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Der Wortschatz jeder Person kann grob in Der vorliegende Grundwortschatz Deutsch
einen Verstehenswortschatz (rezeptiver als Zweitsprache für die 1.– 4. Klasse um-
Wortschatz) und einen Mitteilungswortschatz fasst ca. 4000 Wörter. Bei allen Grund-
(produktiver Wortschatz) aufgeteilt werden. wortschatzlisten geht es in der Regel um
Den Verstehenswortschatz brauchen wir, um den produktiven Wortschatz, mit dem eine
mündliche und schriftliche Texte zu verste- Person mehr als nur ihren Alltag kommu-
hen. Den Mitteilungswortschatz rufen wir ab nikativ bewältigen kann. Wenn man be-
beim Sprechen und Schreiben. Früher denkt, dass das ganze Werk von Hermann
sprach man von «aktivem» und «passivem» Hesse 15 000 verschiedene Wörter ent-
Wortschatz. Diese Begriffe sind jedoch irre- hält, können wir mit gutem Grund anneh-
führend: Auch der so genannte «passive» men, dass Menschen mit einem produkti-
Wortschatz verlangt von den Lernenden eine ven Wortschatz von 4000 Wörtern wahr-
aktive Verstehensleistung. scheinlich Hesse verstehen können. Natür-
Der Verstehenswortschatz schliesst den lich braucht es nebst dem Wortschatz
auch noch das nötige Weltwissen, um
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Mitteilungswortschatz ein und ist somit im-
mer grösser. Erfahrungsgemäss versteht Hermann Hesse verstehen zu können.
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man in einer Sprache etwa 4- bis 5-mal mehr Die Grenzen zwischen dem produktiven
Wörter, als man selbst produzieren kann. und dem rezeptiven Wortschatz sind nicht
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Die Grösse des Mitteilungswortschatzes ist fix. Ein Wort kann vom rezeptiven zum
je nach Alter, Bildungsniveau und Sprach- produktiven Wortschatz wechseln und bei
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Bereich Deutsch als Fremdsprache für Er- rezeptiven Wortschatz zurückfallen. Ein
wachsene gilt ein Umfang von 4000 Wörtern Beispiel dafür sind Fachausdrücke. Wer
als ein erweiterter Grundwortschatz. Ein ein- nach der Schul- bzw. Ausbildungszeit
facher Grundwortschatz für Erwachsene nichts mehr zu tun hat mit Mathematik,
umfasst 2000 Wörter (siehe dazu: Grund- wird Wörter wie «Gleichung», «Quadrat-
wortschatz Deutsch als Fremdsprache, Lan- wurzel» oder «Subtraktion» wohl verste-
genscheidt, München 1991). hen, aber kaum noch benützen.
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Unser Gedächtnis speichert die Wörter in Jedes Netz und vor allem die assoziativen
einem komplizierten netzartigen Ordnungs- und die affektiven Netze unterscheiden sich
system. Die Wörter stehen in vielfältigen je nach individuellem Erfahrungs- und Kul-
Beziehungen zueinander. Jedes Wort ist turhintergrund. Ein Stadtkind aus Kleinbasel
gleichzeitig ein Element in verschiedenen assoziiert zum Wort «Berge» ganz andere
Ordnungsklassen, die miteinander vernetzt Erfahrungen als ein Landkind aus dem Kan-
sind. Einige Beispiele: ton Graubünden. Der süsse Kuschelhund
von Annina hat wenig zu tun mit dem grim-
migen Hofhund auf dem Bauernhof von Su-
Begriffsnetz
ads Onkel in Albanien.
Klassifizierung: Das Wort Hund ist ein Un-
terbegriff der Domäne Haustier, welche
wiederum in der Domäne Tier erscheint. Aufgrund dieser Einteilung in netzartige
Strukturen ist jedes Wort gleichzeitig in ver-
Reihenbildung: munter, müde, erschöpft
schiedenen Teilnetzen eingeordnet.
Wortfamilie: reisen: ab-reisen, die Reise,
Das Wort Migrant gehört
ver-reisen
• zum Begriffsnetz: Mann, Mensch
Wendungen: klipp und klar, durch dick und
• zur Wortfamilie: Migration, migrieren
dünn
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Synonyme / Antonyme: lieb/nett, ren- • zum assoziativen Netz: Arbeit, fremd,
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nen/laufen, heiss/kalt, schnell/langsam Flüchtling, Aufenthaltsbewilligung,
Fremdenpolizei
Klangnetz: trinken, trank, getrunken
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Assoziatives Netz
• zum affektiven Netz: benachteiligt, Un-
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Ganzheitliche Wortschatzarbeit
vorkommen und verschiedene Wahrneh- chem Masse. Im Unterricht kann der Wort-
mungskanäle beim Lernen beteiligt sein. schatzerwerb erheblich unterstützt werden,
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Die Tabelle zeigt, wie effizient die Wörter wenn alle Wahrnehmungskanäle angespro-
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• «Montagsmaler» • Karussell-Spiel
• «Memory» • Bewegungs-Diktat
• Wortigel
Um ein Wort richtig zu lernen und korrekt zu dem Bildschirm ist fett, die Banknach-
benutzen, muss das Kind viele zusätzliche barin aber dick
Informationen dazu abspeichern. • wie das Wort geschrieben wird
Es muss wissen • welches grammatikalische Geschlecht
• wie das Wort ausgesprochen wird es hat
• welche verschiedenen Bedeutungen
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das Wort haben kann In seltenen Situationen kann ein Wort nach
Ton: Material im Werken oder Klang in
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• welchem Register das Wort zuzuord- Wort prägt sich ein, weil das Kind emotional
nen ist: «Du bist blöd» mag auf dem stark beteiligt ist, und es erinnert sich dem-
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Pausenplatz angehen, gegenüber der zufolge nicht nur an das Wort, sondern auch
Lehrerin ist es besser nicht anzuwen- an seinen Klang und die Situation, in der es
den. dem Wort begegnet ist. In der Regel aber
• in welchem Anwendungsbereich das muss ein Wort bis zu 50-mal in unterschied-
Wort zu benutzen ist: die Schrift auf lichen Situationen erlebt werden, bis es zum
Mitteilungswortschatz vordringt. Dies macht
unter anderem deutlich, wie wichtig das
© IIK Institut für Interkurturelle Kommunikation, Zürich, 2006 • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • 4
NW EDK netzwerk sims Sprachförderung in mehrsprachigen Schulen • • • • • • • • • • • • • • • • • • • • •
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chendes Kind stellt sich unter dem Wort «il das Kind neuen Wörtern in möglichst ver-
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libro» anderes vor als unter dem Wort «das schiedenen Situationen begegnet und es
Buch». Dieses Lernverhalten erklärt auch, Gelegenheit zum Abrufen der Wörter hat
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Phase 4: Über Wörter reflektieren Der Begriff «Language Awareness» aus der
Sprachdidaktik bedeutet so viel wie
Der Wortschatz kann auch mit jüngeren
Sprach(en)bewusstsein und Spracherkun-
Kindern gefestigt werden, indem über die
dung. «Language Awareness» verfolgt das
Wörter reflektiert wird und gewisse einfache
Ziel, die Aufmerksamkeit auf sprachliche
Regelmässigkeiten des deutschen Wort-
Eigenheiten zu richten, die in verschiedenen
schatzes erkannt werden. Diese Reflexio-
Sprachen vorhanden sind. Finden Sprach-
nen ermöglichen den Kindern, den Wort-
vergleiche in einem Klima der gegenseitigen
schatz bewusster wahrzunehmen und Stra-
Akzeptanz statt, sind sie bereichernd und
tegien zu entwickeln, mit denen sie schein-
unterstützen den Spracherwerb, weil die
bar unbekannte Wörter ohne weitere Hilfe
Kinder Gesetzmässigkeiten, Ähnlichkeiten
verstehen können.
und Unterschiede erkennen.
.
• Wortfamilien: fahr: Fahrplan, fahren,
der Fahrer, abfahren etc.
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Zusammenfassung
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• • • •
Rollenspiele, Exkursionen, Besuche, Aus- Wörter und Satzstrukturen durch die viel-
stellungen im Klassenzimmer, Vorträge, fältigen Wiederholungen.
Theatersequenzen, Gebrauch der korrek-
ten Redemittel, handlungsbegleitendes
d) Sachunterricht
Sprechen, Visualisierungen (Memos) etc.
Sacherklärungen sind in der Regel mit
praktischen Handlungen verbunden (bas-
b) Geschichten teln, malen, schneiden, weben, falten,
Geschichten sind für Kinder wichtige Quel- drehen etc.). Weil die Sacherklärungen
len für den Erwerb neuer Wörter. Jede mittels nachvollziehbaren Handlungen
Geschichte bietet einen Kontext dank ih- ausgeführt werden, verstehen die Kinder
res Ablaufs und der Bilder, aufgrund derer gut, was gemeint ist, und lernen schnell
unbekannte Wörter verständlich werden. neue Wörter, weil sie sie in einer konkre-
Es ist nicht nötig, dass die Kinder jedes ten, verbal begleiteten Handlungssituation
einzelne Wort einer Geschichte verstehen. erfahren. Die Wörter aus dem Grundwort-
Einige vorbesprochene Schlüsselwörter schatz sollten mehrfach wiederholt, nach-
oder Bilder sowie der global verstandene gesprochen und allenfalls aufgeschrieben
Ablauf der Geschichte genügen, um eine werden.
Geschichte im Grossen und Ganzen zu
verstehen. Durch die wiederholte Beschäf-
Die differenzierte sprachliche Ausdrucks-
tigung mit der Geschichte in verschiede-
fähigkeit ist eine der wichtigsten Schlüs-
nen Aktivitäten (in Rollenspielen, mit
selqualifikationen für den Schulerfolg un-
Zeichnungen, durch Rätselfragen, durch
serer Kinder. Mit der systematisch aufge-
Fingerspiele etc.) werden die Wörter und
bauten und kontextgebundenen Wort-
Wendungen mehrfach wiederholt und sie
schatzarbeit unterstützt die Lehrperson die
schleifen sich allmählich ein.
Kinder in ihrem Spracherwerb. Sie fördert s
damit nicht nur die schulische Laufbahn
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c) Lieder, Gedichte, Verse, Singspiele der Kinder, sondern auch deren Persön-
Rhythmische Übungen und melodiöse lichkeitsentwicklung. Denn erst wer ande-
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Abläufe entsprechen dem kindlichen Ler- re verstehen und sich selber ausdrücken
s
nen. Nach einer sorgfältigen Erarbeitung kann, ist fähig, sich zu positionieren, sich
des Textes memorisieren die Kinder die zu wehren, anderen zu helfen und sich
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selber zu entfalten.