Ontolo- j gischen; denn 151
149 TIals solchen zu j denken. Dadurch wird Kants Kritik nicht in sie versucht das Wesen jedes Wesenden, das Sein jedes Seienden,
den Wind geschlagen, sondern sie wird erst eigens wieder aufge- du rch diese Unterscheidung zu kennzeichnen; jedes Wesende ist
nommen; aber nicht nur gradweise kritischer vollzogen innerhalb Lebendiges und als dieses Natur und Geist; die ontologische For-
des von Kant erreichten Bezirks; sondern der Bezirk selber, das mel ist die Unterscheidung von »Grund und Existenz«, die termi-
TI,und nicht nur das Kantische, sondern das aller Ontologie und nologisch später dann seltsam schillert und sogar umgekehrt wird,
Metaphysik als solcher, wird im Erfahren der Differenz durch das ohne daß sich in der Sache das Geringste ändert.
Denken des Unterschieds als das Wesen des Seyns erreicht. Von der Differenz des Seienden (Anwesenden im weiteren
Die Skepsis der reinen Kritik ist nicht nur kritischer als Kant , Sinne) und des Seins (Anwesen) her gesehen, gehört Schellings
sonern sie gelangt in die reine Kritik. Die Skepsis ist die Sage der Unterscheidung auf die eine Seite des Differenten zum Sein, das ja
Welt. die spätere »negative« rationale Philosophie systematisch erörtern
Die Sage der Welt ist die Erfahrung der Differen z als das Den- möchte, aber nicht ausführt; während die »positive« Philosophie
ken des Unterschiedes. auf der anderen Seite der Differenz, im Differenten als dem On-
tischen, Faktischen, Fuß faßt. Die spätere Differenz der >>nega-
~ant bleibt im ontologischen Dogmatismus gleich aller Metaphy- tiven« »und« der »positiven« Philosophie zeigt am deutlichsten,
sik, obzwar er allein das qua im ens qua tale eigens vorstellt, in- wie entfernt Schelling davon blieb, diese Differenz als solche in
sofern er sich deutlicher innerhalb des Differenten bewegt, ohne ihrem Wesen zu erfahren und zu bedenken. Das »Und« zwischen
doch je die Differenz selbst als solche zu erfahren. Aber dieses dem »negativen« einerseits, dem »positiven« andererseits bleibt
150 anscheinend Geringe: die Differenz selbst und als solche - / dies durchaus ungedacht; Schelling taumelt von einem zum j ande- 152
ist das alles Entscheidende. Ihm gemäß ist das Denken des Unter- ren; dies auch erlaubt ihm, in einer wenig durchdachten Weise
sch_iedsskeptischer und vorsichtiger als jede Kritische Philosophie. die metaphysische Überlieferung in sein spätes System hineinzu-
Es ist Verblendung, zu meinen, man könne mit Kantischen Argu- verarbeiten.
menten das Geringste gegen dieses Denken ausrichten. Man er-
reicht es so überhaupt nicht, man schlägt seinen Stock in seichte Das Erfahren der Differenz im Denken des Unterschieds ist kriti -
Gewässer. Denn man wird auch blind gegenüber dem Schritt, den scher und skeptischer als je eine Kritik und Skepsis in der Philo-
Kant vollzogen. sophie zu sein vermochte. Dieses Denken bleibt darum auch vor-
Wie entschieden Hegel im Dogmatismus des Transzendentalen läufiger als man heute zu denken vermag.
verbleibt, d. h. die Differenz unbedacht übernimmt und innerhalb Dieses Denken bleibt deshalb leerer, unergiebiger, aussichtslo -
ihrer sich bewegt, wie er diesen Dogmatismus durch die Dialek- ser als je eines zuvor.
tik sogar verfestigt und verabsolutiert, wird einem nachdenkli - Dieses Denken bietet keinen Inhalt, liefert keinen Anhalt,
chen Leser demnächst durch die »Holzwege« zugänglich werden. lüftet keine Geheimnisse, zeigt keine Ziele, verspricht keine Er-
I~ gleichen, später noch verstärkten und vergröberten Dogma- lösung und verhilft nicht zu wissenschaftlichen Entdeckungen.
tismus des Transzendentalen bleibt Schelling; denn gerade seine Dieses Denken denkt lediglich; es hat seine Strenge darin, dieses
von Leibniz her bestimmte »Unterscheidung« von »Grund und »lediglich« auszutragen.
180 A nmerkungen VII Anmerkungen VII 181

Dieses Denk~n geht im Riß, der erst gediegene »Form« und Wer ermißt das Maß des Geringen?
Andrang von »Inhalt« in ihrer Differenz zu ihrem Austrag ereig-
net und anfänglich anders fügt. (Differenz von Inhalt und Form; Wem wird das Geringe zum Verhältnis, damit es mäßig sei in
Welt/Ding »im« Unterschied). diesem? 49

153 Was man am schwersten verstehen und lange Zeit nicht wahr- Das Geringe als die Versammlung des Ringes, der I sich in der 155
haben wird an diesem Denken ist, daß es das Vorläufige des Un- Quadratur des Unterschiedes ereignet. .
scheinbaren und Nichtend-Nichtigen bleibt und bleiben muß. - Dieses Gering und das Ringe als das Schwebende des Sp1egel-
Im Gesichtskreis dieses Denkens gesehen, bleibt auch eine sol- Spieles, obzwar in der Wortwurzel verschieden, aus dem Laut in
che Überlegung hinfällig, weil es keine zukünftige Wirkung be- eins gedacht-; nichts Gewaltsames, sondern ein alter verborgener
rechnet und sich auch an keiner eingebildeten Mission seine Be- Brauch der Sprache. V. H. II, 81. 85.
deutung einbildet. Es darf nur, wenn je »auf« etwas, nur daran
18
denken, in sein Gedachtes zu gelangen. Holzwege - daß auf ihnen bisweilen »eine Last von Scheitern«
Die Zwiejalt der Differenz aus der Einfalt des Unterschieds. getragen wird, ist verschwiegen; aber einigen vielleicht so merk-
Die Skepsis des unterschiedlichen Denkens ist weder ein bloßes lich, daß sie es für sich behalten.
Zweifeln an allem, noch ein nur vorläufiger Zweifel, noch auch der
Durchblick durch die dialektischen Stationen in das Absolute im Wenn dir dieses unbequem:
Sinne Hegels - die Skepsis der Sage der Welt ist die Durchsicht in allem Wesen je das Je-nach-dem,
durch das ZwieJältige der Differenz in den Unterschied. Sie ist flieh das Denken!
Durchsicht in den Einblick, als welcher das Ereignis Welt zum Nur im Freien
Ratsal enteignet. mag sein Schenken
Die Skepsis sieht in die Vierfalt des Ereignens, gehört der Ein- recht gedeihen.
154 /alt der Enteignis. Doch all dies nur I und erst in Bereitschaft für vgl. 121
die Kehre - auf der Wache für ihre eine Sache. Denken achte stets darauf, daß es bedenklich bleibe.
Dieses Denken kann nicht mit dem Aufwand seiner Mühsal
paradieren; woraus sich einigermaßen und bei nötiger Geltungs- Im Denken fragen, heißt: bedenken, immer wieder bedenken, ob 156
sucht allerlei Werke anfertigen ließen. und wie es in der Antwort zum Wort steht, als welches das Wesen
Aber es sieht nicht so aus, als sei die Menschheit gesonnen, von des ~ spricht.
der Freiheit zum Schweigen einen Gebrauch zu machen. Dazu
müßten ihre Ordner und Antreiber erst etwas zu sagen haben. Alles Gedachte ist als Gedachtes menschlich. Aber zu bedenken
bleibt welchem Wesen des Menschen dies Menschliche zuge-
0
'
•• [Vgl. Friedrich Hölderlin: Mnemosyne. Dritte Fassung. In : Ders.: Sämtliche
In der geringen Sage ruht das weite Schweigen. Werke. Bd. 2.1. Gedichte nach 1800. Hrsg. von Friedrich Beißner. W. Kohlhammer
Verlag/ J. G. Cottasche Buchhandlung Nachfolger: Stuttgart 1951 [= Stuttgarter
Nur in jener läßt sich dieses versammeln. Hölderlin-Ausgabe], S. 197.]
Anmerkungen VII 183
182 Anmerkungen VII

schrieben wird ..Wenn das Wesen des Menschen in das~ ge- Der Unterschied
hörte, wie stünde es dann mit dem Gedachten? Wenn das Den-
ken sich nicht erschöpfte in der ratio, die (vorstellend) etwas für Er eignis dingt zur Stille: We lt.
etwas hält und nimmt (re-praesentiert : etwas durch etwas dar-
Welt 158
stellt) »durch« .. . und »für« ... , d. h. gründend, anführend solches,
woran etwas liegt - was verschuldet. -
Die menschliche Figur des ~ entstammt dem Ereignis der Das Spiegel -Spiel
Fiktion der Welt. im Je -nach-dem
(Fiktion nicht als Hirngespinst, sondern als fictio im Sinne des verschenkt zuviel,
Ereignenden Bildens .) verwirft System.

Auf der Irrfahrt des Denkens hängen die Anhänger ab .

157 Zur Herrschaft des Gestells gehört, daß Bücher über das Schwei- X
gen geschrieben und überall besprochen werden. 19 Die Lobredner Im Anfang des ~ war Welt, verborgen jedoch in der Verges-
des Schweigens genügen so dem Willen , alles als Bestand bestell- senheit, die Gelicht entließ, Anwesen zu bergen.
bar zu sichern.
Saat
Denken? 161
Ihr sucht Entstiegenes
Licht? in Traum und Not.
Ein solch Geschenk Sät erst Gediegenes
bringt Denken nicht ; zum Baum aus Tod.
bleibt eingedenk
des Ungewiß;
nur fügt's den Riß ,
drin Licht erst blaut, Bedenke das Geringe der Dinge -
durchrankt vom Laut,
des stillen Falls Fragend sind wir , d. h. eingedacht in den Riß der Welt . 159
sich regt im »als .. .« Eingedacht: dem Entsprechen vereignet, das im Geviert des
der Einkehr Unterschiedes das Gegenwort zum Wort der Stille in die Sprache
ohne Heimkehr. sagt . Die Sprache selber ist das Welt/Ding. Das Wort der Stille
kein Gegenüber zum menschlichen Sagen, sondern im Wesen der
'" [Vgl. z.B: Max Picard: Die Welt de~.Schweigens . 2/ Eugen Rentsch Verlag : Sprache ereignet sich das vierfältige Widerspiel von Wort und
Erlenbach-Zürich 1950 oder Josef Pieper: Ub er das Schweigen Goethes. Kösel-Ver-
lag : Münch en 1951.] Gegenwort, welches Gegen - der Mensch nur eigens zur Spra-
184 Anmerkungen VII Anmerkungen VII 185

ehe bringt, um ~o dem Eigentum des Ereignisses zu entsprechen. Stille dem Laut,
176 ff. Schleier dem Licht;
Das denkende Fragen ist unvergleichlich mit allen Erkun- Geläut und Gelicht:
dungsfragen, die an das Anwesende ergehen, sogar das vorstel- Das Gebirg der Enteignis:
lende Denken bewegt sich mit seinem: Warum, Weshalb, Woher- Das Ratsal im Welt-Riß.
Wohin, mit seinem Was ist es? in der Erkundung des Anwesenden
und zwar als des Anwesenden.
Das denkende Fragen jedoch er-fährt das Wo der Nähe, bedenkt
die Ortschaft der »Zeit« im Sinne der Welt-Stille. Denken befreit das Spiegel-Spiel der Welt in das Gebirg der Spra-
Alles übrige Fragen treibt sich im Raisonnieren umher. che.

160 Das denkende Fragen, das Antworten ist, trifft den Ton im Tonfall Man verlangt vom Denken gern, daß es sich anschaulich darstelle.
der Stille, die im Riß entschwingt. Das Anschauliche gibt jedoch nichts, wenn das Denken nicht in
Dieses Antworten steht im Riß. Es liefert keine Versicherungen . sich gebirgig ist. Die anschauliche Beschreibung täuscht eine Ver-
Für das Denken gilt: wer nicht antwortet, kann nicht fragen. ständlichkeit vor, wo im anscheinend Gedachten (im Dargestell-
161 u. ten als Vorgestellten) der Verstand fehlt. Verstand ist nur dort, wo
das Denken im Stand des Fragens steht. 160 ob.
Die Irrfahrt des Denkens erfährt den Unterschied. Das Denken
erwohnt Welt. Denken ist nicht Danken; so endete es im Gedankenlosen, falls 162
der Dank nur [als] Zuflucht in ein rettendes Gefühl genommen
Das Denken bringt, was Welt dingt. wird, worin sich leicht noch die Anmaßung eines Besitzens ver-
steckt.
Im Weltalter des Gestells ersetzt man den unbemerkten Mangel Danken ist Denken; denn der Dank beruht im Entsprechen.
an Gedachtem durch die Zügellosigkeit des verwirrten Sprechens. Das Denken entspricht; denn sprechend geht es in das Schonen
Diesem Bestand an Verworrenheit beschafft man einen öffent- zurück, das die Enteignis freigibt, die Weltgebirg ereignet.
lichen Stilnamen. Damit ist alles beglaubigt.
X
Das Erfahren des Denkens ist beirrt vom Wo der Ortschaft des Den Beginn ereignet die Vergessenheit. 170, 192
Unterschiedes. Beginn ist Opfer.
Wer gehört zu den wenigen großen Denkern, die von ihrer Irr-
161 Entsprich ... 157 fahrt nicht mehr zurückgekehrt und darum die größten sind?

Bring X
das Ding: Die Wohner im Welt-Gebirg : die Sterblichen.
das Eigentum:
186 Anmerkungen VII Anmerkungen VII 187

X D as Gebirg ist die Ortschaft , als welche das Wesen der Zeit aus
Die Pfade des Gebirgs. 108 f. der weltischen Nähe sich ereignet.
Das Nähern der Nähe, enteignend in den Unterschied, ereignet
X sich als Gelicht und Geläut des Ereignisses im Schleier des Lich-
Der Unterschied ereignet die eigentliche Vergessenheit. tes, in der Stille des Lautes. Gelicht entbirgt; Geläut versammelt.
Gelicht und Geläut durchhellen und durchhallen das Geviert
163 Sterne. Internationale Geltung ist kein Weg für das Bleibende, zu- im Gebirg der Welt; sie sind der Hall.
mal dieses nicht geht, sondern steht; wo? Das sagt es selbst. Doch
kein Gehör reicht mehr zu ihm . Dem Bleibenden genügt das Im Entstürzen nimmt die A.)..iJ0i:iaeinen Schimmer des Gelich - 165
Bleiben. Es braucht keinen Kult der Einsamkeit. Der Stern bleibt tes mit : das in ihr wesende Aufgehen und die so hervorgebrachte
Stern , auch wenn die Physiker , denen die Metaphysiker nachlau- Lichtung des Unverborgenen: die <I>ucnc;.
fen, ihn zu einem Nebelhaufen rechnen, mit welcher Rechnung Im Sturz aus dem Gebirg nimmt die A.A.iJ0i:iamit einen Hauch
sich das Ordinäre auch am Himmelsgewölbe bre it macht. Man des Geläutes, die bergende Versammlung des Unverborgen: den
hält dies für den Fortschritt. Laßt sie »schreiten «. A6yoc;.
Das Bleibende bleibt von selber weg. Die A.A.iJ0i:ta
ist, entstürzend, das, was sie mitnimmt und mit-
bringend her bringt in die Unverborgenheit und vor in das An-
Das Denken muß sich hüten, der Öffentlichkeit mit Gedachtem wesen, das also erst ankommt.
lästig zu fallen.
(J)ucnc;
und A6yoc;wesen verborgener Weise im Gelicht und Geläut
Metaphysik - Die Überwindung der Metaphysik rettet ihr Wesen des Gebirges der Welt, als welche sich der Unterschied ereignet
in seine Wahrheit . Diese Wahrnis ist die Vergessenheit des Unter- und das Ereignis enteignet.
schiedes, der als das Ereignis von Welt im Eigentum des Dinges
einkehrt. In ihrem Wesen bleibt die Metaphysik gewesen . Diese Im Her - und Vor-bringen des Entstürzens ist die A.A.iJ0i:ia in das
vergeht in jenes. 119 Schicken versammelt, ist sie das Ge-schick, die einbehaltend-sam-
melnde, lichtende bergende Zuweisung: Moipa.
164 X <I>ucnc;,
A6yoc;,Moipa entstürzen als A.)..iJ0Eta
aus dieser in das uEv,
- Vielleicht gehört die Unverborgenheit
./4).ftOeza. des Anwesenden das selbst verborgener Weise nach ihren Weisen west und in sol-
in das Gebirg des Unterschiedes. Noch fehlen alle Pfade, dieser chem Wesen sich fügte .
Vermutung in einer gemäßen Weise nachzudenken .
Alle Geschichte, das Geschick des~ auch, muß da zurück- Bis das "Ev, in seiner Wesensherkunft aus der A.A.iJ0i:ia,
vergessen 166
bleiben . Das Denken steht am Fuß des Welt-Gebirges. bleibend, aber zugleich als aufgegangenes Gelicht und versam-
Dem entstürzte einmal jäh die A.11:r']Si:ta
und in ihr verborgen: meltes Geschick rein nur anwesend selbst als das Anwesende auf-
das Geschick, welches ist Geschick des Seyns. genommen wird (~6~a) und vom Aufnehmen und Vernehmen
Im Welt-Gebirg herrscht nichts von zeitlicher Zeit und darum (voeiv)her gesammelt, d. h. gezählt und so der ouv0i:oic;anheimge-
auch nichts von Ewigkeit (der zeitlosen Zeit). geben wird, die sich der füaipi:otc;bedient. So gelangt das Hervor-
188 Anmerkungen VII Anmerkungen VII 189

bringen (das Wesende der Ä.A.l]ßet11) in den Bereich des Zu-stellens In diesem Bringen gesammelt weren ist das Bleiben, das zum
und Vor-sich-stellens im voEiv.Dieses Wesende des Einigens wird Anwesen gehört, ist das Verbringen - als das Sichaufhalten des
als das Lebendigste der ~<.ol] und '11\)Xl]anvertraut; diese wird als Anwesens in der Unverborgenheit.
voß~ die Heimstatt des A6yo~. - Verbringen, dem Her-vor-bringen gemäß gedacht, nennt das
ist verstellt. Die iota übernimmt die
Alles Wesen der Ä.A.T]ßEt<l weilende Anwesen - daraus die ständige Anwesenheit west, als
Stelle des Gelichtes. welche »Sein« sich in der Metaphysik bestimmt; zu dieser Be-
Das Aussehen des Gesichtes prägt das Anwesende, verlangt die stimmung gehört die freilich unerfahrbare, weil für die Meta-
µop<pl]und bringt die 'ÖA.TJ
unter. physik und durch sie verstellte Gestelltheit des Seins des Seien-
Die Apparatur der Metaphysik ist fertig. den (Il). Sie kommt aber, obzwar als solche unerkennbar, zum
Incipit comoedia. Die Ä.A.T]ßEta.
ist vergessen. Vorschein darin, daß das Sein gewirkt und im weitesten Sinne
Alles aber webt und west von dieser vergessenen Vergessenheit. bedingt ist: gewirkt durch die erste Ursache (ipsum esse als actus
167 Die bloßen Masken machen I sich im Vorspiel der Machenschaft purus), bedingt durch die Bedingungen der Notwendigkeit und
des Gestells (creatio) zu den Personen. Die Personalität ist cre- Allgemeinheit (esse als objektive Realität), bedingt schließlich
iert. Man kann sich Lebendiges nur noch als Person vorstellen. als dialektisch geworden - in der Ver-1 koppelung beider Begrün- 169
Das blinde Kreischen nach dem personalen Du gilt als der letzte dungsweisen.
Tiefsinn. Die Pfade des Denkens sind längst verlassen - freilich Die auf öv und ev, e,Epov, 6.ya.06v,ClA.TJßE~,
Ka.Mv zurückgehende,
so, daß diese wilde Flucht vor dem Denken (dem Ausstehen der von der creatio her erklärende Lehre von den Transzendentien,
Zugehörigkeit in das wesende Wesen, die Herkunft der Ä.A.l]0Eta.) weist auf diese Bedingtheit, d. h. Gewirktheit und Unterbringung
sich wie der Sieg des Denkens vorkommt und darum nicht davor des Seins zurück.
zurückschreckt, auf der untersten Stufe des Verfalls das Denken
als ein Glauben auszugeben. Zu bedenken: wie ist im Entsturz der Ä.A.T]ßEta.aus der Vergessen-
Denken ist längst nicht mehr: Denken. heit des Welt-Gebirges das Her-vor-bringen?
Denken gilt als philosophischer Glaube. 20 Wie fängt sich verborgener Weise der Entsturz in der verborgen
Es soll Leute geben, die so etwas glauben. bleibenden IloiTJcn~?
Wer löst uns aus dieser Erlösung? Wie verstellt die IloiTJcrt~überall und durch die Metaphysik
Gleichzeitig wundert man sich darüber, daß der Mensch, der hindurch und vollendet im Gestell die Vergessenheit? Inwiefern
beim philosophischen Glauben angelangt ist, die Atomenergie entspricht diese Verstellung der Vergessenheit? In welcher Weise
entdeckt; denn es ist in der Tat der selbe Mensch, der aus der sel- bleibt das Verstellen demgemäß - als Vergessen - die Wesensher-
ben Vergessenheit des ~ die Wurzeln seiner Kräfte nährt. kunft des Gestells?

168 Die J1)..ff0szaentstürzt dem vergessen bleibenden Welt-Gebirg und All dieses jedoch ist geschickfrei aus der Nähe des Gebirgs zu den-
wird im Entsturz das Her-vor-bringen, das zumal das »Her« als ken.
Lichtung (»Da«) und das »Vor« als Anwesen bringt. Hier ist die Wesensdimension für die Herkunft der Causalität
(vier a.hia.t und die apxa.i) und ihrer Artikulation.
•• [Vgl. Jaspers: Der philosophische Glaube. A.a.O.]
190 Anmerkungen VII Anmerkungen VII 191

170 Jäh kann ein Blitz ferne Gipfel eines Gebirges ins Helle stellen. So Tr anszendenz, das Rechnen mit Chiffren, fallen zusammen der
bleibt es unnötig, jene Gipfel zu beklettern und sie aus einer licht- H infälligkeit der Metaphysik anheim. Die Antiontologie ist die
losen Nähe abzuleuchten; das betreibt die historische Beschrei- extremste Ontologie. 97
bung dessen, was die Philosophiegeschichte überliefert. X
Wesentlich bleibt, ob ein Denken Baumes genug ist, um einen Die vergessene Differenz als Dimension aller Transzendenz ist die
Blitzschlag auf sich zu lenken, der jene Helle spendet. noch uneigentliche Vergessenheit. Vgl. V. H. II, 84.

Einen Denker verstehen, heißt: seinem Gedachten auf einem Wenige wissen es schon: einsam kann der Mensch nie erst werden; 172
»getrenntesten« 21 Gipfel gegenüberstehen; heißt: selber Gipfel einsam muß ein Mensch schon sein; dann nur läßt er sich viel-
sein; heißt: die Stille und das Licht des Gebirges ausstehen. leicht als die eine Glocke eines Turmes läuten, um im Geläut der
Werden wir diesen Verstand je verstehen? Welt-Stille zu schwingen.
Oder ist er endgültig verloren? In unserer heimischen Sprache heißt »gelitten« auch so viel wie:
Der Verstand als der versammelte Stand der Gipfel des Welt- geläutet. Vermutlich bedeutet »geläutet« auch: gelitten. (174u.)
Gebirges?
X In der Einsamkeit gedeiht die Nachbarschaft.
Die Vergessenheit bleibt. Während west sie eigentlicher in ihre
Kehre und geht in ihre Enteignis ein. 162 Denken ist, so weit meine Einsicht reicht, Denken; nichts anderes
sonst.
171 Fuge des Spiels der vierfältigen Sprache im Riß der Welt. Aber das Denken ist für das animal rationale vielleicht eine
Fuge im Riß; nicht mehr Form des Stoffes. Zumutung, der es am sichersten mit Hilfe seiner ratio entgeht. So
Form bleibt ein Element des Ausdrucks. wird das Denken nach dem Urteil der Vernunft zu einer irrigen
Riß in Fuge ist Enteignis. Sache. Die Flucht vor der Irre, dem einzigen Element des Denkens,
0-0 rettet sich in den Vernunftglauben.
Der erste Satz der Skepsis der reinen Kritik. (vgl. ob. 146)
Er lautet: D er »philosophische Glaube« und Jaspers als »juden-christlicher
Alle Transzendenz ist Geschick der vergessenen Differenz, die 1 Kirchenvater«. Statt radikal die Grenze zwischen Denken und 173
ontische sowohl als auch die ontologische, die ontotheologische Glauben zu sehen und zu ziehen, mixt er und schadet. ytvecrt~ Ei~
vollends. oucriav heißt nicht: >Erzeugung zum Sein<, gleich als seien ytvecrt~
und oucria zwei verschiedene Dinge. Die Wendung besagt: Her-
Alles gegenständliche Vorstellen der Transzendenz, aber erst recht vorgehen bis ins Anwesen, wobei ytvecrt~ schon Anwesen ist, aber
sein verkrüppelter Trabant, das ungegenständliche Meinen der das erst ent-stehende, entstehend aus der Verborgenheit vortre-
tend.
Vollends hat oucria nichts mit der »Existenz« zu tun. Jaspers

1
[Vgl. Friedrich Hölderlin: Patmos. Erste Niederschrift. In: Ders.: Sämtliche
Werke. Bd. 4. Gedichte. A.a.O., S. 190: »Drum, da gehäuft sind rings/ Die Gipfel müßte sich entschiedener auch gegen die natürliche Th eologie
der Zeit / Und die Liebsten nahe wohnen auf/ Getrenntesten Bergen.«] absetzen - des Denkens wegen. -
192 Anmerkungen VII Anmerkungen VII 193

Die bleibenden Bücher sind jene, die wir nie lesen, weil sie sich Differenz-
trotz ihres geringen Umfanges nie durchlesen lassen. Sie beglei- Metaph_ysik - in der Rede und Schrift vom Sein - nämlich des
ten uns stets. Sie bereiten zuweilen. Sie lesen uns aus; nie wir sie. Seienden hört man immer nur: Sein; nimmt dieses für sich auf die
Sie lesen uns aus für Augenblicke des Denkens; sie rufen und Seite und läßt auf der anderen Seite: das Seiende - man vermittelt
schweigen dann. zwischen beiden Seiten mit Hilfe des Schemas von Grund und
An ihnen lernen wir lesen, von ihnen, die wir nie gelesen haben Folge,· Ursache und Wirkung, Bedingung und Bedingtem. Man
können. bewegt sich in einer Wechselwirtschaft zwischen den beiden Sei-
ten, wobei unversehens »das Sein«, wie Figura [?]zeigt, zum ipsum
Christlich verstanden ist vielleicht schon das Nachsinnen über das esse geworden ist, was man für das Seiendste des Seienden, für das
Verhältnis des Glaubens zum Denken die Sünde. Seiende schlechthin hält. Das erklärende und begründende Ver-
mitteln ist so ohne jede Schwierigkeit, vollends wenn man, wie
174 Die Sage des Unterschieds, das Denken, schwingt in Denkmalen. in der Dialektik, das Vermitteln zum absoluten Geschäft erhebt.
Denkmale sind verschieden von den Denkmälern. Mal bedeu- Wer denkt aber je daran, daß »Sein des Seienden« heißt: Sein
tet ursprünglich: Zeitor t. des Seienden. Wer kümmert sich um I die Genesis dieses Geni- 176
Denkmal: die Ortschaft einer Epoche des Denkens. tivs, darum, daß er, wie immer man ihn erklärend beseitigen mag,
Das Denkmal des Ereignisses ist die Sage des Unterschieds. einer Differenz sein Herkunftswesen verdankt.
Denkmale nehmen den Ort in der Sprache. Niemand kümmert sich darum; weil das Denken im Rechnen
Jede Epoche des Denkens hat ihr Mal. verkümmert ist.
Das Denkmal des Unterschiedes bauen - Sein ist: Sein des ... ; Seiendes ist: Seiendes als ... Es gibt hier
die Rettung des Dinges. keine Seiten. Mit ihnen ist das Wesende, der Austrag, schon be-
Retten heißt ursprünglich: befreien, in das Freye bringen, näm- seitigt.
lich das Wesen. Retten ist: erst erlangen, nicht: bedrohten Besitz
nur festgreifen und zurückholen. Auch bei diesen wie bei vielen Sprache ist im Gebirg der Welt das Geläut der Stille durch den
anderen Wörtern kennen wir nur noch die abgeleitete, negative Schleier des Gelichtes.
Bedeutung.
Sprache ist, d. h. verhältnismäßig, d. h. je nach dem das Ge birg
Der Denker ist wesentlich ob seiner tiefen Verirrung in das Welt- der Welt.
Gebirge nie ein geläuterter Mensch, eher ein geläuteter; er steht
nicht außerhalb, aber auch nicht innerhalb (unter) des Gesetzes; Nur aus dem Ereignis von Welt ist Sprache zu denken; und deshalb
aber unheimlich draußen im Wesen. ist sie notwendig vielfältig gedacht, auch dort, wo sie in das reine
Verhältnis gelassen ist, als welches sie das Denken behält.
175 Der Mensch ist nur bei sich, wenn er aujJer sich ist; wenn das
»sich« und »zu sich«, wenn das Selbst ekstatisch west: ausstehend Sprache und Denken 177
das Geviert der Welt. Rein im Tempel von Welt, in der Sprache, vermag nur das
194 Anmerkungen VII Anmerkungen VII 195

Denken zu wohnen. Hier ist Sprache weder Werkzeug noch Stoff, Das Ding an sich - vgl. Anmerkungen VIII, 5.
weder Ausdruck noch Gespräch. Denken: das Entsprechen. 183 Das bisherige Denken, die Philosophie, konnte deshalb nie zum
Die Sprache ist reines Verhältnis nur für das Denken. Dieses Ding an sich gelangen, weil sie niemals das Ding als Ding be-
Verhältnis, als welches die Sprache das Denken behaust, läßt sich dachte. Sie kam nicht dazu, weil sie es nicht vermochte. Sie ver-
mit keiner Beziehung vergleichen, in der sonst die Sprache und ihr mochte es nicht, weil Welt, die Dinge ereignet, ungedacht bleiben
Gebrauch zu menschlichem Tun und den Dingen steht; Sprache mußte gemäß der Vergessenheit des Unterschiedes. Denken wir
ist deshalb auch aus keiner dieser Beziehungen bestimmbar. das Ding als Ding, dann haben wir das Ding an sich erfahren.
Für den Gesang bereits ist Sprache in irgend einer Weise Mit- Das Ding an sich ist die Erscheinung. Aber erscheinen heißt:
tel des Darstellens, weil der Gesang stets Anwesendes ankünftig sich lichten in Welt; nicht: sich zeigen dem Vorstellen des Subjekts.
dichtet. Vollends bleibt für jede Art von Schriftstellerei die Spra-
che ein Instrument oder gar ein Objekt der Jagd nach Ausdruck. Der Unterschied - das ist der Wind, in dem, mit dem, als Gegen-
Weil nur das Denken eigens in der Sprache wohnt, kann es wind, das Denken fahren muß, um zu erfahren. Sein Fahren ist
Sprache niemals weder als Instrument noch als Objekt benutzen das eigentliche Vergessen. Erfahren: Entsprechen der Vergessen-
178 und mit ihr und aus I ihr etwas machen wollen. heit des Unterschiedes; eigentlich Vergessen; Verheyterung in der
Denken ist die Sage des Unterschiedes; aber nicht Aussage, son- Saat.
dern Einsage in das Ungesprochene.
Die Sage des Unterschiedes spricht Welt und wahrt so den Bei Menschen, die als Philosophen auftreten, ist es immer gut, zu 180
Unterschied in die eigentliche Vergessenheit. Vgl. V. H. II, 89 ff. fragen, ob sie Leute vom Handwerk - des Denkens sind.
Die meisten freilich, wenn sie vom Handwerk hören, stellen
Denkwürdiges finden wir selten. Wenn wir es gefunden, verweilt sich das Verfertigen vor und denken nie an das Vernichten, wie
es nur flüchtig; entschwindet und kommt noch seltener zurück. man denn solches nur für etwas Wertloses und Schädliches hält.
Die Rätsel zu finden und sie gar zu halten, ist weit schwerer als
die eingefangenen zu lösen. Dieses ist eine Beschäftigung, jenes Wenn jemand zu einer Abhandlung über die Wahrheit tausend
ein Gang. und mehr Seiten benötigt, dann hat er noch nie über das gedacht,
wovon er redet. 22 Das Ungedachte kommt nicht zum Vorschein,
Die Weite der vierfältigen Dimension der Sprache ermißt die weil das Wirkenwollen alles überschwemmt; Wirken im Sinne von
Stille des Welt-Geläutes; dieses Ermessen ist ein Erweisen, das Erwirken der Anstöße zum Existieren (in der Bedeutung des Ste-
ins Verlauten des Wortes verweist. hens in der Transzendenz und zwar durch die Weise des mensch-
Sprache ereignet sich aus Welt zu deren Riß. Das Ereignis des lichen Zueinandergehörens). Das Ethische bleibt (wie für Kants
Welt-Gebirges ist das Un-Gesprochene, ist das Wesen der Spra- Postulatenlehre) die Klammer, die das Wissen (der Wissenschaft)
che -; das Un-Gesprochene ist nicht die Privation der Sprache, und den Glauben (Beziehung zur »Transzendenz«) zusammenhält.
179 sondern ihr Ereignis, das Ereignis, 1 die Welt-Stille, die gebirgig Was Klammer ist, ist zugleich Quelle und Maßform des Denkens.
stillt. Stillen ist nicht Fehlen von Laut, sondern Ereignis der Di-
mension der welt-gebirgischen Enteignis in den Unterschied.
•• [Vgl. Karl Jaspers: Von der Wahrheit. Piper Verlag: München 1947.]
196 Anmerkungen VII Anmerkungen VII 197

181 »Sein« - beinahe klingt das Wort jetzt wie der Nam e für ein weit die Heytere, das Gelicht des Geläuts der Welt-Stille sagend sam-
zurück Erinnertes. Die meisten verstehen es noch heute im Sinne meln, versammelnder bergen, bergend freyen.
des Verbalnomens für das sum, im ego sum -; »Sein«: als die
Dauer und den Bestand jeweils meiner selbst. Die Existenzphilo- Entsprechen: das frey-Lassen der Sprache als Sage der Vergessen- 183
sophie bekräftigt diese Auffassung von sein = existere, existentia heit des Unterschiedes in die Welt-Stille. Der Riß der vergessen-
im Sinne »der Existenz«, deren Summe einer zieht, deren Mittel er den Sage. Sie ist reines Handeln.
sich beschafft. Das »Sein« aber alles nicht menschlichen Seienden Ausüben als: einüben das Ausfalten des Wesens zur Einfalt.
stellt man sich aus der Entsprechung zum Menschlichen vor oder Entsprechen: die Sage des Risses: Denken das Ereignis.
in der Abhängigkeit von diesem. Vgl. VIII. Vgl. V.H. II, 93, 95f
»Sein« - nur ein Wort? herausgezogen durch Worte aus anderen Entsprechen: Vergessen, und zwar eigentlich, die Vergessenheit.
Wörtern? ein Wort? vielleicht; doch was ist ein Wort? Eigentlich: vereignet in das Ereignis von Welt. 184
Wenn wir gar dieses Wort »Sein« einmal nicht stumpf lassen,
sondern im Sinne von Anwesen denken, wenn wir zum anderen Eigentlich vergessen in solcher Weise vermag nur, wer im Un-
Sein nicht abschnüren, sondern in der Bedeutung von Sein des Sei- scheinbaren bleibt.
enden festhalten und dann mit »Sein« demgemäß das Anwesende Der Unscheinbare ist unzugänglich für die »Welt«öffentlichkeit
als das Anwesende denken, bedenken, schließlich aber zuerst das (192); was er nur sein kann, wenn er als einsamer offen ist für das
»als« bedenken und so auf das Denkwürdige treffen? Selbe.

182 Dann entschwindet der Name »Sein« und das grob und wirr Vor- Meisterschaft im Stiften de s Gesetzes aus dem ~
gestellte; es naht ein Bedachtes im »als«, fliehend noch, aber be- oder nur:
denkbar in einer anderen Bedachtsamkeit. »Sein« verstummt im Ursprünglichkeit im Ausdruck des Erlebens von Seiendem
durchgestrichenen Seyn; weil auch dieses als Name der Differenz oder erst:
noch Sein erwähnt und den Rückfall begünstigt in das, was an Irrgang auf dem Steg des Entsprechens im Weltgebirge. Ausüben;
Vorstellen um es seinen Umtrieb hat. Sogar ~ verstummt. Die nur dieses.
Sprache spricht anders und ist aus dem Namenverzeichnis gelöst.
Doch läßt sich das Vermerkte nur denken, wenn schon Welt Der werdende Freund, dessen Freundschaft sem Tod ms Ver- 184
erfahren worden. mächtnis vollendet: Max Kommerell. 25

•Das glückt erst, wenn das Erfahren die Einkehr in das Verges- Unsereiner bedenkt immer noch zu selten, zu wenig, daß er trotz
sende Sagen gefunden hat. aller Fassaden zwischen Trümmern haust, die aus einer Zer-
trümmerung stammen, die, schon alt, langsam ohne Geräusch
Vergessen sagt jetzt: entsprechen in dem Welt-Gebirg e seinem Riß;
•• [Max Kommerell (1902-1944) wurde von Heidegger außerordentlich ge-
heißt: entfallen lassen die Sage in die Sprache als das Gebirg. schätzt, weil er als Germanist eine Zeitlang ein Vertrauter Stefan Georges war. Es
Vergessen: verheytern in das Gebirg der Welt - verheytern: in gibt einen Briefwechsel. Vgl. Max Kommerell: Briefe und Aufzeichnungen 1919-
1944. Hrsg. von Inge Jens. Walter-Verlag: Olten 1967.)
198 Anmerkungen VII Anmerkungen VII 199

im Schutz von ständigen Neubauten den Bereich von Welt fort- Sang, der einfiel;
gesetzt in sich einstürzen läßt, um das Wirkliche an dessen Stelle Rückkehr; blind schier,
zu schieben. bang im Reigen.

Warum finden wir so schwer und darum selten das gemäße Wort
für die Dinge? Nicht weil es an den Worten mangelt, sondern weil
wir die Dinge verwirren zufolge einer Vergessenheit ihres Wesens, Schelling und Hegel.
die nicht an uns liegt. Eines Tages muß einer di e Sternenfreundschaft, die beiden im
Wir können nur dem entsprechen, was uns anspricht. Uns Geschick ihres hiesigen Denkens versagt blieb, auf die Erde und
spricht nur das an, dem unser Wesen versprochen ist, insofern es in ihr Gewahrtes einholen, um das, was beide gedacht, als das
im Gang des Ereignisses geht und dessen Schritt ist. Eine Gedachte wahrhaft dem Denken zu retten und dem ~ zu
üb erlassen. 112
185 DerRuf zus. 49
Wenn die »Holzwege« in der Form eines Buches zugänglich wer- 187
Im fernen Gang der Nähe den, dann wird man sie doch nie durchlesen können wie ein Buch.
wohne; Das wäre so, als wollte einer durch den Wald rennen und überall
schone die Holzwege nacheinander abgehen. Der käme einem Holzma-
ihrer wilden Jähe cher, der ihm begegnete, wie ein Irrer vor. Auf einen oder den
milden Blick anderen Holzweg gelangen wir, gehen ihn dann öfter, ohne die
im überewigten Geschick, anderen zu kennen. Zwischen diesen Wegen steht dichter und wei-
dem sie gehören, ter steiler Wald. Wenn die »Holzwege« erschienen sind, werden sie
die den Ruf erhören: die Gefahr nahe legen, daß man die Wege zu einer Straße zusam-
»Das Geschenk!« menschiebt und diese breit auswalzt. Man wird die Wege verrech-
Dort birgt nen; statt auf einem oder dem anderen in den Wald zu gehen. Die
sich, wirbt Waldgänger fehlen, die das Holz »lesen« statt Bücher. Waldgänger,
des~ Gelenk. die lange fort bleiben und noch länger schweigen.
>< sagt: Enteignis in das vierfältige Wesen von Welt. Vgl. V. H.
II, 95f. Ereignis 188
überewigen: Ewigkeit und Zeit zumal verwinden im Ereignis.
Feuer flammt.
186 Die Sterblichen Glut und Licht ent-stammt.
Herz und Sicht entnahen
Ankunft sind wir: ins Gesammt
Gang im Weltspiel; des ~,
Klang aus Neigen; das sie ersahen, vgl. S. 49
200 Anmerkungen VII Anmerkungen VII 201
sich entfahen Personalität 190
übereins,
zu eignen Feuer Ihr wollt vom Ich fort zur Person
einem Herd, und wißt nicht, daß ein Ton
der, un-geheuer, erst klingen muß durchs Bild:
heurig währt. der Ton der Stille,
ohne Wille
(entnahen: der (Nähe) entgehend in sie eingehend sie wahren). mild
(fahen, fangen, einholen im Tönen,
enifahen: das ~' Es aus ihm empfangend, zu sich einholen). weil erlitten aus Versöhnen.
Ereignen: Eräugen: Erblicken, Erblitzen, Er-flammen:

189 Nur das Gewährte währt.


Es wahrt sich im verhüllten Gehen Verse des Denkens sind die Furchen der Sprache.
einer ungebrauchten Kunft. 191.
Solche Verse sind keine poetischen Gebilde und lassen sich nicht
nach den Maßstäben abschätzen, die in der Poesie gelten.

Denken
Die Furchen der Sprache: der Acker des ~-

Ein Gegenblick zum Blitz des ~ Die Fuge der Furchen ist die Saat aller »Form«.
ist Denken.
Denn, von ihm erschlagen, Das Gewährte ist ereignet . (189) 191
schlägt es in die Fuge Ereignen wehet.
eines Wortes: Blick und Blitz, Wehend läßt es nicht mehr zu (als Sein): weder Anwesen noch
die - nie Besitz - Vernehmen, die beide mit ihrem vergessenen Selben der Weltver-
sich überschenken weigerung ent-standen und so fortan als das Ständige die Bestän-
aus dem Kruge digkeit bemessen.
eines Weins Wehend eignet Ereignis zur Enteignis in den Unterschied.
verborgner Reben.
Sie entschweben (entstreben) Geschichte ist seit langem schon oder gar von jeher im Grunde
einer Erde,
nur als der Gegenstand der Historie. Jetzt wird sie, ausdrücklich
die den Hirten Himmel werde. betrieben, zum verzehrten Raub der Universalhistorie (der soge-
nannten »Weltgeschichte«). Ihre Apparatur arbeitet nicht zufäl-
lig mit Film und Funk und dem modernen Nachrichtenwesen,
202 Anmerkungen VII

mit Journalismus, Illustration und Propaganda und Magazin. Die


Historie ist diese Apparatur der Einrichtung der Weltöffentlich-
keit in das jeweilig bestellte Meinen und Schätzen. So wird das [STICHWORTVERZEICHNIS]
menschliche Vorstellen auf allen Gebieten endgültig als Bestand
bestellt und gesichert.

192 Die kennzeichnende Folge dieser Auflösung der Geschichte in die


Historie ist die jetzt überhandnehmende Berechnung der »Ge-
schichte« der Natur und die Einbeziehung dieser Geschichte über
die Prähistorie in eine Gesamtgeschichte des Kosmo s.
Dieser Vorgang der Auflösung der Geschichte in die Historie,
die selber dem Wesen der Technik entstammt, läßt sich nicht auf-
halten. Vielmehr ist nöti g, die Geschichte endgültig in die Histo-
rie zu entlassen und die se in dem Wesen der Technik aufgehen
zu lassen.

Das Vermögen zu solchem Lassen gehört in die Kehr e der Verges-


senheit und läßt sich nicht machen.
Dies Vermögen bleibt für die heute geläufige Machenschaft,
die alles dem Ordnen preisgibt, schlechthin befremdlich und un-
geheuer. Wer vermag dies Vermögen?

Nur selten triffst du noch einen der wenigen Menschen, mit denen
ein denkendes Gespräch sich wagen dürfte.
Der Vergessenheit des Beginns (162) entspricht die eigentliche
Vergessenheit: die Verheyterung des Unterschieds. 183
Abendland 16 Es gibt 44. 72f
Abgrenzung 106 f. »Existenzialismus « 97
29. 75. 86. 110. 164.ff.
AA:ft0El<l
das »als« 56. 83. 85. 95. 101. 109. Feldweg 45. 48 f. 63
156 Form 123jf.152
Angst2J Fragen 156.159f
Anwesen 143. 168 Furchen 190
Aussicht 86 f.
Autor 125 Ge birg 108. 161ff.
Gefahr 45ff. 50. 53. 57 74f 79.
Bedenken 97 105
Beschreiben 32 Gegenständlichkeit 87f
Bücher 173 Gering 154f
Geschichte 3. 63. 66. 87f 105.
Christliches 7 ff. 14 ff. 134.ff. 191f
Gestell §2 75. ![Zf. 129. 143. 157.
Danken 162 160
Denken 12. (6). 20. 23. 24. 30 . Grund 156
37f 49. 67. 94.113f 116f.129.
133f 172. 174. 178. Hegel 112. 148.ff. 186
D enkmale 174 Heraklit (mivta pei) 82.
Dichtung 5 ff. 177 Hölderlin 65
Differenz 51. 89.ff. 133. 139.ff. Holzwege 58. (36). 62. 101.
142 127 f. 150. 155. 187
Ding 25ff. 29. 121. 179
Irre 43. 59
Eigentlich 35
Eigentum 86. 88. 126 Kant 91.ff.146 ff.
Einblick 12 ff. und 45. 86f Kehre 12. 24. 57. 76
Einfluß 36 Kritik 113. 146 ff.
Ereignis 10. 35. 41. 44. 74f 108. Kuinzige 137. 155
115 Kunstwerk 123
Erfahren 12. 24 . 45f 105. 116 f.
Erklären 32 Leibniz 52
Erläutern 13. 138 lernen 105
206 Stichwortverzeichnis Stichwortverzeichnis 207

Meinen 114 Sein und Zeit 131. 133 Welt 31. 63f 101. 119. 126. 135. Wirksamkeit 12. 31
Mensch 62. 64. 132. 145. 155. das Selbe 146 157. 162 Wissen 130 f.
175 ~ 55. 57. 66. 87/ 96. 119. 121. Wesen 33 Wissenschaft 58. 89. 108f
Metaphysik 119. 163. 171. 175f. 175.186 ewige Wiederkehr des Glei- Wohnen 79/ 87. 162
Methode 118 Skepsis 146ff 153 f. 171 chen 59ff.
Mobilmachung (totale) 69 f. Sprache 1. iif. 77ff 121. 129. Wille 63 Zeit 63. 164
159. 176. 178/ 184
Nachbarschaft 30. 35. 41 Sprachstil 17 ff. 23
Nähe 21. 39/ 138.164. Sterbliche 28 ff. 41f. (27). 45.
Neutrum44 49.54.57. 64. 71. 162
Nietzsche 59 ff. 65. 82 Stimmung 21f

Ontologie 97 'tEXVT) 5
OV'tffi<;109/ Technik 33 f. 46f 63. 66. .i2J
103
Philosophie 37. 89ff Tod 45. 54. 78/ 99. 101. 109.
<I>ucric;
(®ecric;)10. 75. 165 158
Platon 106ff 122. 124 Transzendentien 169
IIoirimc;5 f. 34. 89. 168. »Tun?« 68. 72f

Quadratur 154 Un-entwegt 48. (29)


Unterschied 42. 100. (96). 118.
Rache 127 126. 133. 139. 146. 157
Ratsal 38. 53. 145
Rechnen 99 Verbringen 168
redlich 48 f. Vergessenheit 128. - 170/
Reflexionsbegriffe 56 182ff.143
richtig 43 Verstehen 67. 170
Verwahrlosung 29. (94). 116f.
»Sache selbst« 102 119.141
Sachverhalt 145. 154 Vorbeigang 54 ff. 57
Schelling 148ff 186 Vorstellen 129
Schonen 79
Schrift 32 Wahrnehmen 129
Schweigen 154
24 Weg 130
0

49
66x
73ff.x
83x
94-
99x-x

-----
103x
111x
112/ das Ereignis - der Einspruch 1 114
143 -----

0 •

162 0-0 168


0 0

---------------
Nulla est enim maior ad amorem invitatio, quam praevenire
amando. 1
Augustinus, de catechizandis rudibus, cap. IV

vgl. (16)
(vgl. 44); (51) 58
110. Kein Rufen nämlich zur L iebe ist größer als das
Zuvorkommen im Lieben.

ANMERKUNGEN VIII

1949/50 (Mai)

Denken: ipsa cogitatio ... spirat


ignem amoris. 2

das Denken selber atmet duftend


das Feuer der Liebe

Meister Eckhart, In Joh., n. 509


(spirare: atmend duften als ... )

1
(Sancti Aurelii Augustini De catechizandis rudibus. Lib. 1. Cap . IV. In: Ders. :
Patrologiae cursus completus . Series latina. Tomus XL. J .-P. Migne: Petit Mont-
rouge 1865, Sp. 314. Vgl. auch Hannah Arendt / Martin Heidegger: Briefe 19g5_
1975 und andere Zeugnisse. Hrsg. von Ursula Ludz . Vittorio Klostermann Verlag :
Frankfurt am Main 1998, S. 93.]
• (Meister Eckhart : Exposition Santi Evangelii Secundum lohannem. Hrsg.
und übers . von Karl Christ und Joseph Koch(= M.E .: Die deutschen und lateini -
schen Werke. Hrsg. im Auftrag der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Die latei-
nischen Werke. Bd. 3). W. Kohlhammer Verlag: Stuttgart/Berlin 1936, S. 440. Vgl.
auch Arendt / Heidegger : Briefe 19g5-1975. A.a.O., S. 1rn .]
Daß Gesetz dem Feuer werde - a
aus dem ·wesen

In Jähen, raren, blitzt uns ~-


Wir spähen, wahren, schwingen ein.

Jählings naht die Nähe


Rehlings jaht die Jähe.
verhehlen : verbergen; verborgenerweise

Die Armseligen Anmerkungen VII, 49, 75

Die Ge-Duld
: die Versammlung des ereigneten Schonens - im Austrag
der Kehre der Vergessenheit des Unter-Schiedes, 90
Di e Wenigen, die Verstreuten. Anmerkungen VII, 49
214 Anmerkungen VIII Anmerkungen VIII 215

b Sage, die spricht Denken ist die Sage, die den Unterschied in die eigentliche Ver- 1
ist~: gessenheit (die Verheyterung der Welt-Stille) entspricht. Entspre-
dem Klagegedicht chen: die Sprache sagen, die weghebt in die bergende Verheyte-
der Schrein. rung. Denken, so gedacht , gehört in das ~-

Wort, aus Welt , der Stille Schall Weil das Denken so in das~ gehört, ist die Sage vom Denken
hält jedes Ding in seinem Hall keine Reflexion über ein Vorstellen, kein inhalt-boden-loses Re-
flektieren, sondern Sage des ~, enteignen im Ereignis: Spra-
Es ist gesagt. che, die spricht, nur spricht, nicht erst ausspricht, nie bespricht.
Ich hab's gewagt,
bin unverzagt. Aber Gedicht ohne Poesie; die Sprache, die ihr Wesen spricht. 2
Die Sage des Unterschieds ist die Sprache sprachlich .
Wahre deinen Steg.
Was einer bleibt, Di e Sprache ist nicht erst ein Ausdruck des Denkens.
nicht, was er schreibt,
zeichnet ihn als Weg. Sprachlich ist die Sprache, wenn sie als die Welt-Stille in der Sage
des Denkens verlautet. Die Sprache spricht in Furchen, nicht
durch Sätze.
Die Sprache ist nie sprachlich, solange sie als Instrument be-
nutzt oder als Gegenstand der Wörterjagd in den Beutekreis des
Herstellens gedrängt wird, um zu repräsentieren .

Der Weltacker weitet sich je in die Weite weniger Furchen, die,


weder lang noch kurz bemessen, den Riß des Gevierts durchzie-
hen.

Die Furchen der Sprache sind die Fuge des Weltackers.

Der Steg pfadet die Furchen des Weltackers.


Der Steg ist sprachlich der Furchenzug .

Die Sage des Unterschieds, wohnen im Gebirg des ~' ent-


spricht sprachlich dem Wesen der Sprache.
216 Anmerkungen VIII Anmerkungen VIII 217

Entsprechung Das Ding (VII, p + 9 [?])- Das Ding ist die Gebärde der Welt. 5
Ob man dies endlich beachtet und gar bedenkt, daß Kant die
Gottlos der Gott Unterscheidung zwischen Dingen als Erscheinung und Dingen
allein, sonst keins an sich vollzieht, ohne jemals das Ding als Ding gedacht zu ha-
der Dinge- ben? Oder ist für Kant im vorhinein »Ding« nur das Etwas für ein
erst wieder Tod Vorstellen, das Vorstellen aber das Grundverhältnis zum Seienden.
entspricht Dann wäre das Ding zum Voraus als Gegenstand überhaupt ge-
im Ringe setzt; das sagt, daß außer dem Sinn von Gegenstehen für und im
dem Frühgedicht Vorstellen das Wort Ding nichts besagt; ein Gegenstand an sich
des ~. wäre ein Gegenstand ohne Gegen und damit ohne Stand, denn
auch das Stehen west hier aus der Gestelltheit des Stellens als ei-
nes Vor-stellens. Mit der Bestimmung des Dinges als Gegenstand
ist jeder Weg zum Ding als Ding nicht nur abgeschnitten, sondern
Die Sage entspricht: sie entfaht das Wort aus der Welt-Stille; sie auch die Idee von Ding ist geleugnet.
spricht die Sprache der Enteignis anheim. Das Ding als Ding ist das Ding am Ding, das echte Ding an
Das Entsprechen ist das eigentliche Vergessen in die Verheyte- sich. Was jedoch Kant mit dem I Namen »Ding an sich« benennt, 6
rung des Unterschiedes. ist ontisch vorgestellt, aber ontologisch unbestimmt gelassen.

4 Erfahren die Gefahr des Gestells - Das Wesen des Dinges läßt sich überhaupt nicht ontologisch be-
das ist ein Weg in die Ruhe des Denkens. denken.
Das Erfahren beruht im Denken. Die Ontologie jeder Art und Schattierung und damit auch die
Erfahren ist hier auf die Wahrnis des ~ bezogen und nicht bloße Antiontologie lebt von der Vergessenheit der Differenz; darin
aus dem Vorstellen und Vernehmen vom Seienden her (als »Em- waltet die Verweigerung von Welt. Vgl. Anmerkungen VII, 171.
pirie«) bestimmt. Aber Welt ist es, was das Ding dingt.
Das »als« für das Ding als Ding west im Ereignis des Unter-
Eine Entscheidung: ob wir im Gestell der Verwahrlosung anheim- schieds.
fallen und alles preisgeben an die Bestellung auch des Menschen
als eines historischen Bestandes; Vgl. VII, 48
oder ob wir uns in das Wesen der Sterblichen finden lassen. Aus Licht und Laut ist Welt erbaut.
Gelicht aus Schleier
Der Tod ist das Gebirg des ~ im Gedicht der Welt. Geläut aus Stille.
Schleiernd stillt Ereignis Welt.
Die Wissenschaften jagen nach dem Neuen. Sie leben von der Jagd. Stillend schleiert Welt das Ding.
Das Denken bleibt am Alten. Es stirbt ins Bleiben.
Das Alte bleibt unermeßlich für alles Neue. ~ ist Welt. Welt ist Ereignis des Unterschiedes.
218 Anmerkungen VIII Anmerkungen VIII 219

7 Die Sage Das höchste Denken ist reines Verwandeln. Es verwandelt den
Schmerz des Da-seyns in den Riß der Welt. Verwandeln: eingehen
Es ist nicht Trost, doch Eignis, lassen in das Wesen.
wenn Denken Welt erspricht;
Denken ist ruhen; nicht ausruhen, sondern beruhen; wohnen in
der unstörbaren Zeignis, der Welt-Stille; von hier stammt das Zurückhaltende, Verschwie-
die baut und blüht und bricht. gene, Geringfügige des Denkens, das von sich aus die echten
Abstände innehält. Die Ruhe des Denkens.

Geringfügig: wohnend in der Fuge des Geringen. 9


Aus Licht und Laut
ist Welt getraut. Das Denken erhebt nie seine Stimme; es senkt sie nur in das
Wer kennt die Braut? Unscheinbare eines Vorbeiflu gs.
Die Liebe
selber wär' es, Das Geringe ist das Ringe, leicht schwebende des Spiels, das spie-
wenn sie bliebe: gelnd das Geviert der Welt ereignet.
die Enteignis,
und gewähr' es: Die Ruhe des Denkens ist sein im Welt-Wesen verborgenes Ele-
das Ereignis. ment; nicht eine Eigenschaft, die es als Verhalten annimmt oder
verlien.
Parmenides Frag. 13.3 Die Ruhe des Denkens ist das, was dem gewöhnlichen Meinen
als das Abstrakte erscheint.
B Tod Die Ruhe beruht; ihr versammelnd-bergend-Sparsame s.

Tod ist das Gebirg des ~ Die Weise, in der zur Zeit der Herrschaft des Gestells das Denken
im Gedicht der Welt. spricht, bleibt verborgen. Niemand hört sie; auch dann nicht, wenn
Tod entrettet Deins und Meins hie und da sich einige in ihren Ton einübten. Die Versuche, das
aus Gewicht, das fällt Denken noch in den leeren Formen der kulturellen Betätigung,
in die Höhe einer Ruh z.B. in der Philosophie und in dem, was dafür gilt, anzutreffen,
rein dem Stern der Erde zu. gehen in die Irre.

Die Herrschaft der Historie in allem Geschichtlichen ersehen wir 10


leicht am Betrieb der Gedenkfeiern, die an der Skala von Daten
• [Die Fragmente der Vorsokratiker. Bd. 1. A.a.O., 18 B 13: n:prono.ov µ&v'EpcoTa auf und ab klettern und vom Journalismus bereits in den Termin-
8erovµT}Tioa.on:avTcov
.] kalender eingetragen sind. -
220 Anmerkungen VIII Anmerkungen VIII 221

Die Gedenkfeiern unterlassen nur eines: das Denken. Das Menschenwesen - aus dem Bezug zum Seyn denken und es
auf das Dasein zurückdenken (»Sein und Zeit«) birgt die unum-
Der Unterschied. gängliche Gefahr, daß Da-sein nichts verspricht und an nichts
Wenn der Unterschied von Seiendem und Sein als das Zu-Den- bindet.
kende genannt wird, dann geht die Absicht nicht darauf, eine
genaue Unterscheidung beider zu gewinnen und dies so Gewon- Darum handelt es sich nicht mehr, andere Werte zu setzen oder 12
nene als ein Ergebnis des Vorstellens zu buchen und dadurch diese das Wirkliche neu zu ordnen. Solches Versuchen liefe in der selben
künftig besser zu leiten, sondern der Unterschied ist das Zu-Den- Bahn, die jetzt Geschichte verendet.
kende als das, worin das Unterschiedene west und wohin es in der Gemäß ist, in der Kehre der Vergessenheit der Differenz, dem
Kehre des ~ ver-west . Unterschied zu entsprechen.
Was ist entsprechen?
Eigentum - entzieht sich dem Besitz; denn es duldet kein Besetzen Die Weise, auf die das Wesen des Menschen gestimm t ist aus
und kein Bestellen. Wo wir nur besitzen, sind wir der Möglichkeit der Welt-Stille.
eines Eigentums beraubt. Wie aber verhelfen wir in dieses Entsprechen?
Das ist die Frage! Sie lautet:
11 Das poesielose Gedicht sagt das Ereignis von Welt. Wie gelangen wir in die Sprache, die nur spricht?
»Poesielos« bedeutet: ohne Poesie im Sinne der überlieferten Wie wohnen wir in der Sprache?
Dichtung; bedeutet zugleich: ohne Iloir,au;: nicht mehr wesend in Sie ist die Fremde im eigenen Haus unseres Wesens.
der Vergessenheit der Differenz, die sich im Her-Stellen verstellt, Das Schwerste ist, dorthin zu gelangen, wo wir schon sind; denn
als welches <l>ucm;
- - 'Iöfo wesen. hier scheint ein Gelangen unnötig.
Das Langwierigste, das Haus auszumessen, das überall hin
vierfältig offen, weder getrennt von den Wohnern, noch abge-
schnitten gegen I Welt. Welt: die Einfalt in die Enteigni s. 13
Kein Ohr ist wach für dies Gedicht. Sprache: Vereignis des Eigentums.
Lang herrscht noch das Gestell. Eigentum: das wehende Verhältnis des Dingens.
Zuvor kommt Wüste, bis es bricht. Sprache und das Gebirg der Welt (Tod).
Lang ruht Gedicht im Quell. Die Sterblichen und die Entsprechenden.
Sprache: die reine Gefahr der äußersten Weltverwirrung.
Das Entsprechen und das Geringfügige.
Das Geringe der Dinge.
Zum »Poetischen« gehört das Bildhafte, Musikalische, das, was Ding: das Einfache der Welt.
alles »Abstrakte« vermeidet und im Anblick und Anklang allein Sprache: weder Instrument noch Gegenstand, weder Fähigkeit
west. noch Gut, weder Gebilde noch Werk.
Die Sprache wird nicht gesprochen. Sie spricht.
222 A nmerkungen VIII Anmerkungen VIII 223

Sprache und Spiel. Wir sprechen der Sprache nach und - ver- Wir sind je in der Weise, wie wir mitspielen - wie wir u ns aus-
sprechen uns zumeist durch das Aussprechen. spielen und einspielen im Ratsal.
[Entsprechen: ist weltische Sprache -
Analogia aus A6yoc:,,nur noch vorgestellte Beziehung, so - wie; Die Verwüstung in das Gestell, das die Wüste zugleich verstellt.
Vergleichen. Die Wüste: daß Sein nicht mehr gedeiht - keine Wurzelung
Die analogia entis vollends stellt das Seiende vor in seinem Ver- und keine Entfaltung mehr.
gleich mit Seiendem; zu Grunde liegt: IIoiTJcnc;.] Gedeihen müßte es in seine Wahrheyt.
Zu lang schon bewegt sich der abendländische Mensch in der
14 0-0 unbedachten Vorform des Gestells, das ihm anfängliche Zusprü-
Entsprechen spricht außerhalb des Sagens nach der Weise von che verwehrt.
Fragen und Antworten.
Alles Fragen ist vor-stellend; demgemäß auch das gehörige Ant- Nachdem man einen auch nur ungefähren Blick für »die Diffe-
worten. renz« mitbekommen hat, ist es leicht, die Geschichte der Metaphy-
Entsprechen stellt nicht vor und nicht dar. sik daraufhin abzusuchen und I überall die Differenz zu entdek- 16
Entsprechen ist kein Beschreiben, kein Erzählen. ken; denn alle Transzendenz lebt aus der Differenz. Man vergißt
dann nur über der Masse solcher Entdeckungen, daß freilich nie
Entsprechen ist: Entsprechen: - Entsprechen ist das Sprechen der u nd nirgends die Differenz als Differenz bedacht wird. Aber an
Sprache der Welt. dieser unscheinbaren Differenz dieses »als« liegt alles.
Entsprechen ist - und nichts sonst.
Es ist: es erwest ~- Das klar Gedachte erscheint, solange es fremd bleibt, unserem
Entsprechen ist das dem ~ eigene Vereignen des Eigentums. Denken trüb.

Je wesentlicher unser Denken dem Wesen des~ entspricht,


um so wesender erfahren wir, wie sich schon das gewandelte We-
Wir können nur deshalb Fragen stellen, weil alles Fragen in sich sen uns zugesprochen hat. Je und je west Wesen ereignender -
- bald mehr, bald weniger ausdrücklich - ein Stellen ist. Es stellt:
hält an und fordert ab ein Wort, das nur als Gegenwort zu diesem Wo der Blitz erblitzt, sind Nebenblitze, die oft unaufgefangen ver-
Stellen sprechen darf. Das Fragen wird vorstellig bei etwas, das löschen.
so das Befragte wird.
Daß Liebe die Liebe braucht, ist wesenhafter denn alles Bedürfen
15 Wir sind, insofern wir aufs Spiel gesetzt sind. Das Spiel ist das und Stützen.
Spiegel-Spiel der Welt.
Unser Weltwesen - Gebrauchte des~- bringt uns ins Spiel. Die Abstrakte Kunst ist der letzte Krampf des im Gestell erstarr- 17
Aufs Spiel gesetzt; gesetzt: gebracht ins Spiel, ihm überlassen ten und darin verstrickten Seins, das entsprechend der ihm allein
und dem Ratsal zugespielt.
224 Anmerkungen VIII Anmerkungen VIII 225

gehörigen Metaphysik noch einen kulturhaften Ausdruck ver- Vgl. schon ausführlich V. H. II, 108 ff.
langt und versucht.
Wenn das Menschenwesen als zugehörig (ge-eignet) im Ereignis 19
Der heute herrschende Atheismus wird nur noch durch die Theo- gedacht ist, wird die Rolle »des« Menschen trotz allem wesentlich
logen überboten. höher angesetzt als in allen Lehren von der unmittelbaren Aktion
und dem Einsatz. Aber dieses »höher« betrifft die Nähe von Welt
Nur ein Geringes von dem, was wir wissen, denken wir. Wir den- selbst, birgt in sich das Welten von Welt. 46
ken nur, was wir unwissend schon wissen (gesehen haben - aber
jetzt: weltisch). Wenn wir ins Wesen denken und dieses im Ge- Im Wesen des Gestells, dessen Bestand ins Äußerste bestellbar ist
dachten anspricht, so ereignet sich von dem so Ansprechenden in einem Vor-stellenden Be-stellen, darin das Bestellte den Bestel-
jedesmal zugleich eine Wandlung der Wesenheit des Wesens. ler mit enthält in seinem Vollziehen (den Menschen), ist erst die
»Wesen« und »Wesen« ist da nie das Gleiche. gemäße ursprüngliche Einheit gefunden, in der, aus dem Wesen
4
von Natur als Bestand des Gestells, die Unbestimmtheitsrelation
Griechisch denken heißt freilich nicht: sich nach der klassischen (Korpuskel- Welle) zureichend gedacht werden kann:
Philologie richten, sondern darauf achten, welche Lichtung des Der Bestand ist entweder noch Gegenstand - oder er ist das
Wesens des Seyns in welcher Weise das Dasein der alten Griechen äußerste Bestellte des be-stellenden Vorstellens, welches Vor-stel-
18 in I den Anspruch genommen hat. Solches Achten ist einiger- len in Wahrheit weg-stellt und das Vorstellen in das Bestellte ein-
maßen schwieriger als das Betreiben von Philologie : es ist darum -bestellt. Der Ursprung und die Einheit der Relation.
auch eher der Irre ausgesetzt, die den Philologen dann als Fehler
und Unrichtigkeit in die Finger kommt. Die moderne Kunst bezeichnet sich als die Abstrakte - man nennt 20
sie auch die Gegenstandslose.
Lange bevor gegen Ende des 18. Jahrhunderts in England die erste Die gegenstandlose Kunst kann die Kunst des Bestandes sein,
Kraftmaschine erfunden und in Gang gesetzt wurde, war schon wobei Kunst selber rein im Betrieb des Bestellens aufgeht und an-
das Wesen der Technik in Gang. ders west als vormals, wenngleich nicht wesentlich anders.
Das Wesen der Technik ist in seinem Wesen aber eine Epoche Die Gegenstandlose Kunst kann aber auch noch zur Bestand-
des Seyns. losen Kunst werden und so - aus der Metaphysik her immer noch
Entsprechend dürfen wir vermuten, daß jetzt, wo diese Epoche kommend, ein Anklang sein an das Vorspiel des Spiels von Welt -
eigens ins Licht kommt, bereits ein Wesen des~ im Spiel ist, so vielleicht Klee, der anders ist als Picasso.
das wir vielleicht noch weniger ahnen, als die Menschen um 1600
das Wesen der Technik ahnten.
Inwiefern dürfen wir solches vermuten?

Das noch Ungedachte beginnt mit dem Denken. Hier heißt »Den- • [Im Jahre 1927 präsentierten Niels Bohr und Werner Heisenberg die soge-
nannte Kopenhagener Deutung als erste in sich konsistente Theorie der Quanten-
ken« der sagende Bezug zum [Seyn]. mechanik. Ein Element dieser Deutung ist die von Heisenberg formulierte Unbe-
Das Ungedachte: das dem Denken noch Versagte. stimmtheits- bzw. Unschärferelation.]
226 Anmerkungen VIII Anm erkungen VIII 227

Vieles geschieht , noch mehr passiert und nichts ereignet sich; am D as Unumgängliche - Welt - wie?
wenigsten das Nichts im Sinne des Nicht - zu jedem Seienden und Wenn es bliebe und bleiben müßte das Unzugängliche?
gar zu jedem Seienden als solchem. Unzugänglich dem Vorstellen, unumgänglich durchgangen
aber im schonenden Denken .
Im gewohnten Wort wohnt das Geheimnis fort. Das Unumgängliche - was der Mensch nach seinem Wesen nie
übergehen kann, woran er nie vorbeikommt, was er aber auch nie
Das Gering west in der Einfalt der Enteignis, die das E infache des umrunden kann, ist das Ereignis von Welt.
Dingens ereignet. Vgl. V. H. II, 110. Es bleibt unzugänglich für jeden Gang des Vorstellens. Aber es
hat überhaupt keinen Zugang, gleich als sei es etwas, was für sich
21 Nur was Gering , wird einmal Ding . Vgl. 55. Vgl. V. H. II, 104 verschlossen haust; denn das Menschenwesen gehört in das Ereig -
nis und bedarf nie erst eines Zugangs . Dieser ist dem Wesen von
(Gering: leicht: geschmeidig, fügsam; fügsam in die Fuge des Welt fremd - es ist un-zugänglich im höchsten Sinne.
Grund-Risses von Welt).
Er-ringen im Geringen . Geduld 23
Arm: liebenswert dem Geringen des Ereignens.
Armut: (armodi) Versehen mit Armsein. Oh wie weit
Arm: ge-eignet dem Ereignis des Gerings der Einfalt . ist jeder Weg
durch Nähe!

Oh wie seid
ihr ohne Steg .
Grell zwar ist das Licht des Ruhmes, doch niemals hell.
Wer sähe

doch die Gunst


der hohen Huld
Weil das~ im wehenden Wesen ereignend das Selbe ist, ist das im Lichte
Menschenwesen notwendig je und je anders, je wesentlicher es
wird - nur so vermag es dem Selben zu entsprechen. Einer Kunst
Das Selbe - die Innigkeit des Zusammengehörens im Unter- die als Geduld
Schied des Gevierts - ist nur aus Er-eignen zu denken , nie aus Verzichte
dem bloßen Anwesen. -
Schüfe, frey
ins eine Mal
22 Ob wir je noch einst genesen
der Liebe,
in die Ankunft des Gewesen?
(Mal: wie Denk-Mal, ein Maß-)
228 Anmerkungen VIII Anmerkungen VIII 229

24 Daß sie: sey Fahrer der Gefahr:


wenn keine Wahl Selber, aber nie die Selben.
mehr bliebe? Selber: so erst Selbst.
Weil das Selbe uns beschied,

das Selbe: Innigkeit als Unter-Schied. 26


Im Ding als Ding ist ereignishaft gedacht das bislang vergessene
Wesen des A6yo<;als e6v der Mvta.
In Welt als wehend ist ereignishaft gedacht das vergessene We-
sen der Vergessenheit des Unterschieds zwischen Mv und Mvta: die Alles Gedicht hängt im Liebesgewicht.
als das Wesende der A-Ai,0Eta. Vgl. V. H. II, 188 f.
A1')011
In Welt und Ding im Welt/Ding ist gedacht das Ereignis des
Unter-Schiedes als die Enteignis des Ratsals.
Innigkeit von Leid zu Dank
Nur wer denkend - andenkend - der verborgenfernsten Überliefe- Rätselrausch aus Trunk und Trank
rung in ihr einfaches Fügen ausgeliefert bleibt, vermag die Kehre Leid der hohen Leidenschaft
vor-zu-bereiten. Dank, der dem Gedank entklafft.

25 Denken - ist nicht nur eigentliches Handeln; denn, auf dieses zu- Ge-Dank, das alte Wort für das gesammelte Denken. Aller Dank
rückgenommen, wird es schon am Leisten und Wirken gemessen hat seine Herkunft im Danken.
und so, ungemäß dem ~' herabgesetzt in seinem Wesen. Man kennzeichnet jetzt öfter mein Denken als »mystisch«.
Denken ist Denken - das sagt: Ereignung des Da-seins. Wenn man damit sagen will, daß hier die gewöhnliche Logik
nichts ausrichtet und den Weg versperrt, trifft man einiges; aber
Wo sich Da-seyn ins Denken enteignet, nur im Negativen, das überdies durch ein ungemäßes Positivum
stürzt Welt in ihre Wesens-Stille - verfälscht wird. Denn »Mystik« als »Schauen Gottes« ist weder
wird Da-seyn einzig - einstig ins Ge-wesen gewollt noch beansprucht - sondern nur: Ent-sprechen dem We-
einstig in das Kommen - einstig in der sen des ~; leyEtv; A6yo<;-
Ge-wahr des Währens -
Trotz allem, trotz Tod und Tränen, trotz Leiden und Greuel, trotz 27
Denken überlangt alles Wissen um das Unendliche. Not und Qual, trotz Bodenlosigkeit und Verbannung, in dieser Hei-
matlosigkeit ereignet sich nicht nichts. Darin verbirgt sich ein Ad-
vent, dessen fernste Winke wir vielleicht doch noch in einem leisen
Wesen erfahren dürfen und auffangen müssen, um sie zu verwah-
Nur im Selben sind wir Selber: ren für eine Zukunft, die keine historische Konstruktion, vor allem
Wahrer seiner Wahr: nicht die heutige, überall technisch denkende, enträtseln wird.
230 Anmerkungen VIII Anmerkungen VIII 231

Denn auch Dies ist zu Ende - daß Werke noch auf eine Zukunft Wie leicht und wie oft ist ihr Klang zu groß; wie selten und
hoffen dürfen, die sie bewahrt oder gar erst entdeckt und aneig - schwer sagen sie ereignend - so daß die Sage dem Ereignis ent-
net. Es könnte jetzt alles im Verzehr und Ersatz untergehen ; jede spricht und, entsprechend , ein Ereignen bereitet .
Bereitschaft zu Wesentlichem könnte absterben. Aber wäre dies
im geringsten ein Grund, der Wahrnis des ~ nicht zu ent- Vielleicht ist der planetarische Journalismus die erste Zuckung
sprechen? (29)Hängt deren Wesen am Dauern? Oder muß es nicht einer kommenden Verwüstung aller Anfänge und ihrer Überlie-
eher der Jähe entsprechen? ferung.

28 Die Theologen und theologisierenden Philosophen begegnen mei- Immer unausstehlicher wird in allem historischen Verhältnis zur 30
nem Denken stets nur so, daß sie ein Lamento anstimmen über Geschichte der Hang zum erklärenden Vergleichen. Man beruhigt
dessen Gott- und Glaubenslosigkeit; statt doch endlich zu fragen , sich darin am besten. Weshalb? Man ist so in dem, was schon war,
ob ihr vielbewiesener Gott denn jetzt »sei«, ob er anwese und wie? aufgehoben; man ist dem Andrang eines ganz anderen, wie es
Und wie dieses Böse und Grauenhafte mit seiner Anwesenheit scheint, enthoben und - zugleich Herr - darüber ; denn man be-
zusammengehe? sitzt die Erklärung für alles. Man redet nie genug über Religion
Haben diese Herren einmal bedacht, daß in diesem maßlosen und Gott und gebärdet sich selber überall als allwissend, alles
Leiden das Leiden am Ölberg tausendmal übertroffen ist? erklärend, alles ordnend.
Ist in all dem die dunkle Angst, mit dem Geschick als ereig-
Dem Selben nur ent-faltet sich ein Selbst. 25 nishaftem Wesen des ~ könnte am Ende alle Geschichte vom
Seyn her verwunden werden; anders als durch die romantische
Das Selbe ist die Einfa lt - die ereignende - der Innigkeit des vie- M einung, die Geschichte als das Vergangen Vergängliche sei in
rigen Unter-Schiedes. einem Dauerhaften überwindbar.
Das Selbe ist anfänglicher denn jedes Selbst.
Die Innigkeit des Enteignens aus der Nähe in das Ratsal des Erst wenn ihr denkt, könnt ihr glauben . Aber Denken heißt nicht :
Zuvor-Kommens von Ankunft. mogeln und nach dem Glauben schielen, damit das Denken auf
ihn gut einschnappe.
29 Wenn es auf Jahrtausende hinaus in der Menschheit kein Weiter -
geben mehr des Großen und noch kein Wiederbringen des We - Der Buchhandel hat einen treffenden Ausdruck für das , was mit 31
senden geben wird - wenn nicht Zwiesprache ist zwischen Jähen den Büchern geschieht: sie werden - ausgeliefert. Für alle, außer
des ~ und der Mensch auch nicht einen halben Augenblick in dem Verfasser, ist die Auslieferung ein Geschäft; aber ausliefern?
den Glanz der Sterblichkeit tritt - wenn die Verwahrlosung sich preisgeben an die Öffentlichkeit. Gehört dies zu einem Buch?
einrichtet - Allerdings. Aber nicht zu einer Schrift.
Die Wendung der Schrift in das reine Entsprechen - Sage und
Die Sage des Denkens wird von ihrem eigenen Wort am meisten Ding.
bedroht; denn die Gefahr lauert in dem, was dem Denken unum-
gehbar bleibt, in den Grundworten. Die Sache des Denkens ist sein Weg -
232 Anmerkungen VIII Anmerkungen VIII 233

Der Weg ist stets nur eine Furche im Weltacker. daß nirgendwo Anwesen als Grundzug des Seins eigens gedacht
Eine Furche und d. h. immer bedacht ist. Weshalb wäre es nötig gewesen, jah-
relang diesem Einen alles Nachdenken zu widmen und im Sein
Bekommen und Besitzen. qua Anwesen den »Zeit«-Charakter zu denken?
Bekommen: von Ankunft des Ereignisses betroffen. Sein und Wesen »besagt ja Anwesen« - ja? ich dächte nein!
Ankunft des Ereignisses ist das Ereignen selber - und ihm ent- »Wesen« und Wesenheit hat man verschiedentlich erklärt und lo-
sprechen heißt: auf Es eingehen und so auf »sich« zurückgehen, gisch vorgestellt; nur hat man es nie als Anwesen gedacht und aus
auf sich, nicht als Zeit, sondern als das Selbst des Schonens. Anwesenheit bedacht. Sonst wäre »Sein und Zeit« freilich die Ur-
Besitzen: mit Setzen, Stellen überfallen. trivialität aller Philosophie. Bis zu einer besseren Belehrung kann
ich auch heute noch nicht finden, daß es so sei. Es stünde dann um
32 Solange wir besitzen (das Seiende in seinem Sein und so das Sein), die »ontologische Differenz« anders. 114
solange bekommen wir nie das Seyn (Unterschied).
Wir bekommen nur, was uns be-kommt. Das unheimlichste Zeugnis für die herrschende Ahnungslosigkeit
Bekommen wir~' sind wir des Seienden ent-setzt. im Denken liegt darin, daß man, wo Sein als Anwesen gedacht
wird, dies nur für eine flüchtige Angelegenheit eines gar noch
Wenn ich im Humanismus-Brief vom »Schritt zur ück« 5 spreche, willkürlichen Übersetzens nimmt und - annimmt.
meine ich nicht den historischen Rückgang in das Altertum und
zu den Vorsokratikern. Was in einer Schrift steht, entscheiden heute die Leser; es ist das, 34
Das »zurück« und »vor« bewegt sich im Ereignis - und das Zu- was sie darin gelesen haben. Wenn der Verfasser anderes dazu sagt,
rück - betrifft zuerst das Zurück aus dem vorstellenden Denken - dann gilt er als derjenige, der die Wahrheit verdreht und seine
in das Entsprechen. eigene Schrift »uminterpretiert«.
0
Fast immer ist unser Denken beschattet vom Gewesen des (ereig- Denken kann nur, wer Augen für das hat, was nicht anwest.
neten) »Seins«; nur selten ist es be-lichtet von der Ankunft des
verwundenen ~- In diesem seltenen Fall spricht die Sage des Man sagt, in meinem Denken sei die Liebe nicht gedacht. Läßt sie
Denkens eigentlich; nicht nur der Wortwahl nach; sondern in der sich denken? Mir scheint, wer so redet, hat noch nie bedacht, was
Fügung ihres Sagens und Furchens. Aber - auch das be-lichtete - in »Sein und Zeit« vom Tod gesagt ist, obzwar nur von fern andeu-
vom Blitz des Einblicks betroffene Denken bleibt beschattet. tend; noch nicht, wie nötig, aus dem Wesen des Seins; aber einzig
darauf zu. Warum anders sonst ist der Tod auf Da-sein zu gedacht
33 Immer wieder kann man bemerken, daß man jetzt als gang und und nicht aus dem »Leben« und nicht als nur zu diesem gehörig?
gäbe hinnimmt, »Sein« bedeute Anwesen. Man meint sogar, daß
man dies immer schon so gemeint habe. Dabei zeigt sich freilich,

Was uns im wesentlichen Sinne verarmt und so ins Wesen verhilft,
hat oft die Art des Erbärmlichen und verleitet so erst recht, die
5
[Heidegger: Brief über den Humanismus. In: Ders.: Wegmarken. GA 9. Verarmung nicht aus ihrem Wesen auszutragen. (36)
A.a.O., S. 343.]
Anmerkungen VIII Anmerkungen VIII

35 Seltsam ist, daß man gerade meinem Denken eine Änderung und Ihnen, die alles ins Kleine herabmeinen und dies als Beruf haben,
Wandlung nach- und vorrechnet. Weshalb interessiert man sich ist nicht zu helfen. (38)
dafür? Verbirgt sich hinter dem Wandel eine notwendige Wande-
rung des Denkens; der Schritt zurück? Hat sich in diesem Denken Die meisten Menschen verhalten sich und sprechen sphärelos.
das Ereignis ereignet? So nehmen sie auch alles ihnen Gesagte. So ist es schon miß-
Warum beschäftigt man sich nicht mit der Änderung der Posi- deutei.
tion von Jaspers? Man vergleiche einmal dessen »Psychologie der
Weltanschauungen« 6 1919 und seine »Philosophie« 7 von 1932. Jählings naht die Nähe 37
Man tut so, als habe Jaspers nie anderes gelehrt als diese »Philo- Rehlings jäht die Jähe.
sophie«. (hehlen: verbergen;
Der Wandel meines Denkens ist das aus dem Ereignis ereig- hehlings: verborgener Weise).
nete Entsprechen - nämlich der Kehre der Vergessenheit des
Unterschieds. Den Wandel zu vollziehen und - vordem noch, den Lieben heißt: in das Ereignis verarmen: aushalten die Enteignis -
Bereich dieses Wandels (das Da-sein - im Unterschied zu allem in das Selbe des Weltens, welches Selbe einig ist nur in der Innig-
bloßen Bewußtsein und der Subjektivität) allererst zu erlangen keit der Vierung. [Vgl.] arm, 21.
und zu bereiten, das entspricht der Sache des Zu-Denkenden: der
Seinsvergessenheit und ihrer Kehre. (96) Denken ist: die Vor-Liebe zu aller Liebe; es hat darum nicht nötig,
In meinem Denken stehen völlig andere Sachen in völlig ande- »über« Liebe zu handeln. Aber als die Vor-Liebe steht es in der
rer Weise zu bedenken als in der »Philosophie« von Jaspers. Damit Fährnis aller Liebes-Sucht.
ist dieser ihre Bedeutung und Rolle nicht abgesprochen.

36 Andenken, das Denken der Ankunft des Ge-Wesens im Ereignis,


ist das verarmte, das armselige Denken (34u.), 39. Wer nur vereinsamt, ist noch nie einsam gewesen und wird es nie-
mals werden, zumal einer dies nie erst »werden« kann.
Als Bub sah ich noch in der ärmlichen Werkstatt des Bruders mei- Einsamkeit ist der Gehorsam zum Selben.
nes Vaters die Schusterkugel, deren Glimmen meinem Großvater Die höchste Liebe ereignet sich zwischen den Einsamen.
Martin, der ein Schuster war, geleuchtet hat. Die Geschwister der Einsamkeit.
0
Den Unter-Schied denken, heißt: das Ereignis sagen; Welt zur Spra- Je reiner das Selbstgespräch des Denkens sich im Selben hält, um 38
che bringen; Ortschaft dem Ding ergehen: der Kehre entsprechen. so weniger gehört es jemals sich zu ichlichem Besitz, um so ent-
Zum Glück für Alle begreift man nicht, was in diesem Denken schiedener ist es verteilt ins menschentümliche Geschick, ohne
vor-sich-geht. daß es dessen noch eigens als Ziel zu achten braucht.
Denkend denkst du nie für dich, aber dich gerade mußt du
• [Karl Jaspers: Psycholog ie der Weltanschauungen. Julius Springer Verlag:
Berlin 1919.] opfern, willst du denkend bleiben.
7
[Jaspers: Philosophie 1-111. A.a.O.] X
236 Anmerkungen VIII Anmerkungen VIII 237

Warum ist das Böse in den Be-rufenen mächtiger losgelassen als schaftsform des Platonismus, aber er dachte und sah Platon, trotz
in den ungerufenen Befriedigten? aller philologischen Vorbereitung, nur mit den Augen und den
Gedanken Schopenhauers.
Verteilt ins Menschentümliche west ein Denken aus seiner Spra-
che unbeachtet sphärisch in den immer weiter sich verschweigen- Das »als« -
den Ringen des Sagens, das nie nachgesagt werden kann. das ontisch-ontologische »als« der Reflexion in die Vorgestellt-
heit (Metaphysik)
Immer meinen - ist der Markt der Kleinen. (36) das wehend sich ereignende »als« der Sprache des Unterschieds
das »als« aus der Kehre gesagt -
Auf dem Weg mitten im Gehen bleiben - Das Unscheinbare der Kehre.
Das »als« und der Spiegel. Der Spiegel der bloßen Reflexion des
39 Für das armselige Denken gibt es keine »Einführung in die Phi- bloßen Mediums einer Sichtbarkeit des Aussehens - und der Spie-
losophie« mehr; denn es ist die Aussetzung in die Wahrheit des gel als Verwindung des bloßen Aussehens - der Spiegel enteignet
~- in den Unter-Schied.
Die Philosophie ist für jeden, der nicht denkt, zur Gefahr des
Denkens geworden.
Die Philosophie - ihre Geschichte - spricht nur noch - und so
notwendig - wenn sie die Vergessenheit des Seyns geworden und Sage und schweige. Aber schweigen, das verschweigt. Dies ver-
als diese erfahren ist. mögen wir nur im ent-sprechenden Sagen. Der Stille enstprechen.

Überall lauert der verfängliche Ausweg ins Vergleichen. Kaum 41


ist Gedachtes gesagt, wird ihm nicht ein Nachdenken geschenkt,
Wir sind vom Gestell schon so umstellt und zerstellt, daß es bei- nimmt es nicht das Denken mit sich in sein Ungedachtes, son-
nahe aussichtslos ist, dem Denken und Sagen durch es selber die dern man vergleicht. Sofort sucht man nichts anderes als solches,
ihm gemäße Be-Dingung zu bereiten. was man schon gehört hat; man flüchtet zu Bekanntem, um es
dort abzustellen und man befriedigt sich dabei. Man meint, das
Wir sind in eine Zeit gedrückt, Gedachte sei jetzt verstanden; verstanden ist es und erklärt, aber
der End und Anfang gleich mißglückt. gerade nicht Gedacht und nicht nur nicht gedacht, sondern das
Zu-Denkende gerade ist preisgegeben.
Alles bleibt noch einbestellt in das Vorstellen. Der Platonismus Wenn nun aber Denkende vor diesem übereiligen Vergleichen
bleibt an der Herrschaft, weil vom vergessenen Gestell her das warnen, das alles zum Voraus ins Gleich-gültige wirft, dann be-
Vorstellen machtet. nimmt man sich auch dieser Warnung gegenüber noch verglei-
chend. Man stellt die also warnenden Denkenden neben die ande-
40 Weil der Platonismus herrscht, bemißt man alles Denken an dem ren und sieht nur, daß jene sich abmühen gegenüber diesen, viel-
platonistisch vorgestellten Platon. Nietzsche erfuhr eine Herr- leicht eine Originalität und ihr Neues zu behaupten.
238 Anmerkungen VIII Anmerkungen VIII 239

Man vergleicht von neuem. Man vergleicht immer wieder . Man Wort eines unserer tiefsten Denker: »die Mutter des Wesens aller
42 sieht weder, daß es nicht auf das Bisherige / und die Rückführung Wesen«, 8 wie wäre es dann mit dem Zaubern?
ankommt, noch sieht man, daß am Neuen und seiner Neuheit gar
nichts liegt - man achtet nicht des je und jäh ungleichen Zu-Den- Der erste Schritt des Denkens ist die Erfahrung des Abgrundes
kenden, daß dieses aber zugleich das Selbe ist. zwischen dem Gleichen und dem Selben. Vgl. 44.
Schließlich - wenn man so über das Vergleichen stutzig gewor-
den ist, entschuldigt man es und meint, es solle nur der ersten Die Vorform, die Vorhu.:tdes Gestells ist die Vergegenständlichung 44
Verständigung dienen. Aber dazu dient es gerade nie. Vielmehr im Vorstellen (Vorgestelltheit als die Subjektität des Subjekts).
ist so schon der wagende Schritt ins Ungedachte gehemmt und an Aber die Vergegenständlichung betrifft nicht nur das Anwesende
seine Stelle das Herumschlendern im Bekannten getreten. Alles im Sinne der Natur - sie west vor allem dort, wo alles Geschicht-
ist schon verdorben , verdorben gerade durch dieses »nur« - man liche: »Geistige« und »Seelische« und aller »Sinn« zum »Gehalt«
wolle sich erst »nur « verständigen. Das sagt: man hält es nicht eine wird und zu »Geltung «.
erste Sekunde im Ungedachten aus, man dreht ab und schleicht »Die Gehalte« und »die Geltungen« sind schon der Übergang
sich weg und verdeckt durch diese Schliche durch die Anführung des Gegenständigen zum Bestand des rechnenden Bestellens.
großer und größter Namen von Denkern und der Titel und Namen
und ihrer Begriffe . 44 Erfahren den Abgrund zwischen dem Gleichen und dem Selben,
das besagt : eingehen in die Kluft zwischen beiden .
Es scheint, als hörten die Denker, die nach Gott schreien , mehr Das Gleiche - im Seienden - Anwesenden - beides - und alles,
vom Wesen der Gottheit als alle Theologen zusammen genommen. was gleich steht in der Hinsicht und Sicht des Vernehmens und
Vorstellens (Metaphysik) .
43 Das »Philosophieren « ist jetzt die schlechteste Vorübung für das Das Selbe - ist das Wesen des~- wesend als die Einfalt der
Denken . Enteignis im Unter-Schied . (Welt).
»Identität« ist nicht: das Selbe; sondern ist Gleichheit von etwas
Wenn heute einer versucht, nüchtern und gefügt aus der Sache (ens) mit sich selbst-; Identität ist aus Gleichheit gedacht - nicht
zu denken und nur das Gedachte zu sagen, nennt man ihn einen aus der Selbheit des Selben . (S. 41f. das Vergleichen) .
Zauberer.
Man unterstellt dabei , das Philosophieren, das sich im Me- Der Mensch ist, sein Wesen aus dem Wesen von Welt gedacht, der 45
chanismus des seynsvergessenen Vorstellens umhertreibt und Hirt des Seins; wobei allerdings Sein bedeutet: Seyn, d. h. der Un-
von nichts mehr angegangen wird, es seien denn die eigenen ter-Schied, und dieses so gedachte Seyn als ~: der Unter-schied
Gemächte und deren Beredetes , dieses Philosophieren sei das im Ereignis der Kehre . Im weltischen Wesen ist der Mensch der
natürlichste und klarste Verhalten und Tun. Wenn man unter Hirt des~ - Der Hirt kann als Denkender ek-sistieren. Der
Zauberei das Schwindel-Spiel mit leeren Tricks versteht , dann ist
das Philosophieren allerdings Zauberei, hinter der nichts mehr
• [Jacob Böhme: Sex puncta mystica. In: Ders .: Sämmtlich e Werke. Sechster
steckt. Band. Hrsg . von Karl Wilhelm Schiebler. Johann Ambrosius Barth Verlag: Leipzig
Wäre jedoch der Zauberer der Magier und die Magie nach dem 1846, S. 407.]
240 Anmerkungen VIII Anmerkungen VIII 241

Hirt ist dann ein Schäfer: dessen Herde sind die Gedanken der zu Die bildende Mitte meines Denkens ist seit dem Weg durch »Sein 47
denkenden Welt; seine Gedanken sind Schafe mit aller Verfäng- und Zeit« (1921/22) die Wahrheit des Seins. Aber diese bleibt die
lichkeit dieses Namens ausgestattet. Schafe sind irrig. Selbe in ganz verschiedener Weise. Zu Beginn des Versuches sieht
Insofern der Mensch der Hirt des ~ ist, ist der Denkende es so aus, als sei die Wahrheit des Seins (was »das Sein«, nicht
der Schäfer seiner Schafe. das Seiende, »sei«) als Thema einer Zergliederung vorgestellt.
Aber das zunächst so Vor-gestellte und Präsentierte erweist seine
Denken ist Entwachen in die Armut des Dinges. 34, 36 Prüfung als das Seyn selber. Wahrheit des Seyns - als Wahrheit
der Differenz ist das anfänglich verborgen Sichverbergende - die
Denken ist weder Erklären von Seiendem aus Seiendem noch Er- wesende Vergessenheit des Seyns (die AiJ011)aus der und in der
gründen von Seiendem aus Sein als den Bedingungen der Ermög- A-AiJ0i;ta sich ereignet und sich in die a1..110faverlegt und die als
lichung (1t)- noch Identifizieren, idem per idem im Sinne des sich öv-ra des Mv hervor-bringt und so west als aufgehendes Hervor-
denkenden Gleichen (Dialektik). bringen (<I>ucrti:;).
Denken ist die Sage des Ereignisses des Unterschieds. Welt ist Die AiJ011bleibt in ihr selber vergessen. Sie läßt sich innerhalb
Ereignis der AfJ011der A1..iJ0i;ux. n
der Lichtung der öv-ra öv-ra nie erfahren und übernehmen.

46 So hoch mußte noch kein Denken das Menschenwesen denken, Jeder Rückblick erweckt den Anschein, als sei alles, was er sieht,
wie es die Sage der Vergessenheit des Unterschiedes denkt. Hier so geplant und gewollt gewesen, wie er es vor Augen legt; als hätte
gehört das Wesen des Menschen in die Wahrnis des~ - in es nur daran gelegen, den fertigen Plan auszuführen. In Wahrheit
das Ereignis der Enteignis. Der Mensch ist hier nicht nur im Kos- aber ist das Denken in einen Strom I geworfen; es hat alle Mühe 48
mos des Seienden der Mikrokosmos; der Mensch ist auch nicht nur und Not, um in der Strömung oben zu bleiben und nicht aus der
der Übermensch. Der Mensch ist nicht nur wie für den Meister Stromrichtung heraus an das Ufer gesetzt zu werden.
Eckhart im Wesen des Seelengrundes mit dem Grund Gottes das Der strömende, sich wandelnde Ratsalruf bleibt immer das
Selbe. Hier ist der Mensch noch aus Gott als dem esse entium ge- Seyn als Seyn; die Differenz als der Unter-Schied - rein aus sei-
dacht und das esse selber ungedacht geblieben. nem Eignen.

Denkend sind wir anders als die Philosophen, die im Vorstellen »Ge-Stell« als (ereignishaft gedachtes) Wesen der Technik ist
bleiben und ein Erziehen daran knüpfen müssen und gleichwohl nicht aus der Beschreibung der jetzt wirklichen Technik gesagt,
in der Vergessenheit des Seyns umgetrieben bleiben. Wenn wir es gehört nicht in eine Philosophie der Technik.
den Unter-Schied denken, sind wir die poesielosen Sager, die im »Ge-stell« ist gedacht im Andenken an die Vergessenheit des
Ereignis der Enteignis entsprechen, indem sie die Wahr der Ver- Unterschiedes, das aus dem Ereignis der Welt denkt und in der
windung des ~ in die Sprache bringen. Verwahrlosung des Dinges Welt-Verweigerung erfährt.

Silberdistel - die Sonne des Schmerzes. Denken und Sprache. Das vorstellende Denken bleibt hinter der
Sprache zurück: es langt nicht in das, was der Spruch der Spra-
che gesagt hat (am ehesten noch ein Einholen bei den Griechen:
242 Anmerkungen VIII Anmerkungen VIII 243

i:pyov: evepyeta; schon res ist nicht mehr gedacht, sondern alsbald ches - oder Seyn als ~: die Verwindung der Vergessenheit in
aus ens creatum, ens perceptum erklärt). Jenes Zurückbleiben des das Ereignis des Unterschieds.
Denkens heißt aber nicht, die Sprache »philosophiere«. Sprache
spricht und wahrt Ungesprochenes als Denkmal. Dem vorstellenden Denken ist Sein die Seiendheit des Seienden
und die »-heit«: der Umfang und das Umgreifende, das höchste
49 Inwiefern kommt, bei solchem Wesen (v) des Menschen, es in aller Gemeine zu allem Seienden.
Ankunft der Enteignis, auf den Menschen an - daß er den ersten Dem schonenden Denken ist Seyn der An-fang, der die Verges-
Schritt vollzieht? senheit des Unterschiedes an sich nimmt und einholt und ein-
Der erste Schritt ist der Schritt zurück in das Schonen, darin bringt in die Enteignis, die den Unterschied erweltet.
das Wohnen west. Dieser Schritt zurück ist der Schritt ins das Der Schritt zurück ist der Vor-Gang in den An-Fang des Ereig-
praevenire amando (51). Dieser erste Schritt ist für alles Wohnen nens; der Vor-Gang in das Schonen der Freyheyt.
zuvor das Bauen. Bauen und Wohnen - 1 der Bauer . -
Aber »der Mensch« ist Mensch erst und schon als der, der gege- Weil Liebe Liebe braucht und brauchen aus Ereignen der Enteig- 51
ben* hat, bevor er nimmt. In dieser Vereignung in die Enteignis nis west, deshalb ist das eigentliche Lieben das praevenire amando.
ist der Mensch vor allem Ich und Du und jeder Personalität - im (16)
Selben selber, ist im Eigensten des Sichgehörenden - ist er nicht Im Ereignis des Unterschiedes ruht die Be-wegnis des A6yoc,,
Einzelner als Gesonderter. in dessen versammelnden Bergen alles Einen und so die Ein-heyt
•Das Zuvor-Kommen ist jene Generosität des Herzens, das sich sel-
des "Ev west .
Das "Ev des Parmenides ist vom Eros-Fragment 9 her zu denken,
ber ergibt in die Leere der Nähe, in die hinein Ankunft einstürzt: dessen »Subjekt« die Moipa ist - verteilend - er-eignend - in das
Ankunft der Enteignis in das Selbe der Einfalt des R atsals. Anwesen die An-wesenden. -
Das Zuvor-Kommen in der Ankunft - vgl. 58. Über dieses Fragment ist die Selbigkeit mit dem Denken
Heraklits erfahrbar; das e6v und dvm des Parmenides ist so im
* Der Bauer - der Nah-Bauer-; der Sterbliche. vorhinein aller späteren »logischen« und vorstellungsmäßigen
Geben: als Zu-Geben: Lassen: Wesen lassen: Tod - vermögen. Auslegung entzogen und so gedacht, daß aus ihm dann erst die
geschickliche Herkunft der »ideen«-mäßigen und »logischen«
50 Den Schritt zurück in das freyende Schonen vermögen wir nur, Auslegung des Seins ein-leuchtet. -
wenn wir die Sterblichen sind, als welche wir gewesen - dann ist
auch »wesen« ereignishaft zu denken. Schonen ins Wohnen aus der Nachbarschaft zur Nähe.
Das Denken als Andenken, an-gefangen in die Ankunft der
Kehre aus dieser, ist das schonende Denken im Unterschied zum Wir besitzen Gegenstände. Wir sind von Beständen besessen.
vorstellenden Denken. Aber wir sind nicht bei Dingen; gehören nicht ins Eigentum.
Denken: der Name für den Bezug des Menschenwesens zum
»Sein«. Aber »Sein« je nachdem: Seiendheit: das Seiende als sol-
9
[S. in diesem Band S. 218.]
244 Anmerkungen VIII Anmerkungen VIII 245

52 Anfang heißt hier: an sich sammeln, in sich versammeln - der zum »Sein«. Gleich »ist« das Tier, indem es lebt. Seine Verlaut-
An-fang von Welt beruht im Ereignis. Enteignend versammelt barung ist etwas unvergleichlich anderes als die Sprache. Sie ist
Welt das Geviert in den Unterschied. Ereignis ist der An-fang - auch nicht Ausdruck.
»ist« - im Sinne des ereignend-enteignenden, wehenden Wesens.
Der An-fang ist zugleich das Ende, wenn Ende nicht das bloße Im Totschweigen, Anpöbeln und gleichzeitigen versteckten Aus- 54
Aufhören, sondern die Beendung als die Begrenzung ist; Grenze räubern meines Denkens sind die heutigen christ-katholischen
aber nicht als Schranke, sondern als Gefüge im Sinne der ereig- Journalisten und Literaten unübertrefflich.
nenden Fügung nach der Weise des Gevierts. Diese Begrenzung
ist die Bekränzung, ereignet aus dem Kranz des Selben. Aus der Einfalt von Welt werden alle Dinge still.

Dinge waren vielleicht einst einmal .unterwegs zum Menschen. »Symbol« - innerhalb der Metaphysik liegt es wie ein Block; viel-
Aber sie sind noch niemals angekommen und vollends nie in sol- leicht nennt der Name etwas, was dem metaphysischen Vorstellen
cher Ankunft als die Dinge in ihrem Dingen gewahrt. unzugänglich bleibt. Das Ding aber, aus seinem erwelteten Din -
gen gedacht, ist nicht etwa »Symbol«; so vorgestellt, würde alles
Im Anfang von Welt ereignet sich Ankunft des Dinges. in die Metaphysik zurückgeworfen. Vielmehr beruht das Wesen
dessen, was man unzureichend Symbol genannt hat, im wehenden
Im Ding ist aufgespart das einstige Anwesen des Anwesenden. Dingen des Dinges - im einfältig versammelnden vereignenden
Verweilen von Welt, welches Verweilen nicht gegenständlich dar-
53 Was jetzt und seit langem ist, ist nicht im Ding und ist dennoch. stellen, sondern in die Lichtung des Verbergens enteignet.
Was ist, ist im Un-Ding .
Das Ding und der Sterbliche 55
Das Geviert des Ringen in seinem Ring ist die Quadratur des
Kreises der Kugel des ~- Nicht ohne
Das Geviert des Ringen, das Gering, ist das Welten der Welt aus den Sterblichen
dem Ereignis des Unterschiedes . wehet die Welt.
Der Unverderblichen
Wie unendlich weit geschieden bleibt ein Schafpferch vom Wesen fügsam, er schone,
des Gestells. was dem Gering
vereignend entfällt.
Das Tier spricht nicht. Deshalb kann es auch nicht schweigen. Er schone das Ding.
Darum hat es auch nichts zum Verschweigen. Das Nichtsprechen Er wohne im Ring. vgl. oben 21
des Tieres gibt deshalb nicht den geringsten Anhalt, dennoch bei
ihm etwas Unausgesprochenes zu vermuten. Das Nichtsprechen Wenn eine Auslegung des von den Griechischen Denkern Gedach- 56
stellt das Tier außerhalb von Sprache und Schweigen, außerhalb ten durch einen Denkenden vonseiten der herrschenden klassi-
der Stille des Wortes; außerhalb jedes möglichen Verhältnisses schen Philologie eine Zustimmung erfährt, dann darf mit Sicher-
Anmerkungen VIII Anmerkungen VIII 247

heit angenommen werden, daß die versuchte Auslegung unwahr Denken bringen kann. Es ist anderer Art als jenes, worauf wohl der
oder flach ist. Anzeiger anspielt: das Licht, das im Johannesevangelium genannt
wird. Wenn aber der Anzeiger diese Botschaft glaubt, wozu braucht
Dem Anspruch des Wesens des ~ entsprechen, heißt auf das er dann noch Holzwege? Mißtraut er dann nicht seinem gepriese-
Wort der Wesensstille hören. Wenn dies glückt, haben wir auch nen Licht, wenn I er überhaupt noch anderswoher eines erwartet? 58
schon das Ohr gegenüber dem Gerede der Philosophie verschlos- Wenige erst sehen den Lichtschein aus dem Gelicht, als welches
sen. der Unterschied wehet.

Der tollste Atheismus, der jemals in der Welt aufgekommen ist, Das Zuvorkommen im Entgegenkommen ist das Ereignis der we-
besteht in der Forderung und im Versuch von Gottesbeweisen. senhaften Neigung. Aber das Zuvorkommen kommt an mit Ver-
haltenheit und wahrt so das Freye in die verborgene Fülle seines
Daß im Augenblick der äußersten Vergessenheit des Seyns mein immer einfacheren Reichtums.
Denken von einem Lichtschein der Wahrheit des Wesens von Seyn
in den Anspruch genommen wurde, möchte wohl Gnade sein. Das Schonen, als welches sich das andenkende Denken in seinem
Wesen findet, beruht in dem verhaltenden Zuvorkommen. Im
Nur Müh-Selige vermögen das schonende Denken. 94 Schonen west das verborgenste und reinste Verlangen, das sich aus
der Fülle des eigenen Wesens erfüllt - das Verlangen ins Zuvor-
57 »Verlust der Mitte« - die Mitte als Metaphysik gemeint. Aber die kommen. (112), 71
Metaphysik ist gerade der Kern der Verfestigung der Verwahrlo-
sung und das Wesen der Geschichte dieser Verfestigung. Denkend fließt erfülltes ~
Darum wäre viel gewonnen, wenn es mit dem Verlust der Mitte im eigenen Welten aus und ein.
ernst würde, wenn wir die Mitte wahrhaft und wirklich verlören! X
Indessen sieht es so aus, als zapple man sich dabei ab, ein ausge- Die Vergessenheit des Seyns ist weder ein Mangel noch überhaupt
höhltes Ersatzgebilde dieser Mitte noch für sich zu einer Schein- ein Vorkommnis mit dem Seyn. Sie ist Es selber. 66
beruhigung zu retten und die Verwahrlosung, ohne von ihr zu
wissen, zum endgültigen Idealzustand der Menschheit zu erheben. Was man immer wieder an meinen Denkversuchen übersieht, was 59
nur wenige beachten, ist dieses Zwiefache:
»Licht« - Einmal, daß durch die Verwindung der Metaphysik das We-
Ein Anzeiger der »Holzwege« stellte eben fest, ihr Verfasser sende der Seinsgeschichte erst zum Tragen kommt, zum Tragen
bringe kein Licht. 10 Das mag gelten, jedenfalls für einen Blinden. jenes Austrags nämlich, der alles von der Frühe an Gedachte in
Im übrigen wäre die Art des Lichtes zu bedenken, die, wenn je, ein das Zu-Denkende einfach bereitlegt.
Zum Anderen, daß der Versuch des schonenden Denkens auf
10
[Vgl. Joachim Ottos Rezension der »Holzwege« in der »Süddeutschen Zei- der Strenge eines lang geübten, vielleicht erst wieder erweckten
tung« vom 12. Januar 1950, S. 11: »Er spendet kein Licht, dieser Denker. Wie wäre
es anders möglich, da hier das Denken sich selbst ergründen will? Heidegger hat Handwerks beruht und darin auch verbleiben muß. Man mißt
den Mut, da zu denken, wo wir sind: in der Finsternis.«] irrigerweise die Sprache des schonenden Denkens am Satzstil der
248 A nmerkungen VIII Anmerkungen VIII 249

wissenschaftlichen Abhandlung, statt an der zu denkenden Sache, Man verstrickt sich nur noch mehr in die Geschäftigkeit des
die der Streit ist im Ereignis der Kehre der Wahrnis des~- Vorstellens, wenn man jetzt meint, es sei etwas gewonnen, insofern
Man gerät durch dieses irrige Abschätzen in die Meinung, was man sich bereit findet, anzuerkennen, die Frage nach der Wahrheit
nicht die Trockenheit und das Ausgehöhlte der wissenschaftlichen des Seins sei eine andere als die Frage nach der Seiendheit des Sei-
Abhandlung zeige, sei notwendig ein ungezügeltes Brodeln, das enden; so ist nichts gewonnen, gesetzt, daß hier überhaupt Aussich-
man bereits im Sagen der Vorsokratiker zu finden meint, während ten auf Gewinne bestehen. Mit jener Anerkenntnis hält man sich
dieses doch die Strenge des einfachen Wortes selber ist. jetzt nur um so entschiedener für berechtigt, von dem Fragestel-
lenden nun auch die Lieferung der Antwort zu fordern und dieses
60 Das Zwiefache: den Austrag des Gedachten in das Zu-Denkende Fordern für das I echte Interesse an diesem Denken auszugeben. 62
und das Handwerk der fügsamen Sage - gilt es, in langer Übung Man versagt sich jetzt noch hartnäckiger der Wanderschaft des
unauffällig zu lernen. Denkens. Man sieht jetzt noch weniger als vorher, daß ein Ant-
worten des schonenden Denkens nicht das Fragen abschließt und
Man will wohl, daß Fragen gestellt werden; denn wie anders soll beruhigt, sondern im Entsprechen beruht, das sich nur auf dem
die Wissenschaft und die an diese gekettete Philosophie sonst Gang der Wanderschaft im Geschick des ~' das sich nur als
fortschreiten? Was sollte man noch anstellen, wenn es den immer dieser Gang ereignet.
noch vergötterten Fortschritt nicht gäbe? Wie soll man es aus- Man sieht überhaupt noch nichts davon, daß gerade jenes Fra-
halten im bloßen Stehen, das ein Stillstand sein müßte. Man ver- gen nach dem Wesen des Seins als Seyn in sich schon das entschei-
langt nach Fragen, aber man fordert im Grunde, daß Antworten dende Entsprechen ist. Die eigentliche Antwort ist schon gesche-
geliefert werden. Fragen und Antworten sind in das Geschäft des hen. Aber man hat noch kein Ohr für sie und kann es nie haben,
Lieferns versetzt. Man findet es selbstverständlich, sich an diesem solange man im Vorstellenden Denken beharrt und demgemäß
Lieferungsgeschäft zu beteiligen. Man nennt dies: Interesse für das Hören nur als ein Vernehmen vorstellt, statt es als das Gehor-
die kulturellen Belang e. chende Gehören in das Wesen des ~ zu: seyn.
Man weiß nichts von der Wanderschaft des Denkens im Ge-
schick des~- Sage, die der Welt-Stille entspricht, ist das ~: sie ereignet mit
Darum macht sich die Vorstellung breit, durch »Sein und Zeit« die Enteignis in den Unterschied. Sie geht ein in die wehende
61 und die folgenden Schriften sei zwar die Frage nach dem I Wesen Mitte der Sprache. Vgl. 80.
des Seins gestellt, aber keine Antwort gegeben. Man will nicht
sehen, daß, was man für die bloße Fragestellung hält, schon der Jeder Versuch des schonenden Denkens, der sich ins Öffentliche 63
wandernde Gang ist, der aus dem Geschäft der Belieferung mit wagt, spricht dadurch sein Gedachtes aus. Er ist so in das Sich-
Fragen und Antworten hinausführt in das Da-sein. Immer will aussprechen verloren; er wird nur als dieses beurteilt. Er bleibt
es nicht erfahren, daß dadurch schon der Wesensstand des Men- von allen erfindlichen Arten des Vorstellens umstellt. Schließlich
schen ein anderer geworden ist, daß in solchem Stehen inmitten wird er als eine Einstellung unter vielen anderen zu den übrigen
der Lichtung des Sichverbergens des ~ ein Weg ergangen ist abgestellt; der Versuch ist in seinem Wesen verschüttet; er kann
- daß Weg wesentlich ist, nicht als Mittel eines Fortkommens, son- vom vorstellenden Denken h er niemals gefunden und wieder auf-
dern als Aufenthalt des Wohnens. genommen werden.
250 Anmerkungen VIII Anmerkungen VIII 251

Im Zeitalter .des Aussagens, das sich bis zur Erschöpfung ins leere Sie verkennen den Verzicht, als welcher der Schritt zurück ins
Herumsprechen des Gesprochenen »aus« -spricht, ist eine Sage des schonende Denken vollzogen ist. Sie achten nicht auf das, was mit
schonenden Denkens nicht möglich. Je einfacher solches Sagen diesem Verzicht zumal preisgegeben und gelichtet ist.
spricht, um so nachhaltiger erweckt es den Anschein, daß es aus- Im Weltalter der bevorstehenden Kehre spricht die Sage des
sage und sogar unmittelbar aussage. Dadurch wird es in das herr- Un terschiedes zugleich noch mit den Worten der Metaphysik
schende Aussagen einbezogen und mit dem Geläufigen vermischt. (»Sein«, Seiendes):
Niemand gelangt auch nur auf eine Spur einer Ahnung davon, daß Das Ringste des Geringen ist das ~-
im Sagen des schonenden Denkens ein großes und langes Hand- Das Seiendste des Seienden ist der Gott~
64 werk geübt wird, das nur lang-l sam und erst durch Geschlechter
hindurch es vermag, im Geschick des ~ heimisch zu werden. Darum stehen, wer das~ zu denken und wer den Gott zu rufen
hat, in rein verschiedenen Verhältnissen . Das eine und das andere
Wir dürfen uns der Überlieferung nicht durch die Historie auslie- ist in seiner Weise schwer und immer Wagnis.
fern . Wir müssen der Herkunft des Gewesenen entgegenkommen. Das Schwerste aber ist für die Heutigen, den Abgrund der Ver-
Dazu ist nötig, daß wir gehen und im Gang solcher Wanderschaft schiedenheit beider zu erfahren und auszuhalten.
geübt sind.
Das Verhältnis, das vonseiten des Menschen das Ringste des Rin- 66
Man eifert ständig gegen die Gewaltsamkeit meiner Auslegun- gen verhaltend erfährt, ist das Denken. Vgl. II / 97 [?]
gen; aber man benützt sie doch stillschweigend; besser noch wäre
es, wenn man sie nutzenlos ins Denken eingehen ließe. Höhe, die entstieg,
Zwischen Erd und Himmel: Sieg.
Denken - als das Ver-hältnis der Wahrheit des Seyns - Tiefe, die entfiel,
Verhältnis: das gesammelte Hüten, das an sich haltend die Hut Zwischen Gott und Mensch: das Spiel.
und das Gehütete der Hut aushält. Vgl. früher V. H. II, 116. In Stieg und Fall
Dieses Wesen des Denkens ist gemeint, obzwar noch gesucht, in schweigt still das All .
dem, was »Sein und Zeit« das »Seinsverständnis« 11 nennt. Wenn
einmal das Wesen des Denkens so erfahren ist, fällt es leicht, hin- Di e Geschichte des Seyns ist weder eine Verfallsgeschichte noch
terher die ratio des animal rationale darnach auszulegen. Vgl. 69. überhaupt Geschichte im Sinne des Geschehens eines Wirkungs-
zusammenhangs.
65 Was auf meinem Weg des Denkens zur Sprache gekommen, kann X
nur ein Anlaß bleiben zu den Versuchen, das Menschenwesen für Neid gegeneinander innerhalb der Völker.
die Kehre der Vergessenheit des~ wohnend vorzubilden. Jede Haß der Völker gegeneinander.
anders gerichtete Verwendung, Ausgestaltung und Verhärtung In Neid und Haß die Rachsucht.
dieses Denkweges sind irrig. Rachsucht und das Wollen im Willen zum Willen.
Die Herrschaft der Rachsucht und die Vollendung der planeta-
11
[Vgl. Heidegger: Sein und Zeit. GA 2. A.a.O., § 2.] rischen Neuzeit.
252 Anmerkungen VIII Anmerkungen VIII 253

Die Herrschaft der Rachsucht und die Seynsvergessenheit. In der Verwandtschaft der großen Lehrer beruht die Gewähr
einer frischen Luft des echten, nie schülerhaften, Lernen s. Vgl. 70.
67 Lehrer und Schüler - Das eigentlich zu Lernende läßt sich nie lehren.
Der große Lehrer ist groß durch das Vermögen, von großen
Lehrern herzukommen und diese durch solche Herkunft erst in Das nachklappende Besserwissen ist das größte Hemmni s für ein 69
das Lichte und Ragende ihrer Größe frey zu lassen. erfahrendes Denken. Man läßt sich erst den Star stechen; sehend
Der große Lehrer ist groß durch das Vermögen, wiederum Leh- geworden, gebärdet man sich dann als denjenigen, der sich längst
rer, aber niemals Schüler, zu seinen Nachkommen zu haben. im Besitz der Wahrheit wußte, der darum berufen ist, alles Nach-
Die ihm nachkünftigen Lehrer kommen freilich erst nach lan- kommende, das ihm aber erst zu einem Sehen verholfen und die
ger und ihm verhüllter Zeit; nie zu Lebzeiten des Lehrers. Verblendung behoben hat, als abhängig zu brandmarken, demge-
Zeitgenössisch mit dem Lehrer können nur Schüler sein. Durch genüber man »schon« alles wußte.
diese wird der Lehrer platt gedrückt; das Platte schließt die Ver- Diese bei den Philosophiehistorikern und Theologen beliebte
kleinerung in sich; alsbald kommt es zu dem rechtmäßigen Zu- und geschickt geübte Methode hindert diese vollends an jedem
stand, daß die Schüler in der Tat alles besser wissen: alles nämlich, erfahrenden und wagenden Bezug zur Sache. Aber sie fördert die
was sie zuvor verkleinert und in den Gesichtskreis ihrer Vorstel- aus immer neuen Diebereien sich aufputschende Betriebsamkeit
lungsart gedrückt haben. Dorthin reicht der Lehrer nicht; er er- ins Endlose. Vgl. 64.
scheint als -- Daß dieses Besserwissen vom Raub lebt, ist wenig wichtig. Be-
Wer es darauf absieht, Schüler zu züchten, wer es nötig hat, denklich stimmt, daß es sich selber von den Möglichkeiten des
68 durch die Lehrer-Schüler-Beziehung gefördert und I in jedem Denkens ausschließt und dessen Wege in ein falsches Licht bringt.
Falle beunruhigt zu werden, bezeugt dadurch unmittelbar, daß
er kein großer und eigentlicher Lehrer ist, sondern ein Schul- und »Philosophie« ist mein Denken allerdings nicht, sondern nur:
Schülermeister. Denken. Vielleicht kommen eines Tages einige dahinter, daß alle
»Philosophie« auf diesem Denken beruht.
Eigentlich lehren heißt wohl: lernen lassen; aber lernen lassen:
das Lehrersein. Im Bereich des Denkens ist die Verwandtschaft der Lehrer beson- 70
ders schwer zu erkennen, weil sich hier leicht die Lehrer-Schüler-
Lehrer, die darüber Klage führen, daß diejenigen, die von ihnen Beziehung, die in den Wissenschaften üblich ist, einschleicht. Bei
lernten, abgefallen seien und gar Verrat geübt haben, bleiben in den Philosophieprofessoren, die ihre eigene Aufgabe und Notwen-
die Enge der Lehrer-Schüler-Beziehung eingezwängt; sie trach- digkeit haben, lernen die Schüler zwar das Philosophieren, aber
ten nach der Reinheit ihrer Lehre statt nach der Anfänglichkeit niemals das Handwerk des Denkens. Vgl. V. H. II, 120.
künftiger Lehrer. Die Verwandtschaft der Lehrer des Denkens wohnt auf einsamen
Darum gilt: Höfen. Sie sind die Werkstätten für das Handwerk des Denkens.
Nicht durch Lehren aus Absicht Schüler züchten, sondern im Innerhalb des Bereiches der Verwandtschaft der Lehrer wal-
unauffälligen Lehrersein auf unabsehbare Zeit Lehrer zeugen. ten eigentümliche Geschicke. Wer in das Schwingungsfeld ihrer
Stille gelangt ist, wird sparsam mit dem Wort.
254 Anmerkungen VIII Anmerkungen VIII 255

Tatenlos handelt das Denken als Denken -; darum wird es am das Dingen des Dinges verhält. Dieses Verhältnis ist das Ereignis
meisten bedroht durch die ihm zugetragenen Erfordernisse, die des Unterschieds.
auf ein unmittelbares Wirken ausgehen. Eines Tages freilich wird der Weg über das Vorstellende Den-
Verderblich ist es, zu früh und zu lang im Öffentlichen hin- und ken des Seienden als eines solchen nicht mehr nötig sein; das sagt
hergezerrt zu werden, wo das meiste Neugier und Eitelkeit, weni- freilich nicht, das Seiende sei jetzt ausgelöscht, vielmehr ist das
ges Nutznießung und Berechnung, kaum etwas Angang von der Anwesen des Anwesenden erst eigentlich im Dingen de s Dinges
Sache ist. gelichtet und in Welt gewahrt .

71 Noch auf lange Zeit hinaus wird das schonende Denken in viel- Der Schritt zurück aus dem Vorstellenden Denken in das sc!_io- 73
fältiger Weise versuchen müssen, den ihm eigenen Schritt zurück nende Denken entspricht dem Anspruch der Kehre. Das Denken
aus dem vorstellenden Denken zu vollziehen und eigens zu zeigen. geht als Sage des ~ auf das zu, was rückwärtig ist dem Seyn
Wenn wir dem anscheinend bloß Seienden (Anwesenden) ent- in seinem Wesen - auf die Wahrnis des ~' welche Wahrnis
wachen und wachgeworden das Seiende als ein Seiendes verneh- keine Hülle ist und kein Behälter.
men und als Vernommenes vor-stellen, haben wir dabei zwar das Im Zurück entfaltet sich die heitere Ruhe des Schonens in die
Seiende in seinem Sein vorgestellt, aber immer noch nicht das Weite seiner Freye, als welche Welt, wehend Ding, als welche das
Sein als Sein. Doch dieses erlangen wir auch nie, trotzdem es so Verhältnis im Ereignis, als welche der Unter-Schied sich lichtet.
scheint, durch eine bloße Fortsetzung des Vorstellenden Weges, Aus der Freye des Ereignisses strahlt die Freyheit in das Scho-
indem .wir versuchen, das »als«, in dessen Lichtung das Seiende nen zurück, das so immer reiner west.
als ein solches sich uns stellte, gleichsam noch einmal auf das X
Sein des Seienden anzuwenden. Durch diese Fortsetzung gehen Schließlich gelangt der Schritt zurück in das Ringste des Geringen
wir allerdings vom Sein selbst gerade fort, insofern das Sein west - nur erst Welt als Welt zu erwohnen, insofern die Sage des Unter-
als Sein des Seienden, als das Seiende des Seins. Wenn wir Sein schiedes die Sprache zurückbringt in die Stille der ereignenden
als Sein - vorstellen wollen, scheinen wir auf dem Sprung zu sein, Enteignis. Also wohnend baut die Sage des schonenden Denkens
das Sein eigentlich zu fassen. Doch so gerade haben wir es end- an der Sprache als dem Tempel des Verhältnisses (des Welt/Dings).
gültig verlassen, So weit zurück verbirgt sich alles Bereiten des gesparten Ereignens.

72 Denn Sein des Seienden west als die Differenz von Sein und Seien- Wenn das Denken dem Anspruch des Ereignisses entspricht, ist es 74
dem. Wir dürfen daher niemals in der Weise des Vorstellens und im Entsprechen anspruchslos.
des ihm eigenen »als« zum Sein als Sein fortgehen, wir müssen Insofern es sich dem Anspruch enteignet, nimmt es sich nichts
vielmehr zurück auf den Austrag von Sein und Seiendem einge- heraus, bleibt im Unscheinbaren des stillen Wandels der Sprache.
hen. Mit diesem Schritt zurück wird aber sowohl das Seiende für Das Anspruchslose des Entsprechens entspringt der Zurückhal-
sich als auch das Sein für sich aufgegeben. Das Wesende spricht tung im Verhältnis.
jetzt als der Austrag selbst an im Anspruch des Ereignisses des Un- Der Schritt zurück wird je und je zurückhaltender. Er braucht
terschiedes. Der Austrag, das ~' wird jetzt rein »als « des scho- das Zurück, dahin er geht, im Rückgang nicht auf, sondern er
nenden Denkens in das Welten von Welt gewahrt, das wehend enthaltet es in sein Wesen.
Anmerkungen VIII Anmerkungen VIII

Je entschiedener die Kehre als das Ungeheuere im Ereignis der gelangt der Mensch dazu, Zeit zu haben? Nur so, daß er beginnt,
Vergessenheit sich lichtet, um so nötiger ist, daß das Entsprechen, die Zeit in ihrem Wesen zu se_rn.
das sie ins Wesen sagt, im Geringen wohnen bleibt. Das Wesen der Zeit ist das Verhältnis, das Ereignis des Welt/
Dinges als die Wahrnis des Unterschiedes in das Ratsal seiner Ent-
Das schonende Denken, das Entsprechen im Anspruch, das Den- eignung.
ken im Anspruch heißt auch Andenken. Zeit haben wir nie schon dadurch, daß wir unbeschäftigt sind
Das Unscheinbare dieses Denkens läßt sich schwer schätzen; oder die Stunden beliebig verwenden können - die Zeit haben
denn es gelangt bei seiner anderen Art alsbald in den Vergleich wir, wenn wir im Ge-Birg des ~ wohnen, wohnend die Jähen
75 mit der großen Überlieferung des metaphy-1 sischen Denkens. Ge- des Ereignisses schonen und sparsam die Fülle des Ratsals der
gen dieses wird es abgehoben und dadurch, ob in Zustimmung Vergessenheit bedenken - Jahrhunderte sind dann nur historisch
oder Ablehnung, herausgestellt. gerechnete Zahlen, die das Selbe in das Vorstellen eines Vielerlei
Das Unscheinbare des schonenden Denkens beruht in dem, was und Nacheinander zerstreuen.
es denkt, im Welten von Welt, die wehend das Ding verhält und Die geduldlosen Bezirke des nur Gewollten und Gemachten -
so sich als das Verhältnis ereignet: das gesparte Wesen des Unter-
schiedes. Wenn ein Denkweg, weither aus der Frühe kommend, durch die 77
In der Kehre entspricht der Vergessenheit des Unterschieds die Vollendung der Metaphysik hindurch vor die Kehre der Verges-
Wahrheyt des Verhältnisses, die Sparnis seiner Enteignung in das senheit des Unterschiedes führt, dann kann es nicht verwundern,
Ratsal. wenn er langsamen Schrittes nach Jahrzehnten erst zu sagen ver-
Darum heißt, die vergessene Differenz denken, keineswegs über mag, was ihn lange schon als Frag-Würdiges unterwegs be-wegte;
sie reden und sie als das Thema herausstellen - z.B . das Nichten des Nichts. Darin ist im Vorstellungsbereich der
es heißt: in den unscheinbaren Furchen des Weltackers bleiben. Metaphysik vorgedacht: das ereignende Enteignis des Unterschie-
Damit das Denken der Sparnis der Enteignung entspricht, muß des zum Verhältnis des Welt/Dings.
die Sage sparsam sein. Sie spart das wesentliche Wort. Sie spart die
Gelegenheiten des Sagens. Gleichwohl wird die Sage des Unter- Wer das »Unterwegs« nie erfährt, wird das Nichts und das Nich-
schieds dem Fortriß des Herausstellens von allem in die Öffent- ten als etwas Nichtiges vorstellen. Er wird nachher, wenn ihr er-
lichkeit des Gestells nicht entgehen; sie wird zeitweise nach außen eignishaftes Wesen genannt ist, feststellen, daß dieses Denken,
ihr Sagewesen einbüßen. Der Sparsame werden wenige sein. Sie dessen Unterwegs man verkennt, sich inzwischen eines Besseren
gedeihen in der Armseligkeit der Geduldigen. besonnen und der Zeitlage entsprechend hinten herum das Nichts
zum Sein umgefälscht habe. Aber will einer sich wirklich unter-
76 Der Fortriß kann sich bisweilen sogar mit der Forderung rechtfer- fangen, die Rede »Was ist Metaphysik?«, die aus geschichtlichem
tigen, den Ratlosen müsse auf der Stelle geholfen werden; darum Augenblick heraus die Wissenschaften von dem in ihnen vorge-
sei jede Zurückhaltung gegenüber der Öffentlichkeit eine Hand- stellten Seienden her vor »das Nichts« stellt, die Rede habe I die 78
lungsweise von Verantwortungslosen, die sich der Pflicht entzie- Absicht, alles und damit sich selbst und ihr eigenes Mühen in ein
hen. So spricht ein Zeitalter, das keine Zeit mehr hat. Wie aber nihil negativum hinabzustürzen? Merkt man immer noch nicht,
daß der Sinn dieser Rede, in der sich die Philosophie den Wis-
Anmerkungen VIII Anmerkungen VIII

senschaften gleichsam vorstellt, nur der sein kann, vom Seienden, ten »Sein « nur hinzugedacht, ohne daß die Art und der Wesensort
worin die Wissenschaften ausschließlich aufgehen, weg ins Sein einer solchen Beziehung bedacht wäre.
zu weisen, das von den Wissenschaften her gesehen, sich notwen- Weit schwerer noch als der brauchende Gebrauch im ~ ist
dig als solches ausnimmt, was ganz und gar nicht das Ihrige, nicht zu denken, daß dieses gebrauchte und demgemäß entsprechende
ein Seiendes ist, in ihrem Horizont also und in der Sprache der D enken dann rein west, wenn es sich als Sage der Welt-Stille dem
Metaphysik der Wissenschaften das Nichts? Anspruch der Enteignis zuspricht und als so zugesprochene sich
Was sind aber für einen Sterblichen zwei Jahrzehnte, um diesen einfach in die (aus dem Verhältnis) ereignete Sprache enteignet.
eingeschlagenen Weg, der freilich im üblichen Vorstellen durch- Die Sage ist freilich nie abgesondert um der Sage willen (wie ein
aus nicht einschlug, immer wieder zu gehen und so als einen Weg l'art pour l'art). Die Sage ist - als gebrauchte - der Sprache wegen.
durch das herrschende Denken zu ziehen? Die Sprache aber ist das gedingte Verhältnis.
Die Sage spricht entsprechend; also birgt sie Sprache in das
Heute ist es schwer, für das Denken einen Ort zu finden, an dem durch sie behauste Ereignis. Die Sage spricht sich nicht aus und
sich Denkende, ihrem Stil gemäß und ihn entfaltend, zur Samm- h inaus in Ausgesagtes. Die Sage entspricht, sie spricht von sich
lung begegnen können. weg in die Welt-Stille der ereigneten Sprache. Die Sage geht nicht
darauf aus, gehört zu werden, um dann besprochen zu sein. Die
79 Der befremdende Gedanke im Andenken scheint derjenige zu sein, Sage geht nicht auf eine Wirkung, sie richtet sich nie I unmittel- 81
der zu denken hat, daß die Wahrnis des ~, das Ereignis des bar an die Menschen, um ihr Vorstellen zu erfüllen und zu len-
Unterschiedes, in sich ungenügend ist, insofern es das Menschen- ken. Die Sage er-eignet den Menschen weit wesentlicher, nämlich
wesen brauche. Aber dieses »Brauchen« erscheint nur solange im wehend als Gebrauchten; sie teilt nicht vorstellend etwas mit, sie
Anschein des Ermangelns, als wir das Wesen des Seins zu dürf- bringt ereignend auf den Weg des schonenden Wohnens.
tig denken. Das geschieht jedoch dadurch, daß wir das Sein mit Heute gar, wo alles Sagen in Rede und Schrift nur wirken will,
dem höchsten Seienden als dem obersten Grunde gleichsetzen. wo man vom Sagen auch nichts anderes fordert als dieses Wirken,
In Wahrheit denken wir auf diese Weise das Seyn nicht nur zu bleibt es schwer, das Wesen der Sage des Unterschiedes gegenüber
dürftig, sondern wir denken überhaupt noch nicht ~ als ~- den landläufigen Einwänden und den verständlichen Vorwürfen
Denken wir dies, d.h. denken wir Welt, dann denken wir aus der zu retten. Man wird sich darin stoßen, daß ein reines Entsprechen,
Welt-Mitte, deren Anspruch das Entsprechen als Wesensfuge des das sich nur in die Sprache einsagt, in einer Art von Aesthetizis-
Weltens verlangt. Das Gebrauchte kommt nicht erst zum Wesen mus sich isoliert, egoistisch sich auf das eigene Tun versteift, Welt-
des ~ hinzu, sondern während der Vergessenheit des Unter- lauf und Menschenschicksal verachtet, um Not und Drangsale
schiedes (Seyn) ist das schon aus dem verborgenen Welten wesende unbekümmert der Zeit und ihren Forderungen ausweicht . Man
Brauchen und sein Gebrauchtes mitvergessen; der Mensch west als wird sich über die noch größere Gefahr erregen, die in solcher Ab-
ein Anwesendes unter anderen, obzwar ausgezeichnet, obzwar so, sonderung liegt: daß solches Sagen die reine Willkür fördert und
daß sich eine Beziehung von dvm und vosiv doch nicht völlig ver- zum leeren Selbstgenuß von Gedankenspielen verführt. Diesen
80 birgt, auch nicht in der Beziehung von 1 'l'l>XTJ
und övra miv.a. Aber Ärgernissen kann das Denken nicht un-1 mittelbar entgegentreten. 82
diese Beziehung wird zu dem in seinem Wesen selber ungedach- Solches versuchend bliebe es notwendig im Bezirk des geläufigen
Vorstellens und würde so im vorhinein den im ~ wes enden ge-
260 Anmerkungen VIII Anmerkungen VIII 261

brauchenden Brauch niemals in den Blick bekommen. Dies aber kung, von keiner Absicht auf diese getrieben wird. Ereignet ist
ist nötig und in einem damit die Erfahrung des ~ als Ge- es freygelassen in die Sage, die als Sprache nichts vermag als zu
schick. Dieses Geschick gehört in das Ereignishafte Wesen des sprechen - als Wahrnis des Ungesprochenen Ratsals zu währen.
~ und meint nicht die Geschichte als einen Geschehensablauf Wenn jedoch das Entsprechen an der Absicht und an der Mög-
in den ~ erst untergebracht wird; so entstünde der Anschein,
' lichkeit in gleicher Weise vorbeigeht, könnte man ihm unterstel-
die Geschichte sei das Absolute, nach der Art der Hegelschen Be- len, es mißachte zwar die unmittelbare Vvirkung auf die Zeitge-
wegung des Geistes; dieses Absolute verdächtigt man dann so- nossen, rechne dafür aber mit der weitergreifenden Absicht auf
gleich noch als die unberechtigte Verabsolutierung und Vergöt- eine Wirkung in der Zukunft für die später kommende Mensch-
zung der Geschichte, die man als Gegenstand der Historie kennt. heit. Auch dies anzunehmen, wäre fehlgedacht, denn diese Mei-
Solange Vorstellungen dieser Art maßgebend bleiben, ist man nung müßte doch die Sage, noch entschiedener als die vorgenannte,
noch nicht einmal in der weitesten Umgebung, geschweige denn als ein Aussagen vorstellen, dessen Auswirkung in späterer Zeit
im Vorhof der ~geschichte. Das schonende Denken muß den erwartet wird.
Verdacht, es sondere sich zu einem leeren Selbstgenuß ohne Ver-
antwortung für die »Zeit« in die eingebildeten Gebilde seines Wenn das Entsprechen im Anspruch vereignet und so im Wir-
Tuns ab, ertragen und zwar aus der Erfahrung, daß die Sage 1 kungslosen bleibt, scheint es sich in eine Haltung zu drängen, die
83 des Denkens in ihrem Entsprechen das Wesen des Menschen we- jedem, wie man sagt, schöpferischen Sagen fremd ist. Sophokles
sentlicher angeht, als es je eine metaphysisch aufgemachte und dichtete seine Dramen zu seiner I Zeit, für diese; nicht aber in 85
moralisierend hoch gesteltzte Philosophie in ihrer zeitnahen Wir- einem Ausblick auf die kommende abendländische Geschichte.
kungssucht je vermag. Gewiß, dieser historische Blick nach vorne fehlte ihm, damit aber
© auch die Hinsicht auf seine Zeit als solche, die er auch historisch,
Die entsprechende Sage entspricht das Wesen des Menschen als obzwar zeitgenössisch hätte vorstellen müssen. Aber Sophokles
des Sterblichen in das Wohnen aus der Welt-Stille. Ent-sprechen: dichtete den Göttern, unhistorisch, aber verborgen geschicklich.
ereignend ent-geleiten in die Enteignis, als welche das Verhältnis
den Unterschied ins Ratsal birgt und so die Ankunft des Dinges Wie aber ist ein Sagen, wenn in sein Zu-Sagendes nicht die histo-
spart. risch vorgestellte Geschichte, wohl dagegen das geschickliche
Ereignis des Unterschiedes gehört? Dann muß es, weil es ge-
Das »Entsprechen« ist ein Wort, das in einer eigenen Weise die schicklich angesprochen ist, außerhalb jedes historischen und
wesenhafte Vieldeutigkeit der Sprache in sich wahrt. damit auch gegenwärtigen Wirkenwollens bleiben. Es ist weder
gegenwärtig, noch zukünftig, noch ewig in seiner Absicht; das
Das Entsprechen entnimmt die Sage dem Anspruch der Welt- E ntsprechen bleibt absichtslos gediegen dem geschicklichen Er-
Stille und spricht die so ent-fangene ein in das Verhältnis (Welt/ eignen zugetraut.
Ding), dessen Wahrheyt die Sprache ist. Das Entsprechen der Sage
verzichtet auf jede Wirkung nach der Weise des Aussagens. Streng Wenn nicht einmal noch das gesparte Wesen des~ anspricht
84 gedacht I kennt das Entsprechen nicht einmal die Möglichkeit und das Wesen des Menschen in ein Entsprechen ereignet, wenn
eines Verzichts auf Wirkung, weil es von keinem Willen zur "\Vir- nicht Ereignis sich enteignet, hilft kein Moralismus, keine Kultur
262 A nmerkungen VIII Anmerkungen VIII 263

und kein geistiges Schaffen und kein Erziehen - all dies verläuft Furchen sind das Gediegen e eines Gedeihens im Ereignen des
bodenlos in der Verblendung seiner Machenschaft. Unterschiedes.

86 Die Sprache ist, aus dem Ereignis des Unterschiede s gedacht, die Ob es noch einen Weg gibt, zwei Dinge zusammen und unschein-
Wahrheit des Verhältnisses (Welt/Ding). bar gegenwärtig zu halten: einmal, daß zum Denken das längste
und strengste Handwerk gehört; j zum anderen, daß das Denken 88
Sprache ist die sprechend-gesprochene Welt-Stille des Ungespro c in sich das Handeln ist, insofern es dem Wesen des ~ · an die
chenen der Dinge. (88) Hand geht.

Wie kann das Ansprechen des Ereignens ein Entsprechen zu sich Was in meiner Zwiesprache mit den Denkern sich wie ein aus-
vereignen, wenn nicht zuvor dem Wesen der Sprache sein Wesens- geklügeltes Etymologisieren abzuspielen scheint, ist ein Heraus-
raum eingeräumt ist? hören des Ungesprochenen aus der Sprache. Dazu ist freilich nötig,
Wie mag dieser, das Welt/Ding als das Verhältnis, wesend sich daß wir schon denkend ent-sprechend mit dem Ungesprochenen
entbreiten, wenn er nicht zuvor zugelassen ist in ein Lassen, das im Gespräch sind.
die Freye gibt, in der das Wesen der Sprache seine Schonung fin-
det, in der gediegen es gedeiht. (35) Die Sprache ist der Quell und das Meer aller Bäche und Ströme,
die das~ in seine Wahrnis denken.
Das Wesen der Sprache bedenken wir, damit aus der Welt-Stille
- als der Stille des Verhältnisses - dem Anspruch des Ereignisses Anspruch und Zuspruch der Welt-Stille aus der Mitte des Ver-
und seinem Entsprechen die Dimension des Ethos gelichtet, be- hältnisses ereignen sich in das Enteignis des Ungesprochenen der
reitet, bewohnt werde. Weder eine Sprachphilosophie noch eine Sprache, die sich, das Entsprechen brauchend, dieses in die Sage
Sprachverbesserung und -pflege ist die Absicht. vereignet.

87 Furchen (im Weltacker) sind ihrer wenige gezogen. Aber ihr Ge- Maß und Weisung empfängt das Denken des ~ im Ungespro-
leit zueinander bleibt mit ihrem Acker verborgen. Die »Furchen« chenen der Sprache.
lassen sich in den Aufzeichnungen 1946-50 finden . Wer sie finden
will, muß nicht nur einiges vom Acker ahnen, er muß den Pflug Das "Ev des Parmenides als Name für das versammelnd entber- 89
kennen und die Weise des Pflügens. Vgl. V.H. II, 89. gend bergende Hervor-bringen und -kommen ist aus <l>ucrtc;,A6yoc;,
Nach der Grammatik sind »Furchen« Aussagen und Sätze über Moipa her zu denken als das lichtend Aufgehende Einheyt ver-
das Wesen des~ (die in ihre Wahrheit verwundende Diffe- teilende und so einend Einige Eine. Die so zu denkende Moipa
renz des Seienden und des Seiend). Nach diesen Vorstellungen blei- bedenkt µirnc; [?]12 als Ersten, Höchsten der Anwesenden Herein
ben die Furchen unkenntlich. winkenden den "Ep(J)<;, dessen Wesen rein im Einen der erteilten
Im Entsprechen fügen sich die Furchen in die Erde des Ackers
unter seinem Himmel, rufend die Göttlichen, wartend der Sterb- •• (Das Fragezeichen bezieht sich nicht auf das griechische Wort als solches, das
lichen. Klugheit, Rat und Betrug heißt, sondern auf seine unvermittelte Position im Satz.]
264 Anmerkungen VIII Anmerkungen VIII 265

Teile beruht. Dieses von A.1,.,iJ0eta


und <l>ucnc;
(lloiricnc;)her ereignete Wie lange noch nimmt man die auf die Wissenschaften gerichtete 91
Wesen des Anwesens bleibt von der Frühe an vergessen. Aber in Frage nach dem Wesen der Wissenschaft wichtig? Wissenschaft
der Vergessenheit kommt während des Seynsgeschicks dennoch ist das sich immer noch, wenngleich doch schwächlich, sich selber
auf mancherlei Wegen und in anderer Auslegung etwas Wesen- vergötternde Instrument der technisch vorstellungsmäßigen Ver-
des zum Vorschein; so denkt Augustinus im Sinne des Plotin: unio gegenständlichung des Anwesenden in den bestellbaren Bestand.
est consequens amorem; 15 amor, praeveniens amando est uniens Weil das Wesen des Geistes neuzeitlich vom Selbstbewußtsein her
(sensu fundamentali). [?] bestimmt ist, Wissenschaft im reflektierten Vorstellen des Gegen-
ständigen besteht, hält man die Wissenschaft für eine Gestalt des
Wen es trifft, daß er nach dreißig Jahren akademischer Lehrtätig- Geistes, wobei man zugleich unausdrücklich den »Geist« als das
keit nicht Emeritus werden kann, muß wenigstens darauf sehen, wesentliche Verhältnis zum Sein deutet.
daß er der Eremit bleibt, der er schon war. Die Wissenschaften führen zu immer neuen und sich überstür-
zenden Nützlichkeiten. Sie betreiben, ahnungslos über ihr Wesen,
90 Selten weil schwer lernen wir, was wir meinen, schon gelernt zu die Verfestigung der letzten Verwahrlosung des ~-
haben, - die Muttersprache. Einstmals war Wissen: oiöa - ich habe gesehen; in ihm ereig-
Lernen: aneignen die Eignung zum Vermögen des Entsprechens. net sich das Im-Blick-des-Seins(Anwesens)-Stehen. Gleichwohl
Lernend lernen wir Denken. wurde dieses von A.1,.,iJ0eta
- A6yoc;her bestimmte »Wissen« Anlaß
Unterscheide streng: und Antrieb zur technehaften und schließlich technischen Ent-
Aus der Sprache, ihrem Ungesprochenen, sprechen und mit faltung des forschenden Absuchens I des Anwesenden auf seine 92
Hilfe der Sprache, ihrem Gesprochenen, sprechen. Erklärbarkeit und damit Beherrschbarkeit im Bestellen. Auch
Hie:r ist die Sprache ein Mittel, dort ist sie die Mitte. dort, wo in Festreden und auf Kongressen die Wissenschaft für
Jenes Sprechen ruft und weckt das Vermögen, zu entsprechen. »Geistesleben« gehalten wird, sogar dort, wo die Wissenschaft ei-
Dieses Sprechen liefert Vorstellungen und Kenntnisse. gens Kultur- und Geisteswissenschaft ist, bleibt sie ein Mittel der
Bestandsicherung - in diesem Falle des Kulturbetriebes. Dieser ist
Der Sprachgebrauch beruht im Brauch des ~- nur die organisierte Gestalt der sich absolut setzenden Reflexion
des Selbstbewußtseins, das man jetzt mit den Worten und wenn
Denken ist die schweigsame Geduld. Vgl. ob. auf 95. möglich mit einem glaubensmäßig und theologisch gleich frag-
In ihr gedeiht die Güte. würdigen »Gott« überdacht. Vgl. ob. 85 ... 87.
Schweigsam: in das Schweigenkönnen versammelt ; das Schwer-
ste am Schweigen ist keineswegs das bloße Nicht-reden (das grobe Goethe ist mir Jahrzehnte hindurch fremd und blaß geblieben.
Verstummen), sondern das sparsame Sagen im geeigneten Augen- Als vierzehnjähriger bekam ich (in der Form eines Schulpreises)
blick; erst das Sagende schweigt. 94 Kleists Werke geschenkt. Das Jahr darauf wurde ich zu Stifters
»Bunten Steinen« (darin vor allem zum »Kalkstein«) 14 geführt.
Mit siebzehn Jahren begann ich an Hand von Franz Brentano's
13
[Summa totius theologiae Thomae Aquinatis cum appendicibus P. Seraphini
Capponi a Porrecta. Prima secundae partis. Neapoli 1846, quaestio XXVI, art . II.
S. auch S. 211 in diesem Band. ] " [S. in diesem Band S. 69.]
266 Anmerkungen VIII Anmerkungen VIII 267

Dissertation über die mannigfache Bedeutung des Seienden bei In Wahrheit ereignet sich in der Verwahrlosung die h öchste
Aristoteles dessen Metaphysik zu lesen; in den letzten Jahren des Entfaltung des Seins in sein Willenswesen, das im Gestell sich zu
Gymnasiums war diese und ein Reclambändchen »Hölderlin« die vollenden scheint.
ständige Hauptlektüre.
De r schweigsame und müh -selige Gang in den Furchen des Welt -
93 Wenige vermögen es, einen, der es von Hause aus ist, in der Ein- ackers . 90, 56.
samkeit zu lassen. Man zerrt ihn mit aller Hinterlist in das Öf- In der Bemühung des Sagens selig ruht der Gang am Pflug.
fentliche, um sich selber dadurch im eigenen, vornehmlich aus der Aus dem Wesen des Ge-stells entspringt das System .
Betriebsamkeit existierenden, Wesen bestätigt zu sehen.
Das Denken , gebraucht im Brauch des Ereignisses, er -gänzt das 95
Handeln (an die Hand gehen dem Brauch des ~) ist in seinem Ganze des Rings, das unumschränkend als das Verhältnis west.
anfänglichen Wesen Denken; keineswegs ist Denken (in der Folge Er-gänzen die Gänze vermag nur, was aus ihr von ihr gebraucht,
und Auswirkung) erst ein Handeln im Sinne der Action. in das Entsprechen vereignet ist.
Den meisten bleibt für immer verborgen, daß im Denken, wenn
es ein Denken ist [ein geschicklicher Weg der Sage des ~ und Das Ent-sprechen als das Er-gänzen.
nicht nur eine Vorstellung, die mitgeteilt wird], sich das eigent- Dieses Er-gänzen bringt nicht fehlendes Stück anderswoher als
liche Handeln ereignet; daß in diesem Handeln eine hohe Men- aus der Gänze zum unvollständigen Ganzen herbei, sondern das
schenwesenliebe sich ereignet, die des Aufputzes der verkündeten Er-gänzen schont die Gänze, sie ins Freye der Sprache bringen,
Humanität nicht bedarf, deren Propaganda alles verdirbt . ereignend in die Enteignis zum Ratsal.

»Form« (forma, µop<pft,döoc;- uuvoÄ.ov)-Können wir beim Wandel Mühsal ist das Denken , wenn zu ihm als Gang , der gehen muß
des Seins noch die »Form « beachten; zwar ist sie weder Hülse noch statt zu reden und zu schreiben über . . . gleichwohl die Sage ge -
Hülle. Form ist das Erfüllende, Vollendende, womit alles beginnt. hört - wenn sein Gehen ein Sagen ist. 90

94 Das Denken achtet das Alte, nicht weil es älter, sondern weil es Solange das Denken als Vorstellen in der Metaphysik hängen 96
früher und die Frühe selber ist als der Aufgang der Verbergung, bleibt und innerhalb ihrer zwischen dem Aesthetischen, Ethischen,
die inzwischen lange Zeit hindurch als solche vergessen bleibt. Logischen und Religiösen hin und I her schleicht, solange wird
Die so erfahrene Frühe ist der An-fang, der aufgehend die noch man, von hier aus urteilen, das schonende Denken der einfachen
v ergessen bleibende Verbergung (des Unterschieds) an sich nimmt , Sache als Flucht ins Aesthetische, als ethisch unverantwortlich,
an -fangend bewahrt . als logisch verdächtig und als religiös zerstörerisch verurteilen.
Man ist mit seiner Stellungnahme aus einer dieser Sparten oder
Ohne die Wahrnis des ~ geht das Sein dem Anschein nach an einem Gemisch derselben her bereits fertig, bevor man angeblich
das Seiende verloren, insofern dieses als das wirke nd Gegenstän- sich daran begibt, darauf zu achten, was die Sage sagt.
dige alles Vorstellen und Bestellen an sich reißt und so das einzige
An sich bleibt. So ist es denn wohl auch nicht nötig, durch Reden und Schreiben
268 Anmerkungen VIII Anmerkungen VIII 269

über . . . dies und jenes den freßgierigen Registratoren und den Die Vormacht der Forschung, der Gelehrsamkeit und der Schrift-
unablässigen Zensoren von Meinungen immer neues Futter zu stellerei führt dazu, daß man sich einen Denkweg immer nur als
schneiden. Genügt es, ein Geringes der Sage für einige aufzu- eine literarische Angelegenheit vorzustellen vermag. Man findet
sparen, die zu ihrer Zeit am Anlaß der Sage selber zu Denkenden das Entscheidende in einem zu Leistenden: ob eine Schrift ver-
werden, die ihren Weg gehen? öffentlicht wird oder nicht. Dieser Zustand wird dem Anschein
nach in der Übernahme der Vermittelung durch den Rundfunk
Das Denken muß unberührt bleiben von dem Betriebwesen der überwunden. Aber das Senden und Hören bleibt durch und durch
Wissenschaften, zu dem der industrielle Charakter gehört; vgl. be- vom Literarischen her bestimmt.
sonders die Votragsindustrie, die wiederum auf den Vorlesungs-
betrieb zurückschlägt. 98 Der Industriecharakter der Wissenschaft bringt das Klüngel- und
Reklamewesen mit sich.
97 Der Mensch gehört nicht nur unter das übrige Seiende und ist
unter diesem nicht nur durch besondere Beschaffenheiten ausge- Das entsprechende Sagen des schonenden Denkens sagt nicht über 99
zeichnet: das Menschenwesen ist Angehöriger des ~ selber. etwas Vorgestelltes etwas Vorstellbares aus.
Die Sage sagt dem Denken etwas ein und vor - gibt ihm zu ra-
Es wäre eine grobe Falschmünzerei, zu behaupten, dieses Angehö- ten, wie Es sich mit dem ~ wenden könnte, gibt so vor-sagend
ren sei dadurch ausgedrückt, daß der Mensch als animal rationale einen Vorrat - das Entsprechen bleibt ratsam, beschränkt sich im
begriffen werde. Man kann zwar nachklappend die Definition des Schritt zurück auf den Rat, das Andenken an die Vergessenheit des
homo als animal rationale von jenem Angehören her deuten, aber Unterschiedes zu bleiben.
man kann niemals redlicherweise behaupten, in jener Definition
sei jenes Angehören gedacht. Es ist weder ausdrücklich noch un- Vielleicht ist aber noch Viele s gegen die Kehre der Vergessenheit
ausdrücklich daran gedacht - vielmehr ist das Angehören und das unterwegs. Vielleicht kommen ncich lange Verzögerungen in der
darin wesende Wesen des~ gerade vergessen und die Verges- verfänglichen Gestalt des immer schnelleren Fortschreitens.
senheit selber wird durch jene Definition verschüttet.
Durch die genannte Falschmünzerei, die heute in Blüte steht, Auslegungsversuche, und gar solche von der Art der meinen, ge-
hat sich das Christentum selber um die Möglichkeit gebracht, auf raten leicht in den Anschein, als lebten sie nur in dem Willen
den genuinen Boden eines gemäßen christlichen »Denkens« zu und Anspruch, die Denker besser verstanden zu haben, als sie sich
gelangen. Man treibt seine Geschäfte mit falschem Geld und ver- selbst verstanden. Statt dessen liegt alles nur daran, das erst Zu-
fälscht so alles, am meisten die eigenen Schätze. Denkende im Ungesprochenen zu erfahren, ins Bedenkliche zu
gelangen, aber nicht in einem Verstandenen sich festzusetzen.
98 Solange das Denken auf dem Vorstellen beharrt und im Begreifen-
wollen hängt und darum das Ungegenständliche als seine Grenze Der Weg meines Denkens führt nicht zu einer Philosophie, noch 100
nehmen muß, solange wird sich das Sein des Seienden vom Her- hat es die Absicht, die bisherige Philosophie noch radikaler zu be-
stellen aus und als das Umgreifende zeigen. gründen. Der Rückgang in den Grund der Metaphysik bedeutet
etwas ganz anderes, wenn man sich darüber klargeworden ist, daß
270 Anmerkungen VIII Anmerkungen VIII 271

die Metaphysik die Wahrheit des Seienden als solchen entfaltet X ~


und zwar bei der Vergessenheit der Wahrnis des Wesens des Seyns. In der »dürftigen Zeit «,15 die ihre eigentliche Durft, die Durft
Der Weg meines Denkens ist ein Gang in den Wahrheitsbereich der Wahrnis des Seyns, völlig vergessen läßt, wachsen alle Be -
des Seyns selber, aus dem sich erst entscheidet, was aus der Phi- dürfnisse ins Schrankenlose. Die unbeschränkten Bedürfnisse
losophie wird - ob sie nicht gar am Ende angelangt ist und jeder verstellen die Durft.
Versuch zu philosophieren eine Verzögerung des Denkens mit sich
führt. Das Zeichen des Unzugänglichen ist immer das Unumgängliche.

Das Entsprechen als Vor-rat. In welchem Sinne: der Kehre eine Be-Kehrung des Denkens ent -
spricht. Vgl. früherV.H. II , 109.
Das verborgene Gefüge der »Holzwege « läßt sich nie finden , so- Daß das Denken als vormals Vorstellendes von der Kehre er-
lange man nur zusammengestellte Aufsätze zergrübelt . Gespro- eignet, be -kehrt wird ins Entsprechen. -
chenes erläutern heißt: es ins Lautere, Reine des Sprachwesens Die Be -Kehrten. Vgl. VII, 49 und 71.
(die Stille des Welt/Dinges, 1@) bringen. Be-kehrt: in die Kehre der Seynsvergessenheit vereignet ; die
so Be-Kehrten sind, indem sie auf dem Rückzug sind in das Un -
101 Nur wer in der Angst steht, d. h. ent-setzt ist aus dem bloß Seien- scheinbare des Schonens - des eigentlichen, aus dem Ereignis er -
den (Wirklichen - Gegenständigen - Bestandhaften) , herausge- eigneten, Handelns, das als Denken west. Im Schonen ereignet
setzt in die Fragwürdigkeit des Wesens des Seyns - .nur wer so in sich sterblicherweise das Erschweigen der Stille, deren R iß der
der Angst steht, kann zu den Furchtlosen gehören . Ruf des Gottes ist .

Trotzdem man heute aus häufiger Rachsucht vielen vieles nach- X ~


trägt, leben wir in einer Zeit der Raserei des Vergessens , Das Wesen des Unterschiedes (worin die ontologische Di fferenz
west) läßt sich niemals aussagen, wohl dagegen sagen. Wäre der
Gegen Dummheit, Eitelkeit und Böswilligkeit ist überall im vor- Unterschied aussagbar, dann müßte er vorstellbar sein. Wäre er
hinein nichts auszurichten . dieses, dann hätte er sich längst im Vorstellen und für dieses ein -
gestellt als ein Gegenstand. Vergessenheit des Unterschiedes sagt
Das schonende Denken .ist das sich beschränkende, das be- zugleich, daß der Unterschied nie vorstellbar ist - die Sage des
schränkte Denken. Unterschieds gedeiht in einem anderen Wesen der Sprache, die
Das Wesen der Beschränkung und seine vielfachen Weisen. bisher nur metaphysisch vorgestellt wurde - als der Riß der Stille .
Be-schränkung: ·von der Schranke ereignet.
Schranke und Ereignis . Schranke - ursprünglich Sperre.
•Der Rückzug der Bekehrten als das Zuvor-Kommen der Schonen-
Beschränkung als Einschränkung - als Zurückbleiben im We- den. Schonen bereitet Wohnen.
senden. Beschränkung und Gestell.
Die Vorhut der Zurückbleibenden. 15 [Vgl. Martin Heidegger: Wozu Dicht er? In : Ders.: Holzwege. GA 5. A.a .O.,

S. 269-320.]
272 Anmerkungen VIII Anmerkungen VIII 273

Das »als« des reflektierenden Überstiegs - des Vorstellens der Sei- aus dem Wesen des Seyns sammelnde Winde, in der das Seyns-
endheit. geschick sich wendet. Eine entscheidende Wende ist die Kehre
Das »als« des schonenden Rückzuges - des Entsprechens im der Vergessenheit des Seyns in die sich ereignende Wahrnis des
Ereignis. Unterschiedes als das Ereignis des Welt/Dings; das Ereignis des
Verhältnisses.
Je näher das Welt-Geschick, je wehender das Schicksal des Men-
schenwesens, je wohnender der Mensch, desto genahter ins Hei- Das Geschickliche und die Kehre. In der Kehre ereignet sich die
mische wird wieder die Erde der Heimat. Enteignis des ~ in das Selbe des Unter-Schiedes (Welt/Ding).
Das Ereignis des Verhältnisses verwindet die Geschichte. Nähe
104 Je unscheinbarer das Schonen handelt, handelnd ein Wohnen er- west als die Dimension des Dinges. Das Gedächtnis wird zum
baut, um so bleibender bleibt das Gediegene seines vereigneten ereigneten Entsprechen.
Gedeihens.

Das Ver-Hältnis (als Welt/Ding) im Ereignis der Enteignis den-
Welt ereignet die Gottheit, aus der der Gott erscheint im Senden ken - dahin geht der einzige Weg meines Denkens. Vgl. [?]16
des Heils, im Befremden des Bösen.
Anthropomorphie des ~ - bedenken wir, daß zum Wesen des 106
In der Geschichte gibt es keine Analogien. Wir können nicht be- ~ als des Ereignisses des Unterschiedes das Menschenwesen
haupten, die Menschheit ginge jetzt einem Zeitalter zu, das dem gehört, dann liegt es im Wesen des ~, daß es sich mit aus dem
oder jenem aus der Vergangenheit entspricht. Auch der beliebte Menschenwesen ereignet und bestimmt, aber gleichwohl nie ein
Vergleich des heutigen Zeitalters mit den Jahrhunderten der un- menschliches Gebild und Gemächte wird.
tergehenden Spätantike ist geschichtlich grundlos und irrefüh-
rend. Das historische Vorstellen mag sich in solchen Analogien Wenn wir den Tod vermögen, gewinnen wir die Zeit - dann haben
bewegen; es trifft dabei immer nur auf seine eigene Vergegen- wir fortan viel Zeit und lassen diese gewähren.
ständlichung der kaum erfahrenen Geschichte.
Nötig ist, endlich klar zu bedenken und bedächtig festzuhalten, »Entschlossenheit« des Da-seins - in »Sein und Zeit«.
daß »Gegenstand der Historie« und »Geschichte« (als Seynsge- Oft noch muß dieser leicht mißdeutbare Name erläutert wer-
schick) unvergleichbar geschieden bleiben. Daß das Geschick nie den:
aus dem Geschehen sich denken läßt. Ent-schlossenheit ist die Auf-geschlossenheit in das Offene der
ekstatischen Einheit der Zeitlichkeit, in der sich das Wesende von
105 Überwinden können wir nur, was wir in seinem Wesen angeeignet Welt verbirgt.
und in seiner Wahrheit bejaht haben. Entschlossenheit betrifft nicht die Aktivität des Wollens und ist
Überwinden ist Verwinden, nicht Bekämpfen und Unterwerfen. nicht der Gegenbegriff zur Unentschlossenheit und Untätigkeit
Ver-winden: in die Winde des Geschickes versammeln, als welches und Faulheit. Entschlossenheit ist - wenn schon - der Gegenbe-
das Seyn sich seiner Wahrnis (Entbergung und Bergung und Ver-
bergung - Vergessenheit) zu- und abwendet. Das Gewind ist die 16
[Unentzifferte Abkürzung .]
Anmerkungen VIII 275
274 Anmerkungen VIII

griff zur Verschlossenheit - die sich im Verfallen an das Seiende Iro Verhalten bleibt die Sage versammelt in das Schonen; das
vollzieht, wobei die ekstatische Offenheit des Seienden als solchen Verhalten hütet das Ereignis in die Enteignis. Das Versammelnde
d. h. des Seins, vergessen bleibt. ' Hüten: das An-sich-zurück-Halten. Das Verhalten der Sage nimmt
das Wort - in seinem Entsprechen zurück in die weiteste Ferne
107 Gewahren (110, 118) - hat, wenn es als Name für das schonende zur Stille des Spruches.
Denken gebraucht wird, seine eigene Bedeutung. Es meint nicht: Iro Entsprechen stiftet das Denken das Wohnen in der Sprache.
wahrnehmen und vernehmen, sondern: Versammlung der Wahr- Jede Beziehung zur Sprache als einem Gegenstand und Mittel, als
nis des Unterschiedes als Verhältnis (Welt/Ding) aus dem Ereig- Erscheinung und Ausdruck fällt dahin.
nis der Enteignis. Di eses Versammeln ereignet sich als Ent-spre-
chen (vgl. dort). Wahren ist von der Wahrnis her und diese aus Auf lange Zeit hinaus noch werden Wenige selten sein, die den- 109
dem wehenden Ereignen des Unter-Schiedes gesagt. kend bereit bleiben, den Pfad des Denkens so weit in das Ratsal
Das gewahrende Denken in der Absetzung gegen das vorstel- des~ zurückzugehen, wo mit der Vollendung der Metaphysik
lend-erklärende meint nicht ein anschauendes, intuitives Vorstel- das Geschick des ~ und mit ihm Seyn als Seyn zugunsten
len; vielmehr ist der frühere Versuch (Kantbuch) 17 über das An- seinem Ereignis des Verhältnisses endet; wo mit dem Geschick die
schauen im Unterschied zum Denken als Urteilen (Vorstellung _Geschichte endet und Welt beginnt. Vgl. Anmerkungen III, 49, 71.
einer Vorstellung) in den Bezug zum Wesen des Seins zu gelangen Die armselige Vorhut der Zurückbleibenden -
so zu verstehen, daß - noch nichts ahnend von der Tragweite -
nach einem Bezug gesucht wird, in dem das Wesen des Seins und Was wir weither kommend auf langen, verwachsenen Pfaden
nicht nur die Seiendheit des Seienden anspricht. mühsam auf Umwegen sagend ansprechen lassen, wird zu seiner
Zeit von sich aus sein Freyes sich ereignen und jener Pfade nicht
Das Gespräch des Entsprechens ist das Gespräch zwischen dem mehr bedürfen.
sterblichen Denken und dem Ereignis als dem Einspruch der Welt. Die Geopferten des Denkens.
108 Der als Spruch des Verhältnisses im ereigneten j Gespräch sich Nötig sind sie im Zeitalter der vorbereitenden Erwartung der
zur Sprache bringt - d. h. sich als Wesen der Sprache ereignet. Kehre der Vergessenheit des Seyns.
Das Entsprechen schweigt im Schweigen. Dies ist die Verhal-
tenheit der schonend-freyenden Sage. Die Verhaltenheit wahrt das Inwiefern ist die Seele des Menschen die Hand Gottes! Welches
Verhältnis. Grundverhältnis im Wesen des Seyns waltet hier, wenn Gott und
Das entsprechende Schweigen entspricht der Stille des Ereignis- Seele und ihr »und« das Seiendste ist?
ses. Schweigen ist weder Verstummen (Privation des Verlautens
und von da bestimmt), noch ein Nicht-Sagen - sondern die Art des Denken ist Schonen alles Wesenden in sein Wesen. Darum bleibt 110
Sagens, die rein aus dem ereigneten Gehören hörend ent-spricht. - es auf eine Strenge gestimmt, die wesentlich anderer Art ist als
Schweigen ist das Verhalten der Sage des Unterschieds. jedes exakte Rechnen. Vgl. 115.

17
Im Zuvorkommen erst verwinden wir Menschen den vom Willen
[Martin Heidegger: Kant und das Problem der Metaphysik. GA 3. Hrsg . von
Friedrich-Wilhelm von Herrmann. Frankfurt am Main 1991.] aufgereizten Geist der Rach e und des Rechnens.
276 A nmerkungen VIII Anmerkungen VIII 277

Im Zuvorkommen der H erzen bereiten wir erst da s Freie des Be- welche Wahrnis im Ereignis waltet, das in der Weise der Enteig-
reiches, in dem das dichtende-denkende Wort anfänglich wieder nis zum Unterschied ~ und Wesen von ~ verwindet.
vernehmbar wird. X
Die Sage des Denkens ist ein Anlaß des Lassens, das in der Weise
Schonen ist Gewahren des Ereignisses - des ent-sprechenden Schonens dem Ein-Eignenden Einspruch der
Ge-wahren aber: Hüten ins Wort und das Versammeln des Ge- Weltstille verhalten zuvorkommt, fast bis in die Mitte des Ver-
hüteten in die Sage (das Entsprechen). hältnisses.
Hüten des Er-Eignens und in die Wahr-nehmen das Er-Blicken Im Lassen - im Sinne der entsprechenden Sage, ereignet sich
- Er-äugen. das eigentliche Handeln, jenes Gehen, das der Enteignis in den
Gewahren -::f:-Feststell en! Unter-Schied an die Hand geht, sagend, dem Einspruch entspre-
chend, das Ungesprochen Währende in das Ratsal wahrt und es so
Im Zuvorkommen west das übereignete Versprechen. unerkannt anwesen läßt in der Sprache des Gesprochenen .

111 X Wer mag die Entfernung ermessen zum Gedachten eines D enken-
Denk es immer einfacher : ~ verschwindet in der Verwindung den? Man meint, das Meinen reiche stracks dahin .
seines Geschickes.
113
Die Verwindung ereignet sich als die Kehre der Vergessenheit V
des Wesens der Differe nz. Ein-spruch - nicht im Sinn e eines dazwischen hinein und gar
Das Ereignis ereignet den Unter-Schied. Das Ereignen ist wehend dagegen Sprechens -
die Enteignis in das Ratsal des Ungesprochenen Anspruchs. sondern:
Das Ereignis des Unter-Schieds ist das Verhältnis des Welt/ Einkehr des Ereignisses aus der Weltmitte in das Verhältnis.
Dinges. Einkehr bringt Mitte mit.
Ver-hältnis ist das aus sich - dem ereignenden Enteignen we- Einkehr - die ereignend ein -eignet das Menschenwesen als
sende - gesammelte Halten (Hüten) und An-sich-Halten (Verhal- wartendes.
ten) des Weltens, das als solches das Dingen ereignet, und des Din - Ein-Spruch: eineignende Einkehr der Welt-Stille in das Ver-
gens, das als solches Welt verweilt, d. h. verwährt in das Eigentum, hältnis der Nähe innerhalb der Vierung.
als welches die Dingnis, das einige Ganze der Dinge, das ereignis - Ein-Spruch, so gedacht, ist das Wesen dessen, was zu leicht noch
haft wesende Anwesen des Anwesenden vollbringt. gegenständlich mißdeutbar, sonst der Anspruch des Anwesens als
Seyn genannt ist. Den Einspruch erst vermag , eingeeignet aus
Denken ist das vermutende Gewahren des Wesens der Wahrnis ihm, in ihn, ein Ent-sprechen zu sagen.
des~. Ein-Spruch der Verhältnis -Mitte - diese erst ereignend. Ein-
Vermuten: schonend Versammeln in den Mut der Sag e. Spruch und die Stimme der Stille. 143

112 X Der Weg zum Einfachen ist der längste. Aber wer geht noch Wege?
Eingeeignet ist das Menschenwesen in die Wahrnis des ~ ' Di e Gefahr droht, daß man sich auf das Einfache stürzt. Man wird
278 Anmerkungen VIII Anmerkungen VIII 279

an ihm abstürzen in die Leere des rasch Gemeinten: in die Leere »Sein und Zeit« - Aus dem Blitz, Sein we se im Anwesen, ist das
der schon bedrängenden Leere. Denken in »Sein und Zeit« getroffen und auf den Weg und in
die Helle gebracht. Gleichwohl konnte diese Abhandlung nur ein
114 X
Geringes dieser Helle fassen und mußte nur irrend in der Helle
Das wahrlich Gedachte wandelt sich und entzieht sich in ein Denk- standhalten.
Würdiges; so daß es wie aus der Fremde als das Zu-Denkende ein- Aus der selben Helle des selben Blitzes aber ist dort das Dasein -
mal wiederkehrt. Mit dem richtig Vorgestellten und eingängig als Wesen des Menschen gedacht und Dasein als In-der-Welt-sein.
Erwiesenen hat das wahrlich Gedachte nichts gemein. Dasein verkoppelt nicht hinterher »Ich« und »Welt« und bildet
keine nachträgliche Einigung beider.
Sein ist Anwesen - aus Anwesenheit. Vgl. V. H. 1, Schluß!
i Dasein ist aus dem her gedacht, was vormals früh im dvm und 116
0
voEiv sich fügte, um sich schließlich dann in Objekt und Subjekt
t zu spalten. Dieses Von dem her, das Dasein selbst, gehört jedoch
Nicht oft genug kann die entscheidende Erfahrung meines Denk- selber noch in das ungesagte und erst zu erfragende Wesen des
weges erinnert werden, damit man nicht, über das Unscheinbare Seins selbst.
wegsehend, sich erneut in ein gedankenlos nachgesagtes Geläu- In-der-Welt-sein - dieses gesammelt Sammelnde mußte sich
figes festsetze: erst langsam im Denken des Weltens von Welt dem Sagen näher
Sein ist Anwesen. Demgemäß entfaltet sich ll6v als ,rapoucria, bringen. In Wahrheit sagt es: Welt, wehend, ereignet Da-sein als
dooc;, llvepyeta; als Praesenz der Re- Praesentation - als cpmv6µevov das Wesen des Menschen in das Ereignis als die Wahrheit des
und Phaenomen. Vgl. ob. 33. Seyns.
Aber: Anwesen west aus Unverborgenheit und in der Vergessen- Doch in »Sein und Zeit« war dies nur dunkel geahnt und viel
heit dieser, als welche sie (die Unverborgenheit) sich (ereignet). umirrt und dennoch wurde das in sich Einig-Einende, das In-der-
An-währen: an her ... aus - an hin zu ... - an bei ... 121 Welt-sein - als unzertrennlich Unerklärbares gewahrt und immer
neu bedacht. Dabei stand überall das Transzendentale, obzwar es
115 0 existenzial-temporal gedacht war und nicht aus der Vorgestellt-
Das schonende Denken geht Wege; es bezieht keine Standpunkte. heit des Gegenstandes des Bewußtseins, im Weg und verleitete
Wege sind immer Bereitschaften zur Wendung und Wandlung; zunächst sogar noch dazu, die Differenz von Seiendem und Sein
so be-wegt und be-weglich vermag das Denken am ehesten noch aus der Transzendenz wesen zulassen.
das Ent-sprechen, das schickliche Sprechen, das dem Wesen des
Geschickes, dem Ereignis des Einspruches verhältnismäßig bleibt. Die Differenz war unausgesprochen schon so thematisch, daß sie 117
Be-weglich: d. h. auf den Weg des Denkens gebracht im Ereig- darüber selbst zu dem wurde, dessen Wesen zu suchen sei, statt in
nen, von diesem eingeeignet dem Bewegen, daß alles auf dem Weg ihr das Wesende des Wesens hinreichend klar zu denken und die
bleibt. 124 Transzendenz als das innerhalb der Differenz und da Spielende.
Auch heute noch müssen wir diese Irrgänge nachgehen, weil
nur erst Wenige selten es vermögen, aus dem Wesen des~ her,
280 A nmerkungen VIII Anmerkungen VIII 281

ihm entsprechend, zu denken. Die Gefahr steigert sich zunächst, Im ent-sprechenden Denken die Stille des Verhältnisses schonen - 119
daß die Differenz erst recht thematisch wird und unversehens heißt: der Gefahr im Ereignis nie ausweichen.
zum Gegenstand.
Gefahr und Kehre. (120)
Man kann die Seinsgeschichte historisch verstehen und durchfor- Mit der Kehre kehrt erst die Gefahr ein. Sie kehrt sich selber -
schen; dabei kommt vermutlich viel Neues zutage. sie wird aus dem, was sie im Geschick des Her-vor-bringens und
Aber man dreht so alles Zu -Denkende in den Bezirk des Vor- »Stellens « ist, aus dem Sich-nah-stellen - zur Enteignis in das Rat-
stellens - erfährt weder das Geschick schicklich, noch bahnt sich sal.
gar der Weg in die Verwindung des Geschicks aus dem Ereignis.
Durch die »ontologische Differenz« wird das Sein nicht vom Welt - wenn sich das Göttliche in das Menschenwesen spiegelt,
Seienden getrennt, sondern umgekehrt, die Einheit des Austrags wird dieses in seine Zugehörigkeit zum Ratsal zurückgestellt -
und das Wesende dieses Einenden wird zum Denk-Würdigen; dieses ist dem Menschenwesen das Geheimnis, der Sterbliche zu
Sein wird mit dem Seienden in das ~ (Verwindung des Aus- sein.
trags) einbezogen. Die Gunst des Ratsals ist als der Rückstoß in das eigene We -
sen dem alltäglichen Menschentreiben fremd und flüchtig. Das
118 Das Ge -Wesen des~ ist grundverschieden von jeder Vergan- Göttliche selber jedoch ereignet jene Spiegelung nur in der Weise,
genheit und allem Aufhören des Seienden. daß es sich selber in die Huld des Ratsals enteignet - d. h. sich im
Das Ge-Wesen ist die Versammlung des Währens, keine bloße Spiegel -Spiel ver-spielt. Das Spiegeln hat I nie den Charakter des 120
Aufhebung - sondern Sammlung in das Ereignen der Stille. Das bloß vor -stellen[den] Zurückwerfens von Ansichten-; vielmehr
ist vor allem hinsichtlich der Gefahr zu beachten. Mit dem Ret- bleibt zu bedenken.
tenden wird die Gefahr weder behoben noch beseitigt, sondern Das Spiegeln ereignet , ereignend er-blickt es in das Eigene des
erst eigens ereignet . je anderen Enteignisses innerhalb der Vierung .
Das Sich-Nah-Stellen und die Stille des Ratsals.
Die Huld der Stille ist die ereignend sich bergende Mitte der Vie -
Das~ west als die Gefahr seines Wesens - gefährdet das We- rung als der Mitte des Verhältnisses.
sen in seine Wahrheit. - Sie stillt vierfältig als:
Erst als das Ereignis ist das verwundene ~ eigens die Gefahr. die Gunst der Göttlichen
Die Gefahr und der Unter-Schied der Enteignis - das Zuvorkommen der Sterblichen - vgl. 161.
der Segen des Himmels
Weil das Wesen des~ als das Ereignis eigentlich die Gefahr das Gedeihen der Erde
ist, ist das in das Wesen des Seyns gehörige , weil vereignete Men - das »Wesen « des Stillens -
schenwesen gefährdet - (wesenhaft sterblich) - deshalb gehört
es zum Wesen der Sterblichen, wenn sie groß leben, gefährlich Gefahr und Kehre - In der Kehre, wenn das Rettende sich ereig-
zu leben. Dieses beruht nicht auf Abenteuerlust und Anmaßung. net, verschwindet die Gefahr nicht, sondern wird eigentlich als
die Enteignis im Ereignis - überdies west das Retten als Wahren,
Anmerkungen VIII Anmerkungen VIII 283

echte Rettung wahrt in die Gefahr - des Wesens des Ereignens. Das Be-Suchen und das Wesende der Gefahr im Ereignis.
Retten als bloßes in Sicherheit setzen, als Sichern des gewohnten Bloßes Festhalten ist weder Ge -wahren noch Wahrnis.
121 bloßen Weiter - 1lebens, wäre kein Retten, keine Wahrnis, sondern
18
Verlust des eigentlichen Wesens. Aristoteles nennt das reine vosi'.vder cixM.ein 0ty6i'.v - ist dies ein 123
bloßes Be-tasten und An-tasten? Vermutlich - denn so ist nichts
Die Gefahr im Wesen des Seyns enthüllt sich schon und verbirgt als reiner Andrang vernommen - ohne ein Was als besonderer In-
sich zuerst in der A-AiJ0sia.- wo die Un-verborgenheit, dem An- halt - das reine Angehen und so Anwesen. Hier wird das Berühren
schein nach das Höchste und Einzige, die AiJ0ri gleichsam fallen als Betasten rein aus dem Vernehmen und Vor-stellen erfahren
läßt und ihr mit dem nachgeht, was sie selber ist, nachgehend aber und vom Menschen her.
in der Weise des Zurückfallenlassens. Anders aber ist das Be-Rühren, das be-suchend das Wesen rührt
und in seine verborgene Wahrheit zurückbirgt und übereignet.
Das Unbewußte - gibt es nur im Bereich des Vor-stellens bzw, Alle diese Verhältnisse ereignen sich, d. h. sie wesen außerhalb
des (ereignenden) Her-Stellens. Das Vor-stellen bringt etwas vor jeder Beziehung des ursächlichen Wirkens; wobei noch zu beach-
sich und zwar zu Gesicht als Sicht, als Fio - als Wissen und als ten bleibt, daß die anfängliche und griechische ahia auch im Be-
Be-wußtes. Das Unbewußte bleibt immer nur der Trabant des Be- reich des Anwesens und der AliJ0sta west und noch nicht in dem
wußten; gefesselt in den Bereich der Hergestelltheit; im Wesen so der actio und des actus und der Wirkung.
stets sklavisch und im Wesensrang das Mindere. Man hilft ihm
nach, indem man ihm ein Treiben und Trieb und Kräfte zuspricht, Im Humanismus-Brief ist angedeutet, wie die Frage von »Sein
aber man fällt so in das ontisch Kausale innerhalb der Ontologie und Zeit« nach der Wahrheit des Seins gestellt und gewahrt
des Anwesens aus Herstand. wurde. Aber eine Frage wahren heißt doch: fragend sie und sich,
den Fragenden, verwandeln!
122 Ursprünglicher denn Bewußtes und Unbewußtes ist das Ereignen,
das lichtend, er-blickend vereignet, aus dem Eignen her erst das Denken wegt. Wegen heißt (mundartlich noch gebraucht) Wege 124
»Her« jedes »An« im An-wesen ereignet und An-wesen wesen bahnen, Wege ergehen, im. Gang die Fuhre ziehen. Das Gehen
läßt. aber ist schon aus Einspruch in das Ent-sprechen, zuvor in das Er-
hören vereignet . Das Wegen des Denkens ergeht die Furchen des
Das Ereignen, Spiegeln, ist Be-suchen - es be-trifft mit eiriem Gesprächs der Sprache des Unter -Schiedes.
Suchen, das das verborgene Wesen aufsucht, um es zurückzuber- Nur insofern Denken wegt und wegend es selber bleibt, kann es
gen in das Ratsal, wodurch es, das Be-Suchte, gerade zurückkehrt be-wegen, auf Wege bringen, Wege ziehen und Wege zurücklas-
in die Mitte des Verhältnisses. Also hier ganz anderes als das vor - sen im Unbegangenen und im Wesen nie Ergehbaren durchgän-
stellende Entbergen, das wir innerhalb der Metaphysik kennen gig - im Ereignis der Stille des Ratsals - in der F lur des Wesens
und von dem her wir auch ausschließlich die AliJ0eta auslegen; des verwundenen~-
gemäß dem frühen Bezug des vosi'.vund leystv zu ihr - die nachher
zum iostv werden und schließlich zur perceptio und repraesentatio. 18 [Cf. Aristotelis Metaphysica. Recognovit W. Christ. Lipsiae in aedibus B. G.

Teubneri 1906, 0. 10, 1051 b 24.)


284 Anmerkungen VIII Anmerkungen VIII 285

Denken wirkt nicht; es kann nie Ursache sein für Wirkungen, Dieses Handeln freilich wandelt das Wesen der Sprache aus der
die selber Gedanken wären. Sein einzig ihm gewährtes »Wirken« vorstellenden, bedeutenden in die ent-sprechende.
- d. h. hier Handeln - ist das Be-wegen. Dies geschieht unschein- Sprache bedeutet nicht, sie spricht. Sprechend ereignet sie ber-
bar, auf Wegen, die dabei erst ent-gehen in das Unbegangene. gend-verlierend das Verhältnis. -
Überall dort jedoch, wo unmittelbare Wirkungen des Denkens Sprechen ist Ent-sprechen, enteignendes Gespräch.
sichtbar und festgestellt werden, wo es übernommen, wo damit Wo kein Deuten und Bedeuten mehr, da gibt es auch keine Vier-
gearbeitet wird, wo man gar seinen Erfolg ausruft oder befürchtet, deutigkeit; statt ihrer die Einheit des wehenden verhältnismq/Ji-
125 da I be-wegt das Denken nicht, west es nicht in Wegen. gen Gespräches.
Alle Mißverständnisse eines Denkens, alle Mißdeutungen eines
Denkens sind dessen Wirkungen, solches, was sich dem verdankt, Das ent-sprechende Denken erdenkt nichts, erfindet keine Vorstel- 127
daß das Denken nicht als Weg begangen, sondern als Mittel und lu ngen und propagiert keine Ideen.
Ursache benutzt wurde. Um Wirkungen jeglicher Art darf sich
das Denken nicht kümmern, so wenig wie es wollen darf, das zu Das Handwerk des eigentlichen Handelns, des Denkens bewegt
wissen, was es be-wegt. Was ihm allein obliegt, ist sein Wegen. So sich in der unscheinbarsten und bedrohtesten Werkstatt; dies wird
gerät es allzu leicht und oft in den Anschein der Überheblichkeit erst klar, wenn man sich entschließt, Denken von jeder Art For-
und ist doch nur der Versuch einer Geduld im Schonen. schungstechnik irgendeiner Wissenschaft klar frei zu halten und
Aber es bedarf langer Mühe, bis ein Denken vermag, rein in zugleich zu erfahren, daß es bei aller Gleichursprünglichkeit doch
das Entsprechen einzubiegen - das gewöhnliche Vorstellen und wesentlich geschieden bleibt vom Dichten -; denn Denken ist we-
seine Wirksucht lebt von Ausbiegen, das dem Denken aus dem sentlich ärmer als dieses und muß in dieser Armut ausharren.
Wege geht.
Furchtbar ist es, von einer Gefängniszelle in die andere ver-
Die Not ist: eine wegende Sage in be-wegender Schrift. Das ist die schleppt zu werden, im Gefängnis nämlich, als welches die Öf-
Not des be-kehrten Denkens. fentlichkeit und die brutale Zügellosigkeit ihrer Organe, jedes Ge-
deihen eines Denkens zerstört und diese Zerstörung verschleiert
Zufolge der langen Gewöhnung innerhalb der Metaphysik gilt je- durch das angebliche Interesse, das sie für alles bekundet.
126 doch jede Sage und alle Schrift als I darstellend-vorstellend oder
als erweckend das Wirken im Herstellen und Bestellen. »Rettung des Abendlandes«! - meint man damit Rettung der 128
Wie soll da eine Sage als be-wegende gehört und gelesen wer- christlichen Kirche, dann ist man damit sowohl gegenüber dem
den - Christlichen als auch gegenüber dem seynsgeschichtlichen Augen-
Wie gar, wo die Sprache selbst noch ganz als vor-stellende, be- blick in einem furchtbaren Irrtum.
deutende west? »Rettung des Abendlandes« - kann nur heißen - Radikales
Denken aus dem Anfang des Seinsgeschickes - der Griechen -
Das Handeln im Denken ist nicht das Reden, sondern das Ent-spre- das inzwischen planetarisch geworden ist, aus dem Anfang in des-
chen; das Zur-Sprache-Bringen meint nicht: erörtern, verhandeln, sen noch vergessene Wahrheit - des~ - Vergessenheit. Das
bereden, sondern in das Gespräch der Ent-sprechung bergen. - Abend-land muß gerettet werden, um es allererst in sein noch ver-
286 Anmerkungen VIII Anmerkungen VIII 287

hülltes Wesen preiszugeben. Alles übrige Meinen unter diesem Im Aushalten jenes Angangs, im denkenden Austrag dieses
Ruf ist schlechte Kirchenpolitik, wenn nicht Schlimmeres. Aushaltens, im wachsenden Sichfügen in das Entsprechen, das
»Rettung des Abendlandes« - d. h. der Schritt in das Freye, aus diesen Angang als Einspruch hört und sagt - darin beruht das
dem sich das ~geschick des Menschen in seiner Menschheit, einfache Mühen meines Denkweges, dessen Gang dem Angang
worin sich das Geschick des Planeten zu dem des Ereignisses von entsprechen möchte und sich so, im Schicklichen sich zu halten,
Welt entscheidet. versuchen muß.
Anwesen: der sich in das mit angehende Lichte sich lichtende
129 Wie gelangen wir erst, gelangen einige in den Vorraum einer vor- und also währende Angang -; nur so ist An-erkennen und ist erst
läufigen Vor-einübung im Denken - außerhalb jeder Philosophie Er -Kennen und ist erst Kennen J in das Heimische seines Wesens 131
und doch in der verborgenen Überlieferung ihres noch nie ent- gerufen. Dann müssen die Menschen erst Anwesen lassen, um das
hüllten Wesens? zu empfangen, dem ihr Anerkennen sich fügt.
An-erkennen - west im Schonen, das jenen noch verborgen
Das Ding- So lange wir das Seiende als ein solches nur vorstellen, bleibt. An-erkennen: das Anwesen lassende Ver-nehmen geht über
verfolgen wir alles auf Dar- und Zu-stellung. Wir nehmen auch alles Erklären und Ergründen - und dennoch gewinnt diese jäh
»das Zeichen« vom dar- und vor-stellenden »Zeigen« her. - die Oberhand, sobald das Vernehmen zum An-nehmen, an sich
Wir erfahren das Zeichen und Zeigen nicht als Ereignen - wir nehmenden Anfassen - öexecr0m, öo~a wird. In dessen Licht er-
denken nicht das Wesen des Zeichens aus dem Wesen des Dinges. scheint dann das Anwesende als das in solchem an sich nehmen-
den Sichten als das Gesicht und Aussehen - öv, e6v - wird döoc;,
Eigentum - ist das, als welches sich das Ereignen der Enteignis iöfo - trotzdem im Verborgenen das Ergründen und Erklären
versammelt zum also Ereigneten. Vgl. 160. (ahtov) dem frühen An-er-Kennen des Anganges von Anwesen in
Das Eigentum ist das Verhältnis. Welt verhält Ding - Ding ver- Unverborgenheit abgünstig bleibt und sperrig gegen es.
weilt Welt. (Das Verhältnis des Ver-Weilens in das Je-Weilige.) Gleichwohl ist dieses Ansprechen auf den Angang des Anwesens
Eigentum - nicht was im Besitz ist, nicht auch was zugeeignet, nur das erste Tasten des Denkens im Sinne des Ent-Sprechens. Weit,
sondern: Die Versammlung des Ereignens des Verhältnisses. und zunächst noch lange ungesehen, bleibt der Weg in das Wesen
des Seins des Seienden. In diesem Wesen birgt sich der sich entber-
130 Noch so weitläufige und langwierige antiquarische Studien, die gende Angang von Anwesen in das Ereignis des I Unterschiedes. 132
historisch die antike Philosophie durchforschen, führen niemals Noch verhüllt sich dieser als das Verhältnis, als welches Welt er-
dahin, daß einer vom Ungesprochenen in den Worten oucria (An- eignend Ding verhält und Ding ereignend Welt verweilt. Im Er-
wesenheit), a1.:fJ81na
(Unverborgenheit) angegangen wird, so daß eignis als Verhältnis west die Enteignis, aus der erst Vergessenheit
er diesem Rätselvollen Angang nachgeht und zeitlebens nie mehr des Seins des Seienden als Vergessenheit des Austrags sich ereig-
ausweicht. Denn hier lichtet sich »Wahrheit« und »Seiendheit« net hat und zwar als das Sichverbergen der Enteignis in das Ratsal.
zumal als ein Ge-schick, dergestalt, daß dieses Sichschicken im Im Ereignis der Enteignis west alles Geschick und mit diesem
verborgenen Wesen des so Gesprochenen waltet und sich versam- dieses, daß Ereignis - sich verbergend - erst nur ~ich in den An-
melt in die Frühe des Ge-wesens - das durch kein Vorgehen je gang von sich lichtendem Anwesen schickt. So ist dann A1..fJ8etain
angetastet und durch kein Fortschreiten je überholt werden kann. sich geschicklich - (ereignishaft wesend).
288 Anmerkungen VIII Anmerkungen VIII 289

Inwiefern ist all Geschick und Heil zugleich Unheil und Mißge- kehr eine Jähe des Ereignisses ist, die Sprache in ihr äußerstes Un-
schick? Woher dieses Zugleich? Wie west es als das früheste Selbe? wesen wegschwinden, wozu ihr die heraufkommende Herrschaft
der Logistik und der Rechen- und Denk-Maschinen verhilft- ins-
So grausig die planetarischen Aussichten sind und schreckhaft im gleichen die Vernutzung von Rede und Schrift durch Funk und
einzelnen, so ungeheuer und einzig bleiben die Durchblicke, die Film und Presse.
sich aus dem Einblick öffnen. Endlich verhelfen sie vielleicht doch
dahin, daß der Mensch aus seinem Wesen her, dort und hier, dem Dem Wesen der Sprache nach-denkend bewegen wir uns zugleich
133 Anspruch I des Wesens des~ entspricht. in den äußersten Gegensätzen: wir stellen das mehr und mehr ver-
Aber dies wird trotz allem nie lediglich durch Katastrophen be- nutzte Mittel des Ausblicks vor und wir entsprechen dem Wesen
wirkt, niemals nur durch Elend herbeigeführt werden, wenn nicht der unversehrlichen Stille des Verhältnisses. 138
aus dem erblickten Denken ein Wandel des Menschenwesens auf
den Einspruch des Ereignisses der Welt-Stille anspricht. Der Mensch ist in seinem Wesen (als der Sterbliche - als der den 135
Tod als Tod Vermögende) aus dem Wesen des ~' aus dem Er-
Das Wesen der Sprache miifJ sich in seine Heimat kehren. eignis her in dieses vereignet und so zur Enteignis gespart. Aber
Wie kann der Mensch mit dazu verhelfen? Wie, wenn das We- die Vereignung bleibt solange verborgen, als das Wesen des~
sen der Sprache noch verborgen wäre? Wie, wenn die Ortschaft in der Vergessenheit bleibt und das Ereignis als solches sich der
dieses Wesens immer noch unbekannt bliebe? Ein Kennen jedoch Wahrnis vorenthält. Bis zu diesem eigentlichen Ereignis bleibt
gibt es nicht ohne Erkennen. Das Erkennen aber beruht im Aner- auch verborgen, daß der Mensch in seinem Wesen vom Seynswe-
kennen. Kein Anerkennen ohne Entsprechen. Kein Entsprechen sen gebraucht ist und so zum Seyn selbst gehört.
ohne Entsagen in ein Hören auf den Anspruch. Kein Anspruch Wenn aber die Vergessenheit des Ereignisses sich kehrt, gelangt
ereignet sich ohne den Einspruch des Einblicks. mit dieser Kehre das Vergessene nicht etwa nur in die erinnernde
Wie all dieses - Entsprechen, Anspruch, Einspruch - ohne das Vorstellung und so zum Bewußtsein, vielmehr ereignet sich das
Gespräch der Sprache? ganz andere, daß das Menschenwesen eigens erst in das Da-seyn
Was ist, wenn die Sprache in ihr Wesen ein- und he imkehrt? eingeht und vereignet eigentlich dem Ereignis gehört. In diesem
Welt ist verdingt. Das Ereignis des Verhältnisses enteignet in 1 Gehören und Hören ereignet sich erst das Wesen des Sprechens im
134 das Ratsal. Sinne des Ent-sprechens - mit dem gekehrten Wesen der Sprache
Das »Wesen« (ereignishafte) der Sprache ist das Gespräch der ist das Menschsein wesenhaft gewandelt.
Welt-Stille-: der Einspruch des Enteignisses.
In der Welt-Mitte entbirgt sich die Enteignis zur Stille , aus der
Das Geheimnis der Welt ist die Welt-Stille -: sich das Ver-Hältnis ereignet.
die ereignende Enteignis in das Ratsal:
das Wesen der Sprache. Ein Mißgeschick des Denkens: daß es das, dem es auf seinem Weg 136
am nächsten kommt, das, wohin sein Weg gerade geführt hat, in
Unmittelbar vor der Einkehr der Sprache in ihr Wesen (Gespräch seiner eigenen Nähe nicht mehr sagen darf.
der Welt-Stille als der Einspruch der Enteignis) wird, da die Ein-
290 Anmerkungen VIII Anmerkungen VIII 291

Die Niederschriften eines Denkenden gleichen den Skizzenbü- Das Denken wird sprachlos, wenn es in den Raum des Geheim-
chern eines Baumeisters, der vielleicht nur einen einzigen Tempel nisses der Sprache eingeht. Sprach-los geworden - wie mag es dem
baut. Das Bauwerk sind im Falle des schonenden Denkens einige Wesen der Sprache dann noch entsprechen? 142
Furchen einer Sage, die, grammatisch gesehen, auf wenige Sätze
zusammengeht. Diese Furchen sind die Fuhr, die der Flur des Un- Das Selbe: Das Zusammengehörige, aber zusammen: aus der Ver- 138
gesprochenen des Ereignisses des Unterschiedes geschenkt bleiben. sammlung des Ereignens; ge-hörig: aber im Ereignen in die Stiile
des Verhältnisses enteignet.
Das Selbe - denken wir, solange wir nur vorstellen, immer nur
flach und dürftig und rasch und leicht befriedigt - wie etwas
Wie wir verhalten, Anwesendes und so gegen sein Wesen.
hält uns sein Walten, Vielleicht müssen wir das Unerträgliche ertragen, dem An-
wie wir genesen, schein nach in der äußerlichsten und äußersten subjektiven Re-
naht das Ge-wesen. flexion uns aufzuhalten, in[so]fern wir der Sprache nach-denken;
denn Sprache ist uns fast immer nur noch - auch als gesprochene -
die geschriebene, gelesene, durch Lesbarkeit hindurch gehörte -
Sprache. Die Schriftsprache aber reflektiert selbst schon in sich
verhalten: ins Schonen des ~ zurückkehren. das ursprüngliche Sprechen in der Schrift durch diese auf sich
gewesen: heim-kehren in den Brauch; nahen: v601:oc;. zurück.
Das schonende Denken jedoch verhält sich ganz anders zur
137 Das Ge-Wesen - immer wieder bedenk es: ein Abgrund trennt es Sprache. Es denkt ihr nicht nach, um ein Wissen über die Spra-
von allem Vergangenen, jener Anhäufung des Zugänglichen und che zu gewinnen und diesen Besitz durch Forschung zu mehren.
Verstandenen, die haufenweise versackt. Das Ge-Wesen - ist die Das schonende Denken denkt nach dem ereignishaften Wesen der
Versammlung des je eigentlich Sichereignenden, Jähen - der un- Sprache, um in das Sprechen - das vereignete, das reine Entspre-
vergleichbaren Geheimnisse. chen, zu gelangen.
Andenken - bedenkt das Ge-Wesen.
Historie beschafft das Vergangene. Dieses reine Entsprechen läßt sich weder machen, noch unmittel- 139
bar, als nur anderes, in der Alltagssprache vollziehen. Das reine
Alles Wesen verlangt in das Ge-wesen; nur da wahr t es das Unwie- Entsprechen gedeiht aus dem Einspruch der Stille und gedeiht in
derbringliche, das Einzige seiner Jähe des Ereigneten. Das Wort das Wohnen, das langsam nur und behutsam sich erbaut- bauend
meint weder: alles ist vergänglich; noch sagt es: alles will bewahrt am Gespräch des Welt/Din ges .
sein. Vielmehr sagt es: die Jähen des Ereignisses sind das Wah-
rende, während im Unscheinbaren ihrer Ankunft in den Heim- Das Ding- Wenn der Mensch zum Ding gelangt, bedarf er nicht
gang zum Ungesprochenen, während im Verhüllten des einzigen mehr des metaphysischen Notbehelfs der Symbole.
Aufgangs. Dann wird er ahnen, was einmal unter dem Namen »Destruk-
292 Anmerkungen VIII Anmerkungen VIII 293

tion« 19 gedacht worden: keine Zerstörung, kein Zertrümmern der Im Ver-Hältnis auch wohnt das Ereignen der Enteignis .
Metaphysik, sondern das Abhauen alles Gestellten, Abtragen der In das Ver-Hältnis ragt durch die Stille das Ungesprochene.
Bestände, Verarmen aus der Verwindung des Geste lls. Das Ungesprochene ist der Vor-Rat des Ratsals .
Inzwischen rasen noch lange Zeit die Mißverständnisse los und
überall treibt sich das Mi ßdeuten um. D as Selbe Denken, das Selbe dichten aus einem Abgrund je des
Unterschiedes - dies muß der Mensch erst lernen und austragen
Lasset das Lassen - können, wenn noch eine Menschheit bei Wahrung ihrer eigenen
dies sagt: Art die Erde bewohnen soll.
schonet die Enteignis. Das Selbe denken, das Selbe dichten aus dem Abgrund des
Unterschiedes, dies zu vermögen ist not, wenn der Geist der Ra-
140 Steht das Ganze der planetarischen Menschheit jetzt auf dem che, der jetzt alles Geschichtliche durchrast mit seiner Vergiftung,
Spiel? Zu fragen bleibt, auf welchem Spiel? Waltet ein wahrhaftes gebannt werden soll.
Spiel und so, daß der Mensch in einem Wesensbezug zu ihm steht? Das Selbe zu denken, das Selbe zu dichten - dies verlangt, daß
Oder lauert der Mensch nur noch auf den Ablauf eines Geschickes der Mensch als der Sterbliche erst die Sprache in ihrem Wesen
in dem er sich machenschaftlich so oder so zurechtzufinden sucht? ' vermag.
Der Mensch ist so fern dem Welt-Spiel und dem Wesen der Welt
als nur möglich. Wie soll da noch etwas auf dem Spiel stehen? Das Selbe ereignet sich aus dem Ver-Hältnis. Dies ver-hält den 142
• Riß des Schmerzes in die Fuge des Heilen. Verwindung beruht
Weshalb umgehen wir so leicht im Denken das für das Denken im Ver-Hältnis. Dies hält, wahrt hütend das Selbe in das Unver-
Unumgängliche? sehrliche des Ratsals.
Weshalb achten wir so selten auf dieses Umgehen?
Was ist dieses Unumgängliche? Das, worauf das Denken schon Das Selbe ist, insofern es sich ereignet, als das Selbe des Unter-
eingegangen sein muß, soll es ein Denken sein. Schiedes aus dem Ver-Hältnis .
Was ist dieses? Jenes, das aus sich her zu sich das Denken ver - Das Ereignis in die Enteignis zur Stille des Ratsals.
eignet hat: das Ereignis des Ver-Hältnisses. Sprachlos geworden entsprechen wir dem Eigenen der Sprache.
Inwiefern heißt jetzt, auf das Unumgängliche eingehen, so viel Das ist die Stille des Ver-Hältnisses. 137
wie: den Schritt zurückgehen? Sprache und Rache.
Die Stille ist, stillend, der Austrag des Ratsals in das Ver-Hält-
141 Die Welt-Mitte west selber aus dem Quell-Bereich des Ver-Hält- n1s.
nisses. Die zunächst so genannte Welt -Stille ist ebenso wesentlich Insofern die Stille also austrägt, ist das aus ihr sich Ereignende,
vom Ding her zu denken, weder nur aus Welt, noch aus Ding, son- das Sprechen des Gesprächs, wesenhaft Gebärde.
dern: im Ver-Hältnis. Stille wäre nicht Stille, verhielte sie nicht.
Der Unterschied ereignet sich aus dem Ver-Hältnis . Welt wäre nicht Welt, gewährte sie nicht Ding.
Ding wäre nicht Ding, ver weilte es nicht Welt . 162
19
[Vgl. Heidegger: Sein und Zeit. GA 2. A.a.O., § 6.]
294 Anmerkungen VIII Anmerkungen VIII 295

143 Ver-Hältnis ver-hält ge-während Welt ins Verweilen des Dinges. Schwingen im Klingen der Stille.
Ge-wahren - sich versammeln ins Wahren des Weltens. Schwingend gehören in das Ver-Hältnis.
Ver-weilen: weltisch ereignetes Dingen der Welt. Der Klang fügt die Gebärde des Gesprächs.
Der Klang ist die Fuge des Ver-Hältnisses; fügt die Furchen.
Ver-Halten: Ver-sammelt Ge-wahren und Verweilen in die Samm-
lung der ereignenden Enteignis - des Unter-Schiede s. 0 145
X Ein Mensch muß ein wesentlicher sein, wenn ihm aufgegeben ist,
Not ist dem Denken, dem schonenden, dies Eine: durch Zurückhaltung zu wirken, d. h. ohne Wirkung zu wirken,
Das Ereignis sagen. d. h. aus der Ferne ein Lassen zu veranlassen, im Anlaß zu woh-
Die Sage in die Sprache des Ver-Hältnisses bringen. nen. 155
Aus dem Ver-Hältnis die Sprache sprechen. Die Weite der Fernen wird im vorhinein einbehalten in de~
Solches Wesen der Sprache bewohnen. Einsamkeit, die man allzu oft als Verlassenheit mißdeutet.
Im An-sich-Halten (Verhalten) meint das »sich« das gewah-
Die Stimme im Ver-Hältnis als die Stimme. 113 rende Freyen, das überall das Gedeihen der Enteignis schont.
Die Stimme aber jetzt nicht gedacht als »Mund« und Verlau- Die Zurückhaltung ereignet sich im Zuvorkommen.
tung- sondern als das Stimmende - auf die Ein-ladung [?]des Ver-
Hältnisses; in das Ver-Hältnis bringen, als dieses sich Ereignen - Inwiefern gehören Rache und Rachgier in den Willen zum Wil-
Stimme als Ver-Heißen: einladend Zu-sprechen: Versprechen. len? Die Rachgier und das Böse. Ob. 66.
Weder Krieg noch Frieden vermögen in den Wesensbereich der
144 Die Stimme der Stille bringt das Gespräch der Sprache in seinen Rachgier zu gelangen. Solange wir uns nur im Entweder-Oder
Klang. dieser Unterscheidung herumtreiben, ahnen wir noch nichts vom
Der Klang ist Einklang aus dem Ver-Hältnis. seynsgeschicklichen Wesen der Rache.
Das Erklingen der Stille bringt den Ton der Erde ins Schwin- Die Verwindung der Rache in der Enteignis; der Verwindung
gen. Der geläufige Unterschied zwischen Begriffssprache und entsprechen im Zuvorkommen; dieses pflegen durch Zurückhal-
Bildsprache ist von jener her bestimmt, diese soll das andere aus- tung. 50
machen. Die Unterscheidung selber gründet im metaphysischen
Vorstellen, das Wortlaut und Wortbedeutung gegeneinander ab- Die Selbstbesinnung der Wissenschaften wird heute schon weit- 146
hebt und diese sogleich begrifflich faßt. 167 hin durch die Vorherrschaft des bloßen Vollzugs ihres technischen
Der Klang läßt erklingen das Spiel in das Schwingen des Spie- Wesens niedergehalten. Das ist der Grund, weshalb die Wissen-
gelns. schaften durch diesen Ausfall der denkenden Besinnung sich sel-
Der Klang ist das Spiegel-Spiel von Welt. ber aus dem Bereich der möglichen geistigen Entscheidungen ver-
stoßen und sich selber in die geistige Ohnmacht und Gleichgül-
Die Stimme verlautet nicht, sie stimmt, bringt in den jeweiligen tigkeit treiben.
Grundklang. Erklingen ist ereignend; gemäß der Neigung der Die Selbstbesinnung jedoch verlangt, wenn sie noch da und dort
Sprache enteignend zur Erde (Ton). gesucht und versucht wird, ein hohes Maß der inneren geistigen
296 Anmerkungen VIII Anmerkungen VIII 297

Freiheit. Das sagt: die aus dem Forschungsbetrieb her gewohnte stimmt, trotz aller philosophischen oder gar kirchlichen »Ausrich-
Art, auf einem und dem gleichen Geleise der Forschung und in der tu ng«; trotz aller Bemühungen um einen Dies academicus und das
gleichen Ebene überall (der des vergegenständlichenden Vorstel- Studium generale.
lens des Seienden) zu fahren, muß preisgegeben werden zugunsten Man ist nicht mehr willens und vor allem nicht mehr stark
einer Bereitschaft, sich auf die wesenhafte Vierfalt alles Weltwe- genug, die Unterscheidung gegenüber dem Denken zu vollziehen
sens einzulassen und dieses wenigstens so weit anzuerkennen, als und auszuhahen. Man treibt sich in Fassaden umher, die durch ei-
es im Gesichtskreis der Wissenschaften, der in diesem Falle ein nen fragwürdigen Philosophiebetrieb errichtet wurd_en. Man hat
sehr enger ist, sich überhaupt zeigen kann. keinen Mut mehr, weder zum Eingeständnis der off~nkundig ge-
wordenen Herrschaft des technischen (gestellhaften) Wesens der
147 Jede innerhalb einer Wissenschaft versuchte Wesensbesinnung 1 Wissenschaften, noch zur Freigabe der Andersartigkeit des Den- 149
auf die Seinsart dessen, was die Wissenschaft forschungsmäßig kens, das man bald mit schlechter Poesie, bald mit einer geschei-
als ihren Bereich eingrenzt, muß das Walten dieses Seins als das terten Theologie verwechselte, noch gar zur ehrlich beschränkten
für sie Unumgängliche anerkennen. Nutzung philosophiehistorischer Kenntnisse, die mit dem Denken
Zugleich aber muß die Selbstbesinnung einer Wissenschaft nichts mehr zu tun haben, im Umkreis der noch festgehaltenen
wissen, daß dieses für sie Unumgängliche durch das Verfahren bildungsmäßigen Frisur des Wissenschaftsbetriebs.
und mit den Mitteln der jeweiligen Wissenschaft unzugänglich Ehrlicher nicht nur, sondern auch entscheidungsträchtiger ist
bleibt. Das dergestalt unzugängliche Unumgängliche verlangt zu demgegenüber die offenkundige Verlagerung des Wissenschafts-
seiner Erfahrbarkeit den Übergang in das Denken. betriebs in Fachschulen und industrielle Forschungsstätten. So
Im Fall der Psychiatrie ist das ihr Unzugängliche und für sie können sich staatliche und kirchliche Machtzentren ungehindert
doch überall Unumgängliche das Sein im Sinne des Da-seins, seiner bemächtigen und ihn nach ihren Willenszwecken lenken. -
worin das Menschenwesen gründet, insofern es ek-sistiert. (Überlegungen zum Psychiaterkongreß Badenweiler Mai
Um fruchtbar zu bleiben, kann die Selbstbesinnung einer Wis- 1950)20
senschaft den genannten Übergang in das Denken stets nur aus
ihrer eigenen Forschungsarbeit her vollziehen, aber zugleich auch Bei allem Elend und Zwiespalt unseres Volkes, das einem bösen
je nur im Hinblick auf das im Denken Erfragte. In diesem Her- Geschick anheimfiel, haben wir doch dies eine erlangt, daß wir
und Hin- geht die Besinnung. nicht mehr für die allgemeine Hysterie anfällig sind, die jetzt alle
Welt befällt, die sich vormals so selbstgewiß und sicher in ihren
148 Wissenschaftliche Selbstbesinnung muß sich deshalb, wenn sie E ntschlüssen gebärdete und sie als die höchste politische Weisheit
nicht zuviel und leer »philosophieren« soll, wissentlich vor das ausgab.
für sie Unumgängliche und ihr gleichwohl Unzugängliche stellen.
Die Selbstbesinnung der Wissenschaften läßt sich nicht institutio-
nell vollziehen und gar als ein Arbeitsbezirk innerhalb der Univer- • 0 [Am g_ und 3. Juni 1950 findet in Badenweiler die 66. Wanderversammlung
sitäten einrichten. Diese werden längst ausschließlich durch den der Südwestdeutschen Psychiater und Neurologen statt. Medard Boss hält einen
Vortrag. Vgl. inzwischen die Chronik zur Geschichte der Psychotherapie und zur
technischen Betrieb der Wissenschaften (vgl. meine Antrittsrede Psychoanalyse von 1918 bis 1975 von Regine Lockot auf der homepage der Deut-
aus dem Jahr 1929) und durch diesen auch heute mehr denn je be- schen Gesellschaft für Psychoanalyse etc.]
298 Anmerkungen VIII Anmerkungen VIII 299

150 Der Schritt zurück. Der Vor-Rat ist das Geheimnis des Ratsals. 152
Er betrifft das Denken. Dieses bleibt im Vorstellen, das sich
abwandelt nach den Weisen der Anwesenheit als der Seiendheit Differenz - Wenn das Denken des Seyns von der Differenz her
des Seienden. bestimmt bleibt, die Differenz jedoch erst eine Transzendenz ge-
Der Schritt zurück geht aus dem Vorstellen der Seiendheit des währt, die Transzendenz aber das Wesen der Metaphysik kenn-
Seienden weg, in das Schonen der Wahrnis des~ ein. zeichnet, fällt dann nicht das so besti:punte Denken des Seyns
Der Schritt geht zurück; wohin anders als in die Zurückhaltung, erst recht in die Metaphysik zurück, deren Verwindung durch die
die im Sagen an sich hält zugunsten der Stimme der Stille. Ankunft der Kehre gefordert ist? Ja und Nein.
Die Zurückhaltung verhält in der Sparsamkeit der Sage, die Ja, insofern die Differenz der Leitfaden des schonenden Den-
im Einfachen des Wortes der Stille die Wahrheit des Ereignisses kens bleibt während der Verwindung. Aber auch hier ist bereits
aufspart und so verhaltend sich im Ver-Hältnis hält. nicht mehr die Metaphysik das Maßgebende, sondern solches, an
Die Zurückhaltung entspricht dem Ver-Hältnis und zwar in- dem ihr eigenes Wesen noch gemessen werden muß.
nerhalb seiner. Nein, insofern auch die Differenz als der Austrag anfänglich
Die Zurückhaltung der Sage ist aus dem Ver-Hältnis zu ihm nicht von der Metaphysik her bestimmt bleibt, sondern aus dem-
gehalten. jenigen Geschick des Seyns, das aller Metaphysik und ihrer Vor-
Die Sage ist aus dem Ver-Hältnis ereignet. geschichte als ihnen Verschlossenes vorauf-! geht. Das ist der im 153
Die Sage ist zu dem Ver-Hältnis enteignet. Sichentziehen der Unverborgenheit sich entfaltende Überhang des
151 Die Sage schont. Sie wahrt, indem sie das I Ver-Hältnis in die Anwesens über das Anwesende, durch welchen Überhang gerade
ihm eigene Freye bringt, dieses in sein Ratsal. Schonen ist das das Anwesende selber in den Vorrang kommt und den Rang des
freyende Sagen des Ver-Hältnisses. Anwesens übernimmt. Dies bringt es mit sich, daß das Vor-stellen
So ist die Sage das Entsprechen. sich an das Anwesende hält und zum Anwesen nur so gelangt,
daß es jenes übersteigt und dabei in der ihm selbst verborgenen
Wenn der Schritt zurück aus der Ankunft der Kehre nötig gewor- Differenz beider als des Mediums jedes möglichen Überstiegs sich
den ist, dann muß das Denken einst vorgebrochen sein in ein Vor- aufhält.
gehen, das sich hernach als das stellende (beschreibende - erklä- Der Wegfall der Differenz reizt den Einfall des Anwesens und
rende) Vorstellen eingerichtet hat. Aber dieses Vorgehen des Den- begünstigt den Überfall des Anwesenden über das Anwesen.
kens, das Denken als vor das Anwesende und gegen es vor Gehen
muß selber, wenn anders es zum Wesen des~ gehört, in dieses Wir müssen lange Zeit reichtümlich denken, um einmal recht
Vorgehen ereignet und dem Vorbrechen als dem Gang in seine verarmen zu können in die Sparsamkeit des Schonens.
Wesensvollendung übereignet worden sein. Dieses Vorbrechen ist Auf einen dunklen Ton ist langher schon die Sage des Unter-
gestellt im Gestell, das aus der Gefahr west, als welche das sich schiedes als des Ver-Hältnisses gestimmt.
verweigernde Wesen des~ seiner Wahrheit nachstellt. Die
Verweigerung ereignet die Vergessenheit des Seyns. Die Verwei- Inwiefern west das Opfer im Zuvorkommen? (siehe dort!) 154
gerung ereignet sich aus dem verborgenen Vor-Rat. Inwiefern gewahrt die Zurückhaltung den Riß des Schmerzes?
300 Anmerkungen VIII Anmerkungen VIII 301

Zum Wesen der Rache gehört das Versteck, auch dort noch, wo liehe Handeln bleibt. Vermutlich gehört es zur Atmosphäre der
ihre Gier sich offenkundig rücksichtslos austobt. Das versteckteste Zurückhaltung, daß man I sie gar nicht vermerkt oder höchstens 156
Versteck ist der Wille zur Einebnung von allem ins Gleiche. Wo je- als bloßes Ausweichen deutet, wenn nicht gar als Flucht vor der
dem das Gleiche zugewiesen, da scheint jede Mißgunst geschwun- Verantwortung. Wie aber soll diese sein, wenn keine Antwort ist
den zu sein und ihre Quelle, die Rachgier, erschöpft. zum Wort, da jedes Entsprechen im Gespräch noch vorenthalten
Das Versteck ist das Bösartige der bergenden Verbergung. Die bleibt?
Unverborgenheit erweckt den Anschein, als sei alles Versteck be- Leicht gerät die Zurückhaltung in den Anschein, daß sie sich in
seitigt. Das Versteck und die Vergessenheit. So wie Rache in den einem bloßen Ausweichen in die Nachgiebigkeit erschöpfe.
Willen zum Willen, d. h. in die Verweigerung des ~ gehört, Aber das anscheinende Nachgeben der Zurückhaltung rettet ge-
so gehört das Versteck zur Unverborgenheit. Die Rache und deren rade den Andrang und Angang des Anspruchs, läßt ihn in seiner
Versteck gehört in das Seyn und dessen Entbergen. Fülle sich entfalten und spielen, spielen sogar mit dem Nachgeben.
Auch das Ungleiche noch hängt im Gleichen. So gelangt die Zurückhaltung ins Spiel.
Wo der Rang aus dem Verhältnis ereignet ist, hat er nichts mehr So währt der Zweig der Weide gegen das Wilde des Sturmes,
vom Ungleichen und Gleichen an sich. Rache hat sich in den Geist läßt diesen an ihr sich entbergen, so daß sie den Sturm als Sturm
versteckt. Die Verwindung der Rache verlangt zuvor Verwindung während wahrt. Das Rettende in der Zurückhaltung ist eigentlich
des Geistes. ihr Freyen aus der Überlegenheit des Schmieg- und Biegsamen.
Der Rang des Schonens. (167)
155 Das zuvorkommende Zurückhalten (das Ver-halten, das im Ver- Das Wesen der Freyheit beruht in der Gewahrnis des Freyens.
Hältnis diesem entspricht) gewahrt den Unter-Schied, in ihm
die Höhen und Tiefen der Ränge und Abgründe, die das Ratsal Der Schritt zurück- ein Gehen, ein Weg- 157
des Selben versammelt, welches Selbe von aller Gleichheit un- Wörter des Ganges und des Weges entsprechen eher jetzt dem
endlich verschieden und geschieden ist. (Rang: die kreisförmige verwundenen~, dem Ereignis der Enteignis, dem Ver-Hältnis,
Versammlung). dem Unter-Schied, dem Ratsal und dem Stimmen des Stillens der
Rang und Abgrund im Ver-Hältnis. Stille. (Weg, Pfad, Fuhr)
Wie das Entsprechen, als Wohnen im Sprachereignis, diese ge- Das Er-eignen als Be-Wegen; anders als KtVT]CH~ und motus und
wahrt. µ1m1ßo1,,11
und actus und anders auch - obzwar das vorenthaltene
»Wesen« - als Iloirwu;- im Sinne des entbergend-bergenden Her-
Das zuvorkommende Zurückhalten, das Wohnen im Ver-Hältnis, Vor-Bringens.
baut an der Verwindung der Rache, die der Seynsvergessenheit Weg und Gang und so gelangen im Gehen - langen: sich strek-
entstammt. ken nach, hin-reichen -
ausstehen - voll wahren = halten - hüten.
Einern Zeitalter, dessen Menschen den Betrieb für das Wirken, Das Wohnen pflegen -
das Wirken und Gewirkte für das Wirkliche, das Wirkliche für nicht mehr: erfahren, im Sinne von Vernehmen und Vorstellen
das Seiende und dies Seiende für das Sein halten, geht es nicht ein, nicht mehr: formen und machen und stellen; sondern:
inwiefern die Zurückhaltung aus dem Schritt zurück das eigent- Schonen: das Ding aus Welt in Welt.
302 Anmerkungen VIII Anmerkungen VIII 303

Schonen - als freyendes Gelangenlassen - und zwar wahrend- Das eigentliche Sprechen, als welches die Sprache spricht, ist
rettend durch das Zuvor-Kommen. das Stillen der Stille.
Das Gehen des Zuvor-Kommens aus der Zurück-Haltung. Sprache stillt das Ereignis der Enteignis in das Ver-Hältnis.
Schonen: Freyende Sage des Ver-Hältnisses. Sprache ge-wahrt - ist Versammlung der Wahrnis - das Ereig-
nis in das Ver-Hältnis.
158 Daß bleibe das Bleiben als das währende Ge-Wahren des Ver-Hält- Sprache gewahrt stillend. aus V'{elt Ding in Welt.
nisses. Sprache gewahrt stillend: erklingend stimmend.
Sprache, also stillend, ruft das Verhältnis auf und an und aus
Solange wir das Wesen der Freiheit aus einem Gegensatz - zur in es selber.
Notwendigkeit , zum Zwang, zur Knechtschaft - bestimmen, so- Sprache: heißt - sammelt sich in diesem Heißen .
lange sind wir noch nicht in das Freie gekommen. Das Wesen der Sprache west als die Verheißung des Ver-Hältnisses.
Freiheit ist die Freye des Ver-Hältnisses, das Haltend den Vor-Rat
des Ereignens spart. Sprache verheißt (heißt) aus Welt Ding in Welt. 160
Das bergend-verbergende Vor-Raten des Ereignisses ist das Rat- Das Sprechen der Sprache ist das Gespräch.
sal (der Freye). Im Gespräch ereignet die Stille das sterbliche Sagen als Ent-
Freyheit: die ereignende Wahrnis des Ver-Hältnisses. sprechen, das west als Schonen - Freyen.

Die Gedankenlosen. Das untrügliche Kennzeichen derer, die nicht Sprache ist weder nur ein Vermögen des Menschen, noch ist Spra -
zu denken vermögen . Es besteht darin, daß sie das, was vermut- che nur ein Besitz (Wortschatz).
lich das Gedachteste ist, für das Gedankenloseste halten . Als der- Vielmehr ist das Wesen der Sprache Jenes, was unser Wesen ver-
gleichen nehmen sie, was man »Tautologie« nennt: Das Ding ist mag, was unser Wesen er-eignet. Vgl. 161.
Ding. Sprache ist Sprache. Seyn ist Seyn. Sie vermögen das Selbe Wir sind, insofern wir sind, das Eigentum und im Eigentum der
weder zu sagen noch zu hören. Ihnen begegnet nur das leere Auf- Sprache. Wortschatz und Ratsal .
einanderfolgen des leeren Gleichen. Sie ahnen nichts vom »ist«
in solcher Sage; daß im »ist« das Wesen des ~ sich kehrt und Ver-Hältnis und Eigentum - vgl. rn9.
verlangt, in die Kehre zu gelangen.
Sprache spricht das Ver-Hältnis - das Fügen der Furchen ereignet
159 Sprache ist nicht erst als Gesprochene, durch das Sprechen. erst Worte als Sagen - in der Sage als Gefüge der Worte - aus der
Sprache ist auch nicht erst Mittel zum Sprechen . Fuge der Stille bestimmt sich das Gefüge der Sagen und so erst
Sprache ist weder nur das Gesprochene, noch das, wodurch ge- die O"'UVta~i<; von Vers und Satz.
sprochen wird.
Die Sprache selbst spricht. Ihr Sprechen bestimmt ihr Wesen. Sprache ist in der Weise, wie~ west, indem das Ver-Hältnis 161
Aber was heißt hier »sprechen«? Die Bestimmungen lassen sich ereignet in die Enteignis zum Unter-Schied aus dem Ver-
sich nicht am Gesprochenen und vielleicht nicht an der äußersten Hältnis.
Äußerung, die anscheinend am nächsten liegt, abnehmen.
304 Anmerkungen VIII Anmerkungen VIII 305

Unser Wesen, das der Sterblichen, ist: die Ortschaft - für die Das Ver-Hältnis verhält den Unter-Schied: das Welt/Ding.
Wahrnis des Wesens des Seyns (für das ereignend-enteignende Das Zuvorkommen im Zurückhalten bereitet das Wohnen.
Ratsal des Ver-Hältnisses) - (vgl. 120). Die Zuvorkommenden: die Vorhut der Zurückbleibenden.
Unser Wesen west als diese Ortschaft; wir sind wesentlich, die- Unterschied und Ver-Hältnis; dagegen: Differenz und Relation.
sem Wesen gemäß, insofern wir, als die Sterblichen (vgl. Anmer 0

kungen VII, 49), dieses Wesen ausstehen und so als die Gebrauch- Das schonende Denken ist Andenken. Dieser Name nennt hier we- 163
ten in das Verhältnis gehören. der das Erinnern (uv<iµvrimc;)noch das Gedächtnis. Er sagt wört-
[Die Ortschaft und das Ausstehen ihrer wurde zunächst in lich: das Denken an - den Anspruch des ~; sagt: denkend am
»Sein und Zeit« »das Da-sein« genannt und dort unterwegs nur ~ selbst bleiben, angegangen von der Stille des ~-
halbwegs gedacht: Da-sein: das Da (Lichtung des Wesens des Es selbst und nur dieses sagen, statt es durch ein Vorstellen in
Seyns) dem Seyn zu sein (ek-sistent).] einer Wesenheit (die das Andere zu ihm wäre) unterzustellen und
Die Ortschaft ist im Ereignis zu ihrer Enteignis in das Ver- so - es preiszugeben.
Hältnis ereignet (sie gehört zum ~). Andenken, denkend am ~ selber, statt im Vorstellen des
Seienden hinsichtlich seiner Seiendheit zu bleiben, ist so zugleich
Die Sprache beruht in der Stille des Ver-hältnisses; aber stillend- Verwindung der Vergessenheit des Seyns. Diese Vergessenheit läßt
-ereignend neigt sie sich im Geviert der Welt unserem Wesen zu, sich niemals verwinden durch ein Erinnern und Wiedervergegen-
erneigt es und enteignet es so in das Entsprechen. Erneigend ver- wärtigen; dies schlösse in sich, daß das »Seyn« selber (der Unter-
mag die Sprache unser Wesen. schied) jemals schon wäre gedacht worden. Die Vergessenheit ist
ein anfängliches Entfallen, dem nur das Andenken antworten
162 Das Ver-Hältnis (142 unten) - vgl. Anmerkungen IX, 1. kann, gesetzt, daß im Geschick des~ die Kehre sich ankün-
digt. Dergestalt antwortend reicht das Andenken der Frühe des
Das Ding ist (dingend) die Gebärde der Welt. Seynsgeschickes die Hand und bringt so erstmals das Selbe in
(Der Welt-verweilende Austrag ihres Wesens in das Ratsal). die Sage.
Vgl. Anmerkungen VII, 5.
Wenn meine Überlegungen bisweilen sagen, Denken sei Dichten, 164
Die Welt ist (wehend) die Gunst - das Gönnen des Dinges. dann wollen sie damit nicht die Philosophie an die Poesie auslie-
fern und die Strenge des Gedankens preisgeben, sondern diese
Die Gebärde des Geschenkes - je ein Halten allererst gewinnen. Die Sage sagt: Denken ist Andenken; Denken
168 bleibt als Entsprechen am »wesen« des ~ selber, läßt sich das
Die Gunst der Gebärde - je ein Halten Zu-sagende nur erst vom ~ selber sagen, Zu-sprechen, diktie-
ren; Denken hält sich in diesem Diktat, (d. h. hier Gedicht), und
Beide je Haltend ihr Halten. Und so: ist, als Entsprechen, so ein Dichten. Als dieses Dichten, sagen das
Einig im Selben gesammelt ihres Haltens. ~ selbst, das Selbe des ~' ist das Denken erst reines Denken.
Halten: hegen in das Freyen: Wahren des »Wesens«. Die Sage »Denken ist Dichten« sagt nur dies, Denken ist Den-
Das Ver-Hältnis, vgl. 168 - Hegen in die Freye des Ratsals. ken.
306 Anmerkungen VIII Anmerkungen VIII 307

Denken ist nicht mehr Vorstellen des Seienden als Seienden, »Bild« und die '»Bild-Vorstellungen« aus dem vorstellenden Den-
wobei das »als was« zwar vernommen, aber .gerade nicht als es ken (döoi;- iöfo) gedacht sind .
selbst gesagt und bedacht wird. Dem gemäß bleibt das Vorstel- Das schonende Denken ist weder begrifflich noch bildlich; es
lende Denken nicht am Sein, weil es gar nicht an das Seyn, in den hält sich auch nicht in einem Kompromiß beider; als ob es mit
Unterschied gelangt. einem Zwittergebilde arbeitete, als da sind »Symbol« und Chiffre.
Was man unter diesem I Titel sucht und beizieht, sind Veriegen- 167
165 Weil das schonende Denken, als Andenken, kein Vor-stellen, kein heiten innerhalb des Kompromisses zwischen Begriff und Bild -
Auf-sich-zu-stellen und Einstellen in Anderes ist, kann es auch die beide ihrerseits hinsichtlich ihrer Wesensherkunft im Boden-
kein Be-greifen sein. Es greift weder an noch auf - noch umgreift losen gelassen werden.
es. Es greift überhaupt nicht . Es schont und läßt. »Bild« - überdies bleibt zu bedenken, ob wir »Bild« von species
Das Andenken ist deshalb ohne Begriff, begrifflos. und figura, von Blicken und Anblick und Aussehen her denken,
Allein, es bleibt ein grundloser Irrtum zu meinen, deshalb sei oder ob wir »Bild« wörtlich nehmen als bilde, bilidi, bil-lig -: ent-
dies Denken unscharf, ungenau. - sprechend, gehörig -
Nirgendwo ist entschieden, daß im Greifen und Zusammen- »Bild« als Entsprechen, gar nicht auf Ansicht und Sicht und
fassen in der Weise des Vorstellens die einzige Weise liege, dem Aussehen und Schau bezogen - sondern auf das Gehören. 141
Wesen des~ gemäß dieses selber zu sagen und ihm zu entspre -
chen. Der Griff zielt auf Besitz und Beherrschung -; betrifft das Denken als die Sage des Schonens. Dieses entquillt dem Zuvor-
Denken als Vorstellen und die Sicherung und Befriedigung und kommen im Zurückhalten und sammelt sich so in das Ver-Hält-
Steigerung des Vorstellens und der Vorstellenden. Der Griff achtet nismäßige Verhalten im Freyen - kreist sich ein - bildet die Kreis-
nie zuerst des Be-Griffenen; darum erlangt er am Ende gar nicht, förmige Versammlung der Schonenden, ihren Ring, ihren Rang.
was er im Greifen anzueignen meint. Darum verstellt der Begriff Also ringend erst ragt der Rang ins Unscheinbare. Der Rang der
das Zu-Erlangende und verwehrt das Gelangen. Unscheinbaren. (156), (VII, 49)
166 Wenn sonach ein Denken sich des Begriffes entschlägt, 1 dann
könnte darin genau das Gegenteil dessen liegen, was man be- So erst wird denkbar ein Ragen in den Abgrund des Ver-Hältnis-
fürchtet, das Gegenteil eines unscharfen, schweifenden, poeti- ses, in die Freye seiner Stille.
schen, schwärmenden Sagens .
Die Begrif.fiose Sage des schonenden Denkens ist erst eigentlich Die »Welt« ändert sich im Grunde nicht; sie will überall ständig 168
streng, sie streckt sich einzig aus im Entsprechen und Erlangen. das Gleiche und vergißt darüber immer hartnäckiger da s Selbe.
Dieses Sagen ruft und heißt das~ in das Selbe seines We- -0
sens. Verweigerung von Welt und Verwahrlosung des Dinges sind
Das schonende Denken ist die eigentliche strenge Sage des unterschiedlich ereignet in der Vergessenheit des Unterschiedes,
Seyns selbst. die enteignet bleibt in das Ratsal des Ver-Hältnisses. Vgl. ob. 162.
Insofern dieses Denken begrifflos ist, fehlt in ihm der Anhalt, 0
dem (fehlenden) Begriff das »Bild« als Ersatz entgegenzusetzen; Der Unter-Schied ver-hält Welt/Ding als Ding/Welt.
ganz davon zu schweigen, daß vermutlich das hier beigezogene Das Ver-hältnis erst ge-wahrt- hütet sparend in die Gewahrnis:
Anmerkungen VIII 309
308 Anmerkungen VIII

das Ratsal; währt, west (ereignend-enteignend) als die Wahrheit im Nachtrag die Differenz beider zur Vorstellung zu bringen. Sol-
des ~. che Versuche bleiben nicht nur eitel und unfruchtbar, sondern sie
zwingen fortgesetzt in die Irre, da sie es nicht zulassen, aus einem
Der Aufenthalt der Sterblichen ist das Ver-Hältnis. ganz anderen Denken vor allem die Differenz zuvor als Austrag
des Unterschieds in die Schonung der Sage zu bringen.
Welt, gönnend Ding, verdingt sich. Das leere Gefasel über die ontologische Differenz nimmt erst
Ding, gebärdend Welt, verwehet sich. sein Ende, wenn wir bereit dafür geworden, an den Unter-Schied
zu denken, als welcher sich da s Ver-Hältnis im Ereignis enteignet.
Gönnend-gebärdend hält wechselweise für einander Welten und
Dingen - das Ver-Hältnis.

169 Ver-Hältnis vereignet den Unter-Schied.

Nähernd das Spiegel-Spiel, erspielend die Nähe ist das Ver-Hältnis


die Stille des Ratsals.
»ist« - west: währt ereignend-enteignend.

Die Frage »Was ist Metaphysik?« ist keine beliebige, die sich nach
der Beschaffenheit einer üblichen Disziplin der Philosophie ir-
gendwann einmal erkundigte und durch die Beantwortung über
das Befragte zu unterrichten, vielmehr:
Die Frage fragt in die Dimension der ontologischen Differenz,
fragt innerhalb der ankommenden Kehre der Vergessenheit des
Seyns und ist so geschicklich notwendig ein Schritt zur Bereitung
des Denkens für diese Kehre. Die Frage ist ein unausgesprochener
Wink in die Vergessenheit des Unterschieds, der zunächst noch
gemäß dem Übergangscharakter dieses Denkens von Seiendem
und dessen Sein her vorgestellt wird.

170 Niemals können wir die ontologische Differenz, den Austrag von
Seiendem und Sein jemals gemäß denken, solange wir im Denken
als Vorstellen des Anwesenden in seiner Anwesenheit verharren.
Niemals handelt es sich nur darum, Seiendes und Sein nach
der lang gewohnten und vielfältigen Unbestimmtheit beliebig in
der Vorstellung festzuhalten, um dann noch außerdem hinterher
[STICHWORTVERZEICHNIS]
»Abendland« 128 Erde 103
Clt'tlOV 123 Ereignen (durchgängig) be-
A1'.fJ9Et(l45. 47. 114. 130. 154 sonders 122. 157
Anfang 52. 94 Erfahren 4. 157.
Anthropomorphie 106 Ergänzen 95
Antwort 60ff. Erläutern 100
»Anwesen« 33. 114. 121/ 130.
152f. Form 93
Auslegung 99 Fragen 14
Freyheit 73. 156. 158. 162
Be-Kehrte 102ff. Furchen 2. 87. 94
Beschränkung [101]21
Be-Suchen 122f Gebärde 142. 153. 162
Bild 166f. Gedankenlose 158
das Böse 38 Gedächtnis 105
Brauch 79f 95 Ge-duld a. 90
Gefahr 117. 119.ff.
Christentum 97 Gering 27
Geschichte 27. 29. 30. 1 104. 1

Denken 50f 64. 66. 110. 105. 122u. 132


111/112. 114. 124. 126/ 129. Gespräch 107/
136. 137. 143. 163f 170 Gestell 44. 48. 94
»D estruktion« 139 Gewahren 110.118
Differenz 71f 116. 152ff. Ge-Wesen 118. 137
Ding 5 f. 129. 139 Gleiches 41 f. 44
Gott 104
das Einfache 133
Eigentum 10. 129. 160 Handeln 70. 93. 104. 124f.
Einheit ("Ev) 89 Handwerk 127
Entschlossenheit 106 Holzwege 100
Entsprechen 1. 3. 12 ff. 81f. Humanismusbrief 123
83f. 95. 99. 100. 107f. 133.
139. 155 iöfo 131

21
[Im Manuskript keine Seitenzahl, vom Herausgeber hinzugefügt.]
314 Stichwortverzeichnis Stichwortverzeichnis 315

Kausalität 123 die Sparsamen 75 f. 153 »Wesen« 137 Zeichen (Ding) 129
Kehre 74. 102. 105. 120.ff. Spiegel 40. 119f. Wissenschaften 5. 85. 91. 2.i_. Zeit 76. 106
Klang 144 Sprache 1ff. 12 ff. 46. 48. 62. 98. 146ff. Zuvorkommen 49 ff. 51. 58. 110.
Kunst 17. 20 65. 80f 86. 88. 90. 103.107/ 145. 150.ff. 157. 162
126. 133. 137. 142 f. 155.
Lassen 112. 139 159ff.
Lehrer 67ff. Stille 102. 112. 118. 120. 142f.
Stimme 143 f.
Maß88 Symbol 54. 139
Mensch 19. 45. 46. 97. 112. 135. System 94
161
»Mitte« 57 Tier 53
Tod 4. 8. 34. 49. 106
NichtsZ2f
Niederschriften 136 Überlieferung 24. 27
Unbestimmtheitsrelation 19
Opfer 154 Unterschied 103. 105. 141. 158f
170
»Philosophie« 69. 146 ff.
Platonismus 39f. 46 Vergessenheit 58. 66. 94. 99.
IloiTJCHC;
13. 157 103. 105
Verhalten 136. 145
Rache 66. 142. 145. 154f Verhältnis 75 und ff.
Rang 156. 167 Ver-Hältnis 135, 141f. 143. fil.
Ruhe 8ff. 155. 163. 169f
Verheißen 143
Schonen 58. 102. 104. 107. 110. Versteck 154
112. 119. 125. 141. 143. 156. Verwahrlosung 168
168 Verweigerung 151
Schritt zurück 49.ff. 71f 140, Verwindung 105
150.157
Schweigsam 90. 95 Wahrnis 122
»Seinsverständnis « 64 Weg 47. 115. 124. 130
(Sein und Zeit) 115. 123 Weidenzweig 156
Selbe 21. 28. 43f 138. 141 Welt 75. 103. 104. 119f. 134/
[BEILAGE]
DER HOLZWEG

Auslassen und Verlassen


Abschied
Der Holzweg

Man hat bisher die Rede von den Holzwegen nicht ernst genug a
genommen. Dies geschieht erst dann, wenn man sich anschickt,
den Holzweg zu gehen und als solchen zu erfahren, um ihn dann
zu verlassen.
Der Holzweg in dem Anschein - das Beharren auf den Weg -
das Vergebliche des Dtirchkommens in das Freie der »Lichtung«
des Ereignisses.

Der Holzweg ist jedoch gleichwohl unumgänglich, wenn das Den- b


ken auf den Weg gebracht werden soll - auf einen Weg, der ver-
nehmender ist als die Vernunft und darum strenger - an-gestrengt
in die Freiheit der Fuge - vernehmender: hörender im Ent-sagen
aus dem Geläut der Stille.
322 Der Holzweg Der Holzweg 323

Der Holzweg Der Holzweg

a Das jahrelange, vergebliche Versuchen, durch die Differenz als Der Holzweg ist der Weg in den Versuch einer Überwindung der 1
Grund der Transzendenz hindurch - in das Ereignis zu gelangen - M etaphysik durch eine Begründung der ontologischen Differenz
weshalb der Holzweg? Weil durch Differenz »Sein« erst recht ver- auf einem von dieser her bestimmten Grund. -
festigt wird - »Sein selbst« dabei die mitgehende Ausweitung und Aber dieser Weg in eine solche Bestimmung des Wesens der
Hinaussteigerung von »Sein« und das unwillkürliche Beharren M etaphysik ist nötig, um dahin zu gelangen, wo die Seinsfrage -
im »Gegenüber« 1 Transzendenz I Ereignis als das wahre »Sein«: auch die nach der Wahrheit des Seins - verlassen wird und damit
statt~. das Denken des Seins aufgegeben wird - nämlich insofern, als 1
jetzt nicht mehr »Sein« in irgendeiner Weise maßgebend werden 2
ß Der Holzweg ist beirrt durch den Anschein und der Anschein birgt und bleiben kann - und dennoch - auch und gerade diese Preis-
den Vorrang des Anwesenden Menschen, auf den zu, von dem her, gabe geschieht nur im Verlassen der Metaphysik und des Bezirkes
durch den und mit dem alles »west« - in gewisser Weise richtig ihrer Verwindung. -
und doch un-wahr (wahrlos). Der Weg des Denkens als einer Sage der Fuge braucht den Holz-
weg; er verwirft nicht und kann nicht verwerfen, was er preisgibt.

Der Holzweg - auf ihm wird erst das Denkwürdige der Metaphy- 3
sik als Geschick erfahrbar. Geschick - das »Sein« schickt und mit
ih m den Anschein des Vorrangs von Anwesen und entsprechend
von Vor-stellen und Aussagen. Mit Anwesen - An-währen - zu-
gleich Ent-stehen und Ver-gehen - d. h. Bewegung als µe'tllßo1.:fJ
-
d. h. »Werden« und »Sollen«.

All es bisher in den Schriften Gesagte ist noch vom Holzweg aus 4
gesagt - und dennoch - spricht eingesprengt da und dort die
Sage des [Ereignisses] - zumal dort, wo Denken als das eigentli-
che Dichten versucht ist- welches »Dichten« die Zwiesprache mit
den Dichtern zu Hilfe ruft - nicht als bloße Aushilfe, sondern als
geschicklichen Weg.

~ besagt nicht nur Verwindung des Seins im Ereignis - son- 5


dern Preisgabe des Holzwegs in den Anschein (vgl. dort).
Im Be-wegen des Holzweges, insgleichen wie in der Preisgabe
dieses Weges - wird man endlich das Vorläufige und Begrenzte
dieses Denkweges erkennen und es nicht mehr fälschlicherweise
3g4 Der Holzweg Der Holzweg 3g5

aufsteigern zu einem Anspruch, der die Welt aus den Angeln he- Der Holzweg
ben möchte.
Der Holzweg jener, der dem »Anschein« folgt und meint, über die- 1
6 Wie geschieht die Preisgabe des Holzweges? Auf dem Weg zurück- sen hinaus, durch ihn hindurch in die Verwindung zu gelangen -
gehen - wohin? Der Weg zurück anders - auf ihm wird das vorher ja, überhaupt an die Verwindung sich hält.
Ergangene erst sichtbar und anders bedacht. Verwindung und Vorbeigang - Vorbeigang und Auslassen -
(Abschied) Auslassen und Verlassen - d. h. entsprechend Abschied - 1 Verwin- g
dung: ein Schritt zurück von der Überwindung her - sind nicht
beide noch - im Grunde - von der metaphysischen Vorstellung
des Aufhebens her gedacht und von einem stetig fortlaufenden
Geschichtsgang - wenn er auch nicht dialektisch-konstruktiv ge-
meint war?

Durch den Abschied in den Vorbeigang wird die Kluft zur Meta- 3
physik erst erreicht - aber Kluft bleibt Kluft - die Zerklüftung
im Ereignis?
Das »ist« - bleibt! wie lang noch -
»ist« und logistische Sprachwandlung.

Auslassen des I transcendens I schließt das nicht ein: das Auslas-


sen der Differenz? Denn durch die Differenz wird ja auf der einen
Seite »Sein« gerade verfestigt - und andererseits von dieser einen
Seite her nie zum Ereignis zu gelangen.
Die Besinnung auf die Transzendenz - erst recht diejenige auf
Differenz ein (der!!) echter Holzweg.
326 Der Holzweg Der Holzweg 327

Der Holzweg Der Holzweg

Was hier mit dem Namen »d. m. Sch[einen]« [?]genannt ist - führt nie ins Freye - aber in das Denkwürdige und verlangt ein
Das Scheinen des Seins, das wahrlos - als An-wesen das Erste- anderes Unterwegs.
Letzte zu »sein« scheint - während »Anwesen« selbst herkünftig Wie vermag er dies? Doch nur in der Weise des Versagens.
bleibt (woher?) und mit ihm jedes »ist«. (vgl. Metaphysik 0, 10) Woran ist dieses zu ermessen? Der Wald und die Verhüllung der
(Die verfängliche und beirrende Rede (nötig der ersten Verstän- Lichtung.
digung wegen! Aber bedarf es dieser?), daß Anwesen - nicht das Holzwege führen nie zu ihr- 1 Welcher Weg?
einzige »Sein« ausmache. »Sein« wird so festgehalten, immer wei-
ter hinausgesteigert, statt der Verwindung [und Durchkreuzung] -
und auch diese unzureichend.

Außerhalb des transcendens - so kein Gegenüber - aber auch kein


»Unterschied« im Sinne des transzendentalen im weiteren Sinne -
sondern?
Wenn auch keine Unterschiedslosigkeit u nd kein »Sein« >
Wenn~?
Dann andere Wege und I Gegend 1
1
kein Gegenüber und kein Gegenteil

Die Präformation eines planetarischen Zustandes zeig t sich in den


totalen Systemen - jeglicher Art.
Im Menschlichen wird Gleiches nur durch Gleiches erlangt und
überwunden. Aber zur Überwindung gehört, daß im Gleichen zu-
gleich ein ganz Anderes wese und zur Entfaltung gelange.
So lag - groß gedacht - im Wesen dessen, was der »National-
sozialismus« kaum ahnte, eine Möglichkeit, jenem Zustand stand-
zuhalten. Was großes Denken verlangte, wurde durch einen wü-
sten Umtrieb zur Zerstörung. Einige dachten eine Zeit lang an
das Mögliche.
89>
b
3
JOJ
15
39 o
48 o
57 o
64 o
85x
88 und90
ANMERKUNGEN IX

Juni 1950 /

»Wenn der Adler alt wird, fliegt er so hoch hinauf,


daß er seine Federn versengt.« 1
Leonardo da Vinci.

1 [Leonardo da Vinci: Tagebücher und Aufzeichnungen. Hrsg. von Theodor


Lücke. Paul List Verlag: Leipzig 1940, S. 841.]
Anmerkungen - sie haben am Sein das Seyn, am Anwesen des a
Anwesenden die Differenz gemerkt, d. h. gespürt. Belangt von ihr,
auf der Spur zu ihr merken sie der Differenz ihr ereignishaftes
Wesen an. Sie vermuten, das Ereignis als das Ereignis des Unter-
Schiedes für Welt und Ding. Also vermutend halten sie das Gemüt
der Sterblichen in das Ratsal des Ver-Hältnisses, das, den Unter-
Schied in seine Innigkeit versammelnd, die Enteignis in das Un-
gesprochene der Sprache hütet.

Was ist der Mensch? Das vernünftige Lebewesen.


Wer ist der Mensch? Der Sterbliche.
Das Was? erfragt die Dinge.
Das Wer? erfragt Welt (das Geviert).
Das Erfragen kommt aus dem Hören in den Unter-Schied.

Wir finden stets nur die uns schon zugeborgenen Funde. Was wir b
suchen, ist ehedem gefunden.

Das andenkende Denken beschränkt sich darauf, nur einer Di-


mension des Seyns die Ortschaft einzuräumen: der Dimension des
Unter-Schiedes: dem Unter-Schied als der Dimension des Ereig-
n isses.

2
yivwmce8'ofoc;pucrµoc;av0p6mouc;EXEt.
Archilochos
pucrµ6c;- das Wogenspiel. Das schwingende Hoch und Nieder von
Gewähr und Entzug, von Entzug in der Gewähr, von Gewähr im
Entzug.

Bedenke einzig dieses Eine: Eigentlich ereignet sich nur: das Er-
e1gn1s.

• [Archilochos. Griechisch und deutsch hrsg. von Max Treu. Ernst Heimeran
Verlag: München 1959, 67a D., S. 72.]
Die Sprache - (Anmerkungen VIII, 142, 162 f.) 1
Das Ver-Hältnis verhält den Unter-Schied.
Gesammelt hütet es das Enteignen des Schieds als das Ereignen
die Unter (Inter), das entborgen-geborgene Zwischen, in der die
Vierung der Welt als Nähern (Dingen) der Nähe. Vgl. S. 5.
Das Ver-Hältnis verhält; also hütend den Unter-Schied hält es
an sich mit der Sparnis, die im Ratsal der Freye beruht. Die Ruhe
ihrer Sparsamkeit ist die Be-wegung alles Ereignens in die Fülle
des Eigentums, das im Gedeihen der Sparnis in das Unerschöpfli-
che des Ratsals ruft.
Verhalten verhält das Ver-Hältnis den Unter-Schied.
Verhaltend braucht das Ver-Hältnis stillend die Sterblichen der
Erde.
Brauchend, nach der Weise des enteignenden Ereignens, neigt
sich das Stillen den Sterblichen zu. Im Stillen gebraucht das Ver-
hältnis die Sterblichen aus einer eigenen Zuneigung in die Stille
(d. h. das Gespräch der Sprache) als die Sprechenden nach der
Weise der Entsprechenden.

Aus der Stille des Ver-Hältnisses sind innerhalb des Gevierts die ':2
Sterblichen ausgezeichnet für die Sprache. Diese Auszeichnung
zeichnet die Sterblichen zu den Hirten des Dinges.
Die Stille des Ver-Hältnisses vereignet brauchend die Sterbli-
chen in das Schonen, das vor-läufig und unscheinbar ist die Sage
des Entsprechens.
Ihre Haltung im Ver-Hältnis ist das Zuvorkommen im Zurück-
halten.
So neigt sich die Stille, stillend erschwingend das Spiel, im Er-
schwingen des Spiels erklingend das Spiegeln in das Rufen (Hei-
ßen) des Näherns - den Sterblichen zu - ihr Wesen brauchend in
die Verheißung des Gesprächs, ihr Wesen vereignend der Erde
und so diese in das Erklingen bergend; so wird die Erde im Ent-
sprechen erklingend zum Ton des Stimmens der Stille. Der Ton
aber lautet. Die Sage verlautet.
Verlautung stellt sich dem Vernehmen zunächst dar und wird
336 Anmerkungen IX Anmerkungen IX 337

so zur Verlautbarung des Vernehmlichen. Für sich vorgestellt wird Die Sprache spricht, aber nicht ohne das Entsprechen, obzwar nie-
3 das also Vernommene, 1 die Verlautbarung zum Zeigenden und mals erst durch dieses. (Vgl. 7).
Deutenden auf eine »Bedeutung«. Das Wort bezeichnet. Die Sprache spricht - sie ereignet sich als das Gespräch der
Die Verlautbarung wird Ausdruck, dieser wird Äußerung. Die Verheyßung im Geläut der Stille.
Äußerung ist die äußerlichste Charakteristik der Sprache, aber Sprachen werden gesprochen, weil die Sprache spricht.
auch die geläufigste, aber auch die hartnäckigste, weil die rich- Das Ver-Hältnis des Unter-Schiedes:
tigste und älteste. Daß das Ver-Hältnis ver-hält den Schied. 5
Darum bleibt sie im Geschick des Seyns verhaftet. Darum dür- Das Inter - des Welt/Dinges.
fen wir sie nicht zu leicht nehmen. Der Unter-Schied ist das Ratsal der Sparnis.
Darum der Weg von der Äußerung und ihr zufolge von der Erläutern: ins Reine bringen; nicht erhellen, als könnte alles
Sprache als Verständigungsmittel weit bis zur Verlautung als dem Dunkel behoben werden . Das Reine: das Gesprochene wesend im
Lauten des Tones, der als der erdhafte Klang des Erklingens der Ungesprochenen.
Stille irdisch-sterblich dem Rätsel des Verhältnisses entspricht, Erläuterungen von Gesprochenem - der Dichter und Denker.
das die Sparnis verhält. Sie, die Erläuterungen, bringen bergend das Gesprochene in das
Ver-Hältnis des Unter-Schiedes - d. h. zugleich in das Ereignis der
Je verhältnismäßiger (dem Ver-Hältnis gemäßer im Entsprechen) Sprache, in das ereignend-enteignishafte Sprach-»wesen« .
wir in das Sprechen der Sprache gelangen, um so schweigsamer Die »Erläuterungen« haben niemals den Ehrgeiz, das Geschäft
werden wir. Schweigsam - entsprechen wir der Stille des Ver- der Literatur- und Philosophiehistoriker eines Besseren zu beleh-
Hältnisses. Am Ende werden wir verschwiegen, vereignet in die ren oder gar deren Wissenschaften neu zu begründen.
Stille des Ver-Hältnisses, in das Ratsal der Sparnis. Die Erläuterungen bringen das Gesprochene in das Lautere,
rein Ver-Haltene seines Ungesprochenen.
4 Sprechen ist zuerst und eigentlich Eigentum der Sprache - nicht Das Ungesprochene aber ist keineswegs das noch nicht Aus-
eine Tätigkeit und Leistung des Menschen. Das Eigentum gehört gesprochene, das einmal zum Ausdruck kommt, sondern ist das
in das Ereignis. Vgl. 13. Geläut der Stille, das keinen Ausspruch duldet. Das Erläutern ist
0 eigentliches Verheißen.
Sprechen - eignet der Sprache. Die Sprache spricht das Ungespro-
chene . Sie spricht dieses nicht aus, sondern spricht aus Ihm. Die Erläutern : Gesprochenes in die Dimension des Sprechens der Spra- 6
Sprache spricht; nur als die Sprechende kann sie und zwar im Ent- ehe bringen, die als das Gespräch des Unterschiedes aus der Stille
sprechen gesprochen werden. Dieses Gesprochene ist seit langem des Ver-Hältnisses spricht. Vgl. 17.
der nächste und in vielfacher Hinsicht »erste«, d. h. auch maßge-
bende Aspekt der Sprache; dennoch gilt die Sprache als das, womit, Zum Schönsten einer Meisterschaft gehört das stetig wachsende
wodurch gesprochen wird: sie ist Organon und Mitte l. Wissen von dem, was das geliehene Vermögen nicht vermag. So
Die sprechende Sprache bringt selber als Ereignis ihr Gespro- bleibt alles Große in seinem Rang.
chenes in das Entsprechen, das die Sage der Sterblichen spricht. Wie der Feldweg streng achtend am Rand von Acker und Wiese
entlang führt und das Gehen auf ihm dahin bescheidet, man-
338 Anmerkungen IX Anmerkungen IX 339

ehe Bereiche vordenkend zu ergehen ohne die Anmaßung, sich an Nötig ist das Vorgehen in das Zuvorkommen der Zurückhaltung
die Stelle eines mühelosen Gedeihens der Flur zu drängen. Unser ohne Rücksicht auf die Verständlichkeit des Gesagten, unter
bleibt stets nur ein Weg. Preisgabe jeder Chance für Anerkennung, die ohnedies dem Den-
ken ungemäß bleibt.
Die Silberdistel gehorcht jedem Hauch, auch wenn alles Wehen
zu ruhen scheint; sie schwebt und schwingt im Selben. Sie ist eine Die zeitgenössische Anerkennung und Geltung, zugleich mit der
einzige Rückkehr des Entzuges in die Nähe. Aburteilung und dem Haß, die mir seit »Sein und Zeit« zuteil
werden, beruhen auf dem groben und alles überschattenden Miß-
7 Die Wissenschaften sind der Verderb des Denkens. verständnis, jene Abhandlung diene der Anthropologie und sei ein
Sie geben sich im Anschein der strengsten Denktätigkeiten und Gemisch von existenzieller Psychologie und verkappter Theolo-
verhindern doch jeden Schritt in die Richtung des schonenden An- gie mit gewissen Ausstrahlungen auf die Metaphysik. Hätte man
denkens. frühzeitig geahnt, was vor sich geht, wäre man mit Hilfe von
Ihr Verderbliches erschöpft sich nicht darin, daß sie blindlings »Sein und Zeit« dieser selben Abhandlung zuvorgekommen; dann
alles Gegenständige vor- und die Bestände erklärend, begründend wäre der Lärm weniger laut und eifrig geblieben. Aber wer dachte
feststellen und bei diesem blinden Tun den Anschein aufrechter- an die Wahrheit des Seins?
halten, als verschaffte sie gerade und sie allein die verbindliche
Sicht und Aussicht auf das Anwesende. Das vorstellende Denken und in ihm alle Philosophie läßt sich 9
Ihr Verderbliches steigert sich vielmehr darin, daß sie verblen- vollziehen aus dem Ehrgeiz des Leistens und dem Wettkampf um
det sich auf das Denken stürzen und meinen, jedes Gedachte zum Werke.
Raub ihrer Machenschaft machen zu dürfen, um damit ihr Neue- Aber das schonende Denken gedeiht hier nicht. Ihm ist das Ver-
stes aufzubauen und darzulegen. Dieses verderblichste Tun bringt Hältnis als Maß gegeben. Das Verhältnismäßige bleibt gering im
sie dann zugleich in die Nähe des bedenken- und gedankenlosen Umfang und nach der Wirkung nichtig. Dem schonenden Denken
Journalismus. liegt nichts am Vorstellen, an der Repräsentation. Es kehrt sich
nicht an Gelten und Wirken.
Das Gesprochene der Sprache ist das im Geläut der Stille vereignet
Gesagte: in die Verlautbarung. Aber diese ist deshalb noch nicht Die Epoche, in der noch das Darstellen und Beschreiben seinen,
Ausgesprochenes und aussprechender Ausdruck. (vgl. 3). weil ihren Sinn hatte, in der noch Ordnen und Vorschreiben nach
Regeln und das Aufstellen solcher etwas bewirkte und Gehör fin-
8 Wie weit zurück müssen wir in das schonende Denken? Bis in das den konnte, geht endgültig zu Ende. Die auslaufenden und sich
Entsprechen. Es pflegend gehen wird in das Innige der Zurück- verlaufenden Gewässer der Metaphysik werden immer flacher und
haltung. Wir gelangen so in einen Aufenthalt, der sich in der die Versuche, in ihnen das Meer zu sehen, immer törichter. Zu-
Nähe, in ihrem Näheren sich hält und zugleich im Spiegel-Spiel gleich aber zeigt sich noch wenig Bereitschaft und kaum eine Ah-
des Gevierts. So entsprechend lassen wir die Stille des Ratsals nung in der Richtung zu dem, was als Schritt zurück nötig wird.
gewähren. Not ist der Sprung in diesen Schritt, in dem sich die erste Ausmes-
sung des Ver-Hältnismäßigen und seiner Maße ereignet. Vgl. 16.
Anmerkungen IX 341
340 Anmerkungen IX

10 Die Gewalt und Umsicht, die Sorgfalt und Strenge des schonen- Ein Werk steht in den kontrapunktischen Spannungen seiner 12
den Denkens, das andenkend ungesprochen das Seynsgeschick Komposition.
der Metaphysik durchmißt, entschwindet in das Unscheinbare Furchen gedeihen in der Unscheinbarkeit des Ver-hältnisses;
eines Geringen Sagens , das sich für das öffentliche Ansehen ärm - dessen Maß wird im Entsprechen zur Stille ermessen.
lich ausnimmt. Das schonende Denken kommt in die Bedrohung,
daß sein Einfaches als bloße Dürftigkeit zu leicht befunden wird; Statt der Strenge der Perfektion eines ·werkes waltet hier die weit
daß man an seinen Wegen die Beziehungen zur gerade gültigen höhere und seltenere der Schicklichkeit, die sich darein schickt,
Wirklichkeit vermißt ; daß man es unter Ansprüche und Formen auf dem Pfad des Ver-hältnismäßigen zu bleiben . Die Langmut
der Mitteilung und Darstellung zwingt, die ihm ungemäß ge- zur Schicklichkeit.
worden sind; daß man ihm aus Ungeduld und Unerfahrenheit
ein Geringes schon von dem versagt, was dem Samenkorn in der Wenige kommen bisweilen auf dem Feldweg aneinander vorbei;
Ackerfurche eignet : ein langmütiges, unerrechenbares Gedeihen noch seltener begegnen sich gar einige aus der Vorhut der Zuvor-
aus den nährenden Säften einer unversehrten Erde unter einem kommenden im Zurückhalten.
freien Himmel - ein Gedeihen, an dem nichts Machbares anset-
zen und es fördern kann, ein Gedeihen, dem nur schicklich bleibt, Furchen: öffnend, umwendend, verschließend die Erde;
der Kehre im Geschick des ~-- der Ankunft der Enteignis des entführend unter einen Himmelsstrich;
11 Unterschiedes in das Ratsal des Ver-Hältnisses die verhältnis - 1mä- geleitend zur Gunst des Heiligen
ßige Ortschaft zu bereiten und das Wohnen in dieser lernen zu zurückbringend in die Sterblichkeit.
lassen. Dies kann nur aus einer hohen Geduld einer weiten Ver- Also wehend, dingen die Furchen - beides zumal vollbringend
schwiegenheit glücken. sind sie eine Sage der Sprache des Entsprechens.

Ereignis Im Ereignis ereignet sich die Enteignis. 13


Furchen ziehen, unscheinbare, im Acker der Sprache des Unter-
Schiedes aus dem Ver-Hältnis des Ratsals. Das Ereignis des Unter-Schiedes
»Werke « sind seit der Vollendung der Metaphysik nicht mehr Die Enteignis im Ver-Hältnis
möglich; was so aussieht wie sie, kann wohl noch mit gesteigerter Die Einfalt des Ereignisses in die Enteignis
Routine gemacht werden. - Werke - sind sie nur noch als im Be- Die Einkehr aus der Sparsamkeit des Ratsals.
stellen Hergestelltes - nicht mehr vermögen sie, Unverborgenheit Der Entzug im Ratsal des Ungesprochenen.
des Seins anwesen zu lassen . »Werke« lassen sich noch bändeweise Das Eigentum des Ereignisses ist die Sprache.
und immer umfänglicher künstlicher nachmachen. Im Ereignis »ereignet « (passiert) nie »etwas «.
Sie verraten nur, durch ihr bloßes »Erscheinen«, daß die Ge-
dankenlosigkeit zur Herrschaft gelangt ist; daß an die Kehre des Da s Ungesprochene der Sprache - ist keineswegs das noch nicht
~ und an die in ihr ereignete Wende des Denkens vom Vor-
Ausgesprochene; Es ist das, aus dem als dem Währenden jedes Ge -
stellen in das Schonen, nicht gedacht werden kann. spräch der Sprache immer erst spricht. Das Ungesprochene ruht
im Ratsal der Sparsamkeit, als welche das Ereignis sich in die
Der Feldweg von den »Werken« zu den Furchen . Ruhe des Ver-hältnisses enteignet.
342 Anmerkungen IX Anmerkungen IX 343

Das Ungesprochene ist nicht das Vage, Verfließende, Ver- Die Stille des Ver-Hältnisses
schwimmende, das unbestimmt Gebliebene, das Unbestimmte - Das Geläut der Stille
sondern: das Ungesprochene ist das Stimmende, denn es ereignet Die Stille als Stimmen des Einklangs.
sich in der reinen Stimmung, im Stimmen, als welches die Stille Die Stille »der« Sparsamkeit
stillt. Nur diese eine Stimmung gibt es: das Stimmen der Stille. Die Sparsamkeit des Ratsals
Stimmen: das ereignend-enteignende Schwingen des Ver-Hält- Das Ratsal [des Ungesprochenen] des Ereignisses. Vgl. ob. 13
14 nisses, das schwingend erklingen läßt das Geläut I der Stille in Das Ungesprochene braucht das Entsprechen.
den Einklang des Gesprächs, darin aller Widerspruch spricht. Das Entsprechen verlautet aus dem Geläut.
Stimmen ist das schwingende Erklingen lassen des Einklangs Das Entsprechen der Sage.
des Verhältnisses und damit das Erklingen des Klangs im irdi- Die Sprache als der Brauch des Entsprechens.
schen Ton der sterblichen Sage.
Stimmen - auf den Einklang bringen, den Brauch, ihn in sei- * Das ist hier und überall der ereignend-enteignende Genitiv: die
nem Brauchen und Gebrauchten abstimmen, nämlich auf das Sprache spricht aus dem Ungesprochenen dieses, indem sie es un-
Selbe des Einen Klangs des Einklangs. gesprochen läßt; vgl. 14.

Eines ist not: das Sprechen der Sprache pflegen; das Hören ihres Denken - sein ereignishaftes Wesen bestimmt sich aus dem Ent- 16
Sprechens vorbereiten. sprechen, das aus dem Wesen der Sprache als der Stille des Ver-
Hältnisses gebraucht und im Brauch vereignet ist.
Sprechen der Sprache: ist ~ lassen (Er-eignen lassen) aus ~ Das Entsprechen ist der Stil des Wohnens der Sterblichen. Die
(Ver-hältnis des Unter-Schieds). Das ~: die Sparsamkeit des maßgebende Weise des Entsprechens ist das Denken. Es gibt das
Ratsals des Ungesprochenen. Maß des Ver-Hältnismäßigen.
Dieses Lassen ereignet sich als die Verheyßung. Vgl. 15 u. Das Denken, im Brauch der Stille des Ver-Hältnisses ereignet
und in das Schonen des Ratsals enteignet, ist die Sage des Unter-
Sprache ist das Ver-Hältnis der Einfalt des Unter-Schiedes. Schiedes in seinem Ver-Hältnis.
Sprache ist das Ver-Hältnis des Un-Gesprochenen. Die Abkehr gegen das vorstellende Denken ereignet sich in der
Das Ungesprochene ist das Sprechen selber der Sprache. Kehre der Vergessenheit des Unter-Schiedes.
Das bislang im vorstellenden Denken Gedachte wird dadurch
15 Die größte Schädigung droht dem Denken dadurch, daß es durch nicht verworfen, sondern in seine Wahrheit entfaltet. Aber es steht
die Theologie zu vermeintlich höheren Zwecken mißbraucht wird. nicht mehr für sich auf sich.
Welcher Schaden erwuchs dem Denken des Aristoteles durch die
theologische »Spekulation« des Thomas von Aquin? Die Heutigen verharren immer noch hartnäckig in der Vorstel-
lung, das Denken sei Vorstellen, das irgendwo steht und auf sei-
X bedenke!: nem Standpunkt stehenbleibt. Man spielt dabei Vorstellungen ge-
Das Sprechen der Sprache des* Ungesprochenen: geneinander aus, statt zum Aufenthalt im Seyn zu geleiten und
Die Verheyßung des Unter-Schiedes
344 Anmerkungen IX Anmerkungen IX 345

den Aufenthalt als ein Gehen auf Wegen zu erfahren, die durch Außerhalb des Wirkenwollens, aber auch ohne Mißachtung derer,
Feld- und Holzwege nicht erschöpft sind. die noch philosophiegierig sind, schont das Denken des Unter-
schiedes die Zurückhaltung in ihr Zuvorkommen.
17 Die »Erläuterungen«, 3 und zumal diejenigen von eigens gewähl-
ten, erwählten (dilecta) Gedichten, gehören in die Sage des Un- Zur Verwindung der Metaphysik als der Herrschaft der Wahrheit
ter-Schiedes. Sie bringen diesen in die Sprache des Entsprechens. des Seienden, welche Wahrheit sich als das Sein aufspreizt.
Sie lassen das Entsprechen lernen als das Zuvorkommen in der Nicht analogia entis, sondern Entsprechen im Ereignis.
Zurückhaltung des Schonens, das dem Verhältnis die Ortschaft
seiner Wahrheit im Aufenthalt innerhalb des Unter-Schiedes er- Das schonende Denken ist, wo es spricht, stets nur ein Anlaß zu
baut: Hirtentum. einem Anstoß, der auf seinen Weg bringt. Der Gang auf diesem
Die »Erläuterungen« geben keine Anweisung für das literar- Weg läßt jederzeit viel hinter sich, was das vorstellende Denken
und philosophiehistorische Auslegen. Sie warten nicht darauf, als als darstellbares aufgreifen würde.
Muster nachgemacht und befolgt zu werden. Sie halten sich zu-
rück als Anlässe des Entsprechens, zu dem vielleicht jetzt gerade A-A,j0eza- nie genug können wir's zu bedenken geben: A-AiJ0eto.ist 19
gehört, alles historische Auslegen zu unterlassen und auf die Ein- immer und ist eigentlich AiJ0eto.,AiJ0ri.
zigkeit weniger Gedichte und Gedanken zu achten, in denen das Ein völliges Aufdecken käme einer Selbstentmannung gleich.
Ungesprochene zu seiner Sprache gekommen. Wenn wir der Wahrnis den Schleier nehmen, als welcher sie
Erläutern: ins Reine des Unterschiedes das Zu-Denkende ereig- Wahrnis ist, haben wir sie zernichtet.
nen.
Die Sage des entsprechenden Denkens muß verhältnismäßig Wichtiger als alle Ethik ist das ~00<;.Wesentlicher als das ~0o<;
sprechen. Ihr Gesprochenes muß verhältnismäßig sogar lauten; ist, sein Wesen als den sterblichen Aufenthalt im Ver-Hältnis des
darum nimmt es die Wörter bei ihrem Wort. Mit Etymologisieren Ratsals zu bedenken.
hat das nichts zu tun. Aber dieses Bedenken ist kein Vorstellen, kein Zur-Kenntnis-
-nehmen eines frühen Begriffes und seiner Auslegung.
18 Denken: im Brauch des ~ gebraucht, seinem Ratsal der Spar- Dieses Bedenken ist Denken im Sinne des Entsprechens. Das
nis des Unter-Schiedes alles zutrauend, dessen Sprache in der Sage Entsprechen aber ist selber das Gelangen in den Aufenthalt, das
der Furchen entsprechen. Wohnen.

Dieses Denken redet und schreibt weder für ein Wirkenwollen Dasein: Anwesen (zuletzt Praesenz in der Repraesentatio).
auf die Heutigen, noch verschiebt es die geheim doch gewollte Da-sein: Das Da, die Lichtung des Anwesens aus-stehen. Das
Wirkung auf eine Zukunft. eksistential gedachte Da-sein birgt die Gewähr der Wahrheit des
Anwesens für den Menschen.
5
Mit dem »das Da-sein« ist der Aufenthalt der Sterblichen (Sein
[Bezieht sich vermutlich auf die »zweite, unveränderte Auflage« von Martin
Heidegger: Erläuterungen zu Hölderlins Dichtung. Vittorio Klostermann Verlag:
zum Tode) geahnt; aber der Aufenthalt ist im Ver-Hältni s.
Frankfurt am Main 1951.]
346 A nmerkungen IX Anmerkungen IX 347

20 Zum »Einblick«. VgL 34. umsichtigste Ordner, durch Werk und Tun den Zustand und die
Vollständig lautet der Name für das, was sich im Folgenden zur Verelendung der Menschheit wandeln könne;
Sprache bringt: Einblick in das was ist. 4 Diese Benennung muß zu meinen, durch Bewegungen, Richtungen, Kreise und Ta-
hier rein für sich selber sprechen und dabei sich erläutern. Das gungen solche Wandlung einrichten und durchführen zu können
Gesprochene ist in diese Schrift eingegangen. Ihr Verfasser blieb oder gar selber in Gang zu bringen.
ein Notbehelf. Sein Name ist hier gleichgültig.
Unterschiedlich denken - dies sagt: aus dem Unterschied diesem 22
Die Sprache - in ihm entsprechen; meint nicht mehr: je und je verschiedenartig
Die langher verfestige Richtigkeit, in der die Sprache als Äuße- vorstellen und beim Vorstellen auf die Unterschiede (Distinktio-
rung und Mitteilung vorgestellt wird, läßt sich nicht über Nacht, nen) achten.
auch nicht übers Jahr, kaum in einem Jahrhundert erschüttern; Das unterschiedliche Denken ist aus dem Unter-Schied diesem
vor allem deshalb nicht, weil diese Vorstellung von der Sprache vereignet.
sich immer noch weiter verfestigt, in der Art der Benutzung der Das unterschiedliche Denken bedenkt stets den Unter-Schied -
Sprache sich fortgesetzt mehr bestätigt und in der Unausstehlich- geht ihm - seinem Schied - nach; aber das unterschiedliche Den-
keit des Rundfunkgeschwätzes, auch des besten, der Herrschaft ken stellt den Unterschied nie vor. Zwar kann bei der jetzigen
seiner Richtigkeit die totale gestellmäßige Hilfsstellung beschafft, Gewöhnung, Gesprochenes zu vernehmen, dieses als das Ausge-
so daß niemand mehr das Geschwätz als Geschwätz erkennt, noch sprochene eines Vorstellens vorgestellt werden.
gar von irgendeiner Spur der Unausstehlichkeit dieser Sprachzer-1 Der Unterschied aber ist nie vor-stellbar; und zwar kei neswegs
21 störung berührt wird. deshalb, weil das Vor-stellen seine Fülle nicht erreicht und sich
bloß mit andeutenden Zeichen begnügen muß, sondern weil das
Daß die Schüler mit Hilfe der Nase des Lehrers immer alles um Vor-stellen überhaupt dem Unterschied nicht entspricht. Die Un-
eine Viertelsnasenlänge besser wissen und Übergangenes um- vorstellbarkeit ist hier kein Mangel und kein Nichtzureichen des
fänglicher ergänzen und berichtigen können, ist in der Ordnung; Vorstellens, sie sagt: das Vorstellen als solches gelangt nie in das
sogar dies, daß man schließlich den Lehrer in der Figur herum- Entsprechen, was den Unterschied allerdings so gemäß erlangt,
zeigt, die er im Gesichtsfeld der Schüler macht: »als einer der uns- daß es ihm vereignet ist.
rigen<<,wie die Professoren bei feierlichen Gelegenheiten von sich
zu sagen pflegen. Diese Stickluft, in der jetzt der Bildungsbetrieb Es gibt gewisse Bereiche des Denkens, die sich nicht »verständlich« 23
leichtbeschwingt keucht, muß jeder kennen, den sie nicht mehr machen lassen, ohne daß sie dadurch zerstört werden. Hier bleibt
erreichen darf. nur die Möglichkeit, daß die Hörer ihrerseits zu einem Nach-Den-
ken sich bereit halten und d. h. dazu, die als absolut beanspruchte
Der Irrtum, zu meinen, daß heute irgendwer und sei er der in- Selbstverständlichkeit ihrer Vorstellungsweise preiszugeben.
nigste Dichter, der strengste Denker, der gewaltigste Täter, der Das ist freilich eine Zumutung, denn dabei muß gar das Vor-
stellen selber aufgegeben werden als die Weise des Denkens. Was
• [Vgl. Martin Heidegger: Bremer und Freiburger Vorträge. 1. Einblick in das
was ist. Bremer Vorträge 1949. 2. Grundsätze des Denkens. Freiburger Vorträge von ihr aus gesehen noch wie ein Bereich des Denkens aussieht,
1957. GA 79. Hrsg. von Petra Jaeger. Frankfurt am Main 1994.] der Unter-Schied, ist in seinem Wesen der ereignende Brauch des
348 A nmerkungen IX Anmerkungen IX 349

Denkens selber als des E ntsprechens, das 1m Ungesprochenen gene Neue alles beim Alten. Schließlich findet man sich mit dem
spricht. vermeintlich nur »Neuen« ab, vermahlt es in das Bisherige. Man
Das im Unter-Schied ereignete, seinem Ver-Hältnis vereignete, bleibt so vom Ereignis unberührt; man ist es gleichwohl nicht,
aus dem Brauch gebrauchte Entsprechen ist als die Sage »des« Un- denn man wird so ausgestoßen in die, wie es scheint, nicht zu
terschieds das Denken, das denkt aus der Ver-sammlung im Ge- brechende Herrschaft des Vorstellens und vorstellenden Erklärens.
dachten seines Zu-Denkenden. Dieses entsprechende Denken ist Aber in der Kehre des Sprechens kehrt sich zuerst und doch
das Gedächtnis - (wobei das Wort »Gedächtnis« nicht mehr eine lange unvermerkt die Folge der Sätze und Worte in das Stillen
Fähigkeit des Behaltens und des dazu nötigen Erinnerns bedeu- der Sage, die nicht mehr vorstellt und setzt und keine »Sätze« und
24 tet). Das Gedächtnis bleibt I in das Denken an den Unter-Schied deren Bestandstücke mehr kennt.
versammelt, hat von da seinen Namen. Alles Vorstellen, alles Ver- Für diese Kehre der Sprache ist nicht entscheidend, I wie groß 26
nehmen von Aussehen und Anblicken hat es hinter sich gelassen; ihre Ausbreitung und deren Erstreckung ausfällt, ob und wie alle
es hat mit der Erinnerung und darum vollends mit der Wieder- vorherrschenden »Sprachen« von ihr be-stimmt werden oder nicht.
- auf iofo bezogen) nichts mehr gemein.
erinnerung (ava.µv11crii; Vermutlich sind auf lange hinaus gerade die »Weltsprachen« un-
Zwischen ava.µv1101i;und dem vorhin gedachten Gedächtnis berührbar für die Kehre; denn sie sind völlig zu Bestandstücken
liegt die Kehre der Vergessenheit des Unter-Schiede s. des Bestellens der je benötigten Vorstellungsweise bestell t.
Inmitten des so gestellten Sprechens der Sprache, daß sie selber
Denken: im Ver-Hältnis des Unter-Schiedes dem Geläut seiner gestellt wird, das jeweils benötigte Vorstellen auf der Stelle zu be-
Stille entsprechen durch die Furchen der Sage des Ver-hältnisses. stellen - muß die Sage des Entsprechens gesagt werden.
Das Denken ist einsamer noch als das Dichten. Die Furchen der Sprache des Unterschiedes aber müssen, kaum
gezogen, sich entziehen: ungeeggt in die gleichmäßige Ruhe des
Die Sage der Sprache ist nicht das Ausgesprochene u nd ein Aus- bergenden Wahrens der Gediegenheit eines unvorhersehbaren
sprechen; vielmehr sagt sie in der Weise, daß sie das Gesprochene Gedeihens.
in das Entsprechen wahrt und so vor dem Ausgleiten in das Aus-
sprechen bewahrt. Fast wird es unmöglich, inmitten der gestellten Ansprache an das
Die Sage des Unterschiedes bleibt in gewisser Weise hilflos; sie bestellte Aussprechen, einfach die Sage des Entsprechens zu sa-
vermag nichts zu erzwingen und verwahrt doch in sich den Schatz gen, um sie auf sich und d. h. hier: im Sprechen der Sprache selber,
einer Entsprechung. im Ereignis des Unterschiedes beruhen zu lassen. Alles dies sieht,
öffentlich gesehen, nur aus wie Anmaßung, wie Gleichgültigkeit,
25 Die Sprache - das unterschiedliche Denken beginnt als das Ent- wie Unfähigkeit, wie Abseitsstehen.
sprechen im Gesprochenen die Vorbereitung der Kehre des vor-
stellend ausdrückenden Sprechens in das Sprechen der Sprache, Was einmal Bildung war und bildete, ist lang schon zur lnforma- 27
die ereignend-enteignend spricht. Vom Gewohnten her sieht dies tion und Dokumentation geworden, deren Betrieb und Vertrieb
wiederum und unvermeidlich nur so aus, als würden allen ge- durch die Presse und den Rundfunk besorgt werden. Der Rund-
läufigen Wörtern abgeänderte Bedeutungen unterlegt und ein funk gehört mit zur Organisation der alltäglichen Öffentlichkeit,
geändertes Vorstellen gefordert, als bleibe durch dieses erzwun- d . h. zum Journalismus; dieser hat in der Zeitungs- und Zeitschrif-
350 Anmerkungen IX Anmerkungen IX 351

tenpresse nur ein e Form unter anderen gefunden. Die heutigen ein Andenken erst wohnen kann, wo dieses Wohnen selber erst das
Wissenschaften und zwar nicht nur die Geisteswissenschaften, Andenken gedeihen läßt?
sondern ebenso die Theologie und die Naturwissenschaften sind in Warum bleibt alles, die Gediegenheit des einfachen Wohnens
der Gewalt des Journalismus und nehmen diesen zu ihrem Vorbild. in der Nachbarschaft zum Unter-Schied, warum bleibt alles Edle
und Würdige nur der eiligen Machbarkeit durch eine Machen-
Warum ist es heute unmöglich, daß noch etwas in seiner Ruhe schaft ausgeliefert? Warum hält man das Mitmachen in dieser für
gelassen wird? Weil die Ruhe sich entzogen und noch nie eigens das Tun und Wirken?
sich gewährt hat und mit ihr das, was allein in sie ent-lassen wer- Warum fordert man Wirkliches, statt das Vermögen zum Woh-
den kann: das Ding, mit ihr das, was allein uns wie ein Lassen nen zu mögen?
ereignet; denn die Ruhe ist das Ratsal des Ver-Hältnisses, das den Warum überschreit ein Wirkliches das andere? Was treibt in
Unterschied in sein Stillen spart und so das Ereignen in die Ent- diese Raserei des Wirkenwollens?
eignis beruht hat. Ist es das Wollen selber, gewollt aus dem Willen zum Willen?
Werk als Gewirktes - solchen Wirkens.
28 Vermutlich gelangt unser Denken zum Acker des Ver-Hältnisses Werk als Her-vor-gebrachtes im entbergenden Aufstellen.
nur durch einen Steinbruch. Die hier gebrochenen Blöcke liegen
im Weg zu den Furchen. Wessen Pflug mag diese ziehen? Sein und Zeit-; beginnt endlich, bei diesem Namen nicht an ein 30
Buch, sondern an eine Strecke Weges zu denken, welcher Weg zu
Was ist jenes Wollen, das vor allem Sollen will? gehen ist, mag jenes Buch zureichen oder in vielem noch in das
Jener Wille, der eigentlich noch nicht Wollen ist, insofern nicht zurückfallen, woraus es sich mühsam genug und ohne Hilfe zu lö-
sich will? sen versucht. Aber auch heute noch scheint es, als sei die gestellte
Wie west alles Sollen und Gesollte im Vor- und Vorauf-Gestell- Bitte vergeblich.
ten und in der Gestaltung, als welche der Wille eigens der Wille Sein und Zeit - Zeit als die Dimension, als der Zeit-Raum der
zum Willen ist? Wahrnis (Wahr-heit) des Seins qua Anwesen des Anwesenden; in
Unterscheide: das Wollen als das kaum vermögende Mögen der so vorgedachten Zeit und dem so gedachten Sein des . . . ist
und: das Wollen, das sich in ein Sollen stellt. schon auf die Differenz als solche gedacht, ohne daß dieses Den-
ken schon eine Unterkunft für das Zu-Denkende gefunden hatte.
Der Wissensanspruch der Wissenschaften und der Vertreter »der« Sein und Zeit sagt daher schon:
Wissenschaft beruht keineswegs auf einem Wissen, sondern auf Sein und ontologische Differenz.
einem Glauben - und zwar auf dem Aberglauben, alles, was ist, sei Schon diese Benennung ontologische Differenz zeigt an, wie zu-
der Wissenschaft wegen da. Von hier kommt das kleine Rechnen nächst noch alles in der Weise des metaphysischen Vorstellens ge-
und Schätzen, das alles nach »der« Wissenschaft bemißt. nommen wird, obzwar schon gesehen ist, daß die Differenz keine
bloße Distinktion ist und keine nur nachträglich entstehende Re-
29 Wie wollt ihr stetig an Gott denken, wenn ihr nie zuvor und lang lation aufgrund des Referats von Seiendem und Sein, gleich als
genug das An-denken geübt? Wie wollt ihr das An-denken lernen, seien I dies zwei für sich vorhandene Gegenstände, die gelegent- 31
solange ihr nicht vermögt, in das Ver-Hältnis zu gelangen, worin lieh zusammengeschoben werden.
352 Anmerkungen IX Anmerkungen IX 353

Die Differenz ereignet sich aus dem Unter-Schied. Dieser Ein Denken kommt, das sagt, indem es dem Unter-Schied ent-
konnte erst aus dem Ereignis gedacht werden, das selber sich erst spricht. Schonend läßt es den Unter-Schied zurückgehen in die
in der Kehre des ganzen Seynsgeschickes, des Einen und Selben Stille des Ver-Hältnisses.
zwischen AAiJ0i:ta.und ewiger Wiederkehr des Gleichen - (Wil- Schonend bereitet es ein Wohnen in der Freye des Ratsals.
lens zur Macht), lichtend e. Indessen ruht der Unter-Schied in der Vergessenheit.
»Sein und Zeit« 1 Sein und ontologische Differenz sind Titel für
Wege, die das Selbe an-gehen und auch in der Vorlesung SS 19275 Erst im Ereignis des Unter-Schieds, das ihn eigens in das Ver- 33
unmittelbar nach Erscheinen von »Sein und Zeit« eigens began- Hä ltnis ent-eignet, stürzt alle Transzendenz zusammen und mit
gen sind; aber in einer geschichtlich didaktischen Form und im ih r die Wesentlichkeit der Metaphysik. Die läuft sich in Jahrhun-
Versuch, von der Metaphysik her den Rückgang in ihren Grund derten erst zu Ende in der Form von Weltanschauungen, die im-
zu ergehen. mer instrumentaler werden, darum aber auch herrschsüchtiger
Erst 1930 (Wahrheitsvortrag) erwies sich dieser Weg in aller und unduldsamer. Das Instrument dieser Unduldsamkeit ist der
Deutlichkeit als ungangbar. Erst 1936 war der Durchgang durch Moralismus, der im Namen der Freiheit das ereignishaft-unter-
die Kehre und der andere Weg gefunden; aber auch dieser blieb schiedliche Wesen der Freyheit endgültig unzugänglich macht.
noch überwachsen von der Überlieferung der Metaphysik und
dem unablässigen Bemühen, in deren Sprache zu sprechen und Von der Metaphysik her kommend und aus dem nur ihr gemäßen
dennoch anders in die Erfahrung des Denkens zu bringen. Vor-, Fest- und Sicher-stellen eines Beständigen, fordern wir von
jedem Gedachten zuerst Sicherheit im Vorgestellthaben (d. h. hier
32 O Wissen) - wir fordern das Sichwissen dieses Wissens: die Gewiß-
Wenn das Denken sich verständlich macht, gibt es das Wesent- heit. Vernehmen wir dergestalt fordernd dann das Sagen des ent-
liche preis. sprechenden Denkens des Unter-Schieds, dann haben wir es schon
Darum muß das Denken den Vorwurf der Unverständlichkeit, in das metaphysische Vorstellen weggezerrt und suchen nur noch
und das ist zugleich der seiner Unwirklichkeit, auf sich nehmen. und immer vergeblich nach Kennzeichen der Gewißheit und der
So bleibt ihm ins Unberechenbare und fast Trostlose hinaus Bewiesenheit im Vorstellen.
doch eine Gewähr, daß es einmal aus sich zur Sprache (zurück)
gebracht wird, aus sich, insofern es bei sich geblieben. Zum »Einblick«. Vgl. ob. 20. 34
Zum Einfachen gibt es keine Einleitungen. Zwar versucht er als Sage, der Bewegung der Kehre zu entspre-
Wir gehören in das Einfache und hören dann seinen Anspruch; ch en, aber die vier Stücke sind doch auch so noch, wie jedesmal
wenn uns das Gehören versagt bleibt, hilft kein Aushorchen und in solchen Fällen und Abzweckungen, nämlich für gesonderte
Abhören. Vorträge, aus dem eigenen Gang des Ereignisses des Unterschie-
des noch herausgerissen. In solcher Weise ließe sich auch »der
Schmerz«, »das Ver-Hältnis«, »die Sprache«, je gleichsam für sich
sagen.
5
[Vgl. Martin Heidegger: Die Grundprobleme der Phänomenologie. GA 24.
Jedesmal wird alles unzureichend; und zwar nicht deshalb, weil
Hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann. Frankfurt a:m Main 1975.] gemäß der Beschränkung des Ganzen (gar im Sinne eines »Sy-
354 Anmerkungen IX Anmerkungen IX 355

stems«) nicht dargestellt werden kann, sondern weil das Gedachte sen des Anwesenden, so daß fortan das Anwesende als solches das
nicht in der Dimension des Ereignens gelassen wird. Anwesen vor- und darstellt. Das versammelte Gelangenlassen ist
Vielleicht gibt es Pfade, auf denen eine Sage des Genannten die Gelangnis. Vgl. 41f.
verhältnismq/Jig möglich ist; aber dann müßte, damit sie noch ge- Im Los- und Weglassen ins Anwesen west die Ver-an-Lassung.
dacht werden könnte, di e Herrschaft des metaphysischen Vorstel-
lens gebrochen sein. r:txv1'/- r:vx1'/- Wenn unser Denken dahin gelangt, aus dem an- 37
fänglichen Wesen, aus der ereignishaft bedachten A-Ar)0eta her
Wer ein Niveau halten will , muß im Halten es heben. die TioiT]cnc;
als das (ereignende - aber sich im Wesen entziehende)
Her-Vor-bringen zu denken, dann gewinnen wir erst den Bereich,
35 Wer ist Nietzsches Zarathustra? 6 Er beginnt die Verwindung der in den das Wesen der 'tBXVTJ gehört. Diese wird zwar nach Aristote-
Rache. les (Nie. Eth. B. VI) dem a.1T]0euetvzugehörig gedacht,7 aber dort
Die Herrschaft der Rache und das Walten der Vergessenheit ist sie schon aus der Gegensetzung nicht nur zur cpucnc;,sondern zu
des Unterschiedes. Diese läßt jene los. Vgl. Anmerkungen VIII anderen Weisen des a1T]0euetvin einer wesentlich verengten Ge-
und Fu. [?] stalt vorgestellt. Anfänglich ist 'tBXVTJ
in der Weise zu denken, daß
Zarathustra: die Vorahnung des Wesens der in das Ereignis ge- sie es vermag, die Entsprechung zur A1iJ0eta zu bilden, sei es, daß
hörenden Sterblichen. die Sterblichen, sei es, daß die Unsterblichen in das einbezogen
Inwiefern geht die Verwindung der Rache mit der in der Kehre sind, was sie von der A1iJ0eta her angehend anbelangt und so in
sich ereignenden Verwindung des Seyns, der Vergessenheit des ein Geschick gelangen läßt. Dieses (An)-belangende-Gelangenlas-
Unter-Schiedes zusammen? sen ist das Wesen der 'tUXTJ- Für unser Denken ist der Weg über die
'tBXVTJ der gemäßere, weil deren Wesensbereich schon im Griechen-
36 Tux:TJ- die Längnis, im Be-langen, d. h. im Langen nach ... Gelan- tum deutlicher durchdacht wurde. Die groß geschriebene TioiT]cn<;
gen lassen in das Verlangte des ereignenden Langens. Die Längnis birgt in sich das I ereignishafte Wesen für cpucnc;und xpä~t<;,ins- 38
läßt sich erst aus dem Ereignis denken; sie beruht im Ver-Hältnis. gleichen und zuerst für ihr »und« - die Scheidung beide r. -
Tux:TJdagegen bleibt, griechisch gedacht, dem An-wesen und der Das Von sich her Aufgehende - west im [Brauch] - der mit cpucrt<;
Her-vor-bringung und deren Anlangen und Gelangen verhaftet. zugleich im .a-in6 die xpä~t<;ereignet.
Die Gelangnis (Tux:a)und die Erteilung (Moipa).
Die Versammlung des ereignenden Er-reichens sammelt die <Pvuu;- das aufgänglich lichtende ~er-v~n lassen - darin
Enteignis in das Er-reichen als das Be-langen und in das Erreichen ytve<m;und cp0opciEnt-stehen und Ver-gelien
als Erlangen. Das in sich versammelte belangend-erlangende Ge- 1tpa,1i; - das durchführende voll - - ins Ende - xepac;/,t1oc; -
langenlassen ist die verborgene Weise, in der die Vergessenheit des bringen - v6oc;das Absehen auf, spüren von ,t1oc; (xepac;)
Unterschiedes die Unverborgenheit los- und wegläßt in das Anwe- Beide in der TioiT]cn<;
wesend:
im Her- vor- an- bringen ins Anwesen:
• [Martin Heidegger: Wer ist Nietzsches Zarathustra? In: Ders.: Vorträge und
7
Aufsätze. GA 7. Hrsg. von Friedrich-Wilhelm von Herrmann. Frankfurt am Main [Cf. Aristotelis Ethica Nicomachea . Recognovit brevique adnotatione critica
2000, S. 99-124.] instruxit I. Bywater. Oxford 1894, 1140a9sq.]
356 Anmerkungen IX Anmerkungen IX 357

woher die Scheidung beider? Unscheinbaren. Das gewohnte Gewöhnliche des kausalen, ratio-
Aus dem von- wo- her? Aus dem Wie des Her-vorcbringens. So nalen, personalen Vorrangs des Anwesenden geht nicht nur weiter,
zeigt es sich dem Vernehmen! und dieses? ereignet die Sterblichen sondern verfestigt sich sogar, so daß sich die Ankunft der Kehre in
und das, was sie an-geht, angegangen hat. das Unbeachtbare zurückhä lt.
[Das ist eigentlich der Unterschied; aber gemäß .der Vergessen-
heit des Unterschieds und des so (ereigneten) Vorrangs des Anwe- Die Vorbereitung auf das entsprechende Denken bewegt sich in
senden kommt vor IIoi11uti;nicht nur die <l>uuti;,sondern die cpuuet der Bemühung, auf die Jähe des An-sich-Haltens achten zu ler-
övtu in den Vorrang und alles von a.pxftund uinov her vorgestellt.] nen. Dazu ist nötig, erst einmal das kausale, rationale, personale
teA-oi;- n;epui;ist aus Aoyoi;, "Ev, 'Eov zu denken. Vorstellen als zusammengehöriges und in seiner ereignishaften
Herkunft aus der IIoi11mi;zu bedenken.
39 Jeder Denkende wird zunächst und oft für eine lange Zeit das
Opfer von Flachköpfen und Nutznießern. D as entsprechende Denken bleibt zunächst nur das Gelangen in 41
di e Kehre. In diesem Gelangen birgt sich das Erlangen des Unter-
In der Epoche der Kehre der Vergessenheit des Unter-Schiedes Schieds.
muß das Denken der ganzen Fülle der Verweigerung des Unter- Das Erlangen hat jedoch den Charakter des Schonens. Das
Schiedes entsprechen, als welche Verweigerung das Gewese der schonende Denken sagt zwar das bis zur Epoche der Kehre in die
Metaphysik sich ereignet hat. Historische Kenntnisse der Ge- Vergessenheit entfallene Ungedachte. (Dies erscheint, am Vorauf-
schichte der Metaphysik genügen nicht. Das Denken muß im Ge- gegangenen gemessen, als ein Neues.) Das Ungedachte ist gleich-
spräch mit den Denkern der Metaphysik aus dem Ungesprochenen wohl ereignishaft das An-fangende, insofern die Vergessenheit
ihres Gedachten sprechen können, um auch nur im geringsten sich in die Unverborgenheit losläßt, als welche das Anwesen des
dem Ereignis des Unter-Schiedes im Ver-Hältnis zu entsprechen. Anwesenden sich zugunsten des Anwesenden und seines Vorrangs
Nur wer den ungeschmälerten Reichtum des Geweses der ereignet. Das An-fangende fängt und behält in der Weise der Los-
Metaphysik frey im Denken verwaltet, vermag es, die Epoche der lassung die Unverborgenheit in die Vergessenheit und hält jene an
Kehre zu bereiten. Ohne dieses lang bedachte und frey geübte Ver- diese, aber in der Weise des verborgenen Entfalles.
fügen über die einfache Fülle des Gedachten Ungesprochenen der Das Anfangen des Anfangs ist so, von einem Neuen und von
Metaphysik bleibt alles nur Gefasel und ein Schwindel. Neuerungen her gerechnet, das Alte, das Älteste des Alten. Das
schonende Denken, das die Kehre bereitet, bringt nichts Neues. Es
40 Die Kehre der Vergessenheit des Unter-Schiedes beginnt, indem befreit von dem lästig vordergründigen Gegensatz: hie neu, hie alt.
das Sichloslassen der Vergessenheit des Unterschiedes in die Un-
verborgenheit des Anwesenden an sich hält. In diesem Sich-los-las- Aber das schonende Denken bleibt von einer eigenen Irre bedroht. 42
sen ver-hält das Ereignis Unter-Schieden [sie]. Dieses Ver-Halten Es scheint, daß es hinter dem vorstellenden Denken zurückfällt,
lichtet bergend das hierbei noch unbedachte und unbedenkbare weil es keine Erklärungen beischafft und keine Rettung verschafft.
Ver-Hältnis. So meint es dann selber leicht, angesichts dieses Versagens vor
Die Jähe dieses Ver-Haltens ereignet sich aus der Stille des den langher gewohnten Ansprüchen des Öffentlichen Vorstellens,
Unter-Schiedes und bleibt darum innerhalb des Anwesenden im es müsse auch nach der Art des vorstellenden Aussagens sein Ge-
358 Anmerkungen IX Anmerkungen IX 359

dachtes mitteilen und in öffentliche Geltung setzen. Es versieht Dieses geht seinen Weg außerhalb des Aesthetizismus, der sich
sich leicht darin, daß zwar der Unter-Schied durch die Sage in zurückzieht, weil er sich für zu kostbar hält, zu wirken und in der
die Sprache kommen muß, aber gesprochen in das Ungesprochene. unmittelbaren Wirkung sich abzunutzen.
Im Entsprechen überwirft sich der Sterbliche nie mit dem Das schonende Denken hält sich auch außerhalb des heroischen
Unter-Schied, noch verwirft er ihn gar. Realismus, 8 dem die unmittelbare Tat im Augenblick als die Be-
Im Entsprechen ist die Sage eingelassen in die Gelassenheit der währung seiner Wahrheit gilt.
Ruhe, die aus dem Ver-Hältnis in die Enteignis stillt und so die
Gelangnis im Ratsal verwahrt. In dieser Wahrnis währt allein Aber das schonende Denken gerät fortwährend, wo immer es das
das Ereignis. Es bleibt unermeßlich für alles rechnende Vorstellen Öffentliche streifen muß, in den doppelten Anschein des über-
von Zeitlichem und Ewigem. heblichen Sichabsonderns und des gewaltsamen Sichaufdrängens.
Denn nach beiden Hinsichten und zwischen beiden hin und her
43 Im Entsprechen kommt das Edle der Sterblichen zum Gedeihen. rechnet das öffentliche Meinen.

Im Entsprechen bringt das Schonen in die Freye des Unter-Schie- Wir Spätgeborene gelangen selten in das Geflecht der Nähe, darin 45
des die Stille des Ratsals in die Nähe. Solches Nahebringen ist das Göttliches und Sterbliches einander ent-fernen.
reine Fragen, das dem Bedenken das Frag-Würdige wahrt. Das
Entsprechen ist das reine Fragen; rein, insofern es das Fragwür- Im Maß des Ver-Hältnisses bleiben, dem Maß gemäß; also sind
dige als dieses schont. die Sterblichen die Verhältnismäßigen. Vgl. Anmerkungen VII, 44.

Der Weg des schonenden Denkens erscheint als ein verzweifel- »Sein« - Der Abschied vom Sein (des Seienden) ist die Einkehr des
tes Unterfangen, wenn es im öffentlichen Gesichtskreis der herr- Ereignisses des Unter-Schiedes.
schenden Metaphysik, des Betriebes von Weltanschauungen, der Der Abschied vom Sein (des Seienden) bedenkt, zunächst noch
Religionskämpfe beurteilt wird. Von hier aus ist jener Weg über- unter dem gleichen Namen »Seyn«, doch schon stets und nur: die
haupt nicht zu sehen, geschweige denn zu begehen. Differenz.
Gleichwohl wird das Gesprochene dieses Denkweges unent- Das Denken an das Sein (des Seienden) denkt aber auch zum
wegt in den öffentlichen Gesichtskreis des Vorstellens gezerrt. voraus Sein aus der »Zeit« - nämlich als Anwesen, Anwesenheit.
Dies verhindert, daß auch echte Bemühungen des Denkens sich (Vgl. Sein und Zeit, 1927, S. 25).
bereit finden, im reinen Fragen sich zu begnügen. In dem wo immer in den Schriften und Vorlesungen genannten
»Sein« ist Anwesen gedacht.
44 Ein Andenken ist, das uns, eines das andere, in sein Wesen ver- Anwesen aber west im Anfang des Seinsgeschickes in der Un-
schenkt. Dort finden wir die göttlich gewahrte Güte, aus der wir verborgenheit und als diese. Das Geschick der A11,iJ0etabirgt in
einander danken, um also dankend zu erfahren, wie wir uns aus sich das Geschick des I Anwesens. Geschick ereignet sich in der 46
einer gewährten Huld des Heilen einander verdanken.
Das Andenken ereignet sich aus dem Anfänglichen des scho- • [Vgl. Martin Heidegger: Zu Ernst Jünger. GA 90. Hrsg. von Pet er Trawny.
nenden Denkens. Frankfurt am Main 2004, S. 87-90. ]
360 Anmerkungen IX Anmerkungen IX 361

Gelangnis. Anwesen west in Ankunft, die aber schon anfänglich vorhinein anfänglich Sein niemals als Sein des Seienden gedacht
in der Vergessenheit bleibt. Ankunft ereignet sich im Kommen worden, weil die Differenz sich entzog.
aus Kunft. Die Kunft ist, verbirgt sich im Her-vor-bringen, das als Gewiß hat man immer Sein als Sein für Seiendes genommen,
IloiTJoti;(IIpfi~ti;) selber noch verhüllt bleibt. Kunft ist nicht Kom- wenn es kategorial oder theologisch vorgestellt wurde; aber damit
men von Anwesendem, Kunft ist Ereignung aus unter-schiedli- begnügt man sich; aber dabei übersah man gerade die Differenz
chem Belangen, welches Belangen sich im Gelangenlassen ereig- ais solche. So greift die Verwirrung trotz aller neutraleren[?] Onto-
net aus der Enteignis des Ver-Hältnisses in das Ratsal. logie und Metaphysik überall mehr und mehr um sich.
Ankunft, wesend im Anwesen, west als Zögerung (Ge-Halt, Ge-
Hüt) des Anwesens des Anwesenden - 1tap1eEiµevov(Pindar) nap6v.9 Dadurch, daß das vorstellende Denken in der Differenz sich be- 48
Anwesendes ist so in seine Wahrnis gewahrt. wegt, von ihr Gebrauch macht und Seiendes von Sein unterschei-
Weil jedoch das Anwesende selber im Angang, der die An- und det, ist noch nicht die geringste Gewähr oder gar ein Beleg dafür
zuwesenden Menschen trifft, mit diesem Betreffen hervorragt, geboten, daß das Denken die Differenz als Differenz aus ihr selber
wird alles Anwesen von vorragenden Anwesendem her vernom- her in ihrem Wesen denkt, im Ereignis des Unterschied s.
men und dieses Anwesende sogar selber als das Gegenständige Man kann wohl jederzeit, zumal nachdem das Stichwort »Dif-
vor-gestellt. ferenz« gefallen ist, überall beweisen, daß ja doch die Metaphysik
diesen Unterschied immer »mache«; sie macht ihn so entschieden
47 »Sein« ist Sein des Seienden. Sein west als Anwesen in der verges- mit, daß sie von ihm lebt. Aber sie denkt ihn weder, noch vermag
senen Differenz. sie ihn überhaupt je in der Weise ihres Denkens zu denken .
Woher jedoch die Verwirrung im Wort und in der Sache des
»Seins«? [vgl. jetzt den Brief von Professor Dr. Reiner, November
• - Die Entbergung im Sinne der eröffnenden Lichtung, in
J1.-A170eza
1950 [?]] die herein Anwesendes frey anwesen kann. Die Lichtung betrifft
»Das Sein« meint: das Seiende im Ganzen. jedoch nie nur die Helle als das Medium des Durchscheinens der
»Das Sein« meint: die Seiendheit des Seienden. Gesichte und des Aussehens, sondern: Das Lichtende durchleuch-
»Das Sein« meint: das Seiendste des Seienden. Gott . tet, befreyt ins Regsame des in sich gesammelten Anwesens, das
»Das Sein« meint: das Menschsein - (vgl. Shakespeare: »Sein« gleichviel mitbringt wie es vorenthält.
oder Nichtsein, das ist die Frage). 10
»Das Sein« meint: das jetzt und hier gerade »Wirkliche« und Der »Humanismusbrief« spricht von der »Nähe des Seins«. 11 Hier 49
dafür Gehaltene. denkt »Sein« immer das »Seyn«, den Austrag (fümpopa),den Unter-
Diese Verwirrung, in der bald einzelne Bedeutungen vorwalten, Schied.
bald alle durcheinander gemischt sind, stammt da her, daß im Das »Seyn« ist darum kein Gegenstand, der sich in einer Nähe
befindet. »Nähe des Seyns« ist, wenn hier noch von »Subjekt« die
Rede sein könnte, ein Genitivus subjectivus. Das Seyn ist die Nähe,
9
[Pindari carmina cum fragmentis. op. cit. Olympia XIII, v. 73.]
10 [William Shakespeare: Hamlet. In: Shakespeare in deutscher Sprache. Bd. 5.
Hrsg. und zum Teil neu übersetzt von Friedrich Gundolf. Georg Bondi Verlag: Ber- 11 [Heidegger: Brief über den H umanismus. In: Ders.: Wegmarken. GA 9.
lin 1921, S. 48 (Dritter Aufzug, ers te Szene).] A.a .O., S. 343.]
362 Anmerkungen IX Anmerkungen IX 363

ereignet sich als Nähern, das unterschiedlich Welt den Dingen Wir sind heute durch die welthistorischen Kenntnisse aller Zeit-
gönnt, die dingend Welt gebärden. Das Dingen der Dinge ist ein alter nach jeder Hinsicht und durch die technisch fast ins Spiele-
Nähern, insofern dies Nähern, Nahebringen, Einbringen in die rische erleichterte Handhabung dieser Kenntnisse in der kaum
Mitte der Zwei, sich im Welten ereignet, das sich in das Dingen ermeßlichen Gefahr, ein riesenhaftes Gefasel über jedes und alles
enteignet. mit aller rednerischen und literarischen Geschicklichkeit in Gang
Die Wendung »Nähe des Seins« ist in der genannten Schrift zu setzen und Alle Maßstäbe echter Besinnung nicht nur zu ver-
unausweichlich und bewefJt mißverständlich gesagt . Sie ist nicht lieren, sondern überhaupt zu vergessen, noch auf ein Maß für das
anders zu sagen, solange das Sein als Seyn, das Seyn als ~' die Denken und sein Zu-Denkendes zu denken und im Ver-Hältnis
Verwindung der Differenz in den Unter-Schied, solange das Ereig- dieses Maßes zu bleiben.
nis des Unter-Schieds als die Enteignis im Ver-Hältnis des Ratsals Man redet heute mit der gleichen Redseligkeit über Platon wie
erschwiegen werden muß (vgl. Beiträge 1936, die Sigetik). 12 morgen über die Philosophie des Neuen Testamentes, man ver-
redet alles in einen Brei und gibt diese Hemmungslosigkeit des
50 Freyheit - Zu bedenken, daß 1929 in der Abhandlung »Vom We- Meinens als Universalität des Denkens aus.
sen des Grundes« dieses aus der Freiheit gedacht wird: die Freiheit
als die Freiheit zum Grunde; daß 1930 das Wesen der Wahrheit Heute ist es so weit gekommen, daß Verwirrung und Verwüstung 52
(Vortrag) aus der Freiheit gedacht ist. Freiheit das Wesende für sich wechselweise in das Äußerste treiben und einen Zustand der
Wahrheit (Unverborgenheit) und Gründen; Freiheit als das We- Menschheit des Planeten einrichten, der sich rein aus der Herr-
sende des Seins des Seienden; Freiheit: das ungesprochene Wesen schaft des Gestells ergibt und sogar noch den Anschein der Len-
der Differenz. So ist der Schritt zurück in die Erfahrung des ereig- kung und Ordnung aufrichtet. (Vgl. 55).
nenden Unter-Schiedes als des Ereignisses der Freye vorbereitet.
Vgl. dazu die Vorlesung SS 1930, Die menschliche Freiheit. 15 Warum vergißt der Mensch, jenes Wesen, das nach alter Denk-
So wird die Freyheit zum ersten Mal anfänglich aus dem Ereig- weise das »Wort hat«, am meisten und längsten des Wortes der
nen des lichtend -bergenden Unter-Schiedes gedacht; anfänglicher Worte (des Seyns)? Vergißt er, weil er dergestalt das Wort hat? Ist
denn die A-Ai]0ina aber ihr ereignishaftes Wesen. sein Vergessen nur der verklungene Widerhall des Vergessens, das
Freyheit ist so aus der Beziehung zur Notwendigkeit, aber auch als die Vergessenheit des Unter-Schiedes im Ereignis selber sich
aus der zur Spontaneität der Verursachung und Entscheidung her- ereignet?
ausgelöst. Das Wort nennt Solches, was innerhalb der Metaphysik, Die Wiederholung im Denken ist das Wieder-Holen, das Her-
auch derjenigen Schellings, völlig undenkbar, ungedenkbar bleibt. bringen des Vergessenen und das sagt: das erst einmal Bei-Bringen
der Vergessenheit als solcher, daß sie das Gewese ist in allem »We-
51 Eines Tages müssen, da der Planet, den wir bewohnen, immer sen«. Wie grob hat man den Wink in die Wiederholung (Sein und
kleiner wird, seine Welt und seine Erdendinge um so größer und Zeit, Vorwort) 14 mißdeutet und alles Wesentliche dadurch über-
d. h. sie müssen in ihrem Ereignis einig und einfach werden. gangen?
12
[Heidegger: Beiträge zur Philosophie (Vom Ereignis). GA 65. A.a .O., S. 78f.]
15
[Martin Heidegger: Vom Wesen der menschlichen Freiheit. Einleitung in die
Philosophie . GA 31. Hrsg . von Hartmut Tietjen . Frankfurt am Main 1982.] ,. [Heidegger: Sein und Zeit. GA 2. A.a.O., S. 1.]
364 Anmerkungen IX Anmerkungen IX 365

53 Bedenke unablässig das Denken - Ein merkwürdiger Irrtum - Man meint jetzt allenthalben unter 55
den Geistigen und gar unter den Richtern der Wissenschaft, in
Das Denken ist das Sichsammeln auf die und in der Versammlung so bedrohten und wankenden Zeiten wie den heutigen müsse der
als dem Ereignis des Unter-Schiedes . Geist das Ungefährliche aufsuchen und sich in eine längst harm-
Das Denken ist dieses Sichsammeln als das schonende Entspre- los gewordene Tradition herkömmlich befriedigen - der Vorstel-
chen, das sich in das Gespräch der Sprache ergibt. lungsweisen retten. Man meint sogar, dieses Ungefährliche , das in
Wahrheit nur vordergründig dem Anschein nach beständig und
Bedenken das Denken, aber ohne zu reflektieren. Die Reflexion beruhigend ist, sei der wahre Geist, der die einzige Pflege heische.
besteht nur im vorstellenden Denken, das vor-sich-stellen[d] auch Man verwirft die Unruhe des Fragens und die Gefahr des Be-
schon sich mit vor-stellt, wenngleich nicht notwendig als Gegen- denkens. Man ahnt nichts davon, daß in einer Zeit der äußersten
stand. Verwirrung und Verwüstung nur das fragende Bedenken, das sich
Das Bedenken des Denkens verstrickt sich nie in die Reflexion dem Äußersten öffnet und steile unwegsame Pfade geht, der Not
über sich. Es verläßt sich vielmehr selbst, insofern es sich im Ent- wahrhaft begegnen kann.
sprechen an das Schonen enteignet. Jene sich steigernde Flucht ins harmlos Befriedigende, in das
Bedenke das Denken - Langsam wird es so zu einer Sitte, zur angeblich Objektive, hat auch schon die Jüngeren und Jüngsten
ersten Sitte, zu dem, was Sitten sät, die erst das Wahrende währen ergriffen. Sie sind in ihrem Denken , falls man es noch so nennen
lassen und Freyes gewähren. darf, bereits Greise, ohne jedoch den Weg durch die Lebensalter
gegangen zu sein. (Vgl. ob. 52).
54 Die Verhältnis-Mäßigen, die das Zuvorkommen in der Zurückhal-
tung vermögen, werden stark genug, das Vorgehen im Wegbleiben »Entwu,:f<<- das Wort, in »Sein und Zeit« gebraucht, meint nie- 56
zu vollbringen. (Vgl. 45) . mals »Plan « im Sinne des erst Auszuführenden , meint nicht Pro-
jekt, einen Vorwurf, der erst, als Ziel genommen, verwirklicht
Das Entsprechen bereitet als das schonende Denken das Wohnen werden soll.
im Unter -Schied. Es baut am Auf-Ent -Halt im Ereignis der Ent - Ent-we,fen (ßaUetv - heißt zuerst Bringen - Beibringen - An-
eignis. Es geht in ihm und ergeht in seinem Be-wegen die Wege wesen lassen) - sagt : in solchem »Werfen « entlassen das Sein in
des ~0oc:;. das Wesen seiner Wahrnis (»Sinn «).
Dieses Denken ist, wenn schon, in sich die dem Ereignis eigene, Man mißdeutet im gewöhnlichen Vorstellen des Gesagten so-
die eigentliche Bedachtsamkeit im ~0oc:;und für es. Dieses Denken wohl das »Werfen « (kennt nicht das ßaÄ.A.etv - vgl. cruµßo1.ov)als
ist die Ethik für das ~0oc:;im ~- auch das »Ent «-, das die Lichtung des Da - die Offenheit des Seins
meint. Ent-we,fen: Sein als solches in die Offenheit erbringen.
Die Sterblichen sind im Entsprechen (als reine Sage des Unter -
Schiedes) der Wiederklang der Stille des Ereignisses. In den Vergessenheit des Seyns waltet. Zugleich aber durchspricht das
Unter-Schied verklingend erbaut der Wiederklang die Huld des aus- und nicht ausgesprochene »ist « alles Tun und Lassen des
Ratsals (dinglich-welthaft), achtend den Grimm des Schmerzes, Menschen, allen Angang von seiten des nicht-menschlichen An-
zur Wahrnis im Ding der Welt . wesenden. Dieses Durchsprechen verhilft der Vergessenheit in ihr
366 Anmerkungen IX Anmerkungen IX 367

vollendetes Wesen; denn so scheint es, als waltete durchaus keine den einfachen Sinn des Schrittes zurück auch nur vorstellungsmä-
Vergessenheit. ßig zu verstehen, geschweige denn zu vollziehen.

57 Die Aufgabe des Denkens ist: - das Aufgeben; nämlich das Fahren- Das Schonen ereignet sich im Entsprechen. Das Schonen freyt die 59
lassen der Metaphysik zugunsten der Wahrnis des Unter-Schiedes. Freye des Unter-Schiedes. Es ist unterwegs in der Mitte des Unter-
Das Aufgeben vollzieht sich im Schritt zurück ... schieds. Unterwegs-ist es ein Kommen: das Zuvor-Kommen der
Aber das Aufgeben lernen wir nur, indem wir uns üben, das un- Zurück-Haltung; es gelangt in das Ver-Hältnis und hütet dieses
lesbar gebliebene Wesen der Metaphysik zu lesen; unser Wesen zu in das Ereignis zurück. So ist das Schonen, vereignet in die Ent-
versammeln in die Wahrheit des Wesens der Metaphysik. eignis, das Wohnen in der Mitte der Ortschaft der Sterblichen.
Noch aussichtsloser als der Versuch, die Philologie z.B. philo- Diese Mitte ist das Ratsal der Wahrnis des ereignishaften Wesens
logisch und so jede Wissenschaft wissenschaftlich zu bestimmen, dessen, wobei als dem Sein des Seienden alle Metaphysik schon
ist das Vorhaben und die Meinung, die Metaphysik zu bedenken stehen bleiben muß.
innerhalb des metaphysischen Vorstellens. Der Schritt zurück - geht aus dem Vorstellen jeder Art in das
Ist vom »Schritt zurück« die Rede, dann macht sich immer wie- Entsprechen, das die Stille des Unter-Schieds zur Sprache bringt.
der und sogleich der Anschein breit, es gälte historisch im Vorstel- Das Handeln im Schritt zurück übertrifft alle Tätigkeit des Wir-
len der Geschichte als einem Geschehen zur frühesten Vergan- kens, das als Bestellen des Bestandes ins Äußerste geht. Denn der
genheit zurückzugehen und dort, in der antiken Philosophie, die Schritt zurück geht im Unter-Schied. Er hängt weder im Seienden
Maßstäbe des Denkens aufzusuchen. Aber der Schritt zurück ist noch am Sein.
der Schritt zurück aus dem sich vergessenden Vorstellen und Be-
stellen des Seins im Sinne der ausschließlichen Vorstellung des 1 Wohl Gedachtes birgt in sich die Gewähr, daß ein Denkender einst
58 Seienden im Sinne des gegenständlichen Wirklichen. Der Schritt daran eigens in ein anfängliches Denken entzündet wird, das je-
verläßt die waltende Vergessenheit des Austrags und läßt sich ein nes Vorgedachte nicht fortsetzt.
auf ein Entsprechen, das der Sprache des Unter-Schiedes hörig die
Wahrnis des Unter-Schiedes bedenkt. Das Erläutern des von den Denkern Gedachten in seinem Zu-Den- 60
Die Vorbereitung des möglichen Vollzugs dieses Schrittes tut kenden hat seine Wurzel in der wesenhaften Not, daß ein Denken
freilich gut daran, den Unter-schied im Sinne des Austrags von im Schritt zurück innerhalb der Verwindung der Metaphysik auf
Sein und Seiendem zu bedenken und dafür sich auf die einfache eine ausgezeichnete Weise des Gesprächs mit den Denkern und in
Gestalt dieses Austrages zu besinnen, in der dann freilich zugleich diesem Gespräch der Sprache des Zuspruchs jener bedarf.
die Vergessenheit des Austrags als Ereignis sichtbar wird. Aber Das Erläutern ist ein Hin-Hören, das vermöge seiner Langmut,
ein noch so eifriges und breit angelegtes Erforschen der antiken wenn diese ihren Weg gefunden, das Schweigen der Denker zum
Philosophie führt nie dahin, daß unser Denken in die Vergessen- Sprechen bringt und so ihr Ungesprochenes als ein solches in das
heit des Austrags gelangt, auch dann nicht, wenn diese historische Gespräch. So öffnet sich erst der Schatz der Vergessenheit und
Erforschung der antiken Philosophie sich der Begriffe und Wör- schenkt den Reichtum des Selben. Dem zugunsten muß gerade
ter bedient, die in der »Existenzphilosophie« Verwendung finden. in der Epoche der Verwindung des Seyns ein Gespräch sein; denn
Diese ist als ein Ausläufer der Metaphysik überhaupt außerstande, die Verwindung verführt zu le icht in den Anschein, als gälte es
368 Anmerkungen IX Anmerkungen IX 369

jetzt, alles Gedachte zu verwerfen, während es doch erst beizu- durch diese Verstrickung nur die Verendung in einen lang andau-
bringen ist. ernden Zustand verhärtet.
Das oft geübte Erläutern entspringt keineswegs der bloßen Vor-
liebe zu einer historischen Beschäftigung mit der Geschichte der Weshalb ist es heute so schwer geworden, zum Aufenthalt im Den-
61 Philosophie; auch I nicht der Bemühung, das Gewesende Denken ken hinzuführen? (65)
als Lehrstück für das Denken-lernen zu nutzen; auch nicht der Ab-
sicht, eigene Denkversuche durch eine Berufung auf das vormals Kants »Kritik der reinen Vernunft« ist in gewissem Sinne »Er- 63
Gedachte zu unterbauen; auch nicht der Unerheblichkeit, das bis- kenntnistheorie«. Theoria: Betrachtung der menschlichen Er-
her Gedachte als überall gescheiterte Versuche wie Undenkbares kenntnis in ihrem Wesen. Sie ist es nämlich genau in dem Sinne,
zu denken (d. h. für Unvorstellbares vorzustellen) (und] den Heu- als die »Kritik der reinen Vernunft« Ontologie ist; weil sie dieses
tigen zum Bewußtsein zu bringen. ist und nur deshalb, ist sie Erkenntnistheorie; weil für Kant näm-
lich das öv - Gegenstandscharakter hat und die Gegenständigkeit
Der Eine schreibt einen Band von über 1000 Seiten (Lexikonfor- eine solche im Stellen des Vor-stellens ist - das Vorstellen aber in
mat) über »die Wahrheit «.15 der Einheit von sinnlicher Anschauung und Denken, nach Kant:
Der Andere kündigt einen ersten Band von über 750 Seiten an, Erkenntnis als Erfahrung ist.
der eine »Theologische Ethik« sein soll. 16 öv; Anwesen ist Praesentes in der Repraesentatio.
Was denken sich diese »Autoren«? Sie denken gar nichts. Sie Nicht zufällig rundet Kant in der »Kritik der reinen Vernunft«
schreiben bloß - drauf los. Sie sind »Autoren«. die Betrachtungen der transzendentalen Aesthetik und Analytik
ab durch die Betrachtung: »Von dem Grunde der Unterscheidung
62 Die Konstellation zur »Technik« ist in Europa, in Amerika, in Ruß- aller Gegenstände überhaupt in Phänomene und Noumena«.17
land, in China jeweils eine andere. Wir stehen überall noch im
vagen Beginn einer Auseinandersetzung mit »der Technik«. In je- Die Seinsfrage, Frage nach dem »Sein« ist die Frage nach dem
dem Falle ist es unzureichend, nur zu versichern, die Außereuropä- öv - d. h. die Frage nach dem dvm der öv.a, d. h. nach den övta in
ischen Bezirke des Planeten seien mit den Jahren durch das euro- ihrem dvm. Die övta in ihrem elvaz sind so schon entschieden zur
päisch neuzeitliche Vorstellen überflutet worden. So unzureichend A-A-118sta und darin verborgen zur Vergessenheit des Unterschieds.
wie diese Meinung bleiben die Versuche, aus der Neuzeitlich-euro- Die Frage nach dem »Sein«, die eigens das Sein des Seienden
päischen technischen Welt herauszuspringen und Ostasiatisches befragt, muß nach dem Unterschied selbst fragen. (~)
und indisches Gedankentum und Haltungen zu übernehmen.
o 64
Die Weltlage und der Weltbetrieb bestätigen deutlich, wie arg die Was heißt in meinem Denken »Überwindung der Metaphysik«?
Menschheit in einer verendeten Metaphysik verstrickt bleibt und Soll die Metaphysik als Ketzerei verbannt, soll sie beseitigt wer-
den, liquidiert? Keineswegs. Vielmehr soll das Stehenbleiben in
15
[Jaspers: Von der Wahrheit . A.a.O.]
16
[Helmut Thielicke: Theologische Ethik. J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) Verlag: 17 [Immanuel Kant: Kritik der reinen Vernunft. Hrsg. von Raymund Schmidt.
Tübingen 1951.] Felix Meiner Verlag: Hamburg 1956, B 294-B 315.]
Anmerkungen IX 371
370 Anmerkungen IX

der nach ihrem Wesen unbedachten Metaphysik aufgegeben wer- geht, also hinreichend, jedes Sagbare und Gesagte an, ohne es
den. Im Wesen der Metaphysik, - daß das Sein sich zeigt als das damit »logisch« zu verunstalten; denn das Denken verdankt sich
Seiende als Seiendes, als Grund und Ursache des Seienden, daß nicht der Logik, aber auch nicht der Poesie. Da muß wohl man-
Sein bleibt das Sein des Seienden ungeachtet der hier wesenden cher mehr als nur Jahrzehnte hindurch in der scharfen Luft von
Differenz - im Wesen der Metaphysik verbirgt sich die Vergessen- Platon und Aristoteles, Kant und Hegel gewandert sein, um vom
heit der Differenz. Würde die Metaphysik, man weiß freilich nicht verschwiegenen, durch Logik und Poetik grob verdeckten Bereich
wie, je beseitigt, dann wäre zuerst das beseitigt, was erst gerade des Handwerks einiges zu ahnen, das als Denken dem Wesen des
und endlich gerettet werden muß, die Differenz als das Ereignis Seyns an die Hand geht (S. 70).
des Unter-Schiedes. Die Heutigen nähren sich entweder vom Dilettantismus ihres
poetisch-mythischen Fühlens oder am Dogmatismus einer be-
Woran liegt es, daß sie den "Eproc;sogleich erotisch deuten und das reitgestellten Weltanschauung. Niemand getraut sich mehr in die
Erotische sogar noch sexual, statt das Wesen des Eros aus dem harte Schule des Denkens. Man meint immer wieder, dies sei ent-
Wesen des ~ als dem Ereignis des Unterschieds zu erfahren. weder ein bloßes Rechnen mit Begriffen oder ein sachloses Spie-
Bei jenem Deuten herrscht die gleiche Fallsucht wie dort, wo die len mit Vorstellungen, die man bald für Begriffe ausgibt, bald für
A-A~0wx von der Richtigkeit des Urteils her vorgestellt, statt aus unverbindliche Zeichen eines Meinens, das jederzeit bereit ist, von
dem ~ gedacht wird. einer Spielerei in die andere hinüberzuwechseln.

65 Im Geheimnis des Seyns verbirgt sich dies, daß es sich selber im Die Sage des Andenkens sagt nicht etwas Zukünftiges voraus; sie 67
Namen und im Wesen preisgibt, sich selber aufgibt und verläßt maßt sich keine Prophetie an. Sie sagt das Gewesen einer verbor-
zugunsten des Ereignisses des Unterschiedes. Dies ist das eigent- genen Ankunft nur nach. Je nachsagender das Denken wird, um
liche Wesen der Seynsverlassenheit. so vorsagender bleibt es, ohne je ein Vorhersagen sein zu wollen.
Kann ein Denkender sein Denken jemals aufrechnen und auf-
Es ist ein seltsamer Irrtum des Menschen, zu meinen, daß Men- rechnen wollen in solches, was wissenschaftlich erweisbar und je-
schen, wenn sie durch das Tor des Todes gehen, vor ihrer Zeit stür- dermanns Vorstellungsweise eingängig ist und in solches, was nur
ben. Eben jener Augenblick ist die Vollendung ihrer Zeit. Eher ungewohnter Glaube oder aber beschränkte Vormeinung bleibt?
könnte es sein, daß Menschen der Gefahr ausgesetzt werden, in Solches Aufteilen verkennt das ursprünglich einfache Wesen des
einer unzureichenden Weise sich selbst zu überleben. Denkens, dessen Wissen nicht erst wissenschaftlich, dessen Zu-
trauen nicht erst ein Für-wahr-halten ist.
Der Aufenthalt im Denken birgt dieses in das Ver-Hältnis. (62) Das Wissen des Denkens ist Erblicktsein im. Ereignis vom.
Unterschied. Das Zu-trauen des Denkens ist Gehören in das Er-
Das Ekstatische der Ek-sistenz ist die Nüchternheit selber , i·ene , eignis. Hier spricht überall nichts Subjektives - die Gewißheit
die sich im Ver-Hältnis diesem zu hält. des zugetrauten Wissens ist die Freyheit zur Sache des Unter-
schieds. Was dergestalt verbindlich ist, kann nie allgemeingültig
66 Der Bereich des Denkens ist kein Bezirk, abgezirkelt für sich und werden in dem. Sinne, daß es überall bei jedermann in Geltung
abgeschnitten vom übrigen. Der Be-reich reicht überallhin und stünde . Das hieße, die Sache des ~ dem jeweilig herrschen-
372 Anmerkungen IX Anmerkungen IX 373

den Meinen preisgeben; hieße, auf das Wesen des Denkens ver- zung mit dem Denken der Technik - erst von seiten der Men-
zichten. schen als der Sterblichen den Raum einräumte für das Ereignis
des Unterschiedes?
68 Die Verwirrung im Denken ist heute so weit gediehen, daß man
den Übergang in das bedachte Denken im Sinne des nachholen- Denken: die Nüchternheit der einfachen Sage, in der sich die Fuge
den Andenkens an die Vergessenheit des Unterschiedes, daß man der Innigkeit des Unter-Schiedes wahrt. - Die ständig ernüch-
das eigentliche Denken als die Flucht ins Irrationale ausgibt. ternde Rettung der Innigkeit.
Die neueste Entdeckung ist jetzt »die Philosophie der
Vernunft«. 18 Das ist noch um einige tausend Grade verworrener Wiederum erfahren wir jetzt härter denn sonst die Ohnmacht des 70
als die vormalige »Philosophie des Lebens«. Denkens und Dichtens in allem Wirkenwollen. Aber beide sollen
Beruft man sich schon zurecht auf die Alten, dann gehört es weder wirken noch wollen, wenn Wirken heißt, einen errechne-
sich dabei, zu beachten, daß Vernunft das Vernehmen ist im Sinne ten Erfolg durch Machen unmittelbar beistellen, wenn Wollen
des vo&iv,das vernimmt und versammelt (:>..eye1v) das &tvmder e6vta. besagt, im bloßen Sichdurchsetzen sich behaupten, um lediglich
Ich dächte, eben dieses Vernehmen, die Vernunft, sei die Philoso- den Willen zu haben. Allein, von diesem Wirkenwollen lassen wir
phie selber. Was soll da eine Philosophie der Vernunft? Soll dies erst dann wahrhaft ab, wenn solches Lassen nicht einer bloß zu-
heißen: Philosophie aus der Vernunft? also Brunnenwasser aus schauenden Lässigkeit entspringt, sondern zu jener Gelassenheit
dem Brunnen? Watet man dagegen im Seichten der Abwässer der gehört, die durch das Tor des Schmerzes in die Mitte der Innigkeit
Vernunft und merkt man dies langsam und dunkel, dann hat der des Seyns eingelassen ist.
Ruf nach Brunnenwasser wohl seinen Sinn; aber daß dieses Brun- Dieses so eingelassene Lassen gibt das Seyn in seine Wahrheit
nenwasser aus dem Brunnen und nicht anders woher kommen soll, frey und sich selber in diese.
69 diese Forderung verrät ein reichlich I verworrenes Meinen. Dieses Lassen ist das höchste, weil stillste Handeln, darin wir
Aber zu all dem - dieser Ruf nach der Philosophie, dem wir ein- dem Wesen des Seyns an die Hand gehen, daß es im Seyenden
mal unterstellen wollen, er verstehe selber, wonach er rufe, kommt eine Stätte finde (S. 66). Dieses Lassen ist so wenig mühelos, daß es
zu spät. Denn gerade die Philosophie betreibt als solche die Ver- alle Anstrengungen übertrifft und doch den Zwang nicht I kennt. 71
gessenheit der Wahrheit des Seyns. Dieses Lassen ist das Schwerste, auch deshalb, weil die Möglich-
Daran jedoch zu denken und die Vergessenheit samt ihrem keit der Selbsttäuschung es umgibt, sei es, daß wir das Nichtwir-
Vergessenen zu bedenken, das in allem bisherigen Denken un- ken und die Untätigkeit schon für das Lassen halten, sei es, daß
gedacht Gebliebene nun erst und eigens denken und nur dieses - man außerhalb des Entweder-Oder von Wirken und Nichtwirken
wie will man solches Denken als wider-vernünftig ausgeben? keine andere Möglichkeit zuläßt und so die Stille jenes eigent -
Wie, wenn dieses Denken, und es allein, allererstfür das Wesen lichen Lassens im vorhinein übersieht. Dieses trockene Denken
der Vernunft dessen in der Vergessenheit gehaltenen Wahrheit über Wirken und Lassen denkt jedoch nur an das »Fünklein«, das
nachdächte? Wie, wenn dieses Denken - in der Auseinanderset- wir je selber sind, wenn wir auf den Wellen des fließenden Lichtes
der Gottheit getragen werden und wissen dürfen, daß wir höch-
18
[Vermutlich denkt Heidegger an Karl Jaspers: Vernunft und Widervernunft
ste ns in seiner Lichtflut versinken, wenn wir sinken.
in unserer Zeit. Piper Verlag: München 1950.] Die Wege durch die Nähe und das Wohnen in ihr sind überall
374 Anmerkungen IX Anmerkungen IX 375

durch jenes eigentliche und uns nur selten glückende Lassen ge- pologie, als Individualismus zu verstehen. Das Verständnis will
zeichnet. sich und sein Meinen als das Maßgebende erhalten; es läßt nichts
zu, was dieses Meinen befremden oder gar in seiner Gewöhnung
Die rasende Verfinsterung der Welt läßt die einfachen Lichter gefährden könnte. Man schließt die Möglichkeit aus, daß ganz An-
der zugeneigten Herzen heller erstrahlen in ihrer Kostbarkeit. Es deres in anderer Weise des Fragens würdig werden könnte. (Seyn)
zeigt sich aber auch die Rätselhaftigkeit des jetzigen Menschenwe -
72 sens, daß der Mensch I mit seinen Apparaturen zwar eine Licht- Vollziehe einmal klar und ohne eiligen Selbstbetrug offenen Blik- 74
stärke herzustellen vermag, die millionenmal diejenige der Sonne kes die einfachen Schritte:
übertrifft, und daß er gleichwohl damit nur eine starre Finsternis vom hingegebenen Gebrauch des Buchs zum Aufmerken auf
der Zerstörung und des Leblosen auf die Erde wirft. das Buch;
Wo der Widerstreit so hart wird, da achtet das innere Ohr durch vom bemerkten Buch zum Buch als Buch;
jenen Widerspruch hindurch eher auf die eigentliche Sprache. vom Buch als Buch zum »Buch« als Ding -
Diese erweckt in uns die unantastbare Freiheit gegenüber allem, aber zugleich: beim bemerkten Buch in anderer Richtung aus-
was geschieht, gesetzt, daß die Freiheit darin beruht, alles, was ist, biegend:
zu vernehmen, darin, dajJ es ist, und es nach seinen Stufen und vom Buch zu ihm als einem Gegenstand des Vorstellen s;
Rängen anzuerkennen und zu verwerfen. vom Gegenstand zur Gegenständlichkeit;
von der Gegenständlichkeit in ihrem Bereich;
Das Öffentliche des Weltbetriebes droht uns auch die innersten von diesem Bereich (als wesenden des Anwesens) zum Verhält-
Schätze durch einen unheimlichen Abnutzungsvorgang anzu- nis seiner zum Menschenwesen.
tasten. Da bedarf es denn der Zuversicht, daß ein stilles und un- Achte unablässig dessen, daß wir stets solche Schritte mehr oder
gefährdetes Zueinandergehören zugleich jenes Heile in die Nähe weniger deutlich gehen, ohne ihre Wege zu bedenken, ohne den
ruft, das weder je Heilmittel noch gar Heilsmittel werden kann, Bezirk der Wege auszukunden, ohne des Aufenthaltes zu achten,
weil es unser Wesen entweder ganz zu sich vereignet oder verläßt . in dem unser Verhalten sich ergeht.
Und bedenke dann: was es denn mit all dem ist; wie dieses Alles
73 Vielleicht vollzieht sich im innersten Kern des Wirbels, der den zum Seyn gehört.
jetzigen Weltbetrieb in seiner verblendeten Raserei umtreibt, die Nur so mühen wir uns im Versuch, das Transzendentale, als
Einkehr der Stille einer Kehre des Seyns, der wir schon zugehören, Abart des Ontologischen, in seinen Wesensraum zu bringen.
insofern wir auf ihre im Gewese des Seyns verwahrte mögliche
Ankunft achten und achtend sie hüten und also hütend dem Auf- Wie wenig bedacht ist noch Wesen und Art der Notwendigkeit des 75
behaltenen rein entsprechen. hermeneutischen Zirkels?
Insgleichen das Wesen der Tautologie und ihre Notwendigkeit.
Das ärgste aller Mißverständnisse innerhalb des Denkens und sei- Man meint, in ihr werde nur zweimal das Gleiche gesagt. Al-
nes Gedachten ist: das Verständnis - d. h. der Anspruch, alles auf lein, was ist dies: leyinv 1:0mho 1ca9'm'no - sammeln das An ihm
die schon bereite und gesicherte und nie befragte Verständlichkeit selbst von ihm selbst her auf es selber zu? Wo und wie west solches
zurückzunehmen; z. B. »Sein und Zeit« als Idealismu s, als Anthro- Ver-Hältnis?
376 Anmerkungen IX Anmerkungen IX 377

A-A178eza- Auch heute bin ich noch der Meinung, daß ich mit Die Sage des Denkens sprich t weder zu den Heutigen, noch er -
meinem anfänglich gewaltsamen und unbeholfenen Versuch , das träumt sie sich eine Wirkung in künftiger Zeit. Die Sage sagt.
Wesen der Ä-AfJ0wx zur Erfahrung zu bringen und damit in Eines Sagend stiftet sie ein Gehör für das Ungesprochene im Gesproche -
das lichtende Sichzeigen und leuchtende Bilden als An-wesen zu nen. Die Sage darf das Hören nicht erwirken wollen. Sie achtet auf
denken, erst im vorläufigen Beginn stecken bleibe. Andererseits das Sagen ihrer Sache; sie achtet nur diese und die in der Sache
vermute ich von Jahr zu Jahr zuversichtlicher denjenigen Bereich sich ereignende Fügung. Ob die Sage vergeblich bleibt oder ob sie
im verborgenen Wesen der Ä-AfJ01::ia,in den der Mensch zurück - wirkt s ist immer gleich nichtig, da hierüber nur eine sterbliche
gebracht werden muß durch den Schmerz, wenn das Wesen der Rechnung Auskunft gibt .
Technik zur Verwindung gelangen soll.
76 Wenn noch eine Zeit für das Unsrige kommt, 1 wird jene kom- Universalhistorisches Vorstellen mit angehängtem existenziellen
men müssen, wo man sich nicht mehr mit den Gedanken der Appellieren bleibt wesenhaft außerhalb der Geschicklichkeit des
Antike beschäftigt, indem man ihre Vorstellungen feststellt , wo Seyns.
vielmehr ihr Gedachtes in seiner hohen Einfachheit den Men-
schen angeht. Solchem Angang versucht unser Denken Wege zu Zum Geheimnis der Sterblichen mag es wohl gehören, daß sie am 78
bahnen. ehesten gerade dann von den Mächten der Erde überflutet werden,
wenn sie dem Himmlischen und dem Göttlichen nahegekommen.
Das Denken ist ein Anlaß, der Kehre der Vergessenheit des Unter - Wir entsprechen dem Schmerz, indem wir ihn leidvoll austragen .
Schiedes, die Ortschaft auszufinden und zu erbauen. Das ist dann kein Versagen.

Wer oder was gibt das Maß für das Gehen und Bleiben des Den- Das Denken hinterläßt unter den Sterblichen keine Spur; wohl
kens in seiner Sage ? dagegen im~-
Die Ansprüche der Öffentlichkeit?
Die Institutionen? Wie oft werde ich nach meiner Beziehung zu Jaspers gefragt! Bei
Die Überlieferung? der landläufigen Koppelung beider Namen kann dies nicht ver -
Der bisherige Weg ? wundern. Doch diese Frage ist eine historische. Die historische
Der Wunsch der Freunde? Antwort darauf sagt nichts, und wäre sie auch noch so ausführlich.
oder einzig Jaspers ahnt wohl nicht im geringsten, in welcher Weise er eine
die Sache des Denkens? Der Unter-Schied? Trivialisi erung der abendländischen Philosophie vornimmt und
so alles Denken zerstört. Dagegen hilft keine noch so laut und oft
77 Steht ab im Denken von jedem Weltanschauungsgerede und dem gepredigte Apologie der »Vernunft«.
scheinreligiösen Getue und Wirkenwollen .
Haltet die Luft rein vor dem Scheindenken der bloßen Vernünf - Warum lernen die Heutigen das Eine so schwer sehen : daß große 79
tigkeit , die nichts zu denken hat als ihre Selbstbespiegelung. Bring Zeitalter dadurch ihre Größe erlangten, daß einzelne, wenige
in die Sprache das einfach Gedachte des Unter -Schiedes. Menschen es vermochten, ein Einfaches ans Licht der Sage, des
Werkes, der Ordnung, der Weihe zu bringen und in diesem ein -
378 Anmerkungen IX Anmerkungen IX 379

fachen Bringen auszuharren; daß solche Einzelne den Sinn und mißdeutete »Monade« des Leibniz soll der Mensch in die nackte
die Kraft nur auf ihr Einziges sparten und allen umfänglichen Vereinzelung gestoßen sein. Seit mehr denn zwei Jahrzehnten re-
Allgemeinheiten und ausladenden Unternehmungen von ihrer det einer dem anderen diese Sinnlosigkeiten nach, ganz zu schwei-
Wesensart her abhold bleiben durften? gen von der verantwortungslosen Oberflächlichkeit, in der diese
Darstellungen herumplätschern.
Bringen, was sich schon ereignet: das Ereignis des Unter-Schiedes. Hat je einer dieser Schreiber bedacht, daß von den ersten Seiten
an nichts anderes denn der Bezug zum Sein als das Zu-Denkende
Welcher Denkende muß nicht in ein Gelächter ausbrechen, wenn befragt wird - das Sein, ohne das jeder Bezug zur Gemeinschaft,
er zu hören bekommt, »die Theologie mache den letzten Grund al- zum Du, zur Natur, zu Gott, ins Leere fällt oder sich als Anstük-
les Seins zum Problem«? Welche Theologie ist gemeint? Der Satz kung zum isoliert vorausgesetzten »Ich« herausstellt. Hat man je 1
gilt weder für die rationale noch für die Glaubenstheologie. bedacht, daß mit der Frage nach dem Sein alle diese anscheinend 82
so konkreten und brennenden »Probleme« überholt sind und ihre
80 Das eigentliche Denken, das im Ereignis des Unter-Schiedes sich bisherige Behandlung als bodenlos, im strengen Sinne als nihili-
aufhält, kann nichts voraussetzen; denn es kann sich überhaupt stisch entlarvt sind? Man hat dies nie bedacht, weil man vom Den-
nicht in der Dimension der Voraus-setzung, der u1t68ecrn;,bewegen. ken nichts weiß und vor allem - nichts wissen will. Was man ein-
Weshalb nicht? zig will, ist: recht zu behalten mit den einmal irgendwoher aufge-
Weil es, aus dem Ereignis in den Unter-Schied vereignet, sich rafften und seitdem vor-gefaßten Meinungen über »Sein und Zeit«.
selber hintangesetzt bleibt. Das Denken ist abberufen in das Las- Weil man recht behalten will mit diesem Meinen, kehrt man al-
sen, als welches das Schonen die Freye des Unter-Schiedes erbaut. les um und erklärt jeden Hinweis auf das eigentlich und einzig in
Das Denken bleibt hinter ihm selber zurück und vermag so allein »Sein und Zeit« Gefragte damit, daß Heidegger inzwischen seine
das Entsprechen. Ansicht geändert habe. Natürlich. Man weiß alles besser, was in
Am Gegensatz von im60ecnc;und Hintansetzung wird die Kehre »Sein und Zeit« vor sich geht und gemäß diesem Meinen auch vor
sichtbar, in die das eigentliche Denken gehört. sich gehen muß; man hat das immer schon fest und sicher gewußt;
und wenn sich jetzt einmal etwas ändern soll, dann ist es beileibe
Auch das vernehmend-vorstellende Denken muß sich zum voraus nicht dieses Meinen, sondern nur die Ansichten Heidegge rs.
dem Vor-Schein des Scheinens aussetzen, worin Anwesen des An-
wesenden ankommt. Diese Bemerkung möchte gleichwohl nicht so gesagt sein, als 83
Sein »Setzen« (0ecnc;)schafft nicht, es stellt vor. - hätte sich mein Denken nicht entfaltet, als sei damals alles schon
in der Klarheit vor dem Denken gestanden, wie es jetzt, zur Zeit
81 »Sein und Zeit« - unausrottbar bleibt wohl das törichte Mißdeu- wenigstens, möglich wird.
ten, dem in »Sein und Zeit« nichts zu Gesicht kommt, es sei denn Man ahnt nichts von dem, was sich ereignet, wenn das Selbe in
die Beschreibung des Menschen in der bloßen, ontisch gemeinten, seiner Selbigkeit sich entfaltet; hier sind Abgründe und Sprünge
Vereinzelung, abgeschnitten von jedem Bezug. - nötig, die all das übertreffen, was man als Wandel und Änderung
Man vermißt die Beziehung zur Gemeinschaft, diejenige zum der Ansichten und des Standpunktes glaubt verzeichnen zu kön-
»Du«, man vermißt die Beziehung zu Gott; ärger als die gleichfalls nen.
380 Anmerkungen IX Anmerkungen IX 381

Doch es bleibt das größte Mißverständnis in einem Denken, Das »Außerhalb« ruht im Bereich des Unter-Schiedes - als wel-
wenn es versucht, diejenigen Mißverständnisse, denen es zum cher sich das Ver-Hältnis ereignet.
Opfer fällt, unmittelbar beseitigen oder auch nur klären zu wollen.
Im Bereich des Einfachen bleiben die entscheidenden Schritte
Die Auseinandersetzung mit einem Dichter können nur Dichter des Denkens notw-endig im Unscheinbaren - das Gew-ichtige, das
vollbringen, nicht aber Literaturhistoriker. alles aufwiegt, erscheint als etwas Gleichgültiges, was man unver-
sehens immer schon übersehen hat.
84 Man beschwört jetzt die Vernunft lauter denn je als Richtmaß
im Handeln und Wandel. Doch was vermag Vernunft, wenn sie Gegenüber der Sucht nach der Sicherheit des rechnenden Exakten 86
zugleich mit der Widervernunft in der selben Ebene der gleichen bedarf es der Pflege des einfachen Blickes für das Unter-Schied-
Versäumnis verharrt, die vergißt, der Wesensherkunft der Ver- liche im Unter-Schied. Nichts übertrifft die Strenge der Milde die-
nunft nach-zu-denken? Was soll die Logik (bncr'tiJµri AOytcrnKiJ) ses einfachen schonenden Blickes. Lang ist der Weg in die Lang-
jedweder Art, wenn wir nie beginnen, auf den A.6y01;zu achten mut dieses Schonens. Aber dieser Weg gewährt die wahre Dauer
und seinem anfänglichen Wesen zu folgen, statt dem so Genann- des eigentlich Bleibenden.
ten unsere Meinungen aufzuzwingen?
Fraglich bleibt nach mancherlei Hinsichten, ob die Philosophie-
Vergessenheit und Differenz - Niemals können wir die Differenz gelehrsamkeit die geeignete Vorbereitung bietet, dem Zu-Den-
denken, solange das Differente in der Vergessenheit bleibt. Dies kenden nach zu denken. Gleichwohl kann sie die unentbehrliche
aber ist solange der Fall, als das Differente in der Weise des Seien- Aufgabe behalten, der geschichtlichen Entfremdung gegenüber
den und des Seins erscheint; solange nicht erfahren wird, daß das der Philosophie zu steuern, freilich mit der Gefahr, daß die histo-
Sein des Seienden nur ein Geschick des Seyns ist (~ = Ereignis rische Darstellung das gewesende Denken nicht zum Sprechen
des Unterschieds im Ver-Hältnis). So läßt sich denn innerhalb der bringt. Darum ist die Beziehung des Denkens zu den Lehrern der
Metaphysik die Differenz niemals denken. Philosophie nicht geradehin auf eine Formel zu bringen.
Sogar der Hinweis auf sie von dem genannten Differenten her
ist sogleich irreführend. »Autoren« sind Menschen, die es darauf absehen, daß sie als m'n6c;
sich selbst, ihr Selbst ins öffentliche Licht setzen.
85 ©
Erst wenn uns glückt, dem Gewesen des Seyns nach-, in es zu- ~ 87
rückzudenken, denken wir zugleich unserem eigenen Wesen vor Die am weitesten tragende Prägung des Wesens der Sprache in-
in sein Ver-Hältnis. nerhalb des Geschickes des Seyns hat sich für die abendländische
Dieses Nachdenken nimmt sich für den gewöhnlichen Verstand Philosophie darin ereignet, daß sagen, sprechen, AEyetvist. Doch
wie Historie aus; diesem stückt dann aufgrund des Gesagten das gerade sie bleibt vergessen.
gleiche Meinen jenes Vor-Denken als angemaßte Prophetie an. Hamann läßt in seinem Satz: Vernunft ist Sprache, Myoc;,19 das
Aber dieses nach-denkliche Vor-Denken hält sich außerhalb alles
Vor-stellens, sei es des historischen, sei es des prophetischen. 19
[Vgl. Johann Georg Hamann: Schriften. Siebenter Theil. Hrsg. von Friedrich
382 Anmerkungen IX Anmerkungen IX 383

Wesentliche ungedacht, nämlich: My0<;ist AEYElV und AEYElV ist aus Was immer west, west selten an. 89
dem llAT)0EUElV zu denken - in der Entsprechung zum 1>1tOKEfo8m Seine Ankunft ist die Jähe des donnerlosen Blitzes.
des uxoKEiµEvov.Was Hamann gerade nicht bedenkt, ist das, wo-
mit er seinen Satz erfüllt, was er in ihm voraussetzt, nämlich, daß Die Sprache spricht. Sie spricht eigentlich. Das eigentlich Gespro-
Sprache im Wesen A6yoc;sei. chene ist das Ungesprochene. Dieses hält sich keineswegs außer-
In Wahrheit setzt Hamann Sprache und Myoc; als identisch - halb des Gesprochenen. Vielmehr ist kein Gesprochenes so wesen-
und klärt den Wesensverhalt nirgends aus dem Wesen des AEYElV. haft Gesprochenes wie das Ungesprochene. Denn dieses bleibt nur,
Wann denken wir einmal hinreichend einfach überhaupt nur was es ist, als das Ungesprochene.
dies Eine: die Wesensherkunft der Sprache aus dem Myoc;, der west Dem Sprechen dieses Gesprochenen muß das eigentliche
im AEyEiv?Da müßte sich zeigen, daß alle Wesensherkunft selbst menschliche Sprechen entsprechen.
im ereignishaften Wesen der Sprache, im eigentlichen Sprechen Das Sprechen der Sprache und das menschliche Sprechen sind
quillt. von einander so unzertrennlich wie das Wesen des Seyns und das
88 Die von altersher für die Sprachbetrachtung maßge-1 benden Wesen des Menschen.
Erscheinungsweisen der Sprache (cpmviJ - cn1µavnKiJ)lassen gerade
die älteste Wesensprägung des Sprechens als Sagen, des Sagens als Denkend das Einfache sagen, heißt: immer klarer im Vorwortli-
AEyEivunbeachtet. chen des Sagens sich ansiedeln; meint keineswegs: Lebensweishei-
ten von sich geben.
Unser Denken hat noch nicht in die Dimension gefunden, inner- Denken predigt nicht, Denken prophezeit nicht.
halb derer wir das volle Wesen des Scheinens erfahren müssen, Denken ist kein Voraussagen.
das eine einzige Fuge ist: Leuchten und Erscheinen, Lichtung und Denken ist das reine Nach-sagen im Zurück-Bleiben.
Glanz, Aufheiterung und Glut, Herdfeuer und Blitz. Bis heute ste-
hen die Grundworte des frühen Denkens <I>ucric; und Hup, )UiJ0Eia lo-ol 90
und Moi:pa, A6yoc;und KEpauv6c;ungefügt nebeneinander. Wie also, wenn die Kausalität im ursprünglichen Sinne npxiJ und
Doch wenn die Fuge durchdacht ist, wird erst nötig, zu beden- ahia aus der Gunst der Vergessenheit der Differenz notwendig
ken, wie in jedem der Grundworte schon die Vergessenheit der entstammten als die Brücken, die gerade die Differenz als solche
Differenz waltet; nicht nur dieses, sondern daß die Worte aus der verbauen und durch ihre Eingängigkeit und Geläufigkeit, voll-
Vergessenheit, aus ihrer Gunst nur sprechen und so beide Mög- ends über die »Mathematik« und »Physik« - (aus dem Wesen der
lichkeiten bereit halten: die ontische Erklärung des Seins und die Technik) sich in die unantastbare Herrschaft brächten?
ontologische Begründung des Seienden. (»Materialismus« und Das Mathematisch-Logische die »technische« (gestellhafte)
»Idealismus«: seynsgeschicklich). Vgl. S. 90 ob. Weise des Ontologischen.
Das Physikalische im weiteren Sinne die technische (gestell-
hafte) Weise des Ontischen.
Die ursprüngliche Einheit beider aus dem Gestell.
Roth. G. Reimer Verlag: Leipzig 1sg5, S. 151: »Wenn ich so beredt wäre wie De-
mosthenes, so würde ich doch nicht mehr als ein einziges Wort dreymal wiederho- Gestell und Kausalität.
len müssen: Vernunft ist Sprache, l6yo~.«]
384 Anmerkungen IX Anmerkungen IX 385

Warum ich das »Brückenwehr«-Gedicht von Benn als wesent- Das Ver-Hältnis: die versammelnd-ereignende Wahrnis des 92
lich nannte, werden wohl wenige erkennen. 20 Aber jenes Gedicht Unterschieds.
spricht die Fragwürdigkeit der Kunst, insofern sie rein aus der Im Ver-Hältnis wohnen: Verhalten, d. h. an sich halten; d. h. der
Form gedacht wird, im Äußersten aus. Benn nimmt diese Aussage Schritt zurück; d. h. der Weg ins Zurück des Schonens.
positiv, für mich bleibt sie negativ im Sinne der Fraglichkeit der Das verhältnismäßige Verhalten, das im Ver-hältnis wohnend
Inhalt-Form-Beziehung. dieses zum Maß hat.
/o-oj
91 A6yo,;, die lesende Lege und das Ge-Stell. (Wesen der Technik) Rein aus dem
Ver-Hältnis
Wer ermißt die Jähe der Geschicke, Lege und Gestell,
wer den Abgrund zwischen den Jähen? Das Ereignis des Unter-Schiedes sagen.
Wer das Gegenwendige beider?
und wer gar die anfängliche Herkunft im Selben? Die Sage als reines Ent-sprechen dem Wesen der Sprache.
Das gewohnte Sprechen entspricht nur dem Gesprochenen.
»Sein und Zeit« - was die Philosophie zu lange schon unter dem Denken ist die Sage des Entsprechens, das dem Wesen der Spra-
Namen »Sein«, esse, dvm überlaut ausgesprochen hat, gilt es in das che, dem Geläut der Stille des Unter-Schiedes entspricht.
Ungesprochene zurückzubergen; not ist genau das Gegenteil des- Was aber ist I geschieden davon I das Dichten?
sen, was man vom metaphysischen Denken her vermuten möchte
(bei der Seinsfrage in »Sein und Zeit«), nämlich eine Meta-Meta- Das Ereignis ist An-fang (An-Beginn) als die Enteignis. Sie ent- 93
physik. Nichts dergleichen, sondern die Wesensherkunft des Seins zieht den Unter-Schied in die Sparnis. Aber der Entzug ist als er-
als Sein des Seienden aus der Differenz. eignender wesenhaft ein Zu-Lassen, das die Vergessenheit wesen
läßt, in die der Unterschied einbehalten wird; was nur so gesche-
Was ist für das Denken das Zu-Denkende? Einzig dies, was sich hen kann, daß der Unter-Schied sich lichtet als die selbst noch
dem Denken zu-denkt: zu-spricht aus dem Wesen der Sprache als vergessene Differenz des e6v und der Mvtu. Der so vergessene Un-
das Ereignis des Unterschieds aus dem Ver-Hältnis. Das Ereignis te rschied läßt dagegen vor in die Lichtung Cl>ucni;,A6yoi;,Motpu, "Ev
ereignet den Schied des Zu -Denkenden und des Zu-Denkenden. für ta. 1t<ivtu.In der Vergessenheit der Ä).:1't9etuaber ereignet sich
das Zu- und Vor-lassen der iofo.
Mit dieser geht in eins der Aufstand der 6p86t11i;des Myoi; qua
Aussage, ötuvoeiu0m - otaA.eyeu0m- damit zugleich die Herrschaft
von a.p:x,i1
und uitiu.
20
[Vgl. Geliebte Verse. Die schönsten deutschen Gedichte aus der ersten Jahr- "Ev und das Un-Heil des Kotv6v aus dem Vor-lassen in die oo~u-;
hunderthälfte. Hrsg . von Max Niedermayer. Limes Verlag : Wiebaden [1951],S. 302. KOtVOV und iofo.
Der Herausgeber hat bekannte Dichter, Schriftsteller und Philosophen gebeten,
Gedichte für die Anthologie zu empfehlen. Neben »Am Brückenwehr« von Gott-
fried Benn nennt Heidegger noch »Weltgeheimnis« von Hugo von Hofmannsthal Nicht Entscheidung, sondern Entsprechung.
und »Die Spanische Trilogie« von Rainer Maria Rilke.]
Anmerkungen IX 387
386 Anmerkungen IX

94 Kaum ahnt heute ein Mensch, was dies heißt, in den Unter-Schied Di e Entscheidung:
überallhin helfen durch Lehren und Sagen 96
gelangen, ihn bauend zu wahren und so die Verwindung des Seyns oder
bereiten: dem Ver-Hältni s. im Einen helfen: durch das eine Versuchte des
Welt im Ding, Ding für Welt- erst einmal denkend, sagend das schweigend Gedachten der Sage -
Ereignis, in die Sprache hüten. oder
Beides.
Aber Welt und Ding lassen sich nie in eine Antithetik verrechnen. Wer vermöchte dies, ohne im Halben hängen zu bleiben?
Dies verhindert der Unter-Schied, aus dem sie das Verhältnis des
Ereignisses zueinander enteignet. Aber diese Entscheidung fällt in die Entsprechung. Wo aber ist
das Maß für diese?
Denken? Das anspruchlose Entsprechen dem Zuspruch von Welt
Die Sage des Unter-Schiedes in das Wesen der Sprache. Das Denken ist als die Sage des Unter-Schiedes das Erschweigen
Die Sage der Sprache des Ereignisses aus dem Ver-Hältnis -
in das Wesen des Wohnens schonen - ein Sagen, das, je sagender es in seiner Weise wird - in der
Weise des Schonens - desto schweigender die Stille des Ver-Hält -
95 Denkend erschüttere Seyn, nisses ruft.
daß Es im Rufen ereigne
zur Sage, Im Vermuten ermuntere durch dieses zum Denken.
stillend den Rufer
ins Schonen der Glut Verirr dich nie in das Drängen der Übrigen, das Gedachte zeit- 97
gewährter Versammlung. gemäß zu machen und Wirkungen zu erschleichen. Laß dem
Gedachten das Geheimnis seiner Stunde.

Der Weg zurück aus der Vergessenheit des Seyns in das Bedenken
Die Güte des Herzens und der Quell des Dichtens ruhen im selben des Unter-Schiedes verlangt vom Denken eine Zurückhaltung,
Ver-Hältnis. Sein Hirt ist das Denken. die bereit sein muß, auf dem eigenen Weg inne zu halten, wenn
er sich das Große zumutet, das zu groß ist für den Menschen.
Wo kann Dichtung dichterisch wohnen, wo ein Gedichtetes je ein
Wohnen bereiten, ohne dem Verzehr durch Geschlürfe und Ge- Reines Denken ist alles Angestrengten ledig.
schäft preisgegeben zu sein?
Aus dem Hohen stammt das Wesende und in den Tiefen wankt es.
Gütig, aber hart gegen all es Flache - I m Seltenen entspricht das Alltägliche und in der Jähe ruht das
Bleibende.
Denken: der Vorhalt des Ver-Hältnisses in die Sage der Sprache.
Nur wenn es verhält, glückt ihm ein Vorhalt. Wie wären die Göttlichen göttlich, wenn nicht ihr Nahen befrem-
388 Anmerkungen IX Anmerkungen IX 389

98 dete und in der Befremdung erst die reine Huld I uns bärge? Das Das wache Wachstum in die An-Kunft aus dem Ver-Hältnis.
Drohende der Innigkeit. An-Kunft (nicht als bloßes Gegenüber und Eintreten) die We-
sensmitte der Nähe.
Sey immer das Tor für den reinen Ein-Fall -
Alles Schielen nach Stilen taumelt und kriecht weitab von der 100
Auf seinem Weg zurück in den Anfang muß das Denken bisweilen Quelle des Stils, der die von ihm selber verschwiegene Weise der
weiter zurück springen als es schon zu gehen vermag; nur so wird Wahrnis des ~ ist.
seinem Gang ein Weg.
Wachstum und Reifen sind heute durch eine ungewöhnliche Ge-
Gehen - das ist : das Zu-Denkende sagen in der lichten Dichte des fahr in einer einzigen Weise bedroht: die Rücksichtslosigkeit der
reinen Spiels der höchsten Strenge. unbegrenzten Ver-Öffentlichung , die Schnelligkeit der wahllosen
Vervielfältigung betreiben die Einrichtung eines unübersehbaren
Denken ereignet sich aus dem noch ungedachten Wesen des A6yoc;, Feldes von Nachmachbarem in allen Bezirken menschlichen Ver-
aber nie durch Logik. mögens.

Einfall und Einlaß - beide kommen weit her, einander befremdet, Nicht weil man sich verschließt , sondern weil man schon alles
sich entgegen aus dem Geheimnis des Selben. kennt und Jegliches ins leicht Kennbare verfertigt und so alles zu
besitzen meint, ist ein Mit-Teilen unmöglich.
Die Wege des Denkens müssen stets den erfüllten Zauber einer
ersten Begegnung erbringen . Mit-Teilen ist Vorhalt des schon ereigneten Fundes des Unter-
Schiedes.
99 Gänge und Gehen - ein Sichantworten des Stehenbleibens und
Stillhaltens; kein eiliges Hintersichbringen einer Wegstrecke . Denken ist es noch immer nicht, wohl dagegen bloße historisie- 101
Gehen - als Zurück-Blicken - rende Spielerei, wenn man sich jetzt bemüht, meine Denkversu-
che in die durch sie aufgehellte Metaphysik einzurechnen, sie als
Die Sache - das ist das Strittige. (Streit -Sache) nachmetaphysisch auszugeben und gleichzeitig Hegel und Nietz-
Wenn die Sache des Denkens die Sage des~ ist, wie muß sche als die Denker vorzuführen, die schon längst das gedacht
da nicht in solcher Sage die Wesensfülle der Sprache sich ereignen. haben, worauf man durch die »Holzwege « gestoßen wurde. Mit
Was soll hier ein Aussagesatz ? solchen Methoden setzt man lediglich das bisherige Philosophie-
gewerbe fort. Ein wesentlicher Einfall eines entscheidenden Ge-
Der Gang des Denkens geht mit Vorhalten ins Zurück - dankens zeigt sich nirgends.
Abgesetzt gegen dies Alles ist vielleicht erst die Metaphysik
Die Sage des Denkens spricht, als spräche sie allein im ~ ohne dann vollendet, wenn ihr Wesen gedacht worden, d. h. nicht nur
Zuhörer. vorgestellt, sondern in das Denken des Zu-Denkenden - die Ver-
gessenheit des Unter -Schiedes - zurückgewahrt worden.
390 Anmerkungen IX Anmerkungen IX 391

So bliebe es eine gute Kennzeichnung meines Denkweges: Außerdem aber bleibt die Sage des Denkens vom Aussagen der
Vollendung der Metaphysik in ihr Wesen. Das sieht aus wie bloße Wissenschaften und seiner Logik bestimmt. Wo es dieser Weise
Beendung und wie ein Ende - und ist doch - das Anfangen im des Sagens entgeht, befremdet es. Man muß das Befremdliche
An -Fang. irgendwie in das Bekannte einordnen. Als bekanntes Sagen gilt
Unterschieden bleiben muß: die dichterische Sprache. Wo das Denken nicht mehr Aussage ist
nach der Art der Wissenschaften gilt es darum als halbdichterisch
102 Historie der Philosophie und der Philosophen und damit als ein verunglücktes Bemühen. Allein, die Sage des
Geschichte der Seiendheit des Seienden (»Sein«) Denkens ist weder Aussagen noch Gesang, weder wissenschaftlich
Geschichte des Seyns, das als Geschick ereignishaft schickend noch dichterisch.
aus Vorenthalt und Loslassung in · die Vergessenheit vor dem Er - Der Stil der Sage des Denkens erwächst aus der Vermutung des
eignis des Unterschiedes dergleichen wie »Sein« schickt. Unterschieds.

Das An-Fangen im An-Fang, nämlich die denkende Vereignung Mitte ermittelt das Wesen in die Versammlung zum Unter -Schied. 104
der Sterblichen in das Ereignis des Unterschiedes, die Vereignung
als Wohnen - dies bleibt stets und ganz anderes als alle Versuche, Die Etymologie wird dem Denken immer in den Weg treten, so-
die vorhandene Philosophie vermeintlich immer wieder neu und lange man ihr den Vorrang vor dem Wesen der Sprache gibt und
radikaler zu beginnen. Dies ist ein technisch neuzeitliches histori- sie für die Stimme des Absoluten hält.
sierendes Bemühen , jenes ist Gehorsam im Wesen des ~-
Jede redende oder schreibende Äußerung kommt heute notwen-
Das Denken, die Sage des Unter-Schiedes, sagt nur, bringt zur dig in eine zwiespältige Lage . Es gelingt nicht mehr oder gar
Sprache, was schon im Zuspruch Wort werden , zur Sprache kom- überhaupt noch nicht, Mit-Teilung zu sein. Es hat wohl seine weit
men möchte. zurückreichenden, wenn nicht gar metaphysischen Gründe, daß
Das Denken erfindet nichts Ausgefallenes. unsereiner aus der Universität hinausflog. Immer dringender wird,
Die Sage ist Rückkehr in die schon sich ereignende Einkehr des die nötigen Folgerungen zu übernehmen. Eine gemäße und ge-
Unter-Schiedes. wachsene Gelegenheit der denkenden Mit-Teilung ist noch nich t
gefunden.
103 Wesentlich schwerer bleibt es, der Ankunft zu entsprechen, als
irgend ein Absonderliches zu ersinnen. Wie prüft sich das Denken in seinem Wesen?

Erst im Gehen bringt das Denken sich zu Weg . Alles Wesenhafte ist eine Gefahr für den Menschen.

Noch hat das Denken kaum seine »Sache«, den Unterschied , ge- Nähe - ist nicht bloß Gegenwart, sie ist zugleich Gewesenheit und 105
funden und wird bei allem Suchen noch weithin durch seine vor - reicher als sie, ist zugleich Zukunft und geheimnisvoller als sie.
malige Art, das Vorstellen der Gegenständlichkeit der Gegen - Nähe ist der Anfang in die An-Kunft des Unter -Schiedes.
stände und somit des Ungegenständlichen, gestört und gehemmt.
392 Anmerkungen IX Anmerkungen IX 393

Das Gespräch derAn-Kunft des Ver-Hältnisses. Die Sprache ist das Haus des Seins (Humanismus-Brief). 21 107
Ankunft und Anmut Dies sagt:
Die Sprache, die spricht als das Geläut der Stille des Unterschie -
Sagt das Denken jetzt das gedachte Wort »Welt «, dann nannte des behaust diesen, d. h. birgt ih n, sein Wesen ver-bergend, in das
es mit: Welt/Ding und erschweigt also sagend: den Unter-Schi~d. Ver-Hältnis.

Verhalte die Sage des Denkens, dann hält es unvermutet im Ver- Erst wenn wir in das Äußerste der Durchmessungen des Welt-
Hältn is. Gevierts zu stehen kommen, d. h. wenn wir das Wohnen aus sei-
nem Wesen lernen, gelangen wir in das Innerste der Innigkeit
Das Schwerste bleibt, dem, was sich schon ereignet, nicht in den der Nähe - das Wohnen. - Dichterisch - wohnen - aus der Sage.
Weg zu treten, sondern es in sein Eigentum einzulassen.
Warum unterlassen wir es, auf den Zuspruch der Sprache zu hö -
Dem Äußersten des Ge-Stells entspricht, sein Wesen verwindend, ren? Dies geschieht, weil wir durch die Metaphysik in unserem
nur das innigste Schonen der Nähe. Verhältnis zur Sprache verstört sind und weil unser Bezug zum
Wesen der Sprache verschüttet ist. Heute meint man und meint
106 Das Schonen ist das Entsprechen. Dies allein aber ist die Ent- es mit Rücksicht auf die heutige Vernutzung der Sprache zu recht,
Scheidung in den Unter-Schied. die Sprache sei lediglich ein Ausdrucks- und Verkehrsmittel. Wir
wissen nichts davon, daß die Sprache von lang her und weit voraus
Als Gestell ist der Wille zum Willen ins Ganze seiner ausnahms- ged acht hat. Zwar vermerkt man bisweilen, die Sprache denke für
losen Herrschaft ausgebrochen. Ausgleiche und Halbheiten ver- uns. Doch was heißt dies?
mögen sowenig gegen ihn wie die bloß nachmachende Entgegen -
setzung irgend einer Form des Totalen. Über das Denken möchten Denkende wohl nur innerhalb der Luft 108
ihrer Werkstatt sprechen dürfen.
Die bloße Jagd auf abgestorbene Wortwurzeln, denen dann kaum
bedachte Vorstellungen unterlegt werden, um daraus wieder Ge- Übt nur im Denken den verhaltenen Vorhalt in das Unvermutbare.
danken abzuziehen, bleibt weit entfernt von einer Besinnung auf
die Wesensgeschichte der Sprache. Was nach den Lehren des »Verlust der Mitte« - wie denn? Wie sollen wir verlieren, was wir
herrschenden Etymologiebetriebes, dessen Vorstellungen von noch nie gefunden haben? Wie sollen wir finden, was wir noch nie
der Sprache doch nicht als ein Absolutum vom Himmel gefallen . ge sucht haben? Wie sollen wir suchen, wenn wir das Fragen noch
sind, unrichtig sein mag, kann auf das Sprachwesen hin gedacht, nicht gelernt haben? Wie sollen wir lernen, wenn wir nicht ver-
gleichwohl wahr sein. mögen, zu hören? Wie sollen wir dies vermögen, wenn wir nicht
Etymologie nach der üblichen Weise betreiben ist etwas Ande- wissen, daß hören ist: das Entsprechen.
res als: auf den Zuspruch der Sprache hören. (107)
01
[Heidegger : Brief über den Humanismus. In: Ders.: Wegmarken. GA 9.
A.a.O., S. 333 .]
394 Anmerkungen IX Anmerkungen IX 395

Wie sollen wir in dieses gelangen, wenn wir nicht unterschei- sich auch nie als Richtmaß ausgibt und sich ereifert, Regel des
den in dem, was zur Entscheidung steht- das Entsprechen - näm- Wirkens zu geben.
lich dem Zuspruch der Nähe. -
Das Denken aus der Kehre muß gleichwohl und gerade dem Ge-
109 Für den Historiker der »Existenzphilosophie« ist es, falls Histo- wesen in seinem Beginn entsprechen; so allein vermag es den Be-
rie noch ein Gewicht behält, wichtig zu wissen, daß Karl Jaspers ginn dem An-fang zurückzugeben.
meinen 1930 gehaltenen, aber erst 1943 veröffentlichten Vortrag
»Vom Wesen der Wahrheit« im Jahre 1930 in Maschinenabschrift Der Geschmack ist das Vermögen, Schickliches vom Unschickli-
bereits besaß. Es handelt sich hier nicht um Prioritäten, wohl aber chen zu sondern.
um die Klarheit und Eindeutigkeit verschiedener Wege und Weg-
richtungen. Das Denken ist die freyende Sage des Unter-Schiedes (W/D) in die 111
Sprache des Ver-Hältnisses.
Die Angst vor dem Denken verbreitet die Meinung, Denken zer-
störe das Erlebnis, leiste nichts für das Handeln, treibe in den Denken, der Denker freilich, ist: Lernen lassen.
Zweifel, lasse die Verzweiflung übrig. Lernen ist: entsprechen können dem Einspruch der Sprache des
Die Angst, auf das Denken sich einzulassen: der reinen Einfalt Ver-Hältnisses.
des Zu-Denkenden entsprechen.
Man ist so weit fortgeschritten, daß die Not kommt für di e Sterb-
Hören auf den Zuspruch der Sprache - lichen, erst das Lernen - lernen zu müssen.
Hören ist nicht das bloße Hinhalten eines leeren Ohres gleich Lernen aber: das Wohnen.
einem Trichter, in den etwas hineinfallen soll. Ver-hältnis-mäßig wohnen die Sterblichen, wenn heimisch ge-
Wir hören nur, wenn wir gehört haben, wenn wir gehören - worden der Aufenthalt.
wenn wir im Ereignis des Unterschieds dem Ver-Hältnis vereignet
sind. Dann ereignet sich das Mit-einander-sich-Teilen in das Selbe. Noch haftet euer Denken am Un-Ding, an den Gegenständen des
Ge-Stells, die noch das Ding, das schon unterwegs, verstellt.
110 Nur ein Denken, das jederzeit bedenkt, daß es mit dem Wesen des
Seyns be-dacht ist, als dem Zu-Denkenden, ist Denken. Wie leicht verlieren wir die Spur zu dem, was sich uns anfänglich
zugetraut hat.
Ein wesentlicher Unterschied besteht zwischen einem Denken
das noch weit weg ist von dem Zu-Denkenden und dem, das über-
' Das Geschickliche achten, das Historische fahren lassen. 112
haupt um das Zu-Denkende sich nicht kümmert, sondern geläu-
fige und herrschende Vorstellungen durch andere Vorstellungen Noch kommt das andenkende Denken zu früh. Wenn es als Ausge-
erklärt. sprochenes herumgesprochen wird, läuft es Gefahr, auf unabseh-
liche Zeit die Beute des Gestells zu werden und als erster Versuch
Ein Denken ist not, das nicht nur auf keinen Stützen geht, sondern der Einkehr in die Kehre vergeblich zu bleiben.
396 Anmerkungen IX Anmerkungen IX 397

Der An-:fang ist das Letzte und dieses die längste Jähe. Der An - durch eine unmittelbare Anwendung des Denkens gestiftet wer-
fang er-eignet erst das zuvor Vergessene in das Ver-Hältnis. den (vgl. 112x).
Der An-fang verwindet zumal die Verweigerung von Welt und Weil das Denken auf seine Weise vor allem übrigen sterblichen
die Verwahrlosung des Dinges. Tun künftig das Unumgängliche ist, deshalb bleibt es im vorhin-
Der Aoyoc, ist das erste fernste, jäh verlöschende Vorspiel des ein das Unzulängliche.
An-fangs.
Der An -fang, der das Wohnen in die Nähe vereignet und einzig Die Künftige Dichtung muß so anfänglich sich verwurzeln, daß
Nachbarschaft (das In-der-Nähe-wohnen) verschenkt, ist die Voll- sie ohne Schaden in der scharfen Luft des Denkens erblühen kann .
endung des Wesens der Liebe. Ihr Verderb wäre, wenn sie unmittelbar Gedanken des Denkens
113 Das gewöhnliche Vorstellen meint, der Anfang sei das I Erste; übernehmen wollte.
darum denkt es ihn zu dürftig und meint immer, mit dem Anfang
schon fertig zu sein. Derweilen ist der An-Fang das Aufbehaltene, Warum sind wir der Tragweit e des Einfachen entfremdet?
darum nie vollbracht die Liebe.
Welt wehet als solche dinglich. Ding dingt als solches weltisch. 115
Die Vollendung der Metaphysik ist so wenig ihr Ende, daß mit Darum gibt es nie Welt für sich, die sich eines Tages verding-
der Vollendung erst der eigentliche Bestand der Metaphysik im licht oder gar verkörpert .
Ereignis des Unter-Schiedes beginnt. Sie ist jetzt erst dem unum- Noch weniger sind die Dinge Nachbilder oder gar Projektionen
gänglichen Vorstellen unentbehrlich geworden; aber sie vermag des sterblichen Wohnens. Denn dieses ist als Wohnen, als gehörig
fortan nicht mehr das Denken zu bestimmen . Demnach bleibt in das Welt/Ding, ein leibend lebendes . - Das Ereignishafte We -
man gerade dann im metaphysischen Vorstellen verhaftet, wenn sen des Leibes, das alle Aesthetik des bloß Sinnlichen und alles
man die Vollendung der Metaphysik für deren Ende hält und an Grauen des Sterbens im physiologischen Sinne unendlich über-
ihre Stelle das andenkende Denken zu bringen sucht. Dadurch ragt, ist noch ungedacht . Hier helfen erst und nur die Erfahrun-
wird dieses zu einem nur anders gearteten Vorstellen umgefälscht. gen des nachbarschaftlichen Wohnens im Unter-Schied .

Dort und dann, wo die heutige »Welt« auf der ganzen Erde ins Früh erscheint das Anwesende im Ding, doch spät erst als Ding.
Wanken gerät, bedarf es der unscheinbaren Gedanken und der
Absage an alle Aufforderungen zum Wirken, das in Krisenzeiten Wir sind zu gelehrt : historisch im Verstehen, technisch im Verfah -
gern als der Rettungsgürtel angepriesen wird. ren. Darum können wir nicht mehr lernen. Denn Lernen heißt:
fr ey für das Wesenhafte auf den Zuspruch des Wesens hören.
114 Die Kehre der Vergessenheit des Unter-Schiedes kann für die
Sterblichen nur sterblich im Denken vorbereitet werden. Im Hin - Nur wenn wir angemutet sind von der Anmut des Ver-Hältnisses, 116
blick auf die Ankunft der Kehre hat das Denken vor allem übrigen können wir vermuten.
Tun den Vorrang. Nur die Vermutenden trifft das Unvermutbare.
Dennoch kann das Wohnen der Sterblichen als Nachbarschaft
im Unter-Schied niemals weder durch das Denken noch auch nur
398 Anmerkungen IX Anmerkungen IX 399

Das ereignete Wohnen im Unter-Schied vollbringt erst die sterb- lismus« bekämpft. Hier ist ein Kampf zwischen zweien entbrannt,
liche Verwindung des Ge-Stells. die beide das Selbe sind und ihr Wesen nicht kennen; der blinde
Die Technik läßt sich nie durch den Menschen meistern, weil und darum verblendeteste Kampf auf Leben und Tod.
ihr Wesen, das Ge-Stell, das letzte Geschick des Seyns ist vor dessen Das Selbe, was sie sind, ist das Wesen der Metaphysik . So zer-
Kehre in das Ereignis des Unter-Schiedes. Der Mensch ist nie Herr stört sich das europäisch gewordene Abendland selbst.
und deshalb auch nie Meister des Seyns. - Dort am wenigsten, wo
er unter der Herrschaft des Ge-Stells alles Seiende in den bestell- Die eigentliche Mit-teilung geht nicht vom Sprechenden aus, son-
baren Bestand planen und durch das Planen alles ordnen will. dern entspringt bei den Hörenden, insofern sie - dem Zuspruch
entsprechend- diesen mit den Hörenden geteilt, daran schon An-
117 Wer denkende Gedanken mitteilt und nicht nur geläufige Vorstel- teil genommen haben.
lungen abgewandelt vorbeilaufen läßt, darf auf die Ablehnung des Mitteilung ist nicht Mittel und Bewerkstelligung der Kommu-
Gesagten gefaßt sein. Sie bleibt stets ein besseres Zeichen als die nikation, sondern ihre Voraussetzung.
Zustimmung. Zumeist sind jedoch beide gleich flach. Dies liegt
nicht am Unvermögen der Einzelnen, sondern an der Art des öf- Das Eine, worein wir uns mit anderen teilen, ist nie ein Gemein-
fentlichen Vertriebs von Gedanken. sames, es ist nie uns gemein, 1 sondern wir sind geteilt in Es, das 119
sich dabei gerade entfernt in die Einheit seiner Einzigkeit.
Wirken? Denkt ihr Wirken aus der Entsprechung zum Werk und Das Unheil des Einen im Sinne des Kotv6v, das Gemeine für
wie bestimmt ihr das Werk, als Leistung oder als Dingen von jeden; hier findet die iöfa ihre Unterkunft.
Welt? Denkt ihr Wirken in der Beziehung zur Wirkung als Erfolg
und diesen als ein Gewinn an Einfluß auf das Wollen solchen Das Unheimliche des Zaubers und die Macht des Anreizes, die
Wirkens? von der ungehemmten Möglichkeit einer schrankenlosen Bestell-
barkeit von allen als Bestand ausgeht. Die Leere der Sicherheit,
Europa ist verloren, die sich hier breitmacht und die fortwährende Beständigung im
das Abendland verschüttet. Gang hält.
Europa hat seine Kräfte und Kraftquellen verkauft.
Das Abendland sperrt sich, auf seinen Anfang zu zu gehen . Man wird noch lange meinen, das Denken sei das Abstrakte, dem-
Not ist: der Rückweg vor in den Anfang. gegenüber stets jedem Konkreten zur Geltung zu verhelfen sei.
die erste und weiteste Absage an die Machenschaft. Man wird dies so lange meinen, bis das Konkrete in das Bestand-
die Bereitung des Wohnens. mäßige aufgelöst ist, das die absolute Herrschaft der Abstraktion
bezeugt, aber auch so noch nicht erkennen läßt, daß jedes echte
118 Der extremste Materialismus (vgl. Humanismus-Brief) ist der Denken weder abstrakt noch konkret ist, sondern weit vor diesen
ldealismus. 22 Deshalb wird dieser vom gewöhnlichen »Materia- Unterscheidungen einer besonderen Logik liegt.

Der Gruß des Entsprechens in die wogende Ruh . .. 120


•• [Heidegger: Brief über den Humanismus. In: Ders.: Wegmarken. GA 9.
A.a.O., S. 340f .]
400 Anmerkungen IX Anmerkungen IX 401

Das Wesen der Sprache ist so abgründig, daß ein Denken mit ihr Aber wer schenkt uns das Wohnen? Wer hilft uns, daß wir erst nur
niemals im gewöhnlichen Sinne »spielen« kann; denn dieses Spie- sein Wesen bedenken und vermuten?
lerische erreicht die Dimensionen der Sprache so wenig wie die 0
Philologie. • • KaAAionata24 - das schön blickende Gestirn. 122
aus dem das Sternenspiel blitzt:
Jeder Versuch eines wesentlichen Denkens gerät sogleich in die der Blitz des Schönen.
Gefahr, ausschließlich am gängigen Unwesen des Denkens ge-
messen zu werden. Die hohe Zeit dieses Gestirn s.

»Mnemosyne Ein Zeichen sind wir . . .«23 Hölderlin Die Epiphanie der A.toc'ö<;- die in der Huld verhaltene Scheu. Die
einstige Zögerin. Die ewige Braut. Der verborgenste Glanz der
Wie wir's wenden, dieses Zeichen, Künftigen Göttlichkeit jedes Gottes. Die fernste Göttin der Nähe.
seine Enden, sie entweichen. Die Feier des Schonens. Der Gott im ~ ist die Göttin im Ereig-
nis des Unter-Schiedes zum Ver-Hältnis.
Wie wir's lesen, dieses Din g - Das Geviert: bedenke, wie jedes der Vier auf seine Weise in den
früh gewesen, ist's: der Rin g. Herd des Unter-schiedes ereignet wird und dort das Verhältnis
verschleiert in die Verhaltenheit der währenden Verwahrnis.
121 Das Ge-Wohnte: aus dem Wohnen in das Wohnen Versammelte. Inwiefern so gedacht die fernste Göttin das Ereignis des Unter-
Vielleicht ist das Ge-Wohnte immer selten und einzig. Vielleicht Schieds in sein Wesen enteignet.
müssen dies die Sterblichen, wenige unter ihnen, erst lernen. Inwiefern ist jedes Begründen von Welt, jedes Erklären der
Anders das Gewöhnliche, das sich einstellt, wenn das Wohnen Dinge ohne Wahrheit und Zuspruch?
sich vergißt, nirgends schont; nur nutzt und niest und im bloßen Der Gott im Weltalter des Ereignisses: ÄATJ0Eta:die Göttin.
Genuß und Nutzen alles verbraucht, um zuletzt überall nur Niege-
schontes Verbrauchtes anzutreffen, dem durch aufgepeitschte Reize Woran liegt es, daß wir für die großen Schritte des Denkens und 123
der Anschein des Unverbrauchten verschafft wird. Aber das bloß seine Wagnisse in das Befremdliche des sanften Ratsals noch kein
Unverbrauchte ist noch abgründig verschieden vom Geschonten. Augenmaß haben?
Die Unheimlichkeit des Gewöhnlichen versteckt sich selber Lang und stetig müssen darum Dichtende an der Ortschaft des
noch im Gewöhnlichen. Inwiefern wird das Gewöhnliche dort, ~ bauen; erst für die Wenigen, die eine bloße Vielheit in ihrem
wo das Anwesende nur noch als der Bestand des Gestells west, in Wesen verleugnen und damit auch die Sucht, durch bloße Ordnung
die schrankenlose Herrschaft gedrängt? der Massen etwas ausrichten zu wollen unter den Sterblichen.
Die Dichtung
Nur das Ge-Wohnte verwindet das Gewöhnliche. Jedes Schreiben und alles Geschriebene, auch das selten Echte
und dies zumal, bleibt, wenn es hoch kommt, eine ungefähre Vor-
•• [Hölderlin: Mnemosyne. In: Ders.: Sämtliche Werke. Bd. 4. Gedichte. A.a.O.,
s.225.] 24
[Heidegger schreibt: KaÄ.tonem]
402 Anmerkungen IX Anmerkungen IX 403

bereitung des einzigen, immer nur geschenkten Gesprächs der Wann vermögen wir endlich zu unterscheiden zwischen der
Herzen, die zueinander unterwegs sind, sich zu sagen, was sie Aussage des menschlichen Vorstellens und dem Anspruch des sich
schon im Blick haben. sparenden Wesens (A1'10TJ)des ~-
Wann vermögen wir es, in dieser Unterscheidung von Anspruch
Der hellste Augenblick memer tiefsten Erkenntnis: der kom- und Aussage uns denkend zu halten, uns wohnend aufzuhalten,
mende Gott. uns bauend zu bewegen?
Das Einschwingen des Denkens in die Ruhe der innigen Wan- Wir müssen erst aus echter Erfahrnis mit dieser Unterschei-
derschaft durch die Nähe. Vgl. 131, 135. dung vertraut, d. h. dem in ihr Unterschiedenen zugetraut sein,
um erst einmal das Wesen der Dichtung bedenken zu können und
124 JI.-A170eza
- nicht oft genug können wir ihrem verborgenen Wesen zwar so zugetan, daß es uns trifft; denn niemals ist das dichteri-
nachdenken. Denn allzu sehr ist das Denken noch in seine här- sche Sagen ein Aussagen.
teste Fessel gelegt: in das Gewöhnlich Gewordene eines Meinens,
das die »Wahrheit«, wenn von ihr die Rede ist, sogleich und aus- Di chten entspricht dem Anspruch des Gevierts und spricht ihn 126
schließlich im urteilenden Aussagen sucht und alles, was sonst zurück in das leuchtende Wesen der Dinge. Aus den Dingen ruft
noch »Wahrheit« sein könnte, auf die Richtigkeit des Aussagens das Dichten die Welt in den Gesang der Sprache.
zurückbezieht. Unablässig muß das Denken darauf gewiesen wer- Woher aber stammt ihr Singen? »Singe ... !«25
den, daß diese Meinung über die Wahrheit, sie sei die Richtigkeit Woher der Ruf ins Singen?
der Aussage, der eigentliche Irrtum ist, aus dem das vorstellende Welcher Ruf, was zu singen? Wer sind die Gerufenen?
Denken vergeblich einen Ausweg sucht. Die Herrschaft dieses Irr- »Mnemosyne«, hieß es vor Zeiten, sei die Mutter der Musen?
tums verhindert allem zuvor, wenigstens vom Menschen her gese- Wer aber ist ihre älteste Schwester, die den Reigen führt? Wer ruft
hen, daß wir in den Bereich gelangen, in dem unser Wesen schon am stillsten in jenen hellsten Gesang, der im tiefen Ton geborgen
haust, insofern es vom Seyn in den Anspruch genommen und ins diesen selber erst in das Sagen birgt?
~ gebraucht ist. Dieser Anspruch, verworren und kaum vom Das singende Sagen klingt. Sein Klingen entschwingt dem Ge-
Menschen gehört und doch nie völlig überhörbar, wenngleich fort- läut der Stille, die selber erst tönt aus dem Hall der Helle, als wel-
gesetzt mißdeutet, dieser Anspruch ist das Unverborgene, was sich che der verborgenste Gott aus der Innigkeit, deren Riß er bleibt,
schon entborgen hat und also uns anblickt, ohne daß wir es eigens das Dunkel schützt.
sehen und die Helle gewahren. Das Ratsal der Nähe ruht im Riß der Innigkeit. Er ist das Herd-
feuer des Ereignisses. Die Hüterin des Herdes ist die Scheu, die
125 Dagegen sind wir davon besessen, die Wahrheit als Richtigkeit des fernste Göttin als der einstige Gott. Ihr Hüten der Innigkeit ist
Aussagens von uns aus zu machen, zu sichern, auch zu befolgen. jenes schwebende Schwingen, darin die Stille I tönt als das Geläut 127
Gleichwohl treibt sich da nur unser Vorstellen in den Vorder- und des Be-ruhens, das Welt und Ding in ihr Wesen enteignet und sie
Hinterhöfen der Wahrheit umher, nicht ahnend, daß die Wahrheit so im Ratsale der Nähe spart.
uns zuvor gefunden hat, bevor wir meinen können, sie erst suchen
25
[Vermutlich denkt Heidegger an den Beginn der »Ilias« von Homer in der
und aufstellen zu müssen.
Übersetzung von Johann Heinrich Voss. Vgl. Homer: Ilias.1-XII Gesang.!. F. Ham-
Dichtung- merich: Altona 1793, S. 3: »Singe den zorn, o göttin, des Peleiaden Achilleus, / [. . .].«]
404 Anmerkungen IX Anmerkungen IX 405

So weit her - oder so nah - erklingt die singende Sage des Dich- Helle und Hall, Blick und Klang - alles west in Ankunft nur. Sie 129
tens. aber, die reine, bleibt gehütet in der Nähe. Denn dieser ist zuge-
traut die Ankunft im Nie-Kommen. Die Verhaltenheit dieser An-
Das Dichten ent-spricht sich der Hüterin des Ratsals des Risses kunft ist die Gottheit der Göttin des Ver-Hältnisses.
der Innigkeit - (lauter »Genitive«, d. h. Ankünfte im Ereignen). Die Ankunft im Nie-Kommen birgt das Wesen des reinen Kom-
So ent-spricht sich das Dichten dem Unter-Schied, ohne diesen mens - das in Lauterkeit immer nur kommt. Dies »nur« ist keine
als solchen zu denken und zu nennen. Einschränkung, keine Beraubung, sondern das Geschenk aller
Die singende Sage bringt aus dem Wesen der Dinge die Welt Geschenke. Nur die Ferne der Nähe hütet das Kommen in sein
in die sagend gestifteten Dinge zur Sprache. Dinge versammeln Wesen, damit es nicht verkommt in dem, was lediglich lichtlose
Welt. Versammeln ins irdisch-himmlische Leuchten des Dunkels. Verschmelzung bleibt, die nur an der stofflichen Vermischung sich
Versammeln in das reine Scheinen des dunklen Lichtes; deshalb mißt. Im reinen Kommen - im Wesen der Nähe - ereignet sich
gibt das singende Sagen Anblicke - scheinende - der verborge- erst Zukunft und Ge-Wesen und Anwesen aus ihrer Einheit. Die
nen Ankunft der fernsten Göttin -; aus dem vorstellenden, aber Nähe ist die Ortschaft des Wesens der Zeit.
ungemäßen Denken her gemeint heißt dies: das dichtende Sagen
spricht »in Bildern«; nein, es sagt aus Anblicken, die in jener An- Helle und Hall, Blick und Klang versammeln sich im singenden
kunft erblitzen. Sagen des Gedichts. Der Gesang der Dichtenden ist das reine Echo
des Wesens der Nähe.
128 Erst und nur aus dem Klingen des Geläuts der Stille entspringen
pu0µ6<;und µelo<; des Sagens. Sie antworten dem Schwingen der A-A118etc1, das verhüllte Wesen des Seins des Seienden, ereignet aus 130
Innigkeit, das im Zögern der Ankunft schwebend gehalten wird. der Zögerin der Innigkeit. -
Die fernste Göttin der Nähe, die Scheue, ist die Zögerin, immer- Weshalb - wie nirgends erscheint bei Parmenides die Alii0eta
dar; so hütet sie den Schatz der Innigkeit ins Unversehrliche, Un- als Göttin.
vergängliche, weil je und je Ge-Wesene, d. h. in ihr einzig Eigenes
Versammelte. Mehren - meint nichts Quantitatives, keine Steigerung von Bis-
herigem. Mehren heißt: ins Anfängliche, bislang versagte Wesen
Die Stille des Unter-Schiedes, der Welt (Geviert) und Ding in ihr wandeln, dessen Reichtum erwecken. Mehren, dies bewegt sich
Wesen (in das Ver-Hältnis) wahrt und stillt. Die Stille lichtet stil- nicht auf dem Geleis der bloßen Wiederkehr. Mehren ruht in der
lend das Ver-Hältnis. einzigen Bahn der Einkehr des Selben, das je nur im Einzigen er-
Die Stille glüht aus der im Ver-Hältnis wesenden [Scheu]. Die scheint und abgründig geschieden ist vom nur Gleichen.
Licht-Glut der Stille ist die Helle des Unter-Schiedes, die hallt, Wenn unser Dichten - Denken mehrte,
lautlos schwingend ins Verlauten. Die hallende Helle der Stille des Nahte ihm das Unversehrte. (136)
Ver-Hältnisses ereignet das klingende In-Bild-(Anblick)-bringen Doch Nähe nur schenkt uns ein Mehren,
des anfänglichen Entsprechens: den Gesang, den stiftenden: das läßt das Sagen heimwärts kehren.
Wesen des Dichtens. Geheimnis bleibt, was hier verwunden:
Dichten - Denken- frey gebunden.
406 Anmerkungen IX Anmerkungen IX 407

Vorderfläche darböte, die sich das gegenständliche Vorstellen vom


Seienden als dem Wirklichen bestellt? Dann reicht das Ursäch-
Das Wesen des Dichtens ist darum so weiträumig, wei l es in die lic he nicht in die Sache des Seyns; dann gibt es, aus dem Seyn
Ortschaft des~ gehört . Wer findet die Pfade dorthin? gedacht, keinen Zufall, d. h. den Lückenbüßer eines lückenhaften
Kausalzusammenhangs.
131 Die Gottheit des Gottes ist längst verkannt. Der Weg zu ihr ist am Nur wo Fall (causa), da ist Zufall. Von da her wird auch das Not-
gründlichsten verdorben durch das »Erleben«, wodurch alles in wendige bestimmt, wie es die Metaphysik kennt.
die abgesonderte oder, was gleichviel gilt, in die kollektive Ichheit,
oder in die Ich-Du-Beziehung eingeschlürft wird. Schrift - ist sie verstummte oder schweigende Sprache? 133
Die Gottheit des Gottes ist zum Erlebnisgehalt und so zum Be-
stand der Erlebnisbestellung geworden. Dort, wo nur Maschinen Ob und wie lange Geschriebenes in der Gestalt von Büchern in
laufen, ist die Herrschaft des Gestells offenkundig, wo aber, und den Bibliotheken steht oder in Kästen mit Mikrofilmen konser-
zwar der Öffentlichkeit verborgen, die Gottheit zum Bestand des viert ist, gilt gleichwenig. Wesentlich bleibt, daß Gesagtes nach
Bestellens wird, ist die Unheimlichkeit des Gestells in seine ge- der Art seiner unvernutzten Sage in die Sprache selbst eingeht und
fahrenvollste Gestalt, in die des Unauffälligen losgelassen. Ein dort als unscheinbares Samenkorn immer wieder Frucht bringt;
Beispiel: man läßt jetzt durch eine Umfrage einer großen Tages- Frucht, die wieder in die Furchen zurückfallen möchte. Wo wir
zeitung feststellen, ob demnächst eine religiöse Erneuerung ein- dies bereiten, hat das dichtende und denkende Sagen das Schick-
trete. Man redet sich dabei ein, dadurch gar selber an der Förde- liche gefunden. Es baut mit am Wesen der Sprache, gehört unmit-
rung dieses »Religiösen« mitzuwirken. Oder - will man sich nur telbar in das Wehen des Seyns, ist unvergänglich das Ge-Wesen;
rechtzeitig auf seine Weise unterrichten, wie diesem Religiösen bedarf keiner Literatur und literarischen Existenz.
gegenüber die Taktik des Nihilismus im Sinne der Untergrabung
jeder Möglichkeit einer Ankunft des Seins umzustellen sei? 1 Die »Wohnen« und »Wonne« gehören zum selben Wort. Aber Wonne
Gottheit des Gottes und das Ge-Stell. ist wesenhaft verschieden von der Lust. In keiner Lust ist Nähe.
Wonne aber ruht im Schmerz. Sie ist so selten wie der Weg durch
132 Transzendenz - Solange ihr nur darauf trachtet, zu vergeistigen Nähe weit ist. Weite Wege erfährt nur die Wanderschaft. Die
und zu verklären und zu erhöhen, haftet ihr im voraus schon am Reife für den Schmerz stillt Wonne und Leid in einander.
Sinnlichen, Trüben und Niedrigen. Alles Transzendieren bleibt
einer Herabsetzung verknechtet. Sie erreicht nie, was sie will. Daß Wenn wir »in die Ferne« gehen, verlassen wir die Nähe nicht. Wir 134
sie im Wollen hängen bleibt, hat wiederum seinen Grund darin, durchgehen die Weite des Grenzenlosen, das allein die Nähe be-
daß sie mit dem Niederen beginnt und nie zu erkennen vermag, grenzt, d. h. sie in ihrem Wesen jedesmal beginnen läßt.
inwiefern weder das Niedere noch das Hohe ins Heile führt, das »In die Ferne« gehen, dies ist wesenhaft anderes als: sich entfer-
im Riß des Unter-Schiedes geborgen bleibt. nen, d. h. die Ferne und mit ihr die Nähe preisgeben.

Z ufall gibt es nur im Bezirk der Kausalität, mag diese wie immer »Wonne« gehört zu Wohnen nicht nur, sondern bedeutet ursprüng-
auch vorgestellt sein. Wie aber, wenn die Kausalität stets nur die lich »Weideland«. Dieses ist die Wonne.
408 Anmerkungen IX Anmerkungen IX 409

»Was triffst du -.« Was ist größer im Geheimnis der Sprache Di e Nähe ist das Wesenhaft Unversehrliche -, denn nähernd hält
und in der Weise, wie sie als Zuspruch das dichtend -denkende sie das Versehren stetig fern. Das wesenhaft aus Nähe Unversehr-
Entsprechen [sie] Wege geleitet, die diesem selber oft lange un- liche der Ankunft, das eigentliche Walten von Gott-Reit, ist das
geahnt bleiben? einzige, im an-fangenden Sinne Wahrende, worin erst Ankunft
Was ist größer - die Verzauberung oder die Unheimlichkeit des und Ge-Wesen und An-Wesen - worin Zeit ihrem Wesen nach
Sprechens der Sprache? Beides ist für uns Sterbliche gleich un- west . Die Zeit beruht in der Ortschaft, insgleichen wie aller Raum.
ermeßlich; aber wenige erfahren darin das Wehen der höchsten
Gottheit-; einzig sind Gipfel, auf denen im stillsten Gespräch der Die Nähe ist die wahre, wesende, einzige Ewigkeit. Nachbarschaft
Scheu sich offenbart, daß wir, die also Sprechenden, ein Gespräch ist das Vermächtnis der Ewigkeit.
sind, daß [ein] einziges Gespräch ihr Sein vollbringt.
Das In-der-Nähe-Wohnen wohnt selber im Gespräch der Ankunft
135 Wohnen - das eigentliche, in sein volles Wesen rein vereignete im Nie-Ankommen. Dies Gespräch hütet das Behalten des Vorent-
Wohnen ist die Nachbarschaft in der Gottheit der Scheu. - Nach- haltenen; es allein durch-! wandert das Weideland. Wenige unter 137
barschaft: in der Nähe wohnen; nicht freilich mehr: »in der Nähe den Sterblichen vermögen das Gespräch. Die Meisten treiben im
zu etwas«, sondern die Nähe ist selber die Ortschaft; in ihr Woh- Sprachlosen des bloßen Rausches und des Wirbels, der Starre und
nen, d. h. sie als Nähe schonen, die Ankunft nähert als das rein der Sättigung und peitschen sich von einem in das andere.
Nahe und so nie-Ankommende, insofern Angekommenes Nähe Die große Täuschung, in der man meint, der Rundspruch im
verscheucht, sie verleugnet, sie nie wiederbringen kann. So bleibt Rundfunk sei ein Sprechen und das Senden von angefertigten
die reine Nähe die Ortschaft des Nahen. Die Ortschaft ist das We- »Gesprächen« sei noch sprechender. Hier ist der äußerste Miß-
sende der Zögerin der Scheu. Sie ist die Gottheit der einzigen Göt- brauch der Sprache im Betrieb.
tin des ~- Vordem - vor der Kehre sind nur Götter des Seien-
den und der ursächliche Gott alles Seienden. Die Nachbarschaft +
in der Gottheit des Ver-Hältnisses, das an sich »haltend« das Seyn
im Wesen hält (hütet)- diese Nachbarschaft beruht im Wohnen Deine Sichel, Tod, ging durch die Flur.
der hirtentümlich Sterblichen . Sie läßt uns Scheu und Dank als Spur.
Langer, irrender, gefahrvoller Wege bedarf das Denken, um
das Wesen des Hirtentums auch nur vermutend zu finden, da-
mit ein schicklich-eigentliches Wohnen ihm entspreche und die-
136 ses Entsprechen erst ein denkend-dichtend I Sagen verschenke. Die bloße Finsternis ist das armselige Unwesen der Nacht, das
Erst im wohnenden Entsprechen erblüht die sterbliche Sprache nicht in sein Wesen zurück will und in diesem Willen sich wie
des Sagens. eine absolute Macht gebärde t.
Die Nähe, die Ortschaft des Nahen, die Wahrnis von Ankunft,
die Hut einzigen Anwesens - ist die im Ver-Hältnis verborgen ge- Der Herd des ~ ist das gewahrte Wesen der Lichtglut des Ver-
sparte Wahr-Reit des ~- Hältnisses, deren Stille als Helle hallt.
410 Anmerkungen IX Anmerkungen IX 411

138 Wenige vermögen es, aus dem Ungesprochenen in das Ungespro- keit selber , die west als der Gott des Unversehrlichen der Nähe, die ,
chene zu sprechen und so die Sprache zu sparen. Die Meisten spre- einzige Ortschaft des~' jede Vernichtung überholt hat und
chen im Ausgesprochenen, indem sie dieses nur abwandeln und so gleichwohl nie das leere Dauern eines nur Gleichen ist , sondern
die Sprache vernutzen. das einzig stete Andere im Selben des je und je zögernden Kom-
mens des Unversehrlichen, das selber sich spart in den Ab-grund
Wer heute noch Romane schreibt, quält sich mit dem unmögiichen der reinen Scheu.
Versuch ab, durch möglichst viele Wasserleitungen das Fließen ei-
nes Brunnens vorzutäuschen. Das Aufkommen und die Fortdauer Der Gott ist: die Göttin. 140
des Romans sind freilich nichts Willkürliches. Beides geht mit der Das »ist « wird hier gedac ht aus dem Ereignis des Ver-Hältnis-
Vollendung der Metaphysik zusammen , d. h. hier mit der univer- ses, das den Unter-Schied für das Geviert und die Dinge , das Zwi-
salen Vergegenständlichung von allem und der entsprechenden schen, aus dem sie als dem Geläut der Stille wesen , an sich hält ,
Aussagbarkeit und zwar in dem Bezirk des »Erlebens«. Gleichlau- zögernd verwahrt aus der Zögerung, die sich in der Verweigerung
fend ist die Entfaltung und der Verfall der Historie in den Jour - der Zögerin ereignet, die das reine Schenken der Scheu ist und
nalismus. Der utopische Roman ist die Historie nach vorn, er ver - sich so in das Ewige hält, d. h. hütet und hütend die Hut mehrt
längert die historisch-psychologisch vorgestellte Gegenwart nach und aus der sich mehrenden Hut die innigere Scheu verschenkt.
vorne; er vermag gerade nicht, das sichtbar zu machen, was ist. Dieses Hereinblicken und Erblitzen der Ankunft des Nie-Kom-
Eben darum wird er gierig gelesen. »Man« findet darin die eige- mens ist das Ereignis des Bräutlichen schlechthin, ist das Wesende
nen ungedachten Vorstellungen wieder. Mit Dichtung vollends der Braut, ist die Göttin (0fo - 0e6c;).
h at dies nichts mehr zu tun . In der Braut ist die Gottheit der Göttlichen zugetraut dem ~ '
[dem Ereignis des Unter-SchiedsJ.
139 Die Kehre. Daß die Vergessenheit des Unter-Schiedes als die Ver- Gebraucht für das ~ sind die Sterblichen.
gessenheit einkehrt in die Lichtung des Unter-Schiedes selbst; daß Zugetraut dem Seyn sind die Göttlichen.
die Einkehr da sich lichtet als Ereignis des Unter -Schiedes, als Beides bleibt der Metaphysik verborgen und ist in I ihr undenk - 141
das verwundene Wesen des vergessenen Seyns. Die Kehre ist das bar . Hier der Gott Grund und Ursache des Seins; der Mensch als
rein Unscheinbare; das reine Geringe - weil aus der Stille des Ver- Mikrokosmos die höchste Gestalt des Seienden.
Hältnisses ereignet. Darum dürfen wir niemals nach gewohnten Der Gott ist: die Göttin. A-A110em-A110rt - Ereignis .
Vorstellungen die Kehre als ein welthistorisches Vorkommnis er - Das »ist « sagt: der Gott hat das Wesen der Gottheit aus der ei-
warten und besprechen . gentlich Zugetrauten, dem Seyn gotthaft gemäßen Göttin der
Ein Geheimnis bleibt, wie zum Geringen kommt der große An - Scheu . Zu sagen bleibt : die Göttin ist der Gott . Sie überneigt das
fang.25 Wesen der Gottheit und durchmißt die weiteste Weite der Nähe .
Wenige ahnen die herbe Süße des Geringen. Und den Wenigen Die Göttin ist der Fels des Sanften, an dem alle Wogen bloßer
ist selten zu ewiger Bewahrung vermacht das Geschenk der Ewig - Verschmelzung zerschellen und das Wesen des A6yoc;sich anfäng-
licher aus der Hut des Ver-Hältnisses bestimmt. Verschmelzung
•• [Friedrich Hölderlin: Griechenland. Zweite Fassung. In: Ders .: Sämtliche und Rausch zerbrechen als mögliche Maaße wesenhafter, lesender
Werk e. Bd . 2.1. Gedichte nach 1800. A.a.O. , S. 256.] Ein-Reit.
412 Anmerkungen IX

Die Göttin ist (ereignet das Wesen) der Gott.


In diesem Wort verbirgt sich das vom Herdfeuer des Unter-
Schiedes her gedachte Wesen der Kehre im Hinblick auf das, was [STICHWORTVERZEICHNIS]
dem ~ zugetraut ist.

142 Die Kehre des Seynsgeschicks aber ist kein erdachtes Ideal, das
einer heutigen hoffnungslosen Wirklichkeit übergestülpt werden
soll und dessen Verwirklichung angestrebt, gepredigt und ge-
macht werden könnte.
Die Kehre ist erfahren im Gewesen des Seynsgeschickes als ein
Anklang von Ankunft, den wir hörend vermuten und allein da-
durch bewahren, daß wir standhalten in dem , was ist. Dazu gehört
freilich, daß wir es vermögen, das zu denken, was ist - ohne vor-
schnell alles in die Aussicht einer besseren Zukunft umzufälschen.
Alles Wesende ist schon Ankunft in die Nähe. Sie ist das Verläß-
liche, das wir nicht einmal verlassen, wenn wir in die Ferne gehen.
Atö&c;122 das Ge-Wohnte 121
A-A1't9sta19. 36 f. 45. 48. 50. 64. Gottheit 131. 135. (122 ffJ.139
75f 124f.
Anfang 93. 112. (102) Hamann 87
Anwesen45f Hintansetzung 80
Aussprechen 7 Historie 77
»Autor« 86 Hören bes . 109

Da-sein 19 Kant 63
Denken 9 ff. 15. 16. 22f 24. Kausalität 90
39.ff. 53. 57. 66.ff. 68f 86.ff. 91 Kehre 39. 40
Dichter 83. 125ff. 130
Differenz 84. 88. Lassenl!}J 80
Ding 27 Leib 115

»Einblick« 20. 34 Mehren 130


Ek-sistenz 65 Mensch 52
Entsprechen 8. 12. 18. 19. 41.ff.
54 Metaphysik 18. 39. 50. 59. 64.
»Ent-wurf« 56 101. 113
Ereignis b. 13 »Mitte« 108
Erläuterung 5. 17. 60 f.
Eros 64 Nähe 49. 105. bes. 135f
»Ethik« 19. 54 Niveau 34
Etymologie 104. 106
»Existenzphilosophie« 109 Ortschaft 123. 130. 138 f.

Feldweg 6. 11 xoi11mc;37f 40
Fragen 43
Freyheit 50. 72 Roman 138
Furchen 12 Ruhe 27

Gelangnis 36. 42. 46 Sage 24f.


Gestell 52. 90/1. 116. 131 Schonen (vgl. Entsprechen) 59
das Geviert 122. 140 Schrift 133
416 Stichwortverzeichnis

Schritt zurück 9. 57 f. 59 Ver-an-Lassung 36


Schweigsamkeit 3 Vergessenheit 36 ff. 52. 56. 63. 84
Sein 45j 47. 49. 63 Ver-Hältnis 1f. 5. 14. 45. 54. 75. NACHWORT DES HERAUSGEBERS
Sein und Zeit 8. 30 f. 45. 73. 92
81. 91 »Vernunft« 84 Band 98 der Gesamtausgabe Martin Heideggers enthält die
Sprache 1ff. 4. 13 f. 15. 87. 89.
»Anmerkungen VI-IX«, vier der vom Denker selbst so genann-
107 Wege 16 ten »Schwarzen Hefte«, sowie eine Beilage zu den »Anmerkun-
Stille 128 Welt 105. 115 gen VIII« mit der Überschrift »Der Holzweg«, entstanden offen-
Stimmen13j »Werke« 11f. 29 bar im Zusammenhang der Veröffentlichung der »Holzw ege« aus
die Sterblichen 54. 59 Wieder-holung 53 dem Jahre 1950. Mit der Herausgabe dieses Bandes ist die Veröf-
Wirken 117 fentlichung der zweiten Reihe der »Schwarzen Hefte« nach den
'tEX,VT)- 'tl>X,T)3 7. 62 Wissenschaften 7. 28 »Ü berlegungen II-XV« beendet.
Tod65 Wohnen 114 Am Beginn der »Anmerkungen IV« zitiert Heidegger Leibniz
das »Transzendentale« 74 Wollen (Wille) 28 f. mit dem Satz: »Qui me non nisi editis novit, non me novit.« 1 (:>Wer
Transzendenz 33. 132
mich nur aus meinen Veröffentlichungen kennt, der kennt mich
Zarathustra 35 nicht.«) Der Satz erläutert die Bedeutung der »Schwarzen Hefte«
Ungesprochene 4. 13j Zirkel 75 insgesamt. Sie stellen ein jenseits der Öffentlichkeit über Jahr-
Unter-Schied a. 1f. 22 ff. 48 f. Zufall 132 zehnte hinweg entstandenes einzigartiges Manuskript dar. Noch
anders als die unveröffentlichten seinsgeschichtlichen Abhand-
lungen bieten sie Heidegger die Möglichkeit, beinahe ohne Rück-
sicht auf etwaige Leser sein Denken auszubuchstabieren .
Nach Mitteilung des vormaligen Nachlaßverwalters Hermann
Heidegger und Friedrich-Wilhelm von Herrmanns, Heideggers
Privatassistenten zwischen 1972 und 1976, sind die »Schwarzen
Hefte« ungefähr Mitte der siebziger Jahre ins Deutsche Literatur-
archiv nach Marbach gebracht worden. Heidegger habe anläßlich
der Verbringung geäußert, daß sie am Schluß der Gesamtausgabe
veröffentlicht werden sollten. Bis dahin sollten sie »gleichsam dop-
pelt sekretiert« (von Herrmann) werden. Der Nachlaßverwalter
hat sich nach reiflicher Überlegung gegen diese Weisung ent-
schieden, weil Verzögerungen der Herausgabe der noch nicht ver-
öffentlichten Bände das Gesamtunternehmen, Martin Heideggers

1
Martin Heidegger: Anmerkungen IV, Titelblatt. In: Ders.: Anmerkungen 1-V.
GA 97. Hrsg. von Peter Trawny. Frankfurt am Main 2015, S. 325.
418 Nachwort des Herausgebers Nachwort des Herausgebers 419

Denken in einem überschaubaren Zeitraum erscheinen zu lassen, Heideggers Denken findet in den späteren vierziger Jahren ei-
nicht in Mitleidenschaft ziehen sollten. nen Ton, den man mit seiner Bezeichnung der »einfachen Sage«
Uns liegen vierunddreißig »Schwarze Hefte« vor: vierzehn (108) oder der »einfachen Sagen« (172) fassen könnte. Die Erregt-
Hefte mit dem Titel »Überlegungen«, neun »Anmerkungen«, heit der »Überlegungen« und der früheren »Anmerkungen« hat
zwei »Vier Hefte«, zwei »Vigilae«, ein »Notturno«, zwei »Winke«, sich verflüchtigt; das Denken kehrt zu sich selbst zurück und rea-
vier »Vorläufiges«. Daneben haben sich zwei weitere Hefte mit den giert seltener auf politische und geselischaftliche Ereignisse.
Titeln »Megiston« und »Grundworte« gefunden. Ob und wie sie In den »Anmerkungen IX« tritt ein Interesse an nicht-christ-
zu den »Schwarzen Heften« gehören, muß noch geklärt werden. lichen theologischen Fragen in den Vordergrund. So heißt es ein-
Die Entstehung der Hefte umfaßt einen Zeitraum von mehr mal: »Der hellste Augenblick meiner tiefsten Erkenntnis: der
als vierzig Jahren. Im ersten vorliegenden Heft »Winke x Über- kommende Gott.« (402) Die »Gottheit des Gottes« sei »längst ver-
legungen (II) und Anweisungen« erscheint auf der ersten Seite kannt« (406). Das Verhältnis von »Gott« und »Göttin« wird be-
das Datum »Oktober 1931«. In »Vorläufiges III« findet sich eine trachtet (411).
Bezugnahme auf »Le Thor 1969«, d. h. daß das Heft »Vorläufi- Auffällig sind einerseits eine ständige Rücksicht auf die Ver-
ges IV« Anfang der siebziger Jahre entstanden sein muß. Es fehlt öffentlichungen von Karl Jaspers, die durchgängig kritisch kom-
ein Heft, nämlich die »Winke x Überlegungen (I)«, die um 1930 mentiert werden. Möglich, dass sich hier noch ein Echo auf Jaspers'
entstanden sein müssen. Sein Verbleib ist ungeklärt. negatives Gutachten über Heidegger für die Freiburger Universi-
tät aus dem Jahre 1945 erhalten hat . Andererseits zeigt eine ge-
* nauere Lektüre der »Anmerkungen VIII« Spuren einer Reaktion
Die »Anmerkungen VI«, entstanden in den Jahren 1948/49, ent- auf Hannah Arendts Rückkehr im Jahre 1950.
halten einen Hinweis auf die »Summe meines Denkens« (S. 57 Auf Seite 246 des vorliegenden Bandes findet man Heideggers
in diesem Band). Sie bestehe »in dem einfachen Schritt aus dem Antwort auf eine Rezension der »Holzwege« vom Januar 1950. Sie
vorstellenden zum be-wegenden Denken«. Dieser »Schritt« gehe stammt aus der »Süddeutschen Zeitung«. Es existiert jedoch noch
»aus dem Vorstellen des Seienden in seiner Seiendheit heraus in eine andere Rezension, auf die jene Antwort auch zutreffen könnte.
die Nähe des Unterschiedes«. Der »einfache Schritt« sei das »Er- Im »Rheinischen Merkur« vom Juli 1950 heißt es: »Von einem in
fahren des Ereignisses«. Die Worte »Unterschied« (oder »Unter- sich seligen Gott weiß Heidegger nichts, und er kann in seiner Phi-
Schied«) und »Ereignis« sind zwei Schlüsselworte für Heideggers losophie wesensmäßig nicht von ihm wissen. Denn das Sein, dem
spätes Denken. Sie erinnern an den Weg, den es von der seins- auch dieser Gott, wenn es ihn gäbe, unterworfen wäre, ist wesens-
geschichtlichen Abhandlung der »Beiträge zur Philosophie (Vom mäßig und unaufhebbar Wahrheit und Unwahrheit, Licht und
Ereignis)« bis zu den »Holzwegen« zurückgelegt hat. Was die D unkel, Tag und Nacht. Es fehlt in dieser Weltanschauung völlig
»Anmerkungen VI-IX« aus den Jahren 1948 bis 1951 enthalten, das >Ewige Licht<, das nichts ist als Licht und heller seliger Tag.« 2
ist eine Deutung dieses Weges; die Ausarbeitung eines Denkens,
das in den »Vier Heften«, die Heidegger zwischen 1947 und 1950 *
schrieb, seine eigentliche Gestalt erhielt. Daß er seit den »Anmer-
kungen III« häufig auf die »Vier Hefte« verweist, hängt also nicht 2
Jakob Hommes: Das Anliegen der Existenzphilosophie. Rheinischer Merkur.
nur mit ihrer gleichzeitigen Entstehung zusammen . Nr. 31. 29. Juli 1950, S. 18.
420 Nachwort des Herausgebers Nachwort des Herausgebers 421

Es handelt sich bei den »Anmerkungen«, die in den Bänden 97 und Die Abschrift von »Anmerkungen VIII« stammt vom Nachlaß-
98 der Gesamtausgabe erscheinen, um neun von vierunddreißig verwalter Herrn Arnulf Heidegger.
bzw. sechsunddreißig schwarzen Wachstuchheften in einem un- Die Abschrift der »Anmerkungen IX« stammt von Frau Jutta
gewöhnlichen Format, das dem DIN-Format D5 nahekommt. Die Heidegger.
Hefte befinden sich im Original in Heideggers Nachlaß im Deut- Ich kopierte alle Texte aus den Handschriften selbst. Sodann
schen Literaturarchiv in Marbach am Neckar. Dem Herausgeber wurden die Abschriften von mir kollationiert. Schließlich wurden
lagen in blauem Leinen gebundene Kopien vor, auf deren Rücken Fahnen und Umbruch sowohl von mir als auch von meiner Mitar-
die Titel angegeben sind. beiterin und Doktorandin Frau Kathrin Lagatie korrekturgelesen.
Der Band 98 setzt sich aus folgenden Texten zusammen: Die Fahnen wurden ebenfalls von Frau Jutta Heidegger korrigiert.
Anmerkungen VI, 144 Seiten; Die »Anmerkungen VI-IX« bestehen sowohl aus kürzeren als
Anmerkungen VII, 192 Seiten; auch längeren Textpassagen, die ohne Nummerierungen hinter-
Anmerkungen VIII, 170 Seiten und eine Beilage »Der Holz- einander erscheinen. Manchmal hat Heidegger sie mit einem län-
weg«, 19 Zettel; ger en Strich voneinander getrennt. Dieser wurde natürlich über-
Anmerkungen IX, 142 Seiten. nommen.
Hinzu treten jeweils aufwendig ausgearbeitete Stichwortver- Buchstaben (a, b, c; a, ß), mit denen Heidegger zuweilen die
zeichnisse, mit denen Heidegger die »Schwarzen Hefte« (ausge- ersten Seiten kennzeichnet, sowie die danach einsetzenden Sei-
nommen die »Überlegungen XV«) versehen hat. tenzahlen der »Schwarzen Hefte« werden am Seitenrand wie-
Die Handschriften sind durchgearbeitet. Sie weisen kaum Ver- dergegeben. Der senkrechte Strich im entsprechenden Satz gibt
schreibungen auf. Heidegger schreibt nicht nur mit schwarzer das Seitenende an. Fragezeichen in eckigen Klammern [?]melden
Tinte, sondern verwendet bei der Einfügung von Graphiken oder unsichere Lesarten. Alle Verweisungszahlen im Heideggerschen
in der Kennzeichnung von bestimmten Seitenzahlen in den Stich- Text sind Seitenzahlen. Außerdem habe ich versucht, graphische
wortverzeichnissen Buntstifte. Es handelt sich bei den »Schwarzen Elemente in den Manuskripten in den Band zu übernehmen.
Heften« keineswegs um Notizbücher. Heidegger selbst hat sie als Die Abkürzungen »Vg« (35) und »V~« (46) hängen mit Heideg-
5
»Werkstattaufzeichnungen« bezeichnet. Vorarbeiten sind nicht gers Verständnis der »Vergessenheit« z,isammen. In einem bereits
vorhanden. veröffentlichten Manuskript verwendet er sie auf ähnliche Art
Die maschinenschriftlichen Abschriften der »Anmerkungen VI und Weise:t- Eine Deutung dieses Denkens der »Vergessenheit«
und VII« stammen höchstwahrscheinlich von Dorothea Vietta. steht noch aus.
Sie hat »Inhaltsverzeichnisse« erstellt, die ausführlicher sind als Wie in anderen Bänden der »Schwarzen Hefte« werden be-
die von Heidegger selbst. Sie wurden nicht berücksichtigt. Auf stimmte Äußerungen Heideggers mit Erläuterungen versehen.
Seite 56 der Abschrift der »Anmerkungen VII« (S. 128 in diesem Das trifft auf solche zu, die sich auf historische Ereignisse bezie-
Band) hat er ein Wort handschriftlich eingefügt. hen. Sie treten allerdings viel seltener auf als in den früheren Hef-

• Vgl. Arnulf Heidegger: Zur Entstehungsgeschichte der Gesamtausgabe von


Martin Heidegger. In: Seefahrten des Denkens. Dietmar Koch zum 60. Geburts- • Martin Heidegger: I 1-4 [Vergessenheit und Unterschied]. In: Ders.: Zum
tag. Hrsg. von Alina Noveanu, Julia Pfefferkorn, Antonino Spinelli. Narr Francke Ereignis-Denken. GA 73.2. Hrsg. von Peter Trawny. Frankfurt am Main 2013,
Attempto Verlag: Tübingen 2017, S. 152f. S. 1097-1184.
422 Nachwort des Herausgebers

ten. Auch zu Personen habe ich knappe Angaben - stets in eckigen


Klammern - eingetragen. Das versteht sich beim Nachweis auch
von Heidegger selbst nicht gekennzeichneten Zitaten von selbst.
Daß es hier - bei einer Ausgabe »letzter Hand« - keine Vollstän-
digkeit geben kann, ist klar.
Ich habe Heideggers eigentümliche Rechtschreibung sowie
seinen Satzbau da und dort, jedoch sehr zurückhaltend, den Re-
geln angeglichen. Zugleich habe ich bestimmte Besonderheiten
von Heideggers Schreibstil in seiner ursprünglichen Form belas-
sen. Auch die von Heidegger bekannten Bindestrich-worte wurden
nicht vereinheitlicht, sondern mit wenigen Ausnahmen so wieder-
gegeben, wie sie in der Handschrift erscheinen.

Ich danke den Nachlaßverwaltern Herrn Dr. Hermann Heideg-


ger und ihm folgend Herrn Rechtsanwalt Arnulf Heidegger für
das Vertrauen, das in der mir übertragenen Aufgabe liegt, die
»Schwarzen Hefte« herauszugeben. Frau Jutta Heidegger danke
ich für das Transkribieren der »Anmerkungen IX« und das Kor-
rekturlesen der Fahnen. Herrn Arnulf Heidegger danke ich für
die erste Abschrift der »Anmerkungen VIII« sowie der Beilage
»Der Holzweg«. Bei Frau Anastasia Urban vom Verlag Vittorio
Klostermann bedanke ich mich für die stets gute und freund-
liche Zusammenarbeit. Herrn Dr. Ulrich von Bülow vom Deut-
schen Literaturarchiv in Marbach am Neckar danke ich für die
Hilfe in Fragen der Verfügbarkeit von Handschriften. Frau Da-
niela Sommer vom Zeitungsarchiv der »Süddeutschen Zeitung«
danke ich für die Information die Seitenzahl einer Rezension der
»Holzwege« betreffend. Frau Kathrin Lagatie danke ich für die
aufmerksame Korrekturarbeit.

Wuppertal, 31. März 2018 Peter Trawny

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