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Risiken der Cyberdomäne auf das Militär und dessen Entscheidungsprozess:

Die Cyberdomäne geht mit zahlreichen Risiken einher. Sie überqueren nur so lange nicht die Schwelle
zum Krieg, wenn sie nur eine vergleichsweise „geringe, temporäre und sekundäre Wirkung erzielen“.1

Trotz dieses Faktums hatten Konflikte in den vergangenen Jahren jedoch alle im Cyberraum ihren
Ursprung. Hacker leisten im Krieg die Vorarbeit durch Angriffe im Cyberraum auf kritische
Infrastrukturen (Strom, Wasser, Gas- und Versorgungseinrichtungen,
Telekommunikationseinrichtungen).2 Geringfügige Schäden können leicht in einer Eskalation,
ebenfalls militärisch, führen. Damit wurden die technologischen Errungenschaften unserer Zeit zu
Risiken, welche einige Staaten als die größte Bedrohung der nächsten Jahre und Jahrzehnte sehen. 3

Während es in konventionellen Konflikten mit nachrichtendienstlichen Mitteln möglich ist, die


Bewegungen einer angreifenden Armee oder von Konfliktparteien festzustellen, ist es in der
Cyberdomäne gut möglich, dass sich die gegnerische Seite bereits seit geraumer Zeit im eigenen
System befindet.4Hinzu kommt die Problematik eines ungeklärten Gegners. „Das Spektrum möglicher
Angreifer ist weit gespannt und reicht vom gelangweilten Teenager über verärgerte oder
unzufriedene Mitarbeiter, Industriespione, organisiertes Verbrechen, Fanatiker und Terroreinheiten
bis hin zu feindlichen Staaten.“5

Mit einem Hackerangriff können einzelne Daten für immer gelöscht, geheime Informationen
veröffentlicht, Festplatten und Prozesse zerstört oder cyber-physische Systeme, wie industrielle
Steueranlagen (Beispiel Urananreicherungsanlage Iran 2021), ausgelöst werden und damit einen
riesigen Schaden verursachen.6

Andererseits ist die Abhängigkeit der Zivilbevölkerung auf technische Systeme in ihrem alltäglichen
Leben so in ihren Köpfen verankert, dass es zu einem enormen gesellschaftlichen Problem wird,
sollten diese auch nur in Teilbereichen eingeschränkt werden.

So etwas wie „gute Sicherheitslücken, um Terroristen zu überwachen, und böse Sicherheitslücken, die
den Rest der Gesellschaft Hackerrisiken aussetzen“ gibt es nicht.

Denn die Cyberdomäne muss viel weitergedacht werden als nur Angriffe auf Netzwerke und
Cybersystemen. 2023 wird es noch 4 Milliarden vernetzte Geräte weltweit geben. 7 Von der einfachen
Smart-Watch bis hin zum selbstfahrenden Auto laufen die meisten Geräte jedoch ohne
ausreichendem Sicherheitsniveau.8 „Ungenügenden Passwortschutz, keine oder ungenügende
Wartung durch Software-Updates sowie zahlreiche Sicherheitslücken, die offen stehen wie
Scheunentore. Verbraucher*innen sind völlig damit überfordert, die Risiken überhaupt
einzuschätzen, die mit dem Kauf derartiger Produkte einhergehen, zumal in den meisten Fällen die
Risiken intransparent sind, weil die dafür nötigen Informationen nicht angegeben werden.“ 9
1
Dr. Bock V. (2019). Konfliktzone Cyberspace: Perspektiven für Sicherheit und Frieden. Ethik und Militär 01/2019, 30
2
Landesverteidigung, B. F. (o. D.). Bundesheer - Cyber-Kräfte. https://www.bmlv.gv.at/sk/cyber/index.shtml
3
Dr. Bock V. (2019). Konfliktzone Cyberspace: Perspektiven für Sicherheit und Frieden. Ethik und Militär, 01/2019, 46
4
Brantly, A. F. & Smeets, M. (2020). Military operations in cyberspace. In Springer eBooks. Springer. (S.10).
https://doi.org/10.1007/978-3-030-02866-4_19-1
5
Cavelty, M. D. (2015). Der Cyber-Krieg, der (so) nicht kommt. Universitätsbibliothek Heidelberg. (S.221)
6
Schulze, M. B. (2020). Militärische Cyber-Operationen: Nutzen, Limitierungen und Lehren für Deutschland, SWP-
Studie. Stiftung Wissenschaft und Politik. https://doi.org/10.18449/2020s15
7
Baumgartner, C. (2020). Cisco: 2023 bereits 4 Milliarden vernetzte Geräte weltweit. Itwelt | IT. Business. AT.
https://itwelt.at/news/cisco-2023-bereits-4-milliarden-vernetzte-geraete-weltweit/
8
Dr. Bock V. (2019). Konfliktzone Cyberspace: Perspektiven für Sicherheit und Frieden. Ethik und Militär, 01/2019, 36
9
Dr. Bock V. (2019). Konfliktzone Cyberspace: Perspektiven für Sicherheit und Frieden. Ethik und Militär, 01/2019, 37
Zurzeit unbekannte oder weniger relevante Player können somit im Vergleich zum konventionellen
Krieg leicht in der Cyberdomäne mitmischen und ihre Macht zu demonstrieren.

Vorbereitende Möglichkeiten im Militär

Dementsprechend groß ist auch das Bewusstsein zur Abwehr solcher Angriffe in der Cyberdomäne im
Militär gewachsen. Um die Unbestimmtheit und Vielfalt der Risiken herunterzubrechen und die
weitere Planung im Bereich des Bevölkerungsschutzes, als auch der Zivilverteidigung, in der Krise
haltbar zu machen, bedarf es einer großen sicherheitspolitischen Bedeutung, welche bisher einfach
vernachlässigt wurde.10

Die US-Armee hat hierzu Cybereinheiten und -teams in den taktischen Landstreitkräften integriert.
Russland und China arbeiten hart daran „Instrumente der Informationskriegsführung in ihre
Streitkräfte einzugliedern.“11

Auch das ÖBH hat mittlerweile die Teilstreitkraft der Cyberkräfte, welche eine Kommunikation und
Datenübertragung rein über eigene Netzwerke sicherstellen.12 Mit allen Kräften wird nun auch nach
Experten im Gebiet gesucht und der hochgeschulte Cyber-Soldat als Teil des Militärs und der
Ausbildung eingeführt. „Cyberkräfte werden entweder selbständig eingesetzt, oder sind auf
taktischer Ebene eine wesentliche Komponente im "Kampf der verbundenen Waffen", oder auf
operativer Ebene wesentlicher Bestandteil von so genannten "Multi Domain Operations".“ 13

Für die NATO wird der Cyberraum „seit dem Warschauer Gipfel von 2016 als eigenständigen
Operationsraum – analog zu Land, Luft, See und Weltraum“ angesehen. „Konkret könnten
beispielsweise logistische Ketten unterbrochen, wichtige Daten für die Operationsführung des
Gegners verändert, Führungs- und Informationssysteme lahmgelegt werden.“ 14

Die umfassende Gewährleistung von Sicherheit durch den Staat ist angesichts der Vielfalt, der
Komplexität und der Unvorhersehbarkeit moderner Risiken ohnehin längst nicht mehr möglich (wenn
sie es je war). Gesellschaften müssen also lernen, in pragmatischer Art und Weise mit dieser
Unsicherheit zu leben, während der Staat die Verpflichtung hat, sein Möglichstes und Bestes zu
geben, um diese Probleme zum Wohle der Allgemeinheit zu minimieren, aber ebenso lernen muss,
die Grenzen des Möglichen zu kommunizieren. Durch die Generierung von Narrationen in der
erzählten Katastrophe unter Negierung von Nichtwissen wird im schlimmsten Fall die
Wahrscheinlichkeit einer Katastrophe erhöht: Denn

„Eine Situation wird erst zur Katastrophe, wenn die Intransparenz der Gefährdungssituation, ein
unspezifisches Nichtwissen, nicht als solches kommuniziert wird.“15

10
Analyse sicherheitspolitischer Bedrohungen und Risiken unter Aspekten der Zivilen Verteidigung und des
Zivilschutzes, 175
11
Dr. Bock V. (2019). Konfliktzone Cyberspace: Perspektiven für Sicherheit und Frieden. Ethik und Militär, 01/2019, 29
12
Landesverteidigung, B. F. (o. D.). Bundesheer - Cyber-Kräfte. https://www.bmlv.gv.at/sk/cyber/index.shtml
13

14
Dr. Bock V. (2019). Konfliktzone Cyberspace: Perspektiven für Sicherheit und Frieden. Ethik und Militär, 01/2019, 47
15
K. Japp: Zur Soziologie der Katastrophe, (S.80).

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