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Wehrwissenschaftliche Forschung

Jahresbericht 2020

2020 – Jahresbericht Wehrwissenschaftliche Forschung


Wehrwissenschaftliche Forschung für deutsche Streitkräfte

Bundesministerium der Verteidigung


Wehrwissenschaftliche Forschung
Jahresbericht 2020
Wehrwissenschaftliche Forschung für deutsche Streitkräfte
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Vorwort 6 7

Ministerialdirigent Ralf Schnurr

Unterabteilungsleiter A III und Forschungsbeauftragter


Bundesministerium der Verteidigung

Wehrwissenschaftliche Forschung für die Streitkräfte

Die sicherheits- und verteidigungspolitischen Der Weltraum gewinnt als sicherheitspolitischer Diese Aufgaben sind jederzeit und gleichzeitig
Herausforderungen Deutschlands, der EU sowie Raum zunehmend an Bedeutung. Deutschland ist wahrzunehmen.
der NATO sind in den zurückliegenden Jahren wie viele andere Staaten auf den freien Zugang,
größer, volatiler und komplexer geworden. die friedliche und nachhaltige Nutzung und den Alle Aufgaben der Bundeswehr sind übergreifend
Schutz kritischer Infrastruktur im Weltraum ange- durch das Zusammenwirken aller Organisations-
Fortschritte in der Forschung und der Entwick- wiesen. Satelliten sind sowohl im zivilen Bereich bereiche zu erfüllen. Dies kommt auch bei den
lung neuer Technologien, wie z. B. in der Digitali- für Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft als Forschungsbereichen der
sierung, im Bereich der Künstlichen Intelligenz, auch im militärischen Bereich für Aufklärung und – der Wehrtechnischen Forschung,
unbemannter Systeme, der Hyperschalltechnolo- Überwachung, Navigation und Kommunikation – der Wehrmedizinischen und Militärpsycholo­-
gien, der Biotechnologien und der Cyber-Instru- von entscheidender Bedeutung. gischen Forschung,
mente werden grundlegende Auswirkungen – der Militärgeschichtlichen und Sozialwissen-
auf die sicherheits- und verteidigungsrelevanten Die Grundaufstellung der Bundeswehr enthält schaftlichen Forschung,
Systeme der Zukunft haben. Damit sind auch Fähigkeiten, Kräfte und Mittel für folgende Auf- – der Geowissenschaftlichen Forschung und
Fragen nach dem möglichen Destabilisierungs- gaben: – der Cyber / Informationstechnischen Forschung
potenzial und der Völkerrechtskonformität des • Landes- und Bündnisverteidigung im Rahmen zum Ausdruck, die im Folgenden an ausgewählten
Einsatzes neuer Technologien in Waffensystemen der NATO und gemäß den Vorgaben der Euro- Beispielen vorgestellt werden.
verbunden. päischen Union
• Cybersicherheit/-verteidigung
• nationales Risiko- und Krisenmanagement
• Heimatschutz und „Host Nation Support“
• Betrieb der Basis Inland.
Ralf Schnurr
Inhalt 8 9

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Vorwort 06 Wehrwissenschaftliche Forschung für deutsche Streitkräfte 54 (Hochentwickelte) Opto-pyrotechnische Zündsysteme
56 Landmarkenbasierte Verfahren zur Lokalisierung und Navigation ­autonomer ­Landfahrzeuge
Teil 1 13 Wehrtechnische Forschung in GNSS-armen Umgebungen
58 Pilotprojekt Kompetenzzentrum Krisenfrüherkennung
14 Bioinspirierte Tarnbewertung durch Berechnung der lokalen Auffälligkeit 60 Untersuchung der Möglichkeiten zum 3D-Druck von Elastomerbauteilen für militärische
16 Virtual Reality zur effizienten Nutzung von 3D-Daten optronischer Sensoren ­Anwendungen
18 Laserquellenforschung für optronische Gegenmaßnahmen (OGM) und H ­ ochenergielaser (HEL) 62 SOTM Tests in der Bundeswehr
20 Virtuelle Menschmodelle und biofidele Dummys für die Sicherheit der Soldatinnen und Soldaten 64 Defence Acquisition & Supply Management: Wehrwirtschaftlich fundierte B
­ eschaffungsforschung
22 Potenzial der Digitalisierung für die Gefechtsausbildung auf Truppenübungsplätzen mit für die Bundeswehr
scharfem Schuss 66 Gesundheit erfolgreich und bedarfsgerecht fördern!
24 Miniaturisiertes Millimeterwellen SAR auf kleinen Flugplattformen 68 Führen mit IT
26 UAV-basierte Neutronen- und Gammadetektion unter Verwendung ­neuartiger Szintillations­ 70 Analyse der Recyclingfähigkeit von thermoplastischen Kunststoffen zur Nutzung bei additiver
materialien Fertigung im maritimen Sektor
28 Wehrtechnische Zukunftsanalyse im internationalen Kontext zur Unterstützung langfristiger 72 Räumliches 3D-Audio zur Verbesserung des Gehörschutzes von Soldaten
F&T-Planung 74 Nutzung von additiver Fertigung zur Herstellung von Surrogaten für die Analyse Nichtletaler
30 Diamantbasierte Quantensensorik zur Aufklärung von HF-Signalen Wirkmittel
32 Auf Galliumnitrid (GaN) basierende integrierte Millimeterwellen-­Verstärker mit hoher ­Effizienz 76 Echtzeitdetektion, Lokalisierung und Volumenschätzung von Deflagrationen in militärischen
34 Echtzeit-Evaluation von Funkkommunikationssystemen auf ­unterschiedlichen Protokollschichten Fahrzeugen
36 Munitionsbrandschutzkonzepte zur Verbesserung der Sicherheit 78 Der Einfluss von Maßnahmen aus dem Bereich der Betreuung im Einsatz auf die Gesundheit
38 Mikroreaktoren für die sichere und effiziente Herstellung von Explosivstoffen und Motivation der Soldatinnen und Soldaten
40 Ein Geländemodell für die IR-Signaturberechnung mit MIRA 80 Einfluss der Flugparameter auf das Detektionsverhalten luftgestützter RN-Sensorik
42 Adaptiver Lufteinlauf für Abwehr-Flugkörper mit Staustrahltriebwerk 82 Hochauflösende und hochsensitive Ionenmobilitätsspektrometer für Unmanned Aircraft Systems
44 Drohnenschlag auf Hubschrauberscheiben 84 Einsatz von Methoden der Künstlichen Intelligenz bei der additiven F­ ertigung zur vernetzten
46 Klassifikation von Flugzeugen aus satellitengestützten Radar-Daten Produktentwicklung
48 Forschung für die Abwehr hypersonischer und ballistischer Flugkörper im Rahmen einer 86 Digitalisierung Zerstörungsfreier Prüfverfahren
­territorialen Luftverteidigung 88 Aufbau von Bewertungsfähigkeiten zur Untersuchung von Einflüssen aus der Flugführung auf
50 „Stare-and-Chase“-Verfahren zur Ortung und Katalogisierung orbitaler Objekte stark konturierte Einlaufsysteme
52 Bestimmung der aerodynamischen Eigenschaften von Pfeilgeschossen im Windkanal 90 PRS-Demonstrator für Luftfahrtanwendungen mit Einbindung in Air Traffic Management Systeme
und im Freiflug 92 Maritime unbemannte Systeme für die U-Jagd
Inhalt 10 11

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94 Auswirkung der Resonanz auf das Zielmaß Teil 3 131 Militärgeschichtliche und Sozialwissenschaftliche Forschung
96 Mit Hochgeschwindigkeit gegen hochfesten Beton
98 Weiterentwicklung Truppenübungsplätze 132 Der Afghanistaneinsatz in historischer Perspektive – Ein neues Forschungsprojekt des
Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr
Teil 2 101 Wehrmedizinische und Militärpsychologische Forschung 134 Tabu und Toleranz – Der Umgang der Bundeswehr mit Homosexualität von 1955 bis
zur ­Jahrtausendwende
102 Welcome on Board – SARS-CoV-2-Diagnostik auf hoher See
104 Störung von regenerativ wirkenden Stammzellen durch Schwefellost-­Vergiftung als mögliche Teil 4 137 Geowissenschaftliche Forschung
Ursache für die chronische Wundheilungsstörung
106 Effiziente und valide Beurteilung körperlicher Leistungsfähigkeit bei der Personalgewinnung 138 Simulation: Weiterentwicklung Regionales Ozeanmodell
und wehrmedizinischen Begutachtungen: Das neue „KI-KLF-Verfahren“ 140 HEARTS und der Stand der Forschung im Bereich Ausbreitungs­modellierung von Schadstoffen
108 Aufbau und Implementierung zusätzlicher SARS-CoV-2-Testkapazitäten am Institut für im ZGeoBw
Radiobiologie der Bundeswehr
110 Einfluss von COVID-19 auf Angst, Aggression und Ärger bei Krankenhauspersonal und Betroffenen Teil 5 143 Forschung Cyber / Informationstechnik
112 Randomisiert kontrollierte Studie zur Wirksamkeit von pferdeunterstützter Intervention und
Therapie bei Einsatzfolgestörungen von aktiven und ­ehemaligen Angehörigen der Bundeswehr 144 Erkennung hybrider Bedrohungen für urbane Operationen
114 Screeninguntersuchungen zu den funktionellen Konsequenzen repetitiver hypobarer Höhenexpositionen 146 Interoperables Cloud Computing (IOCC)
bei Innenbegleitpersonal von Höhensimulationskammern – Eine europäische multinationale Studie 148 Wetterdatensteuerung
116 Immunologische Veränderungen durch hyperbaren Sauerstoff – Wie beeinflusst dienstliches ­Tauchen 150 CWIX unter COVID-19 Bedingungen – Die Perspektive der ­Communications Focus Area
die Immunantwort? 152 Automatisierung und Künstliche Intelligenz am Beispiel der Forschungsstudie „ErzUntGlas“
118 Einsatz der Online-Videosprechstunde im Sanitätsdienst der Bundeswehr 154 Multilateral Interoperability Programme (MIP)
120 Entwicklung einer bakterienundurchlässigen Haut-Metall-Konnektion für transkutane 156 Neue Techniken im Bereich Dekompilierung
­osseo­integrierte Prothesensysteme (TOPS) 158 Modularer taktischer Router auf Basis offener Standards
122 Evaluation modernster Simulationsmodelle in der notfallchirurgischen Ausbildung 160 IP-Wellenformen
124 Nachweis von Autoantikörpern als Risikofaktor für einen schwerwiegenden Verlauf und bleibende
Lungenschäden nach Infektion mit SARS-CoV-2 Teil 6 163 Anhang
126 Evaluation molekularer Diagnostikverfahren für tropische ­Parasitenerkrankungen
128 Studie zur klinischen Evaluation und Etablierung einer Hochdurchsatz-Testung zum Nachweis 164 Adressen und Kontakte
für SARS-CoV-2-Infektionen 170 Impressum
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Wehrtechnische Forschung

Das erforderliche breite Fähigkeitsspektrum der Bundeswehr Die Durchführung wehrtechnischer Forschung und Tech­
bedingt eine intensive Beobachtung und Erschließung aller für nologie (F&T) in Deutschland erfolgt
wehrtechnische Anwendungen relevanten natur- und inge­ – in bundeswehreigenen Wehrwissenschaftlichen und
nieurwissenschaftlichen Felder. Für die hierzu erforderliche Wehrtechnischen Dienststellen,
Analyse- und Bewertungsfähigkeit werden Erkenntnisse der – im Rahmen einer anteiligen Grundfinanzierung bei der
zivilen Forschung aufgegriffen und technologische Entwick- Fraunhofer-Gesellschaft zur Förderung der angewandten
lungen hinsichtlich ihrer zukünftigen militärischen Verwend- Forschung e. V. (FhG) und dem Deutschen Zentrum für
barkeit bzw. ihres Bedrohungspotenzials analysiert. Luft- und Raumfahrt e. V. (DLR) sowie dem Deutsch-­Fran­-
zösischen Forschungsinstitut Saint-Louis (ISL) und
Zur Weiterentwicklung der Fähigkeiten der Bundeswehr – im Rahmen einer projektfinanzierten Forschung durch
werden strategische Interessenfelder identifiziert und relevante die Vergabe von F&T-Aufträgen und Zuwendungen an
Zukunftstechnologien zeitgerecht bis zur Produktnähe vor- Dritte, d. h. an Industrie und Wirtschaft, Universitäten und
angetrieben. Dabei ist die eigene technologische Souveränität Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrich-
auf dem Gebiet nationaler Schlüsseltechnologien zu erhalten tungen.
und auszubauen.
In den nachfolgenden Artikeln werden Beispiele von wehr-
Ziel ist es letztlich, das Handlungs- und Leistungsvermögen technischen F&T-Aktivitäten des Jahres 2020 aus diesen drei
der Bundeswehr durch verstärkte Nutzbarmachung neuer Durchführungsbereichen dargestellt.
Ideen und schnelle Umsetzung von technologischen Innova-
tionen zu sichern und zu verbessern, um zeit- und auftrags-
gerecht die erforderliche Ausrüstung für die Bundeswehr zur
Verfügung zu stellen.
Forschungsaktivitäten 2020 14 15

Dr. Alexander Schwegmann disruptive Auffälligkeit ist, die das gut getarnte Objekt dennoch Unser Modell verwendet, durch die rezeptiven Felder inspiriert
Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik
und Bildauswertung IOSB verrät, oft unbeachtet. (Abb. 2), diese Form der Anomaliedetektion ins Bildmaterial.
Ettlingen
Hierbei wird ein breites Spektrum biologisch relevanter Para-
info@iosb.fraunhofer.de
In dieser Arbeit wird Fokus auf die neurophysiologische Signal- meter, wie Kontrast oder räumliche Frequenzen verwendet.
verarbeitung gelegt. Dies ist ein vielversprechender Ansatz, da Da nicht bloß das getarnte Objekt mit seinem Hintergrund
so die tatsächliche neuronale Verarbeitung des Gesehenen und verglichen wird, sondern das Modell das Bildmaterial voll-
damit die Prozesse, die die Aufmerksamkeit des Beobachtenden ständig scannt, werden auf diese Weise auch die statistischen
Bioinspirierte Tarnbewertung durch Berechnung der lokalen Auffälligkeit lenken, in den Fokus gerückt werden. Durch diese Erkenntnisse Diskrepanzen durch auffällige Übergange von getarntem Objekt
können die Modelle um die Prozesse, die den Blick des Auges zu Hintergrund erfasst und fließen in die Signaturbewertung
auf Bereiche des Bildes lenken, erweitert werden. mit ein (Abb. 3).

Effizienz von Tarnmaßnahmen vorab zu bewerten ist eine Die Effizienz von Tarnmaßnahmen lässt sich am besten dadurch Da nur der zentrale Bereich des Gesehenen detailliert gese- Über die so erhaltene Auffälligkeitskarte (Abb. 4) lassen sich
essentielle Aufgabe, wenn es darum geht, einer Einheit ausdrücken, wie sehr die Entdeckung, Erkennung oder Identi- hen wird (in der Fovea), scannt das Auge das Gesehene durch nun Tarnmaße bestimmen, wie die Gesamtaufälligkeit des
größtmöglichen Schutz vor Entdeckung und Erkennung fikation (Detection, Recognition and Identification (DRI)) von sakkadische, schnelle Sprünge des Blickfokus und das Gehirn Objektes oder das Auftreten eines Auffälligkeitspeaks an dem
zu ermöglichen. Hierzu werden oft Beobachterversuche Plattformen, die diese Maßnahmen verwenden, im Vergleich setzt aus diesen Sprüngen das Gesamtbild zusammen. Die Fokus- Objekt, welches dieses trotz sonstiger guter Tarnung verraten
oder mathematische Modelle verwendet. In dieser Arbeit zu anders- oder nichtgetarnten Einheiten verzögert und verrin- punkte dieser Sprünge werden vom Gehirn durch Suchmuster könnte. Auf diese Weise lassen sich Problemstellen (Abb. 5)
werden neurophysiologische Grundlagen herangezogen, gert wird. Hierzu werden oft Beobachterversuche eingesetzt, sowie durch statistische Diskrepanzen im Gesehenen bestimmt. erkennen und eventuell beheben. Parametrisierbar ist auch
um die Modelle durch biologisch inspirierte Signalverar­ um die Auswirkungen der Tarnmaßnahmen auf menschliche das Maß an Ablenkung, dass die Umgebung bereitstellt und
beitung zu erweitern. Beobachter direkt zu analysieren. Allerdings sind Beobachter- Das Suchmuster bestimmt den Bereich, in welchem gesucht somit die Suche nach dem Objekt erschwert und verzögert.
versuche zeit- und personenaufwändig und es gilt menschliche wird, und die Reihenfolge in welchem Bereiche abgesucht Es hat sich gezeigt, dass diese Form der Bildverarbeitung ein
Faktoren zu beachten, um im Anschluss statistisch aussage- werden. Wenn sich etwas im Sichtbereich nun durch eine verlässliches Maß zur Tarnbewertung erbringen kann, welches
kräftige Aussagen treffen zu können. Andersartigkeit auszeichnet, wird es fixiert und von höheren durch Vergleiche mit tatsächlicher Beobachterleistung weiter
neuronalen Prozessen analysiert und klassifiziert. verbessert werden kann.
Hier stellt sich die Frage, ob man in der Bildverarbeitung durch
mathematische Modelle vorhersagen kann, wie gut sich signa- Diese Andersartigkeit wird von neuronalen Strukturen, den
turverändernde Maßnahmen auf die DRI-Werte auswirken. rezeptiven Feldern, erfasst. Diese leiten ein Nervensignal weiter,
Hierzu gibt es bereits viele Ansätze, wie beispielsweise das wenn zwischen Zentralbereich und Außenbereich (Abb. 1) ein
Signal-Rauschen-Verhältnis oder die statistische Ähnlichkeit Unterschied im Eingangssignal besteht. Dies reicht von Hellig-
der Textur des Objekts zu der Textur des Hintergrundes. keitsunterschieden bis hin zu dem Erkennen von Ausrichtungs-
ungleichheiten im visuellen Cortex: Ein Bild hängt schräg und
Obwohl dies ein guter Ansatz ist, ist bei diesen Bewertungen zieht daher die Aufmerksamkeit auf sich.
oft der Übergang von Objekt zu Hintergrund, welcher oft eine

Abb. 2: Visuelle Repräsentation des mathematisch Abb. 3: Anwendung des Modells auf das Bild
nachgebildeten rezeptiven Feldes als Kernelement ­eines getarnten Schützen. Rot-gelb markierte
des Auffälligkeitsbewertungsmodells Bereiche (linke Bildhälfte) entsprechen Berei-
Abb. 1: Schematische Darstellung eines rezeptiven chen höherer Auffälligkeit (Quelle: Caters Abb. 4: Bild eines Straßenabschnittes mit Abb. 5: Wärmebild von getarnten Objekten und der zugehörigen Auffälligkeitskarte,
Feldes in der Retina (Quelle: www.physiologie.cc) News Agency) Verkehrsschildern (oben) und zugehöriger welche Unterschiede und Schwachstellen offenlegt
Auffälligkeitskarte (unten)
Forschungsaktivitäten 2020 16 17

Dr.-Ing. Florian van de Camp nahezu beliebig vielen möglichen Ansichten darstellen, zeigt Um diese Formen von Darstellung und Interaktion zu ermög-
Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik
und Bildauswertung IOSB sich bereits, dass in dem 3D-Modell erheblich mehr Informa- lichen, setzt Virtual Reality auf eine Immersion, die vor allem
Karlsruhe
tion enthalten sind, und dabei ist die hier nicht darstellbare durch räumliches Tracking der Person durch ihr Headset und
info@iosb.fraunhofer.de
Tiefeninformation noch nicht berücksichtigt. Somit können ihren Controller erreicht wird. Diese stellen dabei eine gänz-
die neuen Potentiale nur erschlossen werden, wenn sowohl lich andere Eingabeform dar als die meisten Personen heute
für die Darstellung der großen Datenmengen als auch für die von ihrem Alltag mit Maus und Tastatur gewöhnt sind. Da
Interaktion mit diesen geeignete Lösungen gefunden werden. dreidimensionale Daten noch nicht allgegenwärtig sind und
Virtual Reality zur effizienten Nutzung von 3D-Daten optronischer Sensoren auch das Tragen des Headsets noch keine dauerhafte Alter-
Um die größte Diskrepanz zwischen der verfügbaren Daten- native zu einem herkömmlichen Arbeitsplatz darstellt, ist es
menge und deren Darstellung zu beseitigen bietet sich VR als wichtig, einen einfachen Übergang zwischen den verschiede-
Darstellungsform an. Durch die stereoskopische Darstellung ist nen Interaktionsmöglichkeiten sicherzustellen. Anders als in
Die Erzeugung von 3D-Modellen aus Daten optronischer Durch neue und immer bessere Sensorik und entsprechende es möglich, einen realen Tiefeindruck zu vermitteln und somit VR-Spielen üblich wurde daher die Funktionalität der Maus
Sensoren wird immer schneller und besser, aber die Nutzung Nachbearbeitungsmöglichkeiten ist es heute möglich, detaillier- dreidimensionale Daten wirklich dreidimensional wahrzuneh- für die meisten Funktionen mit dem Controller emuliert,
dieser Daten ist mit den heute gängigen Darstellungssystemen te, georeferenzierte 3D-Modelle aus den Daten optronischer men. Durch VR ist es – entsprechende Datenqualität voraus- sodass in der grundsätzlichen Bedienung kein Umdenken
nur unzureichend möglich. Virtual Reality (VR) bietet durch Sensoren zu erzeugen. Damit ergeben sich neue Möglichkeiten gesetzt – zum Beispiel möglich, die Daten in ihrer Originalgröße zwischen der Interaktion am Desktop und in Virtual Reality
seine immersive, räumliche Darstellung eine effizientere für die Bereiche Intelligence, Surveillance und Recconnaisance darzustellen und somit eine virtuelle Begehung oder sogar Be- nötig ist. Dies erlaubt einen intuitiven Wechsel in die virtuelle
Nutzung der komplexen Daten, was jedoch eine Integration (ISR). fliegung einer Szene zu ermöglichen (siehe Abbildung 2). Durch Welt für Fragestellungen, bei denen diese Form der Darstellung
in die entsprechenden Arbeitsabläufe voraussetzt. eine künstliche Begrenzung und Skalierung des betrachteten einen echten Mehrwert bietet.
Die dreidimensionale Repräsentation der realen Welt bringt 3D-Raumes auf eine bestimmte Region wird eine Übersicht
mit den neuen Möglichkeiten und Vorteilen auch neue Heraus- ermöglicht, welche sich besonders für eine gemeinsame Be-
forderungen mit sich. Zum einen ist die Erzeugung der Daten trachtung der Daten eignet (siehe Abbildung 3). Dabei können
aufwendig und zumindest für die in manchen Anwendungs- auch andere Teilnehmer dargestellt werden und es wird ein
fällen notwendigen Detailstufen auffälliger durch die Notwen- intuitiver Austausch zwischen diesen möglich. Anders als in
digkeit von Aufnahmen aus der Nähe. Zum anderen ist der einer realen Umgebung ist es in VR auch möglich, dass Nutzer
Umgang mit dreidimensionalen Daten nicht trivial und unter- zwar gleichzeitig an denselben Daten arbeiten, sich jedoch in
scheidet sich deutlich vom heute geläufigen Arbeiten mit fast verschiedenen Darstellungsmodi befinden und über diese
ausschließlich zweidimensionalen Daten. austauschen können. Abbildung 4 zeigt einen Teilnehmer am
virtuellen Lagetisch, während ein anderer Teilnehmer sich in
In Abbildung 1 ist auf der linken Seite ein nahezu senkrecht einer virtuellen Begehung der Daten befindet und mittels
aufgenommenes Luftbild und auf der rechten Seite vier ver- virtuellem Laserpointer ein Gebäude hervorhebt. Zudem ist es
schiedene Schrägansichten auf ein 3D-Modell der gleichen möglich, Messungen vorzunehmen oder Zusatzinformationen
Region dargestellt. Obwohl diese Ansichten nur wenige von einzublenden (siehe Abbildung 5).

Abb. 1: Links: Orthophoto, Rechts, vier verschiedene Ansichten eines rekonstruiertem 3D-Modell der Abb. 2: Virtuelle Begehung einer Szene in Abb. 3: Zusammenarbeit an skalierten, Abb. 4: Zusammenarbeit in verschiedenen Betrachtungsmodi Abb. 5: Darstellung von georeferenzierten
gleichen Region 1:1 Skalierung der Daten ­dreidimensionalen Daten Zusatzinformationen
Forschungsaktivitäten 2020 18 19

Dr. Christelle Kieleck Prof. Dr. Marc Eichhorn Strahlqualität bei hoher Leistung erforscht (Abb. 1). So wurde und optisch-parametrischen Oszillatoren (OPO) (Abb. 3) er-
Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik
und Bildauswertung IOSB und Bildauswertung IOSB mit einer Tm:Ho-dotierten Triple-Clad-Faser, welche eine forscht das IOSB die numerische Modellierung und Simulation
Ettlingen Ettlingen
besondere Glasstruktur besitzt, um Begrenzungen üblicher von Faserlasern, Festkörperlasern und nichtlinearen Konver-
info@iosb.fraunhofer.de info@iosb.fraunhofer.de
Doppel-Clad-Fasern zu vermeiden, bis zu 187 W im kontinu- tern für ein verbessertes Verständnis der zugrundeliegenden
ierlichen Betrieb im 2050 nm – 2090 nm Bereich realisiert, physikalischen Prozesse und zur Optimierung zukünftiger
was einen wichtigen Meilenstein für zukünftige OGM und Designs und Systeme. So wurden neue Rechencodes zur Simu-
HEL darstellt. Im gepulsten Betrieb wurden bis 0.8 mJ in 40 ns lation komplexer Faserlaser- und Faserverstärkertopologien
Laserquellenforschung für optronische Gegenmaßnahmen (OGM) Pulsen erreicht – eine Steigerung um einen Faktor zwei gegen- entwickelt. Ebenso wurden wichtige Fortschritte in der Simu-
und Hochenergielaser (HEL) über dem bisherigen Stand der Technik. Dies ist insbesondere lation von Laserresonatoren und OPO mittels Feldpropagation
für kompakte MWIR-Quellen für neuartige OGM von Bedeu- erreicht, welche zusätzlich zur Laserdynamik und Laserleistung
tung. besonders wichtige Parameter wie beispielsweise die zu erwar-
Lasertechnologie spielt in den Bereichen EloKa und Schutz Das IOSB erforscht die gesamte optronische Kette von Licht- tende Strahlqualität eines gegebenen Designs berechnen
in Zukunft eine immer größere Rolle, besonders im für Auf­ quellen (mit Schwerpunkt auf Laser) über Lichttransport, Zur Leistungssteigerung von HEL-Quellen im 2 µm Wellenlän- (Abb. 4). Diese neuen Codes und Modelle erlauben eine gezielte
klärung und OGM wichtigen kurzen und mittleren Infrarot Lichtwandlung und Bildinterpretation bis zur Informations- genbereich ist die kohärente Kopplung von vielen Einzelquellen Auslegung und Optimierung der Experimente und somit eine
(SWIR, MWIR) und als Wirklaser im SWIR. Das Fraunhofer- aufbereitung. Die Erforschung von leistungsgesteigerten von besonderer Bedeutung, da sie neben einem resili­enten und kosteneffiziente Erforschung komplexer Laseraufbauten.
Institut für Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung, Laser-Quellen im SWIR- und MWIR-Bereich für OGM und robusten Aufbau eine Phasenkorrektur atmosphärischer Tur-
IOSB erforscht Laserquellen als Bw-relevante nationale HEL wurde in den letzten Jahren signifikant erweitert und bulenz ermöglicht. Dazu erforscht das IOSB schmalbandige Neben der grundlegenden Forschung und der Weiterentwick-
Schlüsseltechnologie und fokussiert sich dabei auf kritische folgt aktuell vier wichtigen Hauptachsen: (1) Lasermaterialien einmodige Tm- oder Ho-dotierte Faserverstärker und deren lung von Lasertechnologie fließen diese Arbeiten direkt in die
Komponenten und Technologien auch zur Sicherung ihrer und kritische Komponenten für Laserquellen, (2) Laser für Leistungsgrenzen, welche hier insbesondere durch nichtlineare Analyse- und Bewertungsfähigkeit des IOSB für das BMVg ein.
Verfügbarkeit. optronische Gegenmaßnahmen, (3) Hochenergielaser und (4) Effekte begrenzt sind. So konnte in einem Testaufbau mittels
numerische Modellierung und Simulation. Dabei zielt die Ho-dotierter Faser-Vorverstärker eine Verstärkung von > 1000 x
erste Achse insbesondere auf die Erforschung kritischer Kom- auf 140 W Spitzenleistung ohne signifikante Brillouin-Streuung
ponenten und Sicherung der technologischen Verfügbarkeit. bei < 20 pm Einzelmoden-Linienbreite realisiert werden (Abb. 2).
Daraus lassen sich wichtige Parameter zum Design einer schmal-
Der Themenbereich der Leistungssteigerung von SWIR Faser- bandigen Faserlaserquelle > 10 kW Pulsspitzenleistung für
lasern und Faserverstärkern spielt eine besondere Rolle für OGM-Anwendungen und > 1 kW kontinuierlicher Leistung
OGM im MWIR durch Pumpen nichtlinearer Konverter sowie für zukünftige Untersuchungen der kohärenten Kopplung im
als Quelle für kohärent gekoppelte Laserquellen für HEL. HEL-Bereich ableiten.
Dabei werden insbesondere Thulium (Tm)- oder Holmium
(Ho)-dotierte aktive Fasern untersucht und spezifische Kom- Parallel zu weiteren experimentellen Aktivitäten wie beispiels-
ponenten wie Hochleistungs-Faser-Endcaps zur Steigerung weise der Untersuchung von nichtplanaren Resonatoren zur
der Leistungsfähigkeit der Fasern und zur Maximierung der Verbesserung von Robustheit und Strahlqualität von Lasern

Abb. 1: Gepulster 2 µm-Faserlaser im Betrieb. Abb. 2: Pulsleistung über Zeit eines schmalbandigen Abb. 3: Miniaturisierter FIRE-Resonator zur Abb. 4: Gemessenes und simuliertes
Das kleine Bild zeigt verschiedene End-cap Designs 2,09 µm Ho3+:silica-Faser-Vorverstärkers Verbesserung der Robustheit und der Strahlqualität Strahlprofil eines leistungsgesteigerten
eines OPO hergestellt am IOSB 2,09 µm Ho3+:YAG Lasers
Forschungsaktivitäten 2020 20 21

Dr. Matthias Boljen Dr. Matthias Wickert In der Vorberechnung kommen virtuelle Menschmodelle variierenden Eingangsparametern, um Antworten auf genau
Fraunhofer-Institut für Kurzzeitdynamik, Fraunhofer-Institut für Kurzzeitdynamik,
Ernst-Mach-Institut, EMI Ernst-Mach-Institut, EMI zum Einsatz, um die Auswirkungen von Stößen, Kollisionen diese Fragestellungen zu ermitteln.
Freiburg Freiburg
und der stumpfen Stoßwirkung für aufgefangene Projektile
info@emi.fraunhofer.de info@emi.fraunhofer.de
analysieren zu können (Abbildung 1). Derartige Modelle bilden Experimentelle Unterstützung finden die Arbeiten durch eine
nicht nur die äußere Körperform, sondern auch Knochen, neue Generation anthropomorpher Messgeräte, sogenannter
Muskeln, Sehnen sowie innere Organe und das Weichgewebe „Biofidel-Dummys“ (Abbildung 3). Kennzeichen dieses ursprüng-
virtuell ab. Sie unterscheiden sich von den Berechnungs- lich für die Unfallrekonstruktion konzipierten Fußgänger-
Virtuelle Menschmodelle und biofidele Dummys für die Sicherheit modellen der aus dem Automobilbereich bekannten Crashtest- Dummys ist sein äußerst flexibles Einsatzspektrum und seine
der Soldatinnen und Soldaten Dummys dadurch, dass sie das menschliche Gewebe direkt an den Menschen angepasste Versagensgrenze: Wenn die auf ihn
abbilden und nicht das technische Material des Messgeräts. einwirkenden strukturellen Belastungen diejenigen Grenzwerte
überschreiten, an denen beim Menschen auch mit Verletzungen
Am Fraunhofer-Institut für Kurzzeitdynamik, Ernst- Überlebenswichtige Schutzausrüstungsgegenstände wie ins- Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass sie universell anwend- zu rechnen sind (z. B. Knochenbrüche, Bänderrisse), dann ver-
Mach-Institut, EMI untersuchen Wissenschaftlerinnen besondere Körperschutzwesten können mithilfe numerischer bar und nicht wie konventionelle Dummys einem genau sagen die entsprechenden Bauteile des Hardware-Dummys.
und Wissenschaftler, wie virtuelle Menschmodelle und Methoden im Hinblick auf dynamische Phänomene bei Beschuss definierten Crashlastfall vorbehalten sind. Herausfordernd
biofidele Dummys für Sicherheit und Schutz von Solda­ zusammen mit dem menschlichen Körper als ein Gesamtsystem ist aktuell die schnelle, effiziente Positionierung dieser im Aktuell untersuchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
tinnen und Soldaten eingesetzt werden können. Für dyna­ betrachtet werden. Virtuelle Menschmodelle erlauben derartige Umfang durchaus anspruchsvollen Modelle in die für den am Fraunhofer EMI Möglichkeiten, Komponenten des Dummys
mische Belastungen ergeben sich neuartige Möglichkeiten, Betrachtungen, so dass bereits bei der Auslegung von Körper- jeweiligen Zweck gewünschte Körperhaltung. Auch die Steue- gezielt zu verbessern, um Verletzungen bei Einwirkung stumpfer
die biomechanischen Abläufe in Simulation und Experi­ schutzwesten vorab analysiert werden kann, wie sich hoch- rung und die Abbildung unterschiedlicher muskulärer Span- Gewalt genauer abbilden zu können (Abbildung 4). So eröffnen
ment zu berücksichtigen, wie exemplarisch am Beispiel dynamische Vorgänge und auch Belastungen bei niedrigeren nungszustände sind Schwerpunkte aktueller Forschung. sich auch im Experiment Möglichkeiten, biomechanische Be-
der Dimensionierung von Körperschutzwesten illustriert Dehnraten auf den menschlichen Körper auswirken. Hierbei lastungen sehr spezifisch auf einen konkreten Lastfall hin zu
wird. kann ermittelt werden, ob und wenn ja, mit welchen Verletzun- Am Fraunhofer EMI wurde im vergangenen Jahr eine Methodik analysieren, um geeignete Maßnahmen für die Sicherheit und
gen beim Auffangen des Projektils durch die Schutzweste und entwickelt, um Schutzkleidung und Ausrüstung in getragener den Schutz von Soldatinnen und Soldaten abzuleiten.
der damit verbundenen stumpfen Stoßwirkung auf den Körper Form direkt an den Körper des Trägers zu modellieren (Abbil-
gerechnet werden muss. dung 2). Dadurch wird ermöglicht, Schutzkleidungsartikel wie
Körperschutzwesten quasi unter Einsatzbedingungen rechnerisch
Dazu hat das Institut ein Portfolio modernster Software- zu untersuchen. Die am Fraunhofer EMI entwickelte Methode
Lösungen als auch innovativer Hardware für Analysen aufge- kann dazu beitragen, Schutzkleidung noch besser zu dimensio-
baut, mit der sich derartige Belastungen in entsprechender nieren, potenzielle Schwachstellen zu identifizieren und durch
Detailtiefe untersuchen lassen. Nicht nur wehrtechnische, die virtuelle Erprobung die Zahl der kostenintensiven Experi-
auch Szenarien aus den Bereichen der Arbeitssicherheit, des mente zu reduzieren. Aktueller Arbeitsschwerpunkt am Institut
Verkehrsunfallgeschehens und der Sportmedizin können ist die Befähigung der Rechnerinfrastruktur zur automatisierten
hierbei erfasst werden. Durchführung umfangreicher Simulationskampagnen mit

Abb. 1: Virtuelles Menschmodell Abb. 2: Formsimulation des FE-Westenmodells aus einem zweidimensionalen Abb. 3: Biofidel-Dummy mit ange- Abb. 4: Numerisches und experimentelles Abbild eines menschlichen Brustkorbs im Vergleich.
GHBMC M50 mit angelegtem Modell Zustand in eine beliebige dreidimensionale Körperkontur für die anschließende legter Körperschutzweste inklusive Links: Computermodell (GHMBC M50, Quelle: Elemance). Rechts: Hardware (Biofidel-Dummy
einer Körperschutzweste Verwendung mit einem virtuellen Menschmodell Unterleib- und Halsschutz Primus, Quelle: Crashtest-Service.com GmbH)
Forschungsaktivitäten 2020 22 23

Sebastian Heß Gefahrenbereich festgelegt. Die Gefahrenbereichsermittlung benutzt, das an der persönlichen Ausrüstung der Soldaten für
Fraunhofer-Institut für Kurzzeitdynamik,
Ernst-Mach-Institut, EMI erfolgt meist noch händisch, ist zeitintensiv und daher wenig die Übung nachgerüstet werden könnte. Für diese Hand­griff­
Freiburg
flexibel für Anpassungen. sensorik wurde bereits bei einer Übung demonstriert, wie „live“
info@emi.fraunhofer.de
Position und Orientierung der Waffe an ein übergeordnetes
Computerbasierte Methoden, wie das vom Fraunhofer EMI Command-and-Control-System übertragen wird. Die Erhöhung
erarbeitete Softwaretool zur digitalen, vorschriftenkonformen der technologischen Reife des Funktionsillustrators unter
Schießsicherheitsplanung, können diesen Prozess erheblich Berücksichtigung sicherheitstechnischer Forderungen ist
Potenzial der Digitalisierung für die Gefechtsausbildung vereinfachen und flexibilisieren. Die schnelle, teilautomati- Gegenstand aktueller Arbeiten.
auf Truppenübungsplätzen mit scharfem Schuss sierte Berechnung von Gefahrenbereichen, die auch auf der
Schießbahn mittels Tablet-Rechner durchgeführt werden kann, Obige Aspekte sind Teile eines Konzepts für ein zukunftsfähiges
ermöglicht die rasche Variation der Eingangsparameter und Gefechtsübungssystem, welches Schießsicherheit, Übungspla-
Das Fraunhofer-Institut für Kurzzeitdynamik, Ernst-Mach- In der Gefechtsausbildung sollen Soldatinnen und Soldaten ermöglicht die Planung auch komplexerer Übungsszenare. nung, Übungssteuerung und -auswertung in einem ganzheit-
Institut untersucht, wie ein moderner, effektiver Übungsbe­ möglichst realitätsnah auf Einsätze vorbereitet werden. Dazu Die Einbeziehung von autonom manövrierenden Roboter- lichen Ansatz vereint. Die Erfassung und Analyse relevanter
trieb auf Truppenübungsplätzen mit scharfem Schuss unter üben sie auf Truppenübungsplätzen in vorgegebenen Sze- zielen gestaltet die Zieldarstellung dynamisch und somit im Übungsdaten, z. B. die Position von Übenden und Zielen, ist
Nutzung von Sensorik und Methoden der Digitalisierung naren im scharfen Schuss. Die Zieldarstellung, häufig durch Hinblick auf die Sicherheitsbetrachtung unübersichtlicher. dafür ebenso von zentraler Bedeutung wie das Rückspiegeln
aussehen kann. Welche Eigenschaften und Potenziale treten Klappfallscheiben realisiert, ist bislang jedoch meist statisch Vor Ort einsetzbare Tools, wie die digitale Schießsicherheits- dieser Information in den Übungsverlauf, um die Übung
hervor? Wie kann in einem digitalisierten Trainingsumfeld und wird oft noch analog gesteuert. Eine dynamische Ziel- planung und simulierte Übungsabläufe, können einen erheb­ ­lageangepasst und interaktiv zu gestalten. Erste praktische
die Sicherheit dargestellt werden und im Vergleich zum präsentation, die in ein mögliches digitalisiertes Gefechts- lichen Beitrag zur Gewährleistung der Schießsicherheit leisten. ­Erfahrungen mit einem am Fraunhofer EMI entwickelten Ge-
aktuellen Stand erweiterten Anforderungen genügen? übungssystem eingebunden ist, verspricht komplexere Szenare fechtsübungssystem zur grundlegenden Konzeptillustration
für eine intensivere Ausbildung. Übende dürfen während eines Gefechtsschießens nur Schüsse sowie den Herausforderungen des Übungsalltags konnten im
in einen Bereich abgeben, der mit Hilfe von Zielsektorkenn- Rahmen eines Übungsdurchlaufs zusammen mit den Partnern
Eine wesentliche Fragestellung lautet dabei: Welche Metho- zeichen markiert wurde. Die Einhaltung dieser Vorgabe wird vom Wachtbataillon und dem Fraunhofer IOSB in Wildflecken
den können die Sicherheit von Übungsteilnehmenden und vor Ort durch Schießsicherheitspersonal überwacht, das den gesammelt werden.
Unbeteiligten gewährleisten, wenn moderne Technologien Übenden individuell zugeordnet ist. Dieser Überwachungs-
wie ortsveränderliche, selbstbewegliche oder virtuell darge- prozess könnte drastisch erleichtert werden, wenn die Position
stellte Ziele für ein effektives Training genutzt werden? und Orientierung jeder beteiligten Handwaffe während des
gesamten Übungszeitraums in Echtzeit erfasst und automa-
Um die Gefährdung von Personen innerhalb oder außerhalb tisch überwacht werden könnte.
des Truppenübungsplatzes während einer Gefechtsübung
möglichst gering zu halten, wird für jede Übung unter Be- Am Fraunhofer EMI wurden erste Konzepte für eine ent-
rücksichtigung der eingesetzten Waffen und Munitionen sprechende Sensorik erarbeitet und als Funktionsillustrator
sowie dem geplanten Übungsverlauf ein übungsspezifischer aufgebaut. Als Grundlage wurde das modulare G36-Griffstück

Abb. 3: Am 01. 10. 2020 fand auf dem


Truppenübungsplatz Wildflecken eine
Testkampagne mit Gefechtsschießen
statt, bei dem autonom manövrierenden
Roboterziele und ein am Fraunhofer
EMI entwickelter Konzept­illustrator
Abb. 1: Illustration des Ablaufs einer interaktiven Gefahrenbereichsberechnung mit dem EMI-Softwaretool zur Schießsicher- Abb. 2: Erster Funktionsillustrator eines digitalisierten Gefechtsübungssystems zum Einsatz kamen. Im Anschluss an den erfolgreiche Übungs-
­heitsplanung am Beispiel eines ­Schießens aus einem vordefinierten Schießübungsraum mit G36 und Gefechtsmunition. einer Handgriff-Sensorik zur Erfassung durchlauf stehen Experten aus dem Themenkomplex „Digitalisierung von Truppenübungsplätzen“ v. l. n. r. Dr.
Für die Berechnung ist lediglich die Auswahl eines Schießübungsraums, zweier Zielsektorkennzeichen (linkes Bild) sowie die ­ der räumlichen Orientierung einer Siegfried Nau (Fraunhofer EMI), Frank Jaspers (WTD 91) und Brigadegeneral Andreas Henne (Kommando TA,
Festlegung von Waffe und Munition (rechtes Bild) erforderlich, um den Gesamtgefahrenbereich (türkisfarbener Bereich im Handwaffe am Beispiel des modularen Projektleiter Weiterentwicklung der Übungsplätze und Schießanlagen der Bundeswehr), dem Inspekteur der
rechten Bild) automatisch zu ermitteln G36-Griffstücks Streitkräftebasis, Generalleutnant Martin Schelleis, und dem interessierten Fachpublikum Rede und Antwort
Forschungsaktivitäten 2020 24 25

Dr. Michael Caris oder UAVs konzipiert. Der 35 GHz Sensor verfügt über eine kleine (instabilere) Flugplattformen stellen die steigenden
Fraunhofer-Institut für Hochfrequenzphysik und Radartechnik FHR
Wachtberg Ausgangsleistung von 10 W und eignet sich für Flughöhen bis Anforderungen an die Bewegungskompensation dar. Diesem
info@fhr.fraunhofer.de 3000 m über Grund. Für interferometrische und polarimetrische Umstand wurde durch eine optimierte Post-Prozessierung
Messmodi wurde das Radarsystem mit vier Empfangskanälen der IMU-Bewegungsdaten (Inertial Measurement Unit) und
ausgestattet und ermöglicht z. B. „Ground Moving Target In- deren Einbindung in die offline SAR-Prozessierung Rechnung
dication“ (GMTI). Die Bandbreite von 1,5 GHz erlaubt eine getragen.
entfernungsunabhängige Auflösung von bis zu 10 cm und
Miniaturisiertes Millimeterwellen SAR auf kleinen Flugplattformen ermöglicht die Erfassung auch von sehr kleinen Strukturen. Die Abb. 1 zeigt MIRANDA35-4Rx im Wingpod unter der Trag-
Das Radar-Frontend, das zugehörige Backend und die erfor- fläche des UL, mit den vier Empfangsantennen (links) und dem
derliche Software wurden im Rahmen einer Kooperation mit Sendehorn (rechts).
der Armasuisse am Fraunhofer FHR entworfen, gebaut und
MIRANDA35 ist ein am Fraunhofer-Institut für Hoch- Der Einsatz von kleinen UAVs (Unmanned Aerial Vehicle) zur kontinuierlich über mehrere Jahre weiterentwickelt. Das Im Herbst 2020 wurde mit dem überarbeiteten System eine
frequenzphysik und Radartechnik FHR entwickeltes Nahbereichsüberwachung und -aufklärung wird für die Bundes- Sensorsystem wurde erfolgreich auf der schweizerischen Flugmesskampagne durchgeführt; die Abb. 2 zeigt das UL auf
hochauflösendes Radar für die luftgestützte Aufklärung. wehr voraussichtlich an Bedeutung gewinnen. Ein erhebliches Flugplattform Centaur, einer modifizierten DA-42, integriert dem Flugplatz Mönchsheide. Im Mittelpunkt der SAR-Messun-
Das System wurde für den Einsatz auf kleinen Flugplatt- Problem stellen jedoch die für solche Plattformen aktuell und mehrfach im Rahmen von Flugmesskampagnen getestet. gen standen die Forschungsschwerpunkte: Change Detection,
formen miniaturisiert und die Leistungsfähigkeit deut- verfügbaren Sensoren (EO/IR) dar, die stark tageszeit- bzw. GMTI, 3D-Abbildung, städtische Infrastruktur und polarimetri-
lich erhöht. In einer Flugmesskampagne mit einem witterungsabhängig sind. Eine Besonderheit der MIRANDA-Systeme ist die Echtzeit- sches SAR. Es wurden insgesamt 75 Flugtracks mit unterschied-
Ultraleichtflugzeug wurde die geänderte Konfiguration Prozessierung an Bord der Plattform, die auf einem schnellen, lichen Messmodi an verschiedenen Orten erflogen. In der Abb. 3
evaluiert und SAR-Daten in verschiedenen Messmodi Mit fortschreitender Miniaturisierung und Leistungssteige- am Fraunhofer FHR entwickelten SAR-Algorithmus beruht. ist die Bodenstation abgebildet, aus der die Flugmessungen
­gewonnen. rungen von Radarsensoren im Millimeterwellenbereich ist Über einen bidirektionalen Datenlink werden die prozessierten gesteuert und geleitet wurden. Die gewonnenen Messdaten
künftig auch der Einsatz bildgebender Radare (Synthetisches SAR-Bilder (Quicklook) sowie die wichtigsten Systempara- werden derzeit prozessiert und zur Weiterentwicklung von
Apertur Radar/SAR) auf kleinen und kleinsten Flugplattformen meter live zur Bodenstation übertragen. System und Algorithmik ausgewertet. Die Abb. 4 zeigt ein
realisierbar. Sie unterliegen nicht den o. g. Einschränkungen polarimetrisches SAR-Bild der Mönchsheide bei einer Kalibra­
und können als Ergänzung oder alleiniger Sensor auf solchen Im Jahr 2020 wurden Bauraum und Gewicht des vierkanaligen tionsmessung.
Plattformen eingesetzt werden. Am Fraunhofer FHR wird be- Sensorsystems erheblich reduziert und somit die Integration
reits seit vielen Jahren der Einsatz von SAR-Systemen im Milli- des Systems auf der kleinen Trägerplattform „Delphin“ (FHR-
meterwellenbereich untersucht und kontinuierlich der Aufbau eigenes Ultraleichtflugzeug/UL) ermöglich. Dies gelang durch
und die Weiterentwicklung der MIRANDA-Demonstrator- einen neuen, sehr kompakten Aufbau des Systems, bei dem
familie vorangetrieben. insbesondere Kabel- und Hohlleiterlängen verkürzt wurden.
Das führte auch zu einer Reduzierung der Leistungsverluste und
Das SAR-System MIRANDA35-4Rx wurde für den Einsatz in des Rauschens, so dass das System insgesamt performanter
der luftgestützten Aufklärung auf bemannten Flugplattformen wurde. Eine besondere Herausforderung beim Wechsel auf

Abb. 1: MIRANDA35-4Rx System im Wingpod des Abb. 2: Start des FHR-eigenen Ultraleichtflug- Abb. 3: Bodenstation (GCS) mit Telemetrie- Abb. 4: Polarimetrisches SAR-Bild (Rot: co-polar, Grün: cross-polar) des Flugplatzes Mönchsheide
Ultraleichtflugzeugs „Delphin“. Zu erkennen sind die zeugs „Delphin“ auf dem Flugplatz Mönchs- antenne auf einem Feld südlich von Bad Breisig
vier Empfangsantennen (links) und die Sendeantenne heide mit MIRANDA35-4Rx integriert in den bei der 2020 Messkampagne mit dem Ultra-
(rechts) des Radar-Frontends neuen Wingpod leichtflugzeug „Delphin“
Forschungsaktivitäten 2020 26 27

Marie Charlotte Bornhöft Thomas Lehmacher Bei der Auswahl von Messgeräten für die Montage unter UAV Naturwissenschaftlich-Technische Trendanalysen INT wird
Fraunhofer-Institut für Naturwissenschaftlich-Technische Wehrwissenschaftliches Institut für Schutztechnologien
Trendanalysen INT – ABC-Schutz (WIS) ist allerdings die Last- und Größenbeschränkung der UAV ein ein Demonstrator eines Detektorsystems für die luftgestützte
Euskirchen Munster
limitierender Faktor. Das Detektionsvermögen eines Detektors Überwachung unter Verwendung eines CLYC:Ce (Cs2LiYCl6:Ce)
detektion@int.fraunhofer.de WISPosteingang@bundeswehr.org
für ionisierende Strahlung hängt wesentlich von seiner intrin- Szintillationsmaterials entwickelt. Der CLYC:Ce Szintillator
sischen Effizienz und dem Detektionsvolumen ab. Je höher ermöglicht, sowohl Neutronenstrahlung als auch Gamma-
die intrinsische Effizienz und je größer das Detektionsvolumen, strahlung zu detektieren und erlaubt eine Separierung der
desto genauer ist das Messergebnis und desto geringer ist die Signale über eine Pulsformanalyse. Mit Hinblick auf die Ver-
UAV-basierte Neutronen- und Gammadetektion unter Verwendung Schwelle, über der erhöhte Radioaktivität festgestellt werden wendung an einem UAV werden bei diesem Vorhaben auch
­neuartiger Szintillationsmaterialien kann. die Signalgewinnung und -auswertung betrachtet und hin-
sichtlich des Gewichtes optimiert. Exemplarisch hierfür ist die
Im Besonderen gibt es zwei Strahlungsarten, die für die radio- Verwendung eines Silizium-Photomultipliers zur Umwandlung
Die Detektion ionisierender Strahlung ist zum Schutz von Zunehmende Unsicherheiten in der Welt führen in vielen logische Lagebildeinschätzung relevant sind: die Neutronen- der Szintillationsphotonen in ein elektrisches Signal, anstelle
Einsatzpersonal und zur Erstellung von Lagebildern von Ländern dazu, dass diese militärisch wieder vermehrt aufrüsten strahlung und die Gammastrahlung. Diese zwei Strahlungsarten der weiter verbreiteten Photomultiplier-Röhre.
großer Bedeutung. Forschung im Bereich der Detektor­ und ihre Arsenale modernisieren. Dies gilt auch für Staaten, führen bei herkömmlichen Detektormaterialien dazu, dass die
materialien und die Entwicklung neuartiger Szintillatoren welche Kernwaffen besitzen, oder von denen vermutet wird, Lastbeschränkung des UAV auf zwei Detektoren – je einer pro Aufgrund neuer Szintillationsmaterialien können in der UAV-
ermöglichen durch eine gleichzeitige Detektion von Neu­ dass sie einen Besitz anstreben. Durch diese weltweite Ent- Strahlungsart – aufgeteilt werden muss. Bereits jetzt gibt es basierten Strahlungsüberwachung neue Entwicklungen vor-
tronen- und Gammastrahlung eine effizientere Detektion wicklung nimmt auch die Bedrohung durch den Gebrauch kommerzielle Detektionssysteme, die für eine Verwendung angebracht werden. Diese basieren auf einer Reduktion der
bei der luftgestützten Strahlungsüberwachung. von Kernwaffen wieder zu, weshalb eine Vorbereitung auf unter einem UAV konzipiert sind. Durch die Lastbeschränkung Detektorkomponenten durch die zeitgleiche Detektion von
entsprechende Einsatzszenarien unerlässlich ist. werden hierbei allerdings in der Regel sehr kleine Detektions- Neutronen- und Gammastrahlung in nur einem Detektions-
volumen genutzt, mit einem entsprechend geringerem Detek- material. Aufgrund der daraus folgenden Verringerung der
Doch auch die Entwicklung im Bereich des Schutzes von tionsvermögen. Detektoreinheiten kann in Zukunft bei gleichem Gewicht ein
Einsatzpersonal und Zivilbevölkerung schreitet voran, in­ verbessertes Detektionsvermögen durch eine Maximierung
klusive der Entwicklung von Detektoren für ionisierende Entwicklungen im Bereich neuer Detektormaterialien ermög- des Detektionsvolumens erreicht werden.
Strahlung. Durch diesen Fortschritt kann vermehrt auf Tech- lichen nun die zeitgleiche Detektion von Neutronen- und
nologien zurückgegriffen werden, welche den Menschen Gammastrahlung unter Verwendung nur eines Detektor-
während der Erkundung und Erstellung von Lagebildern materials. Der Einsatz dieser neuen Materialien ist gerade in
unterstützt, wie etwa durch die Verwendung von Unmanned Anwendungsbereichen, in denen die Größe oder das Gewicht
Aerial Vehicles (UAV). Diese ermöglichen nicht nur eine luft­ von Detektoren limitiert ist, von Vorteil.
gestützte visuelle Lagebilderkennung, sondern können auch,
ausgerüstet mit den entsprechenden Messgeräten, für eine In einem aktuellen Forschungsvorhaben des Wehrwissen-
Einschätzung von radiologischen Bedrohungen eingesetzt schaftlichen Institutes für Schutztechnologien – ABC-Schutz
werden. (WIS) in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut für

Abb. 1: UAV ermöglichen eine großflächige, luftbasierte Abb. 2: Beispiel einer Heatmap, welche durch die per UAV gesammelten Abb. 3: Testaufbau der Silizium-Photomultiplier-Elektronik
Strahlungs­überwachung (Quelle: Pixabay.com) Strahlungswerte erstellt werden kann (Quelle: Shutterstock.com) auf einem NE102A Szintillator
Forschungsaktivitäten 2020 28 29

Dr. Ulrik Neupert Hans-Martin Pastuszka Workshops teil und trägt dort zum Austausch von metho­ dert. Die Hauptaufgabe der ISEG besteht in der Bewertung von
Fraunhofer-Institut für Naturwissenschaftlich-Technische Fraunhofer-Institut für Naturwissenschaftlich-Technische
Trendanalysen INT Trendanalysen INT dischen „Best Practices“ und der Frage, wie Technologievor- Forschungsanträgen sowie gutachterlichen Begleitung der
Euskirchen Euskirchen
ausschau Beiträge zur F&T-Planung der Mitgliedstaaten der geförderten Forschungsaktivitäten. Durch diese Berufung hat
info@int.fraunhofer.de info@int.fraunhofer.de
EDA leisten kann, bei (Abb. 1). Darüber hinaus unterstützt das das INT vertieften Einblick in diese technologiegetriebenen
INT gelegentlich im Auftrag des BMVg in der EDA-AG zur NATO-Aktivitäten erhalten, was auch zur Vervollständigung
Identifikation kritischer Verteidigungstechnologien. Schließ- des Zukunftslagebilds und des Wissens über relevante inter-
lich leistet das INT, zusammen mit seinem spanischen Koope- nationale Forschungsakteure am INT in der Unterstützung
Wehrtechnische Zukunftsanalyse im internationalen Kontext rationspartner Isdefe, seit 2015 auch kontinuierlich Beiträge der nationalen F&T-Planung beiträgt.
zur Unterstützung langfristiger F&T-Planung zur Implementierung von Technologievorausschau-Aktivitäten
in der EDA selbst, finanziert durch das Budget der EDA, mit Es hat sich gezeigt, dass diese internationale Vernetzung und
der Durchführung von Foresight-Workshops zu ausgewählten Bewertung der Relevanz von technologischen Entwicklungen
Das Fraunhofer-Institut für Naturwissenschaftlich-Tech­ Am Fraunhofer INT widmet sich das Geschäftsfeld „Wehr- Technologiethemen. und Trends für Streitkräfte dem INT und damit der Bundeswehr
nische Trendanalysen INT betreibt Technologievoraus- technische Zukunftsanalyse“ der technologieorientierten Zu- eine externe Qualitätssicherung durch Abgleich und Ergänzung
schau zu langfristigen technologischen Entwicklungen kunftsforschung für den Geschäftsbereich (GB) des BMVg. Im Jahr 2020 erschien der neue NATO-Report “Science & Tech- von Methoden und Ergebnissen der Vorausschau ermöglicht.
für die Bundeswehr und trägt damit zur langfristigen Das zentrale Produkt ist die Wehrtechnische Vorausschau nology Trends: 2020 – 2040”, der die aktuellen sog. „Emerging Das INT hat so erfolgreich die Schnittstelle zwischen nationalen
Planung der wehrtechnischen Forschung und Techno­- (WTV), die mit ihren vierteljährlich erstellten Technologie- und and Disruptive Technologies“ wie z. B. Künstliche Intelligenz, und internationalen Vorausschauaktivitäten im Verteidigungs-
logie (F&T) bei. Durch das Einbringen von Ergebnissen Zukunftskonzeptanalysen Beiträge zur Analyse- und Bewer- Robotik oder Hypersonische Waffen adressiert und ihre zu er- bereich etabliert, und über die Mitwirkung in diesen Gremien
in den internatio­nalen Austausch zu Zukunftstechno- tungsfähigkeit des GB BMVg zu Zukunftstechnologien leistet wartende Entwicklung prognostiziert. Auch hier war das INT zunehmend Kompetenz aufgebaut, die internationale For-
logien im Kontext militärischer Fähigkeiten werden (siehe ausführlich hierzu der Artikel „Technologievorausschau im Vorfeld in vorbereitende Workshops einbezogen (Abb. 2). schungslandschaft für die Bundeswehr zu analysieren und
eigene Arbeiten evaluiert und ­Erkenntnisse anderer zur Unterstützung langfristiger F&T-Planung“ im Jahresbericht Weiterhin hat sich das INT im Rahmen der Vorausschau- auch Anknüpfungspunkte an nicht-technische Aspekte
Nationen für die nationale F&T erschlossen. 2018). Methodenentwicklung seit 2016 in der NATO-STO-Research (ethische, rechtliche und gesellschaftliche Implikationen
Task Group SAS-123 „Futures Assessed alongside Socio-Techni- neuer Technologien) zu benennen.
Im Kontext der Entscheidungsunterstützung für die langfristige cal Evolutions“ (FATE) engagiert sowie beim Allied Command
Planung wehrtechnischer F&T gibt es eine Vielzahl an inter- Transformation (ACT) in Workshops zur „Strategic Foresight
nationalen Akteuren in der EU und der NATO, die in ihrer Analysis“ (SFA) der NATO.
Zielrichtung Aspekte der F&T-Zukunftsanalyse abdecken und
zu deren Weiterentwicklung beitragen. In dieser Community Ebenfalls seit 2016 sind zwei Wissenschaftler des INT Mit-
hat sich das Fraunhofer INT zu einem etablierten, gut vernetzten glieder der „Independent Scientific Evaluation Group“ (ISEG)
und gefragten Akteur für Technologievorausschau entwickelt. der NATO-Forschungsprogramms „Science for Peace and
Security“. In diesem Programm werden die wissenschaftliche
So nimmt das INT regelmäßig am „Technology Watch & Fore- Forschung, technologische Innovation und Wissensaustausch
sight Network“ der European Defence Agency (EDA) und dessen zwischen NATO-Mitgliedsstaaten und Partnernationen geför-

Abb. 1: Technologievorausschau im F&T-Planungsprozess der EDA


(Abkürzungen: CapTech: EDA Capability Technology groups, SRA: Strategic
Research Agenda(s), OSRA: Overarching Strategic Research Agenda,
KSA: Key Strategic Activities, CARD: Coordinated Annual Review on Defence,
CDP: Capability Development Plan, pMS: participating Member States; Abb. 2: NATO-STO-Report „Science & Technology Trends 2020 – 2040”
Quelle: EDA) (Quelle: NATO)
Forschungsaktivitäten 2020 30 31

Dr. Michael Kunzer Aufklärung nur bedingt ausreichend. Insbesondere für die Aufgrund der hohen Ortsauflösung liegt der große Vorteil
Fraunhofer-Institut für Angewandte Festkörperphysik IAF
Freiburg ­Erfassung und Aufklärung von aktiv phasengesteuerten der Quantensensorik mit Diamant in der fast unbegrenzten
info@iaf.fraunhofer.de ­Radaren (AESA) und frequenzmodulierten Dauerstrich­ Parallelisierung. So können auf einem einzelnen Diamant-
radaren (FMCW) gelangen die herkömmlichen Verfahren Sensorchip ausgedehnte NV-Ensemble zur Detektion von
an ihre Grenzen. hunderten voneinander getrennten Frequenzkanälen reali-
siert werden. Diese werden flächig mit einem grünen Laser
Für militärische Anwendungen ist bei den Quantentechno- angeregt (siehe Abb. 3). Aus der räumlichen Verteilung der
Diamantbasierte Quantensensorik zur Aufklärung von HF-Signalen logien besonders die Quantensensorik (QS) von hohem Inter- entstehenden roten Photolumineszenz (Einsatz Abb. 3) kann
esse, deren Ziel die Messung physikalischer Größen mit hoher ohne weitere Signalverarbeitung direkt optisch das Frequenz-
Empfindlichkeit, Dynamik und geringem Rauschen ist. Auf- spektrum erfasst werden. Dabei konnte am Fraunhofer IAF
grund des hohen technologischen Potentials, der Integrations- bereits eine Echtzeitbandbreite von über 1 GHz demonstriert
Aufgrund des raschen Fortschritts der Quantentechno- Die passive Erfassung, Ortung und Verfolgung schnell ver­ fähigkeit, der Robustheit sowie der Fähigkeit zum Betrieb bei werden, während die Zentralfrequenz des zu analysierenden
logie zeichnen sich schon jetzt eine Reihe zukünftiger änderlicher HF-Signale bzw. -quellen, wie sie in modernen Raumtemperatur beschäftigt sich das Fraunhofer-Institut Frequenzbandes im Bereich von 0,7 – 6 GHz eingestellt werden
­militärischer Anwendungen ab. Ein Beispiel hierfür ist die Kommunikations- und Radarsysteme verwendet werden, für Angewandte Festkörperphysik IAF intensiv mit Quanten- kann.
Verwendung von Stickstoff-Vakanz-Zentren in Diamant erfordert Echtzeitbandbreiten im Bereich von mehreren GHz sensoren auf Basis von Stickstoff-Vakanz-Zentren in Diamant
zur Erfassung und Aufklärung komplexer und agiler Hoch­ in Verbindung mit sub-ms-Zeitauflösung. Dies ist notwendig, (siehe Abb. 2). Im Bereich der Magnetometrie erlauben diese Um das Frequenz-Zeit-Verhalten agiler, breitbandiger HF-­
frequenz-Signale (HF) in Echtzeit. Derartige Sensoren sind damit das Zeit-Frequenz-Verhalten der Signale analysiert und bereits die Vermessung statischer Magnetfelder mit Empfind- Signale in Echtzeit zu erfassen, ist eine hohe Ausleserate des
für die Ortung und Kategorisierung von Radarquellen im kategorisiert werden kann. Als Beispiel für eine ELINT-Plattform lichkeiten im pT/√Hz-Bereich bei Raumtemperatur und bieten Sensorchips erforderlich. Dynamische Kameras erlauben dies
Rahmen der elektronischen Aufklärung (ELINT) von zen­ der Bundeswehr ist in Abbildung 1 ein Flottendienstboot der gleichzeitig eine hohe räumliche Ortsauflösung. Die Messung parallelisiert mit einer Zeitauflösung unter 100 µs. In Abb. 4
traler Bedeutung. Oste-Klasse dargestellt. Ein weiteres Beispiel sind Radarwarner des Magnetfeldes erfolgt dabei durch optisch-detektierte ist im oberen Teil das Spektrogramm eines FMCW-artigen
(RWR/ESM) in Flugzeugen, die aus der Signatur der aufge- magnetische Resonanzspektroskopie (ODMR). Signals im S-Band dargestellt. Aus dem Spektrogramm lassen
fangenen Radarpulse auf Distanz, Richtung, Geschwindigkeit sich direkt die technischen Parameter und damit die Signatur
und den Typ der Bedrohung schließen. Bei bekanntem statischen Magnetfeld kann in Umkehrung entnehmen. Ein Ausschnitt der Zeitachse (Abb. 4, unten) zeigt
dieses Verfahrens auch die Frequenz und Amplitude eines einzelne Pulse mit einem Abstand von 10 MHz und einer Dauer
Die übliche Signalanalyse mittels digitaler Fast-Fourier-Trans- unbekannten HF-Signals bestimmt werden. Damit erlaubt die von 2 ms. Diese Parameter sind Ausgangspunkt für die Katego-
formation ist aufgrund des hohen Rechenaufwandes auf eine ODMR-Technik den Nachweis und die Analyse der spektralen risierung der Radarquelle, können aber auch zur Erstellung
Echtzeitbandbreite von ca. 100 MHz begrenzt. Als ergänzende Komponenten von HF-Signalen im optischen Spektralbereich, spezifischer elektronischer Gegenmaßnahmen genutzt werden.
Technik ermöglicht die heterodyne Abwärtskonversion eine wodurch das Auslesen der Sensorchips mit handelsüblichen,
breite spektrale Abdeckung. Bei der Detektion kurzer Puls- leistungsfähigen Zeilenkameras erfolgen kann. Dieses Verfah-
sequenzen nimmt jedoch die Nachweiswahrscheinlichkeit ab, ren eignet sich daher hervorragend zur Analyse komplexer,
weshalb dieses Verfahren nicht Echtzeitfähig ist. Daher sind schnell veränderlicher Radar- oder Kommunikations-Signale.
beide Techniken für die Anforderungen der elektronischen

Abb. 1: Flottendienstboot der Oste-Klasse mit ELINT-Fähigkeiten Abb. 2: Stickstoff-Vakanz-Zentrum (NV) im Diamant Abb. 3: Optisch gepumpter HF-Sensor-Chip aus Diamant Abb. 4: Spektogramm eines FMCW-artigen HF-Signals (links). Der Zeitausschnitt (rechts)
(Quelle: Bundeswehr/Björn Wilke) mit S=1 Elektronenspin (Quelle: FhG IAF) und rote NV-Photolumineszenz (Einsatz, oben rechts) zeigt die 300 MHz Modulation und die Zerlegung des Signals in 2 ms lange Pulse mit einem
(Quelle: FhG IAF) Frequenzabstand von 10 MHz
Forschungsaktivitäten 2020 32 33

Dr. Erdin Ture ventionellen Verstärkern ermöglicht der Doherty-Ansatz, zu verringern, bei gleichzeitig besseren Leistungsdaten auf-
Fraunhofer-Institut für angewandte Festkörperphysik IAF
Freiburg aufgrund der variablen Lastbedingungen der Verstärker, eine grund des verwendeten Halbleitermaterials GaN.
info@iaf.fraunhofer.de Optimierung der Leistungseffizienz (Power-Added-Efficiency,
PAE) unter „back-off“ Bedingungen. Das Fraunhofer-Institut für Das Fraunhofer IAF ist mittlerweile in der Lage, vollständig
angewandte Festkörperphysik IAF verfügt über ausgewiesene integrierte Front-End-Schaltungen für drahtlose Übertragungs-
Kompetenzen, um solche effizienz-optimierten Millimeter- systeme mit hoher Datenrate herzustellen. In Abbildung 3 ist
Wellen-Verstärker in Doherty-Architektur zu entwerfen und ein analoger GaN Front-End MMIC für das E-band (71 – 86 GHz)
Auf Galliumnitrid (GaN) basierende integrierte Millimeterwellen-­Verstärker in Form von monolithisch integrierten Schaltungen zu demons­ zu sehen, in dem GaN-Leistungsverstärker, Schalter und rausch-
mit hoher Effizienz trieren. Wie in Abbildung 1 dargestellt, konnten mit einem arme GaN-Verstärker auf einem Halbleiterchip kombiniert sind,
GaN-Doherty-Verstärker bei einer Frequenz von 26 GHz eine um leistungsfähige Module für Millimeter-Wellen-Transceiver
PAE von mehr als 35 % bei einer Ausgangsleistung von 3 W Systeme der nächsten Generation zu realisieren.
Integrierte Schaltungen mit hoher Leistungseffizienz sind In militärischen Funksystemen für die digitale Nachrichten- und einem „back-off“-Betrieb von 4 dB erzielt werden. Die
wesentliche Bausteine für Millimeter-Wellen-Transceiver- übertragung werden Sendefrequenzen im Millimeter-Wellen- gemessenen PAE-Werte zeigen dabei eine bis zu 10 % höhere Basierend auf den durchgeführten Simulationen während des
Systeme der nächsten Generation. Die Funktionalität der Bereich oberhalb von 20 GHz zunehmend interessant, um dem Effizienz als konventionelle Klasse-AB-Verstärker vergleichba- Schaltungsentwurfs wird eine Ausgangsleistung von mehr als
monolithisch integrierten Millimeterwellen-Schaltungen steigenden Bedarf an Bandbreite und Übertragungskapazität rer Größe. Die Chipgröße solcher Schaltungen beträgt typisch 500 mW und eine Rauschzahl von weniger als 4 dB erwartet.
(MMICs) kann durch Integration von Leistungsverstärkern, Rechnung zu tragen. Ebenso sind hohe Sendeleistungen und 3 mm x 3 mm. In Abbildung 2 sind als weitere Beispiel-MMICs Hervorzuheben ist die geringe Baugröße des MMICs mit einer
rauscharmen Verstärkern sowie Schaltern für den Frequenz­ eine zunehmende Funktionalität bei geringer Leistungsauf- hochfrequente Schalter dargestellt, die für Frequenzen im Breite von unter 1,5 mm, welche die Verwendung von Frontend
bereich oberhalb 20 GHz signifikant gesteigert werden. nahme essentiell, um vorteilhafte Systemlösungen zu erhalten. D-Band (170 GHz) bzw. im H-Band (220 GHz) entworfen und Schaltungen in phasengesteuerte Gruppenantennen für die
Diese Anforderungen können durch die Verwendung von in der Fraunhofer IAF GaN-Technologie hergestellt wurden. elektronische Strahlformung ermöglicht, da mehrere Bausteine
GaN-basierten MMICs in besonderem Maße erfüllt werden. in solch einer parallelen Systemarchitektur integriert werden
Die Leistungsfähigkeit der MMICs hinsichtlich des Energie- können. Abbildung 4 zeigt eine potentielle Plattform für die
Durch die hohe Komplexität der Signalformen (z. B. bei LTE- verbrauchs und der benötigten Chipfläche ist wesentlich durch am IAF entwickelten GaN-MMICs für militärische Kommuni-
Signalen) in der modernen drahtlosen Nachrichtenübertragung die Möglichkeit der Integration verschiedener Komponenten kationsanwendungen.
ist es nicht länger ausreichend, lediglich bei maximaler Sen- auf einem Chip bestimmt. Wichtige Beispiele von integrierten
deleistung eine hohe Effizienz des Leistungsverstärkers zu Millimeter-Wellen-Schaltungen sind analoge Frontends, die aus
erreichen. Stattdessen ist es in realen Übertragungs-Szenarien Leistungsverstärkern, rauscharmen Verstärkern und Hoch-
vorteilhaft, auch im „back-off“ Betrieb des Verstärkers bei frequenz-Schaltern bestehen, und damit die bidirektionale
niedrigeren Leistungspegeln eine sehr hohe Leistungseffizienz Übertragung von Nachrichtensignalen in einem Sende- und
zu erzielen, um die Effizienz des Gesamtsystems zu maxi- einem Empfangspfad in einem Chip kombinieren. Dank der
mieren. Für diese optimierten Betriebsbedingungen ist die Entwicklungen in den letzten Jahren beginnen die GaN-Tech-
Entwicklung von komplexen Verstärker-Architekturen, wie nologien den Vorsprung konventioneller Silizium-Technologien
z. B. Doherty-Verstärkern, notwendig. Im Vergleich zu kon- hinsichtlich des Integrationsgrades in analogen Front-Ends

Abb. 1: 26-GHz GaN Doherty Verstärker (links) und die entsprechende Leistungs- Abb. 2: Abb. 3: Abb. 4: Mögliches Einsatzszenario für
effizienz in Abhängigkeit des „back-offs“ in dB (blaue Kurve im rechten Diagramm). D-Band (oben) und Chip-Foto des ersten analogen die am IAF entwickelten GaN-MMICs für
Im Vergleich dazu ist die Effizienz eines konventionellen Verstärkers unter gleichen H-Band (unten) integrierten E-Band Front-End Kommunikationsanwendungen (Quelle:
­Betriebs-Bedingungen dargestellt (grüne Kurve) GaN Schalter-MMICs GaN-MMICs FHS Förder- und Hebesysteme GmbH)
Forschungsaktivitäten 2020 34 35

Dr.-Ing. Jörg Fischer Dr.-Ing. Gerd Kilian Dr.-Ing. Gerald Ulbricht Robert Koch
Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS
Erlangen Erlangen Erlangen Erlangen

info@iis.fraunhofer.de info@iis.fraunhofer.de info@iis.fraunhofer.de info@iis.fraunhofer.de

Echtzeit-Evaluation von Funkkommunikationssystemen Am Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS wurde zu sehen. Ein Beispiel hierfür sind die SVFuA-Grundgeräte
auf ­unterschiedlichen Protokollschichten daher in Zusammenarbeit mit der WTD 81 der Multi-Layer (SVFuA: Streitkräftegemeinsame verbundfähige Funkgeräte-
Simulator (MLS) entwickelt, der die Kanaleigenschaften der ausstattung), die hier über einen digitalen Basisband-Simulator
MANET-Verbindungen basierend auf den Positionsdaten der verbunden sind. Die Untersuchung des Prüflings, in diesem
Für eine zukunftsfähige mobile taktische Kommunikation Für die Einheiten der Bundeswehr ist ein übergreifender Teilnehmer sowie den gewünschten Simulationsbedingungen Fall die Verarbeitungseinheit mit der Wellenform, erfolgt da-
benötigt die Bundeswehr moderne, netzwerkfähige Funk­ und interoperabler Kommunikationsverbund auf der mobilen in Echtzeit berechnet. Dies ermöglicht die Verwendung des MLS bei auf der Basisband-Ebene. In der rechten Spalte wird die
kommunikationssysteme. Um die fundierte Evaluation taktischen Ebene lebenswichtig. Die eingeführten Systeme sind in einem Testaufbau mit dynamischer Positionsdaten-Erzeugung Übertragungsstrecke inklusive Frontend und Wellenform in
dieser Systeme durch eine realitätsnahe Nachbildung der jedoch nicht für eine durchgängig IP-basierte Kommunikation (z. B. mittels eines Battle Management Systems – BMS oder per einem Paket-basierten Simulator nachgebildet. Dadurch sind
Funkkanäle im Labor zu unterstützen, wurde in Zusam­ (Internet Protocol) ausgelegt und lassen sich bestenfalls nur Skript definiert). Untersuchungen von Routing-Protokollen für eine sehr
menarbeit mit der WTD 81 der Multi-Layer Simulator mit erheblichen Aufwand in einen solchen Verbund integrieren. große Anzahl von Teilnehmern möglich, die auf der IP-Ebene
­entwickelt. Das Programm „Digitalisierung Landbasierte Operationen Die Aufgabe des MLS in einer Simulationskette ist in Ab- durchgeführt werden können. Dieses Konzept ermöglicht es,
(D-LBO)“ soll hier Abhilfe schaffen und die Fähigkeitslücke bildung 1 dargestellt. Der MLS erhält die Positionsdaten der dass sich in Abhängigkeit der verwendeten Verbindungsmatrix
durch die Beschaffung moderner, netzwerkfähiger Funkkom- Teilnehmer aus dem Szenario, übernimmt die Modellierung (analoger RF-Simulator, digitaler Basisband-Simulator oder
munikationssysteme schließen. Bei der begleitenden Bewertung der Funkkanäle zwischen den Teilnehmern und gibt diese Paket-basierter Simulator) konsistente Tests auf verschiedenen
unterschiedlicher Systeme ist neben Feldtests die Untersuchung an eine Verbindungsmatrix weiter. Diese stellt wiederum die Ebenen (RF, Basisband oder IP) durchführen lassen. In allen
im Labor ein essentieller Bestandteil. Dabei ist es wichtig, die Verbindungen zwischen den zu testenden Geräten wie beispiels- Fällen werden die Kanaleigenschaften durch den Multi-Layer
Bedingungen der späteren Anwendung möglichst realitätsnah weise Funkgeräten, entsprechend der Vorgaben durch den Simulator berechnet, daher auch die Bezeichnung Multi-Layer.
nachzubilden. Doch speziell bei MANET-fähigen Systemen MLS, ein.
(Mobile Ad-Hoc Netzwerke), wie sie im V/UHF-Bereich heute Abbildung 3 zeigt den MLS in einem typischen Testaufbau zu-
Stand der Technik sind, ist das mit einem größeren Aufwand In Abbildung 2 sind die unterschiedlichen Anwendungen für sammen mit Positionsdaten-Erzeugung und unterschiedlichen
verbunden. Ein MANET verfügt typischerweise über eine Viel- dieses Konzept dargestellt. Die linke Spalte zeigt eine Konfigu- Verbindungsmatrizen zur Evaluation von Funksystemen.
zahl von Verbindungen zwischen den einzelnen Teilnehmern, ration für Tests, bei denen Funkgeräte über einen RF-Simulator
deren Korrelationen ebenfalls berücksichtigt werden müssen. (Radio Frequency) verbunden sind. Die Untersuchung erfolgt
Hinzu kommt, dass sich die Funkkanaleigenschaften in einem hier auf der analogen Hochfrequenz-Ebene. In der mittleren
mobilen Netzwerk kontinuierlich ändern. Spalte ist ein Test mit Funkgeräten ohne analoges Frontend

Abb. 1: In einem Szenario werden die Positionsdaten der Teilnehmer über Abb. 2: In Abhängigkeit der verwendeten Verbindungsmatrix können Abb. 3: Testaufbau zur Echtzeit-Evaluation von Funkgeräten mit den Prüflingen, dem Multi-Layer Simulator mit Verbindungs­
die Zeit festgelegt (z. B. mittels eines Battle Management Systems – BMS), konsistente Tests auf unterschiedlichen Ebenen (RF – Radio Frequency, matrizen und der Positionsdatenerzeugung (von links nach rechts – Quelle: Fraunhofer IIS/Paul Pulkert)
der Multi-Layer Simulator berechnet daraus in Echtzeit die Kanaleigenschaf- BB – Basisband, IP – Internet Protocol) durchgeführt werden.
ten zwischen den Teilnehmern, eine Verbindungsmatrix stellt die Verbindun- Die Kanal­eigenschaften kommen in allen drei Fällen aus dem Multi-Layer
gen zwischen den Geräten im Labor entsprechend dieser Vorgaben ein Simulator
Forschungsaktivitäten 2020 36 37

Dr. Volker Gettwert Dr. Michael Weinert Schaum aus und schützt das Substrat vor der Hitzeeinwirkung Der Temperaturanstieg (Abb. 4) in der KIMU aus Holz verläuft
Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie ICT Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie ICT
Pfinztal Pfinztal eines Brandes. Solche Beschichtungen wurden am Fraunhofer- ähnlich wie in der Metallkiste, tritt aber mit einer zeitlichen
info@ict.fraunhofer.de info@ict.fraunhofer.de Institut für Chemische Technologie ICT speziell für die An- Verzögerung auf. Sehr niedrige Innentemperaturen zeigen die
wendung auf Holz weiterentwickelt und zum thermischen beschichtete und umverpackte KIMU, bei denen der Inhalt
Schutz von Munition eingesetzt. Dabei wurden zwei Schutz- etwa 35 Minuten lang einer Temperatur von unter 100 °C aus-
konzepte untersucht: zum einen die direkte Beschichtung gesetzt ist und damit in einem für die meisten Munitionstypen
von Munitionskisten (KIMU) aus Holz und Metall und zum unkritischen Temperaturbereich liegt. Erst nach 40 – 50 Minuten
Munitionsbrandschutzkonzepte zur Verbesserung der Sicherheit anderen der Einsatz einer beschichteten Holzumverpackung, werden Temperaturen von 200°C erreicht.
die die eigentliche KIMU enthält.
Anstelle einer einfachen Umverpackung könnten universell
Zum Vergleich der unterschiedlichen Schutzkonzepte wur- einsetzbare, modular aufgebaute Umverpackungen für Euro-
Munitionsverpackungen bieten nur einen begrenzten Bei der Lagerung und dem Transport von Munition gilt es den in den letzten Jahren als Brandszenarien Bonfire-Tests paletten Anwendung finden. Konzeptentwürfe hierfür wurden
Schutz vor Brand- und Hitzeeinwirkung. Nach kurzer Zeit Gefahren zu minimieren. Während man bei der Lagerung (Abb. 1) an beschichteten und umverpackten KIMUs aus Holz entwickelt. Die Vorteile eines solchen Systems sind die Wieder-
­erreichen die Innentemperaturen kritische Werte und es ­einen Schutz durch bauliche Maßnahmen herstellen kann, und Metall durchgeführt. Als Vergleich dienten dabei die verwendbarkeit und keine Gewichtszunahme der KIMU.
kommt zur Reaktion der verpackten Treib- und Explosiv­ ist dies beim Transport auf Schiffen, LKWs und Flugzeugen unbeschichteten Kisten (Abb. 2). Die Umverpackung (Abb. 3)
stoffe. Zur Verbesserung des Munitionsbrandschutzes wird kaum möglich. Brände können durch technische Defekte, besteht aus einer einfachen Holzkiste, die analog zu den Durch die Anwendung von Brandschutzbeschichtungen in
in Bonfire-Tests die Schutzwirkung von dämmschichtbil­ Unfälle oder Anschläge entstehen. Insbesondere letzterem Munitionskisten mit einer Brandschutzbeschichtung be- unterschiedlichen Konzepten zum Schutz von Munitionskisten
denden Brandschutzbeschichtungen in unterschiedlichen sind die Soldatinnen und Soldaten in asymmetrischen Konflik- schichtet wurde. lässt sich die Sicherheit im Falle einer Brand- oder Temperatur-
Konzepten untersucht. ten bei Auslands­einsätzen ausgesetzt, die mit einfachen Mit- einwirkung erhöhen, indem die Zeiten, bis ein Ereignis eintritt,
teln wie IEDs oder Autobomben ausgeführt werden können. Bei der unbeschichteten Metallkiste steigt die Innentempera- verlängert werden oder bei begrenzten Brandszenarium eine
tur erwartungsgemäß schnell an (Abb. 4) und erreicht nach Reaktion der Munition verhindert wird. Die Arbeiten haben
Während im zivilen Bereich der Brandschutz in Normen wenigen Minuten nach Anzündung des Holzstapels die für gezeigt, dass bei KIMUs aus Holz vergleichbare Schutzwirkungen
geregelt ist, sind analoge Vorschriften für den Brandschutz eine Munitionsauslösung angenommene 200 °C Grenze. Ähn- durch eine direkte Beschichtung oder eine Umverpackung
von Munition im militärischen Bereich nicht vorhanden. lich verhält sich anfänglich die beschichtete Metallkiste. Bis erzielt werden, wobei bei einer Metallkiste die Umverpackung
Hier erfolgt lediglich eine Klassifizierung der Munition aus zur Ausbildung des isolierenden Schutzschaumes (Abb. 5, 6) deutliche Vorteile gegenüber einer Beschichtung aufweist.
dem Verhalten in Cook-Off Tests. Eine Bewertung der Zeit steigt die Innentemperatur kurzzeitig bis knapp unter den
bis zur Auslösung oder der Schutzwirkung der Verpackung Schwellenwert und fällt dann auf 120 – 150 °C ab, bis nach
findet nicht statt. ca. 30 Minuten die Schutzschicht versagt. Eine vergleichbare
Schutzzeit bei deutlich niedrigeren Temperaturverlauf am
Intumeszierende Brandschutzbeschichtungen, auch Dämm- Ort der Munition wird mit der Umverpackung erreicht.
schichtbildner genannt, finden im Baubereich eine breite
Anwendung. Bei Hitzeeinwirkung bildet sich ein isolierender

Abb. 1: Abb. 2: Abb. 3: KIMU Abb. 4: Abb. 5: Abb. 6:


Bonfire- Brennende mit Umverpackung Verlauf der Temperaturen Schutzschaumbildung KIMU aus Metall
Test KIMU aus Holz (unbeschichtet) im Inneren der KIMUs auf Munitionskiste nach Bonfire-Test
Forschungsaktivitäten 2020 38 39

Dr. Dusan Boskovic Dr. Stefan Löbbecke Mikrometern bis wenigen Millimetern (Abb. 1). Die kleinen ­üblicherweise auftreten, minimiert werden. Am Fraunhofer
Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie ICT Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie ICT
Pfinztal Pfinztal Querschnitte gekoppelt mit der resultierenden großen spezi- ICT wurde beispielsweise ein Mikroreaktorprozess entwickelt,
info@ict.fraunhofer.de info@ict.fraunhofer.de fischen Oberfläche erlauben es, stark exotherme Reaktionen der seit einigen Jahren routinemäßig für die Herstellung von
unter thermisch kontrollierten Bedingungen sowie mischungs- flüssigen Explosivstoffen im Kilogramm-Maßstab eingesetzt
sensitive Reaktionen bei stark verbessertem Stofftransport wird (Abb. 3). Die Anlage verfügt über umfangreiche Sicher-
durchzuführen. Die Vorteile der Mikroverfahrenstechnik lassen heitsvorrichtungen und wird vollständig ferngesteuert und
sich besonders für Prozesse mit hohem Gefährdungspotenzial überwacht. Eine modulare Bauweise erlaubt die kontinuierliche
Mikroreaktoren für die sichere und effiziente Herstellung wie der Explosivstoffsynthese nutzen – sei es, um sehr starke Synthese als auch die nachfolgende Aufarbeitung energetischer
von Explosivstoffen Wärmetönungen abzufangen, Neben- und Zersetzungsreak- Materialien, beispielsweise unterschiedlicher Nitratester, die
tionen zu unterdrücken oder um toxische, explosive und für die Entwicklung neuer Explosiv- und Treibstoffformulie-
anderweitig labile Produkte und Intermediate in kleinen rungen bereitgestellt werden können.
Der Einsatz der kontinuierlichen Mikroverfahrenstechnik Hohe Leistung und gleichzeitig niedrige thermische und Reaktorvolumina und bei kurzen Standzeiten sicher zu
in der chemischen Prozesstechnik bietet eine einzigartige mechanische Empfindlichkeit sind seit jeher substanzielle prozessieren. Trotz sehr kleiner fluidischer Strukturen wird die Mikrofluidik
Kontrolle der wichtigsten Prozessparameter, eine erhöhte Anforderungen an energetische Materialien wie Explosiv- am Fraunhofer ICT auch für die Herstellung von Mikropartikeln
Sicherheit und potenziell Zugang zu neuen Prozessfenstern. stoffe aber auch energetische Binder und Weichmacher. Der Einsatz von Mikroreaktoren beginnt bereits im Labor- und Mikrokapseln eingesetzt. Diese werden auf Basis von Emul-
Trotz geringer Reaktionsmasse kann bei Synthesen energe­ Entscheidende Verbesserungen dieser Eigenschaften können Maßstab, wodurch insbesondere in Kombination mit spektro- sionen gebildet, wobei die exakte Kontrolle über die Tropfen-
tischer Materialien ein hoher und insbesondere skalierbarer meist durch die Entwicklung und den Einsatz neuer chemischer skopischen und kalorimetrischen Prozessanalysetechniken größe und anschließende Kristallisation oder Polymerisation
Durchsatz erzielt werden. Komponenten erreicht werden. Zudem erfordern nationale ein effektives und sicheres Reaktions- und Prozessscreening die Herstellung monomodaler sphärischer Partikel erlaubt
und internationale Regularien zunehmend den Ersatz umwelt- möglich ist. Die Prozesse werden dazu in unterschiedlichsten (Abb. 4). Dies kann sowohl für die Formgebung als auch die
und gesundheitsschädlicher Substanzen. Die Herstellung und Spektralbereichen (UV, Vis, NIR, IR, Raman) mit hoher zeitlicher Herstellung oder Verkapselung von Explosivstoffpartikeln
Evaluierung neuer Komponenten sind daher unverändert und räumlicher Auflösung verfolgt (Abb. 2). Innerhalb kurzer angewendet werden.
wichtige Bestandteile der Explosivstoffforschung, bei denen Zeit können auf diese Weise unterschiedliche Prozessbedin-
innovative Methoden der chemischen Prozesstechnik viel gungen untersucht und im Hinblick auf verschiedene Ziel-
Potenzial im Hinblick auf Prozessintensivierung und Sicher- größen wie Ausbeute, Selektivität oder Produktivität optimiert
heit bieten. werden.

Am Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie ICT Basierend auf Laboruntersuchungen erlaubt die Mikro-
werden kontinuierliche Prozesstechniken auf Basis von Mikro- verfahrenstechnik eine schnelle Skalierung der Produktions­
verfahrenstechnik entwickelt, in denen mikrostrukturierte kapazitäten. Dies kann in einem gewissen Maß durch
Reaktoren zum Einsatz kommen. Diese bestehen entweder aus ­Maßstabsvergrößerung oder durch Parallelisierung von
einem oder einer Vielzahl von parallelen Strömungs­kanälen ­Reaktionskanälen erreicht werden, wodurch Hindernisse,
mit lateralen Abmessungen im Bereich von einigen hundert die beim Scale-up in der klassischen Reaktionstechnik

Abb. 1: Mikroreaktor aus Glas mit passiven Mischstrukturen Abb. 2: Laboraufbau für das Reaktionsscreening mit spektroskopischer Abb. 3: Mikroreaktor-Anlage für die kontinuierliche Synthese und Produkt­ Abb. 4: Hochdurchsatz-Herstellung von Emulsionen, Polymerpartikeln und
Prozessverfolgung mittels Lichtleitertechnik aufbereitung von flüssigen Explosivstoffen im Kilogramm-Maßstab Mikrokapseln in einem Mikrokanal (Mikroskop-Aufnahme)
Forschungsaktivitäten 2020 40 41

Dr.-Ing. Erwin Lindermeir Thomas Krauß bis hin zu ganzen Städten in das Modell aufzunehmen. Im MIRA berücksichtigt auch diesen Effekt mit einem spektralen
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt,
Institut für Methodik der Fernerkundung Institut für Methodik der Fernerkundung Folgenden wird anhand eines Ausschnitts der Stadt Hamburg Bandenmodell, das speziell für hohe Temperaturen entwickelt
Oberpfaffenhofen Oberpfaffenhofen
eine Übersicht über das dazu nötige Vorgehen gegeben. wurde.
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Die IR-Simulation benötigt neben der Geländeform auch die Die Abb. 4 und 5 zeigen zwei mit MIRA berechnete IR-Signa-
Kenntnis der Materialien und der Temperaturverteilung. Um turen eines „Nurflüglers“, der im DLR Projekt „Diabolo“ ent-
diese Daten zu erhalten, wird zuerst ein Oberflächenmodell worfen wurde. Die Oberflächentemperaturen des Flugzeugs
Ein Geländemodell für die IR-Signaturberechnung mit MIRA aus einem Geländemodell, Gebäudedaten und einem Baum- und die Zusammensetzung des Abgasstrahls wurden vom DLR
kataster erzeugt (Abb. 1). Damit können die Schatten und die Institut für Antriebstechnik zusammen mit dem Institut für
Sonneneinstrahlung für beliebige Tage und Uhrzeiten berechnet Aerodynamik und Strömungstechnik bestimmt. In der IR-
werden. Die Materialinformation wird aus einem Satellitenbild, Simulation fliegt der Nurflügler 1 km über der Stadt mit einer
MIRA (Model for InfraRed scene Analysis) ist ein Infrarot Für die Bewertung von IR-Signaturen kommt es vor allem auf hier des WorldView-4-Satelliten, abgeleitet (Abb. 2). Geschwindigkeit von Mach 0,5. Die Kamera mit einem Gesichts-
(IR) Signaturmodell für Flugzeuge. Es wurde am DLR Institut den Unterschied zwischen der von einem Objekt emittierten feld von 3,6° x 3,6° ist 1 km vom Flugzeug entfernt und misst
für Methodik der Fernerkundung im Rahmen mehrerer Strahlung und der Strahlung des Hintergrundes an. Es ist also Basierend darauf erfolgt die thermische Simulation. Dabei im Spektralbereich 3,3 µm – 5,0 µm.
DLR-interner Projekte entwickelt, die sich mit dem Entwurf der Kontrast zwischen Hintergrund und Ziel, der sowohl die werden die Absorption von direkter und diffuser Sonnenein-
und der Bewertung von Kampfflugzeug-Konfigurationen Detektion als auch die Verfolgung eines Ziels ermöglicht oder strahlung, die thermische Abstrahlung sowie Wärmeleitungs- Die Kontraste zu den Abb. 4 und 5 unterscheiden sich fast um
beschäftigten. Im letzten Jahr wurde dieses Modell um ein verhindert. Eine entscheidende Rolle spielt dabei die Struktur prozesse berücksichtigt. Absorption und Emission sind hierbei den Faktor 2. Um 04:00 UTC, wenn der Hintergrund noch kalt
Geländemodell zur Darstellung des Hintergrundes erweitert. des Hintergrundes. Die Erfassung eines Objektes vor einem abhängig von der Neigung der Oberflächen und dem Schatten- ist, beträgt der Strahlstärkekontrast 9,4 W/sr. Um 11:00 UTC
homogenen Hintergrund, sei es der kalte, klare Himmel oder fall. Abb. 3 zeigt Ergebnisse einer solchen Simulation in Form hat die Sonne die Stadt erwärmt. Der Kontrast beträgt nun nur
gleichförmiger und gleichmäßig warmer Boden, ist eine sehr von Temperaturprofilen in der Luft über Tonziegeln (Dächer) noch 5,0 W/sr. Eine Detektion ist daher schwieriger.
einfache Aufgabe. Ist der Hintergrund aber strukturiert, sind bzw. im Material (Ziegel) darunter.
also z.B. die Temperaturen am Boden sehr variabel, so wird Diese Arbeiten erlauben es nun, wesentlich realistischere
die Detektionsaufgabe schon schwieriger. Mit diesem Hintergrundmodell wird dann die Berechnung Bewertungen von IR-Signaturen durchzuführen. Somit wurde
der IR-Signatur bzw. des Kontrastes durchgeführt. Dabei ist das DLR IR-Signaturmodell MIRA wesentlich verbessert.
Um realistische Aussagen über die Detektion zu erhalten, der Einfluss der Atmosphäre zu berücksichtigen. Diese dämpft
muss ein IR-Signaturmodell daher nicht nur die Emission die Strahlung vom Boden sowie die vom Flugzeug zum Sensor.
des Flugzeugs, sondern auch den Einfluss des Hintergrundes Die Atmosphäre emittiert aber auch selbst IR-Strahlung. Beide
berücksichtigen. Dabei sollte der Hintergrund möglichst Effekte werden in MIRA unter Verwendung des Atmosphären-
­realistisch modelliert werden. In Bezug auf den Boden lassen modells MODTRAN berücksichtigt.
sich heutzutage sowohl digitale Höhenmodelle als auch Boden-
bedeckungskarten mit Hilfe von Satellitendaten gewinnen. In gleicher Weise wirken die Gase im Abgasstrahl. Allerdings
Zudem ist es mit entsprechenden Daten auch möglich, Gebäude ist deren Einfluss wegen der höheren Temperaturen stärker.

Abb. 1: Erstellung des Oberflächenmodells für einen Teil Hamburgs (c) aus Abb. 2: Materialinformation abgeleitet aus einem Satellitenbild Hamburgs. Abb. 3: Thermische Simulation: Vertikale Abb. 4: Flugzeug über der Stadt Hamburg. Abb. 5: Flugzeug über der Stadt Hamburg.
Geländemodell (a), Gebäudemodellen (b) und Baumkataster (nicht dargestellt) Farbkodierte Materialkarte zu Abb. 1 (c): Rot: Ziegeldächer, Blau: Wasser, Temperaturprofile am 15.06. (alle 2 Stunden). Flughöhe 1 km, Geschwindigkeit Mach 0.5, Flughöhe 1 km, Geschwindigkeit Mach 0.5,
Hellgrün: Gras, Dunkelgrün: Bäume, Hellgrau: Beton, Dunkelgrau: Straße Tonziegel (Dächer) auf Höhe 0, darüber Luft, Simulationszeit: 05.10., 04:00 UTC Simulationszeit: 05.10., 11:00 UTC
darunter Ziegel (Hamburg Zentrum, Binnenalster)
Forschungsaktivitäten 2020 42 43

Dipl.-Ing. Sergej Blem Dr.-Ing. Patrick Gruhn Anströmbedingungen anpassen, um einen möglichst optimalen Bewegen des Zentralkörpers stromaufwärts konnte der Be-
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt,
Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik und vor allem stabilen Betrieb des Staustrahltriebwerks zu triebspunkt bestimmt werden, in dem die Durchströmung
Köln Köln
gewährleisten. des Einlaufs wieder aufbaut. In Abb. 3 sind die so ermittelten
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maximal erzielbaren Innenverdichtungen des Einlaufs über
Das DLR untersucht das Potential solcher adaptiven Einläufe die Anströmmachzahl dargestellt.
im Rahmen seiner grundfinanzierten Aktivitäten zu Flugkör-
pertechnologien. Aktuell steht ein vollrotationssymmetrischer Ferner konnte durch das Verfahren des Zentralkörpers experi-
Adaptiver Lufteinlauf für Abwehr-Flugkörper mit Staustrahltriebwerk Lufteinlauf für einen (generischen) Abwehrflugkörper, welcher mentell gezeigt werden, dass dem Eintreten von Druckschwan-
im hohen Überschall bis in den Hyperschall hinein operiert, kungen, auch als „Brummen“ bekannt (s. Schlierensequenz
im Vordergrund. In Abb. 1 ist das am Institut für Aerodynamik des Brummens in Abb. 4), mittels eines adaptiven Einlaufs
und Strömungstechnik untersuchte Windkanalmodell eines entgegengewirkt werden kann. Einlaufbrummen gehört zu
Flugkörper mit luftatmenden Antrieben werden meist mit Eine vielversprechende Antriebstechnologie für zukünftige Lufteinlaufs, der über einen transversal verstellbaren Zentral- den Phänomenen, welche aufgrund der mit ihnen einher­
feststehenden Antriebskomponenten, wie z. B. dem Luftein­ moderne Abwehrflugkörper ist die Nutzung von Staustrahl- körper verfügt, dargestellt. Von diesem Lufteinlauf wurden gehenden dynamischen Belastung zu strukturellem Versagen
lauf, ausgestattet. Solche erzielen ihre maximale Effizienz antrieben (Ramjets). Diese Antriebsart ermöglicht zum einen Leistungskennlinien, auch Drosselkurven genannt, über einen führen können und daher zu vermeiden sind.
nur im Auslegungspunkt. Ein adaptiver Lufteinlauf hingegen höhere Reichweiten als herkömmliche Feststoffantriebe, zum Machzahlbereich von 2,5 bis 6,0 und bei verschiedenen An-
kann sich an die aktuell vorhandene Flugbedingung anpassen anderen bietet der durchgehend angetriebene Flug eine höhere stellwinkeln (α = 0° und α = 3°) ermittelt. Der Gegendruck der Die Erkenntnis dieser und auch früherer Untersuchungen an
und somit eine hohe Effizienz über einen deutlich größeren Einsatzflexibilität im Falle einer notwendigen Anpassung Brennkammer wird dabei über eine verstellbare Drossel strom- 2D-Einlaufen können auch auf andere Einlauftypen, wie z. B.
Flugbereich realisieren. des Abfangpunktes. Einen wichtigen Einfluss auf die Antriebs- ab des Einlaufs simuliert. Eine typische Leistungskennlinie halbrotationssymmetrische Einlaufe, übertragen werden und
leistung des Staustrahltriebwerks hat der Lufteinlauf. Dieser als Funktion des erzielten Druckrückgewinns über das Massen- können insgesamt dazu dienen, die Leistungen zukünftiger
fängt die für die Verbrennung erforderliche Luft auf und kom- durchsatzverhältnis der aufgefangenen Luft ist in Abb. 2 darge- mit Staustrahlantrieben versehener Abwehrflugkörper zu ver-
primiert diese aerodynamisch auf den notwendigen Druck. stellt. bessern und deren Einsatzflexibilität noch weiter zu erhöhen.
Jedoch arbeitet ein geometrisch feststehender Einlauf nur
unter Auslegungsbedingungen im optimalen Betriebspunkt. Ein weiterer wichtiger Aspekt des Betriebsverhaltens eines
Eine Abweichung von den Auslegungsbedingungen, z. B. in- Lufteinlaufs ist sein Startverhalten. Dieses bestimmt zum einen
folge von Flugmanövern, führt zur Leistungsabnahme des die Transitionsmachzahl, d.h. die Machzahl ab welcher der
Einlaufs und unweigerlich auch zur Verschlechterung der Staustrahlantrieb operieren kann, und zum anderen die Fähig-
Antriebsleistung des Staustrahltriebwerks. keit zum erneuten Starten des Antriebes im Falle eines Ausset-
zens („blockieren“). Daher wurde das Startverhalten ebenfalls
Ein adaptiver Einlauf hingegen bietet eine größere Unabhängig- experimentell analysiert. Hierbei wurde der Zentralkörper bei
keit der Antriebsleistung von während des Flugs auftretenden oben genannten Machzahlen stromabwärts verfahren, bis die
unterschiedlichen Flugbedingungen bzw. Betriebszuständen. Innenverdichtung so groß wird, dass sich ein Stoß vor dem
Solch ein Einlauf kann kontinuierlich seine Geometrie an die Einlauf bildet, der Einlauf blockiert. Durch das anschließende

Abb. 1: Vollrotations-
symmetrisches Einlaufmodell
mit ausgefahrenem (oben)
und eingefahrenem (unten) Abb. 2: Typische Leistungskennlinie Abb. 3: Betriebsverhalten des Einlaufs bei steigender Abb. 4: Schlierensequenz des vollrotationssymmetrischen Einlaufs im Brummzustand
Zentralkörper eines Lufteinlaufs ­Innenverdichtung
Forschungsaktivitäten 2020 44 45

Stefan Andreas Ritt Florian Höfer siert. Die Normierung ist eines der Themen in der vom DLR Die erste industrielle Anwendung zielte auf den schnellen
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt,
Institut für Bauweisen und Strukturtechnologie Institut für Bauweisen und Strukturtechnologie initiierten internationalen Arbeitsgruppe SAE G-28. Dort Hubschrauber RACER ab, für den das DLR einen Scheiben-
Stuttgart Stuttgart
wird auch die DLR eigene Forschung zu einem verstärkten demonstrator entwickelte.
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Kunstvogel (reinforced artificial bird, RAB) eingebracht, der
auf die in der Industrie und Forschung übliche Formen über- Dieser Demonstrator – bestehend aus Scheibe, Beschichtungen,
tragbar ist (Abb. 3). Der Kunstvogel vereinfacht die Versuche Klebung und Kanzelrahmen – wurde als Validierungsobjekt bei
und ermöglicht darüber hinaus Ergebnisse, die im Vergleich vergleichbaren Aufprallbedingungen von Drohne und Vogel
Drohnenschlag auf Hubschrauberscheiben zum Echtvogel eine höhere Reproduzierbarkeit aufweisen. herangezogen. Daran wurde bewertet, unter welchen Aufprall­
szenarien die Sicherheit von Piloten und Passagieren gegeben
Neben der Modellierung der Impactoren in der numerischen ist. Die Tests an dieser fast 10 mm dicken Scheibe zeigten, dass
Simulation konzentriert sich die Forschung auch auf die Be- ein direkter Durchschlag durch die Scheibe bei beiden Szena-
Zunehmend werden Drohnen in der Nähe von Hubschrau­ Die Randbedingungen dieses Forschungsgebiets werden durch rechnung von realistischen Impact-Szenarien auf Strukturen. rien nicht auftritt (Abb. 5).
bern gesichtet. Für Hubschrauber im Einsatz stellt auch die zulassungsrechtliche Anforderungen und kommerzielle Ent- Dafür sind besonders effiziente Ansätze notwendig, um eine
absichtlich herbeigeführte Kollision mit einer Drohne eine wicklungen gesetzt. Die Vogelschlagsicherheit ist seit vielen Vielzahl von möglichen Lastfällen berechnen zu können. Die Inwieweit ein möglicher Drohnenschlag auch die Struktur
mögliche Gefahr dar. Ziel ist es, die Gefährdung von Piloten Jahren eine „harte Forderung“ für mittlere und schwere Hub- Validierung erfolgt dabei über Bauteilversuche, die zunehmend von bereits im Einsatz befindlichen Hubschraubern mit weit
durch Drohnenschlag im Vergleich zum Vogelschlag zu be­ schrauber im Rahmen der Lufttüchtigkeitsanforderungen durch numerische Simulationen vor- und nachbereitet werden dünneren Scheiben gefährdet, ist Gegenstand der aktuellen
werten. Dazu werden überprüfte Computermodelle sowohl der EASA CS-29. Der Nachweis muss dabei mittels eines 1 kg (Abb. 4). Forschung. Über die Scheibe hinaus werden die Belastungen
der Struktur als auch der Drohne und des Vogels eingesetzt. schweren Vogels bei der maximalen Fluggeschwindigkeit an Klebung und Kanzelrahmen untersucht.
geführt werden, wobei unkritische Beschädigungen jedoch Grundlage der Forschungsarbeiten ist die mechanische
erlaubt sind. Ein mögliches Drohnenschlag-Szenario resultiert Charakterisierung, die bei Details beginnt und über Kom­ Aufbauend auf den Quadcopter-Drohnen werden die Unter-
daraus, dass neuerdings Kleindrohnen sehr stark im gleichen ponenten bis zum Vollmaßstab geht. Dabei wird die Energie- suchungen zur Simulation des Aufpralls von Drohnen mit
Luftraum wie Hubschrauber und Vögel vertreten sind. dissipation sowohl der fliegenden Struktur als auch des starrem Flügel fortgesetzt. Dies konzentriert sich auf die EASA
auftreffenden Fremdkörpers betrachtet, da beide für die Kategorie C2 der kommerziell sehr erfolgreichen Kleindrohnen
Für die Bewertung eines Drohnenschlags wurde eine para- Schädigung verantwortlich sind. Trotz der vergleichbaren mit bis zu 4 kg Abfluggewicht.
metrische Modellierung von Multicoptern aufgebaut. Abge- Masse von Kleindrohne und Vogel ist die Materialbeschaffen-
leitet und dann validiert wurde das Modell mit dem am weitest heit dieser beiden Impactoren sehr unterschiedlich.
verbreiteten Quadcopter (vier Arme/Rotoren) inklusive seiner
Komponenten Akkumulator (Abb. 1) und Motoren (Abb. 2). Die Forschung am DLR konzentriert sich auf die häufig von
Auch im Bereich des Vogelschlags wurden Modelle parame­ Vogelschlag betroffene Frontscheibe. Beim Werkstoff liegt der
trisch erzeugt, um damit künstliche Vögel unterschiedlicher Fokus insbesondere auf Polycarbonat. Dieses Material weist
Massen und Formen zu generieren. Die Form ist zwar von sehr gute mechanische Eigenschaften auf, muss zur Erreichung
echten Vögeln abgeleitet, sie ist aber bislang nicht standardi- von Härte und UV-Beständigkeit jedoch beschichtet werden.

Abb. 1: Aufprallmessung eines Akkumulators einer Kleindrohne Abb. 2: Aufprall des Motors einer Kleindrohne bei etwa 580 km/h auf eine Abb. 3: Vergleichender Aufpralltest Abb. 4: Numerische Simulation von Drohnenschlag (links) und Abb. 5: Aufpralltest mit einer Quadcopter-
bei etwa 110 km/h mit unterschiedlicher Orientierung Polycarbonatscheibe von 6 mm Dicke mit Perforation und Rissen mit zwei Kunstvogelformen (verstärkter Vogelschlag (rechts) bei 410 km/h auf einen Demonstrator einer Kleindrohne mit 1.2 kg Masse bei über
DLR-Kunstvogel RAB mit 1.0 kg) bei über Hubschrauberkanzel bestehend aus Scheibe und Rahmen, der 410 km/h auf einen Demonstrator einer
410 km/h auf eine Messvorrichtung auf ein Versuchsgerüst montiert ist Hubschrauberkanzel
Forschungsaktivitäten 2020 46 47

Dr. Harald Anglberger Dr. Rainer Speck TRAR Jörg Neundter


Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung
Institut für Hochfrequenztechnik und Radarsysteme Institut für Hochfrequenztechnik und Radarsysteme der Bundeswehr (BAAINBw)
Oberpfaffenhofen Oberpfaffenhofen Koblenz

info-pks@dlr.de info-pks@dlr.de BAAINBwPosteingang@bundeswehr.org

Klassifikation von Flugzeugen aus satellitengestützten Radar-Daten über einen langen Zeitraum gewährleistet. Dies bietet ideale hohen Trainingsdatenumfang, welcher durch reale Daten nicht
Bedingungen für eine robuste Änderungsdetektion. Die vom abgedeckt werden kann. Zur Vervollständigung ist es daher
DLR entwickelte Software RADIAN stellt bereits operationelle naheliegend, Freiheitsgrade wie Einfallswinkel, lokale Ausrich-
Werkzeuge zur Verfügung, um veränderte Bereiche automati- tung oder Hintergrund durch Simulationen flexibel zu variieren.
Verfahren der Künstlichen Intelligenz (KI) haben sich im Einhergehend mit zahlreichen geplanten Satelliten-Missio- siert aus Bildserien zu extrahieren (siehe Abbildung 1). Es ist Abbildung 4 zeigt die extrahierten Flugzeuge nach Anwendung
Bereich der optischen Sensorik bereits in der Anwendung nen in der Erdbeobachtung zeigt sich eine rasant steigende naheliegend, die daraus gewonnene Information in der Klassifi- des aus simulierten Daten trainierten Klassifikators für dieselbe
durchgesetzt. Im Radarbereich besteht hingegen noch Bildanzahl. Dieses Datenmaterial muss auch ausgewertet kation zu nutzen. Eine Detektion von potentiellen Zielobjekten Testszene. Es ist bemerkenswert zu beobachten, dass diese Klassi­
Forschungsbedarf. Für die traditionelle Anwendung der werden, wodurch der Automatisierung eine hohe Priorität grenzt das Suchgebiet innerhalb der Szene stark ein, womit fikation vergleichbare Ergebnisse liefert, ohne jemals eine reale
Klassifikation zeigt dieser Artikel vielversprechende Un­ zukommt. In diesem Zusammenhang sind die bahnbrechen- einerseits die Anzahl an Falschalarmen reduziert und anderer- Signatur des Flugzeugtyps erlernt zu haben.
tersuchungen, indem Software-Werkzeuge von DLR und den Entwicklungen der letzten Jahre im Bereich der KI von seits die Effizienz gesteigert werden kann. Die vielversprechenden Ergebnisse ergeben eine gute Basis
Airbus kombiniert auf hoch aufgelöstes TerraSAR-X Bild­ höchstem Interesse. Fortschritte in der klassischen Disziplin CeMore Deep von Airbus ist ein Werkzeug, welches Merkmals- für zukünftige Arbeiten. Diese umfassen eine Untersuchung
material angewendet wurden. der Objekterkennung sind hier vor allem im optischen Sensor- vektoren mittels eines vortrainierten künstlichen neuronalen weiterer Flugzeugtypen und eine Verfeinerung der Simulation.
bereich zu beobachten. Netzes extrahiert. Die darauf aufbauende Klassifikation wird Deren grundlegende Limitierung liegt in der erzielbaren
Eine direkte Übertragung dieser Verfahrensweisen auf die durch eine Support Vector Maschine erzielt, welche mit Signa- Realitätsnähe, welche hauptsächlich durch die Qualität der
­Radar-Welt ist jedoch meist nicht zielführend. Zusätzliche turen eines zu erkennenden Objekttyps trainiert wird (hier verwendeten 3D-Modelldaten bestimmt wird, aber auch stark
­Herausforderungen ergeben sich zum einen aus dem we- aus TerraSAR-X Daten manuell klassifizierte Flugzeuge). Abbil- von den realen Gegebenheiten in der näheren Umgebung des
sentlich geringeren Datenumfang und zum anderen aus dung 3 zeigt die damit extrahierten Flugzeuge für einen Test- Zielobjekts abhängen können. Dies verursacht bei weiteren
spezifischen Charakteristika der Bildgebung. Dazu gehören datensatz. Im Rahmen einer laufenden Studie wurde dieser untersuchten Testszenen ein starkes Absinken der Entdeckungs-
insbesondere ein starkes Rauschverhalten, eine meist unzu- Klassifikator mit einem rein auf synthetisch generierte Signatu- rate, vor allem wenn an Flugzeugen unbekannte Objekte positi-
sammenhängende und punktförmige Signatur der Ziel­ ren trainierten Gegenstück verglichen. Für die dafür notwendi- oniert sind oder die Beschaffenheit des Untergrundes variiert.
objekte sowie deren starke Veränderung gegenüber leichten gen Simulationen wurde der vom DLR entwickelte Simulator Dies betrifft jedoch nicht nur die Simulation, sondern auch das
Blickwinkelveränderungen. Ein positiver Aspekt liegt hinge- SAREF eingesetzt. Abbildung 2 zeigt synthetische Signaturen des Training mit realen Signaturen. Neben der gezeigten Ände-
gen in der aktiven Sensorik im Radarfrequenzbereich, welche gefragten Flugzeugtyps für variierende Aufnahmeparameter, rungsdetektion wird bereits an Methoden in der Vorverarbei-
nicht nur tageszeit- und wetter-unabhängige Aufnahmen, wodurch die starke Veränderung der Signatur über verschiedene tung gearbeitet, welche diese Problematiken entscheidend
sondern auch eine gleichbleibende Beleuchtung der Szene Blickwinkel verdeutlicht wird. Diese Variation bedingt einen verbessern könnten.

Abb. 1: Automatische Detektion von potentiellen Zielobjekten mit RADIAN: Abb. 2: Mit SAREF simulierte Signaturen für einen Flugzeugtyp: Abb. 3: Automatische Klassifikation von Flugzeugen mit CeMore Deep: Abb. 4: Automatische Klassifikation von Flugzeugen mit CeMore Deep:
Verarbeitung von zwei TerraSAR-X Aufnahmen mit segmentierten Änderungen Winkelvariation der Ausrichtung (oben); Winkelvariation des Einfalls (mitte); Klassifikator trainiert mit realen Signaturen (Quelle: Airbus) Klassifikator trainiert mit synthetischen Signaturen aus SAREF.
in Rot (erscheint) und Grün (verschwindet). Nicht bewegte Flugzeuge werden Intensitätsvariation des Untergrundes (unten) Negativ Signaturen wie abweichende Flugzeugtypen, Infrastruktur oder
nicht d
­ etektiert. Fehlalarme durch Vegetation können großteils vermieden Hintergrund wurde mit denselben realen Daten trainiert wie Klassifikator
werden aus Abbildung 3 (Quelle: Airbus)
Forschungsaktivitäten 2020 48 49

Dipl.-Ing. Sebastian Pless Dr.-Ing. Erwin Lindermeir Eine dieser Methoden ist die Beobachtung von Raketenstarts, Infrarotsensoren erscheinen geeignet für die Beobachtung
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt,
Institut für Optische Sensorsysteme Institut für Optische Sensorsysteme auch wenn der Informationswert einer simplen Startdetektion des atmosphärischen Flugs, da sich Gleitflugkörper durch
Berlin-Adlershof Berlin-Adlershof
begrenzt ist. Während bei der Raketenabwehr die Ermittlung Reibung stark erhitzen. Im Unterschied zu Abgasstrahlen
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des Brennschlussvektors entscheidend ist, da sich damit das von Raketen emittieren die so erhitzten Flugkörper in einem
Angriffsziel eingrenzen lässt, kann diese Information beim breiten Spektralbereich. Wenn eine Beobachtung vor dem
Einsatz von hypersonischen Gleitflugkörpern aufgrund deren Hintergrund des Himmels oder Weltraums erfolgen kann,
Manövrierfähigkeit in der Atmosphäre kaum belastbare Infor- ergibt sich zudem ein hoher Kontrast zwischen Ziel und
Forschung für die Abwehr hypersonischer und ballistischer Flugkörper mationen liefern. Hintergrund.
im Rahmen einer territorialen Luftverteidigung
Für hypersonische Gleitflugkörper ist also die Verfolgung Zum Abfangen hypersonischer Flugkörper ist eine ideale
während des atmosphärischen Fluges in der „mittleren Flug- ­Beobachtungsposition nicht immer realisierbar. Zudem muss
Hypersonische Flugkörper gelten für zukünftige Konflikte Das Verbundprojekt „Sensorik für die Luftverteidigung“ phase“ entscheidend. Genau diese Phase stellt aber eine große hier auch ein einzelner Sensorträger eine belastbare Entfer-
als wichtige Entwicklung. Ballistische Raketen sind eine ­beschäftigt sich mit Methoden zur Erfassung und Verfolgung Herausforderung für Sensorik dar. Bodenbasierte Systeme sind nungsinformation zum Ziel ermitteln können. Daher scheint
ständige Bedrohung mit teils neuen Akteuren. Moderne fliegender Bedrohungen. In diesem Bereich gibt es viele in Ihrem Sichtbereich durch den Horizont begrenzt und der Radar an dieser Stelle eine zentrale Technologie zu sein. Spezi-
Luftverteidigungssysteme und bewaffnete Drohnen ver­ verschiedene Aufgaben mit teils sehr unterschiedlichen atmosphärische Flug eines solchen Flugkörpers findet auf fische Anforderungen an Suchköpfe für diese Aufgabe werden
ändern die militärische Situation im Luftraum. Ein Ver­ ­Anforderungen an die Lösungsansätze. Im hier vorgestellten einer deutlich niedrigeren Bahn als der von ballistischen im Rahmen des Verbundprojekts ebenfalls untersucht.
bundprojekt von drei DLR-Instituten beschäftigt sich mit Projekt liegt der Fokus auf der territorialen Luftverteidigung Flugkörpern statt.
Fragestellungen zur Sensorik für die Luftvertei­digung. gegen ballistische und hypersonische Flugkörper. In einem
ersten Schritt wurden hypersonische Gleitflugkörper genauer Diese Limitierungen können umgangen werden, wenn die
betrachtet. Sensoren auf luft- oder raumgestützte Plattformen integriert
werden. Allerdings sind bisherige Strategien und Systeme zur
Um geeignete Methoden zur Detektion und Verfolgung zu Erfassung der Starts ballistischer Raketen nicht ausreichend
entwickeln, wurde der Einsatz eines hypersonischen Gleit- zur Verfolgung hypersonischer Bedrohungen.
flugkörpers in Phasen eingeteilt und für jede Phase separat
geeignete Sensoren und Sensorplattformen identifiziert. Um die Anforderungen an die Beobachtung hypersonischer
Hypersonische Gleitflugkörper werden mit ballistischen Gleitflugkörper besser zu verstehen, wurde in einem anderen
Raketen gestartet und greifen ihr Ziel ähnlich wie Gefechts- DLR Forschungsvorhaben ein solcher Flugkörper ausgelegt
köpfe ballistischer Raketen an. Daher kann teilweise auf und in flugdynamischen Simulationen getestet. Damit ist es
Methoden zurückgegriffen werden, die aus der Abwehr möglich, Signaturen für einen solchen Flugkörper abzuleiten.
­ballistischer Raketen bekannt sind. Mittels dieser Signaturen können dann Sensorkonzepte für die
Beobachtung und Verfolgung entwickelt werden.

Abb. 1: Für die Modellierungen verwendete Konfiguration Abb. 2: Infrarotsignatur des Flugkörpers aus verschiedenen Beobachtungs- Abb. 3: Blick von einer luftgestützten Plattform auf den
eines generischen hypersonischen Gleitflugkörpers perspektiven simulierten Flugweg eines hypersonischen Gleiters
Forschungsaktivitäten 2020 50 51

Paul Wagner, MSc Wolfgang Riede strahlwassergeschützter und intern temperaturstabilisierter Damit können direkt nach der Objekterfassung exakte Bahn-
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt,
Institut für Technische Physik Institut für Technische Physik Prototyp zur Verfügung. Als Sensor kommt eine 9 Megapixel daten für die Bestimmung der dreidimensionalen Trajektorie
Stuttgart Stuttgart
CCD-Kamera zum Einsatz. Das Objektiv besitzt eine Brenn- mit einigen Metern Genauigkeit erhalten werden. Hierbei wird
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weite von 100 mm und ermöglicht ein Sichtfeld im Bereich eine hohe Verfahrenssynergie erwartet, insbesondere im
von ca. 20°. Die Bildverarbeitung der Kamerabilder erfolgt Hinblick auf die Voreinweisung durch Radarsysteme, wie zum
automatisiert, basierend auf C++ Algorithmen, und erlaubt die Beispiel GESTRA (German Experimental Space Surveillance
Analyse der Strichspuren in Referenz zum Sternhintergrund and Tracking Radar). Auch hier kann in gleicher Weise durch
„Stare-and-Chase“-Verfahren zur Ortung und Katalogisierung mittels astrometrischer Verfahren. Zuletzt werden die Daten im Folgemessungen mit einer laseroptischen Bodenstation die
orbitaler Objekte standardisierten „Tracking Data Message“-Format gespeichert. Genauigkeit der Bahndaten verbessert werden. Dies ist im Falle
einer kritischen Konjunktion von zwei orbitalen Objekten von
Das System kann mehrere überfliegende Objekte ohne Ein- großer Bedeutung.
Hochempfindliche Weitwinkel-Kamerasysteme können Die aktuelle Zunahme der Zahl an Satellitenmissionen führt schränkungen parallel prozessieren. Das Zeitfenster zur Daten-
­zukünftig wichtige Beiträge zur Erstortung von orbitalen zu einem deutlichen Anstieg der Objektdichte im Erdorbit. gewinnung ist auf Dämmerungsphasen beschränkt. Unter Für die laseroptische Bahndatenbestimmung von orbitalen
Objekten als Teil eines Stationsnetzwerkes leisten, da sie Hierbei handelt es sich insbesondere um Weltraumschrott- guten Sichtbedingungen wurden bei Kampagnen in Rahmen Objekten mit Abmessungen im 10 cm Bereich baut das Institut
autark und standortunabhängig einsetzbar sind. Die an­ objekte im niedrigen Erdorbit in Bahnhöhen um 800 km. einer Systemvorevaluierung sehr hohe Sensitivitätswerte bei für Technische Physik derzeit ein Observatorium mit einem
schließende Übergabe an eine Laserstation zur präzisen Die vorhandene Weltrauminfrastruktur ist aufgrund dieser der Ortung von Objekten erreicht. Bei Objekten mit Radar- Empfangsteleskop von 1,75 m Durchmesser auf. Das System
­Folgebestimmung der Trajektorie ermöglicht die Ermitt­ Entwicklung einer zunehmenden Gefährdung durch Kolli­ querschnitten im Bereich von 1 m² und 2 m² lag der Wert der wird im ersten Quartal 2021 in Betrieb genommen werden.
lung der Bahndaten des Objektes. sionen ausgesetzt. Eine Überwachung bzw. Katalogisierung detektierten Objekte bei ca. 50 %, ermittelt durch den Vergleich
erfolgt primär durch radarbasierte Stationsnetzwerke, wie z. B. mit Objekten aus dem öffentlich verfügbaren Katalog. Bei Objek-
das amerikanische „Space Surveillance Network“. In Ergänzung ten ab einem Radarquerschnitt von 2,25 m² lag die Sensiti-
hierzu bietet die Verwendung von optischer Sensorik in „Stare- vität schon bei nahezu 100 %. Sensitivität und Auflösung lassen
and-Chase“-Konfiguration die Möglichkeit, unbekannte Objekte sich mit dem Verfahren des synthetischen Trackings weiter
zu entdecken und durch die Übergabe an eine laseroptische verbessern. Beim synthetischen Tracking werden aufeinan-
Bodenstation eine exakte Bestimmung des Orbits bzw. Kata- derfolgende, kurzzeitbelichtete Bilder zur Verbesserung des
logisierung durchzuführen. Signal-Rausch-Verhältnisses durch Bildprozessierung über-
lagert. Erste Untersuchungen mit Messdaten haben gezeigt,
Bei dem in diesem Artikel beschriebenen Prototyp wird eine dass sich die Detektionsschwelle der Objektgröße um bis zu
hochempfindliche CCD-Kamera mit lichtstarkem Weit­ einen Faktor 10 senken lässt.
winkelobjektiv im „Staring Mode“ verwendet. Da keine moto­
risierten Komponenten benötigt werden, kann ein solches Derzeit wird an dem Verfahren der Übergabe an eine SLR
System relativ kostengünstig und wartungsarm betrieben (­ Satellite Laser Ranging) Station gearbeitet, wie sie das Institut
werden. Das System steht für Feldtests als staubdichter, für Technische Physik in verschiedenen Varianten betreibt.

Abb. 1: Design der Einhausung Abb. 2: Weitwinkel-Kamerasystem in gekapselter Einhausung Abb. 3: Mehrfachbelichtete Aufnahme Abb. 4: Objektneudetektionsstatistik als Funktion des Radarquerschnitts Abb. 5: Verwendete Staring Kamera (rechts) und 17 Zoll Nachführteleskop (links)
(Schutzklasse IP68) mit drehbarer bei Feldtests. Orbitale Objekte wie die internationale Raum- mit drei Strichspuren von überfliegenden (RCS – radar cross-section) der Objekte. Im oberen Graph wird die mit montiertem Lasertransmitter
Elevationsachse station im Bild werden als Strichspur detektiert Objekten zur astrometrischen Auswertung Anzahl der detektierten Objekte dargestellt (rote Balken), im unteren
Graph der entsprechende prozentuale Anteil
Forschungsaktivitäten 2020 52 53

Dr. Robert Hruschka beiwert ableiten. Die Videodaten liefern die Änderungen des nativ dazu mit einer Drahtaufhängung lässt sich dann auch
Deutsch-Französisches Forschungsinstitut Saint-Louis (ISL)
Saint-Louis, Frankreich Anstellwinkels als auch der Flughöhe entlang der Flugbahn. der Widerstandsbeiwert analog zum Freiflug bestimmen.
isl@isl.eu Abb. 2 zeigt die aufgezeichnete Pendelbewegung des Geschosses,
die mit der Zeit abklingt. Aus der Schwingungsfrequenz kann Die Kombination aus Windkanalmessungen, Freiflugversu-
der Nickmomentenbeiwert abgeleitet werden, und aus der – in chen und ebenfalls im ISL durchgeführten numerischen Strö-
etwa exponentiell abklingenden – Amplitude der Nickdämp- mungssimulationen, wie in Abb. 4 beispielhaft gezeigt, liefert
fungsbeiwert. Hierzu wird eine Schwingungsfunktion mit zeit- hochgradig verlässliche aerodynamische Daten. Diese dienen
Bestimmung der aerodynamischen Eigenschaften von Pfeilgeschossen abhängiger Frequenz und Dämpfung an die Daten angepasst, wiederum als Basis für Rechentools, mit denen sich nicht nur
im Windkanal und im Freiflug die auch den Geschwindigkeitsabfall während des Fluges be- Projektiltrajektorien exakt berechnen lassen, sondern auch
rücksichtigt. Aus dem Verlauf der Flughöhe über der Zeit lässt die Auswirkungen von Störeinflüssen wie beispielsweise Waf-
sich analog dazu der Auftriebsbeiwert ableiten. fenlaufschwingungen oder extremen Umweltbedingungen
Das Deutsch-Französische Forschungsinstitut Saint Louis Pfeilgeschosse, wie in beispielhaft in Abb. 1 gezeigt, werden charakterisiert werden können. Die Identifikation und suk-
(ISL) erforscht das Flugverhalten von pfeilförmigen Projek­ in der Regel direkt, d.h. mit flacher Schussbahn verschossen, Im Vergleich zum Freiflug bieten die Versuche im Windkanal zessive Elimination solcher Störeinflüsse führt zu erheblich
tilen, wie sie von Kampf- und Schützenpanzern verschossen wobei sie bis zu sechsfache Schallgeschwindigkeit erreichen zwei Vorteile: zum einen lässt sich das Abklingverhalten der gesteigerter Schussgenauigkeit.
werden. Hierzu werden sowohl Versuche in Überschallwind­ können. Da es sich um ungelenkte Geschosse handelt, ist eine Projektilschwingung ortsfest beobachten und damit die Quali-
kanälen als auch Freiflugversuche auf dem ISL-Testgelände genaue Berechnung der Geschossflugbahn unabdingbar. tät der optisch aufgezeichneten Daten verbessern. Hierzu wird
durchgeführt. Ziel ist es, die Flugbahn und die Treffergenauig­ das Geschoss, wie in Abb. 3 gezeigt, im Schwerpunkt mit einem
keit des Geschosses wesentlich präziser vorherzusagen und Hierzu sind aerodynamische Beiwerte notwendig, die entweder quer verlaufenden Draht frei schwingend im Windkanal auf-
negative Einflüsse darauf zu charakterisieren. gemessen oder mittels numerischer Strömungssimulations- gehängt. Durch den turbulenten Startvorgang des Windkanals
methoden berechnet werden. Obgleich moderne Berechnungs- wird eine Anfangsstörung erzeugt. Die Auswertung der Schwin-
methoden heutzutage schon oftmals ausreichend genaue gungskurve erfolgt dann analog zum Freiflugversuch bei kon-
Ergebnisse liefern, können sie Freiflug- und Windkanalver- stanter Anströmgeschwindigkeit. Zum zweiten können im
suche noch nicht vollständig ersetzen. Dies gilt insbesondere für Windkanal auf das Projektilmodell wirkende Kräfte und Mo-
dynamische Beiwerte, wie beispielsweise den Nickdämpfungs- mente mittels Kraftwaage gemessen werden. Hierzu wird der
beiwert. Projektilanstellwinkel während des Versuches variiert und die
Daten des Widerstands, des Auftriebs und des Nickmoments
Zur Bestimmung dieser Parameter im Freiflug wird das Ge- anstellwinkelabhängig ermittelt. Dabei sind die Einflüsse auf
schoss mit einem initialen Anstellwinkel von ca. 10° verschossen. die Luftströmung der notwendigen Modellmontagevorrichtung
Während ein Doppler-Radargerät den Geschwindigkeitsabfall zu beachten, die sich in erster Linie auf den Widerstandskoeffi-
in Schussrichtung aufzeichnet, verfolgen Hochgeschwindig- zienten auswirken, da sich der Druck am Projektilboden auf-
keitskameras mit synchronisierten Drehspiegeloptiken das grund der Montage ändert. Aus der Differenz der Messungen
Projektil im Flug. Aus den Radardaten lässt sich der Widerstands- des Bodendrucks mit einer Kraftwaagenmontage und alter-

Abb. 1: Pfeilgeschosse Abb. 2: Aufgezeichnete Trajektorie und Anpassungskurve Abb. 3: Drahtaufgehängtes Modell im ISL trisonischen Windkanal Abb. 4: Beispiel einer numerischen Simulation
Forschungsaktivitäten 2020 54 55

Dr. Eric Fousson Material. Benötigten die ersten Entwicklungsmodelle noch men notwendig ist und die damit im besonderen Maße von
Deutsch-Französisches Forschungsinstitut Saint-Louis (ISL)
Saint-Louis, Frankreich teure Laserquellen, können die aktuellen opto-pyrotechni- einer geringen Schwankung der Reaktionszeit abhängen.
isl@isl.eu schen Zündsysteme mit handelsüblichen, kostengünstigen
Laserdioden mit einer Leistung von wenigen Watt genutzt Die am ISL entwickelten opto-pyrotechnischen Zündsysteme
werden. sind REACH kompatibel und bieten sicherheitstechnische Vor-
teile. Die ausschließliche Nutzung von Sekundärsprengstoffen
Um die Zuverlässigkeit auch unter für die Raumfahrt­ vereinfacht die sicherheitstechnischen Vorkehrungen für dieses
(Hochentwickelte) Opto-pyrotechnische Zündsysteme anwendung geforderten extremen Temperatureinflüssen Zündsystem. Die Bauteile sind immun gegenüber elektrischen
(– 110 °C /+ 110 °C) zu gewährleisten, wurde zum Ausgleich Störungen und elektrostatischer Entladung. Aufgrund ihrer
der Temperaturschwankungen eine zusätzliche Schicht Bauart halten sie hohen thermischen Belastungen stand und
­einer speziellen pyrotechnischen Komposition eingebracht. haben Cook-Off Tests erfolgreich bestanden. Die optische
Die Weiterentwicklung von Laserquellen mit höherer Leis­ Seit den neunziger Jahren arbeitet das ISL an der Entwicklung Für Anwendungen in der Wehrtechnik, deren Forderungen Leistungsübertragung erlaubt den Aufbau unterschiedlicher
tung bei geringerem Bauvolumen und Gewicht ergibt neue von opto-pyrotechnischen Zündsystemen (OPD). Die Arbeiten im Vergleich zu den Raumfahrtanwendungen durch schnel- Arten von Zündketten (Multipoint) und gewährleistet die
Anwendungsmöglichkeiten zur Nutzung der Laserenergie begannen mit der Entwicklung eines alternativen Zündsystems lere Reaktionszeit über einen kleineren Temperaturbereich Ansteuerung auch über weite Distanzen.
für pyrotechnische Zündmechanismen. Seit Jahren werden für die ARIANE Trägerrakete als Ersatz der Hitzedraht-Bauteile. von – 50 °C bis + 70 °C geprägt sind, werden bei identischen
am ISL optische Zündsysteme mit großen sicherheitstech­ Das vom ISL entwickelte Design nutzt ein zweistufiges Verfahren mechanischen Komponenten Sekundärsprengstoffe mit einem Derzeit konzentrieren sich die Forschungsarbeiten auf den
nischen Vorteilen für Anwendungen in der Raumfahrt und zur Auslösung einer stoßwelleninduzierter Detonation (SDT). höheren optischen Absorptionsgrad genutzt. Aufgrund der thermischen Initiierungsprozess. Ziel ist es, die für den Zün-
der Wehrtechnik entwickelt. In der ersten Stufe initialisiert der Eintrag der Laserenergie eine aktuellen Forschungsergebnisse wurde das Design weiter opti- dungsprozess verwendete Sekundärsprengstoff-Formulierung
thermische Zersetzung des Sekundärsprengstoffs, welcher einen miert, so dass nunmehr die Reaktionszeit präzise kontrolliert weiter zu verbessern und zu homogenisieren, um eine weitere
Druckanstieg zur Folge hat, mit dem ein Mikroprojektil be- werden kann. Verschiedene Versuchsreihen im Temperatur- Reduzierung der Reaktionszeit und deren Schwankung zu
schleunigt wird. In der zweiten Stufe trifft dieses Mikropro- bereich von – 50 °C bis + 70 °C bei einer Initiierungsleistung von erreichen.
jektil auf komprimierten Sekundärsprengstoff und löst bei 25 W zeigten Reaktionszeiten von 65 µs mit Schwankungen von
ausreichender Druckwirkung die SDT aus. ± 5µs. Zwei Untersuchungsverfahren dienten zur Validierung
der Leistungsanforderungen: Durch die Röntgen-Bildverstärker-
Die ersten Entwicklungsmodelle verwendeten spezielle opti- Kinematografie wurden die Eigenschaften des Projektils am
sche Komponenten zur Gewährleistung der Dichtheit des Ausgang (terminal flyer) des OPD überprüft und zusätzliche
Bauteils sowie der Fokussierung des Laserstrahles auf dem Initiierungstests wurden auf PBX-Sprengladungsverstärkern
pyrotechnischen Material, um so die erforderliche Energie- durchgeführt.
dichte sicherzustellen. Zusätzliche Anforderungen führten
zu einer Optimierung des opto-mechanischen Aufbaus mit Die positiven Ergebnisse eröffnen eine Reihe neuer Möglich-
dem Wegfall der optischen Komponenten und einer direkten keiten für Anwendungen bei Schutzsystemen, bei denen eine
Kontaktierung des Lichtwellenleiters mit dem pyrotechnischen präzise Synchronisierung zur Einleitung der Gegenmaßnah-

Abb. 1: Opto-pyrotechnischer Zünder (OPD) mit Abb. 2: Röntgen-Bildverstärker-Kinematografie Abb. 3: Fast Cook-Off (Kraftstoffbrandtest)
Fiberstrang (LWL) Bilder des Endprojektils
Forschungsaktivitäten 2020 56 57

Lukas Beer, M.Sc. Patrick Burger, M.Sc. Dipl.-Ing. Thorsten Lüttel Univ.-Prof. Dr.-Ing. Hans-Joachim Wünsche
Universität der Bundeswehr München, Universität der Bundeswehr München, Universität der Bundeswehr München, Universität der Bundeswehr München,
Institut für Technik Autonomer Systeme Institut für Technik Autonomer Systeme Institut für Technik Autonomer Systeme Institut für Technik Autonomer Systeme
Neubiberg Neubiberg Neubiberg Neubiberg

tas@unibw.de tas@unibw.de tas@unibw.de tas@unibw.de

Landmarkenbasierte Verfahren zur Lokalisierung und Navigation den Fahrzeugen. Instanzen passt, und bestimmt so die aktuelle Position des
­autonomer Landfahrzeuge in GNSS-armen Umgebungen Das Führungsfahrzeug kartiert kontinuierlich die Umgebung Folgefahrzeugs. Indem es dem Pfad des Führungsfahrzeugs
und seine eigene Position. Diese Technik wird SLAM (Simul- folgt, kann das Folgefahrzeug in unstrukturiertem Gelände
taneous Localization And Mapping) genannt. In unserem Fall navigieren. Abbildung 4 zeigt eine Szene aus der Sicht des
Der Transport von Gütern und Personen stellt vor allem in Bei heutigen Transportsystemen geht eine Erhöhung von Per- werden vertikale Landmarken wie Büsche und Bäume in Folgefahrzeugs.
Krisengebieten ein Risiko dar. Unbemannte Landfahrzeuge sonenzahl und Gütern mit einer Erhöhung der Fahrzeuggröße LiDAR-Punktwolken erfasst, wie sie in Abbildung 2 zu sehen
können helfen, die Anzahl der benötigten Fahrer zu redu­ oder der Anzahl der Fahrer einher. In manchen Situationen sind sind. Anschließend werden durch Clustering-Algorithmen Um die Übertragungsrate zu reduzieren, wird die Menge
zieren. Dabei ist, speziell in Regionen mit gestörtem GNSS- beide Fälle unerwünscht. Hier können unbemannte Land- Objektinstanzen extrahiert, die in Abbildung 3 zu sehen sind. der übertragenen Daten intelligent reduziert: Abhängig vom
Signal (GNSS: Globales Navigationssatellitensystem), eine fahrzeuge (engl.: Unmanned Ground Vehicles, UGVs) eine Im nächsten Schritt werden die extrahierten Instanzen mit derzeitigen Kurvenradius werden Positionen und Kanten erst
Navigation und eine Lokalisierung mit Sensoren wie LIDAR- Lösung bieten, indem ein oder mehrere Folgefahrzeuge einem Kalman-Filtern über die Zeit getrackt. Wenn sie über mehrere nach einer bestimmten Strecke übertragen. Je geringer der
Scannern (LIDAR: Light Detection And Ranging) für das auto­ Führungsfahrzeug folgen (Konvoifahren). Dieses Thema ist Teil Iterationen hinweg beobachtet werden, werden sie als sichere Radius, desto geringer diese Strecke. Durch diese Abhängigkeit
nome Fahren unerlässlich. Dieser Artikel gibt einen Einblick einer Studie an der Universität der Bundeswehr München im Landmarke betrachtet. werden Diskretisierungsfehler minimiert und die Übertra-
in die Forschung zur autonomen Konvoifahrt ohne direkten Auftrag des Bundesamts für Ausrüstung, Informationstechnik gungsrate reduziert. Im Folgefahrzeug erfolgt eine Interpolation
Sichtkontakt. und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw). Zwei Beispiele für Zusammen mit der Eigenbewegung des Fahrzeugs werden des Graphen, um die fehlenden Informationen zu schätzen.
UGVs sind in Abbildung 1 zu sehen. diese Landmarken verwendet, um die aktuelle Position zu Aufgrund der geringen Größe des Graphen und dessen weiterer
berechnen. Alle Landmarken und Positionen werden in einem Reduzierung ermöglicht dieser Ansatz eine Übertragung bei
Im Bereich des autonomen Konvoifahrens wurde in den letzten sogenannten Graphen gespeichert, wobei Kanten die Asso­ niedriger Bandbreite.
Jahren bereits geforscht, wobei insbesondere das Platooning ziation zwischen Position und Landmarken darstellen. Dieser
eine effektive Lösung darstellt. Diese Technik basiert auf Graph enthält alle Informationen, die das Folgefahrzeug be- In diesem Artikel wurde ein Weg des autonomen Konvois
dem Tracking des Führungsfahrzeugs durch das Folgefahrzeug nötigt, und kann übertragen werden. gezeigt, der in unstrukturierten Umgebungen und in Situa­
mittels Kameras oder LiDAR-Sensoren. Eine andere, flexiblere tionen anwendbar ist, in denen Platooning versagt oder nicht
Möglichkeit ist der gesplittete Konvoi. Das Führungsfahrzeug Wie das Führungsfahrzeug extrahiert auch das Folgefahrzeug eingesetzt werden kann. Zukünftige Forschungen könnten
sammelt Informationen, die für seine eigene Lokalisierung Objektinstanzen aus Punktwolken. Ein Partikelfilter löst das verschiedene Sensoren und Umgebungsinformationen ein-
und die Lokalisierung und Navigation des Folgefahrzeugs Assoziationsproblem, welche Landmarken-Konstellation des beziehen, um eine vollständig autonome und sichere Konvoi-
verwendet werden, unabhängig von der Entfernung zwischen übertragenen Graphen am besten zu den aktuell erkannten fahrt zu ermöglichen.

Abb. 1: Die Versuchsfahrzeuge MuCAR-3 und MuCAR-4 des Instituts für Technik Autonomer Abb. 2: LiDAR-Punktwolke. Die Farbe jedes Punktes Abb. 3: Die extrahierten Instanzen. Jede Box repräsentiert eine Abb. 4: Das Führungsfahrzeug überträgt kontinuierlich Landmarken (rot)
Systeme (TAS) mit auf dem Dach montierten LiDAR-Sensoren repräsentiert die Höhe andere Objektinstanz und seine Trajektorie (blau)
Forschungsaktivitäten 2020 58 59

Prof. Dr. Carlo Masala Tim Tepel Dr. Christoph Dworschak Isabel Lang
Universität der Bundeswehr München, Universität der Bundeswehr München, Universität der Bundeswehr München, Universität der Bundeswehr München,
Kompetenzzentrum Krisenfrüherkennung Kompetenzzentrum Krisenfrüherkennung Kompetenzzentrum Krisenfrüherkennung Kompetenzzentrum Krisenfrüherkennung
Neubiberg Neubiberg Neubiberg Neubiberg

ciss@unibw.de ciss@unibw.de ciss@unibw.de ciss@unibw.de

Pilotprojekt Kompetenzzentrum Krisenfrüherkennung Im Rahmen der IT-unterstützten Krisenfrüherkennung werden Ein methodischer Arbeitsschwerpunkt des KompZ KFE
relevante Datenquellen zusammengeführt. Durch modellbasier- wird sich auf eine verbesserte Aufbereitung und Integration
te Auswertungen des Datenbestands werden Risikoabschätzun- unstrukturierter Daten in Modelle zur Krisenfrüherkennung
gen generiert. Eine zielgerichtete Ergebnisaufbereitung für beziehen. Hierzu zählen z. B. textuelle Informationen wie
Im durch das BMVg initiierten Pilotprojekt Kompetenz­ Das fachliche Portfolio des im Oktober 2020 gegründeten und Endnutzer unterstützt die Informations­beschaffung, ermög- Nachrichtenmeldungen. Das maschinelle Auslesen, Verstehen
zentrum Krisenfrüherkennung (KompZ KFE) entwickelt derzeit im Aufbau befindlichen KompZ KFE soll zur Leistungs- licht eine effizientere Analyse von Konfliktsituationen und und Einbinden von Nachrichtenmeldungen in Analyse- und
die Universität der Bundeswehr München methodisch- steigerung der ressorteigenen Assistenzsysteme des BMVg und somit eine verbesserte Entscheidungsunterstützung. Prognosemodelle kann eine bessere Verknüpfung von Daten-
innovative Ansätze zur Verbesserung digitaler Assistenz­ des AA zur Krisenfrüherkennung beitragen. In Fachbereich 1 grundlage und Modellvorhersagen ermöglichen und somit
systeme zur Krisenfrüherkennung. Das Auswärtige Amt werden Forschungstrends im interdisziplinären Bereich der Übergeordnete Zielsetzung in der Arbeit des KompZ KFE potenziell auch einen Mehrwert im Hinblick auf die Modell-
nimmt bereits seit Dezember vergangenen Jahres die Mög­ Krisenfrüherkennung bzw. des maschinellen Lernens gesichtet, ist stets die Umsetzung transparenter und nachvollziehbarer erklärbarkeit bieten. Es ergeben sich zudem Anknüpfungspunk-
lichkeit einer fachlich gleichberechtigten Koope­ration mit dem Ziel, vielversprechende Ansätze im Hinblick auf Modelle, die sich auf relevante Phänomene wie Konflikt­ te zur generellen Erschließung einer Nutzung von weiteren
an diesem Vorhaben wahr. projektrelevante Fragestellungen zu konzeptualisieren und eskalationen beziehen und hierzu neue konzeptionelle oder unstrukturierten Datenquellen, bspw. im Kontext von Social
prototypisch zu entwickeln. Fachbereich 2 fokussiert sich auf methodische Ansätze verfolgen. Media.
die Bereitstellung der ausgearbeiteten Ansätze als bedarfs-
trägerorientierte und implementierbare Proofs-of-Concept. Ein initiales konzeptionelles Arbeitsgebiet bezieht sich auf die Die Ergebnisse des KompZ KFE sollen darauf abzielen, in die ­
Daneben ist der freie wissenschaftliche Austausch zum Aufbau Verbesserung von Modellen zur Krisenfrüherkennung durch o. a. digitalen Assistenzsysteme der Bedarfsträger integriert
multinationaler fachlicher Netzwerkstrukturen ein weiterer den Fokus auf Akteure (anstatt auf geographische Regionen) als werden zu können. In diesem Zusammenhang werden durch
zentraler Aspekt des Projekts. Bezugsebene. Durch die dedizierte Betrachtung von Regierungs-, das KompZ KFE auch Ideen zur Darstellungsform von Daten
Oppositions- und Rebellengruppen ergibt sich potenziell eine und Modellergebnissen unter Berücksichtigung von Aspekten
Die sozio-ökonomischen Rahmenbedingungen in einem Staat präzisere Prognose von Konfliktverläufen, z. B. durch Vorhersa- der Nutzerergonomie erarbeitet. Eine effiziente Entscheidungs-
(siehe Abbildung 1 für ein Beispiel) sowie aktuelle politische gen zur Intensivierung von (un-)bewaffnetem Akteursverhalten, unterstützung wird durch eine möglichst intuitive und nach-
und gesellschaftliche Ereignisse, die z. B. aus Konfliktdaten- zu räumlich expansiven Aktivitäten und zu Beziehungsentwick- vollziehbare Ergebnisaufbereitung erreicht.
sätzen ableitbar sind (siehe Abbildung 2), können auf eskala- lungen. Abbildung 3 zeigt ein beispielhaftes Beziehungsnetz-
torische Konfliktdynamiken innerhalb bestehender Krisen werk.
oder auf ein Risiko für Konfliktausbrüche hinweisen.

Abb. 3: Aus dem Armed Conflict and Event


Abb. 1: Die Kindersterblichkeitsrate Location Data (ACLED) Datensatz extrahierter
wird häufig als Proxy-Indikator für Graph für Konfliktbeziehungen zwischen den
den sozio-ökonomischen Entwick- Abb. 2: Exemplarische Darstellung von Konfliktereignissen sieben aktivsten Akteuren in Cabo Delgado
lungsstand eines Landes verwendet (Jan. – Sep. 2020) aus dem Armed Conflict and Event (Jan. – Sep. 2020) *
(Quelle: World Bank World ­Develop- Location Data (ACLED) Datensatz für Cabo Delgado in
ment Indicators) Mosambik* * Quelle: Raleigh C, et al. (2010) Introducing ACLED-Armed Conflict Location and Event Data. Journal of Peace Research 47(5), 651-660
Forschungsaktivitäten 2020 60 61

M.Eng. Vivianne Marie Bruère de Carvalho Paiva Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Alexander Lion Prof. Dr.-Ing. habil. Michael Johlitz PD Dr.-Ing. habil. Jens Holtmannspötter
Universität der Bundeswehr München, Universität der Bundeswehr München, Universität der Bundeswehr München, Wehrwissenschaftliches Institut für Werk- und
Institut für Mechanik Institut für Mechanik Institut für Mechanik Betriebsstoffe (WIWeB)
Neubiberg Neubiberg Neubiberg Erding

info@unibw.de info@unibw.de info@unibw.de wiweb@bundeswehr.org

Untersuchung der Möglichkeiten zum 3D-Druck von Elastomerbauteilen Anfangs wurde eine Marktrecherche durchgeführt, auf deren In der Forschung ist es daher zwingend erforderlich, neue
für militärische Anwendungen Basis aktuelle Technologien zu untersuchen und deren Grenzen Materialien mit deutlich mehr Langzeitstabilität und Flexibi­
zu ermitteln waren. Derzeit erlauben die meisten Druckverfah- lität zu entwickeln (Abb. 3-6). Beides ist typisch für klassische
ren nicht die Verwendung von traditionellem, nicht-vulkani- Elastomere.
Additive Fertigungsverfahren (AF) werden zunehmend Der Druck von Elastomerbauteilen ist Gegenstand einer siertem Gummi. Es werden stattdessen für bereits bestehende
auch für militärische Produkte eingesetzt. Neben dem ­aktuellen Forschungsstudie der Universität der Bundeswehr AF-Technologien neue Materialien entwickelt, die gummiähn- Obwohl vielversprechende Ergebnisse vorliegen, begrenzen die
Druck mit Konstruktionswerkstoffen ist der Druck von München in Zusammenarbeit mit dem 3D-Druckzentrum der liche Eigenschaften aufweisen. Dazu werden hauptsächlich hohen und komplexen Werkstoffanforderungen an Elastomere
Elastomerbauteilen von besonderem Interesse zur Ver­ Bundeswehr im Wehrwissenschaftlichen Institut für Werk- und Druckverfahren mit Photopolymeren - gehärtet durch UV- noch den Einsatz der AF. Das von den klassischen rußgefüllten
einfachung der Logistik. Gleichzeitig ist er Gegenstand Betriebsstoffe (WIWeB). Elastomere sind bedeutend für viele Licht – oder Verfahren mit thermoplastischen Elastomeren Elastomeren bekannte Materialverhalten ist bei gedruckten
­eines aktuellen Forschungsvorhabens am Institut für Funktionen militärischer Systeme. Elastomerbauteile, wie z. B. (TPE) – eine Kombination aus einem thermoplastischen Materi- Elastomeren nicht immer vorhanden. Die mechanischen Eigen-
­Mechanik der Universität der Bundeswehr in München. Dichtungen in Hydraulikanlagen, altern im Betrieb und müssen al mit weichen Zusatzkomponenten eingesetzt. Zur Ermittlung schaften sind in der Regel unzureichend und die Herstellung
daher oft ersetzt werden. Die Vielzahl an Elastomerwerkstoffen, der Eigenschaften gedruckter Elastomerbauteile werden viel- komplexer Geometrien ist nicht mit allen Verfahren möglich.
Bauteilgeometrien und die komplexen Alterungvorgänge (die fältige mechanische Prüfverfahren eingesetzt. Die Technologieentwicklung wird aber stetig dynamischer. Fast
teils auch schon während der Lagerung auftreten) führen zu täglich erscheinen neue Verfahren, Lösungen und Verbesse-
großen Herausforderungen und Kosten für die militärische Die Ergebnisse zeigen, dass aktuelle AF-Technologien für rungen.
Logistik. Durch die AF könnten Ersatzteile in kurzer Zeit erstellt Elastomerbauteile noch erhebliche Fertigungseinschränkun-
werden und die kostenintensive Lagerhaltung reduziert werden. gen aufweisen. Je nach Bauteilgeometrie und Anforderungen Die Forschungsarbeiten müssen fortgesetzt werden, da erst
sind verschiedene Verfahren einzusetzen. Auch gibt es noch ein ausreichendes Verständnis der Eigenheiten und Grenzen
Gedruckte Elastomere müssen dazu ähnliche Materialeigen- wesentliche Defizite in den Materialeigenschaften. Die Ein- der AF von Elastomeren dazu beitragen wird, auch diese
schaften wie konventionell gefertigte Elastomere aufweisen. wirkung von natürlichem Sonnenlicht beschleunigt z. B. die Druckverfahren für die Bundeswehr nutzbar zu machen.
Das Ziel dieses Projektes besteht darin, Wissen über die Eigen- Aushärtung von Photopolymeren, wodurch diese in relativ
schaften gedruckter Elastomere sowie die Anwendbarkeit der kurzer Zeit verspröden. TPEs schmelzen naturgemäß bei
Verfahren zur Bauteilfertigung zu erarbeiten. Beispiele für Erwärmung, sind bei der Filamentextrusion schwer zu kon­
solche Elastomerbauteile sind Dichtungen, Abdeckungen trollieren und reagieren sehr empfindlich auf Feuchtigkeit,
oder Gummimanschetten (Abb. 1). was zu Blasenbildung und Druckfehlern führen kann (Abb. 2).

Abb. 1: Hohe Härte Silikongummi Bauteil, Abb. 2: Mikroskopische Aufnahme eines Thermoplasti- Abb. 3: Flexibilität eines Würfels, gedruckt Abb. 4: Photopolymer TangoBlackPlus Abb. 5: Thermoplastisches Polyurethan Estane 3D Abb. 6: Thermoplastischer Copolyester 86A (TPE-Typ)
3D gedruckt mit Material Jetting schen Polyurethans (TPE-Typ) mit Extrusionsfehlern mit Thermoplastischem Polyurethan 82A durch 70A aus dem PolyJet nach dem Zugver- TPU M95-A von Multi Jet Fusion nach dem Zugver- aus FFF nach dem Zugversuch (oben) und mit geringer
(Quelle: WIWeB) aus der „Fused Filament Fabrication“ (FFF) aufgrund FFF (Quelle: Vivianne Marie Bruère de Carvalho such (oben) und mit hoher Rückstellung such (oben) und mit mittlerem Rückstellverhalten Rückstellung in die Ausgangsform (unten)
übermäßiger Feuchtigkeit (Quelle: Vivianne Marie Paiva) in die Ausgangsform (unten) (Quelle: in die Ausgangsform (unten) (Quelle: Vivianne (Quelle: Vivianne Marie Bruère de Carvalho Paiva)
Bruère de Carvalho Paiva) Vivianne Marie Bruère de Carvalho Paiva) Marie Bruère de Carvalho Paiva)
Forschungsaktivitäten 2020 62 63

Dr.-Ing. Robert Schwarz Sertac Kaya, M.Sc. Univ.-Prof. Dr.-Ing. Andreas Knopp, MBA André Jähne
Universität der Bundeswehr München, Universität der Bundeswehr München, Universität der Bundeswehr München, ND SatCom GmbH
Institut für Informationstechnik Institut für Informationstechnik Institut für Informationstechnik Immenstaad am Bodensee
Neubiberg Neubiberg Neubiberg
info@ndsatcom.com
office.sp@unibw.de office.sp@unibw.de office.sp@unibw.de

SOTM Tests in der Bundeswehr Aufbau. Jedoch wird auch diese Technologie überwiegend gen 1 bis 3). Untersuchungsgegenstand war unter anderem die
als sogenanntes „elevated panel“ realisiert, um auch bei nied- Fähigkeit der Terminals, die Satellitenverbindung während der
rigen Elevationswinkeln eine möglichst große wirksame Fahrt zu halten und nach einer Abschattung durch Vegetation
Antennenfläche bieten zu können. Bei der Antennensteuerung oder Gebäude die Verbindung möglichst schnell wiederaufzu-
Mobile Satellitenkommunikation mit hohen Datenraten SOTM Terminals bestehen aus einer Außen- und einer Innen- und -nachführung gibt es teils erhebliche Unterschiede bauen. Als Modem kam jeweils das von ND SatCom entwickelte
über sogenannte SATCOM-on-the-Move (SOTM) Terminals einheit. Die Außeneinheit ist geschützt unter einem Radom auf hinsichtlich der eingesetzten Sensoren sowie dem Tracking- Satellitenmodem SKYWAN 5G zum Einsatz, welches bereits
ist essenziell für die Führungsfähigkeit in zukünftigen dem Fahrzeugdach montiert (Abbildungen 1 bis 3). Sie besteht Algorithmus. Ein direkter Vergleich der Leistungsfähigkeit in der Bundeswehr eingesetzt wird.
Einsätzen der Bundeswehr. Diese Fähigkeit soll daher im im Wesentlichen aus der Antenne, der Sende- und Empfangs- verschiedener Terminals gestaltet sich daher schwierig und
Rahmen des Programms Digitalisierung Landbasierte einheit sowie Komponenten zur Steuerung und Nachführung ist äußerst komplex. Die Testergebnisse zeigen erneut große Unterschiede im
Operationen (D-LBO) realisiert werden. Die Leistungs­ der Antenne. Zur Inneneinheit gehört das Modem, welches Trackingverhalten der Antennen, je nachdem wie groß und
fähigkeit solcher Terminals wurde an der Universität der je nach Systemauslegung des Herstellers noch durch weitere Die Referenz- und Testanlage für Satellitenkommunikation des schwer die Antennen sind und welche Technologie zur Nach-
Bundeswehr in München unter realen Einsatzbedingun­ Komponenten zur Antennensteuerung und Antennenkontrolle Munich Center for Space Communications an der Universität führung zum Einsatz kommt. Sogenannte Monopulse Tracking-
gen getestet. ergänzt werden kann. der Bundeswehr München ist darauf ausgelegt, vergleichende verfahren haben hier Vorteile gegenüber Antennen mit Conical
System- und Performancetests in einer realitätsnahen Umge- Scan Verfahren. Zudem spielt die Abstimmung der Modempa-
Inzwischen sind zahlreiche Systeme verschiedener Hersteller bung zu ermöglichen. Das Bodensegment der Anlage umfasst rameter auf die jeweilige Antenne und die Einsatzumgebung
am Markt erhältlich. Je nach Terminal und adressierten Einsatz- verschiedene Antennen mit Durchmessern bis rund acht Metern eine entscheidende Rolle, die theoretischen Datenblattwerte
zweck kommen unterschiedliche Technologien zur Anwendung. (siehe Abbildung 4). Es werden alle in der Satellitenkommuni- auch praktisch zu erreichen. Gerade in dieser Hinsicht haben
Eine zentrale Fragestellung bei der Entwicklung neuer Systeme kation üblichen Frequenzbänder unterstützt. Kern der Anlage die Tests und Diskussionen das Erfordernis eines Systeminte-
ist stets der Kompromiss zwischen einer möglichst hohen ist die umfangreiche Messgeräteausstattung (Abbildung 5) grators untermauert, um ein in sich abgestimmtes und für
Datenrate sowie hervorragende Nachführeigenschaften auf der zur Signalerzeugung und -aufzeichnung mit anschließender den jeweiligen Einsatzzweck optimiertes Gesamtsystem aus
einen Seite, und einem möglichst geringen Gewicht, niedriger Analyse und Auswertung (Abbildung 6). Antenneneinheit und Modem zu liefern.
Leistungsaufnahmen bei kleinem Formfaktor auf der anderen
Seite. Bei der Antennentechnologie sind vor allem Phased Array Ende 2020 wurden drei weitere am Markt verfügbare SOTM
Systeme von den klassischen Parabolantennen zu unterscheiden. Terminals in Zusammenarbeit mit der Firma ND SatCom
Phased Array Antennen ermöglichen grundsätzlich einen flachen GmbH aus Immenstaad am Bodensee getestet (siehe Abbildun-

Abb. 1: SOTM Terminal mit klassischer Parabol- Abb. 2: SOTM Terminal mit Phased Array Abb. 3: Phased Array SOTM Antenne des Herstellers Abb. 4: Antennen des Munich Center for Space Abb. 5: Laboreinrichtung und Messgeräteausstattung Abb. 6: Auswertung der Messergebnisse
antenne und mit Monopulse Tracking Verfahren Antennentechnologie des Herstellers ADS INSTER (Quelle: ND SatCom, 2020) Communications der Universität der Bundeswehr des Munich Center for Space Communications (Quelle: ND SatCom, 2020)
des Herstellers EM Solutions (Quelle: ND SatCom, (Quelle: ND SatCom, 2020) München (Quelle: Thomas Benz, just imagine) (Quelle: UniBw, 2019)
2020)
Forschungsaktivitäten 2020 64 65

Prof. Dr. Michael Eßig PD Dr. Andreas H. Glas Kapitän z.S. Ludwig Lennartz
Universität der Bundeswehr München Universität der Bundeswehr München Bundesministerium der Verteidigung
Neubiberg Neubiberg Bonn

info@unibw.de info@unibw.de BMVgAI2@bmvg.bund.de

Defence Acquisition & Supply Management: Wehrwirtschaftlich fundierte Innerhalb der Betriebswirtschaftslehre existiert eine durchaus Beschaffung der UniBw M angesiedelt (vgl. Abb. 2 und 3). So wird
Beschaffungsforschung für die Bundeswehr lange Tradition der Beschaffungsforschung. Als erste explizit aus der Vernetzung mit den anderen Forschungsgruppen des
beschaffungsbezogene Veröffentlichung gilt das 1887 erschie- Arbeitsgebiets (u.a. die Stiftungs-Juniorprofessur der Audi AG
nene Buch „Purchasing and materials function“ von Kirkman; über den Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft) relevan-
In einer neuen Forschungsgruppe Defence Acquisition & Die Bundeswehr schließt jährlich Verträge im Umfang von der vermutlich erste Kurs zu „Purchasing and Supply Manage- tes Wissen für die wehrwirtschaftliche Forschung entstehen.
Supply Management manifestiert sich die Kooperation des etwa 11 Mrd. € und gilt damit als größte öffentliche Einkaufs- ment“ wird 1917/18 an der Harvard University gehalten. Eine
BMVg mit dem Arbeitsgebiet Beschaffung der Universität organisation. Einerseits wird über die Beschaffung die Industrie deutschsprachige Rüstungsbeschaffungsforschung hat sich Der offizielle Aufbau von DASM beginnt im akademischen Jahr
der Bundeswehr München zur betriebswirtschaftlichen zur Ausrüstung (welche von Flugzeugen bis zur Büroausstattung dagegen noch kaum etabliert, d.h. die Beschaffungsprozesse 2020/2021 mit der Besetzung der Stelle des wissenschaftlichen
Analyse der Rüstungsbeschaffung. Sie bündelt die seit über reichen kann) beauftragt, andererseits bestimmt die Leistungs- im Verteidigungssektor sind wissenschaftlich bislang wenig Geschäftsführers, basiert aber auf Forschungsarbeiten, die be-
zehn Jahren auf Projektbasis durchgeführten Einzelvorhaben fähigkeit der Industrie darüber die Einsatzfähigkeit der Streit- untersucht. Ganz im Gegensatz zum angelsächsischen Raum, reits seit vielen Jahren durchgeführt werden. Dazu gehören u. a.
u. a. zur Entwicklung einer Beschaffungsstrategie oder zur kräfte. Aus Sicht der Beschaffung ist es daher unerlässlich, ihre wo diese Fragestellungen unter dem Begriff Defence Acquisition folgende Themen: Mit Performance Based Logistics (PBL) wird
Situationsanalyse der wehrtechnischen Industrie. Beschaffungsmärkte zu kennen und die Handlungsweisen Management relativ breit rezipiert sind. Defence Acquisition eine Neugestaltung der Vertragsbeziehungen mit Lieferanten
ihrer Akteure zu verstehen. Management ist ein Ansatz, der den Spezifika der Rüstung untersucht. Im Mittelpunkt steht der Ansatz, die Vergütung der
gerecht wird und entsprechend die Steuerung des gesamten Lieferanten an das Leistungsergebnis (bspw. Verfügbarkeit eines
Dies ist umso wichtiger, als die Bundeswehr haushalts- und Prozesses für Beschaffung und Nutzung komplexer Systeme Waffensystems in %) zu knüpfen. So wird vermieden, dass bspw.
vergaberechtlich verpflichtet ist, wirtschaftlich zu handeln. umfasst – von der Bedarfsanforderung, der Entwicklung, der Selbstkostenerstattungssysteme zu Fehlanreizen führen. Erste
Zwar agiert die Bundeswehr als öffentliche Organisation nicht Produktion über den Betrieb bis zur Außerdienststellung und empirische Befunde zeigen, dass PBL-Systeme tatsächlich zu
erwerbswirtschaftlich, muss aber trotzdem das gewünschte Entsorgung eines (Waffen-) Systems (vgl. Abb. 1). einer höheren Verfügbarkeit führen (vgl. Abb. 4). Mit dem Lebens-
Ergebnis bei der Erschließung des Leistungsbedarfs mit ge- wegkostenmanagement geht man der Frage nach, welche
ringstmöglichem Ressourceneinsatz und damit wirtschaftlich Orientiert an diesem Ansatz hat sich das Bundesministerium Gesamtkosten mit einem Waffensystem verbunden sind. Dazu
erreichen. Um diesem Prinzip gerecht zu werden und besser der Verteidigung entschlossen, die systematische Erforschung wurde u.a. eine Erhebung im Bereich der wehrtechnischen
zu verstehen, welche Auswirkungen ihr Beschaffungshandeln wehrwirtschaftlicher Beschaffung in einer Forschungsgruppe Industrie durchgeführt und Instrumente zur Kostenmessung
auf die Märkte und damit die zuliefernde Industrie hat, ist eine Defence Acquisition & Supply Management (DASM) zu bündeln identifiziert. Zudem wurden bereits mehrere Branchenstudien
wehrwirtschaftliche Beschaffungsforschung unerlässlich. und dazu entsprechende personelle und materielle Ressourcen („Defence Industry Compass“) durchgeführt, welche insgesamt
bereitzustellen. Die Forschungsgruppe ist am Arbeitsgebiet einen Überblick über die Wehrwirtschaft bieten.

Abb. 1: Perspektive Kosten- und Leistungsmanagement Abb. 2: Wehr- und Beschaffungswirtschaftliche Forschung Abb. 3: Universität der Bundeswehr München Abb. 4: Evaluation der Verfügbarkeit eines Systems
Forschungsaktivitäten 2020 66 67

Dr. Annika Krick Prof. Dr. Jörg Felfe Prof. Dr. Karl-Heinz Renner
Helmut-Schmidt-Universität / Helmut-Schmidt-Universität / Universität der Bundeswehr München
Universität der Bundeswehr Hamburg Universität der Bundeswehr Hamburg Neubiberg
Hamburg Hamburg
info@unibw.de
pressestelle@hsu-hh.de pressestelle@hsu-hh.de

Gesundheit erfolgreich und bedarfsgerecht fördern! bei aktuellem Leidensdruck), gute Rahmenbedingungen des leistet einen wichtigen Beitrag, um diesen „mental health gap“
Arbeitgebers (Zeit-, Wege- und Kostenersparnis, Attraktivität zu schließen.
der Angebote), positive Mundpropaganda, Ermutigung und
aktive Unterstützung durch Kolleginnen und Kollegen sowie Die Ergebnisse der Evaluation eines von uns entwickelten
Erfolgreiches Betriebliches Gesundheitsmanagement Teilnahme und Nicht-Teilnahme (Non Response) am Betrieb­ durch die direkten Führungskräfte. Damit tragen organisa- Stärken- und Ressourcentrainings zur Stressprävention (SRT;
(BGM) muss die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter errei­ lichen Gesundheitsmanagement – Ursachen und Gegenmaß- torische, führungsbezogene, soziale als auch individuelle https://staerken-ressourcen-training.jimdofree.com, siehe
chen und passende Angebote machen, besonders wenn nahmen Faktoren wesentlich zur Teilnahmeabsicht und zur Teilnahme Abb. 1 und 2) zeigen, dass teilnehmende Personen eine signi-
es um psychische Gesundheit geht. Welche Faktoren die bei. Wesentliche teilnahmehemmende Faktoren sind ein ein- fikante Verbesserung subjektiver Evaluationskriterien (Acht-
Teilnahme an BGM-Maßnahmen fördern und behindern Hinsichtlich der wahrgenommenen Belastung in der Bundes- seitiges Angebot (nur Bewegung), die Angst vor Stigmatisierung, samkeit, SelfCare, positiver Affekt, Gelassenheit, Resilienz,
und wie Stressmanagement durch ein bedarfsgerechtes wehr zeigen unsere Ergebnisse, dass 35 % der insgesamt 1142 aber auch die zum Teil mangelnde Unterstützung durch die Stress- und Beschwerdereduktion) im Vergleich zu einer inakti-
Stärken- und Ressourcentraining verbessert werden kann, befragten Beschäftigten und 46 % der 469 Führungskräfte die direkte Führungskraft und Kolleginnen und Kollegen sowie ven Kontrollgruppe aufweisen. Der Vergleich mit einer aktiven
­haben wir in zwei Projekten untersucht. psychischen Belastungen als „hoch“ oder „sehr hoch“ einschät- noch sehr ausbaufähige Bedingungen in der Infrastruktur. Kontrollgruppe (Progressive Muskelentspannung) zeigte eine
zen. Über 71 % artikulieren vor dem Hintergrund physischer Überlegenheit des SRT in der Wirksamkeit des SRTs hinsichtlich
und psychischer Belastungen einen hohen oder sehr hohen einer Zunahme in SelfCare, positivem Affekt, und Achtsamkeit,
Bedarf an BGM-Angeboten. Unsere Ergebnisse zeigen weiter- Bedarfsgerechte Stressprävention und Ressourcenförderung sowie einer Reduktion der Beschwerden und Müdigkeit. Zudem
hin eine positive Einstellung zu BGM. im BGM-Rollout der Bundeswehr zeigten SRT-Teilnehmende über die Zeit hinweg eine größere
Zunahme der Herzratenvariabilität (HRV) als die PMR-Teil-
Von den Beschäftigten mit hohem bzw. sehr hohem Bedarf Die seit Jahren hohe Prävalenz psychischer Arbeitsbelastungen nehmenden und die inaktive Kontrollgruppe.
nehmen immerhin 71 % bereits an BGF-Maßnahmen teil. ist innerhalb und außerhalb des Geschäftsbereichs BMVg in
Jedoch gibt es auch 29 % mit hohem bzw. sehr hohem Bedarf, den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gerückt. Gleichzeitig Wir haben zudem ein Multiplikatorenschulungs-Konzept
die noch nicht erreicht werden. Von denjenigen, die keinen fokussieren die BGM-Maßnahmen an den unterschiedlichen entwickelt, erfolgreich umgesetzt und positiv evaluiert, um
bzw. geringen Bedarf haben, nehmen 19 % teil. Als wichtigste Bundeswehr-Standorten bisher hauptsächlich den Bereich Peers als Trainerinnen und Trainer des SRTs auszubilden.
Teilnahmegründe konnten folgende Faktoren identifiziert „Bewegung“ und damit eher die physische Gesundheit. Bedarfs- Zudem wurde das SRT für den militärischen Bereich erfolg-
werden: gesundheitlicher Nutzen durch BGM (zum Erhalt der gerechte und spezifische Maßnahmen zur Förderung der reich angepasst.
Gesundheit/Sportlichkeit bzw. Verbesserung der Gesundheit psychischen Gesundheit fehlen weitgehend. Unser Projekt

Abb. 1: Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Stärken- und Ressourcentrainings (SRT) Abb. 2: Teilnehmerinnen und Teilnehmer am SRT bei einer Achtsamkeitsübung
lernen verschiedene mögliche Ressourcen kennen (body scan)
Forschungsaktivitäten 2020 68 69

Oberstleutnant Dipl.-Inform. Gerhard A. Schwarz Univ.-Prof. Dr. Gunnar Teege mit dem neuen Informationsmanagementkreislauf selbstsyn- der Streitkräftebasis wurden mit einer ersten Untersuchung
Universität der Bundeswehr München, Universität der Bundeswehr München,
Institut für Technische Informatik Institut für Technische Informatik chronisierend im Sinne eines gemeinsamen Ziels (command „Führen mit IT“ begonnen, militärische Führungsprinzipien
Neubiberg Neubiberg
intent), um Agilität und Vorsprung zu erzielen (Abb. 1). Bewährte (Führen mit Auftrag) und Informationstechnik über dieses
dekanat.inf@unibw.de dekanat.inf@unibw.de
Verfahren einschließlich moderner Technologiestacks (Web kollaborative Informationsmanagement zu vereinen (Abb. 4).
Oriented Architecture, Microservices etc.) werden nicht ersetzt,
sondern durch die Informationsnetze gekapselt und flexibel neu Im Vordergrund der Betrachtung steht eine angemessener
verknüpft. Das Informationsmanagement steuert die Erschlie- Kompromiss zwischen einerseits immer schnellerer Entwick-
Führen mit IT ßung der Daten auf technischer Ebene (Datenmanagement) lung und Reaktionsfähigkeit versus einer dennoch klar struk-
und verbindet über Informationsnetze Führungsinformation turierten, wohldurchdachten, resilienten und nachhaltigen
mit Applikationen, die für den Nutzer mit aktuellen „Low- Architektur der IT. Am Beispiel der „Methode Architektur“
Coding-Plattformen“ agile und dynamische weiterentwickelt der Bundeswehr ist diese Schere zwischen Modellierung des
Eine gemeinsame Wissensbasis als „Shared Information Im Zivilen wirkt Industrie 4.0 als aktueller Innovationsimpuls werden. Dabei erlauben die Parallelen zu Unternehmensarchi- Zielzustandes und der Umsetzung besonders auffällig, da
Space“ (SIS) mit einem verteilten, NetOpFü-fähigen Informa­ und Internet of Things zeigt eine Facette von Weiser‘s Vision tekturen eine nahtlose Integration in vorhandene IT-Govern­ sowohl die Modellierung als auch die Realisierungen Jahre
tionsmanagement verschafft modernen kollaborierenden des „allgegenwärtigen, unauffälligen Computers“, während ance (Abb. 2). verschlingen, so dass die Ergebnisse den Nutzer oft nicht
Wissensarbeitern genauso wie militärischen Akteuren Vor­ im Militärischen diese Entwicklung als „Vernetzte Operations- (mehr) überzeugen.
sprung und Wirkungsüberlegenheit. Das Konzept „Führen führung“ (NetOpFü) bekannt ist. Gerade das „Ubiquitous Com- Der generische Informationsmanagementkreislauf ist zwar
mit IT“ erlaubt den Umbau militärischer „Führungspaläste“ puting“ führt uns vor Augen, dass der Weg zum Erfolg nicht der militärischen Führung entlehnt und wurde mit einem Der Informationsmanagementkreislauf erlaubt zwei wesent-
zu sich agil weiterentwickelnden und Ad hoc anpassbaren alleine auf dem Feld der Technik oder Applikation liegt, son- „WhatsBw“ genannten Prototypen überprüft, eignet sich liche Prinzipien zu vereinen: ein agiler Aufbau einer Erstbefähi-
„Führungszelten“ (Community of Interest). dern gerade die Integration des Nutzers mit seinem Wissen, aber gleichermaßen für die allgemein nutzbare „gegenseitige gung mit dynamischer Nutzung, agiler Fortschreibung und
Sinnfindungspotential (Sensemaking) und seiner Kreativität Informiertheit“ als auch Sinnfindung. Wiederverwendung bewährter Anteile zur Zielbefähigung sowie
den essentiellen Vorsprung erzielt. eine sich stetig an die Anforderungen anpassende Struktur der
Mit diesen Prototypen aus den F&T-Studien konnte die Eig- Organisation durch das Community of Interest-Prinzip. Eine
Studien in der wehrtechnischen Forschung und Technologie nung und Nutzbarkeit des Informationsmanagementkreises frühe Erkenntnis, auch aus der NATO „Net Force“-Untersuchung,
(F&T) nutzten ein bei der Universität der Bundeswehr München bei militärischen Anwendungsfällen, aber auch für Alltags- ist, dass sich hierüber sowohl hochagile Führungsvorgänge als
definiertes Informationsnetz, das über die Information dyna- aufgaben wie Messaging gezeigt werden (Abb. 3). Der Vorteil auch verstetigte und optimierte Arbeitsprozesse gleichermaßen
misch Mensch und Technik (H – I – T) verbindet. Diese Informa- besteht insbesondere in der Wiederverwendbarkeit der Nach- organisieren und durch einen SIS als Drehscheibe unterstützen
tionsdrehscheibe realisiert mit ihrer semantischen Ordnung richten in den Arbeitsprozessen und einem parallelen Aufbau lassen.
Schmidt/Bannon‘s Idee des „Shared Information Space“ (SIS). der eigenen Wissensbasis. Dieser, nicht nur für militärische
Die aus NetOpFü abgeleitete Vernetzung setzt in den Infor- Führung im Einsatz relevante, ressourcensparende Umgang
mationsnetzen gleichzeitig Inhalt und Modellbildung als mit Information kann auch bei der Projektentwicklung in
Unternehmensarchitektur (oberste Schichten) um. Die Nutzer der Rüstung, der Planung oder Einsatznachbereitung sowie
organisieren ihre Führungsinformation und Kollaboration in jedem Bereich kognitiver Arbeit angewandt werden. In

Abb. 1: Informationsmanagement vernetzt über Information Abb. 2: NetOpFü-fähiges Informationsmanagement in der Abb. 3: Systemskizze „WhatsBw“ auf der Basis Informationsnetze
Köpfe und Technik (H – I - T) (Quelle: Gerhard Schwarz) SIS-Cloud (Quelle: Gerhard Schwarz) (Quelle: Gerhard Schwarz)

Abb. 4: Konzeption Führen mit IT (Quelle: Bundeswehr)


Forschungsaktivitäten 2020 70 71

Prof. Dr.-Ing. Jens P. Wulfsberg Major d.R. Marc Fette M.Sc. & MBA Kapitänleutnant Sascha Hartig M.Sc. Tobias Meyer M.Sc. Eugen Musienko M.Eng.
Helmut-Schmidt-Universität / Helmut-Schmidt-Universität / Helmut-Schmidt-Universität / Helmut-Schmidt-Universität / Helmut-Schmidt-Universität /
Universität der Bundeswehr Hamburg, Universität der Bundeswehr Hamburg, Universität der Bundeswehr Hamburg, Universität der Bundeswehr Hamburg, Universität der Bundeswehr Hamburg,
Laboratorium Fertigungstechnik Laboratorium Fertigungstechnik Laboratorium Fertigungstechnik Laboratorium Fertigungstechnik Laboratorium Fertigungstechnik
Hamburg Hamburg Hamburg Hamburg Hamburg

Forschungsbuero@hsu-hh.de Forschungsbuero@hsu-hh.de Forschungsbuero@hsu-hh.de Forschungsbuero@hsu-hh.de Forschungsbuero@hsu-hh.de

Analyse der Recyclingfähigkeit von thermoplastischen Kunststoffen Hier fallen im Schnitt laut der deutschen Umwelthilfe pro Neben dem CD&E Projekt „3D-Druck in der Bundeswehr“,
zur Nutzung bei additiver Fertigung im maritimen Sektor Person 200 Flaschen pro Jahr an und auch an Bord deutscher welches sich mit der Integration der additiven Fertigung in
Marineschiffe stellen sie den Großteil an thermoplastischen existierende Bundeswehr-Prozesse und -Abläufe beschäftigt,
Kunststoffabfällen dar. In Kooperation zwischen dem Labora- werden im vom Wehrwissenschaftlichen Institut für Werk-
Die additive Fertigung wird im maritimen Sektor immer Die Relevanz additiver Fertigung mittels thermoplastischer torium Fertigungstechnik der Helmut-Schmidt-Universität / und Betriebsstoffe (WIWeB) getragenen und an der Helmut-
stärker integriert. Schiffe bieten durch ihre dislozierte Kunststoffe steigt im maritimen Bereich kontinuierlich. Universität der Bundeswehr Hamburg und der Deutschen Mari- Schmidt-Universität durchgeführten Studienprojekt „AddiMuK“
Position auf See eine besondere Umgebung. Ressourcen ­Anwendungsfälle zur schnellen Ersatzteilherstellung an Bord ne sollen diese ungenutzten Ressourcen im Labor zu nutzbarem primär technologische und wirtschaftliche Aspekte der addi-
sollten aufgrund der begrenzten Lagerkapazitäten an Bord befinden sich derzeit noch im Forschungsstadium. Filament für den FFF-Druck umprozessiert werden. tiven Ersatzteilfertigung unter Nutzung von Techniken sowie
optimal genutzt werden. Das Recycling von thermoplasti­ neuen Methoden des Reverse Engineering untersucht. Auf-
schen Abfällen bietet eine solche Optimierungsmöglich­ Vorreiter in diesem Bereich ist die militärische Seefahrt. Erste Experimente und Untersuchungen zum Recycling von grund der Notwendigkeit zur Bereitstellung eines prozess-
keit, damit diese erneut an Bord genutzt werden können. Nationen wie die USA oder die Niederlande haben additive Fehldrucken und Abfallprodukten, Abbildung 2 – 4, sind viel- spezifischen Ausgangsmaterials in geeigneter Form, ergibt
Fertigungsmöglichkeiten in Form von Fused Filament Fabri- versprechend und bieten Potentiale für die Nutzung an Bord. sich eine thematische Schnittmenge mit Synergiepotential
cation (FFF)-Druckern an Bord bereits integriert. Derzeit wird Die geplanten Experimente mit Polymeren, die im Ursprung zwischen Recycling und dezentraler additiver Ersatzteilferti-
das für die FFF-Drucker benötigte Material bis zur Nutzung nicht für den 3D-Druck hergestellt wurden, stellen nun den gung nach akutem und spezifischem Bedarf. Hierdurch lässt
eingelagert. Wenn zukünftig der Bedarf für die additive Ferti- nächsten konsequenten Schritt dar. Die Arbeiten zum Werk- sich ein Spezialfall der dezentralen additiven Fertigung unter-
gung an Bord steigt, wird auch der Materialbedarf steigen. stoff-Recycling ergänzen dabei das Vorhaben, die additive suchen, welcher sowohl für Schiffe und Boote der Bundeswehr,
Um diesen Bedarf nahezu autark zu decken, wie in Abbildung 1 Fertigung als Gruppe neuartiger Fertigungsverfahren zur aber zukünftig und zunehmend auch für den zivilen maritimen
gezeigt, kann das Recycling von thermoplastischen Kunst- Nutzung in die Bundeswehr einzuführen. Da die additiven Sektor eine hohe Relevanz besitzen könnte.
stoffen einen wichtigen Beitrag leisten. Ergebnisse von Filament- Fertigungsverfahren aufgrund ihrer Wirkweise in der Lage sind,
recycling im nichtindustriellen Maßstab entsprechen zum Einzelstücke und kleine Losgrößen wirtschaftlich zu fertigen,
jetzigen Stand der Technik nicht den qualitativen Ansprüchen, sollen diese zum Zweck der verbesserten Ersatzteilversorgung
die für eine Nutzung und mögliche Applikationen notwendig im Rahmen des Obsoleszenz-Managements der Bundeswehr
sind. Dabei werden viele thermoplastische Kunststoffe an Bord eingesetzt werden.
in anderer Form, wie z.B. Kunststoffflaschen genutzt, die
wiederum nach ihrer Verwendung als Abfall entsorgt werden.

Abb. 1: Schematische Darstellung eines möglichen Anwendungsfalles Abb. 2: Desktop-Filamentherstellungsanlage mit Trockner (links) und Abb. 3: Letzter Prozessschritt der Filamentherstellung Abb. 4: Darstellung des Filamentdurchmessers über die Prozesszeit mit oberem
für 3D-Druck an Bord. Das Ausgangsmaterial für den Drucker wird durch ­Extruder mit integrierter Aufpuleinrichtung (rechts) Extrusion von recyceltem Material und anschließendes und unterem Grenzwert für die Herstellung von 1,75mm PLA Filament
Recycling thermoplastischer Kunststoffabfälle an Bord gewonnen Aufspulen
Forschungsaktivitäten 2020 72 73

Patrick Nowak Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Udo Zölzer Lorenz Kröner Dr.-Ing. Véronique Zimpfer
Helmut-Schmidt-Universität / Helmut-Schmidt-Universität / Deutsch-Französisches Forschungsinstitut Saint-Louis (ISL) Deutsch-Französisches Forschungsinstitut Saint-Louis (ISL)
Universität der Bundeswehr Hamburg Universität der Bundeswehr Hamburg Saint-Louis, Frankreich Saint-Louis, Frankreich
Hamburg Hamburg
isl@isl.eu isl@isl.eu
Forschungsbuero@hsu-hh.de Forschungsbuero@hsu-hh.de

Räumliches 3D-Audio zur Verbesserung des Gehörschutzes von Soldaten Demgegenüber kann die binaurale Synthese eine virtuelle mit mehreren gleichzeitigen Schallquellen ermöglicht die
Schallquelle an beliebiger Position erzeugen, indem ein mon- räumliche Trennung der Schallquellen das Extrahieren der
aurales Audiosignal mit dem entsprechenden AOÜF-Paar wichtig­sten Informationen durch Konzentration auf eine
gefiltert wird. Auf diese Weise können neue akustische Szenen Schallquelle. Die binaurale Synthese trägt somit zur Verbesse-
Aufgrund des hohen Geräuschpegels auf dem Gefechtsfeld Menschen sind in der Lage, Schallquellen basierend auf dem erzeugt werden. Für Soldatinnen und Soldaten kann die binau- rung der Sprachverständlichkeit bei, was zu einem besseren
ist ein Gehörschutz für erfolgreiche Missionen unerlässlich. Einfluss der menschlichen Anatomie, wie Ohrmuschel, Kopf rale Synthese verwendet werden, um sowohl den Gehörschutz Verständnis neuer Anweisungen, einer schnelleren Reaktions-
Das Tragen des Gehörschutzes reduziert jedoch das Situations­ und Rumpf, auf das am Trommelfell eintreffende Schallfeld als auch die Kommunikation zu verbessern. zeit und einem besseren Bewusstsein für Bedrohungen führt.
bewusstsein von Soldatinnen und Soldaten. Durch räumliches zu lokalisieren. Für die horizontale Lokalisation werden haupt-
3D-Audio kann der Gehörschutz mit einem transparent klin­ sächlich interaurale Zeit- und Pegeldifferenzen ausgewertet. Aufgrund des hohen Geräuschpegels und der Stoßwellen auf Bisherige Untersuchungen haben gezeigt, dass binaurale Syn-
genden System ausgestattet und die Kommunikation mit Darüber hinaus liefern monaurale spektrale Merkmale Infor- dem Gefechtsfeld, die ein ernstes Risiko für das Gehör darstellen, these basierend auf der Verwendung nicht individueller AOÜF
zusätz­lichen Richtungsinformationen aufgewertet werden. mationen zur vertikalen Lokalisation. Die richtungsabhängigen ist ein Gehörschutz für Soldatinnen und Soldaten unerlässlich. zu großen Richtungsfehlern, einer erhöhten Vorne/Hinten-
Außenohrübertragungsfunktionen (AOÜF) zwischen externen Das Tragen von Gehörschutz verändert jedoch die Lokalisa- Vertauschungsrate und einer Im-Kopf-Lokalisation führt.
Schallquellen und dem Trommelfell fassen diese Merkmale zu- tionsmerkmale und verringert so die Lokalisationsfähigkeit. Das Kooperationsprojekt zwischen HSU und ISL fokussiert
sammen. Aufgrund der unterschiedlichen Anatomie mensch- Binaurale Synthese kann verwendet werden, um die Audio- sich sowohl auf neue Gehörschutzentwürfe als auch auf die
licher Körper sind AOÜF sehr individuell. signale wiederherzustellen, die die ursprünglichen Merkmale Messung, Simulation und Approximation individueller AOÜF.
enthalten, wodurch die Richtungsinformation der externen Weiter wird die binaurale Synthese in Bezug auf die Lokali-
Obwohl Stereosignale ermöglichen, eine Schallquelle entlang Schallquelle beibehalten wird und zu einem transparent klin- sationsgenauigkeit und die Realisierbarkeit auf gewichts­
der interauralen Achse zu verschieben, wird weder eine verti- genden Gehörschutz führt. optimierten und stromsparenden eingebetteten Systemen
kale Lokalisation noch eine Externalisierung erzielt (Abb. 1). verbessert, um die speziellen Anforderungen an den Gehör-
Im Vergleich dazu stellt das binaurale Rendern über Kopfhörer Zusätzlich kann die binaurale Synthese verwendet werden, schutz für Soldatinnen und Soldaten zu erfüllen.
die dreidimensionale Lokalisationsfähigkeit wieder her, indem um die Kommunikation zu verbessern, indem räumliche
die Signale, die beim natürlichen Hören am Trommelfell Informationen in das übertragene Audiosignal einbezogen
auftreten, aufgezeichnet oder synthetisiert werden. Obwohl werden. Auf diese Weise erhalten Soldaten gleichzeitig Infor-
binaurale Aufnahmen einfach zu implementieren sind, ist mationen über den Inhalt der Nachricht und die Position
die Wiedergabe auf die aufgenommenen Szenen beschränkt. des Sprechers oder der Bedrohung (Abb. 2). In Szenarien

Abb. 1: Beispielhafte Verwendung von räumlichem 3D-Audio für das Setup von fünf Lautsprechern. Raum 1 zeigt den Referenzaufbau mit fünf realen Laut- Abb. 2: Szenario eines Gefechtsfelds mit mehreren gleichzeitigen Schallquellen, wie einer Nachricht von einem anderen Soldaten von vorne rechts, einem
sprechern. Im Vergleich dazu werden die Lautsprecher in Raum 2 und Raum 3 durch einen Kopfhörer ersetzt. Bei der Verwendung von Stereosignalen über neuen Befehl vom Basislager von hinten rechts und der Warnung über ein feindliches Flugzeug auf der linken Seite. Bei gleichzeitiger Wiedergabe der Audio-
Kopfhörer in Raum 2 sind nur Verschiebungen der virtuellen Schallquelle entlang der interauralen Achse zwischen den beiden Ohren möglich, während die signale hört der linke Soldat eine nicht unterscheidbare Mischung der einzelnen, monauralen Signale und kann die Schallquellen schwer voneinander trennen.
Verwendung von räumlichem 3D-Audio in Raum 3 externe virtuelle Schallquellen in Richtung der in Raum 1 gezeigten realen Lautsprechern ermöglicht Dagegen kann der rechte Soldat aufgrund der räumlichen Informationen der binauralen Signale die Schallquellen trennen und eine Einzelne fokussieren
Forschungsaktivitäten 2020 74 75

Prof. Dr.-Ing. Jens P. Wulfsberg Hauptmann d.R. Marc Fette, M.Sc. & MBA Kapitänleutnant Sascha Hartig, M.Sc. Eugen Musienko, M.Eng. Frank Landmann André Knörnschild, M.Sc. (Eng),
Helmut-Schmidt-Universität / Helmut-Schmidt-Universität / Helmut-Schmidt-Universität / Helmut-Schmidt-Universität / Wehrtechnische Dienststelle für Schutz- und Dipl.-Ing. Medizintechnik (FH)
Universität der Bundeswehr Hamburg, Universität der Bundeswehr Hamburg, Universität der Bundeswehr Hamburg, Universität der Bundeswehr Hamburg, Sondertechnik (WTD 52) Wehrtechnische Dienststelle für Schutz- und
Laboratorium Fertigungstechnik Laboratorium Fertigungstechnik Laboratorium Fertigungstechnik Laboratorium Fertigungstechnik Schneizlreuth Sondertechnik (WTD 52)
Hamburg Hamburg Hamburg Hamburg Schneizlreuth
WTD52posteingang@bundeswehr.org
Forschungsbuero@hsu-hh.de Forschungsbuero@hsu-hh.de Forschungsbuero@hsu-hh.de Forschungsbuero@hsu-hh.de WTD52posteingang@bundeswehr.org

Nutzung von additiver Fertigung zur Herstellung von Surrogaten tution von Gewebe und Knochen durch Surrogate. Hierbei ist In diesem Zusammenhang bedanken wir uns bei den anderen
für die Analyse Nichtletaler Wirkmittel die additive Fertigung als eine der Kerntechnologien iden­ teilnehmenden Dienststellen und Instituten, die ebenso einen
tifiziert wurden, da diese vielversprechend die komplexen wesentlichen Beitrag zum Erfolg geleistet haben:
Strukturen der menschlichen Formgebung abbilden kann. • Wehrtechnische Dienststelle 91, Geschäftsfeld 450
Validierte und wissenschaftlich fundierte Aussagen über die In diesem Zusammenhang fehlt es an Prüf- und Validierungs- Es ist jedoch davon auszugehen, dass bei der Herstellung eine • Ludwig-Maximilian-Universität, Institut für Rechts­
Auswirkungen von Nichtletalen Wirkmitteln (NLW) auf den möglichkeiten, die es den Dienststellen der Bundeswehr Verfahrenskombination eingesetzt werden muss. medizin
menschlichen Körper liegen kaum vor. Diese sind essentiell, ­ermöglichen sicherzustellen, dass NLW die komplexen und • Universität der Bundeswehr München, Professur für
um sicherzustellen, dass es beim Einsatz von kinetischen NLW multi-kriteriellen Anforderungen erfüllen. Hierbei können Ziel der gemeinsamen Arbeit ist es daher, zunächst eine Pro- ­Waffen- und Munitionstechnik
zu keinen schweren oder tödlichen Verletzungen kommen Knochen- und Organsurrogate zum Einsatz kommen, welche zesskette zu entwickeln und prototypisch umzusetzen, mit • Deutsch-Französisches Forschungsinstitut Saint-Louis
kann. Daher muss die Möglichkeit entwickelt werden Aus­ sowohl die Formgebung, als auch die physikalischen Eigen- deren Hilfe, basierend auf einer Analyse des Stands der Technik • Fraunhofer-Institut für Kurzzeitdynamik,
wirkungen von NLW prognostizieren zu können. schaften von Gewebe und Knochen imitieren. und eines internen Workshops, Knochen- und Organsurrogaten Ernst-Mach-Institut, EMI
anforderungsgerecht gefertigt werden sollen. Entwickelt werden • Wehrwissenschaftliches Institut für Werk- und Betriebs-
Die aus den Prüf- und Validierungsmöglichkeiten resultie- soll eine Methodik zur Evaluierung der vorhandenen Techno- stoffe (WIWeB) Geschäftsfeld 240 in Erding
renden Daten und Erkenntnisse können zudem in moderne logien auf dem Markt zur Herstellung von Surrogaten (siehe Ab- • Universitätsklinikum Leipzig, Institut für Rechtsmedizin
Simulationsmethoden einfließen, die zukünftig die Anzahl und bildung 1 bis 2). • Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, Institut für
den Umfang physischer Untersuchungen reduzieren können. Rechtsmedizin
Die Beschaffung bzw. die Herstellung von Surrogaten, wel­che Weiterhin sollen dann mithilfe der ausgewählten Technologien
die notwendigen Anforderungen erfüllen, ist derzeit schwer und Materialien Testcoupons sowie -körper verschiedener Größe
zu ­realisieren. und Komplexität zur Berücksichtigung unterschiedlicher
Anforderungsspektren hergestellt werden.
Aus Grund des Mangels an verlässlichen Surrogaten befasst
sich die Wehrtechnischen Dienststelle 52, Geschäftsfeld 320 Im Dezember 2020 hat zu dieser Thematik ein viertägiger
(WTD 52) zusammen mit dem Laboratorium Fertigungstechnik Workshop stattgefunden, organisiert von der HSU und der
der Helmut-Schmidt-Universität / Universität der Bundeswehr WTD 52, bei dem die Kernanforderungen und möglichen
Hamburg (kurz: HSU) mit der anforderungsgerechten Substi- Technologien für die Surrogat-Herstellung erarbeitet wurden.

Abb. 1: Diagramm der Dichte zur Zugfestigkeit Abb. 2: Schaubild der Druckfestigkeit von
von möglichen Surrogat-Materialien menschlichen Knochen und Gewebe
Forschungsaktivitäten 2020 76 77

M.Sc. Jakob Krooß Prof. Dr.-Ing Alexander Fay TRDir. Felix Kümmerlen
Helmut-Schmidt-Universität / Helmut-Schmidt-Universität / Wehrwissenschaftliches Institut für Schutztechnologien
Universität der Bundeswehr Hamburg Universität der Bundeswehr Hamburg – ABC-Schutz (WIS)
Hamburg Hamburg Munster

Forschungsbuero@hsu-hh.de Forschungsbuero@hsu-hh.de WISPosteingang@bundeswehr.org

Echtzeitdetektion, Lokalisierung und Volumenschätzung In zwei vorhergehenden Projekten wurde deshalb bereits Schlussendlich wurde der berechnungsintensive Teil des Algo-
von Deflagrationen in militärischen Fahrzeugen ein Algorithmus für die Detektion von Deflagrationen in den rithmus experimentell von der CPU- bzw. GPU-Umsetzung
Bildern mehrerer Hochgeschwindigkeitskameras (200 Hz) auf ein Field Programmable Gate Array portiert, wodurch dessen
entwickelt. Im Vergleich zu den aktuell verwendeten Infrarot- Verarbeitungsdauer pro Bild auf einen garantierten, vernach-
Durch die Ergänzung mit Infrarotsensoren sowie die Por­ Deflagrationen im Inneren militärischer Fahrzeuge stellen eine sensoren generierte dieser jedoch viele Fehlalarme. lässigbaren Wert im ns-Bereich gesenkt werden konnte.
tierung auf ein Field Programmable Gate Array konnten große Gefahr für die Besatzung dar (Abb. 1). Die Besatzungs-
die Anfälligkeit gegenüber Fehlalarmen sowie die Berech­ räume gepanzerter Fahrzeuge der Bundeswehr sind deshalb Im Rahmen des aktuellen Projekts wurde das Kamera-Detek­ Insgesamt ist das resultierende Kamera-Sensor-Detektionssystem
nungszeit eines auf Bildverarbeitung basierenden Systems überwiegend mit Brandunterdrückungsanlagen ausgestattet, tionssystem durch die bereits eingesetzten Infrarotsensoren bzgl. Sensitivität, Spezifität und Detektionsgeschwindigkeit nun
für die Deflagrationsdetektion deutlich reduziert werden. um eine anlaufende Deflagration bereits während ihrer frühen ergänzt (Abb. 2), um die Anfälligkeit gegenüber Fehlalarmen den bisher verwendeten Sensor-Detektionssystemen ebenbürtig.
Weiterhin wurde durch neuartige Algorithmen die Robust­ Entwicklung zu detektieren und zu löschen. zu reduzieren. Durch die sich ergänzenden Detektionsver- Ergänzend zu diesen können jedoch weitere Informationen
heit der Lokalisierung und Volumenschätzung erhöht. fahren ist das Risiko von Fehlalarmen nun effektiv niedriger über die Deflagration wie Ort und Volumen und deren Ent-
Eine Alternative zum inzwischen verbotenen Halon und an- als beim ausschließlichen Einsatz der Infrarotsensoren. In wicklung über die Zeit bereitgestellt werden. Die Kosten des
deren die Ozonschicht schädigenden Löschmitteln stellt ein den durchgeführten Versuchen in einem nachgebauten Be- Gesamtsystems werden dabei nicht wesentlich erhöht.
Wassernebel dar, der gesundheitlich völlig unbedenklich ist. satzungsraum (Abb. 3) wurden trotzdem alle Deflagrationen
Die volle Löschwirkung des Wassernebels kann jedoch nur frühzeitig erkannt. Im Fokus weiterer Forschungen steht nun insbesondere die
erreicht werden, wenn er gezielt am Ort der Deflagration aus- punktgenaue Ausbringung des Wassernebels.
gebracht wird. Daher muss die Deflagration nicht nur frühzeitig Zudem wurde ein speziell an den Anwendungsfall angepasster
detektiert, sondern auch genau lokalisiert und ihr Volumen Lokalisierungsalgorithmus entwickelt. Der neue Algorithmus
ermittelt werden. ist, insbesondere gegenüber Reflexionen, deutlich robuster als
bisherige Verfahren und ermöglicht den Einsatz des Detektions-
Aktuelle Detektionssysteme basieren auf Infrarotsensoren und systems auch unter Einsatzbedingungen mit partiellen Ver-
können eine Deflagration zwar ausreichend schnell (<15 ms) de- deckungen der Kameras und reflektierenden Oberflächen.
tektieren, liefern jedoch keine weiteren Informationen über deren Weiterhin wurde ein effizienter Algorithmus für die Volumen-
Ort, Größe oder Ausbreitungsgeschwindigkeit und sind somit schätzung entwickelt.
nicht für die Verwendung mit Wassernebelsystemen geeignet.

Abb. 1: Zeitlicher Verlauf einer künstlich erzeugten Deflagration. Zwischen den Bildern liegen jeweils 10 ms Abb. 2: Ideale Kamerapositionierung. Jeder Punkt im Besatzungsraum Abb. 3: Das in den Versuchen verwendete Mock-Up
wird von mindestens zwei Kameras abgedeckt. Jeweils eine Kamera und eines Schützenpanzers
ein Infrarotsensor bilden eine Einheit
Forschungsaktivitäten 2020 78 79

Prof. Dr. Jörg Felfe Dr. Annabell Reiner ORR Dr. Keven England Oberstleutnant Alexander Kleiszmantatis
Helmut-Schmidt-Universität / Helmut-Schmidt-Universität / Einsatzführungskommando der Bundeswehr Einsatzführungskommando der Bundeswehr
Universität der Bundeswehr Hamburg Universität der Bundeswehr Hamburg Schwielowsee Schwielowsee
Hamburg Hamburg
einsfuekdobwchdst@bundeswehr.org einsfuekdobwchdst@bundeswehr.org
forschungsbuero@hsu-hh.de forschungsbuero@hsu-hh.de

Der Einfluss von Maßnahmen aus dem Bereich der Betreuung im Einsatz Standort erheblich: So sind z. B. die Möglichkeiten zur Aus- Befindlichkeit, Zufriedenheit mit Arbeits- und Lebenssituation,
auf die Gesundheit und Motivation der Soldatinnen und Soldaten übung von sportlichen Outdoor-Aktivitäten in Gao, Mali auf- Verbundenheit mit der Bundeswehr und dem Soldatenberuf
grund der Hitze deutlich eingeschränkt (Abb. 1). Auf Zypern sowie ihrer Bereitschaft, erneut in den Einsatz zu gehen, gefragt.
wurde der Hitze mit klimatisierten Sportzelten entgegengewirkt
Einen wichtigen Beitrag zur Entwicklung und zum Erhalt Verschiedene individuelle und organisatorische Faktoren (Abb. 2). Sowohl klimatisch als auch von der Ausstattung her Die Ergebnisse aus der quantitativen Studie bestätigen die
der Einsatzfähigkeit und -bereitschaft leistet die Betreuung beeinflussen die Einsatzbereitschaft von Soldatinnen und bieten sich den Soldatinnen und Soldaten in Al-Azraq, Jordani- wichtige Rolle der BiE für die Soldatinnen und Soldaten im
im Einsatz (BiE). In einem Projekt zur Evaluation der BiE Soldaten in den Einsatzgebieten. Während es hinreichend en, ideale Trainingsbedingungen. So wird der MilFit-Container Einsatz. Vor allem Angebote aus dem Bereich Sport und
zeigten sich positive Effekte von Angeboten aus dem Bereich Evidenz für die Bedeutung von individuellen Merkmalen gerne für die Erhaltung der individuellen Fitness genutzt (Abb. 3) Unterhaltung sowie die Qualität der Internet- und Telefon-
Betreuungskommunikation, Sport, Unterhaltung und Unter­ oder Charakteristika der Tätigkeit (z. B. Arbeitsinhalt, -klima) und der Basketball- und Fußballplatz zur Stärkung des Team- versorgung stellten sich als wichtige Faktoren für die Zufrie-
stützung auf die Gesundheit, Motivation, Einsatzbereitschaft gibt, wurde die Wirkung von Maßnahmen aus dem Bereich geistes (Abb. 4). Das relativ neu errichtete Camp verfügt zudem denheit, Motivation und Gesundheit der Soldatinnen und
und das Commitment der Soldatinnen und Soldaten. der BiE bisher kaum untersucht. In einem von 2017 bis 2019 über eine großzügige Betreuungseinrichtung mit Kicker, Billard- Soldaten heraus. Es zeigte sich zudem, dass diese Aspekte auch
vom Einsatzführungskommando und einem Projektteam der tisch, Büchern, Spielen und Filmen (Abb. 5). einen inkrementellen Beitrag über den Einfluss von demogra-
Universität der Bundeswehr Hamburg um Prof. Jörg Felfe und fischen Merkmalen und Charakteristika der Tätigkeit hinaus
Prof. Wenzel Matiaske durchgeführten Projekt zur Evaluation Insgesamt wurden N = 3095 Personen in den verschiedenen leisten. Obwohl die Einsatzfähigkeit der Soldatinnen und
der BiE wurden die Effekte von Angeboten aus dem Bereich Einsatzkontingenten der Bundeswehr befragt, von denen Soldaten in den Einsatzgebieten vor allem durch individuelle
Betreuungskommunikation, Sport, Unterhaltung und Unter- 7,8 % weiblich und 51,1 % unter 30 Jahre alt waren. 30 % hatten und Job-Charakteristika bestimmt wird, spielt demnach die
stützung durch Betreuungspersonal auf die physische und Mannschaftsdienstgrade, 50,4 % Unteroffiziersdienstgrade BiE eine nicht zu unterschätzende Rolle. Militärische Organisa-
mentale Gesundheit, Motivation, Einsatzbereitschaft und und 17,3 % Offiziersgrade oder höher inne. Die Teilnahme an tionen sollten diesen Bereich demzufolge nicht vernachlässigen,
das Commitment der Soldatinnen und Soldaten im Einsatz der Befragung war freiwillig und die Rückmeldequote vari- sondern dafür sorgen, dass Betreuungsmaßnahmen erhalten
untersucht. ierte zwischen 40 und 90 %. Im Rahmen der Fragebogenstudie und weiter ausgebaut werden.
wurden neben demografischen Aspekten und der Bewertung
Um möglichst valide Erkenntnisse zu sammeln, wurden der Rahmenbedingungen die Zufriedenheit und das Nutzungs-
durch das Projektteam vor Ort in den Einsatzgebieten Daten verhalten der Angebote aus dem Bereich BiE sowie spezifisch
erhoben und Beobachtungen getätigt. Teilweise variierten der Betreuungskommunikation erfragt. Des Weiteren wurden
die Rahmenbedingungen und Betreuungsangebote je nach die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nach ihrer aktuellen

Abb. 1: Outdoor-Sportzone in Gao, Mali (2018) Abb. 2: Zelt mit Sportgeräten auf Zypern (2018) Abb. 3: MilFit-Container in Al-Azraq, Jordanien (2018) Abb. 4: Sportanlage in Al-Azraq, Jordanien (2018) Abb. 5: Betreuungseinrichtung in Al-Azraq, Jordanien (2018)
Forschungsaktivitäten 2020 80 81

TRDir Dr. Stefan Potthast Messanordnung Rechnung trägt. Dabei werden sowohl wis- Höhe von 30 m mit verschiedenen Geschwindigkeiten zwi-
Wehrwissenschaftliches Institut für Schutztechnologien
– ABC-Schutz (WIS) senschaftliche (Variation in der Messgeometrie) wie auch schen 5 und 50 km/h. Es ist deutlich zu erkennen, dass der
Munster
operationelle ­Aspekte eines UAV-Einsatzes (z. B. hinsichtlich Maximalwert mit zunehmender Fluggeschwindigkeit deut-
WISPosteingang@bundeswehr.org
der Flughöhen und -geschwindigkeiten) berücksichtigt. lich zurückgeht. Die detektierte Dosisleistung ist also auch
geschwindigkeitsabhängig und nicht nur eine Funktion der
Im Februar 2020 wurde von den beteiligten Instituten am WIS Flughöhe, wie es nach dem Abstandsquadrat-Gesetz eigent-
eine Testkampagne auf einem abgesperrten Gelände realisiert, lich zu erwarten wäre. Eine mögliche Ursache hierfür liegt
Einfluss der Flugparameter auf das Detektionsverhalten um sowohl die Flugsicherheit wie auch den Strahlenschutz darin begründet, dass mit steigender Geschwindigkeit der
luftgestützter RN-Sensorik gewährleisten zu können. Für die Aufnahme der Messwerte räumliche Abstand der Messpunkte zunimmt, weil die Mes-
wurden umschlossene radioaktive Quellen (Cs-137 bzw. Co-60) sung konstant im zeitlichen Abstand von 1,8 s erfolgt.
auf dem Boden ausgelegt und vom UAS auf definierten Flug-
Die UAV-gestützte, ortsaufgelösten RN-Detektion (RN: Radio­ Aufgrund der zunehmenden Verwendung unbemannter, pfaden (Abb. 1) überflogen. Die Nuklide ergeben sich aus dem Damit entspricht die Entfernung Quelle (zum Zeitpunkt der
logische bzw. Nukleare Gefahrstoffe) ist ein wesentliches luftgestützter Plattformen (UAV) insbesondere in der Nach- Umstand, dass sie auch für die im Datenblatt angegebenen und Messung) -Sensor nicht mehr unbedingt der Flughöhe, da
Element im ABC-Raumschutz. Im NATO DAT (DAT: Defence richtengewinnung und -aufklärung stellt die Kombination statischen gewonnenen Werte genutzt wurden. die Lage der Messpunkte in Bezug auf die Position der Quelle
Against Terrorism) Projekt TEARS wurde der Einfluss ver­ eines Mini-UAV mit einer Nutzlast von 1 – 5 kg mit einem zeitabhängig ist. Bei stationären Anwendungen (bzw. hand-
schiedener Flugparameter (Geschwindigkeit, Höhe u. a.) auf entsprechenden RN-Sensor einen großen Vorteil im Bereich Die Pfade sind durch Variation der Flughöhe, der -geschwindig- getragenen Detektoren und Schrittgeschwindigkeit) spielen
die Leistungsfähigkeit von Detektoren untersucht. Die Daten der ABC-Aufklärung dar (Abb. 1). Recherchen ergeben, dass keit, der Seitenablage und der Messrate gekennzeichnet. Auf- diese Abweichungen keine Rolle, für luftgestützte müssen
zeigen, dass durch die Flugbewegungen eine Veränderung RN-Sensoren in der benötigten Gewichtsklasse nicht nur grund operationeller Überlegungen (hohe Aufklärungs- und aber die Effekte entweder mathematisch kompensiert, oder
der absolut gemessenen Werte gegenüber der stationären marktverfügbar sind, sondern sogar als explizit geeignet für Bekämpfungswahrscheinlichkeit in einem nicht-kooperativen der räumliche Abstand der Messpunkte konstant gehalten
Anordnung bewirkt wird. die Integration an einem UAV beworben werden. Die dabei Umfeld) ist eine Flughöhe unter 20 m nicht sinnvoll. Die maxi- werden, d. h. mit zunehmender Geschwindigkeit die Mess­
veröffentlichten Daten für Nachweisgrenze und energeti- male Höhe hingegen ergibt sich aus Quellstärke und Detektions- rate erhöht werden.
schem Auflösungsvermögen stellen zwar einen vielverspre- limit und kann variieren. Getestet wurde mit maximal 50 m.
chenden Ansatz dar, die ermittelten Leistungsdaten beruhen
aber auf statischen Messanordnungen im Labor und sind Ähnliche Überlegungen gelten für die Geschwindigkeit. Niedrige
­daher nur bedingt auf dynamische, 3-dimensionale Mess­ Geschwindigkeiten bei gleichzeitig geringen Flughöhen bergen
anordnungen übertragbar. operationelle Risiken (Entdeckung und Bekämpfung), können
jedoch bei größeren Höhen durchaus genutzt werden. Es wurde
Im Rahmen des durch die NATO Counter Terrorism Section daher mit Werten zwischen 5 und 50 km/h getestet.
der Emerging Security Challenges Division unterstützten Pro-
jektes „Test and Evaluation of Airborne RN-Sensors (TEARS)“ Die Abbildung 2 zeigt die Abhängigkeit des detektierten Maxi-
wurde von Belgien (DLD, SKFCEN) und Deutschland (FKIE, malwertes der Dosisleistung beim zentralen Überfliegen (d. h.
WIS) ein Testverfahren entwickelt, welches der dynamischen der laterale Offset beträgt 0 m) einer Cäsium-137 Quelle in einer

Abb. 1: Beispiele für ein Mini UAV (links) und RN-Sensor (rechts) Abb. 2: Messaufbau zur Evaluation luftgestützter RN-Sensorik (links). Maximale Dosisleistung als
Funktion der Geschwindigkeit (rechts)
Forschungsaktivitäten 2020 82 83

TRDir Dr. Ralf Hetzer Eine Möglichkeit, virtuell ein engmaschigeres Netz zu schaffen, keit des UAS die Ortsauflösung des Systems definiert. Des
Wehrwissenschaftliches Institut für Schutztechnologien
– ABC-Schutz (WIS) ist die Installation von Sensoren auf hochmobilen Trägerplatt- Weiteren sollte ein UAS-geeignetes IMS leicht sein und ein
Munster
formen, insbesondere UAS. Durch ihre hohe Beweglichkeit kleines Bauvolumen besitzen.
WISPosteingang@bundeswehr.org
können sie auf ihrer Bewegungsstrecke sowohl gefährliche
Substanzen detektieren und identifizieren als auch ein Kon- Im Rahmen des F&T-Vorhabens „C(B)RN-Sensorsätze“ wurde
zentrationsprofil aufnehmen. Die so erhobenen Daten können daher ein miniaturisiertes, hochempfindliches und stark
dann mit Ausbreitungsmodellen verknüpft und in die Zukunft auflösendes IMS als Labordemonstrator aufgebaut und mit
Hochauflösende und hochsensitive Ionenmobilitätsspektrometer und die Vergangenheit extrapoliert werden, d. h. es könnte Gefahrstoffen vorcharakterisiert. Anschließend wurde im Jahr
für Unmanned Aircraft Systems sowohl ggfs. die Quelle und anfänglichen Konzentrationen als 2020 das Nachweisverhalten des Systems gegenüber verschie-
auch die weitere Ausbreitung der Gefahrstoffwolke berechnet denen chemischen Kampfstoffen untersucht. Hierbei konnten
werden. die bereits mit „normalen“ Gefahrstoffen erhaltenen sehr guten
Der ABC-Raumschutz soll vernetzte Sensoren nutzen, um Die unbemannte luftgestützte Detektion von chemischen Ergebnisse mit chemischen Kampfstoffen bestätigt werden.
den Truppenführern sowie zivilen Einsatz- und Rettungs­ Kampf- und anderen Gefahrstoffen stellt deutlich höhere An- Dieser Ansatz stellt aber auch zusätzliche Anforderungen Das weiterentwickelte IMS ist den marktverfügbaren Systemen
kräften ein möglichst vollständiges Lagebild zur Verfügung forderungen an Sensorsysteme als bedieneroperierte Systeme, an Sensoren, die von bestehenden Systemen nicht abgedeckt deutlich überlegen. Auf Basis des Labordemonstrators wurde
zu stellen. Einen entscheidenden Beitrag hierzu können UAS da direkte Eingriffe ins System und Kontrolluntersuchungen werden. Die gängigste Sensortechnologie zur mobilen Detektion dann ein mitflugfähiges IMS-System aufgebaut, welches 2021
(Unmanned Aircraft Systems)-getragene Sensoren leisten. durch den Bediener während der Mission nicht möglich sind. von hochtoxischen Gefahrstoffen, wie chemischen Kampf- in Labor- und Feldversuchen charakterisiert werden soll.
Im Beitrag wird ein Ionenmobilitätsspektrometer (IMS) Diese höheren Anforderungen betreffen sowohl die elektroni- stoffen, sind heute Ionenmobilitätsspektrometer (IMS). IMS
vorgestellt, welches für die Verwendung an UAS optimiert sche und mechanische Zuverlässigkeit des Sensorsystems als zeichnen sich durch eine geringe Baugröße und ein robustes Wenn sich in den geplanten Experimenten die Ergebnisse
wurde. auch dessen Selektivität und Sensitivität. Design aus, darüber hinaus sind sie schnell und sensitiv. des Labordemonstrators mit diesem mitflugfähigen System
Für einen Einsatz auf einem UAS sind die heute kommerziell reproduzieren lassen, könnte ein solches UAS-gestütztes IMS
Zur Etablierung eines ABC-Raumschutzes ist ein engmaschiges erhältlichen IMS aber weniger geeignet. Sie sind daraufhin ein entscheidender Beitrag zur Fähigkeit des ABC-Raum-
Netz von Sensoren notwendig. Dessen Maschenweite definiert optimiert, dass sie von einem Nutzer getragen und bedient schutzes sein.
die Zeit bis zur Registrierung eines CBRN-Ereignisses, die Er- werden. Für einen UAS-gebundenen Einsatz müssen diese
fassungswahrscheinlichkeit und die minimale erfassbare Größe entsprechend angepasst werden. UAS-getragene IMS müssen
der Freisetzung. Bei einem sehr engmaschigen Netz sind folglich möglichst niedrige Nachweisgrenzen besitzen und einen hohen
das Lagebild und der Schutz der eigenen Kräfte am genauesten. Dynamikbereich aufweisen, da sie nicht nur vor toxischen
Leider wirkt der Preis der benötigten Sensoren dem Aufbau Konzentrationen warnen sollen, sondern auch hochverdünnte
eines engmaschigen Netzes entgegen. Die Preise für Sensoren Kampfstoffe in größerer Entfernung von der Quelle erfassen
für chemische Kampfstoffe liegen pro Einheit zwischen einigen müssen. Ihre Selektivität muss zusätzlich erhöht werden, da
tausend und zehntausenden Euro. falsch-positive Ergebnisse nicht durch den Bediener vor Ort
überprüft werden können. Die Wiederholungsrate der Messun-
gen muss hoch sein, da diese mit der Bewegungsgeschwindig-

Abb. 1: Miniaturisierte IMS-Röhre mit Abb. 2: Labordemonstrator für ein miniaturisiertes, UAS-geeignetes Abb. 3: Ionenmobilitätsspektrum von 390 pptv (2 µg/m³) Abb. 4: Nachweisgrenze für Sarin
nicht-radioaktiver Ionisationsquelle IMS-System Sarin in synthetischer Luft
Forschungsaktivitäten 2020 84 85

Hauptmann M.Sc. Christoph Petroll TORR Dr.-Ing. Felix Zimmer LTRDir PD Dr.-Ing. habil. Jens Holtmannspötter Prof. Dr.-Ing. Kristin Paetzold
Wehrwissenschaftliches Institut für Werk- und Wehrwissenschaftliches Institut für Werk- und Wehrwissenschaftliches Institut für Werk- und Universität der Bundeswehr München,
Betriebsstoffe (WIWeB) Betriebsstoffe (WIWeB) Betriebsstoffe (WIWeB) Institut für Technische Produktentwicklung
Erding Erding Erding Neubiberg

wiweb@bundeswehr.org wiweb@bundeswehr.org wiweb@bundeswehr.org info@unibw.de

Einsatz von Methoden der Künstlichen Intelligenz bei der additiven Designraum als direkte Entwurfsgrundlage zu bekommen. Lastverläufe jedes einzelnen Designs automatisiert berechnet.
­Fertigung zur vernetzten Produktentwicklung Die Grundlage für die Verteilung bildet ein Metamodell, wel- In der Umsetzung werden automatisierte topologische, aerodyna­-
ches die zur Optimierung erforderlichen Eigenschaften und mische und thermodynamische Simulationen durchgeführt,
Randbedingungen abbildet. Das Metamodell entsteht durch die für alle Designs unabhängig durchlaufen.
Für die computerunterstützte Optimierung von Hochleis­ Am 3D Druckzentrum der Bundeswehr wird u. a. die Mög- Trainingsbeispiele in einer Lernphase als statistisches Modell.
tungsbauteilen werden in einem neuen Ansatz Methoden lichkeit erforscht, Bauteile durch die höhere Designfreiheit Das Vorgehen wird dabei in 5 Phasen unterteilt. In der vierten Phase wird nun ein künstliches neuronales
des maschinellen Lernens und der Produktentwicklung additiver Fertigungsverfahren zu verbessern. Dazu werden Netz aus den Trainingsdaten erstellt. Die erstellten Designs
verknüpft. Bauteile können so für verschiedene Anforde­ rechnerunterstützte Optimierungsverfahren eingesetzt, die Die erste Phase beschäftigt sich mit den beschriebenen Lasten, werden als Materialverteilung in einer Matrix als Trainings-
rungen parallel optimiert werden. Dazu wird eine große aber in der Regel nur eine Art von Anforderungen berücksich- die die reale Antriebseinheit erbringen und aushalten muss. input verwendet. Der jeweils zugehörige Output stammt aus den
Anzahl von Designvarianten erstellt, mit numerischen tigen. Bei komplexen Bauteilen die mehrere Anforderungen, Es werden zusätzlich die geometrischen Randbedingungen, Simulationsergebnissen. Die durch das Training bestimmten
Verfahren berechnet und durch eine Künstliche Intelli- wie z. B. Festigkeit, Aerodynamik oder Fertigbarkeit haben, wie u. a. die Position des Verbrennungsmotors, sowie Rand- Gewichtungen innerhalb des neuronalen Netzes sollen nun
genz bewertet. erzeugen die konkurrierenden Optimierungsziele nicht direkt bedingungen zur additiven Fertigbarkeit berücksichtigt. das Verhalten der Antriebseinheit abbilden, es entsteht ein
lösbare mathematische Kombinationen. sogenanntes Metamodell.
Die zweite Phase beinhaltet die Erstellung von generischen
Der neu entwickelte Ansatz versucht die funktionale An­ Designs. Generisch bedeutet, dass automatisiert Designvarian- Die Wahrscheinlichkeiten, die vom Metamodell erkannt
forderungen an ein Bauteil parallel zu berücksichtigen. Zur ten in großer Anzahl (in aktuellen Rechnungen > 105) generiert werden, können im letzten Schritt als sogenannte „Heatmap“
Validierung des Ansatzes wird in enger Kooperation mit der werden, mit den geometrischen Randbedingungen für die Funk- dreidimensional visualisiert werden. Die örtliche Auflösung
herstellenden Firma eine Antriebseinheit einer aktuellen tionalität und mit einer pseudozufälligen Struktur (= ohne ist durch die zur Verfügung stehende Rechenleistung aktueller
Aufklärungsdrohne mit Verbrennungsmotor optimiert. Die mathematische erkennbare Muster zu wiederholen). Des Wei- Systeme begrenzt.
Antriebseinheit besteht aktuell aus über eintausend Einzel- teren muss bei jedem generischen Design eine physikalische
bauteilen und soll auf ein maßgeblich tragendes Bauteil und Plausibilität vorliegen. Es ist wichtig, dass z. B. eine FEM Sensiti- Zusammengefasst erlaubt der neue Ansatz die Verknüpfung
die notwendigen technischen Anbauteile reduziert werden. vitätsanalyse erfolgen kann, mit validen Größen. von mathematischen Optimierungsfunktionen über die
Bauteilfunktionalität, ohne eine direkte mathematische
Das Ziel ist es, unter Einhaltung aller Randbedingungen, eine Die Sensitivitätsanalyse ist die dritte Phase. In dieser werden Kopplung der Lösungsfunktionen.
Gewichtung der Verteilung von Material im vorgegebenen die topologischen, aerodynamischen und thermodynamischen

Abb. 1: Drohnenantriebseinheit mit abgeleitetem Designraum Abb. 2: Erstelltes generisches Design mit beispielhaften Randbedingungen Abb. 3: Generisches Design, das für drei Anforderungen durch Abb. 4: Wahrscheinlichkeitsverteilung für das Material des
FE-Simulationen bewertet wurde Metamodells im Designraum
Forschungsaktivitäten 2020 86 87

TRAmtm Jörg Rehbein, M.Sc TORR Sebastian-Johannes Lorenz, M.Sc. LTRDir PD Dr.-Ing. habil. Jens Holtmannspötter
Wehrwissenschaftliches Institut für Werk- und Wehrwissenschaftliches Institut für Werk- und Wehrwissenschaftliches Institut für Werk- und
Betriebsstoffe (WIWeB) Betriebsstoffe (WIWeB) Betriebsstoffe (WIWeB)
Erding Erding Erding

wiweb@bundeswehr.org wiweb@bundeswehr.org wiweb@bundeswehr.org

Digitalisierung Zerstörungsfreier Prüfverfahren siert und Prozesse durch den Einsatz innovativer Technologien stellung lassen sich Prüfergebnisse positionsgetreu digital
neugestaltet werden. archivieren, fusionieren und durch Augmented oder Virtual
Reality (VR) Systeme sowohl im virtuellen Raum als auch an
Der informationstechnische Ablauf einer zerstörungsfreien der realen Struktur darstellen. Abb. 4 veranschaulicht eine
Neue Technologien wie Sensor Tracking, Augmented Reality Für den sicheren Einsatz neuer Waffensysteme müssen diese Prüfung gliedert sich in die Arbeitsschritte Datenaufnahme, AR-gestützte Ultraschallprüfung. Der Nutzer wird durch zusätz-
(AR) und digitale Zwillinge zeigen ein großes Potential zur in regelmäßigen Abständen oder nach Überbelastungen auf Datenverarbeitung und Visualisierung. Diese werden auf Ihr liche digitale, in das Sichtfeld projizierte, Inhalte unterstützt.
Verbesserung von Verfahren der zerstörungsfreien Werk­ Schäden untersucht werden. Je nach Material und Strukturgeo- Verbesserungspotential hin untersucht. Für das Projekt wurde Dies sind neben einer Echtzeitauswertung im Prüfbereich
stoffprüfung (ZfP). Das Projekt HANGAR zielt darauf ab, den metrie werden unterschiedliche ZfP-Verfahren eingesetzt. eine neue Laborumgebung geschaffen. Dort können ZfP- (Abb. 5) z. B. Informationen, welche klassisch auf einem mobilen
Einsatz dieser Technologien für die ZfP zu untersuchen und Verfahren zum einen in eine kollaborative Roboterkinematik Prüfgerät angezeigt werden, sowie Prüfanweisungen oder
für die Bundeswehr nutzbar zu machen. Die modernen Luftfahrzeuge der Bundeswehr wie z. B. der (Abb. 2) integriert werden, um kleinere Testkörper automati- geometrische Eigenschaften des Prüfobjekts (Struktur der
UH Tiger oder das Transportflugzeug A400M bestehen zu einem siert in einem lokalen Koordinatensystem zu untersuchen. Rückwand). Der digitale Zwilling fungiert hierbei sowohl als
großen Anteil aus kohlenstofffaserverstärkten Kunststoffen Darüber hinaus wurde ein Hallenbereich mit einem flächen- Informationsquelle, als auch als Datenspeicher. Während sich
(CFK). Da es erst wenig Erfahrungen mit dem Betriebsverhalten deckenden Trackingsystem ausgestattet. In diesem befindet AR insbesondere für den Prüfprozess und die Visualisierung
dieser Werkstoffe vorliegen, werden ZfP-Verfahren in großem sich eine CFK-Heckstruktur eines Transporthubschraubers am Prüfobjekt eignet, bietet VR Vorteile für die qualifizierte
Umfang eingesetzt. Gängige händische Verfahren sind u. a. die (Abb. 3). Mit Hilfe des Trackingsystems werden die Positionen ortsunabhängige Schadensbewertung. Da sämtliche Infor-
Ultraschallprüfung (Abb. 1) und die Thermografie. von ZfP-Sensoren, Benutzern und Visualisierungsgeräten be- mationen zentral verfügbar sind, können ZfP-Daten über
stimmt und nachverfolgt. Durch das neue Labor ist es möglich, die komplette Nutzungsdauer gesammelt und im Gesamt­
Im Forschungsprojekt HANGAR (Highly Advanced Non- verschiedene Messverfahren zu optimieren und an einer zusammenhang interpretiert werden. Ebenso wird das verteilte
Destructive Testing With Gamification and Augmented Reality) ­realen Struktur anzuwenden. kooperatives Arbeiten auf einer gemeinsamen Datenbasis
liegt der Fokus auf der Digitalisierung und Verbesserung der ermöglicht.
Leistungsfähigkeit der ZfP-Verfahren für die militärische Zur Zuordnung der digital vorliegenden Prüfdaten zum Prüf-
Luftfahrt. Angestrebt werden Verbesserungen in den Bereichen objekt werden digitale Zwillinge der Strukturen geschaffen.
Ergonomie/Usability, Kosten/Nutzen, Messgenauigkeit/Proba- Diese enthalten u.a. aktuelle und ältere Prüfergebnisse, CAD-
bility of Detection und Reduzierung des Ausbildungsumfangs. Daten und 3D-Scans (Abb. 3). Durch die eindeutige zeitliche
Im Rahmen des Projektes sollen die Datenaufnahme digitali- Verknüpfung der Datenaufnahme und der zugehörigen Sensor-

Abb. 1: Klassische Ultraschallprüfung an einer Abb. 2: Leichtbauroboter, der Abb. 3: Reales Hubschrauberheck (links) und mittels 3D-Scan Abb. 4: AR-gestützte Ultraschallprüfung Abb. 5: Sicht des Prüfers in einer virtuellen Umgebung. C-Bild einer Ultraschallprüfung integriert
CFK-Hubschrauberstruktur eine Ultraschallprüfung auf CFK ­erzeugtes CAD-Model (rechts) in ein semitransparentes CAD-Model
durchführt
Forschungsaktivitäten 2020 88 89

Andreas Grois, M.Sc. Dr.-Ing. Marcel Stößel TRDir Dipl.-Ing. (univ.) Michael Krummenauer Univ.-Prof. Dr.-Ing. Reinhard Niehuis
Universität der Bundeswehr München, Universität der Bundeswehr München, Wehrtechnische Dienststelle für Luftfahrzeuge Universität der Bundeswehr München,
Institut für Strahlantriebe Institut für Strahlantriebe und Luftfahrtgerät der Bundeswehr (WTD61) Institut für Strahlantriebe
Neubiberg Neubiberg Manching Neubiberg

isa@unibw.de isa@unibw.de WTD61AntriebFuT@bundeswehr.org isa@unibw.de

Aufbau von Bewertungsfähigkeiten zur Untersuchung von Einflüssen Das Prüfstandskonzept (Abb. 2) beginnt mit einer adaptiven Simulationen definiert und so eine störungsfreie Strömung an
aus der Flugführung auf stark konturierte Einlaufsysteme nierenförmigen Zulaufdüse, welche die Abscheidung der Zu- der DIP und innerhalb der Düse sichergestellt, als auch die Wirk-
laufgrenzschicht und dadurch eine homogene Strömung an samkeit der Grenzschichtabscheidung optimiert. Die daraus
der Duct-Inlet-Plane (DIP) ermöglicht. Die Düsenendstücke resultierende superelliptische Form der Einlaufvorderkante wies
Das Institut für Strahlantriebe (ISA) der Universität der Die Rahmenbedingungen zur Entwicklung eines Prüfstands können dabei vielfältig angepasst werden. An der Aerodyna- ein gegen Ablösungen unempfindliches Verhalten bei gleich-
Bundeswehr München entwickelte zusammen mit der zur Untersuchung stark gekrümmter Einlaufsysteme wurden mic-Interface-Plane (AIP) befindet sich ein traversierbarer zeitiger Aufrechterhaltung der Funktion der Grenzschichtab-
Wehrtechnischen Dienststelle 61 ein stark gekrümmtes, mittels einer vorangegangenen Machbarkeitsstudie geprüft. Messrechen, gefolgt von einer Lochmusterdrossel zur Fein- scheidung auf. Die Gesamtsimulation des Prüfstands (Abb. 3)
kompaktes Einlaufsystem für Forschungszwecke. Bisherige Analytische Berechnungen dienten dazu, relevante Parameter einstellung der Einlaufaustrittsbedingungen. Der Betriebs- zeigte die Interaktion der Komponenten als auch die Ausprä-
Untersuchungen des Triebwerkeinlaufs ­beschränkten sich der Flugbedingungen zu identifizieren. Zur Überführung der punkt des Einlaufs und der Gegendruck innerhalb der Tonne gung der Grenzschicht und Wirbelsysteme im Gesamtverlauf.
auf den Bodenstandfall. Zur Erforschung komplexer Ein­ Flugpunkte auf die Betriebszustände des Einlaufs wurde eine werden mittels des Bypasskanals des MZW eingestellt. Der Vergleich der Wirbelsysteme und der Totaldruck-Störmuster
laufsysteme in realistischen F
­ lugzuständen wurde ein von Prozesskette erarbeitet, die es ermöglicht, Mach- und Reynolds- an der Einlaufaustrittsebene verdeutlichte eine gute Überein-
Umgebungsbedingungen ­unabhängiger Prüfstand ent­ Zahl-Bedingungen am Einlauf anhand der Schubanforderungen Die Instrumentierung umfasst 188 Druckmesspunkte und stimmung mit vorangegangenen Strömungsuntersuchungen
wickelt und aufgebaut. des Fluggerätes zu ermitteln. einen Grenzschichtmessrechen zur Analyse der MediMEIRD- des MEIRD im Originalmaßstab. Dadurch ist eine hohe Vergleich-
Ablösegebiete (Abb. 3). Druckmesspunkte in der Zulaufdüse barkeit der Ergebnisse gewährleistet und das numerische Setup
Der Aufbau des Prüfstands erfolgte am Mehrzweck-Windkanal und an der Einlaufvorderkante ermöglichen die Untersuchung für die Simulationsbegleitung der folgenden Messkampagnen
(MZW). Dabei wurde ein verkleinertes Einlaufmodell (Medi- der Kontraktion der Düse, sowie die Regelung der Grenzschicht- validiert.
MEIRD – Medium scaled Military Engine Intake Research Duct) abscheidung. Das Datenerfassungs- und Regelungssystem basiert Der hiermit geschaffene Prüfstand bietet eine äußerst flexible
innerhalb einer Drucktonne (Abb. 1) integriert. Aus den Leis- auf bewährten Architekturen am ISA und fügt sich nahtlos in Versuchsumgebung für zukünftige Validierungsuntersuchungen
tungsdaten des MZW ergibt sich ein dedizierter, experimentell die bestehende Datenarchitektur ein. Damit wird eine direkte von komplexen Einlaufsystemen und Interaktionsphänomenen.
abbildbarer Mach- und Reynolds-Zahl-Bereich, welcher die Vergleichbarkeit der Ergebnisse mit anderen Experimenten Darüber hinaus fügt sich die Versuchsumgebung ergänzend in
Untersuchung von Flughöhen zwischen 6 km und 12 km, sowie des MEIRD am ISA sichergestellt. die am ISA entwickelten Werkzeugketten zur Auslegung und
Fluggeschwindigkeiten bis Ma = 0,95 ermöglichen. Die geplante Bewertung von Integrationsaspekten zukünftiger Luftfahrzeug-
Erweiterung des MZW durch eine Vakuumabsaugpumpe soll Die Komponenten des Aufbaus wurden durch numerische antriebe ein. Sie eröffnet ein bisher in der Bundeswehr nicht
zukünftig die Untersuchung noch größerer Höhen ermöglichen. Experimentauslegungen optimiert. Beispielsweise wurden die gekanntes Potential zur Unterstützung in der Produktbearbei-
Kontraktion und Nierenformänderung der Düse durch (CFD) tung, von der Definitions- bis zur Nutzungsphase.

Abb. 1: Drucktonne des Mehrzweckwindkanals (MZW), Abb. 2: Konzept des Versuchaufbaus innerhalb der Drucktonne mit Kennzeichnung der Abb. 3: CFD-Simulationsergebnis des Versuchsaufbaus, Darstellung der Wirbelstärke, Beschriftung
montiert auf Verschiebeschlitten einzelnen Komponenten der untersuchten Teilgebiete
Forschungsaktivitäten 2020 90 91

Dr. Felix Maiwald Thilo Vogt Alexander Rügamer Christoph Miksovsky


Wehrtechnische Dienststelle für Luftfahrzeuge und Droniq GmbH Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS
Luftfahrtgerät der Bundeswehr (WTD 61) Frankfurt Nürnberg Nürnberg
Manching
info@droniq.de info@iis.fraunhofer.de info@iis.fraunhofer.de
WTD61510@bundeswehr.org

PRS-Demonstrator für Luftfahrtanwendungen mit Einbindung weitere Funktionen zum sicheren Betrieb von Drohnen im Zudem wurde eine server-basierte PRS-Anwendung demons-
in Air Traffic Management Systeme deutschen Luftraum wie z. B. Missionsplanung inklusive Kolli- triert, um die Verarbeitung eingestufter Daten vom UAS in eine
sionswarnung. Künftig soll über das UTM zudem der komplette sichere Infrastruktur (zukünftig Infrastruktur der DFS) auszu-
Freigabeworkflow für die Durchführung von Drohnenmissio- lagern. Angedacht ist eine Fortführung des Vorhabens mit Be-
Ein gegenüber NAVWAR-Störern (Navigation Warfare) Die Planungen der Bundeswehr sehen vor, zukünftig bemannte nen abgebildet werden. Hieraus ergeben sich synergetische trachtung der Zulassungsvoraussetzungen für den Betrieb eines
­gehärtetes Funktionsmuster auf Basis eines Galileo Public und unbemannte militärische Luftfahrzeuge (UAS) gemeinsam Ansätze für ein militärisches und ziviles UTM (Verkehrskon­ PRS-Verarbeitungsservers in Abstimmung mit Zulassungsbe-
Regulated Service (PRS) Empfängers dient als Ausgangs­ in zivilen Lufträumen zu betreiben. Daher sind militärische trolle). hörden und dem BSI. Die Systemarchitektur ist in Abb. 3 darge-
punkt für erste Ana­lysen und Bewertungen des Galileo PRS Anforderungen hinsichtlich PNZ (Position, Navigation, Zeit- stellt und besteht aus drei Teilkomponenten: Der PRS Snapshot
zur Luftverkehrskontrolle und Luftraumintegration von festlegung) im Rahmen von Navigation Warfare frühzeitig zu Die heute dafür notwendige Hardware umfasst ein HOD4Track Empfänger auf der Drohne erzeugt kurze Snapshots der HF-Sig-
unbemannten m
­ ilitärischen als auch zivilen Luftfahrzeugen. formulieren, um diese in Entwicklungsprozesse zu UAS-Luft- (HOD), das am Fluggerät befestigt wird. Dieses überträgt die nale (ca. 10 ms), welche an einen „Remote Server“ beim Fraunho-
In Zusammenarbeit mit der Deutschen Flugsicherung raumstrukturen und Verkehrsleitkonzepte einfließen zu lassen. GNSS-basierten Positionsdaten des UAS via 4G/5G an das UTM- fer IIS zur PRS-Auswertung übersendet werden. Parallel dazu
(DFS) ­wurden erste Versuche durchgeführt. Ein Teilbereich der F&T-Betrachtungen stellt die Konzipierung System der DFS. Zum Schutz von hochautomatisierten, kritischen wird ein integrierter Open-Service (OS)-Empfänger genutzt, um
einer vereinfachten Integration von militärischen UAS in ge- UTM-Navigationsanwendungen sind störfeste Navigationssyste- OS-basierte PNZ-Ergebnisse direkt an das UTM-System der DFS
meinschaftliche (zivile) Luftraumstrukturen dar. Dies umfasst me unbedingt erforderlich – bislang jedoch nicht frei verfügbar. zu übermitteln. Der Remote Server wertet durch sein Galileo
die Analyse von derzeit entwickelnden Air Traffic Management Zur Lösung der Problematik wurde mit dieser Zuwendung die PRS Sicherheitsmodul die empfangenen Snapshot-Daten aus
Systemen (ATM-Systeme) bzw. UAS Traffic Management Sys- Nutzung des verschlüsselten Galileo PRS als stör- und täusch­ und verteilt die sicheren, täuscher-geschützten PNZ-Ergebnisse
temen (UTM-Systeme). robuste GNSS-Quelle für UAS-Luftraumstrukturen und Ver- ebenfalls an das UTM-System der DFS. Durch Vergleich der bei-
kehrsleitkonzepte untersucht. Innerhalb dieser Zuwendung den PNZ-Lösungen ist der DFS-Monitor in der Lage, OS-Täusch-
Kernpunkt der Betrachtungen ist ein voll operativ einsatz- wurden das HOD4Track mittels eines eingestuften Galileo PRS- versuche mit Hilfe der sicheren PRS-PNT direkt zu erkennen.
fähiges UTM-System, das durch die Droniq GmbH, ein Gemein- Demonstrators erweitert (vgl. Abb. 2), sodass die Ermittlung Das Ergebnis wird als Lagebilddarstellung im Monitor „Track-
schaftsunternehmen der DFS Deutschen Flugsicherung und der gesicherter (nicht spoofbarer) UAS-Positionsinformation und Viewer“ der Droniq in Abb. 1 dargestellt.
Deutschen Telekom, entwickelt wurde. Das UTM verarbeitet die die Einbindung in das UTM-System der DFS erfolgt. Im Rahmen
Positionsdaten von Drohnen in Echtzeit und fusioniert sie mit der Demonstration wurde die Absicherung des UAS-Verkehrs- Das Gesamtvorhaben wurde zudem im Programm CESAH der
den Ortungsdaten der bemannten Luftfahrt zu einem umfassen- leitsystems gegen Spoofing für Drohnen gezeigt. ESA als Erfolgsgeschichte aus dem Bereich „Verbindung von
den Luftlagebild (vgl. Abb. 1). Daneben bietet das UTM-System IoT- & Galileo-Anwendung“ eingereicht.

Abb. 1: Gemeinsames Luftlagebild von bemannten Abb. 2: Einbindung des PRS-Demonstrators als Abb. 3: Systemarchitektur OS-Demonstrator mit Server-basiertem PRS
(grüne Umrandung) und unbemannten (rote Umrandung) Hook-on-Device für sichere Positionsinformation
Luftfahrzeugen im TrackViewer der Droniq im UAS-Verkehrsleitsystem. Dies erfolgt als
Gegenmaßnahme zu GPS-Täuschung (Spoofing)
Forschungsaktivitäten 2020 92 93

Dr. Arne Schulz Moderne adaptive Signalverarbeitungsfahren ermöglichen verschiedene Algorithmen zur Richtungsbildung sowie die
Wehrtechnische Dienststelle für Schiffe und Marinewaffen,
Maritime Technologie und Forschung (WTD 71) dabei immer intelligentere, autarke Systeme. Das Fernziel ist Leistungsfähigkeit von Antennen bestehend aus Vektorsensoren
Kiel
die Abbildung menschenähnlicher Analysefähigkeiten. im Vergleich zu denen aus Hydrofonen untersucht. Mittels
WTD71posteingang@bundeswehr.org
autarker, echtzeitfähiger Detektions- und Zielverfolgungsalgo-
Zur sicheren Datenweiterleitung unter Wasser ist je nach An- rithmen konnten unter anderem breitbandige Geräuschspuren
wendungsfall eine robuste, weitreichende, verschlüsselte und von Oberflächenschiffen aufgefasst und verfolgt werden
verratsarme Unterwasserkommunikation erforderlich, die eine (Abbildung 3, rechts).
Maritime unbemannte Systeme für die U-Jagd möglichst hohe Datenrate erlaubt. Allerdings beeinflussen sich
diese Forderungen gegenläufig und sind weiterhin Gegenstand In enger Kooperation mit NATO Partnern, etwa bei der Beteili-
der aktuellen Forschung. gung an dem NATO F&T-Projekt „Distributed Autonomous
Networked Systems“ sowie im Rahmen der Initiative „NATO
Zum Schutz von Schiffen und Häfen sowie zur Überwachung Die U-Jagd im Verbund mit mehreren Einheiten ist in der Eine weitere Leistungssteigerung könnten neuartige Sensor- Maritime Unmanned Systems Initiative (MUS-I)“, sollen die
von Meerengen (Choke Points) eignen sich insbesondere Unterwasseraufklärung ein probates Mittel, um einer Bedrohung technologien ermöglichen, z. B. akustische Vektorsensoren. maritimen unbemannten Systeme auch zukünftig in interna-
leicht verbringbare, unbemannte und autarke, mobile oder durch moderne signaturreduzierte U-Boote zu begegnen. Vektorsensoren messen neben dem Schalldruck (wie gewöhn- tionalen heterogenen Sensorverbünden zur Aufklärung unter
stationäre Systeme, die in heterogenen und selbstorganisie­ liche Hydrofone) auch die Schallschnelle (x-, y-, z-Komponente). Wasser eingesetzt werden. Dabei liegt der Fokus unter anderem
renden (Ad hoc) Netzwerken zusammengeschlossen werden. Die Wehrtechnische Dienststelle für Schiffe und Marinewaffen, Somit ist bereits ein einzelner Vektorsensor in der Lage, Rich- auf den Themen Interoperabilität, NATO-Standards und
Diese vernetzten Systeme erlauben eine umfassende Nach­ Maritime Technologie und Forschung (WTD 71) untersucht, tungsinformationen zu einfallenden Schallwellen zu ermitteln, Einsatzdoktrinen.
richtengewinnung und Aufklärung unter Wasser. inwieweit stationäre und mobile unbemannte maritime Systeme was sonst nur durch eine Anordnung aus mehreren Hydrofonen
in der Lage sind, bei dieser Aufgabe zu unterstützen, bzw. diese möglich ist. Im Vergleich zu konventionellen, aus Hydrofonen Die Leistungsfähigkeit aktueller unbemannter maritimer
eigenständig durchzuführen. Dazu wurden sowohl Mess- aufgebauten Sonarantennen ermöglicht eine aus derselben Systeme ist bereits hoch und wird sich zukünftig in Hinblick
systeme als auch autarke, innerhalb dieser unbemannten Anzahl an Vektorsensoren gebildete Antenne eine deutliche auf intelligente Datenverarbeitung, Durchhaltefähigkeit und
Systeme ablaufende Signalverarbeitungsverfahren zur Detek- Leistungssteigerung. Eine vergleichbare Leistung kann mit einer Kommunikationsmöglichkeiten kontinuierlich steigern.
tion, Lokalisierung und Zielverfolgung entwickelt. Im Einsatz deutlich geringeren Anzahl an Vektorsensoren gegenüber
unter Wasser sind die Systeme damit in der Lage, selbstständig Hydrofonen erzielt werden. Dies macht Vektorsensoren und
Informationen aus den aufgenommenen akustischen und Arrays aus Vektorsensoren vor allem für kleinere Systeme mit
nicht-akustischen Daten zu generieren und über ein ad-hoc begrenzten Platz- und Ressourcenkapazitäten interessant,
Unterwassernetzwerk (Abbildung 1) an eine zentrale oder dezen- also insbesondere auch für maritime unbemannte Systeme.
trale Multisensordatenfusionsstelle zu melden. Abbildung 2
zeigt als Beispiel den automatisch erzeugten Peilungs- und Nach Vorversuchen konnte die WTD 71 in 2020 erstmals
Pegelverlauf über der Zeit gegen ein Überwasserziel auf Basis ein autarkes Vektorsensorarray-System (Abbildung 3, links)
einer fortlaufenden akustischen Detektion. in einem mehrtägigen Seeversuch in der Ostsee einsetzen.
Dabei wurden auch der Einfluss der Antennengeometrie,

Abb. 1: Schematische Darstellung eines stationären autarken Messsystems Abb. 2: Erfasste Zieldetektion: Peilungsverlauf (rot) und relativer breitbandiger Abb. 3: Autarkes Vektorsensor-System während des Ausbringens (links)
und dessen Anbindung im Unterwassersensornetzwerk Signalpegel (grün) jeweils über der Zeit aufgetragen. Der hohe Pegel zum und erfasste Zielspuren (rechts)
Ende der Detektionsnachricht resultiert aus dem Einfall einer Unterwasser-
kommunikationsmeldung eines benachbarten Systems
Forschungsaktivitäten 2020 94 95

WissOR Dr. Ingo Schäfer ORR Dr. Arne Stoltenberg In den Arbeiten zu diesem Beitrag wird theoretisch und expe- bzw. – 40 dB erwarten lassen. Die Messungen bestätigen dies
Wehrtechnische Dienststelle für Schiffe und Marinewaffen, Wehrtechnische Dienststelle für Schiffe und Marinewaffen,
Maritime Technologie und Forschung (WTD 71) Maritime Technologie und Forschung (WTD 71) rimentell untersucht, in wieweit Resonanzeffekte Einfluss auf (Abb. 3). Bei den Polymethylmethacrylat (PMMA) -Kugeln
Kiel Kiel
das Zielmaß eines Unterwasserobjektes ausüben. So könnten bei ist ein deutlicher resonanzbedingter Zielmaßanstieg zu be­
WTD71posteingang@bundeswehr.org WTD71posteingang@bundeswehr.org
ausreichender Stärke dieses Effektes kleine Körper im Bereich obachten, welcher für höhere Frequenzen sogar die Größen-
ihrer Resonanzfrequenz eventuell als Scheinziele wesentlich ordnung der größeren Kugeln erreicht. Diese Effekte wurden
größerer Objekte eingesetzt werden. Momentan wird in der durch den Vergleich der rechnerischen und experimentellen
Marine für diese Zwecke ein Ikosaeder zur Durchführung von Zielmaßverläufe eines Tankexperiments bestätigt (Abb. 3). Da
Auswirkung der Resonanz auf das Zielmaß Sonarperformancetests eingesetzt. Dieser arbeitet allerdings aber eine schallharte Kugel die auftreffende Wirk­intensität
nicht mit Resonanzeffekten, sondern wirkt als ein akustischer vollständig reflektiert, stellt sich die Frage, woher die kleinere
Tripelspiegel. PMMA-Kugel die zusätzliche Intensität entnimmt. Dies wird
verdeutlicht durch die Darstellung der Wirkintensität durch
Im Rahmen der aktiven Schallortung (SONAR) bestimmt Im Rahmen des Aufbaus eines vertieften Verständnisses Ein Stellnetz, welches in der Fischerei eingesetzt wird, besitzt schwarze Stromlinien (Abb. 4) bei drei verschiedenen Fre-
die rückgestreute Schallintensität (Zielmaß) als wesentliche über das Zielmaß von Unterwasserobjekten wurde ein Objekt eine sehr geringe Detektionswahrscheinlichkeit und birgt quenzen. Bedingt durch die Resonanz vergrößert sich der
Größe die Entdeckungswahrscheinlichkeit von Unterwasser­ gesucht, das es erlaubt, die theoretischen Berechnungen mit somit die Gefahr, dass Unmanned Underwater Vehicles (UUVs) effektive Wirkradius (Wirkungsquerschnitt) der grau darge-
objekten. Manche Hindernisse im Wasser (z. B. Stellnetze) Messungen zu vergleichen. Daher wurden militärisch nicht oder Uboote es nicht erfassen. Kleine Kugeln könnten nun in das stellten Kugel (Abb. 4) im Schallfeld in der Nähe der Reso-
besitzen ein so geringes Zielmaß, dass eine Detektion deut­ eingestufte resonante Kugeln, befestigt an einem Stellnetz, Netz eingearbeitet werden, sodass bei akustischer Bestrahlung nanzfrequenz deutlich. Bei Befestigung mehrerer Kugeln
lich erschwert ist. Durch Nutzung von Resonanzeffekten ausgewählt. Resonanzeffekte spielen in vielen Bereichen der in der Nähe der Resonanzfrequenz ein deutlich erhöhtes Ziel- dieser Art an einem Stellnetz könnte somit das Zielmaß und
besteht die Möglichkeit, die Entdeckungswahrscheinlichkeit Mechanik, der Akustik und in anderen physikalischen Diszi­ maß generiert wird. Unterwasserfahrzeuge hätten somit eine somit die Detektionswahrscheinlichkeit des Netzes deutlich
dieser Objekte deutlich zu erhöhen. plinen eine große Rolle. Bei der Konstruktion von klassischen Möglichkeit, diese dann frühzeitig zu detektieren. Die Fischfang- erhöht werden.
Musikinstrumenten werden z.B. Resonanzen gezielt eingesetzt, funktion des Netzes wird so nur geringfügig beeinträchtigt, der
um Töne zu verstärken. unerwünschte Beifang von Walen, die das Netz nun ebenfalls
detektieren können, aber eventuell deutlich reduziert. In Zu-
In der Unterwasserortung werden Schallwellen ausgesendet, sammenarbeit mit dem Thünen-Institut für Ostseefischerei
um Objekte wie Uboote, Torpedos oder unbemannte Unter- werden diese Effekte in der Praxis genauer untersucht.
wasserfahrzeuge (UUV) zu detektieren. Diese Schallwellen treffen
auf das Unterwasserobjekt und werden dort reflektiert. Mit Hilfe Kugeln mit unterschiedlichen Radien und Materialien (Abb. 1)
von Hydrophonen kann für verschiedene Frequenzen und wurden dazu sowohl numerisch als auch experimentell unter-
Positionen die reflektierte Schallintensität erfasst werden. sucht. Die Tabelle in Abb. 2 zeigt die verwendeten Materialien
Um diesen Wert in eine entfernungsunabhängige Größe zu und Radien. Die beiden größeren nicht resonanten Kugeln
transformieren, wird sie auf eine Entfernung von einem Meter reflektieren die einfallende Intensität nahezu vollständig und
vom Ziel normiert und Zielmaß (TES) genannt. wirken daher wie eine ideal schallharte bzw. schallweiche Kugel,
welche ein frequenzunabhängiges Zielmaß von etwa – 44 dB

Abb. 1: Untersuchte Kugeln: 2 x PMMA (massiv), Stahl (massiv), Tischtennisball Abb. 2: Tabelle mit Eigenschaften der Kugeln unterschiedlicher Abb. 3: Zielmaßmessungen und -berechnungen der Abb. 4: Einfallende Wirkintensität bei Beschallung (von unten)
(luftgefüllt) Größe und Materialien verschiedenen Kugeln einer PMMA-Kugel mit Radius 4,8 mm bei Frequenzen ohne (60 kHz)
und mit Resonanz (80 kHz)
Forschungsaktivitäten 2020 96 97

TRDir Thorsten Sarrach Fasern beimengt. Die Formgebung der Fasern soll dabei Gewicht von 7,5 to bis hin zu 29 to mit vier verschiedenen
Wehrtechnische Dienststelle für Waffen und Munition (WTD 91)
Meppen zu einem innerlichen „Verhaken“ in der Matrix führen. Die Geschwindigkeiten beschossen. Die Projektile führten dabei
WTD91430@Bundeswehr.org bekannten Bewehrungen der alten Betone sind dann nicht zwei unterschiedliche und voneinander unabhängige Mess-
mehr notwendig. Somit sind auch neue Formen ohne Zuge- einrichtungen mit sich. Verschossen wurden die Projektile
ständnisse an die Stabilität, Härte und Festigkeit möglich. aus einem 120mm Rohr eines Kampfpanzers.

Diese neuen Fähigkeiten eröffnen den Konstrukteuren von In einer ersten Kampagne wurden je drei unterschiedlich dicke
Mit Hochgeschwindigkeit gegen hochfesten Beton Schutzbauten viele Möglichkeiten. Bauteile können vorab Ziele mit zwei verschiedenen Geschwindigkeiten beschossen.
erstellt und anschließend wie in einem Baukastensystem Die Ziele hatten einen Durchmesser von 2,40 m und wiesen
zusammengefügt werden. Ein Vergießen an der Baustelle ist Dicken von 0,61 m, 1,22 m und 1,83 m (2 ft, 4 ft und 6 ft) auf.
nicht mehr notwendig. Somit sind selbst Strukturen weitab Die Geschwindigkeiten lagen bei ca. 1500 ft/s und ca. 3000 ft/s.
Über die letzten 20 Jahre sind weltweit Untersuchungen an Das Schützen von wertvollen Einrichtungen hat eine sehr lange von sonst notwendigen Infrastrukturen realisierbar. Das Die aufgenommenen Beschleunigungen wurden ausgewertet
neuartigen Konstruktionstechniken durchgeführt worden. Historie. Burgen und Festungen sind Zeugen einer längst ver- Erbauen von Kommandostrukturen erhält dadurch einen und in die gängigen Simulationswerkzeuge integriert.
Als Mittel der Wahl zum Schutz von z. B. gehärteten Bau­ gangenen Zeit. Noch heute steht man teils bewundernd und ­ungeahnten Vorschub.
werken wie Bunker gegen penetrierende Waffen wurde dennoch kopfschüttelnd vor den Ruinen. Sie sind von der Zeit Zur Validierung der upgedateten „model & simulation tools“
hochfester Beton identifiziert. Im beständigen „Katz-und- überholt worden. Letzte Relikte der Versuche, den ultimativen Die bekannten Waffensysteme sind gegen Materialien opti- erfolgte eine zweite Mess-Kampagne. Bei dieser Versuchsreihe
Maus-Spiel“ liegt nun wieder der Ball in der Ecke der Waf­ Schutz zu kreieren, finden sich in den Bunkern des Zweiten miert, die nicht den neuartigen Materialien und Verfahren kamen wieder Ziele der gleichen Mixtur mit einem Durch-
fensysteme. Ziel dieser Forschung ist das Erlangen eines Weltkriegs. Im Vergleich zum Mittelalter widerstehen diese entsprechen und somit nicht die gewünschten Erfolge in messer von 2,40 m zum Einsatz, nur reichten die Dickenwerte
Verständnisses über die Vorgänge beim Eindringen in die­ Bunker teilweise heute noch den Rückbauaktivitäten der Neu- Gänze erreichen können. Um an der Stellschraube wieder dieses Mal bis zu 2,44 m. Die Geschwindigkeiten wurden auf
sen hochfesten Beton, damit „model & simulation tools“ zeit. Das darf aber nicht davon ablenken, dass die Aktivitäten drehen zu können, muss man ein Verständnis über die Vor- bis zu 3700 ft/s gesteigert. Ähnlich wie bei der ersten Messreihe
mit den entsprechenden Daten gefüllt werden können. auf dem Gebiet der Verbesserung des Schutzes nie zum Still- gänge beim Eindringen in diese neuartigen Materialien erhalten. wurden bewusst „Steckenbleiber“ wie auch „Durchschüsse“
stand gekommen sind. Nur dann können die verschiedenen Simulationswerkzeuge generiert. Die gewonnenen Daten aus den zum Teil verbesserten
entsprechend angepasst werden. Bei diesen Werkzeugen Messelektroniken werden nun wieder in die Simulationswerk-
Seit dem Zweiten Weltkrieg und insbesondere in den letzten handelt es sich zum einen um Simulations-Programme für zeuge integriert.
zwanzig Jahren wird zum Teil sehr aktiv an der Verbesserung der Einsatzplaner in der Truppe und zum anderen um Programme
Strukturen, der Herstellprozesse, aber auch an den Mixturen für Ingenieure.
für Betonstrukturen weltweit geforscht. Dabei haben nicht nur
Brücken oder andere Infrastrukturanteile von den Fortschritten Im Rahmen einer Kooperation der USA mit Deutschland
profitiert, sondern auch der Bereich von Schutzanlagen. Immer wurden Grundlagenuntersuchungen des Eindringverhaltens
stärker ist dabei die Nutzung von sogenannten „hoch-festen“ von Unterkaliber-Penetratoren in hoch-festem Beton an der
Betonen in den Fokus der Untersuchungen geraten. Hierbei Wehrtechnischen Dienststelle für Waffen und Munition (WTD
handelt es sich unter anderem um Betone, denen man (Stahl-) 91) durchgeführt. In zwei Kampagnen wurden Ziele mit einem

Abb. 1: Prinzipieller Aufbau der Versuchseinrichtung Abb. 2: Projektilflug Abb. 3: Ergebnis eines Vorversuches
Forschungsaktivitäten 2020 98 99

Frank Jaspers – Übungssteuerung und Auswertung Wichtiges Hilfsmittel für eine zielgerichtete Ausbildung ist
Wehrtechnische Dienststelle für Waffen und Munition (WTD 91)
Meppen – Zieldarstellungsgerät mit Sensorik, Waffensensorik, mobil, die integrierte Trefferdetektionssensorik, die sowohl Treffer als
WTD91posteingang@bundeswehr.org selbstbeweglich, stationär, adaptiv reagierend, interaktiv auch Fehlschüsse millimetergenau anzeigt und den Schützen
steuerbar ein direktes Feedback zu Haltepunkt und Trefferlage gibt.

Die Ergebnisse der durchgeführten F&T Aktivitäten wurden „Train as you fight“ – dieser Devise kommt dank der neuen
im Rahmen eines Gefechtsschießens von der WTD 91 in Zu- technologischen Möglichkeiten eine völlig neue Bedeutung
Weiterentwicklung Truppenübungsplätze sammenarbeit mit Fraunhofer EMI am 30. 09. und 01. 10. 2021 zu. Es entsteht ein deutlicher Mehrwert und Zugewinn an
hochrangigen militärischen Gästen auf der Schießbahn 16B Ausbildungserfolgen, weil der Schütze künftig noch näher an
in Wildflecken präsentiert. der Einsatzpraxis ausgebildet werden kann. Dies hat das erste
„digitale“ Gefechtsschießen eindrucksvoll bewiesen.
Die Digitalisierung innerhalb der Bundeswehr schreitet Mit dem Gesamtprojekt „Weiterentwicklung Truppenübungs- Für das Gefechtsschießen wurden folgende Komponenten
immer weiter voran. Wurden in den vergangenen Jahren plätze und Schießanlagen“ soll in den nächsten Jahren die Digi- und Technologien miteinander vernetzt: Die Ergebnisse und die gewonnen Erkenntnisse der F&T Akti-
die Truppenübungsplätze stiefmütterlich behandelt, so talisierung der deutschen Truppenübungsplätze vorgenommen – Autonom bewegliche Infanterieziele vitäten und die damit verbundenen praktischen Erprobungen
ist Digitalisierung der Truppenübungsplätze nun in den werden. Der Startschuss hierzu ist mit dem Ausbau der Schieß- – Digitalisierte Klappfallscheiben fließen direkt in den CPM-Prozess (Customer Product Manage-
­Fokus gerückt. Mit Hilfe vernetzter Anwendungen sollen bahn 3 in Bergen als Pilotprojekt bereits erfolgt. WTD 91 ist – Trefferdetektion in Echtzeit ment) ein.
­Fähigkeitslücken geschlossen werden, um zukunftsfähige beauftragt, Forschung und Entwicklung im Themenkomplex – Darstellung der Zieldarstellungsmittel auf Tablets und
und einsatznahe Gefechtsübungen zu realisieren. Die digitalisierter Truppenübungsplatz durchzuführen. Daher wird ­gehärteten Laptops in Echtzeit
­Wehrtechnische Dienststelle für Waffen und Munition derzeit auf der WTD 91 ein Testbed errichtet, welches geeignet – Gefechtsfeldaufklärung mittels Drohne
(WTD 91) führt hierzu F&T Studien durch. ist, zielgerichtete Forschung durchzuführen. – Blueforcetracking per Smartphone

Um einen digitalen, weiterentwickelten Truppenübungsplatz Mit Hilfe dieser Komponenten konnte nach Vorgabe des Schieß-
umsetzen zu können, sind folgende technische Kernelemente ausbilders des Wachbataillons ein taktisches Gefechtsszenario
notwendig: umgesetzt werden, welches im Vorfeld programmiert wurde.
– IP-basierte Kommunikations-Infrastruktur, z. B. 5G, LTE, Durch das bestehende Tracking der eigenen Truppe kann der
WLAN, Glasfaser, Kabel etc. Zielbau interaktiv gesteuert werden, so sind z. B. die Zieldar-
– Vernetzung aller Teilnehmer, wie z. B. Leitende, Übende, stellungsroboter in der Lage, abhängig von der Position oder
Targets, Schießsicherheit, Schussdetektion, etc. vom Beschuss eigenständig zu agieren.
– Software-Applikationen
– Sicherheitsplanung Zusätzlich zum vorprogrammierten Szenario besteht für den
– Zentrales Datenmanagementsystem, Datenbank, Server, Schießausbilder auch die Möglichkeit, die Zieldarstellungsmittel
Cloud, offene standardisierte Schnittstellen direkt per Tablet anzusteuern.

Abb. 1: Autonome Zieldarstellungsroboter Abb. 2: Gefechtsschießen Wildflecken Abb. 3: Trefferanzeige in Echtzeit Abb. 4: Vorstellung für Inspekteur SKB
d

101

2
Wehrmedizinische und
Militärpsychologische Forschung
Das Jahr 2020 wurde auch in der wehrmedizinischen Forschung befasst sich mit immunologischen Veränderungen durch
durch die Covid-19 Pandemie bestimmt. Der Sanitätsdienst der hyperbaren Sauerstoff und der Frage gesundheitlicher Auswir-
Bundeswehr hatte bereits im März ein Sonderforschungs-Pro- kungen des dienstlichen Tauchens. Das Zentrum für Luft- und
gramm initiiert, um wehrmedizinisch relevante Forschung Raumfahrtmedizin der Luftwaffe stellt forscht mittels einer
zur Bewältigung der Pandemie zeitnah und zielgerichtet zu Höhenexpositionskammer zu den Auswirkungen hypobarer
fördern. Als Beispiele für den Beitrag der wehrmedizinischen Verhältnisse in großer Höhe.
Forschung zum Kampf gegen die Pandemie werden die vom
Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr vorgestellte SARS- Neben den Ressortforschungseinrichtungen werden die
CoV2 Diagnostik auf hoher See, der Aufbau zusätzlicher Test- BwKrhs nunmehr mit einem institutionellen Forschungs-
kapazitäten am Institut für Radiobiologie der Bundeswehr, auftrag immer mehr zu einer tragenden Säule der wehrmedi­
eine Studie zur klinischen Evaluation für Hochdurchsatz-Tests zinischen Forschung im Sanitätsdienst der Bundeswehr.
am Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz und der Nachweis
von Auto-Antikörpern als Risikofaktor für schwere Covid-19 BwKrhs Berlin stellt die Evaluation verschiedener Simula­
Verläufe durch das Bundeswehrkrankenhaus (BwKrhs) Ulm tionsmodelle in der chirurgischen Ausbildung, den Einsatz
vorgestellt. ­einer Online-Videosprechstunde und die Entwicklung fort-
schrittlicher, in den Knochen implantierbarer Prothesen-­
Doch auch abseits der Covid-19 Forschung stellen Ressort­ Systeme vor. Das Psychotraumazentrum am BwKrhs Berlin
forschungseinrichtungen des Sanitätsdienstes und die Bundes- beschreibt die Evaluation pferdegestützter Therapien für
wehrkrankenhäuser (BwKrhs) erneut Beispiele exzellenter PTBS-Patienten. BwKrhs Hamburg befasst sich mit der Evalu­
wissen­schaftlicher Arbeit zum Schutz der Gesundheit von ation molekularer Diagnostik für tropische Parasitosen.
­Soldatinnen und Soldaten vor.
Auch für die militärpsychologische Forschung war im Jahr
Das Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Bundes- 2020 die Covid-19 Pandemie von Relevanz. Das Psycho­
wehr berichtet über die Störung von regenerativ wirkenden traumazentrum am BwKrhs Berlin berichtet über eine zivil-
Stammzellen durch Schwefellost-Vergiftung als mögliche militärische Zusammenarbeit, in deren Rahmen der Einfluss
Ursache für die chronische Wundheilungsstörung. Das Insti- von Covid-19 auf Angst, Aggression und Ärger bei Kranken-
tut für Präventivmedizin der Bundeswehr stellt eine neue hauspersonal und einer von Covid-19 betroffenen Hoch­
Methodik zur Beurteilung der körperlichen Leistungsfähigkeit risikopopulation untersucht wurde.
bei Personalgewinnung und wehrmedizinischen Begutachtun-
gen vor. Das Schifffahrtmedizinische Institut der Marine
Forschungsaktivitäten 2020 102 103

Flottillenarzt Enrico Georgi Oberregierungsrätin Dr. Katrin Zwirglmaier Oberstabsveterinär Dr. Fee Zimmermann Oberstarzt PD Dr. Roman Wölfel
Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr
München München München München

institutfuermikrobiologie@bundeswehr.org institutfuermikrobiologie@bundeswehr.org institutfuermikrobiologie@bundeswehr.org institutfuermikrobiologie@bundeswehr.org

Welcome on Board – SARS-CoV-2-Diagnostik auf hoher See läufen begonnen werden. Nach Validierung an Patienten­ gelang es in dieser kurzen Zeit, am IMB insgesamt 199 Test-
proben wurden Reagenzien, Arbeitsanweisungen und Software läufe mit dem zu bewertenden Gerät durchzuführen. Bei ver-
zur Geräteprogrammierung in luft- und wasserdichten Trans- gleichender Testung gegen ein etabliertes PCR-System aus
portkisten verpackt und durch Marineflieger auf die bereits in der stationären Routinediagnostik mit standardisiertem SARS-
Unter den beengten Verhältnissen an Bord von Schiffen Die rasante Ausbreitung von SARS-CoV-2 in der ganzen der Nordsee kreuzende BERLIN verbracht (Bild 1). Direkt nach CoV-2-Kulturmaterial und exakt quantifizierten RNA-Prä-
und Booten können sich Fälle von COVID-19 schnell aus­ Welt stellte insbesondere auch den Marinesanitätsdienst vor Eintreffen wurde durch einen eingeschifften medizinisch-tech- parationen lag die Nachweisgrenze des POCT-Systems nahe
breiten. Am Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr enorme Herausforderungen. An Bord von Schiffen können nischen Laboratoriumsassistenten (MTLA) ein erster Testlauf an dem Routine-PCR-System. Insbesondere im Vergleich zu
wurden daher in Zusammenarbeit mit dem Marinesani­ sich COVID-19-Erkrankungen schnell ausbreiten und durch durchgeführt. Dieser erste, per Telemedizin aus München ebenfalls am Institut untersuchten Antigenschnelltesten über-
tätsdienst Nachweisverfahren entwickelt, um direkt an behandlungsbedürftige Fälle sowie notwendige Maßnahmen begleitete Systemtest konnte nur fünf Tage nach dem ersten zeugte das POCT-System mit deutlich besseren Leistungs-
Bord von seegehenden Einheiten eine zuverlässige SARS- zur Ausbruchseindämmung die Auftragserfüllung gefährden. Entwicklungsauftrag erfolgreich abgeschlossen werden (Abb. 2). parametern.
CoV-2-Diagnostik auf Basis von PCR-Tests durchführen Gleichzeitig ist die Nutzung von Laborkapazitäten an Land
zu können. nur selten möglich. Der schnellen vor-Ort-Diagnostik kommt Als kritische Größe stellte sich im weiteren Verlauf allerdings Durch die Ausrichtung des IMB als translationales Ressort-
deshalb im maritimen Einsatz eine besondere Bedeutung zu. die Verfügbarkeit von Laborpersonal heraus. Der aus Kiel forschungsinstitut gelang es in den beiden hier dargestellten
eingeschiffte MTLA musste bereits nach wenigen Wochen den Fällen sehr schnell, unmittelbare Nutzanwendung aus laufenden
Anfang April 2020 erhielt das Institut für Mikrobiologie der EGV wieder verlassen. Ab Sommer 2020 waren aber erste, Forschungsarbeiten abzuleiten. Beispiele wie diese zeigen die
Bundeswehr (IMB) den Auftrag, für den Marinesanitätsdienst auch patientennah einsetzbare PCR-Tests verfügbar, die ohne Stärken der Ausrichtung modernster militärmedizinischer
unverzüglich eine COVID-19-Diagnostik auf dem Einsatzgrup- spezielle Laborerfahrung zu bedienen sind. Das IMB erhielt Forschungskapazitäten an den Bedürfnissen und Anwen-
penversorger (EGV) BERLIN einzurichten. Die Herausforderung daher erneut den Auftrag, die Leistungsparameter eines als dungsfällen der Streitkräfte. Mit diesen Fähigkeiten ist die
bestand darin, kurzfristig ein Laborverfahren bereitzustellen, Point-of-Care-Test- (POCT-) System konzipierten PCR-Gerätes Bundeswehr auch für zukünftige Herausforderungen gut
um den PCR-Test auf einem mit nur zwei Fluoreszenzkanälen für einen möglichen Einsatz bei der Marine zu bewerten. aufgestellt.
vergleichsweise einfachen Marinegerät zu etablieren, zu
­validieren und alle Materialien rechtzeitig auf die BERLIN Wiederum stand durch den unmittelbar bevorstehenden
zu verbringen. Nachdem bereits nach wenigen Stunden ein Einsatz der deutschen Fregatte HAMBURG (Abb. 3) zur Durch-
baugleiches PCR-Gerät an das IMB nach München gebracht führung der Evaluation nur ein enges Zeitfenster von wenigen
wurde, konnte bereits einen Tag später mit den ersten Test- Arbeitstagen zur Verfügumg. Mit erheblichem Personaleinsatz

Abb. 1: Spezialpaket auf dem Flugdeck. Last-minute-Lieferung von Abb. 2: Videokonferenz mit dem Einsatzgruppenversorger BERLIN. Abb. 3: Fregatte HAMBURG. Das Schiffslazarett wurde Ende Juli 2020
speziellen, temperaturempfindlichen Reagenzien zur COVID-19-Diagnostik Die bereits vor Jahren etablierte Möglichkeit, telemedizinische Beratung für den Einsatz EUNAVFOR MED Irini mit einem Point-of-Care-Test-
durch einen Hubschrauber Sea King Mk41 des Marinefliegergeschwaders 5 für seegehende Einheiten zu realisieren, erleichterte die Einweisung des system zur Diagnostik bei V.a. COVID-19 direkt an Bord ausgestattet
aus Nordholz am 8. April 2020 (Quelle: 2020 Bundeswehr/Dr. Laumann) Personals an Bord enorm (Quelle: 2020 Bundeswehr/Dr. Wölfel) (Quelle: 2008 Bundeswehr/Winges)
Forschungsaktivitäten 2020 104 105

Major Simone Rothmiller Oberstleutnant d. R. Prof. Dr. Annette Schmidt wirkende, körpereigene Stammzellen durch eine Exposition schädigen, dass sie nicht mehr zu dem Gewebeschaden migrie-
Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Bundeswehr Universität der Bundeswehr München,
München Institut für Sportwissenschaft mit S-Lost geschädigt werden. Diese mesenchymalen Stamm- ren können oder bzw. und zusätzlich im Gewebe zu einer
Neubiberg
InstitutfuerPharmakologieundToxikologie@bundeswehr.org zellen (MSC), die eine essentielle Rolle bei der Heilung von chronischen Entzündungsreaktion führen. Dadurch könnten
info@unibw.de
Hautwunden spielen, werden nach einem Gewebeschaden die S-Lost induzierten seneszenten MSC möglicherweise die
rekrutiert und können hier über verschiedene Mechanismen Ursache für die chronische Wundheilungsstörung sein. Durch
modulativ und regenerativ wirken. Um die MSC direkt unter- eine selektive Eliminierung dieser Zellen müsste also die Wund-
suchen zu können, haben wir im Institut für Pharmakologie heilung verbessert werden können. Bei diesem innovativen
Störung von regenerativ wirkenden Stammzellen durch Schwefellost-­ und Toxikologie der Bundeswehr in Kooperation mit dem Therapieansatz zeigte ABT-263, ein Inhibitor von anti-apopto-
Vergiftung als mögliche Ursache für die chronische Wundheilungsstörung Helios Amper-Klinikum in Dachau das Verfahren zur Isolation tischen Proteinen, initiales Potential.
von MSC aus humanem Knochenmark etabliert (s. Abbildung 1).
Hierfür verwenden wir den Hüftkopf als anfallendes Operations- Der neu identifizierte Pathomechanismus der S-Lost induzier-
Das Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Bun­ Der chemische Hautkampfstoff Schwefellost (S-Lost) schädigt restgewebe, welcher normal fachgerecht nach einer Hüftgelenk- ten Seneszenz in MSC öffnet neue Therapiemöglichkeiten.
deswehr forscht an Toxizitätsmechanismen chemischer hauptsächlich Augen, Lunge und die Haut. Nach einer klini- Operation entsorgt werden würde. Langfristig sollen verschiedene Substanzen getestet werden,
Kampfstoffe, um Antidote zu entwickeln. Der chemische schen Latenzzeit ohne Symptome, die eine schnelle und effi- um die durch S-Lost Vergiftung gestörte Wundheilung zu
Hautkampfstoff Schwefellost wurde in den letzten Jahren ziente Dekontamination erschwert, treten Hautrötungen und Unsere neuesten Erkenntnisse zeigen, dass S-Lost Vergiftung verbessern. Solch eine kausale Therapie ist zur Behandlung
wiederholt in Syrien eingesetzt. Als mögliche Ursache für später Blasenbildung der exponierten Haut auf. Die Wund- eine so genannte Seneszenz in MSC auslöst. Seneszenz wur- exponierter Soldatinnen und Soldaten besonders in Zusam-
die dadurch ausgelöste Wundheilungsstörung konnte heilung ist stark verzögert und gerade bei schwerwiegenden de zuerst im Zusammenhang mit dem Altern beschrieben, menhang mit einem Auslandseinsatz dringend nötig.
die Schädigung regenerativer Stammzellen identifiziert Vergiftungen entstehen chronische Wunden, die oft ein Haut- welche auf die Verkürzung der Telomere, der „Schutzkappen“
werden. transplantat notwendig machen. Durch die Einfachheit der des Erbguts, zurückgeführt wurde. Darüber hinaus kann eine
chemischen Synthese sowie verschiedener Altlasten aus dem Seneszenz durch einen nicht reparierten DNA-Schaden oder
zweiten Weltkrieg besteht nach wie vor eine hohe terroristische oxidativen Stress in Zellen induziert werden. Gerade das ist der
Gefahr durch S-Lost, obwohl chemische Kampfstoffe durch das Haupttoxizitätsmechanismus nach einer S-Lost Vergiftung, was
Chemiewaffenübereinkommen international verboten sind. die Vermutung einer S-Lost induzierten Seneszenz nahe legt.

Gerade durch den komplexen Wirk- und Schädigungsmechanis­ Tatsächlich konnte gezeigt werden, dass eine einmalige Ver-
mus stellt S-Lost eine Herausforderung dar, die die Entwicklung giftung mit einer noch nicht blasenbildenden Konzentration
einer kausalen Therapie erschwert. Die dadurch bestehende eine Seneszenz in humanen MSC auslösen kann, was durch
wehrmedizinische Lücke unterstreicht die Notwendigkeit der die blaue Färbung deutlich wird (s. Abbildung 2 und 3). Diese
Forschung zur Therapieverbesserung und Antidotentwicklung. seneszenten MSC können sich nicht mehr teilen und zeigen
eine signifikant verringerte Migration. Zusätzlich sekretieren
Da das Hauptproblem nach der S-Lost Vergiftung die gestörte sie eine Vielzahl an proinflammatorischen Faktoren. Eine S-Lost
Wundheilung ist, liegt die Vermutung nahe, dass regenerativ Vergiftung könnte also die regenerativen Stammzellen so

Abb. 1: Isolation von humanen mesenchymalen Stammzellen Abb. 2: Nicht seneszente mesenchymale Abb.3: Seneszente mesenchymale Stammzellen 21 Tage nach einer
aus dem Knochenmark von Hüftköpfen Stammzellen einmaligen Exposition mit 40 µM Schwefellost, angefärbt über den
Marker Seneszenz-assoziierte β-Galactosidase
Forschungsaktivitäten 2020 106 107

Oberstarzt Dr. Ulrich Rohde Oberstarzt Prof. Dr. Dr. Dieter Leyk Prof Dr. Dieter Hackfort Dr. Thomas Rüther
Institut für Präventivmedizin der Bundeswehr Institut für Präventivmedizin der Bundeswehr Deutsche Sporthochschule Köln, Deutsche Sporthochschule Köln,
Koblenz Koblenz Forschungsgruppe Leistungsepidemiologie Forschungsgruppe Leistungsepidemiologie
Köln Köln
InstPraevMedA@bundeswehr.org InstPraevMedA@bundeswehr.org
Leistungsepidemiologie@dshs-koeln.de Leistungsepidemiologie@dshs-koeln.de

Effiziente und valide Beurteilung körperlicher Leistungsfähigkeit Ressourcenbedarf an Personal, Zeit, Material und Infrastruktur Das „KI-KLF“ ist ein effizientes und praxisbezogenes Verfahren,
bei der Personalgewinnung und wehrmedizinischen Begutachtungen: in Anspruch nehmen. mit dem die KLF hinsichtlich der Anforderungen von Ver-

Das neue „KI-KLF-Verfahren“ wendungen valide und zuverlässig in einem Ampelsystem


Vor diesem Hintergrund wurde in einem Verbundforschungs- („Grün“-„Gelb“-„Rot“) kategorisiert werden kann (Abb. 2).
Negative gesellschaftliche Gesundheits-/Leistungstrends Viele militärische Belastungen in Ausbildung und Einsatz, wie ­ vorhaben des Instituts für Präventivmedizin der Bundeswehr, Aufgrund des geringen Ressourcenbedarfs (Zeit, Personal,
wirken sich zusehends auf Soldatinnen und Soldaten aus. z. B. Marschieren, Bewegen im Gelände mit Ausrüstung oder der Deutschen Sporthochschule Köln und der Universität Material und Infrastruktur) eignet es sich hervorragend für
Die korrekte Beurteilung der körperlichen Leistungsfähig­ Retten von Verwundeten, stellen hohe Anforderungen an der Bundeswehr München das Kategorisierungsinstrument den Einsatz bei der Personalgewinnung und bei wehrmedizi-
keit wird daher immer wichtiger. Das neue „KI-KLF“ ist Kraft, Ausdauer und Schnelligkeit. Eine adäquate körperliche „KI-KLF“ entwickelt, mit dem die KLF anhand einfach zu er- nischen Begutachtungen (z. B. auch Allgemeine Verwendungs­
ein effizientes und valides Überprüfungsverfahren, dass Leistungsfähigkeit (KLF) ist dabei zum einen Voraussetzung hebender Prädiktoren in drei Leistungskategorien eingestuft fähigkeitsuntersuchung – Individuelle Grundfertigkeiten
hervorragend im Rahmen der Personalgewinnung und für das erfolgreiche Ausführen vieler militärischer Tätigkeiten werden kann. Für die Entwicklung wurde eine Vorauswahl an (AVU-IGF)).
der wehrmedizinischen Begutachtung eingesetzt werden (Leistungsaspekt) und zum anderen auch ein wichtiger präven- Prädiktoren für die konditionellen Fähigkeiten Kraft, Ausdauer
kann. tiver Faktor zum Zweck des langfristigen Erhalts von Gesund- und Schnelligkeit getroffen, die über multiple lineare Regres- Die Verwendung von „KI-KLF“ kann z. B. im Annahmeverfahren
heit und Leistungsfähigkeit (Präventionsaspekt). Die KLF ist sionen gegen ein allgemeinmilitärisches Anforderungsprofil ermöglichen, Soldatinnen und Soldaten bereits in der Grund-
damit Grund­lage für das Erwerben und den Erhalt der Ein- (Soldaten-Grundfitness-Tool SGT) als Bezugskriterium getestet ausbildung (GA) mit einem adressatengerechten Training gezielt
satzbereitschaft. wurden. Die endgültige Parameterauswahl erfolgte (i) hin- zu fördern. Dadurch könnten u. a. auch die Drop-Out Quoten
sichtlich der Aufklärung des Kriteriums SGT Gesamtzeit und in der GA gesenkt werden.
Durch Dauersitzen im Beruf, Verkehr, Freizeit und andere un- (ii) unter Berücksichtigung des personellen, zeitlichen, materi-
günstige Alltagsgewohnheiten verschlechtern sich jedoch seit ellen und infrastrukturellen Ressourcenbedarfs. In der wehrmedizinischen Begutachtung kann das „KI-KLF“
Jahren Gesundheit, Belastbarkeit und körperliche Leistungsfähig- einen weiteren erheblichen Informationsgewinn erbringen:
keit in der Bevölkerung, aber auch bei vielen Soldatinnen und Die Prädiktoren des „KI-KLF“ (Fettfreie Masse, isometrische Die Zusammenführung von Gesundheits- und Leistungs­
Soldaten. Angesichts der physisch fordernden Tätigkeiten in ­Maximalkraft Armbeuger- und Greifmuskulatur, Sprinttest daten eröffnet vielfältige Optionen hinsichtlich Prävention,
der Bundeswehr werden daher zuverlässige und aussagestar- und 1.000 m-Lauf des Basis-Fitness-Tests, Geschlecht) besitzen Ausbildung und Einsatzvorbereitung. Außerdem könnte ein
ke Verfahren zur Ermittlung der KLF immer wichtiger. Diese eine hohe Varianzaufklärung (korrigiertes R2: 0,714) und erlau- wichtiger, derzeit nicht verfügbarer Lagebildbeitrag für die
dürfen im Rahmen von Personalgewinnungsverfahren und ben eine hinreichend genaue Vorhersage der KLF mit Bezug Führung der Bundeswehr geliefert werden.
wehrmedizinischen Begutachtungen aber nur einen geringen zu einem allgemeinmilitärischen Anforderungsprofil (Abb. 1).

Anthropometrie Muskelkräfte BFT-Disziplinen

Fettfreie Masse Unterarmbeuger Sprinttest


Greifkraft 1.000 m-Lauf

Abb. 1: Die Parameter des „KI-KLF“ können mit geringen Ressourcenbedarf erhoben werden und sind starke Prädiktoren für die Abb. 2: Mit den erhobenen Daten kann die Leistung valide und zuverlässig bewertet und
konditionellen Fähigkeiten Kraft, Schnelligkeit und Ausdauer mit Bezug zu einem militärischen Standardanforderungsprofil in einem Ampelsystem („Grün“-„Gelb“-„Rot“) kategorisiert werden
Forschungsaktivitäten 2020 108 109

Oberstabsarzt Oberstabsarzt Oberstarzt Oberstarzt Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Dr. rer. nat. Oberstarzt
Simone Schüle Dr. med. Patrick Ostheim Prof. Dr. med. Matthias Port Michael Abend (M.Sc.) Simone Eckstein Susann Handrick PD Dr. med. Roman Wölfel
Institut für Radiobiologie Institut für Radiobiologie Institut für Radiobiologie Institut für Radiobiologie Institut für Mikrobiologie Institut für Mikrobiologie Institut für Mikrobiologie
der Bundeswehr der Bundeswehr der Bundeswehr der Bundeswehr der Bundeswehr der Bundeswehr der Bundeswehr
München München München München München München München

InstitutfuerRadiobiologie InstitutfuerRadiobiologie InstitutfuerRadiobiologie InstitutfuerRadiobiologie InstitutfuerMikrobiologie InstitutfuerMikrobiologie InstitutfuerMikrobiologie


@bundeswehr.org @bundeswehr.org @bundeswehr.org @bundeswehr.org @bundeswehr.org @bundeswehr.org @bundeswehr.org

Aufbau und Implementierung zusätzlicher SARS-CoV-2-Testkapazitäten von wenigen Wochen durch mehrere Testläufe etabliert und Der Schlüssel für den erfolgreichen, fach- und institutsüber-
am Institut für Radiobiologie der Bundeswehr validiert werden und erreichte einen Qualitätsstandard, der greifenden Aufbau und der Implementierung der SARS-CoV-2-
den Daten des akkreditierten Testlabors des InstMikroBioBw ent- Diagnostik am InstRadBioBw war zweifelsohne die reibungslose
sprach. Besonders hervorzuheben war dabei der entstandene, Zusammenarbeit zwischen beiden Instituten. Durch diese und
Die SARS-CoV-2-Pandemie führte zu einem rasch wachsen­ SARS-CoV-2 hat spätestens seit März 2020 die Welt fest im weitgehend automatisierte, fach- und institutsübergreifende das bereits zuvor bestehende hohe Arbeits- und Leistungsniveau
den Bedarf an diagnostischen Tests und Laborkapazitäten in Griff. Insbesondere im Frühjahr 2020 führte die SARS-CoV-2-­ Arbeitsablauf (siehe Abb. 1) mit dem Ziel einer Schnell- und beider Institute konnte neben der erfolgreichen Etablierung der
Deutschland. Am Institut für Radiobiologie der Bundeswehr Pandemie zu einem rasch wachsenden Bedarf an diagnosti- Hochdurchsatzdiagnostik von SARS-CoV-2 Proben. Hierfür SARS-CoV-2-Diagnostik am InstRadBioBw auch die Dauer der
(InstRadBioBw) wurde daher in Kooperation mit dem Insti­ schen Tests und Laborkapazitäten in Deutschland. Um dem be­- wurden die virusinaktivierten Patientenproben durch die teil- Etablierung von mehreren Monaten auf wenige Wochen redu-
tut für Mikrobiologie der Bundeswehr (InstMikroBioBw) fürchteten Engpass an diagnostischen Tests entgegenzuwirken, automatisierte Laborrobotik (siehe Abb. 1 B) verarbeitet und ziert werden.
ein teilautomatisierter, fach- und institutsübergreifender wurde daher am InstRadBioBw versucht, bereits bestehende für den direkten Virusnachweis vorbereitet. In der anschließend
Arbeitsablauf für die SARS-CoV-2-Diagnostik implemen­ Polymerase-Ketten-Reaktion (PCR) – Infrastrukturen für die durchgeführten „multiplexing“ quantitativen Real Time PCR
tiert. SARS-CoV-2 Diagnostik zu verwenden. Die bestehende hoch- (qRT-PCR, siehe Abb. 1 C), dem aktuellen Goldstandard der
leistungsfähige PCR-basierte Diagnostik war zwar für radio- SARS-CoV-2-Diagnostik, wurden simultan mehrere Zielgene
biologische Fragestellungen vielfach erprobt und validiert, gleichzeitig detektiert, um die Spezifität und Sensitivität des
die Durchführung jeglicher Virusdiagnostik, SARS-CoV-2 ein- direkten Virusnachweises zu erhöhen. Die Ergebnisinterpreta-
geschlossen, stellte bis dato jedoch ein Novum dar. Ziel war es tion der qRT-PCR und die abschließende Diagnosestellung er-
daher, in enger Zusammenarbeit mit dem InstMikroBioBw, folgte durch die Spezialisten des InstMikroBioBw (siehe Abb. 1 D).
schnellstmöglich die bestehenden Arbeitsabläufe so für die
SARS-CoV-2-Diagnostik umzustellen, dass bei Bedarf bis zu Beide Institute trugen demnach mit ihrer Expertise entschei-
200 zusätzliche Proben/ Tag getestet werden können. dend dazu bei, dass die Testkapazität im Frühjahr 2020 sig-
nifikant erhöht werden konnte – das InstMikroBioBw mit der
Zuerst mussten die vorhandenen Laborgeräte am InstRadBioBw Virusinaktivierung der Patientenproben und der Auswertung
mit entsprechender Software speziell für die Virusdiagnostik der qRT-PCR Daten und das InstRadBioBw mit der Bereitstel-
aufgerüstet und das benötigte Verbrauchsmaterial beschafft lung der teilautomatisierten RNA-Isolation und der Durchfüh-
werden. Im Anschluss konnte die Virusdiagnostik innerhalb rung der qRT-PCR.

Abb. 1:
Schematische Darstellung des
institutsübergreifenden, teilauto-
matisierten Arbeitsablaufes
A) Probenverarbeitung und Virus-
inaktivierung am InstMikroBioBw
B) Teilautomatisierte RNA-Isolation
mit dem QIAGEN QIAsymphony®
und
C) qRT-PCR mit dem QuantStudio™
12K OA Real-Time PCR System
am InstRadBioBw
D) Ergebnisinterpretation und Diag-
nosestellung am InstMikroBioBw
Forschungsaktivitäten 2020 110 111

RDir Dr. Ulrich Wesemann Oberstarzt Dr. Gerd Willmund Univ.-Prof. Dr. Tienush Rassaf Priv.-Doz. Dr. Johannes Siebermair
Psychotraumazentrum der Bundeswehr Psychotraumazentrum der Bundeswehr Universität Duisburg-Essen, Universität Duisburg-Essen,
Berlin Berlin Klinik für Kardiologie und Angiologie Klinik für Kardiologie und Angiologie
Essen Essen
bwkrhsberlinpsychotraumazentrum@bundeswehr.org bwkrhsberlinpsychotraumazentrum@bundeswehr.org
kardiologie@uk-essen.de kardiologie@uk-essen.de

Einfluss von COVID-19 auf Angst, Aggression und Ärger zu den führenden kardiovaskulären Maximalversorgern welt- Im zweiten Studienarm wurden stationär aufgenommene
bei Krankenhauspersonal und Betroffenen weit. In dieser Forschungskooperation wurden deutschlandweit Patientinnen und Patienten mit COVID-19 und zusätzlich
die ersten psychometrischen Daten in einem zweiarmigen vorliegenden schweren Lungen-, Herz-Kreislauf- oder onkolo­
Studiendesign mit behandelndem Personal sowie den betrof- gischen Erkrankungen untersucht. Hier fand sich eine erhöhte
COVID-19 war weltweit die bestimmende Herausforderung Aufgrund der rasanten Ausbreitung, der Überlastung von fenen Patientinnen und Patienten erhoben und publiziert. Prävalenzrate von 38 % für posttraumatische Belastungs-
des Jahres 2020. In einer zivil-militärischen Zusammenarbeit Gesundheitsreinrichtungen und der hohen Mortalität der störungen (PTBS). In den meisten Studien mit vergleichbaren
wurde der Einfluss von COVID-19 auf Angst, Aggression und Betroffenen war COVID-19 global das bestimmende gesund- Im ersten Studienarm mit den Behandlern konnte nachge- Einschlusskriterien – aber ohne COVID-19 – liegt die Rate un-
Ärger bei Krankenhauspersonal und einer von COVID-19 heits- und gesellschaftspolitische Thema des Jahres 2020. wiesen werden, dass direkter Kontakt zu Patientinnen oder ter 10%. Bereits die lebensbedrohlichen Vordiagnosen stellen
betroffenen Hochrisikopopulation untersucht. Aus den Er­ Der Bedrohungscharakter inklusive aller Beschränkungen Patienten mit COVID-19 zu weniger angstspezifischen Symp- ein medizinisches Trauma dar. Das zusätzliche Vorliegen von
gebnissen abgeleitete Empfehlungen für das Krankenhaus­ stellte eine Herausforderung für die psychische Gesundheit tomen oder Ärger führte als indirekter oder kein Kontakt. COVID-19 resultiert in einer sehr ungünstigen medizinischen
personal und zum Umgang mit den Betroffenen ­werden dar. Dies wird auf die Überzeugung, sich im Patientenkontakt Prognose. Als Risikofaktor für PTBS innerhalb dieser Popu-
dargestellt. gut vor einer Infektion schützen zu können, zurückgeführt. lation konnte Ärger als stabiles Persönlichkeitsmerkmal
In einer zivil-militärischen Zusammenarbeit wurde der Ein- Solche Kontrollüberzeugungen lassen sich durch den Arbeit- identifiziert werden. Ärger konnte bis zu 25% der Varianz der
fluss von COVID-19 auf Angst, Ärger und Aggression untersucht. geber positiv beeinflussen. Effektive Schutzmaßnahmen inner- posttraumatischen Belastungssymptomatik aufklären und da-
Dafür brachte der Psychologische Dienst der Bundeswehr, halb der Einrichtungen und durch die Führung transparente mit vor allem für die Prävention interessant sein. Ein routine-
vertreten durch das Psychotraumazentrum am BwKrhs Berlin, Vermittlung davon sind entscheidend. mäßiges Screening oder das Einholen eines psychologischen
seine Expertise zur Psychotraumatologie ein. Diese umfasst Konsils wird bei Risikopatientinnen und -patienten dringend
für zivile Populationen unter anderem Untersuchungen zu Weibliches Personal gab in einem Ärgerausdrucks-Inventar empfohlen, um psychische Störungen nicht zu übersehen.
Terror oder Amok bei intentionalen, Verkehrs- oder Flug- höhere Werte an als seine männlichen Kollegen. Dies wird
unfällen bei akzidentellen oder Bildschirmauswertungen durch die Doppelbelastung von Familie und Beruf erklärt, die Durch die Fortsetzung der wissenschaftlich-psychokardiolo-
von Extremereignissen bei beruflichen Traumatisierungen. laut Statistischem Bundesamt bei Frauen häufiger vorkommt. gischen Kooperation sollen Erkenntnisse gesammelt werden,
Die Klinik für Kardiologie und Angiologie des Westdeutschen Gerade in Zeiten des Lockdowns mit Homeschooling und um die Behandlung weiter zu optimieren.
Herz- und Gefäßzentrums der Universität Duisburg-Essen Schließungen von Kindertages- und Betreuungseinrichtungen
war der zivile Partner. Die Klinik bildet das gesamte Spektrum kam dies stärker zum Tragen.
der zeitgenössischen Herz-Kreislaufmedizin ab und gehört

Abb. 1: COVID-19 stellt die Betroffenen und die Behandelnden vor große Abb. 2: Grafische Darstellung zur Veranschaulichung des zweiarmigen Abb. 3: CT im thorakalen Querschnitt eines Patienten ohne COVID-19. Abb. 4: Thorakales CT einer Patientin mit COVID-19 Infektion.
psychische Herausforderungen. Hier exemplarisch die stationäre Versorgung Studiendesigns mit Krankenhauspersonal und Betroffenen Das Lungenparenchym zeigt sich seitengleich belüftet. Im Lungenparenchym finden sich beidseits schwielige Indurationen
und Überwachung von Patientinnen und Patienten mit COVID-19 (Foto: (Vektorgrafiken: Vecteezy.com, Gestaltung: Charlyn Braun; in den basalen Lungenabschnitten
Thilo Pulpanek; Bundeswehrkrankenhaus Berlin; ©Wesemann et al. 2021) Wehr­medizinische Monatsschrift Ausg. 3-4/2021)
Forschungsaktivitäten 2020 112 113

ORR Dr. Kai Köhler Oberstarzt Prof. Dr. Peter Zimmermann RDir Dipl.-Psych. Alexander Varn Oberstarzt Dr. Gerd Willmund
Psychotraumazentrum der Bundeswehr Psychotraumazentrum der Bundeswehr Kommando Sanitätsdienstliche Einsatzunterstützung Psychotraumazentrum der Bundeswehr
Berlin Berlin Weißenfels Berlin

bwkrhsberlinpsychotraumazentrum@bundeswehr.org bwkrhsberlinpsychotraumazentrum@bundeswehr.org kdosaneinsustgtrpsych@bundeswehr.org bwkrhsberlinpsychotraumazentrum@bundeswehr.org

Randomisiert kontrollierte Studie zur Wirksamkeit von pferdeunterstützter Eine Möglichkeit dies auszugleichen, könnte im therapeutischen Es werden psychometrische Testungen, physiologische Mes-
Intervention und Therapie bei Einsatzfolgestörungen von aktiven und Einsatz von Tieren liegen. Gerade Hunde und Pferde werden sungen (Herzratenvariabilität und Hautwiderstand) sowie

­ehemaligen Angehörigen der Bundeswehr zunehmend in Interventionen bei der Sozialarbeit, in der Fami- Cortisol (Speichel/Haar): vor (Baseline-), während (3 + 6 Woche
lienberatung und als Ergänzung in die Therapie eingebunden. als Verlaufs-), sowie katamnestisch (1 Woche + 3 Monate nach
Das Psychotraumazentrum der Bundeswehr Berlin führt Seit Anfang der 90iger Jahre haben über 400.000 deutsche Internationale Studienergebnisse zeigen, dass durch tiergestütz- Interventionsende als Follow-Up-Messung) durchgeführt und
im Auftrag des BMVg eine randomisiert kontrollierte Studie Soldatinnen und Soldaten an Auslandseinsätzen der Bun- te Interventionen eine Reduzierung von Angst-, Trauma- und statistisch ausgewertet.
zur pferdeunterstützten Therapie bei Einsatzfolgestörungen deswehr (Bw) teilgenommen. Annähernd 90 % von ihnen wa- Depressionssymptomen mit verbessertem Selbstbefinden,
von Bundeswehrangehörigen durch, um die Wirksamkeit ren dabei hohen Belastungen und nahezu 50 % mit extremen, sozialer Unterstützung und weniger Therapieabbrüche erreicht Auch Auswirkungen auf die eingesetzten Pferde werden in
und mögliche Einflussfaktoren zu untersuchen. Das Studien­ potentiell traumatischen Ereignissen ausgesetzt. Bis zu 25 % werden kann. Bei US-Veteranen zeigte eine Studie zu Hippo- Zusammenarbeit mit den Veterinären des Sanitätsdienstes
design vergleicht zwei unterschiedliche Interventionsarten der Soldatinnen und Soldaten zeigten nach ihrer Rückkehr therapie Verbesserungen bei der Selbstwirksamkeit, der Emoti- der Bw hinsichtlich ihrer Stressbelastung (Speichelcortisol,
der pferdegestützten Therapie mit einer „treatment as ususal“- psychische Erkrankungen. Ein Teil dieser Soldatinnen und onsregulation, der täglichen Aufgabenerledigung sowie bei Herzratenvariabilität, videobasierte Verhaltensbeobachtung)
Bedingung. Soldaten berichten von länger andauernden Problemen wie sozialer sowie emotionaler Einsamkeit. im Verlauf getestet (Abb. 5 und 6).
Konzentrationsstörungen, Reizbarkeit, Vermeidungsverhalten
und Albträumen, die einer Posttraumatischen Belastungs- Bei einer ersten Pilotstudie der Bw konnte eine pferdege- Konkret untersucht werden die folgenden Fragen:
störung (PTBS) aber auch anderen Einsatzfolgestörungen stützte Intervention (PGI) an einem Wochenende für Paare im 1. Kann eine PGI negative störungsspezifische und störungs-
wie Anpassungs-, Angst- und somatoforme Störungen sowie Prä-Post Vergleich eine Reduzierung von PTBS Symptomen unspezifische Symptome einer Einsatzfolgestörung nachhal-
Depressionen zugeordnet werden können. (Abb. 1 und 2) nachweisen. Allerdings steht der letztendliche tig reduzieren und die subjektive Lebensqualität verbessern?
evidenzbasierte Nachweis der Wirksamkeit aufgrund der zu 2. Sind Veränderungen durch die Therapie auch auf physiolo-
Allerdings liegen derzeit bei Soldatinnen und Soldaten der Bw geringen Studiendichte und -qualität bislang noch aus. Daher gischer Ebene im Bereich Stress nachweisbar?
zwischen auslösendem Ereignis und der Inanspruchnahme von ist das Psychotraumazentrum beauftragt worden, mittels 3. Wirken sich PGIs auf die physiologischen Stress-Parameter
Hilfe im Mittel 5 Jahre. Aus dieser Chronifizierung resultiert, randomisiert kontrollierter Studie (N = 200) die therapeutische bei den eingesetzten Pferden aus?
wie in Studien nachgewiesen, eine niedrigere Wirksamkeit der Wirksamkeit einer zusätzlich zur Standardtherapie durch-
leitliniengerechten Therapiemethoden im Vergleich zu zivilen geführten PGI in 3 Bedingungen (Abb. 3) zu evaluieren. Die Erste Ergebnisse einer Zwischenauswertungen sollen 2022 und
Patienten. Intervention umfasst 6 Wochen (16 h pferdegestützte Einzel- eine abschließende Auswertung 2024 vorliegen.
therapie) an zwei Standorten (Abb. 4).

Abb. 1: Ausschließlich ausgesuchte, Abb. 2: Ehemalige Einsatzsoldaten setzen Abb. 3: Vereinfachte Darstellung der drei Studienarme des Abb. 4: Darstellung des Studienablaufs Abb. 5: Darstellung der Abb. 6: Anlage eines
therapieerfahrene Pferde werden für die sich in dem Projekt über sechs Wochen inten- Evaluationsprojekts (Quelle: Dr. Kai Köhler) (Quelle: Dr. Kai Köhler) Saliva-Cortisol-Entnahme HRV-Messgürtels
Studie genutzt (Quelle: PIZ BAPersBw) siv mit den Therapiepferden auseinander. (Quelle: Frederike Wendt; Berlin) (Quelle: Frederike Wendt; Berlin)
Eine traumatherapeutische Bearbeitung
erfolgt dabei nicht (Quelle: PIZ BAPersBw)
Forschungsaktivitäten 2020 114 115

Oberfeldarzt PD Dr. Carla Ledderhos Oberstabsarzt Dr. Sven-Erik Sönksen Oberleutnant Jennifer Neubig Dipl.-Ing. André Gens Oberstarzt PD Dr. Frank Weber Oberstabsarzt Dr. Sven Kühn
Zentrum für Luft- und Raumfahrtmedizin Zentrum für Luft- und Raumfahrtmedizin Zentrum für Luft- und Raumfahrtmedizin Zentrum für Luft- und Raumfahrtmedizin Zentrum für Luft- und Raumfahrtmedizin Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz
der Luftwaffe der Luftwaffe der Luftwaffe der Luftwaffe der Luftwaffe Koblenz
Fürstenfeldbruck Fürstenfeldbruck Fürstenfeldbruck Fürstenfeldbruck Fürstenfeldbruck
BwZkrhsKoblenz@bundeswehr.org
ZentrLuRMedLwPresse@bundeswehr.org ZentrLuRMedLwPresse@bundeswehr.org ZentrLuRMedLwPresse@bundeswehr.org ZentrLuRMedLwPresse@bundeswehr.org ZentrLuRMedLwPresse@bundeswehr.org

Screeninguntersuchungen zu den funktionellen Konsequenzen repetitiver Innenbegleitpersonal von Höhensimulationskammern auf- mittels akustisch und visuell evozierter Potenziale (AEP/VEP)
hypobarer Höhenexpositionen bei Innenbegleitpersonal von Höhensimula- tritt, aber ebenso die Ergebnisse tierexperimenteller Studien (Abb. 4) und des Augenfundus mittels optischer Kohärenztomo­

tionskammern – Eine europäische multinationale Studie dazu, die gesundheitliche Unbedenklichkeit derartiger Höhen- graphie (OCT) (Abb. 5) sowie psychometrische Tests (Abb. 6)
expositionen kritisch zu hinterfragen. durchgeführt.
White Matter Hyperintensities (WMH) im Gehirn gelten Im MRT nachweisbare Hyperintensitäten der weißen Substanz
im Alter unter 50 Jahren als abnorme Befunde. Ihr erhöhtes des Gehirns (sog. white matter hyperintensities) sind unspezi- Daher wurde im Rahmen der Science and Technology Orga- Bislang wurden 49 Personen (21 Innenbegleiter, 28 Kontroll-
Auftreten bei Berufsgruppen mit häufigen hypobaren Expo­ fische neuronale Schädigungen, die in höherem Alter häufiger nization (STO) der NATO eine Arbeitsgruppe „The Impact of personen) untersucht. Die bisherigen Daten der noch andau-
sitionen ist Anlass, deren gesundheitliche Unbedenklichkeit werden, in der Altersgruppe unter 50 Jahren allerdings als Hypobaric Exposure on Aviators and High-Altitude Special ernden Studie lassen keine Gruppenunterschiede in mittlerer
zu hinterfragen. Die vorgestellte Studie untersucht die Kon­ abnorme Befunde gelten. Sie gehen mit einer erhöhten Morbidi- Operations Personnel“ gebildet. In ihr haben die deutschen Zahl und mittlerem Volumen der WMH erkennen. Allerdings
sequenzen solcher Expositionen für in der Ausbildung von tät und Mortalität für Erkrankungen wie vaskulärer Demenz, Vertreter vom Zentrum für Luft- und Raumfahrtmedizin der weisen 56 % der Innenbegleiter aber nur 46 % der Kontrollper-
Piloten tätige Innenbegleiter von Unterdruckkammern. Morbus Alzheimer, etc. einher und sind mit kognitiven Ein- Luftwaffe in Fürstenfeldbruck eine klinische Studie mit Innen- sonen mehr als 5 WMH im Gehirn auf. Daneben findet sich die
bußen sowie schlechteren klinischen Verläufen verbunden. begleitern von Höhensimulationskammern aus verschiedenen bereits aus der Literatur bekannte Korrelation von Zahl und
Auch begünstigen weitere kardiovaskuläre Risikofaktoren europäischen Nationen initialisiert, die sich mit der Prävalenz Volumen der WMH mit dem Alter. Die meisten WMH (58 %
(Arteriosklerose, Hypertonie etc.) sowie bestimmte Freizeit- von WMH in Gehirn und Rückenmark sowie deren funktio- aller WMH) sind subkortikal im Frontallappen lokalisiert, im
aktivitäten, wie Tauchen und Bergsteigen, ihr Auftreten. nellen Implikationen nach repetitiven, nicht-hypoxischen, Occipitallappen des Gehirns gab es bisher in keiner Gruppe
hypobaren Expositionen beschäftigt. WMH. Gleiches gilt für das Rückenmark. Was die funktionellen
Trotz umfangreicher Untersuchungen der letzten Jahre ist Konsequenzen von WMH angeht, findet sich bislang nur
weder die Pathogenese dieser Veränderungen noch deren Dafür wird das Unterdruckkammerpersonal (Abb. 1), das im bei den psychometrischen Daten eine Tendenz zu geringen
funktionelle Bedeutung befriedigend geklärt. Dienstgeschehen regelmäßig den relevanten Höhen ausgesetzt Unterschieden zwischen den Gruppen.
ist, im Vergleich zu einer nach Alter und Geschlecht gematchten
Im flugmedizinischen Kontext führten die erhöhte Inzidenz Gruppe ohne entsprechende Expositionen (HKS-Aufenthalte, Die Ergebnisse dieser Studie werden eine bessere Abschätzung
von WMH insbesondere in jüngeren, gut untersuchten Kohor- Tauchgänge und Bergsteigen) in der Anamnese, untersucht. des beruflichen Risikos von entsprechend belasteten Personal
ten mit beruflich bedingten, repetitiven nicht-hypoxischen, Neben einer Anamnese und 3T MRT-Scans des Gehirns (Abb. 2) erlauben.
hypobaren Expositionen, wie sie z. B. bei U2-Piloten, Astro- und des Rückenmarks werden funktionelle Tests zur Gleichge-
nauten sowie bei in der Ausbildung von Piloten arbeitendem wichtsregulation (Posturographie) (Abb. 3), der Hör- und Sehbahn

Abb. 1: Blick in die Unterdruckkammer des Zentrums für Abb. 2: T2 gewichtetes FLAIR (fluid- Abb. 3: Portables Posturographiegerät „Tetrax IBS“ Abb. 4: Beispiel für ein akustisch evoziertes Potential Abb. 5: Beispiel für einen Teilbefund der Abb. 6: Versuchsperson bei der Durchführung
Luft- und Raumfahrtmedizin der Luftwaffe in Königsbrück attenuated inversion recovery) Image der Firma Neurodata zur Erfassung der Gleich- (AEP) zur funktionellen Untersuchung der Hörbahn optischen Kohärenztomographie (OCT) bei des Wiener Determinationstestes
während der Unterweisung von Piloten durch einen Innen- mit multiplen Hyperintensitäten in der gewichtsregulation (Quelle: Dr. Carla Ledderhos, (Quelle: Dezernat „Neurologie/Psychiatrie/Klinische einer Versuchsperson (Quelle: Dezernat (Quelle: Dr. Carla Ledderhos, Bundeswehr)
begleiter (Quelle: Stephan Ink, Bundeswehr) weißen Substanz im 3T MRT bei einer Bundeswehr) Psychologie“, ZentrLuRMedLw) „Augenheilkunde“, ZentrLuRMedLw)
Versuchsperson (Quelle: Dez. „Bildge-
bende Diagnostik“, ZentrLuRMedLw)
Forschungsaktivitäten 2020 116 117

Oberstabsarzt Dr. med. Sebastian Klapa Dr. rer. nat. Wataru Kähler Bente Rieger Oberstabsarzt Tatjana Noy
Schifffahrtmedizinisches Institut der Marine Schifffahrtmedizinisches Institut der Marine Schifffahrtmedizinisches Institut der Marine 1. UGschw San
Kronshagen Kronshagen Kronshagen Eckernförde

schiffmedinstm@bundeswehr.org schiffmedinstm@bundeswehr.org schiffmedinstm@bundeswehr.org pressestellekiel@bundeswehr.org

Immunologische Veränderungen durch hyperbaren Sauerstoff ren. Auf der anderen Seite werden jedoch auch regulatori- Im Vergleich zu den Studienergebnissen bei Hypoxie zeigen
– Wie beeinflusst dienstliches Tauchen die Immunantwort? sche ­T-Zellen durch HIF-1alpha aktiviert, die wiederum eine die aktuellen Ergebnisse überraschenderweise ein ähnliches
überschießende Immunreaktion lokal unterbinden können. Bild unter Hyperoxie. Die Immunzellen zeigen sowohl ex vivo
als auch in-vitro eine deutliche Aktivierung zu sogenannten
Wechselnde Umweltfaktoren induzieren eine Vielzahl von Umweltfaktoren beeinflussen im hohen Maße das menschliche Dienstliches Tauchen bedingt durch die vorhandene Drucker- Effektor-T-Zellen. Diese polarisieren zu TH1-Helferzellen bei
Immunreaktionen. Dienstliches Tauchen führt zu einer Immunsystem. Nicht nur akute oder chronische Infektionen, höhung eine unphysiologische Erhöhung des Sauerstoffpartial­ gleichzeitiger Reduktion des Anteils von TH2-Helferzellen
unphysiologischen Erhöhung des Sauerstoffpartialdrucks auch Stress, bestimmte Nahrungsmittel oder selbst ein geän- druckes (Hyperoxie), welche durch die Nutzung von reinem (Abb. 3). Ferner induziert die applizierte hyperbare Hyperoxie,
(Hyperoxie) mit möglichen immunologischen Folgen. dertes Schlafverhalten führen zu Veränderung der immuno- Sauerstoff um ein Vielfaches verstärkt wird (Abb. 1). Im Vergleich eine Aktivierung von regulatorischen T-Zellen, die wiederum
­Immunzellen von gesunden Probanden nach definierter logischen Homöostase. zur Hypoxie ist über Immunreaktionen unter Hyperoxie sehr eine überschießende und somit fehlgeleitete Immunantwort
Hyperoxie zeigen eine Aktivierung der erworbenen zellu­ wenig bekannt. Jedoch zeigten Tiermodelle einen möglichen supprimieren könnten (Abb. 4).
lären Immunantwort sowie eine Aktivierung regulatori­ Physiologisch herrscht in bestimmten Körperregionen ein immunsuppressiven Effekt bei wiederholter Applikation von
scher T-Helferzellen. Zustand verminderter Sauerstoffverfügbarkeit (Hypoxie) wie hyperbarem Sauerstoff. Zusammenfassend weisen diese Ergebnisse auf ein dynami-
zum Beispiel in schlechter durchbluteten Geweben. Jedoch sches Gleichgewicht hin, wobei Änderungen der Normoxie
können sich unter krankhaften Veränderungen auch in sonst Ein aktuelles Projekt am Schiffahrtsmedizinischen Institut der zur Hy­poxie oder Hyperoxie eine vergleichbare Immunreak­
gut durchbluteten Bereichen hypoxische Zustände einstellen, Marine Kronshagen (SchiffMedInstM) untersucht die Wirkung tion bedingt.
wie z.B. bei einem Lungenödem oder bei lokalen Entzündun- von hyperbarem Sauerstoff auf die Immunkompetenz gesunder
gen. Die hierbei durch Hypoxie bedingten Immunreaktionen Probanden. Es erfolgt methodisch die Identifizierung der ver- Weitere Studien sind notwendig, um die Komplexität dieser
sind sehr gut erforscht und zeigen eine Adaptationsfähigkeit schiedenen Immunzellen mittels Durchflusszytometrie der Reaktion zu untersuchen, insbesondere im Hinblick auf die
des Körpers durch lokal induzierte Veränderungen der Immun- einzelnen Immunzellen der Probanden vor, sowie nach der funktionellen Folgen und immunologischen Langzeitfolgen.
zellen. Hierbei spielt der sogenannte Hypoxie-induzierbare jeweiligen Exposition. Isolierte Immunzellen werden in-vitro
Faktor 1-alpha (HIF-1alpha) eine zentrale Rolle. Dieser wird demselben Reiz in der experimentellen Druckkammer (Abb. 2) Erkenntnisse sind hierbei nicht nur relevant für die Nutzung
durch Hypoxie in den Zellen aktiviert und löst folgend eine ausgesetzt, um Veränderungen von immobilisierten Zellen zu des dienstlichen Tauchens, sondern auch im Hinblick auf die
Reihe von immunologischen Reaktionen aus. Es kommt zu einer erfassen. Mögliche Rezeptorveränderungen werden darüber Nutzung der hyperbaren Sauerstoffgabe bei Patienten.
Vermehrung und Aktivierung bestimmter T-Helfer Zellen. hinaus mittels quantitativer Echtzeit-PCR validiert.
Diese wiederum erlauben es dem Körper, effektiver zu reagie-

Abb. 1: Kampfschwimmer der Deutschen Marine Abb. 2: Experimental-Druckkammer am SchiffMedInstM Abb. 3: Durchflusszytometrische Analyse von CD4+ T-Helferzellen von Abb. 4: Durchflusszytometrische Analyse von regulatorischen T-Zellen von
gesunden Probanden unter Normoxie sowie nach anschließender Exposition gesunden Probanden unter Normoxie sowie nach anschließender Exposition
mit hyperbarem Sauerstoff (Hyperoxie) mit hyperbarem Sauerstoff (Hyperoxie)
Forschungsaktivitäten 2020 118 119

Oberfeldarzt Priv.-Doz. Dr. med. David Alexander Back Oberstabsarzt Dr. med. Katharina Estel Oberstarzt Prof. Dr. med Christian Willy Major Gerhard Gordon Borchardt
Bundeswehrkrankenhaus Berlin Bundeswehrkrankenhaus Berlin Bundeswehrkrankenhaus Berlin Zentrum für Softwarekompetenz der Bundeswehr
Berlin Berlin Berlin Euskirchen

BwKrhsBerlinKlinik14Unfallchirurgie@bundeswehr.org BwKrhsBerlinKlinik14Unfallchirurgie@bundeswehr.org BwKrhsBerlinKlinik14Unfallchirurgie@bundeswehr.org ZSwKBwpressearbeit@bundeswehr.org

Einsatz der Online-Videosprechstunde im Sanitätsdienst der Bundeswehr Bundeswehr (CIHBw) (Abb. 2). Weitere enge Abstimmungen angenehm bewertet. Technische oder organisatorische Prob-
erfolgten mit dem Bundesamt für Ausrüstung, Informations- leme konnten gut identifiziert und Schlussfolgerungen gezogen
technik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) sowie der werden. Auch qualitativ waren O-VS-Befunde oft vergleichbar
S6-Abteilung und dem Datenschutzbeauftragten des BwKrhs mit „live“-Befunden – v. a. hinsichtlich der Therapieempfeh-
Die digitale Transformation des Gesundheitswesens führt Im Rahmen der digitalen Transformation des Gesundheits- Berlin. lungen. Zudem zeigten die Ergebnisse neue Möglichkeiten für
zu einer deutlichen Erweiterung diagnostischer und thera­ wesens werden zunehmend neue Anwendungen zur Unter- die Kommunikation zwischen BwKrhs und regionalen Sanitäts-
peutischer Möglichkeiten. Ein Sonderforschungsprojekt der stützung des Alltags für Patienten und medizinisches Personal In einem ersten Projektteil erfolgte die technische und orga- einrichtungen mit einer Beschleunigung von Empfehlungen
Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie des Bundeswehr­ entwickelt und eingesetzt. Online-Videosprechstunden (O-VS) nisatorische Etablierung der Abläufe in der Klinik für Unfall- für Diagnostik und Therapie, Begleitung konservativer Thera-
krankenhauses Berlin mit dem Cyber Innovation Hub der haben dabei in den letzten Jahren auch in Deutschland eine chirurgie und Orthopädie des BwKrhs Berlin ab August 2019 pieansätze bis hin zur Stellung von OP-Indikationen. Vielen
Bundeswehr sollte den Nutzen der Online-Videosprechstun­ gesetzliche Basis erhalten und wurden bereits vor der Covid- (Abb. 3). Hierbei wurde nach einem vorangegangenen fach- Patienten und ihren Einheiten konnten, bei gleichzeitiger Ein-
de für den Sanitätsdienst der Bundeswehr untersuchen. 19-Pandemie eingeführt. Ihr Einsatz bringt Vorteile mit sich, ärztlichen Kontakt neben einer geplanten „live“ Verlaufskont- sparung dienstlicher Ressourcen, dadurch lange Anfahrten er-
wie die Ortsunabhängigkeit der Vorstellung, Vermeidung rolle der Patienten in der Klinik jeweils eine zusätzliche O-VS spart werden.
längerer Anfahrten, wie auch eine Reduktion von Wartezeiten. durchgeführt. Neben einer Nutzer-Evaluation wurden zudem
O-VS- und „live“-Befunde miteinander verglichen. Mit den erworbenen positiven Erfahrungen kann das Projekt
Das Sonderforschungsprojekt 23K4-S-10 1921 an der Klinik insbesondere vor dem Hintergrund der Covid-19-Pandemie
für Unfallchirurgie und Orthopädie des Bundeswehrkranken- In einem zweiten Projektteil wurde ab März 2020 die Nutzung eine Grundlage für die zukünftige telemedizinische Ausrich-
hauses (BwKrhs) Berlin (Abb. 1) untersuchte den Einsatz der von O-VS v. a. bei der konsiliarischen Vorstellung von Patienten tung des Sanitätsdienstes darstellen. In Zukunft ist nicht nur
O-VS in den Schnittstellen Fachärzte-Truppenärzte-Patienten. durch Truppenärzte bei Ärzten der Klinik für Unfallchirurgie eine Ausweitung auf andere klinische Fachbereiche oder
Ziel war die Analyse der Akzeptanz dieses Angebots bei den und Orthopädie des BwKrhs Berlin evaluiert. Die Akzeptanz die allgemeinen truppenärztlichen Sprechstunden denkbar.
einzelnen Nutzergruppen und inwieweit bestehende Prozesse des Angebots wurde nach jedem Termin von den teilnehmenden Mittelfristig könnte analog zu zivilen Planungen auch
durch diese Technologien sinnvoll ergänzt oder optimiert Ärzten und Patienten evaluiert. eine Verbindung mit Formen eines elektronischen Rezepts
werden könnten. oder einer „kzH“-Empfehlung erfolgen. Auch der Einsatz
Insgesamt zeigten sich die über 120 teilnehmenden Patienten von künstlicher Intelligenz zur Unterstützung der Analyse
Das Vorhaben wurde seit 2018 mit den verschiedenen Partnern und Ärzte zufrieden mit den Abläufen der O-VS. Insbesondere von Krankheitssymptomen und Terminierung von O-VS
entwickelt – führend dabei mit dem Cyber Innovation Hub der die Atmosphäre wurde von dem überwiegenden Teil als sehr wird derzeit erforscht.

Abb. 1: Wappen des Bundeswehrkrankenhauses Berlin Abb. 2: Logo des Cyber Innovation Hub der Bundeswehr Abb. 3: Beispielhafte Videosprechstunde mit einem Patienten
(Quelle: Bundeswehr / Steve Back)
Forschungsaktivitäten 2020 120 121

Oberstarzt Prof. Dr. med Christian Willy Dr. Tobias Weigel Dr. Jörn Probst Prof. Dr. rer. biol hum. Heike Walles
Bundeswehrkrankenhaus Berlin Fraunhofer-Institut für Silicatforschung ISC Fraunhofer-Institut für Silicatforschung ISC Otto von-Guericke-Universität
Berlin Würzburg Würzburg Magdeburg

BwKrhsBerlinKlinik14Unfallchirurgie@bundeswehr.org info@isc.fraunhofer.de info@isc.fraunhofer.de info@ovgu.de

Entwicklung einer bakterienundurchlässigen Haut-Metall-Konnektion In Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer ISC/ TLZ-RT fähige Barriere erzeugen. Bisherige Untersuchungen an in-vitro
für transkutane osseointegrierte Prothesensysteme (TOPS) (Translationszentrum für Regenerative Therapien) erfolgt Modellen zeigen für die entwickelten Faservliese eine erfolg-
die Entwicklung eines Konzeptes, welches das Stoma am reiche Integration in Hautmodelle, sowie ein reduziertes
Hautdurchgang auf physiologischem Wege verschließen inflammatorisches Potential und werden anschließend über
Herkömmliche Amputationen werden bis heute mit einem Neben dem Bundeswehrkrankenhaus Berlin als einer der ersten kann. Diese Verbindung weist auf einer Seite die synthetische in-vivo Modelle weiter charakterisiert. Zum Implantat hin
den Stumpf umgreifenden Schaft versorgt. Nach der fast Anwender der transkutanen osseointegrierten Prothesensysteme Verbindung zum Implantat auf und auf der anderen Seite erfolgt eine Klebung, welche das Vlies mit dem transkutanen
2500-jährigen Geschichte dieser Therapieform entwickelte (TOPS) in Deutschland, wird die neue Prothesenversorgungs- die möglichst natürliche Integration in die umliegende Haut Element verbindet. Über eine lokal begrenzte Polymerisations-
sich in den letzten 15 Jahren eine Behandlungsoption, bei technologie weltweit in ca. 15 Klinken durchgeführt. TOPS über einen synthetisch-physiologischen Gradienten. Die In­ reaktion wird das Faservlies mit dem Implantat kovalent ver-
der ein Implantat in den Markraum des amputierten Röhren­ verbessert die bisherige Stumpfversorgung dahingehend, dass tegration dieser Verbindung in das Hautgewebe erfordert bunden. Hierbei muss die optimale Zusammensetzung des
knochens eingeführt und durch die Haut nach außen geleitet die Prothese direkt im Oberschenkelknochen verankert wird spezielle Materialien und Strukturen. Zum Einsatz kommen Klebematerials gefunden werden, um die mechanischen
wird, um dort mit der Prothese konnektiert zu werden. Dieser und hieraus nach ausreichender Osseointegration eine direkte dafür langzeit-stabile Materialien mit proteinähnlichen Ober- ­Eigenschaften auf diese Anwendung anzupassen. Für eine
Hautdurchgang erzeugt ein Infektionsrisiko für Weichgewebe physiologische Kraftübertragung zwischen Körper und Prothese flächenfunktionalitäten und physiologisch vergleichbaren möglichst langhaltige Verbindung mit der Haut ist ein Gradient
und Knochen. In Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Insti­ resultiert (Osseoperzeption). Zudem werden Haut-Komplika- mechanischen Eigenschaften. Um eine möglichst natürliche der Elastizität zwischen dem Metallimplantat und dem Haut-
tut für Silicatforschung ISC wird eine dauerhafte physiolo­ tionen durch den herkömmlichen Prothesenschaft, die auch Hautintegration zu erreichen, muss auch die Struktur des gewebe nötig, um Spannungsspitzen bzw. Sollbruchstellen
gische Verbindung des Implantats mit der Haut entwickelt, jungen geübten Amputierten das uneingeschränkte Tragen der Materials dem natürlichen Bindegewebe der Dermis nach- in dieser Implantat-Haut-Konnexion zu vermeiden.
so dass dieses Stoma als Infektquelle nicht mehr besteht. Prothese unmöglich machen, vermieden. Allerdings verbleibt empfunden werden. Die Erzeugung von Nanofasern über
bei der TOPS-Technik der Hautdurchgang (Stoma), welcher Elektrospinnen führt zu Strukturen in der Größenordnung von Nach der erfolgreichen Konzeptentwicklung und Demons­
immer eine Quelle für eine oberflächliche oder tiefe Infektion Kollagenfasern. Zusätzlich erfolgt über 3D-Strukturierungs- tration müssen die einzelnen Abschnitte und Komponenten
des Weichgewebes (Muskel, Haut) und im ungünstigen Fall prozesse eine drastische Erhöhung der Porosität zwischen feinjustiert werden, um alle nötigen Sicherheitsaspekte für
auch des Knochens darstellen kann. den Fasern. Dies erlaubt, dass Zellen in das Fasernetzwerk ein- die zukünftige klinische Anwendung zu erfüllen.
dringen können und über den Aufbau eigener Strukturpro-
Die Entwicklung einer mechanisch belastbaren und bakterien- teine das Material in der Dermis verankern.
dichten Verbindung zwischen dem Implantat und der Haut
könnte das Infektionsrisiko deutlich senken. Abschließend kann die Ausbildung einer Epidermis über dem
integrierten Faservlies eine bakteriendichte und regenerations-

Abb. 2: Schematische Zeichnung des entwickelten Konzepts


zur physiologischen Verbindung der Haut mit dem transkutanen
Implantat (Quelle: Fraunhofer ISC)
Abb. 4: Im verwendeten Hautmodell kann das entwickelte Faservlies in das Gewebe integriert werden
und den Wundverschluss durch Ausbildung der Epidermis (rot) fördern (Quelle: Fraunhofer ISC)

Abb. 1: Links: die herkömmliche Amputationsstumpfversorgung mit Fixation der Prothese mittels eines um Abb. 3: Klebung des Nanofaservlieses
den Stumpf angebrachten Schaft. Rechts: Fixation mittels eines in den Markraum des Knochens eingebrachten an einen Metallzylinder als Implantat
Implantates, an das nach seinem Hautdurchtritt das gleiche moderne Prothesensystem angedockt werden kann (Quelle: Fraunhofer ISC)
(Quelle: Dr. Aschoff, Hannover)
Forschungsaktivitäten 2020 122 123

Oberfeldarzt Dr. med. Leutnant (SanOA) Oberstarzt Dr. med. Oberstarzt Dr. med. Oberstarzt Dr. med. Dr. Asja Maaz Prof. Dr. med. Harm Peters
Thorsten Hauer Katja Schneider Niels Huschitt André Lieber Gerd-Dieter Willmund Charité – Universitätsmedizin Berlin Charité – Universitätsmedizin Berlin
Bundeswehrkrankenhaus Berlin Bundeswehrkrankenhaus Berlin Bundeswehrkrankenhaus Berlin Bundeswehrkrankenhaus Berlin Bundeswehrkrankenhaus Berlin Berlin Berlin
Berlin Berlin Berlin Berlin Berlin
presse@charite.de presse@charite.de
BwKrhsBerlin@bundeswehr.org BwKrhsBerlin@bundeswehr.org BwKrhsBerlin@bundeswehr.org BwKrhsBerlin@bundeswehr.org BwKrhsBerlin@bundeswehr.org

Evaluation modernster Simulationsmodelle in der notfallchirurgischen bildungen menschlicher Körper, die in vielen medizinischen dige Niveau an Komplexität, da sie sowohl Defizite in der anato-
Ausbildung Bereichen zur Standardausbildung genutzt werden. Zur Ver- mischen Darstellung als auch der Blutungssimulation aufweisen,
mittlung komplexer chirurgischer Manöver fehlten bisher jedoch hohe Anschaffungs- und Nutzungskosten mit sich brin-
geeignete Trainingsmodelle. Eine vielversprechende innovative gen. Die Anatomie von HC ist realitätsnah, die fehlende Blutung
Einsatzchirurgen der Bundeswehr durchlaufen neben ihrer Die Ausbildung einsatzbereiter Chirurgen stellt für die Bundes- Simulationstechnologie stellen perfundierte menschliche Lei- beschränkt den Einsatz jedoch auf die stressarme Ausbildung
klinischen Facharztweiterbildung ein spezielles Ausbildungs­ wehr eine besondere Herausforderung dar. Zum einen muss die chen (perfused human cadavers, PHC; s. Abb. 3) dar, deren von Einzelfertigkeiten. Logistische Herausforderungen spielen
curriculum, um bestmöglich auf die vielfältigen Herausfor­ Versorgung krisentypischer Verletzungsmuster erlernt werden, Gefäßsystem mithilfe extrakorporaler Pumpensysteme mit hier eine wichtige Rolle. LTT bietet realitätsnahe Gewebequalität
derungen bei der chirurgischen Versorgung schwerverletzter die in Deutsch­land selten vorkommen, deren Beherrschung Kunstblut gefüllt wird, um eine Durchblutung des Gewebes und Blutungssimulation, allerdings unterscheidet sich die Anato­
Soldatinnen und Soldaten im Auslandseinsatz vorbereitet zu aber für die Auslandseinsätze der Bundeswehr unverzichtbar zu erzeugen. mie von Mensch und Schwein teilweise erheblich. Die ethischen
sein. Ziel der vorliegenden Studie war die vergleichende Un­ ist. Zum anderen stehen in den medizinischen Behandlungs- Bedenken im Zusammenhang mit LTT limitieren ihren Einsatz.
tersuchung etablierter Simulationsmodelle zur Vermittlung einrichtungen im Einsatz nicht alle operativen Fachdisziplinen Ziel der Studie war es zunächst, im Rahmen einer Fokusgruppen- PHC vereinen die korrekte menschliche Anatomie der HC mit
notfallchirurgischer Fertigkeiten mit neuen, innovativen zur Verfügung, sodass zumindest die Notfalleingriffe der kom- Diskussion Anforderungen an ein ideales Simulationsmodell der realitätsnahen Blutung von LTT. Die subjektive Handlungs-
Simulationsmodellen. plementären chirurgischen Fächer in einem definierten Umfang (SM) für die notfallchirurgische Ausbildung zu definieren und sicherheit der Teilnehmenden zeigte eine statistisch signifikante
vermittelt und in Übung gehalten werden müssen. Zur Vermitt- nachfolgend die neuen Simulalationsmodelle (HPS, PHC) durch Steigerung durch die Teilnahme am TEC. Ein Rückschluss auf
lung techni­scher Fertigkeiten werden menschliche Leichen ein Expertengremium bewerten zu lassen. Der Vergleich mit den Beitrag der einzelnen SM war nicht möglich. Subjektiv
(human cadavers, HC) und narkotisierte Schweine (Live Tissue etablierten SM (HC, LTT) erfolgte im Rahmen des Einsatzchirur- empfanden die Teilnehmenden den Lernerfolg bei der Arbeit
Training, LTT; ­s. Abb. 1) eingesetzt. Die Nutzung menschlicher gie-Lehrgangs der Bundeswehr (Training Einsatzchirurgie, TEC) mit LTT am größten. Die psychische Beanspruchung zeigte
Körperspender und lebender Tiere zur Vermittlung chirur- durch Teilnehmende. Es wurden folgende Aspekte erfasst: sich bei perfundierten SM größer als bei nicht-perfundierten
gischer Fertigkeiten verpflichtet in besonderer Weise, die Me- Durchführbarkeit und Realitätsnähe notfallchirurgischer (LTT > HPS > HC). Die moralischen Bedenken bei der Arbeit mit
thodik der Ausbildung kontinuierlich zu verbessern und den Schlüsselmanöver mit den Schwerpunkten Anatomie und LTT waren signifikant größer als bei den anderen SM.
beabsichtigten Ausbildungserfolg zu evaluieren, letztlich mit Blutungssimulation, die subjektive Handlungssicherheit als Die kombinierten qualitativen und quantitativen Ergebnisse
dem Ziel, alternative Ausbildungsmethoden zu entwickeln, Indikator für den Lernerfolg und das Stresserleben. Es wurden der Studie zeigen, dass keine der SM alle Anforderungen erfüllt.
um den Bedarf an Körper­spendern und Tieren zu reduzieren Fragebögen mit Likert-Skalen eingesetzt und sowohl deskriptiv Eine Nutzung von HPS im Rahmen von Grundlagen- oder
oder sie (im Idealfall) zu ersetzen. Technische Simulations- als auch vergleichend statistisch ausgewertet. Team-Training wäre denkbar. Weder auf HC noch LTT kann aus
modelle (Human Patient Simulators, HPS; s. Abb. 2) sind Nach- Die untersuchten HPS erreichen derzeit noch nicht das notwen- didaktischer Sicht derzeit verzichtet werden, eine Integration
von PHC in das TEC erscheint sinnvoll.

Abb. 1: Anlage eines temporären Gefäßshunts am Tiermodell Abb. 2: Operationssitus am Notfalllaparotomie-Trainer der Firma Strategic Abb. 3: Perfundierte Körperspender. Extrakorporales Pumpensystem der Abb. 4: Blutende A. femoralis communis am perfundierten
Operations. Bei diesem Modell sind die Organaufhängungen und Verschiebe- Keck School of Medicine der University of Southern California (USC) im Körperspender
schichten realitätsnah umgesetzt. Gut zu erkennen sind hier der retroperito- ­Rahmen des Trainings Einsatzchirurgie der Bundeswehr in Wendisch Rietz
neale Überzug von Vena cava und Aorta sowie die Gerota-Faszie
Forschungsaktivitäten 2020 124 125

Oberfeldarzt Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Konrad Steinestel Oberfeldarzt Dr. med. Daniel Gagiannis schaden; diffuse alveolar damage, DAD) stellen sich im CT als weile vorliegender weiterer Studien erscheint daher aus unserer
Bundeswehrkrankenhaus Ulm Bundeswehrkrankenhaus Ulm
Ulm Ulm charakteristische Milchglaszeichnung dar. Die elektronenmi- Sicht eine umfassende lungenfachärztliche Abklärung (ggf.
BwKrhsUlm@bundeswehr.org BwKrhsUlm@bundeswehr.org kroskopisch nachweisbare Ablagerung von Bindegewebe zwi- einschließlich Gewebeentnahme) sowie eine Bestimmung des
schen den Lungenbläschen erschwert den Luftaustausch und Autoantikörperprofils bei soldatischen und zivilen Patienten mit
trägt zum fortschreitenden Lungenversagen bei. Laborchemisch Einschränkung der Lungenfunktion nach SARS-CoV-2-Infektion
konnten durch uns erstmals Autoantikörper (antinukleäre Anti- dringend angeraten.
körper, ANA, sowie extrahierbare nukleäre Antikörper, ENA)
Nachweis von Autoantikörpern als Risikofaktor für einen schwerwiegenden bei 11/13 (84.6 %) der COVID-19-Patienten mit Lungenversagen, Folgestudien zur Rolle der Autoimmunität im Langzeitverlauf
Verlauf und bleibende Lungenschäden nach Infektion mit SARS-CoV-2 jedoch nur bei 1/9 (11.1 %) der COVID-19-Patienten mit leichtem nach COVID-19 wurden am BwKrhs Ulm sowie in nationalen
Erkrankungsverlauf nachgewiesen werden (p = 0.039). Das Auf- und internationalen Kooperationsprojekten initiiert. Durch die
treten von ANA/ENA war mit der Notwendigkeit einer Intensiv- Einbindung in das Deutsche COVID-Obduktionsregister und ein
Das Lungenversagen nach Infektion mit dem neuartigen Bei einem Teil der Infizierten mit dem neuartigen Coronavirus behandlung (83.3 vs. 10 %; p = 0.002) und dem Auftreten schwerer in Planung befindliches nationales Pandemieregister kommt
Coronavirus sowie Risikofaktoren für bleibende Lungen­ (SARS-CoV-2) entwickelt sich ein rasant fortschreitendes Lungen- Komplikationen vergesellschaftet (75 vs. 20 %, p = 0.03). In den dem BwKrhs Ulm eine Führungsrolle bei der Bearbeitung gewe-
schäden sind bislang unzureichend verstanden. In einer versagen bis hin zur Beatmungspflicht. Trotz rasch erzielten meisten Fällen ließen sich ANA/ENA nachweisen, die mit fibro- bebasierter Forschungsvorhaben mit Pandemiebezug innerhalb
prospektiven Studie konnte ein Team aus dem Bundeswehr­ Fortschritten im Verständnis der Erkrankung ist unklar, welche sierenden Kollagenosen (z. B. Systemsklerose) assoziiert sind. und außerhalb der Bundeswehr zu. Die in den letzten Jahren
krankenhaus (BwKrhs) Ulm nachweisen, dass es bei schweren Patienten ein Lungenversagen entwickeln und welche Patho- Diese Ergebnisse wurden im Oktober 2020 in Frontiers in verstärkte interdisziplinäre Schwerpunktsetzung auf nichtneo-
COVID-Verläufen zur Bildung von Autoantikörpern kommt, physiologie dieser Entwicklung zugrunde liegt. Immunology publiziert. plastische Lungenerkrankungen und Lungentumoren in der
die eine zentrale Rolle für den akuten Verlauf der Erkrankung Patientenversorgung bildet dabei eine wertvolle Grundlage für
sowie die Entstehung von Folgeschäden spielen könnten. Am BwKrhs Ulm wurden bereits ab Beginn der Pandemie Mittlerweile wurden unsere Befunde von unabhängigen künftige Forschungsarbeiten.
COVID-19-Patienten behandelt. Im Rahmen eines unmittelbar Forschergruppen in den USA, in Griechenland und in Japan
initiierten, prospektiven und abteilungsübergreifenden For- bestätigt. Es ist möglich, dass die Aktivierung von sog. toll-like-
schungsvorhabens wurden klinische, radiologische und labor- Rezeptoren nach Kontakt mit SARS-CoV-2 zur Aktivierung
chemische Daten erhoben, um Risikofaktoren für einen schweren einer bestimmten Gruppe von Immunzellen führt (extrafolliku-
Verlauf der Erkrankung zu identifizieren. Zusätzlich wurden läre B-Zell-Aktivierung), die durch Freisetzung von Autoanti-
bioptisch oder im Rahmen von Obduktionen entnommene körpern einen ungerichteten Autoimmunprozess in Gang setzen.
Gewebeproben verstorbener COVID-19-Patienten untersucht. Dieses würde die Wirksamkeit von Cortisonpräparaten bei
schweren COVID-19-Verläufen erklären. Da es bei Rheuma-
Die Studie zeigte radiologische und histopathologische Über- patienten mit einem vergleichbaren Autoantikörperprofil zu
einstimmungen zwischen schweren Verläufen von COVID-19 einer fortschreitenden Fibrose des Lungengerüsts kommen
und der Lungenbeteiligung im Rahmen von Erkrankungen aus kann, ist ein ähnlicher Verlauf auch bei jungen und sportlichen
dem autoimmunen/rheumatischen Formenkreis. Membranartige Patienten nach Exposition gegenüber SARS-CoV-2 denkbar.
Ablagerungen in den Lungenbläschen (sog. diffuser Alveolar- Basierend auf den Ergebnissen unserer eigenen sowie mittler-

Abb. 1: Nachweis von Autoantikörpern bei COVID-19-Patienten mittels Abb. 2: Dünnschicht-Computertomografie (CT) einer 69-jährigen Patientin Abb. 3: Histologische und elektronenmikroskopische Analyse von Lungengewebe einer an COVID-19 verstorbenen Patientin.
­indirekter Immunfluoreszenz. Es zeigt sich ein feingranuläres/nukleoläres mit fortgeschrittener COVID-19-Erkrankung und Nachweis von Autoanti- Die (zu Lebzeiten entnommene) B ­ iopsie (Bx) zeigt eine Verbreiterung der Alveolarsepten und reaktive Veränderungen der
Färbemuster mit sog. „ring and rod“-Zeichen (Pfeilspitze) körpern (ANA-Titer 1:1000). Es zeigen sich diffuse sog. Milchglasverände- ­Lungenepithelzellen. Im Rahmen der Autopsie dann Nachweis eines diffusen Alveolarschadens (Pfeilspitze), teils in Organi-
rungen sowie Verdichtungen entlang der distalen Atemwege (sog. positives sation (gelbe Markierung). In der Elektronenmikroskopie zeigt sich eine Aktivierung von Bindegewebszellen (Sterne) und
Bronchopneumogramm) ­Ablagerung ­silberglänzender Bindegewebsfasern
Forschungsaktivitäten 2020 126 127

Oberfeldarzt Prof. (APL) Dr. med. Hagen Frickmann Bereits bei im Mai 2018 erfolgten Kooperationsbesprechungen Residualprobenmaterial von diagnostischen Blutproben und
Bundeswehrkrankenhaus Hamburg,
Außenstelle am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin am Militärhospital Laveran, Marseille (Abbildung 3), wo Tropen- Stuhlproben aus den beteiligten Institutionen, bis dato ins-
Hamburg
medizin und tropenmikrobiologische Diagnostik vergleichbar besondere aus dem Fundus des Bundeswehrkrankenhauses
BwKrhsHamburg@bundeswehr.org
stark wie am Bundeswehrkrankenhaus Hamburg abgebildet Hamburg sowie des Bernhard-Nocht-Instituts für Tropen-
sind, wurde von einer ebenfalls großen Bedeutung tropischer medizin Hamburg, wurden gemäß der ethischen Freigabe für
Parasitenerkrankungen für die französischen Streitkräfte die Testevaluationen anonymisiert eingesetzt.
berichtet.
Evaluation molekularer Diagnostikverfahren für tropische Sowohl für Blutparasiten wie Plasmodien als auch für Stuhl-
­Parasitenerkrankungen Als kritisch angesehen wurde dabei der geringe Standardisie- parasiten wie im Darm anzutreffende Protozoen (einzellige
rungsgrad molekularer diagnostischer Verfahren, namentlich Parasiten) und Würmer zeigte sich eine befriedigende bis
der Polymerasekettenreaktion (PCR), für Diagnostik und gute Übereinstimmung selbstentwickelter und kommerzieller
Infektionen mit ein- oder mehrzelligen Parasiten werden bei Die Evaluation und fachliche Bewertung möglichst unter- Surveillance tropischer Parasiten, wodurch eine verlässliche molekulardiagnostischer Plattformen. Insbesondere gelang
soldatischen Tropenrückkehrern immer wieder beobachtet. sucherunabhängiger, molekularer Diagnostikverfahren für Risikostratifizierung durch Untersuchung größerer Proben- der Nachweis einer hohen diagnostischen Zuverlässigkeit aller
Standardisierte, untersucherunabhängige Molekulardiagnos­ tropische Parasitenerkrankungen ist Gegenstand eines für den mengen erschwert wird. untersuchten molekularen Malaria-Diagnostikplattformen,
tik kann dazu beitragen, solche Infektionen frühzeitig zu Zeitraum von 2019 – 2022 beauftragten Forschungsvorhabens, von denen zwei bereits Einzug in die tropenmedizinische
diagnostizieren und einer adäquaten Therapie zuzuführen. das vom Bundeswehrkrankenhaus Hamburg an der Außenstelle Durch die Etablierung und Bewertung molekulardiagnos­ Spezialdiagnostik am Bundeswehrkrankenhaus Hamburg
Die evaluierende Bewertung marktverfügbarer Diagnostik­ am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin Hamburg, dem tischer Plattformen für den Nachweis tropischer Parasiten­ gefunden haben. Auch hinsichtlich der untersuchten PCRs
verfahren für diesen Zweck steht daher im Fokus. Nationalen Referenzzentrum für Tropische Infektionserreger, erkrankungen soll die Voraussetzung geschaffen werden, in für Darmparasiten zeigte sich eine teils gute bis sehr gute
in enger Kooperation mit zivilen Wissenschaftlern bearbeitet qualitätsgesicherter Weise sowohl parasitologische Indivi­ Übereinstimmung der Resultate selbstentwickelter und kom-
wird. dualdiagnostik als auch Surveillance für die Einsatzgebiete merzieller Testsysteme. Damit sind wichtige Vorarbeiten für
­sicherstellen zu können. die gemäß EU-Verordnung 2017/746 erforderlich werdende
Erkrankungen durch tropische Parasiten stellen ein Gesund- Umstellung der tropenmedizinischen Spezialdiagnostik auf
heitsrisiko für Einsatzkräfte im tropischen Auslandseinsatz Da tropische Parasitenerkrankungen, mit wenigen Ausnahmen kommerziell verfügbare Testsysteme im Jahr 2022 geleistet.
dar. Neben Malaria wurden insbesondere Darmparasiten und wie der Malaria, nicht nur selten aus den Tropen importiert
seltener systemische Parasitenerkrankungen bei deutschen werden sondern auch zumeist keine diagnostischen Notfallindi-
Einsatzkräften wiederholt diagnostiziert. Zu den dabei häufi- kationen darstellen, ist das Interesse der Industrie an aufwän-
ger nachgewiesenen Krankheitserregern gehören Lamblien digen Testevaluationen mit dem Ziel der Kommerzialisierung
(Abbildung 1), die eine Infektion des Verdauungstrakts verur- eingeschränkt. Zu den seltenen kommerziellen Angeboten sind
sachen, sowie Schistosomen (Abbildung 2), Erreger der soge- gute multizentrische Evaluationsstudien nach wie vor nicht
nannten Bilharziose, wobei es sich um eine Wurminfektion häufig anzutreffen. Somit bleibt die Evaluierung molekularer
der Blutstrombahn handelt. Diagnostik tropischer Parasitenerkrankungen eine Domäne
sanitätsdienstlicher Forschung und Entwicklung.

Abb. 1: Abb. 2: Abb. 3: Das Partnerkrankenhaus Laveran (Marseille)


Giardia duodenalis Ein Schistosomen-Ei des Bundeswehrkrankenhauses Hamburg
Forschungsaktivitäten 2020 128 129

Oberfeldarzt PD Dr. Ralf Matthias Hagen Oberstleutnant Prof. Dr. Patrick Scheid Oberstabsarzt Dr. Manuel Döhla Oberstleutnant Dr. Carsten Balczun Prof. Dr. Jonathan Schmid-Burgk Prof. Dr. Martin Exner
Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz Universitätsklinikum Bonn Universitätsklinikum Bonn
Koblenz Koblenz Koblenz Koblenz Bonn Bonn

BwZKrhsKoblenzAbteilungXXIMikroBio BwZKrhsKoblenzAbteilungXXIMikroBio BwZKrhsKoblenzAbteilungXXIMikroBio BwZKrhsKoblenzAbteilungXXIMikroBio redaktion@ukbonn.de redaktion@ukbonn.de


@bundeswehr.org @bundeswehr.org @bundeswehr.org @bundeswehr.org

Studie zur klinischen Evaluation und Etablierung einer Hochdurchsatz- Probendurchsatzes ermöglichen. Eine individuelle Markierung rechtlichen Vorgaben (anonymisiert) am Universitäts­
Testung zum Nachweis für SARS-CoV-2-Infektionen mittels molekularer Barcodes ermöglicht es im LAMP-Seq- klinikum Bonn parallel getestet. Somit kann ein valider
Verfahren zudem tausende Patientenproben gleichzeitig zu Methodenvergleich (bzgl. Sensitivität und Spezifität etc.)
untersuchen und dabei ein positives Testergebnis eindeutig ­erfolgen.
Am Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz erfolgt in Mit dem Ziel der Ausbreitungsverhinderung von SARS-CoV-2 einer individuellen Probe zuordnen zu können.
Zusammenarbeit mit dem Universitätsklinikum Bonn gibt es weltweit Anstrengungen, die Unterbrechung von Infek- Ziel ist die vollständige prozessuale Einbindung des Verfah-
die klinische Erprobung und Evaluierung eines Massentest- tionsketten durch sichere Identifizierung und Isolierung Bereits im Rahmen der Validierung des Verfahrens (in Zu- rens als neue, schnelle und sichere Diagnostikmethode am
Verfahrens zum Nachweis von SARS-CoV-2-­Infektionen. ­infizierter Personen zu erreichen. Grundlage hierfür ist die sammenarbeit mit dem Massachusetts Institute of Technology BwZKrhs Koblenz unter entsprechender struktureller Einbin-
Es soll eine Diagnostik im Hochdurchsatz ­ermöglichen, valide diagnostische Testung einer Vielzahl von Personen. in den USA) konnte eine nahezu vollständige diagnostische dung der Abt. XXI (Mikrobiologie und Krankenhaushygiene).
die zur dringend notwendigen Erhöhung der ­limitierten Die derzeitigen diagnostischen Methoden sind jedoch technisch Übereinstimmung mit dem aktuellen Goldstandard der Die Erlangung der (vorläufigen) klinischen Zulassung des Ver-
Testkapazitäten für SARS-CoV-2 in Deutschland beitragen bedingt im Probendurchsatz limitiert. Kapazitätsgrenzen und SARS-CoV-2-Diagnostik (RT-qPCR) nachgewiesen werden. fahrens durch das Robert Koch-Institut/Paul-Ehrlich-Institut
kann. Engpässe werden recht schnell erreicht, die Ergebnisse liegen wird von den Kooperationspartnern angestrebt.
oft erst Tage später vor. Mit dem Verfahren werden die Skalierungshürden derzeitiger
Testansätze, die Extraktion viraler RNA und die individuelle Die Weiterentwicklung des Verfahrens hin zu vollständiger
Mit dem Ziel einer zukünftigen Erhöhung der Testkapazi­ qPCR überwunden. Zudem sind die personellen und logisti- Erreger-spezifischer Genomsequenzierung für die Infektions-
täten bei gleichzeitiger Nutzung hochsensitiver Nachweis­ schen Anforderungen gegenüber der Goldstandard-Methode kettenaufklärung im Rahmen des Ausbruchsmanagements
methoden erfolgt in zivil-militärischer Kooperation zwischen reduziert. bietet potentielle Einsatzmöglichkeiten in der Differential-
dem Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz (BwZKrhs) diagnostik weiterer Infektionserreger. Mittelfristig ist die Wei-
und dem Universitätsklinikum Bonn die klinische Erpro- Im Rahmen der Standard-Testung auf SARS-CoV-2 während terentwicklung des Verfahrens hin zu einer kleineren, mobilen
bung und Evaluierung eines Hochdurchsatz-Testverfahrens der Patientenaufnahme am BwZKrhs Koblenz, werden die Plattform insbesondere für die Infektkettenaufklärung, z. B.
(LAMP-Seq) für SARS-CoV-2. gewonnenen Abstrichproben (bei Einwilligung des Patienten) im Rahmen eines RDOIT-Public Health-Einsatzes (RDOIT:
für die Testung mittels LAMP-Seq verwendet (Abbildung 1). Rapidly Deployable Outbreak Investigation Team) avisiert.
Das Hochdurchsatz-Testverfahren basiert auf aktuellen moleku- Unter Nutzung der im Rahmen der Routinediagnostik etablier-
larbiologischen Techniken (‚next generation sequencing‘) die ten diagnostischen Prozessierung mittels RT-qPCR (Abbildung 2)
durch beschleunigte DNA-Sequenzierung eine Erhöhung des werden die Patientenproben unter Einhaltung der datenschutz-

Abb. 1: Abstrichprobe in der Routinediagnostik Abb. 2: Auswertung der Diagnostik auf SARS-CoV-2 durch RT-qPCR
(Quelle: Bundeswehr/Michael Laymann) (Quelle: Bundeswehr/Michael Laymann)
131

3
Militärgeschichtliche und
Sozialwissenschaftliche Forschung
Das Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften Das ZMSBw leistet einen Beitrag zum Verständnis der Rolle
der Bundeswehr (ZMSBw) betreibt militärgeschichtliche und von Streitkräften in einer pluralistischen Gesellschaft. In der
sozialwissenschaftliche Forschung im Auftrag des Bundes- thematischen Verschränkung mit der Militärgeschichte tragen
ministeriums der Verteidigung, um mit den dabei gewonnenen die Sozialwissenschaften zur Erforschung und ­Deutung neuer
wissenschaftlichen Erkenntnissen die öffentlichen Diskussionen Konflikte und besonderer Einsatzszenarien der Bundeswehr bei.
über Militär und Sicherheit in Deutschland aktiv mitzugestal-
ten. Das ZMSBw erforscht die deutsche Militärgeschichte nach Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen des ZMSBw sind
den allgemein anerkannten Methoden und Standards der Ge- mit ihren Forschungen Teil der wissenschaftlichen Community.
schichtswissenschaft unter Berücksichtigung der Wechsel- Sie pflegen Kontakte zu Organisationen, Institutionen und
beziehungen zwischen Militär, Politik, Wirtschaft, Gesellschaft Dienststellen des In- und Auslandes sowie zu inner- wie außer­
und Kultur. universitären Forschungseinrichtungen. Zunehmend wichtig
ist die Kooperation mit anderen Institutionen der Bundes-
Mit seiner sozialwissenschaftlichen Forschung leistet das wehr, die ausbilden, forschen und erziehen. Die Einsätze der
ZMSBw einen Beitrag zur Fortentwicklung der Sozialwissen- Bundeswehr unterstützt das ZMSBw mit historischen und
schaften sowie zur wissenschaftsbasierten Politikberatung. sozialwissenschaftlichen Analysen.
Die Verschränkung der Geschichtswissenschaft sowie der
Sozialwissenschaften erweitert die Möglichkeiten auf dem
Gebiet der Forschung und der Anwendung ihrer Ergebnisse
in der historischen Bildung.
Forschungsaktivitäten 2020 132 133

Oberstleutnant Dr. Hans-Peter Kriemann auch innerhalb der dreißigjährigen Schutzfrist sowie die Zu- wird die Diskussion darüber weitergehen. Dabei wird es auch
Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr
Potsdam stimmung zum Projekt durch den Wissenschaftlichen Beirat um die deutsche Rolle und die Ausgestaltung künftiger Beiträge
ZMSBwEingang@bundeswehr.org des BMVg für das ZMSBw am 15. November 2019. in diesen internationalen Einsätzen gehen.

Für das ZMSBw ist die Pflege von Kontakten zu Institutionen Gleichzeitig ist diese Forschung auch für die Bundeswehr un-
und Dienststellen des In- und Auslands sowie zu Forschungs- verzichtbar. Zum einen geht es dabei um die Perspektive von
einrichtungen und Universitäten von zentraler Bedeutung für unten, um das Taktische, aber auch das Operative – kurz die
Der Afghanistaneinsatz in historischer Perspektive – Ein neues Forschungs- die eigene Forschung. Das gilt gerade für ein Projekt wie dieses. soldatische Erfahrungsebene. Genau das bestimmte im Fall
projekt des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Ende November 2019 fand daher in Kooperation mit dem Nie- des Afghanistaneinsatzes die Wahrnehmung durch die zivile

Bundeswehr derländischen Institut für Militärgeschichte ein internationaler Öffentlichkeit. Schließlich hat der Einsatz die Bundeswehr selbst
Workshop mit Forschern aus 14 verschiedenen Staaten und in vielen Bereichen verändert: nicht nur bei Ausrüstung, Aus-
Der Afghanistaneinsatz steht inzwischen paradigmatisch für Der Afghanistaneinsatz der Bundeswehr besitzt in verschiedener Organisationen am ZMSBw statt. bildung und Taktik, sondern auch kulturell. Auch um solche
die Auslandseinsätze der Bundeswehr, die auch weiterhin Hinsicht eine herausgehobene Bedeutung. Politisch ist er ein Themen wird es in diesem Projekt gehen und auch um die Frage
ein wichtiger Teil ihres Auftrags sein werden. Seine Analyse Markstein deutscher Sicherheitspolitik: Kaum ein Einsatz der Ohne Archivquellen, aber eben auch die Unterlagen der Bun- nach der Bedeutung der Afghanistan-Erfahrung für die Tradi-
ist daher ein künftiger Schwerpunkt der wissenschaftlichen Bundeswehr war so personal- und kostenintensiv, keiner besaß deswehr, ist die Erforschung des Afghanistaneinsatzes kaum tion der Bundeswehr.
Arbeit am Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissen­ eine solche militärische Intensität, keiner war für die Bundes- möglich – die Bundeswehr bliebe wie bisher eine „Black Box“,
schaften der Bundeswehr (ZMSBw). Eine am 27. Oktober 2020 wehr so verlustreich und forderte die deutsche Politik und die eine große Unbekannte. Daher wurde nun eine Kooperations- Das mehrjährige Forschungsprojekt umfasst fünf Bände mit
unterzeichnete Vereinbarung ermöglicht nun den Zugang Streitkräfte so sehr. Die dort gemachten Erfahrungen prägten vereinbarung zwischen dem Einsatzführungskommando der Beiträgen verschiedener Autoren und wird das große Narrativ
zu Unterlagen für die Erforschung dieses Einsatzes. den Umgang mit den neuen Bedrohungen und vermittelten Bundeswehr und dem ZMSBw geschlossen, die den Forschenden der Afghanistan-Einsätze von 2001 bis 2014 in seinen verschiede-
Vorstellungen davon, wie Prävention, Frieden und Sicherheit den Zugang zu dessen Unterlagen ermöglicht. Das Projektteam, nen Dimensionen und Facetten sowohl auf der internationalen
künftig gewährleistet werden könnten. Militärisch steht der das sich zunächst auf den ISAF-Einsatz von 2001 bis 2014 kon- als auch der nationalen Ebene erforschen.
Afghanistaneinsatz deswegen nicht nur symbolisch für die zentriert, will über den Zugang zu diesen Unterlagen zusammen
Auslandseinsätze der Bundeswehr, sondern ihm kommt eine mit Quellen aus dem Bundesarchiv-Militärarchiv diesen Einsatz
paradigmatische Bedeutung zu. rekonstruieren und analysieren. Damit unterstreicht die vor-
liegende Vereinbarung auch die Bedeutung von Kooperationen
Seine Erforschung wird daher ein künftiger Schwerpunkt der mit anderen Institutionen und Dienststellen in der Bundeswehr.
wissenschaftlichen Arbeit am ZMSBw sein. Die Verschränkung
von Neuester Militärgeschichte und Sozialwissenschaften er- Wie bei allen Publikationen des ZMSBw wirkt das Afghanistan-
weitert dabei ganz erheblich das Spektrum der Möglichkeiten. Projekt nicht nur in die wissenschaftliche Community. Es leistet
Wichtige Stationen waren bisher ein Workshop am Bundes­ auch einen Beitrag zur politischen und öffentlichen Bildung
archiv-Militärarchiv im Juni 2019 mit dem Ziel der Nutzung und Diskussion. Da die Auslandseinsätze auf absehbare Zeit
von dort vorhandenem Archivmaterial und von Unterlagen einen wichtigen Auftrag der Bundeswehr darstellen werden,

Abb. 1: Ausbildung im Gelände Abb. 2: Internationaler Afghanistan Workshop 2019 Abb. 3: Zeichnung Kooperationsvereinbarung
Forschungsaktivitäten 2020 134 135

Oberstleutnant Dr. Klaus Storkmann pe viel größer war als es die Vorschriften eigentlich zuließen. im Jahr 2000 durch Entscheidung von Minister Rudolf
Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr
Potsdam Diese sprachen als homosexuell erkannten Männern generell Scharping – gegen den hartnäckigen Widerstand der mili­
ZMSBwEingang@bundeswehr.org die Eignung zum unmittelbaren Vorgesetzten sowie zum Aus- tärischen Führung.
bilder ab – und zwar pauschal und ausdrücklich ohne Bewer-
tung des Einzelfalls. Ausschlaggebend waren ein antizipierter
Autoritätsverlust und damit eine angenommene Gefahr für
die Disziplin der Truppe. Die Bundeswehr blockierte generell
Tabu und Toleranz – Der Umgang der Bundeswehr mit Homosexualität und unabhängig von den bislang gezeigten Leistungen jeg­
von 1955 bis zur Jahrtausendwende liche Weiterverpflichtung, insbesondere die Übernahme zum
­Berufssoldaten. Bis Ende der 1990er Jahre scheiterte jeder
Versuch von Betroffenen an Verwaltungsgerichten, auf dem
Im Auftrag des BMVg ­erforschte das Zentrum für Militär­ Die Studie stützt sich neben der umfangreichen Überliefe- Klageweg eine Aufweichung der Restriktionen zu erreichen.
geschichte und Sozial­wissenschaften der Bundeswehr den rung im Bundesarchiv, Abt. Militärarchiv, und zahlreichen Die Rekonstruktion ausgewählter Lebensläufe von betroffenen
Umgang mit homosexuellen Soldaten in der Geschichte der Gerichtsurteilen der Truppendienst- und Verwaltungsgerichte Soldaten bot die Chance, individuelle Schicksale konkret und
Bundeswehr erstmals wissenschaftlich. Bis zur Jahrtau­ vor allem auf mehr als 60 befragte Zeitzeugen. Auf dieser Grund- de­tailliert nachzuzeichnen. Damit werden die aus der abstrakten
sendwende galt eine gleichgeschlechtliche Orientierung lage geht sie wichtigen Fragen zur Geschichte homosexueller Vorschriftenlage resultierenden Konsequenzen anschaulich
als Ausschluss­kriterium für die Karriere als Offizier oder Soldaten in der Bundeswehr nach. So werden unter anderen die und nachvollziehbar.
Unteroffizier s­ owie als Sicherheitsrisiko. strafrechtliche und bundeswehrinterne disziplinare Ahndung
von homosexuellen Handlungen von Soldaten untersucht, die Homosexualität galt zudem als Sicherheitsrisiko. Neue, 1988 in
damalige Bewertung der Homosexualität als Sicherheitsrisiko Kraft getretene Richtlinien stuften zwar nur noch Offiziere
hinterfragt und die laufbahnrechtlichen Konsequenzen bekannt und Unteroffiziere, die ihre Homosexualität dienstlich nicht
gewordener Homosexualität analysiert. offen bekannten, als potentiell erpressbar ein. Doch machten
es weiterbestehende Restriktionen betroffenen Soldaten nahe-
Bis 1979 wurden sich bei der Musterung zu erkennen gebende zu unmöglich, sich zu „outen“. Die Zeit brachte diesen Konflikt
oder erkannte homosexuelle Männer konsequent ausgemustert. schon im Januar 1984, während der Wörner-Kießling-Affäre,
Seitdem begründete Homosexualität allein keine Untauglichkeit auf den Punkt: „Durch die Diskriminierung [wurde] überhaupt
mehr; nunmehr galt für homosexuelle Männer: Wehrpflicht ja, erst die Erpressbarkeit geschaffen“, „die Bundeswehr [schuf]
Karriere nein. Vom Verfasser der Studie befragte Zeitzeugen sich ihre eigenen Sicherheitsrisiken“. Einen Ausweg aus diesem
berichteten anschaulich und glaubhaft vom hohen psychischen von BMVg im Januar 2000 selbst so bezeichneten „Dilemma“
Druck, unter dem homosexuelle Unteroffiziere und Offiziere konnte es nur durch eine Änderung der Haltung der Bundes-
dienten. Auf der anderen Seite bestätigten viele Zeitzeugen aber wehr zur Homosexualität geben. Diesen von den Betroffenen
auch, dass ungeachtet der Vorschriften die Toleranz in der Trup- lange erhofften und geforderten Schritt ging der Dienstherr

Abb. 1: Der als Zeitsoldat verpflichtete Gefreiter Dierk Koch wurde 1964 Abb. 2: Der Skandal um die Entlassung des Generals Günther Kießling brachte Abb. 3: Der Bundesweite Arbeitskreis schwuler Soldaten (BASS) forderte mit
­wegen bekannt gewordener Homosexualität fristlos nach § 55 Abs. 5 S­ oldaten- im Januar 1984 auch den Umgang mit, anders als Kießling, tatsächlich homo- Unterstützung des Schwulenverbandes in Deutschland (SVD) in den 1990er
gesetz aus der Bundesmarine entlassen sexuellen Soldaten ins mediale Interesse. Das BMVg musste dementieren, Jahren die Abschaffung aller gegen gleichgeschlechtlich orientierte Offiziere
diesbezügliche Listen zu führen und Unteroffiziere bestehenden Restriktionen
137

4
Geowissenschaftliche Forschung

Unter dem Begriff Geofaktoren werden alle natürlichen FuE-Aktivitäten werden als GeoInfo-Fachprojekte mit ­eige­nem
und anthropogenen Gegebenheiten der Erde (Klima, Wetter, Personal und Mitteln, durch Vergabe oder als Kombination
Geländerelief, Gewässer, Bewuchs, Bebauung etc.) verstanden, beider Verfahren durchgeführt. Fachlich unterstützt wird das
die bei militärischen Fähigkeiten und im Rahmen von mili- ZGeoBw dabei durch einen mit nationalen und internationalen
tärischen Operationen von Bedeutung sein können. Die viel- Kompetenzträgern besetzten wissenschaftlichen Beirat.
fältigen und anspruchsvollen Aufgaben der Bundeswehr lassen
den Bedarf an qualitätsgesicherten Informationen über die Als langfristige Schwerpunkte der geowissenschaftlichen
raumzeitliche Variabilität von Geofaktoren stetig wachsen. Forschung liegt der Fokus auf den Anwendungsfeldern „Big
Dies gilt sowohl bei Einsätzen im Rahmen des internationalen Data Analytics“ und „Künstliche Intelligenz“ im GeoInfo-Kon-
Krisenmanagements als auch bei der Landes- und Bündnisver- text, „Virtuelle und Erweiterte Realitäten“, „GeoInfo-Daten-
teidigung und bei der humanitären Not- und Katastrophenhilfe. management“ und „Qualität von Online Services“ sowie auf
der weiteren Entwicklung im Bereich „Positionsbestimmung,
Um aktuelle geowissenschaftliche Entwicklungen für die Navigation und Zeitfestlegung“. Die Vielfalt der betrachteten
Bundeswehr verfügbar zu machen und bedarfsorientiert geowissenschaftlichen Fachdisziplinen und das Erfordernis, auf
nach neuen geowissenschaftlichen Methoden und Verfahren Bedarfsänderungen im Rahmen der GeoInfo-Unterstützung
zu suchen, wird im Geschäftsbereich des Bundesministeriums auch kurzfristig reagieren zu können, setzt Flexibilität voraus
der Verteidigung angewandte geowissenschaftliche Forschung sowie die Kompetenz, sich stets auch ad hoc mit Themen
betrieben. Zuständig hierfür ist die zentrale Dienststelle des außerhalb der Schwerpunktbereiche befassen zu können.
Geoinformationsdienstes der Bundeswehr: Das Zentrum für
Geoinformationswesen der Bundeswehr (ZGeoBw). Innerhalb Die beiden nachfolgenden Beispiele aus der geowissenschaft­
der prozessorientierten Aufbauorganisation des Zentrums lichen Forschung verdeutlichen einmal mehr die Bandbreite
werden die Forschungsaktivitäten in der Abteilung „Ange- der vielfältigen FuE-Aktivitäten des ZGeoBw.
wandte Geowissenschaften“ gebündelt. Dem „Add-on-Prinzip“
folgend, werden Forschungs- und Entwicklungsarbeiten (FuE)
dann zielgerichtet initiiert und vorgenommen, wenn es nach
entsprechender Prüfung keine Möglichkeit gibt, den FuE-
Bedarf durch Rückgriff auf Ergebnisse von externen Stellen
der Hochschul- und Wissenschaftslandschaft zu decken
oder wenn staatliche Sicherheitsinteressen dies erfordern.
Forschungsaktivitäten 2020 138 139

ORR Dipl.-Ozeanograph Uwe Paul den relevanten Seegebieten. Oft treiben Menschen in völlig meer und Straße von Hormus. Am Beispiel der Ionischen
Marinekommando
Rostock überladenen, offenen Booten ohne Kraftstoff tagelang mit der See zeigt Abbildung 1 die errechnete Temperaturverteilung.
marine@bundeswehr.org Meeresströmung. Aus den Strömungsverhältnissen lässt sich ­Andere Parameter wie Meeresströmungen, Salzgehalt, Schall­
sowohl deren Ausgangsort zurückverfolgen als auch die vor- geschwindigkeit, Dichte, Sonarverhältnisse können ebenso
aussichtliche Zielposition errechnen. dargestellt werden.

Die Kenntnis und Vorhersage der vertikalen Schichtung der Ziel der Weiterentwicklung des Regionalen Ozeanmodells ist
Simulation: Weiterentwicklung Regionales Ozeanmodell Wassersäule ist für U-Boote und die U-Boot-Bekämpfung von die Verbesserung der Effizienz und Qualität der Vorhersagen.
besonderem Interesse, weil sich daraus die Sonarausbreitungs- Das zukünftige Modell soll in Realzeit mit aktuellen Daten aus
bedingungen ermitteln lassen. Für die Minenjagd gehen die dem meteorologischen Modell ICON (Icosahedral Nonhydro-
Schallgeschwindigkeitsfelder in gleicher Weise in die Berech- static) des Deutschen Wetterdienstes (DWD) mit gekoppelten
Die in der Unterabteilung Geoinformation im Marinekom­ Neue akustische Sensorik, wie z. B. Flank und Towed Array nung der Detektionswahrscheinlichkeiten ein. Auch die Dichte Oberflächenrandbedingungen versorgt werden. Die seitlichen
mando eingesetzten GeoInfo-Kräfte unterstützen die Marine Sonare, stellen spezielle Anforderungen an die Genauigkeit sowie des Meerwassers kann für alle Seegebiete vorhergesagt werden, ozeanographischen Randbedingungen werden aus dem euro-
bei der Planung und Durchführung ihrer weltweiten Übungen die räumliche und zeitliche Auflösung der Ozeanvorhersage im denn diese ändert sich mit der Temperatur, dem Salzgehalt und päischen Globalmodell MERCATOR eingespeist. Darüber hinaus
und Einsätze. Dafür wird ein operationelles Ozeanmodell für dreidimensionalen Operationsraum. Die Modellierung der dem Druck. Die Kenntnis der Dichte ist z. B. notwendig zur ist geplant, in dem zukünftigen Fachprojekt „Globales Ozean-
die Vorhersage der Meeresströmungen und Schichtungen vertikalen Schichtungsverhältnisse dient der Vorhersage der Bestimmung des Auftriebs „Trimm“ von Unterwassergerät. modell“ diese Randwertversorgung der regionalen Ozeanmo-
der Wassersäule benötigt. Auf Basis einer hydrodynamisch- hydroakustischen Bedingungen für den Einsatz von U-Booten, delle ausfallsicher und schnell bereitzustellen.
numerischen Modellsimulation werden der gegenwärtige der Bereitstellung der Eingangsdaten für Tactical Planning Aids, Zur Beurteilung von Risiken durch Unterwasserschall werden
und zukünftige Zustand des Ozeans berechnet. sowie der akustischen Unterwasserkommunikation und findet hydroakustische Vorhersagen erstellt, welche sich u. a. aus
Anwendung in der Missionsplanung für Unterwassergeräte der Meeresschichtung ableiten. Dazu werden sogenannte
und Taucher sowie bei der Strömungsvorhersage; hierbei ins- „Risikokarten“ erstellt, welche Gebiete ausweisen, in denen bei
besondere bei der Vorhersage der Oberflächendrift. Schalleintrag durch aktives Sonar oder Unterwassersprengun-
gen Gefahr für die Lebewesen im Wasser bestehen kann.
Das Überleben von Personen im Wasser hängt neben der
Wassertemperatur entscheidend von den benötigten Search Grundlage für diese Vorhersagen sind Simulationen des
and Rescue (SAR)-Suchzeiten ab. Diese lassen sich durch Ozeans, die durch den Routinebetrieb eines hydrodynamisch-
Kenntnis und genaue Vorhersage des Verdriftens infolge der numerischen Ozeanmodells auf dem High Performance
Meeresströmungen entscheidend verkürzen. Aber auch die Computer (HPC) des Deutschen Meteorologischen Rechen-
Sicherheitsbehörden interessieren sich, z. B. im Zusammen- zentrums (DMRZ, Anteil Bw) berechnet werden. Derzeit laufen
hang mit Flucht- und Migrationsbewegungen über das am DMRZ acht Ozeannester im Routinebetrieb: Ionische See,
Mittelmeer und der Nachverfolgung und Eindämmung der Straße von Gibraltar, östliches Mittelmeer, westliches Schwarzes
Schleuserkriminalität, für die Strömungsverhältnisse in Meer, Golf von Aden, Ostküste von Somalia, zentrales Mittel-

Abb. 1: 3D-Ozean (Quelle: U. Paul, MarKdo) Abb. 2: U-Boot im Modellozean Abb. 3: Der neue High Performance Computer Abb. 4: Gefährdungskarte Unterwasserschall (Quelle: NATO) Abb. 5: Search and Rescue Suchgebiete. Abb. 6: Starker Einstrom in die Straße
(Quelle: Marine, www.die-marine.de) am DMRZ. (Quelle: DWD NEC TWL-KOM RZ II Gute Strömungsvorhersagen reduzieren von Gibraltar (Quelle: MarKdo)
Ludwigshafen) die Suchzeiten erheblich (hier 53 %)
(Quelle: Marine, SAR-Leitstelle)
Forschungsaktivitäten 2020 140 141

Dr. Lars Wiegand oberfläche – siehe Abb. 2), stehen Nachteile entgegen: u. a. die Möglichkeit, u. a. reaktive Spurengase in der Atmosphäre
Zentrum für Geoinformationswesen der Bundeswehr,
Gruppe Meteorologie beim Deutschen Wetterdienst (DWD) keine vertikale Advektion, keine subskalige Orographie, nied- zu prognostizieren. Die Entwicklung des Modells für kleinere
Offenbach
rige zeitliche Auflösung (1 h) der Wetterinformationen. Im räumliche Skalen sowie die Flexibilität dieses Systems, schnell
ZGeoBwEingang@bundeswehr.org
wissenschaftlichen Kontext der Ausbreitungsmodellierung von verfügbar und in kürzester Zeit ein aussagefähiges Produkt
Schadstoffen ist dieses Verfahren nicht mehr state-of-the-art. zu Verfügung zu haben, ist im Moment Teil der Forschung
Aus diesem Grund fokussierte sich die Forschung in enger (siehe Abb. 3).
Zusammenarbeit von ZGeoBw und DWD im Jahr 2020 auf
HEARTS und der Stand der Forschung im Bereich Ausbreitungs­ die Erforschung und Adaption von wissenschaftlich fortge- Für den Nahbereich (50 m bis wenige Kilometer) war auch
modellierung von Schadstoffen im ZGeoBw schritteneren Verfahren. Ein Lagrangesches-Partikel-Disper- PALM4U (PArallelized Large-eddy simulation Model for Urban
sions-Modell (LPDM), welches im DWD entwickelt wurde und applications) Gegenstand erster Untersuchungen. Auf Grund
weiterentwickelt wird, wäre für den Nahbereich (< 50 km) und der Einbindung eines Chemiemoduls und der Anbindung von
Die Ausbreitungsmodellierung von Schadstoffen ist ein HEARTS (Hazard Estimation for Atmospheric Release of Toxic schnelle Verfügbarkeit (< 30 min) geeignet. Erste Tests auf dem PALM4U an die NWV des DWD ist diese Entwicklung weiter-
wichtiger Baustein in der meteorologischen Beratungs­ Substances) ist ein Beratungstool für die Ausbreitung von in 2020 in Betrieb genommenen NEC HPC (high performance zuverfolgen. Im Moment sind die technischen Ressourcen zu
funktion des Zentrums für Geoinformationswesen der chemischen, biologischen und nuklearen Schadstoffen, welches computing) lassen dieses Verfahren schnell genug für zeitkri- knapp, um ein zeitkritisches Produkt erzeugen zu können. Hier-
Bundeswehr (ZGeoBw), sowohl für den militärischen als im ZGeoBw entwickelt wurde und militärische sowie zivile tische Einsätze erscheinen. Hier ist vor allem der Einbau von bei bleibt die Entwicklung der Rechenkapazitäten der nächsten
auch den zivilen Einsatz. Die Forschung in dem Bereich Organisationen unterstützt. HEARTS benötigt Prognosen des Schadstoffen ein gegenwärtiger Stand der Forschung. HPC-Generationen abzuwarten.
konzentriert sich neben der Verbesserung bestehender Windes und der Stabilitätsverhältnisse in der atmosphärischen
­Verfahren auch auf die Entwicklung wissenschaftlich Grenzschicht, welche aus den numerischen Wettervorhersagen Das „Gegenstück“ zu Lagrangescher Modellierung ist die Analysen der Verfügbarkeit, Anwendbarkeit und Leistungsfähig-
komplexerer Ansätze. (NWV) des Deutschen Wetterdienstes (DWD) bezogen werden. Eulersche Berechnung, bei der Windfeld und Schadstoff- keit existierender und im Text genannter Ausbreitungsmodelle
Aus diesen und den speziellen Eigenschaften des Materials, für konzentrationen auf einem festen Gitter berechnet werden. waren in 2020 in Arbeit und sind es weiterhin in Zusammen-
das eine Prognose zu erstellen ist, wird ein Beratungsprodukt Die kompletten meteorologischen Informationen liegen bei arbeit mit dem DWD in den nächsten Jahren.
erzeugt (siehe Abb. 1). Um vor Ort nach einem Ereignis zeitnahe Eulerscher Simulation zeitlich viel höher aufgelöst vor, der
Entscheidungen treffen zu können, wurde bei HEARTS auf eine Zeitschritt des Modells liegt im zweistelligen Sekundenbereich.
zeitkritische Berechnung geachtet, damit die Auswirkungen Die vom DWD betriebene NWV basiert auf letzterem Prinzip.
möglichst begrenzt bleiben. Die Handlungsfähigkeit des Bedarfs- Eulersche Modelle bieten bessere Resultate, wenn es um groß-
trägers und die Kontrolle über die Situation wird dadurch räumige und längerfristige Simulationen geht, die ein Vielfaches
maßgeblich beeinflusst. der verwendeten Gitterweite erfassen. Mit jetzt schon zeitlich
besserer und in Zukunft feinerer vertikaler und horizontaler
HEARTS ist ein Gauß-Puff-Verfahren, welches gaußförmige Auflösung der Modelle wird es möglich sein, Ausbreitungs-
Wolken in der Horizontalen verlagert. Den Vorteilen eines rechnungen auch für kleinräumige und kurzfristige Szenarien
zeitlich schnellen und quellortgenauen Verfahrens mit benutzer­ „eulersch“ zu prognostizieren. Das im Karlsruher Institut für
spezifischer GUI (graphical user interface – grafische Benutzer- Technologie mit dem DWD entwickelte ICON-ART beinhaltet

Abb. 1: HEARTS Ausbreitungsrechnung Abb. 2: Benutzerspezifische GUI von HEARTS – hier für Nutzer Abb. 3: ICON-ART Ausbreitungsrechnung – Massenkonzentration [µg/m3] eines
– Anzahlkonzentration [ppm] eines ­ „Wettervorhersage Leitstand DWD“ und „Meteorologische ­ nbekannten Stoffes (12-h-Vorhersage, 1 km horizontale Auflösung, 50 vertikale
u
unbekannten Stoffes (6-h-Vorhersage) Vorhersage­zentrale ZGeoBw“ (Quelle: ZGeoBw III 4 (2)) Schichten, Darstellung der untersten Schicht) (Quelle: ZGeoBw III 4 (2))
(Quelle: ZGeoBw III 4 (2))
143

5
Forschung Cyber / Informationstechnik

Wehrtechnische Forschung im Bereich der Cyber- und Infor- Dabei soll möglichst viel zivile Technologie verwendet ­werden,
mationstechnologien orientiert sich einerseits an zivilen die für den späteren militärischen Einsatz wo erforderlich
und disruptiven Innovationen wie Künstlicher Intelligenz, angepasst wird. Eine übergreifende Automatisierung in allen
andererseits sind die spezifischen Gegebenheiten zukünfti- wehrtechnischen Forschungsbereichen wird hierbei sichtbar.
ger Konflikte zu berücksichtigen, die zunehmend „hybrid“
­geführt werden.

Es werden hier einige Beispiele aus dem breiten Spektrum


an Forschungsaktivitäten vorgestellt. Diese reichen von
­internationalen Aktivitäten bis hin zu ganz speziellen IT-­
Sicherheitsaufgaben, beleuchten unterschiedlichste An­
wendungen der Künstlichen Intelligenz und untersuchen
Herausforderungen von hybriden Konflikten.
Forschungsaktivitäten 2020 144 145

Hans Peter Stuch Arne Schwarze Missionsplanung entwickelt, um hybride Bedrohungen zu Missionsplanung und -durchführung. Von der sensornahen
Fraunhofer-Institut für Kommunikation, Informationsverarbeitung Fraunhofer-Institut für Kommunikation, Informationsverarbeitung
und Ergonomie FKIE und Ergonomie FKIE erkennen und zu bewerten. Die Idee: Flexibel erweiterbare Datenvorverarbeitung durch Aufklärer über die Lagebewertung
Wachtberg Wachtberg
Sensorik- und Analysemodule liefern Informationen relevanter durch Experten und Analysten bis hin zur Zusammenführung
info@fkie.fraunhofer.de info@fkie.fraunhofer.de
Domänen. Erkenntnisse über physische Bewegungen, Effekte in einer übergreifenden Lage findet die Aufbereitung statt.
im elektromagnetischen Spektrum sowie Aktionen im Cyber- Die Abbildungen 2 und 3 zeigen beispielsweise unterschiedliche
und Informationsraum werden zusammengeführt, um eine Ansichten für die explorative Datenanalyse durch Experten
umfassende Bewertung von Risiken für die Missionsplanung und Analysten für die Einschätzung der Bedrohungslage in
Erkennung hybrider Bedrohungen für urbane Operationen und -durchführung zu erhalten. Cyber- und Informationsraum. Eine durchgängige Lösung
entsteht durch die rollenspezifische Einbindung mobiler End-
Die Herausforderung dabei ist die große Vielfalt bezüglich Zeit, geräte sowie Schnittstellen zu bestehenden Missionsplanungs-
Raum und Relevanz von Informationen. Die Peilung eines UAV und Führungsinformationssystemen (siehe Abbildung 1).
In heutigen und zukünftigen Konflikten haben hybride Hybride Bedrohungen sind als Zusammenspiel des Einsatzes (Unmanned Aerial Vehicle) lässt sich klar in Zeitpunkt, Orts­
Bedrohungen hohe Relevanz. Sie kombinieren physische von physischen Kräften und (Des-)Informationskampagnen, koordinaten und Messungenauigkeit festhalten, allerdings nur Grundsatz der Lösung ist, dass die Nutzer in ihren unterschied-
Kräfte und (Des-)Informationskampagnen, reguläre und regulären und irregulären Kräften sowie dem gezielten Ausnut- in Echtzeit und innerhalb der Sensorreichweite. Bei Handlun- lichen Rollen bestmöglich unterstützt werden, jedoch keine
­irreguläre Kräfte und nutzen Grauzonen in Rechtsfragen zen von Grauzonen in Rechtsgrundlagen und Zuständigkeiten gen im Cyber- und Informationsraum hingegen sind Ort und Vollautomatisierung vorgesehen ist. Datenumfang und Kom-
und Zuständigkeiten aus. Die im Fraunhofer-Institut für nicht grundsätzlich neu. Durch die digitale und globale Natur Zeitpunkt einer Wirkung in der physischen Welt versetzt. Das plexität bei der Erkennung und Bewertung von hybriden Be-
Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergono­ heutiger und zukünftiger Konflikte spielen sie allerdings eine Vorhaben nutzt eine breite Spanne an Sensoren des FKIE und drohungen können nur durch die geeignete Zusammenarbeit
mie FKIE entstehende Lösung ermöglicht die Erkennung zunehmend entscheidende Rolle für die Missionsplanung. kombiniert diese in einem Demon­s­trator (siehe Abbildung 1). zwischen Mensch und Maschine adressiert werden. Die Ausge-
und Bewertung hybrider Bedrohungen in der Missions­ Der Kern hybrider Bedrohungen ist genau das, was sich nicht staltung dieses Zusammenspiel wird intensiv mit unterschied-
planung und -durchführung. klar zuordnen lässt. Es geht darum, die Entscheidungsfindung Die Unterstützung des Missionsplanungsprozesses im Blick lichen Stakeholdern (siehe Abbildung 4) abgestimmt.
der Gegenseite zu beeinflussen, zu verwirren, zu demoralisieren, habend, wird in diesem Vorhaben eine fiktive Verlegeübung,
Kräfte Dritter für eigene Zwecke zu mobilisieren. Diese Akti- angelehnt an Defender Europe 20, als Rahmen für die Evaluation
vitäten laufen verdeckt ab, um Ursprung und Intention zu gewählt. So können real gesammelte Daten und Erfahrungen
verschleiern. Was auf den ersten Blick wie eine Reihe von aus der US-Verlegeübung einfließen. Hinzu kommen aktuelle
Zufällen, Aktionen einzelner Gruppierungen ohne Zusammen- Erkenntnisse aus der COVID-19-Pandemie sowie den damit
hang oder Missverständnissen erscheinen kann, basiert im zusammenhängenden Protestbewegungen. Durch die Zusam-
Hintergrund auf einem wohldurchdachten System: Es geht menführung in einen übergreifenden Use Case entsteht die
um nichts anderes als die Erschütterung des „Center of Gravity“ Möglichkeit, die Lösung für eine Missionsplanung mit viel-
und damit der Grundfesten der Betroffenen. fältigen Facetten zu evaluieren.

Im Vorhaben „Erkennung hybrider Bedrohungen für urbane Der Mehrwert für die militärischen Nutzer entsteht durch
Operationen“ wird eine Entscheidungsunterstützung für die die umfassende Unterstützung unterschiedlicher Rollen in

Abb. 1: Struktur des Demonstrators Abb. 2: Dashboard zur explorativen Datenanalyse für den Sensor Abb. 3: Dashboard zur explorativen Datenanalyse für den Sensor Abb. 4: Stakeholder der Bundeswehr und internationaler
„Cyber Threat Analysis“ „Social Media Analysis“ ­Einrichtungen
Forschungsaktivitäten 2020 146 147

TRDir Stefan Rechmeier auf die bestehende IT-Services/Anwendungen der Bundeswehr Cloud Computing wird wesentlichen Einfluss auf die künftige
Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung
der Bundeswehr (BAAINBw) migrieren werden. Ausprägung der IT-Infrastruktur der Bundeswehr entfalten.
Koblenz
Einerseits werden die technischen Rahmenbedingungen hin-
BAAINBwPosteingang@bundeswehr.org
Die zugrundeliegende Architektur über Hardware (Compute, sichtlich Leistungsaufnahme und Klimatisierung die bauliche
Storage, Network), Infrastruktur als Services (VMware und und physikalische Ausgestaltung des Rechenzentrumsverbunds
Kubernetes) und Plattform Service-Anteile (hier beispielhaft für den Geschäftsbereich des BMVg (RzV GB BMVg) entscheidend
die SAP Cloud Platform (SCP)) hin zur Anwendungsschicht prägen. Auf der anderen Seite sind es Aspekte wie Skalierbarkeit,
Interoperables Cloud Computing (IOCC) (SaaS) ist die Abbildung 2 dargestellt. Self Service und Prozesse der Serviceanpassung (Stichwort:
DevOps), die vor allem organisatorische Konsequenzen nach
Abbildung 3 gibt einen Einblick in das funktionale Zielbild sich ziehen werden.
der Cloud Infrastruktur. Wesentliche Anteile dieses Zielbildes
Die Studienergebnisse „Interoperables Cloud Computing Die seit 2012 etablierte F&T-Studienreihe IOCC wurde in 2020 werden ab 2021 im Rahmen einer Leistungserweiterung DevOps (Development & Operations) und die damit verbundene
(IOCC)“ haben grundlegende Erkenntnisse und technologi­ beendet. Aus den ursprünglich auf die zunächst theoretische (wir Experten nennen es Lösungsinkrement) des HERKULES agile Vorgehensweise (Abbildung 4) werden darüber hinaus
sche Grundlagen für die Einführung von Cloud-Computing Analyse von Cloud Technologien für den Einsatz in der Bundes- Folgeprojektes (HFP) mit dem primären IT-Dienstleister der Auswirkungen auf die Bereitstellungsmechanismen von Soft-
in die Bundeswehr aufgezeigt und damit wertvolle Beiträge wehr angelegten Studienaktivitäten sind mittlerweile konkrete Bundewehr BWI umgesetzt. Diesbezüglich stehen technische wareprodukten haben. Überlegungen zur damit einhergehenden
für die Etablierung einer zukunftssicheren IT-Infrastruktur technische Ansätze sowie die unmittelbare Erprobung dieser IT-Services ebenso im Fokus der Betrachtungen wie Services, CI/CD-Pipeline (Continuous Integration & Continuous Deliv­
geliefert. Nach Abschluss der Studienaktivitäten werden Ansätze hervorgegangen. die sich mit der Migration bestehender Anwendungen auf ery/Deployment) waren ebenfalls Gegenstand der F&T-Studie
diese Ergebnisse unmittelbar im HERKULES Folgeprojekt eine Cloud basierte IT-Infrastruktur beschäftigen. IOCC.
aufgegriffen und umgesetzt. Die in 2019 untersuchte Multivendorenfähigkeit des VMware
Cloud Stacks konnte in der auf Hardware unterschiedlicher Technische IT-Services betreffen die Anteile Storage, Vir­ Technologische Weiterentwicklungen (z. B. Bare Metal (aka Metal
Vendoren implementierten Cloud Demonstratorumgebung tualisierung, Operating System (OS) und Container auf der as a Service (MaaS)) werden die IT-Infrastruktur ebenso beein-
mittels verschiedener Testszenarien als tragfähig bestätigt Infrastrukturebene. Darüber hinaus werden Plattformdienste flussen wie organisatorische Überlegungen (Migrationspläne)
werden. Diese Umgebung steht nunmehr einsatzbereit zur wie VDI (Virtual Desktop Infrastructure), Big Data und Web auf der Umsetzungsebene. Im Rahmen dieser Überlegungen wird
Verfügung und kann für die Erprobung von Anwendungs­ Application Platform adressiert. Geo Information Services (GIS) der ebenfalls im Rahmen IOCC entwickelte Prozess „Migration
fällen inklusive zugehöriger Softwareanwendungen genutzt und SAP Services stellen weitere nutzerbezogene IT-Services as a Service“ vor dem Hintergrund der ebenfalls aus IOCC heraus
werden. bereit, für die die Cloud eine infrastrukturelle Basis liefern wird. abgeleiteten Cloud-Computing Referenzarchitektur für die
Bundeswehr (CCRABw) herangezogen.
Ein Schwerpunkt der Studienreihe IOCC in 2020 lag in der Die Studienreihe IOCC hat für alle der genannten Services
Erprobung von Container Plattform Komponenten auf Basis substantielle Beiträge liefern können, die die weitere Entwicklung
VMware PKS unter Nutzung Kubernetes Cluster wie in Abbil- hin zur vollumfänglichen Cloud Infrastruktur entscheidend
dung 1 dargestellt. Dieses Konglomerat wird wesentliche prägen werden.
Anteile der zu etablierenden Cloud Infrastruktur darstellen,

Kubernetes

Abb. 1: Container Plattform (Quelle: BWI GmbH) Abb. 2: Architektur pCloudBw (Quelle: BWI GmbH) Abb. 3: Funktionales Zielbild pCloudBw (Quelle: BWI GmbH) Abb. 4: DevOps (Quelle: BWI GmbH)
Forschungsaktivitäten 2020 148 149

RR Alexander Beyer zu versorgen. Abgebildet bzw. errechnet werden sollen die Simulationssystem als Ausgangsdatensatz zur Verfügung
Gefechtssimulationszentrum Heer,
Teilbereich Geoinformationswesen/Simulation Auswirkungen der Wetterbedingungen auf militärische Opera- ­gestellt. Zur Qualitätssicherung und Plausibilitätsprüfung
Wildflecken
tionen, um den beübten Ebenen bzw. Stäben ein realitätsnahes wird es ein Modul zur Visualisierung und Editierung der Aus-
GefSimZHGeoInfoWSim@Bundeswehr.org
Lagebild stellen zu können. Ziel der ersten Entwicklungsstufe wirkungsdaten geben, mit Hilfe dessen auch Briefingunter­
der Wetterdatensteuerung ist die initiale Versorgung des lagen für die beübte Ebene erzeugt werden können. E
­ rste
konstruktiven Simulationssystems GUPPIS, welches am Ge- abgenommene Arbeitspakete sind das Grobkonzept ­sowie
fechtssimulationszentrum des Heeres (Abb. 3) neben einem das daraus entwickelte, präzisierte Feinkonzept, in ­welchem
Wetterdatensteuerung weiteren konstruktiven Simulationssystem und einem virtuel- Softwarearchitektur, Schnittstellendesign, Benutzerschnitt-
len Simulationssystem betrieben wird, im operativen Betrieb stelle, Use-Cases und Formate detailliert beschrieben sind.
zu realisieren. Zudem wird damit das theoretisch erarbeitete
und exemplarisch in Studien belegte Prinzip der Berechnung Anstehende Aufgaben sind die Entwicklung der simulations-
„Train As You Fight – Fight As You Train“ – Das Beachten von Der Erfolg jedweder militärischen Operationsplanung und der Auswirkungen außerhalb des Simulationssystems sowie spezifischen Auswirkungsmodelle (SiAM), der Benutzerschnitt-
Wetterauswirkungen auf militärische Operationen ist unab­ -durchführung ist in starkem Maße abhängig von der Be- die Bereitstellung über ein definiertes, standardisiertes Ausgabe- stelle, die browserbasiert ausgelegt ist und der Rahmensoftware,
dingbar, in Realität sowie Ausbildung und Übung. Eine Fähig­ rücksichtigung unterschiedlichster Geofaktoren. Neben format umgesetzt und für den operativen Betrieb verifiziert. die alle Module unter einer Oberfläche vereint. Der Projekt-
keitslücke hierbei betrifft Simulationssysteme des Heeres ­topographischen, geologischen oder biologischen Faktoren Darauf aufbauend sollen zukünftig weitere Simulationssysteme abschluss ist für das vierte Quartal 2021 geplant.
(SimSys). Mithilfe von Modelldaten des Deutschen Wetter­ kommt der Berücksichtigung des Wetters eine besondere und ggf. Simulatoren mit diesen Daten versorgt werden können.
dienstes soll diese für das konstruktive SimSys GUPPIS ge­ ­Bedeutung zu (Abb. 1). So beeinflussen meteorologische Fak-
schlossen werden, perspektivisch auch für weitere SimSys toren u. a. die generelle Einsatzfähigkeit von Waffensystemen, Als Quelldaten werden die Daten von numerischen Wetter-
und Simu­latoren. Aufklärungssystemen, Truppenteilen und Einsatzgeräten, modellen des Deutschen Wetterdienstes im standardisierten
sowie deren effektive Wirkung (Abb. 2). Bisher werden Wetter- Austauschformat sowie waffensystemspezifische Einsatz-
erscheinungen in den Simulationssystemen des Heeres nur grundsätze, taktische Einsatzgrundsätze sowie technische
rudimentär und ohne physikalische Plausibilitätsprüfung Eigenschaften Verwendung finden. Diese Quelldaten werden
abgebildet, wobei Verläufe einzelner physikalischer Größen in einer Dateistruktur für eine spätere Verwendung gespeichert.
unabhängig voneinander definiert werden müssen, sodass zum Es wird keine Echtzeitversorgung mit zum Zeitpunkt der
Beispiel ein Schneefallereignis direkt nach sommerlichen Simulation aktuell herrschenden Wetterbedingungen geben.
Bedingungen eintreten kann. Vielmehr werden sich meteorologische Bedingungen dem
Ausbildungsziel unterordnen. Somit können auch Extrem-
Ziel des Projektes Wetterdatensteuerung ist es, die Simulations- wetterereignisse simuliert werden.
systeme des Heeres mittels einer eigenständigen Software-/
Datenbanklösung mit realistischen Auswirkungsdaten für die Die Auswirkungsdaten werden anlassbezogen, orientiert an
abgebildeten Entitäten mit verschiedenen, regionsspezifischen, beteiligten Systemen bzw. Entitäten, Übungszweck und -ziel
sich räumlich sowie zeitlich dynamisch ändernden Wetterlagen aus den archivierten Wetterdaten a priori erzeugt und dem

Kubernetes

Abb. 1: Gewitter - ein stark lokal begrenztes Phänomen mit starken Abb. 2: Radfahrzeug unterwegs bei schwierigen Abb. 3: Gefechtssimulationszentrum Heer
­Auswirkungen (Quelle: Pixabay) Untergrundbedingungen (Quelle: Gefechtssimulationszentrum Heer)
Forschungsaktivitäten 2020 150 151

Christoph Barz in den taktischen Bereich. Darüber hinaus legte die Comms FA Ein Beispiel für eine Live-Visualisierung und Analyse eines
Fraunhofer-Institut für Kommunikation, Informationsverarbeitung
und Ergonomie FKIE den Grundstein für die Erforschung von taktischen Technologien Routing-Experiments im taktischen Bereich mit zwei nationa-
Wachtberg
im Zusammenhang mit Spiral 5+. len und einer gemeinsamen Koalitions-Domäne ist in Abb. 3
info@fkie.fraunhofer.de
dargestellt. Es wurde eine Spaltung des Funknetzes inner-
Auch im Rahmen einer normalen CWIX-Übung haben die halb einer der nationalen Domäne durchgeführt, so dass die
Experimente in der Comms FA besondere Planungsanforde- andere natio­nale Domänen als Transit fungierte. Dies wurde
rungen, bspw. Antenneninstallationen für Funkgeräte (siehe mittels OLSRv2 als Koalitions-Routing-Protokoll umgesetzt.
CWIX unter COVID-19 Bedingungen – Die Perspektive der Communications Abb. 1 a/b) und die Planung und Beantragung militärischer Die resultierende Netzwerktopologie inklusive einer Daten-
Focus Area Frequenzen. Diese Schritte wurden bereits durchgeführt, als flussanalyse ist in Abb. 4 dargestellt.
während der finalen Planungskonferenz die Entscheidung für
eine vollständig verteilte CWIX 2020 aufgrund von COVID-19 So wurde durch die Einführung von Layer-2-VPNs für Netz-
Aufgrund von COVID musste die NATO CWIX (Coalition Die CWIX ist die wichtigste Interoperabilitätsveranstaltung getroffen wurde. Innerhalb eines kurzen Zeitraums musste eine werkexperimente zwischen verteilten Labors und eine zusätz-
Warrior Interoperability Exercise) von Bydgoszcz in Polen der NATO. Die auf der CWIX vertretenen Führungs- und Alternative für kolokalisierte Experimente gefunden werden. liche Integration von Live-Experiment-Analysemechanismen
auf eine dezentrale Online-Veranstaltung umgestellt werden. ­Informationssysteme umfassen das gesamte Spektrum der Um dies zu erreichen, wurden dedizierte Layer-2 Virtual Private die erfolgreiche Ratifizierung von FMN Spiral 4 und eine solide
Diese gravierende Änderung in der letzten Planungsphase Kommunikation und Informationsverarbeitung und stellen Networks (VPN) entworfen und eingerichtet (siehe Abb. 2), Basis für Spiral 5+ im taktischen Bereich sichergestellt. Darüber
stellte die Communications Focus Area mit ihren Low-Level- die aktuellen und zukünftigen Fähigkeiten der NATO und die virtuelle Ethernet-Kabel zwischen den verteilten Laboren hinaus dienten diese Maßnahmen dem Aufbau einer langfristig
Netzwerk- und taktischen Experimenten vor besondere ­ihrer Partnerstaaten experimentell dar. ermöglichen. Darüber hinaus wurden Funknetz-Emulatoren nutzbaren Infrastruktur für die Vorbereitung von Experimenten
Herausforderungen, die mittels spezieller VPN-Lösungen und ein spezielles Framework zur Datenerfassung und Echtzeit- innerhalb der verschiedenen FMN Communities auch zwischen
und einer verteilten Online-Datenanalyse bewältigt wurden. Traditionell konzentrierte sich die CWIX auf Interoperabi­ analyse eingerichtet. Für JDSS-Tests war die Layer-3-CWIX-VPN- den CWIX-Übungen und für eine mögliche zukünftige hybride
litätstests der strategische Ebene mit drahtgebundener Netz- Infrastruktur ausreichend. CWIX.
werkinfrastruktur. Ein wichtiger Fokus ist dabei das Federated
Mission Networking (FMN), dessen Entwicklung nach einem Um den Explorationsprozess z. B. für FMN Spiral 5+ zu unter-
Spiralmodell erfolgt. Spirale 4 befasst sich dabei als erste mit stützen, sind zudem detaillierte Einblicke in das Experiment
dem taktischen Bereich und Mobilität. Die daraus resultierenden von Vorteil. Dies gilt hier besonders, um den gewohnt hohen
neuen Anforderungen und Schnittstellen müssen von den Standard für die Dokumentation der Experimente im neuen
unteren Funk- und Netzwerkschichten bis hin zu den Anwen- verteilten Umfeld aufrechtzuerhalten. So wurde in diesem Jahr
dungen berücksichtigt werden. auch kurzfristig eine skalierbare Mess- und Analyseinfrastruktur
im Layer-2 VPN eingeführt, die die Datenerfassung und Korre-
Ein Schwerpunk der Communications Focus Area (Comms FA) lation über mehrere Layer, eine einheitliche Datenverteilung
in Bezug auf FMN lag für 2020 auf der Verifizierung von Spiral 4 und -protokollierung, Mechanismen zur Verarbeitung/Analyse/
mit Erweiterungen des Protected Core Networking (PCN) und Speicherung von Informationen mit Hilfe von Big-Data-Mecha-
dem Joined Dismounted Soldier System (JDSS) als erster Schritt nismen und die Live-Visualisierung von Daten unterstützt.

Kubernetes

Abb. 1: Fahrzeugexperimente mit Funk Abb. 2: Wellenform Interoperabilitätstests Abb. 3: Layer-2 VPN Aufbau Abb. 4: Koalitionsnetz vor Abb. 5: Koalitionsnetz nach nationalem
nationalem Split Split
Forschungsaktivitäten 2020 152 153

Dr. Volker Krebs Ronny Schröder Matthias Kopp


Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik Atos SE Deutschland Atos SE Deutschland
und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) München München
Koblenz
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Automatisierung und Künstliche Intelligenz am Beispiel (Tacnet, Abb. 1) und ein israelisches taktisches Führungssystem Boden durchgeführt, wobei zwischen taktischen „High-Level“-
der Forschungsstudie „ErzUntGlas“ (Fireweaver) gezeigt wurde (Abb. 2). Befehlen wie Angriffs- , Rundum- oder Verteidigungsszenarien
unterschieden werden kann (Abb. 3).
Neben dieser Integration von menschlichen Nutzern eines
Während aktuell im Rahmen der Digitalisierung landba­ Bis 2023 soll taktisches Teaming zwischen Soldaten und unbe- solchen Systems (Infanteristen, Besatzungen von Gefechts- Neben dieser reinen Aufklärungsfähigkeit können solche
sierter Operationen (D-LBO) die Basis zur vernetzten Opera­ mannten fliegenden Systemen an realen Szenarien zusammen fahrzeugen, Gefechtsstände) werden die unbemannten Systeme Systeme wie ErzUntGlas zusätzlich verwendet werden, um
tionsführung realisiert wird, wird in der Forschungsstudie mit dem Heer unter Einsatzbedingungen gezeigt werden. eingebunden, die sowohl für zur Verbesserung der physikali- den Bekämpfungsprozess zu beschleunigen, wenn die ent-
„ErzUntGlas“ (Erzeugung eines gläsernen Gefechtsfeldes zur Während es für den Nutzer von solchen Systemen eine ergo- schen Verbindung mit Hilfe von Kommunikationsdrohnen sprechenden Rollen und Prozesse wie Sensor, Shooter und
Unterstützung dynamischer Operationen) die Automatisie­ nomische Herausforderung sein wird, ist es technologisch der als auch für die automatisierte Aufklärung verwendet werden. Freigabe im System definiert sind. Hier wird der Mensch in
rung auf dem zukünftigen Gefechtsfeld untersucht. Schritt in die Automatisierung von Prozessen mit Hilfe von Was momentan noch spezialisierte Luftbildauswerter durch- der Prozesskette gehalten, während die Aufklärungsketten
unterschiedlichsten Arten von künstlicher Intelligenz. führen, wird zukünftig ein Deep-Learning Mechanismus in zunehmend automatisiert ablaufen.
jeder Aufklärungsdrohne übernehmen und eine Vorklassifi-
In einem ersten Demonstrationsversuch wurde jetzt gezeigt, kation vornehmen. So oder so ähnlich könnten zukünftig unsere Kampfeinheiten
wie die unterschiedlichen Systeme zusammenwirken. Das informationstechnisch ausgerüstet werden.
physikalische taktische Netzwerk besteht aus militärischen Bei diesem Demonstrationsversuch in einem Testlabor wurden
und zivilen Funkkomponenten, realisiert durch ein Software beispielhaft Personen detektiert, die über die Drohnensensorik
Defined Radio mit einem stand-alone funktionsfähigen erkannt und ins System eingebunden wurden. Beim späteren
Mobilfunksystem. Da sich die Netzwerktopologie im Einsatz Einsatz von bis zu 16 unbemannten Systemen im Einsatz besteht
ständig ändern wird, werden KI-Verfahren für optimiertes dann die Herausforderung darin, den Bediener bei der Verifi-
Routing verwendet. kation der Ergebnisse intelligent zu unterstützen und laufend
ein aggregiertes Gesamtbild zu erzeugen für ein gläsernes
Von dieser physikalischen Schicht werden davon unabhängige Gefechtsfeld.
Microservices verwendet, um diensteorientiert über standardi-
sierte Schnittstellen weitere Führungsinformationssysteme an- Die Routen für die Aufklärungsdrohnen werden hierbei durch
zubinden, was beispielhaft für den Infanteristen der Zukunft eine Schwarmintelligenz abhängig von dem Geschehen am

Abb. 1: Infanterist der Zukunft mit Führungssystem TACNET Abb. 2: Vernetzung von unterschiedlichen Führungssystemen Abb. 3: Beispielhafte Wegplanung für einen Drohnenschwarm
Forschungsaktivitäten 2020 154 155

TRDir Uwe Krosta TROAR Wilfried Stautner Wichtige Produkte von MIP sind das „MIP Information Model“ Networking (FMN) der NATO aufgenommen. Sie löst damit die
Wehrtechnische Dienststelle für Informationstechnologie und Elektronik Wehrtechnische Dienststelle für Informationstechnologie und Elektronik
Greding Greding (MIM) sowie die darauf aufbauende „MIP 4 Information Ex- MIP Baseline 3.1 aus dem Jahr 2012 als neuen FMN-Standard ab.
WTD81posteingang@bundeswehr.org WTD81posteingang@bundeswehr.org change Specification“ (MIP4-IES). An der Entwicklung beider
Produkte hat von deutscher Seite das Fraunhofer FKIE maß- Die Arbeiten in MIP erfolgen in den MIP Working Groups (WG),
geblich mitgewirkt. die sich viermal im Jahr an der WTD 81 in Greding als Internatio­
nal Test Site treffen (Abbildung 2). Die WTD 81 unterstützt diese
Das MIM ist ein Informationsmodell für den Austausch von Veranstaltungen administrativ (z.B. Besuchskontrollverfahren)
Multilateral Interoperability Programme (MIP) Führungsinformationen. In den letzten Jahren wurde es stetig und mit der Bereitstellung und Betreuung einer eigenen IT-
weiterentwickelt. Im Oktober 2020 hat MIP die Version 5.1 des Infrastruktur. Diese setzt sich aus zwei Netzwerken zusammen:
MIM veröffentlicht, welche u.a. die Beschreibung von Sensoren, Das MIP-Konferenz-LAN stellt für die Besprechungen den Zugriff
abgesessenen Soldaten und taktischen Zeichen besser unter- auf Dokumentenserver und Drucker zur Verfügung, während
Ziel von MIP ist es, einen einheitlichen Standard für den Bei internationalen Einsätzen z. B. im Rahmen der NATO spielt stützt. Darüber hinaus deckt das MIM 5.1 weitere Anforderungen das MIP-Test-LAN für die technischen Experimente genutzt
Datenaustausch zwischen heterogenen Führungsinforma­ die Kommunikation zwischen den beteiligten Nationen eine der Luftwaffe ab, welche über das Luftwaffentruppenkommando wird.
tionssystemen zu entwickeln, damit diese multinationale wichtige Rolle. Diese findet über Führungsinformationssysteme in die Standardisierung eingebracht wurden.
und teilstreitkräfteübergreifende Einsätze effektiv unter­ (FüInfoSys) statt, mit denen das aktuelle Lagebild oder Befehle Bedingt durch die SARS-CoViD-19-Pandemie konnten die
stützen können. Mit der in diesem Jahr verabschiedeten und Meldungen ausgetauscht werden. Da die einzelnen Nationen Gleichzeitig wurden zahlreiche Werkzeuge entwickelt, um Working Groups in 2020 nicht mehr vor Ort tagen und testen.
neuen Version des Standards wurden wichtige Verbesse­ unterschiedliche FüInfoSys verwenden, ist ein einheitlicher die Modellierungsarbeiten am MIM zu unterstützen und die Die WTD 81 hat daher eine Online-Collaboration-Plattform
rungen erzielt. Standard für den Datenaustausch erforderlich. Verwendung des MIM zu vereinfachen. Als Beispiel sei der sog. installiert, so dass die Working Groups virtuell abgehalten
„Message Builder“ genannt, der es ermöglicht, Meldungsformate werden konnten.
Hier setzt das „Multilateral Interoperability Programme“ (MIP) als XML-Schemata basierend auf dem MIM zu erstellen. Die
an, welches schon vor über zwanzig Jahren ins Leben gerufen Werkzeuge wurden in der MIM Tool Suite zusammengefasst Mit der Verabschiedung der neuen Version 4.3 der MIP4-IES
wurde und das seine Lösung kontinuierlich hinsichtlich neuer (Abbildung 1). wurde ein wichtiger Meilenstein für das Projekt erreicht.
operationeller Anforderungen und technologischer Fortschritte Die zukünftige Ausrichtung von MIP ist noch in der Diskussion.
weiterentwickelt. Im MIP arbeiten aktuell 23 Nationen, die Euro­ Die „MIP 4 Information Exchange Specification“ (MIP4-IES) Es ist aber zu erwarten, dass ein weiterer Ausbau des MIM
pean Defence Agency (EDA) und das NATO Allied Command beschreibt den auf Web Services basierenden Informations- in Richtung eines Joint-Modells erfolgen wird.
Transformation (ACT) zusammen. Ziel von MIP ist es, die se- austausch, für welchen das MIP Information Model die seman-
mantische Interoperabilität zwischen heterogenen FüInfoSys tische Grundlage bildet. Im Oktober 2020 wurde die neueste
herzustellen, damit diese multinationale und teilstreitkräfte- Version 4.3 veröffentlicht. Sie nutzt das zeitgleich verabschie-
übergreifende (Joint-Combined) Einsätze effektiv unterstützen dete MIM 5.1 als Grundlage. Aufgrund der positiven Ergebnisse
können. der verschiedenen Tests, die im Laufe des Jahres durchgeführt
wurden, wurde die MIP4.3IES als neuer Austauschstandard für
den Bereich „Land C2“ in die Spiral 4 des Federated Mission

Kubernetes

Abb. 1: Die MIM Tool Suite Abb. 2: MIP-Arbeitsgruppensitzung


(Quelle: Fraunhofer FKIE) bei der WTD 81
Forschungsaktivitäten 2020 156 157

Steffen Enders, M.Sc Dr. Eva-Maria Hols DREAM++ in den Hex-Rays Dekompilierer integriert. Nach- y2 < y2 immer falsch ist, wird ein Teil des Codes niemals erreicht
Fraunhofer-Institut für Kommunikation, Informationsverarbeitung Fraunhofer-Institut für Kommunikation, Informationsverarbeitung
und Ergonomie FKIE und Ergonomie FKIE dem mittlerweile weitere Dekompilierer entwickelt wurden, und kann daher zugunsten einfacherer Struktur und Analyse
Bonn Bonn
fiel nach einer Evaluation die Wahl auf Binary Ninja als Platt- entfernt werden.
kontakt@fkie.fraunhofer.de kontakt@fkie.fraunhofer.de
form für die weitere Forschung. Ausschlaggebend dabei waren
die stabile und gut dokumentierte API und die Möglichkeit Um den aktuellen Stand des Dekompilierers dewolf zu evalu-
schnell neue Algorithmen für den Dekompilierer zu entwickeln. ieren, wurde Ende Oktober eine Nutzerstudie durchgeführt.
Im Rahmen dieser wurde dewolf mit dem aktuellen Stand der
Neue Techniken im Bereich Dekompilierung Basierend auf der Zwischenrepräsentation von Binary Ninja Technik verglichen. Als Vergleichswerkzeuge dienten dabei
wurde mittels des DREAM-Ansatzes ein neuer Dekompilierer Hex-Rays IDA Pro und der Open-Source Dekompilierer Ghidra.
namens dewolf erschaffen. In diesem Zuge wurden sowohl Insgesamt zeigen die Ergebnisse, dass der entwickelte For-
fundamentale Algorithmen, wie das Propagieren von Ausdrücken schungsdemonstrator schon ein ähnliches Niveau wie am Markt
Um den Analyseaufwand für unbekannte (Schad-)Software 2019 wurden laut dem Malware Statics & Trends Report und Löschen von totem Code, als auch einige Verbesserungen etablierte Dekompilierer erreicht. Dies zeigt das Potential des
zu senken, beschäftigt sich eine Forschungskooperation zwi­ (AV-TEST GmbH) mehr als 100 Millionen neuartige Malware und neue Algorithmen implementiert. Dadurch ist es gelungen, Forschungsansatzes.
schen Singapur und Deutschland mit der Erforschung neuer Samples entdeckt, welche Herausforderungen für Sicherheits- die Qualität des Dekompilats in Bezug auf Korrektheit und
Techniken im Bereich Dekompilierung. Aufbauend auf bis­ behörden weltweit darstellen. Um dem entgegenzuwirken, Lesbarkeit zu verbessern. Im ersten Teil der Studie wurden Ausgaben von einem der drei
heriger Forschung des Fraunhofer-Instituts für Kommuni­ wurde Ende 2019 eine Forschungskooperation zwischen Dekompilierer gezeigt. In Abb. 3 kann beobachtet werden, dass
kation, Informationsverarbeitung und Ergonomie FKIE wird Deutschland und Singapur mit dem Hauptziel der Erkennung Ein Beispiel für eine solche Qualitätsverbesserung über einen die Ausgabe von dewolf bezogen auf das Verständnis scheinbar
ein neuer Dekompilierer erforscht, welcher mehrfach mit und Analyse von Malware etabliert. Da Malware üblicherweise verbesserten Algorithmus ist das Löschen von totem, also un- ähnlich gut ist wie von IDA Pro, während die Ausgabe von Ghidra
einer Nutzerstudie evaluiert wird bzw. ­werden soll. nur in Binärrepräsentation ohne Quellcode vorliegt, ist der genutztem, Code. Im verbesserten Algorithmus werden auch scheinbar schlechter ist. Die Rekonstruktion des Kontrollflusses
Fokus der Kooperation Dekompilierung. Dabei rekonstruiert Variablen gelöscht, die ausschließlich voneinander abhängen durch dewolf wurde als am natürlichsten bewertet.
ein Dekompilierer Strukturen und produziert aus der Binär­ und sonst nicht verwendet werden. Dies ist in Abb. 1 beispielhaft
repräsentation wieder eine Quelltext-artige Ausgabe. Dadurch dargestellt. Die Variablen y1, y2 und y4 hängen voneinander ab,
werden Analysen der Malware deutlich vereinfacht und der weshalb sie in den vorherigen Algorithmen nicht als tot erkannt
Analyseaufwand für unbekannte Binärdateien erheblich wurden. Ebenfalls verbessert wurde bspw. die Rekonstruktion
­reduziert. von Switch-Statements.

Das Fraunhofer FKIE hat bereits vor einiger Zeit den viel- Zusätzlich zu den Verbesserungen konnten neue Ansätze,
versprechenden Ansatz DREAM++ für die Restrukturierung wie das Auflösen von Identitäten und das Löschen von toten
von Kontrollflussgraphen entwickelt. Dieser Ansatz dient als Pfaden, entwickelt werden. Letzteres funktioniert ähnlich
Grundlage zu weiterer Forschung im Bereich Dekompilierung. zum Löschen von totem Code, allerdings werden anstelle von
Dazu wurde der Ansatz DREAM++ in bestehende Dekompilierer ungenutztem Code Pfade entfernt, die niemals erreicht werden.
integriert und sukzessive weiterentwickelt. Ursprünglich wurde Ein Beispiel dafür ist in Abb. 2 dargestellt. Da die Bedingung

Kubernetes

Abb. 1: Beispiel für Dead Code Elimination. Auf der linken Seite der Kontroll- Abb. 2: Beispiel für Dead Path Elimination. Auf der linken Seite der Kontroll- Abb. 3: Survey-Resultate für zwei Fragen der Decompiler-Survey, bei der drei Decompiler
flussgraph vor und auf der rechten Seite nach Dead Code Elimination flussgraph vor und auf der rechten Seite nach Dead Path Elimination miteinander verglichen wurden
Forschungsaktivitäten 2020 158 159

Christoph Barz Bereits zu diesem Zeitpunkt wurden beliebige Layer 2 und 3 OLSRv2 auf Basis einer automatischen Erkennung von Link-
Fraunhofer-Institut für Kommunikation, Informationsverarbeitung
und Ergonomie FKIE COTS/MOTS Funkgeräte unterstützt. Zudem wurde ein spezi- geschwindigkeiten und der Nutzung von Policies verbessert
Wachtberg
eller Filter von Routingprotokoll-Nachrichten realisiert. Dieser und das DLEP-Konzept auf 4G/LTE ausgeweitet. Außerdem
info@fkie.fraunhofer.de
erlaubt den Mischbetrieb von langsamen Funkgeräten (in der wurden erste Ansätze einer Verbindung von mehreren takti-
Regel HF/ VHF) mit schnellen Funkgeräten (in der Regel UHF schen Routingdomänen untersucht, die auf der CWIX 2018
Funkgeräte), ohne Überlast der langsamen Funkgeräte. Weitere erfolgreich demonstriert werden konnten.
Inhalte waren die Integration von LTE und SATCOM sowie die
Modularer taktischer Router auf Basis offener Standards Integration von linkbasierter Sicherheit, SIP-basierter Sprache In 2019 und 2020 wurden Erweiterungen in Bereichen (Uni- und
und einer Netzwerkvisualisierung. Multicast-) Routing, Funkgeräteintegration, Network Awareness
und Sprachdienste und Integrationsansätze eines transparenten
2017 wurde gezeigt, dass MOTOR auch auf das Szenario des TCP-Proxies mit Multipath-Fähigkeit und Unterstützung von
Die Untersuchungen im Rahmen des Forschungsvorhabens Das Forschungsvorhabens MOTOR (Modularer Taktischer EDA-Projekts TACTICS (Tactical Service Oriented Architecture) Network Coding untersucht. Zusätzlich wurde die Management-
MOTOR legen die Basis für ein technologieübergreifendes Router) untersucht Konzepte für einen modularen taktischen anwendbar ist, mit OLSRv2 zur Netzwerk-Awareness für die schnittstelle erweitert und eine Integration in eine Analyse- und
taktisches Routing für nationale und internationale Einsätze. Router auf Basis offener Standards. Verschiedene IP-fähige Middleware incl. Optimierungen für langsame und nicht-Multi- Testumgebung zu Evaluation des Routers in realistischen opera-
Dabei steht die Weiterentwicklung von offenen Standards Kommunikationsmittel aus dem taktischen Bereich lassen cast fähige Netze und einem Transportmechanismus für TACTICS tionellen Szenarien vorangetrieben (siehe Abb. 3 und 4), die auf
im Vordergrund, um Vendor-Lock-in-Effekte zu vermeiden sich so mittels eines heterogenen (Ad-hoc-) Netzes verbinden, Service Discovery Nachrichten. Die Erweiterungen wurden auf der CWIX 2019 und 2020 als Demonstrationsgrundlage dienten.
und gleichzeitig den Einsatz in der NATO im Rahmen eines über das bspw. Führungsinformationssysteme kommunizieren der CWIX vorgestellt, incl. Multicast-Unterstützung mittels SMF
zukünftigen Federated Mission Networking (FMN) zu for­ können. Zudem werden Unterstützungsdienste wie Sprach- (simple Multicast Forwarding), MELPe-Transkodierung für In den nächsten Jahren wird das Konzept des taktischen Routers
cieren. vermittlung zur Verfügung gestellt, sowie Anbindungen an Sprachdienste, flexible Nutzung von Sprachräumen für Gruppen- weiter wissenschaftlich evaluiert und in der Standardisierung
andere Netze (siehe Abb. 1). Wichtige Leistungs-Faktoren sind kommunikation und eine Sprach-Integration von SIP-Fähigen vorangetrieben, sodass die Ansätze in die Definition der nächsten
dabei Quality of Service auch für IP-basierte Sprache sowie MOTS Funkgeräten. NATO Architektur für den taktischen Bereich im Rahmen von
Sicherheits- und Cross-Layer-Mechanismen zur Abstimmung FMN einfließen können.
zwischen Netz und Anwendungen unter wechselnden Kom- Zusammen mit der NATO-Gruppe IST-124 konnte im Rahmen
munikationsbedingungen. eines wissenschaftlichen Papers eine deutliche Verbesserung
der Skalierbarkeit auf Basis eines verbesserten Multi Point
In 2016 wurden zwei Stufen einer „Labordemonstration Relay (MPR)-Mechanismus aus MOTOR nachgewiesen werden.
Taktischer Router / MKK“ und einer damit verbundenen Dabei ergab sich bei 96 taktischen Routern im Anglova Szenario
­Demonstration auf der CWIX 2016 als Machbarkeitsnachweis (siehe Abb. 2) in einer relativ dichten Topologie eine Overhead­
erfolgreich durchgeführt. Dies beinhaltete taktisches Routing ersparnis von ca. 90 % gegenüber OLSRv1 und OLSRv2 ohne MPR.
auf Basis von OLSRv2 mit DLEP Unterstützung, QoS (Quality-
of-Service) mit Multi Topology Fähigkeit und der Möglichkeit In 2018 wurden, motiviert auch durch Erfahrungen bei der
der Anbindung von Legacy Funkgeräten über Stubnetze. Nutzung in TACTICS, die Selbstkonfigurationsfähigkeiten von

Kubernetes

Abb. 1: Taktischer Router Funktionalitäten und Schnittstellen Abb. 2: Anglova Scenario Vignette 2 – Truppen- Abb. 3: Experimentalumgebung Taktischer Router Abb. 4: Anglova Szenario mit 96 Knoten in der Analyse und Testumgebung
bewegung (Quelle: NATO IST-124, veröffentlicht
unter Creative Commons Lizenz zur freien Ver-
wendung (siehe https://anglova.net)
Forschungsaktivitäten 2020 160 161

TORR Dipl.-Ing. Florian Johannes Wörner Dipl.-Ing. Robert Koch Dr.-Ing. Marc Adrat
Wehrtechnische Dienststelle für Informationstechnologie Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS Fraunhofer-Institut für Kommunikation, Informationsverarbeitung
und Elektronik (WTD 81) Erlangen und Ergonomie FKIE
Greding Wachtberg
info@iis.fraunhofer.de
WTD81posteingang@bundeswehr.org info@fkie.fraunhofer.de

IP-Wellenformen Bundeswehr eingeführte Funkgeräte nicht bieten, können nun versuchen vermessen. Mittels eines vom IIS proprietärem
erstmalig untersucht werden und neue Technologien lassen sich IP-Gateways konnten die höheren IP-Schichten angebunden
frühzeitig identifizieren, sowie schnell und kosteneffizient in werden. Das Besondere ist der im Data Link Processor verwen-
der Praxis untersuchen. dete Automatic Repeat Request (ARQ) Algorithmus. Dieser
Software Defined Radios (SDRs) sind seit Jahren das Schlag­ Im Projekt Streitkräftegemeinsame Verbundfähige Funk­ gewährleistet eine zuverlässige Datenübertragung und basiert
wort für die Leistungsfähigkeit neuer Funkgeräte. Dank geräteausstattung (SVFuA) wird derzeit eine IP-fähige V/UHF In der Studie „FLIP-WF Phase 2“ wurde eine sog. Wellenform- auf einer Fehlerdetektion und einem Rückkanal, mit dessen
der SDR-Technologie werden Wellenform-Applikationen Wellenform (Nationale Taktische Netzwerk WFA) beschafft Entwicklungs- und Portierungs-Plattform mit einem Pseudo- Hilfe korrekte Daten bestätigt und fehlerhafte erneut angefor-
(WFAs) situations- und einsatzgerecht ladbar. Der besondere und noch im Jahr 2020 der Truppe übergeben werden. Kryptomodul speziell für die Bedürfnisse der FLIP angepasst. dert werden. So kann das System die Coderate entsprechend
Mehrwert dieser Funkgeräte besteht darin, dass neben den Diese ist von ihrer Architektur und ihren Eigenschaften an die der Kanaleigenschaften dynamisch anpassen. Je größer das
alten Wellenform-Applikationen auch neue IP-fähige WFAs Die Fraunhofer Institute FKIE und IIS untersuchen eine flexible SVFuA angelehnt. Die FLIP-WF wurde entsprechend der Spezi- Signal zu Rausch Verhältnis (SNR) ist, desto größer die Code-
in diesen SDRs nutzbar sind. IP-fähige Wellenform, die schnelles Prototyping zulässt. So fikationen der STANAG 5630 Edition 1 ergänzt und konnte auf rate und dementsprechend auch die Datenrate.
können die nationalen Interessen und Anforderungen an eine der CWIX 2019 die Interoperabilität mit anderen Nationen
Wellenform bei internationalen Vorhaben besser eingebracht / (POL, BEL, NOR) erstmals nachweisen. In zwei Feldversuchen wurde die HDR-HF auf einer Funk-
vertreten werden. Für den modernen taktischen Einsatz sind strecke zwischen der WTD 81 und der WTD 71 getestet. Es
solche schnell anzupassenden WFAs von großem Vorteil. Die Das IIS hat im Projekt HDR-HF die Portierbarkeit und Leistungs- wurden zahlreiche Tests mit variierenden Modulationen und
flexible WFA FLIP zeichnet sich durch ein modulares, skalierbares fähigkeit moderner Breitband HF Wellenformen untersucht. Codierungen durchgeführt. Alle Modulationen von 4-QAM bis
und rekonfigurierbares Design mit Cross-Layer Schnittstellen Im Labor wurden die S/E-Module von SVFuA an die Testgeräte zu 256-QAM kamen zur Anwendung. Durch die Hybrid-ARQ
aus. Seit 2016 sind FKIE und IIS mit IP-fähigen Wellenformen gekoppelt. Da das IIS die Entwicklung der OBISS Schnittstelle Technologie konnten Schwankungen im SNR beim Test sehr
auf der CWIX vertreten. FLIP bietet inzwischen viele taktisch (Open Baseband Interface Specification for SDR), welche bei gut kompensiert werden. Die Wellenform passte sich dynamisch
und operationell relevante, erfolgreich getestete, Fähigkeiten, SVFuA verwendet wird, eng begleitete, konnte eine Inbetrieb- an die Eigenschaften des Übertragungskanals an und variierte
wie simultane Übertragung von CNR-PTT-Sprache und Daten, nahme über die bekannten Protokolle problemlos und zeitnah die Coderate on the fly.
Mobile Ad-hoc Networking (MANET) und den Einsatz von stattfinden. Lediglich wenige Anpassungen im protokollarischen
Quality-of-Service und Cross-Layer Interface Aspekten. Die Verhalten mussten in der Software der Testgeräte korrigiert Es konnte gezeigt werden, dass breitbandige Kommunika­
nationalen Fähigkeiten im Bereich SDR und WFAs wurden werden, dann konnte der Kommunikationstest starten. Die tion in der Kurzwelle möglich ist und die Anwendbarkeit für
weiterentwickelt. Neue Funktionalitäten, die heute in der Leistungsfähigkeit dieser WFA wurde im Labor und in Feld- IP-basierte Netzwerke gegeben ist.

Abb. 1: Schematische Darstellung des Testaufbaus, bestehend aus den beiden Abb. 2: Fehlerfrei übertragene Daten ohne Headerinformationen Abb. 3: Verschiedene Darstellungen
Testsystemen mit jeweils zwei erweiterten Testgeräten, verschaltet durch einen im MODERATE Kanal der HDR-HF Wellenform
Kanalemulator
163

6
Anhang
Adressen und Kontakte 164 165

Bundesministerium Bundesamt für Ausrüstung, Informations- Wehrtechnische Dienststelle Wehrwissenschaftliches Institut


der Verteidigung technik und Nutzung der Bundeswehr für Schutz- und Sondertechnik für Schutztechnologien – ABC-Schutz
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53003 Bonn Ferdinand-Sauerbruch-Straße 1 Oberjettenberg Humboldtstraße 100
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Abteilung Ausrüstung - A III 5 Fax: +49 (0) 261 / 400 - 3866 Fax: +49 (0) 86 51 / 16 00 Fax: +49 (0) 51 92 / 136 - 355
Tel.: +49 (0) 228 / 99 24 - 1 41 66 E-Mail: E-Mail: WTD52posteingang@bundeswehr.org E-Mail: WISPosteingang@bundeswehr.org
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Abteilung Ausrüstung - A III 6 Helmut-Schmidt-Universität / und Luftfahrtgerät der Bundeswehr für Werk- und Betriebsstoffe
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Abteilung Cyber / Informationstechnik Fax: +49 (0) 40 / 65 41 - 28 69 Fax: +49 (0) 84 59 / 80 - 20 22 Fax: +49 (0) 81 22 / 95 90 - 39 02
- CIT I 2 E-Mail: forschung@hsu-hh.de E-Mail: WTD61posteingang@bundeswehr.org E-Mail: WIWeB@bundeswehr.org
Tel.: +49 (0) 228 / 99 24 - 2 61 22 Internet: www.hsu-hh.de Internet: www.baainbw.de/wtd61 Internet: www.baainbw.de/wiweb
Fax: +49 (0) 228 / 99 24 - 3 35 61 21
E-Mail: BMVgCITI2@bmvg.bund.de Universität der Bundeswehr München Wehrtechnische Dienststelle
Werner-Heisenberg-Weg 39 für Schiffe und Marinewaffen,
Abteilung Führung Streitkräfte – FüSK III 3 85579 Neubiberg Maritime Technologie und Forschung
Tel.: +49 (0) 30 / 2004 - 2 48 38 Tel.: +49 (0) 89 / 60 04 - 0 (WTD 71)
Fax: +49 (0) 30 / 2004 - 18 03 68 13 Fax: +49 (0) 89 / 60 04 - 35 60 Berliner Straße 115
E-Mail: BMVgFueSKIII3@bmvg.bund.de E-Mail: info@unibw.de 24340 Eckernförde
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Abteilung Führung Streitkräfte – FüSK San 1 Fax: +49 (0) 43 51 / 467 - 120
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Abteilung Personal - P I 5 für Informationstechnologie und Elektronik
Tel.: +49 (0) 30 / 18 24 - 2 31 57 (WTD 81)
Fax: +49 (0) 30 / 18 24 - 8 95 40 Bergstraße 18
E-Mail: BMVgPI5@bmvg.bund.de 91171 Greding
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Abteilung Personal - P III 5 Fax: +49 (0) 84 63 / 652 - 607
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E-Mail: BMVgPIII5@bmvg.bund.de
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für Waffen und Munition
(WTD 91)
Am Schießplatz
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E-Mail:
WTD91posteingang@bundeswehr.org
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Zentrum für Geoinformationswesen Schifffahrtmedizinisches Institut Bundeswehrkrankenhaus Hamburg


der Bundeswehr der Marine Lesserstraße 180
Frauenberger Straße 250 Kopperpahler Allee 120 22049 Hamburg
53879 Euskirchen 24119 Kronshagen Tel.: +49 (0) 40 / 69 47 - 0
Tel.: +49 (0) 22 51 / 953 - 0 Tel.: +49 (0) 431 / 54 09 - 17 01 Fax: +49 (0) 40 / 69 47 - 1 06 29
Fax: +49 (0) 22 51 / 953 - 50 55 Fax: +49 (0) 431 / 54 09 - 17 78 E-Mail: BwKrhsHamburg@bundeswehr.org
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Sozialwissenschaften der Bundeswehr der Bundeswehr, Abteilung A 89081 Ulm
Zeppelinstraße 127/128 Aktienstraße 87 Tel.: +49 (0) 731 / 17 10 - 24 00
14471 Potsdam 56626 Andernach Fax: +49 (0) 731 / 17 10 - 24 03
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E-Mail: ZMSBWEingang@bundeswehr.org 56070 Koblenz
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Fax: +49 (0) 261 / 896 - 7 70 99 Zentrum für Softwarekompetenz der Bundeswehr
Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr E-Mail: InstPraevMedBw@bundeswehr.org Geierstraße 7
Neuherbergstraße 11 Internet: www.bundeswehr.de/de/organisation 53881 Euskirchen
80937 München Tel.: +49 (0) 22 55 / 9 45 71 - 22 02
Tel.: +49 (0) 89 / 99 26 92 - 39 82 Deutsch-Französisches Fax: +49 (0) 22 55 / 9 45 71 - 10 01
Fax: +49 (0) 89 / 99 26 92 - 39 83 Forschungsinstitut Saint-Louis E-Mail: ZSwKBw@bundeswehr.org
E-Mail: Postfach 1260 Internet: www.bundeswehr.de/de/organisation
InstitutfuerMikrobiologie@bundeswehr.org 79547 Weil am Rhein
Internet: https://instmikrobiobw.de 5, rue du Général Cassagnou Marinekommando
F-68300 Saint-Louis Kopernikusstraße 1
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der Bundeswehr Fax: +33 (0) 389 / 69 50 - 02 Tel.: +49 (0) 381 / 802 - 50
Neuherbergstraße 11 E-Mail: isl@isl.eu Fax: +49 (0) 381 / 802 - 32 97
80937 München Internet: www.isl.eu E-Mail: marine@bundeswehr.org
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InstitutfuerPharmakologieundToxikologie Scharnhorststraße 13 Röhn-Kaserne
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in Verbindung mit der Universität Ulm Internet: www.berlin.bwkrankenhaus.de Internet: www.bundeswehr.de/de/organisation
Neuherbergstraße 11
80937 München Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz
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Fax: +49 (0) 89 / 99 26 92 - 22 55 56072 Koblenz
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InstitutfuerRadiobiologie@bundeswehr.org Fax: +49 (0) 261 / 281 - 26 69
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Internet: https://koblenz.bwkrankenhaus.de
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der Luftwaffe Bundeswehrkrankenhaus Berlin
Flughafenstraße 1 Scharnhorststraße 13
51147 Köln 10115 Berlin
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Fax: +49 (0) 22 03 / 9 08 - 16 14 Fax: +49 (0) 30 / 28 41 - 10 43
E-Mail: E-Mail: BwKrhsBerlin@bundeswehr.org
zentrlurmedlwpresseoea@bundeswehr.org Internet: https://berlin.bwkrankenhaus.de
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Fraunhofer-Leistungsbereich Fraunhofer-Institut für Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt
Verteidigung, Vorbeugung und Integrierte Schaltungen IIS Programmkoordination Sicherheitsforschung Institut für Bauweisen und Strukturtechnologie
Sicherheit VVS Am Wolfsmantel 33 (PK-S) DLR BT
Fraunhoferstraße 1 91058 Erlangen Linder Höhe Pfaffenwaldring 38-40
76131 Karlsruhe Tel: +49 (0) 91 31 / 776 - 0 51147 Köln 70569 Stuttgart
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E-Mail: info@iosb.fraunhofer.de Internet: www.iis.fraunhofer.de E-Mail: info-pks@dlr.de E-Mail: info-pks@dlr.de
Internet: www.vvs.fraunhofer.de Internet: www.dlr.de/sicherheit Internet: www.dlr.de/bt
Fraunhofer-Institut für
Fraunhofer-Institut für Naturwissenschaftlich- Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt
Kurzzeitdynamik, Technische Trendanalysen INT Institut für Hochfrequenztechnik und
Ernst-Mach-Institut, EMI Postfach 14 91 Radarsysteme DLR HR
Ernst-Zermelo-Straße 4 53864 Euskirchen Oberpfaffenhofen
79104 Freiburg Tel.: +49 (0) 22 51 / 18 - 0 82234 Weßling
Tel.: +49 (0) 761 / 27 14 - 101 Fax: +49 (0) 22 51 / 18 - 277 Tel.: +49 (0) 81 53 / 28 23 05
Fax: +49 (0) 761 / 27 14 - 316 E-Mail: info@int.fraunhofer.de Fax: +49 (0) 81 53 / 28 11 35
E-Mail: info@emi.fraunhofer.de Internet: www.int.fraunhofer.de E-Mail: info-pks@dlr.de
Internet: www.emi.fraunhofer.de Internet: www.dlr.de/hr
Fraunhofer-Institut für
Fraunhofer-Institut für Optronik, Systemtechnik und Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt
Hochfrequenzphysik und Bildauswertung IOSB Institut für Methodik der Fernerkundung
Radartechnik FHR DLR MF
Fraunhoferstraße 20 Standort Karlsruhe Oberpfaffenhofen
53343 Wachtberg Fraunhoferstraße 1 82234 Weßling
Tel.: +49 (0) 228 / 94 35 - 227 76131 Karlsruhe Tel.: +49 (0) 81 53 / 28 26 68
Fax: +49 (0) 228 / 94 35 - 627 Tel.: +49 (0) 721 / 60 91 - 210 Fax: +49 (0) 81 53 / 28 13 37
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Internet: www.fhr.fraunhofer.de Internet: www.dlr.de/imf
Standort Ettlingen
Fraunhofer-Institut für Gutleuthausstraße 1 Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt
Kommunikation, Informations- 76275 Ettlingen Institut für Technische Physik DLR TP
verarbeitung und Ergonomie Tel.: +49 (0) 7243 / 992 - 131 Pfaffenwaldring 38-40
FKIE Fax: +49 (0) 7243 / 992 - 299 70569 Stuttgart
Fraunhoferstraße 20 Tel.: +49 (0) 711 / 68 62 - 773
53343 Wachtberg E-Mail: info@iosb.fraunhofer.de Fax: +49 (0) 711 / 68 62 - 788
Tel.: +49 (0) 228 / 94 35 - 103 Internet: www.iosb.fraunhofer.de E-Mail: info-pks@dlr.de
Fax: +49 (0) 228 / 94 35 - 685 Internet: www.dlr.de/tp
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Internet: www.fkie.fraunhofer.de Silicatforschung ISC Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt
Neunerplatz 2 Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik
Fraunhofer-Institut für 97082 Würzburg DLR AS
Angewandte Festkörperphysik Tel: +49 (0) 931 / 41 00 - 0 Bunsenstraße 10
IAF Fax: +49 (0) 931 / 41 00 - 198 37073 Göttingen
Tullastraße 72 E-Mail: info@isc.fraunhofer.de Tel.: +49 (0) 551 / 709-2177
79108 Freiburg Internet: www.isc.fraunhofer.de Fax: +49 (0) 551 / 709-2889
Tel.: +49 (0) 761 / 51 59 - 458 E-Mail: info-pks@dlr.de
Fax: +49 (0) 761 / 51 59 - 714 58 Internet: www.dlr.de/as
E-Mail: info@iaf.fraunhofer.de
Internet: www.iaf.fraunhofer.de Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt
Institut für Optische Sensorsysteme DLR OS
Fraunhofer-Institut für Rutherfordstraße 2
Chemische Technologie ICT 12489 Berlin-Adlershof
Joseph-von-Fraunhofer-Straße 7 Tel.: +49 (0) 30 / 6 70 55 - 0
76327 Pfinztal Fax: +49 (0) 30 / 6 70 55 - 102
Tel.: +49 (0) 721 / 46 40 - 123 E-Mail: info-pks@dlr.de
Fax: +49 (0) 721 / 46 40 - 442 Internet: www.dlr.de/os
E-Mail: info@ict.fraunhofer.de
Internet: www.ict.fraunhofer.de
Impressum 170

HERAUSGEBER
Bundesministerium der Verteidigung
Unterabteilung A III
Fontainengraben 150
53123 Bonn

GESTALTUNG UND REALISATION


Konzeptbüro Schneider, Erftstadt

INHALTLICHE BETREUUNG
Fraunhofer INT, Euskirchen

DRUCK
Warlich Druck Meckenheim GmbH, Meckenheim

STAND
Juni 2021

FOTOS Seite
© Bundeswehr / Stephan Ink; Sarah Wetjen; Maximilian Schulz 01 Charité – Universitätsmedizin Berlin, Berlin
© Bundeswehr / Marco Dorow 08 Deutsche Sporthochschule Köln, Köln
© Bundeswehr / Jana Neumann; Leon Rodewald 09 Deutsch-Französisches Forschungsinstitut, Saint-Louis
© Bundeswehr / Andre Klimke 10 DLR, Institut für Aerodynamik und Strömungstechnik, Köln
© Bundeswehr / Sandra Herholt; Maximilian Schulz 11 DLR, Institut für Bauweisen und Strukturtechnologie, Stuttgart
DLR, Institut für Hochfrequenztechnik und Radarsysteme, Oberpfaffenhofen
© www.physiologie.cc 14 DLR, Institut für Methodik der Fernerkundung, Oberpfaffenhofen
© Caters News Agency 14 DLR, Institut für Optische Sensorsysteme, Berlin
© Elemance / Crashtest-Service.com GmbH 21 DLR, Institut für Technische Physik, Stuttgart
© Pixabay.com 26 Einsatzführungskommando der Bundeswehr, Schwielowsee
© Shutterstock.com 26 Fraunhofer EMI, Freiburg i. Br.
© European Defence Agency 28 Fraunhofer FHR, Wachtberg
© NATO-STO-Report „Science & Technology Trends 2020–2040“ 29 Fraunhofer FKIE, Wachtberg
© Bundeswehr / Björn Wilke 30 Fraunhofer IAF, Freiburg i. Br.
© FHS Förder- und Hebesysteme GmbH 33 Fraunhofer ICT, Pfinztal
© Airbus 47 Fraunhofer IIS, Erlangen
© World Bank World ­Development Indicators 58 Fraunhofer ISC, Würzburg
© Raleigh C, et al. (2010), Journal of Peace Research 47(5) 58 Fraunhofer INT, Euskirchen
© ND SatCom GmbH 62 Fraunhofer IOSB, Karlsruhe, Ettlingen
© Thomas Benz / just imagine 63 Gefechtssimulationszentrum Heer, Wildflecken
© Bundeswehr / Dr. Laumann 102 Helmut-Schmidt-Universität, Hamburg
© Bundeswehr / Dr. Wölfel 102 Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr, München
© Bundeswehr / Ann-Katrin Winges 103 Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Bundeswehr, München
© Thilo Pulpanek; Bundeswehrkrankenhaus Berlin; Wesemann et al. 2021 110 Institut für Präventivmedizin der Bundeswehr, Koblenz
© Charlyn Braun; Wehr­medizinische Monatsschrift Ausg. 3-4/2021 110 Institut für Radiobiologie der Bundeswehr, München
© Frederike Wendt; Berlin 113 Kommando Sanitätsdienstliche Einsatzunterstützung, Weißenfels
© Bundeswehr / Stephan Ink 114 Marinekommando, Rostock
© Bundeswehr / Steve Back 119 ND SatCom GmbH, Immenstaad am Bodensee
© Dr. Aschoff, Hannover 120 Otto von Guericke-Universität, Magdeburg
© Bundeswehr / Michael Laymann 128 Psychotraumazentrum der Bundeswehr, Berlin
© www.die-marine.de 138 Schifffahrtmedizinisches Institut der Marine, Kronshagen
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© NATO 139 Universität Duisburg-Essen, Essen
© Marine, SAR-Leitstelle 139 Universitätsklinikum Bonn, Bonn
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© Pixabay 148 WIWeB, Erding
© NATO IST-124 / www.anglova.net 158 WTD 52, Schneizlreuth
WTD 61, Manching
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Atos SE Deutschland, München WTD 81, Greding
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Koblenz Zentrum für Geoinformationswesen der Bundeswehr – Gruppe Meteorologie
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Bundeswehrkrankenhaus Berlin Zentrum für Luft- und Raumfahrtmedizin der Luftwaffe, Fürstenfeldbruck
Bundeswehrkrankenhaus Hamburg Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr,
Bundeswehrkrankenhaus Ulm Potsdam
Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz Zentrum für Softwarekompetenz der Bundeswehr, Euskirchen

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