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Band 19
Waxmann 2016
Münster • New York
Printed in Germany
Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, auch auszugsweise, verboten.
Kein Teil dieses Werkes darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages
in irgendeiner Form reproduziert oder unter Verwendung elektronischer
Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Nils Grosch
Im weißen Rößl
Gattungen und Subgattungen im populären Musiktheater .................................... 25
Frédéric Döhl
Zur Figur des Produzenten im Spiegel von Urheberrecht und
Musiktheatergeschichtsschreibung
Erik Charell und das Weiße Rößl .............................................................................. 43
Matthias Grimminger
Aspekte und Erkenntnisse aus der historischen Aufführungspraxis der
Operette Im weißen Rößl von 1930 ............................................................................. 51
Nicole Haitzinger
Im weißen Rößl (1930) als »Spiegel und abgekürzte Chronik des Zeitalters«
für den »schauhungrigen Weltstadtmenschen«
Zur tanz-theatralen Inszenierung des ›Alpenländischen‹
als Revue des Fremden ................................................................................................. 63
Matthias Davids
Du kommst ins Rößl und es ist alles irgendwie Fake
Demaskierung und Fallhöhe im Weißen Rößl .......................................................... 75
Wolfgang Jansen
Hans Müller – der Librettist des Singspiels Im Weißen Rößl .................................. 79
Inhalt 5
Julia Menzel
»Meine Frau hat sich göttlich amüsiert«
Das Weiße Rößl im Spiegelzeitgenössischer Satirezeitschriften ......................... 117
Carolin Stahrenberg
»Vision aus der Heimat«
Das ›Österreichische‹ in der Wiener Stadttheater-Produktion von
Im weißen Rößl (1931) ................................................................................................ 137
Olaf Jubin
Horses for Courses oder Mehr als »Zuschau’n Kann I Net«
White Horse Inn als anglifizierte bzw. amerikanisierte Version von
Im weißen Rößl ........................................................................................................... 157
Robert Gordon
Kept Alive by Amateurs
White Horse Inn as an »English« Classic ................................................................. 179
Andreas Gergen
Unterhaltendes Theater heißt nicht, dass man das Gehirn an der
Garderobe abgeben muss ........................................................................................... 195
Joachim Schlör
»Schalömchen!«
Das Jüdische im Weißen Rößl .................................................................................... 199
Susanne Korbel
Das weisse Roessel am Centralpark
Jimmy Bergs Kurzoperette »in schlechtem Deutsch
und ebensolchem Englisch«....................................................................................... 215
6 Inhalt
Christiane Tewinkel
Klärchens Lispeln
Zur Deutung eines besonderen Fehlers im Weißen Rößl .................................... 251
Stefan Wieduwilt
Und das, obwohl gesungen wird …
Emotionalität ohne Vereinnahmung im modernen Musicalfilm ....................... 265
Michael Fischer
Volkstheater, Revue, Film
Intertextuelle und transmediale Aspekte beim Stoff
›Im schwarzen Rössl‹ ................................................................................................. 269
Jonas Menze
»Schluss jetzt mit dem Geknödel«
Das Leinwand-Rössl zwischen Utopie und Parodie, Kitsch und Camp .............. 301
Florian Seubert
Hotel Aesthetics
The White Horse Inn Sound Films and 20th Century Hotel Discourse................ 315
Inhalt 7
Mit dem Erscheinen der Rekonstruktion einer musikalischen Erstfassung trat das
Singspiel Im weißen Rößl1 2009 in eine neue Phase seiner Aufführungs- und Re-
zeptionsgeschichte ein.2 Nach ihrer Premiere in der Staatsoperette Dresden wur-
de diese »Bühnenpraktische Rekonstruktion der Originalfassung« – neben der so
genannten kleinen Fassung sowie der von Bruno Uher eingerichteten Version
von 1951 – den Theatern vom Berliner Theaterverlag Felix Bloch Erben neu an-
geboten. Eine Chance, die viele Theater ergriffen, um das Rößl quasi ›neu im al-
ten Gewand‹ auf die Bühne zu bringen. Anlass genug auch für die Forschung, ei-
nen neuen Blick auf das Stück zu werfen, dessen Geschichte in vielfältiger Weise
exemplarischen Einblick in Produktionsbedingungen, Rezeptionskontexte und
Geschichtsschreibung populärer (Theater-)Kultur gibt.
Die Fassung des Rößls, die am 8. November 1930 bei der gefeierten Erstprodukti-
on des Berliner Großen Schauspielhauses, des einstmals von Max Reinhardt als
»Theater der Fünftausend« konzipierten Baus, erklungen war und deren Orchest-
ration wohl überwiegend von Eduard Künneke erledigt wurde,3 galt bis 2008 als
verschollen. Zu diesem Zeitpunkt ging man davon aus, dass das Aufführungsma-
terial von 1930 bei der Bombardierung Berlins verloren gegangen war – wie es
1 Die Schreibung des Titels variiert bereits zur Zeit der Uraufführung, da das ß besonders in
Titeleien häufig in ein Doppel-s aufgelöst wird. Wir haben uns für eine tendenziell einheit-
liche Schreibweise des Werktitels entschieden, sofern von Theaterversionen die Rede ist: Im
weißen Rößl, als flektierte oder Kurzform auch Rößl oder Weißes Rößl, wenn das Werk, der
Stoff oder das Hotel gemeint sind. Wolfgang Jansens Einwand gegen diese Schreibweise er-
scheint berechtigt, doch wollten wir dem Originaltitel folgen. In Jansens eigenem Text ha-
ben wir den Wunsch nach sinngemäßer Schreibung respektiert und nicht eingegriffen. Bei
den Filmen übernehmen wir die Schreibung des Titels, wie er in der Titelsequenz des jewei-
ligen Films genannt wird, in Susanne Korbels Text folgen wir der Titelschreibung des Café
Vienna. Im Verlauf dieses Textes wird das Stück kurz Rößl genannt.
2 Vgl. hierzu Grimminger, Matthias: Aspekte und Erkenntnisse aus der historischen Auffüh-
rungspraxis der Operette Im weißen Rößl von 1930, in diesem Band.
3 Vgl. die späteren Anmerkungen hierzu.
der Operettenforscher Kevin Clarke 2006 in einem Aufsatz, ausgehend von einer
Aussage von Christiane Niklew, einer Mitarbeitern des Archivs der Akademie der
Künste in Berlin, ausführt. Diese wiederum bezieht sich auf eine Auskunft des
Verlags Felix Bloch Erben – Niklew selbst meldete damals bereits Zweifel an der
Information an, weil das Rößl noch im Jahr 1951 in der ›Neuen Scala‹ in Berlin
aufgeführt worden war. Sie fügte an: »Ich wünschte mir sehr, dass in irgendeinem
deutschen Theater im Keller noch ein Satz Orchesterstimmen der alten Fassung
herumliegt und jemand diesen findet.«4
Fast wie eine Erfüllung dieses Wunsches erschien dann jener Vorgang, den die
Welt am 24.3.2009 reißerisch betitelte: In Zagreb gefunden: Originalpartitur des
›Weißen Rössl‹.5 Am Opernhaus Zagreb, wo das Werk kurz nach der Premiere
4 Clarke, Kevin: »Zurück in die Zukunft: Aspekte der Aufführungspraxis des Weißen Rössl«.
In: Im weißen Rößl: Zwischen Kunst und Kommerz. Hg. von Ulrich Tadday. München 2006.
S. 101–126, hier: S. 108 und 110.
5 bru: In Zagreb gefunden: Originalpartitur des ›Weißen Rössl‹. In: Die Welt, 24.3.2016,
www.welt.de/welt_print/article3432319/In-Zagreb-gefunden-Originalpartitur-des-Weissen-
Roessl.html (letzter Abruf am 1.2.2016). Im Programmheft der erwähnten Rößl-Produktion
an der Staatsoperette Dresden hieß es, dass »im Dezember 2008 die gedruckten originalen
Orchesterstimmen zur Uraufführungsfassung in Zagreb gefunden wurden« (André Meyer:
Ein Werk der Superlative, S. 6–8). Im Vorwort zur Partitur der Rekonstruktionsfassung
heißt es: »Grundlage dieser Neuedition ist das Ende 2008 in Zagreb aufgefundene gedruck-
te Orchestermaterial von 1930 […] und der zugehörige Klavierauszug«, Im weissen Rössl.
Singspiel in drei Akten (frei nach dem Lustspiel von Blumenthal und Kadelburg) von Hans
Müller und Erik Charell, Musik von Ralph Benatzky, Texte der Gesänge von Robert Gilbert.
Bühnenpraktische Rekonstruktion der Originalfassung von 1930 erstellt in Zusammenarbeit
mit der Staatsoperette Dresden durch Matthias Grimminger und Henning Hagedorn unter
Mitarbeit von Winfried Fechner. Partitur (Originalfassung). Berlin: Felix Bloch Erben
[2010].
6 Premiere am 22.9.1932 in Zagreb. Vgl. www.matica.hr/kolo/284/Avangardna%20oprema%
20scene%20Sergija%20Glumca/ (letzter Abruf am 1.2.2016 sowie die uns dankenswerter-
weise vom Institut für Geschichte der kroatischen Theater zur Verfügung gestellten Unterlagen.
7 Auf den Fundort wies uns Frau Helga Benatzky hin, mit der wir am 5.2.2016 ein ausführli-
ches Oral-History-Interview führten. Stephan Kopf, der 2008, also während der Wieder-
entdeckung, als für das Werk zuständiger Dramaturg beim Verlag Bloch Erben tätig war,
bestätigte uns diesen Umstand in einem Telefoninterview am 23.2.2016. Beiden sei für ihre
freundliche Auskunft herzlich gedankt.
Immerhin wäre schwer nachvollziehbar, warum das Kroatische Nationaltheater nach Spiel-
zeitende 1933/34 – es wurde das Rößl selbst in Deutschland (z.B. Oktober/November 1934
an der Schiller-Oper in Hamburg) noch einige Jahre nach der »Machtergreifung« gespielt
und durch den Berliner Verlag lizensiert und abgerechnet – das Orchestermaterial nicht an
den Verlag zurückgesandt haben sollte, zumal es damit vermutlich Leihgebühren hätte in
Kauf nehmen müssen.
8 Seit 1994 neben der ›Kleinen Fassung‹, die der Produktion der Berliner ›Bar jeder Vernunft‹
folgt. Vgl. zur ›Kleinen Fassung‹ die Ausführungen von Stefan Wieduwilt, Leopold Kern
und Herbert Wolfgang in diesem Band.
Stimmmaterial der früheren Fassung kein Bedarf mehr bestand. Es gab also keinen
Grund, das Material hervorzuholen, bis dann im frühen 21. Jahrhundert, mit einem
wieder erwachenden Interesse an den 1920er-Jahren und der besseren Zugäng-
lichkeit der damals auf Grammophonplatte eingespielten Tonaufnahmen, das In-
teresse an der ersten Version aufflammte – nicht nur bei der Forschung, sondern
auch in den Theatern.
Sicher ist, dass nach Kriegsende, trotz der Schäden am Berliner Verlagshaus Felix
Bloch Erben, mehrere Sätze von Orchesterstimmen existiert haben müssen. Denn
in der zweiten Hälfte der 1940er-Jahre erfreute sich das Stück – noch in der Or-
chestration von 1930 – einer lebhaften Aufführungsgeschichte: Allein in der
Schweiz, für die durch die Theaterdatenbank der Schweizerischen Theatersamm-
lung der Sachstand hervorragend dokumentiert ist, lässt sich in dieser Phase ein
regelrechter Rößl-Boom ausmachen. Dort wurde es in den Spielzeiten 1944/45
und 1950/51 im Stadttheater Luzern (Premiere jeweils am 3.11.1944 und
3.2.1951); 1944/45 im Stadttheater Olten (Premiere am 5.5.1945); 1945/46 am
Stadttheater Bern (Premiere am 16.2.1946); 1946/47 und 1951/52 am Stadttheater
Basel (Premiere jeweils am 7.9.1946 und am 6.10.1951) sowie 1946/47 am Stadt-
theater Zürich (Premiere 16.11.1946) in jeweils eigenen Produktionen gezeigt.
Mit der neuen Fassung änderte sich zugleich die Balance der ohnehin komplizier-
ten Konstellation der Autorschaft des Stücks (und damit möglicherweise auch
des Gewinn-Verteilungsschlüssels), wurde doch von nun an Erik Charell als Mit-
autor des Librettos geführt, obwohl dieses kaum verändert worden war. Das be-
deutete faktisch eine scheinbare Reduktion des Anteils des bisher als alleiniger
Librettist geführten Hans Müller zugunsten des 1930 an der Berliner Erstproduk-
tion mitbeteiligten Charell an der Autorschaft. Charells Anteil war seinerzeit
schon durch eine vertraglich festgelegte Titelformulierung als Erik Charells Im
weißen Rößl markiert worden, die sich jedoch in der Praxis schnell verlor.15 Mül-
ler war am 8.3.1950 verstorben und konnte keinen Einspruch mehr erheben.
15 »diese Produktion hatte immer angekuendigt zu werden als ›Erik Charell’s Weisse Roessl‹«,
Erik Charell in einem Brief an Felix Bloch Erben, 5. Juli 1947, Österreichisches Theatermu-
seum Wien (im Folgenden: ÖTM), Nachlass Hans Müller, Box 2 (Korrespondenzen). Vgl.
auch den Brief von Ludwig Charell an International Copyright Bureau London (Dr. W. Czech)
vom 3.7.1947; ebd. Noch die ersten populären Text-, Klavier- und Tanzmusikausgaben des
Verlagshauses Charivari hielten sich an diese Kennzeichnung, indem sie auf dem Außen-
umschlag Erik Charells Im weißen Rößl titelten; vgl. Abbildung 1 sowie die Ausgaben im
Archiv der Akademie der Künste (AdK), Nachlass Benatzky, Nr. 90 und 97.
16 ÖTM, ebd.
17 Laut Zeitungsinserat in C. Regenhardts Geschäftskalender für den Weltverkehr: Vermittler
der direkten Auskunft, Band 62 (1937): Rechtsanwalt Dr. Berthold Dukas, ansässig in der
Bahnhofsstraße in Zürich. Dieser ist vermutlich identisch mit dem im Brief (s. folgende
Fußnote) genannten Dr. Dukas, Bahnhofsstraße 74 in Zürich.
18 So eine Mitteilung von Dr. Dukas (Zürich) an Erik Charell vom 12.9.1946, in einem von
Charell an Hans Müller am 23.5.1947 gesandten Brief-Exzerpt bezüglich einer Neubearbei-
tung für eine Schweizer Produktion. ÖTM, Nachlass Hans Müller, Box 2.
Müller stehe deswegen auf dem Standpunkt, dass »der urspruenglich vertraglich
vorgesehene Ansatz« – gemeint ist wohl der vertraglich geregelte Verteilungs-
schlüssel, der Charell mit einer Beteiligung von 20% der Tantiemen »an den Er-
trägnissen der Verwertung« einschloss19 – »fuer diese umgearbeiteten schweizer
Auffuehrungen nicht mehr zu Recht bestehen koenne«. Allerdings wolle Müller
diesbezüglich noch mit Benatzky als dem Komponisten des Werkes Rücksprache
halten20 – nicht aber mit Charell.
Die am 16. November 1946 herausgekommene Zürcher Produktion kannte indes
durchaus den »Berliner Trikotagefabrikanten Gieseke« sowie den »mit Virtuosi-
19 Zit. nach Hennenberg, Fritz: Ralph Benatzky. Operette auf dem Weg zum Musical. Wien
2009, S. 113. Hennenberg lag der ansonsten schwer zugängliche Vertrag zwischen Bloch
Erben, Müller und Charell vom 23.7.1930 vor (vgl. Hennenberg, S. 112 und S. 198). Dieser
ursprüngliche Vertrag sowie alle weiteren Vereinbarungen sind vertrauliche Dokumente
beim Verlag Felix Bloch Erben, Berlin (Auskunft von Boris Priebe).
20 Brief von Dukas an Charell vom 12.9.1946, vgl. Fußnote 18.
21 Im weißen Rößl: Stadttheater, 16. November. In: Neue Zücher Zeitung vom 18.11.1946, S. b5.
22 Programmauszug Basler Stadttheater, Donnerstag, 19. September 1946, Schweizerische
Theatersammlung Bern.
23 Brief von Charell an Felix Bloch Erben vom 5.7.1947. ÖTM, Nachlass Hans Müller, Box 2
(Korrespondenzen), vgl. Fußnote 18. Charells Intervention datiert deutlich nach der Zür-
cher Premiere, kann also auf die Entscheidung bezüglich der Verwendung oder Verwer-
fung einer möglichen Neufassung des Librettos keinen Einfluss gehabt haben.
24 Ebd.
25 Brief von Ludwig Charell an International Copyright Bureau London (Dr. W. Czech) vom
3.7.1947. ÖTM, Nachlass Hans Müller, Box 2 (Korrespondenzen), vgl. Fußnote 18.
26 Charell an Felix Bloch Erben (vgl. Fußnote 23). Laut Angaben Ludwig Charells (3.7.1947,
vgl. Fußnote 25) hat Künneke auch an der Komposition mitgewirkt.
27 Hennenberg weist, dem oben (vgl. Fußnote 25) zitierten, aber von ihm nicht nachgewiese-
nen Brief Ludwig Charells folgend, darauf hin, vgl. Hennenberg, Fritz: Es muß was Wun-
derbares sein: Ralph Benatzky – zwischen ›Weißem Rößl‹ und Hollywood. Wien 1998, S. 168f.
28 Robert Stolz verlor 1960 einen diesbezüglichen Prozess, über den die Presse berichtete. Vgl.
Der Spiegel, 10.02.1960, S. 63, online unter: www.spiegel.de/spiegel/print/d-43063285.html
(letzter Abruf am 1.12.2015).
29 Charell an Felix Bloch Erben (vgl. Fußnote 23).
30 Siehe hierzu auch Frédéric Döhl: Zur Figur des Produzenten im Spiegel von Urheberrecht
und Musiktheatergeschichtsschreibung: Erik Charell und das Weiße Rößl in diesem Band.
31 Charell an Felix Bloch Erben (vgl. Fußnote 23).
32 Hennenberg: Es muß was Wunderbares, S. 168f. Gemeint ist das fragmentarisch überlieferte
Particell, Archiv der Akademie der Künste (AdK), Nachlass Benatzky, Nr. 88.
33 Vgl. Hennenberg, Benatzky, S. 115.
34 Aus Benatzkys Tagebüchern geht die Mitwirkung an nur einer Probe zum Rößl am 17. Sep-
tember hervor. Ein Schlaganfall des Vaters Mitte Oktober, dessen Tod am 24. und Begräb-
nis am 26. Oktober dürften seine Absenz ebenso erklären wie vorbereitende Arbeiten an
der Komposition und Produktion anderer Bühnenwerke (insbesondere Cocktail), aber
auch seine seinerzeit distanzierte Haltung zum Rößl; vgl. Benatzky, Ralph: Triumph und
Tristesse: Aus den Tagebüchern von 1919 bis 1946. Hg. von Inge Jens und Christiane
Niklew. Berlin 2002, S. 86–91.
35 Zu Gelbtrunks Mitarbeit vgl. das Programmheft im Bildteil dieses Bandes sowie den Beitrag
von Wolfgang Jansen in diesem Band. Zu Gelbtrunks Mitarbeit bei den anderen genannten
Charell-Produktionen vgl. Siedhoff, Thomas: Deutsch(sprachig)es Musical; www.deutsches-
musicalarchiv.de/forschung-publikationen/deutsches-musical-siedhoff-mai-2015.pdf (letzter
Abruf am 3.6.2016) sowie Jansen, Wolfgang: Auf der Suche nach Zukunft: Zur Situation der
Operette in den ausgehenden Zwanziger Jahren. In: Aspekte des modernen Musiktheaters in
der Weimarer Republik. Hg. von Nils Grosch. Münster 2004, S. 27–72, hier: S. 68. Das Deut-
sche Bühnenjahrbuch 41 (1930), S. 284, weist Gelbtrunk als Korrepetitor des Großen Schau-
spielhauses aus. Zu seiner Mitwirkung bei der Produktion von 1936 vgl. Norton, Robert:
Cast List and Musical Numbers of the Broadway Production 1936, www.ralph-benatzky.com/
main.php?cat=6&sub_cat=16&task=3&art_id=000170 (letzter Abruf am 1.3.2016); den Bei-
trag von Olaf Jubin in diesem Band; sowie Lotz, Rainer E.: Wilbur ›Wib‹ Kurz – His early
career in Europe. In: Storyville 77 (June/July 1978), S. 170–176, hier: S. 176.
36 AdK, Nachlass Eduard Künneke, Nr. 280 (Mappe 3) und Nachlass Benatzky, Nr. 88 (Foto 6–9).
39 Müller, Hans: Im Weißen Rößl. Wie ich zur Bearbeitung des alten Lustspiels von Blumen-
thal-Kadelburg kam. In: Im weißen Rößl [Programmheft]. Landestheater Salzburg. August
1947. Archiv des Salzburger Landestheaters.
40 Hennenberg (Benatzky, S. 107f.) setzt sich mit diesen beiden widersprüchlichen Erzählun-
gen auseinander und kommt überzeugend zu dem Schluss, die von Benatzky sei »frei er-
funden« (vgl. Hennenberg, Benatzky, S. 107f.).
41 Ebd., S. 108.
42 Siehe zu diesem Kontext: Jansen, Wolfgang: »Kein Ort – nirgends. Die erfolgreiche Zerstö-
rung einer Infrastruktur«. In: Zwischen den Stühlen. Remigration und unterhaltendes Mu-
siktheater in den 1950er Jahren. Hg. von Wolfgang Jansen und Nils Grosch. Münster 2012,
S. 47–60.
43 Erik Charell, Brief an Hans Müller vom 23.5.1947. ÖTM, Nachlass Hans Müller, Box 2
(Korrespondenzen), vgl. Fußnote 18. Auch die Pariser Produktion bezeichnet Charell hier
– nach Broadway-Terminologie zutreffend – als »Revival«.
44 Vgl. Döhl, Zur Figur des Produzenten, in diesem Band.
45 Die Vorgehensweise bezüglich einer gendergerechten Sprache wurde den Präferenzen der
einzelnen Autorinnen und Autoren überlassen; es finden sich folglich verschiedene Varian-
ten innerhalb des Buches.
1 Dahlhaus, Carl: Was ist eine musikalische Gattung? In: Theorie der Gattungen. Hg. von
Siegfried Mauser. Laaber 2005, S. 85–91, hier: S. 85f.
2 Benatzky, Ralph: Fragment des autographen Particells Im weißen Rößl im Nachlass Ralph
Benatzky, Archiv der Akademie der Künste, Berlin, Mikro-Fiche-Satz, Sign. 88; die Dispo-
sition ist auf Bild Nr. 2, das autographe Fragment des Finale II befindet sich auf dem Bild
Nr. 17r–18. Vgl. hierzu in diesem Band: Stahrenberg, Carolin und Grosch, Nils: »to make
out of a small, plain comedy this great musical«. Anstelle einer Einleitung.
3 Vgl. Würz, Anton: Reclams Operettenführer. Reclam, Stichproben: 11968, 91975, 212002; so-
wie Lamb, Andrew: Operetta [2001]. In: Grove Music Online. Oxford Music Online.
<http://www.oxfordmusiconline.com/subscriber/article/grove/music/20386>; Harald Hasl-
mayr: Operette. In: MGG2, St. 7 (1997), Sp. 706–735.
4 Klotz, Volker: Operette: Porträt und Handbuch einer unerhörten Kunst. München 1991,
S. 264, 266 und 20. Im Verweis auf die dem Musical verwandte Produktionsweise greift
Klotz eine Beobachtung Siedhoffs von 1986 (s.u., Fußnote 27) auf und wertet sie um.
5 Vgl. beispielhaft auch Feurstein, Michaela und Milchram, Gerhard: Jüdisches Wien: Stadt-
spaziergänge. Wien u.a. 2001, S. 199: »Ralph Benatzky gehörte zu den ganz großen Kompo-
nisten der ›silbernen Operettenära‹, seine bekannteste Operette ist das ›Weiße Rößl am
Wolfgangsee‹, die 1930 in Berlin uraufgeführt und ein Riesenerfolg wurde«.
6 Müller, Hans: Im Weißen Rößl. Wie ich zur Bearbeitung des alten Lustspiels von Blumen-
thal-Kadelburg kam. In: Im weißen Rößl [Programmheft]. Landestheater Salzburg. August
1947. Archiv des Salzburger Landestheaters.
26 Nils Grosch
7 Müller geht es hier um eine offensichtlich fiktive Etablierung einer Legende um die Kon-
zeption des Stücks und die geistige Urheberschaft daran, vgl. das Zitat auf S. 21 in diesem
Band.
8 Vgl. etwa –tt.: Stadttheater: Im weissen Rössl. [Kritik vom November 1946, Quellenangabe:
Nachrichten, N3 XI]. Stadtarchiv Zürich, VII.12/22.1.1.22.
9 Prozess Hildegard Berger und alle Mitglieder des Singchors gegen das Berner Stadttheater
betreffend die tänzerischen Leistungen im ›Weissen Rössl‹. Klage vom 20. Februar 1946,
S. 2, Durchschläge der Akten im Stadtarchiv Zürich, VII.12/7.5.2.37.
10 Ebd., S. 5 und 3.
11 Ebd., S. 3.
12 Einschätzung der beiden Schiedsrichter [Karl Schmid-Bloß, Stadttheater Zürich, und Willy
Reiss, Stadttheater Basel] vom 4. April 1946 und Urteil des Schweizerischen Bühnen-
schiedsgerichtes vom 24. Mai 1946, ebd.
13 VZ.: Im weißen Rößl, Premiere im Stadttheater [November 1946]. Rezension ohne Quellen-
angabe im Stadtarchiv Zürich, VII.12/22.1.1.22.
14 Ebd.
15 –tt.: Stadttheater: Im weissen Rössl.
28 Nils Grosch
16 Tadday, Ulrich: Vorwort. In: Im weißen Rössl. Zwischen Kunst und Kommerz. Hg. von Ul-
rich Tadday. München 2006, S. 3.
17 Vgl. die im Ralph-Benatzky-Archiv gesammelten Besprechungen, Akademie der Künste,
Berlin, Mappe 473.
18 So etwa die Vorarlberger Wacht, 25.2.1932 und der Feldkircher Anzeiger, 3.2.1932.
19 Badener Zeitung, 6.2.1932, Nr. 10, S. 3.
30 Nils Grosch
In: Im weißen Rössl. Zwischen Kunst und Kommerz. Hg. von Ulrich Tadday. München
2006, S. 59–80, hier: S. 59.
26 Traubner, Richard: Operetta: A Theatrical History. New York und London 1983, S. 307.
27 Siedhoff, Thomas: Handbuch des Musicals. Mainz 2007, S. 277; ders.: Aufstieg, Fall und
Emanzipation des deutschen Musicals. In: Die Rezeption des Broadwaymusicals in Deutsch-
land. Hg. von Nils Grosch und Elmar Juchem. Münster 2012, S. 43–60, hier: S. 46; vgl. auch
ders.: Benatzky: Im weißen Rößl (1930). In: Pipers Enyklopädie des Musiktheaters, Bd. 1.
München 1986, S. 264–265, hier: S. 264.
28 Österreichisches Theatermuseum, Nachlass Hans Müller, Box 2 (Korrespondenzen), vgl.
detailliert hierzu den Text von Grosch und Stahrenberg: »to make out of a small, plain co-
medy this great musical« in diesem Band, Quellennachweis in Fußnote 18.
32 Nils Grosch
33 Dostal, Nico: Ans Ende deiner Träume kommst Du nie. Berichte, Bekenntnisse, Betrachtun-
gen. Innsbruck und Frankfurt a.M. 1982, S. 247.
34 Ebd., S. 248: »Außer kulturellen und administrativen Verschiedenheiten zwischen dem
amerikanischen und dem deutschen Musiktheater bestehen auch noch Gegensätze, die in
der Mentalität des Publikums zu suchen sind.«
35 »Im weißen Rössl / Singspiel in drei Akten / (frei nach dem Lustspiel von Blumenthal und
Kadelburg) von Hans Müller und Erik Charell« (vgl. www.felix-bloch-erben.de, zuletzt ab-
gerufen am 30.1.2015)
36 Z.B. Die Studentengräfin oder Die stille Stadt (Leo Fall, Victor Leon u.a., 1913), Gold gab ich
für Eisen (Emmerich Kalman und Victor Hirschfeld, 1914), Das alte Lied (Granichstaedten,
1918) u.a.
37 1926 hatten Bruno Granichstaedten und Ernst Marischka ihr Bühnenwerk Das Schwalben-
nest als »Alt-Wiener Singspiel in 3 Akten« (veröffentlicht bei Karczag in Wien) veröffent-
licht; 1928 kündigte Franz Léhar seine in den 1770er-Jahren spielende Friederike als Sing-
spiel an, deren Protagonist Johann Wolfgang Goethe selbst Autor von Singspielen gewesen
war. Die ›Singspiele‹ Das Dreimäderlhaus (1916), Dichterliebe (1920) und Mozart auf der
Reise nach Prag (1921) nutzen Musik von Franz Schubert, Felix Mendelssohn bzw. Wolf-
gang Amadé Mozart.
38 Z.B. Ich hab mein Herz in Heidelberg verloren (Fred Raymond, Fritz Löhner u.a., 1927); Der
treue Musikant (Michael Krausz, Bruno Wradatsch, Fritz Rotter, 1929).
39 Jansen, Wolfgang: Auf der Suche nach Zukunft: Zur Situation der Operette in den ausgehen-
den Zwanziger Jahren. In: Aspekte des modernen Musiktheaters in der Weimarer Republik.
Hg. von Nils Grosch. Münster 2004, S. 27–72, hier: S. 47f.
34 Nils Grosch
40 Vgl. Grosch, Nils: Kurt Weill und das kommerzielle Musiktheater 1928–1933. In: Jahrbuch
des staatlichen Instituts für Musikforschung 2003. Stuttgart 2003, S. 265–295.
41 Jansen, Wolfgang: Auf der Suche nach Zukunft, S. 27.
42 Kowalke, Das goldene Zeitalter, S. 154.
43 Vgl. etwa die oben zitierte Überlegung von Nico Dostal.
44 Danuser, Hermann: Gattung. In: MGG2 Sachteil 3. Kassel u.a. 1995, Sp. 1042–1069.
45 Siedhoff: Handbuch des Musicals, S. 277.
46 Jansen: Auf der Suche nach Zukunft, S. 27.
36 Nils Grosch
47 Damit war die szenische Annäherung an die Dimensionen des »großen« Schauspielhauses
zumindest indirekt angedeutet; zugleich wurde aber ein rhetorisches Paradoxon aufge-
macht, steht doch die Operette ursprünglich als Kleinform der »Großen« Oper gegenüber.
Rollen.48 Kritiker nahmen damals das »Zerlegen« eines Opus »in eine Folge von
[zwölf] revueartigen Bildern«, bei dem, wie Oskar Bie über Charells Mikado-
Produktion von 1927 schrieb, »Intermezzi vor dem Vorhang entstehen, große
Aufzüge stattfinden, dekorative Arrangements sich abwechseln« mussten, als Re-
gieleistung wahr.49
Auch die Berliner Rößl-Produktion wurde von der Kritik primär als Revue ver-
standen. Das zeigt sich zum einen darin, dass das Werk als Ganzes insbesondere
als Leistung seines Regisseurs betrachtet wird: »Den großen, den unbestrittenen
Erfolg des Abends entschied C h a r e l l«, schrieb Edwin Neruda in der Vossischen
Zeitung; »Charells Regie […] unterjocht sich alles.«50 Zugleich werden die Einzel-
leistungen der Beteiligten des Produktionsteams ohne hierarchische Herausstel-
lung der Komponistenleistung besprochen, wobei in der Regel neben der Regie
mit Ausstattung und Beleuchtung visuelle Momente stärker als musikalische her-
vorgehoben werden. Die Höhepunkte wurden in den Momenten der Kumulation
sinnlicher Eindrücke wahrgenommen, wie es seinerzeit in Besprechungen von
Revuen die Regel war.51 Der Rezensent des Berliner Tageblatts, Erich Burger,
38 Nils Grosch