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Philosophie der Gestaltung WiSe 22/23

Dr. Stefan Schmidt

Das Verhältnis von Design und Kunst

Kaum ein Begriff bietet im 21. Jahrhundert so viele verschiedene Interpretationsmög-


lichkeiten wie der der „Kunst“. Wird er unter dem höheren Begriff der „Gestaltung“
zusammen mit dem „Design“ gefasst und doch bleiben diese Begriffe vorerst unver-
ständlich. Was genau versteht der Philosoph, welcher zu einem großen Teil Begriffs-
arbeit leistet, unter diesen Konstrukten? Und sollte man Design und Kunst voneinan-
der getrennt betrachten?

Die strikte Trennung erfolgte bereits dadurch, dass unter dem Begriff „Design“ Ge-
brauchsgegenstände gefasst wurden, die als allgemeinnützige Gegenstände ihre „[…]
wahre Ästhetik durch ihre Verwendung“1 erhalten, während unter dem Begriff der
„Kunst“ ästhetische Gegenstände gefasst wurden, welche „Unseren psychischen Be-
darf an geistigen Erregern, an ideellen Werten […] und an gesteigerten Erlebnissen
besorgen“2. Demnach seien Designgegenstände immer nur an eine bloße Funktion ge-
knüpft und erhalten aus ihrer heraus ihre Form. Unter der Betrachtung des Funktio-
nalismus sind allgemeinnützige Gegenstände da, um benutzt und nicht bestimmt zu
werden3. Wenn der Ingenieur oder der Künstler also einen Gegenstand Konstruiert,
dessen Teile alle ihre Funktion erfüllen, ergebe sich die gute Gestaltung des Gegen-
standes von selbst, da seine Gestaltung maßgeblich mit seiner Konstruktion verbun-
den sei4. Sollte dieses Differenzierungsmerkmal das einzige bleiben um diese Zwei
Teilbereiche der Gestaltung voneinander abgrenzen zu können? Das Problem bei die-
sem Gedanken liegt jedoch in der Form vor, dass nicht immer alle Designgegenstände
in ihrer Funktion für jeden erkennbar sind. Sollte also die Ästhetik der Designtheorie
sich mit mehr beschäftigen als nur mit dem Aussehen?

Jemand der Versucht diese zwei Bereiche der Gestaltung anders abgrenzen zu können
ist Daniel M. Feige. Er beschreibt den Unterschied anhand der Rolle von Kunstwerken

1
Feige, M. Daniel/ Arnold, Florian/ Rautzenberg, Markus (Hrsg.): Philosophie des Designs. Schriften-
reihe des Weizenhof-Instituts zur Architektur und Designtheorie. Feige, Daniel: Kunst und Design?
Kunst oder Design!, transcript Verlag: Bielefeld, 2020. S. 167.
2
Feige, Kunst und Design? Kunst oder Design, S. 167.
3
Vgl. Feige, Kunst und Design? Kunst oder Design, S. 166.
4
Vgl. Feige, Kunst und Design? Kunst oder Design, S. 166 f.

1
und Designgegenständen und welchen Platz sie im menschlichen Leben einnehmen.
Seine Grundthese beschreibt die Kunst als Reflexionspraxis, während er Design als
praktisch ästhetische Form der Welterschließung sieht.5 Doch inwiefern ist dies zu
verstehen? Anders als herkömmliche Definitionsversuche soll Daniel M. Feiges als
„begriffliche Bestimmungen die von unbestimmter Bestimmtheit sind“6 verstanden
werden. Der Begriff der Kunst oder des Designs sind demnach Unbestimmt, weil sie
nichts anderes meinen als die Subsumierung aller Gegenstände die zu diesen Begrif-
fen passen. Historisch betrachtet verändert sich der Begriff daher mit jedem Kunst-
werk oder Designgegenstand neu. Damit bestimmen nun die Gegenstände der Kunst
und des Designs die eigenen Regeln und unterschiede neu.

Was nun versteht Daniel M. Feige genau darunter, dass Kunst eine Reflexionspraxis
sei?7. Kunst wird dadurch als eigenständige Manifestation der Gestaltung wahrge-
nommen, weil Kunstwerke keine Mittel zum Zweck sind. Ihre Existenz richtet sich
nicht nach einer Funktion und auch wurden sie nicht erschaffen um eine vorgegebene
zu erfüllen. Was unterscheidet sie jedoch von anderen Gegenständen? Ihr Unterschied
wird dadurch deutlich, dass ihnen eine andere Form des Gelingens innewohnt. „Wir
haben es vielmehr mit Gegenständen zu tun, die in besonderer Hinsicht für Uns sinn-
volle Gegenstände sind“8. Kunstgegenstände implizieren demnach auch immer eine
subjektive Kunsterfahrung für den Menschen, der sie betrachtet. Gegenstände der
Kunst erhalten also ihren Sinn durch und nach der Erfahrung, die man bei der sinnli-
chen Aufnahme (seien es hören oder sehen) durchmacht. „Im Lichte der Kunsterfah-
rung erkennen wir nicht die Welt, […], sondern uns selbst. […] Kunst verhandelt un-
sere Erkenntnisfähigkeit und unsere Ansprechbarkeit für ethische Gesichtspunkte“.9
Die Erfahrung verändert uns danach also dahingehend, dass man sagen könnte, dass
nie das gleiche paar Augen zweimal auf das gleiche Bild schaut, weil sich der Mensch
und sein Verständnis von Kunst mit jedem neuen Gemälde mit verändern. Wichtig ist
hierbei auch zu verstehen, dass Kunsterfahrungen als Reflexionsgeschehen zu sehen
nicht bedeutet, dass man durch Kunstgegenstände nicht auch Erkenntnisse über die
Welt fördern könnte, es jedoch nicht den Sinngehalt der Kunst ausmacht. Niemand
kann erwarten aus einem Geschichtsroman genauso viel Wissen und Erkenntnis zu
erlangen, wie beim Lesen eines historisch korrekten Geschichtsbuches. Außerdem ist
die Kunst gegenüber ethischen und weiteren Zwecken autonom. Die Kunstwerke

5
Vgl. Feige, Kunst und Design? Kunst oder Design, S. 168.
6
Feige, Kunst und Design? Kunst oder Design, S. 168.
7
Vgl. Feige, Kunst und Design? Kunst oder Design, S. 169.
8
Feige, Kunst und Design? Kunst oder Design, S. 172.
9
Feige, Kunst und Design? Kunst oder Design, S. 173.

2
erfüllen in ihrer Autonomie eine bestimmte Leistung in der Welt. Sie erlauben eine
Selbstthematisierung derer, die sie erfahren.10 Da man Erfahrungen nicht einfach
macht, sondern sie zugleich mit einem gemacht werden lässt sich sagen, dass neben
dem Reflexionsgeschehen der Kunst auch noch ein Transformationsgeschehen inne-
wohnt. Wie bereits erwähnt, wird der Mensch bei der Betrachtung eines Kunstwerkes
transformiert. Diese Transformation setzt immer eine Ebene des Selbstverständnisses
voraus, die jeden Betrachter ein Bild anders interpretieren und reflektieren lässt. Es ist
also immer nur eine Transformation auf dem Zustand der eigenen Selbsterkenntnis
möglich. Daher werden Kunstgegenstände auch nach wiederholtem Anschauen neu
und eventuell anders als bislang interpretiert. „Jede starke Kunsterfahrung verändert
das, was wir sind; wir entdecken in und durch sie etwas über uns was wir vorher nicht
wissen konnten […] und werden dadurch zu anderen gemacht, als wir waren“11.
Kunsterfahrungen bringen uns also eine performative Transformation unserer selbst.
Eine Transformation die nur durch die Erfahrung selbst möglich gemacht wird. Diese
Erfahrung setzt jedoch den Charakter des Nachvollziehens voraus, was im erweiter-
ten Sinne das Nachfahren der Elemente und Formen der Kunst im Geiste meint. Das
interpretieren und nachvollziehen beschreibt nicht, einen tieferen Sinn hinter den ein-
zelnen Elementen und Formen zu suchen, sondern ihre Struktur nachzuvollziehen
und dabei „schon zu gewichten, was Teil des Kunstwerkes ist und was nicht“12. Das
Werk als solches ist nicht aus Elementen aufgebaut, sondern konstituiert sie aus sich
selbst heraus. Somit weißt jedes Kunstwerk eine in sich selbst geschlossene eigene Lo-
gik vor. „Die Zweckfreiheit der Kunst besteht in nichts anderem als ihrer autonomen
Formgebung, die zugleich den ganzen Inhalt der Kunst ausmacht“.13 Somit lässt sich
nach Feige festhalten, dass im Nachvollzug dieser Eigenlogik eines jeden Kunstwer-
kes selbst schon das Reflexionsgeschehen entsteht.

Design hingegen arbeitet an den praktischen Zwecken mit, die Menschen verfolgen
und greift heutzutage fast in alle gesellschaftlichen Bereiche ein. Nach Feige ist das
Design keine Zweckgebundene Form der Gestaltung, sondern vielmehr eine park-
tisch-ästhetische Welterschließung. Designobjekte haben im Gegensatz zu Kunstge-
genständen kein Eigensinn, sondern bestimmen sie den Sinn unserer Praxis. Gegen-
stände beider Bereiche der Gestaltung (Kunst und Design) sind ästhetische Gegen-
stände, jedoch nicht im selben Sinne. Designgegenstände sind unter Betrachtung des
klassischen Funktionalismus in erster Linie, wie bereits weiter oben erwähnt, immer

10
Vgl. Feige, Kunst und Design? Kunst oder Design, S. 172.
11
Feige, Kunst und Design? Kunst oder Design, S. 173.
12
Feige, Kunst und Design? Kunst oder Design, S. 175.
13
Feige, Kunst und Design? Kunst oder Design, S. 176.

3
zu einem bestimmten Zweck da. Jedoch täuscht sich der Funktionalismus „wie er die
Zwecke ausgehend von der Formbestimmtheit der Gegenstände, die sie erfüllen
denkt“.14 Nach Feige ist die Form eines Gegenstandes nicht als Verlängerung der
Funktion zu verstehen, sondern vielmehr als eine Interpretation der Funktion. Die
Form ist demnach nicht schon in der Funktion angelegt, da die Gestaltung der Design-
gegenstände nicht mechanisch aus der Funktion abgeleitet werden kann. Der Zusam-
menhang von Form und Funktion wird bei dem Design wie folgt verstanden: „Eine
Neuerfindung der Funktion im Medium von Prozessen der Formgebung“.15 Während
unter der Form in Kunst eigenlogisch Konstituierte Elemente beschrieben werden,
sind Designgegenstände Formungen von Funktionen bzw. funktional beschriebenen
Formen. Als wichtigsten Anhaltspunkt führt Feige an, dass man die Ebene des De-
signs noch nicht erreicht, wenn man bloß geistig festhält, dass zB. Stühle zum sitzen
und Autos zum Fahren existieren. Nur auf dieser Ebene zu bleiben, tut dem Prozess
der Gestaltung allerdings nicht recht. So sollte jemand der über Stühle spricht, nicht
die Historie des Sitzens außer Acht lassen. Nach Feige lassen sich nur dann, die spe-
zifischen Leistungen von Designgegenständen einfangen. Denn Designobjekte verän-
dern den Sinn ihrer eigenen Funktion im Laufe der Zeit. „Im Medium der Formge-
bung erarbeitete Funktionen geben unserer Welt wiederum eine bestimmte Form. […]
Die Zwecke zu denen Designgegenstände in Praktiken da sind, gibt es nur ausgehend
einer menschlichen Perspektive auf die Welt“.16 Diese entsprechenden Praktiken sind
Nach Feige demnach erschließend und nicht projizierend. Designgegenstände erhal-
ten ihre Formbezogenheit aus den Bestimmungen dessen, wozu die einzelnen Objekte
da sind, jedoch darf man Design nicht als bloße Funktion plus Form verstehen. Vor
allem nicht aus einem Blickpunkt heraus, der Ästhetik als reine sinnliche Wahrneh-
mung versteht. Gegenstände sind nichts, auf das wir in der Welt treffen, sondern sie
sind eher in ihrer eigenen Gebrauchsweise eingeschrieben.
„Design gestaltet also zusammenfassend Praxis, währenddessen Kunst eine Praxis
der Thematisierung von Praxis ist. Design ist in seiner Form welterschließend, Kunst
reflektiert […], dass wir welterschließende Wesen sind.“.17 Abschließend lässt sich sa-
gen, dass Die Grenzen zwischen Kunst und Design verschwimmen und sich immer
wieder erneut verschieben, anerkennen und neu konstituieren.

Eine weitere Ansicht, die sich mit Kunst und Design beschäftigt, jedoch auf die Auf-
gabe der Autonomie der Kunst abzielt ist die des Wolfgang Ullrichs. Wieso sollte die

14
Feige, Kunst und Design? Kunst oder Design, S. 177.
15
Feige, Kunst und Design? Kunst oder Design, S. 178.
16
Feige, Kunst und Design? Kunst oder Design, S. 179.
17
Feige, Kunst und Design? Kunst oder Design, S. 180.

4
Kunst der Autonomie aufgegeben werden? Nach Ullrich sollte dies geschehen, weil
die Kunst in den letzten Jahren immer mehr ihrer eigenen Autonomie eingebüßt und
verloren hat. Im Gegensatz zu früher sind heutzutage beispielsweise die meisten
Kunstwerke auf der Documenta „commissioned and produced by dOCUMENTA".18
Der Künstler ist hierbei nur noch Auftragsnehmer und kein passionierter, von der
Leidenschaft zur Kunst getragener Künstler mehr. Keine Selbstständigkeit mehr und
einem kuratorischen Gesamtkonzept untergeordnet, welches zuließ Arbeiten kurz-
fristig auszuschließen oder ihre Form zu verändern. Der nicht vorhandene Aufschrei
zeigt hierbei, wie sehr die Autonomie eingebüßt hat und akzeptiert wird. „Der Ewige
Aufschrei ist doch langweilig“19, als Aussage eines autonomen Künstlers, der seine
Rolle bewusst aufgibt. Jedoch steht im Kontrast hierzu, dass man keinesfalls die in
Auftrag gegebene Kunst als langweilig abstempeln sollte, ist es ja sogar genau das
Gegenteil, dass man erwartet die in Auftrag gegeben Leistungen sorgen für Aufre-
gung. Das Problem hierbei ist, dass all diese Arbeiten site specific geschehen, das be-
deutet in Reaktion auf eine vorgegebene Situation. Dadurch überschreiten Künstler
immer wieder die Grenze zur angewandten Kunst. Man möge meinen, der Künstler
verlor seine Autonomie, wie der Wolf zum Hund gezähmt wurde. Durch das Fehlen
der Passion und der Autonomie der Künstler macht es den Anschein als seien sie auch
durch große Auftraggeber ihrer Leidenschaft zum Erschaffen beraubt worden20. Es
wird nicht mehr nach freien Vorgaben kreiert, sondern die Gegenstände müssen einen
Nutzen und Gebrauchswert haben. Viele der Künstler verdienen heutzutage ihr Geld
als Raumausstatter und bringen Designerlampen auf den Markt. Selbst die Kunst-
szene interessiert sich nicht mehr für die klassische Unterscheidung von freier und
angewandter Kunst.

Wohingegen früher die autonome Kunst als Kompensation der Molesten des Alltags
oder beispielsweise Fluchtpunkte aller Bemühungen verstanden wurde, ist dies alles
jedoch nur möglich, solange die Künstler nicht korrumpiert sind von allen möglichen
Vorgaben und Bedingungen. Von Trost spenden und etwas in uns auslösen hin zu der
Erosion der Autonomie durch Regeln und Bedingungen. Mit anderen Worten be-
schrieben galt die autonome Kunst früher als umfassendes Therapeutikum für den
Geist der Menschen21. Dies ist jedoch aber heutzutage nicht mehr nötig, da sich die
Menschheit in eine Konsumorientierte Richtung weiterentwickelt hat. Anstatt Trost,

18
Annett Zinsmeister (Hrsg.): Kunst und/oder Design. Ein Grenzgang. Ullrich, Wolfgang:
Überdruss an Autonomie? Zu neuen Formen angewandter Kunst, Jovis: Berlin, 2013. S. 67.
19
Ullrich, Überdruss an Autonomie? Zu neuen Formen angewandter Kunst, S. 69.
20
Vgl. Ullrich, Überdruss an Autonomie? Zu neuen Formen angewandter Kunst, S. 70.
21
Vgl. Ullrich, Überdruss an Autonomie? Zu neuen Formen angewandter Kunst, S. 71.

5
Zustimmung oder Halt durch das Betrachten von aufweckender Kunst zu erlangen,
geht man heute einfach ins Kino oder isst ausgiebig oder ähnliches. Kunst wird da-
hingehend auch mitverändert, da der Konsumorientierte Zeitgeist die therapeutische
Rolle hin zu einer repräsentativen Rolle hat wechseln lassen. Sogar Kunst wird heut-
zutage als Konsumgut verstanden. Die repräsentative Rolle erlangt die Kunst
dadurch, dass sie als Konsumgut nur von dem gekauft werden kann, der Geld und
Kaufkraft besitzt. Selbst die meisten Lampen, Tische und andere Objekte, welche von
Designern gestaltet wurden, passen weder in eine handelsübliche Wohnung, noch
sind die komfortabel, ja besitzen sie manchmal sogar keine Funktion. Die angewandte
Kunst wird als Trophäe und Luxusgut gesehen. Der Luxus beschreibt hier Design,
welcher unter dem Deckmantel der Kunst als Prestige gesehen werden kann. Es wird
Reichtum gezeigt und Luxus wird als Recht des stärkeren verstanden22. Diese soge-
nannten Luxusartikel finden ihren Weg oft als „Limited Editions“ in die Hände der
Käufer. Nimmt man zB. die Mercedes G-Klasse, welche für die meisten Menschen
nicht nur unbezahlbar, sondern auch unkäuflich ist, da es lange Wartelisten gibt auf
die man meist nur durch gute Beziehungen Platz findet. Dies macht das Auto zu ei-
nem Statussymbol, welches Kraft, Stärke und Reichtum vermitteln soll. Es geht bei
Luxus genau um das. Die Demonstration von Überlegenheit und Kraft, gegenüber
derer, die sich den Luxus nicht leisten können. Luxus bedeutet aber noch mehr. Es ist
nicht nur der Besitz von etwas, was sich andere nicht leisten können, sondern auch
der Verzicht auf etwas, dass andere Menschen brauchen. Ein Suhl der so teuer aber
gleichzeitig so unbequem ist, dass ein normaler Mensch diesen nicht kaufen würde,
selbst wenn er das Geld hätte ist ein Beispiel dafür, wie es durch den Luxus auch
gleichzeitig soziale Stabilität gibt. Für die normalverdienenden Menschen, macht der
Verzicht auf Sitzkomfort bei dem Kauf eines Stuhls wenig Sinn, daher ist diese Form
von Luxus als Gegenteil von Komfort auch dafür geeignet, keinen Neid aufkommen
zu lassen und den sozialen Frieden zu bewahren23. Die heutige Mischung der Kunst
mit Design und Mode hat der ihr nicht nur ihre Autonomie genommen, sondern es
lässt sich auch mit zu Design gewordener Kunst besser imponieren. Die Kunst sollte
die Gesellschaft besser machen, wurde jedoch gezähmt und verkauft. Im Endeffekt
lässt sich sagen, dass die Kunst nun auf der Seite der Mächtigen steht und als Kon-
sumgut den Luxus der reichen repräsentieren soll.

Vergleicht man nun diese beiden Positionen wird deutlich, dass während Feige über
die Autonomie des Kunstwerkes und dessen Eigenlogik redet, Ullrich den Abbau und
die Erosion der Autonomie des Künstlers kritisiert. Es ist zu wenig Passion beim

22
Vgl. Ullrich, Überdruss an Autonomie? Zu neuen Formen angewandter Kunst, S. 72 ff.
23
Ullrich, Überdruss an Autonomie? Zu neuen Formen angewandter Kunst, S. 77 ff.

6
erschaffen der Kunst vorhanden, und es hat den Anschein, dass nicht nur Konsumen-
ten, sondern auch Künstler die Kunst nur noch als Konsumgut bzw. als Geldquelle
betrachten. Wichtig ist hierbei zu unterscheiden, dass während Feige Design und
Kunst strikt zu trennen versucht, Ullrich zwischen autonomer und angewandter
Kunst unterscheidet. Angewandte Kunst wird so unter dem Deckmantel des Designs
ein Luxusgut, für die reichen und mächtigen. Feige sieht in dem Design eine praktisch
Ästhetische Welterschließung, die die Historie des Gegenstandes mit in Betracht zieht
und durch ihren besonderen Fokus auf die Gestaltung nicht bloß Funktion plus Form
ist. Im Gegensatz dazu legt Ullrich dar, dass durch den Abbau der Autonomie und
unserer Konsumgesellschaft angewandte Kunst bloß noch als Konsumgut gesehen
wird. Als etwas, das die Reichen sich leisten können, die normalen Menschen jedoch
aufgrund von Komfortmangel nicht einmal haben wollen würden.

Feige, M. Daniel/ Arnold, Florian/ Rautzenberg, Markus (Hrsg.): Philosophie des De-
signs. Schriftenreihe des Weizenhof-Instituts zur Architektur und Designtheorie. Feige, Da-
niel: Kunst und Design? Kunst oder Design!, transcript Verlag: Bielefeld, 2020. S. 163-
185.

Annett Zinsmeister (Hrsg.): Kunst und/oder Design. Ein Grenzgang. Ullrich, Wolf-
gang:
Überdruss an Autonomie? Zu neuen Formen angewandter Kunst, Jovis: Berlin, 2013. S. 65-
83.

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