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Technische Universität Dresden

Philosophische Fakultät
Institut für Geschichte
Professur für sächsische Landesgeschichte

Sinn der Architektur – Die Symbolik der Hauptfassade


des Dresdner Land- und Steuerhauses als Spiegel einer ikonographischen Grundkonzeption
im Stil des Klassizismus?
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung ................................................................................................................................... 1
2. Das neue Land- und Steuerhauses .............................................................................................. 2
2.1 Der Ausgangspunkt ................................................................................................................ 2
2.2 Die Baugeschichte .................................................................................................................. 3
2.3 Nutzung des Gebäudes ........................................................................................................... 4
3. Analyse und Interpretation der Hauptfassade............................................................................. 5
3.1 Merkmale der klassizistischen Architektur ............................................................................ 5
3.2 Die Untergeschosse ................................................................................................................ 5
3.3 Der Mittelrisalit ...................................................................................................................... 6
3.4 Die Beletage und das Mezzanin ............................................................................................. 8
3.5 Zusammenfassung .................................................................................................................. 9
4. Fazit und Ausblick.................................................................................................................... 10
Literatur- und Abbildungsverzeichnis .............................................................................................. 12
1. Einleitung
Vor dreißig Jahren, am 26. Mai 1992, wurde die heute gültige sächsische Landverfassung
durch den sächsischen Landtag beschlossen, womit der Wiedergründungsprozess des Lan-
des Sachsen, als Ergebnis der friedlichen Revolution, erfolgreich beendet wurde. Eben jenes
Parlament gilt als einer der wichtigsten Erfolge der Wiedervereinigung in Sachsen und steht
in einer Tradition der Kontinuität dieser Institution, welche bis 1438 zurückreicht, als die
Landstände das erste Mal einberufen wurden, doch sich im Laufe der Jahrhunderte mehrmals
wandelte. Seitdem spielten die Landtage im Sachsen der frühen Neuzeit eine außerordentli-
che Rolle im kursächsischen Regierungs- und Verwaltungssystem, doch galten sie ebenso
als wichtiges Zentrum fundamentaler gesellschaftlicher Diskurse, wo über die Erhebung
neuer Steuern, Krieg und Frieden, usw. debattiert wurde.1

Bereits mit dem 2000 erschienenen Buch „Die drei Dresdner Parlamente“2 von Andreas
Denk und Josef Matzerath wurde ein Versuch initiiert, die sächsischen Landtage seit der
frühen Neuzeit hinsichtlich ihrer Bedeutung als „Indikatoren für die Entwicklung von der
ständischen zur pluralisierten Gesellschaft“3 zu untersuchen. Neben der Symbolhaftigkeit
des Procederes der Tagungen, inkl. Sitzordnungen, Zusammensetzung der einzelnen Frakti-
onen, etc., wurde insbesondere der symbolträchtigen Architektur, als Ausdruck der jeweili-
gen Geltungsansprüche und Selbstbildnisse der jeweiligen Zeit und des zugehörigen Land-
tagsbaus, Bedeutung zugemessen.

Vor allem das 1775 errichtete Land- und Steuerhaus ist, als erster fester Tagungssitz der
Landstände, von besonderem kunsthistorischem Interesse und mit der vorliegenden Arbeit
soll der Versuch einer Synthese aus historischen Rahmenbedingungen und Erkenntnissen
der Architekturtheorie geschehen, um nachzuvollziehen, inwieweit es sich um ikonographi-
sche Grundkonzeption im Sinne der klassizistischen Stilbewegung handelt, was für Gel-
tungsansprüche erhoben wurden und welches Selbstverständnis mit dieser Art Gestaltung
der Hauptfassade sowie der damit eng verknüpften Platzierung der Tagungsräume der drei
Corpora im Gebäude einhergeht. Dafür sollen im Folgenden zunächst die

1
Vgl. Israel, U. / Matzerath, J.: Geschichte der sächsischen Landtage, Ostfildern/Dresden 2019, S. 12-20. Siehe
dazu: Blaschke, K.: Landstände, Landtag, Volksvertretung. 700 Jahre politische Mitbestimmung im Lande
Sachsen, in: Blaschke, K. (Hrsg.): Begleitheft zur Ausstellung 700 Jahre politische Mitbestimmung in Sach-
sen, Dresden 1994, S. 7-10.
2
Denk, A. / Matzerath, J.: Die drei Dresdner Parlamente. Die sächsischen Landtage und ihre Bauten: Indika-
toren für die Entwicklung von der ständischen zur pluralisierten Gesellschaft, Wolfratshausen 2000.
3
Ebd..

1
Rahmenbedingungen des Neubaus erklärt werden, bevor dazu übergegangen wird, einzelne
Bestandteile der Fassade zur Pirnaischen Gasse hin (heutige Landhausstraße) genauer auf
eine ikonographische Grundkonzeption zu analysieren.

Dazu sollen neben dem bereits genannten Werk, weitere Arbeiten Josef Matzeraths als
Grundlage dienen, welcher sich intensiv mit der Parlamentsgeschichte in der frühen Neuzeit,
insbesondere in Sachsen, auseinandersetzte. Als Hauptquelle wird, entsprechend der The-
matik, die nach dem zweiten Weltkrieg restaurierte Hauptfassade des Dresdner Land- und
Steuerhaus verwendet werden.

2. Das neue Land- und Steuerhauses


Im Folgenden sollen zunächst die Rahmenbedingungen erläutert werden, welche zum Bau
des neuen Landtages führten, um daraufhin die bauliche Entwicklung darzulegen.

2.1 Der Ausgangspunkt


„ ‚Mit dem überaus großen Elend und Unvermögen, welches der leidige, beinahe sieben
Jahre fortdauernde Krieg‘4 in Stadt und Land angerichtet habe, sei keine vorher verlangte
Kriegskontribution zu vergleichen.“5

Mit dem Ende des augusteischen Zeitalters 1763 und dem im gleichen Jahr beendeten 7-
jährigen Krieg stand Sachsen mit 40 Millionen Talern Schulden vor dem finanziellen Ruin,
weshalb der Kurfürst Friedrich August sowie dessen allmächtiger Premierminister Graf von
Brühl eine Restaurationskommission mit der Aufgabe eines sächsischen Rétablissement ein-
setzten und, nach 14 Jahren ohne eine Versammlung und eigenmächtiger Erhebung von
Steuern, gezwungen waren, die Stände einzuberufen. Die Ursache dafür dürfte jedoch nicht
nur in einer höheren Kreditwürdigkeit der Landstände gegenüber den Fürsten im 18 Jahr-
hundert liegen, sondern auch dem Interesse geschuldet sein, sich deren politischen Rückhalt
für die kommende Staatsreform zu sichern.6

Die Pirnaische Vorstadt litt massiv unter dem Bombardement der Preußen 1760 und lag
weitgehend in Trümmern, wovon auch das ehemalige Flemmingsche Palais nicht verschont

4
SächsHStA, Sächsische Landstände, Nr. 90a und b Akten, 12. Nov. 1763, zit. nach: Matzerath, Josef: Aspekte
sächsischer Landtagsgeschichte, Dresden 1998, S. 24.
5
Vgl. Matzerath, J. 1998, S. 24-30.
6
Vgl. ebd., S.24. Für genauere Informationen zur Staatreform, eines sogenannten „kursächsischen Rétablisse-
ments“: Matzerath, J.: „Pflicht ohne Eigennutz“. Das kursächsische Rétablissement: Restauration einer Stän-
degesellschaft, in: Neues Archiv für sächsische Geschichte; 66(1995), Seite 157-182.

2
blieb. Ebenso das ehemalige Steuerhaus in der Moritzstraße war weitgehend zerstört und da
die geplanten Reformmaßnahmen eine gut funktionierende Steuerverwaltung implizierte,
wurde den Ständen das Palais vom Administrator und Onkel des späteren Königs Friedrich
August III. zur Erbauung eines Land- und Steuerhauses geschenkt.7

Bereists an der Wahl dieses Bauortes ist besonders, dass sich nicht an den städtebaulichen
Leitbildern der Zeit orientiert wurde, was einen Bau am ebenso zerstörten Neumarkt impli-
ziert hätte, und man trat auch nicht in die Tradition der repräsentativen, wettinischen Hofar-
chitektur des sächsischen Barocks, was ebenso möglich gewesen wäre, da das Gelände rund
um Zwinger, Schloss und Hofkirche genug unbebauten Raum hätte bieten können. Der
Grund dafür dürfte wohl in der desaströsen ökonomischen Situation liegen, welche die Land-
stände zu einer kostengünstigeren Alternative zwang.8

2.2 Die Baugeschichte


Zunächst suchten die Stände den Architekten Georg Rudolf Fäsch, Sohn des Architekten des
ehemaligen Flemmingschen Palais, auf, dessen Plan eine Weiterverwendung der erhalten
gebliebenen Fassaden und weiterer Teile vorsah. Dies stieß jedoch, aufgrund der reichen,
kriegerischen Verzierungen mit Hinblick auf die neue Nutzung, bei den Landständen, neben
einigen weiteren Punkten, eher auf Ablehnung, weshalb sein Plan nicht weiterverfolgt
wurde. Weiterhin legten auch der Hofbaumeister Friedrich August Krubsacius und der Ober-
landbaumeister Christian Friedrich Exner jeweils Pläne vor. Doch wurde der Plan des Hof-
baumeisters ebenso so schnell verworfen, doch lag dies neben den horrenden Kosten seiner
Planung, welche fast doppelt so hoch waren wie die des Plans von Exner, insbesondere am
Verstoß gegen das decorum9, indem zum Beispiel der allgemeinen Ritterschaft ein prestige-
trächtigerer Raum zugeordnet wurde als dem engeren und weiteren Ausschuss dieser.10

Eigentlich sollte demnach der Plan Exners verfolgt werden, doch verzögerte sich das Bau-
vorhaben immer wieder wegen der noch nicht konsolidierten ökonomischen Situation und
das Einsetzen des Oberkammerherrn Ludwig Siegfried Vitzthum von Eckstädt, als Leiter

7
Vgl. Reike, L.: Die Geschichte des Dresdner Landhauses und seines Baumeiesters Friedrich August Krubsa-
cius, in: Stadtmuseum Dresden (Hrsg.): Dresdner Geschichtsbuch (Bd. 10), Dresden 2004, S.132-137; Mat-
zerath, J. 1998, S.45-46.
8
Vgl. Matzerath, J. 1998, S. 45-46; Denk, A. / Matzerath, J. 2000, S. 52.
9
Der Begriff des „Decorum“ bezeichnet ein Prinzip der Schicklichkeit und des Angemessenen, was in diesem
Zusammenhang insbesondere auf die, dem jeweiligen Stand, angemessene architektonische Repräsentation
verweist. Vgl. Wilkinson, P.: 50 Schlüsselideen Architektur, Heidelberg 2013, S.38.
10
Vgl. Meinert, G.: Zur Baugeschichte des Dresdner Landhauses, in: Sächsische Heimatblätter; 12(1966), S.
149-150; Denk, A. / Matzerath, J. 2000, S. 52-59.; Reike, L. 2004, S. 137-139.

3
der zuständigen Baukommission und architektonischer Dilletant, brachte 1770 eine erneute
Wendung. Aus den vorgelegten Plänen arbeitete er eine kostengünstigere Alternative aus,
übernahm, als Freund und Gönner des Hofbaumeisters, fast vollständig seine Ideen zur
Hauptfassade und machte Krubsacius zum leitenden Baumeister. Auf das Wirken von
Vitzthum von Eckstädt ist auch der Ankauf der Jacobische Brandstelle zurückzuführen, was
der Erfüllung des Raumbedarfs dienen sollte, doch auch eine neue Berechnung der Propor-
tionen implizierte.11

Bereits bei diesem langen Prozess der Findung und Ausarbeitung eines finalen Plans merkt
man, dass die Landstände diesem Projekt, trotz der schwierigen ökonomischen Lage, eine
gewisse architektonische Bedeutung beimaßen. Sie waren sich wohl darüber im Klaren, dass
sie vor der Aufgabe standen, einen „[…] geeigneten architektonischen Ausdruck zu finden
[…]“12, welcher der Doppelfunktion des Gebäudes als Steueramt, aber auch als Tagungsort
der drei Corpora, der Wahrnehmung durch die Gesellschaft und dem Kurfürsten als öffent-
liches Gebäude und nicht zuletzt der Binnenhierarchie der Landstände entspricht.13

2.3 Nutzung des Gebäudes


Nach fünf Jahren Bauzeit beendete Krubsacius 1775 mit dem neuen Land- und Steuerhaus
seinen ersten aber auch letzten Auftrag dieser Größe und Bedeutung14.

Im September des gleichen Jahres bezog bereits das Obersteuerkollegium und das Archiv
die unteren beiden Etagen und am 16. Oktober traten die Landstände das erste Mal zu einer
Tagung zusammen. In der zweiten Etage befanden sich die Tagungsräume der ersten beiden
Corpora der Landstände: die Prälaten, Grafen und Herren sowie die Abgeordneten der Uni-
versitäten als erste Kammer und die Ritterschaft als zweite. Im dritten Geschoss traten die
Vertreter der dritten Körperschaft, die Städte, zusammen.15

Diese Raumverteilung unterlag keinem Zufall, sondern korreliert insbesondere mit den Aus-
führungen des folgenden Kapitels.

11
Vgl. Meinert, G. 1966, S. 151-153; Denk, A. / Matzerath, J. 2000, S. 66-68.; Reike, L. 2004, S. 138-139.
12
Denk, A. / Matzerath, J. 2000, S. 54.
13
Vgl. Denk, A. /Matzerath, J. 2000, S.54.
14
Vgl. Reike, L. 2004, S.144; Knobelsdorf, T.: Hofbaumeister ohne Hofbauten. Friedrich August Krubsacius
und sein Wirken im ‚öffentlichen‘ Bauwesens Dresdens, in: Vogel, G.-H. (Hrsg.): Friedrich August Krubsacius
1718-1789. Der sächsische Hof- und Oberlandbaumeister und seine Beziehungen ins Zwickauer Muldenland,
Berlin 2021, S. 97-98.
15
Vgl. Denk, A. Matzerath, J. 2000, S.73; Reike, L. 2004, S.145-146.

4
3. Analyse und Interpretation der Hauptfassade
Das Dresdner Land- und Steuerhaus gilt als das erste Gebäude in Dresden, welches der
kunstgeschichtlichen Epoche des Klassizismus zuzuordnen ist, wobei an dieser Stelle hin-
zugefügt werden muss, dass hierbei die Kunstepoche von etwa 1770-1830 gemeint ist16. Im
Folgenden soll daher zunächst eine kurze Erläuterung der Klassizistischen Architektur er-
folgen, der sich eine Analyse und Interpretation besonderer Elemente der Hauptfassade des
Land- und Steuerhauses anschließt, um schlussendlich zu evaluieren, inwieweit hier eine
ikonographische Grundkonzeption im Sinne des Klassizismus vorliegt.

3.1 Merkmale der klassizistischen Architektur


Als fundamentale theoretische Grundlage diente die klassische Architekturtheorie mit den
zehn Büchern über die Architektur des Vitruv, welche auch von Krubsacius rezipiert wur-
den17, womit die klassizistische Architektur an die antike Formenwelt anknüpft. In seiner
Frühphase diente dieser Stil insbesondere der Abgrenzung zum Barock bzw. Rokoko und
zeichnet sich durch strenge und schlichte Formensprache, „Einfachheit, Klarheit und Schön-
heit der Proportionen“18 und Symmetrie aus. Die Architektur verfolgte Zweckmäßigkeit und
die damit zurückhaltende Eleganz erlaubte lediglich Pilasterordnungen und Gesimse als
Gliederungsmöglichkeiten. Das Ziel bestand darin, in Abhängigkeit von der Aufgabe und
der damit verbundenen impliziten Aussage, auf den Betrachter zu wirken und bestimmte
Emotionen hervorzurufen.19

3.2 Die Untergeschosse


Die zu besprechende Hauptfassade ist in zwei Teile gegliedert, wobei die beiden Unterge-
schosse, in welchen sich die Steuerverwaltung und das Archiv befand, den Sockel für die
beiden darüber liegenden Etagen der Landstände bildeten.20

16
Vgl. Koch, W.: Baustilkunde: das Standardwerk zur europäischen Baukunst von der Antike bis zur Gegen-
wart, Gütersloh / München 2013, S. 265-266.
17
Vgl. Schlechte, M. 1987, S. 16-18.
18
Fillitz, H.: Was verstehen wir unter klassisch und Klassizismus?, in: Bulletin de la Classe des lettres et des
sciences morales et politiques 108 (2007), S. 329.
19
Vgl. Dolgner, D.: Die Architektur des Klassizismus in Deutschland, Dresden 1971, S. 17-29; Koch, W. 2013,
S. 264-271.
20
Vgl. Reike, L. 2004, S. 142; Meinert. G. 1966, S. 154.

5
Bewundernswert für ein
öffentliches Gebäude, wel-
ches als Tagungsort der
Landstände ein gewisses
Prestige ausstrahlen sollte,
ist der rustizierte Sockel-
bau mit der für den Hof-
baumeister charakteristi-
schen Lisenengliederung.
Abbildung 1 rustizierter Sockelbau mit charakteritischer Lisenengliederung
Damit verfolgte Krubsa-
cius das Ziel einer optischen Abgrenzung zwischen den unterschiedlichen Nutzungsformen
des Bauwerks auf der einen Seite, doch strahlt auch dieser Teil die erstrebte maßvolle, antike
Eleganz aus.

Entsprechend der Nutzung ist die Raumdisposition auf Funktionalität und Zweckmäßigkeit
ausgelegt, wobei die Räumlichkeiten durch einen zentralen Flur separat voneinander ab-
grenzt wurden.21

3.3 Der Mittelrisalit


Der in die Pirnaische Gasse hinausragende fünfachsige Ge-
bäudeteil, ein sogenannter Mittelrisalit, ist das wohl auffäl-
ligste Merkmal der Architektur des Land- und Steuerhau-
ses. Risaliten dienen im Allgemeinen der Gliederung eines
Bauwerks, aber auch der Hervorhebung wichtiger Gebäu-
debestandteile wie zum Beispiel repräsentative Räume22.
Es ist demnach auch kein Zufall, dass gerade die einfluss-
reichste Collegia, der engere Ausschuss der Ritterschaft,
den repräsentativsten aller Räume, welcher direkt über
dem mächtigen Portikus ruhte und als einziger Raum einen
Balkon, einen sogenannten Altan hat, für ihre Tagungen
erhielt.23

Abbildung 2 Mittelrisalit mit Peristyl

21
Vgl. Denk, A. / Matzerath, J. 2000, S. 74-75.
22
Vgl. Koch, W. 2013, S. 479.
23
Vgl. Matzerath, J. 1998, S. 50.

6
Das Werk Krubsacius’s zeichnet sich eigentlich durch das Aussparen großer Säulen unter
der Vorliebe zu Pilastern und Lisenen aus24. Im Gegensatz dazu steht das Peristyl mit den
sechs toskanischen Säulen und den runden Fenstern des Mittelrisalits, welche das rundbo-
gige Hauptportal umrahmen, wobei den Plänen zu entnehmen ist, dass der Hofbaumeister
zunächst nur zwei Säulen ohne Anlage eines Peristyls wollte.25 Hier zeigt sich der Einfluss
des Kurfürsten als eigentlicher Bauherr und Auftraggeber, da sein Wunsch nach einem Pe-
ristyl und der Ergänzung vier weiterer Säulen eine Umplanung der Fassade erforderte und
nur das Portal der Hoffront zeugt, wenn man von der barocken Gestaltung der Fassade ab-
sieht, von der eigentlichen Intention des Architekten26.

Die toskanischen Säulen sind eine Art Modifizierung der


dorischen Ordnung nach hellenistischer Tradition, mit
dem Unterschied, dass sie, im Unterschied zur dorischen,
über eine Basis in Form eines Piedestals verfügen.27 Der
Lehre des Vitruv entsprechend bleiben sie ohne eine Form
der Dekoration und stehen auch in einem perfekten Ver-
hältnis der Proportionen hinsichtlich ihres Säulenschaft-
durchmessers zur eigentlichen Höhe der Säulen. Hier zeigt
sich mit welcher Perfektion Krubsacius seine eigenen the-
oretischen Anschauungen in die Praxis umsetzt und der
sich entwickelnden Stilbewegung des Klassizismus folgt.
Abbildung 3 Toskanische Säule mit Pie-
destal

Die Inschrift über dem


Peristyl aus feuervergol-
deten Kupferbuchstaben
bleibt die zentrale Deko-
ration der gesamten
Hauptfassade. In ihr steht
Abbildung 4 Inschrift aus feuervergoldeten Kupferbuchstaben

24
Vgl. Meinecke, A.: Zu den Wiederaufbau-Entwürfen von F. A. Krubsacius für die Hauptwache am Dresdner
Neumarkt, in: Vogel, G.-H. (Hrsg.): Friedrich August Krubsacius 1718-1789. Der sächsische Hof- und Ober-
landbaumeister und seine Beziehungen ins Zwickauer Muldenland, Berlin 2021, S. 136.
25
Vgl. Denk, A. / Matzerath, J. 2000, S. 57.
26
Vgl. Meinert, G. 1966, S. 156; Reike, L. 2021, S. 157.
27
Vgl. Koch, W. 2013, S. 32.

7
„CVRIA. ORDD. SAX. FRID. AVG. EL. P. P. FAC. CVRAV. MDCCLXX., was aus dem
abgekürzten Latein übersetzt, „Haus der Stände Sachsens. Friedrich August, Kurfürst, Vater
des Vaterlandes ließ es 1775 erbauen“ heißt. Dies wirkt zwar würdevoll und trägt der Re-
präsentationskraft eines solchen bedeutenden öffentlichen Gebäudes zu, doch steht es der
Maxime der Einfachheit konträr gegenüber, da wohl kaum jemand die Inschrift verstanden
haben dürfte.28 Der Inschrift in Korrespondenz zum ganzen Bauwerk kommt somit wohl
eine eher bedeutende symbolische Funktion der wechselseitigen Verpflichtung zu. Während
den Ständen ein außergewöhnlich repräsentatives Gebäude zukam, welches insbesondere
durch die barock-klassizistische Hofseite deutlich wird, so verdeutlicht die Inschrift „[…]
den Wunsch des Fürsten nach der Mitwirkung der Ständeversammlung an den Angelegen-
heiten des Landes.“29 Damit zeigt sich, welche Stellung der Landesherr bzw. die Gesellschaft
dieser Institution beimaß.

3.4 Die Beletage und das Mezzanin


Getrennt durch einen
schlichten Gurtsims be-
finden sich oberhalb des
Sockelbaus die beiden
Obergeschosse, wo bis
1907 die Landstände
Abbildung 5 Beletage und Mezzaningeschoss mit ionischer Pilasterodrnung bzw. Kammern tagten.

Außergewöhnlich ist bereits die Lage der Beletage im zweiten Geschoss, was auch durch
das Kollegium in ihrer Begründung zur vormaligen Ablehnung des Entwurfes von Krubsa-
cius Erwähnung fand.30 Der Hofbaumeister begründete diese Entscheidung damit, dass die
Einziehung des Mezzaningeschosses, wo sich die Tagungsräume der Städte befanden, un-
entbehrlich sei für die Repräsentation als öffentliches Gebäude, da diese höher sein müssten
als die ordinären Bürgerhäuser. Ebenso würde die geringere Höhe die Wirkung der dorischen
Säulenordnung des Mittelrisalits und die ionischen Kolossalpilaster geschmälert werden31.
Gleichzeitig spiegelt sich die unterschiedlich prestigeträchtige Unterbringung der drei

28
Vgl. Reike, L. 2004, S.142; Matzerath 1998, S. 48.
29
Matzerath, J. 1998, S. 48.
30
Vgl. Denk, A. / Matzerath, J. 2000, S. 63.
31
Vgl. Denk, A. / Matzerath, J. 2000, S. 61-62; weitere Informationen zu den Säulenordnungen des Vitruv in:
Wilkinson, P. 2013, S. 4-7.

8
Corpora auch nach außen wieder und Passanten können allein durch Betrachten die Hierar-
chie und die Geltungsansprüche der einzelnen Corpora erkennen.

Hierbei könnte die Frage aufkommen, warum Krubsacius plötzlich die ionische, also die
weibliche, Säulenordnung wählte und nicht die dorische bzw. toskanische, welche eher den
architekturtheoretischen Anschauungen des Hofbaumeisters entsprechen würde. Doch be-
reits Günther Meinert schreibt dazu, dass diese Entscheidung erst durch das Wirken
Vitzthums von Eckstädt fiel, da diese kostengünstiger sei sowie leichter aussähe, und
Krubsacius zunächst eine tuskische Großordnung anstrebte.32 Die ionische Pilasterordnung
dient gleichzeitig auch der Fensterrahmung, welche dem von außen betrachtenden Passanten
die differente Prestigeträchtigkeit der beiden Geschosse vor Augen führen soll. Während die
Rechteckfenster des oberen Mezzaningeschosses klein und fast quadratisch wirken, so sind
die Fenster der piano noble fast zwei Mal so hoch sowie im Bereich des Altans zudem rund-
bogig und mit zusätzlichen Segmentbögen ausgestaltet.

Da sich ein weiteres Kapitel nicht lohnt, soll hier noch die Auseinandersetzung mit dem
Dach geschehen. Die viergeschossige Hauptfassade schließt mit einem Mansardwalmdach,
welche im Gegensatz zum einfachen deutschen Dach des Anbaus steht, womit dieser in
Kombination mit seiner grauen Farbe gegenüber dem Hauptgebäude in Paillegelb in den
Hintergrund rückt. Im Unterschied zum restlichen Bauwerk griff man bei der Wahl der Fens-
ter auf Ochsenaugen- und Mansardkappfenster zurück.33

3.5 Zusammenfassung
Zusammenfassend muss gesagt werden, dass es sich bei dem Dresdner Land- und Steuerhaus
vor allem um ein Werk des Krubsacius handelt, doch darf auch nicht ignoriert werden, dass,
neben dem Haupteinfluss des Hofbaumeisters, Einzelheiten auch durch das Wirken
Vitzthums und des Kurfürsten, als architektonischer Laie, bestimmt wurden.34 Dies nimmt
auch Einfluss auf die Antwort der gestellten Frage, denn betrachtet man, wie in dieser Arbeit
geschehen, nur die Hauptfassade, so kommt man zu dem Schluss, dass man die Frage nach
einer ikonographischen Grundkonzeption im Stil des Klassizismus bejahen kann. Krubsa-
cius strebte eine Imitation „[…] der edlen Einfachheit und Größe der Antike […]“ 35 inklu-
sive des Aussparens jeder Form von Schmuckelementen, was dieses zweckmäßige Bauwerk

32
Vgl. Meinert, G. 1966, S. 156; Denk, A. / Matzerath, J. 2000, S. 79-81.
33
Vgl. Denk, A. / Matzerath, J. 2000, S. .
34
Vgl. Meinert, G. 1966, S. 156-159.
35
Meinert, G. 1966, S. 158.

9
an den Beginn der klassizistischen Stilbewegung in Sachsen stellt. Insbesondere in seinen
ersten Entwürfen und den bei Andreas Denk und Josef Matzerath ausgewählten Passagen
aus der Begründung Krubsacius’s zu seinem ersten Entwurf wird deutlich, dass der Hofbau-
meister seine architekturtheoretischen Anschauungen, welche heute dem Klassizismus zu-
geordnet werden, in die Praxis umsetzen wollte. 36

Wenn man jedoch auch andere Teile des Gebäudes hinzuzieht, was jedoch den Rahmen
gesprengt hätte, so fällt die Spannung zwischen barocken und klassizistischen Elementen
auf. So steht zum Beispiel die Fassade der Hofseite, welche heute in Richtung der Wilsdruf-
fer Straße zeigt, eher in der Tradition barocker bzw. barock-klassizistischer Fassadengestal-
tung, ebenso wie das Treppenhaus noch weitgehend Züge der vorangegangenen Stilbewe-
gung aufweist. Es denkhandelt sich also nicht bei dem gesamten Gebäude um ein Werk,
welches dem Klassizismus zuzuordnen ist, was einerseits dem geschuldet ist, dass Krubsa-
cius am Anfang dieser Stilbewegung stand, wodurch sich Züge des Übergangs abzeichnen,
und andererseits liegt es an dem bereits geschilderten Einfluss weiterer Personen37.

4. Fazit und Ausblick


Friedrich August Krubacius gilt bis heute als einer der bedeutendsten Architekturtheoretiker
der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Sachsen und als einer der ersten Vertreter des
Klassizismus in Sachsen schuf er mit dem Neubau des Land- und Steuerhauses sein Opus
Magnum.38

Doch besteht ein Kontrast zwischen den öffentlichen Bild Krubsacius’s und seinem tatsäch-
lichem Wirken, da viele seiner Arbeiten, sowohl öffentlicher als auch privater Art, auf dem
Papier blieben und nicht zur Ausführung kamen. Selbst die weitere Gestaltung des Landhau-
ses in den beginnenden 1780er Jahren sind nicht seinem, sondern dem Wirken seines Schü-
lers Gottlob August Hölzers39, was jedoch auch an seinem zunehmend schlechter werdenden
Gesundheitszustand, infolge eines Schlaganfalls, liegen könnte, an dessen Folgen er am 28.
November 1789 verstarb.40

36
Vgl. Denk, A. / Matzerath, J. 2000, S. 59-62
37
Vgl. Meinert, G. 1966, S. 156-159; Knobelsdorf, T. 2021, S. 93.
38
Schlechte, M.: Kunst- und architekturtheoretische Anschauungen im zweiten Drittel des 18. Jahrhunderts.
Zum kunst- und architekturtheoretischen Umfeld Johann Christoph Knöffels und Friedrich August Krubsa-
cius‘, in: Dresdner Hefte 5 (1987), S. 18.
39
Vgl. Knobelsdorf, T. 2021, S. 98-108.
40
Vgl. Reike, L. 2004, S.144-145.

10
Trotzdem zeigte er insbesondere mit Gliederung und Gestaltung der hier besprochenen
Hauptfassade, welche bezaubernde und effektvolle Wirkung die zurückhaltende Eleganz der
klassizistischen Stilbewegung entfalten kann. Der Verzicht auf fast jegliche Form der Deko-
ration, die Suche nach der angemessenen Wirkung durch perfektionierte Proportionen der
einzelnen Elemente, anhand derer die Funktion der jeweiligen Gebäudeteile für jeden deut-
lich wird, zeigt, dass Friedrich August Krubsacius ein honorabler Platz neben den anderen
großen Architekten seiner Zeit gebührt.

Mit dem Wirksamwerden der Verfassung von 1831, veränderte sich mit der neuen Zusam-
mensetzung des Landtages in zwei Kammern auch die Aufteilung der Räumlichkeiten, was
einen Umbau des Inneren nötig machte. Der Bau der König-Johann-Straße brachte Ende des
19. Jahrhunderts nicht nur eine Verkleinerung des Hofes, sondern auch eine Verschiebung
der Bedeutsamkeit der ehemaligen Hauptfassade, da das Hofportal als Haupteingang genutzt
wird. Infolge des Umzugs in den neuen Landtag an den Brühlschen Terrassen, wurde das
Land- und Steuerhaus verschiedenen Funktionen zugeführt, bis es im Februar 1945 durch
die alliierten Bombenangriffe vollständig ausbrannte. Knapp 20 Jahre später erfolgte der
Wiederaufbau als Stadtmuseum, wobei die zunehmende Bedeutung der heutigen Wilsdruffer
Straße, wieder das ehemalige Hoftor als Haupteingang in Erscheinung treten lässt. Erst mit
den Modernisierungsarbeiten im Jahr 2006 und der erneuten Nutzung des ehemaligen Haupt-
portals kommt nun auch der Hauptfassade wieder eine höhere Bedeutung zu.41

41
Vgl. Reike, L. 2004, S. 145-154.

11
Literatur- und Abbildungsverzeichnis

Literaturverzeichnis

Monographien

Denk, A. / Matzerath, J.: Die drei Dresdner Parlamente. Die sächsischen Landtage und ihre
Bauten: Indikatoren für die Entwicklung von der ständischen zur pluralisierten Gesellschaft,
Wolfratshausen 2000.

Dolgner, D.: Die Architektur des Klassizismus in Deutschland, Dresden 1971.

Israel, U. / Matzerath, J.: Geschichte der sächsischen Landtage, Ostfildern/Dresden 2019.

Koch, W.: Baustilkunde: das Standardwerk zur europäischen Baukunst von der Antike bis
zur Gegenwart, Gütersloh / München 2013.

Matzerath, J.: Aspekte sächsischer Landtagsgeschichte, Dresden 1998.

Wilkinson, P.: 50 Schlüsselideen Architektur, Heidelberg 2013.

Aufsätze

Blaschke, K.: Landstände, Landtag, Volksvertretung. 700 Jahre politische Mitbestimmung


im Lande Sachsen, in: Blaschke, K. (Hrsg.): Begleitheft zur Ausstellung 700 Jahre politi-
sche Mitbestimmung in Sachsen, Dresden 1994, S. 7-16.

Knobelsdorf, T.: Hofbaumeister ohne Hofbauten. Friedrich August Krubsacius und sein
Wirken im ‚öffentlichen‘ Bauwesens Dresdens, in: Vogel, G.-H. (Hrsg.): Friedrich August
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Zeitschriftenartikel

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Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: rustizierter Sockelbau mit charakteritischer Lisenengliederung (eigene
Darstellung) ........................................................................................................................... 6
Abbildung 2: Mittelrisalit mit Peristyl (eigene Darstellung) ................................................ 6
Abbildung 3: Toskanische Säule mit Piedestal (eigene Darstellung) ................................... 7
Abbildung 4: Inschrift aus feuervergoldeten Kupferbuchstaben (eigene Darstellung)......... 7
Abbildung 5: Beletage und Mezzaningeschoss mit ionischer Pilasterodrnung (eigene
Darstellung) ........................................................................................................................... 8

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