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Pi und die
Primzahlen
Eine Entdeckungsreise
in die
Mathematik
Pi und die Primzahlen
Edmund Weitz
Pi und die
Primzahlen
Eine Entdeckungsreise in
die Mathematik
Edmund Weitz
Fakultät Design, Medien und Information
HAW Hamburg
Hamburg, Deutschland
Dieses Buch hat keinen praktischen Wert. Wäre es ein Roman, dann
würden Sie das wohl auch nicht von ihm erwarten, genauso wenig
wie von einem Spiel, einem Musikstück oder einem Gemälde. Aber
ist ein Buch über Mathematik nicht etwas ganz anderes? Wird uns
nicht in Schule und Studium gepredigt, wie wichtig Mathematik sei?
Dass unsere moderne Welt ohne sie nicht funktionieren würde?
Da ist sicher was dran. Ingenieure, Naturwissenschaftlerinnen,
Ökonomen und Programmiererinnen setzen jeden Tag mathema-
tische Methoden ein. Smartphones, Herzschrittmacher, Satelliten-
navigation, DVD-Player, Computertomographie – all das ist ohne
Mathematik undenkbar.
Das wissen Sie natürlich. Möglicherweise wird es Sie jedoch über-
raschen, dass Mathematiker sich gar nicht um solche Anwendungen
scheren. Sie betreiben Mathematik aus purem Selbstzweck: weil das
interessant ist, weil die Ergebnisse oft unglaublich schön sind, weil
es Spaß macht.
Wie bitte? Mathe soll Spaß machen? Aber ja! Wie ein Roman, der
so spannend ist, dass Sie ihn nicht weglegen können, kann auch eine
mathematische Frage so fesselnd sein, dass Sie sie nicht aus dem Kopf
bekommen, bevor sie gelöst ist. Wie bei einem aufregenden Spiel
kann es Ihnen dabei passieren, dass Sie gar nicht merken, wie die Zeit
vergeht. Und wie ein Musikstück oder ein Gemälde kann die Lösung
ein ästhetischer Genuss sein. Wer braucht da noch praktischen Wert?
Falls Sie sich das alles jetzt noch nicht vorstellen können, dann
hoffe ich, dass das Buch Sie eines Besseren belehren kann. Aus diesem
Sie möchten sicher wissen, welchen Teil des Dschungels wir bereisen
werden. Das wird alles noch detailliert erklärt werden, aber ich will
Ihnen einen kleinen Vorgeschmack geben, damit Sie nicht die Katze
im Sack kaufen. Es wird um die Kreiszahl π (ausgesprochen „pi“)
gehen, von der Sie garantiert schon mal gehört haben. Wir werden
eine Formel entwickeln, mit deren Hilfe man π berechnen kann.
Was den nicht vorhandenen praktischen Wert angeht: Es gibt
viele verschiedene Formeln, um π zu berechnen. Die, die das The-
ma des Buches sein wird, ist schon ziemlich alt und definitiv nicht
„die beste“ – was immer das bedeuten mag. Außerdem wurden mit
Hilfe von Computern bereits Billionen (!) von Nachkommastellen
von π berechnet, obwohl für Anwendungen in der Physik oder den
AB IN DEN DSCHUNGEL 3
brauchen. Wenn Sie jedoch bereit sind, etwas Zeit und Energie zu
investieren, wird es Ihren Horizont erweitern.
Ganz am Anfang habe ich einen Vergleich dieses Buches mit einem
Roman gewagt. Literaturwissenschaftlerinnen werden darüber viel-
leicht nur müde lächeln, aber so gewagt finde ich das gar nicht. Wir
Menschen sind soziale Wesen. Darum kann es uns auch passieren,
dass wir süchtig nach der allerdümmsten Seifenoper werden. Wir
wollen einfach wissen, ob X wirklich ein heimliches Verhältnis mit Y
hat und welche schockierenden Details aus der Vergangenheit von Z
noch ans Tageslicht kommen werden. So sind wir nun mal.
Wer sich auf die Mathematik einlässt, entwickelt eine ähnliche
Beziehung zu den mathematischen Charakteren. Er will wissen, wel-
cher Zusammenhang zwischen X und Y besteht und was man noch
alles über Z herausfinden kann.
Es gibt allerdings einen wesentlichen Unterschied zwischen Bel-
letristik und Mathebüchern: Einen Roman können Sie schmökern,
während Sie gemütlich im Ohrensessel sitzen. Echtes Lesevergnügen
bei einem Mathebuch gibt es hingegen nur, wenn Sie Arbeit investie-
ren. Oft geht es nur langsam und mühsam voran und manche Sätze
muss man mehrfach lesen, bis man sie richtig verstanden hat. Um
bei der Analogie mit der Expedition zu bleiben: Sie brauchen gute
Kondition und ordentliches Schuhwerk. (Aber wer sagt denn, dass
Belletristik immer einfach ist? Ein Kritiker hat mal geschätzt, dass
nur 13 Menschen Finnegans Wake von James Joyce verstehen werden.
Ich hoffe, das vorliegende Buch wird etwas zugänglicher sein.)
Außer guten Schuhen sollten Sie Papier und Bleistift in Ihren
Rucksack packen. Ich werde nämlich zwischendurch immer mal
wieder Fragen stellen. An solchen Stellen sollten Sie mit dem Lesen
aufhören und über die Frage nachdenken. Kritzeln Sie auf Ihrem
Zettel herum, probieren Sie verschiedene Lösungsansätze durch, und
wenn Sie nicht weiterkommen, machen Sie erst mal etwas ganz ande-
res, zum Beispiel einen Spaziergang. Schlafen Sie ruhig eine Nacht
Bevor wir uns auf den Weg machen, sollten wir jedoch darüber
reden, was vor uns liegt. Im echten Dschungel, im Amazonasgebiet
Brasiliens, lebt fast völlig isoliert vom Rest der Welt das indigene Volk
der Pirahã. Seine Sprache kommt ohne Zahlwörter und ohne Unter-
scheidung von Singular und Plural aus. Es gibt lediglich zwei Begriffe,
die man mit eins und viele übersetzen könnte. Auf anderen Konti-
nenten hatten Anthropologen ebenfalls Kontakt zu traditionellen
Kulturen, die keine Wörter für Zahlen haben, die größer als drei oder
vier sind. Und auch die europäischen Sprachen enthalten noch Spu-
ren einer Zeit, in der unsere Vorfahren nur „eins-zwei-viele“ zählen
konnten. Beispiele sind das altenglische thrice oder im Französischen
trois und très, die höchstwahrscheinlich dieselbe Etymologie haben.
Im Westen Kanadas lebt die Stammesgruppe der Ts’msyan. Ihre
Sprache hat ein Wort für „drei Menschen“, ein anderes für „drei
Tiere“ und ein weiteres für „drei lange Objekte“, während man für
„drei Kanus“ wiederum ein anderes Wort benutzt. Es gibt zudem aber
auch noch ein Wort für „drei Menschen in einem Kanu“ und damit
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sind noch nicht mal alle „Dreiwörter“ aufgezählt. Die gleiche Vielfalt
herrscht auch bei zwei oder sieben Menschen, Tieren und Kanus.
Warum erzähle ich das? Offenbar muss eine Kultur erst eine ge-
wisse Komplexität erreichen, bevor die Notwendigkeit besteht, über
Zahlen zu sprechen. Vorher gibt es gar keine Zahlen – sie sind Men-
schenwerk! Und selbst dann, wenn man beginnt, den Unterschied
zwischen fünf Äpfeln und sechs Äpfeln zu erkennen und zu benen-
nen, hat man noch nicht unbedingt erkannt, was fünf Äpfel und
fünf Antilopen gemeinsam haben. Das erfordert einen signifikanten
Abstraktionsschritt, der die „Fünfheit“ von den Äpfeln trennt.
Während die Naturwissenschaften sich mit Dingen beschäftigten,
die es wirklich gibt, geht es in der Mathematik um die Kopfgeburten
von uns Menschen. Den Apfel, den die Biologin untersucht, kann
man anfassen (und sogar essen), die Fünf existiert nur in unseren
Gehirnen. Man kann sie nicht berühren. Die arabische Ziffer 5 ist
lediglich ein Symbol für die Zahl fünf, ebenso wie das römische
Zeichen V, das englische Wort five oder die Strichliste . Aber keines
dieser Symbole ist die Zahl fünf, genauso wenig wie ein Foto eines
Apfels ein Apfel ist.
Und in der Mathematik geht es ja entgegen der landläufigen
Meinung nicht nur um Zahlen. Was immer Sie aus Ihrer Schulzeit
vergessen haben sollten, Sie werden sich zumindest noch vage erin-
nern, dass in der Geometrie unter anderem Kreise eine Rolle spielten.
Auch unsere „vormathematischen“ Ahnen kannten schon Kreise –
lange bevor das Rad erfunden wurde. Bei Vollmond sieht man bei-
spielsweise einen Kreis am Himmel und man sieht auch Kreise, wenn
man einen Stein in einen Teich wirft.
Aber sind das die Kreise, über die in der Geometrie gesprochen
wird? Keineswegs! Die Kreise der Geometrie sind idealisierte Gebilde,
bei denen jeder Punkt vom Mittelpunkt exakt den gleichen Abstand
hat und deren Rand ein ätherisches Gebilde ohne Breite ist. Selbst
die präziseste Maschine der Welt könnte so etwas nicht herstellen.
Wie die Zahlen sind auch geometrische Figuren Abstraktionen,
die nicht in der realen Welt, sondern nur in unseren Köpfen existieren.
AB IN DEN DSCHUNGEL 7
Klappt das auch mit fünf mal fünf Quadraten?
Das war die erste an Sie gerichtete Frage in diesem Buch. Sie ist
nicht schwer. Zunächst mal geht es nur darum, dass Sie sehen, wie
Fragen sich typographisch vom Rest des Textes abheben. Und Sie
sollen sich daran gewöhnen, über die Fragen nachzudenken, bevor
Sie weiterlesen. Also?
Natürlich kann man die Aufgabe mit fünf mal fünf Quadraten
nicht lösen. Das ergibt nämlich eine ungerade Anzahl von Quadraten,
während man mit den Dominosteinen immer nur eine gerade Anzahl
abdecken kann.
Jetzt wird es schwieriger. Wir betrachten ein Feld mit acht mal
acht Quadraten und nehmen an zwei gegenüberliegenden Ecken je
ein Quadrat weg. Das sieht dann so aus:
Noch ein Hinweis: Ich wollte das Buch nicht mit Fußnoten zukleistern.
Aber ab und an werden Sie im Text kleine Sternchen entdecken. Die ver-
weisen auf den Abschnitt mit der Überschrift Anmerkungen am Ende des
Buches. In einigen Fällen finden Sie in dem kleinen Anhang auch Antworten
auf die Fragen, die zwischendurch gestellt werden. Ehrensache, dass Sie es
erst selbst versuchen, bevor Sie nachschauen!
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NICHT VON PYTHAGORAS
Stephen Hawking erhielt von seinem Verleger den Rat, auf Formeln
in seinem ersten Buch zu verzichten, weil jede Formel die Anzahl
der potentiellen Käufer halbieren würde. Hawking hielt sich daran.
Aber ich bezweifle, dass dies der wesentliche Grund dafür war, dass
A Brief History of Time ein Weltbestseller wurde.
Damit Sie gegebenenfalls – falls Sie in der Buchhandlung die
ersten Seiten durchblättern – dieses Buch schnell wieder ins Regal
stellen können, kommt hier als Warnung gleich eine Formel:
n+1 n n
= +
k+1 k k+1
Wenn es vier beliebige Zahlen gibt, von denen die erste be-
liebig ist, die zweite um die Einheit größer als die erste, die
dritte beliebig, nur nicht kleiner als die zweite, die vierte um
die Einheit kleiner als die dritte; dann ist die Zahl der Kombi-
nationen der ersten in die dritte, vermehrt um die Zahl der
Kombinationen der zweiten in die dritte, gleich der Zahl der
Kombinationen der zweiten in die vierte.
Dieses Zitat sagt dasselbe aus wie die obige Formel. Aber nie-
mand wird wohl ernsthaft behaupten wollen, dass es verständlicher
sei. Die Formel ist im Gegensatz dazu kurz und präzise. Formeln
Aber da wir schon über Formeln reden, fange ich mit der wahr-
scheinlich bekanntesten mathematischen Formel überhaupt an:
a2 + b 2 = c 2
N I CHT VO N PY TH AG O R A S 13
Er besagt, dass die Summe der Flächen der beiden kleinen Qua-
drate der Fläche des großen Quadrates entspricht. In der Skizze kann
man das sogar anhand der Kästchen überprüfen. Zählen Sie nach!
Pythagoras war mit Sicherheit nicht der Erste, der diesen Zu-
sammenhang erkannt hat. Man weiß, dass er lange vor seiner Zeit
bereits den Ägyptern und Babyloniern geläufig war. Sie haben ihn
allerdings „nur“ wie einen Erfahrungswert angewendet. Aus heutiger
Sicht könnte man sagen, dass sie wie Ingenieure gehandelt haben und
nicht wie Mathematiker. Die ersten wirklichen Mathematiker in die-
sem Sinne waren die Griechen vor etwa 2500 Jahren. Sie erkannten,
dass Aussagen wie der Satz des Pythagoras universelle Wahrheiten
über die im ersten Kapitel thematisierten abstrakten „Kopfgeburten“
waren. Und sie wollten diese Aussagen beweisen.
Ob Pythagoras nun der erste Mensch war, der den nach ihm
benannten Satz bewiesen hat, und ob er ihn überhaupt bewiesen
hat, wissen wir nicht und wir werden es wohl auch nie erfahren.
Viele Forscher bezweifeln es jedenfalls und glauben, dass er eher ein
einflussreicher Religionsführer als ein Wissenschaftler war. Aber auf
jeden Fall gibt es inzwischen Hunderte von Beweisen für diesen wohl
berühmtesten aller mathematischen Sätze. Ich persönlich finde die
besonders schön, die ohne Worte auskommen. Hier ein Beispiel:
Die Linien teilen das Innere des Kreises in Gebiete auf und die
Anzahl der Gebiete hängt von der Anzahl der Punkte ab. Sie sollten
das selbst vielleicht vorsichtshalber nachzählen, ich habe aber die
Zahlen aus der ersten Skizze schon mal in eine Tabelle eingetragen.
Punkte 1 2 3 4 5
Gebiete 1 2 4 8 16
N I CHT VO N PY TH AG O R A S 15
WAS BEWEISEN BEWEISE?
Haben Sie die Frage am Ende des letzten Kapitels mit 32 beantwortet?
Das ist falsch. Die richtige Antwort ist 31. Man kann auch einfach
nachzählen, aber ich habe versucht, durch die folgende Skizze klarzu-
machen, warum 31 herauskommt:
WA S B E W E I S E N B E W E I S E ? 19
des 19. Jahrhunderts das nach der Bibel meistverbreitete Werk der
Weltliteratur waren. Euklid verwendete – das klang vorhin in der
Wikipedia-Definition schon an – die Mittel der Logik, um zu begrün-
den, warum Aussagen wie beispielsweise der Satz des Pythagoras
wahr sind.
Er führte nicht etwa (unendlich viele) „Experimente“ durch, in
denen Flächen von Quadraten verglichen wurden. Er überzeugte
stattdessen seine Leser mit Argumenten und verließ sich dabei darauf,
dass gewisse Regeln des logischen Schließens bei jedem Leser voraus-
gesetzt werden können – zum Beispiel der folgende Klassiker: Wenn
alle Menschen sterblich sind und Sokrates ein Mensch ist, dann ist
Sokrates sterblich.
Mit Logik alleine ist es aber nicht getan. Irgendwann muss ja auch
die Geometrie ins Spiel kommen. Vielleicht ist Ihnen schon beim
„Beweis ohne Worte“ für den Satz des Pythagoras aufgefallen, dass der
nur dann überzeugend ist, wenn man bestimmte Dinge voraussetzt.
Beispielsweise werden dort je zwei kongruente (also: deckungsglei-
che) rechtwinklige Dreiecke aneinandergesetzt, um Rechtecke zu
erhalten. Aber wieso ergeben sich da vier rechte Winkel? Weil in
jedem Dreieck die Summe aller Innenwinkel 180 Grad beträgt. Doch
woher wissen wir das? Das muss eigentlich auch erst bewiesen wer-
den. Und wenn wir das beweisen, brauchen wir wahrscheinlich auch
wieder irgendeine Voraussetzung, die wir nicht einfach so schlucken
wollen, sondern ebenfalls erst beweisen müssen. Das ist wie mit ei-
nem kleinen Kind, das mit einer „Warum“-Frage anfängt und dem
zu jeder Antwort eine weitere „Warum“-Frage einfällt. Man hat das
Gefühl, das könne ewig so weitergehen.
Das hatte sich Euklid wohl auch gedacht. Irgendwann muss mal
Schluss sein! Darum fängt sein Buch mit einigen wenigen Axiomen
und Postulaten an. Damit meinte Euklid Aussagen, die für jeden Leser
so evident sind, dass sie keines Beweises bedürfen. Beispielsweise,
dass man zwei verschiedene Punkte immer durch eine gerade Linie
verbinden kann. Alles, was sonst noch in den Elementen steht, wird
WA S B E W E I S E N B E W E I S E ? 21
schaftlicher Appetithappen und nicht als Fachbuch gedacht ist. Eine
solche kritische Haltung Ihrerseits deutet aber vielleicht darauf hin,
dass Sie ein Studium der Mathematik in Erwägung ziehen sollten. . .
Zum Schluss eine harte Nuss, falls Sie Spaß an so etwas haben.
(Ansonsten überspringen Sie diese Frage bitte einfach. Für den Rest
des Buches werden wir sie nicht brauchen.)
Das naheliegende, aber falsche Muster vom Anfang des Kapitels
war, dass man bei n Punkten 2n−1 Gebiete erhält. Das hat sich bereits
für n = 6 als nicht richtig herausgestellt. Es gibt allerdings eine
Formel, die für jede Anzahl von Punkten funktioniert.
WA S B E W E I S E N B E W E I S E ? 23
DIE KREATIVEN
Ich hoffe, Sie haben sich an dem Problem mit den Dominosteinen
am Ende des ersten Kapitels versucht. Haben Sie einen Beweis da-
für gefunden, warum man das Feld nicht nach den Regeln bedecken
kann? Ich habe diese Frage schon vielen Nichtmathematikern gestellt.
Die meisten sind nach einer gewissen Zeit des Rumprobierens und
Nachdenkens überzeugt, dass es nicht geht. Die wenigsten können je-
doch eine Begründung dafür finden, die einer genauen Begutachtung
wirklich standhält. Häufig enthält so eine Begründung den Keim
einer Idee, aber selten gelingt es den Befragten, sie so zu Ende zu
denken und auszuformulieren, dass sie damit auch andere Menschen
– insbesondere Mathematiker – überzeugen können.
Ausgebildete Mathematikerinnen sind ziemlich gut darin, Lücken
in vorgeblichen Beweisen zu finden. Sie trainieren während ihres ge-
samten Studiums, skeptisch gegenüber den eigenen Gedankengängen
und den Argumenten anderer zu sein. Wurden auch alle möglichen
Fälle durchdacht? Geht in die Begründung nicht implizit eine Vo-
raussetzung ein, die man gar nicht machen darf? Und so weiter.
Leider bietet dieses Buch mir nicht die Möglichkeit, mich mit
Ihrer Lösung zu beschäftigen. Aber vielleicht gehen Sie mit sich selbst
noch mal kritisch ins Gericht. Haben Sie nur so ein Gefühl, dass es
nicht funktionieren wird, oder sind Sie sich absolut sicher? Könnten
Sie jederzeit einen zweifelnden Freund oder eine Verwandte dazu
bringen, auch so sicher zu sein?
Hier ein Beweis, der Sie definitiv überzeugen wird: Färben Sie die
Quadrate abwechselnd schwarz und weiß wie bei einem Schachbrett.
Warum reite ich so auf dieser Frage herum? Weil sie mehrere Dinge,
die mir wichtig sind, exemplarisch zeigt. Zunächst mal sieht man,
dass man zur Lösung dieses Problems eine originelle Idee haben
muss. Es gibt kein fertiges Verfahren, das man einfach nur lernen
und anwenden muss.
Leider wird durch den Unterricht an Schulen (und auch an Hoch-
schulen) häufig der Eindruck erweckt, man müsse nur bestimmte
„Rezepte“ büffeln und diese fehlerfrei nachäffen, um auf die eine
richtige Lösung zu kommen (für die es dann Punkte gibt). Wenn
das Mathematik wäre, dann gäbe es den Beruf des Mathematikers
schon lange nicht mehr, weil Computer viel besser als wir Menschen
Rezepte abarbeiten können. Insbesondere vergessen Sie auch nichts
und machen keine Fehler. Die Jobs der Mathematikerinnen sind
(noch) sicher, weil richtige Mathematik ein hohes Maß an Kreativität
erfordert, die Computer nicht aufbringen können.
Auch deshalb ärgere ich mich immer mal wieder darüber, dass
gewisse Berufsgruppen die Kreativität ausschließlich für sich bean-
spruchen. Im deutschen Sprachraum versteht jeder, was mit Wör-
tern wie „Kreativbranche“ oder „kreative Berufe“ gemeint ist. Wenn
jemand einen Job in einer Werbeagentur hat und an dem immer
gleichen Supermarktprospekt arbeitet, der jede Woche unverlangt in
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ich jede Woche umfangreiche Hausaufgaben bearbeiten. Wir haben
natürlich öfter ob des Arbeitsaufwandes gestöhnt. Aber gleichzeitig
waren diese Aufgaben auch immer eine Herausforderung und führ-
ten zu echten Glücksgefühlen, wenn man sie – teilweise erst nach
tagelangem Nachdenken – gelöst hatte. Ich bezeichne den Zustand
in Anlehnung an Poincaré sogar manchmal als Eros des Verstehens
und behaupte, dass er süchtig machen kann.
Drei Jahrzehnte nach meinem eigenen Studium hat sich das Haus-
aufgabenpensum im Studienfach Mathematik nicht geändert. Anders
als damals könnte man heutzutage jedoch für die meisten dieser Auf-
gaben Lösungen im Internet finden. Ich kenne allerdings mehrere
junge Frauen und Männer, die momentan Mathematik studieren,
und kann berichten, dass die überhaupt nicht an solchen „Abkür-
zungen“ interessiert sind. Offenbar sind sie von der gleichen Sucht
erfasst wie ich früher und wollen die Freude des Verstehens nicht für
billig erworbene Punkte opfern.
Wenn in den Medien mal von Mathematik die Rede ist, wird gerne
über berühmte Probleme berichtet, an denen unzählige Koryphäen
sich schon seit Jahrzehnten oder Jahrhunderten die Zähne ausgebis-
sen haben. Vielleicht haben Sie auch schon mal von der Riemannschen
Vermutung, dem P-NP-Problem oder den Navier-Stokes-Gleichungen
gehört. Löst man so ein Problem, dann ist einem weltweiter Ruhm
gewiss. Und manchmal gibt es noch hohe Preisgelder obendrauf.
Solche Gipfel erklimmen natürlich immer nur ganz wenige Aus-
erwählte. Aber um Poincarés Freude des Verstehens genießen zu
können, muss man nicht der erste Mensch sein, der eine Frage beant-
wortet, und es ist auch gar nicht wichtig, wie schwierig das Problem
war, das man gelöst hat, weil das ohnehin subjektiv ist. Das Glücks-
gefühl, das die kreative Auseinandersetzung mit der Mathematik
bescheren kann, steht jedem offen.
Haben Sie sich gewundert, als ich erzählte, dass es Hunderte von
Beweisen für den Satz des Pythagoras gibt? Für viele mathematische
D I E K R E AT I V E N 29
gegnen. Ein zentraler Beweis stammt aus dem Jahr 2007, während die
Aussage, um die es geht, bereits im 17. Jahrhundert erstmals bewiesen
wurde. (Vor 15 Jahren hätte ich das Buch in dieser Form also gar
nicht schreiben können.)
Für fast alle interessanten mathematischen Fragen gilt jedenfalls:
Viele Wege führen nach Rom. Mathematik ist nicht das, was Ihnen
in der Schule beigebracht wird.
Nun aber zu den Zahlen. Wenn erst einmal der große Schritt voll-
zogen wurde, zu zählen und durch Abstraktion Zahlen zu schaffen,
dann kommt in allen Kulturen – natürlich mit regional unterschied-
lichen Bezeichnungen – immer dasselbe heraus: eins, zwei, drei, vier,
und so weiter.
Man spricht passenderweise von den natürlichen Zahlen. Dem
Mathematiker Leopold Kronecker wird das Zitat zugeschrieben,
diese Zahlen habe „der liebe Gott gemacht“, während alles andere
Menschenwerk sei. (Die im ersten Kapitel erwähnten Erkenntnisse
1 2 3 4 5 6 7 8 9
(Auch Subtraktion und Division kann man sich gut vorstellen. Sie
spielen aber gegenüber den anderen beiden Operationen in der moder-
nen Mathematik eine untergeordnete Rolle, über die wir im Zusam-
menhang mit der Algebra noch sprechen werden. Aus didaktischer
Sicht ist es daher unglücklich, dass man im Deutschen von den vier
Grundrechenarten spricht, weil die vier nicht gleichberechtigt sind.)
MENSCHENWERK 33
Ich verwende jedenfalls die moderne Sichtweise und gehe davon
aus, dass Ihnen die rationalen Zahlen im Prinzip vertraut sind. Ich
wiederhole jedoch ein paar Dinge, um gegebenenfalls Ihr Gedächtnis
aufzufrischen:
2/3 2
2/3 3
Eine einheitliche Sicht der Zahlen, wie ich sie in diesem Kapitel
zusammenfasse, hat sich erst im 19. Jahrhundert entwickelt. Sie ist
1 2 3 4 5 6 7 8 9
1 2 3 4 5 6 7 8 9
MENSCHENWERK 35
Umso erstaunlicher ist es, dass das noch nicht alles ist! Schon den
Griechen der Antike war bekannt, dass es „Zahlen“ geben muss, die
nicht rational sind, die aber von der geometrischen Anschauung her
auch auf dem Zahlenstrahl zu finden sein müssen. Der Beweis dieser
überraschenden Tatsache ist ein Klassiker, den Sie vielleicht schon
mal gesehen haben. Weil er aber so schön ist, zeige ich ihn trotzdem.
Wir werden dabei wie die griechischen Mathematiker geome-
trisch anfangen, die Argumentation aber in der heutigen Sprache
formulieren. Stellen Sie sich ein Quadrat vor, dessen Seiten die Länge
eins haben. Zwei Seiten dieses Quadrates, die eine Ecke gemein-
sam haben, bilden zusammen mit der entsprechenden Diagonale ein
rechtwinkliges Dreieck.
Nach dem Satz des Pythagoras hat das Quadrat über der Diago-
nalen dieselbe Fläche wie die Summe der Quadrate über den Seiten
des ursprünglichen Quadrates. Wir wenden nun zweimal an, dass
ein Quadrat mit der Seitenlänge a die Fläche a · a hat. Die Quadrate
über den Seiten haben jeweils die Fläche 1 · 1 = 1, zusammen also die
Fläche 1 + 1 = 2. Wenn wir die Länge der Diagonale d nennen, so
muss folglich d · d = 2 gelten. Mit anderen Worten: Die Länge der
Diagonale muss eine „Zahl“ sein, deren Produkt mit sich selbst das
Resultat zwei liefert.
√
In der heutigen Sprechweise sagen wir, dass d die Zahl 2 ist, also
die Quadratwurzel von zwei. Damit setzen wir aber implizit schon
√
viel voraus – zuallererst, dass es so ein Objekt wie 2 überhaupt
gibt und man mit ihm rechnen kann! Nicht ohne Grund habe ich
im letzten Absatz Anführungszeichen verwendet; weil sich nämlich
unsere mathematischen Vorfahren gehütet hätten, die Länge der
Diagonale als eine Zahl zu betrachten. Euklid hätte nicht mal von
der Länge der Diagonale, sondern nur vom Verhältnis dieser Länge
zur Länge der Quadratseiten gesprochen.
MENSCHENWERK 37
Widerspruch gefolgert. Das impliziert, dass unsere Annahme, d sei
rational, falsch gewesen sein muss.
√
Begründen Sie, warum 3 auch nicht rational sein kann.
Hat man sich erst einmal mit dem Gedanken angefreundet, dass
Punkten auf dem Zahlenstrahl Zahlen entsprechen, dann drängt sich
die folgende Konstruktion auf:
1 2 3
Wir haben das Quadrat von vorhin auf den Anfang des Zah-
lenstrahls gesetzt und die Länge der Diagonale mit einem Zirkel
abgetragen. Dadurch erhalten wir einen Punkt auf dem Zahlenstrahl,
der nach unserer Überlegung keine rationale Zahl ist. Gemäß der
modernen mathematischen Sichtweise ist das aber auch eine Zahl, für
√
die wir das Symbol 2 verwenden. Solche Zahlen, die nicht rational
sind, nennt man irrational. Und wenn Sie die letzte Frage beantwor-
tet haben, dann haben Sie sicher realisiert, dass es unendlich viele
√ √ √
irrationale Zahlen geben muss. Die Wurzeln 3, 5 oder 10 sind
beispielsweise auch irrational und das gilt ebenso für die Wurzeln
von Brüchen wie 2/3.
Schon der Zahlenstrahl, den man beliebig oft vergrößern konnte,
ohne dass sich etwas ändert, hat unsere Vorstellungskraft auf eine
harte Probe gestellt. Die rationalen Zahlen müssen unfassbar dicht
liegen. Die irrationalen Zahlen bringen dieses Bild aber gehörig ins
Wanken, denn sie demonstrieren, dass es zwischen den rationalen
Zahlen nicht nur unendlich viele weitere rationale Zahlen gibt, son-
dern auch unendlich viele „Lücken“ – die von den irrationalen Zahlen
geschlossen werden.
Tatsächlich ist die Situation sogar noch seltsamer. Der deutsche
Mathematiker Georg Cantor hat Ende des 19. Jahrhunderts mit
MENSCHENWERK 39
Mathematik – und auch in den Anwendungen wie beispielsweise der
Physik – nämlich nicht möglich.
Das muss Sie aber nicht daran hindern, über solche Dinge nach-
zudenken. Zum Abschluss des Kapitels präsentiere ich Ihnen daher
als Denkanstoß noch eine Kritik an der modernen Sicht der Zahlen,
die in ähnlicher Form schon von antiken griechischen Philosophen
geäußert wurde:
Ein idealisierter mathematischer Punkt ergibt nur dann Sinn,
wenn er keine Ausdehnung, also weder Länge noch Breite hat. (Bei
Euklid heißt es: „Ein Punkt ist, was keine Teile hat.“) Wie kann dann
aber durch Aneinanderreihung von Punkten („Zahlen“) ein Gebilde
wie der Zahlenstrahl entstehen, das man doch in Stücke zerlegen
kann, die eine Länge haben? Wie entsteht hier etwas aus nichts?
Hier wurde auf dem zweiten Stab von rechts gar kein Stein ver-
schoben. Man kann die Position aber nicht einfach ignorieren und
32 schreiben, weil damit ja eine andere Zahl gemeint ist. Die neue
Idee bestand darin, auch für nichts ein Symbol einzuführen, nämlich
unsere heutige Null. Dann ergibt sich 302.
Für uns heute scheint das selbstverständlich, aber damals war es
revolutionär und traf auf viel Skepsis. Welchen Sinn sollte es haben,
ein Zeichen für nichts zu haben? Und wieso sollte das Hinzufügen
dieses Zeichens zu einer Zahl deren Wert vervielfachen? Es ist auch
nicht mehr rekonstruierbar, ob die „Erfinder“ der Null sie am Anfang
nur als eine Art Platzhalter angesehen haben. Aber nach und nach
hat sie sich im allgemeinen Bewusstsein zu einer Zahl entwickelt hat.
NICHTS 43
sammenhang mit Temperaturen oder Kontoständen ohne Berüh-
rungsängste mit Werten unter null hantieren, wurde ihnen in der
Mathematik bis zur Renaissance jegliche Lebensberechtigung ab-
gesprochen. Auch danach ging man zunächst sehr vorsichtig mit
solchen Ungetümen um, die „weniger als nichts“ sind.
Wie anders die Mathematik war, bevor die Null und die negativen
Zahlen allgemein anerkannt waren, will ich kurz an einem Beispiel
demonstrieren. Wenn heute an Schulen gelehrt wird, wie man qua-
dratische Gleichungen löst, dann wird als Muster die Gleichung
a x 2 + b x + c = 0 betrachtet. Jede quadratische Gleichung lässt sich
auf diese Form bringen, so dass man lediglich eine Lösungsformel für
diese eine Gleichung braucht. Das stimmt aber nur deshalb, weil man
ganz selbstverständlich davon ausgeht, dass a , b und c irgendwelche
Zahlen sein können, insbesondere natürlich auch negative Zahlen
oder null. Das war aber nicht immer so einfach.
Der einflussreiche persische Mathematiker al-Chwarizmi, der
im neunten Jahrhundert in Bagdad lebte und arbeitete, hat das in-
dische Dezimalsystem im arabischen Raum bekannt gemacht und
indirekt zwei wichtige mathematische Begriffe geprägt: Das Wort
Algorithmus ist eine Verballhornung seines Namens und das Wort
Algebra entstammt dem arabischen Titel eines seiner Bücher. Und in
ebendiesem Buch präsentierte er die erste systematische Abhandlung
quadratischer Gleichungen. Allerdings behandelt al-Chwarizmi nicht
etwa nur einen Gleichungstyp, sondern sechs:
ax 2 + b x = c ax2 = b x
ax 2 + c = b x ax2 = c
ax 2 = b x + c bx = c
Alle diese Gleichungen lassen sich auf das allgemeine Muster von
oben zurückführen, wenn man beliebige Zahlen als Parameter zulässt.
Aber im neunten Jahrhundert konnten a , b und c nur positive Zahlen
sein, weil es keine anderen gab. Darum musste al-Chwarizmi sechs
Gleichungstypen behandeln und für jeden ein anderes Lösungsverfah-
Das Bild aus dem letzten Kapitel wird vervollständigt, wenn wir an
den Anfang des Zahlenstrahls die Null setzen und ihn dann an dieser
spiegeln, um zur Zahlengerade überzugehen, die sich sowohl nach
rechts als auch nach links ins Unendliche erstreckt. Zu jeder Zahl
außer der Null gibt es ein Gegenstück auf der anderen Seite.
−4 −3 −2 −1 0 1 2 3 4
Eine amüsante, aber nicht wirklich wichtige Frage ist, ob man die
Null als natürliche Zahl bezeichnen sollte. Historisch gesehen wäre
das sicher falsch, denn die Geschichte hat ja sehr deutlich demons-
triert, dass die Null offenbar nicht „natürlich“ ist. In bestimmten
Zusammenhängen, etwa in der Informatik oder der mathematischen
Grundlagenforschung, ist es jedoch praktisch, beim Zählen mit der
Null anzufangen.
Das führt dazu, dass die Null mal eine natürliche Zahl ist und
mal nicht. Es hängt davon ab, wessen Buch man liest oder in wessen
Vorlesung man sitzt. Anfänger finden das oft irritierend, weil man
doch glaubt, dass in der Mathematik alles klar und eindeutig sei. Wir
haben aber schon mehrfach darüber gesprochen, dass Mathematik ja
NICHTS 45
von Menschen gemacht wird. Und ob die Null eine natürliche Zahl
ist oder nicht, ist nicht etwas, das wahr oder falsch sein kann; es ist
Definitionssache.
Für dieses Buch wird hiermit par ordre du mufti festgesetzt, dass
die Null keine natürliche Zahl ist!
Bevor wir uns im nächsten Kapitel dem Star des Buches zuwenden,
muss noch eine letzte Sache über Zahlen erwähnt werden, die Ih-
nen im Prinzip auch bekannt ist, die nach der Diskussion auf den
letzten Seiten aber auch im neuen Licht erscheint. Es geht um die
Nachkommastellen.
Nachkommastellen sind eine natürliche Erweiterung der Stellen-
wertschreibweise auf die rationalen Zahlen. Nachdem die gebildeten
Kreise Europas schließlich die Vorzüge des Dezimalsystems für die
Darstellung natürlicher Zahlen erkannt hatten, dauerte es nicht lan-
ge, bis im 17. Jahrhundert dieses System auch auf die anderen Zahlen
übertragen wurde. Während die Ziffern bei einer natürlichen Zahl
wie 342 für Einer, Zehner und Hunderter, stehen, sind die Nach-
kommastellen für Zehntel, Hundertstel und Tausendstel zuständig.
Es geht in beiden Fällen um Zehnerpotenzen; links vom Komma
um die mit nichtnegativen Exponenten, rechts davon um die mit
negativen.
Sie wissen natürlich auch, dass man manche Zahlen nicht mit
endlich vielen Nachkommastellen darstellen kann:
1/3 = 0,33333333333 . . .
Das eben Gesagte gilt aber auch umgekehrt: Wenn eine Zahl
unendlich viele, sich periodisch wiederholende Nachkommastellen
hat, dann ist sie rational. Es gibt einen einfachen „Trick“, mit dessen
Hilfe man diese Zahl als Bruch darstellen kann. Ich will darauf aber
jetzt gar nicht eingehen, weil wir das nicht brauchen werden.
Wichtig ist mir nur: Irrationale Zahlen haben grundsätzlich im-
mer unendlich viele Nachkommastellen und diese folgen im All-
gemeinen keinem einfach zu erkennenden Muster. Auf jeden Fall
ist die Folge der Nachkommastellen einer irrationalen Zahl nicht
periodisch. Typischerweise ist sie eher „chaotisch“. Das gilt auch für
die Zahl, um die es im nächsten Kapitel geht.
NICHTS 47
DIE DIVA
Und es ist anschaulich klar, dass sich solche Verhältnisse nicht ändern,
wenn man die Objekte gemeinsam vergrößert oder verkleinert oder
eines von beiden verschiebt oder dreht.
Wir haben gesehen, dass wir schon auf irrationale Zahlen stoßen,
wenn wir Strecken in Quadraten vergleichen. Aber in der Geometrie
gibt es natürlich nicht nur so einfache Figuren wie Quadrate. Idealiter
möchte man die Längen beliebiger Kurven vergleichen können.
Zumindest anschaulich ist klar, was man meint: Die Länge einer
Kurve ist so etwas wie die Wegstrecke, die eine Ameise zurücklegen
muss, wenn sie auf der Kurve entlangläuft. Die Mathematik dahin-
ter hat sich jedoch als Aufgabe für spätere Jahrtausende erwiesen.
Erst mithilfe der Methoden der Neuzeit konnte man sinnvoll ganz
allgemein definieren, was eigentlich eine Kurve ist, was genau mit
der Länge einer Kurve gemeint sein soll und ob und wie man diese
gegebenenfalls berechnen kann.
Bei einer der einfachsten und regelmäßigsten Kurven hat man
aber schon im antiken Griechenland Fortschritte gemacht, nämlich
beim Kreis. Mit der Zahl π ist das Verhältnis des Umfangs zum
Durchmesser gemeint.
Einer der ersten Menschen, die sich systematisch der Sache an-
nahmen, war der bereits mehrfach erwähnte Archimedes, der als
größter Mathematiker der Antike gilt. Mit seiner Methode gab er
die Blaupause für die Berechnung von π für viele Jahrhunderte vor.
Die Grundidee seines Vorgehens werde ich hier illustrieren – wie
üblich in der Sprache der modernen Mathematik. (Archimedes und
seine Zeitgenossen hätten sicher nicht von der „Berechnung“ von π
gesprochen, weil es aus ihrer Sicht nichts zu berechnen gab. π wurde
nicht als Zahl angesehen.)
Wir werden im Folgenden immer von einem Einheitskreis ausge-
hen – einem Kreis mit dem Radius eins –, weil die Größe des Kreises
irrelevant ist und es sich mit einem Einheitskreis einfach rechnen
lässt. Der Umfang dieses Kreises muss 2π sein. Archimedes konstru-
ierte nun Paare von regelmäßigen Vielecken (Polygonen). Eines, das
D I E D I VA 51
gerade so in den Kreis passt und diesen mit seinen Ecken berührt.
Und eines, das gerade so um den Kreis herum passt, so dass der
Kreis die Seitenmittelpunkte des Vielecks tangiert. Sind die Vielecke
Quadrate, dann sieht es so aus:
Dann verdoppelte er schrittweise die Zahl der Ecken: 12, 24, 48,
bis er schließlich bei 96 angelangte. Die Idee dahinter ist natürlich,
dass der Unterschied zwischen den Umfängen des äußeren und des
inneren Polygons mit steigender Eckenzahl immer geringer wird.
Anders ausgedrückt: Die Vielecke werden dem Kreis immer ähn-
licher. Das sieht man schon, wenn man die Skizzen für vier und
sechs Ecken vergleicht. Dadurch wird auch die Näherung für den
dazwischenliegenden Wert von π immer besser.
Mit 96 Ecken kam Archimedes auf die folgende Abschätzung:
223 10 1 22
3,141 ≈ 71 = 3 71 < π < 3 7 = 7 ≈ 3,143
3,14159265358979323846264338327950288 . . .
Van Ceulen rechnete auf der Basis eines Polygons mit etwa vier
Trillionen Seiten (!) und verbrachte den größten Teil seines Lebens
mit diesen Kalkulationen. Als „Belohnung“ für seine Mühen wurde
π eine Zeit lang auch die Ludolphsche Zahl genannt.
Die Zahl auf van Ceulens Grabstein ist bereits viel genauer als
der Näherungswert für π , den typische Programmiersprachen uns
vier Jahrhunderte später liefern. Und wie ich auf den ersten Seiten
des Buches schon sagte, reicht diese Genauigkeit für alle praktischen
Zwecke aus. Nichtsdestotrotz wurden in den letzten Jahrzehnten
mithilfe von Computern immer neue Rekorde aufgestellt. Man kennt
inzwischen – Stand Januar 2020 – die ersten 50 Billionen Nachkom-
mastellen von π . Würde man die in Büchern wie diesem ausdrucken
und diese übereinanderstapeln, so wäre der daraus resultierende Turm
über zweihundert Kilometer hoch! (Verkehrsflugzeuge erreichen nor-
malerweise nur fünf Prozent dieser Höhe.)
D I E D I VA 53
Sie haben sich vielleicht schon gedacht, dass π eine irrationale Zahl
ist. Natürlich sind theoretisch auch rationale Zahlen vorstellbar,
bei denen erst nach 50 Billionen Nachkommastellen eine periodi-
sche Wiederholung zu erkennen ist, aber bei einer „Naturkonstante“
erwarten Mathematiker so ein ungebührliches und unästhetisches
Verhalten nicht.
Es ist nicht klar, ab wann vermutet wurde, dass das Verhältnis
des Kreisumfangs zum Durchmesser nicht rational ist. Sicher ist al-
lerdings, dass der Beweis dieser Tatsache vergleichsweise schwierig
√
ist. Während bereits zur Zeit von Pythagoras klar war, dass 2 ir-
rational ist, und der Beweis eine einfache Fingerübung ist, konnte
die Irrationalität von π erst im 18. Jahrhundert von dem Schweizer
Johann Heinrich Lambert nachgewiesen werden. Lambert benutzte
für seinen Beweis Kettenbrüche – eine zur damaligen Zeit recht neue
Technik. Alle Beweise für die Irrationalität von π verwenden Metho-
den, die in der antiken Mathematik noch nicht entwickelt worden
waren (und die über das Niveau dieses Buches hinausgehen).
Auf jeden Fall wirken die bisher berechneten Nachkommastellen
von π so, als handelte es sich um eine zufällige Folge von Ziffern. Die
Folge ist natürlich nicht zufällig, aber man kann quantitativ beschrei-
ben, was man mit „zufälligem“ Verhalten in diesem Fall meint: Jede
Ziffer kommt langfristig gleich häufig vor. Jedes mögliche Paar von
Ziffern kommt langfristig gleich häufig vor. Jede mögliche Abfolge
von drei Ziffern kommt langfristig gleich häufig vor. Und so weiter.
Gilt das nicht nur in der Dezimaldarstellung, die wir willkürlich auf-
grund der Anzahl unserer Finger gewählt haben, sondern bezüglich
jeder möglichen Basis, so nennt man eine Zahl mit dieser Eigenschaft
(absolut) normal.
Und das ist eine bemerkenswerte Eigenschaft! Wenn jede endli-
che Sequenz von Ziffern gleich häufig vorkommt, dann kommt Ihr
Geburtstag in einer normalen Zahl unendlich oft vor. Und meiner
auch. Und in der Binärdarstellung einer normalen Zahl kommt das
Manuskript dieses Buches als ASCII-Datei vor – natürlich ebenfalls
unendlich oft.
Das gilt natürlich auch für Kreise: Die Kreisfläche muss pro-
portional zum Quadrat des Kreisradius sein. Folglich gibt es einen
Proportionalitätsfaktor. Und der ist (Trommelwirbel. . . ) die Zahl π !
D I E D I VA 55
vom Umfang zum Durchmesser exakt dasselbe sein wie das Verhält-
nis der Fläche zum Quadrat des Radius? Schauen wir uns zwei Arten
an, das zu begründen.
Die erste Begründung wird Leonardo da Vinci zugeschrieben. Er
unterteilt die Kreisfläche in gleich große „Tortenstücke“ und setzt
diese so wie in der folgenden Skizze zusammen.
D
K
Das Dreieck ist rechtwinklig und die eine Kathete ist so lang wie
der Radius des Kreises, während die andere so lang wie der Umfang
des Kreises ist. Archimedes will beweisen, dass die beiden Figuren
denselben Flächeninhalt haben. (Das Dreieck hat dieselbe Fläche
wie das „Rechteck“ von da Vinci, das gestrichelt hinzugefügt wurde.)
Dafür wendet er zweimal eine Reductio ad absurdum an, indem er
zeigt, dass sowohl die Annahme, die Dreiecksfläche sei kleiner als die
Kreisfläche, als auch die, sie sei größer, jeweils auf einen Widerspruch
führen.
Fangen wir mit der Annahme an, die Kreisfläche K sei größer
als die Dreiecksfläche D . Als Vorüberlegung betrachten wir einen
D I E D I VA 57
Kreisbogen (kleiner als 180 Grad) vom Punkt A zum Punkt B . Den
Mittelpunkt dieses Kreisbogens nennen wir M .
A
B
Sicher ist der Kreisbogen von A nach M länger als die Strecke
AM , weil eine gerade Strecke immer die kürzeste Verbindung zweier
Punkte ist. Außerdem ist klar, dass das Dreieck AM B größer als
der schraffierte Rest des Kreissegmentes sein muss. Das wird durch
das gestrichelte Rechteck deutlich, dessen Fläche offensichtlich genau
doppelt so groß wie die von AM B ist. Daraus folgt, dass die in der
folgenden Skizze ebenfalls schraffiert dargestellte „Restfläche“ nach
dem Einpassen eines regelmäßigen Vielecks in einen Kreis durch
Verdoppelung der Eckenzahl immer mindestens halbiert wird.
D I E D I VA 59
Erst Ende des 19. Jahrhunderts konnte Ferdinand von Lindemann
beweisen, dass so eine Konstruktion zumindest nach den strengen
griechischen Regeln prinzipiell unmöglich ist. Darum wird der
Begriff heute auch im übertragenen Sinne für eine unlösbare Aufgabe
verwendet.
Wir wollen das unwürdige Gezänk aber nun hinter uns lassen und
uns wieder der Mathematik zuwenden. Mit dem Adjektiv infinitesi-
mal sind „Zahlen“ gemeint, die „kleiner als jede positive Zahl, aber
größer als null“ sind. Das ergibt einerseits keinen Sinn, weil es solche
Zahlen nicht geben kann, war aber andererseits die Grundlage, auf
der Leibniz und Newton so wichtige neue Begriffe wie Ableitung
und Integral entwickelten.
Die neuen Methoden waren so fruchtbar, dass ganz Europa sie
damals begeistert aufgriff und verwendete. Und das führte wiederum
dazu, dass Mathematik und Physik auf einmal mit Siebenmeilenstie-
feln voranschritten. Das war die eine Seite der Medaille. Die andere
war allerdings die eben angesprochene Unsicherheit der Grundlagen.
Bevor die Infinitesimalrechnung aus der Taufe gehoben wurde, berief
sich die Mathematik immer noch auf das Erbe Euklids und galt als
Musterbeispiel für eine exakte Wissenschaft. Niemand bezweifelte
die Korrektheit ihrer Ergebnisse und alle bewunderten die Klarheit
und Präzision ihrer Aussagen. Die neuen Verfahren riefen jedoch
zahlreiche Skeptiker auf den Plan und ihre Verfechter sahen sich
vielfältiger Kritik ausgesetzt.
Es dauerte etwa zweihundert Jahre, bis die Mathematik gefühlt
wieder auf sicheren Füßen stand. In diesen Jahrhunderten wurden
G I B T E S P I Ü B E R H AU P T ? 63
der Fläche zwei, die eine Seite ist zu lang, die andere zu kurz. Darum
können wir den gleichen „Trick“ erneut anwenden: Mittelwert der
beiden Seiten a 1 und b1 bilden, um eine neue Seite a 2 zu erhalten,
dann b2 „passend“ zu a 2 berechnen.
a 1 + b1 17 2 24
a2 = = b2 = =
2 12 a2 17
Machen wir das mit a 2 und b2 noch mal, dann haben wir insge-
samt vier Rechtecke, von denen die letzten beiden sich mit bloßem
Auge kaum noch unterscheiden lassen:
Die Lösung, die sich schließlich durchsetzte, hob die gerade beschrie-
bene Trennung auf. Man verschmolz quasi die diskreten Punkte zur
kontinuierlichen Zahlengerade.
Der Begriff der Größe wurde aufgegeben und Zahlen (natürliche,
ganze und rationale) sowie Größen wurden unter dem Begriff der
reellen Zahl subsumiert, den ich vor einigen Seiten bereits vorweg-
genommen habe. Rationale Zahlen sind reelle Zahlen; aber auch
die Grenzwerte bestimmter Folgen von rationalen Zahlen sind re-
elle Zahlen. Man stellt sich also vor, dass eine unendliche Folge wie
a 1, a 2, a 3, . . . am Ende ein Ziel erreicht, und definiert das Ziel gleich-
zeitig über diese Folge.
Um das formalisieren zu können, war jedoch ein weiterer Bruch
mit philosophischen Traditionen vonnöten. Die im letzten Absatz
umschriebene Definition, die so klingt, als beiße sich die sprichwört-
liche Katze in den Schwanz, ist logisch sauber mithilfe von Mengen
möglich. Die sind das geistige Kind des bereits erwähnten Georg
Cantor. Aber das ganze Projekt gelingt nur, wenn man von der po-
tentiellen zur aktualen Unendlichkeit übergeht.
Mit potentieller Unendlichkeit ist die Möglichkeit gemeint, dass es
„immer weitergeht“. Prototypisch dafür sind die natürlichen Zahlen:
G I B T E S P I Ü B E R H AU P T ? 65
Zu jeder natürlichen Zahl kann man eine angeben, die noch größer
ist, indem man einfach eins addiert. Diese Möglichkeit ist sogar die
definierende Eigenschaft der natürlichen Zahlen. Das hat bereits die
antike Mathematik so gesehen und abgesehen von einigen wenigen
sogenannten Ultrafinitisten hat damit auch niemand ein Problem.
Mit aktualer Unendlichkeit ist hingegen gemeint, dass Cantor
quasi alle natürlichen Zahlen in einen Sack gestopft und den Sack die
Menge der natürlichen Zahlen genannt hat. Der Prozess des „immer
weiter“ wird also gedanklich zu einem Ende geführt, damit alle na-
türlichen Zahlen als Gesamtheit betrachtet werden können. Wenn
man diese Abstraktion akzeptiert, dann kann man solche Mengen
als Objekte behandeln, mit denen man Mathematik betreiben kann.
Darauf aufbauend kann man die reellen Zahlen definieren und in
deren Gefolge die gesamte Analysis logisch absichern.
Wenn man sie akzeptiert! Während manche Zeitgenossen Can-
tors Ideen genial fanden, interpretierten andere wie Kronecker sie
als Sündenfall. Für sie war so etwas wie aktuale Unendlichkeit un-
vorstellbar und daher entbehrte für sie auch die Idee irrationaler
„Zahlen“ jeglicher logischer Grundlage.
Die Mathematiker, die im 21. Jahrhundert leben und arbeiten,
sind mehrere Generationen von der Zeit Kroneckers entfernt. Sie
haben an den Universitäten die Sichtweise Cantors gelernt, die sich
im Endeffekt durchgesetzt hat. Von den damaligen Kämpfen erfährt
nur, wer sich mit der Geschichte und der Philosophie seiner Wis-
senschaft auseinandersetzt. Und einem Außenstehenden kommen
solche Diskussion vielleicht sogar so vor, als würde jemand, der an
kleine grüne Männchen vom Mars glaubt, vehement bestreiten, dass
diese Männchen rote Mützen tragen könnten.
Zum Glück können Sie den Rest des Buches lesen, ohne sich auf
die Seite von Cantor oder von Kronecker schlagen zu müssen. Ich
habe am Anfang des Buches angekündigt, dass wir eine Formel zur
Berechnung von π entwickeln wollen. Inzwischen dürfte klar sein,
dass mit Berechnung nur gemeint sein kann, dass wir π approximieren.
Sie können die Formel, die am Ende dieses Buches stehen wird, im
Sie können die Teile beliebig klein machen, wenn Sie nur die
Anzahl der Teile groß genug wählen. Mit der Formulierung beliebig
klein meint man in der Mathematik das Folgende: Wenn jemand
Ihnen sagt, dass Ihre Teilstücke höchstens einen Zentimeter lang
sein dürfen, dann können Sie mit Zollstock und Taschenrechner
problemlos ermitteln, in wie viele Teile man die Strecke zerlegen
muss, damit diese nicht länger als ein Zentimeter sind. Und das
ändert sich zumindest prinzipiell auch nicht, wenn dieser Jemand als
Obergrenze drei Millimeter oder zwölf Nanometer vorgibt. Zudem
G I B T E S P I Ü B E R H AU P T ? 67
ist es natürlich auch irrelevant, wie lang die Ausgangsstrecke ist. Das
Zerlegen in Teile, die eine vorgegebene Grenze nicht überschreiten,
bekommen Sie immer hin.
Diese auch für Nichtmathematiker offensichtliche Aussage ist
so grundlegend, dass sie einen Namen bekommen hat: man nennt
sie das archimedische Axiom. In der ursprünglichen Form beschrieb
das Axiom einen Zusammenhang zwischen Größen und Zahlen.
Wie so oft in der Mathematik ist der Name eigentlich falsch, weil
Archimedes das Axiom nur verwendet hat und es bereits lange vor
seiner Zeit Eudoxos von Knidos bekannt war.
In der modernen Form, die so auch an den Hochschulen gelehrt
wird, sieht das folgendermaßen aus: Zu einer festen reellen Zahl a
und einer vorgegebenen positiven Grenze ε kann man immer eine
natürliche Zahl n 0 finden, so dass für alle n ≥ n 0 gilt, dass |a/n|
kleiner als ε ist.
Wenn man damit noch nie zu tun hatte, ist dieser Formalismus
(den die Mathematiker scherzhaft „Epsilontik“ nennen, weil in sol-
chen Aussagen fast immer eine Grenze mit dem Namen ε vorkommt)
zunächst schwer zu entziffern. Es ist aber alles nicht so schlimm.
Übersetzt ist a die Länge unseres Streckenstücks, ε die von Herrn
Jemand vorgegebene Maximallänge der Teilstücke und n 0 die Minde-
stanzahl von Teilen, die man braucht, um die Anforderungen zu erfül-
len. Der Nebensatz mit n ≥ n 0 bedeutet, dass es natürlich „erst recht“
klappt, wenn man noch mehr Stücke nimmt. Und die Betragsstriche
sorgen dafür, dass die Aussage auch noch stimmt, wenn a negativ ist.
Man sagt dann auch, dass a/n gegen null geht (oder konvergiert),
wenn n gegen unendlich geht. Dieser Formulierung sind wir im Zusam-
menhang mit dem babylonischen Wurzelverfahren bereits begegnet
und ich werde sie auch in den folgenden Kapiteln ab und an verwen-
den. Wenn Ihnen das zu sehr nach aktualer Unendlichkeit klingt,
können Sie es im Kopf aber auch umformulieren: Man kann n bei Be-
darf so groß wählen, dass der Betrag von a/n keine Rolle mehr spielt.
Unabhängig davon, wie wir es ausdrücken, sind wir nun jedoch
so weit, dass ich Ihnen die Details des Plans verraten kann. . .
G I B T E S P I Ü B E R H AU P T ? 69
DER PLAN
Allerdings muss ich an dieser Stelle erst mal etwas auf die Brem-
se treten. Ich habe eben behauptet, dass wir durch die Erhöhung
der Punktdichte nach und nach bessere Näherungen erhalten. Aber
stimmt das wirklich?
Es ist offensichtlich, dass man aus Quadraten niemals exakt einen
Kreis zusammenbasteln kann. Analysiert man genauer, so sieht man,
dass es zwei Sorten von Abweichungen gibt: Einerseits gibt es Punkte
innerhalb des Kreises, deren zugehörige Quadrate aber nicht ganz
im Kreis liegen. In diesen Fällen wird immer etwas Quadratfläche zu
viel addiert. Andererseits gibt es Punkte außerhalb des Kreises, deren
Quadrate teilweise innerhalb des Kreises liegen. Hier wird jeweils
etwas Quadratfläche unterschlagen.
Man könnte nun einfach hoffen, dass sich diese Fehler gegenseitig
aufheben. Das wäre aber ziemlich blauäugig und auf jeden Fall ein
sehr unmathematischer Ansatz. Wir machen es ganz anders und
DER PL AN 73
Wenn wir den Radius unseres Kreises mit r bezeichnen, dann
√ √
wird der Ring durch Kreise mit den Radien r + 2/2 und r − 2/2
nach außen und innen begrenzt. Die Fläche des Rings ist daher
einfach die Differenz der entsprechenden Kreisflächen:
√ 2 √ 2 √
π r + 2/2 − π r − 2/2 = 2 2π r
Vor langer Zeit habe ich im Radio mal ein Gespräch mit Albert
Mangelsdorff gehört. Er war damals über 50 Jahre alt und gerade von
den Kritikern der führenden amerikanischen Fachzeitschrift zum
weltbesten Jazz-Posaunisten gewählt worden. In dem Interview sagte
er unter anderem, dass er nach wie vor jeden Tag mehrere Stunden
üben würde.
Warum erzähle ich das? Weil auch die größten Künstler ihr Hand-
werk beherrschen müssen. Darum habe ich eben auch nicht Schritt
für Schritt vorgerechnet, wie man auf das Ergebnis kommt. Ma-
thematik erfordert Kreativität, Inspiration und Verständnis. Aber
manchmal muss man natürlich auch einfach rechnen, das kann Ihnen
niemand abnehmen. Picasso wusste sicher auch, wie man Farben
mischt.
OK, wir wissen nun, dass die Fläche des „Sicherheitsrings“ propor-
tional zum Radius anwächst. Ist das eine gute oder eine schlechte
Nachricht? Ich habe eigentlich schon vorweggenommen, dass es eine
gute ist. Denn wir werden ja am Ende die Anzahl der Punkte (die
Summe der Quadratflächen) durch das Quadrat des Kreisradius, al-
so r 2 , teilen. Der Fehler, den unser Schätzwert für π haben wird, ist
√ √
somit nicht 2 2π r , sondern 2 2π/r . Und in der im letzten Kapi-
tel vorgestellten Sprache der Analysis ausgedrückt geht dieser Wert
gegen null, wenn r gegen unendlich geht.
Dem Gelingen unseres Plans steht also prinzipiell nichts entgegen.
Wir müssen „nur“ noch einen möglichst simplen Weg finden, die
Anzahl der Punkte in einem Kreis zu zählen. Das ist nicht gerade
einfach, aber interessant. Diese Aufgabe wird uns in den nächsten
Erlauben Sie mir noch eine weitere Abschweifung, bevor wir Punkte
zählen. Hat Sie unsere Fehlerabschätzung eben überzeugt oder waren
Sie eventuell nicht ganz zufrieden? Wir haben ganz großzügig als
größten anzunehmenden Fehler die Fläche des Rings angesetzt und
uns überzeugt, dass selbst diese im Vergleich zur Kreisfläche klein
genug wird, wenn der Kreis nur groß genug ist. Aber kennen wir
den wirklichen Fehler? Nein.
Wir sind damit in der Situation einer Ingenieurin, die weiß, dass
ein Röntgengerät sicher ist, wenn man es mit genügend Blei ab-
schirmt, die aber nicht weiß, wie viel Blei im konkreten Fall benötigt
wird. Zu wenig Blei wäre gefährlich, zu viel Blei macht die Maschine
teuer und schwer.
Die Relevanz solcher Fragen macht (unter anderem) den Unter-
schied zwischen der reinen und der angewandten Mathematik aus. In
der reinen Mathematik geht es um die großen theoretischen Fragen.
DER PL AN 75
Man will beispielsweise wissen, ob etwas überhaupt möglich ist. In
der angewandten Mathematik geht es um die Praxis. Wenn man erst
einmal weiß, dass etwas möglich ist, dann möchte man Wege finden,
den Job möglichst ökonomisch zu erledigen. Dazu gehören auch Fra-
gen nach genauen Fehlerschranken und nach effizienten Methoden
zur Berechnung von Schätzwerten, die in den Bereich der Numerik
gehören.
In diesem Buch geht es ausschließlich um reine Mathematik. Wir
werden noch öfter lediglich sicherstellen, dass wir theoretisch zum
Ziel kommen werden, ohne quantifizieren zu können, wie lang der
Weg bis zum Ziel sein wird. Sagte ich schon, dass das Buch keinen
praktischen Wert hat?
Der guten Ordnung halber muss man sagen, dass man in den
Schriften von Descartes nirgends ein kartesisches Koordinatensystem
finden wird. Und an eines, das sich beliebig weit nach links und unten
erstreckt, hätte man damals ohnehin wohl nicht gedacht. Das hätte
nämlich die Akzeptanz negativer Zahlen vorausgesetzt und im 17.
Jahrhundert, zur Zeit von Descartes, waren die den Mathematikern
noch nicht ganz geheuer.
Descartes hat also das nach ihm benannte System nicht direkt
vorgeschlagen, aber er hat den Boden dafür bereitet. Und er hat noch
weitere Spuren hinterlassen. Die Konvention, Buchstaben vom Ende
des Alphabets wie x , y und z für unbekannte Variablen zu verwenden
und Buchstaben vom Anfang wie a , b und c für bekannte, hat er
ebenfalls eingeführt.
Noch wichtiger für die Entwicklung der Mathematik war aber
sein Standpunkt, dass eine Größe wie a 2 nicht nur eine Fläche, son-
dern auch eine Länge repräsentieren kann. Heutzutage scheint uns
das die natürlichste Sache der Welt zu sein, aber damals war das
gewissermaßen ein Sakrileg. Euklid hätte sich im Grabe umgedreht!
Wir haben bereits gesehen, wie kontrovers der Schritt von den
Größen der Geometrie zu den Zahlen war. Descartes trug mit dazu
M I L L I M E T E R PA P I E R 79
bei, den Stein ins Rollen zu bringen, indem er eine „liberale“ Sicht
auf die Größen der Geometrie ermöglichte.
Übrigens wurde 150 Jahre nach seinem Tod die Kleinstadt, in der
er geboren wurde, nach ihm benannt. Wer kann das schon von sich
behaupten?
Den Kreis platzieren wir natürlich so, dass sein Mittelpunkt der
Ursprung des Koordinatensystems ist. Durch die neue Brille von
Descartes und Fermat betrachtet ist der Kreis dann die Gesamtheit
aller Punkte, deren Abstand vom Ursprung dem Radius des Kreises
entspricht.
Das führt zu einer wichtigen Erkenntnis, die der Grund dafür sein
wird, dass wir uns in den folgenden Kapiteln nicht mit Geometrie,
sondern mit Zahlentheorie beschäftigten werden:
Wir haben gerade gesehen, dass ein Punkt mit den Koordinaten
(x, y) den Abstand x 2 + y 2 vom Ursprung hat. Wir betrachten nur
Punkte, bei denen x und y ganze Zahlen sind. Dann ist x 2 + y 2 aber
auch eine ganze Zahl. „Unsere“ Punkte können demnach nur auf
√ √ √
konzentrischen Kreisen mit den Radien 1, 2, 3 und so weiter
liegen.
Wenn wir also beispielsweise wissen wollen, wie viele Punkte in
der Kreisscheibe mit dem Radius 3,2 liegen, dann müssen wir zählen,
√ √
wie viele Punkte auf den zehn Kreisen mit den Radien 1 bis 10
√
liegen, weil 10 ungefähr 3,16 ist. Und für die Kreisscheibe mit dem
M I L L I M E T E R PA P I E R 81
√
Radius 3,3 wäre die Antwort dieselbe, weil die „nächste“ Wurzel 11
größer als 3,3 ist.
Wir werden daher den Plan aus dem letzten Kapitel etwas modi-
fizieren und dadurch einfacher gestalten. Wir setzen für den Rest des
Buches die folgende Bezeichnung fest:
√
Pn : Anzahl der Punkte auf dem Kreis mit dem Radius n
n 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
Pn 4 4 0 4 8 0 0 4 4 8
P1 + P2 + P3 + · · · + Pn
n
Dabei steht n für eine natürliche Zahl und wir hatten uns bereits
überlegt, dass unsere Näherung umso besser wird, je größer n ist.
Dies ist ein ganz wichtiger Schritt auf dem Weg zum Ziel. Darum
schlage ich vor, vor dem Weiterlesen eine Pause einzulegen und über
die folgende Frage nachzudenken:
Und wenn wir schon bei Fragen sind, dann habe ich gleich noch
eine für Sie. Dafür sollten Sie sich die letzte Skizze noch einmal genau
anschauen.
Wir haben in der Tat etwas vergessen! Die Summe, die im Zähler
des obigen Bruchs steht, berücksichtigt nicht den Punkt im Ursprung,
der einfach „übersehen“ wird. Aber das ist zum Glück nicht schlimm.
Wenn der Kreis immer größer wird, dann wird dieses eine Quadrat
im Vergleich dazu so klein, dass es für den Schätzwert irgendwann
irrelevant ist. (Aber vielleicht sollten Sie mir das nicht einfach glau-
ben. Man kann sich relativ leicht davon überzeugen, dass es wirklich
stimmt. Das läuft wieder auf einen Grenzwertprozess hinaus.)
M I L L I M E T E R PA P I E R 83
DIE ATOME DER MATHEMATIK
Das zentrale Thema der Zahlentheorie ist die Teilbarkeit und ih-
re Stars sind die Primzahlen. Wenn vier Mathematikerinnen neun
Pizzen gerecht unter sich aufteilen, dann bekommt jede zwei ganze
und noch ein Viertel. Das klappt bei Pizzen ganz gut, aber es funk-
tioniert nicht mit neun Perlen, weil man Perlen wohl kaum vierteln
will. Mathematisch formuliert bedeutet das, dass man neun nicht
durch vier teilen kann, wenn man nur die natürlichen Zahlen zur
Verfügung hat.
Eine Perle bleibt übrig. Sie ist der Rest beim Teilen mit Rest, das
den Kindern bereits in der Grundschule beigebracht wird. Wenn es
beim Teilen keinen Rest gibt, dann sagt man, dass der Dividend durch
den Divisor teilbar ist. Zwölf ist zum Beispiel durch drei teilbar, aber
nicht durch fünf. Manchmal sagt man auch, dass drei ein Teiler von
zwölf ist oder zwölf ein Vielfaches von drei. Das sind einfach nur
unterschiedliche Formulierungen für denselben Sachverhalt.
(Offenbar ist es sinnlos, im Zusammenhang mit rationalen Zah-
len von Teilbarkeit zu sprechen. Wenn ich auf den folgenden Seiten
einfach nur von Zahlen spreche, dann sind damit immer natürliche
Zahlen gemeint, wenn ich nicht explizit ein Adjektiv wie rational
oder reell verwende.)
Jede Zahl ist durch eins und durch sich selbst teilbar. Anders
ausgedrückt: Wenn ich sechs Pizzen unter sechs Personen aufteilen
will, dann bekommt jeder eine und es bleibt nichts übrig. Es bleibt
aber auch nichts übrig, wenn nur eine Person Pizza essen will (und
sie sehr hungrig ist).
Es gibt Zahlen, die sind nur durch eins und sich selbst teilbar.
Fünf ist so eine Zahl: Man kann fünf Perlen weder unter zwei noch
unter drei noch unter vier Personen so aufteilen, dass alle gleich viele
(ganze) Perlen bekommen. Solche Zahlen nennt man Primzahlen.
Hier die ersten zehn Primzahlen:
2 3 5 7 11 13 17 19 23 29
Es fehlt noch die Eins. Sie soll keine Primzahl sein, aber zusam-
mengesetzt ist sie auch nicht; also bekommt sie eine Extrawurst
gebraten und hat eine Klasse ganz für sich alleine.
Wenn ein Teiler eine Primzahl ist, dann nennt man ihn einen
Primteiler. Zwei ist beispielsweise ein Primteiler von zwölf, vier
nicht; vier ist nur ein Teiler. Offensichtlich hat jede Zahl bis auf die
Eins Primteiler: Handelt es sich um eine Primzahl, so ist sie selbst
ein Primteiler von sich. Handelt es sich um eine zusammengesetzte
Zahl, so muss sie einen Teiler haben, der kleiner als sie selbst, aber
größer als eins ist. Ist dieser Teiler eine Primzahl, so haben wir einen
Primteiler gefunden. Ist der Teiler eine zusammengesetzte Zahl, so
muss er wiederum einen kleineren Teiler haben, der nicht eins ist.
Der ist aber auch ein Teiler der ursprünglichen Zahl. Ist er eine
Primzahl, so sind wir fertig. Ist er keine, dann. . . Naja, und so weiter.
D I E ATO M E D E R M AT H E M AT I K 87
Das muss irgendwann aufhören, weil jeder von diesen Teilern kleiner
als der vorherige ist.
Beispiel gefällig? 4200 ist keine Primzahl. Ein Teiler von 4200 ist
210. 210 ist auch keine Primzahl. Ein Teiler von 210 ist 10. Auch das
ist keine Primzahl, aber 10 hat den Primteiler 5. Und 5 teilt auch 10,
210 und 4200. Also haben wir einen Primteiler von 4200 gefunden.
Einen Teiler, der weder eins noch die zu teilende Zahl selbst ist,
nennt man einen echten Teiler. Im obigen Beispiel war 210 ein echter
Teiler von 4200. Und offenbar hat man, wenn man einen echten
Teiler hat, immer gleich zwei. Der zweite ergibt sich durch Division,
in diesem Fall, indem man 4200 durch 210 teilt. Man kommt auf
den Teiler 20. Und wie wir 210 weiter zerlegt haben, kann man auch
weitere Teiler von 20 finden. Das kann zum Beispiel so aussehen:
4200
20 210
10 2 21 10
2 5 3 7 2 5
Man kann offenbar so lange weiter zerlegen, bis man bei Primzah-
len angelangt ist. Und die Zahl, mit der man angefangen hat, muss
dann das Produkt dieser Primzahlen sein:
4200 = 20 · 210 = 10 · 2 · 21 · 10 = 2 · 5 · 2 · 3 · 7 · 2 · 5
4200 = 2 · 3 · 7 · 2 · 5 · 2 · 5
D I E ATO M E D E R M AT H E M AT I K 89
In Euklids Worten besagt der Satz: „Es gibt mehr Primzahlen als
jede vorgelegte Anzahl von Primzahlen.“ Noch anders ausgedrückt:
Wenn Sie mir eine (endliche) Liste von Primzahlen zeigen, dann
kann ich immer eine Primzahl finden, die nicht in Ihrer Liste steht.
Wie beweist man das? Wenn Sie zwei Zahlen multiplizieren, dann
sind diese beiden Zahlen natürlich Teiler des Produktes. Das gilt auch
für mehr als zwei Zahlen. Multiplizieren Sie zum Beispiel 2, 3 und 7,
so ergibt sich 42 und sowohl 2 als auch 3 als auch 7 sind Teiler von 42.
Wenn andererseits a ein echter Teiler von b ist, dann kann a nicht
Teiler von b + 1 sein. Denn beim Dividieren von b durch a gibt
es ja keinen Rest, also muss es beim Dividieren von b + 1 durch a
zwangsläufig den Rest eins geben. (Im obigen Beispiel ist 43 weder
durch 2 noch durch 3 noch durch 7 teilbar.)
Und das ist auch schon alles, was man für den Beweis braucht.
Euklid kommt mit einer Liste von Primzahlen an. Wir nennen diese
Primzahlen p1 bis p n . Sie rechnen nun die folgende Zahl aus:
q = p1 · p2 · p3 · · · · · p n + 1
War Ihre Antwort, dass q eine Primzahl ist, die nicht in der Liste
auftaucht? Sie waren auf der richtigen Spur, aber die Antwort ist nicht
ganz korrekt. Diese Falle, in die viele tappen, zeigt, dass es in der
Mathematik doch immer mal wieder auf Kleinigkeiten ankommt, die
man beim Argumentieren nicht übersehen darf. Hier sehen Sie, was
herauskommt, wenn p1, . . . , p n die Liste der ersten n Primzahlen ist:
p 1, . . . , p n p1 · · · pn + 1
2 3
2, 3 7
2, 3, 5 31
2, 3, 5, 7 211
2, 3, 5, 7, 11 2311
2, 3, 5, 7, 11, 13 30031
Auf jeden Fall sind die Primzahlen seit Jahrtausenden ein Faszi-
nosum. Der in Bonn tätige amerikanische Zahlentheoretiker Don
Zagier hat es mal so formuliert:
Man hat das Gefühl, die Primzahlen würden zufällig wie Unkraut
zwischen den zusammengesetzten Zahlen hervorsprießen. Nieman-
dem ist es bisher gelungen, so etwas wie ein Bildungsgesetz oder eine
Formel zur Erzeugung von Primzahlen anzugeben.
Und nicht nur die professionellen Mathematiker finden die Prim-
zahlen fesselnd. Gerade die Zahlentheorie weckt immer wieder das
Interesse von Amateuren, was sicher auch daran liegt, dass viele Pro-
bleme, die mit den Primzahlen zusammenhängen, einerseits offenbar
sehr schwer sind, weil sie teilweise seit Jahrhunderten einer Lösung
harren, andererseits aber so leicht zu erklären, dass jede Schülerin
sie versteht. Es ist scheinbar schwer zu akzeptieren, dass eine Frage,
die man in zwei, drei einfachen Sätzen formulieren kann, sich seit
Dezennien auch den klügsten Köpfen widersetzt.
Auf die Gefahr hin, Eulen nach Athen zu tragen, will ich zum
Abschluss des Kapitels zwei dieser Fragen nennen, die zu den be-
kanntesten zählen und die beide noch unbewiesen waren, als ich
D I E ATO M E D E R M AT H E M AT I K 91
diese Zeilen schrieb. In beiden Fällen gibt es durch den Einsatz von
Computern überwältigende numerische Indizien, dass sie wahr sein
dürften, aber es gibt eben bisher keinen Beweis.
42 = 5 + 37 = 11 + 31 = 13 + 29 = 19 + 23
Wenn Sie kein Profi sind und nicht von sich selbst denken, Sie
seien ein Genie, dann empfehle ich Ihnen, nicht gerade mit einem
dieser Probleme anzufangen. . .
Dass Carl Friedrich Gauß, dessen Kreisproblem den roten Faden für
dieses Buch liefert, ein Genie war, haben seine Lehrer recht früh be-
merkt. Zum Glück, denn Gauß war das Kind armer und ungebildeter
Eltern und ohne entsprechende Förderung und ohne die finanzielle
Unterstützung des Herzogs seiner Geburtsstadt Braunschweig hätte
die Nachwelt wohl nie etwas von ihm erfahren.
Gerne und oft wird erzählt, wie Gauß als neunjähriger Schüler
spontan eine Formel für die Summe der ersten hundert natürlichen
Zahlen entwickelte, damit er diese nicht mühsam addieren musste.
Ist ja auch eine schöne Geschichte. Ich erzähle Ihnen aber eine andere.
Gauß starb 1855 – fast hundert Jahre, bevor die ersten brauch-
baren Computer entwickelt wurden. Wenn Mathematiker damals
etwas ausrechnen wollten, dann mussten sie das selbst erledigen, mit
Bleistift und Papier. Die einzigen Hilfsmittel, die zur Verfügung
standen, waren käuflich zu erwerbende Tafeln, in denen man bei-
spielsweise Logarithmen nachschlagen konnte, die jemand anders
schon einmal mit hohem Aufwand berechnet hatte. Gauß besaß
so eine Tafel. (Übrigens eine, die von dem Herrn Lambert erstellt
worden war, der auch die Irrationalität von π bewiesen hatte. Die
Welt der Mathematik war damals noch ein Dorf.)
In Lamberts Tafel befand sich auch eine Liste der ersten 100 000
natürlichen Zahlen, in der unter anderem vermerkt war, welche
davon Primzahlen sind. Gauß brütete im Alter von 14 Jahren (!)
über dieser Liste so lange, bis er aufgrund seiner Beobachtungen
eine Vermutung über die quantitative Verteilung der Primzahlen
D E R G OT T AU S D E R M A S C H I N E 95
heißt das noch lange nicht, dass die Anzahl der Punkte durch vier
teilbar sein muss.
Qn 5 6 8 9 12
Nichts gefunden? Macht nichts! Und wenn Sie nicht das gefunden
haben, was ich Ihnen jetzt einzureden versuche, macht das auch
nichts. Man kann einerseits an diesen Tabellen verschiedene Dinge
erkennen, andererseits sind es viel zu wenige Werte, um wirklich
mit Sicherheit etwas sagen zu können. Es ging zunächst nur um den
Spaß beim Suchen.
D E R G OT T AU S D E R M A S C H I N E 97
Wenn Sie Lust haben, dann gebe ich Ihnen jetzt noch zwei Tipps,
um Sie auf eine bestimmte Fährte zu lenken. Vielleicht denken Sie
über diese Tipps auch jeweils noch ein bisschen nach.
Erster Tipp: Es wird sich herausstellen, dass Werte, die weiter
hinten in der Tabelle stehen, sich häufig aus Werten herleiten lassen,
die weiter vorne stehen. Beispielsweise kennt man Q 65 , wenn man Q 5
und Q 13 kennt. Und man kennt Q 50 , wenn man Q 2 und Q 25 kennt.
Ebenso kann man Q 1105 ermitteln, wenn man die beiden Zahlen Q 17
und Q 65 schon hat.
Wenn man sich nur die Werte aus meinem Tipp anschaut, dann
könnte man folgende Hypothese aufstellen:
Q m ·n = Q m · Q n
Und das gilt unter anderem auch für m = 5 und n = 17 oder für
m = 7 und n = 5. (Finden Sie noch andere Beispiele?)
Zweiter Tipp: Die Hypothese stimmt nicht immer. Beispielsweise
stimmt sie meistens nicht, wenn m = n gilt. Sie stimmt aber auch
für m = 65 und n = 85 nicht. ( 65 · 85 ist 5525. Die Zahl Q 5525 finden
Sie in der kleinen Tabelle weiter oben.)
Wenn es vor Beginn der Saison ins Trainingslager geht, dann wissen
die Spieler noch nicht, welche Taktik der neue Trainer spielen will. Sie
absolvieren Übungen, deren Sinn ihnen erst später klar werden wird.
So ähnlich wird es Ihnen nun auch ergehen. Bevor wir syste-
matisch ein Verfahren zum Zählen der Punkte entwickeln können,
müssen wir erst einiges an Vorarbeit leisten. Und dabei wird anfangs
nicht unbedingt deutlich werden, warum wir das machen. Ich kann
Ihnen im Moment nur versprechen, dass wir alles, was wir uns hier
und in den folgenden Kapiteln anschauen, auf dem Weg zur π -Formel
noch brauchen werden.
Als Aufwärmübung für unser Training fangen wir mit einer Frage
an. Ich erwarte nicht unbedingt, dass Sie auf die Antwort kommen,
aber Sie sollten auf jeden Fall mal darüber nachdenken.
Falls Ihr erster Reflex war, den Computer zur Hilfe zu nehmen:
Für typische Programmiersprachen ist die Zahl, um die es hier geht,
viel zu groß; da muss man schon spezielle Verfahren einsetzen. Die
allermeisten Mathematiker können die Frage aber ganz schnell und
im Kopf beantworten. Sie verwenden dafür eine Technik, die man
modulare Arithmetik nennt und die von Carl Friedrich Gauß um
1800 als effizientes Werkzeug für die Zahlentheorie entwickelt wurde.
Es geht dabei um Reste bei der Division und wie sie sich durch
Rechnen fortpflanzen. Da es in der Zahlentheorie in erster Linie um
Bevor wir uns das anschauen, muss ich aber noch etwas zum gene-
rellen Vorgehen sagen. Ich werde auf den folgenden Seiten häufig eine
Technik anwenden, die man halb scherzhaft Beweis durch Beispiel
nennt. Sie ist in Fachartikeln und in der Ausbildung zukünftiger
Mathematiker verpönt, kann aber didaktisch durchaus sinnvoll sein.
Dass man nur durch das Betrachten von Beispielen keine allge-
meingültigen Aussagen beweisen kann, haben wir schon auf den
ersten Seiten gesehen, als es um die Aufteilung eines Kreises in Gebie-
te ging. Hätte man sich auf das Überprüfen einiger weniger Beispiele
beschränkt, so hätte man eine falsche Aussage „bewiesen“.
Damit so etwas nicht passiert, sind angehende Mathematikerin-
nen angehalten, möglichst allgemein zu argumentieren. Will man
beispielsweise die binomischen Formeln beweisen, so setzt man nicht
nur ein paar konkrete Zahlen ein, um sich zu überzeugen, dass das
schon stimmen wird. Man arbeitet stattdessen mit Buchstaben, die
Platzhalter für irgendwelche Zahlen sind, und achtet darauf, dass man
nur Umformungen anwendet, die mit jeder Zahl funktionieren.
Andererseits denken die meisten Menschen in konkreten Bei-
spielen. Auch Mathematikerinnen, die von Berufs wegen abstraktes
Denken gewohnt sind, fangen typischerweise mit Beispielen an und
arbeiten sich dann erst zu allgemeinen Aussagen vor. Der berühm-
te englische Mathematiker John Horton Conway, der 2020 an den
Folgen von COVID-19 verstarb, hat es mal überspitzt so formuliert:
To many, mathematics is a collection of theorems. For me,
mathematics is a collection of examples.
RESTE 101
folgenden Seiten vorgeführten Beweise mit anderen Beispielen selbst
zu überprüfen. Das ist ohnehin eine gute Übung fürs Verständnis.
Man sieht, dass die weißen Viererblöcke für den Rest der Summe
keine Rolle spielen. Was zählt, sind nur die schwarzen Reste, die
addiert werden.
Allerdings ist es noch ein kleines bisschen komplizierter. Um das
zu verstehen, ersetzen wir 13 durch 15:
Auch hier sind nur die Reste 2 und 3 relevant. Deren Summe ist
allerdings größer als 4. Der Rest der Summe ist also nicht einfach
die Summe der Reste. Man muss es etwas genauer formulieren: Es
ist der Rest, der sich ergibt, wenn man die Summe der Reste durch vier
teilt. (Es lässt sich leider nicht vermeiden, dass die mathematische
Sprache zuweilen ein wenig gestelzt klingt, wenn man sich präzise
ausdrücken will.)
+ 0 1 2 3
0 0 1 2 3
1 1 2 3 0
2 2 3 0 1
3 3 0 1 2
Mehr muss man über das Addieren von Resten nicht wissen. Und
da die Tabelle offenbar auch noch achsensymmetrisch zur Diagonalen
von links oben nach rechts unten ist, braucht man sogar nur einen
Teil der Informationen.
RESTE 103
Sowohl die weißen als auch die grauen Quadrate haben keine Re-
levanz, weil man sie auf naheliegende Weise in Viererblöcke aufteilen
kann. Der Rest des Produktes hängt also nur vom Produkt der Reste
ab. Es ist wie eben, wir müssen nur das Wort Summe durch das Wort
Produkt ersetzen. Darum brauchen wir auch für das Multiplizieren
nur eine simple Tabelle, die sogar noch einfacher ist:
· 0 1 2 3
0 0 0 0 0
1 0 1 2 3
2 0 2 0 2
3 0 3 2 1
Und das ist vorerst alles, was wir an modularer Arithmetik brauchen.
Wenn Sie in Zukunft den Rest bei Division durch vier einer Zahl
wie 123457 · 6891015 + 121314 benötigen, dann ersetzen Sie einfach
alle Zahlen durch ihre Viererreste, d.h. Sie berechnen stattdessen
1 · 3 + 2. Die Zwischenergebnisse entnehmen Sie entweder den obigen
Tabellen oder, noch einfacher, Sie rechnen alles „normal“ aus (5) und
ersetzen es dann durch den Rest bei Division durch 4, also durch 1.
Sie müssen lediglich einen typischen Fehler vermeiden. Eine
Potenz wie 145 steht bekanntlich für 14 · 14 · 14 · 14 · 14. Hier dürfen
Sie 14 wie eben durch 2 ersetzen, also 145 durch 25 . Das ergibt 32 und
somit 0. ( 145 ist also durch 4 teilbar.) Sie dürfen aber nicht die Fünf im
Exponenten durch eine Eins setzen. Dann kämen Sie auf das falsche
Ergebnis zwei. (Und warum sollten Sie das auch dürfen? Unsere
Herleitung gibt das nicht her, weil wir zwar über Addition und
Multiplikation, aber nicht über Exponentiation gesprochen haben.)
Zum Schluss kann ich Ihnen die Frage von vorhin noch einmal
vorsetzen. Die kommt Ihnen nun hoffentlich ganz einfach vor.
Pierre de Fermat war ein Amateur. Und zwar in dem Sinne des Wor-
tes, mit dem jemand gemeint ist, der eine Tätigkeit aus Liebhaberei
ausübt, ohne einen Beruf daraus zu machen. Er war Jurist und Politi-
ker und beschäftigte sich nur in seiner Freizeit mit der Mathematik.
Trotzdem gilt er als wichtigster Mathematiker der ersten Hälfte des
17. Jahrhunderts und wird häufig als größter Amateur-Mathematiker
aller Zeiten bezeichnet.
Wir sind Fermat schon im Zusammenhang mit der analytischen
Geometrie begegnet. Er hat auch Methoden der Infinitesimalrech-
nung antizipiert und ist einer der Begründer der Wahrscheinlich-
keitsrechnung. Sein Lieblingsthema aber war die Zahlentheorie, die
er aus einem tausendjährigen Dornröschenschlaf erweckte, der mit
dem Ende der Antike begonnen hatte. Um Zahlentheorie wird es
auch in diesem Kapitel gehen.
Fermats Beschäftigung mit der Zahlentheorie zeigt nebenbei
besonders eindrücklich Poincarés Freude des Verstehens. Gerade
die Frage, die wir auf den nächsten Seiten behandeln werden, hatte
überhaupt keinen Anwendungsbezug. Fermat hat sich offenbar einzig
und allein mit ihr beschäftigt, weil er die Antwort wissen wollte und
weil der Weg dahin ihm Freude bereitete.
Für uns gibt es aber eine „Anwendung“. Wir arbeiten ja an einem
Verfahren, die Anzahl Pn der Punkte mit ganzzahligen Koordinaten
√
auf einem Kreis mit Radius n zu bestimmen. Wenn unsere Hypo-
these stimmt (das wissen wir noch nicht), dass man diese Zahlen für
große Indizes n auf Werte für kleinere zurückführen kann, wenn
Fangen wir mit dem einfachsten Fall an. Die kleinste Primzahl lässt
sich definitiv als Summe von Quadraten darstellen und das offenbar
auch nur auf eine einzige Art und Weise: 2 = 12 + 12 .
Ich habe diesen Fall absichtlich vorab behandelt, weil die Zwei
ein bisschen aus der Reihe tanzt. Sie ist die einzige gerade Primzahl
und nur sie lässt sich daher als Summe zweier gleicher Quadrate dar-
stellen. Nachdem das erledigt ist, können wir uns nun auf ungerade
Primzahlen konzentrieren. Schon gleich bei der ersten, der Drei,
klappt es nicht. Bei der nächsten funktioniert es: 5 = 12 + 22 . Bei der
Sieben wieder nicht.
Hier sind die ersten neun Primzahlen, die man nicht als Summe
zweier Quadrate darstellen kann:
3 7 11 19 23 31 43 47 59
5=1+4 13 = 4 + 9 17 = 1 + 16 29 = 4 + 25
37 = 1 + 36 41 = 16 + 25 53 = 4 + 49 61 = 25 + 36
Ich war nicht dabei, aber ich bin mir sicher, dass Fermat auch
so angefangen haben muss. Einfach erst mal rumprobieren, viele
Fälle durchrechnen. Natürlich alles ohne Computer; das war ja noch
Offenbar kommt es auf die Spalten (und nicht auf die Zeilen)
an. Zunächst mal eine unwichtige Sache: Dass es in zwei Spalten
(fast) keine Primzahlen gibt, ist ein Artefakt, das mit der Anzahl der
D E R A M AT E U R U N D D I E W I N D M Ü H L E N 107
3 5 7 9 11 13 15 17 19 21 23 25 27 29
31 33 35 37 39 41 43 45 47 49 51 53 55 57
59 61 63 65 67 69 71 73 75 77 79 81 83 85
87 89 91 93 95 97 99 101 103 105 107 109 111 113
115 117 119 121 123 125 127 129 131 133 135 137 139 141
143 145 147 149 151 153 155 157 159 161 163 165 167 169
171 173 175 177 179 181 183 185 187 189 191 193 195 197
199 201 203 205 207 209 211 213 215 217 219 221 223 225
227 229 231 233 235 237 239 241 243 245 247 249 251 253
255 257 259 261 263 265 267 269 271 273 275 277 279 281
283 285 287 289 291 293 295 297 299 301 303 305 307 309
311 313 315 317 319 321 323 325 327 329 331 333 335 337
339 341 343 345 347 349 351 353 355 357 359 361 363 365
367 369 371 373 375 377 379 381 383 385 387 389 391 393
395 397 399 401 403 405 407 409 411 413 415 417 419 421
423 425 427 429 431 433 435 437 439 441 443 445 447 449
451 453 455 457 459 461 463 465 467 469 471 473 475 477
479 481 483 485 487 489 491 493 495 497 499 501 503 505
507 509 511 513 515 517 519 521 523 525 527 529 531 533
535 537 539 541 543 545 547 549 551 553 555 557 559 561
563 565 567 569 571 573 575 577 579 581 583 585 587 589
591 593 595 597 599 601 603 605 607 609 611 613 615 617
619 621 623 625 627 629 631 633 635 637 639 641 643 645
647 649 651 653 655 657 659 661 663 665 667 669 671 673
675 677 679 681 683 685 687 689 691 693 695 697 699 701
703 705 707 709 711 713 715 717 719 721 723 725 727 729
Wir müssen das natürlich noch beweisen, weil es bisher nur eine
Vermutung auf der Basis einer kleinen Tabelle ist. Und das bietet
D E R A M AT E U R U N D D I E W I N D M Ü H L E N 109
Ein Teil des Beweises ist allerdings so einfach, dass man dafür kei-
ne tollen Ideen braucht. Mathematiker würden ihn trivial nennen.
(Etwas gehässig formuliert bezeichnen Mathematiker etwas dann als
trivial, wenn sie es verstanden haben.)
Ich rekapituliere noch mal: Es geht um ungerade Primzahlen –
also alle außer der Zwei. Wenn man eine ungerade Zahl durch vier
teilt, kann sich als Rest nur eins oder drei ergeben. Wir werden
zuerst zeigen, dass für die Zahlen, bei denen der Rest drei ist, keine
Darstellung als Summe zweier Quadrate möglich ist.
Sie ahnen vielleicht schon, dass das ein Job für die modulare
Arithmetik ist. Schauen wir uns die Tabelle auf Seite 104 an. Wenn
man das Quadrat einer Zahl bildet, dann kann als Rest dieses Qua-
drates bei Division durch vier offensichtlich nur einer der Werte in
der Diagonalen herauskommen, also nur null oder eins.
Und jetzt die Tabelle auf Seite 103. Wenn man die Reste von zwei
Quadraten addiert, addiert man null und null oder null und eins oder
eins und eins. Herauskommen kann also nur null, eins oder zwei,
aber nicht drei. Das war’s schon! Wenn man zwei Quadrate addiert,
kann der Rest ihrer Summe bei Division durch vier nicht drei sein.
Dafür muss man sich nicht mal auf Primzahlen beschränken, es geht
grundsätzlich nicht.
Der schwierige Teil des Beweises ist die Aussage über die andere
„Hälfte“ der ungeraden Primzahlen: Wenn eine Primzahl bei Division
durch vier den Rest eins hat, dann kann man immer eine Darstellung
dieser Primzahl als Summe von zwei Quadraten finden. Wie finden
wir diese Quadrate? Hier kommen nun die Ideen von Heath-Brown
und Zagier zum Tragen. Geben wir der Primzahl, für die wir die
Quadrate suchen, den Namen p . Wir suchen Zahlen a und b mit
p = a 2 + b 2 . a 2 und b 2 können weder beide gerade noch beide
ungerade sein, denn in beiden Fällen wäre ihre Summe gerade. Also
können wir o.B.d.A. annehmen, dass a 2 ungerade und b 2 gerade ist.
Wie bitte? Sie fragen sich, was „o.B.d.A.“ bedeutet? Es ist die
Abkürzung für „ohne Beschränkung der Allgemeinheit“. Das ist
41 = 12 + 4 · 1 · 10 = 12 + 4 · 10 · 1 = 12 + 4 · 2 · 5
= 12 + 4 · 5 · 2 = 32 + 4 · 1 · 8 = 32 + 4 · 8 · 1
= 32 + 4 · 2 · 4 = 32 + 4 · 4 · 2 = 52 + 4 · 1 · 4
= 52 + 4 · 4 · 1 = 52 + 4 · 2 · 2
Die letzte Variante ist die, die wir wollen: 41 = 25 + 16. Wie viele
andere Varianten es gibt, ist ansonsten aber gar nicht wichtig. Wir
D E R A M AT E U R U N D D I E W I N D M Ü H L E N 111
brauchen nur ein überzeugendes Argument dafür, warum es diese
eine immer geben muss.
Der Weg bis hier zeigt übrigens eine Strategie, die gerne beim
Suchen nach einer Lösung angewendet wird: Wenn man nicht wei-
terkommt, modifiziert oder verallgemeinert man das Problem ein
bisschen und schaut, wohin das führt. Hier ging es eigentlich um
a 2 + 4m 2 und wir haben das „aufgelockert“ und a 2 + 4c d daraus
gemacht.
Nun kommt Spivaks Idee. Wir werden die elf Varianten von oben
nach bestimmten Regeln visualisieren und sie durch „Windmühlen“
darstellen. Ich demonstriere das am Beispiel 32 + 4 · 2 · 4.
Für 32 kommt ein Quadrat aus drei mal drei (dunklen) Kästchen
in die Mitte. Für 2 · 4 gibt es entsprechend ein Rechteck aus zwei
mal vier (hellen) Kästchen, das wir bündig an die obere Kante des
Quadrates setzen. Dabei gibt der erste Faktor die Höhe des Rechtecks
vor, der zweite die Breite.
Wegen der Vier in a 2 + 4c d brauchen wir vier solche Rechtecke.
Wir verteilen die restlichen drei zyklisch um das innere Quadrat. Da-
mit ist gemeint, dass wir wieder dieselbe Figur bekommen, wenn wir
alles um 90 Grad um den Mittelpunkt des dunklen Quadrates drehen.
Insgesamt haben wir nun natürlich 41 Kästchen. Aber Achtung! Wir
hätten es auch so machen können:
Oben rechts steht etwas isoliert die Windmühle, die das Ziel
unserer Arbeit ist, weil sie aus Quadraten zusammengesetzt ist – aus
einem dunklen in der Mitte und vier weiteren, die man zu einem
Quadrat zusammensetzen kann.
Die anderen Windmühlen stehen immer paarweise nebeneinan-
der, so dass bei jedem Paar das Quadrat in der Mitte identisch ist
und die angesetzten Rechtecke sich nur durch das Vertauschen von
horizontaler und vertikaler Richtung unterscheiden. Beispielsweise
sitzen ganz links oben nebeneinander die Windmühlen für 12 +4·1·10
und 12 +4 · 10 · 1 und ganz rechts unten die für 52 +4 · 1 · 4 und 52 +4 · 4 · 1.
Machen Sie sich bitte, bevor Sie weiterlesen, klar, dass Sie die Bil-
dungsregel verstanden haben, und überprüfen Sie die Grafik. Für das
weitere Vorgehen sind die folgenden Beobachtungen essentiell:
– Für jede Darstellung von p der Form a 2 +4c d erhalten wir eine
andere Windmühle, weil man aus den Windmühlen eindeutig
D E R A M AT E U R U N D D I E W I N D M Ü H L E N 113
die Darstellung rekonstruieren kann. Es gibt also genau so
viele Windmühlen, wie es Darstellungen gibt.
Warum nicht?
D E R A M AT E U R U N D D I E W I N D M Ü H L E N 115
Überzeugt? Hier muss ich zum zweiten Mal in diesem Kapitel
„Achtung!“ rufen. Es gibt eine „legale“ Möglichkeit, Quadrate abzu-
schneiden. Und zwar die, bei der das innere (gestrichelte) Quadrat
aus genau einem Kästchen besteht. Dann hat nämlich das zusammen-
gebastelte Rechteck die Höhe eins und das Produkt seiner Seiten ist
nicht notwendig eine zusammengesetzte Zahl.
Grundsätzlich ergeben sich aber bei unterschiedlichen Recht-
ecken immer auch unterschiedliche Umrisse: Haben die Rechtecke
dieselbe Fläche, müssen sie unterschiedliche Formen haben. Haben
sie unterschiedliche Flächen, so müssen die Ausgangsquadrate bereits
unterschiedliche Größen gehabt haben, damit am Ende die Anzahl
der Kästchen übereinstimmt.
Dazu werden jeweils die gleich langen innen liegende Seiten der
Rechtecke nach innen verlängert. Dadurch wird ein mittiges Quadrat
festgelegt und damit eine Windmühle. Wie man an der Skizze sieht,
liefert jeder Umriss zwei verschiedene Windmühlen. (Sie sollten aber
die letzten drei Sätze nicht einfach so überfliegen, sondern selbst mal
auf diesem Wege ein paar Windmühlen erzeugen.)
Es gibt jedoch auch hier wieder eine Ausnahme: Aus dem beson-
ders „schlanken“ Umriss, bei dem die entfernten Rechtecke Quadrate
sind, kann man mit dieser Methode wegen der Symmetrie nur eine
Windmühle generieren.
Sie haben es sicher bemerkt, wir sind am Ende des Beweises
angelangt! Wir haben uns einerseits überlegt, dass jede Darstellung der
Form a 2 + 4c d zu zwei Windmühlen führt, wenn 4c d kein Quadrat
ist. Über den Umweg des Konstruierens aus Umrissen haben wir
andererseits gezeigt, dass es eine ungerade Anzahl von Windmühlen
D E R A M AT E U R U N D D I E W I N D M Ü H L E N 117
DIE BADEANSTALT
Früher war mit Algebra lediglich das Lösen von Gleichungen ge-
meint und im allgemeinen Sprachgebrauch wird das Wort auch oft
noch so verwendet. Für die Mathematiker ist Algebra aber inzwischen
die Bezeichnung für ein wichtiges Teilgebiet ihrer Wissenschaft, das
so ausgedehnt und verzweigt ist, dass man es kaum in ein paar Sätzen
zusammenfassen kann.
Auf jeden Fall hat die moderne Algebra wesentlich dazu bei-
getragen, dass man die Mathematik heutzutage nicht mehr als die
Wissenschaft von den Zahlen und Größen ansieht, sondern als die
Disziplin, die Strukturen untersucht. Das führt unter anderem zu ei-
ner Abstraktion des Zahlbegriffs. Man legt gewissermaßen bestimmte
Zahlenmengen und Rechenoperationen unter die Lupe und versucht,
ihre Essenz möglichst einfach – durch einige wenige Axiome – zu
beschreiben. Alles, was sich aus diesen Axiomen rein logisch ergibt,
trifft dann auch auf alle anderen Strukturen zu, die die Axiome
erfüllen.
Genau das werden wir in diesem Kapitel und den folgenden
machen. Wir werden zunächst die ganzen Zahlen untersuchen und
ihre grundlegenden Eigenschaften notieren. Dann werden wir eine
neue Art von Zahlen definieren und sehen, dass sie sich in vielerlei
Hinsicht kaum von den ganzen Zahlen unterscheiden und wir daher
vieles, was wir über die ganzen Zahlen wissen, auf die neuen Zahlen
übertragen können.
(i) Wenn man zwei ganze Zahlen addiert oder multipliziert, ist
das Ergebnis wieder eine ganze Zahl.
a + (b + c) = (a + b) + c
a · (b · c) = (a · b) · c
(iv) Die Null spielt eine besondere Rolle bei der Addition. Addiert
man sie zu einer anderen Zahl hinzu, dann ist es so, als hätte
man gar nichts addiert. Bei der Multiplikation hat die Eins
diese Sonderrolle.
(v) Zu jeder ganzen Zahl gibt es ein „Gegenstück“ derart, dass die
Summe der beiden null ist. Das Gegenstück zu 3 ist beispiels-
weise −3, das zu −7 ist 7 und das Gegenstück der Null ist die
Null selbst. Allgemein schreibt man −a für das Gegenstück
der Zahl a .
D I E B A D E A N S TA LT 121
(vi) Addition und Multiplikation „vertragen“ sich. In der Schule
lernt man diese Eigenschaft als Ausklammern bzw. Ausmulti-
plizieren kennen.
a · (b + c) = a · b + a · c
(vii) Wenn bei einem Produkt null herauskommt, dann muss einer
der beiden Faktoren null gewesen sein; anders geht es nicht.
Allerdings sagt niemand „Gegenstück“. Man nennt −a ganz vor-
nehm das zu a inverse Element bezüglich der Addition. Überhaupt
gibt es für jeden der obigen Punkte Fachbegriffe. Zur Algebra ge-
hört leider auch, dass man am Anfang mit vielen neuen Wörtern
bombardiert wird. Ich zähle die im nächsten Absatz auch mal auf.
Um vom Rest des Buches etwas zu haben, müssen Sie die jetzt um
Himmels Willen nicht auswendig lernen. Aber vielleicht werden Sie
mal zurückblättern oder im Index nachschauen müssen.
(ii) und (iii) sind die Kommutativität und die Assoziativität der
Addition bzw. der Multiplikation. Unter (iv) wird beschrieben, dass
null und eins deren neutrale Elemente sind. Die Eigenschaft (vi) wird
als Distributivität bezeichnet. (vii) ist die sogenannte Nullteilerfreiheit.
Wenn die Punkte (i) bis (vi) alle zutreffen, spricht man von ei-
nem Ring. Kommt noch Punkt (vii) hinzu, dann hat man einen
Integritätsring. Die ganzen Zahlen mit den „üblichen“ Rechenopera-
tionen bilden also einen Integritätsring.
An dieser Stelle kann ich noch mal aufgreifen, was ich am An-
fang des Buches angedeutet habe: In der Mathematik gibt es nur
zwei und nicht vier „Grundrechenarten“, nämlich Addition und
Multiplikation. Die Subtraktion ist in der Sichtweise der Algebra das
Addieren des inversen Elementes. Anders gesagt: a − b ist lediglich
eine Abkürzung für a + (−b) , wobei mit −b das inverse Element zu b
von Punkt (v) oben gemeint ist. (Für die Division gilt eine analoge
Aussage, jedoch nur bei den rationalen Zahlen.)
Und wofür der ganze formale Aufwand? Weil wir jetzt einen an-
deren Integritätsring kennenlernen werden, der auf unserem Weg
D I E B A D E A N S TA LT 123
Multipliziert werden gaußsche Zahlen allerdings nicht kompo-
nentenweise, sondern nach einer auf den ersten Blick sehr seltsamen
Regel, die ich hier ganz allgemein aufschreibe und darunter anhand
eines Beispiels vorführe:
Eigentlich ganz banal, oder? Bei der Multiplikation ist der Aufwand
etwas größer, aber man muss es auch einfach nur hinschreiben – und
erwirbt dabei Routine. Außerdem zeige ich Ihnen noch, wie die
neutralen Elemente aussehen: es sind die gaußschen Zahlen (0, 0)
und (1, 0) . Rechnen Sie es nach!
(a, 0) + (b, 0) = (a + b, 0)
(a, 0) · (b, 0) = (ab, 0)
Das ist nichts weiter als die normale Addition und Multiplikation
ganzer Zahlen. Daher werden wir in Zukunft für gaußsche Zahlen
der Form (a, 0) einfach a schreiben und sie wie ganze Zahlen behan-
deln. Geometrisch sind das die Punkte auf der horizontalen Achse.
Außerdem führen wir für die gaußsche Zahl (0, 1) das Symbol i ein.
Man nennt diese Zahl auch die imaginäre Einheit. Der historische
Grund für diesen Namen sieht so aus:
(a + b i) · (c + d i) = ac + b c i + ad i + b d ii
= ac + b c i + ad i − b d
= (ac − b d) + (ad + b c) i
D I E B A D E A N S TA LT 125
Mit anderen Worten: Bei der Multiplikation gaußscher Zahlen
können Sie nach Herzenslust ausklammern und ausmultiplizieren,
wie Sie es gewohnt sind, und dabei i wie irgendeinen Buchstaben
behandeln. Die einzige Neuigkeit ist, dass Sie i · i durch −1 ersetzen
dürfen (und sollten).
Weiter geht’s auf dem anfangs steinigen Weg der Algebra. Zu jeder
ganzen Zahl a gibt es ein inverses Element bezüglich der Addition, für
das wir −a geschrieben haben. Addiert man eine Zahl und ihr inverses
Element, so kommt null, also das neutrale Element der Addition her-
aus. Auch bei den gaußschen Zahlen ist das so. Invers zur gaußschen
Zahl 3 − 2i ist beispielsweise die gaußsche Zahl −3 + 2i, wobei 3 − 2i
nach unserer Konvention eine andere Schreibweise für (3, −2) ist.
Wie ist das mit der Multiplikation? Hier müsste sinnvollerweise
beim Malnehmen mit dem entsprechenden inversen Element das
neutrale Element der Multiplikation herauskommen. Bei rationalen
Zahlen ist das auch kein Problem. Das inverse Element zu 2/7 ist zum
Beispiel 7/2, denn das Produkt der beiden Zahlen ist eins. Außer der
Null hat jede rationale Zahl einen Kehrwert. (Die multiplikativen
Inversen nennt man Kehrwerte.)
Bei den ganzen Zahlen ist das aber so eine Sache. Man spricht
nur dann davon, dass ein Kehrwert existiert, wenn dieser Kehrwert
zu der Klasse von Zahlen gehört, die man gerade untersucht. Die
Frage ist also:
Sie sind sicher darauf gekommen, dass es nur zwei solche Zahlen
gibt: 1 und −1. Beide haben als Kehrwert sich selbst. Elemente eines
Integritätsrings, die Kehrwerte haben, nennt man (schon wieder ein
neues Wort!) Einheiten. 1 und −1 sind also die einzigen Einheiten
unter den ganzen Zahlen.
Aber können Sie auch sauber begründen, warum es keine an-
deren Einheiten gibt? Bei den ganzen Zahlen mag das noch relativ
(i) Der Betrag einer ganzen Zahl ist immer eine natürliche Zahl
oder null. Und die einzige Zahl, deren Betrag null ist, ist die
Null selbst.
(ii) Der Betrag ist eine multiplikative Funktion. Damit meint man,
dass immer |ab | = |a| · |b | gilt.
(iii) Sind a und b ganze Zahlen, die beide nicht null sind, so gilt
stets |ab | ≥ |a| .
Bei diesen Eigenschaften verlasse ich mich darauf, dass Ihnen das
eigentlich klar ist bzw. dass Sie sich das mit ein, zwei Beispielen vor
Augen führen können. Ich weise lediglich darauf hin, dass Eigen-
schaft (iii) zwar für ganze Zahlen gilt, aber nicht etwa für beliebige
reelle Zahlen.
Mit dem Betrag kann man nachträglich begründen, warum es
nur die beiden Einheiten geben kann, die wir vorhin identifiziert
haben. Dass die Null keine Einheit ist, ist klar. Für jede ganze Zahl a
außer 0, 1 und −1 gilt jedoch: Multipliziert man sie mit null, kommt
D I E B A D E A N S TA LT 127
null heraus. Multipliziert man sie mit irgendeiner anderen ganzen
Zahl, so ist nach (iii) der Betrag des Produktes mindestens so groß
wie |a| und damit größer als eins. Also kann sich als Produkt nicht
eins ergeben.
Wie kann man das Konzept des Betrags auf gaußsche Zahlen übertra-
gen? Nicht ohne Grund habe ich Ihnen vorhin zwei Interpretationen
des Betrags genannt. Nur eine von beiden wird uns weiterbringen.
Daran kann man ganz gut die Vorgehensweise beim Abstrahieren
erkennen. Kann man die Eigenschaft, die man abstrahieren will,
so formulieren, dass man damit ihre Essenz erfasst hat? Ist diese
Formulierung auf andere Strukturen anwendbar?
Eine mögliche Interpretation des Betrags war das „Wegnehmen“
des Vorzeichens. Das ist aber nicht auf die gaußschen Zahlen übertrag-
bar, weil die kein Vorzeichen haben. Was sollte denn das Vorzeichen
von 2 − 3i sein? Hat 2 − 3i ein anderes Vorzeichen als −2 + 3i? Welche
der beiden Zahlen ist „positiv“? Sie sehen: das klappt nicht.
Das passende Analogon zum Betrag für gaußsche Zahlen ist de-
ren Abstand zur Null, also zum Ursprung des Koordinatensystems.
Den kann man mit dem Satz des Pythagoras ausrechnen. Und für
komplexe Zahlen macht man das auch so – der Betrag von a + b i
√
wird als a 2 + b 2 definiert: als Abstand der Punkte (a, b) und (0, 0) .
Bei gaußschen Zahlen geht man aber etwas anders vor und defi-
niert ihre sogenannte Norm folgendermaßen: Die Norm der Zahl
z = a + b i ist N (z) = a 2 + b 2 . Man erspart sich also das Ziehen der
Wurzel. Das hat den angenehmen Effekt, und deshalb macht man es
auch, dass die Norm einer gaußschen Zahl immer eine ganze Zahl
und keine häßliche irrationale Zahl ist. Manchmal wird es aber prak-
tischer sein, auch bei gaußschen Zahlen von ihrem Betrag zu sprechen.
Wir schreiben dafür auch |z | und halten fest, dass |z | der Abstand
vom Ursprung ist und dass der Zusammenhang |z | = N (z) besteht.
Es lässt sich nun leicht überprüfen, dass die Eigenschaften (i)
bis (iii) auch für die Norm der gaußschen Zahlen gelten. Und Sie
wissen ja, was ich jetzt sage: Glauben Sie das nicht einfach, sondern
D I E B A D E A N S TA LT 129
DER ERSTE ALGORITHMUS
Descartes’ Name wurde der Name seines Geburtsortes und der Name
von al-Chwarizmi wurde zu dem Wort Algorithmus, das heute wegen
der allgegenwärtigen Computer in aller Munde ist, obwohl den we-
nigsten so richtig klar ist, was es bedeutet – wenn man einschlägigen
Umfragen trauen kann.
Wenn man im 21. Jahrhundert wissen will, was ein Algorithmus
ist, schaut man bei Wikipedia nach. Der englische Wikipedia-Eintrag
zum Begriff Algorithmus enthält mehr als 13 000 Wörter, hat fast
100 Fußnoten, zitiert etwa vier Dutzend verschiedene Quellen und
verweist auf diverse andere Wikipedia-Artikel, die sich ebenfalls
mit Algorithmen beschäftigen. Offenbar handelt es sich um einen
wichtigen Begriff.
Schaut man indessen in der Encyclopædia Britannica von 1910
nach, so stellt man fest, dass es dort für Algorithmus gar keinen
eigenen Eintrag gibt. Lediglich im Artikel über Algebra wird das
Wort kurz erwähnt. Man lernt quasi nebenbei, dass damit eine Re-
chenmethode (method of computing) gemeint ist und dass der Name
al-Chwarizmis verballhornt wurde. Nicht mal über die Schreibweise
bestand damals Einigkeit: „algorism“ und „algorithm“ werden als
gleichberechtigte Möglichkeiten aufgeführt.
Zu Hause habe ich noch ein achtbändiges Lexikon von 1978 im
Bücherregal stehen. Dort ist es auch nicht viel besser als 1910. Es gibt
zwar einen eigenen Eintrag für Algorithmus; dieser hat aber lediglich
zehn Zeilen, von denen allein fünf auf die Etymologie des Wortes
verwendet werden. Zum Vergleich: Auf derselben Seite findet sich ein
D E R E R S T E A LG O R I TH M US 133
Fangen wir mit der Teilbarkeit an. Ich habe die anlässlich ihres ersten
Auftritts eher scherzhaft mit Pizzen und Perlen umschrieben und
bin davon ausgegangen, dass Ihnen das Konzept ohnehin geläufig ist.
Wie aber definiert die Mathematik das präzise? Typischerweise so:
Man sagt von natürlichen Zahlen a und b , dass a ein Teiler von b
ist, wenn es eine natürliche Zahl k mit b = k a gibt. Beispielsweise
ist a = 3 Teiler von b = 15, weil man in diesem Fall b = k a mit k = 5
hinbekommt. k = 1 sorgt dafür, dass jede Zahl sich selbst teilt. Und
so weiter. Da kommt genau das heraus, was wir uns unter Teilbarkeit
vorstellen.
Durch das Festzurren des Begriffs können wir auch eine wichtige
Eigenschaft der Teilbarkeit beweisen, ihre sogenannte Transitivität.
Damit ist gemeint: Wenn a ein Teiler von b ist und b ein Teiler
von c , dann ist a auch ein Teiler von c . Wieso gilt das? Schreiben
Sie’s einfach hin! a ist Teiler von b bedeutet: b = k a . b ist Teiler von
c steht für: c = mb . (Wir brauchen einen neuen Buchstaben, weil
das ja typischerweise nicht dieselbe Zahl wie k sein wird.) Die erste
in die zweite Gleichung einsetzen: c = (mk) a . Und da steht’s schon:
a ist Teiler von c .
(2 + i) · (2 − i) = 5
(5 + 3i) · (3 − 4i) = 27 − 11i
– Für ganze Zahlen gilt: Wenn a ein Teiler von b und b nicht
null ist, dann kann der Betrag von a nicht größer als der von b
sein. Für gaußsche Zahlen gilt dieselbe Aussage auch, wenn
man den Betrag durch die Norm ersetzt.
Eng verwoben mit der Teilbarkeit ist das Teilen mit Rest, das wir
auch schon thematisiert haben. Wenn man auch das auf ganze und
gaußsche Zahlen übertragen will, muss man es so formulieren, dass
eigentlich gar nicht über Teilen gesprochen wird, weil wir in diesen
Zahlenräumen nicht dividieren können. Das ist aber nicht schwer.
Wir schauen uns ein Beispiel an. Wenn wir 23 Perlen unter vier
Personen aufteilen wollen, dann erhält jede fünf Perlen und es bleiben
D E R E R S T E A LG O R I TH M US 135
drei übrig. Man kann sich das so vorstellen, dass man immer vier
Perlen auf einmal vom ursprünglichen Haufen wegnimmt und diese
unter den vier Personen verteilt. Das macht man so lange, bis nicht
mehr genügend Perlen übrig bleiben, um jedem eine zu geben.
– Der Rest, die Anzahl der verbleibenden Perlen, ist kleiner als
die Anzahl der Personen, unter denen die Perlen aufgeteilt
werden sollten, denn sonst hätte man ja noch mehr Perlen
verteilen können.
−10 0 10 20 30 40
Wenn man bei ganzen Zahlen mit dem Betrag arbeitet, dann bei
gaußschen Zahlen sicherlich mit der Norm. Wir hoffen also, dass der
folgende Satz stimmt, der nichts weiter als die „Übersetzung“ der
obigen Aussage für ganze Zahlen ist: Zu vorgegebenen gaußschen
Zahlen a und b findet man, wenn b nicht gerade null ist, immer
gaußsche Zahlen k und r , die die Bedingungen a = k · b + r sowie
N (r ) < N (b) erfüllen.
Auch hier kann man sich von der Korrektheit der Behauptung
durch ein grafisches Argument überzeugen. Dafür halten wir zu-
nächst fest, dass N (r ) < N (b) genau dann gilt, wenn |r | < |b | gilt.
Nun betrachten wir analog zu oben alle Werte der Form a − kb ,
wobei diesmal k alle gaußschen Zahlen durchläuft. Da ich Ihnen
jedoch die geometrische Interpretation der Multiplikation gaußscher
Zahlen bisher vorenthalten habe, ist zunächst nicht klar, wie sich
diese Zahlen in der Ebene verteilen.
Wir kriegen das aber hin. Erstens ist |z − w | der Abstand der
gaußschen Zahlen z und w . Wenn Sie jemals mit Vektoren gearbeitet
haben, dann ist Ihnen das ohnehin klar, weil gaußsche Zahlen ja wie
Vektoren addiert und subtrahiert werden. Wenn nicht, dann müssen
Sie mir das jetzt glauben und probieren es vielleicht mal anhand
einiger Beispiele aus.
D E R E R S T E A LG O R I TH M US 137
Da die gaußschen Zahlen gitterförmig in der Ebene liegen, gibt es
zweitens zu jeder gaußschen Zahl vier drumherum, deren Abstand
zu dieser Zahl genau eins ist.
Für das Verständnis ist es ganz gut, sich zuerst mit der klassischen
geometrischen Fragestellung zu befassen. Das erwähnte gemeinsame
Maß zweier Strecken, das gesucht wird, kann man sich so vorstellen:
Sie haben zwei Holzstäbe und möchten die beiden in lauter exakt
gleich große Stücke zerlegen.
Findet man ein gemeinsames Maß für diese beiden Stäbe, dann
hat man auch eines für die beiden ursprünglichen Stäbe gefunden,
denn der lange Stab lässt sich ja aus diesen beiden zusammensetzen!
Damit ist man in einer ähnlichen Situation wie beim babylonischen
Wurzelziehen: Man kann dieselbe Idee erneut anwenden und noch
mal und noch mal. . .
D E R E R S T E A LG O R I TH M US 139
Es wird so lange das längere Stück durch die Differenz ersetzt,
bis die beiden zu vergleichenden Stäbe gleich lang sind. Das sind die
Stücke, in die man die ursprünglichen Stäbe zerlegen kann.
Für unsere Zwecke ist das jedoch kein Problem. Wir übertragen die
geometrische Aufgabe in den Bereich der Zahlentheorie. Die Stäbe
sollen beide eine ganzzahlige Länge haben. Dann findet man mit
Sicherheit ein gemeinsames Maß, nämlich das Maß eins. Der clevere
Algorithmus wird allerdings dafür sorgen, dass wir nicht so viel sägen
müssen. Er wird uns ein möglichst großes gemeinsames Maß liefern.
In der Skizze repräsentiert der lange Stab die Zahl 30 und der
kurze die Zahl 24. (Es sind dieselben Stäbe wie vorher; sie wurden
28 10 18 10 10 8 8 2
6 2 4 2 2 2
D E R E R S T E A LG O R I TH M US 141
Jede Zeile steht für einmal Teilen mit Rest. Die erste Zeile zeigt
uns zum Beispiel, dass wir zwei Schritte gegenüber dem Subtrahieren
gespart haben, weil man von 845 dreimal 221 abziehen kann, bis die
Differenz kleiner als 221 ist. Wir fahren fort, bis es keinen Rest mehr
gibt. Das ist hier in der fünften Zeile der Fall, also ist 13 der größte
gemeinsame Teiler der beiden Ausgangszahlen.
Für die Zahlentheorie aber fast noch wichtiger als der euklidische
Algorithmus selbst ist die Tatsache, dass man ihn auch „rückwärts“
ablaufen lassen kann. Das ist so gemeint, dass man zunächst die
obigen Gleichungen so umstellt, dass die Reste jeweils isoliert auf
einer Seite stehen.
Dann ersetzt man Schritt für Schritt, von unten nach oben, die
jeweiligen Terme durch den Ausdruck in der Gleichung darüber.
13 = 39 − 1 · 26
= 39 − 1 · (182 − 4 · 39)
= (221 − 1 · 182) − 1 · (182 − 4 · (221 − 1 · 182))
= 5 · 221 − 6 · 182
Wir können nun auch faul sein: Wir ernten die Früchte unserer
Arbeit, legen die Füße hoch und lassen die Algebra für uns schuften.
Wir wollen natürlich den Begriff des größten gemeinsamen Teilers
und den (erweiterten) euklidischen Algorithmus auf ganze und gauß-
sche Zahlen übertragen. Aber da ist fast nichts mehr zu tun!
Wir müssen lediglich überlegen, wie wir mit dem Adjektiv groß
beim größten gemeinsamen Teiler umgehen. Doch das liegt jetzt
eigentlich auf der Hand: Wir sprechen von einem größten gemeinsa-
men Teiler, wenn es keinen anderen gemeinsamen Teiler gibt, der
einen größeren Betrag bzw. eine größere Norm hat. (Man beachte,
dass wir nicht mehr von dem, sondern von einem größten gemeinsa-
men Teiler sprechen, weil es nun mehrere geben kann. Beispielsweise
sind 5 und −5 größte gemeinsame Teiler von 35 und 45.)
Und da wir dank unserer Vorarbeit wissen, dass sowohl bei den
ganzen als auch bei den gaußschen Zahlen Teilen mit Rest möglich
ist, muss der euklidische Algorithmus dort genauso funktionieren,
wie wir es eben am Beispiel der natürlichen Zahlen gesehen haben.
Wir müssen das nicht mehr machen!
Ich halte lediglich noch die wesentlichen Ergebnisse dieses Kapi-
tels für die Nachwelt fest. Das Wort Zahlen darf in den folgenden
D E R E R S T E A LG O R I TH M US 143
Sätzen jeweils durchgehend durch ganze Zahlen oder durch gaußsche
Zahlen ersetzt werden.
Sie müssen nicht mehr rechnen, aber vielleicht wollen Sie ja noch.
Für den Fall, dass Sie sich selbst überzeugen wollen, dass alles wie
am Schnürchen klappt, spendiere ich Ihnen ein paar Werte, die Sie
mit Ihren eigenen Ergebnissen vergleichen können:
Für die gaußschen Zahlen a = 13 + 24i und b = −26 − 3i ist
d = −2 − i ein größter gemeinsamer Teiler. Man kann d so darstellen:
d = (3 − 6i) · a + (7 − i) · b
Was ist der Unterschied zwischen einem introvertierten und einem ex-
trovertierten Mathematiker? Der introvertierte Mathematiker schaut
bei einer Unterhaltung auf seine Schuhe; der extrovertierte schaut
auf die Schuhe seines Gesprächspartners.
Dieser Witz dürfte ungefähr die Vorstellung wiedergeben, die
viele von Mathematikern haben (ohne selbst welche zu kennen):
vergeistigte Nerds mit sozialen Defiziten. In der Tat benötigen Ma-
thematiker für ihre Arbeit häufig Phasen höchster Konzentration
und können dann auch mal weltabgewandt wirken. Aber abgese-
hen davon sind sie natürlich ganz normale Menschen und unter den
berühmten Mathematikern der letzten Jahrhunderte gab es sogar
äußerst bunte Charaktere.
Évariste Galois war beispielsweise ein republikanischer Hitzkopf,
der mit 19 Jahren im Gefängnis landete und ein Jahr später an den
Folgen eines Duells starb. Pierre-Simon Laplace war ein Karrierist,
der es bis zum Innenminister Napoleons brachte, jedoch bereits nach
sechs Wochen wieder entlassen wurde, weil er seinem Amt offen-
bar nicht gewachsen war. Laurent Schwartz wurde aufgrund seines
politischen Engagements gegen den Algerienkrieg seiner Professur
enthoben. Boris Delone war ein passionierter Alpinist, nach dem
sogar ein Berg in Sibirien benannt ist. Ronald Graham war ein welt-
bekannter Jongleur und trat als Zauberer auf. Paul Erdős hatte den
größten Teil seines Lebens keinen festen Wohnsitz und lebte entwe-
der in Hotels oder quartierte sich bei befreundeten Mathematikern
ein. John von Neumann war ein Freund von Partys und schnellen
−1 1
−i
Schauen wir uns etwas genauer an, was bei der Multiplikation mit
einer Einheit passiert. Wird x + y i mit der Einheit i multipliziert,
dann ist das Ergebnis −y + x i. Die Komponenten werden vertauscht
und eine wechselt dabei auch noch das Vorzeichen. Ein Punkt, der
zum Beispiel vorher ziemlich weit rechts von der vertikalen Achse
lag, liegt danach ziemlich weit oberhalb der horizontalen. Lag er
K O M P L E X E S I N T E R M E Z ZO 147
außerdem knapp oberhalb der horizontalen Achse, so liegt er nach
dem Multiplizieren knapp links von der vertikalen Achse.
Probieren Sie es ruhig mal selbst mit ein paar konkreten Beispie-
len aus, aber ich denke, es ist ziemlich klar, was da passiert: Durch die
Multiplikation mit i wird der Punkt um 90 Grad um den Ursprung
gedreht.
(Gedreht wird in der Mathematik immer gegen den Uhrzeiger-
sinn. Das hängt unter anderem damit zusammen, dass die Achsen
gemäß der üblichen Konvention nach rechts und oben zeigen. Falls
jemand sich beschwert, dass der mathematische Drehsinn sich nicht
am allseits bekannten Drehsinn der Uhren orientiert, entgegne ich
gerne, dass es Ziffernblätter erst seit wenigen Hundert Jahren gibt.
Die Mathematik ist ein paar Jahrtausende älter. . . )
Wenn man mit i und dann noch mal mit i multipliziert, dreht
man insgesamt um 180 Grad. Und weil i · i = −1 gilt, entspricht
eine Multiplikation mit −1 also einer Drehung um diesen Winkel.
Entsprechend bewirkt das Malnehmen mit −i eine Drehung um 270
Grad (bzw. um 90 Grad im Uhrzeigersinn). Passenderweise kommt
schließlich für die Multiplikation mit 1 eine Drehung um 360 Grad
heraus, was darauf hinausläuft, dass gar nicht gedreht wird. Insgesamt
ergibt sich das folgende Bild und man sagt dann, dass die vier Zahlen
assoziiert sind:
K O M P L E X E S I N T E R M E Z ZO 149
Die letzten „speziellen“ Multiplikationen, die wir noch brauchen,
sind die mit gaußschen Zahlen der Art ±a ± a i, also mit solchen, bei
denen beide Komponenten sich höchstens im Vorzeichen unterschei-
den. Beispiele dafür sind 1 − i, 3 + 3i oder −7 + 7i. Zeichnen Sie ein
paar solcher Zahlen in ein Koordinatensystem ein. Sie werden sehen,
dass die alle auf den Diagonalen zwischen den Achsen liegen.
Multipliziert man x + y i mit 1 + i, so erhält man das Produkt
(x − y) + (x + y) i. Die neue erste Komponente ist die Differenz
der vorherigen Komponenten, die neue zweite Komponente deren
Summe. Hier exemplarisch für 4 + i und 3 + 2i:
Ich lasse Sie mit dieser Skizze alleine und appelliere an Ihre geome-
trische Vorstellungskraft. Ich hoffe, Sie sehen anhand der suggestiven
Hilfsfiguren, dass die Multiplikation mit 1 + i einer Drehung um 45
√
Grad (und einer Streckung um den Faktor 2 ) entspricht.
Man kann auch heuristisch (und mathematisch nicht ganz präzise)
so argumentieren: Wenn man zweimal nacheinander mit 1 + i multi-
pliziert, dann entspricht das einer Multiplikation mit (1+ i) 2 = 2i und
damit nach dem vorherigen Abschnitt einer Drehstreckung mit dem
Winkel 90 Grad und dem Faktor 2. Es liegt nahe, dass zu einer Mul-
tiplikation mit 1 + i dann der halbe Winkel und die Quadratwurzel
des Streckfaktors gehören.
Auf jeden Fall können Sie sich nun zusammenreimen, dass bei-
spielsweise zu einer Multiplikation mit −1+ i = i (1+ i) ein Drehwinkel
von 135 Grad gehört oder wie man sich eine Multiplikation mit 3 − 3i
geometrisch vorstellen muss.
K O M P L E X E S I N T E R M E Z ZO 151
AUSSERIRDISCHE MATHEMATIK
AU SS E R I R D I S C H E M AT H E M AT I K 155
eine von denen muss die kleinste sein. Zu dieser kleinsten Norm
gehört ein Teiler b von a und der ist ein Primelement. Warum? Hätte
b selbst einen Teiler, der keine Einheit ist, so wäre das wegen der
Transitivität der Teilbarkeit auch einer von a . Dann könnte b aber
kein Teiler von a mit minimaler Norm sein.
Für ganze Zahlen ersetze man die Norm durch den Betrag. Sie
sehen, wie hier wieder die Maschinerie der Algebra für uns arbeitet.
Wenn man nun die Lupe zur Hand nimmt und ganz genau schaut,
was man da gemacht hat, dann sieht man, dass das nur klappt, weil
wir davon ausgehen, dass man in jeder Ansammlung von natürlichen
Zahlen eine kleinste findet. Das ist nicht weiter schlimm, Sie glauben
das sicher. Aber für die Grundlagenforschung sind solche Fragen
relevant. Wenn man konsequent die komplette Mathematik auf ganz
wenige Axiome zurückführen will, dann ist das hier eins von denen.
Man sagt auch, dass die natürlichen Zahlen wohlgeordnet sind. Das
aber nur am Rande.
Dass sich jede Zahl außer der Null und den Einheiten als Produkt
von Primelementen darstellen lässt, ist nun (mal wieder) trivial.
Wenn die Zahl ein Primelement ist, dann müssen Sie gar nichts
machen. (Ein Produkt mit nur einem Faktor, Sie entsinnen sich.)
Ansonsten finden Sie immer einen Primteiler, wie wir uns gerade
überlegt haben. Teilen Sie Ihre Ausgangszahl durch diesen Primteiler
und schauen Sie sich den Quotienten an. Ist das ebenfalls ein Prim-
element, dann sind Sie fertig. Anderenfalls finden Sie wieder einen
Primteiler, dividieren wieder, schauen sich wieder den Quotienten
an und so weiter. Das muss irgendwann aufhören, weil ja in jedem
Schritt die Norm bzw. der Betrag des verbleibenden Quotienten
kleiner wird. Für die gaußsche Zahl 65i sieht das zum Beispiel so aus:
65i
1 − 2i −26 + 13i
2−i −13
3 + 2i −3 + 2i
65i
1 + 2i 26 + 13i
1 − 2i 13i
−3 + 2i 2 − 3i
Sehen Sie’s?
AU SS E R I R D I S C H E M AT H E M AT I K 157
Die vollständige Formulierung des Fundamentalsatzes der Arith-
metik für gaußsche oder ganze Zahlen lautet: Jede Zahl außer der
Null und Einheiten lässt sich bis auf die Reihenfolge und Multiplikation
mit Einheiten eindeutig als Produkt von Primelementen darstellen.
Anders ausgedrückt: Die Anzahl der Faktoren ist immer gleich und
wenn man zwei verschiedene Darstellungen entsprechend umsortiert,
stehen sich immer assoziierte Faktoren gegenüber.
Zwar taucht im Beispiel einmal der Faktor 2 − i und einmal
1 + 2i auf, aber man erhält die zweite Zahl, wenn man die erste mit i
multipliziert. Und entsprechend hängen 3 + 2i und 2 − 3i zusammen.
Das müssen wir nun noch beweisen und das war einer der Gründe,
sich den erweiterten euklidischen Algorithmus anzuschauen.
Die grundlegende Aussage, die wir brauchen, und die natürlich
wieder sowohl für ganze als auch für gaußsche Zahlen gilt, ist diese:
Sind a und b teilerfremd und teilt a das Produkt von b mit einer
weiteren Zahl c , dann teilt a die Zahl c . (Sinnvollerweise nennen
wir zwei Zahlen teilerfremd, wenn ihre einzigen gemeinsamen Teiler
Einheiten sind.)
Begründung: a teilt b c , also gibt es nach Definition der Teilbar-
keit eine Zahl k mit b c = k a . Wir wenden jetzt den euklidischen
Algorithmus auf a und b an. Dabei muss eine Einheit e herauskom-
men. Nun lassen wir den Algorithmus „rückwärts“ ablaufen, wenden
also den erweiterten euklidischen Algorithmus an. Der liefert uns
zwei Zahlen m und n , so dass e = m a + nb gilt. Multiplizieren wir
diese Gleichung mit c , so ergibt sich:
ec = m ac + nb c = m ac + nk a = (mc + nk) a
Und jetzt fällt uns wieder ein, was eigentlich Einheit bedeutet: e
hat einen Kehrwert – eine Zahl e −1 , deren Produkt mit e eins ergibt.
Also multiplizieren wir unsere Gleichung mit e −1 :
c = e −1 (mc + nk) a
b1 b2 b3 · · · b n = c 1 c 2 c 3 · · · c m
b1 teilt das Produkt auf der rechten Seite. Ich behaupte, dass b1
bis auf Multiplikation mit einer Einheit einer der Faktoren c 1 bis c m
ist. Ist b1 assoziiert mit c 1 , dann sind wir fertig. Anderenfalls sind b1
und c 1 als Primelemente teilerfremd. Nach der gerade bewiesenen
Aussage muss b1 dann das „Restprodukt“ c 2 · · · · · c m teilen und wir
können dort nach einem Pendant zu b1 suchen. Sind b1 und c 2 nicht
assoziiert, dann muss mit dem gleichen Argument b1 ein Teiler von
c 3 · · · · · c m sein. Das kann aber nicht immer so weiter gehen. Es
hört spätestens dann auf, wenn b1 ein Teiler von c m sein muss. Dann
müssen die beiden nämlich assoziiert sein.
Dieses Argument funktioniert nicht nur für b1 . Nachdem wir
die zu b1 assoziierte Zahl gefunden haben, teilen wir auf beiden
Seiten durch b1 und machen dann dasselbe mit b2 und so weiter.
Jede der Zahlen b1 bis b n hat also auf der rechten Seite einen asso-
ziierten Partner (und jede hat einen anderen Partner). Außerdem
kann man den Beweis ebenso von rechts nach links ablaufen lassen.
(Mathematikerinnen verwenden an dieser Stelle die Formulierung
„aus Symmetriegründen“.) Insbesondere folgt daraus natürlich, dass
m = n gelten muss.
Gilt der Satz von Euklid auch für die gaußschen Zahlen?
AU SS E R I R D I S C H E M AT H E M AT I K 159
bleiben die Faktoren auf ihren Kreisen. Wenn man also eine gauß-
sche Zahl auf verschiedene Arten als Produkt von Primelementen
darstellen kann, dann gehen die Faktoren unterschiedlicher Darstel-
lungen durch Drehungen um Vielfache von 90 Grad auseinander
hervor.
Und es sind nicht einmal beliebige Drehungen dieser Art erlaubt,
da sich immer alle Drehungen zusammen neutralisieren (also zu 360
Grad addieren) müssen.
Hier als Beispiel drei verschiedene Darstellungen von 3 + 9i:
A C B E D
B D C A E
C E D B A
D A E C B
E B A D C
Jeder Buchstabe muss in jeder Spalte und jeder Zeile genau einmal
vorkommen. Falls Sie schon mal Sudoku gespielt haben (und wer hat
das nicht?), dann wird Ihnen das bekannt vorkommen. Lateinische
Quadrate sind quasi eine einfache Variante von Sudoku, weil beim
Sudoku noch weitere Bedingungen zu erfüllen sind.
Aber auch lateinische Quadrate sind schon kompliziert genug.
Wenn Sie ein Programm entwickeln, das für jedes teilweise gefüll-
te Quadrat entscheidet, ob man es zu einem lateinischen Quadrat
vervollständigen kann, und das diese Aufgabe immer in akzeptabler
Zeit erledigt, dann haben Sie eines der größten offenen Probleme der
Mathematik gelöst. Es ist sogar eines der sieben Millennium-Probleme,
für deren Lösung jeweils ein Preisgeld in Höhe von einer Million
Dollar ausgesetzt ist. (Was genau mit akzeptabel gemeint ist, ent-
+ 0 1 2 3 4
0 0 1 2 3 4
1 1 2 3 4 0
2 2 3 4 0 1
3 3 4 0 1 2
4 4 0 1 2 3
E I N FA C H E S S U D O K U 163
welt“ nur fünf Einwohner. Dafür ist aber präzise festgelegt und der
Tabelle zu entnehmen, wie mit den neuen Zahlen gerechnet wird.
Natürlich sind die Würfelsymbole nicht ganz ernst gemeint. Es
ging mir nur darum, deutlich zu machen, dass dies wirklich neue
Objekte mit anderen Rechenregeln als den üblichen sind. Aber Ma-
thematiker abstrahieren ja nicht nur gerne, sie sind bekanntlich auch
faul. Darum werden wir in Zukunft statt einfach wieder 4 und
statt natürlich 3 schreiben. Aber das heißt dann auch, dass 4 + 3
manchmal 7 ist und manchmal 2. Es hängt davon ab, mit welchen
Zahlen man rechnet! Poincaré hat mal gesagt, dass Mathematik die
Kunst sei, unterschiedlichen Dingen denselben Namen zu geben. Das
machen wir hier. Das Symbol 4 steht zum Beispiel mal für die „gute
alte“ Vier, die wir schon aus der Grundschule kennen, und mal für
das neue Objekt .
Um deutlich zu machen, dass wir mit diesen neuen Zahlen arbei-
ten, werden wir in Zukunft sagen, dass wir „modulo 5“ oder „in Z5 “
rechnen. Z5 ist also die Zahlenwelt, die nur aus den fünf Zahlen 0
bis 4 besteht und in der nach den Regeln der modularen Arithmetik
gerechnet wird. Natürlich wird es auch sowas wie Z7 geben oder Z2 –
letzteres eine Welt, die nur aus den beiden Zahlen 0 und 1 besteht.
Das international übliche Z steht übrigens für das deutsche Wort
Zahlen. Bis durch die Naziherrschaft fast alle bedeutenden Natur-
wissenschaftler und Mathematiker Deutschland entweder verlassen
hatten oder umgebracht worden waren, war Deutsch eine wichtige
Wissenschaftssprache. Davon findet man in der Fachsprache der Ma-
thematik ab und zu noch Spuren, wenn beispielsweise in englischen
Artikeln die Rede von eigenvectors ist oder man hübsche Sätze wie
„we make the following ansatz“ liest.
Zur Auffrischung:
Welchen Rest erhält man, wenn man −17 durch 5 teilt?
Die Reste (bei Division durch 5) von −34 und 13 addieren sich wie
gehabt zum Rest ihrer Summe −21. Und für das Produkt funktioniert
es ebenfalls:
(Das mit der Summe kann man auch so interpretieren, dass man
Reste nicht nur addieren und multiplizieren, sondern auch subtra-
hieren kann.)
Nun aber zum Thema vom Anfang des Kapitels. Werfen Sie bitte
noch mal einen Blick auf die Additionstabelle auf Seite 163. Da haben
wir ein lateinisches Quadrat! Jede Summe kommt in jeder Zeile und
Spalte genau einmal vor. Und an der schönen Regelmäßigkeit, die
man sofort erkennt, sieht man, dass sich nicht nur für fünf, sondern
für jeden Rest ein lateinisches Quadrat ergeben wird.
Für das Rechnen in Z5 bedeutet das, dass jede Zahl ein inverses
Element bezüglich der Addition hat. Das kann man direkt aus der
Tabelle ablesen: Das inverse Element zu 2 ist die Zahl, die ich zu 2
addieren muss, damit das neutrale Element, also 0, herauskommt.
E I N FA C H E S S U D O K U 165
Dafür durchsuchen wir die Zeile, an deren Anfang die Zwei steht,
nach der Null. Die finden wir auf jeden Fall, weil es sich ja um ein
lateinisches Quadrat handelt. Von dort gehen wir nach oben bis
zum Anfang der Spalte und lesen ab: 3. Das ist das gesuchte inverse
Element und gemäß der üblichen Konvention können wir dafür auch
−2 schreiben, wenn wir in Z5 rechnen.
Und wie ist es mit dem Multiplizieren?
· 0 1 2 3 4
0 0 0 0 0 0
1 0 1 2 3 4
2 0 2 4 1 3
3 0 3 1 4 2
4 0 4 3 2 1
4 : 3 = 4/3 = 4 · 3−1 = 4 · 2 = 3
Ein Blick zurück auf Seite 104 zeigt allerdings, dass man mit dem
Rest vier keinen Körper erhält. Die Addition ist ziemlich banal, aber
bei der Multiplikation wird es jetzt wieder mathematisch interessant:
Warum klappt es für fünf, aber nicht für vier? Für welche Zahlen
klappt es?
Wenn Sie sich von mir nicht nur alles vorbeten lassen wollen,
dann zücken Sie jetzt Zettel und Bleistift und stellen die Multiplikati-
onstabellen für Z2 , Z3 und so weiter auf, bis Sie ein Muster erkennen.
So viel Arbeit ist das nicht. (Die Programmiererinnen unter den
Lesern können das auch mit Computerhilfe erledigen. )
Nach etwa einem Dutzend Beispielen hat man eventuell die Ver-
mutung, dass Zp dann ein Körper ist, wenn p eine Primzahl ist.
Und genauso ist es auch.
Beweis durch Beispiel: Wir rechnen in Z29 und suchen den Kehr-
wert zur Zahl 11. In Z29 soll also gelten: 11· x = 1, wobei x der gesuchte
Kehrwert ist. Da wir keine Tabelle zur Verfügung haben und zu faul
sind, eine zu erstellen, entsinnen wir uns, wie die Multiplikation
in der modularen Arithmetik definiert ist. Wir suchen eine ganze
Zahl x̄ , so dass 11 · x̄ den Rest 1 bei Division durch 29 hat. Und das
mit dem Rest bedeutet, dass es eine ganze Zahl k geben muss, so dass
das hier gilt:
11 · x̄ − k · 29 = 1
Wenn Sie ein ähnlich gutes Gedächtnis wie Euler haben, dann
erinnern Sie sich, dass Sie so eine Formel schon mal gesehen ha-
E I N FA C H E S S U D O K U 167
ben: das ist die Linearkombination, die der erweiterte euklidische
Algorithmus liefert. Der größte gemeinsame Teiler von 11 und 29 ist
nämlich 1, die rechte Seite der Gleichung.
Und wenn Sie ähnlich gut und gerne wie Euler rechnen, dann
können Sie den Kehrwert zu 11 in Z29 nun ermitteln. Eventuell
bekommen Sie eine Zahl x̄ heraus, die nicht zu den Zahlen von 0
bis 28 gehört, aber das macht nichts, weil Sie die ja in eine Zahl x
aus diesem Bereich „übersetzen“ können, indem Sie in 29er-Schritten
vorwärts oder rückwärts gehen (wodurch sich der Rest nicht ändert).
Beispielsweise kann man aus x̄ = 37 den Wert x = 8 machen.
Ich rechne das aber nicht aus, denn ich bin faul und ums Ausrech-
nen geht es ja auch gar nicht! Es geht nur darum, sich zu überzeugen,
dass man es machen könnte – dass es immer klappen würde.
Und warum wird es immer klappen? Weil 29 eine Primzahl ist,
wird der größte gemeinsame Teiler von 29 und der Zahl, für die wir
einen Kehrwert suchen, immer eins sein. Darum können wir immer
den erweiterten euklidischen Algorithmus so wie eben anwenden.
Ergo: Ist p eine Primzahl, so hat jede Zahl außer null in Zp einen
Kehrwert. Quod erat demonstrandum, wie die Mathematiker gerne
sagen.
Bisher haben wir zwar bewiesen, warum in jeder Zeile eine Eins
vorkommen muss, aber noch nicht, warum sich bei der Multiplikati-
on immer lateinische Quadrate ergeben, wenn p eine Primzahl ist.
Das holen wir jetzt nach und klären dabei gleich noch eine zweite
alte Schülerfrage (nachdem das Thema „minus mal minus ist plus“
bereits behandelt wurde).
Spoiler: Erreichen werden wir dieses Ziel mit einer geballten
Ladung brutaler Algebra. Keine Grafiken, keine konkreten Beispiele,
nur Formeln. Wenn Sie dafür zu zartbesaitet sind, halten Sie sich
bitte bis zum Beginn des nächsten Kapitels die Augen zu.
Alles, was jetzt kommt, gilt in jedem Körper, also in jedem Ring,
in dem alle Zahlen außer null einen Kehrwert haben. (Mit „Zahlen“
sind immer die Elemente des jeweiligen Rings gemeint.)
E I N FA C H E S S U D O K U 169
Mathelehrers, sondern es ist so banal wie bei „minus mal minus“:
Wenn man vernünftige Rechengesetze haben will, wenn das Wort
„null“ die übliche Bedeutung (neutrales Element der Addition) haben
soll, dann geht es einfach nicht. Punkt.
Was machte Évariste Galois in der Nacht vor dem Duell am 30. Mai
1832, an dessen Folgen er noch vor seinem 21. Geburtstag sterben
sollte? Er schrieb eine Zusammenfassung seiner mathematischen
Ideen auf, schickte diese einem Freund und bat ihn, den Brief einigen
damals bekannten Mathematikern wie Gauß und Jacobi vorzulegen.
Allerdings waren Galois’ Ausführungen ziemlich konfus und schwer
zu verstehen. (Würden Sie wenige Stunden vor einem potentiell
tödlichen Duell einen kühlen Kopf bewahren?)
Gauß, Jacobi und andere reagierten jedenfalls nicht. Erst mehr
als zehn Jahre nach dem Tod von Galois wurden seine Aufzeichnun-
gen von dem französischen Mathematiker Liouville veröffentlicht,
der offenbar ihre Bedeutung erkannt hatte. So konnten die darin
enthaltenen neuen Konzepte schließlich auch von anderen studiert
werden. Und noch einmal hundert Jahre später beurteilte der deut-
sche Mathematiker und Philosoph Hermann Weyl den letzten Brief
von Galois in einer Vorlesung in Princeton folgendermaßen:
Wir sind inzwischen in der glücklichen Lage, dass wir mit einer
vergleichsweise einfachen und weltweit standardisierten Fachsprache
arbeiten können. Gleichungen wie die, die wir eben gerade gesehen
haben, bezeichnet man heutzutage als Polynomgleichungen und den
Ausdruck links vom Gleichheitszeichen als Polynom. (Übrigens ein
Wort mit sowohl griechischem als auch lateinischem Migrationshin-
tergrund.)
Erstaunlicherweise werden an deutschen Schulen teilweise andere
als die in der Praxis üblichen Bezeichnungen benutzt. Der Fachbe-
griff integrieren wird zum Beispiel gerne mal durch das Kinderwort
„aufleiten“ ersetzt und Polynome werden als „ganzrationale Funk-
tionen“ bezeichnet. Man traut den Schülern offenbar das Arbeiten
mit Polynomen zu, möchte sie aber vor dem bösen Wort bewahren.
Doch das nur am Rande. . .
Polynome sind jedenfalls solche Objekte:
x 4 − 2x 2 + 5x + 42
1x 4 + 0x 3 + (−2) x 2 + 5x 1 + 42x 0
Man kann sie aber auch – das ist die Sichtweise der Algebra –
als Ausdrücke betrachten. Mit dem Lösen einer Gleichung wie zum
Beispiel x 2 + 3x − 10 = 0 ist gemeint, dass man Zahlen finden will, die
man für x einsetzen kann, damit auf beiden Seiten des Gleichheitszei-
chens dasselbe steht. In heutiger Sprache sucht man die Nullstellen des
Polynoms x 2 + 3x − 10. Und wir sagen heute, dass es zwei Nullstellen
gibt, nämlich 2 und −5. (Rechnen Sie nach!)
Wie aber im Laufe des Buches sicher deutlich geworden ist, war
Mathematik nicht immer so wie heute. Al-Chwarizmi hätte diese
Gleichung nur in der Form x 2 + 3x = 10 akzeptiert und sie natürlich
auch nicht so notiert, wie wir das heute machen, sondern sie mit
Worten umschrieben. Außerdem hatte die Gleichung in der dama-
ligen Sichtweise nur eine Lösung. Zu al-Chwarizmis Zeiten war −5
Etwas salopp gesagt kann ein Ingenieur Ihnen die Lösung sagen,
eine Mathematikerin aber nicht. Der Ingenieur liefert (wahrschein-
lich mit Computerhilfe) eine Näherungslösung, die so genau ist, wie
Sie sie haben wollen. Die Mathematikerin wird hingegen sagen, dass
man die Lösung nicht als einen exakten Ausdruck hinschreiben kann,
in dem nur die Koeffizienten, die Grundrechenarten und Wurzeln
vorkommen (während das bei quadratischen, kubischen und quarti-
schen Gleichungen möglich ist). Das haben Ruffini, Abel und Galois
herausgefunden.
x 3 + 2x 2 − 11x − 12 = 0
Und das multiplizieren wir jetzt aus, achten dabei aber darauf,
dass wir alle Terme der Form (x −3) „ganz“ lassen. Allerdings rechnen
nicht wir das aus, sondern Sie. Sonst stehen auf dieser Seite noch mehr
Formeln und wenn ich Pech habe, schlägt ein potentieller Käufer in
der Buchhandlung das Buch gerade hier auf und erschreckt sich. Ich
sage Ihnen nur, was herauskommt:
(x − 3) 3 + 11(x − 3) 2 + 28(x − 3) = 0 ( )
(x − 3) · (x − 3) 2 + 11(x − 3) + 28 = 0
(x − 3) · (x 2 + 5x + 4) = 0
(x − 3) (x + 4) (x + 1) = 0
Ich hoffe, Sie sind inzwischen kritisch genug, um mir das so nicht
abzunehmen. Die ganze Sache hat nur funktioniert, weil wir den
Linearfaktor ausklammern konnten. Aber wieso sollte das immer
klappen?
Ich will versuchen, Sie zu überzeugen. Die Formel, die ich mit
einem Stern markiert habe, hätten wir gar nicht ausrechnen müssen.
Es wäre sogar besser gewesen, sie nicht auszurechnen. (Sie wissen ja:
faule Mathematiker.) Wir hätten viel weniger Arbeit gehabt und es
hätte so ausgesehen:
(x − 3) 3 + a (x − 3) 2 + b (x − 3) + c = 0
Setzt man nun wieder für x die Drei ein, dann löst sich offensicht-
lich fast alles in Wohlgefallen auf und links vom Gleichheitszeichen
steht nur noch c . Aber wir wissen ja, dass sich null ergeben muss,
wenn wir drei einsetzen. Darum muss c null sein:
(x − 3) 3 + a (x − 3) 2 + b (x − 3) = 0
(x − 3) · (x − 3) 2 + a (x − 3) + b = 0
Mehr müssen wir wie gesagt über Polynome nicht wissen. Aber ich
erinnere noch mal daran, dass wir immer noch durch die Brille der
Algebra schauen. Bei allem, was wir hier gemacht haben, haben wir
nur mit den Grundrechenarten gerechnet. Darum gilt das, was wir
uns überlegt haben, in jedem Körper; die Argumentation ist immer
dieselbe. Insbesondere haben also auch in Zp Polynomgleichungen
nur eine bestimmte Anzahl von Lösungen, wenn p eine Primzahl
ist. Das werden wir im nächsten Kapitel gleich anwenden.
Aber nun zum kleinen Satz von Fermat. Dessen Aussage ist einerseits
überraschend, andererseits fragt man sich zunächst, wobei einem das
helfen soll. Aber Sie werden es noch sehen. . .
Warum ist das so? Das lässt sich tatsächlich ganz einfach begrün-
den. Nehmen wir das Beispiel 36 von eben. Wir wissen, dass die
Multiplikationstabelle von Z7 ein lateinisches Quadrat ist. Das be-
deutet, dass in der „3er-Zeile“ alle Zahlen (außer null) stehen:
1 2 3 4 5 6
(3 · 1) · (3 · 2) · (3 · 3) · (3 · 4) · (3 · 5) · (3 · 6) = 1 · 2 · 3 · 4 · 5 · 6
Und da Z7 ein Körper ist, können wir dividieren. Wir teilen beide
Seiten der Gleichung durch zwei, dann durch drei und so weiter, bis
wir am Ende durch sechs geteilt haben. Übrig bleibt auf der linken
Seite 3 · 3 · 3 · 3 · 3 · 3 und rechts nur noch 1. Das war’s schon. Wahrlich
ein kleiner Satz im Vergleich zu einem, für den ein ausführlicher und
verständlicher Beweis viel dicker als dieses ganze Buch wäre.
Aber es ist kein unwichtiger Satz! Obwohl es hier nicht um An-
wendungen gehen soll, kann man vielleicht en passant erwähnen,
dass der kleine Satz von Fermat als Grundidee hinter dem heutzutage
am häufigsten in Computern eingesetzten Primzahltest steht. Die
Das sind die quadratischen Reste: die Zahlen, die sich in einem
Restklassenring als Quadrate ( 12 , 22 etc.) schreiben lassen.
Wir sehen, dass in Z5 nicht alle Zahlen quadratische Reste sind. 1
und 4 sind es, 2 und 3 nicht. Und wir haben sogar – ohne die Bezeich-
nung zu verwenden – schon mit quadratischen Resten gearbeitet.
Als wir gezeigt haben, dass sich Primzahlen der Form 4n + 3 nicht
als Summe zweier Quadrate schreiben lassen, haben wir ausgenutzt,
dass es modulo 4 nur die quadratischen Reste 0 und 1 gibt.
Wir sollten uns nebenbei angewöhnen, für das inverse Element
zur Eins bezüglich der Addition immer −1 zu schreiben. In Z5 ist das
die Vier und ganz allgemein in Zp ist es offenbar die Zahl p − 1. Diese
Notation wird ein paar Dinge deutlicher machen. Insbesondere gilt
immer (−1) 2 = 1, wie wir es auch von den ganzen Zahlen kennen.
Und verallgemeinert folgt daraus, dass (−1) n den Wert 1 für gerade n
hat und −1 für ungerade n .
a 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
a2 1 4 9 3 −1 10 10 −1 3 9 4 1
a 1 2 3 4 5 6 7 8 9
a2 1 4 9 16 6 17 11 7 5
a 10 11 12 13 14 15 16 17 18
a2 5 7 11 17 6 16 9 4 1
x 18 − 1 = (x 9 ) 2 − 12 = (x 9 − 1) (x 9 + 1)
a 9 − 1 = (b 2 ) 9 − 1 = b 18 − 1 = 0
Das war schon die ganze Begründung. Wir müssen uns nun nur
noch überlegen, welche Eigenschaften der Zahl 19 für diesen kleinen
Beweis relevant waren.
– 19 ist ungerade, also ist 18 gerade und deshalb klappt die Zerle-
gung mit der dritten binomischen Formel.
– 9, die Hälfte von 18, ist ungerade und deshalb ist −1 eine Null-
stelle von x 9 + 1.
Der Beweis muss also für jede Primzahl funktionieren, die sich
ergibt, wenn man eine ungerade Zahl verdoppelt und dann eins
addiert. Das sind genau die „bösen“ Zahlen von der Form 4n + 3,
die im Zwei-Quadrate-Satz vorkommen! Und um den geht es gleich
auch wieder.
Wir sind mit dem Zwei-Quadrate-Satz noch nicht fertig. Der schöne
Beweis mit den Windmühlen hat uns zwar gezeigt, dass und warum
sich Primzahlen der Form 4k + 1 immer als Summen von zwei Qua-
draten darstellen lassen, aber es bleiben noch Fragen offen.
Zum einen haben wir – wir hatten dieses Thema schon mal –
bisher nur die Existenz dieser Darstellung bewiesen, aber noch nichts
über ihre Eindeutigkeit gesagt. Und zweitens haben wir bislang nur
über Primzahlen geredet. Es ist durchaus legitim, sich auch zu fra-
gen, unter welchen Bedingungen zusammengesetzte Zahlen Summen
zweier Quadrate sein können.
Die erste Frage lässt sich mit dem Wissen, das wir seit der Sache
mit den Windmühlen angesammelt haben, ganz leicht beantworten:
Man kann eine Primzahl der Form p = 4k + 1 immer nur auf genau
eine Art als Summe zweier Quadrate natürlicher Zahlen darstellen.
Begründen kann man das mit den gaußschen Zahlen. Wir gehen
dafür zunächst von der einen Darstellung aus, die es auf jeden Fall
geben muss: p = a 2 + b 2 . Nun kann man einen kleinen „Trick“ an-
wenden, auf den man erst mal kommen muss. Er ist aber naheliegend,
wenn man etwas Routine im Umgang mit gaußschen Zahlen hat und
sich an die dritte binomische Formel erinnert (die passenderweise
gerade erst vorkam). Man kann die Darstellung von p so zerlegen:
p = (a + b i) (a − b i)
+ =
+ =
+ =
Aber es klappt unter anderem nicht mit 6, 12, 14 oder 15. Die sind
alle nicht darstellbar; da hilft auch die neue Regel nichts. Wie soll
man da ein Muster erkennen?
Ich will Sie auf keinen Fall davon abhalten, selbst erst mal rum-
zuprobieren und Hypothesen aufzustellen. Darum warte ich jetzt
einfach ab und rede erst weiter, wenn Sie fertig sind.
Dumdidumdidumdidum. . .
Ich weiß natürlich nicht, was Sie herausbekommen haben. Ich ar-
beite mich jetzt in drei Schritten an die Antwort heran, von denen
ich hoffe, dass sie jeweils gut nachvollziehbar sind.
Zuerst erinnere ich aber noch mal an den „Trick“ vom Anfang
des Kapitels. Eine Zahl n ist genau dann darstellbar, wenn man sie
als Produkt zweier konjugierter gaußscher Zahlen darstellen kann.
Man nennt zwei gaußsche Zahlen konjugiert, wenn sie sich nur im
Vorzeichen der zweiten Komponente unterscheiden: a + b i und a − b i
sind konjugiert. Mit anderen Worten: Zur Darstellung a 2 + b 2 gehört
das Produkt (a + b i) (a − b i) und umgekehrt.
E I N FA C H D I E R E G E L N Ä N D E R N 191
Erster Schritt: Sind m und n darstellbar, dann ist auch ihr Produkt
darstellbar. Mit m = a 2 + b 2 und n = c 2 + d 2 kann man das mit
gaußschen Zahlen ganz fix einfach nachrechnen:
mn = (a + b i) (a − b i) · (c + d i) (c − d i)
= (a + b i) (c + d i) · (a − b i) (c − d i)
= (ac − b d) + (b c + ad) i · (ac − b d) − (b c + ad) i
(a 2 + b 2 ) · m 2 = a 2 m 2 + b 2 m 2 = (am) 2 + (b m) 2
Damit haben wir schon relativ viel erreicht. Wir wissen, dass
sich jede Zahl eindeutig als Produkt von Primzahlen darstellen lässt.
Kommen in dieser Primzahlzerlegung nur Zweien und Primzahlen
der Form 4k + 1 vor, so ist die Zahl nach den Überlegungen aus dem
ersten Schritt darstellbar. Hier ein paar Beispiele:
10 = 2 · 5 40 = 23 · 5
65 = 5 · 13 130 = 2 · 5 · 13
2
325 = 5 · 13 1105 = 5 · 13 · 17
Was ist mit den restlichen Primzahlen? Der zweite Schritt zeigt,
dass die auch als Faktoren auftreten dürfen, wenn sie das als Paare
machen, also in gerader Potenz. Auch dafür Beispiele:
9 = 32 81 = 34 = (32 ) 2
729 = 36 = (32 ) 3 98 = 2 · 72
245 = 5 · 72 3969 = 34 · 72
(c 2 + d 2 ) · q 2 = c 2 q 2 + d 2 q 2 = (c q) 2 + (dq) 2 = a 2 + b 2
Man sieht: Ist m durch q teilbar, dann ist m das Produkt von q 2
mit einer darstellbaren Zahl. Man kann q 2 also quasi „entfernen“
und das gegebenenfalls mehrfach. Es kann keine ungerade Potenz
übrig bleiben.
Natürlich muss ich meine Ankündigung auch wahr machen.
Warum ist also a durch q teilbar? Wir machen einen Widerspruchs-
beweis und nehmen an, a sei nicht durch q teilbar. Und nun rechnen
wir in Zq weiter! Dafür müssten wir formal alle Zahlen durch ihre
Reste ersetzen, aber ich lasse das jetzt einfach (die Faulheit wieder)
und verlasse mich darauf, dass Sie das auch so nachvollziehen können:
Weil m durch q teilbar ist, gilt a 2 + b 2 = 0. Weil a nicht durch q
teilbar ist, gilt a ≠ 0. Weil q eine Primzahl ist, gibt es einen Kehrwert
w zu a , also w a = 1. Nun rechnen wir (immer noch in Zq ):
1 + (w b) 2 = (w a) 2 + (w b) 2 = w 2 (a 2 + b 2 ) = w 2 · 0 = 0
E I N FA C H D I E R E G E L N Ä N D E R N 193
Primfaktorzerlegung die Faktoren der Form 4k + 3 alle in geraden
Potenzen auftreten.
Und falls Sie nun anmerken, dass wir wieder so weit sind wie am
Anfang des Kapitels und nur eine Aussage über die Existenz aber
keine über die Eindeutigkeit haben, dann haben Sie völlig recht. Das
habe ich nicht vergessen, sondern es wird das Thema der folgenden
Kapitel sein, weil die Frage danach, wie viele verschiedene Darstellun-
gen es gibt, dieselbe wie unsere ursprüngliche Frage nach der Anzahl
der Punkte ist.
Eine Frage für das Guinness-Buch der Rekorde: Wie lang ist der
längste mathematische Beweis? Antwort: Man kann es nicht genau
sagen, aber in gedruckter Form sind es Tausende von Seiten; es dürfte
sich sogar eher um eine fünfstellige Anzahl von Seiten handeln.
Was ist denn das für ein wahnsinniger Beweis?
Eine weitere typische Beschäftigung von Mathematikerinnen ne-
ben der Suche nach einfachen und möglichst eindeutigen Darstellun-
gen von bestimmten Objekten ist die Katalogisierung von Objekten
eines bestimmten Typs. Damit ist aber natürlich kein Versandhaus-
katalog gemeint. Von interessanten mathematischen Objekten gibt
es eigentlich immer unendlich viele; man kann sie nicht einfach alle
aufschreiben. Gesucht ist vielmehr eine sogenannte Klassifikation –
man möchte die Objekte in überschaubare und sinnvolle Kategorien
einteilen. Und zwar so, dass man erstens alle erwischt, dass zwei-
tens jedes Objekt nur zu einer Kategorie gehört und dass es drittens
möglichst wenige und aussagekräftige Kategorien gibt.
Klingt erst mal ziemlich abstrakt, oder? Eine bekannte und recht
einfache Klassifikation, von der Sie vielleicht schon mal gehört haben,
wenn Sie Kontakt mit Hochschulmathematik hatten, ist die der
endlich-dimensionalen Vektorräume: Bis auf Isomorphie gibt es nur
die reellen Vektorräume R1 , R2 , R3 und so weiter. Da stehen Sie
alle, schön katalogisiert. (Mit „bis auf Isomorphie“ ist gemeint, dass
unendlich viele Vektorräume in diesem Katalog fehlen, dass jedoch
jeder von den fehlenden Einträgen strukturgleich mit einem der
aufgezählten ist.)
Zum Glück ist das nicht unser Problem. Wir wollen nun aber auch
ein bisschen klassifizieren, und zwar die Primelemente unter den
gaußschen Zahlen. Statt 15 000 Seiten benötigen wir jedoch weniger
als ein halbes Dutzend.
Es soll also ein „Katalog“ aller Primelemente erstellt werden. Da
es unendlich viele sind, können wir sie nicht alle aufschreiben. Wir
können sie höchstens in sinnvolle Kategorien einteilen, damit wir
ein Kriterium dafür haben, ob wir es mit einem Primelement zu tun
haben oder nicht.
Die folgende Aufzählung liefert drei Kategorien, die sich aus der
Norm ergeben. Dass tatsächlich nur Primelemente kategorisiert wer-
den, folgt in allen drei Fällen aus der Multiplikativität der Norm: Ist
die gaußsche Zahl z kein Primelement, so gibt es Nicht-Einheiten w 1
und w 2 mit z = w 1 w 2 und das impliziert N (z) = N (w 1 ) N (w 2 ) . Die
natürliche Zahl N (z) muss dann also ein Produkt zweier natürlicher
Zahlen sein, die beide nicht eins sind.
F Ü N F Z E H N TAU S E N D S E I T E N 197
Warum acht und nicht nur vier?
Warum sind a und b garantiert verschieden?
Andere als diese vier Zahlen mit der Norm q 2 kann es nicht
geben: Aus q 2 = c 2 + d 2 mit nichtnegativen Zahlen c und d
folgt, wie wir im letzten Kapitel gesehen haben, dass q sowohl
c als auch d teilt. Das ist aber nur möglich, wenn entweder c
oder d null ist.
Wir sind noch nicht fertig. Die noch offene Frage ist, ob wir mit
diesen drei Kategorien auch alle Primelemente erwischt haben. Das
haben wir zwar, aber wir müssen es auch beweisen. Und da steht uns
leider noch ein bisschen Rechenarbeit bevor.
Nehmen wir uns also eine darstellbare Zahl z = a+b i der Norm n
vor. Wenn es eine Zahl ist, die noch nicht in unserem „Katalog“
vorkommt, dann kann n keine Primzahl sein. Also gibt es einen
echten Primteiler p von n .
Ist p eine nicht darstellbare Primzahl, so wissen wir aus dem letz-
ten Kapitel, dass n dann das Produkt von p 2 mit einer darstellbaren
Zahl sein muss: n = p 2 (c 2 + d 2 ) . Mit gaußschen Zahlen sieht das
folgendermaßen aus:
(a + b i) (a − b i) = n = p 2 (c + d i) (c − d i)
(a 2 + b 2 )c 2 − a 2 (c 2 + d 2 ) = b 2 c 2 − a 2 d 2
= (b c − ad) (b c + ad)
(a 2 + b 2 ) (c 2 + d 2 ) = (ac + b d) 2 + (ad − b c) 2
Von der Korrektheit dieser Formel kann man sich durch einfa-
ches Nachrechnen (Ausmultiplizieren) überzeugen. Sie hat den etwas
pompösen Namen Brahmagupta-Fibonacci-Identität und ist damit be-
nannt nach einem im 7. Jahrhundert tätigen indischen Mathematiker
und einem Italiener, der im 13. Jahrhundert aktiv (und von Beruf
Rechenmeister) war. Und sie ist ein weiteres Beispiel dafür, dass man
in der Mathematik gerne Dinge nach alten Heroen benennt, um
ihnen ein Denkmal zu setzen, dass es aber nicht unbedingt immer
die Richtigen trifft. Diese Formel war beispielsweise Diophantos
schon ungefähr ein halbes Jahrtausend vor Brahmagupta bekannt
F Ü N F Z E H N TAU S E N D S E I T E N 199
und hätte eigentlich nach ihm benannt sein sollen. Aber ich schweife
wieder ab. . .
Da p sowohl die linke Seite dieser Identität als auch (ad − b c) 2
teilt, muss p auch (ac + b d) 2 teilen. Und weil p eine Primzahl ist, ist
das Quadrat (ac + b d) 2 sogar durch p 2 teilbar.
Die linke Seite der Identität ist np und folglich ebenfalls durch p 2
teilbar (denn nach Voraussetzung ist n durch p teilbar). Also kann
man die ganze Gleichung durch p 2 teilen und erhält:
2 2
n a2 + b 2 ac + b d ad − b c
= 2 = +
p c + d2 p p
− 5i − 2 − 3i
3 + 4i
3 − 2i
− 4 + 3i
− 3 − 4i
3 + 2i
4 − 3i
4 + 3i − 2 + 3i
− 3 + 4i
− 3 − 2i
− 4 − 3i
3 − 4i 2 − 3i
Wir können jede Zahl links mit jeder Zahl rechts multiplizieren
und damit P25 · P13 = 12 · 8 Produkte bilden.
Allerdings werden nicht alle diese Produkte verschieden sein.
Ich habe in den Listen die assoziierten Zahlen jeweils durch Grau-
töne zusammengefasst. Innerhalb dieser „Familien“ entsteht jede
Zahl durch Multiplikation der über ihr stehenden mit i. Bei Multi-
plikationen zwischen denselben zwei Familien ergeben sich immer
Gruppen von vier Produkten, die gleich sind. Eine davon habe ich
durch Verbindungslinien angedeutet. Zum Beispiel gilt:
Unsere vor gut 100 Seiten aufgestellte Hypothese ist also korrekt!
Das bedeutet, dass wir für das Zählen der Punkte die folgende Stra-
tegie wählen können: Um Q n zu ermitteln, zerlegen wir n zunächst
in Primfaktoren.
nm
n = p1n1 · p2n2 · · · · · p m
(iii) Jemand hat für die auftretenden Potenzen schon die entspre-
chenden Punkte gezählt:
k 23 5 74 112 13 292
Qk 1 2 1 1 2 3
Das ist jedenfalls die Idee. Und hier gleich die Entwarnung: Nicht
im Traum fiele es uns faulen Mathematikern ein, solche Werte tat-
sächlich auszurechen! Uns reicht die Gewissheit, dass es so klappen
würde. Wir wollen eine allgemeine Formel haben und keine konkre-
ten Zahlen.
Der verbleibende Haken an der Sache ist Punkt (iii). Damit alles
wie geplant funktioniert, müssen wir noch Formeln finden, mit
deren Hilfe wir Q p k beziehungsweise Pp k berechnen können, wenn
p eine Primzahl ist.
Es liegt nahe, dass dabei die Klassifikation aus dem letzten Kapitel
hilfreich sein wird. Mit anderen Worten: Es wird sich herausstellen,
dass wir für unterschiedliche „Typen“ von Primzahlen p unterschied-
liche Formeln für Pp k erhalten werden. Zum Glück sind wir bei der
Katalogisierung nur auf drei Kategorien gekommen. Die behandeln
wir alle im nächsten Kapitel.
5n+1 + 3 = 5 · 5n + 3 = (4 + 1) · 5n + 3 = 4 · 5n + (5n + 3)
Rechts steht eine Summe. Der erste Summand ist wegen des
Faktors vier durch vier teilbar. Der zweite Summand ist nach Induk-
tionsvoraussetzung durch vier teilbar. Also ist die Summe ebenfalls
durch vier teilbar. Fertig!
Jetzt fehlt nur noch der Induktionsanfang: das Anstoßen des
ersten Steins. Wir müssen uns überzeugen, dass 51 + 3 durch vier
teilbar ist. Das ist aber nun wirklich ein Kinderspiel, weil das einfach
die Zahl acht ist, und die ist natürlich durch vier teilbar. Das war
schon der ganze Induktionsbeweis!
Auf den nächsten Seiten werden wir die Technik der vollständi-
gen Induktion mehrfach einsetzen. Wie bisher auch werde ich dabei
nicht streng nach Vorschrift vorgehen, aber Sie werden das Grund-
prinzip erkennen können. Ich werde den Induktionsanfang zeigen
und exemplarisch („Beweis durch Beispiel“) den Induktionsschritt
andeuten. Wenn Sie wollen, können Sie dann selbst daraus einen
formal korrekten Beweis machen.
Und wenn ich ganz ehrlich bin, dann hätte ich auf den vorheri-
gen Seiten eventuell schon öfter einen Induktionsbeweis verwenden
sollen, habe mich dann aber mit „und so weiter“ oder einer ähnlichen
Formulierung aus der Affäre gezogen. Vielleicht blättern Sie ja mal
zurück und zählen meine Sünden.
DOMINOEFFEK TE 209
Übrigens sah die Summenformel, die sich der neunjährige Gauß
überlegt hat, folgendermaßen aus:
n · (n + 1)
1+2+3+···+n =
2
Beweisen Sie diese Formel mit vollständiger Induktion.
Wieder zurück zu den Punkten. Das wird gleich zum ersten Pseudo-
Induktionsbeweis führen. Wir waren auf der Suche nach einer Formel
für Pp k für den Fall, dass p eine Primzahl ist. Und wir fangen mit
den 4n + 1-Primzahlen an. Wir wissen bereits, dass Pp in diesem Fall
acht ist. Das ist schon der Induktionsanfang.
Wie es weitergeht, sehen wir am Beispiel p = 5:
Pp k = 4(k + 1)
z1 iz 1 − z1 − iz 1 z2 iz 2 − z2 − iz 2
Die Zahlen auf dem zweiten Kreis (mit dem Radius p ) ergeben
sich durch alle möglichen Produkte dieser acht Zahlen miteinander.
· z1 iz 1 −z 1 −iz 1 z2 iz 2 −z 2 −iz 2
z1 z 12 iz 12 −z 12 −iz 12 z1 z2 iz 1 z 2 −z 1 z 2 −iz 1 z 2
iz 1 iz 12 −z 12 −iz 12 z 12 iz 1 z 2 −z 1 z 2 −iz 1 z 2 z1 z2
−z 1 −z 12 −iz 12 z 12 iz 12 −z 1 z 2 −iz 1 z 2 z1 z2 iz 1 z 2
− iz 1 −iz 12 z 12 iz 12 −z 12 −iz 1 z 2 z1 z2 iz 1 z 2 −z 1 z 2
z2 z1 z2 iz 1 z 2 −z 1 z 2 −iz 1 z 2 z 22 iz 22 −z 22 −iz 22
iz 2 iz 1 z 2 −z 1 z 2 −iz 1 z 2 z1 z2 iz 22 −z 22 −iz 22 z 22
−z 2 −z 1 z 2 −iz 1 z 2 z1 z2 iz 1 z 2 −z 22 −iz 22 z 22 iz 22
−iz 2 −iz 1 z 2 z1 z2 iz 1 z 2 −z 1 z 2 −iz 22 z 22 iz 22 −z 22
Schaut man scharf hin, so sieht man, dass aber nur zwölf ver-
schiedene Zahlen entstehen. Das sind die grau hinterlegten Werte.
Jeweils vier untereinanderstehende (und assoziierte) Zahlen wieder-
holen sich versetzt in den drei Spalten dahinter. Das liegt offenbar
daran, dass die Faktoren in den Spaltenüberschriften immer durch
Multiplikation mit Einheiten aus ihren Vorgängern entstehen.
Und der gesamte linke untere Block (ein Viertel) der Tabelle
taucht exakt so rechts oben noch mal auf. Das ist eine Symmetrie,
die sich aus der Kommutativität der Multiplikation ergibt: z 1 z 2 und
z 2 z 1 sind identisch.
Damit ist erklärt, warum in der Tabelle maximal zwölf unter-
schiedliche Zahlen stehen. Wir haben aber noch keine Begründung
dafür, dass diese zwölf auch wirklich alle verschieden sind. Klar ist,
dass jeweils vier der zwölf Zahlen assoziiert sind. Die können natür-
lich nicht gleich sein. Aber könnte nicht beispielsweise z 12 = z 22 oder
z 12 = iz 1 z 2 gelten?
DOMINOEFFEK TE 211
Soweit mein angedeuteter Induktionsschritt. Ich zeige Ihnen aber
zum Abschluss noch die Tabelle für den nächsten Kreis, damit Sie
das Argument vervollständigen können.
· z1 iz 1 −z 1 −iz 1 z2 iz 2 −z 2 −iz 2
3 3 3 3
z 12 z1 iz 1 −z 1 −iz 1 z 12 z 2 iz 12 z 2 −z 12 z 2 −iz 12 z 2
3 3 3 3
iz 12 iz 1 −z 1 −iz 1 z1 iz 12 z 2 −z 12 z 2 −iz 12 z 2 z 12 z 2
3 3 3 3
−z 12 −z 1 −iz 1 z1 iz 1 −z 12 z 2 −iz 12 z 2 z 12 z 2 iz 12 z 2
3 3 3 3
−iz 12 −iz 1 z1 iz 1 −z 1 −iz 12 z 2 z 12 z 2 iz 12 z 2 −z 12 z 2
z1 z2 z 12 z 2 2
iz 1 z 2 2
−z 1 z 2 −iz 12 z 2 z 1 z 22 iz 1 z 22 −z 1 z 22 −iz 1 z 22
iz 1 z 2 iz 12 z 2 −z 12 z 2 −iz 12 z 2 z 12 z 2 iz 1 z 22 −z 1 z 22 −iz 1 z 22 z 1 z 22
−z 1 z 2 −z 12 z 2 −iz 12 z 2 z 12 z 2 iz 12 z 2 −z 1 z 22 −iz 1 z 22 z 1 z 22 iz 1 z 22
−iz 1 z 2 −iz 12 z 2 z 12 z 2 iz 12 z 2 −z 12 z 2 −iz 1 z 22 z 1 z 22 iz 1 z 22 −z 1 z 22
3 3 3 3
z 22 z 1 z 22 iz 1 z 22 −z 1 z 22 −iz 1 z 22 z2 iz 2 −z 2 −iz 2
3 3 3 3
iz 22 iz 1 z 22 −z 1 z 22 −iz 1 z 22 z 1 z 22 iz 2 −z 2 −iz 2 z2
3 3 3 3
−z 22 −z 1 z 22 −iz 1 z 22 z 1 z 22 iz 1 z 22 −z 2 −iz 2 z2 iz 2
3 3 3 3
−iz 22 −iz 1 z 22 z 1 z 22 iz 1 z 22 −z 1 z 22 −iz 2 z2 iz 2 −z 2
Diese Tabellen sehen vielleicht auf den ersten Blick so aus, als
hätte Mathematik doch etwas mit Buchhaltung zu tun. Aber wenn
Sie mitgedacht haben, haben Sie bemerkt, dass es eigentlich mal
wieder um das Erkennen von Mustern ging.
⎧
⎪
⎨4
⎪ wenn k gerade ist
Pp k =
⎪
⎪0 wenn k ungerade ist
⎩
Was fehlt noch? Der Sonderfall der Primzahl zwei. Fangen wir
gleich mit einer Skizze an:
DOMINOEFFEK TE 213
Das sind die Kreise zu den Normen 2, 4, 8 und 16. Außer der
Grafik liefere ich dazu nur eine Beweisskizze, die Sie sicher selbst
mit Leben füllen können. Ich weise lediglich darauf hin, dass zu den
Punkten immer Winkel gehören, die Vielfache von 45 Grad sind.
Und dass es im inneren Kreis nur ungerade Vielfache sind, im zweiten
nur gerade, im dritten wieder nur ungerade und so weiter.
P2k = 4
Wir wissen nun, wie wir die Anzahl der Punkte auf einem gegebenen
Kreis ausrechnen können. Ich fasse unsere Erkenntnisse für Q n (das
ist für das weitere Vorgehen praktischer als Pn ) noch mal zusammen:
⎧
⎪
⎪
⎪ 1 p=2
⎪
⎪
⎪
⎪
⎨k + 1
⎪ p = 4n + 1
Q pk =
⎪
⎪ 0 p = 4n + 3 und k gerade
⎪
⎪
⎪
⎪
⎪
⎪1 p = 4n + 3 und k ungerade
⎩
Q mn = Q m Q n
Damit können wir Q n zwar immer berechnen, aber es ist noch nicht
die Darstellung, die uns zu der angestrebten π -Formel verhelfen wird.
Ich könnte Ihnen jetzt einfach sagen, wie es weitergeht. Es bietet
sich für Sie jedoch ein letztes Mal die Gelegenheit, selbst eine Hypo-
these zu formulieren. Und die wollen wir natürlich nicht verstreichen
lassen.
Man kann Q n anhand eines vergleichsweise einfachen Systems
herausbekommen, wenn man sich die Liste aller Teiler von n an-
schaut. Damit meine ich sowas wie das hier:
Das war auch Ihre Idee? Cool! (Sie hatten diese Idee nicht? Macht
nichts. Aber vielleicht überprüfen Sie anhand der obigen Liste dann
noch mal, ob die Hypothese zumindest zu den Beispielen passt.)
Wie beweist man nun, dass man mit dieser Regel immer Q n
berechnen kann? Ich biete Ihnen dafür einen Beweis als „Baukasten“
an. Entweder überzeugen die Ideen auf den folgenden Seiten Sie schon
N O C H E I N E H Y P OT H E S E 217
4k + 3, so haben die Potenzen m , m 2 , m 3 und so weiter abwechselnd
die Reste drei und eins. Bei „gemischter“ Multiplikation „gewinnt“
immer der Rest drei. Dazu ein konkretes Beispiel, bei dem die Zahlen
der Form 4k + 3 wieder fett gedruckt wurden:
· 1 5 25
1 1 5 25
3 3 15 75
9 9 45 225
27 27 135 675
Auch hier passt alles wie die Faust aufs Auge und mehr Bausteine
braucht man nicht. Ich hoffe, das Muster leuchtet auch Ihnen ein.
Was machen wir damit jetzt? Für die ersten 25 Zahlen habe ich auf
der gegenüberliegenden Seite tabellarisch dargestellt, wie Q n jeweils
berechnet wird.
Sie können beispielsweise entlang der Zeile für n = 15 wandern
und lesen dort ab: plus, minus, plus, minus. Also ist Q 15 null. Oder
in der Zeile für Q 13 : plus, plus – also zwei.
Das sieht allerdings mühsam und nicht sehr zielführend aus. Der
Nebel wird sich jedoch gleich lichten. Wir werden ein letztes Mal
den Blickwinkel wechseln. Unser vor langer Zeit gefasster Plan war,
π durch das Aufsummieren der Punktzahlen anzunähern. (Das war
auf Seite 82, falls Sie noch mal nachschauen wollen.) Wenn wir es
mit Q n ausdrücken, dann sieht unsere Approximationsformel für
ein Viertel (!) von π so aus:
Q1 + Q2 + Q3 + · · · + Qn
n
Für n = 25 müssen wir also die Werte in der letzten Spalte der
großen Tabelle addieren. (Da kommt 20 heraus, aber das ist im
Moment nicht wichtig.) Das ist die Anzahl sämtlicher Pluszeichen
abzüglich der Anzahl aller Minuszeichen.
Aber wer sagt uns, dass wir so zählen müssen, wie ich Ihnen das
eben einreden wollte? Wir arbeiten stattdessen spaltenweise! Wenn
man diese Sichtweise eingenommen hat, sieht man sofort zwei Dinge:
N O C H E I N E H Y P OT H E S E 219
– In den Spalten stehen entweder nur Plus- oder nur Minuszei-
chen, und zwar abwechselnd.
– In der Spalte zur Zahl m steht in jeder m -ten Zeile ein Zeichen.
Damit lässt sich die Anzahl der Zeichen ganz einfach berechnen:
Wir teilen (in unserem Beispiel) 25 durch m und runden gegebenen-
falls ab. In der Spalte für die Fünf stehen 25/5 = 5 Pluszeichen. Das
ist schon der richtige Wert. Um die Anzahl der Minuszeichen für
die Neuner-Spalte zu bekommen, teilen wir 25 durch 9 – das ergibt
ungefähr 2,8 – und runden auf zwei ab.
Für das Abrunden gibt es in der Mathematik zwei Schreibweisen.
Die ältere geht auf Gauß zurück und wird daher Gaußklammer
genannt. Man schreibt [x] für die Zahl, die man durch Abrunden
von x erhält. Wir haben also [5] = 5 und [25/9] = 2. Eine neuere,
inzwischen aber weiter verbreitete Schreibweise sieht so aus: x .
Die werde ich für die restlichen Seiten des Buches auch verwenden.
Aber das ist nur ein technisches Hilfsmittel, das uns nicht davon
ablenken sollte, dass wir den letzten großen Schritt in unserer Un-
ternehmung gemacht haben. Wir sind mit dem Zählen der Punkte
endlich fertig und haben das hier erreicht:
n n n n n
Q1 + · · · + Qn = − + − +···±
1 3 5 7 n
– Tritt der obige Fall hingegen für ein ungerades n ein, dann
sollen π und π̂ ebenfalls bis zur n -ten Stelle übereinstimmen,
danach sollen in der Darstellung von π̂ aber nur noch Nullen
folgen. (Dann ist π̂ kleiner als π .)
V O N F R Ö S C H E N U N D M ÄU S E N 223
– Falls es in der Dezimaldarstellung von π niemals eine Sequenz
von hundert Nullen gibt, soll π̂ einfach π sein.
π = 3,141592 . . . . . . 85072713026788405929000000 . . .
π̂ = 3,141592 . . . . . . 85072713026788405929 ?
V O N F R Ö S C H E N U N D M ÄU S E N 225
BUTTERKEKS
Als Leibniz starb, war er ein einsamer und armer Mann. Zu seiner
Beerdigung erschien niemand vom königlichen Hof, für den er meh-
rere Jahrzehnte gearbeitet hatte. Obwohl ältere Berichte über ein
Begräbnis „wie das eines Straßenräubers“, bei dem außer seinem
Sekretär niemand anwesend gewesen sei, etwas überdramatisiert sind,
so waren doch seine letzten Jahre auf jeden Fall wohl eher traurig
und seiner Bedeutung nicht angemessen.
Leibniz wird oft als letzter Universalgelehrter bezeichnet. Er
hatte ein genialisches Wesen und sprudelte geradezu über von Ideen,
die zu ihm kamen „wie Tiere im Morgengrauen“, wie es Georg von
Wallwitz mal hübsch formuliert hat. Die Mathematiker tun sich
schwer, ihn als einen der ihren zu vereinnahmen. Dafür war er intel-
lektuell zu sprunghaft und zu wenig gewillt oder in der Lage, lange
Zeit intensiv mit einem Thema zu verbringen und seine Ergebnisse
dann fein geordnet zu publizieren.
Trotzdem hat er – nicht nur durch die Differential- und Inte-
gralrechnung, die er stärker als Newton prägte – in der Mathematik
tiefe Spuren hinterlassen und viele Ideen lange vor ihrer Zeit gehabt.
Beispielsweise entwickelte er bereits um 1700 das Binärsystem, auf
dem heute – ein Vierteljahrtausend später – alle Computer basieren.
Auch „unsere“ π -Formel, die in diesem Kapitel nun endlich vor
uns stehen wird, hat er herausgefunden und sie trägt inzwischen sei-
nen Namen. (Mal wieder zu Unrecht. Bereits im 14. Jahrhundert war
die Formel dem indischen Mathematiker und Astronomen Madhava
bekannt. Davon wusste Leibniz aber natürlich nichts.)
In der Form, in der sie hier steht, gilt die Formel nur für un-
gerade n . (Weil die Nenner alle ungerade sind, müsste der letzte
Summand für gerade n anders aussehen.) Das war Ihnen sicher schon
auf Seite 220 aufgefallen, aber Sie waren zu höflich, mich deswegen
zu unterbrechen. Man könnte das umständlich reparieren, aber wir
einigen uns für die folgenden Seiten einfach darauf, dass n immer
Ich lasse also ganz frech ein paar der Summanden einfach weg.
(Nicht nur ein paar, sondern die große Mehrheit.) Wieso darf ich
das machen?
Schauen wir uns das am Beispiel n = 5 an, mit dem wir schon
gearbeitet haben. Wir brechen hinter 25/5 ab und lassen diesen
ganzen Teil unter den Tisch fallen:
25 25 25 25
− + − +···+
7 9 11 25
− 3 + 2 − 2 + 1 − 1 + 1 − 1 + 1 − 1 + 1 = −2
BUTTERKEKS 229
Im konkreten Fall heißt das, dass der entfernte Teil der Summe
allerhöchstens 25/5 ausmacht. (Es ist ja sogar deutlich weniger.)
Im allgemeinen Fall ist der Fehler durch das Abschneiden maximal
n 2 /n , also n . Aber wir teilen am Ende noch durch n 2 , d.h. der
Fehler im Näherungswert für π/4 ist auf keinen Fall größer als 1/n .
Da dieser Wert aber gegen null geht, wenn n immer größer wird,
war unser Vorgehen legitim und ändert nichts an der prinzipiellen
Korrektheit der Abschätzung.
Zum Schluss kürzen sich die ganzen n 2 -Zähler gegen den Vorfak-
tor weg und es verbleibt die wunderbare Leibniz-Reihe, die das Ziel
des Buches war:
BUTTERKEKS 231
OFFENES ENDE
Man findet nun in der That etwa so viel reelle Wurzeln inner-
halb dieser Grenzen, und es ist sehr wahrscheinlich, daß alle
Wurzeln reell sind. Hievon wäre allerdings ein strenger Beweis
zu wünschen; ich habe indeß die Aufsuchung desselben, nach
einigen flüchtigen vergeblichen Versuchen vorläufig bei Seite
gelassen, da er für den nächsten Zweck meiner Untersuchung
entbehrlich schien.
Auf jeden Fall will ich Ihnen nicht vorenthalten, dass es auch im
Dunstkreis der Themen dieses Buches noch unerforschtes Terrain
gibt. Ich nenne Ihnen drei vergleichsweise bekannte Repräsentanten.
Das erste Beispiel ist schnell erklärt. Man weiß seit 1761, dass
π irrational ist. Man weiß aber nicht, ob π π irrational ist. (Dass
ebenfalls nicht bekannt ist, ob π normal ist, hatte ich schon erwähnt.)
Auch für das zweite Beispiel braucht man nur zwei Sätze. Auf
den Koordinatenachsen liegen unendlich viele gaußsche Zahlen, die
Primelemente sind: 3, 7, 11, 19 und so weiter – alle Primzahlen der
Form 4k + 3 und die mit ihnen assoziierten Zahlen. Aber gibt es
auch noch andere Geraden in der Ebene, auf denen unendlich viele
Primelemente liegen? Niemand weiß das bisher.
Für das letzte Beispiel schauen Sie sich bitte die Grafik auf der
gegenüberliegenden Seite an. Man sieht einen Weg durch die Ebene,
der im Ursprung beginnt und dann von Primelement zu Primele-
ment springt. Der letzte dargestellte Schritt ist der längste mit einer
Sprungweite von etwas mehr als vier. Kann man so einen Weg kon-
struieren, der sich beliebig weit vom Ursprung entfernt, dabei aber
Wenn Sie hier angelangt sind, dann besteht eine gewisse Hoffnung,
dass Sie die Seiten vorher auch alle gelesen haben und dass Ihnen
die Lektüre Freude bereitet hat. Das würde mich jedenfalls sehr
freuen. Meine Idealvorstellung wären Leserinnen, denen dieses Buch
nicht gereicht hat. Viele Themen konnte ich auf den Seiten, die
hinter uns liegen, nur kurz anschneiden. Und einige von denen
klangen hoffentlich interessant genug, um den Wunsch nach mehr
Information zu wecken.
Sollte Ihnen mein Versuch gefallen haben, Mathematik anhand
eines roten Fadens für „interessierte Laien“ zu präsentieren, ohne
diese ständig zu unterfordern, dann habe ich zwei Vorschläge für
weitere Lektüre. Die muss ich schon deshalb erwähnen, weil sie mich
beide beeinflusst haben.
Erstens kann ich Ihnen, wenn Sie englische Texte lesen, Mea-
surement von Paul Lockhart wärmstens ans Herz legen. Für mich
persönlich ist es das vielleicht schönste „populärwissenschaftliche“
Mathebuch überhaupt. In einem Satz zusammengefasst könnte man
sagen, dass es die Entwicklung der Mathematik von der klassischen
Geometrie bis zur Infinitesimalrechnung erzählt und die Leser aktiv
daran teilnehmen lässt. Die, die Measurement kennen, werden sicher
in der Gestaltung Parallelen zum vorliegenden Buch erkennen. So
schön wie Lockharts Buch ist meins nicht geworden, aber ich habe
ihm zumindest nachgeeifert. (Für den Aufwand, der insbesondere
in der gebundenen Ausgabe von Measurement steckt, hätte sich in
Deutschland wohl auch kein Verlag gefunden.)
E PI LO G 241
ANMERKUNGEN
Seite 11. Pascal beschreibt hier das Bildungsgesetz für das nach ihm
benannte Pascalsche Dreieck. Bei Ausdrücken der Form nk handelt es
sich um Binomialkoeffizienten, die angeben, wie viele Möglichkeiten
(„Kombinationen“) es gibt, sich k von n verschiedenen Gegenständen
auszusuchen.
Die „vier beliebigen“ Zahlen sind k , k + 1 („um eine Einheit
größer als die erste“), n + 1 und n . Man kommt da allerdings leicht
durcheinander. Und wenn Sie es überprüfen, stellen Sie fest, dass
Pascal selbst es auch nicht ganz richtig aufgeschrieben hat. . .
Seite 15. Die Idee dieses visuellen Beweises ist, dass die beiden Qua-
drate gleich groß sind und in beiden Fällen vier deckungsgleiche
rechtwinklige Dreiecke entfernt werden. Also muss die Restfläche in
beiden Fällen gleich sein. Links ist die Restfläche das Hypotenusen-
quadrat, rechts sind es die beiden Kathetenquadrate.
Ob Sie mit dieser Erklärung schon zufrieden sind, müssen Sie
selbst entscheiden. Ist denn beispielsweise klar, dass sich durch diese
Art des Zusammenfügens der Dreiecke wirklich Quadrate ergeben?
Woran liegt das?
Seite 21. Die Sache mit der Grundlagenkrise und den Unvollständig-
keitssätzen ist zu kompliziert, um sie in ein paar Sätzen im Anhang
abzuhandeln. Ich mache das aber nun trotzdem und hoffe, dass Sie
sich dann vielleicht ein gutes Buch zu dem Thema beschaffen.
Durch die Infinitesimalrechnung (Seite 61ff.), die sogenannten
nichteuklidischen Geometrien und Widersprüche in der noch jungen
Mengenlehre hatte sich eine gewisse Unsicherheit in der Mathema-
tikerzunft eingestellt. Es schien kein Verlass mehr zu sein auf die
einstmals unumstößlichen Wahrheiten der eigenen Wissenschaft.
Man versuchte, die Mathematik dadurch zu „retten“, dass man die
gesamte Disziplin (und nicht nur die Geometrie) auf einige wenige
Axiome und Schlussregeln reduzierte und diese rein formal anwandte.
Aus heutiger Sicht könnte man sagen: Es sollte nur noch als bewiesen
Seite 23. Die Herleitung zeige ich Ihnen nicht, aber die Antwort,
falls Sie sie mit Ihrem Ergebnis vergleichen wollen. Die Anzahl der
Gebiete bei n Punkten auf dem Kreis kann man so berechnen:
n n n
+ +
0 2 4
Seite 35. Die wohl einfachste Formel, die man hier nehmen kann,
ist die für den Mittelwert zweier Zahlen a und b :
a+b
2
Seite 39. Cantor zeigte, dass die rationalen Zahlen abzählbar sind.
Damit ist gemeint, dass man sie – wie die natürlichen Zahlen in
ANMERKUNGEN 245
der Form 1, 2, 3, . . . – der Reihe nach aufzählen kann, so dass jede
irgendwann drankommt. Und er bewies auch, dass das mit den irra-
tionalen Zahlen nicht möglich ist – weil es schlicht und einfach „zu
viele“ sind. Der Fachausdruck dafür ist, dass die irrationalen Zahlen
überabzählbar sind.
Seite 39. Eine starke Fraktion innerhalb der kleinen Gruppe der
Mathematiker, die den aktuellen Mainstream für falsch halten, bilden
die Intuitionisten, auf die wir noch zu sprechen kommen.
Seite 41. Ich unterschlage in diesem Kapitel das Sexagesimalsystem
der Babylonier (ca. 2000 v. Chr.), das zwar ein Stellenwertsystem
war, aber keine „echte“ Null hatte. Außerdem hätte man auch die
Sandrechnung von Archimedes erwähnen können.
Seite 43. Wie stellt man bei einem Suanpan Ziffern ein, die größer
als fünf sind? Dafür sind die beiden Steine oberhalb der horizontalen
Linie da, die jeder den Wert fünf haben. Schiebt man beispielsweise
einen dieser oberen Steine nach unten und zwei der unteren nach
oben, so steht das für eine Sieben.
Das ist allerdings redundant. Man kann zum Beispiel die Fünf
durch fünf der unteren Steine oder durch einen der oberen darstellen.
Es gibt aber für die Bedienung des Suanpan Regeln, die dafür sorgen,
dass es für jede Zahl nur eine eindeutige Darstellung gibt. Und der
japanische Soroban ist eine Weiterentwicklung des Suanpan ohne
Redundanzen. Er hat unten nur vier Steine und oben nur einen.
Seite 44. Wenn man es ganz genau nimmt, dann muss man hinzufü-
gen, dass a in der Gleichung a x 2 +b x +c = 0 nicht null sein darf; sonst
hat man es nicht mehr mit einer quadratischen Gleichung zu tun.
Die Gleichung b x = c bei al-Chwarizmi ist auch keine quadratische
Gleichung.
Seite 44. Falls Ihnen das Wort Algorithmus nichts sagt: das wird ab
Seite 131 ausführlich erklärt.
Seite 45. Auf die Regel „minus mal minus ist plus“ kommen wir
noch mal zurück.
Seite 47. Der angesprochene „Trick“ sieht so aus, dass aus der Periode
der Zähler eines Bruchs wird, dessen Nenner aus so vielen Neunen
besteht, wie die Periode Ziffern hat. Zum Beispiel ist
0,25 = 0,252525252525252525 . . .
der Bruch 25/99. Bei Perioden, die nicht direkt hinter dem Komma
anfangen, wird es etwas schwieriger, aber das bekommen Sie schon
selbst hin.
Seite 50. Die Länge einer Kurve berechnet man heute, indem man
sie mittels der Differentialrechnung in „unendlich kleine“ gerade
Stücke zerlegt und diese dann mithilfe eines Integrals aufaddiert.
Man verwendet also die Analysis, um die es im folgenden Kapitel
geht. Das Teilgebiet der Mathematik, in dem Kurven untersucht
werden, nennt man Differentialgeometrie.
3,141592653589793
Man würde hier von 16 signifikanten Stellen sprechen. (Die Drei vor
dem Komma gehört auch dazu.) Ginge es darum, den Abstand der
Erde zur Sonne auf den Millimeter genau anzugeben, so käme man
mit 15 Stellen aus.
ANMERKUNGEN 247
liegen kann, da es doch offensichtlich Zahlen gibt (sogar unendlich
viele), die nicht normal sind.
Ich kann in ein paar Zeilen keinen kompletten Einstieg in diese
Thematik bieten, aber ich versuche zumindest, den angesprochenen
scheinbaren Widerspruch anhand eines Beispiels zu entkräften. Wenn
man zufällig reelle Zahlen zwischen null und eins auswählen will
und alle Zahlen dieselbe Chance haben sollen, ausgewählt zu werden,
welche Wahrscheinlichkeit hat dann beispielsweise die Zahl 2/3, die
Auserwählte zu sein?
Die Antwort muss eine Zahl im Bereich von 0 % bis 100 % sein.
Und sie kann nur 0 % sein. Bei jedem anderen Wert würden sich die
Wahrscheinlichkeiten aller Zahlen zwischen null und eins zu mehr als
100 % addieren, wenn alle dieselbe Wahrscheinlichkeit wie 2/3 haben,
denn es gibt ja unendlich viele solche Zahlen. Im mathematischen
Sinne bedeutet also eine Wahrscheinlichkeit von 0 % nicht, dass etwas
unmöglich ist, sondern dass es fast unmöglich ist. Das ist sogar der
Fachbegriff dafür.
Man kann sich das vielleicht so vorstellen, dass die Zahlen auf
der Zahlengeraden so unglaublich dicht liegen, dass es quasi unmög-
lich ist, eine bestimmte zu treffen, wenn man zufällig hineinpiekst.
Andererseits muss man natürlich irgendeine treffen. Man kann aber
sinnvolle Wahrscheinlichkeiten nur für größere Mengen von Zahlen
angeben. Im obigen Beispiel läge etwa die Wahrscheinlichkeit dafür, ei-
ne Zahl zwischen 0,3 und 0,5 zu treffen, bei zwanzig Prozent, weil der
Abschnitt von 0,3 bis 0,5 ein Fünftel des Stücks von 0 bis 1 ausmacht.
Die Aussage von Borel, um die es in dieser Anmerkung geht,
besagt, dass zwar unendlich viele Zahlen auf der Zahlengeraden nicht
normal sind, es aber fast unmöglich ist, eine von denen zufällig zu
treffen, weil sich die normalen Zahlen so breit machen. (Das gilt
übrigens ebenso für die rationalen Zahlen. Die trifft man auch nicht
„zufällig“ auf einer dunklen Straße.)
Falls Ihnen das trotz meiner Erklärung immer noch seltsam vor-
kommt: Das ist eigentlich dieselbe Problematik, die schon am Ende
des Kapitels Menschenwerk angesprochen wurde.
ANMERKUNGEN 249
Seite 66. Als Ultrafinitismus bezeichnet man eine extreme Position
innerhalb der Philosophie der Mathematik, die nicht nur aktuale,
sondern auch potentielle Unendlichkeit ablehnt. Als Argument dafür
wird die physikalische Beschränktheit des Menschen angeführt.
Beispielsweise ergibt es aus Sicht einer Ultrafinitistin keinen Sinn,
über den ganzzahligen Anteil der oben erwähnten Skewes-Zahl zu
reden, weil man diese Zahl niemals „ausrechnen“ kann: Für ihre
Dezimaldarstellung bräuchte man weitaus mehr Ziffern, als es Ele-
mentarteilchen im gesamten Universum gibt.
Seite 68. Die „Epsilontik“ hat den technischen Vorteil, dass in ihr
keine infinitesimalen Größen mehr vorkommen. Man könnte sagen,
dass sie sich der im Text angesprochenen Unsicherheit entledigt,
indem sie von einer dynamischen zu einer statischen Sichtweise
übergeht – allerdings auf Kosten eines höheren formalen Aufwands.
Seite 69. Eine infinitesimale „Zahl“ müsste ein Wert x sein, der für
jede positive reelle Zahl r zwischen null und r liegt. Es ist offen-
sichtlich, dass x auf jeden Fall keine reelle Zahl sein kann. In der
Nichtstandardanalysis fügt man zu den reellen Zahlen neue Zahlen
hinzu, die diese gewünschte Eigenschaft haben. Das führt zu den
sogenannten hyperrellen Zahlen.
Logisch fundieren kann man die hyperrellen Zahlen mit den
Mitteln der Modelltheorie und der Mengenlehre – und somit mit
mathematischen Methoden, die erst Jahrhunderte nach der Zeit von
Leibniz entwickelt wurden.
ANMERKUNGEN 251
Seite 93. Es geht also darum, wie man mit möglichst geringem
Aufwand eine Summe wie 1 + 2 + 3 + · · · + 100 berechnet. Der Lehrer
wollte offenbar die Klasse schön lange beschäftigen, um seine Ruhe zu
haben. Aber er hatte nicht mit dem kleinen Carl Friedrich gerechnet.
Die Formel kommt in diesem Buch noch vor, aber vielleicht
überlegen Sie ja auch mal selbst. Sie sind doch sicher schon älter als
neun, oder?
Seite 94. Bei Gauß’ Vermutung handelte es sich um die in der An-
merkung zu Seite 18 angesprochene Abschätzung der Anzahl der
Primzahlen unterhalb einer vorgegebenen Zahl. Man nennt die in-
zwischen bewiesene Aussage den Primzahlsatz.
Seite 104. Bei der Frage dürfen Sie die Fünf durch eine Eins ersetzen.
Also geht es um 11 000 000 000 und das ist natürlich eins. Addiert man
drei dazu, dann ergibt sich vier. Die Antwort ist ja.
The involution
⎧
⎪
⎪
⎪ (x + 2z, z, y − x − z) if x < y − z
⎪
⎨
⎪
(x, y, z) →
↦ (2y − x, y, x − y + z) if y − z < x < 2y
⎪
⎪
⎪
⎪ (x − 2y, x − y + z, y)
⎪ if x > 2y
⎩
on the finite set S = {(x, y, z) ∈ N3 : x 2 + 4y z = p} has exactly
one fixed point, so |S | is odd and the involution defined by
(x, y, z) ↦→ (x, z, y) also has a fixed point.
Seite 119. Die Mathematik war das von den „Säuberungen“ der
Nazis am stärksten betroffene Fach an deutschen Universitäten.
Seite 123. Für die Subtraktion zieht man einen Pfeil vom Subtrahen-
den zum Minuenden und verschiebt den Anfangspunkt des Pfeils
auf den Ursprung. Die Pfeilspitze zeigt dann auf die Differenz. Die
folgende Skizze zeigt das für (2, 3) − (5, 1) .
ANMERKUNGEN 253
Seite 124. Für die geometrische Interpretation der Multiplikation
kann man die gaußschen bzw. die komplexen Zahlen auch als Vekto-
ren betrachten. Dabei werden die Längen der Faktoren multipliziert,
um die Länge des Produktes zu erhalten. Den Winkel des Produktes
mit der horizontalen Achse erhält man, indem man die entsprechen-
den Winkel der Faktoren addiert. In der folgenden Skizze sehen Sie
das Produkt von (3, 1) und (1, 2) .
Seite 127. Dass Eigenschaft (iii) nicht für beliebige reelle Zahlen gilt,
sieht man zum Beispiel, wenn man a = b = 1/2 setzt.
Seite 128. „Das klappt nicht“ ist vielleicht etwas zu lapidar. Man
kann aber tatsächlich beweisen, dass es nicht möglich ist, die gauß-
schen bzw. die komplexen Zahlen auf sinnvolle Art und Weise mit
einem Vorzeichen zu versehen. Das werde ich hier nicht vorführen,
aber wenn Sie das interessiert, dann schlagen Sie mal den Begriff
geordneter Körper nach.
Seite 134. Ich gehe davon aus, dass es eigentlich allen Leserinnen
klar ist, erwähne es aber vorsichtshalber an dieser Stelle, weil es
nach meiner Beobachtung ein Fehler ist, den Studenten öfter mal
machen: Wenn in einer Formel oder einem Beweis mehrfach derselbe
Buchstabe vorkommt, dann steht der natürlich immer für dieselbe
Zahl oder dasselbe mathematische Objekt. Ein Ausdruck wie a x 2 + a
kann für 2x 2 + 2 oder für 5x 2 + 5 stehen, aber nicht für 2x 2 + 5.
Seite 134. Das mit der Null ist eine oft gestellte und oft falsch be-
antwortete Frage. Einerseits teilt null keine Zahl (außer sich selbst).
Denn wenn null zum Beispiel sieben teilen würde, dann müsste man
ja eine Zahl k mit 7 = k · 0 finden können. Aber wenn man mit null
multipliziert, kommt immer null heraus, also kann das nicht sein.
Andererseits teilt jedoch jede Zahl die Null. Beispielsweise ist
sieben ein Teiler von null, weil 0 = 0 · 7 gilt. Das k aus der Definition
der Teilbarkeit kann also immer die Null selbst sein.
Seite 135. Warum teilen Einheiten jede Zahl? Ist e eine Einheit,
dann gibt es nach Definition einen Kehrwert e −1 von e ; es gilt also
e −1 · e = 1. Ist b nun irgendeine Zahl, so gilt sicher b = 1 · b und das
kann man als b = (e −1 · e) · b = (e −1 · b) · e schreiben. Daran sieht
man, dass e ein Teiler von b ist.
Nebenbei sieht man hier auch die Subtilität algebraischer Argu-
mentationen. Bei den Umformungen habe ich stillschweigend die
Assoziativität und die Kommutativität der Multiplikation verwen-
det. In komplizierteren Strukturen muss man sich immer fragen,
ob bestimmte Vorgehensweise überhaupt erlaubt sind oder ob man
nicht aus Versehen „verbotene“ Dinge macht.
Und wieso gilt |a| ≤ |b | , wenn a ein Teiler von b ist? Weil nach
Definition der Teilbarkeit b = k a für eine ganze Zahl k gelten muss.
Und nach Eigenschaft (iii) von Seite 127 folgt dann |b | = |k a| ≥ |a| .
Seite 137. Dass |z − w | der Abstand von z und w sein muss, wird
(hoffentlich) sofort klar, wenn man sich noch mal die Anmerkung
zur Differenz (Seite 123) anschaut.
ANMERKUNGEN 255
denn zu jedem k gibt es ja das inverse Element −k (und umgekehrt).
Addiert man nun zu jedem dieser Punkte die Zahl a , so werden alle
Punkte gleichmäßig verschoben. (Erinnern Sie sich daran, wie man
sich die Addition von gaußschen Zahlen grafisch vorstellen kann.)
Die Gitterstuktur ändert sich dadurch nicht, das heißt, die Abstände
zwischen den Punkten bleiben gleich.
In dem regelmäßigen Fünfeck links sind eine Seite und eine Dia-
gonale hervorgehoben. Wendet man auf diese beiden Strecken zwei
Schritte des euklidischen Algorithmus an, so erhält man die Strecken,
die im rechten Teil der Grafik markiert sind. Die spielen aber dieselbe
Rolle im inneren Fünfeck wie die beiden ursprünglichen Strecken im
äußeren. Also wird sich dieser Vorgang immer weiter wiederholen,
wenn man den Algorithmus fortsetzt.
Das Verhältnis der beiden Strecken zueinander bezeichnet man
übrigens als den goldenen Schnitt. Wohl anhand dieses Beispiels wur-
de die Inkommensurabilität von dem Pythagoräer Hippasos von
Metapont entdeckt. Der Legende nach verriet er diese Entdeckung
– die dem Glaubenssatz „Alles ist Zahl“ widersprach – an Außenste-
hende, wurde deswegen aus der Gemeinschaft ausgeschlossen und
verunglückte später tödlich im Meer. Manchmal wird sogar erzählt,
er sei ertränkt worden. Aber das ist sehr wahrscheinlich alles nicht
wahr. So gefährlich ist Mathematik nun auch nicht.
Seite 151. Die Sache mit den Rechenregeln kann man sich folgen-
dermaßen klarmachen: Würde „minus mal minus ist minus“ gelten,
dann könnte man einen Ausdruck wie −5 · (1 − 3) nach dem Distribu-
ANMERKUNGEN 257
tivitätsgesetz auf zwei Arten ausrechnen, die zu zwei verschiedenen
Ergebnissen führen würden.
−5 · (1 − 3) = −5 · (−2) = −10
−5 · (1 − 3) = −5 · 1 + (−5) · (−3) = −5 − 15 = −20
Seite 167. Der guten Ordnung halber sei noch gesagt, dass man die
Schreibweise Zp auch nur dann verwendet, wenn p eine Primzahl ist.
Man würde also nicht Z4 schreiben. (In so einem Fall schreibt man
etwas umständlich Z/4Z.)
Seite 168. Na gut, ich habe es doch ausgerechnet. Die Lösung kam
im Text sogar schon vor: 8. Denn 8 · 11 ist 88 und das kann man als
3 · 29 + 1 schreiben.
Seite 169. Ein Körper, in dem null und eins dieselbe „Zahl“ sind,
kann nur aus dieser einen Zahl bestehen. Vielleicht überlegen Sie
sich mal, warum das so sein muss.
Seite 178. Damit ein Produkt null ist, muss einer der Faktoren
null sein: Das ist wieder die Nullteilerfreiheit, die wir bei unseren
Ausflügen in die Algebra kennengelernt haben.
Seite 179. Die Aussage gilt nicht in jedem Ring. In Z/6Z hat das
Polynom x 2 + 3x + 2 zum Beispiel vier verschiedene Nullstellen.
ANMERKUNGEN 259
Seite 182. Der in Göttingen tätige Zahlentheoretiker Edmund Lan-
dau gehörte zu den Mathematikern, die sich mit den eingereichten
Lösungsversuchen für den großen Satz von Fermat abplagen mussten.
Angeblich verwendete er für seine Antwortbriefe einen Vordruck,
der folgendermaßen begann:
Seite 185. Auch bei der Einführung der quadratischen Reste gehe
ich nicht ganz kanonisch vor. Sollten Sie mal Fachliteratur zur Zah-
lentheorie lesen, so werden Sie feststellen, dass man a eigentlich nur
dann als quadratischen Rest modulo m bezeichnet, wenn a zusätzlich
teilerfremd zu m ist.
Seite 185. In jedem Ring gilt einerseits 1+ (−1) = 0, weil das ja gerade
die definierende Eigenschaft von −1 ist. Andererseits ergibt sich nach
den Rechengesetzen in Ringen:
Daher bleibt (−1) 2 gar nichts anderes übrig, als den Wert 1 zu haben.
Seite 198. Wenn a = b gälte, dann würde sich als Norm der Wert
a 2 + a 2 = 2a 2 ergeben. Das ist offenbar keine Primzahl.
Seite 220. Das neuere Zeichen für das Abrunden stammt von dem ka-
nadischen Mathematiker und Informatiker Kenneth Iverson. In Pro-
grammiersprachen wird für das Abrunden häufig der Name floor
verwendet.
Seite 221. Zum Formalismus siehe auch die Anmerkung zu Seite 21,
in der es um die Grundlagenkrise ging.
ANMERKUNGEN 261
Seite 230. Im ersten Kapitel des Buches hatte ich behauptet, man
könne die Leibniz-Reihe auch effizienter herleiten. Ich sollte zum
Abschluss vielleicht noch sagen, wie das geht. Eine sehr einfache Mög-
lichkeit wäre, das Argument eins in die Reihenentwicklung der Ar-
kustangensfunktion einzusetzen. Dann steht das Ergebnis sofort da.
Aber natürlich ist das geschummelt, weil man typischerweise mindes-
tens ein Semester Analysis hinter sich haben muss, bevor man erstens
versteht, was man da macht, und zweitens alles bewiesen hat, was man
dafür braucht. So gesehen ist die Herleitung in diesem Buch vielleicht
doch nicht so umständlich, wie ich es anfangs angekündigt hatte.
Seite 234. Wenn Sie mit universitärer Mathematik noch nicht viel
zu tun hatten, ist an dieser Stelle durchaus die Frage angebracht,
was π π überhaupt bedeuten soll. Um das wirklich befriedigend zu
beantworten, müsste ich aber noch ein paar Dutzend Seiten spendie-
ren. Vielleicht belassen wir es dabei, dass das Beispiel doch nicht so
„schnell erklärt“ ist, wie ich behauptet habe.
Ab in den Dschungel 1
Nicht von Pythagoras 11
Was beweisen Beweise? 17
Die Kreativen 25
Menschenwerk 31
Nichts 41
Die Diva 49
Gibt es Pi überhaupt? 61
Der Plan 71
Millimeterpapier 77
Die Atome der Mathematik 85
Der Gott aus der Maschine 93
Reste 99
Der Amateur und die Windmühlen 105
Die Badeanstalt 119
Der erste Algorithmus 131
Komplexes Intermezzo 145
Außerirdische Mathematik 153
Einfaches Sudoku 161
INDEX 267
ganze Zahlen, 45, 120 Guinness-Buch der Rekorde, 195
ganzrationale Funktionen, 173
Gauß, Carl Friedrich, 31, 75, Hardy, Godfrey Harold, 85
93 f., 96, 99 f., 107, Hawking, Stephen, 11
109, 123, 146, 171 f., Heath-Brown, Roger, 109 f.
220, 233, 252 Hilbert, David, 119, 221 f., 261
Gaußklammer, 220 Hippasos von Metapont, 256
gaußsche Zahlen, 123, 146 Homer, 221
Gaußsches Kreisproblem, 75, 93 Huygens, Christiaan, 252
gekürzt, 34, 37 Hydra, 235
gemeinsamer Teiler, 98, 141 hyperrelle Zahlen, 250
gemeinsames Maß, 133, 139 Hypotenuse, 13
Geometrie, 77 ff., 146–151, 251,
258 i, 125, 146
geordneter Körper, 254 imaginäre Einheit, 125
Gitter, 71, 80, 138 imaginäre Zahlen, 125, 146
Gleichheitszeichen, 172 Index librorum prohibitorum,
Gleichungen, 67, 172 77
Gödel, Kurt, 21, 245 Indien, 42 ff., 53, 132, 199, 227
Goldbach, Christian, 251 Induktionsanfang, 209
Goldbachsche Vermutung, 92, Induktionsannahme, siehe Induk-
251 tionsvoraussetzung
goldener Schnitt, 256 Induktionsschritt, 208
Göttingen, 119, 182, 221 Induktionsvoraussetzung, 208
größter gemeinsamer Teiler, 133, induktive Wissenschaft, 207
141, 143 Infinitesimalrechnung, 61–65, 69,
Grabstein, 259 105, 244, 250
Grad, 174 Ingenieure, 1, 3, 14, 27, 31, 75,
Graham, Ronald, 145 161, 176
Grenzwert, 63–67 inkommensurabel, 140, 256
griechisches Zahlensystem, 41 Inquisition, 77, 146
großer Satz von Fermat, 181 ff., Integral, 62, 67, 244, 247
233 Integritätsring, 122
Größen, 64 f., 79, 85 Intuitionismus, 222–225, 246
Grundlagenkrise, 21, 244, 261 inverses Element, 122, 253
Grundrechenarten, 33, 122 irrational, 38, 47, 54, 234, 249,
Gruppe, 196, 260 256
INDEX 269
Mathematische Annalen, 222 Nichtstandardanalysis, 69, 250
Mäuse, siehe Froschmäusekrieg Noether, Emmy, 119 f., 163, 240
Measurement, 239 Noether, Fritz, 119
Mengenlehre, 65, 244, 250 Norm, 128
Mersenne, Marin, 109, 252 normal, 54, 234, 247
Millennium-Probleme, 161, 233, Noten, 12
245 NSA, 85
Miller-Rabin-Test, 260 Null, 41 ff., 168 f., 246, 255
minus mal minus, 45, 151, 246 Nullstelle, 174, 262
Mirzakhani, Maryam, V nullteilerfrei, 122, 169, 259
Mittelwert, 63, 245 Numerik, 76
Modelltheorie, 250
modulare Arithmetik, 99, 102 ff., o.B.d.A., 110
110, 163–169, 217 offene Fragen, siehe ungelöste
Monstergruppe, 196 Probleme
Multiplikation, 33, 122, 147–151, Oughtred, William, 173
253 f.
Multiplikativität, 127 P-NP-Problem, 28, 161, 245, 258
Muster, 18, 94, 191, 212 p -q -Formel, 259
Palindrom, 186
N, 128 Pascal, Blaise, 11, 172, 243, 252
Nachfolger, 33 Pascalsches Dreieck, 243
Nachkommastellen, 46 f., 64 Penrose, Roger, 143
von π , 2, 53, 223 ff. periodisch, 47
Nachrichtendienst, 85, 185 Permanenzprinzip, 258
Napoleon, 145 Permutation, 260
natürliche Zahlen, 32, 208 PGF/TikZ, 240
Navier-Stokes-Gleichungen, 28, Philosophie, 2 f., 18, 39, 49, 65 f.,
245 154, 162, 222, 245,
Negation, 223 250
negative Zahlen, 43 ff., 79 phönizische Buchstaben, 41
Nenner, 34 Physik, 2, 40, 61 f., 75, 77, 143,
Neumann, John von, 39, 145 154, 161, 207, 249, 252
neutrales Element, 122 π , 49–60, 66, 223 ff., 247, 249
Newton, Isaac, 61 f., 77, 221, π̂ , 223 ff.
227 Picasso, Pablo, 74
nichteuklidsche Geometrie, 244 Pirahã, 5
INDEX 271
Schuhe, 4, 145 Topologie, 221
Schulden, 151 Transitivität, 134
Schwartz, Laurent, 145 Transzendenz, 240, 249
Sexagesimalsystem, 246 Trigonometrie, 254
signifikante Stellen, 247 trivial, 110, 156
Simpsons, siehe The Simpsons Ts’msyan, 5
Skewes, Stanley, 244
Skewes-Zahl, 244, 250
überabzählbar, 246
Sokrates, 20
Soroban, 246 Uhrzeigersinn, 148
Spalt, Detlef D., 162, 249 Ultrafinitismus, 66, 250
Spivak, Alexander, 109, 112 umbeschriebenes Polygon, 59
sporadische Gruppe, 196 ungelöste Probleme, 55, 91 f., 161,
Star Trek, 182 233 ff.
Stellenwertsystem, 42, 246, 261 Ungleichungen, 67
Stifel, Michael, 172 Unicode, 259
Streckung, 149 Unkraut, 91
Strukturen, 18, 39, 120 Unvollständigkeitssätze, 21,
Suanpan, 42, 246 244 f.
Subtraktion, 33, 253 Ursprung, 78
Sudoku, 161
Sumerer, 42
Valentin, Karl, 183
Superman, 37
van Ceulen, Ludolph, siehe
Susskind, Leonard, 249
Ceulen, Ludolph van
Symmetrie, 95 f., 261
Vektoren, 123, 137, 157
synthetische Geometrie, 78
Vektorräume, 195
Taniyama-Shimura-Vermutung, Verhältnis, 32, 36, 49, 67, 78, 140
182 Vermutungen, siehe ungelöste
Teilbarkeit, 86, 99, 134 Probleme
Teilen mit Rest, 86, 135, 141 Viète, François, 13
teilerfremd, 34, 98, 158, 260 Vieleck, siehe Polygon
Tertium non datur, 223 Vielfaches, 86
TEX, 240 Vinci, Leonardo da, 56
The Simpsons, 182 vollständige Induktion, 207–210
TikZ, siehe PGF/TikZ von Kleist, Heinrich, siehe
Toenniessen, Fridtjof, 240 Kleist, Heinrich von
INDEX 273