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Katja Biermann | Martin Grötschel | Brigitte Lutz-Westphal (Hrsg.

Besser als Mathe


Katja Biermann | Martin Grötschel |
Brigitte Lutz-Westphal (Hrsg.)

Besser als Mathe


Moderne angewandte Mathematik
aus dem MATHEON zum Mitmachen
Mit Illustrationen von Sonja Rörig

POPULÄR
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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über
<http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

Katja Biermann
Technische Universität Berlin
Institut für Mathematik
Straße des 17. Juni 135
10623 Berlin
E-Mail: biermann@math.tu-berlin.de

Professor Dr. Dr. h.c. mult. Martin Grötschel


Konrad-Zuse-Zentrum
für Informationstechnik Berlin (ZIB)
Takustraße 7
14195 Berlin
E-Mail: groetschel@zib.de

Professor Dr. Brigitte Lutz-Westphal


Freie Universität Berlin
Institut für Mathematik
Königin-Luise-Str. 24-26
14195 Berlin
E-Mail: brigitte.lutz-westphal@math.fu-berlin.de

1. Auflage 2010
Alle Rechte vorbehalten
© Vieweg+Teubner |GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2010
Lektorat: Ulrike Schmickler-Hirzebruch | Nastassja Vanselow
Vieweg+Teubner ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media.
www.viewegteubner.de
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede
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und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
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Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen
im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und
daher von jedermann benutzt werden dürften.
Layout und Satz: Christoph Eyrich, Berlin
Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg
Druck und buchbinderische Verarbeitung: MercedesDruck, Berlin
Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier.
Printed in Germany

ISBN 978-3-8348-0733-5
Vorwort

Liebe Leserin, lieber Leser, Mathematik ist überall, sie ist jedoch
meistens unsichtbar. Dieses Buch will die Augen öffnen für „den
mathematischen Blick auf die Welt“. Ausgehend von praktischen
Fragestellungen nehmen wir Sie mit auf eine Entdeckungsreise zu
mathematischen Herausforderungen. Diese sind als Aufgaben for-
muliert, die für jeden verständlich sind.
Die Aufgaben stammen aus den sehr erfolgreichen mathema-
tischen Adventskalendern (www.mathekalender.de), die das DFG-
Forschungszentrum Matheon „Mathematik für Schlüsseltechno-
logien“ in Berlin seit 2004 jährlich für die Klassenstufen 9–13 und
viele andere Mathematikinteressierte veranstaltet. Hierbei wird im
Dezember täglich eine Aufgabe freigeschaltet, die einen Aspekt der
aktuellen Forschung des Matheon zugänglich macht. Dieser Wett-
bewerb hatte in den letzten Jahren jeweils fast 10 000 Teilnehmerin-
nen und Teilnehmer, die mit großem Vergnügen jeden Abend neue
Aufgaben lösten. Der erstaunliche Erfolg des Mathekalenders bei
Jung und Alt war der Anlass, die besten Aufgaben neu zu formulie-
ren, mit ausführlichen Erklärungen zu dem jeweiligen Praxisbezug
zu versehen und in diesem Buch zu veröffentlichen.

Besser als Mathe. „Besser als Mathe“ war die Fragebogenantwort ei-
nes Schülers der 8. Klasse nach einer Unterrichtseinheit zur Opti-
mierung von Telefonnetzen.1 Diese positive Überraschung über eine
Art von Mathematik, die etwas mit der Lebenswelt und dem Alltags-
geschehen zu tun hat, wollen wir mit diesem Buch weitertragen.

1. Unterrichtsversuch im Wildermuth-Gymnasium Tübingen, 2002, im Rahmen


des von der Volkswagenstiftung geförderten Matheon-Projekts „Diskrete Mathe-
matik für die Schule“ (Leitung und Durchführung: Martin Grötschel und Brigitte
Lutz-Westphal)

v
Vorwort

Wir möchten es ermöglichen, in Unterricht, Studium oder Freizeit


häufiger einen Blick auf aktuelle Forschungsfragen und Anwendun-
gen der Mathematik zu werfen und dazu anregen, dies auch zu tun.
Das Besondere an dieser Aufgabensammlung ist, dass alle Auf-
gaben direkt aus der forschenden Tätigkeit der Autorinnen und Au-
toren entstanden sind. Sie spiegeln somit unmittelbar wieder, wo-
mit sich mathematische Forschung derzeit beschäftigt. Sie zeigen
einen authentischen Ausschnitt aus der aktuellen angewandten Ma-
thematik. Diese Aufgaben machen auch deutlich, dass in der Ma-
thematik keinesfalls bereits alles erforscht ist. Mathematik ist ein
sehr lebendiges Forschungsfeld. Daran können Sie in diesem Buch
teilhaben!

Für wen ist das Buch? Dieses Buch soll neugierig machen auf ange-
wandte Mathematik. Es soll zeigen, wo sich Mathematik in unserem
Leben verbirgt, und es soll diese Mathematik erfahrbar machen. Da-
her richtet sich das Buch an eine breite Leserschaft, angefangen von
Jugendlichen ab der 9. Klasse über interessierte Erwachsene bis hin
zu Lehrenden an Sekundarstufen, Hochschulen und Universitäten.

Dieses Buch nutzen. Man kann das Buch auf zweierlei Weise nut-
zen: Als Herausforderung zum selbstständigen Lösen der Aufga-
ben oder als Lesebuch zur angewandten Mathematik, je nachdem,
ob man sich selbst auf die Suche nach eigenen Lösungsansätzen
macht, oder ob man die Lösungen als Lehrstücke und Anregungen
für die Anwendung von Mathematik liest. Wie in den Adventska-
lendern üblich, gibt es für jede Aufgabe verschiedene Antwortmög-
lichkeiten zur Auswahl. Dort verbergen sich häufig schon Hinweise
auf einen Lösungsansatz. Alle Aufgaben sind als Problemlösungs-
aufgaben konzipiert, deren Bearbeitung vielfältige mathematische
Kompetenzen fördert und gleichzeitig Anwendungskenntnisse ver-
mittelt.
Das Buch ist in sieben Kapitel gegliedert, die sich jeweils mit
einem Thema aus der Lebenswelt beschäftigen. Das letzte Kapitel
ist ein „Bonuskapitel“ mit Aufgaben, die einen sehr kurzen Auf-

vi
Vorwort

gabentext haben. Wir haben die Aufgaben bezüglich ihres Anwen-


dungskontextes gruppiert. In jedem Kapitel erschließen sich da-
durch vielfältige mathematische Sichtweisen und Methoden. Unter-
schiedlichste mathematische Fachgebiete kommen bei den Lösun-
gen zum Tragen. Damit eignet sich diese Aufgabensammlung auch
für projektartigen Unterricht in den Sekundarstufen. Beispielswei-
se kann das Kapitel „Mathematik im menschlichen Körper“ für ein
fächerübergreifendes Projekt mit dem Biologieunterricht genutzt
werden.

Dank. Die Entstehung dieses Buches ist das Ergebnis einer Zusam-
menarbeit Vieler. Erhard Zorn hatte die Idee zum mathematischen
Adventskalender. Zusammen mit Sabina Jeschke und Christine von
Renesse hat er die Urform dieses Wettbewerbs für Ingenieurstuden-
ten der TU Berlin entwickelt. Aus dieser ist dann der jetzige Ad-
ventskalender hervorgegangen. Ihnen gebührt ein besonderer Dank.
Wir danken all jenen, die an den Adventskalendern und an die-
sem Buch mitgewirkt haben. Es sind dies so viele Personen aus
den Trägerinstitutionen des DFG-Forschungszentrums Matheon
(Freie Universität Berlin, Humboldt-Universität zu Berlin, Techni-
sche Universität Berlin, Weierstraß-Institut Berlin und Zuse-Institut
Berlin), dass wir sie hier nicht alle nennen können. Wir möchten je-
doch den Einsatz der an das Matheon abgeordneten Lehrerinnen
und Lehrer besonders erwähnen, die Jahr für Jahr die redaktionelle
Arbeit des Adventskalenderteams unterstützen.

Berlin, im Oktober 2009 Katja Biermann


Martin Grötschel
Brigitte Lutz-Westphal

vii
Inhalt

Vorwort v

Mathematik ganz freizeitlich

Musik einpacken 3
Andreas Loos

Zum Glück gibt es Garantie! 9


Volker Mehrmann

Molekülbillard 17
Martin Weiser

Stein–Schere–Papier 23
Boris Springborn

Mathematik in Bewegung

Katz und Maus 29


Peter Deuflhard und Anton Schiela

Zugfahrt nach Berlin 41


Christian Liebchen

Zuschauer beim Berlin-Marathon 53


Stefan Hougardy, Stefan Kirchner und Mariano Zelke

Die gelben Engel von Noehtam 59


Jörg Rambau

ix
Mathematik komplett technologisch

Wie viel Kapazität hat ein Mobilfunknetz? 77


Andreas Eisenblätter und Hans-Florian Geerdes

Wie Rechner rechnen 87


René Lamour und Caren Tischendorf

Wann geht der Laser an? 93


Mark Lichtner und Lutz Recke

Mathematik ganz zufällig

Der Forsch-Frosch Fred 101


Volker Kaibel

Keller oder Dach zuerst? 111


Nicole Megow

Viele Tests – viele Fehler? 117


Karsten Tabelow

Karamell und Schokolade optimal 121


Andreas Eichhorn

Mathematik in Produktion und Logistik

Roboter und Zuckerstangen 131


Heike Siebert

Die Welt des Herrn Kuhn 141


Daniela Kern

Arvin, Berit und die Lastwagen 151


Falk Ebert und Anita Liebenau

x
Lagenwechsel minimieren –
oder das Bohren von Löchern in Leiterplatten 161
Martin Grötschel, Thorsten Koch und Nam Dũng Hoàng

Mathematik gegen Bankrott

Die Paketversicherung von MathPost 175


Peggy Daume

Ein Kredit für Weihnachtsbaumkugeln 183


Sina Tutsch

Optionsbewertung 187
John Schoenmakers

Mathematik im menschlichen Körper

Das morgendliche Brückenritual 195


Oliver Sander

Die Schokoladen-Diät 205


Matthias Ehrhardt

Von Bakterien und Antibiotika 213


Alexander Bockmayr und Abdelhalim Larhlimi

Das DNA-Puzzle 219


Stefan Kirchner

Die kalte Zunge 227


Sören Bartels und Rüdiger Müller

xi
Mathematik auf die Schnelle

Knoten 239
John M. Sullivan

Dachkunst 243
Ulrich Reitebuch und Christian Schulz

102009 ? 249
Serhiy Yanchuk und Leonhard Lücken

Stichwortverzeichnis 253

Die Autorinnen und Autoren 257

xii
Mathematik ganz freizeitlich
Musik einpacken
Andreas Loos

Wer schon einmal Nudeln selbst gemacht hat, der weiß: Frische
Pasta kann ganz schön pappen. Das ist ein Problem für die Nudel-
industrie, denn es ist nicht leicht, mit unregelmäßigen und kleb-
rigen Nudel-Klumpen 500-Gramm-Beutel genau zu füllen. Einige
Hersteller verwenden daher „Teilmengenwaagen“. Die besitzen bis
zu hundert kleine Waagschalen, die über ein Förderband mit jeweils
ungefähr 50 Gramm Nudel-Klumpen befüllt werden. Dann kommt
Mathematik ins Spiel: Ein Computer wählt die zehn Waagschalen
aus, deren Inhalt zusammen die 500 Gramm genau erreicht, und
leert sie in einen Beutel aus.
Mathematiker nennen das Problem, das der Computer dabei am
laufenden Band löst, ein Subset-Sum-Problem („Summe aus Teilmen-
gen“). Die Aufgabe besteht im Kern darin, in einer gegebenen Men-
ge von Zahlen diejenigen Zahlen herauszusuchen, die aufsummiert
genau eine gegebene Zahl ergeben.
Mal ein Beispiel: Nehmen wir an, die gegebene Menge M enthält
alle Primzahlen zwischen 1 und 100, also

M := {1 < i < 100 | i ist prim.}

Welche Untermenge bildet genau die Summe 100? Es gibt mehre-


re Lösungen; eine Möglichkeit wäre zum Beispiel 97 + 3 = 100.
Doch wir können auch Wünsche äußern – zum Beispiel kann es
manchmal praktisch sein, dass so viele Summanden wie möglich
in der Summe vorkommen. Die (beweisbar) beste Lösung ist dann:
2 + 3 + 5 + 7 + 11 + 13 + 17 + 19 + 23 = 100.
Mathematiker sortieren die Subset-Sum-Probleme in eine allge-
meinere Klasse von Problemen ein, die sie Knapsack-Probleme ge-
tauft haben. Das Wort kommt aus dem Mittelalter; Knappen waren
damals sozusagen Ritter in Ausbildung. Wenn sie etwas transpor-

3
Mathematik ganz freizeitlich

Abbildung 1. Nicht nur Nudeln werden mit „Subset-Sum“-Waagen gewogen, sondern


auch zum Beispiel Salzstangen (Bild: Ishida Europe).

tieren mussten, dann packten sie es in ihren Knappsack, eine Art


Rucksack.
Und das Knapsack-Problem – ein „p“ ging in den Jahrhun-
derten verloren – hat tatsächlich mit Rucksäcken zu tun: Es be-
steht darin, einen Rucksack bestmöglich zu packen. Man kann sich
vorstellen, der Knappe soll eine ganze Reihe von Dosen, Schach-
teln und Kistchen transportieren. Jeder Gegenstand wiegt etwas
und hat einen bestimmten Wert. Doch der Knappe kann natürlich
nur ein bestimmtes Gesamtgewicht schleppen – den Rest muss er
zum Beispiel in eine Pferdetasche stecken und dem Pferd über-
lassen. Hier ist der Unterschied zum Subset-Sum-Problem: Beim
Knapsack-Problem kommt es nicht darauf an, genau das Zielgewicht
zu treffen.

4
Musik einpacken

Was packt der Knappe am Besten in den Knappsack? Klar, die


wertvollsten Dinge. Doch es kann klug sein, einen großen, wertvol-
len Gegenstand dem Pferd zu überlassen, um den Platz im Knapp-
sack mit kleinen – für sich genommen nicht so wertvollen – Gegen-
ständen besser ausfüllen zu können. Unter Umständen steckt dann
am Ende in der Summe mehr Wert im Knappsack.
Knapsack-Probleme sind einfach zu formulieren, aber in der
Regel schwierig zu lösen. Mehrere dicke Bücher wurden allein in
den letzten 15 Jahren über das Knapsack-Problem und seine Varian-
ten geschrieben. Denn obwohl der Nudel-Computer die Lösung des
Subset-Sum-Problems an der Nudelwaage innerhalb weniger Mil-
lisekunden ausrechnet, sind Knapsack-Probleme im Allgemeinen
schwer zu knacken. Genauer: Sie gehören zu einer Problemklasse,
die Mathematiker N P nennen. Zur Lösung solcher Probleme sind
derzeit nur Algorithmen bekannt, die zwar bei kleinen Beispielen
noch ganz gut funktionieren; bei großen Problemen aber explodiert
die Rechenzeit.
Ein Knapsack-Problem zum Selberknacken ist das folgende: Man
hat auf einen MP3-Player eine Anzahl Songs kopiert, und nur noch
39,2 Megabyte Platz. Die in Tabelle 1 aufgeführten Lieblingslieder
liegen noch auf dem Rechner:
Auf jeden Fall will man von jedem Lied eine Version auf dem
Player haben; wenn zwei Fassungen existieren, dann bevorzugen
wir aber die besondere. Wie viele Lieder in besonderer Version kann
man unter diesen Umständen höchstens auf den Player kopieren?

Antwortmöglichkeiten

1. keinen 6. 5 Songs
2. 1 Song 7. 6 Songs
3. 2 Songs 8. 7 Songs
4. 3 Songs 9. 8 Songs
5. 4 Songs 10. 9 Songs

5
Mathematik ganz freizeitlich

Tabelle 1. Lieblingslieder

s1 Jingle Bells (standard version) 3,1 MByte


s1 Jingle Bells (80’s Disco remix) 5,3 MByte
s2 Rudolph the reindeer (standard version) 3,1 MByte
s2 Rudolph the reindeer (trance version) 7,3 MByte
s3 Oh du fröhliche (standard version) 2,3 MByte
s3 Oh du fröhliche (techno version) 3,4 MByte
s4 Vom Himmel hoch (standard version) 3 MByte
s5 In dulci jubilo (standard version) 3 MByte
s5 In dulci jubilo (Latino-Salsa Remix) 6 MByte
s6 Oh Tannenbaum (standard version) 3 MByte
s6 Oh Tannenbaum (mit 12 Minuten Gitarrensolo) 8 MByte
s7 Stille Nacht (standard version) 2,5 MByte
s7 Stille Nacht (gesungen vom Chor der Engel) 8,6 MByte
s8 Morgen, Kinder, wird’s was geben (standard version) 2,5 MByte
s8 Morgen, Kinder, wird’s was geben (unplugged version) 8,7 MByte
s9 Little drummer boy (standard version) 6 MByte
s10 Süßer die Glocken (standard version) 2,1 MByte

s10 Süßer die Glocken (House remix) 5,5 MByte
s11 Es kommt ein Schiff geladen (standard version) 1,1 MByte

s11 Es kommt ein Schiff geladen (phunky-phunky) 5,3 MByte

6
Musik einpacken

Lösung

(Richtige Lösung: Antwort 4)

Sei c = 39, 2 MByte die Restkapazität des mp3-Players. Wir legen


fest: s4 := 3 und s9 := 6. (Um die Sache nicht noch komplizierter
zu machen, tun wir ganz einfach so, als ob die beiden Songs s4 und
s9 besondere Versionen hätten, die genauso lang wie die normalen
Versionen sind, und bedenken das dann bei der Lösung.)
Eine kurze Rechnung zeigt:
11 11
∑ si = 31,7 MByte < c = 39,2 MByte < ∑ si = 67,1 MByte.
i =1 i =1

Daher bekommen wir auf jeden Fall alle Standardversionen unter,


alle besonderen Versionen (plus die zwei Lieder, die nur in Stan-
dardversion existieren) aber nicht. Welche Standardversionen kann
man also durch besondere Versionen ersetzen?
Hier wendet man einen Trick an: Man kann aus den Angaben,
ob ein Gegenstand in den Knapsack gepackt wird oder nicht, einen
0/1-Vektor basteln – wenn xi = 1 ist, dann wird der i-te Gegen-
stand eingepackt, bei xi = 0 nicht. Wenn man mit G nun das zu-
lässige Höchstgewicht, gi die Einzelgewichte, wi die Werte der Ge-
genstände sind und n deren Anzahl bezeichnet, dann kann man das
Problem auch so beschreiben:
n
Maximiere ∑ xi wi unter Berücksichtigung von
i =1
n
∑ xi gi ≤ G, wobei xi ∈ {0, 1}.
i =1

Soll heißen: Wir maximieren den Wert, wobei die Summe über die
Gewichte der mitgenommenen Gegenstände G nicht überschreiten
darf. Die xi kann man sich wie Schalter vorstellen, die den jewei-
ligen Gegenstand ein- oder ausschalten. Geometrisch beschreiben
diese Formeln einen Körper in einem n-dimensionalen Raum, das

7
Mathematik ganz freizeitlich

sogenannte 0-1-Knapsack-Polytop. Die Lösungen des Problems, also


die möglichen Vektoren x, sind die Ecken dieses Körpers.
Genau das machen wir nun auch beim Musikpacken. Wir erzeu-
gen einen Vektor δ mit Einträgen δi := si − si :

δ = (2,2; 4,2; 1,1; 0; 3; 5; 6,1; 6,2; 0; 3,4; 4,2).

Damit ist folgendes Knapsack-Problem zu lösen (der Wert der Ge-


genstände beträgt wi = 1 für alle i):

11
Maximiere ∑ xi unter Berücksichtigung von
i =1
11
∑ δi xi ≤ 39,2 − 31,7 MByte = 7,5 MByte, wobei xi ∈ {0, 1}.
i =1

In der Praxis weicht man – besonders bei großen Problemfällen – auf


Näherungslösungen aus. Oft reicht ein Greedy-Algorithmus („gree-
dy“ heißt „gierig“). Man berechnet für jeden Gegenstand den Ge-
winn pro Gewichtseinheit und verpackt anschließend erst den Ge-
genstand mit dem größten Quotienten, dann den mit dem zwei-
größten Quotienten und so weiter – bis der Knapsack voll ist. Theo-
retisch kann man aber stets auch exakte Lösungen bestimmen, zum
Beispiel mit einem Algorithmus, der auf Dynamischer Programmie-
rung basiert.
In unserem Fall liefert der Greedy-Algorithmus die Lösung: Man
sortiert die δi aufsteigend nach Größe und wählt die ersten k Songs,
bis der verfügbare Speicherplatz aufgebraucht ist. Das ergibt fol-
genden Lösungsvektor: x = (1; 0; 1; 1; 1; 0; 0; 0; 1; 0; 0). Das bedeu-
tet: Wir tauschen Song Nummer 1, 3, 4, 5 und 9. (Genau genommen
darf man dem Greedy-Algorithmus nicht trauen, doch man sieht
zum Beispiel beim Durchprobieren, dass es keine Lösung mit mehr
Songs gibt.)
Da es für i = 4 und i = 9 keine besonderen Fassungen gibt,
kann man also drei Standard-Songs gegen besondere Songs austau-
schen.

8
Zum Glück gibt es Garantie!
Volker Mehrmann

Die numerische Lösung von Gleichungssystemen ist eine zentrale


Aufgabe bei der Untersuchung fast jeden wissenschaftlichen Pro-
blems. Die Beschreibung physikalischer, chemischer oder biologi-
scher Prozesse erfolgt im Wesentlichen immer durch Systeme von
Gleichungen. Diese können aus Differentialgleichungen oder auch
algebraischen Gleichungen bestehen. Lösungsverfahren dieser Sys-
teme führen jedoch meist auf das Lösen von sehr großen linearen
Gleichungssystemen. Daher ist es notwendig Methoden zu entwi-
ckeln um diese linearen Gleichungssysteme effizient zu lösen.
Im Mathematikunterricht in der Schule werden üblicherweise
zwei Gleichungen mit zwei Unbekannten (oder auch gelegentlich
drei Gleichungen mit drei Unbekannten) gelöst, wie beispielsweise

2x + 2y = 2,
3x − 3y = 0.

Solche Gleichungssysteme kann man meist mit Papier und Bleistift


einfach und exakt lösen. In der industriellen und wissenschaftli-
chen Praxis sind jedoch heute Systeme mit 10 Millionen Gleichun-
gen und Unbekannten keine Seltenheit mehr. Diese kann man na-
türlich nicht mehr mit der Hand lösen und verwendet daher nume-
rische Algorithmen (Berechnungsvorschriften) auf Computern.
Bei der Lösung mit Hilfe von Rechnern gibt es allerdings das
Problem, dass ein Rechner immer nur mit endlich vielen Dezimal-
stellen rechnen kann, das sind zum Beispiel 8, 16 oder 32 Stellen, je
nach verwendeter Rechnerarchitektur bei PCs oder 13 Stellen bei vie-
len Taschenrechnern. Das bedeutet, dass die Ergebnisse und Aus-
gangszahlen auf diese Stellenzahl gerundet werden müssen und so
mit Fehlern behaftet sein können. Bei einem Weiterrechnen können

9
Mathematik ganz freizeitlich

sich diese vielen kleinen Fehler zu sehr großen Fehlern aufsummie-


ren. Daher stellt sich dann die Frage ob die berechneten Ergebnis-
se überhaupt einigermaßen korrekt sind. Wenn dieser Effekt, dass
sich Fehler aufschaukeln, bei einer numerischen Methode auftritt,
so nennt man die Methode numerisch instabil, ansonsten stabil. Es
ist also eine wichtige Aufgabe der Mathematik numerisch stabile
Algorithmen zur Lösung realer Praxisprobleme zu entwickeln.
Dazu kommt in der Praxis noch ein weiteres Problem: Die Lö-
sung des Gleichungssystems kann sehr empfindlich von kleinen
Änderungen in den Ausgangsdaten abhängen. Das bedeutet auch
wenn man mit sehr vielen Stellen rechnet, kann das Ergebnis voll-
kommen falsch werden.
Probleme, bei deren Berechnung auf dem Rechner selbst bei der
Verwendung von numerisch stabilen Algorithmen viele oder alle
Stellen verloren gehen, nennt man schlecht konditioniert.
Um den Ergebnissen trauen zu können ist es ist daher auch
wichtig, solche schlecht konditionierten Probleme zu erkennen,
und, wenn möglich, etwas gegen die schlechte Kondition zu tun.
Man entwickelt sogenannte auf das Problem angepasste Präkondi-
tionierer. Dies ist eine weitere wichtige Aufgabe der Numerischen
Mathematik.
Ein sehr einfaches Beispiel, das die genannte Problematik ver-
deutlicht, ist das Gleichungssystem
888 445 x + 887 112 y = 1,
887 112 x + 885 781 y = 0.
Die exakte Lösung ist
x = 885 781, y = −887 112.
Das Standardverfahren, das auch häufig in der Praxis verwendet
wird, liefert (mit 16 Stellen Genauigkeit gerechnet)
x = 885 803,836, y = −887 134,8704,
d. h. es stimmen für x also gerade mal 3 Stellen. Zum Warmwerden
könnt ihr das Ergebnis einmal mit dem Taschenrechner berechnen.

10
Zum Glück gibt es Garantie

Auch in der folgenden Aufgabe geht es darum, zu überprüfen,


ob das gegebene Problem schlecht konditioniert ist.

Ein Warenhaus ordert regelmäßig elektronisches Spielzeug bei einer


Herstellungsfirma. Da dieses oft fehlerhaft ist, können die Waren
zurückgegeben werden.
Am 1. März bestellt das Warenhaus 4 Playstations, 1048 Game-
boyspiele und 11 040 000 Tamagotchis. Die Kosten belaufen sich auf
44 274 140 Euro.
Am 2. März gibt das Warenhaus 2 Playstations, 504 Gameboy-
spiele und 5 350 000 Tamagotchis wegen Defekt zurück und erhält
eine Rückzahlung von 21 455 010 Euro.
Am 3. März bestellt das Warenhaus 503 neue Gameboyspiele und
504 000 Tamagotchis. Die Rechnung beträgt 2 067 809 Euro.
Um die Rechnung zu prüfen und kalkulieren zu können, will
der Einkäufer die Preise der einzelnen Waren (mit dem Gaußschen-
Eliminationsverfahren) berechnen.
a. Was kostet eine Playstation (P), ein Gameboyspiel (G) und ein
Tamagotchi (T) (in vollen Euro)?
b. Leider ist der Taschenrechner des Einkäufers defekt, so dass er
die Rechnung im Kopf überschlagen muss. Er kann es nur im
Kopf ausrechnen, wenn er die Zahlen und Ergebnisse rundet.
Dabei geht er wie folgt vor:
◦ Er stellt alle Zahlen in der Form
0, xyz · 10 j mit j ∈ Z = {. . . − 4, −3, −2, −1, 0, 1, 2, 3, 4 . . . }

dar.
◦ Er rundet dann auf die zweite Nachkommastelle nach den
üblichen Rundungsregeln. Er betrachtet dazu nur die dritte
Nachkommastelle. (Im mathematischen heißt dies, man run-
det auf zwei gültige Stellen.)
Beispiele:

13 445 = 0,13445 · 105 ≈ 0,13 · 105 = 13 000


0,00555 = 0,555 · 10−2 ≈ 0,56 · 10−2 = 0,0056.

11
Mathematik ganz freizeitlich

Was erhält der Einkäufer bei dieser Rechnung als Kosten für ei-
ne Playstation, ein Gameboyspiel und ein Tamagotchi (in vollen
Euro)?

Antwortmöglichkeiten

(1) a. P = 9.993.144 Euro, G = 4236 Euro und T = 0 Euro


b. P = −19.786.667 Euro, G = −7734 Euro und T = 12 Euro
(2) a. P = 1549 Euro, G = 103 Euro und T = 4 Euro
b. P = 9.083.333 Euro, G = 2700 Euro und T = 1 Euro
(3) a. P = 1179 Euro, G = 97 Euro und T = 4 Euro
b. P = 15.050.000 Euro, G = −5800 Euro und T = -10 Euro
(4) a. P = −24 Euro, G = 102 Euro und T = 4 Euro
b. P = 1 =179 Euro, G = 97 Euro und T = 4 Euro
(5) a. P = 1179 Euro, G = 97 Euro und T = 4 Euro
b. P = 9.083.333 Euro, G = 2667 Euro und T = 0 Euro
(6) a. P = 1549 Euro, G = 103 Euro und T = 4 Euro
b. P = 1549 Euro, G = 103 Euro und T = 4 Euro
(7) a. P = −24 Euro, G = 102 Euro und T = 4 Euro
b. P = −20.004.590 Euro, G = 8909 Euro und T = 12 Euro
(8) a. P = 9993 Euro, G = 4 236 Euro und T = 0 Euro
b. P = −24 Euro, G = 102 Euros und T = 4 Euro
(9) a. P = 1549 Euro, G = 103 Euro und T = 4 Euro
b. P = −15.050.000 Euro, G = −5800 Euro und T = 10 Euro
(10) a. P = 9.993.144 Euro, G = 4236 Euro und T = 0 Euro
b. P = 19.786.667 Euro, G = 7734 Euro und T = 12 Euro

12
Zum Glück gibt es Garantie

Lösung

(Richtige Lösung: Antwort 9)

(a) Die Einkäufe des ersten Tages können wie folgt geschrieben
werden:

4 · P + 1 048 · G + 11 040 000 · T = 44 274 140

Von Tag 2 und 3 so:

−2 · P − 504 · G − 5 350 000 = −21 455 010


0 · P + 503 · G + 504 000 · T = 2 067 809

Gesamt gesehen gibt dies folgendes Gleichungssystem

4 · P + 1 048 · G + 11 040 000 · T = 44 274 140


−2 · P − 504 · G − 5 350 000 · T = −21 455 010
0 · P + 503 · G + 504 000 · T = 2 067 809

und kann als erweitere Koeffizientenmatrix geschrieben werden:

4 1 048 11 040 000 44 274 140


−2 −504 −5 350 000 −21 455 010
0 503 504 000 2 067 809
Mittels des Gaußschen Eliminationsverfahren formen wir wie folgt
um:
1. Die erste Zeile multipliziert mit 12 auf die zweite Zeile addieren:

4 1 048 11 040 000 44 274 140


0 20 170 000 682 060
0 503 504 000 2 067 809

2. Die zweite Zeile multipliziert mit 503


20 von der dritten Zeile abzie-
hen:
4 1 048 11 040 000 44 274 140
0 20 170 000 682 060
0 0 −3 771 500 −15 086 000

13
Mathematik ganz freizeitlich

Jetzt haben wir schon Dreiecksform und können die Warenpreise


ausrechnen. Aus der letzten Zeile berechnen wir:
−15 086 000
T= =4
−3 771 500
Eingesetzt in die zweite Gleichung erhalten wir:

682 060 − (170 000 · 4)


G= = 103
20
G und T eingesetzt in die erste Gleichung ergibt:

44 274 140 − (11 040 000 · 4 + 1 048 · 103)


P= = 1 549
4
Somit kostet eine Playstation 1 549 Euro, 103 Euro kostet ein Game-
boyspiel und 4 Euro ein Tamagotchi.

(b) Unsere erweiterte Koeffizientenmatrix heißt jetzt:

4 1 000 11 000 000 44 000 000


−2 −500 −5 400 000 −21 000 000
0 500 500 000 2 100 000

Mittels des Gaußschen Eliminationsverfahren formen wir wie folgt


um:
1. Die erste Zeile multipliziert mit 12 auf die zweite Zeile addieren:

4 1 000 11 000 000 44 000 000


0 0 100 000 1 000 000
0 500 500 000 2 100 000

2. Mit Vertauschung von Zeile 2 und 3 haben wir schon Dreiecks-


form:
4 1 000 11 000 000 44 000 000
0 500 500 000 2 100 000
0 0 100 000 1 000 000

14
Zum Glück gibt es Garantie

Aus der letzten Zeile berechnen wir:


1 000 000
T= = 10
100 000
Aus der zweiten Gleichung können wir berechnen:

2 100 000 − 500 000 · 10


G= = −5800
500
Und noch in die erste Gleichung eingesetzt erhalten wir:

44 000 000 − (11 000 000 · 10 + 1 000 · −5800


P= = −15 050 000
4
Mittels des Gaußschen Eliminationsverfahrens erhalten wir die fol-
gende Lösung:
Der Einkäufer bekommt 15 050 000 Euro, wenn er eine Playstati-
on kauft, 5 800 Euro, wenn er ein Gameboyspiel kauft und er zahlt
10 Euro, wenn er ein Tamagotchi kauft.
Das einfache Runden auf zwei gültige Stellen führt also zu voll-
kommen falschen Resultaten. Dieses Problem ist offenbar schlecht
konditioniert.

15
Molekülbillard
Martin Weiser

Die Entwicklung moderner Medikamente (siehe Abbildung 1) zielt


auf das Design von hochspezifischen Wirkstoffen, um Nebenwir-
kungen so weit wie möglich auszuschließen. Da biochemische Reak-
tionen, z. B. die Blockade eines Rezeptors durch ein Wirkstoffmole-
kül, zumeist nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip funktionieren, ist
die Gestalt von Molekülen entscheidend für die Wirksamkeit. Bio-
chemische Tests oder gar klinische Studien sind aufwändig und teu-
er, daher werden zunehmend mathematische Simulationsverfahren
zur Berechnung der Gestalt von Molekülen verwendet.
Moleküle, insbesondere große Biomoleküle wie Proteine, mit
hunderten oder tausenden von Atomen, sind keine starren Gebilde.
Die einzelnen Atome in einem Molekül verhalten sich im wesent-
lichen wie Massepunkte in der Newtonschen Mechanik (Kraft ist
Masse mal Beschleunigung: F = m · a), wobei zwischen je zwei Ato-
men entfernungsabhängige anziehende oder abstoßende Kräfte wir-
ken. Insbesondere stoßen die Atome sich gegenseitig ab, wenn sie
einander zu nahe kommen – ganz ähnlich wie Billardkugeln. Zwi-
schen ihren Bindungspartnern schwingen die Atome schnell hin
und her, wobei die Schwingungsperiode bei wenigen Femtosekun-
den (10−15 s) liegt. Viel langsamer, im Bereich von Millisekunden,
führt die ständige atomare Bewegung aber auch zum Drehen oder
Umklappen von ganzen Molekülteilen, was sich deutlich auf die Ge-
stalt des Moleküls auswirken kann.
Die verschiedenen Formen, die ein Molekül auf diese Weise
annehmen kann, werden Konformationen genannt (siehe Abbil-
dung 2) Für den Entwurf von neuen Medikamenten ist es wichtig,
berechnen zu können, in welcher Konformation die gewünschte Re-
aktion abläuft und wie wahrscheinlich es ist, dass das Wirkstoffmo-
lekül diese Konformation überhaupt einnimmt.

17
Mathematik ganz freizeitlich

Abbildung 1. Amprenavir, ein antiretrovirales organisches Molekül, das für die


HIV-Therapie eingesetzt wird (Visualisierung: D. Baum, ZIB).

Der Einfluss der schnellen Atombewegung auf die langsame For-


mänderung des Moleküls ist komplex und nichtlinear, so dass die
Molekülbewegung mit großem Rechenaufwand numerisch simu-
liert werden muss. Jedoch ist das Problem schlecht konditioniert.
Das bedeutet, dass schon kleinste Änderungen der Anfangsbe-
dingungen (Position und Geschwindigkeit der Atome) nach kurzer
Zeit (wenige Picosekunden, 10−12 s) zu drastischen Abweichungen
in der Gestalt des Moleküls führen. Dies ist der aus der Chaostheorie
bekannte Schmetterlingseffekt.
Dass trotz dieser Schwierigkeit die numerische Simulation einen
wichtigen Beitrag zum Wirkstoffentwurf und zum Verständnis der
molekularen Prozesse leisten kann, liegt daran, dass man an der
speziellen Form eines einzelnen Moleküls zu einem bestimmten
Zeitpunkt gar nicht interessiert ist. Wichtig sind stattdessen die
Übergangswahrscheinlichkeiten zwischen verschiedenen Konforma-
tionen, sowie die Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der einzelnen
Konformationen. Die Berechnung dieser Größen ist gut konditio-
niert, hängt also nur sehr wenig von den Anfangsbedingungen ab,
weil über eine große Menge von Molekülen in den verschiedensten

18
Molekülbillard

Abbildung 2. Zwei verschiedene Konformationen eines SARS-Inhibitors


(Visualisierung: D. Baum, ZIB)

Zuständen und damit auch über viele verschiedene Anfangswerte


gemittelt wird.
Die extreme Abhängigkeit der konkreten Form des Moleküls von
den Anfangsbedingungen lässt sich einfach durch ein Gedankenex-
periment verstehen. Wir stellen uns einen idealen Billardtisch vor:
Exakt runde Kugeln rollen reibungsfrei und absolut geradlinig auf
diesem Tisch (was natürlich in der Wirklichkeit nie so sein kann).
Auf der Diagonale des Tisches verteilen wir gleichmäßig drei
Kugeln, so dass deren Mittelpunkte Abstände von 50 cm haben. Mit
einem gut gezielten Stoß auf die erste Kugel möchten wir alle Ku-
geln der Reihe nach anstoßen, so dass die dritte Kugel schließlich
in die 1 m von ihrem Mittelpunkt entfernte Ecktasche rollt. (Dafür
muss man gar nicht wissen, wie groß der Tisch ist. Auf Standardti-
sche passen die Kugeln aber wie beschrieben drauf.)
Welche Winkelabweichung (in Grad) dürfen wir uns höchstens
erlauben, damit die letzte Kugel tatsächlich in die Tasche rollt?
Übrigens: Billardkugeln haben einen Durchmesser von 57,2 mm,
während die Ecktaschen eine Breite von 11 cm aufweisen. Um tat-
sächlich in die Ecktasche zu gelangen, muss die Kugel in ihrer gan-
zen Breite hineinpassen (so wie in Abbildung 3) – eine Berührung

19
Mathematik ganz freizeitlich

Abbildung 3. Um tatsächlich in die Ecktasche zu gelangen, muss die Kugel in ihrer


ganzen Breite hineinpassen.

der Taschen-Eckpunkte führt nicht zum Erfolg. Wir nehmen der


Einfachheit halber und in Ignoranz der Realität an, dass die Öff-
nung der Ecktasche senkrecht zur Diagonale des Tisches liegt.

Antwortmöglichkeiten

1. 0,0003 6. 0,1
2. 0,001 7. 0,3
3. 0,003 8. 1
4. 0,01 9. 3
5. 0,03 10. 10

20
Molekülbillard

Lösung

(Richtige Lösung:) Antwort 4)

Wenn eine Kugel nicht genau entlang der Diagonale gestoßen wird,
sondern in einem abweichenden Winkel α, so trifft sie die nächs-
te Kugel nicht zentral, wodurch diese in einem Winkel β ange-
stoßen wird. In der Abbildung 4 sind die Größen L = 50 cm und
r = 2, 86 cm bekannt, α wird als gegeben vorausgesetzt. Dann gilt:

d = t sin α
= ( L − s) sin α
  
= L − 4r2 − d2 sin α

Formen wir diese Gleichung etwas um:

d 
L− = 4r2 − d2
sin α
Quadrieren beider Seiten führt auf eine quadratische Gleichung für
d, mit der relevanten Lösung

L − L2 − (1 + (sin α)2 )( L2 − 4r2 )
d= . (1)
sin α + sin1 α


 
 



Abbildung 4. Stoß zweier Kugeln (Aufsicht)

21
Mathematik ganz freizeitlich

3.5
Bahnabstand 3. Kugel
3

2.5

1.5

0.5

0
0 0.005 0.01 0.015 0.02 0.025 0.03

Abbildung 5. Bahnabweichung der dritten Kugel in cm, abgetragen über der


Winkelabweichung der ersten Kugel in Grad

Schließlich bestimmen wir

d d
sin β = = √ ,
s 4r − d2
2

also mittels (1) sin β in Abhängigkeit von sin α. So können wir aus
dem Anfangswinkel α1 nacheinander die Winkelabweichungen α2
und α3 berechnen. Schließlich ist die Bahnabweichung der letzten
Kugel beim Erreichen der Tasche 1 m sin α3 . Damit die Kugel tat-
sächlich in die Tasche fällt, darf die Bahnabweichung nicht mehr
als 2,64 cm betragen (die Hälfte der Differenz von Taschenbreite
und Kugeldurchmesser). Anhand der Abbildung 5 ist ersichtlich,
dass die Winkelabweichung der ersten Kugel nur rund 0,025 Grad
betragen darf.

22
Stein–Schere–Papier
Boris Springborn

Wie gewinnt man im Spiel? Die Analyse von Strategien bei Ge-
sellschaftsspielen ist ein Thema der mathematischen Spieltheorie.
Mit ihren Methoden kann man aber nicht nur Spiele wie Schach
oder Skat untersuchen, sondern auch verschiedenste Konfliktsitua-
tionen, bei denen das Schicksal jedes einzelnen Akteurs nicht nur
vom eigenen Verhalten abhängt, sondern auch vom Verhalten der
anderen, die ebenso wie er versuchen, ein für sie selbst möglichst
positives Ergebnis herauszuschlagen. Die Spieltheorie hat großen
Einfluss in den Wirtschaftswissenschaften. Auch in der Psycholo-
gie, Soziologie, Biologie und der Militärwissenschaft findet sie An-
wendung. In der folgenden Aufgabe geht es aber tatsächlich um ein
Spiel, und zwar um ein sehr einfaches, das jeder kennt. Trotzdem
ist die Lösung nicht ganz einfach, und wer sie findet, hat schon die
eine oder andere grundlegende Idee der Spieltheorie verstanden.
Der Weihnachtsmann und der Osterhase spielen gern Stein–
Schere–Papier (ohne „Brunnen“). Wer ein Spiel gewinnt, bekommt
vom Verlierer eine Marzipankartoffel. Allerdings kann der Osterha-
se mit seinen Pfoten nur Stein und Papier, aber nicht Schere ma-
chen. Beide wissen das, reden aber nicht darüber. Der Weihnachts-
mann ist also im Vorteil, weil er die Wahl zwischen Stein, Schere
und Papier hat. Die Frage ist: Wie groß ist dieser Vorteil? Genau-
er: Wie viele Marzipankartoffeln macht der Weihnachtsmann im
Durchschnitt pro Spiel plus, wenn beide optimal spielen?

Antwortmöglichkeiten

1 1 1
1. 2 5. 4 9. 9
3 2
2. 1 6. 4 10. 9
1 1
3. 3 7. 6
2 5
4. 3 8. 6

23
Mathematik ganz freizeitlich

Lösung

(Richtige Lösung: Antwort 3)

Der Ausgang einer Spielrunde hängt nicht vom Ausgang der vorhe-
rigen Spielrunden ab; es macht also keinen Sinn, die Entscheidung
für Stein, Schere oder Papier vom bisherigen Spielverlauf abhän-
gig zu machen. Auch sonst gibt es keine äußeren Einflüsse, die zu
berücksichtigen wären. Es bleibt folglich für jeden Spieler vernünf-
tigerweise nichts anderes übrig, als sich in jeder Spielrunde zufällig
für einen der möglichen Spielzüge zu entscheiden. Die Spieler, in
diesem Fall Weihnachtsmann und Osterhase, können sich aber aus-
suchen, mit welchen Wahrscheinlichkeiten sie sich jeweils für Stein,
Schere oder Papier bzw. für Stein oder Papier entscheiden. Aus so ei-
ner Wahrscheinlichkeitsverteilung besteht die Strategie eines Spie-
lers. Tatsächlich sind, wie wir sehen werden, verschiedene Strategi-
en unterschiedlich gut.
Zunächst stellen wir fest, dass es für den Weihnachtsmann un-
sinnig ist, Stein zu spielen, weil er damit nicht gewinnen kann.
Bezeichnen wir also die Wahrscheinlichkeit, dass der Weihnachts-
mann Schere spielt, mit pW Schere
, und die Wahrscheinlichkeit, dass er
W
Papier spielt, mit pPapier . Der Osterhase spiele Stein und Papier mit
den Wahrscheinlichkeiten pO O
Stein und pPapier . Dann ist nach den Re-
geln der Wahrscheinlichkeitsrechnung der zu erwartende Gewinn
(in Marzipankartoffeln) für den Weihnachtsmann

EW = − 1 · pW
Schere pStein + 1 · pSchere pPapier
O W O

+ 1 · pW
Papier pStein + 0 · pPapier pPapier .
O W O

Der zu erwartende Gewinn für den Osterhasen ist EO = − EW , denn


entweder geht es unentschieden aus, oder einer muss dem anderen
eine Marzipankartoffel geben. Für die Wahrscheinlichkeiten gilt

Schere + pPapier = pStein + pPapier = 1.


pW W O O

24
Stein–Schere–Papier

Damit können wir die Wahrscheinlichkeiten pWSchere


und pO
Stein aus
W
der Gleichung für E durch Einsetzen eliminieren und erhalten

EW = − 1 + 2 pW
Papier + 2 pPapier − 3 pPapier pPapier
O W O

oder, wenn wir pO


Papier ausklammern,

EW = − 1 + 2 pW
Papier + pPapier (2 − 3 pPapier ).
O W

Uns interessieren nun drei Fälle, nämlich, ob der Wert der Klammer
größer als, gleich oder kleiner als 0 ist. Davon hängt nämlich ab, was
die beste Gegenstrategie des Osterhasen ist.

2
Papier < 3 . Dann ist 2 − 3 pPapier > 0; und die beste
Fall 1. pW W

Gegenstrategie des Osterhasen (der ja den Gewinn des Weihnachts-


Papier = 0, also immer Stein zu spielen.
manns minimieren will) ist pO
Wenn der Osterhase optimal spielt, ist also

1
EW = − 1 + 2 pW
Papier < .
3
2
Papier > 3 . Dann ist 2 − 3 pPapier < 0; und die beste Ge-
pW
Fall 2. W

Papier = 1, also immer Papier zu


genstrategie des Osterhasen ist pO
spielen. Wenn der Osterhase optimal spielt, ist also

1
EW = − 1 + 2 pW
Papier + 2 − 3 pPapier = 1 − pPapier <
W W
.
3
2
Papier = 3 . Dann ist 2 − 3 pPapier = 0; und somit
pW
Fall 3. W

2 1
EW = − 1 + 2 · = ,
3 3
egal was der Osterhase für eine Strategie hat.

Die optimale Strategie für den Weihnachtsmann ist also, mit Wahr-
scheinlichkeit 13 Schere und mit Wahrscheinlichkeit 23 Papier zu

25
Mathematik ganz freizeitlich

spielen, weil der zu erwartende Gewinn dann 13 beträgt und sonst


weniger. Eine entsprechende Überlegung für den Osterhasen ergibt,
dass seine beste Strategie ist, mit Wahrscheinlichkeit 13 Stein, sonst
Papier zu spielen. Für jede andere Strategie hat der Weihnachts-
mann eine Gegenstrategie, mit der er mehr als durchschnittlich 13
Marzipankartoffel gewinnt.

Schlussbemerkung. Ist diese Lösung auch realistisch? Würden sich


Osterhase und Weihnachtsmann in Wirklichkeit nicht ganz anders
verhalten? Würde der Osterhase nicht einfach mit den Ohren Sche-
re machen? Schwer zu sagen, denn in Wirklichkeit gibt es den Weih-
nachtsmann und den Osterhasen gar nicht.

26
Mathematik in Bewegung
Katz und Maus
Peter Deuflhard und Anton Schiela

„Da bin ich ja gerade nochmal davongekommen!“ Mathy die Maus saß in
der Ecke des Mauseloches und erholte sich von ihrem Schreck.
– Was war denn los, Mathy?
– Die Katze hätte mich fast erwischt. Um Haaresbreite bin ich noch ent-
kommen.
– Erzähl mal!
– Ich saß da vorne an dem Stein, also ziemlich genau einen Meter vom
Mauseloch entfernt, als ich sah, wie die Katze sich anschlich. Das Mau-
seloch war genau vor mir, die Katze genau links von mir. Wir sahen uns
kurz an, dann liefen wir gleichzeitig los. Ich immer geradeaus zum Loch,
die Katze immer genau auf mich zu.
– Gut, dass du so nah am Loch warst, denn Katzen können doppelt so
schnell laufen wie Mäuse.
– Und gut, dass die Katze nicht näher dran war als ich sie sah. Wäre sie
auch nur ein bisschen näher gewesen, hätte sie mich gefangen. Hmm, wie
weit wird sie am Anfang wohl entfernt gewesen sein?

Wie weit war die Katze von Mathy entfernt, als Mathy sie sah?

Antwortmöglichkeiten

1. 1,00 m 6. 1,50 m
2. 1,10 m 7. 1,60 m
3. 1,20 m 8. 1,70 m
4. 1,30 m 9. 1,80 m
5. 1,40 m 10. 1,90 m

29
Mathematik in Bewegung

Tipp. Spiele die Jagd auf Papier nach, indem Du beide schrittwei-
se hüpfen läßt. Die Katze darf dabei doppelt so weit hüpfen wie
die Maus. Probiere verschiedene Hüpfweiten für die Maus aus. So
kannst Du den Abstand zwar nicht exakt, aber doch genau genug
berechnen, um die richtige Antwort auszuwählen.
PS: Wie jede Parabel aus dem Tierreich hat auch diese Geschichte
einen ernsten Hintergrund.

30
Katz und Maus

Lösung

(Richtige Lösung: Antwort 6)

Die exakte Lösung des Katz-und-Maus-Problems zu finden ist


schwierig. Allerdings kommt es auch nicht wirklich darauf an, die
Lösung genau zu berechnen, denn die möglichen Antworten sind
10 cm voneinander entfernt. Wir wenden deswegen wie in der Auf-
gabenstellung angedeutet ein Näherungsverfahren an.
Also nehmen wir uns ein schönes großes Blatt Karopapier, einen
Bleistift und ein Lineal oder Geodreieck mit Millimetermaß. Als ers-
tes können wir nun die Startposition der Maus (M) und ihre gerad-
linige Bahn zum Loch einzeichnen (am besten waagrecht entlang
einer Karolinie). Die Maus wird entlang dieser Geraden ins Loch (L)
hüpfen. Aber wo startet die Katze? „Genau links von der Maus“, also
irgendwo senkrecht über dem Startpunkt der Maus. Um anfangen
zu können, brauchen wir jetzt aber noch einen konkreten Punkt für
den Startpunkt der Katze. Den kennen wir nicht, aber das macht
nichts. Wir setzen ihn einfach irgendwo auf die Gerade. Ein gute
Wahl sind 20 cm Abstand – das ist nicht zu klein und passt noch
auf eine DIN A4 Seite. Im Folgenden beziehen sich alle Längenan-
gaben auf dem Papier auf diesen Anfangsabstand. Jetzt kennen wir
natürlich die Lage des Punktes (L) auf dem Papier nicht mehr. Die
müssen wir durch unsere Konstruktion herausfinden.
Nun lassen wir beide gleichzeitig hüpfen. Die Maus darf einen
Sprung nach vorne machen. Die Katze macht einen Sprung doppel-
ter Länge, denn sie ist ja doppelt so schnell. Jetzt stellt sich nur noch
die Frage, in welche Richtung die Katze hüpfen darf. “In Richtung
der Maus”. Da gibt es aber mehrere Möglichkeiten. In die Richtung,
in der die Maus vor ihrem Sprung war, oder in die Richtung, in der
die Maus nach ihrem Sprung ist. Beide Varianten sind korrekt und
führen auch zur richtigen Lösung. Bei der ersten Variante hat die
Katze einen kleinen Nachteil (weil sie immer etwas hinterher ist),
bei der zweiten einen kleinen Vorteil (weil sie immer etwas voraus-
schaut). Ein Kompromiss wäre übrigens auch denkbar. Wir benut-

31
Mathematik in Bewegung

Abbildung 1. Bahn von Katze und Maus mit verschiedenen Schrittweiten nachgespielt

32
Katz und Maus

zen im Folgenden die erste Variante. Die Katze hat also einen kleinen
Nachteil.
Nachdem Katze und Maus ihre neuen Positionen eingenommen
haben, können wir die Hüpfprozedur wiederholen. Das machen wir
nun so lange, bis die Katze ganz in der Nähe der Maus ist. Wenn wir
so weit sind, können wir mit ein bisschen Augenmaß schon ziem-
lich gut bestimmen, wo die Katze die Maus gefangen hätte (wenn
da nicht schon das Loch gewesen wäre). Je nachdem, wie groß die
Sprünge von Katze und Maus waren bekommen wir so eine Schät-
zung. Bei großen Sprüngen ist sie noch ungenau, aber wenn wir vie-
le kleine Hüpferchen machen (meine persönliche Empfehlung 1 cm
für die Maus und entsprechend 2 cm für die Katze), dann können
wir bald abschätzen, dass Katze und Maus sich ungefähr nach einer
Entfernung s ≈ 13–14 cm auf dem Papier treffen.
In Abbildung 2 sieht man das sehr schön. Wenn die Maus (blau)
bei 13 cm ist, befindet sich die Katze (rot) ungefähr bei 12,5 cm. Jetzt
laufen beide ungefähr in die gleiche Richtung, die Katze aber dop-
pelt so schnell. Also würden sie sich irgendwo zwischen 13 und
14 cm treffen, wahrscheinlich in der Nähe von 13,5 cm.
Wir wissen aber, dass diese Entfernung s in Wirklichkeit 1 m,
nämlich der anfängliche Abstand der Maus zum Loch ist. Dadurch
können wir zurückrechnen und kommen auf
20cm
x= · 1m ≈ 1,42m − 1,53m
s

Anfangsabstand zwischen Katze und Maus. Es bleibt deshalb nur


Antwort 6 mit 1,50 m übrig. Das entspricht auf dem Papier dem
Punkt, der mit dem großen grünen Kreuz markiert ist. Die beiden
benachbarten Lösungen 5 mit 1,40 m und 7 mit 1,60 m sind mit ei-
nem roten Kreuz markiert und man sieht, dass sie getrost ausge-
schlossen werden können.
Wie oben beschrieben, haben wir bisher die erste Variante be-
nutzt, die der Katze einen kleinen Nachteil verschafft hat. Wenn
man nun auch noch die zweite Variante in Betracht zieht, in der die
Katze immer etwas vorausschaut, dann kann man aus dem Vergleich

33
Mathematik in Bewegung

Abbildung 2. Treffpunkt von Katze und Maus genauer betrachtet

der beiden Varianten noch etwas mehr Information bekommen. In


Abbildung 3 ist nun in grün die zweite Variante eingezeichnet. Man
sieht, daß die grüne Kurve immer etwas voraus ist und auch schnel-
ler bei der Maus ankommt. Sehr schön ist das in Abbildung 4 zu
sehen. Die rote Katze trifft die Maus erst bei 13,5 cm, während die
grüne Katze die Maus schon bei 13 cm trifft. Dazwischen muss die
exakte Lösung liegen. In Abbildung 3 ist auch zu erkennen, dass die
Kurven um so ähnlicher werden je kleiner man die Schritte wählt.
Die Vor- und Nachteile für die Katze werden bei kleineren Schritten
einfach immer geringer. Hier ahnt man schon ein Prinzip von guten
Näherungsverfahren:
Wenn ich mir nur genug Mühe gebe, dann kann ich die Lösung
beliebig genau ausrechnen.
Was macht man nun, wenn man das Ergebnis noch genauer wis-
sen will? Natürlich könnte man ein riesengroßes Blatt Millimeterpa-
pier nehmen und winzig kleine Schritte machen. Das wird auf die
Dauer langweilig. Für solch langweilige Aufgaben kann man aber
wunderbar den Computer benutzen. Vielleicht hat das ja der eine

34
Katz und Maus

Abbildung 3. Die beiden Varianten im Vergleich

35
Mathematik in Bewegung

Abbildung 4. Beide Varianten genauer betrachtet

oder andere von Euch sogar gemacht, und das Katze-und-Maus-


Spiel nachprogrammiert. Man kommt dann auf ungefähr so ein Pro-
gramm (in MATLAB gesetzt):

function [x,y,m]=KatzUndMaus(DeltaT)

x(1)=0; // x : Position der Katze (waagrecht)


y(1)=20; // y : Position der Katze (senkrecht)
m(1)=0; // m : Position der Maus (waagrecht)
i=1;
while(x(i) <= m(i))
i=i+1;
mp=1; // Die Maus h\"upft geradeaus
// mit Geschwindigkeit 1

xp=m(i-1)-x(i-1); // Die Katze h\"upft in Richtung


yp=-y(i-1); // Maus.

n=sqrt(xp*xp+yp*yp); // Immer mit der


xp=xp*2/n; // Geschwindigkeit 2
yp=yp*2/n; //

36
Katz und Maus

x(i)=x(i-1)+DeltaT*xp; // Hier werden die neuen Positionen


y(i)=y(i-1)+DeltaT*yp; // berechnet.
m(i)=m(i-1)+DeltaT*mp;

end

Mit dem Parameter DeltaT kann man die Schrittweite einstellen,


und findet damit heraus, dass der Schnittpunkt auf dem Papier zu-
mindest bis auf 5 Stellen genau bei 13,3333 cm wäre, was bis auf
5 Stellen genau dem Anfangsabstand 1,50 m entspricht. So eine ge-
naue Lösung ist in Abbildung 5 zu sehen. Noch genauer bekommt
man das Ergebnis mit diesem einfachen Programm wegen auftre-
tender Rundungsfehler nicht (der Computer rechnet nur auf 16 Stel-
len genau und die Fehler sammeln sich bei vielen Schritten an). Al-
lerdings wäre jede Maus mit dieser Genauigkeit vollends zufrieden.

Numerik gewöhnlicher Differentialgleichungen

Wie würde ein erfahrener Mathematiker an dieses Problem heran-


gehen? Zuerst braucht man eine mathematische Beschreibung des Ver-
haltens von Katze und Maus. Wir bezeichnen die Positionen von
Katze bzw. Maus in Abhängigkeit von der Zeit t mit k x (t), k y (t) bzw.
m x (t), my (t). Die Bewegung der Maus ist leicht. Sie läuft stur gera-
deaus mit konstanter Geschwindigkeit 1:

m x (t) = t
my (t) = 0

Bei der Katze ist das komplizierter, weil die Richtung r in die sie
läuft von ihrer Position abhängt:

r x (t) = m x (t) − k x (t)


ry (t) = my (t) − k y (t)

37
Mathematik in Bewegung

Abbildung 5. Eine genaue Computerrechnung

Der Vektor r gibt also die Bewegungsrichtung der Katze an. Aller-
dings ändert sich seine Länge

 2  2
|r (t)| = k x (t) − m x (t) + k y (t) − my (t)

mit dem Abstand von Katze und Maus. Da sich aber nur die Be-
wegungsrichtung der Katze ändert, aber nicht der Betrag ihrer Ge-

38
Katz und Maus

schwindigkeit (der ist 2) muss man, um die Bewegung der Katze


darstellen zu können durch |r (t)| teilen um ihre Geschwindigkeit
in x- und y-Richtung: v x und vy zu erhalten:

m x (t) − k x (t)
v x (t) = 2 ·  2  2
k x (t) − m x (t) + k y (t) − my (t)
my (t) − k y (t)
vy (t) = 2 ·  2  2
k x (t) − m x (t) + k y (t) − my (t)

Man weiß aus der Physik, dass die Geschwindigkeit die zeitliche Ab-
leitung des Ortes ist. Nach Einsetzen aller bekannter Größen erhalten
wir also:
t − k x (t)
kx (t) = v x (t) = 2 ·  2
k x ( t ) − t + k y ( t )2
−k y (t)
ky (t) = vy (t) = 2 ·  2
k x ( t ) − t + k y ( t )2
k x (0) = 0

k y (0) = 20

Solch eine Gleichung, in der unbekannte Funktionen und deren


Ableitungen vorkommen, nennt man (gewöhnliche) Differentialglei-
chung. In der letzten Zeile stehen sogenannte Anfangswerte, die
man immer braucht um eine Differentialgleichung lösen zu kön-
nen.
Mit Differentialgleichungen kann man eine ungeheure Menge
an Prozessen aus den Naturwissenschaften, den Ingenieurwissen-
schaften und vieles Andere mathematisch beschreiben. Wer Diffe-
rentialgleichungen lösen kann, der kann alle diese Prozesse simu-
lieren. Als Beispiele seien die Newtonsche Mechanik, die chemische
Reaktionskinetik und elektrische Schaltkreise genannt.
Allerdings kann man Differentialgleichungen fast nie von Hand
lösen, und deswegen haben sich viele Mathematiker mit der nu-

39
Mathematik in Bewegung

merischen Lösung (also mittles des Computers) dieser Gleichungen


beschäftigt und dabei sehr leistungsfähige Methoden dafür entwi-
ckelt. Damit könnte man die Lösung des Katz-und-Maus-Problems
bis auf mindestens 10 Stellen genau berechnen.
Das Grundprinzip aller dieser Verfahren bleibt aber das Hüpfen.
Mathematiker nennen diese Vorgehensweise Diskretisierung.

Wer mehr zu diesem Thema wissen will findet in dem Buch „Peter Deuflhard, Folk-
mar Bornemann: Numerische Mathematik II, Gewöhnliche Differentialgleichungen,
de Gruyter, 2002“ eine umfassende Darstellung der Theorie und der wichtigsten nu-
merischen Methoden für Differentialgleichungen.

40
Zugfahrt nach Berlin
Christian Liebchen

Alljährlich, zum europaweiten Fahrplanwechsel Mitte Dezember,


stellt sich für Eisenbahnverkehrsunternehmen die Frage, wie ihr Li-
niennetz neu zu gestalten ist. In dieser Aufgabe betrachten wir diese
Fragestellung aus der Sicht der Regionalleitung Nordost.
Planungsstand sei dabei das Jahr 2005. Da zu dieser Zeit der
Nord–Süd-Tunnel noch im Bau war, musste der gesamte Berliner
Regionalverkehr über dieselbe Strecke abgewickelt werden, über die
sogenannte Berliner Stadtbahn. Dies führte zu besonders anspruchs-
vollen Planungsproblemen.
Über die Berliner Stadtbahn verkehren die RegionalExpress-
Linien RE2, RE3, RE4 und RE5 tagsüber im Stundentakt. Diese be-
sitzen von Berlin aus betrachtet jeweils einen westlichen und einen
östlichen Linienabschnitt. Vom Bahnhof Berlin-Friedrichstraße aus

Abbildung 1. RegionalExpress (RE) Doppelstock-Wendezug


(©2002 DB AG/Günter Jazbec)

41
Mathematik in Bewegung

Wismar Rostock Stralsund

Rathenow

Berlin−Friedrichstr.
?

Berliner Stadtbahn

Dessau Lutherst. Wittenberg Senftenberg Cottbus

Tabelle 1. Fahrzeiten ab Berlin-Friedrichstraße


Linie Westabschnitt Min. Ostabschnitt Min.
RE2 Wismar 195 Cottbus 95
RE3 Dessau 120 Stralsund 200
RE4 Rathenow 60 Lutherstadt Wittenberg 100
RE5 Rostock 185 Senftenberg 135

bestehen die in Tabelle 1 gezeigten Fahrzeiten in Minuten zu ihren


jeweiligen Endpunkten.
Für den mit Abstand größten Teil der Reisenden, die eine dieser
RegionalExpress-Linien nutzen, liegen Abfahrts- oder Ankunfts-
bahnhof auf dem Abschnitt zwischen Berlin Zoologischer Garten
und Berlin Ostbahnhof:

42
Zugfahrt nach Berlin

Es gibt nur sehr wenige Reisende, die die ganze Strecke nutzen. Die
meisten fahren entweder von Cottbus und den Unterwegsbahnöfen
nach Berlin, oder von Rathenow. (Karsten Preißel, Regionalleiter DB Re-
gio Nordost in punkt3, 2007/17, über die im Jahr 2007 bestehende Li-
nie RE2 Rathenow–Cottbus)

Entsprechend geben bei der Zuordnung von westlichen zu östli-


chen Linienabschniten eher betriebsinterne Überlegungen den Aus-
schlag. Bei diesen nimmt der Fahrzeugbedarf eine entscheidende
Rolle ein. Dieser wird maßgeblich durch die Standzeiten der Zü-
ge in ihren Endbahnhöfen beeinflusst. Da hier stets ein Fahrtrich-
tungswechsel vorgenommen wird, spricht man dabei auch von der
Umkehrzeit der Züge. Die kürzestmögliche Umkehrzeit richtet sich
nach der Dauer für den Führerstandswechsel der Eisenbahnfahr-
zeugführer, nach einem vorzusehenden Zeitpuffer zum Ausgleich
eventueller Verspätungen und vielem anderen mehr. In dieser Auf-
gabe setzen wir einheitlich eine Mindestumkehrzeit von 20 Minuten
in allen acht betrachteten Endbahnhöfen an. Wir gehen davon aus,
dass die Züge zwischen 6 und 22 Uhr fahren sollen.

Aufgabe.
Teil 1. Wie viele Züge werden zum Betrieb der bestehenden Regio-
nalExpress-Linien RE2, RE3, RE4 und RE5 insgesamt mindes-
tens benötigt?
Teil 2. Überlege dir eine neue Zuordnung zwischen westlichen und
östlichen Linienabschnitten. Welches ist die für den Betrieb
dieser vier Linien erforderliche Mindestzugzahl?
Teil 3. Gehe noch einmal wie in Teil 2 vor. Jedoch darfst du diesmal
keine Linie von der Ostsee wieder zurück zur Ostsee durch-
binden: Wismar–Berlin–Stralsund und Rostock–Berlin–Stral-
sund sind also verboten. Ebenso wenig darf Dessau direkt
mit Lutherstadt Wittenberg verknüpft werden. Wie viele Zü-
ge erfordern diese neuen Linien dann mindestens?

43
Mathematik in Bewegung

Antwortmöglichkeiten

1. Teil 1: 40, Teil 2: 39, Teil 3: 40


2. Teil 1: 41, Teil 2: 39, Teil 3: 39
3. Teil 1: 41, Teil 2: 39, Teil 3: 40
4. Teil 1: 41, Teil 2: 39, Teil 3: 41
5. Teil 1: 41, Teil 2: 40, Teil 3: 40
6. Teil 1: 41, Teil 2: 40, Teil 3: 41
7. Teil 1: 41, Teil 2: 41, Teil 3: 41
8. Teil 1: 42, Teil 2: 40, Teil 3: 41
9. Teil 1: 42, Teil 2: 40, Teil 3: 42
10. andere

Bemerkung. Der Mindestfahrzeugbedarf einer Linie berechnet sich


als
Umlaufzeit
Mindestzugzahl = .
Taktzeit
Die Umlaufzeit errechnet sich wiederum als
 Fahrzeiten+Mindestumkehrzeiten
Umlaufzeit = · Taktzeit,
Taktzeit

wobei  x := min{z ∈ Z | z ≥ x } die Funktion Aufrunden codiert,


also beispielsweise 3, 14 = 4, aber auch 4 = 4.
Betrachten wir beispielhaft die halbstündlich verkehrende Regio-
nalExpress-Linie RE1. Die Fahrzeit Magdeburg–Friedrichstraße be-
trägt 105 Minuten, die Fahrzeit Friedrichstraße–Eisenhüttenstadt
beträgt 90 Minuten. Damit ergibt sich für diese Linie exemplarisch

105 + 90 + 20 + 90 + 105 + 20
Umlaufzeit = · 30 = 450.
30

Diese Linie erfordert für ihren Betrieb also mindestens 15 Züge.


Selbstverständlich gibt es bei der Planung der RegionalExpress-
Linien weitere vielschichtige Anforderungen zu berücksichtigen.
Viele davon ergeben sich im Rahmen der Fahrplankonstruktion. So

44
Zugfahrt nach Berlin

kann das Erreichen der hier berechneten Mindestzugzahlen unter


Umständen nicht möglich sein, wenn man die bestehenden einglei-
sigen Strecken berücksichtigt oder aber einen Halbstundentakt zwi-
schen Berlin und dem Flughafen Berlin-Schönefeld (Linienabschnit-
te in Richtung Lutherstadt Wittenberg und Senftenberg) herstellen
müsste.
Schließlich haben wir der Einfachheit halber auch noch alterna-
tive Linienendpunkte vernachlässigt. So verkehrt beispielsweise nur
alle zwei Stunden ein RegionalExpress der Linie RE3 nach Stralsund
(im Wechsel mit InterCity-Zügen). Jeder zweite RE3 findet hingegen
seinen Endpunkt in Schwedt.
Verfahren der ganzzahligen linearen Optimierung ermöglichen
es mittlerweile, auch unter Berücksichtigung der skizzierten weite-
ren Detailanforderungen für vergleichbare Netze nachweislich den
bestmöglichen Linienplan zusammen mit dem passenden Fahrplan
zu berechnen. Eine bei diesen Verfahren eingesetzte Grundtechnik,
die zum Rahmenplan der Schulmathematik gehört, ist das Lösen li-
nearer Gleichungssysteme. Die in der hier vorgestellten Anwendung
auftretenden Gleichungssystene dürfen zwar mit einigen hundert
Variablen und Gleichungen, im Vergleich mit anderen industriellen
Anwendungen, als relativ klein bezeichnet werden – dafür müssen
jedoch im Verlauf eines Optimierungslaufes hunderttausende dieser
Gleichungssysteme gelöst werden.
Der erste Praxiseinsatz von Fahrplanoptimierung gelang übri-
gens für das Netz der Berliner U-Bahn. Über die seit Dezember 2004
erzielten Verbesserungen berichtete unter anderem die Berliner Zei-
tung in ihrer Ausgabe vom 9. 11. 2005. Mittlerweile ist auch der Be-
trieb der niederländischen Eisenbahn das Ergebnis mathematischer
Optimierungsverfahren. Dieser Meilenstein wurde jüngst mit dem
äußerst renommierten Franz-Edelman-Award 2008 bedacht.

45
Mathematik in Bewegung

Lösung

(Richtige Lösung: Antwort 5)

Aufgabenteil 1. (Lösung: 41 Züge)


Wir betrachten exemplarisch die aktuelle RegionalExpress-Linie
RE2. Hier verfolgen wir einen Zug, der beispielsweise um 06:00 Uhr
den Bahnhof Wismar in Richtung Cottbus verlässt. Nach 290 Minu-
ten erreicht er Cottbus und kann frühestens 20 Minuten später seine
Fahrt in die Gegenrichtung antreten. Diese dauert erneut 290 Minu-
ten und bevor derselbe Zug eine zweite Fahrt von Wismar aus nach
Cottbus aufnehmen kann, muss auch in Wismar die Mindestum-
kehrzeit von 20 Minuten vergehen. Nach insgesamt 620 Minuten
könnte derselbe Zug also die nächste Fahrt seiner Linie überneh-
men. In einem Stundentakt findet jedoch erst 660 Minuten nach
seiner ersten Fahrt, also um 17:00 Uhr, wieder eine Fahrt der Regio-
nalExpress-Linie RE2 statt. Entsprechend ist jeweils ein anderer Zug
erforderlich, um die Fahrten um 06:00 Uhr, 07:00 Uhr, 08:00 Uhr
usw. bis 16:00 Uhr zu bedienen. Dies ergibt einen Bedarf von (min-
destens) 11 Zügen.
Das Ganze etwas kompakter und mit Sortierung der Addition
der Zeiten nach Fahr- und Mindestwendezeiten im Westabschnitt
Berlin–Wismar bzw. im Ostabschnitt Berlin–Cottbus:
195 + 20 + 195 + 95 + 20 + 95
Mindestzugzahl =
60
410 + 210
=
60
620
=
60
= 10,333 . . .
= 11

Für die Linien RE3, RE4 und RE5 ergeben sich so die Mindestzug-
zahlen 12, 6 bzw. 12.

46
Zugfahrt nach Berlin

Wismar Rostock Stralsund


RE2 RE5 RE3

Rathenow

RE4
Berlin−Friedrichstr.
?

Berliner Stadtbahn

RE3 RE4 RE5 RE2


Dessau Lutherst. Wittenberg Senftenberg Cottbus

Aufgabenteil 2. (Lösung: 40 Züge)


Zuerst überprüft man leicht, dass die Linien
– Wismar–Senftenberg
– Dessau–Lutherstadt Wittenberg
– Rathenow–Cottbus
– Rostock–Stralsund
auf eine Mindestzugzahl von 40 Zügen führen. Aber kann es eine
andere Linienmenge geben, die mit nur 39, womöglich mit gar nur
38 Zügen auskommt? Das vollständige Ausprobieren aller Kombina-
tionsmöglichkeiten wäre in diesem Beispiel zwar grundsätzlich eine
Möglichkeit. Es soll jedoch vielmehr ein Ansatz vorgestellt werden,
der auch für bedeutend größere Zuordnungsprobleme noch prakti-
kabel bleibt.
Die für diese Aufgabe wesentliche Information sind die Zeit-
dauern, während derer Züge unproduktiv herumstehen, also weder
fahren, noch sich in der 20-minütigen Umkehrzeit an einem End-
bahnhof befinden. Mathematisch lässt sich diese unproduktive Zeit

47
Mathematik in Bewegung

leicht über den ganzzahligen Divisionsrest bezüglich der Taktzeit


60 Minuten ermitteln.
In Aufgabenteil 1 hatten sich Fahr- und Mindestwendezeiten der
Linie RE2 zu 620 addiert. Bei der ganzzahligen Division von 620
durch 60 ergibt sich ein Divisionsrest von 20. Da die Umlaufzeit die-
ser Linie 660 Minuten betragen musste, stehen im Umkehrschluss
also die Züge dieser Linie 60 − 20 = 40 Minuten pro Runde unpro-
duktiv herum. Geschieht dies wiederum auf mehreren Linien paral-
lel, kann durch den Tausch zweier Ostabschnitte unter Umständen
ein Umlauf eingespart werden.
Betrachten wir zum Vergleich eine mögliche Direktverbindung
Wismar–Stralsund. Diese käme auf 830 Minuten Fahr- und Mindest-
wendezeiten, was auf eine Umlaufzeit von 840 Minuten bzw. einen
Bedarf von 14 Zügen führt. Hier beträgt der Divisionsrest insbeson-
dere 50, was sich in eine unproduktive Zeit von nur 10 Minuten
übersetzt.
Zurück zum bestehenden Linienverlauf Wismar–Cottbus der Li-
nie RE2. Die unproduktive Zeit von 40 Minuten pro Runde, bzw. der
Divisionsrest von 20, ergeben sich natürlich unmittelbar anhand
der Fahr- und Mindestwendezeiten der West- und Ostabschnitte.
Und auch bei diesen entscheidet sich die Qualität ihres Zusammen-
spiels letztlich einzig anhand ihrer Divisionsreste. Um dies zu ver-
deutlichen, teilen wir die Berechnung der Umlaufzeit der Linie RE2
so weit wie möglich nach West- und Ostabschnitt einerseits, sowie
nach ganzzahligen Vielfachen von 60 und Divisionsresten anderer-
seits auf:

410 + 210
Mindestzugzahl =
60
360 + 180 50 + 30
= +
60 60
50 + 30
= 9+
60
= 9 + 2 = 11 (1)

48
Zugfahrt nach Berlin

Insbesondere kann aus dem Gesamtzeitbedarf von 410 Minuten


für den Westabschnitt nach Wismar getrost sechs Mal die Takt-
zeit (60 Minuten) herausgerechnet werden. Denn für alle weiteren
Überlegungen kommt es nur noch auf den Divisionsrest von 50 an.
Um uns also auf das Wesentliche konzentrieren zu können, rech-
nen wir zunächst für alle acht Abschnitte in Summe 2100 Minuten
heraus. Bei einem Stundentakt aller vier, wie auch immer zu kom-
binierenden, Linien, entspricht dies bereits unmittelbar einem un-
vermeidbaren Sockelbetrag für die Zugzahl von nicht weniger als
35 Zügen, wohlbemerkt vollkommen unabhängig von der Konstruk-
tion der einzelnen Linien.
Schließlich müssen wir uns jetzt noch um die Divisionsreste
und deren Kombination kümmern. Hierzu notieren wir zunächst
für jeden Abschnitt seinen Divisionsrest:

Abschnitt Divisionsrest
Wismar 50
Dessau 20
Rathenow 20
Rostock 30
Cottbus 30
Stralsund 0
Lutherst. Wittenberg 40
Senftenberg 50

Als nächstes müssen alle möglichen Kombinationen von West- zu


Ostabschnitten betrachtet werden. Dies nehmen wir in einem so
genannten Graphen vor (Abbildung 2). Dieser besteht aus je einem
Knoten für jeden Abschnitt, der in der folgenden Grafik als Kreis
gezeichnet ist. An den Knoten notieren wir die Werte der Divisions-
reste der Fahr- und Mindestumkehrzeiten auf dem jeweiligen Lini-
enabschnitt. Als Reste einer ganzzahligen Division durch 60 können
diese nur die Werte {0, 1, 2, . . . , 59} annehmen.

49
Mathematik in Bewegung

Wismar 50 30 Cottbus

Dessau 20 0 Stralsund

Rathenow 20 40 Lutherstadt Wittenberg

Rostock 30 50 Senftenberg

Abbildung 2. Kombinationen von West- zu Ostabschnitten in einem Graphen


dargestellt

Zwischen diesen acht Knoten wird nunmehr für jede der 16 mög-
lichen Liniendurchbindungen ein Strich gezogen, der Kante ge-
nannt wird. Ein Linienplan entspricht somit einer Auswahl von ge-
nau vier Kanten, so dass jeder Knoten an genau einer Kante anliegt.
Eine solche Kantenauswahl wird in der Kombinatorischen Optimie-
rung Matching genannt. In unseren Fall ist es hilfreich, die Kanten
in drei Kategorien aufzuteilen:
1. An beiden Endknoten steht der Wert 0.
2. Die Werte an den beiden Endknoten addieren sich zu einem Wert
der Menge {1, 2, 3, . . . , 60} auf.
3. Die Werte an den beiden Endknoten addieren sich zu einem Wert
der Menge {61, 62, 63, . . . , 118} auf.
Gemäß der Aufteilung, die wir in Gleichung (1) vorgenommen ha-
ben, entspricht also jede dieser Kategorien einem über die 35 als be-
reits unvermeidbar identifizierten Züge unmittelbar hinausgehen-
den Zusatzbedarf an weiteren Zügen, und zwar
1. 0 zusätzliche Züge,
2. 1 zusätzlicher Zug oder
3. 2 zusätzliche Züge.
Im Beispiel Wismar–Cottbus hatten wir

50 + 30 = 80 ∈ {61, 62, 63, . . . , 118},

50
Zugfahrt nach Berlin

was über den für die Linie RE2 identifizierten Sockelbetrag von
9 Zügen hinaus zwei weitere Züge erforderte.
In der speziellen Aufgabenstellung ist nun schnell ersichtlich,
dass es keine Kante gibt, an deren beiden Endpunkten eine Null
steht. Die beiden anderen Kategorien sind in der Abbildung un-
terschiedlich dargestellt: Diejenigen Kanten, die nur einen zusätzli-
chen Zug nach sich ziehen, sind fett gezeichnet. Die Kanten, die
in der Lösung vermieden werden sollten, da sie zwei zusätzliche
Züge erfordern, sind hellgrau dargestellt. Anhand des Astes nach
Senftenberg kann man hier schließlich leicht feststellen, dass in
jeder Zuordnung mindestens eine hellgraue Kante enthalten sein
muss. Die vier in einer Zuordnung enthaltenen Kanten ergeben al-
so immer mindestens einen Zusatzbedarf von 2 + 1 + 1 + 1, also
von 5 Zügen. Zusammen mit den zuvor identifizierten 35 Zügen
weiß man nun, dass jeder Linienplan mindestens 40 Züge erfordern
muss.
Last but not least soll hier nicht ungenannt bleiben, dass man
die Zahl der zusätzlichen Züge als Gewichte der Kanten definieren
kann. Die Kombinatorische Optimierung stellt hier sehr effiziente
Verfahren bereit, mit denen auch in Graphen mit mehreren tausend
Knoten auf der linken und rechten Seite ein Matching gefunden
werden kann, in dem jeder Knoten an genau einer der ausgewählten
Kanten anliegt, und welches ein minimales Gesamtgewicht besitzt.

Aufgabenteil 3. (Lösung: 40 Züge)


Die folgende Linienmenge erfüllt die in Aufgabenteil 3 formulierten
Anforderungen:
– Wismar–Senftenberg,
– Dessau–Stralsund,
– Rathenow–Lutherstadt Wittenberg und
– Rostock–Cottbus.
Für diese Linien ergibt sich nun ebenfalls eine Mindestzugzahl
von 40. Und weniger Züge können es gemäß der in Aufgabenteil 2
vorgenommenen ausführlichen Analyse auch hier nicht werden.

51
Zuschauer beim Berlin-Marathon
Stefan Hougardy, Stefan Kirchner und Mariano Zelke

Jedes Computerprogramm, sei es ein Betriebssystem, eine Textver-


arbeitung oder ein Computerspiel, ist aus einer Vielzahl von Algo-
rithmen zusammen gesetzt. Ein Algorithmus ist eine Art Rechen-
vorschrift, die Daten als Eingabe entgegennimmt und daraus ein
Ergebnis berechnet. Um beispielsweise die Anzeige des Mauszeigers
auf dem Bildschirm zu steuern, erhält der dafür zuständige Algo-
rithmus die letzte Position des Mauszeigers und die Bewegung der
Maus auf dem Schreibtisch als Eingabe. Daraus wird die neue Po-
sition des Mauszeigers berechnet, sie bildet die Ausgabe des Algo-
rithmus.
Die Eingabedaten für einen Algorithmus sind gewöhnlich im
Arbeitsspeicher oder auf der Festplatte eines Computers gespei-
chert. Der Arbeitsspeicher ist viel schneller, dafür aber auch kleiner
als eine Festplatte. Natürlich ist es kein Problem, die wenigen Wer-
te, aus der die Eingabe für den Mauszeiger-Algorithmus besteht, im
Arbeitsspeicher aufzubewahren. Es gibt aber auch eine Reihe von
Problemen, bei denen die Eingabedaten so umfangreich sind, dass
sie sich nur auf der Festplatte des Computers abspeichern lassen.
Eine große Telefongesellschaft, die die Verbindungsdaten aller
geführten Telefongespräche speichert, muss pro Tag mehr als 100
Millionen Datensätze speichern. Innerhalb eines Monats fallen da-
her leicht mehrere 100 Gigabyte Daten an, die nicht mehr in den
Arbeitsspeicher des Computers passen sondern auf der Festplatte
abgespeichert werden müssen. Algorithmen, die sich ihre Eingabe-
daten von einer Festplatte holen müssen, können sehr langsam sein,
da es mehr als eine Million mal länger dauern kann, Daten von der
Festplatte statt aus dem Arbeitsspeicher des Computers zu holen.
Um dies zu verstehen wollen wir kurz erläutern, wie eine Fest-
platte funktioniert. Eine Festplatte besteht aus rotierenden Schei-

53
Mathematik in Bewegung

ben, auf denen ein Schreib-/Lesekopf positioniert werden kann, um


gezielt bestimmte Bereiche zu lesen oder zu beschreiben. Da bei je-
der Kopfbewegung dessen mechanische Trägheit überwunden wer-
den muss, ergibt sich daraus der größte Nachteil einer Festplatte:
Die Zugriffszeit, die nötig ist, um den Kopf auf einem gewünschten
Bereich zu platzieren, liegt bei einigen Millisekunden (10−3 s). Diese
Zeitdauer mag uns sehr kurz erscheinen, ein einziger Flügelschlag
der Stubenfliege dauert so lange, ein menschlicher Wimpernschlag
benötigt ein Vielfaches davon. Für den Computer allerdings vergeht
eine kleine Ewigkeit, aktuelle Prozessoren sind in der Lage, in dieser
Zeit 5 Millionen Rechenoperationen durchzuführen.
Um dennoch große Datenmengen, die auf einer Festplatte ge-
speichert sind, hinreichend schnell verarbeiten zu können, nutzt
man nun die Idee, dass man die Daten nur einmal lesen darf und
zwar in der Reihenfolge, in der sie auf der Festplatte gespeichert
sind. So können mehrere unmittelbar hintereinander liegende Da-
tensätze ohne Kopfneuausrichtung der Festplatte gelesen werden,
da sie auf der rotierenden Scheibe der Festplatte nacheinander unter
dem Kopf hindurch fahren. Für den Algorithmus, der die Daten ver-
arbeitet, stellt sich dann natürlich das Problem, dass die Daten, die
er benötigt nicht in der Reihenfolge eintreffen, wie er sie vielleicht
bräuchte. Möchte ein Algorithmus, der auf den Verbindungsdaten
einer Telefongesellschaft arbeitet zum Beispiel alle Verbindungsda-
ten zu einer einzelnen Person wissen, so sind diese natürlich nicht
alle am Stück gespeichert sondern verteilen sich gemäß ihrer zeitli-
chen Reihenfolge über die gesamten Verbindungsdaten.
Ein Algorithmus, der die Eingabedaten ohne vorherige Kenntnis
der Reihenfolge in einem Durchgang verarbeitet, wird Datenstrom-
oder Streaming-Algorithmus genannt. Um Zwischenergebnisse und
auch Teile der Eingabedaten abzulegen, kann der schnelle Arbeits-
speicher des Computers genutzt werden. Wenn die gesamte Eingabe
nicht in den Arbeitsspeicher passt, muss der Streaming-Algorith-
mus entscheiden, welche Teile der Eingabe nicht zwischengespei-
chert werden müssen und bei welchen Teilen das nötig ist. Diese
Entscheidung für jede Information in der Eingabe schnell und vor

54
Zuschauer beim Berlin-Marathon

Abbildung 1. 5×5 km Staffel, Tiergarten Berlin 2006

allem ohne Kenntnis der später eintreffenden Eingabedaten zu fäl-


len, macht die Herausforderung für einen Streaming-Algorithmus
aus.
Es lässt sich sogar noch mehr mit einem Streaming-Algorith-
mus anfangen als ein schnelleres Verarbeiten von Daten auf der
Festplatte: Einen Streaming-Algorithmus, der auf Verbindungsda-
ten einer Telefongesellschaft arbeitet, kann man rund um die Uhr
laufen lassen. Statt nun die Verbindungsdaten eines Telefonge-
sprächs zu speichern, werden diese direkt dem Streaming-Algorith-
mus übergeben, der sie sofort verarbeitet. Man kann sich so das
Speichern aller Verbindungsdaten sparen.
Als ein einfaches Beispiel für einen Streaming-Algorithmus stel-
len wir uns die folgende Situation vor: Fred ist Zuschauer beim
Berlin-Marathon. Er steht bei Kilometer 10. Leider ist er etwas zu
spät gekommen, daher hat er die ersten beiden Läufer verpasst. Er
weiß zwar nicht, wie viele Läufer insgesamt beim Berlin-Marathon
teilnehmen, aber er weiß, dass alle Läufer durchgehend nummerier-
te Startnummern haben und bis Kilometer 10 niemand ausscheidet.
Indem er zählt, wie viele Läufer an ihm vorbeilaufen, kann er leicht
ermitteln, wie viele Läufer insgesamt teilgenommen haben. Mit
welcher zusätzlichen Strategie kann Fred herausbekommen, welche

55
Mathematik in Bewegung

Startnummern die beiden Läufer haben, die er verpasst hat, ohne


dass er sich alle Startnummern der vorbeikommenden Läufer mer-
ken muss?

Antwortmöglichkeiten

1. Das lässt sich nur beantworten, wenn im Voraus bekannt ist, wie
viele Läufer teilnehmen.
2. Fred multipliziert die Startnummern aller vorbeikommenden
Läufer miteinander.
3. Fred berechnet für einen vorbeikommenden Läufer mit Start-
nummer i die i-te Primzahl und summiert diese alle.
4. Fred summiert die Kubikzahlen der Startnummern der vorbei-
kommenden Läufer.
5. Fred berechnet die Summe der Startnummern der vorbeilaufen-
den Läufer und summiert zudem die Werte T (i ) für jede Start-
nummer i, die vorbeikommt. Dabei sei T (i ) die kleinste Prim-
zahl, die i teilt. (T (1) sei 1.)
6. Fred berechnet sowohl die Summe als auch die Summe der Qua-
drate der Startnummern der vorbeilaufenden Läufer.
7. Fred addiert die Werte k · S(k), wobei S(k) die Startnummer des
k-ten an ihm vorbeikommenden Läufers ist.
8. Fred summiert alle Startnummern der vorbeilaufenden Läufer
und sucht zusätzlich die größte und zweitgrößte Startnummer
heraus.
9. Für jede Startnummer i eines vorbeikommenden Läufers berech-
net Fred 2i , falls i gerade und 3i falls i ungerade ist und multipli-
ziert diese Zahlen miteinander.
10. Keine der hier angegebenen Strategien führt zum Erfolg.

56
Zuschauer beim Berlin-Marathon

Lösung

(Richtige Lösung: Antwort 6)

Zu je zwei verschiedenen fehlenden Startnummerpaaren ( a, b) und


(c, d) müssen unterschiedliche Werte ausgerechnet werden. An-
dernfalls kann nicht entschieden werden, ob das Läuferpaar ( a, b)
oder (c, d) schon durchgelaufen ist.
Diese Eigenschaft erfüllt nur Antwort 6. Bei Antwort 2 kann z. B.
nicht entschieden werden, ob Fred die Läufer mit den Nummern
(1, 6) oder (2, 3) verpasst hat (1 · 6 = 2 · 3). Analoges gilt für die
Starnummern (2, 6) und (3, 5) für Antwort 3 (3 + 13 = 5 + 11); (1, 12)
und (9,10) für Antwort 4 (13 + 123 = 93 + 103 ). Ähnliche Beispiele
lassen sich für die restlichen Antworten finden.
Im Gegensatz dazu lassen sich mit Antwort 6 die fehlenden
Startnummern wie folgt rekonstruieren. Zunächst seien s1 die Sum-
me der Startnummern und s2 die Summe der Quadrate der Start-
nummern. Außerdem wird die Anzahl der vorbeilaufenden Läufer
gezählt, und damit kennt man auch die Gesamtanzahl der Läufer
(nämlich |S| + 2). Damit können nun

|S|+2
k := ∑ ν − s1
ν =1

und
|S|+2
l := ∑ ν2 − s2
ν =1

berechnet werden. Um daraus die fehlenden Startnummern (i, j) zu


rekonstruieren, muss man also das Gleichungssystem

i+j = k (1)
2 2
i +j =l (2)

lösen. Gleichung (2) lässt sich als i2 + (k − i )2 = l schreiben und

57
Mathematik in Bewegung

diese quadratische Gleichung in i hat die Lösungen



k 2l − k2
i= ± . (3)
2 2
Eingesetzt in (1) ergibt sich dann

k 2l − k2
j= ∓ .
2 2
Das Gleichungssystem ist also bis auf Symmetrie in i und j eindeu-
tig lösbar und die fehlenden Startnummern (i, j) sind damit
√ √
k 2l − k2 k 2l − k2
+ , −
2 2 2 2

bzw. aus Symmetriegründen


√ √
k 2l − k2 k 2l − k2
− , + .
2 2 2 2

58
Die gelben Engel von Noehtam
Jörg Rambau

Pech gehabt: Eine Panne auf der Autobahn! Zum Glück gibt es den
ADAC. Etwa 30 Minuten nach dem Anruf aus der Notrufsäule steht
ein Hilfefahrzeug beim Autofahrer mit der Panne – wir nennen ihn
hier Havaristen. Damit das funktioniert, muss zwischen dem An-
ruf in einer ADAC-Hilfezentrale und der Ankunft eines gelben Engels
eine Menge organisiert werden.
Zum Beispiel: Welches von etwa 80 gerade verfügbaren Fahrzeu-
gen soll den Auftrag – einen von etwa 200 – erledigen? In welcher
Reihenfolge soll ein Hilfefahrzeug die ihm zugewiesenen Aufträ-
ge abarbeiten? Und wie kann man Vertragspartner kostenschonend
einsetzen? Wie soll man damit umgehen, dass man zukünftige Auf-
träge nicht vorhersehen kann? Der ADAC hat mit Hilfe des Zuse-
Instituts Berlin (ZIB) den vormals manuell geplanten Vorgang auto-
matisiert. Dazu musste jede der genannten Fragen beantwortet wer-
den. Das auf mathematischen Methoden beruhende Dispositions-
Assistenten-System HEIDI ist mittlerweile in allen fünf Hilfezen-
tralen des ADAC im Einsatz. Doch was heißt in diesem Zusammen-
hang mathematische Methoden?
Formulieren wir die Aufgabenstellung zunächst einmal mathe-
matisch: Das ADAC-Problem sei folgendes Problem: Weise jedem
Auftrag ein Hilfefahrzeug und jedem Hilfefahrzeug eine Tour zu, so
dass eine aus Fahrt- und Arbeitskosten sowie Wartezeiten der Auf-
träge kombinierte Größe, die Zielfunktion, einen möglichst kleinen
Wert annimmt.
Im ADAC-Problem besteht die Schwierigkeit darin, dass in der
Regel die Anzahl der Hilfefahrzeuge nicht gleich der Anzahl der
Havaristen ist. Daher muss man im Allgemeinen für jedes Hilfe-
fahrzeug eine möglichst günstige Tour durch alle ihm zugeordne-
ten Aufträge finden. Von solchen Touren gibt es bei 200 Aufträgen

59
Mathematik in Bewegung

bereits mehr als Atome im Universum, und Kombinationen solcher


Touren (für jedes der 80 Hilfefahrzeuge eine) gibt es noch viel mehr!
Die besten Touren durch Ausprobieren zu finden, würde auch auf
dem schnellsten Computer Jahrhunderte dauern.
Damit ist dies ein Problem an vorderster Front aktueller For-
schung.
Die Rettung sind in einem solchen Fall mathematische Metho-
den, um untere und obere Schranken für den Optimalwert abzuschät-
zen. Eine obere Schranke erhält man in der Regel durch Konstruktion
einer gültigen Lösung – einer Zuordnung von Touren zu Hilfefahr-
zeugen, so dass jeder Auftrag auf genau einer Tour liegt.
Der Optimalwert kann nicht größer sein als die Kosten einer gül-
tigen Lösung, denn diese nimmt ja am Wettbewerb aller gültigen
Lösungen um die kleinsten Kosten teil. Eine untere Schranke ermit-
telt man für das ADAC-Problem mit sehr anspruchsvollen mathe-
matischen Methoden.
Das zugrundeliegende Prinzip ist aber recht einfach: Beschränkt
man sich bei der Suche nach einer möglichst guten Lösung nicht
auf gültige Lösungen sondern lässt auch fast gültige Lösungen zu,
so erhält man ein anderes Optimierungsproblem (eine sogenannte
Relaxierung), dessen Optimalwert man vielleicht finden kann. Die-
ser Wert kann höchstens kleiner sein als der Optimalwert des Origi-
nalproblems, da nun zusätzliche Lösungen – aber immer auch noch
alle gültigen Lösungen – am Wettbewerb um die minimalen Kos-
ten teilnehmen. Häufig gilt: Je (mathematisch) anspruchsvoller die
Relaxierung, um so besser (also umso größer) die untere Schranke.
Der für das ADAC-Problem in diesem Sinne vom ZIB-Team ent-
wickelte Algorithmus ist in der Lage, die in der Realität auftreten-
den Problembeispiele des ADAC-Problems mit etwa 200 Havaristen
und etwa 100 Hilfefahrzeugen in Sekundenschnelle beweisbar bis
auf etwa 1% optimal zu lösen. Die Argumentationsweise mit un-
teren und oberen Schranken für Optimallösungen eines Optimie-
rungsproblems ist grundlegend für den Erfolg im ADAC-Projekt.
Darum soll diese Art des mathematischen Denkens in der folgen-
den Aufgabe einmal nachvollzogen werden.

60
Die gelben Engel von Noehtam

Natürlich wollen wir nicht das richtige ADAC-Problem betrach-


ten, eine Tourenoptimierung wäre zu kompliziert. Stattdessen ver-
einfachen wir die Situation in zwei Punkten. Erstens: Es gibt ge-
nauso viele Hilfefahrzeuge wie Aufträge, und jeder Auftrag soll so-
gleich ein Hilfefahrzeug erhalten; damit müssen wir nur noch je-
dem Auftrag genau ein Hilfefahrzeug zuordnen. Zweitens: Unser
Ziel besteht darin, die Summe aller Wartezeiten zu minimieren. Die
Logik, wie man obere und (schwieriger) untere Schranken gewinnt,
ohne alle Lösungsmöglichkeiten anzuschauen, ist im Kern dieselbe
wie für das ADAC-Problem.

Der Automobilclub ACN des kleinen, vielerorts noch unbekannten


Staates Noehtam unterhält eine Hilfezentrale, in der Havaristen an-
rufen können. In der Hilfezentrale ordnet der amtliche Dispatcher
Nitram Leschtörg jedem Havaristen ein Hilfefahrzeug zu, das ihm
zur Weiterfahrt verhelfen soll. In der Regel sind genug Hilfefahr-
zeuge für die gemeldeten Havaristen vorhanden. (Hierdurch unter-
scheidet sich die Situation in Noehtam deutlich von der in Deutsch-
land, wo der Allgemeine Deutsche Automobilclub ADAC einen ähn-
lichen Dienst anbietet.)
Noetham ist ein sehr gemeinwohlorientierter Staat, und somit
soll die Zuordnung von Hilfefahrzeugen zu Havaristen zu jedem
Planungszeitpunkt so erfolgen, dass die Summe der Wartezeiten
der Havaristen möglichst klein ist. Dies kann durchaus bedeuten,
dass ein einzelner Havarist etwas länger warten muss, wenn da-
durch schnellere Hilfe für andere Havaristen ermöglicht wird.
Dazu muss man sagen, dass in Noehtam so wenig Verkehr ist,
dass man Fahrzeiten genau vorhersagen kann. (Ein weiterer Unter-
schied zur Situation in Deutschland.)
Nehmen wir z. B. an, dass zu einem Zeitpunkt zwei Havaristen A
und B gemeldet und zwei Hilfefahrzeuge 1 und 2 im Dienst sind. Die
Fahrzeiten (in Minuten) seien bekannt gemäß der folgenden Tabelle:

61
Mathematik in Bewegung

Hilfefahrzeug Havarist
A B
1 10 20
2 5 10

Die Aufgabe besteht darin, für die Zuordnungs-Aufgabe eine soge-


nannte gültige Lösung anzugeben, die möglichst kleine Kosten pro-
duziert. Eine Lösung ist dabei eine Zuordnung von Hilfefahrzeugen
auf Havaristen. Gültig ist eine Lösung, die jedem Havaristen genau
ein Hilfefahrzeug und jedem Hilfefahrzeug genau einen Havaris-
ten zuordnet. Die Kosten einer Lösung sind gegeben durch die Ge-
samtwartezeit aller Havaristen. Eine gültige Lösung heißt optimal,
wenn keine andere gültige Lösung kleinere Kosten produziert. Der
Optimalwert der Aufgabe sind die Kosten einer optimalen gültigen
Lösung.
Somit würde in Noehtam in dieser Situation Hilfefahrzeug 1 zu
Havarist A und Hilfefahrzeug 2 zu Havarist B geschickt, da dies
eine gültige Lösung ist und Kosten von 20 Minuten bedeutet. Dem-
gegenüber stehen nämlich größere Kosten von 25 Minuten für die
andere mögliche gültige Lösung. Bei zwei Havaristen und zwei Hil-
fefahrzeugen gibt es also nur zwei gültige Lösungen. Es gibt noch
eine Zuordnung, die beiden Havaristen A und B Hilfefahrzeug 2 zu-
ordnet. Diese produziert nur Kosten von 15 Minuten, ist aber nicht
gültig und kann daher nicht umgesetzt werden. Trotzdem sind sol-
che ungültigen Lösungen durchaus interessant, wie wir noch sehen
werden.
Bei zwei Havaristen und zwei Hilfefahrzeugen ist die Aufgabe
also leicht zu lösen: Nitram Leschtörg nimmt bei zwei Havaristen
und zwei Hilfefahrzeugen einfach immer die kostengünstigere der
beiden gültigen Lösungen.
In der Regel schafft Leschtörg seine Arbeit recht gut, so dass im
Schnitt die Havaristen etwa 12 Minuten warten müssen.
An einem kalten Wintertag findet sich nun Nitram Leschtörg
in der folgenden Situation wieder: sechs Havaristen sind gemel-

62
Die gelben Engel von Noehtam

det und sechs Hilfefahrzeuge sind im Einsatz. Mehr als sonst. Wie-
der muss zu jedem Havaristen ein Hilfefahrzeug, und jedes Hilfe-
fahrzeug kann natürlich höchstens einem Havaristen gleichzeitig
helfen. Die Fahrzeiten (in Minuten) entnimmt er seinem Routing-
Programm. Sie lauten:

Hilfefahrzeug Havarist
A B C D E F
1 10 13 20 25 30 25
2 8 10 9 20 25 30
3 10 12 10 12 20 25
4 8 20 9 10 9 20
5 10 25 20 12 10 12
6 8 30 25 20 9 10

Er bemerkt, dass es nun ziemlich viele Möglichkeiten gibt. Seine


Idee ist nun, sich die Havaristen A, B, . . . , F nacheinander vorzu-
nehmen und ihnen immer das beste, jeweils noch verfügbare Hilfe-
fahrzeug zuzuordnen. Er erhält:

Havarist Zugeordnetes Hilfefahrzeug


A 2
B 3
C 4
D 5
E 6
F 1

Die Gesamtwartezeit für diese Lösung beträgt in Minuten

8 + 12 + 9 + 12 + 9 + 25 = 75.

Er will gerade die Zuordnung an die Hilfefahrzeuge weitergeben, da


schaut sein Chef herein. „Leschtörg“, ruft er. „Das kann doch nicht
gut sein. Havarist F muss 25 Minuten warten. Da wird Ihnen doch

63
Mathematik in Bewegung

etwas Besseres einfallen! Ich will nichts sehen, dass mehr als 10 %
über der optimalen Gesamtwartezeit liegt! Sie haben zehn Minuten!
Sie wissen ja, wir müssen hier in Echtzeit handeln!“ Leschtörg ist
in Erklärungsnot. Er weiß nicht recht, wie er herausfinden soll, ob
es eine wesentlich bessere Lösung gibt. Hat er vielleicht die 10 %
schon erreicht? Er weiß, er muss unbedingt die Wahrheit sagen,
denn sein Chef hat einen Logik-Berater, der inkonsistente Aussagen
der Mitarbeiter sofort aufdecken kann.
Da fällt ihm sein Bekannter und Mathematiker Nevs Ekmurk
ein, der solche Fragen immer pfiffig beantworten konnte. Er ruft
ihn an, schildert den Fall und fragt um Rat. „Nevs, soll ich nochmal
nach einer besseren Lösung suchen? Aber komm mir als alter Ge-
nauigkeitsfanatiker nicht damit, dass ich noch eine Minute sparen
kann! Was kann ich noch Substantielles herausholen? Bei welcher
Gesamtwartezeit bin ich auf jeden Fall höchstens 10 % über dem
Optimalwert? Ich will nämlich möglichst schnell die Fahrzeuge los-
schicken.“
Was antwortet Ekmurk? Es ist eine der folgenden Argumentatio-
nen. Beachte: Ekmurk sagt nichts Unkorrektes, und nur eine der fol-
genden Aussagen ist komplett korrekt; alle anderen Aussagen ent-
halten wenigstens ein unkorrektes Argument.

Antwortmöglichkeiten

1. „Dein Verfahren findet auf jeden Fall immer eine optimale Lö-
sung, da Du ja für jeden Havaristen in jedem Schritt das Best-
mögliche tust. Du kannst dem Chef sagen, es gibt keine bessere
Zuordnung.“
2. „Es gibt eine bessere gültige Lösung mit Kosten von unter 70
Minuten. Aber möglicherweise kann man die auch noch auf 50
Minuten reduzieren. Du musst also weitersuchen, bis Du etwas
unter 55 Minuten hast.“
3. „Es kann keine gültige Zuordnung mit Kosten kleiner als 58 Mi-
nuten geben. Daher kannst Du aufhören, sobald Du eine gültige

64
Die gelben Engel von Noehtam

Lösung mit Kosten 63 Minuten gefunden hast. Diese Lösung ver-


wendest Du dann, denn sie hat höchstens 10 % höhere Kosten als
eine optimale Lösung.“
4. „Es gibt sicher keine gültige Lösung mit wesentlich kleineren
Kosten als 72 Minuten, da ja nach Erfahrung die Havaristen im
Schnitt 12 Minuten warten müssen. Du bist also dicke höchs-
tens 10 % vom Optimalwert entfernt. Nimm Deine momentane
Lösung!“
5. „Es kann keine gültige Lösung mit Kosten kleiner als 54 Minuten
geben, denn das wäre die Summe der Wartezeiten, wenn man für
jedes Hilfefahrzeug den bestgelegenen Havaristen nähme. Wenn
Du eine Lösung mit einer Gesamtwartezeit von 60 Minuten fin-
dest, kannst Du diese schon aus diesem Grunde nehmen, da 10 %
von 60 Minuten gerade 6 Minuten sind und somit 60 Minuten
höchstens 10 % über 54 Minuten liegen.“
6. „Es kann keine gültige Lösung mit Kosten kleiner als 56 geben,
denn das wäre die Summe der Wartezeiten, wenn man für jeden
Havaristen das bestgelegene Hilfefahrzeug nähme. Du musst un-
bedingt weitersuchen, bis Du eine Lösung mit 61 Minuten fin-
dest, sonst hast Du in jedem Fall mehr als 10 % höhere Kosten als
der Optimalwert!“
7. „Es gibt sicher eine gültige Lösung, in der jedes Hilfefahrzeug
höchstens die aufgerundete durchschnittliche Fahrzeit zu allen
Havaristen braucht. Das ergibt eine Gesamtwartezeit von 22 +
17 + 15 + 13 + 15 + 17 = 99 Minuten. Da bist Du mit Deiner
Lösung schon soviel besser, dass Du sicher höchstens 10 % vom
Optimalwert entfernt bist. Du kannst Deine Lösung nehmen.“
8. „Die Lösung, in der jeder Havarist höchstens die aufgerundete
durchschnittliche Fahrzeit aller Hilfefahrzeuge zu ihm warten
muss, ist optimal. Sie hat Kosten von 9 + 19 + 16 + 17 + 18 +
22 = 101 Minuten. Deine Lösung kann nicht gültig sein.“
9. „Es gibt eine Zuordnung mit Kosten von 57 Minuten. Suche, bis
Du die findest!“
10. Von allen 36 möglichen gültigen Lösungen verursacht keine Kos-
ten kleiner als 60 Minuten. Aus diesem Grund muss zwingend 60

65
Mathematik in Bewegung

Minuten der Optimalwert sein. Ich habe mir dummerweise die


zugehörige Zuordnung nicht gemerkt. Du musst daher suchen,
bis Du eine Lösung mit Kosten höchstens 66 Minuten gefunden
hast.“

66
Die gelben Engel von Noehtam

Lösung

(Richtige Lösung: Antwort 3)

Antwort 3. ist die einzige vollständig korrekte Argumentation von


den zehn gegebenen.
Man kann sich eine realisierbare, aber eben nicht unbedingt op-
timale, Zuordnung von Hilfefahrzeugen zu Havaristen in der Fahr-
zeittabelle so vorstellen: Man kreist sechs Zahlen in der Tabelle ein,
so dass sowohl in jeder Spalte als auch in jeder Zeile genau eine Zahl
eingekreist ist. In jeder Spalte, die ja zu einem Havaristen gehört,
gibt die Zeile der eingekreisten Zahl an, welches Hilfefahrzeug zu
diesem Havaristen fahren soll. In jeder Zeile, die ja zu einem Hilfe-
fahrzeug gehört, gibt die Spalte der eingekreisten Zahl an, zu wel-
chem Havaristen dieses Hilfefahrzeug fahren soll.
Kreist man die Zahlen auf der Hauptdiagonale der Tabelle ein,
welche der Zuordnung 1 → A, 2 → B, . . . , 6 → F entsprechen, so
erhält man eine Lösung mit einer Gesamtwartezeit von 60 Minuten,
die also bereits um einiges besser ist als die Lösung von Leschtörg
mit 75 Minuten.
Wir gehen der Reihe nach durch die Aussagen und begründen,
warum alle Antworten außer Antwort 3. einen Denkfehler enthalten.
Da alle Zuordnungen ganzzahlige Gesamtwartezeiten haben (in Mi-
nuten), kann man sich in der Argumentation auf ganzzahlige War-
tezeiten beschränken.

1. Diese Antwort ist falsch. Das angegebene Verfahren – man spricht


von dem so genannten Greedy-Algorithmus (von engl. greedy: gierig)
– liefert nicht immer eine optimale Lösung. Ein Beispiel ist genau
diese Aufgabe, da es ja eine Lösung mit Kosten 60 gibt. Diese Ant-
wort würde der Berater des Chefs also sofort als unwahr aufdecken.

2. Diese Antwort ist falsch. Es gibt zwar eine Zuordnung mit Kos-
ten unter 70 Minuten. Dass man jedoch eine Lösung von 50 Minuten
finden kann, ist nur eine Vermutung, die obendrein noch falsch ist.

67
Mathematik in Bewegung

Da Antwort 3. korrekt ist (s. u.) und man dementsprechend keine


Lösung unter 58 Minuten finden kann, kann man erst recht kei-
ne Lösung unter 55 Minuten finden. Dieser Tipp würde also bei
Leschtörg nur zur Verzweiflung führen.

3. Diese Antwort ist richtig. Zunächst kann es, wie in Antwort 5.


(s. u.) begründet, keine gültige Lösung mit Kosten von weniger als
54 Minuten geben. Ferner kann es sogar, wie in Antwort 6. (s. u.)
begründet, keine gültige Lösung mit Kosten von weniger als 56 Mi-
nuten geben.
Aber wir können noch weiter argumentieren. Um die 56-Minuten-
Untere-Schranke zu erhalten, haben wir die Minima einer jeden Spal-
te der Fahrzeittabelle aufsummiert. Das entspricht der Zuordnung
eines bestgelegenen Hilfefahrzeug zu jedem Havaristen, wobei zu-
nächst absichtlich außer Acht gelassen wird, dass jedes Hilfefahr-
zeug nur zu einem Havaristen fahren kann. Wir haben also absicht-
lich auch ungültige Lösungen mit in Betracht gezogen, um etwas
über gültige Lösungen zu erfahren.
Schauen wir in Spalte A und versuchen wir eine Zuordnung mit
Wartezeit 8 (dem Minimum entsprechend) vorzunehmen. Ange-
nommen, wir schicken Hilfefahrzeug 2 zu Havarist A. Dann kann
aber das Minimum 10 in Spalte B in einer realisierbaren Zuordnung
nicht mehr erreicht werden, da wir dann zu Havarist B ebenfalls
Fahrzeug 2 schicken müssten. Schicken wir Fahrzeug 4 zu Hava-
rist A, so gibt es das analoge Problem in Spalte D. Ähnlich kann
auch bei Zuordnung von Fahrzeug 6 zu Havarist A wegen des Kon-
flikts mit Spalte F nicht jede minimale Fahrzeit wirklich realisiert
werden. Also muss man in wenigstens einer der beteiligten Spalten,
also für wenigstens einen der Havaristen A, B, D oder F wenigstens
die zweitgrößte Fahrzeit akzeptieren, die um 2 Minuten höher liegt.
Daher gibt es auch keine gültige Lösung mit Kosten von weniger als
58 Minuten.
Innerhalb von 10 % über 58 Minuten ist so gerade 63 < 58 + 5.8 Mi-
nuten Gesamtwartezeit. Also hat man mit einer gültigen Lösung
von 63 Minuten Gesamtwartezeit die Vorgaben des Chefs erfüllt.

68
Die gelben Engel von Noehtam

Insbesondere liegt natürlich auch die oben angegebene Lösung von


60 Minuten Gesamtwartezeit weniger als 10 % über dem Optimal-
wert.

4. Diese Antwort ist falsch. Selbst wenn alle Havaristen nach Erfah-
rung mindestens 12 Minuten lang warten müssen, heißt das noch
lange nicht, dass sie das in dieser Situation auch müssen. Das sieht
man daran, dass es eine gültige Lösung mit 60 Minuten Gesamtwar-
tezeit gibt.

5. Diese Antwort ist als Ganzes betrachtet falsch, obwohl die re-
sultierende Empfehlung okay ist. Zwar stimmt die Argumentation,
dass keine Zuordnung weniger als 54 Minuten Gesamtwartezeit pro-
duzieren kann. Aber 60 Minuten liegt echt mehr als 10 % über 54
6 1
(nämlich 54 > 10 ), obwohl 54 genau 10 % unter 60 liegt. Tatsäch-
lich ist natürlich eine gültige Lösung von 60 Minuten ausreichend,
wie die Korrektheit von Antwort 3. zeigt.
Diese Antwort ist ein Beispiel dafür, wie ein Endresultat richtig, die
Argumentation dazu aber falsch sein kann. Wenn man solch eine
Argumentation regelmäßig anwendet, könnte in einem anderen Fall
auch mal eine falsche Empfehlung herauskommen.

6. Diese Antwort ist falsch. Zwar stimmt die Argumentation, dass


keine Zuordnung weniger als 56 Minuten Gesamtwartezeit produ-
zieren kann. Das heißt aber nicht, dass es auch eine solche Zuord-
nung gibt. Also muss man nicht unbedingt weitersuchen, bis man
eine Zuordnung innerhalb von 10 % von 56 Minuten hat (das sind
61 Minuten). Man könnte auch mit einer schlechteren gültigen Lö-
sung schon innerhalb von 10 % Abstand vom Optimalwert sein.
Hier ist es in der Tat so: Wegen der Korrektheit von 3. reicht es ja,
eine gültige Lösung zu finden, die 63 Minuten Gesamtwartezeit pro-
duziert, um sicher innerhalb von 10 % vom Optimalwert zu landen.
Der Antwort 3. könnte man übrigens auch nicht hinzufügen, dass
man unbedingt so lange suchen muss, bis man eine Lösung mit
63 Minuten Wartezeit gefunden hat: Kann man nämlich z. B. bewei-
sen, dass keine Zuordnung weniger als 60 Minuten Gesamtwartezeit

69
Mathematik in Bewegung

produziert (und mit fortgeschrittenen mathematischen Methoden


kann man das), so ist auch eine Lösung mit Kosten von 66 Minuten
schon beweisbar höchstens 10 % vom Optimalwert entfernt.

7. Die Antwort ist falsch. Der Durchschnitt der Fahrzeiten hat mit
dem Optimalwert nichts zu tun. Dass Leschtörgs Lösung nicht opti-
mal ist, wissen wir ja schon durch die Lösung mit Gesamtwartezeit
60 Minuten.

8. Die Antwort ist falsch. Leschtörgs Lösung ist offensichtlich ei-


ne gültige Lösung. Also kann die optimale Gesamtwartezeit nicht
größer sein als deren Gesamtwartezeit von 75 Minuten.

9. Die Antwort ist falsch. Es gibt keine solche gültige Lösung, wie
die Korrektheit von Antwort 3. zeigt.

10. Die Antwort ist als Ganzes betrachtet falsch, obwohl die resul-
tierende Empfehlung für sich betrachtet sogar die beste ist. Zwar
ist 60 Minuten wirklich die optimale Gesamtwartezeit, es gibt aber
weit mehr als 36 Zuordnungen, die man prüfen muss. Nur durch
Probieren von 36 Möglichkeiten (ohne weitere Argumente) kann
man die Optimalität von 60 nicht begründen. Zur Information:
Durch Probieren kann man natürlich die Optimalität von 60 nach-
weisen. Man muss dazu aber 6! = 720 Möglichkeiten prüfen.
Wie Antwort 5, ist diese Antwort ein weiteres Beispiel dafür, wie ein
Endresultat richtig, die Argumentation dazu aber falsch sein kann.

Der Typ Logik, der in der ADAC-Aufgabe benötigt wird, ist oft ge-
nauso entscheidend für den Erfolg mathematischer Verfahren wie
Formelkenntnis und Rechentechnik.
Man sieht: In der angewandten Mathematik geht es oft gerade
nicht darum, wie man eine Lösung auf möglichst viele Stellen hin-
ter dem Komma ausrechnet, sondern häufig auch darum, wie man
mit Argumenten das Ergebnis umzingeln kann, so dass man weiß,
wann man nicht mehr weiterrechnen muss.

70
Die gelben Engel von Noehtam

Man sieht ferner: Die (Nicht-)Existenzaussagen der Mathemati-


ker („Es gibt eine/keine Lösung, die besser als x ist.“) – manchmal
Gegenstand von vergnüglichen Mathematiker-Witzen – sind sehr
wohl in der Praxis interessant. Denn wenn es z. B. keine Lösung
gibt, die wesentlich besser ist als die bereits gefundene, hat man
eine mathematisch bewiesene Qualitätsgarantie. Der ADAC hat z. B.
solche Qualitätsgarantien in seiner Projekt-Ausschreibung explizit
verlangt, und nur die Mathematiker konnten so etwas liefern!

Ein mathematisches Modell für das lineare Zuordnungsproblem

Man kann die Entscheidungen über Zuordnungen von i ∈ {1, 2,


. . . , 6} zu j ∈ { A, B, . . . , F } auffassen als Variablen xij , deren Werte
nur Null oder Eins sein können. Dabei bedeutet zum Beispiel x2D =
1, dass die Zuordnung 2 → D vorgenommen wird.
So kann man jede gültige Lösung als Variablenbelegung auffas-
sen. Umgekehrt ist aber nicht jede Variablenbelegung eine gültige
Lösung.
Da jeder Havarist genau ein Hilfefahrzeug und jedes Hilfefahr-
zeug genau einen Havaristen zugeordnet bekommt, muss gelten:

x1A + x2A + x3A + x4A + x5A + x6A = 1


x1B + x2B + x3B + x4B + x5B + x6B = 1
x1C + x2C + x3C + x4C + x5C + x6C = 1
x1D + x2D + x3D + x4D + x5D + x6D = 1
x1E + x2E + x3E + x4E + x5E + x6E = 1
x1F + x2F + x3F + x4F + x5F + x6F = 1,

sowie

x1A + x1B + x1C + x1D + x1E + x1F = 1


x2A + x2B + x2C + x2D + x2E + x2F = 1

71
Mathematik in Bewegung

x3A + x3B + x3C + x3D + x3E + x3F = 1


x4A + x4B + x4C + x4D + x4E + x4F = 1
x5A + x5B + x5C + x5D + x5E + x5F = 1
x6A + x6B + x6C + x6D + x6E + x6F = 1.

Alle Variablenbelegungen mit Nullen und Einsen, die diese Glei-


chungen erfüllen, entsprechen einer gültigen Lösung.
Sind nun cij die Fahrzeiten, so berechnet sich die Gesamtwarte-
zeit einer durch eine Variablenbelegung xij∗ gegebenen Zuordnung
durch

c1A x1A + c2A x2A + c3A x3A + c4A x4A + c5A x5A + c6A x6A
c1B x1B + c2B x2B + c3B x3B + c4B x4B + c5B x5B + c6B x6B
c1C x1C + c2C x2C + c3C x3C + c4C x4C + c5C x5C + c6C x6C
c1D x1D + c2D x2D + c3D x3D + c4D x4D + c5D x5D + c6D x6D
c1E x1E + c2E x2E + c3E x3E + c4E x4E + c5E x5E + c6E x6E
c1F x1F + c2F x2F + c3F x3F + c4F x4F + c5F x5F + c6F x6F .

Veranschaulichen kann man sich diese Aufgabe an einem soge-


nannten Graphen. Dieser besteht aus je einem roten Knoten für je-
den Havaristen und je einem blauen Knoten für jedes Hilfefahrzeug.
Jeder rote Knoten ist mit jedem blauen Knoten durch eine Kante ver-
bunden, an die wir die entsprechende Fahrzeit schreiben (das Ge-
wicht der Kante). Gesucht ist eine Menge von paarweise disjunkten
(sich niemals in gemeinsamen Knoten treffenden) Kanten mit mi-
nimalem Gesamtgewicht. So etwas heißt in der Graphentheorie ein
Matching. Und da hier keine Kante zwischen gleichfarbigen Knoten
verläuft, ist es sogar ein spezielles Matching, und zwar ein soge-
nanntes bipartites Matching (siehe Abbildung 1).
Das Optimierungsproblem läßt sich nun wie folgt etwas kom-
pakter formulieren:

min ∑ cij xij


i ∈{1,...,6},j∈{ A,...,F }

72
Die gelben Engel von Noehtam

A 1 A 1

B 2 B 2

C 3 C 3

D 4 D 4

E 5 E 5

F 6 F 6

Abbildung 1. Der bipartite Graph zur Aufgabe und eine gültige Lösung

unter der Bedingung, dass

∑ xij = 1 für alle j ∈ { A, . . . , F },


i ∈{1,...,6}

∑ xij = 1 für alle i ∈ {1, . . . , 6},


j∈{ A,...,F }

xij ∈ {0, 1}.

So ein mathematisches Modell heißt binäres lineares Programm (BLP).


Obwohl BLPs im Allgemeinen schwer zu lösen sind, ist dieses spezi-
elle Problem, das so genannte lineare Zuordnungs-Problem, leicht
zu lösen. Für die Beispielaufgabe braucht ein handelsübliches Com-
puterprogramm zur Lösung nur Sekundenbruchteile. Selbst für
1000 Havaristen und 1000 Fahrzeuge kann man das lineare Zuord-
nungsproblem leicht lösen.

73
Mathematik in Bewegung

Eine Zimpl-Eingabedatei für das lineare Zuordnungsproblem

Das obige mathematische Modell kann man einem Computerpro-


gramm zur Lösung übergeben. Dazu muss es aber in ein geeignetes
Format gebracht werden.
Die folgenden Eingabedaten verarbeitet das Modellierungswerk-
zeug Zimpl zu einer Eingabedatei für einen sogenannten LP-Löser.
LP-Löser gibt es viele. Ein Beispiel für einen frei erhältlichen Löser
ist Soplex. Dieser LP-Löser liefert dann eine optimale Lösung des
Zuordnungsproblems.

param k := 6;

set S := { 1 to k };

param c[S*S] := | 1, 2, 3, 4, 5, 6|
| 1 |10, 13, 20, 25, 30, 25|
| 2 | 8, 10, 9, 20, 25, 30|
| 3 |10, 12, 10, 12, 20, 25|
| 4 | 8, 20, 9, 10, 9, 20|
| 5 |10, 25, 20, 12, 10, 12|
| 6 | 8, 30, 25, 20, 9, 10|;

var x[S*S] binary;

minimize cost: sum <i,j> in S*S: c[i,j] * x[i,j];

subto i_assignment: forall <i> in S: sum <j> in S: x[i,j] == 1;


subto j_assignment: forall <j> in S: sum <i> in S: x[i,j] == 1;

http://www.zib.de/Optimization/Projects/Online/ADAC-Dispatch
http://www.zib.de/koch/zimpl
http://www.zib.de/Optimization/Software/Soplex

74
Mathematik komplett technologisch
Wie viel Kapazität hat ein
Mobilfunknetz?
Andreas Eisenblätter und Hans-Florian Geerdes

Wer hat das noch nicht erlebt? Der Akku ist aufgeladen und reich-
lich Guthaben vorhanden, doch das Telefonieren mit dem Handy
klappt trotzdem nicht. Meist liegt das daran, dass man sich in ei-
nem Funkloch befindet. Aber manchmal ist auch das Netz überlas-
tet. Anders gesagt: das Funknetz des Mobilfunkanbieters, das viele
Antennen auf Hausdächern oder Masten umfasst, bietet entweder
nicht genügend Abdeckung oder nicht genügend Kapazität. Genau
das will der Anbieter natürlich vermeiden. Mathematik hilft, diese
Herausforderungen mit einer guten Planung des Mobilfunknetzes
zu bewältigen.
Damit ein Anbieter ausreichend Kapazität bereitstellen kann,
muss er wissen, wie viele Nutzer in einer sogenannten Zelle (das
heißt: von einer Antenne) bedient werden können. Die Kapazität ei-
ner GSM-Zelle (GSM ist das alte System) ist ein fester Wert. Das
gilt für UMTS nicht mehr. (UMTS ist die englische Abkürzung für
Universal Mobile Telecommunications System.) Zwar ist die maximale
Sendeleistung einer Zelle konstant, aber der Anteil, der davon not-
wendig ist, um einen Nutzer zu bedienen, wird wesentlich von zwei
Dingen bestimmt. Das ist zum einen die Entfernung zwischen Nut-
zer und Sendeantenne. Zum anderen ist es die Stärke der Signale für
andere Verbindungen, die vom Handy des Nutzers als Störsignale
wahrgenommen werden. Die Sendeleistung wird daher je nach der
Stärke der Störsignale dynamisch für jeden Nutzer individuell ein-
gestellt. Welche (mittleren) Sendeleistungen sich letztendlich ein-
stellen und wie viele Nutzer bedient werden können, wird in der
Praxis durch das Lösen von mehreren großen Gleichungssystemen
berechnet.

77
Mathematik komplett technologisch

In dieser Aufgabe soll für ein Beispielnetz analysiert werden,


wie die dynamischen Prozesse ablaufen und wie viele Nutzer in die
Zellen passen. Solche Analysen helfen Mobilfunkunternehmen, ih-
re Netzkapazität dem Bedarf genau anzupassen. (Denn auch zu viel
vorgehaltene Kapazität ist schlecht, weil es sehr teuer ist, die Anten-
nen aufzustellen und zu betreiben.) In der Praxis schaut man meist
mehrere hundert Zellen auf einmal an. Wir betrachten ein Netz
mit nur zwei Zellen. Auch beschränken wir uns auf die Datenüber-
tragung von der Antenne zum Handy, den sogenannten downlink.
Die umgekehrte Richtung, der uplink, ist natürlich auch wichtig
und muß in der Praxis gleichfalls berücksichtigt werden.
Jede der beiden Zellen hat eine maximale Funkleistung von 10 W.
Damit die Handys das Netz überhaupt „sehen“ können, muss 1 W
von dieser Leistung auf eine Art Leuchtfeuersignal, das so genann-
te Pilot-Signal, verwendet werden. Die restlichen 9 W stehen in je-
der Zelle für die Funkverbindungen zu den einzelnen Nutzern zur
Verfügung.
Bei UMTS stören sich, wie bereits erwähnt, die Verbindungen
innerhalb der einzelnen Zellen und auch die Zellen gegenseitig.
Damit die Funkverbindung zu einem Handy aufrechterhalten wer-
den kann, muss das Signal-zu-Störsignal-Verhältnis (SSV) des Han-
dys mindestens zwei Prozent betragen. Das Signal-zu-Störsignal-
Verhältnis berechnet sich als das Verhältnis der Stärke des Signals,
das für das Handy bestimmt ist, zu der Summe aller anderen emp-
fangenen Signale.
Wenn also nur eine Zelle betrieben würde, in der ein einzel-
ner Nutzer telefoniert, und hierfür 0,5 W Sendeleistung aufgebracht
würden, dann stört nur das Pilot-Signal diese Verbindung und das
Signal-zu-Störsignal-Verhältnis wäre

Handysignal 0,5 W
SSV = = = 50 %.
Pilot 1W

Das SSV wäre also größer als 2 %, und das Handy wäre versorgt.
Wenn aber für die Verbindung nur 0,01 W genutzt würde, dann

78
Wie viel Kapazität hat ein Mobilfunknetz?

könnte das Handy nicht bedient werden, denn es gilt:


0, 01 W
SSV = = 1%
1W
Diese beiden Rechnungen machen sich zunutze, dass das gewünsch-
te Signal und das störende Pilot-Signal von derselben Zelle abge-
strahlt werden und sich auf dem Weg zum Handy in gleicher Weise
abschwächen. Hier wurde das Verhältnis der Empfangsleistungen
einfach aus dem Verhältnis der Sendeleistungen ermittelt. Werden
zwei (oder mehr) Zellen betrieben, kann diese Vereinfachung nicht
mehr gemacht werden.
Wenn Handys in beiden Zellen gleichzeitig benutzt werden,
dann stören sich die Zellen auch gegenseitig. Allerdings erreicht
das Signal die andere Zelle schwächer als die eigene. Wir nehmen
an, dass Signale für Zelle 1 in Zelle 2 fünfmal schwächer und Signale
für Zelle 2 in Zelle 1 siebenmal schwächer ankommen. (Tatsächlich
hängen diese so genannten Dämpfungsfaktoren von der genauen Po-
sition des Nutzers ab. Wir nehmen für die Aufgabe der Einfachheit
halber an, dass alle Nutzer in einer Zelle an demselben Ort stehen
und deshalb einen einheitlichen Dämpfungsfaktor haben.)
Wenn in Zelle 1 ein Handy mit 0,7 W bedient wird und in Zelle 2
ein Handy mit 0,5 W, dann gilt für das SSV des Handys in Zelle 1:

Handysignal 1
SSV Zelle 1 = 1
Pilot 1 + (Pilot 2 + Handysignal 2)
7
0, 7 W
=  57,6 %
1 W + 17 ) · (1 W + 0,5 W)

Für das Handy in Zelle 2 gilt:

Handysignal 2
SSV Zelle 2 = 1
Pilot 2 + (Pilot 1 + Handysignal 1)
5
0,5 W
= 1
 37,3 %
1 W + 5 · (1 W + 0,7 W)

Es können also beide Verbindungen parallel betrieben werden.

79
Mathematik komplett technologisch

Wir nehmen an, dass in beiden Zellen jeweils eine unbegrenzte


Zahl von Nutzern telefonieren möchte. Die Verbindungen werden
nach und nach aufgebaut. Am Anfang telefoniert noch niemand,
und die beiden Zellen versuchen immer wieder (in zufälliger Rei-
henfolge), einen neuen Nutzer zu bedienen. Eine einmal aufgebau-
te Verbindung bleibt außerdem bestehen, soweit das möglich ist
(mehr dazu im übernächsten Absatz).
Wenn es für eine der beiden Zellen die Möglichkeit gibt, noch
einen weiteren Nutzer zu bedienen, so wird sie das tun und ih-
re Sendeleistung entsprechend aufteilen. Dabei geht sie davon aus,
dass die andere Zelle zunächst ihre Sendeleistung nicht ändert. Es
ist für die Zelle zu diesem Zeitpunkt nur von Bedeutung, dass das
SSV für die eigenen Nutzer stimmt.
Wenn es durch die Hinzunahme des Nutzers in der einen Zelle
dazu kommt, dass ein oder mehrere Nutzer in der anderen Zelle auf
einmal ein SSV unter 2 % haben, dann versucht die andere Zelle, die
Sendeleistungen so anzupassen, dass dies behoben wird – wieder
nur mit Rücksicht auf die eigenen Nutzer. Wenn das für einen oder
mehrere Nutzer nicht möglich ist, dann bricht deren Funkverbin-
dung zusammen.
Stellt sich irgendwann ein Zustand ein, in dem keine Nutzer
mehr im Gespräch unterbrochen werden? Und wenn ja, wie viele
Nutzer telefonieren dann jeweils in den Zellen?

Antwortmöglichkeiten

1. Nein, die beiden Zellen werden sich die ganze Zeit gegenseitig
stören und immer wieder gegenseitig Nutzer aus dem Netz wer-
fen. Das Netz lässt sich also unter den beschriebenen Vorausset-
zungen nicht stabil betreiben.
2. Ja, nach einer Weile werden beide Zellen eine maximale Anzahl
von Nutzern bedienen und die Situation stabilisiert sich. In bei-
den Zellen telefonieren dann 50 Nutzer.

80
Wie viel Kapazität hat ein Mobilfunknetz?

3. Ja, die Situation stabilisiert sich bei 5 Nutzern in Zelle 1 und 7


Nutzern in Zelle 2.
4. Ja, die Situation stabilisiert sich bei 45 Nutzern in Zelle 1 und 47
Nutzern in Zelle 2.
5. Ja, die Situation stabilisiert sich bei 40 Nutzern in Zelle 1 und 38
Nutzern in Zelle 2.
6. Ja, die Situation stabilisiert sich bei 32 Nutzern in Zelle 1 und 41
Nutzern in Zelle 2.
7. Ja, die Situation stabilisiert sich bei 35 Nutzern in Zelle 1 und 27
Nutzern in Zelle 2.
8. Ja, die Situation stabilisiert sich bei 36 Nutzern in Zelle 1 und 34
Nutzern in Zelle 2.
9. Ja, die Situation stabilisiert sich bei 36 Nutzern in Zelle 1 und 33
Nutzern in Zelle 2.
10. Ja, der Zustand kann sich stabilisieren. Aber wie viele Nutzer
dann in welcher Zelle telefonieren, hängt davon ab, wie sich die
Situation entwickelt hat.

81
Mathematik komplett technologisch

Lösung

(Richtige Lösung: Antwort 5)

Wir leiten diese Lösung in drei Schritten her. Zuerst zeigen wir, dass
mindestens 40 bzw. 38 Nutzer bedient werden können, egal wie viele
Nutzer in der jeweils anderen Zelle telefonieren. Dann argumentie-
ren wir, dass in diesem Zustand keine der beiden Zellen noch einen
weiteren Nutzer bedienen kann. Zuletzt weisen wir noch, dass dies
die einzige Konfiguration ist, in der beide Zellen gleichzeitig keine
weiteren Nutzer bedienen können.
Bei unserer Herleitung können wir uns auf folgende Beobach-
tung stützen: Das Mobilfunksystem garantiert zwar nicht, dass die
beiden Zellen die Nutzer jeweils mit der minimal möglichen Sende-
leistung versorgen. Doch es ist klar, dass dann am meisten Nutzer
versorgt werden können, wenn die SSV-Bedingung für jede Verbin-
dung genau erfüllt und damit überschüssige Sendeleistung vermie-
den wird.

Schritt 1. Wir ermitteln, wie viele Nutzer je Zelle mindestens be-


dient werden können. Hierzu rechnen wir aus, wie viele Nutzer je-
weils in einer Zelle bedient werden können, wenn die andere die
vollen 10 W als Störsignal abstrahlt.
Für Zelle 1 wollen wir also die Anzahl n1 der Nutzer bestimmen.
Aus der Aufgabenstellung und der Vorbemerkung ergibt sich, dass
für alle Funkverbindungen zu den Nutzern in Zelle 1 jeweils diesel-
be Sendeleistung p1 genutzt werden kann. Diese berechnet sich in
Abhängigkeit der Anzahl n1 telefonierender Nutzer in Zelle 1 für ein
SSV von 2 %:
Signalstärke p1
2% =
Störungen aus Zelle 1 + Störungen aus Zelle 2
Signalstärke p1
=
Pilot 1 + (n1 − 1) Signalstärke p1 + 17 Maximalleistung Zelle 2
p1
= .
1 + (n1 − 1) p1 + 17 · 10

82
Wie viel Kapazität hat ein Mobilfunknetz?

Dies ergibt somit


17
p1 ( n1 ) = für 1 ≤ n1 < 51.
7 (51 − n1 )
Mit steigendem n1 wächst auch die benötigte Leistung pro Verbin-
dung. Mehr als 50 Nutzer lassen sich auf keinen Fall bedienen. Das
ergibt sich bei der Herleitung dieser Formel. Um n1 Verbindungen
gleichzeitig zu bedienen, benötigt Zelle 1 eine gesamte Sendeleis-
tung von 1 + n1 · p1 (n1 ). Insgesamt kann sie aber nur 10 W abstrah-
len. Wir suchen also das größte n1 mit
1 + n1 · p1 (n1 ) ≤ 10 .
Wenn man die erste Formel in die zweite einsetzt, erhält man als
Maximalwert n1 = 40. Mit den gleichen Argumenten und dem glei-
chen Rechenweg erhalten wir für die zweite Zelle die Formel
15
p2 ( n2 ) = , für 1 ≤ n2 < 51
5 (51 − n2 )
und damit n2 = 38. Die Gesamtleistungen von beiden Zellen in
Abhängigkeit von der Anzahl der Nutzer und die maximalen Werte
von n1 und n2 sind auf dem folgenden Bild noch einmal anschaulich
gemacht:

15
Gesamtleistung Zelle 1
Gesamtleistung Zelle 2

10
Leistung [W]

Maximalleistung

1
0
0 5 10 15 20 25 30 35 38 40 45
Anzahl Nutzer

83
Mathematik komplett technologisch

Schritt 2. Die tatsächlichen benötigten Sendeleistungen p1 und p2


pro Verbindung in Zelle 1 und Zelle 2 zur Bedienung von n1 bzw.
n2 Nutzern lassen sich nur unter genauer Beachtung der Störungen
zwischen den Zellen bestimmen. Die Leistungen ergeben sich als
Lösung des Gleichungssystems
p1
0, 02 =
1
1 + ( n1 − 1) p1 + (1 + n2 p2 )
   7  
Störungen aus Zelle 1 Störungen aus Zelle 2

p2
0, 02 = .
1
(1 + n1 p1 ) + 1 + ( n2 − 1) p2
5     
Störungen aus Zelle 1 Störungen aus Zelle 2

Wir formen dieses System elementar um und erhalten das lineare


Gleichungssystem

(357 − 7n1 ) p1 − n2 p2 = 8
−n1 p1 + (255 − 5n2 ) p2 = 6

mit den Unbekannten p1 und p2 . Für n1 = 40 und n2 = 38 lautet


44 46
die Lösung p1 = 205 und p2 = 205 . Als Gesamtsendeleistung ergibt
sich damit für Zelle 1 ein Wert von 1965
205 ≈ 9,59 W und für die Zelle 2
ein Wert von 1953
205 ≈ 9,53 W.
Werden diese genauen Sendeleistungen in der Analyse aus
Schritt 1 jeweils – statt dem zunächst angenommenen maximalen
Wert von 10 W– als Störleistung der anderen Zelle eingesetzt, so er-
hält man abermals n1 = 40 und n2 = 38. In keiner der Zellen kann
also auch nur ein Nutzer mehr telefonieren, wenn in der anderen
bereits 38 bzw. 40 telefonieren.

Schritt 3. Schließlich ist noch nachzuweisen, dass unabhängig von


der Reihenfolge, in der in beiden Zellen Telefonate zustandekom-
men am Ende stets 40 bzw. 38 Verbindungen gehalten werden kön-
nen – ausreichend viele Verbindungsversuche vorausgesetzt.

84
Wie viel Kapazität hat ein Mobilfunknetz?

Sollten in Zelle 1 mehr als 40 und in Zelle 2 weniger als 38 Nutzer


telefonieren, dann kann eine weitere Verbindung in Zelle 2 etabliert
werden. Selbst wenn Zelle 1 mit ihrer maximalen Sendeleistung sen-
det, ist es gemäß Schritt 1 möglich, dass die Sendeleistungen pro
Verbindung in Zelle 2 so angepasst werden, dass eine weitere Ver-
bindung möglich ist. Durch die vergrößerte Störleistung in Zelle 1
können dadurch allenfalls Verbindungen in Zelle 1 abreißen.
Das gleiche Argument gilt auch umgekehrt. Damit ist gezeigt,
dass in Zelle 1 stets mindestens 40 und in Zelle 2 stets mindestens
38 Nutzer gleichzeitig telefonieren können. Sind einmal so viele Ver-
bindungen aufgebaut, so sind gemäß Schritt 2 keine weiteren mög-
lich.

85
Wie Rechner rechnen
René Lamour und Caren Tischendorf

Mit Hilfe von Computern lassen sich Rechenoperationen wie Ad-


dition und Multiplikation mit hoher Geschwindigkeit ausführen.
Der erste frei programmierbare Rechner, die mechanische Zuse
Z1 aus dem Jahre 1937, schaffte etwa zwei Additionen pro Sekun-
de. Heute misst man die Geschwindigkeit in Flops (Floating Point
Operations Per Second, d. h. Gleitkommaoperationen pro Sekunde).
Die schnellsten Computer der Welt erreichen gegenwärtig (Stand
November 2008) eine Geschwindigkeit von 1,105 PetaFlops, d. h.
1,105 · 1015 Flops. Zum Vergleich: Im November 2007 erreichten die
schnellsten Computer der Welt eine Geschwindigkeit von 478 Tera-
Flops, d. h. 478 · 1012 Flops.
Hier wollen wir uns nun anschauen, wie ein Computer Rechen-
operationen ausführen kann. Die Basis dafür bilden einfache Schalt-
elemente, mit denen sich bestimmte logische Verknüpfungen reali-
sieren lassen, so z. B. das logische UND, ODER, sowie das EXKLUSI-
VE ODER, auf englisch: AND, OR und XOR.
Dabei kommen zwei Werte in dem Schaltelement an und ein
Wert wird weitergegeben. Welcher das jeweils ist, wird in den fol-
genden Tabellen angegeben, wobei In 1 bzw. In 2 den ersten bzw.
zweiten Eingabewert bezeichnen. In der dritten Spalte wird angege-
ben, welche Ausgabe die jeweilige logische Verknüpfung ergibt.
Die Zahl 1 steht für wahr, die Zahl 0 für falsch.

AND OR XOR
In1 In2 Out In1 In2 Out In1 In2 Out
0 0 0 0 0 0 0 0 0
1 0 0 1 0 1 1 0 1
0 1 0 0 1 1 0 1 1
1 1 1 1 1 1 1 1 0

87
Mathematik komplett technologisch

Abbildung 1. Eine Schaltung für Rechenoperationen

Verwendet man nun die Dualdarstellung von Zahlen, so lassen sich


Schaltungen konstruieren, die bestimmte Rechenoperationen reali-
sieren. Ein Beispiel für eine solche Schaltung ist in der Abbildung 1
gegeben.
Diese Schaltung realisiert die Addition zweier natürlicher Zah-
len a und b von 0 bis 24 − 1 = 15. Die Zahl c stellt einen eventuel-
len Übertrag dar. Verknüpft man nicht nur vier der Teilschaltungen
miteinander, sondern 32, so lassen sich damit zwei natürliche Zah-
len von 0 bis 232 − 1 = 4 294 967 295 exakt addieren. Solche Schal-
tungen werden bei der sogenannten 32-Bit-Arithmetik von Compu-
terchips verwendet. Dabei sind die grauen Schaltungsteile durch die
in Abbildung 2 dargestellte Teilschaltung zu ersetzen. Für die Teil-
schaltung in Abbildung 2 sind in Abbildung 3, als Beispiel, die Er-
gebnisse für den Input A = 0, B = 1 und C = 1 angegeben.
Der Output der gesamten Schaltung (Abbildung 1) ist eine Zahl
e in Dualdarstellung, d. h.

e = e3 · 23 + e2 · 22 + e1 · 21 + e0 · 20 .

88
Wie Rechner rechnen

Abbildung 2. Teilschaltung

Abbildung 3. Teilschaltung mit Ergebnissen

Welchen Wert nimmt e an, wenn man als Input a = 6, b = 2 und


c = 0 in ihrer Dualdarstellung verwendet? Bitte e in eine Dezimal-
zahl umrechnen!

Antwortmöglichkeiten

1. 0 6. 8
2. 1 7. 10
3. 2 8. 12
4. 4 9. 16
5. 6 10. 24

89
Mathematik komplett technologisch

Lösung

(Richtige Lösung: Antwort 6)

Für die Dezimalzahlen a = 6, b = 2 und c = 0 gilt

a = 6 = 0 · 23 + 1 · 22 + 1 · 21 + 0 · 20 ,
b = 2 = 0 · 23 + 0 · 22 + 1 · 21 + 0 · 20 ,
c = 0 = 0 · 20 .

Für die Ziffern der Dualdarstellung erhält man also

a0 = 0, a1 = 1, a2 = 1, a3 = 0,
b0 = 0, b1 = 1, b2 = 0, b3 = 0,
c0 = 0.

Die Ergebnisse der Schaltung für diese Input-Daten sind in Abbil-


dung 4 dargestellt. Dabei ergeben sich für die vier Teilschaltungen

Abbildung 4. Lösung der Gesamtschaltung

90
Wie Rechner rechnen

Abbildung 5. Lösungen der Teilschaltungen

die in Abbildung 5 dargestellten Ergebnisse (Daten mit gleicher Far-


be gehören zu jeweils einer Teilschaltung). Somit hat das Ergebnis
die Dualdarstellung

e = 1 · 23 + 0 · 22 + 0 · 21 + 0 · 20 = 8.

Die richtige Antwort ist also e = 8, Antwortmöglichkeit 6.

91
Wann geht der Laser an?
Mark Lichtner und Lutz Recke

Ein Laser ist eine Lichtquelle, bei der durch Zufuhr von elektri-
scher Energie Licht besonderer Güte oder Reinheit (einfarbig, kohä-
rent, polarisiert) erzeugt werden kann. Das dynamische Verhalten
des Lasers hängt von der Energiezufuhr ab. Sie bestimmt, ob der
Laser zum Beispiel dauerhaft Licht konstanter Intensität liefert, ob
er dauerhaft flackert, ob er nach kurzem Aufflackern ausgeht, oder
ob er noch anderes Verhalten zeigt. Mathematisch kann die Dyna-
mik von vielen Lasern, ganz grob, durch die Gleichung

xn+1 = λxn − xn3 , n = 0, 1, 2, . . . (1)

beschrieben werden. Dabei ist λ ∈ R ein Maß für die Energie, die
pro Zeiteinheit in den Laser gepumpt wird (die sogenannte Pum-
prate), und xn ∈ R beschreibt die Amplitude des Laserlichtes nach
n Zeitschritten. Wenn λ und der Anfangszustand x0 gegeben sind,
so kann man xn für n = 1, 2, . . . mit Hilfe von (1) ausrechnen. Zum
Beispiel gilt für beliebiges λ und für x0 = 0, dass

x1 = x2 = · · · = 0 (2)

ist. Oder für beliebiges λ ≥ 1 und x0 = λ − 1 gilt

x1 = x2 = · · · = λ − 1. (3)

Die Lösungen (2) bzw. (3) beschreiben den ausgeschalteten bzw. den
eingeschalteten stationären Laserzustand.
Wir fragen, für welche Pumpraten λ (die im Intervall [0, 2[ der
technisch vernünftigen Werte liegen sollen) der Laser langfristig
ausgeht. Damit erhalten wir Bereiche für λ, die wir meiden müssen,
falls der Laser in einem dauerhaft eingeschalteten Zustand (wie in
einem DVD oder CD-Player) betrieben werden soll.

93
Mathematik komplett technologisch

Für welche λ ∈ [0, 2[ gilt die Eigenschaft

lim xn = 0 für alle x0 ∈] − 1, 1[ ? (4)


n→∞

Die Schreibweise limn→∞ xn = 0 bedeutet, dass der Betrag | xn | der


Folgenglieder für große Folgenindizes n beliebig klein wird. Eine
präzise Definition lautet: Zu jedem vorgegebenem  > 0 gilt | xn | <
 für alle bis auf endlich viele Folgenglieder xn .
Die Schreibweise λ ∈ [0, 2[ ist gleichbedeutend mit 0 ≤ λ < 2,
und x0 ∈] − 1, 1[ heißt −1 < x0 < 1. In den Antwortmöglichkei-
ten werden analoge Schreibweisen benutzt, zum Beispiel λ ∈ [0, 1]
bedeutet 0 ≤ λ ≤ 1.

Antwortmöglichkeiten

1. Die Eigenschaft (4) gilt für alle λ ∈ [0, 2[.


2. Die Eigenschaft (4) gilt für kein λ ∈ [0, 2[.
3. Die Eigenschaft (4) gilt nur für λ = 0.
4. Die Eigenschaft (4) gilt für alle λ ∈ [0, 1[ und nur für diese λ.
5. Die Eigenschaft (4) gilt für alle λ ∈ [0, 1] und nur für diese λ.
6. Die Eigenschaft (4) gilt nur für λ = 1.
7. Die Eigenschaft (4) gilt für alle λ ∈ [1, 2[ und nur für diese λ.
8. Die Eigenschaft (4) gilt für alle λ ∈ ]1, 2[ und nur für diese λ.
9. Die Eigenschaft (4) gilt für alle λ ∈ [0,5, 1,5] und nur für diese λ.

Ingenieure würden die Frage wie folgt stellen: Wie viel Energie
muss mindestens in den Laser gepumpt werden, damit er nicht bei
jedem Anfangszustand (der im Intervall ] − 1, 1[ der technisch ver-
nünftigen Werte liegen soll) im Verlaufe der Zeit wieder ausgeht?

94
Wann geht der Laser an?

Lösung

(Richtige Lösung: Antwort 5)

Ein geometrischer Lösungsweg

Wir betrachten den Parameter λ = 0,5 und zeichnen den zugehöri-


gen Graphen y = 0,5x − x3 . Als Startwert wählen wir x0 = −0, 9.
Ausgehend vom Punkt ( x0 , x0 ) zeichnen wir eine vertikale Linie
parallel zur y-Achse bis wir den Graphen in ( x0 , x1 ) schneiden.
Den nächsten Zustand x2 erhalten wir, indem wir eine horizonta-
le Linie ausgehend vom letzten Schnittpunkt ( x0 , x1 ) bis zur Gera-
den y = x (blau eingezeichnet) zeichnen und dann vom erreich-
ten Schnittpunkt ( x1 , x1 ) aus wieder eine vertikale Linie bis zum

95
Mathematik komplett technologisch

 

 
 =1

=1.7

                   

 

 

Schnittpunkt ( x1 , x2 ) mit dem Graphen zeichnen, usw. Die Pro-


zedur ist in der Graphik durch den grünen Linienzug dargestellt.
Man erkennt, dass die Punkte ( xn , xn+1 ) gegen den Nullpunkt (0, 0)
konvergieren. Falls man einen anderen Startwert x0 wählt, so er-
gibt sich ein ähnliches Bild, also gilt Eigenschaft (4) für λ = 0, 5.
Man überlegt sich dann, dass für 0 ≤ λ ≤ 1 das geometrische Bild
qualitativ nicht anders ist. Also gilt (4) für 0 ≤ λ ≤ 1. Erst für
λ > 1 ändert sich die Situation. Man stellt fest, dass der Graph
die y = x Achse in zwei weiteren Punkten schneidet (grüne Punk-
te). Die Schnittpunkte mit der y = x Achse werden unter der be-
schriebenen graphischen Iteration festgehalten und befinden sich
für λ ∈ [0, 2[ im Einheitswürfel −1 < x < 1, −1 < y < 1, ent-
sprechen also Zuständen im Intervall ]−1, 1[. Also gilt (4) nicht für
1 < λ < 2.

96
Wann geht der Laser an?

Ein analytischer Lösungsweg



Wenn λ ∈ ]1, 2[ ist, so ist x0 = λ − 1 ∈ ]−1, 1[ ein zugelassener
Anfangswert. Zu diesem Anfangswert gehört die Lösung (3), und
für die gilt nicht limn→∞ xn = 0. Mit anderen Worten: Alle λ ∈
]1, 2[ haben die Eigenschaft (4) nicht.
Wir zeigen nun, dass alle λ ∈ [0, 1] die Eigenschaft (4) besitzen.
Es sei also λ ∈ [0, 1] und x0 ∈ ]−1, 1[. Dann gilt

| x1 | = | x0 | · |λ − x02 | ≤ | x0 | < 1.

Dabei haben wir benutzt, dass λ und x02 Zahlen zwischen Null und
Eins sind, ihre Differenz also dem Betrag nach kleiner oder gleich
Eins ist. Analog erhält man

| x2 | = | x1 | · |λ − x12 | ≤ | x1 | < 1 usw.

Die Folge | x1 |, | x2 |, . . . ist also eine monoton fallende Folge nicht-


negativer Zahlen. Folglich konvergiert sie gegen einen Grenzwert,
nennen wir ihn y, welcher strikt kleiner als Eins ist.
Wenn wir in der Gleichung
 
 
| xn+1 | = | xn | · λ − | xn |2 

den Grenzübergang n → ∞ durchführen, erhalten wir


 
 
y = y λ − y2  .

Diese Gleichung besitzt aber für λ ∈ [0, 1] und 0 ≤ y < 1 nur


die Lösung y = 0. Daraus folgt 0 = y = limn→∞ | xn |, also
limn→∞ xn = 0.

Ein Lösungsweg mit dem Taschenrechner

Für λ ∈ ]1, 2[ beobachtet man durch sukzessive Berechnung mit


dem Taschenrechner der Werte xn mit Hilfe von (1), dass für Start-

97
Mathematik komplett technologisch

werte √
x0 nahe Null die√xn von Null wegdriften und gegen die Grenz-
werte λ − 1 oder − λ − 1 konvergieren. So kommt man zur Ver-
mutung, dass (4) für λ > 1 nicht erfüllt ist. Wählt man hinrei-
chend viele verschiedene Parameter 0 ≤ λ ≤ 1 und Startwerte
x0 ∈ ]−1, 1[, so kann man sich davon überzeugen, dass stets die
Werte xn gegen Null streben, d. h. dass die fünfte Antwort richtig
ist.

98
Mathematik ganz zufällig
Der Forsch-Frosch Fred
Volker Kaibel

Bewegt man sich auf der Suche nach Informationen zu einem be-
stimmten Thema immer neuen Links folgend durch das World-
Wide-Web, so stellt man in der Regel nach einer gewissen Zeit fest,
dass man auf manchen Seiten immer wieder gelandet ist. Diese Sei-
ten stellen sich oft als wichtig heraus. Suchmaschinen wie Google
machen sich dieses Phänomen zu Nutze, um die Wichtigkeit ein-
zelner Web-Seiten zu bewerten. Dazu lassen sie auf einer beliebi-
gen Web-Seite einen imaginären Surfer starten, der immer zufällig
einen der auf seiner aktuell besuchten Seite vorgefundenen Links
verfolgt. Der Surfer vollführt einen Random Walk im Netzwerk der
Web-Seiten.
Für jede Schrittzahl gibt es nun eine bestimmte Wahrschein-
lichkeitsverteilung, die beschreibt, wo der Surfer sich nach genau
dieser Schrittzahl mit welcher Wahrscheinlichkeit aufhält. Vor dem
ersten Schritt ist das zum Beispiel mit Wahrscheinlichkeit Eins die
Startseite. Verweist diese auf drei andere Seiten A, B und C, so ist
der Surfer nach dem ersten Schritt mit Wahrscheinlichkeit 13 auf A,
mit Wahrscheinlichkei 13 auf B und mit Wahrscheinlichkeit 13 auf
C. Verweist A zum Beispiel auf A1 und A2 (und keine der Seiten B
und C verweisen auf A1 oder A2 ), so ist der Surfer nach dem zweiten
Schritt mit Wahrscheinlichkeit 16 auf A1 , mit Wahrscheinlichkeit 16
auf A2 , und mit irgendwelchen Wahrscheinlichkeiten, die sich zu
2
3 summieren, auf den Seiten, auf die B und C verweisen.
Die Wahrscheinlichkeitsverteilung ändert sich in der Regel zu-
nächst von Schritt zu Schritt sehr stark. Man kann jedoch beweisen,
dass sie sich mit wachsender Schrittzahl immer mehr einer ein-
deutig bestimmten Grenzverteilung nähert (zumindest, wenn man
in bestimmtem Sinne vorsichtig mit Situationen umgeht wie der,
dass eine Web-Seite auf gar keine andere verweist). Die Verteilun-

101
Mathematik ganz zufällig

gen konvergieren gegen diese Grenzverteilung, und zwar unabhän-


gig von der Startseite. In der Grenzverteilung hat jede Web-Seite
eine Wahrscheinlichkeit. Diese entspricht sehr genau der relativen
Besuchshäufigkeit dieser Seite, also dem Quotienten aus der Anzahl
der Besuche der jeweiligen Seite und der Anzahl aller gemachten
Seiten-Besuche, wenn man den Random Surfer sehr lange surfen
lässt. Insofern lag es nahe, diese Grenzwahrscheinlichkeiten bzw.
Besuchshäufigkeiten als ein Maß für die Wichtigkeit der jeweiligen
Seite zu nehmen. Das taten Larry Page und Sergej Brin und bauten
in ihre Suchmaschine Google diesen Page-Rank genannten Bewer-
tungsmechanismus ein.
Wie man die Grenzwahrscheinlichkeiten ermitteln kann, ohne
einen imaginären Surfer zu bemühen, wird in der unten gestellten
Aufgabe deutlich werden. Natürlich fließen in der Praxis von Such-
maschinen viele andere Kriterien mit in die Bewertung ein, vor al-
lem auch solche, die den Suchbegriff berücksichtigen.
Das Prinzip eines Random Walks spielt aber nicht nur bei Such-
maschinen eine wichtige Rolle, sondern beispielsweise auch in der
theoretischen Physik, wo man so versucht, komplexe Systeme zu
modellieren, die sich in vielen verschiedenen Zuständen befinden
können und den tatsächlichen Zustand immer wieder unter Ein-
fluss von Zufall wechseln. Die möglichen Zustände entsprechen
dann den Web-Seiten, die Bewegung des Surfers durch das World-
Wide-Web korrespondiert mit der zeitlichen Entwicklung (fortlau-
fender Wechsel des Zustands) des Systems. Hat man sich nun ein
Bild davon gemacht, wie die Übergänge zwischen den verschiede-
nen Zuständen zufällig passieren, so steht man danach vor der Auf-
gabe, die Entwicklung des Systems über eine lange Zeit zu analysie-
ren, also zum Beispiel herauszufinden, ob das System eine Grenz-
verteilung auf dem Zustandsraum hat, und sie gegebenenfalls zu
ermitteln.
Umgekehrt macht sich die moderne algorithmische Mathema-
tik das Prinzip des Random Walks zu Nutze, um komplexe mathe-
matische Objekte zufällig zu erzeugen. In diesem Fall hat man in
der Regel eine vorgegebene Wunschverteilung auf den Objekten (die

102
Der Forsch-Frosch Fred

Der Forsch-Frosch-Fred im Seerosenteich (©2004 Jens Jordan)

jetzt die Rolle der Web-Seiten spielen) und möchte einen Random
Walk entwerfen, dessen Grenzverteilung gerade die Wunschvertei-
lung ist. Als Entwurfsparameter hat man dabei die Übergangswahr-
scheinlichkeiten zwischen Paaren von Objekten zu Verfügung. Man
kann z. B. festlegen, dass von Objekt A aus mit Wahrscheinlich-
keit 15 zu Objekt A1 und mit Wahrscheinlichkeit 45 zu Objekt A2
übergegangen werden soll. Hat man nun geeignete Übergangswahr-
scheinlichkeiten theoretisch konstruiert, so simuliert man mit ei-
nem Computer den Random Walk eine Zeit lang. Die mathema-
tische Kunst besteht nun darin, herauszufinden, wie viele Schrit-
te man den Computer simulieren lassen muss, damit die erzielte
Wahrscheinlichkeitsverteilung auf den Objekten nah genug an der
Grenzverteilung, und damit an der Wunschverteilung, ist. Mit sol-
chen Methoden kann man zum Beispiel komplizierte mathemati-
sche Zählprobleme (approximativ) lösen, bei denen Objekte gezählt
werden müssen, deren Anzahl so groß ist, dass man sie niemals alle
erzeugen kann. Das dahinter stehende Prinzip, den Zufall intelli-
gent in Algorithmen und Computerprogrammen zu nutzen, spielt
eine wichtige Rolle in vielen Bereichen der aktuellen Algorithmen-
forschung.

103
Mathematik ganz zufällig

Um das Prinzip des Random Walks an einem konkreten Beispiel


zu studieren, schauen wir uns den Forsch-Frosch Fred an.
Fred ist Mathematiker. Um so wenig wie möglich von seiner
hochgeistigen Tätigkeit abgelenkt zu werden, führt er ein etwas mo-
notones Leben. Er tut nichts, als zwischen den 14 Seerosenblättern
seines Teiches hin und her zu springen. Da die Natur Fred zwar mit
einem großen Kopf, aber mit für einen Frosch eher dünnen Beinen
ausgestattet hat, kommen für ihn nur die im Bild rot eingezeich-
neten Sprünge in Frage. Und weil er seine mathematischen Überle-
gungen nicht durch unwesentliche Gedanken unterbrechen möch-
te, springt er stets vom aktuellen Seerosenblatt gleich zufällig zu ei-
nem der möglichen Nachbarblätter. Der Forsch-Frosch Fred macht
also im Wesentlichen das Gleiche wie der Random Surfer im World-
Wide-Web, nur dass er nicht von Webseite zu Webseite klickt, son-
dern von Blatt zu Blatt springt. Ein solches Forsch-Frosch-Leben mit
viel Bewegung und stets an der frischen Luft ist natürlich sehr ge-
sund, so dass Fred sehr alt wird. An seinem 20. Geburtstag überlegt
er, auf welchem Blatt er vermutlich am häufigsten gewesen sei. Ei-
nige Sprünge später ist ihm die Antwort klar – aber er ist ja auch
Profi.
Was meinst Du, wo er am häufigsten war? Freds erste Idee war,
dass die 14 relativen Besuchshäufigkeiten sich zu Eins aufsummie-
ren sollten. Seine zweite Idee war dann, für jedes der 14 Blätter eine
Formel zu finden, nach welcher man (zumindest ungefähr) seine
Besuchshäufigkeit mit Hilfe der Besuchshäufigkeiten seiner Nach-
barblätter ausdrücken kann. Und er erinnerte sich, dass er einmal
in einem Werk eines berühmten Mathematikers (Fred meinte sich
zu erinnern, dass sein Name Froschbeinius gewesen war) gelesen
hatte, dass solche Systeme von Gleichungen genau eine Lösung ha-
ben. Und die sollte dann ja wohl aus seinen Besuchshäufigkeiten
bestehen.

104
Der Forsch-Frosch Fred

Antwortmöglichkeiten

1. Da, wo er gestartet ist.


2. Im Zentrum: Blatt 7.
3. Auf dem Blatt, auf das er im Bild zuspringt: Blatt 10.
4. Wenn er rechts startet, auf Blatt 7, wenn er links startet auf
Blatt 6.
5. Wenn er rechts startet, auf Blatt 6, wenn links startet auf
Blatt 7.
6. Auf allen Blättern (ungefähr) gleich häufig.
7. Auf den hinteren Blättern 1, 2, 13 und 14 (ungefähr) gleich häu-
fig, weil man von dort schlecht weg kommt.
8. Auf dem Dreieck der Blätter 4, 5, 6, weil man dort oft kreiselt.
9. Auf Blatt 6, weil es das größte ist.
10. Das kann man nicht vorhersagen.

105
Mathematik ganz zufällig

Lösung

(Richtige Lösung: Antwort 3)

Fred bezeichnete die Anzahl der Besuche der einzelnen Blätter mit
H (1), H (2), . . . , H (14). Er ist in seinem Leben also H (7) mal auf
Blatt 7 gewesen. Die Gesamtzahl aller seiner Blatt-Besuche war dann

H = H (1) + H (2) + · · · + H (14) .

Die relativen Besuchshäufigkeiten der einzelnen Blätter waren

H (1) H (2) H (14)


h (1) = , h (2) = , ··· , h(14) = .
H H H
Wie Fred sofort erkannte, musste also

H (1) H (2) H (14)


h(1) + h(2) + · · · + h(14) = + +···+
H H H
H
= =1
H
gelten.
Wie konnte Fred jetzt z. B. die Anzahl H (7) der Besuche des
Blatts 7 (zumindest ungefähr) mittels der Anzahlen H (6), H (8) und
H (10) der Besuche seiner Nachbarblätter 6, 8 und 10 ausdrücken?
Weil Blatt 6 drei Nachbarn hat, wird er wohl bei einem Drittel sei-
ner Besuche des Blatts 6 von dort auf Blatt 7 gesprungen sein, dachte
Fred. Ebenso wird er bei einem Drittel der Besuche des Blatts 8 von
dort auf Blatt 7 gesprungen sein, und bei einem Viertel der Besuche
des Blatts 10 wird er von dort auf Blatt 7 gehüpft sein. Also sollte

1 1 1
H (7) = H (6) + H (8) + H (10)
3 3 4
gelten. Fred teilte diese Gleichung durch H und erhielt

H (7) 1 H (6) 1 H (8) 1 H (10)


= · + · + · ,
H 3 H 3 H 4 H

106
Der Forsch-Frosch Fred

H (7)
also wegen h(7) = H usw.
1 1 1
h (7) = h(6) + h(8) + h(10) .
3 3 4
Das schien ihm plausibel, denn die Besuchshäufigkeit von Blatt 7
setzte sich zusammen aus einem Drittel der Besuchshäufigkeit von
Blatt 6 (das drei Nachbarn hat), einem Drittel der Besuchshäufigkeit
von Blatt 8 (das ebenfalls drei Nachbarn hat) und einem Viertel der
Besuchshäufigkeit von Blatt 10 (das vier Nachbarn hat).
Analog bestimmte Fred für jedes Blatt eine solche Gleichung,
zum Beispiel
1 1 1
h (4) = h (3) + h (5) + h (6)
3 2 3
oder
1
h (1) = h (3) .
3
Insgesamt stellte Fred also 14 dieser Gleichungen auf, welche zu-
sammen mit der Gleichung
h(1) + h(2) + · · · + h(14) = 1
ein System von 15 Gleichungen ergaben, das von den Besuchshäu-
figkeiten h(1), h(2), . . . , h(14) erfüllt werden musste.
Fred erinnerte sich nun an seine Studentenzeit, in der er gele-
sen hatte, dass Systeme von der Art dessen mit den 15 Gleichungen,
welches er gerade aufgestellt hatte, genau eine Lösung haben. Er
erinnerte sich auch, dass das nicht ganz einfach zu beweisen ge-
wesen war. Wie auch immer, jetzt war ihm jedenfalls klar, dass er
nur irgendwie Werte für die Variablen h(1), h(2), . . . , h(14) finden
musste, die alle 15 Gleichungen erfüllten. Sein erster Gedanke war,
dass er ja schon in der Froschschule lineare Gleichungssysteme mit
zwei, drei oder auch vier Variablen gelöst hatte. Aber mit 14 Varia-
blen schien ihm das doch etwas zu aufwändig, zumal er beim Wei-
terhüpfen ja auch nicht schreiben, sondern nur denken konnte.
Fred dachte noch einmal an die Gleichung
1 1 1
h (7) = h(6) + h(8) + h(10) ,
3 3 4

107
Mathematik ganz zufällig

die ausdrückte, wie häufig er auf Blatt 7 gewesen war. Auf der rech-
ten Seite standen drei Summanden, weil Blatt 7 drei Nachbarn hatte.
In der Summe wurden h(6) und h(8) mit 13 multipliziert, weil die
Blätter 6 und 8 jeweils drei Nachbarn hatten, und h(10) wurde mit
1
4 multipliziert, weil Blatt 10 vier Nachbarblätter hatte. Also könnte
man diese Gleichung doch ganz einfach erfüllen, wenn man

h (7) = 3 (Anzahl Nachbarn von Blatt 7)


h (6) = 3 (Anzahl Nachbarn von Blatt 6)
h (8) = 3 (Anzahl Nachbarn von Blatt 8)
h(10) = 4 (Anzahl Nachbarn von Blatt 10)

wählen würde. Fred wurde ganz aufgeregt. Ja, so konnte es gehen.


Wenn man für jedes Blatt n den Wert von h(n) auf die Anzahl der
Nachbarn von Blatt n setzen würde, dann wären zumindest schon
einmal die 14 Gleichungen erfüllt, denn die waren ja alle nach dem
gleichen Prinzip wie die Gleichung für h(7) entstanden. Zu dumm
nur, dass diese 14 Werte ganz bestimmt in der Summe nicht Eins
ergaben, sondern irgendeine größere Zahl.
Welche eigentlich? Diese Summe enstand ja, indem für jedes
Blatt die Anzahl seiner Nachbarn aufaddiert wurde. Fred durch-
zuckte ein Gedanke: Aber dann musste doch genau das Doppel-
te der Anzahl aller Sprungmöglichkeiten in seinem Teich heraus
kommen, denn jede Sprungmöglichkeit machte ja zwei Blätter zu
Nachbarn voneinander. Fred zählte schnell die Sprungmöglichkei-
ten und kam auf 18 (die Anzahl der roten Verbindungslinien). Also
summierten sich die 14 Werte, die zumindest schon einmal die 14
Gleichungen erfüllten, zu 36. Jetzt war Fred alles klar: Man brauchte
diese Werte nur durch 36 zu teilen. Dann blieben die 14 Gleichungen
erfüllt, weil ja bei jeder dieser Gleichungen beide Seiten durch 36
geteilt wurden, und sogar die 15. Gleichung war dann erfüllt, denn
wenn die 14 alten Zahlen in der Summe 36 ergaben, dann musste
die Summe der 14 durch 36 geteilten Zahlen natürlich Eins sein.

108
Der Forsch-Frosch Fred

Das war die Lösung: Die Besuchshäufigkeit des Blatts n war

Anzahl der Nachbarn von Blatt n


h(n) =
36
für jedes n = 1, 2, . . . , 14. Die Besuchshäufigkeiten waren also
1
proportional (mit Proportionalitätsfaktor 36 ) zu den Anzahlen der
Nachbarblätter. Fred quakte zufrieden: Dann war er also am häu-
figsten auf Blatt 10 gewesen, denn dieses Blatt hatte vier Nachbarn,
während alle anderen Blätter höchstens drei Nachbarn hatten.
Übrigens ist das Berechnen der Grenzverteilung im Web nicht
so einfach wie im Seerosenteich. Das liegt daran, dass Fred immer,
wenn er von einem Blatt auf ein anderes springen kann, auch wieder
unmittelbar zurück springen kann. Im Web gibt es aber nicht von
jeder Seite B, auf die ein Link von A verweist, auch unbedingt einen
Link zurück zu A. Anders als im Seerosenteich ist die Grenzwahr-
scheinlichkeit einer Seite im Web daher nicht proportional zur An-
zahl der Links, welche auf die Seite verweisen. Das ist auch gut so,
denn sonst könnte man die Bewertung der Seiten durch Suchma-
schinen allzu leicht hereinlegen, indem man viele künstliche Sei-
ten mit Links auf eine Seite erzeugt, die man gerne weit oben bei
den Suchergebnissen sehen möchte. Statt einfach Links zu zählen,
müssen Betreiber von Suchmaschinen also in der Tat lineare Glei-
chungssysteme mit Computern und ausgefeilten Methoden der nu-
merischen Linearen Algebra lösen.

109
Keller oder Dach zuerst?
Nicole Megow

Komplexe Planungsaufgaben entstehen in vielen Bereichen wie z. B.


in der Produktion und Logistik, der Bauplanung oder allgemein im
Projektmanagement. Typischerweise werden umfangreiche Projek-
te in viele einzelne Teilaufgaben zerlegt, die dann zeitlich geplant
werden. Das heißt, es wird genau bestimmt wann bzw. in welcher
Reihenfolge Aufgaben mit welchen Ressourcen durchgeführt wer-
den sollen. Bei der Planung müssen verschiedenste Reihenfolgeab-
hängigkeiten zwischen den Vorgängen berücksichtigt werden. Die-
se Abhängigkeiten können technischer Natur sein oder werden aus
sicherheitsrelevanten oder wirtschaftlichen Gründen festgelegt.
Betrachten wir als vereinfachtes Beispiel den Bau eines Hauses
und einige grobe Arbeitsschritte die dabei durchgeführt werden. Es
wird ein Fundament ausgehoben, der Rohbau wird errichtet, ein
Dach wird aufgesetzt, Böden, Fenster, Elektrik werden eingebaut
und vieles mehr. Zwischen all diesen Teilaufgaben bestehen Rei-
henfolgeabhängigkeiten. Einige Vorgänge können parallel bearbei-
tet werden (müssen sie aber nicht), andere wiederum müssen zwin-
gend nacheinander ausgeführt werden. So kann natürlich weder mit
der Dachkonstruktion noch mit dem Innenausbau begonnen wer-
den, bevor das Fundament gegossen ist. Andererseits können die
Fenster eingesetzt werden, während gleichzeitig die Elektrik verlegt
wird.
Große Projekte können aus hunderten oder tausenden einzelnen
Vorgängen bestehen, die alle miteinander in Beziehung stehen. Sie
müssen nun zeitlich genau geplant werden. Dies allein kann eine
sehr herausfordernde und komplizierte Planungsaufgabe sein. In
der Praxis kommt erschwerend hinzu, dass die wirkliche Dauer der
einzelnen Arbeitsschritte oft nicht im Voraus bekannt ist. Sie unter-
liegt einer Unsicherheit die durch viele Faktoren bestimmt wird, die

111
Mathematik ganz zufällig

a c

b d
Abbildung 1. Projektnetz

mit dem Arbeitsschritt selbst oder äußeren Einflüssen zusammen-


hängen. Überraschende Verzögerungen bei der Lieferung von Teil-
produkten, unterschiedlich ausgebildete Arbeitskräfte, Verschleiß
von Arbeitsmitteln, das Wetter und viele andere Faktoren können
eine Rolle spielen. Aus statistischen Beobachtungen heraus kön-
nen aber häufig Wahrscheinlichkeitsverteilungen für die Dauern der
Vorgänge angegeben werden, auf deren Basis dann geplant wird.
In der folgenden Aufgabe wird ein kleines, abstraktes Planungs-
problem mit unsicheren Dauern beschrieben. Es sollen vier Arbeits-
schritte a, b, c und d durchgeführt werden. Sie sind in dem abgebil-
deten Projektnetz (das als Graph bezeichnet wird) als Kreise (Kno-
ten) dargestellt. Die Pfeile (Kanten) geben Reihenfolgebeziehungen
an. So kann Arbeitsschritt c erst dann beginnen, wenn Arbeits-
schritt a beendet ist, während Arbeitsschritt d auf die Fertigstellung
der Arbeitsschritte a und b warten muss.
Die Arbeitsschritte haben Bearbeitungsdauern, die vor der ei-
gentlichen Ausführung nicht genau bekannt sind. Jeder Arbeits-
schritt kann 1, 2 oder 3 Zeiteinheiten dauern. Jede dieser Dauern
ist für jeden Arbeitsschritt gleich wahrscheinlich und unabhängig
von den Dauern anderer Vorgänge. Eine mögliche Kombination von
Dauern, z. B. (1, 3, 2, 2), für die Vorgänge a, b, c, d heißt Realisierung.
Bei der Planung des Projektes möchte man vorab Information
über die kürzeste zu erwartende Projektdauer ermitteln. Als kürzes-
te Projektdauer bezeichnen wir den frühesten Zeitpunkt, zu dem

112
Keller oder Dach zuerst?

alle Vorgänge beendet sein können. Das heißt, wir gehen davon aus,
dass keine unnötigen Wartezeiten eingefügt werden. Folgende Fra-
gen sollen beantwortet werden:
1. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass die kürzeste Projekt-
dauer (PD) nicht länger als 4 Zeiteinheiten ist?
Tipp: Die Wahrscheinlichkeit für PD ≤ 4 ist die Anzahl der Rea-
lisierungen für die Dauern der Vorgänge a, b, c, d, die PD ≤ 4
erfüllen, dividiert durch die Anzahl aller möglichen Realisierun-
gen.
2. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass die kürzeste Projekt-
dauer PD ≥ 5 ist?
3. Welche ist die kürzeste Projektdauer die sich auf Basis der mitt-
leren Bearbeitungsdauern bestimmt?

Antwortmöglichkeiten

23 29
1. Aufgabenteil 1: 81 , Aufgabenteil 2: 81 , Aufgabenteil 3: 3
2. Aufgabenteil 1: 1, Aufgabenteil 2: 0, Aufgabenteil 3: 6
31 50
3. Aufgabenteil 1: 81 , Aufgabenteil 2: 81 , Aufgabenteil 3: 4
8 72
4. Aufgabenteil 1: 81 , Aufgabenteil 2: 81 , Aufgabenteil 3: 3
23 58
5. Aufgabenteil 1: 81 , Aufgabenteil 2: 81 , Aufgabenteil 3: 4
1 80
6. Aufgabenteil 1: 81 , Aufgabenteil 2: 81 , Aufgabenteil 3: 2
60 21
7. Aufgabenteil 1: 81 , Aufgabenteil 2: 81 , Aufgabenteil 3: 6
23 29
8. Aufgabenteil 1: 81 , Aufgabenteil 2: 81 , Aufgabenteil 3: 5
31 29
9. Aufgabenteil 1: 81 , Aufgabenteil 2: 81 , Aufgabenteil 3: 4
31 50
10. Aufgabenteil 1: 81 , Aufgabenteil 2: 81 , Aufgabenteil 3: 6

113
Mathematik ganz zufällig

Lösung

(Richtige Lösung: Antwort 3)

Es gibt vier Vorgänge, die unabhängig voneinander jeweils drei ver-


schiedene Dauern annehmen können. Insgesamt gibt es also 34 =
81 verschiedene Realisierungen. Aus den Reihenfolgebeziehungen
im Graphen und den möglichen Realisierungen von Vorgangsdau-
ern lassen sich die möglichen Gesamtprojektdauern 2, 3, . . . , 6 ab-
leiten. Nun kann man einfach durch Auszählen der Häufigkeiten
die Verteilung bestimmen. Dazu zählt man, wieviele Realisierungen
eine bestimmte Projektdauer PD erzielen und teilt sie durch die
Gesamtzahl der Realisierungen 81. Damit ergibt sich folgende Ver-
teilung für die Projektdauer:

1
PD = 2 mit Wahrscheinlichkeit
81
7
PD = 3 mit Wahrscheinlichkeit
81
23
PD = 4 mit Wahrscheinlichkeit
81
29
PD = 5 mit Wahrscheinlichkeit
81
21
PD = 6 mit Wahrscheinlichkeit
81
1 7
Also gilt PD ≤ 4 mit Wahrscheinlichkeit 81 + 81 + 23 31
81 = 81 = 37 %
50
und PD ≥ 5 mit Wahrscheinlichkeit 81 = 61,7 %. Das heißt, die
Wahrscheinlichkeit, dass das Projekt länger als vier Zeiteinheiten
dauert ist wesentlich höher als die Wahrscheinlichkeit, dass es ge-
nau vier oder weniger Zeiteinheiten dauert.
Vergleichen wir dieses Ergebnis nun mit einer groben Schätzung
auf Basis der mittleren Bearbeitungsdauern. Jeder Vorgang hat eine
mittlere Bearbeitungsdauer von zwei Zeiteinheiten. Auf Basis dieser
Dauern hätte das Gesamtprojekt eine Dauer von vier Zeiteinheiten,
was dem frühestens Fertigstellungszeitpunkt der Vorgänge c und d

114
Keller oder Dach zuerst?

entspricht. Dies steht im deutlichen Gegensatz zu den exakten Be-


rechnungen im vorigen Abschnitt, nach denen die Wahrscheinlich-
keit für die Einhaltung der Projektdauer 4 gering ist.
Dieses Beispiel zeigt, dass Gesamtdauern für Projekte mit (kom-
plexen) Reihenfolgeabhängigkeiten, die auf Basis der Mittelwerte
der einzelnen Dauern bestimmt werden, die wirklich zu erwartende
Projektdauer sehr stark unterschätzen können. Dieser Zusammen-
hang ist in allgemeiner Form auch als Jensensche Ungleichung be-
kannt. Sie besagt, dass für konvexe Funktionen f : R →R und
Zufallsvariablen X gilt, dass E [ f ( X ) ] ≥ f (E [ X ]). Hierbei sind
E [ X ] bzw. E [ f ( X ) ] die Erwartungswerte von X bzw. f ( X ), also
die mittleren zu erwartenden Werte bei oftmaligem Wiederholen.
Der korrekte Erwartungswert der Projektdauer ist der Mittelwert
über alle Projektdauern gewichtet mit deren Wahrscheinlichkeit,
1 7
d. h. in unserem Beispiel 2 81 + 3 81 + 4 23 29 21
81 + 5 81 + 6 81 ≈ 4, 8.

115
Viele Tests – viele Fehler?
Karsten Tabelow

Bildgebende Verfahren haben sich in den letzten Jahren einen festen


Platz in der Medizin erobert und die medizinische Forschung und
Diagnostik revolutioniert. Sie ermöglichen Ärzten und Forschern
einen Einblick in lebendes Gewebe. Mit der fortschreitenden tech-
nischen Entwicklung liefern die Verfahren immer höhere Auflösun-
gen, schärfere Bilder und mehr Details. Bildgebende Verfahren sind
ohne Mathematik undenkbar, von der Bildrekonstruktion aus den
gemessenen Signalen, bis hin zur Auswertung der Bildinformati-
on. Für die Analyse der großen Menge an Bilddatenpunkten (Voxel,
volume element, im Gegensatz zum zweidimensionalen Pixel, pict-
ure element) werden häufig insbesondere Methoden der mathema-
tischen Statistik benötigt. Zufällige Fehler in der Messung äußern
sich als Bildrauschen, die Bilder wirken unscharf und gestört. Da-
durch werden diagnostische Entscheidungen erschwert.
Unter den bildgebenden Verfahren spielt die Magnetresonanz-
tomographie (MRT) in den Neurowissenschaften eine herausragen-
de Rolle. Ein Grund dafür ist ein guter Weichteilkontrast, welcher
die Technik auch für die Untersuchung des menschlichen Gehirns
interessant macht. Darüber hinaus arbeitet die MRT im Gegensatz
zur bekannten und weit verbreiteten Computertomographie (CT)
nicht mit schädlicher ionisierender Strahlung sondern mit Radio-
wellen in einem starken permanenten Magnetfeld. Mit der Magne-
tresonanztomographie eröffnet sich den Neurowissenschaftlern die
Möglichkeit, dem Gehirn bei der Arbeit zuzuschauen. In schneller
Abfolge, das heißt alle zwei bis drei Sekunden, können komplette
dreidimensionale Bilder des Gehirns aufgezeichnet werden. Diese
Technik wird als funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRI)
bezeichnet und kann dazu benutzt werden, Denkprozesse im Ge-
hirn zu lokalisieren. Solche Prozesse bedeuten eine hohe Aktivität

117
Mathematik ganz zufällig

Abbildung 1. Simuliertes erwartetes Signal in einem Voxel, welcher während des


dreimal wiederholten Stimulus aktiv war (rote Linie). Gezeigt sind außerdem die
gemessenen Werte. Die Abweichungen entsprechen den zufälligen Fehlern, also dem
Bildrauschen.

des Gehirns, welche mehr Sauerstoff benötigt. Dieser wird mit dem
Blut in die entsprechenden Areale transportiert. Die resultierende
lokale Änderung des gemessenen Signals durch diesen BOLD (Blood
Oxygen Level Dependent)-Effekt kann als natürlicher Kontrast für
die Bildgebung benutzt werden.
Ein typisches fMRI-Experiment sieht so aus: Der Proband oder
Patient wird für eine gewisse Zeit z. B. einem optischen oder akus-
tischen Reiz ausgesetzt. Daran schließt sich eine entsprechende Ru-
hephase an. Dieser Zyklus wird einige Male wiederholt. Statt eines
passiven Reizes können auch Aufgaben gelöst werden, selbst Rech-
nen oder das Erfassen von Textinhalten sind denkbar. In Voxeln, die
während der Stimulation aktiv waren, kann durch den BOLD-Effekt
ein ganz spezifisches Signal erwartet werden (siehe Abbildung 1).
Dieses Signal ist jedoch, wie eingangs bereits erwähnt, durch zufäl-
lige Fehler überlagert. Daher ist es im Einzelfall schwer zu entschei-
den, ob das gemessene Signal die erwartete Form hat oder nicht.
Die mathematische Statistik stellt Signifikanztests bereit, um in ei-
nem Voxel diese Entscheidung zu treffen. Bei solchen Tests wird
eine Schranke (Signifikanzniveau) α > 0 für die Wahrscheinlich-

118
Viele Tests – viele Fehler?

keit festgelegt, durch den Test das erwartete Signal zu finden, ob-
wohl keines vorhanden ist. Dies sind sogenannte falsch positive Tes-
tergebnisse. Typische Werte für α sind 0,05 oder 0,01, denn dies
wird als eine hinreichend kleine Wahrscheinlichkeit für solche Er-
gebnisse betrachtet. Die Aufgabe, unter den rund 100 000 Voxeln,
die zum fMRI Datensatz gehören, die wenigen hundert aktivierten
zu finden, führt auf ein multiples Testproblem, also dem gleich-
zeitigen Test in allen Voxeln. Wird als Signifikanzniveau des voxel-
weisen Tests zum Beispiel α = 0,05 gewählt, so ergibt dies allein
etwa 5000 = 0,05 × 100 000 fälschlicherweise als aktiv klassifizierte
Voxel. Wie soll auf diese Weise eine einigermaßen sichere Entschei-
dung getroffen werden, in welchen Voxeln tatsächlich eine Aktivie-
rung vorliegt und welche Voxel nur durch die große Anzahl unab-
hängiger Signifikanztests als aktiv angezeigt werden? Eine Möglich-
keit ist die Festlegung einer Schranke für die Wahrscheinlichkeit,
bei Anwendung des voxelweisen Signifikanztests auf alle Voxel des
Datensatzes kein falsch positives Ergebnis zu erhalten.
Wie groß muss α gewählt werden, damit die Wahrscheinlich-
keit, bei 100 000 Voxeln kein falsch positives Ergebnis zu erhalten
0,99 = 99 % ist? Hinweis: Es sollte gerundet werden!

Antwortmöglichkeiten

1. 0,05 0, 01
6.
100 000
0, 05
2. 0, 01 · 1000
5000 7.
100 000
0, 05
3. 8. 0,991000
100 000
4. 0,01 9. 0,995000
0, 01 0, 99
5. 10.
1000 100 000

119
Mathematik ganz zufällig

Lösung

(Richtige Lösung: Antwort 6)

Wie so oft führt die Untersuchung des komplementären Ereignisses


schnell zum Ziel. Wenn für jeden einzelnen Test die Wahrschein-
lichkeit ein falsch positives Ergebniss zu liefern α ist, so ist die
Wahrscheinlichkeit, dass der Test kein falsch positives Ergebnis hat

1 − α.

Wenn alle n = 100 000 Tests unabhängig sind, ist die Wahrschein-
lichkeit dafür, dass keiner der Tests ein falsch positives Ergebnis lie-
fert
(1 − α ) n ,
also das n-fache Produkt der einzelnen Wahrscheinlichkeiten. Folg-
lich ist die Wahrscheinlichkeit, dass mindestens ein Test (von n)
falsch positiv ist
1 − (1 − α ) n .
Diese Wahrscheinlichkeit soll laut Aufgabe nur 0,01 = 1 % betra-
gen, damit ist aber α auf jeden Fall klein und wir erhalten nach Aus-
wertung der Potenz durch die binomische Formel, durch Vernach-
lässigung aller Terme, die eine mindestens quadratische Potenz von
α enthalten,

1 − (1 − α)n ≈ 1 − (1 − nα) = nα.

Demnach muss

α = 0,01/n = 0,0000001 = 0,00001 %

sein!

120
Karamell und Schokolade optimal
Andreas Eichhorn

In verschiedenen Situationen in Technik, Wirtschaft oder Politik ist


man daran interessiert unter einer Anzahl von möglichen Entschei-
dungen die jeweils beste auszuwählen, also die optimale Entschei-
dung zu treffen, die den größtmöglichen Nutzen bringt. In den
meisten Fällen sind Nutzen und Entscheidungsalternativen nicht
exakt gegeben, Entscheidungen werden dann entweder sprachlich-
argumentativ ausgewählt und begründet oder gar aus dem Bauch her-
aus gefällt. In manchen Fällen ist es aber möglich, Entscheidungs-
alternativen und Nutzen in Zahlen und Formeln so auszudrücken,
dass über diese Beschreibung im Prinzip die optimalen Entschei-
dungen und der maximale Nutzen festgelegt sind. Dabei ist zu
beachten, dass bei mehreren (gleichzeitig oder hintereinander) zu
treffenden Entscheidungen gewisse Abhängigkeiten zu berücksich-
tigen sind, bezüglich der möglichen Alternativen. Wenn beispiels-
weise die Umsetzung einer bestimmten (Teil-)Entscheidung mit be-
stimmten Kosten verbunden wäre, so stünde dieser Geldbetrag für
andere Entscheidungen nicht mehr zur Verfügung.
Das Gebiet mathematische Optimierung (oder auch Operations Re-
search in der Ökonomie) befasst sich mit der mathematischen Um-
setzung der Optimierung, also mit der Berechnung von optimalen
Lösungen (für den Fall, dass die Ausgangssituation und der zu
maximierende Nutzen mathematisch beschrieben werden können).
Formal geht es also um die Maximierung (oder Minimierung) von
mathematischen (Nutzen-)Funktionen, die von vielen Variablen ab-
hängen, unter gewissen Nebenbedingungen (Restriktionen) an die-
se Variablen, z. B.: maximiere f ( x1 , x2 ) unter der Nebenbedingung,
dass 0 ≤ x1 ≤ x2 ≤ a mit irgendeiner festen Zahl a > 0 gilt.
Die Variablen x1 , x2 repräsentieren hier die (optimal zu wählen-
den) Entscheidungen. In den meisten Anwendungsfällen repräsen-

121
Mathematik ganz zufällig

tiert die Nutzenfunktion f einen finanziellen Nutzen (Gewinn oder


Kosten), die Mathematik abstrahiert aber von der zu Grunde liegen-
den Interpretation. So können etwa dieselben Berechnungsmetho-
den auch für andere Optimierungsmodelle verwendet werden, in
denen es beispielsweise darum geht nach einer Naturkatastrophe
gewisse Güter so zu verteilen, dass eine maximale Anzahl von Men-
schenleben gerettet wird.
In den allermeisten Anwendungen sind aber nicht alle Rand-
bedingungen exakt bekannt. In manchen Fällen beschränken sich
diese Unsicherheiten aber auf bestimmte Parameter (Daten), über
die man vielleicht wenigstens statistische Informationen besitzt. In
obigem Beispiel könnte beispielsweise die Zahl a ein solcher Para-
meter sein, dessen Wert man nicht exakt kennt, aber dessen Wahr-
scheinlichkeitsverteilung aufgrund von empirischen Beobachtungen
aus der Vergangenheit bekannt ist. Meistens ist es in solchen Si-
tuationen nicht sinnvoll, x2 ≤ a für alle möglichen Werte von a
zu fordern, sondern man fordert, dass die Wahrscheinlichkeit, dass
x2 ≤ a beispielsweise mindestens 95 % beträgt. Die resultierende
Aufgabe ist dann ein Optimierungsproblem mit Wahrscheinlichkeitsre-
striktionen.
In der Energieversorgung z. B. werden solche Optimierungsan-
sätze auf Problemstellungen der folgender Art angewendet: Zu wel-
chem Zeitpunkt muss man welches Kraftwerk an- oder abschalten,
um den Strombedarf eines Versorgungsgebietes so zu decken, dass
die Gesamtkosten minimal sind? Dabei werden die Stromprodukti-
onsmengen der Kraftwerke zu verschiedenen Zeitpunkten als Ent-
scheidungsvariablen modelliert. Da das Starten eines Kraftwerkes
längere Zeit in Anspruch nimmt, ist etwa der Strombedarf eine Grö-
ße, die zum Entscheidungszeitpunkt nicht exakt bekannt ist. Die
Einbeziehung der zusätzlichen Möglichkeit Strom und Derivate an
der Strombörse zu Handeln macht dieses Anwendungsfeld zu einer
interessanten Herausforderung an die Mathematik. Generell führt
die Einbeziehung von Wahrscheinlichkeitstheorie und Statistik in
die mathematische Optimierung auf das Gebiet der stochastischen
Optimierung. Dieses ermöglicht es auch solche Entscheidungspro-

122
Karamell und Schokolade optimal

Abbildung 1. Stromkraftwerk

bleme mathematisch anzugehen, in denen einige Parameter „nur“


statistisch und nicht exakt gegeben sind.
Auch die nun folgende Entscheidungssituation fällt in die Pro-
blemklasse der Optimierungsprobleme mit Wahrscheinlichkeitsre-
striktionen. Die Zahlen dK und dS entsprechen den (nicht exakt ge-
gebenen) Daten, bK und bS entsprechen den Entscheidungen.

Ein Mathematiklehrer möchte einer Schulklasse mit 20 Schülern


zu seinem Geburtstag als Überraschung Muffins aus seiner (nicht
ganz billigen) Lieblingskonditorei spendieren. Er möchte zwei Sor-
ten (Karamell- und Schokoladenmuffins) zur Verfügung stellen, da
er weiß, dass Schüler sehr wählerisch sein können. Andererseits ist
der Lehrer ein sparsamer Mensch und möchte seine Ausgaben mi-
nimal halten. Da die ganze Aktion eine Überraschung sein soll und
die Schüler deshalb nicht direkt befragt werden können, fragt der
Lehrer beim nächsten Elternabend die Eltern der Schüler, ob de-
ren Kinder lieber Schoko- oder Karamellmuffins mögen. Er erhält
überraschenderweise von allen Eltern dieselbe Antwort: „Mein Kind
mag, glaube ich, lieber einen Karamellmuffin.“ Allerdings ist sich
keiner der Eltern sicher. Der Lehrer weiß aber aus Erfahrung dass

123
Mathematik ganz zufällig

sich die Eltern bei solchen Fragen unabhängig voneinander jeweils


mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,4 (=40 %) irren.
Als die Eltern jedoch von dem Plan des Lehrers hören sind sie
ein wenig besorgt darüber, ob bei dieser Aktion alles korrekt und
gerecht zugehen wird. Sie einigen sich schließlich mit dem Lehrer
auf die folgenden Bedingungen:
– Jeder Schüler bekommt genau einen Muffin.
– Die Ausgabe der Muffins an die Schüler erfolgt alphabetisch nach
Namen. Dabei können sich die Schüler ihren präferierten Muffin
aussuchen solange noch beide Sorten vorhanden sind, andern-
falls bekommen sie die Sorte die noch übrig ist.
– Die Wahrscheinlichkeit, dass alle Schüler ihre bevorzugte Muf-
finsorte bekommen, muss mindestens 0,98 (=98 %) betragen (ba-
sierend auf der Irrtumswahrscheinlichkeit von 0,4).
Des weiteren nehmen wir an, dass es keinen Schüler gibt, dem die
Sorte egal ist, d. h. jeder Schüler hat eine eindeutige Präferenz. Von
der Konditorei bekommt der Lehrer die folgenden Bedingungen:
– Ein Karamellmuffin kostet 6 Euro pro Stück, ein Schokoladen-
muffin jeweils 4 Euro.
– Übriggebliebene Muffins können nicht zurückgegeben werden.
Als nächstes muss der Lehrer nun also die Bestellung aufgeben, d. h.
er muss sich für eine Anzahl bK von zu bestellenden Karamellmuf-
fins und eine Anzahl bS von Schokomuffins entscheiden. Die Ge-
samtkosten 6 · bK + 4 · bS sollen dabei unter den gegebenen Bedin-
gungen minimal sein. Mit dieser Aufgabe tut sich der Mathematik-
lehrer allerdings schwer. Er könnte natürlich, um die 98 %-Vorgabe
zu erfüllen, einfach bK = bS = 20 wählen. Damit würden mit Si-
cherheit alle Schüler zufrieden gestellt, aber die Kosten dafür wären
nicht minimal.
Hilf ihm, indem Du die (unter diesen Bedingungen) optimalen
Bestellmengen bK und bS berechnest!

Bemerkungen. Der wirkliche Bedarf an Karamellmuffins dK und an


Schokomuffins dS ist zum Bestellzeitpunkt nicht exakt bekannt. Be-
rechne zunächst die Wahrscheinlichkeitsverteilung von dK , d. h. be-

124
Karamell und Schokolade optimal

rechne für i = 0, . . . , 20 die Werte P(dK = i ), wobei P die Wahr-


scheinlichkeit bezeichnet. Hinweis: Binomialverteilung (siehe For-
melsammlung).
Stelle eine Formel auf für die in dieser Aufgabe relevante Wahr-
scheinlichkeit P(bK ≥ dK und bS ≥ dS ), dass alle Schüler ihren
Lieblingsmuffin erhalten können. Beachte dabei
– Wahrscheinlichkeiten sich gegenseitig ausschließender Ereignis-
se können additiv zusammen gesetzt werden, z. B.

P(dK = i ) + P(dK = i − 1) = P(dK = i oder dK = i − 1)


= P (i − 1 ≤ d K ≤ i )

für i = 1, . . . , 20.
– Die Wahrscheinlichkeit aller möglichen Ereignisse beträgt immer
100 %, d. h. z. B.
20
∑ P(dK = i) = P(0 ≤ dK ≤ 20) = 1 .
i =0

– Es gilt immer dK = 20 − dS .
Damit kannst Du nun für jede der 400 möglichen Kombinationen
für bK , bS die relevante Wahrscheinlichkeit P(bK ≥ dK und bS ≥
dS ) berechnen. Allerdings muss man gar nicht alle Möglichkeiten
auswerten. Starte z. B. mit der Kombination bK = bS = 20 und
arbeite Dich dann geschickt schrittweise voran! Viel Spaß!

Antwortmöglichkeiten

1. bK = 20 und bS =0 6. bK = 16 und bS = 13
2. bK = 17 und bS = 13 7. bK = 18 und bS = 13
3. bK = 12 und bS =8 8. bK = 19 und bS = 10
4. bK = 20 und bS = 10 9. bK = 16 und bS = 14
5. bK = 20 und bS =8 10. bK = 15 und bS = 10

125
Mathematik ganz zufällig

Lösung

(Richtige Lösung: Antwort 9)

Für jeden der 20 Schüler beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass er


lieber einen Karamellmuffin möchte 0,6 = 60 %, unabhängig da-
von, was die anderen präferieren. Dies führt auf eine Binomialver-
teilung (äquivalentes Urnenmodell, siehe Formelsammlung), d. h.
die Wahrscheinlichkeitsverteilung für den Bedarf an Karamellmuf-
fins ist gegeben durch
 
20
P(dK = i ) = · 0,6i · 0,420−i
i

für i = 0, . . . , 20. Dies sind Zahlenwerte, die man z. B. mit dem Ta-
schenrechner ausrechnen kann:

i 0 1
(20i ) 1 20
P(dK = i ) 1, 0995 · 10−08 3, 2985 · 10−07

2 3 4 ...
190 1140 4845 ...
4, 7004 · 10−06 4, 2304 · 10−05 2, 6969 · 10−04 ...

(Die Binomialkoeffizienten (20i ) können dabei aus der Formelsamm-


lung entnommen oder mit dem Taschenrechner oder auch über das
Pascalsche Dreieck ausgerechnet werden.)
Wegen dS = 20 − dK gilt für den Bedarf an Schokomuffins

P(dS = i ) = P(dK = 20 − i )

und für die gesuchte Wahrscheinlichkeit ergibt sich

P(bK ≥ dK und bS ≥ dS ) = P(bK ≥ dK und bS ≥ 20 − dK )


= P(20 − bS ≤ dK ≤ bK )

126
Karamell und Schokolade optimal

bK
= ∑ P(dK = i )
i =20−bS
bK  
20
= ∑ · 0,6i · 0,420−i
i =20−bS
i
19−bS  
20
= 1− ∑ · 0,6i · 0,420−i
i =0
i
20  
20
− ∑ · 0,6i · 0,420−i
i = b +1
i
K

für gegebene Bestellmengen bK und bS . Dabei sei der Wert einer


Summe ∑ gleich Null, falls der untere Index größer ist als der obere,
20
also zum Beispiel 0 = ∑20 i =21 ( i ) · 0.6 · 0.4
i 20−i .

Nun können die relevanten Kombinationen von Bestellmengen


bK und bS bestimmt werden, so dass P(bK ≥ dK und bS ≥ dS ) ≥
0,98 = 98 %. Dabei kann man ausnutzen dass diese Wahrschein-
lichkeit monoton wachsend in der Variablen bK und in der Variablen
bS ist. Trivialerweise gilt P(20 ≥ dK und 20 ≥ dS ) = 1 > 0,98. Von
dort aus kann man sich an die Lösung „herantasten“, indem man
zum Beispiel zunächst bS so lange verringert bis man die zulässi-
gen 98 %-Bereich verlässt. Dafür genügt es jeweils nur einen Wert
aus obiger Tabelle zu subtrahieren. Vom letzten zulässigen Punkt
für bK = 20 aus (bS = 13) kann man anschließend bK schrittweise
verringern usw., mit obiger Formel kommt man damit auf folgende
Werte für P(bK ≥ dK und bS ≥ dS ):

127
Mathematik ganz zufällig

bS bK
20 19 18
20 1, 00000000
19 0, 99999999
18 0, 99999966
17 0, 99999496
16 0, 99995266
15 0, 99968297
14 0, 99838848
13 0, 99353412 0, 99349756 0, 99301008
12 0, 97897107
..
.

bS bK
17 16 15 ...
20 0, 94904805 ...
19 0, 94904804 ...
18 0, 94904771 ...
17 0, 94904301 ...
16 0, 94900070 ...
15 0, 94873102 ...
14 0, 98242731 0, 94743652 ...
13 0, 98992265 0, 97757296 ...
12 ...
..
. ...

Da auch die Kosten 6 · bK + 4 · bS monoton wachsend in bK und


in bS sind ist klar, dass nur die folgenden beiden Kombinationen
optimal sein können (minimale Kosten): bK = 16 und bS = 14 bzw.
bK = 17 und bS = 13. Einsetzen in die Kostenfunktion ergibt dass
bK = 16 und bS = 14 die optimale Lösung ist, d. h. der Lehrer
muss 16 Karamellmuffins und 14 Schokomuffins bestellen und (nur)
152 Euro dafür bezahlen.

128
Mathematik in Produktion und Logistik
Roboter und Zuckerstangen
Heike Siebert

Bei Produktion und Logistik denkt man sofort an Fabriken, Lager-


hallen und Gabelstapler und nicht unbedingt an Zellbiologie. Sieht
man etwas genauer hin erscheint dieser Gedankensprung jedoch gar
nicht mehr so unpassend. In einer lebenden Zelle laufen eine Viel-
zahl von Produktions-, Transport- und Regulationsprozessen ab.
Soll etwa ein gerade verfügbarer Rohstoff abgebaut werden, muss
vielleicht ein Signal ein Gen erreichen, das ein geeignetes Enzym
kodiert. Die Aktivierung des Gens führt über mehrere Zwischen-
stationen zur Produktion des Enzyms, das schließlich noch dahin
gelangen muss, wo es gebraucht wird. Ist der Bedarf gedeckt, muss
wiederum die Enzymproduktion eingestellt werden.
Die Frage, wie verschiedene Komponenten biologischer Syste-
me, z. B. Proteine, Gene, Stoffwechselprodukte, einander beeinflus-
sen und somit die Funktion des Systems gewährleisten, ist Gegen-
stand der sogenannten Systembiologie. Die betrachteten Zusam-
menhänge sind oft sehr komplex und sie zu verstehen wird noch
erschwert dadurch, dass oft nicht alle Komponenten und Vorgänge
in einem System bekannt sind. Mathematische Methoden können
helfen, die vorhandene Information systematisch zu erfassen und
zu analysieren.
In einem ersten Schritt kann man Komponenten und Interak-
tionen des Systems als einen gerichteten Graphen darstellen. Die-
ser repräsentiert die Struktur eines Systems, gibt aber noch keine
Auskunft darüber, wie sich das System verhält. Dazu muss man be-
schreiben, nach welchen Regeln sich die Komponenten gegenseitig
beeinflussen, z. B. welche Substanzen vorliegen müssen, damit ei-
ne bestimmte Reaktion ablaufen und eine neue Substanz erzeugt
werden kann. Wenn man genaue Informationen aus Experimenten
zur Verfügung hat, etwa wie sich die Konzentrationen von Sub-

131
Mathematik in Produktion und Logistik

stanzen verändern und wie die beteiligten Prozesse chemisch und


physikalisch aussehen, kann man sehr genaue Modelle bauen. Da-
für werden meistens Differentialgleichungssysteme verwendet. Hat
man jedoch nur sehr grobe Informationen, so bietet es sich an, eine
diskrete Funktion zur Beschreibung des Systems zu verwenden. Im
einfachsten Fall nimmt man an, jede Komponente kann den Wert 0
oder 1 annehmen. So würde etwa einem Gen der Wert 0 zugeordnet
werden, wenn es inaktiv ist. Der Wert wird auf 1 gesetzt, wenn es
aktiviert wird. Für Stoffwechselprodukte kann der Wert 1 eine ho-
he, der Wert 0 eine niedrige Konzentration der Substanz bedeuten.
Weist man jeder Komponente des Systems einen Wert zu, erhält
man einen Vektor, der den Zustand des Systems beschreibt. Mit-
tels einer Funktion kann man nun die Regeln, nach denen sich die
Komponenten des Systems gegenseitig beeinflussen, beschreiben.
So wird festgelegt wie sich der Zustand eines Systems ausgehend
von einem Startzustand verändert.
Durch wiederholtes Anwenden der Funktion können wir simu-
lieren, wie das System sich über einen gewissen Zeitraum hinweg
verhalten wird. Oft ist es von Interesse, ob das System bestimm-
te Aufgaben erfüllen kann, etwa ob ein bestimmtes Gen exprimiert
wird. Simulation und Analyse des mathematischen Modells, also
des Graphen und der Funktion, geben Hinweise darauf, ob die Vor-
stellung, die man vom Aufbau des Systems hat, mit den experimen-
tellen Beobachtungen übereinstimmt. Oft liefern sie neue Ansatz-
punkte für die Gestaltung von Experimenten im Labor, die zu einem
besseren Verständnis des Systems führen können.
Die Aufgabe, ein (vielleicht unvollständig beschriebenes) Sys-
tem zu modellieren und sein Verhalten zu analysieren, ist zentral
für Mathematiker, die in der Systembiologie arbeiten. Die Werkzeu-
ge und Methoden, die man dafür entwickelt, können aber wiederum
sehr vielseitig eingesetzt werden, nicht zuletzt auch für Problem-
stellungen, die sich um Fabriken, Lagerhallen und Gabelstapler dre-
hen.
Heinrich Drögel ist erfolgreicher Unternehmer. Er macht sein
Geld mit Zuckerstangen, die er beutelweise auf Jahrmärkten ver-

132
Roboter und Zuckerstangen

kauft. Er versucht immer auf der Höhe der Zeit zu sein, deswegen
hat er sich für einfache Aufgaben robotische Hilfe beschafft. Die
Roboter sollen Papiertüten mit Zuckerstangen befüllen. Die Robo-
ter stehen dazu in einer Schlange hintereinander. Ganz vorne ist
eine Tüte, die zu befüllen ist. Alle Roboter schauen Richtung Tüte,
d. h. in die gleiche Richtung. Das Befüllen selbst funktioniert wie
folgt:
– Jede Minute führen die Roboter folgende Aktionen gleichzeitig
aus: Wenn sie eine Zuckerstange in der Hand haben, geben sie sie
an den Roboter vor ihnen in der Schlange weiter, der sie natür-
lich auch annimmt, oder, wenn sie ein Roboter vor der Tüte sind,
stecken sie die Zuckerstange in die Tüte.
– Jeder Roboter kann sowohl gleichzeitig eine Zuckerstange vom
Hintermann annehmen als auch seine, die er in der Hand hält
(also in der vorherigen Minute erhalten hat), weitergeben oder in
die Tüte stecken.
Von dieser Sorte sogenannter Transportroboter hat Heinrich Drögel
14 Stück erworben. Zusätzlich hat er sich noch zwei Multifunktions-
roboter, Robbi und Tobbi, geleistet. Wenn diese beiden in Betrieb
sind, produzieren sie jede Minute eine Zuckerstange und geben die
eine Minute vorher produzierte Zuckerstange an den vor ihnen ste-
henden Roboter weiter.
Wohlwollend beobachtet von Heinrich Drögel stehen die Robo-
ter in zwei geordneten, jeweils von Robbi und Tobbi ausgehenden
Reihen und befüllen Tüten, als plötzlich das Telefon klingelt. Drö-
gel erwartet einen wichtigen Anruf, und so stürmt er rücksichtslos
Richtung Telefon und wirbelt dabei alle Roboter durcheinander. Sie
rappeln sich wieder auf, laufen verwirrt durcheinander und kom-
men schließlich in einer neuen Anordnung zur Ruhe.
Robbi, Tobbi und 8 weitere Roboter stehen in einem Kreis, in
dem alle Roboter in Uhrzeigerrichtungssinn blicken. Unter den
Transportrobotern, die in dem Kreisbogen stehen, der von Robbi
zu Tobbi führt, gibt es drei Roboter, die nicht nur einen Roboter
vor sich zu stehen haben, sondern auch einen in Reichweite neben

133
Mathematik in Produktion und Logistik

Abbildung 1. Schematische Darstellung des neuen Aufbaus

sich. D. h. hier zweigen insgesamt 3 Schlangen vom Kreis ab. Jede


dieser 3 Schlangen endet vor einer leeren Tüte.
Robbi und Tobbi haben bei dem Unfall ihre Produktion ge-
stoppt, und fast alle Roboter haben ihre Zuckerstangen verloren,
nur Tobbi und drei Transportroboter haben noch eine in der Hand.
Diese drei Transportroboter stehen alle in dem Teil des Kreisbogens,
der von Tobbi zu Robbi führt. Wie sich die verbleibenden Roboter,
die nicht im Kreis stehen, auf die drei abzweigenden Schlangen auf-
teilen, ist unklar. Man weiß nur, dass alle wieder mitarbeiten.
Abbildung 1 gibt einen Überblick über die prinzipielle neue An-
ordnung. wobei R für Robbi und T für Tobbi stehen.
In dieser neuen Situation beginnen die Roboter wieder ihre Ar-
beit, d. h. nach jeder Minute sollten sie die oben beschriebenen Ak-
tionen ausführen. Aber die neue Anordnung verwirrt einige Roboter
und führt bei manchen zu einer Funktionsänderung. Jeder Roboter,
der einen Roboter vor sich und einen neben sich stehen hat, ändert
seine jede Minute stattfindende Weiterreichaktion, so er denn eine
Zuckerstange zum Weiterreichen hat, folgendermaßen:
Er bricht die Zuckerstange durch und reicht jedem der beiden
eine Hälfte. Ein Teil einer Zuckerstange wird von allen Robotern
wie eine ganze Zuckerstange behandelt.

134
Roboter und Zuckerstangen

Robbi und Tobbi sind begeistert, wenn ihnen eine Zuckerstange


gereicht wird. Sie essen sie mit einem Biss auf und vergessen dar-
über in derselben Minute, in denen ihnen die Stange gereicht wird,
eine neue Stange zu produzieren, reichen aber, falls sie eine Minu-
te vorher eine produziert haben, diese trotzdem brav weiter. In der
Minute nach jedem Schmaus produzieren sie wieder, es sei denn,
sie bekommen erneut einen Stange gereicht. In der ersten Minute
reicht Tobbi die Zuckerstange, die er nach dem Sturz noch in der
Hand hat, weiter und produziert gleichzeitig eine neue.
32 Minuten nachdem die Roboter ihre Arbeit wieder aufgenom-
men haben, kommt Heinrich Drögel zurück und prüft, ob die Tüten
fertig befüllt sind. In jeder Tüte sollen mindestens drei Zuckerteile
sein, wobei Drögel es nicht so genau nimmt, ob ein Zuckerteil nun
eine ganze oder nur ein Stück einer Zuckerstange ist. Wie viele der
drei Tüten können fertig befüllt sein?

Antwortmöglichkeiten

1. Es sind alle Tüten fertig befüllt, egal wie die Roboter stehen.
2. Es sind genau zwei oder genau drei Tüten fertig befüllt.
3. Nur eine Tüte ist fertig befüllt, egal wie die Roboter stehen.
4. Genau eine Tüte ist fertig befüllt oder genau drei Tüten sind
fertig befüllt.
5. Es sind alle oder keine der Tüten fertig befüllt.
6. Genau eine Tüte oder genau zwei oder genau drei Tüten sind
fertig befüllt.
7. Es ist keine oder genau eine der Tüten fertig befüllt.
8. Alle oder genau zwei oder keine der Tüten sind fertig befüllt.
9. Es sind genau zwei Tüten fertig befüllt, egal wie die Roboter
stehen.
10. Es ist keine der Tüten fertig befüllt, egal wie die Roboter ste-
hen.

135
Mathematik in Produktion und Logistik

Lösung

(Richtige Lösung: Antwort 8)

Zunächst besteht die Schwierigkeit darin, dass wir nicht genau wis-
sen, wie sich die Roboter aufgestellt haben. Wir wissen, dass zehn
Roboter einen Kreis bilden und die anderen sechs sich auf drei
Schlangen aufteilen. Da die drei Schlangen von Transportrobotern
in der Schlange von Robbi zu Tobbi abzweigen, stehen in dieser also
mindestens drei Transportroboter. Weiter haben drei Transportro-
boter Zuckerstangen in der Hand und stehen in der Schlange zwi-
schen Tobbi und Robbi. Sechs Transportroboter teilen sich auf drei
Schlangen auf, also haben wir die möglichen Aufteilungen 1, 1, 4
oder 1, 2, 3 oder 2, 2, 2 auf die drei Schlangen.
Die Zuckerstangen oder Zuckerstangenstücke, die die Tüten be-
füllen, werden alle von Robbi produziert, da die von Tobbi produ-
zierten schließlich an Robbi weitergegeben werden und der sie auf-
isst. Wir müssen also herausfinden, ob und mit welcher Frequenz
Robbi Zuckerstangen produziert und dann überlegen, wie lange es
dauert bis die produzierten Stangen oder Stücke davon die Tüten
erreichen.
Wir nummerieren die Roboter, die im Kreis stehen von 1 bis 10
durch, wobei Tobbi die 1 bekommt. Nun basteln wir eine Funktion
xi für jeden der Roboter, so dass xi (t) = 0 gilt, falls Roboter i in
der t-ten Minute keine Stange weiterreicht, und xi (t) = 1, falls
Roboter i in der t-ten Minute eine Stange weiterreicht. Für jeden
Transportroboter j gilt
x j (t + 1) = x j−1 (t) für t = 2, 3, . . .
und der Wert x j (1) hängt davon ab, ob Roboter j in der Anfangsauf-
stellung eine Stange in der Hand hat oder nicht. Für Tobbi gilt
x1 (t + 1) = 1 − x10 (t) für t = 2, 3, . . . und x1 (1) = 1 ,
und für Robbi, der eine Nummer 4 < r < 8 hat, gilt
xr (t + 1) = 1 − xr−1 (t) für t > 1 und xr (1) = 0 ,

136
Roboter und Zuckerstangen

da beide nur produzieren, wenn ihr Vorgänger ihnen keine Zucker-


stange reicht, und sie immer die eine Minute vorher produzierte
Stange weiterreichen.
Betrachten wir zuerst den Fall, dass zwischen Tobbi und Robbi
nur die drei Transportroboter mit der Zuckerstange in der Hand
stehen, d. h. Robbi hat die Nummer 5 und wir wissen
 
x1 (1), . . . , x10 (1) = (1, 1, 1, 1, 0, 0, 0, 0, 0, 0).

Anwendung der oben bestimmten Funktionsregeln ergibt


 
x1 (2), . . . , x10 (2) = (1, 1, 1, 1, 0, 0, 0, 0, 0, 0),

d. h. die Situation in Bezug auf das Stangenweitergeben ändert sich


nicht. Tatsächlich ändert sich der Vektor und insbesondere der Wert
x5 (t) = 0, der beschreibt, ob Robbi eine Stange weitergeben kann,
nie. Unser Anfangswert ist ein Fixpunkt. Es bleiben also alle drei
Tüten leer, egal wie lange Drögel zum Telefonieren braucht. Damit
können nur die Lösungsvorschläge 5, 7, 8 und 10 richtig sein.
Als nächstes überlegen wir, welche Anordnung zu einem Befül-
len der Tüten führt und für welche unter diesen Anordnungen das
Befüllen am langsamsten vonstatten geht. Wir nehmen nun an, dass
mindestens einer der Roboter in der Schlange von Tobbi zu Robbi
anfangs keine Stange hat. Wir überlegen uns zunächst, dass Robbi
alle zehn Minuten so viele Zuckerstangen produziert wie Transpor-
troboter ohne Zuckerstange in der Schlange von Tobbi zu Robbi in
der Anfangsaufstellung stehen. Der Ablauf in 10 Minuten sieht wie
folgt aus:

xr (1) = 0,
x r (2 ) = 1 − x r −1 (1 ),
x r (3 ) = 1 − x r −2 (1 ),
..
.
x r ( k + 1) = 1 − x2 (1),
xr ( k + 2) = 1 − x1 (1),

137
Mathematik in Produktion und Logistik

wobei k die Anzahl der Transportroboter ist, die in der Schlange


von Tobbi zu Robbi stehen. Da x1 (t + 1) = 1 − x10 (t), erhalten wir
weiter:
 
xr (k + 3) = 1 − 1 − x10 (1) = x10 (1),
 
x r ( k + 4) = 1 − 1 − x9 (1) = x9 (1),
..
.
 
x r ( k + 2 + l ) = 1 − 1 − x r +1 (1 ) = x r +1 (1 ),

wobei l die Anzahl der Transportroboter in der Schlange von Robbi


zu Tobbi ist, also k + 2 + l = 10. Wir wissen, dass

xi (1) = 0 für r < i ≤ 10 .

Nur die Roboter i mit 1 < i < r und xi (1) = 0 führen dazu, dass
Robbi in den ersten 10 Minuten eine Stange weitergibt. Wenn wir
jetzt noch einen Schritt weitergehen, sehen wir, dass

xr (11) = xr (1).

Auf die gleiche Art können wir zeigen, dass

xi (1) = xi (11)

für alle Roboter im Kreis, und noch genauer

xi (1) = xi (1 + m · 10) für m = 1, 2, . . .

Also, produziert Robbi alle zehn Minuten so viele Zuckerstangen


wie Transportroboter ohne Zuckerstange in der Schlange von Tobbi
zu Robbi in der Anfangsaufstellung stehen.
Jetzt können wir noch ausrechnen, wie lange es im schlimms-
ten Fall dauert, eine Tüte zu befüllen. Die Zuckerstangenproduk-
tion von Robbi geht am langsamsten, wenn nur ein Roboter ohne
Zuckerstange in der Schlange von Tobbi zu ihm steht. Also stehen
insgesamt vier Roboter in dieser Schlange. Je weiter der Roboter oh-
ne Stange von Robbi entfernt steht, desto länger dauert es, bis Robbi

138
Roboter und Zuckerstangen

mit der Produktion beginnt. Deshalb nehmen wir an, er steht direkt
vor Tobbi, d. h. er hat die Nummer 2. Wenn Robbi eine Zuckerstange
produziert, muss diese, oder Stücke davon, ja noch weiter gereicht
werden. Je mehr Roboter also zwischen Robbi und einer zu befüllen-
den Tüte stehen, desto länger dauert es bis diese gefüllt ist. Da vier
Roboter in der Schlange von Tobbi zu Robbi stehen, stehen auch
vier in der Schlange von Robbi zu Tobbi. Um den längsten mög-
lichen Weg von Robbi zu einer Tüte zu bekommen, muss also die
längste mögliche Schlange (wie wir oben gesehen haben, hat diese
die Länge 4) von dem letzten Roboter in der Schlange von Robbi
zu Tobbi (Nummer 10) abzweigen. Wir nummerieren diese Roboter
11, 12, 13 und 14. Insgesamt stehen dann 8 Roboter zwischen Rob-
bi und dem Strumpf am Ende dieser Schlange. In diesem Szenario
produziert Robbi in der vierten Minute eine Stange, da der Robo-
ter hinter ihm in der vierten Minute keine Stange weiterreicht. Die
Stange reicht Robbi in der fünften Minute weiter, d. h. x6 (5) = 1.
Die Stange oder Teile davon werden jede Minute weitergereicht, d.h.
x10 (9) = 1 und schließlich x14 (13) = 1. Das bedeutet, dass der Ro-
boter mit Nummer 14 in der 13. Minute das erste Stangenstück in die
Tüte steckt. Nun haben wir schon gezeigt, dass sich jede Situation
alle 10 Minuten wiederholt. Also wird das zweite Stangenstück in
der 23. und das dritte in der 33. Minute in die Tüte gesteckt. Hein-
rich Drögel unterbricht aber nach 32 Minuten, also sind erst zwei
Stücke im Sack. Da alle anderen Wege von Robbi zu den verblei-
benden zwei Tüten kürzer sind, sind diese fertig befüllt. In dieser
Situation haben wir also genau zwei fertige Tüten.
Für jede andere Möglichkeit einer Anfangsaufstellung der Ro-
boter – wir nehmen immer noch an, dass mindestens ein Roboter
ohne Stange in der Schlange von Tobbi zu Robbi steht – gilt, dass es
weniger als 13 Minuten dauert, bis jede Tüte ein Stangenstück ent-
hält. Da sich jede Situation alle zehn Minuten wiederholt, dauert es
also immer weniger als 33 Minuten bis jede Tüte fertig gefüllt ist.
Damit ist Antwort 8 richtig.

139
Die Welt des Herrn Kuhn
Daniela Kern

Eines Morgens erwachte Herr Kuhn fröstelnd und staunte darüber, dass es
in seiner Wohnung eiskalt war. Dennoch quälte er sich aus seiner kuscheli-
gen Bettdecke heraus und schlurfte ins Bad. „Hoffentlich wird wenigstens
das Wasser warm“, dachte er sich, als er den Wasserhahn betätigte – aber
es kam nicht nur kein warmes Wasser, außer einem unheilvollen Gluckser
kam gar nichts aus der Leitung. „Dann werde ich wohl mal den Klemp-
ner anrufen“, sprach er sich leise in den Bart und griff zu seinem Handy
– doch das Netz war tot! Herr Kuhn begann nun, sich ernsthaft Sorgen
zu machen, „Oje, was ist denn heute nur los? Ist irgendetwas Schlimmes
passiert?“ Um einen besseren Überblick über die Lage zu bekommen und
sich austauschen zu können, brannte er nun förmlich darauf, rauszuge-
hen und zur Arbeit zu fahren. An anderen Tagen, die er frisch geduscht
und mit Kaffee und Marmeladen-Brot begann, war er selten so motiviert.
So ging er also nun mit leerem Magen aus dem Haus. Hätte er den Ver-
such unternommen, sein tägliches Marmeladenbrot zuzubereiten, und da-
für den Kühlschrank geöffnet, um das Marmeladenglas herauszunehmen,
wäre ihm aufgefallen, dass auch die Stromversorgung Störungen unter-
worfen war, unschön zu erkennen an den ersten grünen, felligen Inseln
auf seinem Lieblingskäse.
Draußen auf der Straße liefen viele Menschen umher und auch Autos
fuhren herum, die Zivilisation war also doch noch nicht ganz verloren.
Allerdings auch hier stimmte etwas nicht: an den Kreuzungen gab es wil-
des Gehupe und Geschrei, da die Ampelanlage der weit weniger befahrenen
Ost-West-Achse längere Grünphasen gewährten als der vom Berufsverkehr
gebeutelten Nord-Süd-Straße. Zusätzlich verstopften Busse mit sehr unter-
schiedlich starken Fahrgastzahlen die Durchfahrt, während an manchen
Bushaltestellen empörte Fahrgäste offensichtlich schon sehr lange auf „ih-
ren“ Bus warteten. Glücklicherweise hatte Herr Kuhn es nicht weit zu sei-
ner Arbeitsstätte und darum ging er nun einfach zu Fuß und schlängelte

141
Mathematik in Produktion und Logistik

sich durch die Engstellen. In seinem Büro angekommen, befragte er die Kol-
legen, ob sie eine Erklärung für die Vorkommnisse hatten. Der Mathema-
tiker Albert klärte auf, dass die Versorgungsnetze für Wasser, Strom etc.
nicht lahmgelegt, sondern lediglich überfordert waren, da die optimierten
Steuerungspläne gegen alte Pläne ausgetauscht worden waren. Ebenso ver-
hielt es sich bei den Busfahrplänen und der Ampelsteuerung. „Die Ursache
für das Verwenden der nicht-optimierten Pläne ist noch völlig ungeklärt,
vielleicht haben sich ein paar unbezahlte Praktikanten einen Streich er-
laubt. Ab morgen soll der Betrieb aber wieder normal laufen.“
Da auch in den Büros alles sehr langsam und schleppend lief, ging Herr
Kuhn an diesem Tag bereits Mittags nach Hause. Dort angekommen legte
er sich einfach gleich ins Bett, um den Rest dieses Tages einfach zu ver-
schlafen, was ihm in dieser Situation die beste Lösung erschien.

Herr Kuhn tut sich schwer, wenn nicht alles reibungslos klappt. Da-
bei ist es eigentlich ein Wunder, dass unsere komplizierten Versor-
gungsstrukturen doch normalerweise ziemlich gut funktionieren.
Bieten neue Technologien, globalisierte Märkte und gutvernetzte
Transportwege zwar großes Potential für Fortschritt und Wohl-
standsmehrung, so bedarf es aber auch großen Analyse- und Pla-
nungsaufwands, um diese Strukturen auch tatsächlich gewinnbrin-
gend zu nutzen. Um dies zu gewährleisten, wird unter anderem die
mathematische Optimierung bemüht. Komplizierte Probleme mit
vielen Nebenbedingungen, wie z. B. das Aufstellen eines guten Bus-
fahrplans, die Planung der Energie-Erzeugung in einem Kraftwerk,
oder die Logistik an einem Verladehafen sind kaum ohne die Hil-
fe einer systematischen Herangehensweise zu meistern. Doch nicht
nur in Fragen der Infrastruktur sind mathematische Optimierungs-
methoden gut zu gebrauchen. Auch in der Entwicklung oder Ver-
besserung von Produkten und modernen Materialien, im Finanz-
wesen und in unzähligen anderen Bereichen wird viel Mathematik
und Optimierung eingesetzt. Bei der mathematischen Optimierung
handelt es sich aber nicht um eine einheitliche Theorie, da die Be-
dingungen der verschiedenen Anwendungen sehr unterschiedlich
sind.

142
Die Welt des Herrn Kuhn

Abbildung 1. Moderne Produktion: Kooperierende Roboter bei der Arbeit


(INVISION-Simulation, WIAS Berlin)

Durch das Umsetzen physikalischer Gesetzmäßigkeiten in ma-


thematische Formeln und das Finden von Lösungsstrategien für die
entstehenden komplexen Gleichungssysteme lassen sich Prozesse in
Natur, Technik und Produktion annähernd abbilden. Auf diese Wei-
se kann man diese Prozesse zum Gegenstand mathematischer Opti-
mierung machen. Mögliche Fragestellungen lauten zum Beispiel:
– Wie härte ich Stahl so, dass das Material möglichst wenig Scha-
den erleidet und sich mit Eigenschaften wie Form und Belastbar-
keit gut in einer Gesamt-Apparatur verarbeiten lässt?
– Welche Bahn muss ein Schweiss-Roboter in der Automobil-Her-
stellung fahren, so dass keine fehlerhaften Schweissnähte entste-
hen, aber die Fertigung dennoch zügig vonstattengehen kann?
Bei diesen Anwendungen hat man es mit Bedingungen in Form
partieller Differentialgleichungen zu tun. Die Lösung solcher Glei-
chungen stellt für sich bereits eine Herausforderung dar, häufig
kann man eine Lösung nur näherungsweise mit dem Computer er-
mitteln und auch dies ist manchmal schwierig oder sogar unmög-
lich. In der Verkehrsoptimierung hingegen behandelt man unter
anderem Probleme mit einer Ganzzahligkeitsbedingung, die große
Hürden aufwirft, da die Standardmethoden der Analysis wie das

143
Mathematik in Produktion und Logistik

Ausnutzen von Aussagen über die Ableitungen nicht unmittelbar


eingesetzt werden können. Für das Lösen der auftretenden Glei-
chungen müssen raffinierte Algorithmen eingesetzt werden. Bei Si-
tuationen hingegen, bei denen viele verschiedene menschliche In-
teressengruppen agieren, z. B. auf dem Finanz- oder Energiemarkt,
hat man es oft mit stochastischen Unwägbarkeiten zu tun und muss
darum Methoden der Wahrscheinlichkeitstheorie in die Optimie-
rung einbinden. Man könnte die Liste der Problemarten noch fort-
setzen, den meisten Optimierungsaufgaben ist aber gemeinsam,
dass ein Wert (die Auswertung einer „Zielfunktion“ bezüglich ge-
wisser Prozess-Variablen) unter Nebenbedingungen minimiert oder
maximiert werden soll.
Unter den Problemklassen der Optimierung mit ihren jewei-
ligen Lösungsmethoden gehört die der Linearen Optimierung zu
den am besten erforschten. Zudem ist sie der Intuition noch sehr
gut zugänglich. Man begegnet ihr in vielen Bereichen, z. B. in der
Produktionsplanung, beim Routing in Telekommunikations- und
Verkehrsnetzen und in der Spieltheorie. Da man linearen Optimie-
rungsproblemen einerseits häufig begegnet, sie sich andererseits
aber auch relativ einfach lösen lassen, soll im Folgenden eine sol-
che Aufgabe untersucht werden:
Eine kleine Saftfabrik produziert Orangen- und Apfelsaft. Der
Orangensaft bringt 0,30 Euro Gewinn pro Flasche, der Apfelsaft
0,20 Euro. Die Obstlieferanten können Orangen für maximal 300
Flaschen Orangensaft und Äpfel für maximal 700 Flaschen Apfel-
saft pro Tag liefern. Die Produktionskapazität bei Beschränkung
auf eine Saftsorte beträgt 500 Flaschen Orangensaft oder 1000 Fla-
schen Apfelsaft pro Tag (d. h. in der Zeit, die gebraucht wird, 500
Flaschen Orangensaft herzustellen, können 1000 Flaschen Apfelsaft
produziert werden; in der gegebenen Zeit aber höchstens 500 Fla-
schen Orangensaft beziehungsweise höchstens 1000 Flaschen Apfel-
saft, würde sich die Fabrik auf eine Sorte beschränken). Beide Säfte
werden in die gleichen Flaschen abgefüllt (lediglich anders etiket-
tiert), insgesamt stehen pro Tag 800 dieser Flaschen zur Verfügung.
Der Safthersteller möchte natürlich seinen Gewinn maximieren –

144
Die Welt des Herrn Kuhn

welche Produktionsstrategie sollte er wählen? (Nicht zu vergessen:


natürlich kann der Safthersteller keine negativen Mengen produ-
zieren.) Eigentlich ist es noch sinnvoll, eine Ganzzahligkeitsbedin-
gung zu fordern (z. B. keine halben Flaschen), da dies dann aber zur
schwierigeren Klasse der ganzzahligen Optimierung führen würde,
möge darüber hinweggegangen werden.
Zusatzfrage: kann er seinen Gewinn vergrößern, wenn er statt in
Flaschen in Tetra-Paks abfüllt, von denen er unbegrenzt viele ein-
setzen kann?

Antwortmöglichkeiten

Die gewinnbringendste der zulässigen Produktionsstrategien ist die


Herstellung von . . .
1. 350 Flaschen Orangensaft.
2. 700 Flaschen Apfelsaft, kein Orangensaft.
3. 800 Flaschen Orangensaft, kein Apfelsaft.
4. Es gibt zwei gewinn-optimale Möglichkeiten, nämlich die Her-
stellung von 700 Flaschen Apfelsaft und 100 Flaschen Oran-
gensaft oder 300 Flaschen Orangensaft und 400 Flaschen Ap-
felsaft.
5. Es gibt unbegrenzt viele Möglichkeiten, den optimalen Ge-
winn von 18 Euro zu erwirtschaften.
6. 320 Flaschen Orangensaft und 480 Flaschen Apfelsaft bei ei-
nem Gewinn von 19,20 Euro.
7. 320 Flaschen Orangensaft und 480 Flaschen Apfelsaft bei ei-
nem Gewinn von 20,80 Euro.
8. 200 Flaschen Orangensaft und 600 Flaschen Apfelsaft.
9. Die Kleinstfabrik kann einen optimalen Gewinn von 19 Euro
pro Tag erwirtschaften.
10. Bei Verwenden von Tetra-Paks besteht die optimale Lösung
darin, 300 mit Orangensaft und 400 mit Apfelsaft zu befüllen,
was einen Gewinn von 17 Euro einbringt.

145
Mathematik in Produktion und Logistik

Lösung

(Richtige Lösung: Antwort 8)

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, den Aufgabentyp zu lösen, hier


wird die Lösung an einer Graphik (Abbildung 2) veranschaulicht.
An der x-Achse ist die Anzahl von Orangensaftflaschen, an der
y-Achse die der Apfelsaftflaschen aufgetragen. Da die Anzahl der
Saftflaschen nicht negativ sein kann, betrachten wir nur den ers-
ten Quadranten, also nur den Bereich des Koordinatensystems, in
dem x ≥ 0 und y ≥ 0 gilt. Die in der Aufgabenstellung formulier-
ten Beschränkungen sind in der Abbildung eingezeichnet und ent-
sprechend beschriftet. Die Beschränkung „zur Verfügung stehende
Orangen“ beispielsweise wirkt nur auf die Produktion des Orangen-
safts und definiert somit einen Abschnitt auf der x-Achse. Links der
Linie ist die Beschränkung erfüllt, rechts davon nicht mehr. Ana-
log verhält es sich mit der Beschränkung „zur Verfügung stehender
Äpfel“, hier wird entsprechend ein Abschnitt auf der y-Achse spe-
zifiziert. Die Beschränkung „Kapazität“ betrifft die Produktion bei-
der Saftsorten. Würde man sich auf eine Sorte beschränken, könnte
man 1000 Flaschen Apfelsaft herstellen, entsprechend beginnt die
Linie bei ( x, y) = (0, 1000) (kein Orangensaft, 1000 Flaschen Apfel-
saft). Umgekehrt kann man 500 Flaschen Orangensaft produzieren,
wenn man auf Apfelsaft verzichtet. Also geht die Linie auch durch
den Punkt ( x, y) = (500, 0). Es besteht ein proportionaler Zusamm-
menhang zwischen den jeweiligen Produktionskapazitäten der bei-
den Saftsorten – für die Herstellung einer Flasche Orangensaft wird
soviel Zeit wie für die zweier Flaschen Apfelsaft benötigt, die Punk-
te (0, 1000) und (500, 0) werden somit durch eine Linie verbunden.
Ähnlich verhält es sich mit den Flaschen. Es stehen 800 Flaschen
zur Verfügung, also ist die Anzahl der Saftflaschen durch 800 be-
schränkt, x + y ≤ 800. Auf der mit „Flaschen“ beschrifteten Linie
gilt genau x + y = 800. Links der Linie ist die Bedingung erfüllt,
rechts davon nicht.

146
Die Welt des Herrn Kuhn

Abbildung 2. x: Orangen, y: Äpfel

Die Gesamtheit der Beschränkungen definiert den zulässigen Be-


reich, also die Werte ( x, y), die sich auch tatsächlich unter den ge-
gebenen Beschränkungen (wie z. B. die limitierte Anzahl des jewei-
ligen Obsts) realisieren lassen. Der zulässige Bereich für die Ori-
ginalaufgabe ist gelb eingefärbt; verzichtet man auf die Flaschen-
Beschränkung, kommt zu dem gelben noch der cyanblaue (hell-
blaue) Bereich dazu.
Der optimale Gewinn wird bei einem Paar ( x, y) dieser zuläs-
sigen Produktionszahlen angenommen. Neben den Beschränkungs-
linien sind in der Abbildung 2 noch zwei Niveaulinien eingezeich-
net. (Diese sind mit kleinen senkrecht stehenden Pfeilen versehen,
deren Bedeutung weiter unten erläutert wird.) Entlang einer sol-
chen Niveaulinie nimmt der Gewinn als Funktion f ( x, y) (der er-
zielte Gewinn bei Herstellung von x Flaschen Orangensaft und y
Flaschen Apfelsaft) konstant den gleichen Wert an. So geht z. B. die
links unten eingezeichnete Niveaulinie durch ( x, y) = (0, 300) und

147
Mathematik in Produktion und Logistik

( x, y) = (200, 0). In diesen beiden Punkten und auch auf allen an-
deren Punkten dieser Linie gilt f ( x, y) = 600, der Gewinn beträgt
dort auf allen Punkten der Linie also 600 Euro. Auf der Niveaulinie
oben rechts, die durch die Punkte ( x, y) = (0, 900) und (600, 0)
geht, beträgt der Gewinn 1800 Euro. Man könnte noch beliebig viele
weitere Niveaulinien einzeichnen, zu jedem Gewinn-Betrag eine. Al-
le diese Niveaulinien wären parallel zu den beiden eingezeichneten.
Die kleinen Pfeile an den beiden exemplarischen Niveaulinien deu-
ten die Richtung der Gewinnerhöhung: in Pfeilrichtung wird der
Gewinn immer größer. Zieht man nun ein Lineal in Pfeilrichtung
(bzw. parallel zu den eingezeichneten Niveaulinien) über das Bild,
dann entspricht die Linealkante also zu jedem Zeitpunkt des Dar-
überziehens selber einer solchen Niveaulinie, entlang derer der Wert
der Gewinnfunktion gleichbleibend (konstant) ist. Fügt man nun
noch die Informationen zusammen, dass der Gewinn in Pfeilrich-
tung steigt und dass die Produktionszahlen, also ( x, y), im zulässi-
gen (den Beschränkungen genügenden) Bereich liegen muss, erhält
man, dass wir dann den höchsten erreichbaren Gewinn haben, wenn
wir das Lineal solange in Pfeilrichtung über das Bild schieben, bis
die Linealkante noch den zulässigen Bereich berührt, aber bereits
auf seinem Rand liegt. Die Niveaulinie oben rechts entspricht genau
dem Beschriebenen: sie berührt den zulässigen Bereich gerade noch
und liegt am äußersten Punkt in Pfeilrichtung. Der Gewinn entlang
dieser Niveaulinie beträgt 18 Euro, insbesondere auch in dem zu-
lässigen Punkt, der auf dem Rand des zulässigen Bereich liegt und
durch den die Nivaulinie gezogen ist. Dieser Punkt hat die Koordi-
naten (200, 600). Der maximale Gewin wird also bei Produktion von
200 Flaschen Orangensaft und 600 Flaschen Apfelsaft erreicht und
beträgt 18 Euro.
Ließe man die Flaschen-Beschränkung weg, könnte man „das Li-
neal“ noch weiter in Pfeilrichtung in den cyanblauen Bereich zie-
hen und gelangte zum Punkt (300, 400), wo der Gewinn – da wir
uns in Pfeilrichtung bewegen – noch höher ist als 18 Euro, nämlich
18,50 Euro.

148
Die Welt des Herrn Kuhn

Eine alternative Vorgehensweise

Man kann beweisen (oder sich wie oben an den Niveaulinien an-
schaulich klarmachen), dass der maximale Gewinn an einer Ecke
des zulässigen Bereichs realisiert wird. (Manchmal auch an einer
ganzen Kante, also sogar an 2 Ecken und den unendlich vielen Punk-
ten dazwischen, wenn man auch nicht-ganzzahlige Mengenangaben
zulässt. Die Forderung nach Ganzzahligkeit ist in der Aufgabe aber
sowieso explizit ausgeschlossen, denn sonst wäre auch der oben be-
schriebene Lösungsweg nicht korrekt. Dass die optimale Lösung
( x, y) = (200, 600) ganzzahlig herauskommt, ist „eingefädelter Zu-
fall“, d. h. durch gute Wahl der Zahlen in der Aufgabenstellung her-
beigeführt.) Da die optimale Lösung also an einer Ecke gefunden
werden kann, muss man nur die jeweils erzielten Gewinne an den
Ecken vergleichen. Der höchstmögliche Gewinn unter den Ecken ist
auch gleichzeitig der höchste der ganzen Aufgabe. Die an den Ecken
erzielten Gewinne sind im Folgenden aufgelistet. Auch hier sieht
man, dass es am gewinnträchtigsten ist, 600 Flaschen Apfelsaft und
200 Flaschen Orangensaft zu produzieren.

Ecke Nr. x y Gewinn


Anz. Orangensaft Anzahl Apfelsaft in Euro
1 300 0 9
2 300 400 17
3 200 600 18
4 100 700 17
5 0 700 14

Den höchsten Gewinn erzielt man bei Ecke 3, nämlich 18 Euro. Lässt
man die durch die Flaschen gegebene Beschränkung weg, entfallen
Ecken 3 und 4, statt dessen erhält man noch eine Ecke X:

Ecke Nr. x y Gewinn


Anz. Orangensaft Anzahl Apfelsaft in Euro
X 150 700 18,50

149
Mathematik in Produktion und Logistik

Tatsächlich erhält man ohne die Flaschen-Beschränkung einen hö-


heren Gewinn, dieser beträgt aber 18,50 Euro und nicht 17 Euro wie
im Lösungsvorschlag.

150
Arvin, Berit und die Lastwagen
Falk Ebert und Anita Liebenau

Die Aufgabe hat ihren mathematischen Hintergrund in einer Pro-


blemstellung, die sich Modellreduktion nennt. Dabei geht es darum,
große mathematische Probleme so umzuformulieren, dass sie mit
möglichst wenig Unbekannten auskommen. Das hat den Vorteil,
dass diese Aufgaben für einen Computer schneller lösbar sind und
weniger Speicherplatz verbrauchen. Unter Umständen nimmt man
für so einen Gewinn an Geschwindigkeit beim Lösen der Aufgaben
auch kleine Fehler in Kauf – allerdings nur, solange man weiß, wie
groß die Fehler maximal werden können. Die Methode findet An-
wendung in einer Vielzahl von alltäglichen Problemstellungen. Die
bekanntesten darunter sind wahrscheinlich Bild-, Ton- und Video-
kompression.
Aber auch beim automatischen Beladen von Transportern, bei-
spielsweise, möchte man möglichst wenig verschiedene Roboter
einsetzen. Man versucht dafür, das Modell für das Beladen zu redu-
zieren, und so mit möglichst wenig Unbekannten = Robotern aus-
zukommen.
Ein Spielzeuglieferant bereitet sich auf das Weihnachtsgeschäft
vor. Alle Geschenke sind produziert, die Lastwagen vollgetankt.
Nun müssen nur noch die Lastwagen mit den Geschenken beladen
werden, dann können die Geschäfte mit den Waren beliefert wer-
den. Acht Lastwagen gilt es mit Spielzeugautos, Bällen, Puppen,
Baukästen, Springseilen und Kuscheltieren zu beladen. Tabelle 1
gibt die gewünschte Bepackung der acht Lastwagen an. Beispiels-
weise sollen also auf Lastwagen 1 fünf Autos, zwei Bälle, vier Pup-
pen, fünf Baukästen, fünf Springseile und drei Kuscheltiere liegen.
Nun gibt es beliebig viele Roboter, die diese Lastwagen bepa-
cken können. Allerdings sind in diesem Jahr viele neue Waren zu
produzieren, wofür man gern einige der Roboter einsetzen möchte.

151
Mathematik in Produktion und Logistik

Tabelle 1. Die gewünschte Bepackung der acht Lastwagen

L1 L2 L3 L4 L5 L6 L7 L8
Auto 5 4 2 4 2 5 2 5
Ball 2 4 2 4 8 2 2 2
Puppe 4 5 3 4 4 4 1 4
Baukasten 5 4 2 4 2 5 2 5
Springseil 5 4 2 3 2 5 2 6
Kuscheltier 3 4 2 4 6 3 2 3

Für die Roboter wird ein Arbeitsplan festgelegt:


– Ein Roboter bewegt sich immer von einem Lastwagen ins Lager
oder vom Lager zu einem Lastwagen.
– Das Lager hat mehr als genug Waren jeden Typs vorrätig.
– Ein Roboter kann beliebig oft hin und her laufen und beschwert
sich niemals darüber.
– Die Reihenfolge, in der die Roboter an den Lastwagen ankom-
men, ist prinzipiell egal.
– Ein Roboter kann sich ohne Waren beliebig zwischen Lager und
allen Lastwagen bewegen, ein Warentransport besteht aber im-
mer aus einem Hin- und einem Rückweg. Dabei ist egal, ob er im
Lager oder an einem Lastwagen startet. In letzterem Fall kommt
er auch wieder an dem Lastwagen an, an dem er gestartet ist.
– Jedem einzelnen Roboter kann man ein bestimmtes Muster, Wa-
ren zu transportieren, beibringen. Dieses Muster beinhaltet, wie-
viele Waren jedes Typs er von seinem Startpunkt mitnimmt und
zum Zielpunkt schafft. Das heißt, er nimmt eine feste Anzahl je-
des Warentyps von seinem Startpunkt mit und deponiert sie am
Ziel und er bringt eine feste Anzahl jedes Warentyps von seinem
Zielpunkt wieder zum Startpunkt zurück. Alle Anzahlen können
auch null sein.

Beispiel. Roboter Arvin trägt stets zwei (Spielzeug-)Autos und eine


Puppe, sonst nichts. Egal wie oft er vom Lager zu einem Lastwagen
läuft, auf diesem Lastwagen sind dann stets doppelt so viele Autos

152
Arvin, Berit und die Lastwagen

wie Puppen. Wenn man eine gleiche Anzahl dieser beiden Waren
auf einem Lastwagen benötigt, reicht Arvin also nicht aus. Kommt
jetzt Roboter Berit dazu, kann dieser den Roboter Arvin eventuell
korrigieren. Berit trägt stets ein Auto hin und eine Puppe zurück,
egal von wo nach wo. Wenn jetzt auf einem Lastwagen drei Autos
und drei Puppen liegen sollen, so reicht es, Arvin zweimal vom La-
ger zum Lastwagen laufen zu lassen (vier Autos, zwei Puppen) und
Berit einmal vom Lastwagen zum Lager. Berit nimmt vom Lastwa-
gen ein Auto weg, schafft es ins Lager und holt von dort eine Puppe
und legt sie auf den Lastwagen. Mit diesen beiden Robotern kann
man den Lastwagen also korrekt beladen, mit nur einem der beiden
nicht.
Diese beiden können auch beim Beladen der anderen Lastwa-
gen helfen, eventuell braucht man aber noch mehr Roboter, um alle
Lastwagen korrekt beladen zu können.
Teil 1: Man möchte so wenig Roboter wie möglich einsetzen. Wie
viele Roboter benötigt man mindestens, um die acht Last-
wagen korrekt zu bepacken?
Teil 2: Lässt man bei der Gesamtbeladung kleine Abweichungen zu
(d. h. auf jedem Lastwagen darf genau eine Ware zu wenig
oder zu viel sein), wie viele Roboter benötigt man dann min-
destens für die Beladung?

Antwortmöglichkeiten

1. korrekt 5, mit Abweichung 3


2. korrekt 7, mit Abweichung 6
3. korrekt 4, mit Abweichung 3
4. korrekt 6, mit Abweichung 7
5. korrekt 4, mit Abweichung 4
6. korrekt 5, mit Abweichung 4
7. korrekt 5, mit Abweichung 2
8. korrekt 6, mit Abweichung 3
9. korrekt 4, mit Abweichung 2
10. korrekt 6, mit Abweichung 4

153
Mathematik in Produktion und Logistik

Lösung

(Richtige Lösung: Antwort 9)

Diese Aufgabe kann als praktische Anwendung der Vektorrechnung


benutzt werden, ohne dabei über geometrische Darstellungen zu
argumentieren.

Zunächst sollte man sich darüber klar werden, dass die Trageleis-
tung eines Roboters durch einen Vektor veranschaulicht werden
kann. Jeder dieser Vektoren enthält sechs Einträge - von Auto, Ball,
Puppe, Baukasten, Springseil bis Kuscheltier. Diese Einträge sind
ganze Zahlen. Ein positiver Eintrag bedeutet, dass eine Ware in der
angegebenen Menge vom Lager zum Lastwagen gebracht wird und
ein negativer Eintrag sagt aus, dass die entsprechende Ware vom
Lastwagen ins Lager geschafft wird. Eine Multiplikation des Vek-
tors mit einer positiven ganzen Zahl bedeutet, dass der Roboter
mehrere solche Lieferungen durchführt, und die Multiplikation mit
einer negativen Zahl sagt aus, dass die Laufrichtung zwischen La-
ger und Lastwagen umgekehrt wird und dann entsprechend meh-
rere Lieferungen erfolgen. Eine Multiplikation mit null führt dazu,
dass nichts transportiert wird. In analoger Weise kann auch die Be-
ladung eines Lastwagen als Vektor geschrieben werden. Formaler
ausgedrückt:
Sei V die Menge aller möglichen Tragemuster. Seien a, b und c
die Tragemuster dreier Roboter und α, β und γ die jeweiligen Häu-
figkeiten, mit denen die Transporte durchgeführt werden. Demnach
ist α · a + β · b die Menge an Waren, die nach α Läufen des Typs a
und β Läufen des Typs b auf einem Lastwagen liegen. Für einen
Vektorraum gilt:
1. Abgeschlossenheit: Für beliebige a und b aus V und α, β aus Z
gilt: α · a + β · b ∈ V. Das, was mehrere Roboter in vielen Trans-
porten zu einem Lastwagen gebracht haben, hätte auch einer auf
einmal hinschaffen können.

154
Arvin, Berit und die Lastwagen

2. Assoziativität: Für beliebige a, b, c ∈ V gilt a + (b + c) = ( a +


b) + c. Hier kann man sich die einzelnen Warentypen anschau-
en, zum Beispiel a Ball + (bBall + c Ball ) = ( a Ball + bBall ) + c Ball
und erkennt das bekannte Assoziativitätsgesetz der Addition von
ganzen Zahlen.
3. Neutrales Element: Es gibt ein Element 0 ∈ V, so dass a + 0 = a.
Diese 0 bedeutet einfach, dass nichts transportiert wird.
4. Inverses Element: Zu jedem a ∈ V gibt es ein − a, so dass a +
(− a) = 0. Wenn a ein beliebiges Transportmuster ist, bei dem
feste Anzahlen von Waren vom Lager zum Lastwagen gebracht
werden, dann ist − a einfach das Muster, mit dem die gleichen
Anzahlen vom Lastwagen zurück ins Lager geschafft werden.
5. Kommutativität: Wie bereits in der Beschreibung ausgeführt
wurde, ist die Reihenfolge der Beladung prinzipiell egal, also gilt
a + b = b + a für a, b ∈ V.
6. Eins-Element: Es gibt eine 1 ∈ Z, so dass für jedes a ∈ V gilt:
1 · a = a. Dies ist die gleiche Eins, die aus dem Rechnen mit gan-
zen Zahlen bekannt ist. Ein einmaliger Gang eines Roboters führt
nunmal dazu, dass seine Ladung auch nur einmal transportiert
wird.
7. Assozativität und Distributivgesetze: Die übrigen drei Gesetze
α · ( β · a) = (α · β) · a, sowie α · ( a + b) = α · a + α · b und
(α + β) · a = α · a + β · a können entweder wieder komponen-
tenweise erklärt werden, oder anschaulich durch Gruppierungen
von Mehrfachtransporten zu jeweils einem Lauf.
Was nach dem Prüfen der ganzen Vektorraumaxiome feststeht ist,
dass V ein Vektorraum über der Grundmenge (dem Körper) der
ganzen Zahlen ist. Jedes Transportmuster besteht aus 6 Einträgen,
die beliebig gewählt werden können. Demnach handelt es sich um
einen Vektorraum der Dimension 6. Wie aus dem Rechnen mit Vek-
toren in 2D und 3D bekannt sein sollte, benötigt man zur Dar-
stellung eines beliebigen Vektors aus diesen Vektorräumen jeweils
2 bzw. 3 sogenannte Basisvektoren. In unserem 6-dimensionalen
Raum heißt das, dass man für jede beliebige Lastwagenbeladung
mit sechs Robotern auskommt, die eventuell mehrfach laufen müs-

155
Mathematik in Produktion und Logistik

sen. Am einfachsten könnte man sie als

⎡ ⎤ ⎡ ⎤ ⎡ ⎤
1 0 0
⎢ 0 ⎥ ⎢ 1 ⎥ ⎢ 0 ⎥
⎢ ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎥
⎢ ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎥
⎢ 0 ⎥ ⎢ 0 ⎥ ⎢ 0 ⎥
a=⎢ ⎥, b=⎢ ⎥,..., f =⎢ ⎥
⎢ 0 ⎥ ⎢ 0 ⎥ ⎢ 0 ⎥
⎢ ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎥
⎣ 0 ⎦ ⎣ 0 ⎦ ⎣ 0 ⎦
0 0 1

wählen. Also ist für jeden Warentyp genau ein Roboter zuständig.
Diese Wahl von Vektoren entspricht den Einheitsvektoren. Mit die-
sen Vektoren ist es also möglich, den gesamten Vektorraum V auf-
zuspannen. Dies ist allerdings nicht mit beliebigen 6 Vektoren mög-
lich sondern wir benötigen auch noch deren lineare Unabhängigkeit.
Mathematisch heißt das, wenn sich ein Vektor c beispielsweise als
α · a + β · b schreiben lässt, dann ist er von diesen Vektoren a und
b linear abhängig. Für die Roboter heißt das: Wenn sich die Trans-
portleistung eines Roboters durch kombinierte Transporte anderer
Roboter erreichen lässt, dann ist er überflüssig. Eine Möglichkeit,
die lineare Unabhängigkeit von Vektoren a bis f zu prüfen, stellt
die folgende Bedingung dar: Die folgende Gleichung

⎡ ⎤
0
⎢ 0 ⎥
⎢ ⎥
⎢ ⎥
⎢ 0 ⎥
x1 · a + x2 · b + x3 · c + x4 · d + x5 · e + x6 · f = ⎢ ⎥
⎢ 0 ⎥
⎢ ⎥
⎣ 0 ⎦
0

darf nur für x1 = x2 = . . . = x6 = 0 wahr sein. Genaugenommen


handelt es sich bei dieser Gleichung um ein Gleichungssystem mit

156
Arvin, Berit und die Lastwagen

6 Unbekannten. Wir bezeichnen die Einträge von a als


⎡ ⎤
aAuto
⎢ a ⎥
⎢ Ball ⎥
⎢ ⎥
⎢ a ⎥
a = ⎢ Puppe ⎥
⎢ aKasten ⎥
⎢ ⎥
⎣ aSeil ⎦
aTier

und für die Vektoren b bis f analog. Dann sieht das Gleichungssys-
tem in Form eines Tableaus wie folgt aus:

aAuto bAuto cAuto dAuto eAuto f Auto 0


aBall bBall cBall dBall eBall f Ball 0
aPuppe bPuppe cPuppe dPuppe ePuppe f Puppe 0
aKasten bKasten cKasten dKasten eKasten f Kasten 0
aSeil bSeil cSeil dSeil eSeil f Seil 0
aTier bTier cTier dTier eTier f Tier 0

Bei einem Gleichungssystem dieser Größe macht es keinen Sinn,


über eine Determinante die eindeutige Lösbarkeit zu prüfen. Statt
dessen wenden wir den Gauß-Algorithmus an und bringen das Sys-
tem auf Dreiecksform.
Im Fall der Einheitsvektoren ist das schnell geschehen:

1 0 0 0 0 0 0
0 1 0 0 0 0 0
0 0 1 0 0 0 0
0 0 0 1 0 0 0
0 0 0 0 1 0 0
0 0 0 0 0 1 0

Durch zeilenweises Lösen dieses Gleichungssystems ergibt sich also


rechnerisch die Bedingung x1 = x2 = . . . = x6 = 0 und damit
auch die lineare Unabhängikeit.
Betrachten wir jetzt wieder die ursprüngliche Aufgabe des Last-
wagenbeladens.

157
Mathematik in Produktion und Logistik

Angenommen, für jeden Lastwagen L1 bis L8 ist genau ein Ro-


boter zuständig, der genau einmal läuft und den Lastwagen kom-
plett belädt. Das würde bedeuten, dass acht Roboter nötig sind. Ein
kurzer Blick verrät, dass L1 und L6 identisch beladen sind, also
ist der 6. Roboter schonmal durch den für L1 zuständigen ersetz-
bar. Wir wissen bereits, dass der Vektorraum der beladenen Last-
wagen die Dimension 6 hat und damit mit 6 Basisvektoren kom-
plett aufgespannt werden kann. Nun muss man noch prüfen, ob
die Lastwagen-Vektoren auch mit weniger Basisvektoren darstellbar
sind. Wir prüfen also, ob sich die Trageleistung einzelner Roboter
durch Kombinationen anderer darstellen lässt. Dazu stellen wir wie-
der das Gleichungssystem zur Überprüfung der linearen Unabhän-
gigkeit auf:
⎡ ⎤
0
⎢0⎥
⎢ ⎥
⎢ ⎥
⎢0⎥
L1 x1 + L2 x2 + L3 x3 + L4 x4 + L5 x5 + L6 x6 + L7 x7 + L8 x8 = ⎢ ⎥
⎢0⎥
⎢ ⎥
⎣0⎦
0
Als Tableau dargestellt:
5 4 2 4 2 5 2 5 0
2 4 2 4 8 2 2 2 0
4 5 3 4 4 4 1 4 0
(1)
5 4 2 4 2 5 2 5 0
5 4 2 3 2 5 2 6 0
3 4 2 4 6 3 2 3 0
Eine Rückinterpretation auf Lastwagen hieße: Auf welche Art und
Weise ist es möglich, einen Lastwagen so zu beladen, dass er leer
ist. Wenn dies nur dadurch möglich ist, dass kein Roboter irgen-
detwas transportiert, dann sind die Tragemuster der Roboter linear
unabhängig.
Jetzt kann man versuchen, dieses System ,per Hand‘ auf Drei-
ecksform zu bringen, allerdings stellen graphikfähige Taschenrech-

158
Arvin, Berit und die Lastwagen

ner eine sinnvolle und zuverlässige Alternative dar. Auf den meis-
ten Geräten wird eine Funktion rref() angeboten, welche die Trep-
pennormalform oder auch Zeilenstufenform einer Matrix mit Hilfe
des Gauß-Algorithmus berechnet. Damit erhält man für das Glei-
chungssystem (1) die folgende Form:

1 0 0 0 −2 1 0 1 0
0 1 0 0 6 0 2 2 0
0 0 1 0 −6 0 −3 −2 0
0 0 0 1 0 0 0 −1 0
0 0 0 0 0 0 0 0 0
0 0 0 0 0 0 0 0 0

Es ist an diesem Gleichungssystem erkennbar, dass nur 4 relevante


Gleichungen verbleiben. Die letzten beiden Zeilen stellen nur trivia-
le Aussagen dar. Der interessante Punkt liegt jetzt darin, die übrigen
Gleichungen zu interpretieren. Nach x1 bis x4 umgestellt lauten sie:

x1 = 2x5 − x6 − x8 (2a)
x2 = −6x5 − 2x7 − 2x8 (2b)
x3 = 6x5 + 3x7 + 2x8 (2c)
x4 = x8 (2d)

Die Werte für x5 bis x8 sind beliebig wählbar. Dies widerspricht


natürlich der Forderung, dass für lineare Unabhängigkeit das Glei-
chungssystem nur jeweils 0 als Lösung hat. Gleichzeitig lässt sich
aber folgendes erkennen: Wenn beispielsweise L6 einmal beladen
wird, also x6 = 1, dann folgt aus der Gleichung (2a), dass x1 = −1.
Im folgenden Text wird mit Ri der Roboter bezeichnet, der den Last-
wagen Li mit einmal Laufen belädt. Der Gleichung (2a) kann man
dann entnehmen, dass wenn der Roboter R6 den Lastwagen L6 be-
lädt, dieser von dem Roboter R1 komplett wieder entladen werden
kann. Da die Bewegungsrichtung eines Roboters beliebig ist, hätte
L6 von vornherein auch durch den Roboter R1 beladen werden kön-
nen. Dieser Zusammenhang sollte schon vorher aufgefallen sein. Et-

159
Mathematik in Produktion und Logistik

was interessanter wird es für x7 = 1 und x5 = x6 = x8 = 0. Dann


ergibt sich in den Gleichungen (2b, 2c) x2 = −2 und x3 = 3. Dies
bedeutet, wenn Lastwagen L7 einmal beladen wird und anschlie-
ßend noch 3 mal die Beladung von L3 hinzukommt, dann kann dies
nach zwei Läufen des Roboters R2 wieder abtransportiert werden.
Analog hätte der Lastwagen L7 also auch nur mit den Robotern R2
und R3 beladen werden können. In den Gleichungen (2a-2d) erkennt
man also, dass die Beladungen L5 bis L8 komplett durch die Ro-
boter R1 bis R4 dargestellt werden können. Dementsprechend sind
die Roboter R5 bis R8 ersetzbar und alle Lastwagen können mit den
Robotern R1 bis R4 beladen werden. Problem I ist damit gelöst. Es
werden 4 Roboter benötigt und es kann sogar angegeben werden,
was sie jeweils zu tragen haben.
Die Lösung von Teil 2 ist etwas schwieriger. Durch ein wenig
Knobeln kann man erkennen, dass die Vektoren L1 bis L8 sich auch
als Linearkombination der Form
⎡ ⎤ ⎡ ⎤ ⎡ ⎤ ⎡ ⎤
1 1 0 0
⎢1⎥ ⎢ −2⎥ ⎢0⎥ ⎢0⎥
⎢ ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎥
⎢ ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎥
⎢1⎥ ⎢ 0 ⎥ ⎢1⎥ ⎢0⎥
L i = x1 ⎢ ⎥ + x2 ⎢ ⎥ + x3 ⎢ ⎥ + x4 ⎢ ⎥
⎢1⎥ ⎢ 1 ⎥ ⎢0⎥ ⎢0⎥
⎢ ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎥ ⎢ ⎥
⎣1⎦ ⎣ 1 ⎦ ⎣0⎦ ⎣1⎦
1 −1 0 0

darstellen lässt, wobei x3 und x4 nur −1, 0, 1 sein können. Von


den letzten beiden Robotern wird jeweils nur eine Ware (Puppe oder
Seil) transportiert und sie sind auch nur mit maximal einem Lauf
an der Beladung beteiligt. Streicht man die Transporte dieser bei-
den Roboter, dann kann auch stets nur eine Puppe bzw. ein Spring-
seil zuviel oder zuwenig aufgeladen werden. Eine vollständige aber
leicht fehlerhafte Beladung ist also durch die ersten beiden Roboter
gewährleistet.

160
Lagenwechsel minimieren –
oder das Bohren von Löchern in
Leiterplatten
Martin Grötschel, Thorsten Koch und Nam Dũng Hoàng

Diese Aufgabe behandelt ein Problem, das beim Entwurf von Lei-
terplatten auftritt. Die Aufgabe ist rein kombinatorischer Natur,
man benötigt keine Kenntnisse der Elektromechanik. Einfache Lei-
terplatten haben zwei Seiten (auch Lagen genannt), auf die Strom
leitende Bahnen (genannt Leiterbahnen) aufgebracht werden kön-
nen. Wir nennen diese Lagen obere und untere Lage. Abbildung 1
zeigt eine unbestückte Leiterplatte und ihren „Schatten“, der die
Löcher in der Leiterplatte sichtbar macht.

Abbildung 1. Unbestückte Leiterplatte

161
Mathematik in Produktion und Logistik

Abbildung 2. Leiterbahnen

Diese Löcher (auch Vias genannt) dienen entweder dem An-


schluss von Bauteilen oder dazu, eine Leiterbahn auf der oberen
Lage mit einer Leiterbahn auf der unteren Lage zu verbinden. Ei-
ne Leiterbahn kann also mit Hilfe eines Vias die Lage wechseln.
Die Leiterbahnen stellt man in Konstruktionszeichnungen
durch Linien dar. Diese Linien können Knicke haben und sich auch
verzweigen. Abbildung 2 zeigt sieben Leiterbahnen, die als verschie-
denfarbige Linien dargestellt sind.
Die Leiterbahnen in unserem Beispiel führen zum nördlichen
oder südlichen Rand und verlaufen (noch) alle auf der oberen Lage.
Zwei Leiterbahnen dürfen sich jedoch nicht überschneiden,
denn jede Überkreuzung führt zu einem Kurzschluss. Überkreuzun-
gen werden dadurch vermieden, dass eine der beiden Leiterbahnen
irgendwo vor der Kreuzung die Seite der Platte wechselt. Das ge-
schieht dadurch, dass ein Loch (Via) durch die Platte gebohrt wird
und so eine der beiden sich kreuzenden Bahnen auf der oberen und
die andere auf der unteren Lage geführt wird.
Abbildung 3 zeigt Leiterbahnen, die sowohl auf der Obersei-
te, als auch auf der Unterseite der Leiterplatte verlaufen. Die Un-
terscheidung von Ober- und Unterseite einer Leiterplatte machen
wir durch unterschiedliche Linienarten deutlich: Leiterbahnen mit

162
Lagenwechsel minimieren

Abbildung 3. Leiterbahnen auf Ober- und Unterseite einer Leiterplatte

komplett ausgefüllten Linien gehen auf der Oberseite der Leiterplat-


te entlang (hier Leiterbahn 1) und Leiterbahnen mit umrandeten Li-
nien verlaufen auf der Unterseite der Leiterplatte (hier Leiterbahnen
2 und 3).
Wie man die Leiterbahnen der Leiterplatte aus Abbildung 2 den
beiden Lagen zuweisen kann, zeigt Abbildung 4. Dies ist eine häufig
in der Industrie genutzte sogenannte „Standardlösung“. Alle hori-
zontalen Linien werden auf der Unterseite und alle vertikalen Linien
auf der Oberseite der Leiterplatte geführt.

Abbildung 4. Standardlösung

163
Mathematik in Produktion und Logistik

Abbildung 5. Lösung mit nur vier Löchern

Das bedeutet, dass in jeden Knick einer Leiterbahn ein Loch ge-
bohrt wird, um an dieser Stelle die Seite der Leiterplatte zu wech-
seln. Man muss übrigens nicht unbedingt in einen Knick bohren. In
unserem Beispiel dürfen Leiterbahnen auf der Leiterplatte sowohl
oberhalb als auch unterhalb beginnen, sie können oberhalb oder
unterhalb aufhören. Hierfür gibt es keine Vorschriften. Das muss
bei einer realen Leiterplatte jedoch nicht so sein. Hier kann es vor-
kommen, dass eine Bahn auf der oberen Lage beginnen und unten
enden muss oder umgekehrt. Die Bohrlöcher sind mit roten Kreisen
markiert.
In unserem Beispiel müssen wir, wenn wir die Standardlösung
der Industrie verwenden wollen, zwölf Löcher bohren, um die La-
genwechsel (Seitenwechsel) vorzunehmen.
Es geht aber viel besser. Wie Abbildung 5 zeigt, kommt man
mit nur vier Löchern statt zwölf aus und erreicht so eine erhebliche
Aufwandsersparnis.
In Abbildung 6 sind 10 Leiterbahnen zu sehen. Diese sind num-
meriert und farblich gekennzeichnet. Alle Leiterbahnen führen zu
den Rändern der Leiterplatte. Man beachte, dass es Leiterbahnen
mit 2, 3 und 4 Endpunkten gibt.
Bestimmen Sie eine bestmögliche kurzschlussfreie Realisierung
des Leiterbahnengeflechts aus Abbildung 6.

164
Lagenwechsel minimieren

Abbildung 6. Leiterbahngeflecht

Mit anderen Worten, bestimmen Sie die minimale Anzahl der


Lagenwechsel (Bohrungen durch die Leiterplatte, so dass die Leiter-
bahnen ohne Kurzschluss aufgebracht werden können).
Noch genauer, bestimmen Sie Punkte auf den Leiterbahnen, an
denen ein Loch gebohrt werden soll, damit die Leiterbahn die Lage
wechseln kann, und zwar so, dass je zwei kreuzende Leiterbahnen
auf unterschiedlichen Lagen sind und dass die Anzahl der zu boh-
renden Löcher so gering wie möglich ist.

Antwortmöglichkeiten

1. 9 oder weniger Bohrungen 6. 14 Bohrungen


2. 10 Bohrungen 7. 15 Bohrungen
3. 11 Bohrungen 8. 16 Bohrungen
4. 12 Bohrungen 9. 17 Bohrungen
5. 13 Bohrungen 10. 18 Bohrungen

165
Mathematik in Produktion und Logistik

Bemerkungen. Betrachten wir die Leiterbahn 1. Von dem mit 1 ge-


kennzeichneten Punkt am linken Rand (Westen) führt eine gerade
rot gefärbte Linie zu dem mit 1 markierten Punkt am rechten Rand
(Osten). Zwischen den Leiterbahnen 2 und 7 zweigt von der roten
horizontalen Linie eine rote Linie nach Süden ab. Wenn man in den
Verzweigungspunkt ein Loch bohrt, so hat man verschiedene La-
genzuweisungen zur Auswahl:
Man kann die nach Westen laufende rote Linie oben auf der Lei-
terplatte, die nach Osten laufende unten führen oder umgekehrt;
gleichzeitig hat man die Freiheit, die nach Süden laufende rote Li-
nie oben oder unten zu führen. Verzweigungspunkte bieten also Ge-
staltungsmöglichkeiten.
In Abbildung 1 haben Sie eine unbestückte Leiterplatte und ih-
ren Schatten auf einem weißen Blatt Papier gesehen, so dass die Lö-
cher, die in eine solche Leiterplatte gebohrt werden müssen, gut
sichtbar sind. Die beiden Seiten einer bestückten Leiterplatte sehen
Sie in Abbildung 7.
Einige Löcher haben die „Beinchen“ von Bauteilen aufgenom-
men, andere dienen dazu, den Strom einer Leiterbahn von der einen
auf die andere Seite der Leiterplatte zu führen. Alle Löcher sind
nun mit Lötzinn (oder anderem stromleitenden Material) gefüllt.
Das Bohren der Löcher ist zeitaufwendig und führt nicht selten zu
Beschädigungen der Platte. Schlecht verlötete Löcher beeinträchti-
gen die Funktionsfähigkeit der Leiterplatte. Ein Ziel beim Entwurf

Abbildung 7. Zwei Seiten einer bestückten Leiterplatte

166
Lagenwechsel minimieren

von Leiterplatten ist daher, die Anzahl der zu bohrenden Löcher so


klein wie möglich zu halten.
Diese Aufgabe ist eine (ein wenig vereinfachte) Version des Lei-
terplattenbohrproblems. Dieses Bohrproblem nennt man im Jargon
des Leiterplatten-und VLSI-Designs Via-Minimierung, weil es gilt,
die Anzahl der Vias (Löcher, Durchkontaktierungen) so klein wie
möglich zu halten.

167
Mathematik in Produktion und Logistik

Lösung

(Richtige Lösung: Antwort 1)

Abbildung 8 zeigt eine mögliche Lösung der Aufgabe mit acht Vi-
as. Es gibt verschiedene Lösungen mit acht zu bohrenden Löchern.
Mit sieben oder weniger Löchern kann man keine kreuzungsfreie
Verdrahtung des Leiterbahnengeflechts aus Abbildung 6 erreichen.
Das Via-Minimierungsproblem ist im Sinne der Komplexitäts-
theorie N P -schwer. Dies bedeutet, dass es im Allgemeinen (falls
die noch offene Vermutung P = N P richtig ist) nicht möglich
ist, einen kurzen Beweis für die Optimalität einer zulässigen Lö-
sung dieses Problems zu führen. In speziellen Anwendungsbeispie-
len kann das jedoch gelingen. Wie macht man so etwas?
In einem ersten Schritt versucht man, durch (systematisches
und überlegtes) Ausprobieren eine gute Lösung zu finden. Im Fal-
le unserer Aufgabe möchte man eine kurzschlussfreie Realisierung
der Leiterbahnen aus Abbildung 6 bestimmen, die möglichst weni-
ge Bohrungen benötigt. Hat man k Bohrlöcher gefunden und glaubt,
dass es nicht mit weniger geht, dann muss man eine untere Schran-
ke für die Anzahl der Bohrlöcher bestimmen. Besagt die untere
Schranke, dass mindestens k Bohrungen benötigt werden, so hat
man einen Beweis für die Optimalität der Zahl k gefunden. Die Be-
stimmung einer guten unteren Schranke ist in der Regel schwierig.
In unserem Falle hat Daniel Glöckner, ein Teilnehmer am Advents-
kalenderwettbewerb 2007, eine Lösung mit 8 Bohrlöchern gefunden
und einen Beweis dafür angegeben, dass es nicht mit weniger Boh-
rungen geht. Sein Beweis verläuft wie folgt (Originalzitat aus der
eingesandten Lösung):
Bei der Lösung des Problems ist es von Vorteil, eine untere Schranke für
die Anzahl der Bohrungen zu haben. Betrachtet man das Netz genauer,
so erkennt man eine Situation, in der man um eine Bohrung nicht her-
umkommt. Dies ist genau an den Stellen der Fall, wo ein freier Fleck von
einer ungeraden Anzahl unterschiedlicher Leiterbahnstücke umschlos-
sen ist. Im Folgenden bezeichne Segment ein Stück einer Leiterbahn, das

168
Lagenwechsel minimieren

Abbildung 8. Optimallösung

von Kreuzungen mit anderen Leiterbahnen oder Lagenwechseln durch


Bohrungen begrenzt wird. Ein Kreis bezeichne eine (minimale) Menge
von Segmenten, die lückenlos einen freien Fleck der Leiterplatte um-
schließen. Ein guter Kreis habe eine gerade, ein schlechter Kreis eine un-
gerade Anzahl Segmente.
Nur wenn ein Kreis ein guter Kreis ist, ist es möglich, die Segmen-
te abwechselnd der oberen bzw. unteren Lage zuzuordnen, ohne beim
Schließen des Kreises das letzte Segment auf der gleichen Lage zu ha-
ben, wie das angrenzende erste Segment. Folglich hat jede Lösung des
Problems nur gute Kreise. Ein schlechter Kreis lässt sich nur durch eine
Bohrung auf einem seiner Segmente in einen guten Kreis umwandeln.
In dem gegebenen Leiterbahnennetz gibt es 9 schlechte Kreise (markiert
in der Abbildung durch ein X). Der große schlechte Kreis bei H8 teilt
sich drei seiner Segmente mit anderen schlechten Kreisen (D8, F6, I10).
Diese drei Segmente sind die einzigen, an denen zwei schlechte Kreise
aneinanderstoßen. Da hier die Möglichkeit besteht, zwei schlechte Krei-
se mit nur einer Bohrung gleichzeitig umzuwandeln, kann für den Kreis

169
Mathematik in Produktion und Logistik

Abbildung 9. Schlechte Kreise, nach Daniel Glöckner

H8 keine Bohrung gezählt werden, so dass man eine unter Schranke von
nur 8 Bohrungen erhält.
Wenn man optimistisch ist und davon ausgeht, dass diese untere
Schranke erreicht werden kann, wird man nun die 24 möglichen Po-
sitionen für Bohrungen (bunte Punkte in der Abbildung) auf den Seg-
menten der 8 kleinen schlechten Kreise genauer unter die Lupe nehmen.
10 dieser Positionen (gelb) bilden Paare (C2-B3, E1-A5, D3-C4, E6-D7,
G7-E9), wo an beiden Stellen gleichzeitig eine Bohrung gesetzt werden
müsste, um nicht einen neuen schlechten Kreis zu schaffen. Bei 9 an-
deren Positionen (rot) gibt es nicht die Möglichkeit durch eine andere
geplante Bohrung einen neuen schlechten Kreis zu verhindern. Daraus
folgt, dass bei D13, E12, F5, I11, K5, K10, L7, M12 und N13 nicht gebohrt
werden darf. Hieraus folgt wiederum, dass 4 der Kreise nur durch Boh-
rungen bei C11, G9, M6 und O11 (grün) umgewandelt werden können.
Die verbleibende Position C8 (grau) kommt nicht in Frage, da bei die-
sem Kreis eine der gepaarten Positionen gewählt werden muss, um den
Kreis bei F6 umwandeln zu können. Wie man nach einigem Überprü-
fen feststellt, sind alle 6 durch die Paare gegebenen Möglichkeiten (mal
zwei wenn man noch die Lagen tauscht) Lösungen des Problems. Also
wurde die untere Schranke erreicht.

170
Lagenwechsel minimieren

Der Beweis der unteren Schranke 8 durch Daniel Glöckner ist durch-
aus knifflig. Für große Leiterplatten ist eine derartige Argumenta-
tion selten (einigermaßen nachvollziehbar) möglich. Hierzu muss
die aufwändige Maschinerie der ganzzahligen Optimierung einge-
setzt werden.

Variationen. Bei realen Leiterplatten sind Hunderte oder gar Tau-


sende von Löchern zu bohren. Neben den bereits erwähnten Vorga-
ben, dass Leiterbahnen auf vorher festgelegten Lagen enden müs-
sen, kann es sein, dass das Bohren von Löchern in bestimmten Zo-
nen nicht erlaubt ist. Bohrlöcher z. B. benötigen mehr Platz als Lei-
terbahnen, und wenn zwei Leiterbahnen sehr eng nebeneinander
geführt werden, kann es passieren, dass eine Bohrung in eine der
beiden Bahnen, die andere Leiterbahn berührt (das führt zu einem
Kurzschluss, und man hat Ausschuss produziert). In der Leiterplat-
te aus Abbildung 6 könnte es zum Beispiel sein, dass die vom südli-

Abbildung 10. Lösung, wenn nur an Verzweigungen gebohrt werden darf.

171
Mathematik in Produktion und Logistik

chen Rand nach oben verlaufenden Leiterbahnen 6 und 3 so eng ne-


beneinander liegen, dass die in der Optimallösung aus Abbildung 8
vorkommende Bohrung in Leiterbahn 5 (die zwischen den Bahnen
6 und 3 liegt) zu einem Kurzschluss führt. Die Frage ist dann, ob
es eine andere Optimallösung gibt, die ohne eine solche Bohrung
auskommt. Man kann nun nachweisen, dass beim Ausschluss ei-
ner Bohrung in Leiterbahn 5 zwischen den Leiterbahnen 6 und 3
mindestens neun Bohrlöcher erforderlich sind. Mit neun Bohrun-
gen kommt man übrigens auch aus, wenn man fordert, dass nur an
„Knicken“ bzw. „Verzweigungen“ gebohrt werden darf. Eine solche
Lösung ist in Abbildung 10 zu sehen.

172
Mathematik gegen Bankrott
Die Paketversicherung von MathPost
Peggy Daume

Angesichts der fundamentalen Bedeutung des Versicherungsgedan-


kens für die menschliche Existenz kann das Versicherungswesen auf
eine lange Geschichte zurückblicken. Dabei lassen sich zwei Grund-
formen von Versicherungen unterscheiden, die sich gegenseitig be-
einflusst und gegenüber anderen Formen durchgesetzt haben.

Gefahrengemeinschaften. Erste Vorstufen zur Versicherung entstan-


den bereits in der Antike, als sich einzelne Interessengruppen (z. B.
Bauern), die in gleicher Art von einem bestimmten schadensbrin-
genden Ereignis (z. B. Ernteausfall) bedroht waren, zu so genannten
Gefahrengemeinschaften zusammenschlossen. Jedes Mitglied der
Gemeinschaft entrichtete einen Beitrag in die Gemeinschaftskasse,
aus der die entstandenen Schäden reguliert wurden. Die Höhe des
Beitrages wurde entweder im Voraus, unter der Annahme des zu
erwartenden Schadens, oder im Nachhinein, auf Grund des tatsäch-
lich eingetretenen Schadens, bestimmt. Als urtümlichste Gefahren-
gemeinschaft ist die Familie anzusehen, in der sich die einzelnen
Familienmitglieder zur gegenseitigen Hilfe verpflichteten.
Genossenschaftliche und freiwillige Zusammenschlüsse, wie sie
aus dem Altertum überliefert sind, kommen der Versicherungsidee
aber näher. So initiierten beispielsweise die ärmeren Bevölkerungs-
schichten im kaiserlichen Rom die „collegia tenuiorum“ als Kassen
zur Bestreitung von würdigen und kostspieligen Bestattungszere-
monien. Etwa zeitgleich wurden in Ägypten kultische Unterstüt-
zungseinrichtungen für Hinterbliebene und in Israel Brautausstat-
tungsvereine gegründet.
Ende des 19. Jahrhundert griff der preußisch-deutsche Staat mit
dem Aufbau einer gesetzlichen Sozialversicherung, wie sie auch

175
Mathematik gegen Bankrott

heute noch existiert, in das Versicherungswesen ein. Derzeit ist


die Sozialversicherung als systematischste Form der Bildung einer,
wenn auch staatlich erzwungenen, Gefahrengemeinschaft anzuse-
hen.

Versicherungen als kaufmännisches Rechtsgeschäft. Die ersten echten


Versicherungsverträge wurden im 14. Jahrhundert abgeschlossen.
In den so genannten See-Versicherungsverträgen wurde das Risi-
ko eines schadensbringenden Ereignisses erstmalig auf eine Person
übertragen: Ein Geschäftsmann (= Versicherungsunternehmer) ver-
pflichtete sich gegen Zahlung einer Versicherungsprämie, Seeleu-
ten (= Versicherungsnehmer) einen fest vereinbarten Betrag zu be-
zahlen, falls ihre Schiffe bzw. Waren durch Piraten oder Unwetter
verloren gingen. Ein zweiter Ursprung eines geschäftsmäßigen Ver-
sicherungswesens ist in den Leibrentenverträgen des frühen Mittel-
alters zu sehen: Der Versicherungsnehmer erkaufte sich von einem
Geschäftspartner, z. B. durch Übertragung seines Grundstücks, das
Anrecht auf eine später zu erfolgende, regelmäßige und bis zum Le-
bensende dauernde Zahlung von Rentenbeträgen.
Mit Beginn des 18. Jahrhunderts setzte die Entwicklung einer
professionell betriebenen privaten Lebensversicherung ein, nach-
dem u. a. durch Pascal, Leibniz und Bernoulli die wahrschein-
lichkeitstheoretischen Grundlagen des Versicherungswesens gelegt
wurden. Seit dieser Zeit wird das Risiko eines schadensbringenden
Ereignisses mittels Stochastik kalkuliert und die Prämie auf Grund-
lage mathematischer Überlegungen bestimmt, da Versicherungsge-
schäfte notwendigerweise ein zufälliges Element enthalten. Im Falle
von Kfz-Versicherungen beispielsweise steckt der Zufall in der Un-
fallwahrscheinlichkeit, im Zusammenhang mit Lebensversicherun-
gen in der restlichen zufälligen Lebensdauer des Versicherungsneh-
mers. Insbesondere das Versicherungswesen rund um die Lebens-
versicherungen hat stark von der Entwicklung der Wahrscheinlich-
keitstheorie profitiert.
Mittlerweile gibt es kaum etwas, das man nicht versichern
kann. Neben den allseits bekannten Versicherungen wie Lebens-

176
Die Paketversicherung von MathPost

versicherung, Haftpflichtversicherung, Krankenversicherung oder


Kfz-Versicherung gibt es sehr ungewöhnliche Versicherungen: Wer
beispielsweise Angst davor hat, von einem Außerirdischen entführt
zu werden, sollte eine entsprechende Police abschließen. Wenn der
Versicherungsnehmer tatsächlich entführt wird und dies glaubhaft
nachweisen kann, ist sich dieser eines hohen Schmerzensgeldes si-
cher. Fußballfans erleben schon schwere Momente, wenn ihr Lieb-
lingsverein aus der ersten Bundesliga absteigt. Vielleicht hilft dann
ein kleiner finanzieller Ausgleich. Kein Problem – wenn rechtzeitig
eine entsprechende Versicherung abgeschlossen wurde.
Das Versicherungswesen wird also immer individueller: Maßge-
schneiderte Versicherungen – wie sie u. a. Unternehmen abschlie-
ßen – helfen in jeder Problemsituation. So profitiert beispielsweise
auch das Familienunternehmen MathPost von der auf seine betrieb-
liche Situation abgestimmten Paketversicherung. Schauen wir uns
diese im Folgenden näher an1 .
Das Familienunternehmen MathPost ist ein kleines, seit einem
Jahr existierendes Unternehmen, das Pakete mit besonders wertvol-
len Inhalten verfrachtet. In diesem Unternehmen sind viele fleißige
Mitarbeiter beschäftigt, die alle sorgfältig und umsichtig arbeiten.
Dennoch kommt es schon einmal vor, dass ein Paket auf dem Weg
zum Kunden verloren oder etwas beim Verladen der Pakete zu Bruch
geht. Im ersten Jahr des Unternehmens gab es immer wieder ent-
täuschte Gesichter, wenn etwa der Paketempfänger voller Vorfreude
das Paket öffnete und feststellen musste, dass die heiß erwartete Di-
gitalkamera leider kaputt war, weil das Paket offensichtlich einem
Postboten aus den Händen geglitten war.
Doch der Geschäftsführer Max Math hat aus den Erfahrungen
des ersten Jahres gelernt. Traurige Kunden möchte er ab sofort ver-

1. Auf die gleiche Art, wie in der folgenden Aufgabe die Versicherungsprämie für
eine Paketversicherung bestimmt wird, werden in der Realität Prämien für Lebens-
versicherungen berechnet.

177
Mathematik gegen Bankrott

meiden. Aus diesem Grund denkt er über die Möglichkeit nach, eine
spezielle Paketversicherung für die beförderten Pakete abzuschlie-
ßen. Dafür hat Max Math folgenden Einfall: Geht der Inhalt eines
Pakets entzwei oder das Paket gar verloren, wird dem Kunden ein
Gutschein ausgestellt. Als kleines „Schmerzensgeld“ soll der Gut-
schein mit einer Summe, die 10 % über dem ursprünglichen Wert
des Pakets liegt, versehen werden. Das auf dem Gutschein stehende
Geld möchte der Geschäftsführer im Schadensfall von einer Versi-
cherung ausbezahlt bekommen. Mit dieser Idee wendet er sich an
das Versicherungsunternehmen GlüKu. Das Risiko, das die Versi-
cherung durch die Paketversicherung eingeht, lässt sie sich natür-
lich mit einem Beitrag, der so genannnten Versicherungsprämie,
bezahlen. Doch wie berechnet die Versicherung die Versicherungs-
prämie? Max Math lässt sich dies von einem Mathematiker des Ver-
sicherungsunternehmens erklären:
Zur Berechnung der Versicherungsprämie müssen wir alle möglichen
Leistungen betrachten, die von uns und von Ihnen erbracht werden.
Klar sollte zunächst sein, dass Sie für die Paketversicherung für jedes
Paket einmalig eine Prämie zahlen. Die Prämie für ein Paket wird sofort
beim Abschluss der Versicherung fällig. Für die Leistung, die wir als
Versicherung erbringen, gibt es zwei mögliche Szenarien:
– Das Paket geht nicht verloren und kommt unversehrt beim Kunden
an. Dann erbringen wir keine Leistung.
– Das Paket geht auf dem Weg zum Kunden verloren oder der Pake-
tinhalt wird beschädigt. Dann zahlen wir genau einen Monat nach
Vertragsabschluss die Versicherungssumme.
Unsere Leistung ist also vom zufälligen Verschwinden der Pakete oder
Zerbrechen derer Inhalte abhängig. Wir halten es daher für fair, wenn
Sie als Versicherungsprämie gerade so viel bezahlen, wie wir an Leis-
tung durchschnittlich zahlen. Das bedeutet: Ist X die Versicherungs-
summe (= Betrag, den Sie nach Eintreten des Schadensfall ausbezahlt
bekommen), berechnen wir die Versicherungsprämie P mit der folgen-
den Formel
P = pV · X + pK · X.
Dabei ist pV die Wahrscheinlichkeit dafür, dass ein Paket auf dem Weg
zum Kunden verloren geht und pK die Wahrscheinlichkeit dafür, dass

178
Die Paketversicherung von MathPost

der Paketinhalt zerbricht. Hinter der Formel steckt im Übrigen die Er-
wartung, dass wir eine Unmenge von Versicherungen dieser Art ver-
kaufen und sich die Schadensfälle mit den Nichtschadensfällen ausglei-
chen, so dass wir im Durchschnitt weder einen Verlust noch einen Ge-
winn machen. Um aber die durchschnittliche Leistung berechnen zu
können, brauchen wir Aussagen darüber, mit welcher Wahrscheinlich-
keit ein Paket verloren geht oder dessen Inhalt zerbricht. Ohne diese
können wir Ihnen leider keine Versicherung anbieten.
Glücklicherweise hat der umsichtige Max Math genauestens dar-
über Buch geführt. Von allen Paketen, die sein Unternehmen im ers-
ten Jahr beförderte, sind 1,3 % aller Pakete auf dem Postweg verloren
gegangen. Bei 3,19 % aller ausgelieferten Pakete gab es Beschwer-
den von Kunden, weil der Inhalt leider beschädigt wurde. Da das
Unternehmen MathPost sehr viele Pakete befördert, können diese
beobachteten Werte auch als entsprechende Wahrscheinlichkeiten
interpretiert werden. Max Math kann also auf Grund seiner guten
Buchführung der Versicherung alle notwendigen Daten zur Bestim-
mung der Versicherungsprämie liefern.
Max Math denkt einen Moment über den Vorschlag der Versi-
cherung nach. Eigentlich ist er mit dem Angebot zufrieden, aller-
dings ist er der Meinung, dass die Versicherung ein kleines De-
tail übersehen hat. Max Math soll die Versicherungsprämie bereits
zum Zeitpunkt des Versicherungsabschlusses zahlen, wird aber im
Schadensfall erst einen Monat später das Geld für die zerstörten
oder verschwundenen Pakete erhalten. Er denkt, dass dies unfair
ist, da die Versicherung noch einen Monat lang Zinsen erhält (Jah-
reszinssatz 3 % bei monatlicher Verzinsung mit Zinseszins und li-
nearer Verzinsung, d. h. bei einem Jahreszinssatz von i % beträgt der
Monatszinssatz 12i %) und erst dann die Versicherungssumme zah-
len muss. Diesen Vorteil auf Seiten der Versicherung möchte Max
Math bei der Berechnung der Versicherungsprämie berücksichtigt
wissen und schlägt daher vor, dass durch so genanntes Abzinsen
auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses die Leistungen der Ver-
sicherung und des Unternehmens MathPost vergleichbar gemacht
werden.

179
Mathematik gegen Bankrott

Wie groß ist die Differenz (bzw. der Betrag der Differenz) zwi-
schen den zwei vorgeschlagenen Versicherungsprämien, wenn das
Versicherungsunternehmen ein Paket im Wert von 5000,00 Euro
versichern möchte?

Antwortmöglichkeiten

1. 1,00 Euro 6. 0,54 Euro


2. 0,65 Euro 7. 0,90 Euro
3. 1,03 Euro 8. 0,91 Euro
4. 0,40 Euro 9. 0,72 Euro
5. 0,61 Euro 10. 0,62 Euro

180
Die Paketversicherung von MathPost

Lösung

(Richtige Lösung: Antwort 10)

Da die Versicherung ein Paket im Wert von 5 000,00 Euro versi-


chern möchte, beträgt die Versicherungssumme zuzüglich der 10 %
Schmerzensgeld 5500,00 Euro.
Zunächst wird die von dem Versicherungsunternehmen vorge-
schlagene Prämie PV gemäß der Formel

PV = pV · X + pK · X

bestimmt. Dabei ist pV = 1, 3 % die Wahrscheinlichkeit dafür, dass


ein Paket verloren geht und pK = 3, 19 % die Wahrscheinlichkeit
dafür, dass der Paketinhalt zerbricht. Mit den gegebenen Wahr-
scheinlichkeiten ergibt sich für PV :

PV = (0, 013 + 0, 0319) · 5 500, 00 Euro = 246, 95 Euro.

Die Versicherungsprämie nach dem Vorschlag des Versicherungs-


unternehmens beträgt also 246,95 Euro.
Nun betrachten wir den Vorschlag von Max Math. Aus einem
3
jährlichen Zinssatz von 3 % folgt ein Monatszinssatz von 12 % =
0, 25 %. Durch so genanntes Abzinsen der oben berechneten Prämie
erhalten wir unsere neue Versicherungsprämie PM , die berücksich-
tigt, dass die Versicherung mit dem Geld noch einen Monat arbeiten
kann. Es gilt:

1
PM = · ( pV · X + p K · X )
1, 0025
1
= · 246, 95 Euro = 246, 33 Euro
1, 0025

Die Versicherungsprämie nach Vorschlag von Max Math beträgt


folglich 246,33 Euro.
Damit beträgt die Differenz zwischen beiden Prämien 0,62 Euro.
Dies erscheint auf dem ersten Blick eine kleine Summe zu sein.

181
Mathematik gegen Bankrott

Wenn man jedoch bedenkt, dass Max Math sehr viele Verträge bei
der Versicherung abschließen wird und die meisten Versicherungen
nicht nur einen Monat, sondern viele Jahre laufen, dann lässt sich
mit dem Vorschlag von Max Math schon viel Geld sparen. Und tat-
sächlich sind Versicherungen dazu verpflichtet, ihren Zinsvorteil an
die Versicherten weiterzugeben und die Prämien auf den Zeitpunkt
des Vertragsabschlusses abzuzinsen.

182
Ein Kredit für Weihnachtsbaumkugeln
Sina Tutsch

Eine Mathematikerin aus dem DFG-Forschungszentrum Matheon


arbeitet an Methoden zur dreidimensionalen Visualisierung. Sie
hat die Geschäftsidee, Weihnachtsbaumkugeln mit bewegten Ho-
logrammen herzustellen, die sich individuell gestalten lassen, und
plant eine Existenzgründung. Aus einem öffentlichen Förderpro-
gramm erhält sie ein günstiges Darlehen in Höhe von 50 000 Euro.
Für die Startphase ihres Unternehmens benötigt sie jedoch den vier-
fachen Betrag.
Ihre Hausbank bietet ihr einen Kredit über 150 000 Euro mit ei-
ner Laufzeit von 5 Jahren zu den folgenden Konditionen an: Die
Bank leiht der Mathematikerin die 150 000 Euro, und nach 5 Jahren
zahlt diese den Betrag plus Zinsen zurück, also 150 000 · (1 + r )5
Euro, wobei r den jährlichen Zinssatz bezeichnet. Hat sie mit den
Hologramm-Weihnachtsbaumkugeln Erfolg, so kann sie nach 5
Jahren ihre Schulden tilgen, und die Bank würde durch die Zin-
sen einen Gewinn in Höhe von 150 000 · (1 + r )5 − 150 000 Eu-
ro machen. Die Bank zieht aber auch ein zweites Szenario in Be-
tracht, nämlich den Ausfall der Schuldnerin, also das Scheitern
des Projekts. In diesem Fall hätte die Bank einen Totalverlust von
150 000 Euro.
Anhand des vorliegendes Businessplans und ihrer Erfahrun-
gen mit ähnlichen Existenzgründungen schätzt die Bank die Wahr-
scheinlichkeit p für einen Ausfall auf 28 %. Sie wählt den Zinssatz r
so, dass der erwartete Gewinn
 
150 000 · (1 + r )5 − 1 · (1 − p) − 150 000 · p

so hoch wie bei einer risikofreien Anlage der 150 000 Euro mit ei-
nem Zinssatz r  von 2 % ist. Nun muss die Mathematikerin ent-
scheiden, ob sie den Kredit unter diesen Bedingungen aufnehmen

183
Mathematik gegen Bankrott

möchte. Sie will den Vertrag nur unterschreiben, falls der Zinssatz
r nicht höher als 10 % ist.
Angenommen, es kommt tatsächlich zur Vergabe des Kredits.
Dann bildet die Bank eine Rücklage für den Fall, dass die junge
Unternehmerin mit ihrer Firma Bankrott geht und ihre Schulden
nicht zurückzahlen kann. Das Geld wird risikofrei mit Zinssatz r 
angelegt. Welcher Betrag R ist als Rücklage ausreichend? Dazu be-
urteilt die Bank das Ausfallrisiko erneut, diesmal unter strenge-
ren Kriterien im Sinne eines Stress-Tests. Sie setzt also eine höhere
Ausfallwahrscheinlichkeit p̃ an. Mit dieser pessimistischen Schät-
zung sinkt natürlich auch der erwartete Gewinn. Das heißt, es steigt
der erwartete Verlust, definiert als negativer erwarteter Gewinn. Die
Bank wählt nun die Rücklage R so, dass sie in fünf Jahren diesen hö-
heren erwarteten Verlust abdeckt. Das bedeutet, dass R die folgende
Ungleichung erfüllt:
 
−150 000 · (1 + r )5 − 1 · (1 − p̃) + 150 000 · p̃ ≤ R · (1 + r  )5
Akzeptiert die Mathematikerin die Konditionen des Kreditvertrags?
Wenn ja, auf welcher pessimistischen Schätzung für die Ausfall-
wahrscheinlichkeit p̃ würde eine Rücklage in Höhe von mindestens
10 860 Euro beruhen?

Antwortmöglichkeiten

1. Sie lehnt die Konditionen ab.


2. Sie akzeptiert, und p̃ wurde auf circa 31 % angesetzt.
3. Sie akzeptiert, und p̃ wurde auf circa 35 % angesetzt.
4. Sie akzeptiert, und p̃ wurde auf circa 40 % angesetzt.
5. Sie akzeptiert, und p̃ wurde auf circa 43 % angesetzt.
6. Sie akzeptiert, und p̃ wurde auf circa 45 % angesetzt.
7. Sie akzeptiert, und p̃ wurde auf circa 49 % angesetzt.
8. Sie akzeptiert, und p̃ wurde auf circa 53 % angesetzt.
9. Sie akzeptiert, und p̃ wurde auf circa 58 % angesetzt.
10. Sie akzeptiert, und p̃ wurde auf circa 59 % angesetzt.

184
Ein Kredit für Weihnachtsbaumkugeln

Lösung

(Richtige Lösung: Antwort 4)

Zunächst muss man den Zinssatz r berechnen. Der erwartete Ge-


winn unter p mit Zinssatz r soll gleich dem Gewinn einer risikofrei-
en Anlage mit Zinssatz r  sein. Das bedeutet:
 
150 000 · (1 + r )5 − 1 · (1 − p) − 150 000 · p
 
= 150 000 · (1 + r  )5 − 1 .

Durch Umstellen der Gleichung erhält man:


1 + r
r=  −1
5
1− p
1 + 0, 02
= √ − 1 ≈ 9 %.
5
1 − 0, 28
Das heißt, die Mathematikerin unterschreibt den Kreditvertrag.
Danach bestimmt man den Wert für p̃, bei dem die Bank eine
Rücklage in Höhe von mindestens 10 860 Euro bilden müsste. Also
löst p̃ die folgende Gleichung:
 
−150 000 · (1 + r )5 − 1 · (1 − p̃) + 150 000 · p̃ = 10 860 · (1 + r  )5

Einsetzen von r und Zusammenfassen der Terme ergibt:


 
(1 + r  )5 · (1 − p̃)
150 000 · 1 − = 10 860 · (1 + r  )5
(1 − p )
Diese Gleichheit gilt genau dann, wenn p̃ ungefähr 40% ist.
 
10 860 · (1 + r  )5 (1 − p )
p̃ = 1 − 1 − ·
150 000 (1 + r  )5
 
10 860 · (1 + 0, 02)5 (1 − 0, 28)
= 1− 1− ·
150 000 (1 + 0, 02)5
≈ 40 %

185
Optionsbewertung
John Schoenmakers

Seitdem es auf dieser Welt Geld gibt, wird damit gerechnet. Mathe-
matik und Geld sind von daher eng miteinander verknüpft. Dabei
sind die Anforderungen an die Rechenkünste gestiegen: Das Ein-
maleins reicht längst nicht mehr aus, schon gar nicht, wenn es um
die Bewertung von Portfolios und komplizierten Finanzkonstruk-
ten (Derivaten) geht. Mathematiker helfen der Finanzindustrie und
arbeiten eng mit Banken und Versicherungen zusammen. Sie ent-
wickeln Modelle und Programme, mit denen sich mittels mathema-
tischer Verfahren Risiken und Absicherungsstrategien kompliziert
strukturierter Finanzprodukte besser einschätzen lassen.
Ein relativ einfaches Finanzprodukt ist das Termingeschäft, bei
dem man sich festlegt an einem gewissen Zeitpunkt in der Zu-
kunft eine Aktie oder ein anderes Gut gegen einen jetzt vereinbar-
ten Preis zu kaufen oder zu verkaufen. In der Regel wird der künf-
tige Preis (auch Termin- oder Forward-Preis genannt) gleich dem
jetzigen Preis, zuzüglich der bis dahin anfallenden Zinsen zum ak-
tuellen Zinssatz, gesetzt. So entstehen bei diesem Geschäft keine
weiteren Vertragskosten.
Etwas kompliziertere Produkte sind die so genannten Call- und
Put-Optionen. Der Besitzer eines solchen Produktes darf, muss aber
nicht wie im Falle eines Termingeschäfts, das Gut oder die Aktie zu
dem jetzt festgelegten (Basis-) Preis kaufen (Call-Option) oder ver-
kaufen (Put-Option). In der Zeit zwischen Abschluss der Option und
Datum der Vertragsausübung (Kauf/Verkaufsmöglichkeit der Aktie)
kann die Aktie fallen oder steigen.
Ein Beispiel: Man schließt eine Call-Option am 10. 2. 2008 für ei-
ne Aktie ab. Diese sieht vor, dass man die Aktie am 10. 2. 2009 für
200 Euro kaufen darf. Die 200 Euro werden als Basispreis bezeich-

187
Mathematik gegen Bankrott

net. Die Aktie hat heute einen Wert von 190 Euro. Der Wert der Aktie
und der vereinbarte Basispreis müssen nicht identisch sein.
Am 10. 2. 2009 steht die Aktie bei 260 Euro, ist also im Wert ge-
stiegen. Wir lösen die Call-Option ein und können die 260 Euro teu-
re Aktie für 200 Euro kaufen.
Wäre die Aktie am 10. 2. 2009 weniger als 200 Euro wert, würde
man die Aktie nicht kaufen und die Option verfallen lassen.
Weil man mit einer Option ein Recht auf Kauf oder Verkauf er-
wirbt, jedoch nicht verpflichtet ist sie auch einzulösen, wird die
Ausübung des Vertrages immer einen Gewinn oder besser gesagt
keinen Verlust liefern. Dieses Recht hat natürlich seinen Preis.
Fischer Black und Myron Scholes gelang es 1973 solche Optionen
in einem halbwegs realistischen Preisentwicklungsmodell (geome-
trische Brownsche Bewegung) auf Grund von Arbitrageprinzipien
zu bewerten. Für diese Entdeckung wurde 1996 an Scholes und Ro-
bert Merton der Nobelpreis verliehen (Black war 1995 verstorben).
Black, Scholes und Merton wiesen nach, dass im Rahmen des un-
terliegenden Preismodels, es genau einen fairen Options-Preis gebe.
Alle anderen Preise würden unbeschränkt risikolose Gewinne (Arbi-
trage) ermöglichen und sind von daher ökonomisch nicht relevant.
In der folgenden Aufgabe werden die Ideen von Black, Scholes und
Merton zur Bewertung einer Call-Option vereinfacht dargestellt.
Wir betrachten folgendes stilisierte Aktien-Zins-Modell: Eine
Aktie hat heute einen Wert von 100 Euro. Mit 50-prozentiger Wahr-
scheinlichkeit steigt der Wert der Aktie in einem Jahr auf 205 Euro,
sonst fällt er auf 55 Euro (also auch mit 50-prozentiger Wahrschein-
lichkeit).
Festverzinslich angelegtes Geld wird mit 10 % jährlich verzinst,
und man darf auch gegen Zahlung von 10 % Zinsen ,negativ‘ anle-
gen, d. h. leihen. Ein Investor will ohne Einsatz von eigenem Geld
am Markt eine Call-Option mit einem Basispreis von 105 Euro und
einer Laufzeit von 1 Jahr verkaufen. Der Käufer dieser Option er-
wirbt das Recht, aber nicht die Pflicht, die Aktie in einem Jahr
für 105 Euro zu kaufen. Wenn der Wert der Aktie, wie oben ange-
geben, steigt, wird er die Option nutzen und somit de facto um

188
Optionsbewertung

205 − 105 = 100 Euro reicher sein, aber falls ihr Wert fällt, wird er
die Option verfallen lassen.
Die Aufgabe lautet: Ermittle, welchen Preis der Investor fairer-
weise für den Verkauf dieser Option verlangen kann. Unter einem
fairen Preis versteht man hier, dass der Investor bei jeder Kursent-
wicklung die Optionsauszahlung replizieren kann, wenn die Option
fällig wird, ohne dass er dabei Verlust erleidet, aber auch ohne dass
er dabei Gewinn erzielt.
Hinweis: Lege heute ein Portfolio (Bestand an Wertpapieren) aus
Aktien (dies können auch nur Bruchstücke einer Aktie sein) und
einer risikolosen festverzinslichen Anlage auf dem Bankkonto an.
Gestalte den Wert P dieses Portfolios so, dass ,egal, was passiert‘,
nach einem Jahr genau die Auszahlungsverpflichtung gegenüber
dem Optionshalter abgedeckt ist. Der heutige Wert dieses Portfo-
lios ist dann der sogenannte „arbitragefreie“ Preis der Call-Option.
Wie muss P gewählt werden?

Antwortmöglichkeiten

1. 66,66 Euro 6. 40,00 Euro


2. 55,50 Euro 7. 36,66 Euro
3. 50,00 Euro 8. 33,33 Euro
4. 45,45 Euro 9. 30,00 Euro
5. 43,33 Euro 10. 25,66 Euro

189
Mathematik gegen Bankrott

Lösung

(Richtige Lösung: Antwort 8)

Der Investor legt sich ein Portfolio P an, welches aus Aktienantei-
len θ und Geld auf einem Bankkonto ψ zusammengesetzt ist. Die
Aktien haben heute einen Wert von 100 Euro, somit beträgt der An-
fangswert P des Portfolios
PAnfang = 100 Euro · θ + ψ Euro.
Nun müssen θ und ψ so gewählt werden, dass die Wertentwicklung
des Portfolios der Wertentwicklung der Option entspricht, d. h. ist
der Wert der Aktie nach einem Jahr gestiegen, so ist der Wert der
Option gleich 100 Euro (Differenz aus aktuellem Aktienwert von
205 Euro und Basispreis der Option von 105 Euro). Ist nach einem
Jahr die Aktie gefallen, so ist der Wert der Option gleich Null (sie
wird nicht eingelöst). Wenn das Portfolio diesen Werten entspricht,
kann der Investor in den jeweiligen Szenarien entweder 100 Euro
oder 0 Euro an den Optionshalter auszahlen. Daraus ergeben sich
folgenden Forderungen:
Pgestiegen = 205 Euro · θ + 1, 1 · ψ Euro = 100 Euro
Pgefallen = 55 Euro · θ + 1, 1 · ψ Euro = 0 Euro
Dieses Gleichungssystem können wir nach den Unbekannten auflö-
sen:
2 100
θ= , ψ=− Euro
3 3
Also muss der Investor 100
3 Euro Kredit bei der Bank aufnehmen und
2
3 Anteile Aktien kaufen. Der Wert des Portfolios am Anfang der
Laufzeit beträgt also:
2 100
PAnfang = 100 Euro · − Euro = 33, 33 Euro
3 3
Diesen Wert kann er von dem Optionskäufer verlangen. Somit ist
die richtige Antwortmöglichkeit Nummer 8. Doch wie funktioniert
dieses faire Geschäft nun wirklich?

190
Optionsbewertung

Zu Beginn des Optionsgeschäftes benötigt der Investor laut


Rechnung 23 Aktienanteile. Die Kaufsumme ( 23 · 100 Euro = 66, 66
Euro) finanziert er zur Hälfte aus dem Preis für die Option, zur an-
deren Hälfte über einen Kredit.
1. Der Kurs der Aktie sei gestiegen. Der Optionskäufer wird
also sein Kaufrecht ausüben und den Basispreis von 105 Euro an
den Investor zahlen. Um dem Inhaber der Option eine Aktie geben
zu können, benötigt der Investor nochmals ein Drittel einer Aktie
zum jetzt aktuellen Preis. Dafür muss er bezahlen: 13 · 205 Euro =
68, 33 Euro.
Somit hat der Investor insgesamt folgende Kosten:
1
Kaufpreis von Aktienanteil + Tilgung verzinster Kredit
3
1 100
· 205 Euro + Euro · 1,1 = 105 Euro
3 3
Seine Einnahmen, durch den Verkauf der Option, belaufen sich auch
auf 105 Euro und somit gibt es weder Gewinn noch Verlust für den
Investor.
2. Der Kurs der Aktie sei gefallen. Der Optionskäufer wird also
sein Kaufrecht nicht ausüben. Der Investor verkauft seine Aktienan-
teile zum aktuellen Preis (von 55 Euro pro Anteil) und tilgt seinen
verzinsten Kredit:

aktueller Aktienwert − verzinster Kredit


2 100
= · 55 Euro − Euro · 1,1 = 0 Euro
3 3
Der Investor erzielt/erleidet also auch hier weder Gewinn noch Ver-
lust – der Preis ist also „fair“.

Bemerkung. Die abdiskontierte ,erwartete‘ Optionsauszahlung be-


trägt:
1 100
· = 45,45 Euro.
2 1,1
Antwort 4 wäre also kein korrekter Preis!

191
Mathematik gegen Bankrott

Der Investor könnte z. B. 45,45 Euro − 33,33 Euro risikolos anle-


gen und erzielte damit einen Gewinn, weil alles andere genauso wie
oben dargestellt abliefe.

192
Mathematik im menschlichen Körper
Das morgendliche Brückenritual
Oliver Sander

Es wäre für Mediziner sehr interessant zu wissen, was für Kräfte


genau in den menschlichen Knien wirken. Klar ist, dass sie recht
groß sein müssen. Das Gewicht eines erwachsenen Mannes beträgt
ca. 80 kg. Wenn davon je die Hälfte auf einem Bein ruht hat man
schon mindestens 400 Newton pro Knie, beim Laufen, Springen,
oder Treppensteigen noch viel mehr. Man will es aber noch viel ge-
nauer wissen. Die Kondylen, das sind die Kontaktflächen in den Kni-
en, sind nicht eben. Es gibt dort Unregelmäßigkeiten, und die Kräf-
te konzentrieren sich dort. An einzelnen Stellen können die Kräfte
dann noch viel höher sein.
Die genaue Verteilung dieser Kräfte hat verschiedene medizini-
sche Folgen. So sind z. B. die Kondylen mit einer dünnen Knorpel-
schicht bedeckt, die als Schmiere im Gelenk dient. Sind jetzt die
Kräfte an einer Stelle zu hoch, so wird diese Knorpelschicht langsam
abgerieben. Das Stadium fortgeschrittenen Abriebs bezeichnet man
als Arthrose, eine Krankheit, die für den Patienten sehr schmerzhaft
ist. Wüsste man die Kräfte im Knie, könnte man Arthrose in man-
chen Fällen vorhersehen.
Ein anderes Gebiet, auf dem die Kräfte im Knie eine wichtige
Rolle spielen, sind Knieprothesen. Diese werden teilweise in den
Knochen geschraubt. In der Nähe der Schrauben merkt der Kno-
chen manchmal, dass ein Großteil der Last jetzt von der metallenen
Schraube übernommen wird, und bildet sich zurück. Als Resultat
fängt die Prothese an zu wackeln. Eine genaue Kenntnis der Kräfte
im Knie würde helfen, Prothesen zu entwickeln, bei denen dieser
Effekt möglichst wenig auftritt.
Leider kann man diese Kräfte kaum messen. Einem lebenden
Menschen einen Drucksensor einzubauen ist sehr aufwändig und
deshalb nur in ganz wenigen Fällen gemacht worden. Stattdessen

195
Mathematik im menschlichen Körper

Abbildung 1. Ein Knochen als verformbarer Körper. Die durchgezogene Linie zeigt
den Knochen im spannungsfreien Zustand. Wird er belasted, so verformt er sich
(gestrichelte Linie).

eilt die Mathematik zur Hilfe. Wenn man die Kräfte schon nicht
messen kann, vielleicht kann man sie stattdessen ausrechnen?
Das Teilgebiet der Mathematik, das sich mit der Mechanik ver-
formbarer Körper beschäftigt, heißt Kontinuumsmechanik. Eine
Verformung wird dort durch eine Funktion beschrieben, die jedem
Punkt im unverformten Körper eine Position im verformten Kör-
per zuweist. Allerdings entsprechen nicht allen solchen Funktionen
Verformungen, die in der Realität vorkommen. Die, die das tun,
zeichnen sich dadurch aus, dass sie Lösung bestimmter partieller
Differentialgleichungen sind. Um die Verformungen und Kräfte ei-
nes elastischen Körpers auszurechnen muss man also die dazuge-
hörige partielle Differentialgleichung lösen. Damit beschäftigt sich
die Numerik.
Auch das Knie ist ein verformbarer Körper, allerdings stehen die
Dinge hier noch etwas komplizierter. Denn ein Knie besteht ja aus
vielen unterschiedlichen Bestandteilen, die sich alle unterschiedlich
verhalten. So ist z. B. Knochen hart und spröde, Muskelgewebe da-
gegen eher weich. Bänder und Sehnen sind sehr stark gegenüber
Zugbelastung, Knorpel und die Menisken federn Stöße ab. Jeder ein-

196
Das morgendliche Brückenritual

zelne dieser Bestandteile kann durch eine partielle Differentialglei-


chung beschrieben werden. Möchte man aber das ganze Knie mit
all seinen unterschiedlichen Materialien auf einmal beschreiben, so
erhält man eine Gleichung, die extrem schwierig zu lösen ist.
An dieser Stelle hilft eine Methode, die Gebietszerlegung ge-
nannt wird. Anstatt eine große Gleichung zu behandeln, die schwie-
rig zu lösen ist, nimmt man die Einzelgleichungen für die einzelnen
Gebiete und löst jede davon mehrfach.
Angenommen, das Knie besteht aus drei Teilen A, B, und C, die
sich alle drei wechselseitig berühren. Man löst die Gleichung für A,
und danach die von B. Da A und B aneinanderstoßen hängt die Lö-
sung von B natürlich von der Lösung von A ab. Als drittes löst man
die Gleichung von C, und benutzt dabei, was man vorher für A und
B ausgerechnet hat. Jetzt ist man einmal durch, aber was man für
A ausgerechnet hat kann nicht die richtige Lösung sein. Denn die
hängt ja von C ab, C wurde aber erst nach A ausgerechnet. Ande-
rerseits ist das, was man jetzt für A, B und C hat, vielleicht besser
als vorher, und daher kommt die Idee, jetzt alle drei Gleichungen
nochmal zu lösen, aber die Ergebnisse aus der vorherigen Runde zu
verwenden. Vielleicht ist das Ergebnis dann noch besser.
In der folgenden Aufgabe ist das wiederholte Lösen der Teilpro-
bleme durch das abwechselnde Einstellen der beiden Brücken dar-
gestellt.
Die Staatsgrenze zwischen Dirichland und Neumannien liegt in
einer tiefen Schlucht. Genaugenommen liegt sie a Meter von der di-
richländischen Schluchtseite und b Meter von der neumannischen
Schluchtseite entfernt. Die Schlucht ist also a + b Meter breit. Oben-
drein ist die neumannische Seite c Meter höher als die dirichländi-
sche.
Die einzige Möglichkeit die Grenze zu überschreiten bilden zwei
Zugbrücken, eine dirichländische und eine neumannische. Diese
sind nicht nur schwenkbar, sondern können auch in der Länge ver-
stellt werden. Im Prinzip können sie beliebig lang werden. Aus poli-
tischen Gründen darf allerdings kein Land seine Brücke soweit ver-
längern, dass sie über die Staatsgrenze hinausragt. Deswegen ist

197
Mathematik im menschlichen Körper

a b Neumannien

Dirichland

a b Neumannien

Dirichland

Abbildung 2. Oben: Mögliche Ausgangssituation; unten: Gesuchte Lösung

Kooperation notwendig. Damit der Grenzübergang passierbar ist,


müssen beide Zugbrücken so eingestellt werden, dass sie sich an
der exakten Staatsgrenze treffen und eine gerade Linie bilden. Da
die Brücken nachts hochgezogen werden, muss die richtige Posi-
tion jeden Morgen neu eingestellt werden. Dazu bedient man sich
eines jahrtausendealten, ehrwürdigen Rituals.
Schritt 1. Die beiden Brücken werden in eine beliebige, nichtsenk-
rechte Position gezogen und so verlängert, dass sie bis zur
Staatsgrenze reichen (wir gehen davon aus dass weder die
eine noch die andere Brücke zufällig sofort die korrekte
Position einnimmt).
Schritt 2. Die dirichländische Brücke wird so eingestellt, dass sie
die neumannische an der Grenzlinie trifft.

198
Das morgendliche Brückenritual

a b Neumannien

Dirichland

a b Neumannien

Dirichland

Abbildung 3. Oben: Mögliche Brückenpositionen nach Schritt 2; unten: Brücken nach


Schritt 3

Schritt 3. Die neumannische Brücke wird so eingestellt, dass sie


die gleiche Steigung hat wie die dirichländische und wird
dann wieder bis zur Grenze verlängert.
Schritt 4. Falls die zwei Brücken jetzt eine gerade Linie bilden, wird
das Ritual abgebrochen.
Schritt 5. Ansonsten zurück zu 2

Funktioniert dieses Ritual überhaupt?

199
Mathematik im menschlichen Körper

Antwortmöglichkeiten

1. Ja, das Verfahren wird nach höchstens 96 Schritten mit der rich-
tigen Lösung beendet.
2. Ja, das Verfahren wird nach mindestens 96 Schritten mit der
richtigen Lösung beendet.
3. Das Verfahren wird nie beendet, aber die Position der Brücken
wird immer besser.
4. Das Verfahren wird nie beendet und die Position der Brücken
wird nicht besser.
5. Das Verfahren bricht nie ab, aber falls a > b, so wird die Position
der Brücken immer besser.
6. Das Verfahren bricht nie ab, aber falls c > a + b, so wird die
Position der Brücken immer besser.
7. Das Verfahren wird mit der korrekten Lösung beendet, falls
der Höhenunterschied zwischen den Brückenenden am Anfang
nicht mehr als c beträgt.
8. Das Ritual bricht nie ab, aber die Position der Brücken wird im-
mer besser, falls der Höhenunterschied zwischen den Brücke-
nenden am Anfang mehr als c + a + b beträgt.
9. Falls für die Brückenlänge  der korrekten Lösung genau 2 =
( a + b)2 + c2 gilt, wird das Verfahren beendet.
10. Das Verfahren wird nie beendet, aber die Lösung wird immer
besser, wenn beide Brücken am Anfang eine Ausgangslage ha-
ben, die nicht waagerecht ist.

200
Das morgendliche Brückenritual

Lösung

(Richtige Lösung: Antwort 5)

Als erstes sollte man sich klar machen, dass das Verfahren nie ab-
bricht. Das sieht man so: Angenommen der Zyklus ist ein paarmal
durchlaufen worden, und nach Schritt 3 ist auf einmal die korrekte
Lösung erreicht. Das bedeutet, dass vor dem letzten Schritt 3 die
Brücke auf der dirichländischen Seite schon die korrekte Steigung
gehabt haben muss. Überhaupt muss sie die korrekte Position ge-
habt haben. Da sich deren Position aber an der Position der neu-
mannischen Seite der Brücke orientiert, folgt, dass diese wiederum
vorher auch schon die richtige Stellung hatte. Damit sind wir jetzt
einmal im Kreis gelaufen und kommen zu dem Schluss, dass, falls
das Brückenpaar auf einmal die korrekte Stellung einnimmt, es die
gleiche Stellung schon einen Zyklus vorher eingenommen haben
muss. Da diese Schlussfolgerung natürlich auch für den vorheri-
gen Zyklus gilt, folgt, dass beide Brücken schon immer die richtige
Position hatten. Das aber widerspricht unserer Annahme, dass die
Brücken am Morgen nicht in der richtigen Position waren.
Dass numerische Verfahren unendlich lange laufen ist nichts
Ungewöhnliches. Es gibt in der numerischen Mathematik nur sehr
wenige Algorithmen, die ein Problem in einer endlichen Anzahl von
Schritten lösen. Man nennt solche Algorithmen direkt. Unglückli-
cherweise sind sie meistens sehr langsam. Deshalb werden in der
Praxis die iterativen Verfahren fast immer bevorzugt. Man verzich-
tet dabei auf den Anspruch, die exakte Lösung des Problems zu er-
halten. Das ist häufig nicht schlimm, da man sowieso keine exakte
Lösung des Anwendungsproblems erwarten kann. Dies hat unter-
schiedliche Gründe, wie z. B. vereinfachende Annahmen in der ma-
thematischen Formulierung des Problems oder auch banale Run-
dungsfehler, die sich auch auf modernen Rechnern nur mit extre-
mem Aufwand vermeiden lassen. Stattdessen begnügt man sich da-
mit, in einer gewissen Anzahl von Iterationen nah an die exakte
Lösung heranzukommen.

201
Mathematik im menschlichen Körper

r
c

a b Neumannien

Dirichland

a b
Abbildung 4. Zur Definition des Fehlers r. Unten die schematische Darstellung

β
rk
B
b’
C α’
a’ c
rk+1 β’
α
S’
A
a b
Abbildung 5. Hilfszeichung zum Beweis dass rk+1 = b
a · rk

So funktioniert auch das in der Aufgabe beschriebene ,Ritual‘


(Mathematiker nennen es das Dirichlet-Neumann-Verfahren). Um zu

202
Das morgendliche Brückenritual

zeigen dass die Lösung ,immer besser‘ wird, falls a > b ist, müssen
wir uns als erstes ein Maß für den Fehler einer Brückenposition aus-
denken. Ein mögliches Maß ist das folgende: Nach jedem Schritt 2
liegen die beiden Brückenenden aneinander. Als r bezeichnen wir
jetzt den vertikalen, positiven Abstand von dem Punkt, wo sie zu-
sammenstoßen, zu dem Punkt, an dem sie in der exakten Lösung
zusammenstoßen würden. Offensichtlich ist r ein gutes Fehlermaß,
denn r ist immer positiv und genau dann Null, wenn die Lösung
erreicht ist. Überhaupt kann man eine Brückenposition als umso
,besser‘ bezeichnen, je kleiner r ist.
Man nehme jetzt an, dass die in der Aufgabe beschriebene
Schleife k mal durchlaufen worden ist. Den Fehler nach dem k-ten
Durchlauf nennen wir rk . Entsprechend heißt der Fehler nach dem
k + 1-ten Durchlauf rk+1 . Wir werden jetzt zeigen, dass immer
b
r k +1 = ·r
a k
gilt. Dann ist klar, dass r genau dann immer kleiner wird, wenn
a > b, bzw. b/a < 1 ist. Man betrachte also die Abbildung 5.
Dort ist AS die dirichländische Brücke nach Schritt k, und BS ist
die neumannische Brücke nach Schritt k. AS ist die dirichländi-
sche Brücke nach Schritt k + 1 und BS die neumannische Brücke
nach Schritt k + 1. Da die neumannische Brücke immer so einge-
stellt wird, dass sie die gleiche Steigung wie die dirichländische hat
folgt, dass die Strecken AS und S B parallel sind. Damit muss der
Winkel α gleich dem Winkel α sein, und β gleich β . Die Dreiecke
ACS und BCS sind also ähnlich, d. h. man kann das eine durch Ver-
schiebungen, Drehungen, Spiegelungen und Größenänderungen in
das andere verwandeln. Daraus folgt, dass die Strecken S C und CB
im gleichen Verhältnis zueinander stehen wie die Strecken SC und
CA. Es gilt also
r k +1 r
= k
b a
bzw.
b
r k +1 =  · r k .
a

203
Mathematik im menschlichen Körper

b
Durch den Strahlensatz weiß man aber, dass a = b
a, und so be-
kommt man wie gewünscht

b
r k +1 = ·r .
a k

204
Die Schokoladen-Diät
Matthias Ehrhardt

Schlankheitskuren sind einerseits ein soziales Phänomen, aber auch


ein großer Zweig der Nahrungsmittelindustrie. Die Industrie bietet
dabei verschiedene Produkte an, wie Diätlebensmittel, Nahrungs-
ergänzungsmittel, Sportkleidung und -ausrüstung, Übungsvideos
und -bücher, usw. Allerdings ist es bekanntermaßen sehr schwer,
das einmal erreichte Wunschgewicht auch langfristig zu halten.
Häufig tritt dabei der so genannte Jojo-Effekt auf, so dass man
schließlich nach der Diät mehr wiegt als vorher.
Hier möchten wir ein mathematisches Modell für Diäten entwi-
ckeln und das langfristige Verhalten der Lösung (d. h. des Körperge-
wichts) studieren.

Modellierung. Die Funktion G (t) bezeichne das Gewicht des Men-


schens zur Zeit t. Sie erfüllt die Differentialgleichung (kurz: DGL)
 
G  (t) = E(t) − A(t) − S G (t) , t ≥ 0, (1)

wobei E(t) ≥ 0 die Essensaufnahme-Funktion (in Kalorien pro


Zeit), A(t) ≥ 0 ein Maß für die körperliche Aktivität ist und
 
S G (t) ≥ 0 den Stoffwechsel modelliert, der vom Gewicht G (t)
abhängt.
Mit G  (t) bezeichnet man die Ableitung der Funktion G (t). Sie
gibt an, wie steil oder flach die Kurve G (t) an einem Punkt t ist –
geometrisch entspricht sie der Tangentensteigung in diesem Punkt.
Als erstes Modell kann man die folgende Funktion wählen
  3
S G (t) = σG (t) 4 , (2)

wobei σ > 0 ein reeller Parameter ist.


Nun ist die einfachste Diät-Strategie die Essensaufnahme (z. B.
Schokolade) und die Essensverbrennung (beispielsweise beim Lösen

205
Mathematik im menschlichen Körper

mathematischer Probleme) über einen überschaubares Zeitintervall


als konstant anzusehen, d. h. zu mitteln. Wir legen dieses Zeitinter-
vall auf einen Tag fest und setzen die konstante Essensrate (Kalori-
en/Tag) als Ē und analog die konstante Kalorien-Verbrennungsrate
als Ā an, d. h.
[ E(t) − A(t)]Tag = Ē − Ā = λ, (3)
wobei der Parameter λ im allgemeinen positiv ist: λ > 0. Einsetzen
von Gleichung (2) und (3) in (1) liefert nun die Gleichung
3
G  (t) = λ − σG (t) 4 , t ≥ 0, (4)
Dies ist eine nichtlineare Differentialgleichung 1. Ordnung, die von 2
Parametern λ und σ abhängt. Gleichung (4) hat keine elementare
explizite Lösung, aber auch ohne Kenntnis einer solchen Lösung
kann man wichtige Erkenntnisse gewinnen.
Bei einer Diät ist man am Langzeitverhalten der Lösungen von
(4) interessiert; dieses wird bestimmt durch die zeitlich konstanten
Lösungen Ḡ (t) von (4), für die gilt Ḡ  (t) = 0.

Frage 1. Was ist die konstante Lösung Ḡ von (4) (für festes λ und
σ)?
Weiterhin ist wichtig, wie stabil sich die Gewichtsfunktion G (t)
dicht an Ḡ verhält, d. h. wie wirken sich kleine Schwankungen g(t)
des Körpergewichts aus. Dazu machen wir den so genannten Stö-
rungsansatz
G (t) = Ḡ + g(t), | g(0)| << Ḡ, (5)
wobei g(0) eine kleine Störung von Ḡ ist und << „viel viel kleiner
als“ bedeutet. Einsetzen des Ansatzes (5) in die DGL (4) ergibt:
 
 3

 + g ( t ) = λ − σ Ḡ + g ( t ) 4
, t≥0
=0
und für die obige Potenz verwenden wir die Reihenentwicklung
 3 3 3 g(t)
Ḡ + g(t) 4
= Ḡ 4 + +....
4 Ḡ 14

206
Die Schokoladen-Diät

Dieses Vorgehen ergibt die Gleichung

3 3σ −1
g (t) = λ − σ Ḡ 4 + Ḡ 4 g(t), t ≥ 0,
   4
=0

wobei wir das Ergebnis aus Frage 1 benutzt haben. Wegen

−1
 σ  13
Ḡ 4 =
λ

erhalten wir schließlich eine lineare Differentialgleichung 1. Ord-


nung:
3σ  σ  13
g (t) = − Rg(t), R= > 0. (6)
4 λ

Frage 2. Was ist der Grenzwert von g(t) für t → ∞? (Alternativ:


Wie lautet lim g(t)?)
t→∞
Schließlich kann sogar das so genannte globale Verhalten der
Lösungen (d. h. wie entwickelt sich das Körpergewicht langfristig)
für positives Anfangsgewicht G (0) > 0 anhand von (4) abgelesen
werden:

Frage 3. Wie ist das Vorzeichen der Ableitung von G links/rechts


von Ḡ?

Zusatzfrage. Was bedeutet das eigentlich?

Bemerkung. Ein komplexeres Modell ist durch die Stoffwechsel-


funktion

  σ1 G (t)
S G (t) = , 0 < α < 1,
1 + σ2 G (t)1−α

mit positiven Parametern σ1 , σ2 gegeben. Beide Modelle sind kon-


sistent mit bekannten Daten über Diäten.

207
Mathematik im menschlichen Körper

Antwortmöglichkeiten

 4
λ 3
1. Ḡ = σ , lim g(t) = 0,
 t→∞
> 0, G > Ḡ,
G  (t) =
< 0, 0 < G < Ḡ;
 4
3
2. Ḡ = λσ , lim g(t) = 0,
 t→∞
< 0, G > Ḡ,
G  (t) =
> 0, 0 < G < Ḡ;
 4
3
3. Ḡ = λσ , lim g(t) existiert nicht,
 t→∞
> 0, G > Ḡ,
G  (t) =
< 0, 0 < G < Ḡ;
 4
3
4. Ḡ = λσ , lim g(t) = ∞,
 t→∞
< 0, G > Ḡ,
G  (t) =
> 0, 0 < G < Ḡ;
σ3
5. Ḡ = λ , lim g(t) = 0,
4

 t→∞
> 0, G > Ḡ,
G  (t) =
< 0, 0 < G < Ḡ;
 3
6. Fixpunkt Ḡ = λσ 4 , lim g(t) = 0,
 t→∞
< 0, G > Ḡ,
G  (t) =
> 0, 0 < G < Ḡ;
σ3
7. Ḡ = λ 4 , lim g(t) existiert nicht,
 t→∞
> 0, G > Ḡ,
G  (t) =
< 0, 0 < G < Ḡ;
σ3
8. Ḡ = λ 4 , lim g(t) = ∞,
t→∞

208
Die Schokoladen-Diät


< 0, G > Ḡ,
G  (t) =
> 0, 0 < G < Ḡ;
9. Teilprobleme sind lösbar, aber nicht eindeutig;
10. Mindestens ein Teilproblem ist nicht lösbar.

209
Mathematik im menschlichen Körper

Lösung

(Richtige Lösung: Antwort 2)

Lösung 1: Konstante Lösung Ḡ von (4). Konstante Lösung bedeutet


G  (t) = 0 setzen in (4), d. h. Ḡ ist die Lösung von
3
0 = λ − σ Ḡ 4

und somit ergibt sich


 4
λ 3
Ḡ = . (7)
σ

Lösung 2: Grenzwert von g(t) für t → ∞. Aus der linearen Differen-


tialgleichung 1. Ordnung (6)

g (t) = − Rg, R > 0, (6)

folgt wegen des Vorzeichens von R, dass lim g(t) = 0 gilt.


t→∞

Lösung 3: Vorzeichen der Ableitung von G links/rechts von Ḡ. Man er-
kennt unmittelbar an (4):

< 0, G > Ḡ,
G (t) =
> 0, 0 < G < Ḡ.
Somit kann man folgern, dass alle Lösungen mit zunehmender Zeit
monoton die konstante Lösung Ḡ erreichen, d.h.

lim G (t) = Ḡ, G (0) > 0.


t→∞

Abbildung 1 zeigt typische Lösungen von (4) und illustriert die Rolle
von Ḡ.
Für jeden einzelnen Menschen ist σ > 0 konstant und die Diät-
Strategie ist in diesem mathematischen Modell durch die Wahl ei-
nes (positiven) Wertes für λ bestimmt. Jeder Wert von λ bestimmt
ein finales Körpergewicht Ḡ gegeben durch (7).

210
Die Schokoladen-Diät

G(t)

_
_
G
+

t
Abbildung 1. Typische Lösungen von (4)

Da der Wert von Ḡ als Funktion von λ schneller wächst als eine
lineare Funktion (eine Gerade), zeigt das Modell, dass signifikante
Änderungen in der Diät-Strategie zu sehr großen Änderungen im
finalen Körpergewicht Ḡ führen.
Nehmen wir einmal an, das Individuum strebt nach einem Ge-
wichtsverlust. Ferner sei Ḡ A das Anfangsgewicht und ḠE das ange-
strebte Endgewicht: Ḡ A > ḠE . Aus Gleichung (7) können wir schlie-
ßen, dass daher der Diät-Parameter λ wie folgt reduziert werden
muss:
3 3
λ A = σ Ḡ A4 > λ E = σ ḠE4

Abbildung 2 illustriert einen typischen Gewichtsverlust.


Zum Zeitpunkt t = t0 beginnt die Diät und das Körpergewicht
G (t) sinkt monoton auf den angestrebten Wert ḠE . Natürlich kann
der Wert von λ durch verschiedene Kombinationen von Ē und Ā
erreicht werden, vgl. Gleichung (3).

Der Fall λ ≤ 0. Normalerweise ist, wie in der Aufgabe angenom-


men, der Parameter der Diät-Strategie λ > 0. Der Fall λ ≤ 0 ist

211
Mathematik im menschlichen Körper

G(t)

_
GA

_
GE

t0 t

Abbildung 2. Ein typischer Gewichtsverlust

’pathologisch’: alle Lösungen von (4) streben dann zu Null

lim G (t) = 0, λ ≤ 0,
t→∞

d. h. dieser Fall korrespondiert zum Hungertod: Ē = 0 und Ā ≥ 0.


Für eine reale Person gilt stets G (t) ≥ 0. Wenn nun zu einem Zeit-
punkt t = t1 G (t1 ) = 0 ist, so setzen wir sinnvollerweise G (t) = 0
für alle Zeiten t ≥ t1 .

1. R.E. Mickens, D.N. Brewley und M.L. Russel, A Model of Dieting, SIAM Rev. 40
(1998), Seiten 667–672.
2. R.L. Leibel, M. Rosenbaum und J. Hirsch, Changes in energy expenditure resulting
from altered body weight, The New England Journal of Medicine 332 (1995), Seiten
621–628.
3. T.A. McMahon und J.T. Bonner, On Size and Life, Scientific American Library, New
York, 1985, Seiten 64–66.

212
Von Bakterien und Antibiotika
Alexander Bockmayr und Abdelhalim Larhlimi

In jedem Lebewesen spielt der Stoffwechsel oder Metabolismus ei-


ne zentrale Rolle. Dabei werden verschiedene Stoffe aus der Umge-
bung aufgenommen, innerhalb des Organismus umgewandelt und
schließlich in veränderter Form wieder abgegeben. Auf diese Weise
gewinnt die Zelle die Energie und stellt die Bausteine her, die für die
Aufrechterhaltung der biologischen Funktionen benötigt werden.
Die Erforschung des Stoffwechsels hat eine Vielzahl von Anwen-
dungen. In der Biotechnologie etwa versucht man, die Stoffwech-
selprozesse von Bakterien so zu beeinflussen, dass die Erzeugung
bestimmter Stoffe (z. B. Antibiotika) verbessert wird. In der Medi-
zin hängen zahlreiche Krankheiten mit Störungen des Stoffwech-
sels zusammen. Auch hier kommt es darauf an, Stoffwechselvor-
gänge besser zu verstehen und wenn nötig darauf einzuwirken.
Der Stoffwechsel in einer Zelle bildet ein komplexes Netzwerk,
an dem Tausende von Stoffen und Reaktionen beteiligt sein kön-
nen. Mathematisch kann das Zusammenwirken der verschiedenen
biochemischen Reaktionen, mit denen Substrate in Produkte um-
gewandelt werden, in Form eines metabolischen Netzes dargestellt
werden. Ein kleines Beispiel davon findet sich in Abbildung 1.
Zunächst sind da verschiedene Ausgangsstoffe S1 , S2 , S3 , S4 ,
von denen man annimmt, dass sie in beliebiger Menge zur Verfü-
gung stehen. In einer Reihe von Reaktionen, die durch die Pfeile 1,
. . . , 13 dargestellt sind, können daraus Zwischenprodukte A, B, . . . ,
H hergestellt werden, aus denen dann die Endprodukte P1 , P2 ent-
stehen.
Bei der Untersuchung metabolischer Netze interessiert man sich
für die Frage, auf welche Weise ein bestimmter Stoff hergestellt
werden kann. Oft gibt es dafür nicht nur eine, sondern verschiedene
Möglichkeiten. Um sich einen Überblick zu verschaffen, was in ei-

213
Mathematik im menschlichen Körper

1
S1 A
2 3 4
D G P1
5
S2 B 7
10
E
6 9
8
11 H P2
S3 C 12

13

S4
Abbildung 1. Metabolisches Netwerk

nem Netzwerk alles passieren kann, sucht man nach den minimalen
Reaktionswegen zur Herstellung eines oder mehrerer Endprodukte.
Unter einem Reaktionsweg versteht man dabei eine nichtleere
Menge von Reaktionen (die nicht unbedingt in der ablaufenden Rei-
henfolge aufgelistet sind) mit den folgenden Eigenschaften:
1. Ein Zwischenprodukt kann nur verwendet werden, wenn es zu-
vor hergestellt wurde. Ein Beispiel: Bei den Reaktionen 2 und
8, die jeweils zwei Zwischenprodukte verwenden, müssen diese
beide vorhanden sein.
2. Ein Zwischenprodukt darf nur hergestellt werden, wenn es in
einer nachfolgenden Reaktion auch verbraucht wird.
Die Reaktion 10 spielt eine Sonderrolle. Innerhalb eines Reakti-
onsweges kann sie in die eine oder die andere Richtung durchlaufen
werden, nicht aber in beide Richtungen gleichzeitig.
Ein Reaktionsweg heißt minimal, wenn man nicht eine oder
mehrere Reaktionen auslassen kann, ohne die Bedingung 1 oder 2

214
Von Bakterien und Antibiotika

zu verletzen. Ein Beispiel für einen minimalen Reaktionsweg ist die


Menge {1, 2, 3, 4, 5}.

Frage a. Wie viele minimale Reaktionswege gibt es?


Manchmal möchte man in einem metabolischen Netz die Erzeu-
gung bestimmter Stoffe verhindern, z. B. wenn diese bei der Ent-
stehung von Krankheiten eine Rolle spielen. Man versucht dann,
Stellen innerhalb des Netzwerkes zu identifizieren, die sich als Ziel
einer medikamentösen Therapie eignen. Dazu sucht man minima-
le Mengen von Reaktionen, deren Blockade die Entstehung des un-
erwünschten Stoffes (auch über mögliche Umwege) definitiv aus-
schließt.
In unserem Beispiel könnte dies das Endprodukt P2 sein. Ein na-
heliegendes Vorgehen wäre, direkt die Reaktion 9 zu unterbinden,
was aber nicht immer möglich ist. Wenn die Reaktion 9 selbst nicht
blockiert werden kann, müssen mindestens zwei andere Reaktionen
blockiert werden, um die Herstellung des Endprodukts P2 zu ver-
hindern, z. B. {8, 10}.

Frage b. Wie viele solche zweielementige Blockademengen gibt es?

Antwortmöglichkeiten

1. Es gibt 8 minimale Reaktionswege und 10 zweielementige Blo-


ckademengen.
2. Es gibt 8 minimale Reaktionswege und 12 zweielementige Blo-
ckademengen.
3. Es gibt 10 minimale Reaktionswege und 8 zweielementige Blo-
ckademengen.
4. Es gibt 10 minimale Reaktionswege und 10 zweielementige Blo-
ckademengen.
5. Es gibt 10 minimale Reaktionswege und 12 zweielementige Blo-
ckademengen.

215
Mathematik im menschlichen Körper

6. Es gibt 10 minimale Reaktionswege und 14 zweielementige Blo-


ckademengen.
7. Es gibt 12 minimale Reaktionswege und 8 zweielementige Blo-
ckademengen.
8. Es gibt 12 minimale Reaktionswege und 10 zweielementige Blo-
ckademengen.
9. Es gibt 12 minimale Reaktionswege und 12 zweielementige Blo-
ckademengen.
10. Es gibt 14 minimale Reaktionswege und 10 zweielementige Blo-
ckademengen.

216
Von Bakterien und Antibiotika

Lösung

(Richtige Lösung: Antwort 8)

Es gibt 12 minimale Reaktionswege und 10 zweielementige Blocka-


demengen.
Um die minimalen Reaktionswege zu bestimmen, halten wir fol-
gende Eigenschaften unseres Netzwerkes fest:
1. Die Reaktionen 1, 2 und 3 können nur gemeinsam oder gar nicht
ablaufen.
2. Die Reaktionen 7 und 8 können nur gemeinsam oder gar nicht
ablaufen.
3. Für jeden minimalen Reaktionsweg gilt:
a. Wenn Reaktion 12 beteiligt ist, dann auch die Reaktionen 7
und 8, nicht aber Reaktion 13.
b. Wenn Reaktion 6 beteiligt ist, dann auch Reaktion 11, nicht
aber Reaktion 5.
c. Ist Reaktion 10 an der Umwandlung von G in H beteiligt,
dann auch die Reaktionen 1, 2 und 3.
d. Ist Reaktion 10 an der Umwandlung von H in G beteiligt,
dann auch die Reaktionen 7 und 8.
4. Jeder minimale Reaktionsweg führt zur Herstellung mindestens
eines der beiden Endprodukte.
Auf diese Beobachtungen gestützt suchen wir zuerst die mini-
malen Reaktionswege, die zur Herstellung von Endprodukt P1 füh-
ren (d. h. Reaktion 4 beinhalten). Dann bestimmen wir die minima-
len Reaktionswege, die zur Herstellung von Endprodukt P2 führen
(d. h. Reaktion 9 beinhalten).
Abbildung 2 veranschaulicht die Gesamtheit der möglichen mi-
nimalen Reaktionswege, indem es die Abhängigkeiten zwischen
den Reaktionen darstellt (wenn zum Beispiel Reaktion 4 beteiligt
ist, dann auch entweder 1, 2, 3 oder 7, 8, 10 usw.).
Wenn wir nun die einzelnen Wege aus Abbildung 2 von links
beginnend auflisten, erhalten wir folgende minimale Reaktionswe-
ge (in Mengenschreibweise, also nach Zahlen aufsteigend sortiert

217
Mathematik im menschlichen Körper

4 9

1,2,3 7,8 ,10 1,2,3 ,10 7,8

5 6,11 5 6,11 5 6,11 5 6,11

11,12 13 12 13 11,12 13 12 13

Abbildung 2. Minimale Reaktionswege

und nicht in der Reihenfolge der Reaktionen):

1. {1, 2, 3, 4, 5} 7. {1, 2, 3, 5, 9, 10}


2. {1, 2, 3, 4, 6, 11} 8. {1, 2, 3, 6, 9, 10, 11}
3. {4, 5, 7, 8, 10, 11, 12} 9. {5, 7, 8, 9, 11, 12}
4. {4, 5, 7, 8, 10, 13} 10. {5, 7, 8, 9, 13}
5. {4, 6, 7, 8, 10, 11, 12} 11. {6, 7, 8, 9, 11, 12}
6. {4, 6, 7, 8, 10, 11, 13} 12. {6, 7, 8, 9, 11, 13}

Die zweielementigen Blockademengen können aus Abbildung 2


wie folgt bestimmt werden: Wir müssen sicherstellen, dass durch
Blockade von nur zwei (von Reaktion 9 verschiedenen) Reaktionen
alle Reaktionswege zur Herstellung von Endprodukt P2 verhindert
werden. Dies ist entweder durch Blockade einer Reaktion aus der
Menge {1, 2, 3, 10} zusammen mit einer Reaktion aus der Menge
{7, 8} möglich, oder durch eine Blockade von Reaktion 5 zusammen
mit einer Reaktion aus der Menge {6, 11}.
Insgesamt ergeben sich 4 · 2 + 1 · 2 = 10 Möglichkeiten, näm-
lich:

1. {1, 7} 6. {3, 8}
2. {1, 8} 7. {10, 7}
3. {2, 7} 8. {10, 8}
4. {2, 8} 9. {5, 6}
5. {3, 7} 10. {5, 11}

218
Das DNA-Puzzle
Stefan Kirchner

Im Jahre 1953 wurde von James Watson und Francis Crick erstma-
lig der strukturelle Aufbau der sogenannten DNA (Desoxyribonukle-
insäure) beschrieben, welche das Erbgut jedes Lebewesens enthält.
Der wesentliche Teil des Erbguts wird dabei durch eine sehr lange
Folge der vier Basen Adenin (A), Cytosin (C), Guanin (G) und Thymin
(T) codiert. Seit einigen Jahren ist es möglich, die Folge der vier Ba-
sen zu einer gegebenen DNA zu bestimmen. Biologen bezeichnen
diesen Vorgang als Sequenzierung.
Die DNA oder auch Teile einer DNA sind aus verschiedenen
Gründen von Interesse. Auf einigen Abschnitten sind zum Beispiel
Gene codiert, deren genaue Sequenz für ein besseres Verständnis
und eine gezielte Behandlung einiger Erbkrankheiten von entschei-
dender Bedeutung ist.
Andere Abschnitte der DNA sind insbesondere für den geneti-
schen Fingerabdruck relevant. Dieser hat in den letzten Jahren die
Kriminalistik revolutioniert und ermöglichte die Aufklärung vieler
schwerer Straftaten.
Für die Sequenzierung der DNA finden sogenannte Sequenzier-
maschinen Verwendung, die in der Lage sind, DNA-Stränge mit ei-
nigen hundert Basen zu lesen. Dies ist jedoch viel zu wenig, um
die komplette DNA in einem Schritt zu lesen. Die DNA eines Men-
schen beispielsweise besteht aus etwa drei Milliarden Basen und
auch die DNA eines der Lieblingsobjekte der Molekularbiologen,
der Taufliegenart Drosophila melanogaster, besteht immerhin noch
aus 120 Millionen Basen.
Dennoch gelang im Rahmen des Humangenomprojekts Anfang
dieses Jahrtausends die vollständige Sequenzierung des menschli-
chen Erbguts. Die Forscher verwendeten dabei ein Mitte der 90er
Jahre entwickeltes Verfahren, das Shotgun-Sequenzierung genannt

219
Mathematik im menschlichen Körper

ACTGGTACAGTGGATGTGTAAGCGAAGCGCGAGTGAAGCCA

ACTGGTACAGTGGATGTGTAAGCGAAGCGCGAGTGAAGCCA
ACTGGTACAGTGGATGTGTAAGCGAAGCGCGAGTGAAGCCA
ACTGGTACAGTGGATGTGTAAGCGAAGCGCGAGTGAAGCCA
ACTGGTACAGTGGATGTGTAAGCGAAGCGCGAGTGAAGCCA

Abbildung 1. Vervielfältigung der DNA

ACTGGTACAGTGGATGTGT AAGCGAAGCGC GAGT GAAGCCA


ACTGGTACAG TGGATGT GTAAGCGA AGCGCGAGTGAAGCCA
ACTGGTA CAGTGGAT GTGTAAGCGAAGC GCGAGTGAAGCCA
ACTGG TACAGTGGATGT GTAAGCGAA GCGCGAGTGAAGCCA
ACTGGT ACAGTG GATGTGTAA GCGAAGCGCG AGTGAAGCCA

Abbildung 2. Zerhacken in DNA-Fragmente

wird und inzwischen ein Standardverfahren in der DNA-Sequenzie-


rung geworden ist. Dieses Verfahren wird im Folgenden vereinfacht
beschrieben.
In einem ersten Schritt wird die DNA vervielfältigt (siehe Abbil-
dung 1). Anschließend werden die DNA-Stränge mittels Ultraschall
an zufälligen Stellen zerhackt (siehe Abbildung 2). Die dabei enste-
henden Teile der DNA, im Folgenden DNA-Fragmente genannt, sind
dann so kurz, dass sie von den Sequenziermaschinen gelesen wer-
den können. Dabei mischen sich die Fragmente. In einem letzten
Schritt wird die Ursprungs-DNA aus diesen Fragmenten mit Hilfe
von Computern unter Verwendung ausgefeilter Algorithmen rekon-
struiert (siehe Abbildung 3).
Im Folgenden betrachten wir den letzten Schritt etwas genau-
er. Bei der Rekonstruktion der Fragmente zu der Ursprungs-DNA
macht man sich zunutze, dass die Anfangssequenz (sog. Präfix) ei-
nes Fragments mit der Endsequenz (sog. Suffix) eines anderen Frag-
ments übereinstimmt. Ist die gemeinsame Übereinstimmung hin-
reichend lang, so ist die Wahrscheinlichkeit recht groß, dass der
Präfix und der Suffix die gleiche Stelle der Ursprungs-DNA reprä-

220
Das DNA-Puzzle

GAGT ACTGGTACAG TGGATGT GTAAGCGA GCGCGAGTGAAGCCA


ACTGGT ACAGTG GATGTGTAA AGTGAAGCCA ACTGG
TACAGTGGATGT AGCGCGAGTGAAGCCA ACTGGTA CAGTGGAT
GCGAAGCGCG GTGTAAGCGAAGC GTAAGCGAA GCGAGTGAAGCCA
AAGCGAAGCGC GAAGCCA GTAAGCGAA ACTGGTACAGTGGATGTGT

???
ACTGGTACAGTGGATGTGTAAGCGAAGCGCGAGTGAAGCCA

Abbildung 3. Durchmischung und Rekonstruktion

sentieren und aus jeweils zwei verschiedenen Kopien der DNA stam-
men.
Mit Hilfe der Wahrscheinlichkeitsrechnung kann dann folgen-
des Resultat gezeigt werden: Werden hinreichend viele Kopien an-
gefertigt und sind im Durchschnitt die Fragmente nicht zu kurz –
aber auch nicht zu lang, so dass sie von den Sequenziermaschinen
komplett gelesen werden können – dann ist die Annahme gerecht-
fertigt, dass gerade das kürzeste Wort, das alle Fragmente als Teil-
wörter enthält, die Ursprungs-DNA ist.
Das Zusammenfügen der Fragmente wird dabei mit Hilfe von
Computern erledigt. Bei mehreren Millionen Fragmenten ist eine
Berechnung per Hand auch nicht mehr möglich. Die folgenden bei-
den Aufgaben haben daher auch nur illustrierenden Charakter, da
ein realistisches Beispiel den Rahmen dieses Buches sprengen wür-
de.
Zunächst kann jedoch das Zusammenfügen der Fragmente auch
abstrakt formuliert werden, ohne dass man dabei etwas über die
DNA wissen müsste. Das ist eine generelle Stärke der Mathematik,
dass sie losgelöst von Anwendungen das eigentliche Problem bear-
beiten kann.
Es sei eine endliche Menge von Wörtern gegeben. Bestimme ein
kürzestes Wort, das jedes gegebene Wort als Teilwort enthält. Be-
trachte das folgende Beispiel, bei dem die folgenden vier Wörter
(Fragmente) von der Sequenziermaschine gelesen wurden.

221
Mathematik im menschlichen Körper

1. TACAGC
2. CAGCG
3. CGTAC
4. ACGT

Gesucht ist nun ein kürzestes Wort, das jedes dieser vier Wörter als
Teilwort enthält. Mit ein wenig Überlegen erhält man als Lösung
das Wort ACGTACAGCG:

ACGTACAGCG
4. ACGT
3. CGTAC
1. TACAGC
2. CAGCG

Nach diesem Beispiel wird nun ein kürzestes Wort gesucht, das die
folgenden sieben Wörter enthält.

GTGA CGG CGAC GGTG TGAC GTGTG ACGG

Antwortmöglichkeiten

1. Das kürzeste Wort besteht aus 10 Buchstaben.


2. Das kürzeste Wort besteht aus 11 Buchstaben.
3. Das kürzeste Wort besteht aus 12 Buchstaben.
4. Das kürzeste Wort besteht aus 13 Buchstaben.
5. Das kürzeste Wort besteht aus 14 Buchstaben.
6. Das kürzeste Wort besteht aus 15 Buchstaben.
7. Das kürzeste Wort besteht aus 16 Buchstaben.
8. Das kürzeste Wort besteht aus 17 Buchstaben.
9. Das kürzeste Wort besteht aus 18 Buchstaben.
10. Das kürzeste Wort besteht aus 19 Buchstaben.

222
Das DNA-Puzzle

Lösung

(Richtige Lösung: Antwort 3)

Das kürzeste Wort ist CGACGGTGTGAC und besteht aus 12 Buchsta-


ben.
CGACGGTGTGAC CGAC
ACGG
CGG
GGTG
GTGTG
GTGA
TGAC

Die korrekte Antwort lautet daher 12. Wie kann das Problem aber
allgemein gelöst werden?
Zunächst können alle Wörter aus der Aufgabenstellung entfernt
werden, die als Teilwort in einem anderen Wort vorkommen. In die-
sem Beispiel ist CGG das einzige Wort, das als Teilwort in einem
anderen Wort (ACGG) vorkommt.
Der nächste Schritt besteht darin zu erkennen, dass gegenüber
dem einfachen Aneinanderhängen zweier Wörter die Länge sich
verkürzen lässt, wenn ein Endstück von einem Wort genau das An-
fangsstück von einem anderen Wort ist. Die maximale Länge eines
solchen End- bzw. Anfangstückes wird als Überlappungslänge be-
zeichnet. Diese gibt an, wie viele Buchstaben eingespart werden.
In Abbildung 4 ist der dazugehörige Überlappungsgraph abge-
bildet, wobei der Übersicht halber nur Verbindungen (sog. Kanten)
eingezeichnet sind, die eine Überlappungslänge von mindestens 1
haben.
Die Aufgabe wird mit Hilfe des Überlappungsgraphen relativ
einfach, wenn in einem kürzesten Wort zusätzlich die gegebenen
Wörter in einer zuvor festgelegten Reihenfolge σ vorkommen sollen.
Man geht im Überlappungsgraphen in der gegebenen Reihenfolge σ
von Wort zu Wort entlang und addiert die jeweiligen Überlappungs-

223
Mathematik im menschlichen Körper

CGAC 2 ACGG

1 2

2 1 1
1 GTGTG GGTG
3
2 3

2
3
TGAC GTGA
3

Abbildung 4. Der Überlappungsgraph von der gegebenen Instanz

längen. Die Summe Sσ ist dann genau die Anzahl Buchstaben, die
man durch das Ineinanderschieben gegenüber dem einfachen An-
einanderhängen einspart.
Das kürzeste Wort bezüglich der gegebenen Reihenfolge σ hat
dann eine Gesamtlänge von

Länge des Wortes bei einfachem Aneinanderhängen − Sσ .

Der Minuend ist konstant (in der Aufgabe ist er 25), aber der Sub-
trahend ist abhängig von der Reihenfolge σ, in der die einzelnen
Wörter vorkommen. Damit die Länge des Gesamtwortes minimiert
wird, muß also Sσ maximiert werden.
Mit ein wenig systematischem Suchen erkennt man, dass die
Reihenfolge σ, die Sσ maximiert, durch die hervorgehobenen Kan-
ten in Abbildung 4 bestimmt wird. Bei dieser Reihenfolge werden
13 Buchstaben gespart (Sσ = 2 + 2 + 3 + 3 + 3 = 13), somit ist
25 − 13 = 12 die Gesamtlänge eines kürzesten Wortes, das die vor-
gegebenen Wörter enthält.
Geht es noch besser als 12? Nein! Am einfachsten erkennt man
das, wenn die Aufgabe ohne GGTG und GTGA gestellt wird. Betrach-
te nun den Überlappungsgraphen ohne diese beiden Wörter, d. h.
entferne die beiden Wörter samt ihrer angrenzenden Kanten. Dann
existieren keine Kanten mehr mit Überlappungslänge drei, es gibt

224
Das DNA-Puzzle

nur noch drei Kanten mit Überlappungslänge zwei ((CGAC, ACGG),


(TGAC, ACGG) und (GTGTG, TGAC)). Prinzipiell wäre damit maxi-
mal eine Einsparung von 3 · 2 = 6 Buchstaben erreichbar. Da diese
drei Kanten jedoch keinen Pfad bilden, sind maximal fünf Buch-
staben einsparbar, was über den Pfad CGAC → ACGG → GTGTG
→ TGAC tatsächlich auch erreicht wird. Dieser Pfad führt dann,
bei dieser eingeschränkten Aufgabe, zum optimalen Lösungswort
CGACGGTGTGAC bestehend aus zwölf Buchstaben.
Andererseits ist dieses Wort auch eine gültige Lösung für unser
Ausgangsproblem mit den zusätzlichen Wörtern GGTG und GTGA.
Da zusätzliche Wörter in dieser Aufgabe die Länge des Lösungs-
wortes nicht verkürzen können, sind im Ursprungsproblem daher
mindestens zwölf Buchstaben nötig.

225
Die kalte Zunge
Sören Bartels und Rüdiger Müller

Gefühlte Temperaturen. Ist ein Null Grad Celsius kalter Metallstab


eigentlich kälter als ein Holzstab mit der selben Temperatur? Rein
physikalisch gesehen natürlich nicht, aber wenn wir beide Stäbe
anfassen, kommt uns der Metallstab deutlich kälter vor. Und wer
kennt nicht die Szene aus dem Film Dumm und Dümmer in der Harry
mit seiner Zunge am Metallrahmen des Skilifts hängen bleibt. Wür-
de das auch passieren, wenn man an einem eiskalten Stück Holz
lecken würde? Wohl kaum, doch woran liegt das eigentlich? Unter-
schiedliche Materialien haben verschiedene Fähigkeiten, Wärme zu
übertragen und zu leiten. So transportiert Metall die von der Zunge
ausgehende Wärme sehr schnell weiter und verändert seine Tempe-
ratur kaum, während die Zunge abkühlt. Holz hingegen leitet Wär-
me fast gar nicht und daher wird der Teil, der von der Zunge berührt
wird, aufgewärmt.

Industrielle Anwendungen. Ein gutes Verständnis von der Ausbrei-


tung von Wärme ist nicht nur beim Skilaufen wichtig. Bei Kataly-
satoren von Autos und bei Computerchips treten sehr hohe Tempe-
raturen auf und könnten diese Bauteile zerstören. Um dies zu ver-
hindern, führt man am Computer Simulationen durch, die einem
verraten, ob ein Chip den auftretenden Temperaturen standhalten
kann. Dadurch kann man es in der Entwicklung vermeiden, kost-
spielige Prototypen zu produzieren und für die Produktion verhin-
dern, zu teure temperaturbeständige Materialien zu verwenden.

Mathematische Beschreibung. Um ein physikalisches Experiment am


Computer durchführen zu können, muss man zunächst einige ma-
thematische Gleichungen herleiten, die das Verhalten der Tempera-
tur beschreiben. Der Begriff der Temperatur für sich ist sehr kom-

227
Mathematik im menschlichen Körper

Abbildung 1. Die Änderung der Wärmemenge in jedem kleinen Würfel wird durch
die Bilanz des ein- und austretenden Wärmeflusses bestimmt.

pliziert aber dennoch lässt sich mit einfachen Argumenten eine pra-
xistaugliche mathematische Beschreibung formulieren. Betrachten
wir einen kleinen Würfel innerhalb des Metallstabs, so entspricht
die zeitliche Veränderung der Gesamtwärme, die in diesem Würfel
enthalten ist, genau der Wärmemenge, die über die Seiten des Wür-
fels hinein- beziehungsweise hinausfließt. Wenn wir uns jetzt noch
klarmachen, dass Wärme immer von Regionen hoher Temperaturen
in solche niedrigerer Temperaturen fließt, so ist die mathematische
Beschreibung des physikalischen Vorgangs nahezu komplett. Gibt
die Funktion f (t, x ) die Temperatur im Stab an, so führt unsere Ar-
gumentation auf die Gleichung

f  (t, x ) = κ · f  (t, x ) . (1)

Hier ist f (t, x ) eine Funktion, die von der Zeit t und dem Ort x ab-
hängt, während κ eine Konstante ist, die die Temperaturleitfähig-
keit eines Materials angibt. Die Funktion f  (t, x ) ist die Ableitung
von f (t, x ) nach der Zeit t, wenn wir x als Konstante betrachten. Ist
zum Beispiel
f (t, x ) = t3 cos( x ) + x2 sin(2t),

228
Die kalte Zunge

so ist
f  (t, x ) = 3t2 cos( x ) + 2x2 cos(2t) .

Die auf der rechten Seite unserer Gleichung stehende Funktion


f  (t, x ) ist die bekannte zweite Ableitung von f (t, x ) nach x, also
im Beispiel
f  (t, x ) = −t3 sin( x ) + 2x sin(2t)

und
f  (t, x ) = −t3 cos( x ) + 2 sin(2t) .

Anfangs- und Randbedingungen. Wir müssen noch festlegen, wie die


Wärme zu Beginn des Experiments im Stab verteilt ist und was am
Rand passiert, also ob der Stab beispielsweise isoliert ist oder ob an
einer Stelle eine Wärmequelle, wie etwa eine Zunge, den Stab be-
rührt. Die Anfangstemperatur wird durch eine nur von x abhängi-
ge Funktion f 0 ( x ) vorgegeben, das heißt wir fordern zum Zeitpunkt
t = 0, dass
f (0, x ) = f 0 ( x ) (2)

gilt. Wollen wir beschreiben, dass der Stab an den Enden, die sich
bei x = 0 und x = 1 befinden, immer auf Null Grad gehalten wird,
so stellen wir zusätzlich die Bedingung, dass

f (t, 0) = 0 und f (t, 1) = 0 (3)

für alle positiven Zeiten t gelten. Man kann zeigen, dass die Glei-
chungen (1), (2) und (3) eine gute Beschreibung der tatsächlich auf-
tretenden Temperatur liefern. Doch wie kann man die unbekannte
Funktion f (t, x ) bestimmen? Mit Zettel und Bleistift ist dies in aller
Regel nicht möglich und daher müssen wir den Computer zur Hilfe
heranziehen.

Lösungsmethode für den Computer. Ein Rechner kann uns auf einem
festgelegten Raster von Punkten gute Näherungswerte der Lösung
liefern. Wir wählen dazu für die x-Variable im gleichen Abstand Δx

229
Mathematik im menschlichen Körper

f f’

Δx x j−1 xj x j+1

Δx
x j−1 xj x j+1
Abbildung 2. Näherungen für f  ( x j−1 ) und f  ( x j ) (links) und daraus resultierende
Näherung für f  ( x j ) (rechts)

voneinander J + 1 Punkte x j = j · Δx, wobei j = 0, 1, 2, . . . , J, und


setzen dort
f j0 := f (0, x j ) = f 0 ( x j ) .
Anstatt der Ableitung f  können wir damit nur noch Differenzenquo-
tienten berechnen, die der Steigung im Steigungsdreieck entspre-
chen, also
 
f  (t, x j ) ≈ Δx
1
f (t, x j+1 ) − f (t, x j ) ,
wie in Abbildung 2 skizziert. Für die zweite Ableitung wenden wir
wiederum einen Differenzenquotienten an, nur diesmal rückwärts
  
f  (t, x j ) ≈ Δx
1
f (t, x j ) − f  (t, x j−1 )
 
≈ (Δx1 )2 − f (t, x j−1 ) + 2 f (t, x j ) − f (t, x j+1 ) .

Auch für die Zeitvariable t wählen wir Punkte tn = n · Δt, mit n =


0, 1, 2, . . . , N, und bestimmen für n ≥ 1 den Differenzenquotienten

f  ( t n +1 , x ) ≈ 1
Δt ( f (tn+1 , x ) − f (tn , x )) .
Setzen wir die Näherungen in unsere Gleichung (1) ein, so erhalten
wir die rekursive Berechnungsvorschrift

f jn+1 = s · ( f jn−1 + f jn+1 ) + (1 − 2s) · f jn , (4)

wobei wir zur Vereinfachung der Schreibweise die Vereinbarungen


Δt
f jn := f (tn , x j ) und s := κ Δx 2 getroffen haben. Die Formel (4) ge-

stattet uns, die Temperatur an den inneren Punkten des Metallstabs

230
Die kalte Zunge

zu berechnen. Um die Temperatur auch an den Randpunkten zu er-


halten, verwenden wir die Randbedingungen und setzen

f 0n = 0 und f Jn = 0 .

1
Für den Metallstab gelte κ = 100 . Zum Zeitpunkt t0 = 0 sei er
in der Mitte durch die Zunge aufgewärmt und befinde sich überall
sonst noch auf der Umgebungstemperatur von 0 Grad Celsius. Ab
welchem Zeitpunkt t∗ ist der Stab überall auf weniger als 10 Grad
Celsius abgekühlt? Für eine einfache Abschätzung wählen Sie J +
1
1 = 11 Gitterpunkte im Ort, also Δx = 10 , sowie Δt = 14 und setzen
0 0
f 5 = 36 und f j = 0 für j = 0, 1, . . . , 4 und j = 6, 7, . . . , 10. Wie groß
ist zu diesem Zeitpunkt t∗ die Temperatur f ∗ am Ort x = 0,2?
Hinweis: Der Umfang der Aufgabe ist soweit begrenzt, dass eine
Rechnung von Hand möglich ist. Tragen Sie die Werte f jn für n =
0, 1, . . . und j = 0, 1, . . . , 10 in eine Tabelle ein.

Antwortmöglichkeiten

Der Zeitpunkt t∗ und die Temperatur f ∗ am Ort x = 0.2 zum Zeit-


punkt t∗ sind:
1. t∗ = 14 , f ∗ = 0,1875
2. t∗ = 14 , f ∗ = 1,6666667
1
3. t∗ = 2, f∗ = 0
1
4. t∗ = 2, f ∗ = 3,9375
3
5. t∗ = 4, f ∗ = 1,7578125
3
6. t∗ = 4, f ∗ = −2
7. t∗ = 1 , f ∗ = 0,140625
8. t∗ = 1 , f ∗ = 1,125
5
9. t∗ = 4, f ∗ = 2,1484375
5
10. t∗ = 4, f ∗ = 4,125

231
Mathematik im menschlichen Körper

Weiterführende Aspekte. Die Komplexität und Schwierigkeit der


Aufgabe nimmt zu, wenn nicht mehr eine einzelne Variable aus-
reicht, um die Ortsverteilung der Temperatur im Raum zu beschrei-
ben. Als eine Verallgemeinerung von Gleichung (4) schreiben wir
dann beispielsweise
 
∂ ∂2 ∂2
f (t, x, y) = κ 2
f (t, x, y) + 2 f (t, x, y) ,
∂t ∂x ∂y

wobei die (partiellen) Ableitungen jetzt für jede Variable in der Form
∂ 
∂x f anstelle von f geschrieben werden. Der Wärmetransport ist,
wie viele Vorgänge in der Natur, durch das Prinzip der Energiemi-
nimierung bestimmt. Das führt dazu, dass ohne Einfluss von außen
ein energieoptimaler Ausgleichszustand eingenommen wird. In ei-
nem solchen Zustand findet von sich aus keine zeitliche Verände-

rung mehr statt, wodurch die Ableitung ∂t f (t, x, y) den Wert Null
annehmen muss. Oft ist man nur an Ausgleichszuständen interes-
siert und hat dann ein Problem der Form

∂2 ∂2
0= 2
f ( x, y) + 2 f ( x, y) ,
∂x ∂y

mit geeigneten Bedingungen auf dem Rand des betrachteten Gebie-


tes zu lösen. Für Probleme dieser Art hat sich die Finite-Elemente-
Methode (FEM) bewährt, die inzwischen auch als ein Standardwerk-
zeug in der computerunterstützten Konstruktion (CAD) etabliert
ist. Ein Beispielproblem im Kontext der Wärmeleitung könnte fol-
gendermaßen lauten: In einem mit Wasser gefüllten Kreisring mit
innerem Radius r = 5 m und äußerem Radius R = 10 m sei die
Wassertemperatur an den Rändern auf 10 beziehungsweise 30 Grad
Celsius festgehalten. Wo muss man seine Runden schwimmen, um
immer im angenehmen 20 Grad Celsius warmen Wasser zu sein?
(Hinweis: Es ist nicht bei r∗ = 7,5m!) Eine FEM-Simulation zeigt,
dass der Radius, an dem die Wassertemperatur 20 Grad Celsius be-
trägt, etwa durch r∗ = 7,0711m gegeben ist. Dies liegt daran, dass
der äußere Rand mit der höheren Temperatur aufgrund seiner grö-

232
Die kalte Zunge

Abbildung 3. Die Finite-Elemente-Methode liefert mit Hilfe einer Dreieckszerlegung


eine Lösungsfläche, von deren Höhenlinien eine die gesuchte Bahn ergibt.

ßeren Länge einen stärkeren Einfluss auf die Wassertemperatur im


Becken hat.

Limitationen des Verfahrens. Wer im Approximationsschema (4) an-


dere Werte für Δx und Δt ausprobiert, kann feststellen, dass der
Parameter s auf keinen Fall größer als 12 gewählt werden darf, um
sinnvolle Näherungslösungen zu erhalten. Dadurch ist eine Bezie-
hung zwischen den möglichen Abständen der Punkte im Ort und in
der Zeit gegeben: es muss immer Δx2 ≥ 2κΔt gelten. Versuchen wir
sukzessive bessere Lösungen zu berechnen, indem wir jeweils die
Ortsschrittweite halbieren, so muss jedesmal die Zeitschrittweite
geviertelt werden. Die Punkte, die von einem bestimmten Anfangs-
wert beeinflusst werden, können wir in einem Kegel liegend dar-
stellen. So stellen wir fest, dass mit jeder feiner aufgelösten Rech-
nung der zugehörige Kegel aufgeweitet wird, bis er im Grenzfall für
Δx → 0 den ganzen oberen Halbraum einnimmt. Durch die Glei-
chung (1) wird somit ein unendlich schneller Transport von Infor-
mationen beschrieben, was physikalisch kaum sinnvoll erscheint.
Dies liegt an unserer sehr einfachen Beschreibung des Wärmelei-
tungsprozesses. Es lässt sich aber auch zeigen, dass der Einfluss der
Temperatur eines Punktes auf die an anderen Punkten sehr rasch
mit wachsendem Abstand abnimmt.

233
Mathematik im menschlichen Körper

Lösung

(Richtige Lösung: Antwort 8)

Die Werte f jn für n ≥ 1 und j = 1, 2, . . . , 9 ergeben sich aus der


Vorschrift (4) mit s = 14 , während f 0n = 0 und f 10
n = 0 für alle

n ≥ 1 gilt. Beispielsweise erhalten wir für n = 0 und j = 5, dass

1  1
f 51 = · (0 + 0) + 1 − 2 · 36 = 18,
4 4
da gemäß Anfangsbedingung f 40 = 0, f 60 = 0 und f 50 = 36 gilt. Geht
man so schrittweise vor, erhält man alle Werte f jn und kann diese
übersichtlich in einer Tabelle anordnen (aufgrund der Symmetrie
des Problems gilt stets f 6n = f 4n , f 7n = f 3n , f 8n = f 2n , f 9n = f 1n und
n = f n ):
f 10 0

f jn j=0 j=1 j=2 j=3 j=4 j=5


n=0 0 0 0 0 0 36
n=1 0 0 0 0 9 18
9 36 54
n=2 0 0 0 4 4 4
9 54 135 180
n=3 0 0 16 16 16 16
9 72 252 504 630
n=4 0 64 64 64 64 64
9 405 1080 1890 2268
n=5 0 256 256 256 256 256
585 1980 4455 7128 8316
n=6 0 1024 1024 1024 1024 1024

Man kann die Lösung auch zu jedem Zeitpunkt graphisch darstel-


len, indem man die einzelnen Funktionswerte mit Linien verbindet,
siehe Abbildung 4. Eine genaue Überprüfung der Tabelle zeigt, dass
Antwortmöglichkeit 8 die richtige Lösung ist, das heißt t∗ = 1,
f ∗ = 1,125.

234
Die kalte Zunge

40

35
t=0
30

25

f(0,x)
20

15

10

0
0 0.2 0.4 0.6 0.8 1
x
40

35
t=1/2
30

25
f(1/2,x)

20

15

10

0
0 0.2 0.4 0.6 0.8 1
x
40

35
t=1
30

25
f(1,x)

20

15

10

0
0 0.2 0.4 0.6 0.8 1
x
40

35
t=3/2
30

25
f(3/2,x)

20

15

10

0
0 0.2 0.4 0.6 0.8 1
x

Abbildung 4. Mit dem angegebenen Schema berechnete Näherungslösung f (t, x ) zu


verschiedenen Zeitpunkten

235
Mathematik auf die Schnelle
Knoten
John M. Sullivan

In einer großen Fabrik werden Geschenkpapiere, Schnüre und Gum-


mibänder hergestellt. Die Gummibänder werden zum Verpacken
von besonderen Überraschungen benötigt und sind auf himmlische
Weise in sich verschlungen. Leider ist in der Gummibandprodukti-
onsmaschine ein Defekt aufgetreten: Nur zwei von fünf Gummibän-
dern wurden wie gewünscht produziert, die anderen drei sind zu
kompliziert geraten. Welche der fünf Bilder zeigen die Gummibän-
der, die gleich verschlungen sind? (Achtung: Beim Hinlegen kann
es passieren, dass zwei gleich verschlungene Gummibänder jeweils
ein anderes Bild abgeben!)

1 2 3

4 5

239
Mathematik auf die Schnelle

Antwortmöglichkeiten

1. 1 und 2 sind gleich. 6. 2 und 4 sind gleich.


2. 1 und 3 sind gleich. 7. 2 und 5 sind gleich.
3. 1 und 4 sind gleich. 8. 3 und 4 sind gleich.
4. 1 und 5 sind gleich. 9. 3 und 5 sind gleich.
5. 2 und 3 sind gleich. 10. 4 und 5 sind gleich.

In der Mathematik versteht man unter einem Knoten eine ge-


schlossene Schleife im Raum, wie aus Bindfaden. Zwei Knoten wer-
den als gleich betrachtet, wenn man sie ineinander deformieren
kann, ohne den Faden zu zerschneiden. Das Ziel der Knotentheo-
rie ist, alle möglichen Knoten zu klassifizieren. Für dieses Problem
interessieren sich seit einiger Zeit auch Biophysiker, die über DNS-
Moleküle forschen. Wenn bei der Zellteilung die Doppelhelix der
DNS kopiert wird, würden sich beide Stränge schrecklich verkno-
ten, wenn es nicht Enzyme gäbe, die es möglich machen, dass sich
ein Strang durch den anderen bewegt.

240
Knoten

Lösung

(Richtige Lösung: Antwort 6)

Abbildungen 2 und 4 zeigen den gleichen Knoten.


Knoten zu entwirren zählt zu den schwierigen Problemen der
Mathematik: Bislang ist kein effizientes Verfahren bekannt, um zu
entscheiden, ob zwei beliebige, gegebene Knoten identisch sind
oder nicht. In vielen Fällen ist es jedoch möglich, einen Knoten (die
Darstellung eines Knotens) zu vereinfachen, indem man z. B. eine
Schleife des Knotens über eine andere hinweg bewegt. Das Bild ei-
nes Knotens wird dabei „einfacher“, wenn es gelingt, die Anzahl
der Überkreuzungen zu verringern. Alle gezeichneten Knoten ha-
ben acht Überkreuzungen. Zieht man bei den Knoten 2 und 4 die
Schlaufe rechts unten etwas enger, so verringert sich die Zahl der
Überkreuzungen auf sechs. Entwirrt man die Knoten 2 und 4 weiter,
so kommt man schließlich auf drei Überkreuzungen und kann sich
einfach davon überzeugen, dass es sich um den gleichen Knoten
handelt. Dieser Knoten mit drei Kreuzungen ist der kleinste nicht-
triviale Knoten und wird Kleeblattschlinge oder auch Überhandkno-
ten genannt.
(Der Knoten 1 lässt sich entsprechend auf vier Kreuzungen re-
duzieren und Knoten 5 auf sechs Kreuzungen. Hingegen lässt sich
Knoten 3 nicht vereinfachen. Achtung: Bei manchen Knoten muss
man erst Überkreuzungen hinzufügen, bevor man sie anschließend
vereinfachen kann! Genau das macht die Sache so schwierig . . . )

241
Dachkunst
Ulrich Reitebuch und Christian Schulz

Der Baron, Herr von und zu Dreieck, braucht ein neues Dach für sei-
nen Pferdestall. Nach Absprache mit dem Architekten hat er sich
für das in Abbildung 1 dargestellte sternförmige Design entschie-
den. Beim Entwerfen hat der Baron mehrmals betont, dass die Po-
sitionen der roten und grünen Punkte feststehen. Aufgabe des Ar-
chitekten ist es nun noch, die Höhe des blauen Punktes in der Mitte
zu bestimmen. Herr von und zu Dreieck möchte möglichst wenig
Material zum Dachbau verwenden, d. h. der blaue Punkt soll so ge-
wählt werden, dass die Gesamtfläche des Daches minimal wird. Die
Koordinaten der Punkte sind folgendermaßen gegeben:
– rote Punkte (±1, ±1, 0)
– grüne Punkte (± 12 , 0, 1) und (0, ± 12 , 1)
– blauer Punkt (0, 0, z)
Bestimme die minimale Fläche A des Daches.

Antwortmöglichkeiten

1. A=1 6. A = 1, 8
√ √
2. A=2 2 7. A= 7
√ √
3. A = 32 3 8. A = 17
√ √
4. A = 65 5 9. A = 87 6
√ √
5. A = 116 8 10. A = 119 10

Bei der Aufgabe handelt es sich um ein Randwertproblem, d. h. die


Werte einer Funktion sind auf dem Rand eines Gebietes vorgegeben
und sollen ins Innere fortgesetzt werden. In diesem Beispiel ent-
spricht die Funktion der Höhe des Daches. Durch die Fortsetzung

243
Mathematik auf die Schnelle

Abbildung 1. Entwurf des Daches: Perspektivische Ansicht (oben) und Draufsicht


(unten)

dieser Randwerte ins Innere soll eine Fläche mit minimalem Flä-
cheninhalt entstehen – eine Minimalfläche. Populäre Beispiele für
solche Flächen sind Seifenhäute. Bei der Lösung solcher Probleme
im Computer muss das Gebiet diskretisiert, d. h. zerlegt, werden.
Hier wird eine Gebietszerlegung durch acht Dreiecke verwendet.
Die z Koordinate des gesuchten Punktes für diese recht grobe Trian-
gulierung liegt höher als die der Randpunkte. Es entsteht eine Flä-
che mit einer Spitze im Inneren, im Gegensatz zu einer Seifenhaut
die sich glatt – spitzenfrei – zwischen diesen Punkten aufspannen
würde. Dieser mögliche Gegensatz zwischen einer diskreten und

244
Dachkunst

kontinuierlichen Lösung wird auch als Verletzung des Maximum-


prinizips bezeichnet. Durch eine geeignete Verfeinerung, d. h. eine
Zerlegung in mehr Dreiecke, würde die Lösung immer besser das
Verhalten einer Seifenhaut beschreiben. Zusätzlich müssten aber
auch die Positionen von immer mehr Punkten bestimmt werden,
d. h. der Rechenaufwand nimmt zu.

245
Mathematik auf die Schnelle

Lösung

(Richtige Lösung: Antwort 4)

Die Fläche eines Dreiecks (begrenzt durch einen roten, grünen und
blauen Punkt) sei gegeben durch A . Es gilt also für die Gesamt-
fläche des Daches ADach (z) = 8A (z). Hier bezeichnet z die Hö-
he des mittleren Punktes. Die Fläche A (z) eines Dreiecks kann
durch das Kreuzprodukt oder durch die Heronformel ermittelt wer-
den. Dies liefert einen Wurzelausdruck mit quadratischem Term als
Radikanden für ADach (z).
Differenzieren und Nullsetzen der Ableitung liefert den Extre-
malwert für z. Nochmaliges Ableiten bestätigt dann den Minimal-
charakter der Lösung.
⎛ 1 ⎞ ⎛
⎞ ⎛ 1 ⎞
2 0 2
(blau zu grün) v = ⎝ 0 ⎠ − ⎝ 0 ⎠ = ⎝ 0 ⎠
1 z 1−z
⎛ ⎞ ⎛ ⎞ ⎛ ⎞
1 0 1
(blau zu rot) w = ⎝ 1 ⎠ − ⎝ 0 ⎠ = ⎝ 1 ⎠
0 z −z
⎛ ⎞
z−1
n(z) = v × w = ⎝ 1 − 21 z ⎠
1
2

1 1 1 1
A (z) = n(z) = ( z − 1)2 + (1 − z )2 + ( )2
2 2 2 2

dADach (z) dA (z) 10z − 12 6


=8 = √ = 0, für z =
dz dz 2
5z − 12z + 9 5

6 6 6√
ADach ( ) = √ = 5
5 5 5

246
Dachkunst

Die Lösung ist auch ohne Differenzieren berechenbar. Der Ausdruck


für ADach (z) enthält einen Wurzelausdruck mit einem quadrati-
schen Term als Radikanden. Dieser quadratische Term beschreibt
eine nach oben geöffnete Parabel. Das Minimum befindet sich im
Scheitelpunkt der Parabel. Der Scheitelpunkt kann durch quadrati-
sche Ergänzung bestimmt werden.

247
102009?
Serhiy Yanchuk und Leonhard Lücken

Der Weihnachtsmann hat im Jahr 1 a1 = 7 Millionen Geschenke vor-


bereitet. Im nächsten Jahr bereitete er a2 = 15 Millionen Geschenke
vor. Im dritten Jahr war die Zahl der Geschenke a3 = aa2 Millionen.
1
Diese Iterationsformel gelte ganz allgemein:
ak
a k +1 = , k = 2, 3, 4, . . .
a k −1

Wie viele Millionen Geschenke wird der Weihnachtsmann nun im


Jahr k = 102009 = 100 · · · 000 (eine Zahl mit 2009 Nullen) vorberei-
ten?

Antwortmöglichkeiten

7
1. 2009 Millionen 6. 15 Millionen
2. 15 Millionen 7. 7 Millionen
15
3. 7 Millionen 8. 102009 Millionen
√ 1
4. 2 Millionen 9. 15 Million

1 1+ 5
5. 7 Million 10. Millionen
2

Die Aufgabe ist ein Beispiel eines dynamischen Systems. Dynami-


sche Systeme finden vielfältige Anwendungen auf Prozesse im All-
tag und erlauben Einblicke in viele Bereiche der Mathematik, Phy-
sik, Biologie usw.

249
Mathematik auf die Schnelle

Lösung

(Richtige Lösung: Antwort 5)

Die ersten acht Jahren sind einfach zu berechnen. Es ergibt sich


(Angaben jeweils in Millionen):

a1 = 7
a2 = 15
15
a3 = 7
1
a4 = 7
1
a5 = 15
7
a6 = 15
a7 = 7
a8 = 15

Wir bemerken, dass die zwei Größen a1 = 7 und a2 = 15 sich nach


sechs Schritten wiederholen. Die Iterationsformel ak+1 = ak /ak−1
zeigt, dass die Zahl der Geschenke ak+1 nur von der Zahl der Ge-
schenke in zwei vorherigen Jahren abhängt. Deshalb wird sich die
Folge unendlich oft mit Periode 6 wiederholen. (Man sagt, dass die
Zeitreihe periodisch ist.) Die Anzahl der Geschenke kann deshalb nur
a1 , a2 , a3 , a4 , a5 oder a6 sein. Um festzustellen, wie viel Millionen
Geschenke im Jahr 102009 vorbereitet werden, müssen wir alle Peri-
oden von der Zahl 102009 subtrahieren. D. h.

Y = 102009 − X,

wobei X die größte Zahl unter 102009 ist, die durch 6 teilbar ist, oh-
ne dass ein Restwert bleibt. Y ist dann der Restwert, der sich nach
der Teilung von 102009 durch 6 ergibt (man sagt, Y ist gleich 102009
„modulo“ 6). Diese Aufspaltung können wir folgendermaßen ma-
chen:
4 = 102009 − 9 · · · 99996

250
102009 ?

In der Tat, die Zahl 9 · · · 99996 ist sowohl durch 2 als auch durch 3
teilbar. Deshalb ist 9 · · · 99996 durch 6 teilbar.
Deshalb wird die Zahl der Geschenke im Jahr 102009 dieselbe
Zahl sein wie im Jahr 4, nämlich 17 Million Geschenke:

1
a102009 = a4 =
7

251
Stichwortverzeichnis

ADAC, 59 DNA, 219


Aktie, 187 Dualdarstellung, 88
Aktien-Zins-Modell, 188 dynamisches System, 249
Algorithmus, 53
Datenstrom, 54 Einheitsvektoren, 156
Gauß, 159 Entscheidungsproblem, 122
Greedy, 8, 67 Erwartungswert, 115
numerischer, 9 Existenzgründung, 183
Streaming, 54
Apfelsaft, 144 falsch positiv, 119
Approximationsschema, 233 Festplatte, 53
Finite-Elemente-Methode, 232
Berlin-Marathon, 55 Folge, 97
Billard, 19 Folgenglieder, 94
binäres lineares Programm, 73 Frosch, 104
Binomialverteilung, 125, 126
Blockademenge, 215 gültige Lösung, 62
Gauß-Algorithmus, 159
Chip, 227 Gaußsches Eliminationsverfahren,
13
Dachbau, 243 Gebietszerlegung, 197
Datenstrom-Algorithmus, 54 Gegenstrategie, 25
Diät, 205 Gene, 219
Differentialgleichung, 37, 205 Geschenke, 249
gewöhnliche, 39 Gleichungssystem, 57
lineare, 207 lineares, 9, 84, 107, 156, 190
nichtlineare, 206 Google, 101
partielle, 196 Graph, 72, 112
Differenzenquotient, 230 graphische Iteration, 96
Dirichlet-Neumann-Verfahren, 202 Greedy-Algorithmus, 8, 67
diskrete Funktion, 132 Grenzverteilung, 101
Diskretisierung, 40 Grenzwahrscheinlichkeit, 102

253
Stichwortverzeichnis

Grenzwert, 97, 207 Minimalfläche, 244


Gummibänder, 239 Mobilfunknetz, 77
Modellreduktion, 151
Handy, 77 Moleküle, 17
Heronformel, 246 MP3-Player, 5
Muffins, 123
Iterationsformel, 250
iterative Verfahren, 201 Näherungsverfahren, 31
Nobelpreis, 188
Jensensche Ungleichung, 115
N P -Probleme, 5
Katalysator, 227 N P -schwer, 168
Kleeblattschlinge, 241 Numerik, 37, 196
Knapsack-Problem, 3 numerisch instabil, 10
Knie, 195 numerische Simulation, 18
Knoten, 240 numerischer Algorithmus, 9
komplementäres Ereignis, 120 Nutzenfunktion, 122
Komplexitätstheorie, 168
Operations Research, 121
Kontinuumsmechanik, 196
optimaler Gewinn, 147
Kostenfunktion, 128
Kraftwerk, 122 Optimalwert, 62
Kredit, 183 Optimierung, 142
Kreuzprodukt, 246 ganzzahlige lineare, 45
kombinatorische, 50
Laser, 93 lineare, 144
Lastwagen, 151 stochastische, 122
Leiterplatten, 161 Optimierungsproblem, 60, 72, 122
lineare Unabhängigkeit, 156 Option, 188
Liniennetz, 41 Call, 187
logische Verknüpfungen, 87 Put, 187
Orangensaft, 144
Magnetresonanztomographie, 117 Osterhase, 23
Matching, 50, 72
Mauseloch, 29 Page-Rank, 102
Medikamente, 17 Pakete, 177
metabolisches Netz, 213 Panne, 59
Metabolismus, 213 partielle Ableitungen, 232
Mindestfahrzeugbedarf, 44 Planungsaufgaben, 111
minimaler Reaktionsweg, 215 Planungsprobleme, 41

254
Stichwortverzeichnis

Portfolio, 189 Telefonieren, 77


Postbote, 177 Temperatur, 227
Projektmanagement, 111 Testproblem, multiples, 119
Tilgung, 191
quadratische Gleichung, 58
Übergangswahrscheinlichkeit, 103
Randbedingungen, 231
Überhandknoten, 241
Random Walk, 101
Überlappungsgraph, 223
Randwertproblem, 243
Umlaufzeit, 44
Reaktionsweg, 214
UMTS, 77
Regionalverkehr, 41
Reihenentwicklung, 206
Vektorraum, 154
Relaxierung, 60
Versicherungen, 175
Roboter, 133, 151
Versicherungsprämie, 178
Saftfabrik, 144 Versicherungssumme, 181
Schaltungen, 88 Via-Minimierung, 167
schlecht konditioniertes Problem,
10, 18 Wärmeleitung, 232
Schranke Wahrscheinlichkeitsrestriktionen,
obere, 60 122
untere, 60, 68, 168 Wahrscheinlichkeitsverteilung, 24,
Sequenzierung, 219 101, 122, 126
Shotgun-Sequenzierung, 219 Warenhaus, 11
Signal-zu-Störsignal-Verhältnis, 78 Weihnachtsbaumkugeln, 183
Signifikanztest, 118 Weihnachtsmann, 23, 249
Spieltheorie, 23 World-Wide-Web, 101
Spielzeug, 11 Wort, 221
Störungsansatz, 206
Standardlösung, 163 Zellbiologie, 131
Stein–Schere–Papier, 23 Zinsen, 179, 183
Stoffwechsel, 213 Zuckerstangen, 132
Strategie, 24 Zugbrücke, 197
Streaming-Algorithmus, 54 Zugriffszeit, 54
Subset-Sum-Problem, 3 Zunge, 227
Systembiologie, 131 Zuordnungsproblem, 47
lineares, 71, 74
Teilwort, 221 Zuse Z1, 87
Telefongesellschaft, 53 Zustandsraum, 102

255
Die Autorinnen und Autoren

Sören Bartels ist Mathematiker an der Rheinischen Friedrich-


Wilhelms-Universität Bonn und dort Mitglied des Exzellenz-
clusters Hausdorff-Zentrum für Mathematik sowie des DFG-
Sonderforschungsbereichs 611. Von 2005 bis 2007 leitete er
die Matheon-Nachwuchsgruppe Numerische Analysis an der
Humboldt-Universität zu Berlin.

Katja Biermann ist Mathematikerin an der Technischen Uni-


versität Berlin und vermittelt in Schülerprojekten die span-
nenden und faszinierenden Aspekte der Mathematik. Von
2005–2008 betreute sie den Digitalen Adventskalender des
DFG-Forschungszentrums Matheon. Aktuell arbeitet sie im
Roberta-Projekt und bringt Schülerinnen und Schülern Naturwissenschaft
mittels Lego-Mindstrom Robotern nahe.

Alexander Bockmayr ist Professor für Mathematik in den Le-


benswissenschaften an der Freien Universität Berlin und am
DFG-Forschungszentrum Matheon. Im Mittelpunkt seiner
Arbeit steht die mathematische Modellierung biologischer
Prozesse auf molekularer Ebene.

Peggy Daume ist Haupt- und Realschullehrerin mit den Fä-


chern Mathematik und Chemie. Nach ihren ersten Staats-
examen an der Humboldt-Universität zu Berlin füllte sie das
Matheon-Projekt „Current mathematics at schools“ mit In-
halten der Finanzmathematik.

Peter Deuflhard lehrt Numerische Mathematik an der Freien


Universität Berlin und ist Gründer des Zuse-Instituts Berlin
(ZIB). Er ist Autor mehrerer Lehrbücher. Die gestellte Auf-
gabe stammt aus dem Gebiet der numerischen Lösung von
Differentialspielen, vermeidet aber diesen Begriff explizit.

257
Die Autorinnen und Autoren

Falk Ebert arbeitet an der Technischen Universität Berlin und


beschäftigt sich dort mit riesigen Gleichungssystemen für
elektrische Schaltkreise. Außerdem versucht er, in Vorträgen
und Seminaren Schülerinnen und Schülern angewandte Ma-
thematik auf einfache Art und Weise näherzubringen. Aus
dem Versuch, einem Schüler das Thema Modellreduktion zu
veranschaulichen, entstand die vorliegende Aufgabe.

Matthias Ehrhardt ist Technomathematiker und setzt sich


seit vielen Jahren dafür ein, Mathematik für Schülerinnen
und Schüler zugänglicher zu gestalten. In seinem Projekt
„MATEMA – MAThematik Erlebt iM Alltag“ (http://www.
matema.de/) hat er eine Reihe von Vorträgen speziell für
Schüler entwickelt, die die Bedeutung der angewandten Ma-
thematik anhand von modernen Beispielen erläutert. Er ist Privatdozent an
der Technischen Universität Berlin und wissenschaftlicher Mitarbeiter am
Weierstraß-Institut für Angewandte Analysis und Stochastik.

Andreas Eichhorn ist Mathematiker und derzeit bei dem Un-


ternehmen VERBUND – Austrian Power Trading AG in Wien
tätig. Er berechnet dort unter anderem optimale Einsatzstra-
tegien für große Wasserkraftwerke. Zuvor forschte er im Rah-
men des Matheon mehrere Jahre lang an der Humboldt-
Universität zu Berlin über mathematische Optimierung unter
Unsicherheit und Risiko.

Andreas Eisenblätter ist Geschäftsführer einer Firma, die


mit Methoden aus der Mathematik Telekommunikationsnet-
ze plant und optimiert. In dem DFG-Forschungszentrum Ma-
theon erforschte er Methoden zur Optimierung von UMTS-
Mobilfunknetzen.

Hans-Florian Geerdes hat an der TU Berlin angewandte Ma-


thematik und Telekommunikation studiert. In Projekten am
Matheon und am Zuse-Institut Berlin hat er erforscht, wie
man Mobilfunknetze gut plant und betreibt. Heute arbeitet
er als Unternehmensberater.

258
Die Autorinnen und Autoren

Martin Grötschel ist Mathematikprofessor an der TU Berlin


und Vizepräsident des Zuse-Instituts Berlin; er war von 2002
bis 2008 Sprecher des Matheon. Derzeit ist er Generalsekre-
tär der International Mathematical Union (IMU). Er beschäf-
tigt sich mit Diskreter Mathematik, Optimierung und Opera-
tions Research und arbeitet mit vielen Industriefirmen beim
Einsatz von mathematischen Methoden zur Verbesserung ihrer Prozesse zu-
sammen.

Nam-Dũng Hoàng ist seit 2006 als Doktorand an der Techni-


schen Universität Berlin und am Zuse-Institut Berlin. Er be-
schäftigt sich mit Diskreter Mathematik, Optimierung und
Operations Research.

Stefan Hougardy ist Professor für Diskrete Mathematik am


Forschungsinstitut für Diskrete Mathematik der Universität
Bonn. Dort beschäftigt er sich mit mathematischen Fragestel-
lungen, die beim Chip-Design auftreten. Von 2002–2007 war
er Projektleiter in einem Matheon-Projekt, das Methoden
der kombinatorischen Optimierung einsetzte, um die Ent-
wicklung neuer Medikamente zu unterstützen.

Volker Kaibel ist seit 2007 Professor für Mathematische Op-


timierung an der Otto-von-Guericke Universität Magdeburg.
Zuvor war er mehrere Jahre im DFG-Forschungszentrum Ma-
theon aktiv.

Daniela Kern arbeitet als Mathematikerin am Weierstraß-


Institut für Angewandte Analysis und Stochastik in Berlin.
Dort befasst sie sich mit mathematischen Methoden zur op-
timalen Wärmebehandlung von Stahl mit dem Ziel, dass Bau-
teile gewünschte Härte aufweisen und sich nicht verziehen.

259
Die Autorinnen und Autoren

Stefan Kirchner studierte Informatik an der Humboldt-


Universität zu Berlin und war dort als wissenschaftlicher Mit-
arbeiter tätig. Er promovierte im Bereich Algorithmen und
war von 2004–2006 Mitglied am Matheon.

Thorsten Koch ist Mitarbeiter im Bereich Optimierung am


Konrad-Zuse-Zentrum Berlin und seit 2001 Mitglied des Ma-
theon. Er hat hier an Projekten zur Planung von Mobil-
funknetzen, Verifikation von integrierten Schaltkreisen und
zur Mathematikausbildung gearbeitet. 2004 promovierte er
an der TU Berlin mit einer Arbeit über die Modellierung und
Optimierung von Industrieproblemen.

René Lamour ist Mathematiker am Lehrstuhl für Numerische


Mathematik des Institutes für Mathematik der Humboldt-
Universität zu Berlin. Neben seinem Interesse an Algebro-
Differentialgleichungen versucht er bei allen sich bietenden
Anlässen wie dem Tag der Mathematik, der Langen Nacht der
Wissenschaften oder anderen schon bei Schülern Interesse
für das Spannende an der Mathematik zu wecken.

Abdelhalim Larhlimi promovierte mit einer Arbeit zur ma-


thematischen „Analyse metabolischer Netzwerke“ an der
Freien Universität Berlin und ist nun wissenschaftlicher Mit-
arbeiter am Max-Planck-Institut für molekulare Pflanzenphy-
siologie in Golm.

Mark Lichtner promovierte 2006 an der Humboldt-Universität


zu Berlin. Seit 2006 ist er Wissenschaftlicher Mitarbei-
ter am Weierstraß-Institut Berlin. Dort beschäftigt er sich
mit der Simulation und theoretisch-experimentellen Analyse
von Hochleistungsdiodenlasern sowie mit mathematischen
Grundlagenfragen.

260
Die Autorinnen und Autoren

Christian Liebchen ist Netzplaner bei der DB Schenker


Rail Deutschland AG, dem Schienengüterverkehrsdienstleis-
ter der Deutschen Bahn AG. Im Rahmen seiner Promotion an
der TU Berlin war er noch mit dem Personenverkehr befasst.
Dort gelang es ihm, den ersten mathematisch optimierten
Fahrplan zu berechnen, der in Betrieb genommen wurde.

Anita Liebenau hat einige Aufgaben im Rahmen eines Prakti-


kums am Matheon mit entwickelt, nachdem sie selbst Jah-
re lang als Schülerin mitgekniffelt hat. Zur Zeit studiert sie
in Darmstadt Mathematik und verbringt ihr Auslandsjahr in
Großbritannien.

Andreas Loos fühlt sich in der Schnittmenge von Mathema-


tik und Journalismus wohl. Er hat bereits an einer ganzen
Reihe von Büchern und Ausstellungen mitgearbeitet und vie-
le Artikel über naturwissenschaftliche, mathematische (und
ganz andere) Themen geschrieben. Als Mathematiker forscht
er derzeit an der Universität Magdeburg.

Leonhard Lücken ist Student an der Humboldt Universität


zu Berlin und Mitglied der Junior Research Group „Dynamics
and synchronization of complex systems“. Sein aktuelles Pro-
jekt ist die Suche einer Formel zur Bestimmung der genauen
Anzahl der Geschenke, die er und Serhiy Yanchuk in diesem
Jahr bekommen werden. Drücken wir ihm die Daumen, dass
er rechtzeitig die Lösung findet!

Brigitte Lutz-Westphal ist Professorin für Mathematikdidak-


tik an der Freien Universität Berlin und setzt sich seit vie-
len Jahren dafür ein, dass Mathematik zugänglicher und
verständlicher wird. Sie macht Themen der modernen an-
gewandten Mathematik für Unterricht und Lehreraus- und
-fortbildung zugänglich. In den ersten Jahren des Matheon-
Adventskalenders war sie aktiv an Konzeption und Organisation beteiligt.

261
Die Autorinnen und Autoren

Nicole Megow ist Mathematikerin am Max-Planck-Institut


für Informatik in Saarbrücken. Sie beschäftigt sich mit Me-
thoden zur Lösung von Optimierungsproblemen wie sie in
der Logistik, im Projekmanagement oder auch bei der Pro-
zessplanung für Hochleistungsrechner auftreten. Insbeson-
dere erforscht sie, wie man trotz unvollständiger Informatio-
nen gute Lösungen erzielt.

Volker Mehrmann ist Professor für Numerische Mathematik


an der Technischen Universität Berlin und Sprecher des DFG
Forschungszentrums Matheon, Mathematik für Schlüssel-
technologien in Berlin.

Rüdiger Müller betreibt Bruchrechnung der speziellen Art.


Um Materialversagen von Werkstücken vorzubeugen, arbei-
tet er am WIAS Berlin an der mathematischen Modellierung
und Berechnung von Schädigungsvorgängen in Metallverbin-
dungen mit Hilfe der Methode der Finiten Elemente.

Jörg Rambau leitet seit Dezember 2004 den Lehrstuhl für


Wirtschaftsmathematik an der Universität Bayreuth. Er ist
Gründungsmitglied des Matheon und hat am Zuse-Institut
Berlin zusammen mit Sven Oliver Krumke (jetzt TU Kaisers-
lautern) den Optimierungsalgorithmus für die Einsatzpla-
nung der Gelben Engel entwickelt.

Lutz Recke ist Hochschuldozent an der Humboldt-Universität


zu Berlin und bildet dort zukünftige Mathematiker und Phy-
siker aus. Seit 2002 untersucht er im Rahmen des DFG-
Forschungszentrums Matheon das dynamische Verhalten
von Halbleiterlasern.

262
Die Autorinnen und Autoren

Ulrich Reitebuch ist technischer Mitarbeiter in der Arbeits-


gruppe Geometry Processing an der Freien Universität Ber-
lin. Neben der Betreuung technischer Geräte und der not-
wendigen Computer-Administration unterstützt er die wis-
senschaftlichen Mitarbeiter bei ihren aktuellen Forschungs-
tätigkeiten.

Oliver Sander ist Mathematiker an der Freien Universität Ber-


lin. Er versucht, die Kräfte in Kniegelenken zu berechnen, da-
mit Prothesen später länger halten. Außerdem ist er einer der
Entwickler von Dune, einem großen Softwarepaket für die
numerische Mathematik.

Anton Schiela ist Mathematiker am Konrad-Zuse-Zentrum


für Informationstechnik in Berlin. Dort hat er viel mit Diffe-
rentialgleichungen und auch mit Optimierung zu tun. In sei-
ner Jugend hatte er immer wieder die Möglichkeit, die Haus-
katze der Familie beim Jagen zu beobachten.

John Schoenmakers promovierte an der Universität Delft


(Niederlande) über theoretische Wahrscheinlichkeit im Be-
reich der stochastischen Prozesse. Nach der Promotion be-
schäftigte er sich mit Themen der angewandten Wahrschein-
lichkeit mit dem Schwerpunkt Finanzen. Seit 1998 ist er stell-
vertretender Leiter der Arbeitsgruppe „Stochastische Algo-
rithmen und Nichtparametrische Statistik“ und Leiter der Forschungs-
richtung „Entwicklung und Analyse von Finanzmodellen“ am Weierstraß-
Institut Berlin.

Christian Schulz ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der


Freien Universität Berlin in der Arbeitsgruppe Geometry Pro-
cessing. Er beschäftigt sich mit der Segmentierung von Ober-
flächen, d. h. der Zerlegung von Geometrien in „gute“ Berei-
che. Da „gut“ bzw. geeignet im Allgemeinen vom Betrachter
und Anwendungsgebiet abhängen, ist das Ziel dieser Forschung, wahrge-
nommene in mathematisch fassbare Oberflächeneigenschaften zu überset-
zen.

263
Die Autorinnen und Autoren

Heike Siebert hat Mathematik mit Nebenfach Biologie in Kiel


studiert und dort 2004 ihre Promotion in Mathematik abge-
schlossen. Seit 2005 genießt sie die Möglichkeit, Mathematik
für biologische Fragestellungen in der Gruppe „Mathematik
in den Lebenswissenschaften“ an der Freien Universität Ber-
lin zu entwickeln.

Boris Springborn forscht an der Technischen Universität Ber-


lin auf dem Gebiet der Geometrie. Die Aufgabe Stein–Schere–
Papier entstand einmal beim Mittagessen, als es aus irgend-
einem Grund darum ging, den Unterschied zwischen einem
Nullsummenspiel und einem fairen Spiel zu erklären.

John M. Sullivan ist seit 2003 Professor für Mathematik an


der Technischen Universität Berlin. Seine Forschung im Ge-
biet der Geometrie beschäftigt sich mit der geometrischen
Knotentheorie, der mathematischen Visualisierung und der
diskreten Differentialgeometrie.

Karsten Tabelow ist Physiker am Weierstraß-Institut für an-


gewandte Analysis und Stochastik (WIAS) in Berlin und ar-
beitet seit einigen Jahren auf dem Gebiet der medizinischen
Bildverarbeitung. Besonders das Schärfen von verrauschten
Aufnahmen aller Art hat es ihm angetan. Davon profitiert
nicht nur die eigene Fotosammlung.

Caren Tischendorf ist Mathematikprofessorin an der Univer-


sität zu Köln und arbeitet eng mit europäischen Halbleiter-
firmen (Infineon, NXP) auf dem Gebiet der Simulation inte-
grierter Schaltungen zusammen. Sie gehört zu den Initiato-
ren des Kölner Mathematik-Turniers, bei dem Schüler in klei-
nen Teams mathematische Probleme lösen und in Strategie-
spielen gegeneinander antreten.

264
Die Autorinnen und Autoren

Sina Tutsch ist Mathematikerin und hat an der Humboldt-


Universität zu Berlin im Rahmen eines Projekts des DFG-
Forschungszentrums Matheon im Bereich der Finanzma-
thematik promoviert. Danach wechselte sie zur Allianz Glo-
bal Corporate & Specialty AG nach München und bewertet
seitdem als Aktuarin das Industriegeschäft der Allianz.

Martin Weiser ist Mathematiker am Zuse-Institut Berlin,


stellvertretender Leiter der Abteilung Numerische Analysis
und Modellierung und Leiter der Arbeitsgruppe „Computa-
tional Medicine“. Er setzt sich mit vielen Vorträgen dafür ein,
Schülerinnen und Schülern die Anwendungsbreite und prak-
tische Bedeutung der Mathematik zu vermitteln.

Serhiy Yanchuk ist seit 2008 Nachwuchsgruppenleiter am


Institut für Mathematik der Humboldt Universität zu Ber-
lin. Vor 2008 war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am
Weierstraß-Institut für Angewandte Analysis und Stochastik
in Berlin beschäftigt. Seine Forschungsinteressen sind Dyna-
mische Systeme und deren Verhalten, Synchronisationseffek-
te und Anwendungen in Physik und Biologie.

Mariano Zelke hat in Berlin Informatik studiert und seine


Doktorarbeit über Algorithmen zum Verarbeiten von großen
Datenströmen geschrieben. Jetzt ist er wissenschaftlicher
Mitarbeiter an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main.

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