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Studienarbeit
Verfasst von:
Herr cand. Mach. Maximilian Krüger
Matrikel-Nr.: 3136950
Betreut von:
M.Sc. Alexander Schmidt
Prüfer:
Prof. Dr.-Ing. Berend Denkena
An der Universität 2, 30823 Garbsen, Telefon: (0511) 762-25 33, Telefax: (0511) 762-51 15
Abstract
Durch den stetig steigenden Wettbewerb im produzierenden Gewerbe findet die ganz-
heitliche Betrachtung der Produktionssysteme zunehmend Beachtung. Durch diese
Entwicklung rücken mögliche Ansätze zur Steigerung der technischen Verfügbarkeit
von Produktionsanlagen in den Fokus der Forschung. Vielversprechendes Potential
besitzt hierbei die zustandsorientierte Instandhaltungsstrategie. Für Werkzeugmaschi-
nen ist bekannt, dass die Vorschubachse die häufigste Ausfallgruppe ist und Kugelge-
windetriebe für den Großteil der dabei verursachten Ausfallzeiten verantwortlich sind.
Besonders der langsame Vorspannungsverlust aufgrund von Verschleiß zeigt sich
hierbei als problematisch. Dieser führt langfristig zum Verlust der Produktionsfähigkeit,
da die Ratterneigung zunimmt und die Positioniergenauigkeit nicht mehr den Anforde-
rungen genügt. Dabei führt vor allem der a priori nicht berechenbare Zeitpunkt dieser
Ausfallursache zu langen Ausfallzeiten und hohen Stillstandsfolgekosten. Um dem ent-
gegenzuwirken wird in den letzten Jahren verstärkt an Zustandsüberwachungssyste-
men geforscht. Diese ermöglichen eine frühzeitige Erkennung eines Ausfalls und eine
flexible Anpassung der Instandhaltung an den Zustand der Maschine. Hierdurch wer-
den die Stillstandszeiten und die insgesamt anfallenden Kosten reduziert. In dieser
Arbeit werden insbesondere steuerungsexterne Signale auf ihre Eignung zur Überwa-
chung des Vorspannungszustandes untersucht. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der
Datenaufbereitung und -weiterverarbeitung mit Methoden der multivariaten Statistik.
Im Fokus stehen Sensitivitätsuntersuchungen verschiedener Frequenzbänder der Be-
schleunigungssensoren und die robuste Klassifikation unter Störgrößeneinfluss. Hier-
für werden mithilfe der Methode der Kugelsortierung mehrere diskrete Vorspannungs-
stufen nachgestellt. Die Eignung verschiedener Frequenzbänder zur robusten Vor-
spannungsklassifikation wird gezeigt.
Erklärung
Hiermit versichere ich, dass ich die vorliegende Ausarbeitung ohne fremde Hilfe ange-
fertigt habe und mich dabei anderer als der von mir angegebenen Hilfsmittel nicht be-
dient habe.
Inhaltsverzeichnis
Formelverzeichnis .................................................................................................... X
1 Einleitung ............................................................................................................. 1
Zustandsüberwachung von Kugelgewindetrieben zur Vorspannungsklassifikation mit Methoden der multivariaten Statistik
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Inhaltsverzeichnis II
8 Frequenzanalyse ............................................................................................... 72
8.1 Versuchsdurchführung ................................................................................... 72
8.1.1 Messwertaufnahme .................................................................................. 72
8.1.2 Signalvorverarbeitung .............................................................................. 74
8.1.3 Merkmalsextraktion .................................................................................. 75
8.1.4 Merkmalsselektion .................................................................................... 76
8.1.5 Hauptkomponentenanalyse ...................................................................... 76
8.1.6 Klassifikation ............................................................................................ 77
8.2 Auswertung .................................................................................................... 77
8.2.1 Selektion der Merkmale und kritische Betrachtung der F-Statistik ........... 77
8.2.2 Betrachtung der Frequenzbandsumme der Beschleunigungssignale ...... 82
8.2.3 Auswirkungen der Filter auf die Merkmalswerte und die PCA .................. 87
8.2.4 Betrachtung der Störgröße Werkstückmasse ........................................... 99
8.2.5 Signalübergreifende Fusion.................................................................... 104
8.2.6 Analyse mithilfe verschiedener Klassifikatoren....................................... 108
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Abbildungsverzeichnis III
Abbildungsverzeichnis
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Abbildungsverzeichnis IV
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Abbildungsverzeichnis V
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Abbildungsverzeichnis VI
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Tabellenverzeichnis VII
Tabellenverzeichnis
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Abkürzungsverzeichnis VIII
Abkürzungsverzeichnis
Abkürzung Beschreibung
EB Entscheidungsbaum
FFT Fast-Fourier-Transformation
IMP Impulsfaktor
IQR Interquartilsabstand
KGT Kugelgewindetrieb
kNN k-Nearest-Neighbour
KRT Kurtosis
LDA Lineardirektantrieb
MAX Maximalwert
MED Median
MIN Minimalwert
NB Naive Bayes
PCA Hauptkomponentenanalyse
R Spannweite, Schwingbreite
RMS Effektivwert
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Abkürzungsverzeichnis IX
SHA Formfaktor
SKE Schiefe
STD Standardabweichung
SUM Summe
VAR Varianz
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Formelverzeichnis X
Formelverzeichnis
a Eigenvektor -
f Frequenz 1/s
F Kraft N
F F-Wert -
h Gewindesteigung m
k Strom-Motor-Konstante Nm/A
M Motormoment Nm
t Zeit s
V Verfügbarkeit -
x Axiale Schlittenposition m
𝑥̅ Mittelwert -
𝑥̃ Normierter Wert -
𝑥̃ Median -
ε Dehnung -
λ Ausfallrate 1/s
λ Eigenwert -
𝜎 Standardabweichung -
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Formelverzeichnis XI
𝜎2 Varianz -
𝜑 Winkel rad
𝜑̇ Winkelgeschwindigkeit rad / s
𝜑̈ Winkelbeschleunigung rad / s²
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Einleitung 1
1 Einleitung
Durch die fortschreitende Verflechtung der weltweiten Märkte steigt der Wettbewerb
zwischen den produzierenden Unternehmen. Die Ansprüche an die Produkte steigen
und es werden höhere Qualitätsstandards gesetzt. Gleichzeitig nimmt in Folge dieses
Wettbewerbs der Druck immer wirtschaftlicher fertigen zu können ebenfalls kontinuier-
lich zu. Um weiterhin wettbewerbsfähig zu sein, müssen die Unternehmen daher ihre
Produktivität und die Qualität der von ihnen gefertigten Produkte fortlaufend optimie-
ren. Im Zuge dieser Bemühungen hat sich eine ganzheitliche Betrachtung der Produk-
tionssysteme als vorteilhaft erwiesen. Diese folgt dem Grundsatz der Vermeidung von
Verschwendungen. Hieraus leiten sich mehrere Gestaltungsprinzipien ab, welche un-
ter anderem eine hohe Zuverlässigkeit der eingesetzten Produktionsmittel erfordern.
Die Verfügbarkeit einer Maschine ist ein Maß für diese Zuverlässigkeit. Wird sie ver-
bessert führt dies zu einer direkten Steigerung der Produktivität einer Maschine und
positiven Auswirkungen auf die restlichen Teile der Prozesskette, da Stillstandszeiten
von vor- und nachgelagerten Maschinen ebenfalls reduziert werden.
Eine Komponente, welche in vielen Werkzeugmaschinen vorkommt und von großer
Bedeutung für die Verfügbarkeit ist, sind Kugelgewindetriebe (KGT). Ihre Genauigkeit
und Steifigkeit sind limitierende Faktoren für die Fertigungsgenauigkeit und die Bear-
beitungsqualität einer Maschine. Zur Steigerung dieser Parameter werden KGT vor-
gespannt. Dies führt jedoch zu einem stark erhöhten Verschleiß, der mit einem Verlust
der Vorspannkraft einhergeht. Mit der Zeit wirkt sich der fortschreitende Verschleiß
immer stärker auf die Eigenschaften aus. Die geforderte Genauigkeit wird nicht mehr
eingehalten und es kommt zum Rattern. Für die Produktion stellt dies einen plötzlichen
Totalausfall der Maschine dar und erzwingt den zeitaufwendigen Austausch des KGT.
Dies ist für die erreichbare Verfügbarkeit besonders relevant, da insgesamt 38% der
Ausfallzeiten auf den Verschleiß von KGT zurückzuführen sind [SCHO09].
Die Auswirkungen auf die Produktion und die dadurch entstandenen finanziellen Ver-
luste lassen sich jedoch durch eine frühzeitige Vorhersage eines solchen verschleiß-
bedingten Ausfalles deutlich verringern. Ist der bevorstehende Ausfall einer Maschine
frühzeitig bekannt, ist es möglich diesen bei der Fertigungssteuerung zu berücksichti-
gen. Hierdurch können zur Instandhaltung nötige Teile und Personal frühzeitig ange-
fordert werden. Dies führt zu einer schnelleren Durchführung der Instandhaltungsmaß-
nahmen und einer deutlichen Reduktion der Stillstandszeit, da die besonders zeitauf-
wändigen plötzlichen Ausfälle verhindert werden.
Ziel dieser Arbeit ist die Zustandsüberwachung des Verschleißzustandes von KGT.
Hierfür werden verschiedene Vorspannungszustände und Werkstückmassen nachge-
stellt. Durch die Analyse der steuerungsinternen und -externen Sensorik werden Merk-
male extrahiert. Anschließend werden mit Methoden der multivariaten Statistik die ver-
schiedenen Vorspannungszustände identifiziert. Im Fokus liegen hierbei die Sensitivi-
tätsuntersuchungen verschiedener Frequenzbänder der Beschleunigungssensoren
und die Störgröße Werkstückmasse.
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Stand der Technik 2
2.1 Werkzeugmaschinen
Durch die Mechanisierung von Fertigungsprozessen führte die industrielle Revolution
zu einem noch nie dagewesenen wirtschaftlichen Wachstum und dem Wohlstand der
heutigen Industrieländer. Eine Schlüsselrolle bei dieser Entwicklung kommt dabei der
Werkzeugmaschine zu. Sie wird für die Produktion aller Maschinen und Anlagen be-
nötigt und ist die einzige Maschine, die sich selbst reproduzieren kann. Aus diesem
Grund wird sie auch als die „Mutter aller Maschinen“ bezeichnet. Sie legt den Grund-
stein für die Produktion aller modernen Werkzeuge und Fertigungsmittel. Der techni-
sche Stand der verfügbaren Werkzeugmaschinen begrenzt daher maßgeblich die
Qualität aller industrielle gefertigten Produkte und die Wirtschaftlichkeit ganzer Bran-
chen. Dies ist vor allem für die Volkswirtschaften der Industrieländer und ihre Innen-
und Außenhandelssysteme, die auf die Produktion industrieller Güter ausgerichtet
sind, von zentraler Bedeutung. Nur durch den zuverlässigen Zugang zur besten Ferti-
gungstechnik können diese Länder die Konkurrenzfähigkeit ihrer verschiedenen In-
dustriezweige sichern. Der Werkzeugmaschinenbau ist daher Schlüssel zum heutigen
Wohlstand in den Industrieländern und dessen Erhalt [BREC19, HIRS16, WECK05].
Eine genaue Definition der Werkzeugmaschine und eine klare Abgrenzung zu anderen
Fertigungsanlagen und technischen Hilfsmitteln erweist sich als schwierig. Es existiert
keine weltweit einheitliche Definition des Begriffs „Werkzugmaschine“ und die Über-
gänge zu anderen Maschinen sind zum Teil fließend. Im Folgenden werden daher ei-
nige Versuche einer Charakterisierung und die Definition nach DIN vorgestellt.
Nach Hirsch erscheint eine Eingrenzung über die hergestellten Werkstücke als sinn-
voll. Werkzeugmaschinen werden genutzt um Teile von Baugruppen, welche in Ma-
schinen, Werkzeugen, Vehikeln oder anderem eingebaut werden, jedoch keine Halb-
zeuge oder Verbrauchsgüter herzustellen [HIRS16].
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Stand der Technik 3
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Stand der Technik 4
Konventionellen Werkzeugmaschinen
Die erste Gruppe bilden die konventionellen Werkzeugmaschinen. Diese besitzen An-
triebe für die Haupt- und Vorschubbewegungen und werden ausschließlich vom Ma-
schinenbediener direkt gesteuert. Dies bedeutet, dass alle Bewegungsabfolgen und
Größen von einem permanent anwesenden Bediener vorgegeben werden.
NC-Maschinen
Die Gruppe der NC-Maschinen umfasst Werkzeugmaschinen, die um eine numerische
Steuerung erweitert wurden. Diese Steuerung ermöglicht die Ausführung von Pro-
grammen. Dies ermöglicht eine selbstständige Abarbeitung einer Abfolge von Positio-
nierungs-, Schnitt-, Vorschub-, Anstell-, und Zustellbewegungen. Der Bediener wird
dadurch nur noch für Werkzeug- und Werkstückwechsel sowie bei Störungen benötigt.
Dies ermöglicht den gleichzeitigen Betrieb mehrere Maschinen durch einen Anwender.
Zentrum
Wird diese NC-Maschinen zusätzlich durch einen Werkzeugspeicher und einen Werk-
zeugwechsler erweitert, wird von einem Bearbeitungszentrum gesprochen. Dieses
verfügt über die Fähigkeit in einer Einspannung mehrere Bearbeitungsschritte mit ver-
schiedenen Werkzeugen durchführen. Dadurch werden Fehler bei einer erneuten Ein-
spannung vermieden, was erhebliche Vorteile bei der Einhaltung von Lage- und Form-
toleranzen bietet. Außerdem werden Rüstvorgänge größtenteils parallel zur Bearbei-
tung durchgeführt. Dies minimiert die Auswirkungen der Rüstzeiten auf die Stillstands-
zeiten der Maschine.
Zelle
Wird dieses Konzept von Speicher und Wechsler ebenfalls auf die Werkstücke ange-
wendet, wird von einer Fertigungszelle gesprochen. Diese besteht aus einer oder meh-
reren Maschinen, die die einzelnen Bearbeitungsschritte durchführen und wird vom
Bediener nur noch beliefert. Eine Zelle ermöglicht die vollautomatische Fertigung einer
ganzen Serie von Teilen und bei ausreichendem Speicher sogar einen Betrieb der
Maschine in einer bedienerlosen Schicht. Bedarf in einem solchen Fall jedoch inte-
grierten Messeinrichtungen und einem Überwachungssystem.
Fertigungssystem
Die neueste Gruppe mit dem höchsten Automatisierungsgrad bilden die Fertigungs-
systeme. Sie bestehen aus einer Gruppe von Werkzeugmaschinen, die über Werk-
stückflusssysteme, Werkzeuglogistik, Ver- und Entsorgungseinrichtungen miteinander
verbunden sind. Außerdem verfügen sie über eine automatisierte Fertigungssteue-
rung. Realisiert werden solche Systeme durch feste Fließstraßen oder durch auto-
nome Transportsysteme. Bei der Verwendung von autonomen Transportsystemen
wird das System auch als flexibles Fertigungssystemen bezeichnet, weil es zu keiner
starren Verkettung der Maschinen kommt und das System flexibel auf den Status jedes
Teilsystems reagieren kann [BAHM13, HIRS16].
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Stand der Technik 5
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In der Praxis werden zur Berechnung der Verfügbarkeit zunächst zwei zeitlich gemit-
telte Kennwerte gebildet. Die Mean Time To Failure (MTTF) als mittlere Betriebsdauer
bis zu einem Ausfall und die Mean Time To Repair als mittlere Reparaturdauer. Die
MTTF beschreibt die Zuverlässigkeit der Maschine und die MTTR die Instandhaltbar-
keit und das Instandhaltungsvermögen. Die Verfügbarkeit wird nach Gleichung 2.1 aus
dem Verhältnis der zur Produktion genutzten Zeit (MTTF) und der Summe aus der
Produktionszeit (MTTF) und der Reperaturdauer (MTTR) berechnet. Die Summe von
MTTF und MTTR wird auch als Mean Time Between Failure (MTBF) bezeichnet. Ist
die MTTF sehr viel größer als die MTTR ist zulässig näherungsweise davon auszuge-
hen, dass die MTBF der MTTF entspricht [ISER06].
𝑴𝑻𝑻𝑭 𝑴𝑻𝑩𝑭
𝑽= ≈ ( 2.1 )
𝑴𝑻𝑻𝑭 + 𝑴𝑻𝑻𝑹 𝑴𝑻𝑩𝑭 + 𝑴𝑻𝑻𝑹
Demnach ergeben sich zwei grundsätzliche Ansätze zur Steigerung der Verfügbarkeit.
Die erste Möglichkeit sind Maßnahmen, die das Ausfallverhalten verbessern und
dadurch die MTTF erhöhen. Die zweite Möglichkeit stellen Maßnahmen dar, die eine
bessere Instandhaltung erzielen und die MTTR verringern [BERT12].
Die Bestimmung der Verfügbarkeit ist auf diese Weise auch für Teilsysteme eines grö-
ßeren Systems möglich. Dabei kann ein solches Teilsystem eine einzelne Baugruppe
einer Maschine sein oder die einzelne Werkzeugmaschine selbst wird als Teilsystem
der Prozesskette betrachtet. Die Verfügbarkeit des höchsten Systems 𝑉𝑔𝑒𝑠 entspricht
nach Gleichung 2.2 dann dem Produkt der Verfügbarkeiten all seiner Teilsysteme 𝑉𝑖
[BAHM13].
𝑽𝒈𝒆𝒔 = ∏ 𝑽𝒊 ( 2.2 )
Für eine Maschine, die aus fünf Baugruppen mit einer Verfügbarkeit von jeweils 99%
besteht, ergibt sich demnach eine gesamte Verfügbarkeit von etwa 95%. Sind fünf
solcher Maschinen im Laufe der Produktionskette verkettet und verfügen diese über
keine Puffer so fällt die Verfügbarkeit des Verbunds bereits auf unter 78%. Dieser Zu-
sammenhang verdeutlicht die große Bedeutung der Verfügbarkeit aller Teilsysteme für
die Produktionssicherheit längerer Produktionsketten. Gelingt in diesem theoretischen
Beispiel eine Erhöhung der Verfügbarkeit einer jeden Baugruppe um 0,1% von 99%
auf 99,1% so steigt die Verfügbarkeit des Maschinenverbunds bereits um etwa 2% von
etwa 78% auf fast 80%. Durch diese Überlegungen wird deutlich, dass sich besonders
bei starren Verkettungen oder bei geringen Puffern zwischen den Maschinen bereits
geringe Steigerungen der Verfügbarkeit eines einzelnen Bauteils erheblich auf die Pro-
duktion auswirken. Daher werden in der heutigen Industrie, in der geringe Puffer durch
die just-in-time Philosophie weit verbreitet sind, sehr hohe Anforderungen an die Ver-
fügbarkeit aller Maschinenkomponenten gestellt.
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2.1.3 Instandhaltungsstrategien
In der DIN 31051 wird die Instandhaltung definiert als Menge aller Maßnahmen zur
Feststellung und Beurteilung des Istzustandes, sowie aller Maßnahmen zum Erhalt
und der Wiederherstellung des Sollzustandes einer Maschine [DIN03]. Das Ziel der
Instandhaltung ist es, den funktionsfähigen Zustand einer Maschine zu erhalten oder
wiederherzustellen. Die Instandhaltung steht daher im direkten Zusammenhang mit
der Verfügbarkeit einer Maschine und ist ein bedeutender Aspekt zum Erreichen einer
hohen Verfügbarkeit. Zur Beschreibung der Vorgänge während der Betriebsphase und
der Instandhaltung wird oft der Abnutzungsvorrat der verschleißanfälligen Komponen-
ten herangezogen. Dieser ist ein Maß für den Vorrat an Material, welcher durch Ver-
schleiß maximal abgenutzt werden kann. Bild 2.2 zeigt den charakteristischen s-förmi-
gen Verlauf des Abnutzungsvorrats im Verlauf der Nutzungsphase und die Wiederher-
stellung des Sollzustandes durch die Instandhaltung. Nur innerhalb des gekennzeich-
neten Bandes ist die Funktionsfähigkeit gegeben, erreicht der Abnutzungsvorrat einen
Wert unterhalb der eingezeichneten Abnutzungsgrenze tritt eine Funktionsstörung ein
[BERT12].
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Reaktive Strategie
Bei der reaktiven Strategie wird bis zum Eintreten einer Störung produziert. Erst an-
schließend werden erste Maßnahmen zur Instandhaltung ergriffen. Dadurch wird nur
nach unmittelbarem Bedarf gehandelt und es werden nur die nötigsten Instandhal-
tungsmaßnahmen ergriffen. Regelmäßige Inspektionen entfallen vollständig. Dies hat
den Vorteil, dass die Kosten für die Instandhaltungsmaßnahmen minimiert werden und
der Abnutzungsvorrat vollständig ausgeschöpft wird. Der Zeitpunkt der nächsten In-
standsetzung ist jedoch nicht planbar. Bei der Wahl dieser Strategie kommt es zu ei-
nem direkten Konflikt in Bezug auf die Lager- und Stillstandsfolgekosten. Um die Still-
standszeit so gering wie möglich zu halten, sind die Instandhaltungsmaßnahmen um-
gehend nach eintreten der Störung durchzuführen. Dafür sind eventuell benötigte Er-
satzteile jedoch zu bevorraten, was zu maximalen Lagerkosten führt. Auf der anderen
Seite führt ein Verzicht auf die Einlagerung von Ersatzteilen zu maximalen Stillstands-
folgekosten [HENN13, WECK06].
Präventive Strategie
Bei Anwendung der präventiven Strategie werden die Instandhaltungsmaßnahmen im
Voraus geplant und in meist regelmäßigen Intervallen wiederholt. Die Kosten für die
Durchführung der Maßnahmen steigen hierdurch, da nicht nach Bedarf gehandelt wird.
Außerdem wird das Potential der Maschinenkomponenten nicht voll ausgeschöpft. da
der Abnutzungsvorrat der ausgewechselten Teile nicht bis zur Abnutzungsgrenze ge-
nutzt wird. Dies führt zu einem Anstieg der Ersatzteilkosten, was die Kosten für die
Instandhaltung zusätzlich in die Höhe treibt. Der entscheidende Vorteil der Strategie
liegt hingegen in der Reduktion der Lager- und Stillstandsfolgekosten. Durch die ge-
naue Planung können die Lagerkosten weitestgehend minimiert werden und Folge-
kosten durch Stillstandszeiten werden im besten Fall verhindert. Die präventive Stra-
tegie geht jedoch mit einer zentralen Problematik einher. Werden die Wartungsinter-
valle zu kurz gewählt steigen die Kosten der Instandhaltung unnötig an, werden sie
hingegen zu lang gewählt kommt es vermehrt zu unvorhergesehen Störungen, auf die
nur mit der reaktiven Strategie reagiert werden kann [HENN13, WECK06].
Zustandsorientierte Strategien
Die zustandsorientierte Strategie vereint die Vorteile einer planbaren und einer be-
darfsgesteuerten Instandhaltung. Hierfür werden die Zustandsüberwachung und die
Fehlerfrühdiagnose genutzt. Nach ISO 13372 wird der Begriff Zustandsüberwachung
als das Erfassen von Daten und Informationen zur Abbildung des aktuellen Maschi-
nenzustandes definiert. Die Zustandsüberwachung erfüllt somit die gleiche Funktion
wie eine Inspektion, wird jedoch nicht nur in Intervallen, sondern auch während des
laufenden Betriebs und automatisiert durchgeführt. Dadurch ist der Istzustand der Ma-
schine quasikontinuierlich bekannt und es ist möglich anhand des verbleibenden Ab-
nutzungsvorrates eine Prognose der Restlebensdauer zu erstellen. Diese Prognose
wird fortlaufend aktualisiert. Ein solches Vorgehen das bevorstehende Fehler bereits
in der Entstehungsphase diagnostiziert, wird allgemein auch als Fehlerfrühdiagnose
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2.2 Kugelgewindetriebe
In diesem Unterkapitel näher auf die Kugelgewindetriebe eingegangen, da diese und
der in Folge von Verschleiß auftretende Verlust der Vorspannkraft zentrale Objekte
der in dieser Arbeit durchgeführten Untersuchungen sind. Dazu werden im ersten Ab-
schnitt die beiden bedeutendsten Antriebskonzepte für Vorschubsachsen in Werk-
zeugmaschinen vorgestellt und verglichen. Anschließend werden der Aufbau der Ku-
gelgewindetriebe und die Funktionsweise dieser in Abschnitt 2.5.2 näher beschrieben.
Dabei wird in dem darauffolgendem Abschnitt 2.5.3 besonders auf die verschiedenen
Arten der Vorspannungserzeugung und die Auswirkungen auf die Steifigkeit eingegan-
gen. Diese Konzepte sind für die Steigerung der Steifigkeit und somit die Qualität der
Werkzeugmaschinen von zentraler Bedeutung, führen jedoch zu höheren Verschleiß-
raten und somit zu einem schnelleren Verbrauch des Abnutzungsvorrates der Kompo-
nenten, was letztendlich die Ursache des Verlustes der Vorspannkraft ist. Deshalb
werden abschließend in den Abschnitten 2.5.4 und 2.5.5 die für den Verschleiß von
Kugelgewindetrieben relevanten Mechanismen und die verschiedenen Schadensfor-
men vorgestellt.
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Stand der Technik 12
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Stand der Technik 13
𝒉
𝒙= 𝝋 ( 2.3 )
𝟐𝝅
Daraus ergibt sich ein Vorteil der Kugelgewindetriebe, der bei Betrachtung der verrich-
teten Arbeit deutlich wird. Nach Gleichung 2.4 sind die in Folge von axialen Kräften 𝐹
auftretenden Momente 𝑀 durch die Wahl der Gewindesteigung beeinflussbar.
Dadurch lässt sich die Empfindlichkeit für Lastparameterschwankungen durch Kon-
struktive Maßnahmen positiv beeinflussen [MAIE15].
𝒉
𝑴 𝝋̇ = 𝑭 𝒙̇ → 𝑴 = 𝑭 ( 2.4 )
𝟐𝝅
Über den beschriebenen Zusammenhang ist es grundsätzlich möglich die axiale Lage
mithilfe des antriebsinternen Drehgebers zu berechnen. Auf Grund der hohen Anfor-
derungen an die Genauigkeit verfügen Kugelgewindetriebe jedoch, wie in Bild 2.3 dar-
gestellt, über ein zweites direktes Messsystem.
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Nur mithilfe des direkten Messsystems ist es möglich die Position des Maschinenti-
sches ausreichend genau zu bestimmen, da es vor allem zwischen Antriebsmotor und
Gewindemutter zu signifikanten Verformungen kommt. Diese Verformungen entstehen
unteranderem durch die Torsion der Spindel oder einer Erwärmung dieser. Vor allem
bei hoher Dynamik sind diese Effekte bedeutend. Des Weiteren werden Verformungen
durch Dehnung beziehungsweise Stauchung der Spindel infolge von axialen Kräften
erzeugt. Bei ausschließlicher Verwendung eines Drehgebers führen solche Verfor-
mungen daher zu einer schlechteren Positioniergenauigkeit des Kugelgewindetriebs.
Das zentrale Element der Kugelgewindetriebe ist die Mutter. Sie wird entweder als
Einzel- oder als Doppelmutter ausgeführt. Die Teilung der Mutter in zwei Elemente
wird dabei zur möglichen Erzeugung der Vorspannung genutzt, weshalb in Abschnitt
2.5.3 und Bild 2.6 weiter auf diese Gestaltung eingegangen wird. Allgemein gibt es
zwei Verschiedene konstruktive Ausführungen von Gewindemuttern mit unterschiedli-
chen Rückführsystemen für die Wälzkörper. Wie in Bild 2.4 dargestellt kann diese
Rückführung entweder extern oder intern erfolgen. Bei der externen Variante werde
die Wälzkörper von einem Ende der Mutter über einen Rückführkanal zum anderen
Ende zurückgeführt. Dadurch wird nur ein Kanal für die Rückführung benötigt, der je-
doch mit der Bewegungsrichtung der tragenden Wälzkörper über Kreuz liegt. Dies führt
zu einem höheren Platzbedarf in radialer Richtung der Spindel. Bei der internen Vari-
ante werden die Wälzkörper hingegen nach einem Umlauf durch ein im Inneren lie-
gendes Umlenkstück in den vorherigen Gang der Mutter zurückgeführt. Die Wälzkör-
per treten dabei allerdings weniger tangential in den Gewindegang ein als bei der ex-
ternen Rückführung. Deshalb ist der Lauf bei einer internen Rückführung im Allgemei-
nen weniger gleichmäßig und die maximale Drehzahl der Spindel geringer. Darüber
hinaus wirkt sich der ungünstige Ein- und Austrittswinkel negativ auf die Geräuschent-
wicklung aus. Außerdem ist die Steifigkeit bei gleicher Länge der Mutter geringer als
bei der externen Rückführung [MAIE15, WECK06].
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sowohl in Doppelmuttern (Bild 2.6 oben) als auch in Einzelmutter (Bild 2.6 unten
rechts) anwendbar. Es wird jedoch vorwiegen in Doppelmuttern eingesetzt und ist der
Grund für deren geteilte Ausführung. Durch einen veränderten Abstand zwischen den
Gewindegängen der Mutter wird ein verringerter diagonaler Abstand zwischen den ge-
genüberliegenden Flanken der Gewindegänge von Mutter und Spindel erzeugt. Durch
diesen verringerten Abstand werden die Wälzkörper an die Flanken angepresst und
miteinander verspannt. Hierbei ergeben sich zwei verschiedenen Möglichkeiten, die
am Beispiel der Doppelmutter erläutert werden. In Doppelmuttern wird durch die dar-
gestellte Distanzscheibe, die für die definierte Erzeugung der Vorspannung einge-
bracht wird, entweder ein Maß über oder unter dem Abstand zwischen zwei Gewinde-
gängen erzeugt. Bei einem größeren Abstand wird die Mutter auf Druck beansprucht
und die Spindel auf Zug und es stellt sich die in Bild 2.6 oben links dargestellte O-
Vorspannung ein. Bei einem geringeren Abstand wird hingegen die Spindel auf Druck
beansprucht und die Mutter auf Zug und es kommt zur X-Vorspannung (Bild 2.6 oben
rechts). Ein wesentlicher Unterschied zwischen den Varianten besteht hinsichtlich der
Auswirkung einer thermischen Ausdehnung der Gewindespindel auf die Vorspannung.
Kommt es durch die auftretende Reibung zu einer Erwärmung und Ausdehnung der
Spindel, steigt bei der X-Anordnung die Vorspannkraft, während diese bei der O-An-
ordnung sinkt [WECK06].
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Stand der Technik 17
Eine weitere Möglichkeit, die in den meisten Einzelmuttern zur Erzeugung einer Vor-
spannung genutzt wird, ist die Verwendung gotischer Spitzbogenprofile als Gewinde-
form in Kombination mit der richtigen Wahl der Kugeldurchmesser. Hierbei entsteht ein
Vierpunktkontakt zwischen Kugeln, Mutter und Spindel. Da eine Einstellung der Vor-
spannung in diesem Fall nicht über die Kalibrierung der Distanzscheiben möglich ist,
wird die gewünschte Vorspannung durch die Wahl des Kugeldurchmessers eingestellt.
Die Vorteile dieses Konzepts liegen in einer höheren Laufruhe und einer besseren
Konstanz der Steifigkeit, gehen allerdings mit einer höheren Leerlaufreibung einher
[MAIE15, WECK06].
Abrasion
Die Abrasion ist als Mikrozerspanung aufzufassen, bei der durch einen härteren Reib-
partner oder einen härteren Fremdkörper Material abgetragen wird. Folglich besteht
bei diesem Verschleißmechanismus ein direkter Kontakt und eine Relativbewegung
zwischen den Reibpartnern. Diese Bedingungen sind in der Praxis durch das nicht
ideale Abrollen der Wälzkörper und die infolgedessen auftretenden Gleitbewegungen
gegeben. Dabei entstehenden Schädigungen, welche bei regellosen Bewegungen als
Kratzer und bei drehenden Bewegungen als Laufrillen in der Oberfläche des weicheren
Reibpartners auftreten [IMIE06].
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Stand der Technik 18
Adhäsion
Die Adhäsion ist auf Bindungskräften, die sich während der Berührung der Reibpartner
ausbilden, zurückzuführen. Bei der anschließenden Trennung kommt es infolge dieser
Kräfte zu einem Herausreißen von Material aus der Oberfläche, da die Kraft der Ad-
häsion, die der materialinternen Kohäsion übersteigt. Wie bei der Abrasion besteht ein
direkter Kontakt der Reibpartner, bei dem sich die verschiedenen physikalischen Bin-
dungseffekte ausbilden können. Eine tangentiale Relativbewegung ist hingegen nicht
notwendig. Die Anziehungskraft variiert dabei stark in Abhängigkeit vom sich ausbil-
denden Effekt. Die für die Abrasion bedeutendsten Bindungseffekte sind nach aufstei-
gender Effektstärke das mechanische Verhaken, Diffusion, Van-der-Waals-Kräfte und
die metallische Bindung. Charakteristisch für die allgemein als Fressen bezeichnete
Schädigung sind die großflächigen Abschälungen der Oberfläche [IMIE06].
Ermüdung
Die Ursache der Ermüdung ist eine wechselnde Belastung des Materials. Diese wird
durch das wiederholte Überrollen der Oberfläche durch die umlaufende Wälzkörper
erzeugt. Dabei bilden sich in den beanspruchten Bereichen materialinterne Mikrorisse,
welche stetig wachsen und zu nicht zusammenhängenden Ausbrüchen aus der Ober-
fläche führen. Im Gegensatz zu den beiden vorherigen Mechanismen treten die Folgen
der Ermüdung erst nach einer langen Phase ohne Schädigung auf. Nach Beginn die-
ser Verschleißform schreitet diese jedoch schnell voran. Das dabei entstehende Scha-
densbild wird allgemein als Pitting bezeichnet [IMIE06].
Für technische Bauteile ist es üblich die Gesamtlebensdauer in Abhängigkeit der vor-
wiegend auftretenden Schadensformen in drei Phasen zu unterteilen. Dabei wird die
Ausfallrate λ über die Lebenszeit t aufgetragen. Hierdurch ergibt sich der in Bild 2.7
qualitativ dargestellte Verlauf einer „Badewannenkurve“. Charakteristisch für den Ver-
lauf ist dabei das Verhalten der Früh- und Spätausfälle, welche den Zeitpunkt des
Übergangs von einer Phase in die nächste bestimmen.
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Stand der Technik 19
Im Zuge der von Haberkern durchgeführten Untersuchungen der Ursachen und der
Entstehungsmechanismen des Verschleißes werden die in Kugelgewindetrieben auf-
tretenden Schadensfälle in drei Kategorien eingeordnet [HABE98]. Er beschreibt in
seiner Arbeit den „plötzlichen Frühausfall“, den „langsamen Vorspannungsverlust“ und
den „langsamen Spätausfall“. Diese drei Schadensfälle treten auch bei korrekter Mon-
tage und ausreichender Schmierung in einem System, welches vor dem Eindringen
von Fremdkörpern geschützt ist, auf. Sie charakterisieren daher die Schadensform,
die in den jeweiligen Phasen überwiegend auftreten.
Der plötzlicher Frühschaden
Bereits nach kurzer Zeit tritt eine Laufunruhe auf, deren Intensität schnell zunimmt. Bei
einem weiteren Betrieb kommt es nach kurzer Zeit zu einem Verklemmen und zur Zer-
störung der Bauteile. Der Schaden beginnt in den Umlenkstücken und breitet sich auf
die Wälzkörper und die Oberflächen von Spindel und Mutter aus. Begünstigt wird diese
Schadensform durch eine hohe Gewindesteigung, hohe Drehzahlen und das Eindrin-
gen von Fremdkörpern [HABE98].
Der langsamer Vorspannungsverlust
Im Verlauf des normalen Betriebes erfolgt eine Abläppung der Wälzkörper. Dadurch
nimmt der Wälzkörperdurchmesser mit der Zeit um einige μm ab, was zu einem Verlust
der Vorspannkraft führt. Folglich sinkt die Steifigkeit und es bildet sich eine deutliche
Hysterese im Steifigkeitsverlauf aus (vgl. Bild 2.5). Grundsätzlich stellt der langsame
Vorspannungsverlust keinen Totalschaden dar, da die mechanische Funktion des Ku-
gelgewindetriebs weiterhin gegeben ist. Durch die veränderten Maschineneigenschaf-
ten stimmen jedoch die Regelungsparameter nicht länger. Hierdurch steigt die Ratter-
neigung und die Form- und Maßtoleranzen sowie die Oberflächengüte bereits lange
vor dem mechanischen Versagen nicht mehr eingehalten werden können. Für den
Maschinenanwender kommt dies einem Totalschaden gleich. Der Zeitpunkt, an dem
die Vorspannung nicht mehr ausreicht, ist aufgrund der vorher unbekannten Betriebs-
bedingungen a priori unbekannt und führt deshalb zu einem ungeplanten Austausch
des Kugelgewindetriebes und zu hohen Stillstandsfolgekosten [HABE98].
Der langsame Spätschaden
Nach einer langen unauffälligen Betriebsphase, welche die errechnete Lebensdauer
übersteigt, entsteht eine langsam zunehmende Laufunruhe. Nach einer längeren Fort-
setzung des Betriebs folgt schließlich ein Verklemmen, welches zur Zerstörung der
Bauteile führt. Der Ursprung des langsamen Spätschadens liegt in der Ermüdung der
Laufbahnen und Wälzkörper und ist durch die Bildung von kleinen Grübchen (Pittings)
in den beanspruchten Oberflächen gekennzeichnet. In der Praxis tritt diese Schadens-
form aufgrund der meist nicht optimalen Betriebsbedingungen jedoch nicht oder nur
sehr selten auf. Daher ist der langsame Vorspannungsverlust der Schadensfall, der
die maximal erreichte Lebensdauer begrenzt [HABE98].
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2.3 Zustandsüberwachung
Durch die Überwachung des Maschinenzustandes ist das Potential einer hohen Zu-
verlässigkeit, Verfügbarkeit und Sicherheit gegeben. Dafür ist zunächst die genaue
Bestimmung des Systemzustandes notwendig. Aus diesem Grund werden Überwa-
chungssystem entweder intermittierend oder kontinuierlich bestimmte Kenngrößen er-
fasst und ausgewertet. Anhand dieser Daten wird der aktuelle Zustand der Maschine
ermittelt. Durch einen Vergleich von Ist- und Soll-Zustand wird der verbleibende Ab-
nutzungsvorrat bestimmt, eine Prognose der Restlebensdauer erstellt und der voraus-
sichtliche Ausfallzeitpunkt berechnet. Diese Informationen sind für die gezielte Durch-
führung von zustandsorientierten Wartungs- und Instandhaltungsmaßnahmen uner-
lässlich [HIRS06].
Nach Bertram ist die Vorgehensweise bei einer Zustandsüberwachung in vier überge-
ordnete Phasen gegliedert. Am Anfang erfolgt die Signalerfassung deren Ziel es ist mit
Sensorik aussagekräftige Signale aufzuzeichnen. Im Anschluss erfolgt die Signalvor-
verarbeitung, die die allgemeine Signalqualität verbessert und den Einfluss von Stör-
größen verringert. Darauf folgt die eigentliche Signalverarbeitung, die durch eine Merk-
malsextraktion und -selektion die Grundlage für die Auswertung der Signale legt. Die
Auswertung erfolgt anschließend entweder durch direkte Verfahren, Modelle oder klas-
sifizierend [BERT12]. Da die vorliegende Arbeit die Bestimmung von Vorspannungs-
klassen zum Ziel hat, wird im letzten Abschnitt dieses Kapitels nur auf die klassifizie-
rende Form der Auswertung explizit eingegangen. In Anlehnung an Bertram und Weck
ergibt sich die in Bild 2.8 dargestellte Übersicht für das Vorgehen bei einer Zustands-
überwachung von Kugelgewindetrieben.
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2.3.1 Signalerfassung
Bei der Signalerfassung werden die Messgrößen durch die verwendete Sensorik er-
fasst und aufgezeichnet. Dabei wird grundlegend zwischen steuerungsinterner und
steuerungsexterner Sensorik unterschieden. Die steuerungsinterne Sensorik ist not-
wendig für den Betrieb der Antriebsachse und ist daher standardmäßig implementiert.
Steuerungsexterne Sensorik wird darüber hinaus möglichst direkt an den Wirkstellen
angebracht, wenn eine bessere Signalqualität oder eine höhere Sensitivität zur Be-
stimmung des Maschinenzustandes benötigt wird [BERT12].
Positionssignal und Geschwindigkeitssignal
Für die Ermittlung der Position und Geschwindigkeit werden in Werkzeugmaschinen
bei hohen Anforderungen an die Genauigkeit immer indirekte und direkte Systeme
gleichzeitig eingesetzt. Der im Motor integrierte Drehgeber misst die Winkelstellung
und Drehrate. Dadurch wird mithilfe einer Referenzmarke und durch Abzählen der Um-
drehungen bei bekannter Gewindesteigung die Position des Schlittens und seine Ge-
schwindigkeit indirekt bestimmt. Diese Methode berücksichtigt jedoch Temperaturdeh-
nungen, eine Torsion der Spindel sowie Verformungen von Mutter oder Schlitten nicht.
Bei Anforderungen im µm-Bereich ist diese Methode daher für die Ermittlung der
Schlittenposition und -geschwindigkeit nicht ausreichend. Deshalb wird oft ein zweites
direktes Messsystem an der Wirkstelle implementiert. Dafür wird durch einen parallel
zur Achse angebracht Linearmaßstab und einen meist am Schlitten befestigten Auf-
nehmer ein direktes Signal ermittelt.
Stromsignal und Drehmoment
Zur Regelung des Antriebs wird der Ist-Strom 𝐼 intern erfasst. Dieses Stromsignal wird
darüber hinaus zur Bestimmung des Drehmoments verwendet. Dazu wird nach Glei-
chung 2.5 eine Umrechnung mit einer vom Antriebshersteller angegebenen Strom-
Motor-Konstanten 𝑘 durchgeführt. Diese Berechnung ist jedoch fehlerbehaftet und
weicht vor allem bei niedrigen und hohe Motorströmen vom tatsächlichen Drehmoment
ab, da Reib- und Sättigungseffekte nicht berücksichtigt werden [IMIE06].
𝑴= 𝑰𝒌 ( 2.5 )
Die Regelung erfolgt dabei durch einen sogenannten Kaskadenregler, welcher durch
die Rückführung der Ist-Werte von Strom, Drehzahl und Position drei ineinander ge-
schachtelte Schleifen schließt (s. Bild 2.9). Die von der Sensorik erfassten Ist-Werte
werden mit den von der Maschinensteuerung berechneten Soll-Werten verglichen und
es werden die sogenannten Regeldifferenzen als Eingangsgrößen für die Regler ge-
bildet. Die aus der Ist- und Sollposition gebildete Differenz wird allgemein auch als
Schleppfehler bezeichnet und ist ein Maß für die Regelgüte. Gute Regelkreise zeich-
nen sich durch einen geringen Schleppfehler und eine hohe Konturgenauigkeit aus
[WECK06].
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Kraftsensoren
Dehnmessstreifen werden zur Messung von Materialdehnungen auf der Oberfläche
von Körpern aufgebracht. Dadurch erfahren sie bei einer Belastung des Körpers die
gleiche Verformung wie der Körper, wodurch der Dehnmessstreifen eine Querschnitt-
sänderung erfährt. Dies führt zu einer Widerstandsänderung des Dehnmessstreifen,
die elektrisch messbar ist. Da die Dehnung metallischer Körper im elastischen Bereich
proportional zur Belastungskraft ist, ist es möglich, bei bekannter Körpergeometrie und
bekanntem E-Modul, die einwirkende Kraft zu berechnen. Alternativ ist bei bekannter
Kraft eine Kalibrierung möglich. Die Änderung des Widerstandes ist für kleine Werte
in guter Näherung linear zur Dehnung des Körpers. Ein weiterer Vorteil ist die ver-
gleichsweise einfache Kompensation von Wärmeeinflüssen durch einen zweiten als
passiv bezeichneten Streifen, welcher quer zur Kraftrichtung angebracht wird. In Kom-
bination mit einer Brückenschaltung werden dadurch sowohl Dehnungen als auch Wi-
derstandsänderungen durch Temperaturänderungen kompensiert. Ein wesentlicher
Nachteil dieser Sensoren stellt jedoch ihre niedrige Empfindlichkeit dar. Um ein aus-
sagekräftiges Signal zu erhalten, welches sich deutlich vom Störrauschen abhebt,
muss es zu einer ausreichenden Dehnung vorliegen, was bei den sehr steifen Maschi-
nenstrukturen im Werkzeugmaschinenbau selten gegeben ist. Deshalb müssen in der
Regel sogenannte Dehntransformatoren eingebracht werden. Dies sind konstruktive
Elemente, welche in die Struktur eingebracht werden und sich im Falle einer Belastung
bewusst deutlich stärker Verformen. Sollte dies nicht möglich sein, muss auf einen
anderen Sensortyp mit einem anderen physikalischen Prinzip ausgewichen werden
[WECK06].
Piezoelektrische Kraftsensoren nutzen den piezoelektrischen Effekt, der in einem Ma-
terial eine Ladungsverschiebung unter mechanischer Belastung erzeugt. Neben der
bereits erwähnten Nutzung zur Beschleunigungsmessung durch die Ausnutzung einer
seismischen Masse und deren Trägheit, lassen sich mit diesen Sensoren auch Bau-
teilbelastungen messen. Dazu werden die Kraftsensoren an der Oberfläche der Ma-
schinenstruktur angebracht. Dies kann beispielsweise durch Anschrauben eines Deh-
nungsmessaufnehmers geschehen. Die Dehnungen werden dann auf ein schubemp-
findliches, piezoelektrisches Kraftelement übertragen. Dieses sitzt zwischen der unbe-
lasteten Struktur des Messaufnehmers und der belasteten Bauteilstruktur und wird
durch die Relativbewegung zwischen den Teilen auf Schub beansprucht. Einer der
wichtigsten Werkstoffe, welcher in piezoelektrischen Kraftsensoren zum Einsatz
kommt, ist Quarz (Siliziumdioxid). Sensoren auf Quarzbasis weisen einen großen
Messbereich auf und können bis zu einer Temperatur von 400°C eingesetzt werden.
Sie sind dazu geeignet sehr kleine Dehnungen mit ε-Werten im Nanobereich zu mes-
sen. Die dabei entstehenden Ladungen sind jedoch oft sehr klein und betragen teil-
weise nur Picocoulomb. Daher sind die Sensoren sehr störungsempfindlich und es
muss bei der Signalaufnahme ein größerer Aufwand zur Verstärkung des Signals und
zur Reduktion von Störeinflüssen betrieben werden [WECK06].
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2.3.2 Signalvorverarbeitung
Allgemein gilt, dass der Maschinenzustand nicht direkt messbar ist und nur indirekt
über die Veränderungen bestimmter Zustandsgrößen ermittelt werden kann. Dazu
werden physikalische Größen, wie die auftretenden Kräfte, Beschleunigungen oder
Schwingungen mithilfe der im vorherigen Abschnitt vorgestellten Sensoren erfasst und
die zeitlichen Veränderungen ihrer Signale ausgewertet. Vor der Auswertung werden
die Signale jedoch in der Regel aufbereitet. Dies ist vor allem dann notwendig, wenn
durch die Einflüsse störender Signalquellen das Nutzsignal von einem deutlichen
Rauschsignal überlagert wird. In einem solchen Fall ist ohne entsprechende Aufberei-
tung keine sichere Aussage über den aktuellen Maschinenzustand möglich. Das Ziel
der Signalvorverarbeitung ist daher, die Signalanteile der Störgrößen herauszufiltern
und die für die Überwachung interessanten Signalanteile zu extrahieren [WECK06].
Filter
In Abhängigkeit des ausgewählten Sensortyps und des konkreten Anwendungsfalls
werden Tief-, Hoch- und Bandpassfilter eingesetzt, um Störeinflüsse zu reduzieren und
aussagekräftige Frequenzbänder zu selektieren. Durch die gezielte Auswahl des Über-
tragungsbereichs wird sichergestellt, dass alle Signalanteile mit uninteressanter Fre-
quenz aus dem Signal entfernt werden. Dies reduziert den Informationsgehalt des Sig-
nals und ist für die anschließende A/D-Wandlung von großer Bedeutung. Die A/D-
Wandlung ist notwendig, da die weitere Verarbeitung des Signals und der im Signal
enthaltenen Informationen digital durchgeführt wird. Sie erfolgt durch Abtasten in äqui-
distanten Zeitschritten durch ein Abtasthalteglied. Dieses ermittelt für jeden Zeitpunkt
einen diskreten Wert, wodurch ein zeit- und wert-diskretes Signal erzeugt wird. Bei
diesem Vorgang ist allerdings auf die Einhaltung des Abtasttheorems von Shannon zu
achten. Dieses besagt, dass die maximale im Signal vorkommende Frequenz 𝑓𝑚𝑎𝑥
kleiner als die halbe Abtastfrequenz 𝑓𝑎 sein muss (vgl. Gleichung 2.6). Andernfalls ist
eine Verfälschung der im Signal enthaltenen Frequenzen durch Aliasing möglich. Dies
kann jedoch durch den Einsatz eines analogen Tiefpassfilter und die Abstimmung von
Eck- und Abtastfrequenz verhindert werden [WECK06].
𝟏
𝒇𝒎𝒂𝒙 < 𝒇 ( 2.6 )
𝟐 𝒂
Eine weitere Problematik, deren Lösung sich im Zuge der Vorverarbeitung anbietet
allerdings auch später noch möglich ist, entsteht bei der Verwendung heterogener Sig-
nale. Durch die unterschiedlichen Einheiten der erfassten Größen sollten die Daten
zunächst standardisiert werden. Andernfalls ist kein aussagekräftiger Vergleich zwi-
schen Signalen verschiedener Skalen möglich. Aus diesem Grund werden mit dem Z-
Score und der MINMAX-Methode im Folgendem zwei einfache Standardisierungsme-
thoden vorgestellt. Außerdem sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die Sig-
nalvorverarbeitung besonders für die Klassifikation von größerer Bedeutung ist. Durch
das Herausfiltern von Störeinflüssen und eine Glättung der Signale ist es möglich die
Genauigkeit der Klassifikation entscheidend zu beeinflussen [HELW18].
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Z-Score
Der Z-Score verschiebt die aufgenommenen Messwerte und skaliert sie anhand der
Standardabweichung. Dazu wird zunächst der Mittelwert 𝑥̅ 𝑖 der i-ten Messreihe gebil-
det und von jedem der j Messwerte 𝑥𝑖,𝑗 der Messreihe subtrahiert. Die erhaltene Diffe-
renz wird anschließen ins Verhältnis zur Standardabweichung 𝜎𝑖 der Messreihe ge-
setzt, wodurch die Skalierung angepasst wird [HELW18].
̅𝒊
𝒙𝒊,𝒋 − 𝒙
̃𝒛|𝒊,𝒋 =
𝒙 ( 2.7 )
𝝈𝒊
MINMAX
Eine weitere weit verbreitete Methode ist die Minimum-Maximum-Skalierung. Diese
bildet alle Messwerte auf einer Skala von 0 bis 1 ab, wobei der kleinste gemessene
Wert den Nullpunkt der Skala definiert und der größte gemessene Wert die 1. Durch
diese Definition verhält sich die MINMAX-Methode allerdings sehr empfindlich auf ein-
zelne starke Ausreißer innerhalb einer Messreihe [HELW18].
𝒙𝒊,𝒋 − 𝒙𝒎𝒊𝒏|𝒊
̃𝒎𝒊𝒏𝒎𝒂𝒙|𝒊,𝒋 =
𝒙 ( 2.8 )
𝒙𝒎𝒂𝒙|𝒊 − 𝒙𝒎𝒊𝒏|𝒊
2.3.3 Signalverarbeitung
Das vorverarbeitete Signal enthält Muster und Merkmale, welche im Zuge der Verar-
beitung ermittelt und anschließend genauer analysiert werden. Ziel ist es, eine mög-
lichst geringe Anzahl an robusten Merkmalen zu identifizieren, mit denen der Zustand
der Maschine zuverlässig beschrieben werden kann [HELW18].
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Das Vorgehen während der Signalverarbeitung wird, wie in Bild 2.11 dargestellt, in drei
Abschnitte unterteilt. Dabei steht am Ende jedes Abschnittes jeweils ein Zwischener-
gebnis, welches die Grundlage für den darauffolgenden Schritt bildet. Dabei werden
über die gesamte Verarbeitung hinweg die im Signal enthaltenen Informationen konti-
nuierlich verdichtet, sodass die Datenmenge auf einen Bruchteil ihrer ursprünglichen
Größe reduziert wird. Die drei Abschnitte der Merkmalsextraktion, Merkmalsselektion
und Dimensionsreduktion, sowie häufig herangezogene Merkmale und oft verwendete
Methoden werden im Folgendem näher vorgestellt.
Merkmalsextraktion
Ausgehend vom vorverarbeiteten Signal hat die Merkmalsextraktion die Erstellung ei-
ner Auswahl aus möglicherweise relevanten Merkmalen zum Ziel. Dazu wird das Sig-
nal durch verschiedene Verfahren entweder manuell oder (teil-)automatisiert weiter
aufbereitet und analysiert. Die manuellen Verfahren greifen vor allem auf vorhandenes
Expertenwissen für eine erste händischen Analyse der Rohdaten oder wesentliche
Vorgaben bei der Segmentierung der Daten zurück. Im Gegensatz dazu analysieren
die automatischen Verfahren den gesamten Datensatz und führen gegebenenfalls
eine autonome Identifikation und Auswahl geeigneter und relevanter Abschnitte durch.
Grundsätzlich kann bei der Analyse zwischen einer Betrachtung im Zeit- oder Fre-
quenzbereich unterschieden werden [HELW18].
Typisch für die Signalanalyse im Zeitbereich ist die Verwendung von Merkmalen der
deskriptiven Statistik. Die im Datensatz enthaltenen Messwerte werden als Zufallsgrö-
ßen betrachtet und mittels statistischer Parameter beschrieben. Auf diese Weise wer-
den die im Signal enthaltenen Informationen anhand weniger Kennwerten dargestellt,
was zu einer Verdichtung der Informationen führt. Die Signaleigenschaften werden
dazu durch Lage-, Streuungs- und Formparameter beschrieben. Dies erlaubt eine ein-
fache und qualitative Visualisierung der wesentlichen Eigenschaften eines Signals und
erleichtert den Vergleich zwischen verschiedenen Datensätzen. Darüber hinaus wer-
den weitere Kennwerte genutzt, welche sich von genannten Parametern ableiten
[CLEF15].
Die Lageparameter beschreiben die zentrale Tendenz einer Verteilung. Ihr trivialster
Vertreter ist der Modus oder auch Modalwert. Er gibt an, welcher Wert innerhalb der
Verteilung am häufigsten vorkommt, muss jedoch nicht eindeutig sei. Ihm kommt be-
sonders im Zusammenhang mit Wahlentscheidungen eine besondere Bedeutung zu.
Für die qualitative Analyse von Signalen eignet er sich hingegen nur bedingt. Der arith-
metische Mittelwert 𝑥̅ (MEA) eignet sich hingegen weitaus besser, um ein Signal zu
beschreiben. Er ist der bekannteste Lageparameter und wird auch als Durchschnitt
bezeichnet. Liegt ein Signal wie im diskreten Fall durch eine Menge an Messwerten 𝑥𝑗
vor, wird er wie folgt berechnet:
𝒏
𝟏
̅=
𝑴𝑬𝑨 = 𝒙 ∑ 𝒙𝒋 . ( 2.9 )
𝒏
𝒋=𝟏
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𝒙𝒏+𝟏 𝒏 𝒖𝒏𝒈𝒆𝒓𝒂𝒅𝒆
𝟐
̃= { 𝟏
𝑴𝑬𝑫 = 𝒙 (2.10)
(𝒙𝒏 + 𝒙𝒏+𝟏 ) 𝒏 𝒖𝒏𝒈𝒆𝒓𝒂𝒅𝒆
𝟐 𝟐 𝟐
Zusätzlich zum Median existieren noch weitere Lageparameter die ebenfalls anhand
einer Aufteilung (Quantelung) des geordneten Datensatzes definiert sind. Diese wer-
den als Quantile oder auch Perzentile bezeichnet. Definiert wird dabei das p-Prozent-
Quantil als der Wert, bei dem p Prozent der Messwerte kleiner oder gleich dem Grenz-
wert und (1-p) Prozent der Messwerte größer oder gleich dem Grenzwert sind. Mit
dieser Definition wird ersichtlich, dass der Median (p=0,5) nur ein Spezialfall einer
Klasse von Lageparametern ist. Neben dem Median 𝑥05 haben in der Praxis vor allem
das 25-Prozent-Quantile 𝑥025 und das 75-Prozent-Quantile 𝑥075 eine besondere Be-
deutung erreicht, sie werden oft zur Erstellung von Boxplots herangezogen und helfen
einen ersten Überblick über die Form der Verteilung zu erhalten [CLEF15].
Boxplots sind eine graphische Darstellung unterschiedlicher Lageparameter. Wie in
Bild 2.12 zu sehen ist, besteht ein Boxplot aus der namensgebenden Box und zwei
Antennen. Die Ränder der Box werden dabei durch das 25- und das 75-Prozent-Quan-
tile festgelegt und schließen demnach die zentralen 50 Prozent der Messwerte ein.
Der Abstand zwischen der Ober- und Untergrenze der Box ist der Interquartilsabstand.
Zusätzlich dazu wird durch eine Linie innerhalb der Box die Lage des Medians mar-
kiert, sodass ein erster Eindruck zur Symmetrie der Verteilung innerhalb der zentralen
50 Prozent gegeben wird. Die Antennen, welche zu beiden Seiten aus der Box her-
ausragen und auch als Whisker bezeichnet werden, reichen bis zu den Extremwerten
𝑥𝑚𝑖𝑛 und 𝑥𝑚𝑎𝑥 , wobei potenzielle Ausreißer unberücksichtigt bleiben. Als potenzielle
Ausreißer werde alle Messwerte angesehen, die weiter als das 1,5-fache des Inter-
quartilsabstandes vom unteren Quantile nach unten oder vom oberen Quantile nach
oben entfernt sind.
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Stand der Technik 29
Die Lage der Ausreißer wird jedoch ebenfalls eingetragen und entsprechend gekenn-
zeichnet. Durch die gleichzeitige Betrachtung der Lage des Medians innerhalb der Box
und der Längen der beiden Whisker kann die allgemeine Symmetrie der Verteilung
beurteilt werden. Liegt der Median beispielsweise mittig in der Box und sind beide
Whisker in etwa gleich lang so weist die Verteilung eine hohe Symmetrie auf. Ist der
Median hingegen stark zu einer Seite verschoben und ist der Whisker dieser Seite
gleichzeitig deutlich kürzer als der gegenüberliegende wird eine Verteilung als links-
beziehungsweise rechtssteilen bezeichnet. Mithilfe der Boxplots ist es ebenfalls mög-
lich einen ersten Eindruck von der Streuung zu erlangen. Ein geringer Interquartilsab-
stand spricht beispielsweise für einen stark ausgeprägten Peak, während lange Whis-
ker für eine große Streuung im Randbereich sprechen [CLEF15].
Um die Streuung über die Darstellung durch Boxplots hinaus zu beschreiben, wurden
in der deskriptiven Statistik eigene Streuungsparameter definiert. Diese beschreiben
die Streuung durch konkrete Zahlen, wobei mit dem Interquartilsabstands (IQR) nach
Gleichung 2.11 bereits ein erster dieser Parameter vorgestellt wurde.
Der einfachste Parameter ist der Abstand zwischen dem Minimal- und Maximalwert.
Dieser wird als Spannweite (R) bezeichnet und stützt sich einzig auf die Extremwerte
(vgl. Gleichung 2.12), weshalb er besonders anfällig gegenüber Ausreißern ist.
Damit nicht nur die Extremwerte, sondern alle Messwerte bei der Berechnung der
Streuung berücksichtigt werden, wird die mittlere absolute Abweichung vom Median
(MAD) nach Gleichung 2.13 berechnet. Dazu wird für jeden Messwert die betragsmä-
ßige Differenz zum Median gebildet und über die Menge der Differenzen gemittelt.
Dieser Parameter ist im Vergleich zur Spannweite wesentlich aussagekräftiger für die
generelle Streuung, spielt im Vergleich zu den folgenden Parametern in der Praxis
jedoch ebenfalls eine untergeordnete Rolle [CLEF15].
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𝒏
𝟏
𝑴𝑨𝑫 = ̃|
∑ |𝒙𝒋 − 𝒙 (2.13)
𝒏
𝒋=𝟏
Der bedeutendste Streuungsparameter ist die Varianz σ². Diese ist besonders für die
empirische Forschung von großer Bedeutung und beschreibt, wie Gleichung 2.14
zeigt, das mittlere Quadrat der Abweichung vom Mittelwert.
𝒏
𝟏
𝑽𝑨𝑹 = 𝝈𝟐 = ̅ )𝟐
∑( 𝒙𝒋 − 𝒙 (2.14)
𝒏
𝒋=𝟏
Um neben der Symmetrie auch die Wölbung des Verlaufs durch einen Parameter be-
schreiben zu können, wird die Kurtosis genutzt. Diese entspricht dem in Gleichung
2.16 angegebenem vierten zentralen Moment.
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𝒏
𝟏 ̅ 𝟒
𝒙𝒋 − 𝒙
𝑲𝑹𝑻 = ∑( ) (2.16)
𝒏 𝝈
𝒋=𝟏
Wie in Bild 2.13 zu sehen ist, entspricht ein Kurtosiswert von drei der Wölbung der
Normalverteilung. Werte größer drei führen zu einem spitzen Peak bei gleichzeitig stär-
ker besetzten Rändern und Werte kleiner drei zu einem flachen Profil mit einem star-
ken Abfall an den Rändern [CLEF15].
Ein weiterer häufig betrachteter Parameter ist der Energiegehalt eines Signals. Er ent-
spricht dem Effektivwert (engl. Root Mean Square kurz RMS) der Messwerte 𝑥𝑗 :
𝒏
𝟏
𝑹𝑴𝑺 = √ ∑ 𝒙𝒋 𝟐 . (2.17)
𝒏
𝒋=𝟏
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Stand der Technik 32
Diese charakteristischen Frequenzen stehen häufig für die Eigenfrequenzen des be-
trachteten Systems. Daher ist es möglich anhand von Verschiebungen dieser und Ver-
änderungen der Schwingungsamplituden auf die Vorspannungskraft und deren zeitli-
che Veränderung zu schließen. Hierfür wird die sogenannte Frequenzbandsumme ge-
bildet, welche die Werte innerhalb eines vorgegebenen Frequenzbandes aufsummiert.
In der Praxis werden jedoch häufig komplexere Wavelet-Funktionen für die Überfüh-
rung in den Frequenzbereich verwendet. Diese können sowohl zeit- als auch frequenz-
lokalisierte Ereignisse detektieren [HELW18].
Merkmalsselektion
Die Merkmalsselektion hat die Bildung eines aussagekräftigen Merkmalsvektors aus
der zusammengestellten Auswahl an potenziellen Merkmalen zur Aufgabe. Dazu wer-
den zunächst die Merkmale hinsichtlich ihrer Eignung zur Separierung und Klassifizie-
rung der Zustände bewertet und miteinander verglichen. Die Anzahl der dabei selek-
tierten Merkmale bestimmt die Dimension des gebildeten Merkmalsvektors und sollte
geeignet gewählt werden. Wird eine zu geringen Anzahl an Merkmalen gewählt kommt
es zum sogenannten Underfitting. In diesem Fall reichen die ausgewählten Merkmale
nicht aus, um den Zustand zu beschreiben. Die Dimension des Vektors ist kleiner als
die Anzahl der relevanten Freiheitsgrade im zu beschreibenden System. Einige Zu-
stände können folglich nicht oder nicht ausreichend genug dargestellt werden,
wodurch letztendlich die Rate der erfolgreichen Klassifikationen sinkt. Ein weiteres und
ebenso problematisches Verhalten tritt bei einer zu groß gewählten Anzahl an Merk-
malen auf und wird Overfitting bezeichnet. In diesem Fall übersteigt die Dimension des
Merkmalsvektors die Anzahl der Freiheitsgrade des Systems, wodurch mehr beschrie-
ben wird als notwendig ist. Es kommt zu einer Überanpassung an die zum Training
verwendeten Daten, da beispielsweise zufällige Messfehler verstärkt mit einbezogen
werden. Dies hat zur Folge, dass die Klassifikationsrate zwar bei einer Anwendung auf
die Trainingsdaten sehr hohe Werte erreicht, die Generalisierbarkeit jedoch sinkt.
Dadurch kommt es zu einer sinkenden Klassifikationsrate bei allen Datensätzen, wel-
che nicht zum Training verwendet wurden. Dies ist in der späteren Anwendung der
Fall und folglich zu vermeiden [HELW18].
Diese Problematik des Underfittings oder Overfittings wird auch als Bias-Varianz-Di-
lemma bezeichnet. Es besagt, dass eine Reduktion der Varianz zu einer Erhöhung
des Bias führt und umgekehrt. Sowohl Bias als auch Varianz sind jedoch mögliche
Fehlerquellen, wodurch sich ein Optimierungsproblem ergibt, bei dem zwischen Bias
und Underfitting auf der einen Seite und Varianz und Overfitting auf der anderen Seite
abgewogen werden muss. Zur Veranschaulichung des Problems wird, wie in Bild 2.14
dargestellt, der mittlere quadratische Fehler 𝑒𝑀𝑆𝐸 (mean squared error) über die Di-
mension des Merkmalsvektors aufgetragen [ORTM19].
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Stand der Technik 34
untersuchten Modells. Dazu wird das globale Gütemaß um einen Term, der die ent-
sprechenden Parameter enthält, erweitert.
∑𝑮𝒈=𝟏 𝑵𝒈 (𝒙 ̅)𝟐⁄ (𝑮 − 𝟏)
̅𝒈 − 𝒙
𝑭𝒔𝒕𝒂𝒕 = 𝑵 (2.19)
𝒈
∑𝑮𝒈=𝟏 ∑𝒏=𝟏 ̅𝒈 )𝟐 ⁄(𝑮(𝑵𝒈 − 𝟏)
(𝒙𝒈,𝒏 − 𝒙
Hierbei steht 𝑥̅𝑔 für den Mittelwert der Merkmale einer Gruppe g, 𝑥̅ für den Mittelwert
über alle Gruppen und 𝑥𝑔,𝑛 für den n-ten Merkmalswert der Gruppe g, während G die
Anzahl der Gruppen repräsentiert und 𝑁𝑔 den Stichprobenumfang der Merkmale einer
Gruppe. Der Wert der F-Statistik 𝐹𝑠𝑡𝑎𝑡 wird dabei größer je deutlicher sich die Merk-
malswerte einer Gruppe von denen der anderen Gruppen unterscheiden und je kleiner
die Streuung innerhalb der Gruppe ist. Um eine Aussage über die statistische Signifi-
kanz zu treffen, wird mit Hilfe der F-Tabelle und einem zu wählendem Signifikanzni-
veau α ein theoretischer Wert als Maß herangezogen. Liegt der berechnete Wert über
dem theoretischen Wert, ist der Zusammenhang als signifikant einzustufen. Andern-
falls ist das beobachtete Verhalten statistisch nicht signifikant [BACK18].
Eine Alternative zur F-Statistik stellt der in Gleichung 2.20 gegebene Fisher-Score dar.
Der Fisher-Score beschreibt das Verhältnis aus der Streuung zwischen den Mittelwer-
ten aller Gruppen und dem Mittelwert über alle Gruppe zu der Streuung innerhalb der
einzelnen Gruppen. Eine Auswahl der Merkmale erfolgt anschließend durch das Er-
stellen einer Rangliste und die Auswahl der höchstbewerteten Merkmale [GU12].
∑𝑮𝒈=𝟏 𝑵𝒈 (𝒙 ̅) 𝟐
̅𝒈 − 𝒙
𝑭𝒔𝒄𝒐𝒓𝒆 = (2.20)
∑𝑮𝒈=𝟏 𝑵𝒈 (𝒙𝒈,𝒏 − 𝒙
̅𝒈 ) 𝟐
Dimensionreduktion
Die Erfassung einzelner physikalischer Größen und die Überwachung dieser mittels
Schwellwerten reicht in der Regel nicht aus, um die Veränderungen eines Systems
rechtzeitig und hinreichend präzise festzustellen. Aus diesem Grund werden meist
mehrere Merkmale in Kombination miteinander betrachtet, wodurch sich deutlich aus-
sagekräftigere Resultate erzielen lassen. Die sich bei einer solchen multivariaten Be-
trachtung ergebenen Merkmalsvektoren sind jedoch meist hochdimensional und wer-
den allgemein zu einer Datenmatrix X zusammengefasst [ORTM19].
Auf Grund der hohen Dimension lassen sich die Merkmale und die Zusammenhänge
zwischen ihnen nicht mehr darstellen, was zu einer schlechteren Nachvollziehbarkeit
führt. Um diesem Problem zu begegnen, wird eine Dimensionsreduktion durchgeführt.
Ein weit verbreitetes Verfahren hierfür ist die Hauptkomponentenanalyse (engl. Princi-
pal Component Analysis, PCA). Der Ansatz dieses Verfahrens ist es, mehrere Merk-
male durch eine Linearkombination zu ersetzen und dadurch die wesentlichen enthal-
tenen Informationen mithilfe von möglichst wenigen neuen Variablen zu beschreiben.
Der Informationsgehalt bei dieser Betrachtung steckt in der Varianz der einzelnen
Merkmale zueinander [HAND17].
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Stand der Technik 35
𝝈𝟏 𝟐 ⋯ 𝝈𝟏𝒑
̃)= ( ⋮
∑ = 𝒄𝒐𝒗( 𝑿 ⋱ ⋮ ) (2.21)
𝝈𝒑𝟏 ⋯ 𝝈𝒑 𝟐
∑ 𝒂𝒊 = 𝝀 𝒊 𝒂𝒊 (2.22)
Die sich dabei ergebenen orthogonalen Eigenvektoren 𝑎𝑖 sind nun die gesuchten Li-
nearkombinationen der ursprünglichen Basisvektoren und die Basisvektoren des
neuen Koordinatensystem, welches hinsichtlich der Hauptkomponenten ausgerichtet
ist. Das neue Koordinatensystem verfügt an dieser Stelle allerdings immer noch über
eine zu hohe Anzahl an Dimensionen, weshalb nun die informationsreichsten Haupt-
komponenten gesucht werden. Eine Visualisierung der Ergebnisse ist dabei nur dann
möglich, wenn drei oder weniger Hauptkomponenten als neue Basisvektoren ausge-
wählt werden. Die Auswahl erfolgt anhand der Varianz, welche möglichst groß sein
sollte und den Eigenwerten 𝜆𝑖 entspricht. Es werden folglich jene Eigenvektoren als
neue Basisvektoren gewählt, die zu den größten Eigenwerten gehören. Um beurteilen
zu können, wie viele Hauptkomponenten für eine aussagekräftige Basis nötig sind gibt
es verschiedene Ansätze. Einer dieser sind die sogenannten Scree-Plots. Diese stel-
len die sortierten Paare von Eigenwerten und Eigenvektoren in einem Graphen dar.
Hierbei werden, wie in Bild 2.15 zu sehen ist, auf der Abszisse die Hauptkomponenten
in ihrer Reihenfolge und auf der Ordinate die zugehörigen Varianzen abgebildet. In
dieser Darstellungsform kommt es gewöhnlich zu einem markanten Knick im Verlauf
des Graphen, welcher zur Orientierung genutzt wird. Die wichtigsten Hauptkomponen-
ten sind diejenigen die vor dem Knick liegen, während jene hinter dem Knick einen
verhältnismäßig geringen Anteil an der Gesamtvarianz und somit auch der Gesamtin-
formation haben. Folglich ist es zulässig letztere, die auch als Scree (engl. Geröll) be-
zeichnet werden, zu vernachlässigt [HAND17].
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Neben den Scree-Plots gibt es noch weitere Ansätze zur Bestimmung der Anzahl not-
wendiger Hauptkomponenten. Nennenswert sind an dieser Stelle vor allem das Kaiser
Kriterium, nach dem jene Hauptkomponenten ausgewählt werden, deren zugehörige
Eigenwerte größer als der Mittelwert aller Eigenwerte sind und das Kriterium von
Jolliffe, welches den gleichen Ansatz verfolgt, den Grenzwert durch die Multiplikation
mit 0,7 jedoch restriktiver festlegt [HAND17].
2.4 Klassifikation
Die Klassifikation ist ein Aufgabenbereich des maschinellen Lernens und gehört zum
Teilgebiet des überwachten Lernens (engl. Supervised Learning). Beim Supervised
Learning liegen zunächst gelabelte Daten vor. Diese dienen als Grundlage für das
Training des Klassifikators. Das heißt, das für jede Messung sowohl die Eingänge als
auch die Ausgänge bekannt sind. Im Falle einer Klassifikation handelt es sich bei den
Ausgängen um die qualitative Zuordnung zu einer Klasse aus einer endlichen Menge
an Klassen, während es sich bei den Eingängen um die erfassten Merkmalswerte han-
delt. Ziel der Klassifikation ist es anhand der vorhandenen Daten eine geeignete Hy-
pothese zu formulieren, die eine Zuordnung der Eingänge zu den Klassen ermöglicht.
Mithilfe dieser Hypothese sollen schließlich neue Daten, deren Ausgang unbekannt
ist, korrekt zugewiesen werden. Dazu wird der Datensatz als erstes in einen Trainings-
und einen Testdatensatz aufgeteilt. Der Trainingsdatensatz wird zur Entwicklung der
Hypothese genutzt, während der Testdatensatz zur Evaluation verwendet wird. Dieser
Schritt ist zwingend erforderlich, da nur auf diese Weise eine Aussage über die Güte
der aufgestellten Hypothese getroffen werden kann. Als Gütemaß wird bei multiklas-
sen Problemen grundsätzlich die Richtigkeit (engl. Accuracy) verwendet. Diese ist als
Quotient der richtigen Klassifikationsresultate und der Gesamtzahl der Klassifikations-
durchläufe definiert. Um die Performance eines Klassifikators zu veranschaulichen
wird häufig die sogenannte Konfusions-Matrix erstellt. Bei dieser Darstellungsform
werden die wirklichen Klassenzugehörigkeiten und die prädizierten paarweise gegen-
übergestellt. Die Summe der Diagonalelemente entspricht dann der Anzahl der richti-
gen Klassifikationen [ORTM19].
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Die Vorteile des k-Nearest Neighbors Verfahrens liegen in der simplen Konzeption,
der geringen Parameteranzahl und der Eignung für Multi-Klassen-Klassifikationen.
Nachteilig ist hingegen die starke Abhängigkeit vom k-Wert, ein hoher Aufwand zum
Speichern der Trainingsdaten und ein Rechenaufwand, der mit steigender Dimension
der Merkmale und steigender Größe des Trainingsdatensatzes sehr stark zunimmt
[ORTM19].
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Stand der Technik 39
Entscheidungsbäume
Die Entscheidungsbäume (EB) sind, bedingt durch ihre hierarchische Struktur, beson-
ders anschaulich, weshalb der Vorgang einer Entscheidungsfindung im Allgemeinen
gut nachvollzogen werden kann. Wie in Bild 2.19 abgebildet, prüfen sie systematisch
die Merkmale eines eingehenden Datenpunktes auf die Zugehörigkeit zu bestimmten
Wertebereichen. Dabei gehen von jedem Verzweigungspunkt, den sogenannten Kno-
ten, die als Kanten bezeichneten Verbindungen ab. Den Kanten wird hierbei eine Zu-
weisungsbedingung in Form einer Gleichung oder Ungleichung zugewiesen. Am Ende
eines jeden Pfades liegen schließlich die Blattknoten, welche den Datenpunkten eine
Klasse zuordnen. Zur Wahl der optimalen Abfolge der Merkmalsüberprüfungen wer-
den diverse Maßzahlen wie der Gini-Index, die Entropie oder der Klassifikationsfehler
herangezogen. Entscheidungsbäume sind vor allem bei einer geringen Anzahl an
Merkmalen ein geeignetes Verfahren. Nimmt die Anzahl der zu überprüfenden Merk-
male allerdings zu steigt der nötige Rechenaufwand stark an während die Überschau-
barkeit des Verfahrens sinkt [NG18].
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Stand der Forschung 40
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der Gewindespindel und der Mutter aus. Zusätzlich wird festgehalten, dass in Kugel-
gewindetrieben die Anzahl der tragenden Wälzkörper durch das Ein- und Austreten
dieser in den tragenden Bereich der Mutter zwischen zwei Werten wechselt. Dadurch
kommt es in Abhängigkeit der Drehzahl zu einer periodisch schwankenden Steifigkeit,
die zusätzlich zu Schwingungen anregt. Zur Abschätzung dieser charakteristischen
Frequenzen werden unter Berücksichtigung der geometrischen Bedingungen die fol-
genden Gleichungen 3.1, 3.2 und 3.3 formuliert. Der Abstandswinkel β zwischen zwei
benachbarten Wälzkörpern hängt demnach vom Radius der Wälzkörper 𝑟𝑊𝐾 und dem
Teilkreisradius 𝑟𝑇 ab.
𝒓𝑾𝑲
𝜷 = 𝟐 𝐭𝐚𝐧−𝟏 ( ) ( 3.1 )
𝒓𝑻
Mit Hilfe des Abstandswinkels β, dem Berührradius der Wälzkörper an der Spindel-
oberfläche 𝑟𝐵𝑆 und der aktuellen Winkelgeschwindigkeit 𝜑̇ wird die Überrollfrequenz
der Mutter 𝑓𝑀Ü geschätzt. Diese entspricht auch der Ein- beziehungsweise Austritts-
frequenz der tragenden Wälzkörper 𝑓𝑊𝐸,𝐾𝐺𝑇 .
𝟏 𝒓𝑩𝑺
𝒇𝑴Ü = 𝝋̇ = 𝒇𝑾𝑬,𝑲𝑮𝑻 ( 3.2 )
𝜷 𝟐 𝒓𝑻
𝟏 𝒓𝑩𝑺
𝒇𝑺Ü = (𝟏 − ) 𝝋̇ ( 3.3 )
𝜷 𝟐 𝒓𝑻
Über diese Betrachtungen hinaus wird mit der Gleichung 3.4 die charakteristische Fre-
quenz der eingesetzten Führungswagen 𝑓𝐹𝑊 geschätzt. Dadurch werden die von der
Führung erzeugten Störfrequenzen gezielt identifiziert.
𝒙̇ 𝑾𝑲 𝒙̇ 𝑭𝑾
𝒇𝑭𝑾 = = ( 3.4 )
𝒅𝑾𝑲 𝟐 𝒅𝑾𝑲
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Mit dieser Größer, den aus Klein bereits bekannten Größen, der Gewindesteigung h
und der Frequenz beziehungsweise der Drehzahl der Spindel 𝑓𝑆𝑝𝑖𝑛𝑑𝑒𝑙 wird dann die
Ein- / Austrittsfrequenz 𝑓𝐴𝑢𝑠𝑡𝑟𝑖𝑡𝑡 der Wälzkörper nach Gleichung 3.6 bestimmt.
𝟏 √(𝝅 𝒓𝑩𝑺 )𝟐 + 𝒉𝟐 𝝅
𝒇𝑨𝒖𝒔𝒕𝒓𝒊𝒕𝒕 = 𝒇𝑺𝒑𝒊𝒏𝒅𝒆𝒍 ( 3.6 )
𝟐 √(𝝅 𝒓𝑻 )𝟐 + 𝒉𝟐 𝟏 𝜷
𝟐
Es wird gezeigt, dass anhand der Kenngröße Schwingungsenergie und unter Verzicht
zusätzlicher externer Sensorik schadensbedingte Phänomene erkennbar sind. Diese
treten entweder als breitbandige Störungen oder als charakteristische Frequenzen auf.
Dabei gilt der Grundsatz, dass sich das Schwingungsverhalten einer Antriebsachse
durch Schäden und Verschleiß verändert und die Schwingungsenergie infolge der Ver-
änderungen prinzipielle zunimmt. Durch die Betrachtung des Trendverlaufs und die
Definition eines Grenzwertes, welcher dem doppelten Wert des Ausgangszustandes
entspricht, diagnostiziert er schließlich den bevorstehenden Schadensfall [WALT11].
Helwig beschäftigt sich in seiner Arbeit im Allgemeinen mit Methoden der multivarian-
ten Sensordatenanalyse zur Zustandsbewertung industrieller Prozesse. Er schlägt
hierfür einen teilautomatisierten Ansatz zur Merkmalsextraktion, -selektion und Klassi-
fikation vor und evaluiert diesen. Dabei werden aus zahlreichen Sensorsignalen sta-
tistische und formbeschreibende Merkmale extrahiert und es werden mithilfe der Di-
mensionsreduktion die wesentlichen Hauptkomponenten identifiziert. Die anschlie-
ßende Klassifikation erfolgt auf Basis verschiedener Methoden des überwachten ma-
schinellen Lernens. Da die Anwendung dieser Methoden jedoch nur mit annotierten
Daten möglich ist, schlägt er weitere Untersuchungen zur Einbindung unüberwachter
Verfahren vor. Außerdem sieht er für elektromechanische Zylinder, zu denen er die
Kugelgewindetriebe zählt, systematische Analysen bezüglich weiterer Einflüsse, wie
der Last als notwendig an. Nichtsdestotrotz schätzt er die Praktikabilität des von ihm
untersuchten Ansatzes zur Zustandsüberwachung als hoch ein [HELW18].
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Stand der Forschung 43
erfassen. Für die Analyse der breitbandigen Phänomene erscheint eine Tiefpassfilte-
rung, welche hochfrequentes Messrauschen aus den Signalen entfernt, als ein geeig-
netes Mittel um die Signale für die weitere Auswertung aufzubereiten. Eine solche
breitbandige Untersuchung enthält jedoch auch weitere von der Führung erzeugte Fre-
quenzen, welche für die Untersuchungen des Kugelgewindetriebes als Störgrößen zu
betrachten sind. Aus diesem Grund erscheint eine zusätzliche Bandpassfilterung in
den Bereichen um die vorgestellten charakteristischen Frequenzen des Kugelgewin-
detriebs als sinnvoll. Hierfür werden zwei Bandpassfilter benötigt, die nur Frequenzen
im Bereich der Mutterüberrollfrequenz 𝑓𝑀Ü beziehungsweise der Spindelüberrollfre-
quenz 𝑓𝑆Ü passieren lassen. Die Tabelle 3.1 zeigt exemplarisch für eine Vorschubge-
schwindigkeit in welchem Bereich die charakteristischen Frequenzen und ihre Ab-
stände zueinander liegen. Es wird auch ersichtlich das die nach Gleichung 3.2 und
nach 3.6 berechneten Frequenzen nur unwesentlich voneinander abweichen und eine
Filterung des Signals nach einer dieser Frequenz ausreichend ist.
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Vorangegangene Untersuchungen 44
4 Vorangegangene Untersuchungen
Im Vorfeld der vorliegenden Arbeit wurden im Zuge mehrerer studentischer Arbeiten
bereits Untersuchungen zur Vorspannungsklassifikation von Kugelgewindetrieben
durchgeführt. Ausgehend von den dabei erlangten Erkenntnissen wird die Methodik
zur Vorspannungsklassifikation in dieser Arbeit weiterentwickelt. Aus diesem Grund
wird im folgenden Abschnitt ein Überblick über die bisher durchgeführten Untersuchun-
gen gegeben.
∑𝒏𝒊=𝟏(𝒙𝒊 − 𝒙
̅)(𝒚𝒊 − 𝒚
̅)
𝒓𝒙𝒚 = ( 4.1 )
√∑𝒏𝒊=𝟏(𝒙𝒊 − 𝒙
̅)𝟐 ∑𝒏𝒊=𝟏(𝒚𝒊 − 𝒚
̅ )𝟐
Hierbei sind 𝑥𝑖 und 𝑦𝑖 die i-ten Messwerte der jeweiligen Messreihen, während 𝑥̅ und
𝑦̅ für die arithmetischen Mittelwerte der Messreihen stehen. Auf diese Weise wird die
Korrelation zwischen den Merkmalen und der Vorspannung, der Vorschubgeschwin-
digkeit und dem Verfahrweg untersucht. Für eine Eignung zur Zustandsdiagnose soll-
ten die Merkmale möglichst unabhängig von den prozessbedingten Größen wie der
Vorschubgeschwindigkeit und dem Verfahrweg sein. Für die Korrelation zwischen den
Merkmalen und der Vorspannung wird hingegen ein betragsmäßig möglichst nah bei
eins liegender Koeffizient angestrebt. Es gilt dabei, dass durch den Korrelationskoeffi-
zienten grundsätzlich nur lineare Zusammenhänge ausgedrückt werden und keine
Aussage über Zusammenhänge höherer Ordnung möglich sind.
Zu den von Ron manuell ausgewählten und weiter analysierten Größen gehören aus
dem Bereich der steuerungsinternen Sensorik die Geberdifferenz, das Motordrehmo-
ment und die Regeldifferenz. Darüber hinaus werden aus dem Bereich der steuerungs-
externen Sensorik die Beschleunigungssignale ausgewählt und im Frequenzbereich
analysiert.
Die Analyse der Geberdifferenz ergibt, dass diese sich aufgrund eines hohen Korrela-
tionskoeffizienten und einer teils geringen Streuung der Merkmalswerte in der Theorie
gut zur Vorspannungsklassifikation eignet. Es wird jedoch ebenfalls gezeigt, dass die
Temperatur einen Einfluss auf die Geberdifferenz ausübt. Hierdurch hängt das Merk-
mal Geberdifferenz in der Praxis von der Umgebungstemperatur und von der durch
den Fertigungsprozess und eine eventuelle Kühlung zu- beziehungsweise abgeführten
Wärme ab. Aus diesem Grund eignet sich die Geberdifferenz nicht zur Klassifikation.
Zustandsüberwachung von Kugelgewindetrieben zur Vorspannungsklassifikation mit Methoden der multivariaten Statistik
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Vorangegangene Untersuchungen 45
Für das Motordrehmoment zeigt die Analyse, dass eine Abhängigkeit von der Vor-
schubgeschwindigkeit besteht. Bei einer Auswertung mithilfe des Motordrehmoments
muss diese daher berücksichtigt werde, weshalb nur durch die Kombination beider
Größen eine Aussage getroffen werden kann. Darüber hinaus wird das Motordrehmo-
ment zusätzlich von der bewegten Masse beeinflusst. Außerdem steigt es auch beim
Vorliegen anderer Mängel beziehungsweise Defekte an. So ist es bei einem Anstieg
des benötigten Motordrehmoments grundsätzlich nicht möglich zwischen einer Verän-
derung der Vorspannung, einer Mangelschmierung oder einer Verunreinigung durch
Fremdkörper zu unterscheiden. Aus diesen Gründen besitzt das Motordrehmoment
nur in Kombination mit weiteren ergänzenden Merkmalen Potential.
Die Analyse der Regeldifferenz zeigt, dass verschiedene statistische Merkmale dieser
Größe eine hohe Korrelation zur Vorspannungsklasse aufweisen. Gleichzeitig sind
diese Merkmale unabhängig von der Vorschubgeschwindigkeit und dem Verfahrweg.
Folglich eignet sich eine statistische Auswertung der Regeldifferenz gut zur Klassifika-
tion. Eine Betrachtung der Regeldifferenz im Frequenzbereich zeigt darüber hinaus,
dass im Frequenzspektrum bei der einfachen und der vierfachen Drehfrequenz des
Motors auffällige Peaks auftreten. Eine Analyse der Amplituden bei diesen Frequenzen
ergibt, dass die Amplitude der vierfachen Motordrehfrequenz mit der Vorspannungs-
klasse korreliert und sich als Merkmal für eine Klassifikation eignet.
Bei den Untersuchungen werden die Beschleunigungssignale verschiedener Typen
von Sensoren betrachtet. Hierzu gehören ein am Adapter befestigter MEMS-Sensor,
drei orthogonal angeordnete IEPE-Sensoren KS94B100, ein in Fahrtrichtung ausge-
richteter IEPE-Sensor KS901B10 und ein Klopfsensor. Das Signal des MEMS-Sensors
ist durch starkes Rauschen gekennzeichnet und zeigt im Frequenzbereich keine
Peaks, die sich charakteristischen Frequenzen zuordnen lassen. Daher wird das Sig-
nal dieses Sensors nicht weiter betrachtet. Aus den Signalen der übrigen Sensoren
geht jedoch hervor, dass sich in den Frequenzspektren dieser Sensoren mehrere dreh-
zahlabhängige Peaks detektieren lassen. Diese liegen bei der Motorfrequenz, der vier-
fachen Motorfrequenz und im Bereich der Mutterüberrollfrequenz. Die Peaks der Mo-
torfrequenzen sind dabei besonders scharf. Der Bereich um die zu erwartende Mut-
terüberrollfrequenz weist demgegenüber generell erhöhte Amplitudenwerte auf. Im
Bereich der Spindelüberrollfrequenz sind hingegen keine Peaks feststellbar. Durch Un-
tersuchungen der Amplituden bei diesen Frequenzen wird gezeigt, dass vor allem die
vierfache Motorfrequenz eine hohe Korrelation zur Vorspannungsklasse aufweist. Für
die übrigen Frequenzen wird keine ausreichende Korrelation zur Vorspannungsklasse
festgestellt.
Zusammenfassend zeigt sich demnach, dass statistische Merkmale des Motordreh-
moments und der Regeldifferenz sowie die Schwingungsamplituden bei der vierfachen
Motordrehfrequenz in den Signalen der Regeldifferenz, der IEPE-Sensoren und des
Klopfsensors Potential zur Verwendung bei der Vorspannungsklassifikation besitzen.
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Vorangegangene Untersuchungen 46
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Vorgehensweise und Zielsetzung 49
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Aufbau des Prüfstandes 50
6.1 Kugelgewindetrieb
Der für die Untersuchungen zur Verfügung stehende Prüfstand besteht aus der in Bild
6.1 dargestellten Vorschubachse. Diese wird über eine Metallbalgkupplung von einem
Synchronmotor angetrieben. Die Kugelgewindespindel ist dabei antriebsseitig durch
ein Festlager (SES-F) mit einem Axial-Schrägkugellager und am gegenüberliegenden
Ende mit einem Loslager (SES-L) mit zwei Rillenkugellagern gelagert. Wie in der Ab-
bildung zusehen ist, ist die Kugelgewindemutter nicht direkt, sondern über einen Adap-
ter mit dem Maschinentisch verbunden. Der Maschinentisch wird über eine Gleitlage-
rung, die aus vier Führungswagen des Typs R18534312X und zwei Führungsschienen
des Typs R180543161 der Bosch Rexroth AG besteht, geführt. Aufgrund der Abmaße
des Maschinentisches steht für die Untersuchungen ein maximaler Verfahrweg von
einem Meter zur Verfügung.
Einer Übersicht der wichtigsten Daten zur Paarung aus der Kugelgewindespindel des
Typs R1511 475 00 und der Kugelgewindemutter ist durch die Tabelle 6.1 gegeben.
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Aufbau des Prüfstandes 51
Spindellänge 2 [m]
Nenndurchmesser 40 [mm]
Gewindesteigung 20 [mm]
Kugeldurchmesser 6 [mm]
Zur Erzeugung einer definierten Vorspannung wird die Methode der Kugelsortierung
verwendet. Hierfür werden für jeder der vier Vorspannungsstufen jeweils 69 Kugel mit
den in Tabelle 6.3 angegebenen Kugelübermaßen verwendet.
C0 Spiel +0 - - - - -
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Aufbau des Prüfstandes 52
6.2 Sensorik
Zur Aufnahme der Messdaten wird zusätzlich zu der steuerungsinternen Sensorik wei-
tere steuerungsexterne Sensorik verwendet. In den folgenden Abschnitten wird explizit
auf die dabei verwendeten Sensortypen und zur Datenerfassung verwendete Periphe-
rie eingegangen.
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Aufbau des Prüfstandes 53
in der x-Richtung angebrachte Sensor ist an der Mutter direkt angebracht, während die
Sensoren in y-, und z-Richtung am Adapter angebracht sind. Die Sensoren des Typs
KS94B100 besitzen eine Sensitivität von 100 mV/g und einen Messbereich von ±60g.
Der letzte der IEPE-Sensoren ist vom Typ KS901B10 und in x-Richtung direkt an der
Mutter durch eine Klebverbindung angebracht. Dieser kostengünstigere Sensor besitzt
mit 10mV/g eine geringere Sensitivität als die restlichen IEPE-Sensoren, eignet sich
jedoch für Messungen innerhalb eines Bereichs von ±500g. Als weiterer Beschleuni-
gungssensor wird ein MEMS-Sensor des Typs ADXL001-70z der Firma Analog De-
vices, Inc. verwendet. Dieser ist an der Oberseite des Adapters befestigt und zeichnet
mit einer Sensitivität von 16 mV/g Beschleunigungen in x -Richtung in einem Bereich
von ±70g auf.
Außerdem sind drei Körperschallsensoren vom Typ 0261231173 der Bosch Rexroth
AG am Adapter befestigt. Diese nehmen analog zu den IEPE-Sensoren Signale in x-,
y- und z-Richtung auf. Die Körperschallsensoren besitzen eine Sensitivität von 30 V/g
und einen Messbereich von ±400g.
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Aufbau des Prüfstandes 54
Koppler übertragen. Dazu sind die Signalverteiler, das Thermoelement, der MEMS-
Sensor und die Klopfsensoren über mehrere Klemmen direkt mit dem Koppler verbun-
den. Die Signale der IEPE-Sensoren werden darüber hinaus von einem Signalaufbe-
reitungsgerät der Kistler Instrument AG vorverarbeitet. Der Piezotron Kuppler Typ
5134B führt hierfür eine analoge Tiefpassfilterung mit einer Grenzfrequenz von 30 kHz
und eine Verstärkung der Signale durch.
Der externe Koppler ist über eine zweite EtherCAT Verbindung an einen Industrie-PC
der Firma Beckhoff vom Typ C6920-0050 angeschlossen.
Bild 6.3: Schematische Darstellung der verwendeten Sensorik und ihrer Anbin-
dung an die Datenverarbeitung
Eine Übersicht über die verwendeten Sensoren, deren Abtastrate und die jeweils auf-
gezeichnete Größe ist in Tabelle 6.4 gegeben.
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Aufbau des Prüfstandes 55
Tabelle 6.4: Übersicht der verwendeten Sensoren und der erfassten Signale
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Aufbau des Prüfstandes 56
6.4.1 Axialsteifigkeitsmessung
Zur Ermittlung der axialen Steifigkeit wird die Einfederung der Mutter infolge einer in
axialer Richtung angreifenden Kraft bestimmt. Zur Erzeugung der Kraft steht ein pneu-
matisch angetriebener Zylinder zur Verfügung. Dieser ist auf der Loslagerseite zwi-
schen dem Maschinentisch und dem Maschinenbett positioniert. Dabei beträgt der Ab-
stand zwischen Maschinenbett und Tisch ca. 30 cm. Der Zylinder ist so ausgerichtet,
dass er eine Kraft in axiale Richtung direkt unterhalb der montierten Mutter aufbringt.
Die aufgebrachte Kraft ist über ein in der Pneumatik integriertes Ventil steuerbar und
wird durch einen am Stößel befestigten Kraftsensor des Typs U9C der Hottinger Bald-
win Messtechnik GmbH kontinuierlich aufgenommen. Ausgelegt ist der Sensor für die
Erfassung von Kräften zwischen 50 N und 50 kN. Er ist über ein Messgerät des Typs
MGC Plus AB22A derselben Firma und eine eigene Klemme mit dem bereits aus Ka-
pitel 6.3 bekannten Aufbau verbunden. Zur Ermittlung der Einfederung stehen drei
hochgenaue Laser-Wegmesssensoren sowie ein PNP Steuergerät des Modells LK-
G5001P der Firma Keyence zur Verfügung. Zwei der Sensoren sind vom Modell LK-
H022 und werden zur Erfassung der Verschiebung der Mutter verwendet. Hierfür sind
zwei Messpunkte auf der Oberfläche der Mutter vorgesehen. Der Messbereich dieser
Sensoren beträgt ± 3 mm bei einer Linearität von ± 0,02%. Der dritte Sensor ist vom
Modell LK-H052. Dieser besitzt mit ± 10 mm einen größeren Messbereich und eben-
falls eine Linearität von ± 0,02%. Er wird verwendet, um die Verschiebung eines Refe-
renzpunktes zu ermitteln.
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Aufbau des Prüfstandes 57
Zur Veranschaulichung ist der beschriebene Aufbau in Bild 6.4 schematisch darge-
stellt. Kraftangriffspunkt und -richtung sind durch den eingezeichneten Pfeil und die
Messpunkte der Lasersensoren durch die roten Markierungen gegeben. Die auf der
Mutter gelegenen Messpunkte liegen auf beiden Seiten der Gewindespindel jeweils
auf halber Höhe, während der Referenzpunkt auf einer an der Gewindespindel befes-
tigten Hülse oberhalb der Spindel liegt. Nicht eingezeichnet ist in dieser Darstellung,
dass die Spindel am Ende des Loslagers durch eine entsprechende Vorrichtung gegen
Verdrehen gesichert ist.
6.4.2 Reibmomentmessung
Zur Messung des im Leerlauf vorhandenen Reibmoments wird der in Bild 6.5 darge-
stellte Aufbau verwendet. Er besteht aus zwei Portalen, welche in der Nähe des Fest-
beziehungsweise Loslagers mit dem Maschinenbett verschraubt sind. Zwischen die-
sen Portalen ist eine Führungsschiene, an deren Unterseite eine Nut eingebracht ist
befestigt. Die Nut verläuft exakt über der Kugelgewindespindel entlang des Verfahr-
weges und dient als Laufführung für das dargestellte Biegeblech.
Bild 6.5: Model des untersuchten Prüfstandes mit Aufbau für die Reibmomentmes-
sung [KREW19]
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Aufbau des Prüfstandes 58
Wie in Bild 6.6 abgebildet, ist das andere Ende des Biegeblechs in einer speziell für
die Mutter angefertigten Halterung eingespannt. Diese Halterung ist wiederum über
eine Schraubverbindung mit der Mutter Verbunden. Auf dem Biegeblech ist eine aus
vier Dehnmessstreifen bestehende Vollbrücke aufgeklebt. Die Anschlüsse der DMS-
Vollbrücke sind über mehrere Kabel mit einer eigenen Klemme verbunden, die wiede-
rum an den in Kapitel 6.3 beschriebenen Aufbau angeschlossen ist.
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Schätzung der Vorspannung 59
7.1 Axialsteifigkeit
Die Messung der Axialsteifigkeit findet in Anlehnung an die DIN ISO 3408-3 statt. Diese
sieht eine Belastung des Kugelgewindetriebs durch Zug- und Druckkräfte vor. Durch
die axialen Prüflasten werden elastische Verformungen innerhalb des Umkehrbereichs
erzeugt, die aufgezeichnet und ausgewertet werden. Diese Verformungen werden all-
gemein auch als axiale Einfederung bezeichnet. Die Steifigkeit entspricht dem Quoti-
enten aus der Einfederung und der zur Erzeugung aufgebrachten Kraft [DIN11].
Bild 7.1: Diagramm des Prüfverfahrens nach DIN ISO 3408-3 [DIN11]
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Schätzung der Vorspannung 60
In der Norm sind für die Durchführung von Messungen die Prüflasten 𝐹1 und 𝐹2 in
Abhängigkeit der Vorspannkraft 𝐹𝑝𝑟 definiert. Wie in Bild 7.1 angegeben, entspricht
dabei 𝐹1 der halben Vorspannkraft und 𝐹2 der doppelten Vorspannkraft. Diese Prüf-
lasten werden während des Messzyklus sowohl in Zug- als auch in Druckrichtung auf-
gebracht. Hierdurch wird je nach ausgewählter Prüflast die elastische Verformung ∆𝑙1
beziehungsweise ∆𝑙2 erzeugt. Folglich ergeben sich zwei unterschiedliche Möglichkei-
ten für den Messvorgang. Bei Wahl der Prüflast 𝐹1 wird die axiale Steifigkeit nach Glei-
chung 7.1 berechnet.
𝟐 𝑭𝟏
𝑹𝒂𝒙𝟏 = ( 7.1 )
∆𝒍𝟏
Während bei der Wahl der Prüflast 𝐹2 die Gleichung 7.2 Anwendung findet [DIN11].
𝟐 (𝑭𝟐 − 𝑭𝟏 )
𝑹𝒂𝒙𝟐 = ( 7.2 )
∆𝒍𝟐 − ∆𝒍𝟏
7.1.1 Versuchsdurchführung
Für die Durchführung der Messungen wird der in Kapitel 6.4.1 vorgestellte Aufbau ver-
wendet. Dieser eignet sich dazu eine Druckkraft unterhalb der Mutter am Maschinen-
tisch aufzubringen. Das Aufbringen einer Kraft in Zugrichtung ist mit diesem Aufbau
hingegen nicht möglich. Aus diesem Grund muss das im vorherigen Unterkapitel vor-
gestellte Prüfverfahren nach DIN ISO 3408-03 an die vorhandenen Messmittel ange-
passt werden. Dies führt dazu, dass ein Prüfzyklus mit verschiedenen Drucklasten ver-
wendet wird. Bei diesem Prüfzyklus wird die Last stufenweise von 0 N auf 4000 N
erhöht und anschließend stufenweise wieder reduziert. Dabei wird die Belastung bei
250 N, 500 N, 1000 N, 1500 N, 2000 N, 3000 N und 4000 N für kurze Zeit gehalten.
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Schätzung der Vorspannung 61
Dadurch ergibt sich während eines Messzyklus das in Bild 7.2 abgebildete Belastungs-
profil. Die maximale Last des Profils stellt mit etwa 4000 N die mit dem Aufbau maximal
realisierbare Last dar. Dies entspricht in etwa dem Zweifachen des vom Hersteller an-
gegebenen Vorspannungswertes für die Vorspannungsklasse C3 (vgl. Tabelle 7.1).
C3 +8 2110
C2 +6 1000
C1 +4 275
C0 ±0 -
Die Messung der axialen Steifigkeit wird auf diese Weise für jede Vorspannungsklasse
fünfmal durchgeführt. Dabei wird die Verschiebung aller Messpunkte aufgezeichnet.
Während des gesamten Vorgangs werden die Signale der Lasersensoren sowie das
Signal des Kraftsensors an den Industrie-PC übermittelt.
Auf dem Industrie-PC werden mithilfe des Programms TwinCAT 3 die Daten des Kraft-
sensors und der Laser-Wegmesssensoren weiterverarbeitet und nach dem Abschlie-
ßen eines jeden Messzyklus in einer eigenen Binärdatei abgespeichert. Zur weiteren
Verarbeitung werden die erhaltenen Binärdateien in MATLAB importiert.
7.1.2 Auswertung
In diesem Abschnitt wird die Auswertung exemplarisch anhand der dritten Messung
zur Vorspannungsklasse C3 beschrieben. Das grundsätzliche Vorgehen und die im
weiteren Verlauf erläuterte Problematik sind auf alle anderen Messungen der axialen
Steifigkeit übertragbar. Aus diesem Grund wird an dieser Stelle nur auf die genannte
Messreihe explizit eingegangen.
In MATLAB werden die einzelnen Signale in einem ersten Schritt Tiefpassgefiltert.
Dadurch wird höherfrequentes Messrauschen aus den Signalen entfernt. Über die De-
tektion der maximal aufgebrachten Kraft wird anschließend eine Segmentierung in Hin
(steigende Kraft) und Rück (sinkende Kraft) durchgeführt. Die Verschiebungswerte der
Muttermesspunkte werden gemittelt und es wird die Differenz zum Verschiebungswert
des Referenzpunktes gebildet. Auf diese Weise werden eventuell auftretende Kippfeh-
ler ausgeglichen und die Einfederung der Gewindespindel wird berücksichtigt. Als Er-
gebnis dieser Aufbereitung liegt ein Signal zur relativen Verschiebung der Mutter zum
Referenzpunkt vor. Dieses wird zusammen mit dem Signal des Kraftsensors zur Aus-
wertung geplottet. Die weitere Auswertung erfolgt anschließend händisch durch eine
Inspektion der erstellten Plots.
Zustandsüberwachung von Kugelgewindetrieben zur Vorspannungsklassifikation mit Methoden der multivariaten Statistik
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Schätzung der Vorspannung 62
Zur Ermittlung der axialen Steifigkeit in Anlehnung an die Gleichung 7.2 ist es notwen-
dig die relativen Verschiebungen, die bei den Prüflasten 𝐹1 und 𝐹2 auftreten, zu ermit-
teln. Die zunächst unbekannten Prüflasten werden hierfür über die vom Hersteller an-
gegebenen Vorspannungswerte für die jeweiligen Vorspannungsklassen abgeschätzt.
Für die Vorspannungsklasse C3 folgt demnach für 𝐹1 ein Wert von 1055 N und für 𝐹2
ein Wert von 4220 N. Allerdings ist es mit der vorhandenen Pneumatik nicht möglich
eine Prüflast von 4220 N aufzubringen. Aus diesem Grund wird die maximal erreichte
Prüflast für 𝐹2 verwendet. Diese liegt bei etwa 4000 N.
Durch die Wahl dieser Prüflasten ergibt sich jedoch eine Problematik bei der weiteren
Auswertung. Wie in Bild 7.3 zu sehen ist, kommt es während der Messzyklen zu
sprunghaften Änderungen bei den Werten der relativen Verschiebung zwischen Mutter
und Referenz. Dieses Verhalten tritt bei allen Messungen auf. Der Zeitpunkt bezie-
hungsweise die Kraft an dem das Verhalten auftritt ist jedoch variable. Dies hat Aus-
wirkungen auf die Robustheit der verfolgten Messmethode. Tritt ein Sprung, wie in Bild
7.3, in der Nähe der Prüflast 𝐹1 auf, so hat dies starken Einfluss auf die berechnete
axiale Steifigkeit. Im dargestellten Fall ist die Differenz der relativen Verschiebung
durch den Sprung sehr gering. Dies führt zu einer deutlich erhöhten axialen Steifigkeit.
Da die Sprünge durch einen kurzzeitig starken Anstieg mit einer folgenden Abnahme
der relativen Verschiebung gekennzeichnet sind, führen sie zu einem nicht monoton
steigenden beziehungsweise fallenden Verlauf. Ein solcher monotoner Verlauf ist bei
einer Betrachtung des Belastungsprofils jedoch zu erwarten. Daher sind genauere Be-
trachtungen und eine Anpassung der zur Auswertung verwendeten Methodik nötig.
Zustandsüberwachung von Kugelgewindetrieben zur Vorspannungsklassifikation mit Methoden der multivariaten Statistik
08/2020
Schätzung der Vorspannung 63
Durch eine Betrachtung der in Bild 7.4 und Bild 7.5 dargestellten Rohsignale wird die
Ursache der Sprünge ersichtlich. Die Verschiebung der Mutter folgt grundsätzlich dem
Profil der Belastung. Der Verlauf mit seinen einzelnen Stufen ist gut erkennbar. Die
unterschiedlichen Verschiebungswerte für Hin und Rück sind durch ein bei Material-
belastungen übliches hystereseartiges Verhalten erklärbar.
Zustandsüberwachung von Kugelgewindetrieben zur Vorspannungsklassifikation mit Methoden der multivariaten Statistik
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Schätzung der Vorspannung 64
Eine Betrachtung der Verschiebung des Referenzpunktes zeigt hingegen, dass dieser
dem Belastungsprofil nicht mit der gleichen Genauigkeit folgt. Die grundlegenden Ten-
denzen eines Anstiegs bis zu einem Zeitpunkt kurz vor 300 Sekunden gefolgt von ei-
nem Abfall sind zwar erkennbar, die einzelnen Stufen hingegen nicht. Auffällig ist au-
ßerdem ein deutlich erkennbares Rauschen. Dabei ist für das Rauschen eine Schwing-
weite zu beobachten, die in etwa ein Drittel des gesamten Wertebereichs beträgt. Bei
etwa 430 Sekunden ist ein plötzlicher Abfall des Verschiebungswertes zu beobachten.
Ein solcher Abfall führt zu einem schlagartigen Anstieg der relativen Verschiebung.
Durch eine Betrachtung des Bilds 7.2 wird ersichtlich, dass dieser Zeitpunkt Teil des
Rücksegments ist und beim Übergang hin zu 1000 N Belastung liegt. Diese Last ent-
spricht dem Bereich, in dem in Bild 7.3 der sprunghafte Anstieg zu verzeichnen ist.
Als Ursache für die Sprünge und lokalen Maxima im Graphen der relativen Verschie-
bung ist folglich der Verlauf der Verschiebung des Referenzpunktes auszumachen.
Die Verschiebung des Referenzpunktes folgt nicht wie zu erwarten dem Belastungs-
profil.
Für die Methodik der Auswertung ergibt sich die Notwendigkeit die beschriebene Prob-
lematik zu berücksichtigen. Eine Verschiebung der zur Berechnung der axialen Stei-
figkeit herangezogenen Punkte aus dem Bereich der Sprünge erscheint als notwendig.
Aus diesem Grund wird für die weitere Auswertung ein Min-Max-Ansatz gewählt. Für
die Prüflast 𝐹1 wird dabei ein Wert von 50 N gewählt und für die Prüflast 𝐹2 die maximal
erreichte Kraft. Die Wahl einer kleineren Kraft als 50 N ist aufgrund des Messbereichs
des Kraftsensors nicht zulässig, weshalb 50 N die minimale auswertbare Kraft darstellt
und folglich gewählt wird.
Mit dem vorgeschlagenen Ansatz werden alle Messungen ausgewertet. Für jede der
Vorspannungsklassen wird je für das Hin- und das Rücksegment über alle fünf Mes-
sungen gemittelt. Außerdem wird noch der Mittelwert über beide Segmente bestimmt.
Es zeigt sich, dass der Steifigkeitswert für das Rücksegment generell höher liegt als
für das Hinsegment. Der Steifigkeitswert für C3 liegt entgegen der Erwartungen unter-
halb des Wertes von C2. Dies kann an der gewählten Methodik oder an Messfehlern
liegen. Die Ergebnisse sind daher und aufgrund der beschriebenen Problematik als
fragwürdig einzustufen. Es wird daher für künftige Messungen empfohlen mit geeigne-
ten Messmitteln und wie in der Norm vorgesehen mit Zug- und Drucklasten zu prüfen.
Zustandsüberwachung von Kugelgewindetrieben zur Vorspannungsklassifikation mit Methoden der multivariaten Statistik
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Schätzung der Vorspannung 65
7.2 Reibmoment
Zur Messung des Reibmoments im Leerlauf, wird der in Abschnitt 6.4.2 beschriebene
Aufbau verwendet. Das Grundprinzip der mit diesem Aufbau realisierten Messmethode
besteht darin, dass das Biegeblech die Mutter fixiert und am Mitdrehen mit der Spindel
hindert. Infolgedessen erfährt das Biegeblech eine Verformung. Diese Verformungen
fällt in Abhängigkeit der Reibung zwischen Mutter und Spindel unterschiedlich stark
aus, da je nach Reibung ein unterschiedlich großes Drehmoment notwendig ist, um
die Mutter gegen Drehen zu sichern. Das übertragene Drehmoment ist demnach direkt
von der Reibung zwischen Mutter und Spindel abhängig. Die Reibung ist wiederum
von der Vorspannung abhängig, da die Vorspannung als eine Normalkraft zu betrach-
ten ist, die die einzelnen Reibpartner aneinanderpresst. Hierdurch nimmt bei steigen-
der Vorspannung die Reibung zu. Über diese Wirkkette kann von der Verformung des
Biegeblechs auf die Vorspannung im System geschlossen werden. Die Verformung
des Biegeblechs wird schließlich über die applizierten Dehnmessstreifen in eine Span-
nung gewandelt und ist dadurch elektrisch messbar.
7.2.1 Versuchsdurchführung
Die Messungen zur Bestimmung des Reibmoments umfassen insgesamt 24 Messzyk-
len. Dabei entfallen je sechs Messzyklen auf jeder der vier Vorspannungsklassen, wo-
bei die eine Hälfte mit den Dichtungen in der Mutter und die andere Hälfte ohne die
Dichtungen durchgeführt wird. Bei allen Messungen wird das gleiche Programm ver-
wendet. Dieses verfährt die Mutter bei einem Vorschub von 2000 mm pro min von der
Ausgangsposition bei einem X-Wert von 100 mm bis zum äußersten Punkt des Ver-
fahrbereiches und anschließend wieder zurück. Über die Steuerung und deren Dreh-
geber wird die X-Position der Mutter erfasst und von dort an den Industrie-PC übermit-
telt. Die Dehnmessstreifen sind über eine eigene Klemme direkt mit dem Industrie-PC
verbunden, sodass beide Signale dort zur Verfügung stehen.
Auf dem Industrie-PC werden die Daten jedes Messzyklus mithilfe des Programms
TwinCAT 3 in einer eigenen Binärdatei abgespeichert. Diese Binärdateien werden zur
weiteren Verarbeitung in MATLAB importiert.
7.2.2 Auswertung
Für die Weiterverarbeitung der Daten und deren Auswertung wird zunächst eine Tief-
passfilterung zur Entfernung von Messrauschen durchgeführt. Es folgt eine Segmen-
tierung in Hin- und Rückfahrt anhand des Umkehrpunktes. Außerdem wir das im Signal
der DMS enthaltene Offset bereinigt. Anschließend wird zur Berechnung der Kenn-
werte ein Segment mit konstantem Vorschub definiert. Dieses umfasst den Bereich
von 150 mm bis 950 mm. Auf diese Weise wird eine Verfälschung durch die Beschleu-
nigungsphasen unterbunden. Dies ist außerdem notwendig, da das Datenblatt des
Herstellers ebenfalls nur eine Messfahrt mit konstantem Vorschub beinhaltet und nur
so ein Vergleich mit diesen Daten möglich ist. Darüber hinaus werden zur Visualisie-
rung der Unterschiede zwischen den Vorspannungsklassen folgende Plots erstellt.
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Schätzung der Vorspannung 66
Zustandsüberwachung von Kugelgewindetrieben zur Vorspannungsklassifikation mit Methoden der multivariaten Statistik
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Schätzung der Vorspannung 67
Diese in Bild 7.6 und Bild 7.7 dargestellten Plots zeigen das entlang des Verfahrweges
auftretende Reibmoment für je eines der Segmente. Dabei fällt zunächst auf, dass die
Hinfahrt grundsätzlich höhere Werte aufweist als die Rückfahrt. Dies ist zum Teil auf
einen systematischen Fehler bei der Bestimmung des Off-Sets zurückzuführen. Das
Off-Set wird vor dem Start jeder Messfahrt ermittelt. Es ist jedoch davon auszugehen,
dass durch das Verfahren der Mutter in die Ausgangsposition eine Restverformung im
Biegeblech vorhanden ist, welche sich mit dem Off-Set überlagert. Dennoch ist ersicht-
lich, dass zwischen den einzelnen Vorspannungsklasse deutliche Unterschiede exis-
tieren. Besonders die Vorspannungsklassen C1, C2 und C3 grenzen sich klar vonei-
nander ab. Dies hat zufolge, dass es innerhalb des als konstante Fahrt definierten
Segmentes zu keiner Überschneidung der Reibmomentwerte kommt. Dementspre-
chend ist es möglich für jeder dieser Vorspannungsklassen eine Bandbreite an Reib-
momentwerten zu definieren und anhand dieser Bänder eine eindeutige Unterschei-
dung zwischen den Vorspannungsklasse zutreffen.
Dieses Verhalten ist dabei besonders interessant für die im Zuge dieser Arbeit eben-
falls untersuchte Klassifikation der Vorspannung. Für diese zeigt sich an dieser Stelle,
dass das Reibmoment eine Größe darstellt, welche grundsätzliches Potential zur Klas-
sifikation besitzt. Allerdings ist die Erfassung im regulären Betrieb nicht ohne weiteres
möglich. Lediglich das zum Verfahren des Tisches notwendige Drehmoment, welches
unteranderem das Reibmoment der Mutter enthält, wird erfasst. Das hier beschriebene
Verhalten weist jedoch den kausalen Zusammenhang, der für eine Eignung des Dreh-
moments als Klassifikationsgröße nötig ist, nach.
Wie in den Plots ebenfalls zu sehen ist, gestaltet sich eine Unterscheidung zwischen
den Vorspannungsklassen C0 und C1 schwieriger. Die Reibmomentwerte beider Vor-
spannungsklassen liegen deutlich näher beieinander, wobei auf der Hinfahrt die Werte
von C0 über denen von C1 liegen und auf der Rückfahrt die von C1 über denen von
C0. Dies liegt möglicherweise an der bereits sehr gering Vorspannkraft für C1. Dies
legen die Herstellerangaben ebenfalls nahe. Wie Tabelle 7.3 zu entnehmen ist, wurde
das Reibmoment für C1 vom Hersteller mit 0,11 Nm angegeben. Durch das zwischen-
zeitlich erfolgte Einfahren ist mit einer weiteren Abnahme dieses Wertes zurechnen.
C0 - -
C1 0,110 0,020
C2 0,400 0,041
C3 0,844 0,058
Zustandsüberwachung von Kugelgewindetrieben zur Vorspannungsklassifikation mit Methoden der multivariaten Statistik
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Schätzung der Vorspannung 68
Beim Vergleich mit den Werten des Herstellers fällt außerdem ein Größenunterschied
zwischen den Herstellerangaben und den hier gemessenen Werten auf. Dieser Unter-
schied kommt möglicherweise zum Teil durch den zur Berechnung des Reibmoments
verwendeten Kalibrierfaktor zustande. Das Reibmoment wird innerhalb von MATLAB
aus dem Signal des DMS nach Gleichung 7.3 berechnet.
Dabei steht die Größe 𝑈𝐷𝑀𝑆 für die um das Off-Set bereinigte Spannung der DMS, 𝐾
für einen Kalibrierfaktor und 𝑙𝐵 für den konstruktiv bedingten Abstand zwischen den
DMS und dem Punkt der Kraftübertragung. Die konstruktiv bedingte Größe ist konstant
und beträgt laut den Konstruktionsunterlagen der Messvorrichtung 0,116 m. Für den
Kalibrierfaktor wird ein Wert von 31,484 N pro V verwendet. Dieser stammt aus vorhe-
rigen Untersuchungen mit der Messvorrichtung bei denen eine Kalibrierung durchge-
führt wurden. Eine erneute Kalibrierung vor den hier durchgeführten Messungen wurde
hingegen nicht durchgeführt. Ein ungenauer Kalibrierfaktor ist daher eine mögliche Ur-
sache für den vorhandenen Größenunterschied zwischen den Herstellerangaben und
den in Tabelle 7.4 zusammengefassten gemessenen Werten des Reibmoments.
Aus diesem Grund wird für weitere Messreihen neben der Bestimmung des Off-Sets
im spannungsfreien Zustand eine erneute Kalibrierung der Messvorrichtung empfoh-
len. Für den an dieser Stelle angestrebten qualitativen Vergleich der Vorspannungs-
stufen und deren Nachweis sind die Ergebnisse jedoch ausreichen.
Hinfahrt Rückfahrt
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Schätzung der Vorspannung 69
7.3 Frequenzgang
Zusätzlich zu den beiden bisher vorgestellten Methoden zur Bewertung der Vorspan-
nung wird der Frequenzgang des Systems bei einer Anregung mit einem als weißes
Rauschen bezeichneten Frequenzspektrum untersucht.
Dazu wird das System mit einer weiten Bandbreite an Frequenzen zum Schwingen
angeregt. Dies geschieht über die Sollwertvorgabe der Steuerung. Werden dabei Ei-
genfrequenzen des Systems angeregt kommt es zu lokalen Maxima der Schwingungs-
amplitude. Im Vorliegenden Fall drückt sich dies unter anderem durch eine größere
Geberdifferenz aus. Folglich ist es möglich durch eine Darstellung der Geberdifferenz
im Frequenzbereich die Eigenfrequenzen zu veranschaulichen und zu untersuchen.
Wie Imiela in seiner Arbeit zeigt, gilt für die axiale Eigenfrequenz einer Kugelgewinde-
mutter dabei der allgemein bekannte Zusammenhang zwischen der Eigenfrequenz 𝑓
und den Systemparametern Steifigkeit 𝑘 und Masse 𝑚. Durch diesen in Gleichung 7.4
gegebenen Zusammenhang wird ersichtlich, dass die axiale Steifigkeit direkten Ein-
fluss auf die Eigenfrequenzen hat. Bei konstanter Masse ist es daher möglich über
eine Bestimmung der Eigenfrequenzen auf die axiale Steifigkeit zu schließen.
𝟏 𝟏 𝒌
𝒇= 𝝎= √ ( 7.4 )
𝟐𝝅 𝟐𝝅 𝒎
Es gilt, dass bei ansonsten konstanten Systemparametern eine Zunahme der axialen
Steifigkeit zu einer höheren Eigenfrequenz führt. Eine Abnahme der axialen Steifigkeit
führt im Umkehrschluss zu einer Verschiebung der Eigenfrequenzen zu niedrigeren
Werten [IMIE06].
7.3.1 Versuchsdurchführung
Für die Untersuchungen wird der in Kapitel 6 vorgestellte Prüfstand verwendet. Der
Maschinentisch wird hierfür in eine Ausgangsposition bei einem X-Wert von 500 mm
verfahren. Anschließend wird über die Steuerung ein weißes Rauschen als Lagesoll-
wert vorgegeben. Über den Linearmaßstab des Prüfstandes wird währenddessen die
Antwort des Systems aufgezeichnet.
7.3.2 Auswertung
Zur Auswertung wird mithilfe von MATLAB die Geberdifferenz für jeder der Vorspan-
nungsklassen im Frequenzbereich geplottet. Wie Bild 7.8 zeigt, treten im Spektrum der
Vorspannungsstufen C1, C2 und C3 je zwei Bereiche mit lokal zunehmender
Amplitude auf. Diese erreichen ihr Maximum zum einen zwischen 55 Hz und 60 Hz
und zum anderen zwischen 100 Hz und 110 Hz. Für C0 ist hingegen nur ein bereiterer
Bereich eines lokalen Anstiegs um 50 Hz zu beobachten. Bei genauer Betrachtung
zeigt sich, dass die lokalen Anstiege sich mit Steigender Vorspannungsklasse jeweils
um wenige Herz nach oben verschieben.
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Schätzung der Vorspannung 70
Zustandsüberwachung von Kugelgewindetrieben zur Vorspannungsklassifikation mit Methoden der multivariaten Statistik
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Schätzung der Vorspannung 71
Dieser Effekt ist nach den Ergebnissen von Imiela zu erwarten, fällt jedoch deutlich
geringer als in den von ihm durchgeführten Untersuchungen aus. Eine mögliche Ursa-
che hierfür stellt die verwendete Mutterart dar. Imiela verwendete ein Doppelmutter-
system während in diesen Untersuchungen eine einteilige Mutter untersucht wird.
Die grundlegende Entwicklung ist dennoch vorhanden und belegt die mit der Vorspan-
nungsklasse steigende axiale Steifigkeit. Dies zeigen auch die im Anhang in Bild 11.1
bis Bild 11.4 dargestellten Modalanalysen für die vier Vorspannungsklassen. Aus die-
sen lassen sich Frequenzwerte für die erste und zweite Eigenfrequenz entnehmen.
Die Werte sind in Tabelle 7.5 aufgeführt und bestätigen den aus Bild 7.8 erhaltenen
Eindruck, dass mit zunehmender Vorspannklasse höhere Eigenfrequenzen vorliegen.
Dies ist auf eine mit der Vorspannungsklasse steigende axiale Steifigkeit zurückzufüh-
ren. Eine tatsächliche Zunahme der Vorspannung mit steigender Vorspannungsklasse
ist somit nachgewiesen.
C0 46 Hz 98 Hz
C1 54 Hz 102 Hz
C2 56 Hz 104 Hz
C3 60 Hz 108 Hz
Zustandsüberwachung von Kugelgewindetrieben zur Vorspannungsklassifikation mit Methoden der multivariaten Statistik
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Frequenzanalyse 72
8 Frequenzanalyse
Die Ausganssituation für das Vorliegende Kapitel ist durch die in Kapitel 4 vorgestellten
Voruntersuchungen gegeben. An diese Arbeiten wird im folgendem angeknüpft. Dabei
werden die bisher gewonnen Erkenntnisse genutzt, um die Vorspannungsklassifika-
tion von Kugelgewindetrieben gezielt weiterzuentwickeln. Hierfür wird das bisherige
Verfahren durch eine Betrachtung der aufgezeichneten Signale im Frequenzbereich
erweitert. Anschließend wird untersucht, inwieweit durch eine solche Berücksichtigung
des Frequenzbereichs und die Einführung neuer zusätzlicher Merkmale eine Steige-
rung der Klassifikationsrate realisierbar ist.
Wie in den Voruntersuchungen wird großer Wert auf die Robustheit des entwickelten
Verfahrens gelegt. Aus diesem Grund wird in Analogie zu den Voruntersuchungen der
Einfluss der Vorschubgeschwindigkeit weiterhin berücksichtigt. Darüber hinaus wird
die Störgröße Werkstückmasse weiter untersucht. Hierfür wird durch die Montage ver-
schiedener Gewichte auf dem Maschinentisch eine sich verändernde Werkstück-
masse simuliert. Insgesamt werden in den Untersuchungen demnach die folgenden
Einflüsse und die folgenden Merkmale näher untersucht:
− Variation der Vorschubgeschwindigkeit
− Variation der Störgröße Werkstückmasse
− Mehrwert einer Betrachtung von Merkmalen des Frequenzbereichs
8.1 Versuchsdurchführung
Die Durchführung gliedert sich zunächst in zwei große Arbeitspakete. Im ersten Teil
gilt es durch Planung und Durchführung von neuen Messreihen den bereits vorhande-
nen Datensatz zu erweitern. Hierfür ist für jede mögliche Kombination der zu variieren-
den Parameter eine eigene Messung durchzuführen. Im Anschluss an diesen experi-
mentellen Teil folgt das zweite Arbeitspaket. Dieses umfasst die Aufarbeitung und Ver-
arbeitung der Daten und gliedert sich in die Signalvorverarbeitung, Merkmalsextrak-
tion, Merkmalsselektion und die Dimensionsreduktion mittels Hauptkomponentenana-
lyse. Ebenfalls Teil dieses Pakets ist die anschließende Klassifikation. Das Vorgehen
während der gesamten Durchführung wird im Folgenden genauer beschrieben.
8.1.1 Messwertaufnahme
Für die Aufzeichnung der neuen Messreihen wird der in Kapitel 6 vorgestellte Prüf-
stand verwendet. Es wird dabei dieselbe Kombination aus Gewindespindel, Mutter und
Kugeln verwendet wie bereits in den Voruntersuchungen. Diese Konfiguration wurde
im Zuge der Arbeit von Meyer erstmal verwendet und eingefahren. Eine genauere Be-
schreibung des Vorgangs sowie die während des Einlaufprozesses beobachtete Rei-
bung kann der entsprechenden Arbeit entnommen werden. Aus diesem Grund wird an
dieser Stelle auf den ansonsten notwendigen Einlaufprozess verzichtet und direkt mit
der Aufzeichnung der Messreihen begonnen.
Zustandsüberwachung von Kugelgewindetrieben zur Vorspannungsklassifikation mit Methoden der multivariaten Statistik
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Frequenzanalyse 73
Während der Messwertaufnahme wird über die Methode der Kugelsortierung die Vor-
spannung variiert. Hierfür wird nach dem Abschluss alle Messungen mit einer Vor-
spannungsstufe die Mutter ausgebaut und die verwendeten Kugeln werden gegen die
Kugeln der nächsten Vorspannungsstufe ausgetauscht. Auf diese Weise werden nach-
einander vier verschiedenen Zustände des Parameters Vorspannung erzeugt und un-
tersucht. Für jeden dieser Zustände wird zusätzlich die bewegte Masse variiert. Dazu
wird der Maschinentisch zum einen ohne zusätzliche Gewichte verfahren und zum an-
deren mit je 25 Kg, 50 Kg und 75 Kg zusätzlichem Gewicht. Bei der Montage der Ge-
wichte wurde dabei auf eine spielfreie und möglichst gleichmäßige Verteilung der zu-
sätzlichen Last geachtet. Insgesamt ergeben sich durch die Parameter Vorspannung
und Gewicht an dieser Stelle 16 verschiedene untersuchte Parameterkombinationen.
Für jeder dieser Kombinationen wird schließlich noch der dritte zu untersuchende Pa-
rameter, die Vorschubgeschwindigkeit, variiert. Dafür wird je eine Messfahrt mit einer
Vorschubgeschwindigkeit von 3300 mm/min, 6000 mm/min, 11000 mm/min, 17000
mm/min und 20000 mm/min durchgeführt. Dies führt schließlich zu einer Anzahl von
insgesamt 80 Messfahrten. Je eine für jeder der 80 untersuchten Parameterkombina-
tionen. Zur Übersicht sind die untersuchten Parameterwerte der variierten Größen in
Tabelle 8.1 noch einmal zusammengefasst.
Vorspannung C1 C2 C3 C4
Gewicht 0 Kg 25 Kg 50 Kg 75 Kg
Eine Messfahrt besteht insgesamt aus 22 Hinfahrten von der Festlagerseite zur Los-
lagerseite und 22 Rückfahrten von der Loslagerseite zur Festlagerseite. Die interne
Signalaufnahme erfolgt dabei auf dem Computer der Steuerung, während die externe
Signalaufnahme auf dem Industrie-PC erfolgt. Hierfür werden vor dem Start einer je-
den Messfahrt auf dem Steuerungscomputer und dem Industrie-PC entsprechende
Programme zur Aufzeichnung der Signale manuell gestartet. Nach einer kurzen War-
tezeit von etwa zwei Sekunden nach dem Start der Aufzeichnung wird anschließend
das Programm zur Durchführung der Messfahrt gestartet.
Zustandsüberwachung von Kugelgewindetrieben zur Vorspannungsklassifikation mit Methoden der multivariaten Statistik
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Frequenzanalyse 74
8.1.2 Signalvorverarbeitung
Die Signalvorverarbeitung findet zum Teil schon während der Signalaufnahme statt.
Dies liegt an der analogen Tiefpassfilterung mit einer Grenzfrequenz von 30 kHz, die
für die Signale der IEPE-Sensoren während der Übertragung an den Industrie-PC
durchgeführt wird. Der Hauptteil der Vorverarbeitung wird hingegen, wie die Verarbei-
tung und Auswertung, in MATLAB durchgeführt.
Für jede Messfahrt liegen jeweils separate Datei für die intern und die extern aufge-
nommenen Signale vor. Diese Dateien werden in einem ersten Schritt konvertiert und
in MATLAB importiert. Dort werden die aufgezeichneten Rohsignale zusammengeführt
und in einem Messwertspeicher gebündelt abgespeichert. Während dieses Vorgangs,
wird der beim manuellen Start der Aufzeichnungsprogramme entstandene Zeitversatz
detektiert und die Rohsignale werden zeitlich synchronisiert.
Anschließend erfolgt eine Segmentierung der Signale in die vier Segmente Vorfahrt,
Rückfahrt, Umkehr Vorfahrt und Umkehr Rückfahrt. Die Segmente der Vorfahrt und
der Rückfahrt umfassen dabei die Abschnitte einer Messfahrt, bei der mit konstanter
Geschwindigkeit entweder vom Fest- zum Loslager verfahren wird (Vorfahrt) oder vom
Los- zum Festlager (Rückfahrt). Das Segment Umkehr Vorfahrt beinhaltet die Ab-
brems- und die Beschleunigungsphasen auf der Loslagerseite und das Segment Um-
kehr Rückfahrt die entsprechenden Phasen der Festlagerseite. Auf diese Weise wird
zum einen eine getrennte Betrachtung der Fahrtrichtungen ermöglicht und zum ande-
ren wird zwischen den homogenen Segmenten und den Umkehrphasen unterschie-
den. Einen Sonderfall stellen an dieser Stelle das erste und das letzte Segment einer
jeden Messfahrt dar. Durch das Anfahren aus dem Stillstand beziehungsweise das
Abbremsen zum Stillstand sind diese Segmente einzigartig. Ihr Stichprobenumfang ist
somit eins, wodurch für diese Segmente berechnete Merkmale besonders störanfällig
sind. Sie finden aus diesem Grund in der Analyse keine weitere Berücksichtigung.
Nachdem die Segmentgrenzen bestimmt sind, werden die Signale aller Beschleuni-
gungssensoren mit Tief- und Bandpässen gefiltert und die dadurch erhaltenen Signale
dem Messwertspeicher hinzugefügt. Für den MEMS-Sensor, die Klopfsensoren, die
KS94B100 Sensoren und den KS901B10 Sensor werden hierbei in Abhängigkeit ihrer
Messfrequenz Tiefpassfilterungen durchgeführt. Die Signale alle Beschleunigungs-
sensoren werden außerdem durch vier Bandpassfilter verarbeitet. Zwei dieser Band-
pässe filtern alle Frequenzen außerhalb eines ±2 Hz Toleranzbandes um die theore-
tisch berechnete Motordrehfrequenz beziehungsweise dem vierfachen dieser Mo-
torfrequenz heraus. Die übrigen zwei Bandpässe filtern Signalanteile außerhalb eines
±5 Hz Toleranzbandes um die nach Gleichung 3.2 und 3.3 theoretisch berechneten
Mutter- und Spindelüberrollfrequenzen heraus. Die Bandbreite wurde für die Motord-
rehfrequenzen gezielt geringer gewählt, da in Voruntersuchungen sehr scharfe Peaks
im Frequenzbereich beobachtet wurden. Die Bandbreite der Überrollfrequenzen wurde
hingegen größer gewählt. Dies liegt zum einen daran, dass es sich bei den verwende-
ten Gleichungen um Überschlagsrechnungen handelt. Folglich ist in der Praxis damit
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Frequenzanalyse 75
8.1.3 Merkmalsextraktion
Die Merkmalsextraktion hat die Erstellung eines Merkmalpools zum Ziel. Hierfür wer-
den die Merkmale zunächst berechnet und anschließend normiert. Die Berechnung
erfolgt separat für jedes der vier Segmente und zusätzlich je einmal für die komplette
Vorfahrt und die komplette Rückfahrt. Es werden dabei insgesamt 18 verschiedene
Merkmale berechnet. Diese sind in Tabelle 11.1 des Anhangs aufgeführt. Die Merk-
male werden anschließend mit dem in Kapitel 2.3.2 vorgestellten Z-Score Verfahren
normiert. Diese Normierungsmethode gewichtet Ausreißer weniger stark. Dies ist be-
sonders dann sinnvoll, wenn, wie im vorliegenden Fall, keine gesonderte Betrachtung
der Ausreißer erfolgt. Die Normierung mit dem Z-Score wird dabei einmal über alle vier
Vorspannungsklassen und für jede Vorspannungsklasse einzeln durchgeführt. Der
dadurch erstellte Merkmalspool umfasst somit für 65 Signale, 6 Segmentbedingungen
und 18 Merkmale insgesamt 7020 verschiedene Merkmale für jede der Normierungen.
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Frequenzanalyse 76
8.1.4 Merkmalsselektion
Im Anschluss an die Merkmalsberechnung und Normierung erfolgt die Auswahl geeig-
neter Merkmale aus dem erstellten Merkmalspool. Hierfür wird eine teilautomatisierte
Vorgehensweise gewählt. Durch eine manuelle Vorselektion wird der Umfang, der im
automatischen Teil berücksichtigten Merkmale reduziert. Auf diese Weise werden Sig-
nale und Merkmale, die keinen kausalen Zusammenhang zur Vorspannung besitzen
oder für die in den Voruntersuchungen bereits keine ausreichende Robustheit gegen-
über Umwelteinflüssen nachgewiesen wurde ausgeschlossen. Für den automatischen
Teil wird mit der in Kapitel 2.3.3 vorgestellten F-Statistik ein Filterverfahren verwendet.
Die F-Statistik bietet den Vorteil, dass bei der Berechnung des empirischen F-Werts
sowohl die Freiheitsgrade als auch der Stichprobenumfang berücksichtigt werden.
Dies ermöglicht es durch die Wahl eines Signifikanzniveaus eine untere Schranke an-
hand der F-Verteilung beziehungsweise der F-Tabelle für den F-Wert zu finden. Liegt
der berechnete empirische F-Wert 𝐹𝑒𝑚𝑝 oberhalb des tabellarischen Grenzwertes 𝐹𝑡𝑎𝑏
darf mit einer entsprechenden Wahrscheinlichkeit vom Vorliegen eines statistisch sig-
nifikanten Zusammenhanges ausgegangen werden.
Zur Berechnung des F-Wertes werden zwei unterschiedliche Ansätze verfolgt und un-
tersucht. Zum einen wird der F-Wert über alle vier Vorspannungsklassen berechnet
und zum anderen paarweise zwischen den einzelnen Klassen, wobei das Minimum
aus den sechs möglichen Kombinationen als F-Wert verwendet wird.
Für die Selektion der Merkmale wird 10 als erster Grenzwert gewählt. Für diesen Wert
beträgt die Irrtumswahrscheinlichkeit in jedem der untersuchten Fälle weniger als 1%.
Darüber hinaus werden auch Auswahlen mit einem Grenzwert von 25 und 50 durch-
geführt. Dadurch wird eine Fokussierung auf wenige höher bewertete Merkmale er-
reicht.
8.1.5 Hauptkomponentenanalyse
Zur Dimensionsreduktion wird, die in Kapitel 2.3.3 eingeführte, Hauptkomponen-
tenanalyse verwendet. Diese führt eine Transformation durch und bildet aus den Merk-
malen neue Hauptachsen. Dabei enthalten die ersten Hauptkomponenten den Groß-
teil der Varianz und somit der Informationen. Aus diesem Grund werden anschließend
die ersten beiden Hauptkomponenten zum Aufspannen eines neuen Merkmalsraumes
herangezogen. Alle Datenpunkte besitzen in diesem neu definierten Merkmalsraum
neue Koordinaten, die im weiteren als PCA-Scores (PCA engl. Principal Component
Analysis) oder kurz Scores bezeichnet werden. Anhand dieser PCA-Scores werden
alle Datenpunkte entlang der ersten beiden Hauptkomponenten in einer Ebenen ab-
gebildet. In dieser Darstellungsform wird schließlich die Klassifizierbarkeit der Zu-
stände untersucht.
Neben dieser Darstellung wird für beide Hauptkomponenten eine weitere Abbildung
erstellt. Diese zeigt für jedes Merkmal einen eigenen Balken der die Gewichtung, mit
der dieses Merkmal in die jeweilige Hauptkomponente einfließt, darstellt.
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Frequenzanalyse 77
8.1.6 Klassifikation
Zur Klassifikation wird die Score-Matrix, die durch die Hauptkomponentenanalyse er-
zeugt wurde, zunächst zufällig in einen Trainings- und einen Testdatensatz aufgeteilt.
Der Trainingsdatensatz umfasst hierbei 75% der gelabelten Messwerte und der Test-
datensatz die verbleibenden 25%. Wobei auf eine ausreichende Repräsentation der
einzelnen Klassen in den jeweiligen Datensätzen geachtet wird. Diese zufällige Auftei-
lung wird mehrfach wiederholt, um die Aussagekräftigkeit der Ergebnisse zu erhöhen.
Anschließend werden die Datensätze genutzt, um die in Kapitel 2.4 vorgestellten Ver-
fahren zur Klassifikation anzulernen und die mit ihnen erreichten Klassifikationsraten
zu evaluieren. Zur Veranschaulichung der Ergebnisse werden schließlich Konfusions-
matrizen erstellt. Diese ermöglichen es einen Eindruck über die Klassifikationsrate und
die falsch klassifizierten Zustände zu gewinnen.
8.2 Auswertung
Zur Auswertung werden zunächst die einzelnen Signale und ihre Merkmale isoliert für
einzelne Werkstückmassen und Geschwindigkeiten untersucht. Der Fokus liegt dabei
besonders auf der Sensitivitätsanalyse verschiedener Frequenzbänder. Im weiteren
Verlauf werden anschließend Signal übergreifende Untersuchungen durchgeführt.
Zustandsüberwachung von Kugelgewindetrieben zur Vorspannungsklassifikation mit Methoden der multivariaten Statistik
08/2020
Frequenzanalyse 78
einer Berechnung der F-Statistik über alle vier Klassen bei einem Stichprobenumfang
von 20 berücksichtigten Hüben, folgt bei der Forderung einer Irrtumswahrscheinlich-
keit von unter 1%, dass ab einem F-Wert von über 4,04 von einem statistisch signifi-
kanten Zusammenhang ausgegangen werden darf. Eine Berechnung auf diese Weise
und die Auswahl anhand dieses Richtwertes erweist sich in der Praxis jedoch proble-
matisch. Durch den globalen Charakter der Berechnungsmethode werden einzelne
Merkmale ausgewählt und bei der Hauptkomponentenanalyse berücksichtigt, die zum
Teil große Unterschiede zu einigen Klassen aufweisen zu einer anderen Klasse jedoch
zum Teilen keine oder nur einen sehr geringen Unterschied. Dadurch kommt es ver-
einzelt zu der im oberen Teil von Bild 8.1 dargestellten Problematik. Wie zusehen ist,
kommt es bei der Wahl eines Grenzwertes von 10 bei der Selektion der Merkmale des
Beschleunigungssignals des KS901B10 Sensors zu einem Überlappen der Cluster
von C0 (blau) und C3 (violett). Ein gutes Klassifikationsergebnis für die betroffenen
Cluster ist aufgrund dieser Problematik nicht zu erwarten.
Bild 8.1: Vergleich PCA-Score, KS901B10, Hinfahrt, F6000, 0 Kg, Z-Score Nor-
mierung, F-Statistik über 4 Klassen, Grenzwert 10 oben, Grenzwert 50
unten
Die Cluster der Klassen C1 (orange) und C2 (gelb) lassen sich hingegen gut von den
anderen Klassen abgrenzen. Allerdings weisen alle Klassen in diesem Fall eine deut-
lich zu erkennende interne Streuung auf, die in derselben Größenordnung liegt wie die
Clusterabstände. Das gesamte erzielte Ergebnis ist somit als kritisch zu bewerten.
Zustandsüberwachung von Kugelgewindetrieben zur Vorspannungsklassifikation mit Methoden der multivariaten Statistik
08/2020
Frequenzanalyse 79
Wie in Bild 8.1 ebenfalls gezeigt wird, ist es möglich der beschriebenen Problematik
durch die Wahl eines höheren Grenzwertes entgegenzuwirken. So wird für einen Se-
lektion aller Merkmale mit einem F-Wert von über 50, die im unteren Teil dargestellte
Verteilung erreicht. Das Beispiel zeigt somit, dass eine bessere Trennung der Cluster
in der Theorie durch die Wahl eines höheren Grenzwertes erreichbar ist. Dieses Vor-
gehen gestaltet sich in der Praxis jedoch als schwierig. So ist es a priori nicht möglich
den Grenzwert für ein optimales Ergebnis vorherzusagen. Wird er sehr niedrig ange-
setzt, nimmt die Gefahr von Überschneidungen zu. Wird er hingegen sehr groß ange-
setzt, steigt zunehmend die Gefahr wertvolle Informationen zu verlieren. Dies kann im
schlimmsten Fall dazu führen, dass alle Merkmale ausgeschlossen werden und die
Separierung der Cluster somit vollständig fehlschlägt.
Des Weiteren ist es möglich, dass die beschriebene Problematik selbst bei sehr hohen
Grenzwerten auftritt. Um dies zu verdeutlichen, stelle man sich vor, dass die in Bild 8.1
oben dargestellten Cluster für C0 und C3 ihre Position beibehalten und die Cluster der
Zustände C1 und C2 sich immer weiter von diesen entfernen. Der F-Wert würde in
einem solchen Fall durch die zunehmende Streuung zwischen den einzelnen Clustern
kontinuierlich steigen und auf eine bessere Klassifizierbarkeit hindeuten. Eine tatsäch-
liche Besserung für die Unterscheidung der Zustände C0 und C3 würde jedoch nicht
erreicht werden. Das Problem liegt folglich in dem globalen Charakter der F-Statistik.
Sie ist daher in dieser Form nur bedingt für die Merkmalsselektion geeignet. Höhere
F-Wert, die auf diese Weise berechnet werden, sind somit zwar eine notwendige Be-
dingung für das Vorhandensein statistisch signifikanter Unterschiede und eine mögli-
che Klassifizierbarkeit der verschiedenen Zustände, jedoch handelt es sich bei ihnen
um keine hinreichende Bedingung für ein gutes Ergebnis.
Es muss folglich ein neues Bewertungskriterium definiert werden, welches die Gefahr
einer Überbewertung beziehungsweise Unterbewertung einzelner Unterschiede aus-
schließt.
Hierfür wird eine Methode vorgeschlagen, die die Berechnung der statistischen Signi-
fikanz für alle sechs möglichen Klassenkombination einzeln vornimmt. Die Auswahl
der Merkmale erfolgt anschließend anhand des minimalen Signifikanzwertes aller
Kombinationen. Hierdurch soll garantiert werden, dass ein Merkmal nur dann ausge-
wählt wird, wenn es zu jeder der anderen Klassen einen statistisch signifikanten Un-
terschied besitzt. Ist dies für alle selektierten Merkmale garantiert, stehen der Haupt-
komponentenanalyse Informationen für die Trennung alle Cluster zur Verfügung.
Die Implementierung der vorgeschlagenen Methode erfolgt durch die Anwendung der
bereits bekannten F-Statistik auf jede der sechs möglichen Klassenkombinationen.
Dabei wird mit der F-Verteilung als Richtwert erneut eine untere Schranke für die Se-
lektion gewählt. Weshalb im Weiteren der niedrigste Grenzwert bei 10 liegt.
Wird die vorgeschlagene Methode auf das bekannte Signal des KS901B10 Sensors
angewendet, wird die in Bild 8.2 unten dargestellte Verteilung erzielt. Eine Auflistung
der dabei berechneten F-Werte ist im Anhang in Tabelle 10.2 zu finden.
Zustandsüberwachung von Kugelgewindetrieben zur Vorspannungsklassifikation mit Methoden der multivariaten Statistik
08/2020
Frequenzanalyse 80
Die Vorteile der Methode werden durch den direkten Vergleich mit der darüber darge-
stellten ursprünglichen Verteilung deutlich. In beide Fällen liegt der Grenzwert für die
Selektion bei 10. Durch die neue Methode wird bereits für einen solchen Grenzwert
eine deutlich sichtbare Trennung aller Cluster erzielt. Darüber hinaus wird auch die
Streuung innerhalb der einzelnen Cluster stark reduziert. Die Klassen C0, C1 und C3
weisen jeweils nur geringe Streuungen im Verhältnis zu den Abständen zwischen ihren
Clustern auf. Selbst für die Klasse C2, die in beiden Fällen die größte interne Streuung
aufweist, ist es gelungen das Verhältnis aus internen Abständen und dem Abstand
zum nächstgelegenen Cluster sichtbar zu verbessern.
Bild 8.2: Vergleich PCA-Score, KS901B10, Hinfahrt, F6000, 0 Kg, Z-Score Nor-
mierung, F-Statistik über 4 Klassen oben, F-Statistik Minimum zwischen
2 Klassen unten, Grenzwert 10
Für die neu eingeführte Methode zur Merkmalselektion ist es ebenfalls möglich über
höhere Grenzwerte bei der Merkmalsselektion Einfluss auf das Ergebnis zu nehmen.
Wie Bild 8.3 darstellt fällt der erzielte Effekt im vorliegenden Beispiel jedoch deutlich
geringer aus. Es kommt lediglich zu geringfügigen Verschiebungen der Cluster. Im
betrachteten Fall führt dies dazu, dass der Abstand zwischen den Clustern C0 und C3,
welcher der geringste der Clusterabstände ist, geringfügig wächst. Dies kommt durch
die leichte Verschiebung der Punkte von C3 in negative Richtung der ersten Haupt-
komponente zustande. Die Cluster von C1 und C2 nähern sich währenddessen dem
Nullwert der ersten Hauptkomponente und damit den übrigen Clustern geringfügig an.
Zustandsüberwachung von Kugelgewindetrieben zur Vorspannungsklassifikation mit Methoden der multivariaten Statistik
08/2020
Frequenzanalyse 81
Bild 8.3: Vergleich PCA-Score, KS901B10, Hinfahrt, F6000, 0 Kg, Z-Score Nor-
mierung, F-Statistik Minimum zwischen 2 Klassen, Grenzwert 10 oben,
Grenzwert 50 unten
Wird die vorgeschlagene Methode nun zur Bewertung der dargestellten Verteilungen
herangezogen, zeigt sich ein interessantes Verhalten. Für die obere Verteilung wird
ein F-Wert von 1493 berechnet während der F-Wert für die untere Verteilung 1316,4
beträgt. Folglich kommt es durch die Wahl eines höheren Grenzwertes zu einer als
schlechter bewerteten Verteilung.
Eine Betrachtung aller berechneten F-Werte zeigt für beide Fälle, dass die Kombinati-
onen C0 (blau) und C2 (gelb) jeweils den geringsten F-Wert aufweisen. Die Unter-
scheidung zwischen diesen beiden Zuständen wird von der Methode folglich als am
schwierigsten bewertet. Dieses Resultat ist nachvollziehbar, da das Verhältnis aus in-
terner Streuung und Clusterabstand für die Paarung aus C0 und C2 am geringsten ist.
Die hohe Streuung innerhalb von C2 ist hierbei besonders kritisch. Dies bestätigen die
F-Werte der übrigen Kombinationen von C2. Für die Unterscheidung der Zustände C2
und C3 beziehungsweise C2 und C0 werden die zweit respektive dritt niedrigsten F-
Werte berechnet. Die untere Verteilung wird schlussendlich als schlechter bewertet,
da es durch den restriktiveren Grenzwert zu keiner maßgeblichen Abnahme der inter-
nen Streuung von C2 kommt während gleichzeitig der Abstand zwischen C2 und C0
sichtbar abnimmt.
Zustandsüberwachung von Kugelgewindetrieben zur Vorspannungsklassifikation mit Methoden der multivariaten Statistik
08/2020
Frequenzanalyse 82
Durch die Betrachtung des vorliegenden Falls wird somit gezeigt, dass die vorgeschla-
gene Methode nachvollziehbaren und plausiblen Ergebnisse liefert. Darüber hinaus
scheint sie bereits für geringe Grenzwerte bei der Merkmalsselektion gute Ergebnisse
zu liefern. Dies ist möglicherweise hilfreich, um der bei a priori notwendigen Wahl des
Grenzwertes einem Informationsverlust durch einen zu restriktiven Grenzwert vorzu-
beugen. Weitere Untersuchungen, die sich explizit mit diesem Sachverhalt und der
optimalen Grenzwertwahl beschäftigen sind daher an dieser Stelle denkbar.
Zur Merkmalselektion und zur Bewertung der Verteilung im Merkmalsraum der Haupt-
komponenten hat sich die Methode der paarweise F-Wert Berechnung und der Aus-
wahl des Minimums folglich bewährt. Im weiteren Verlauf der Arbeit wird daher diese
Methode verwendet.
Zustandsüberwachung von Kugelgewindetrieben zur Vorspannungsklassifikation mit Methoden der multivariaten Statistik
08/2020
Frequenzanalyse 83
Zur Vollständigkeit sind jedoch die Graphen aller acht Signale im Anhang zu finden
(siehe Bild 11.5 bis 11.12 des Anhangs)
Für alle untersuchten Signale zeigen sich zunächst mehrere Gemeinsamkeiten, die in
einer mehr oder weniger stark ausgeprägten Form auftreten. So sind die Interquartils-
abstände der Merkmalswerte in den Umkehr Segmenten der ungefilterten oder tief-
passgefilterten Signale grundsätzlich sichtbar größer. Für diese Signale belegt dies
somit eine stärkere Streuung der Merkmalswerte in diesen Segmenten. Darüber hin-
aus zeigt sich, dass in allen Segmenten für kein Signal der IEPE-Sensoren ein nen-
nenswerter Effekt durch eine Tiefpassfilterung mit 20 kHz erzielt wird. Diese Filterung
der Signale des KS901B10 oder der KS94B100 Sensoren bietet folglich keinen Mehr-
wert für die Frequenzbandsumme. Gleiches gilt auch für die hier nicht dargestellte
Tiefpassfilterung der Klopfsensoren mit 5 kHz und des MEMS-Sensors mit 2,5 kHz.
Durch eine Filterung der IEPE-Sensoren mit 10 kHz werden hingegen sichtbare Ef-
fekte erzielt. Diese führen jedoch häufig dazu, dass die Merkmalswert der Klassen C0
und C2 sich, wie in Bild 8.4 zu sehen ist, annähern, wodurch sich ihre Quantile zum
Zustandsüberwachung von Kugelgewindetrieben zur Vorspannungsklassifikation mit Methoden der multivariaten Statistik
08/2020
Frequenzanalyse 84
Teil überschneiden. Dies ist grundsätzlich nachteilig für eine Unterscheidung dieser
Zustände. Ein Mehrwert für die Frequenzbandsumme ist daher auch hier nicht gege-
ben.
Die Frequenzbandsummen der ungefilterten oder tiefpassgefilterten Signale weisen
im Vergleich zu den bandpassgefilterten Signalen zwei entscheidende Vorteile auf. Sie
besitzen deutlich geringeren Interquartilsabstände und im Verhältnis dazu große Ab-
stände zwischen den Medianen der einzelnen Klassen. Dies deutet auf eine hohe sta-
tistische Signifikanz hin und drückt sich durch hohe berechnete F-Werte aus. Dies ist
grundsätzlich hilfreich für die angestrebte Klassifikation. Jedoch stellt sich bei einer
Betrachtung der Rangfolge der Merkmalswerte der einzelnen Klassen bei diesen breit-
bandigen Frequenzbandsummen die Frage der Generalisierbarkeit. Für die ungefilter-
ten oder Tiefpassgefilterten Signale aller acht Sensoren weist die Vorspannungsklasse
C2 in fast allen Segmenten den höchsten Merkmalswert auf, während C3 gleichzeitig
oft den geringsten Wert aufweist. Es ist daher keine monotone Tendenz zu erkennen.
Dies steht im Gegensatz zu vielen in der Literatur festgehaltenen Beobachtungen.
Zustandsüberwachung von Kugelgewindetrieben zur Vorspannungsklassifikation mit Methoden der multivariaten Statistik
08/2020
Frequenzanalyse 85
Dort wird für die Schwingungsenergie eine Tendenz beschrieben, die bei Schäden o-
der einem Vorspannungsverlust monoton zunimmt. Eine solche Tendenz sollte sich
demnach auch bei der Frequenzbandsumme zeigen.
Es stellt sich daher an dieser Stelle die Frage, inwieweit ein Merkmal, für das in den
hier durchgeführten Untersuchungen eine hohe statistische Signifikanz nachgewiesen
wird, tatsächlich in der Praxis nutzbar ist. In der späteren Anwendung werden anders
als in den Untersuchungen keine diskreten Vorspannungszustände vorliegen, sondern
es wird ein kontinuierlicher Verlust der Vorspannung durch den Verschleiß erzeugt.
Dies führt dazu, dass die Merkmalswerte sich ebenfalls kontinuierlich verändern und
die Übergänge zwischen den hier erzeugten Klassen in der Realität fließend sind.
Dementsprechend ist mit einem stetigen Verlauf der Merkmalswerte ohne Sprünge
zurechnen. Hierbei ergibt sich für Merkmale, die keinen monotonen Verlauf aufweisen,
sondern lokale Extrema beinhalten, eine problematische Eigenschaft. Es ist in einem
solchen Fall im Allgemeinen nicht möglich die gemessenen Merkmalswerte stets ein-
deutig einem Punkt des Verlaufs zuzuordnen. Um diese Problematik zu verdeutlichen
wird das in Bild 8.6 oben dargestellte Vorsegment ohne Filter betrachtet.
Zustandsüberwachung von Kugelgewindetrieben zur Vorspannungsklassifikation mit Methoden der multivariaten Statistik
08/2020
Frequenzanalyse 86
Zunächst gehe man davon aus, dass ein Kugelgewindetrieb zu Beginn seiner Betriebs-
zeit eine Vorspannung besitzt, die der dargestellten Klasse C3 entspricht. Nun kommt
es infolge des Verschleißes zu einem Verlust der Vorspannung und zu einem Über-
gang zur hier dargestellten Klasse C2. Dabei spring der Wert des Merkmals Frequenz-
bandsumme jedoch nicht, sondern weist einen stetigen Verlauf auf. Zwangsweise wird
er hierbei zwischenzeitlich den Wertebereich der Klassen C0 und C1 durchlaufen.
Dadurch ist es in dem von der Überschneidung betroffenen Wertebereich nicht mehr
möglich allein anhand des Merkmalswertes zwischen den Klassen zu unterscheiden.
Der Zusammenhang zwischen Merkmalswert und Vorspannung ist somit nicht länger
injektiv. Für eine spätere Anwendung in der Praxis ist ein solcher Zusammenhang je-
doch wünschenswert. So ermöglicht dieser beispielsweise eine Beurteilung des Zu-
standes mittels Schwellwertverfahren.
Die hohen F-Werte einzelner Merkmale sollten daher stets kritisch hinterfragt werden.
Es muss davon ausgegangen werden, dass eine hohe statistische Signifikanz, die bei
der Betrachtung von nur vier diskreten Vorspannungsklassen beobachtet wird, keine
gesicherte Übertragung der Erkenntnisse ermöglicht. Eine Allgemeingültigkeit von
Verfahren, die mithilfe diskreter Klassen und allein anhand der erzielten F-Werten ent-
wickelt werden, ist daher fragwürdig. Aus diesem Grund sollten beobachtete statistisch
signifikante Zusammenhänge hinsichtlich ihrer Plausibilität geprüft werden.
Zusätzlich zu den bisher besprochenen ungefilterten beziehungsweise tiefpassgefil-
terten Signalen werden vier verschiedene bandpassgefilterte Varianten der Beschleu-
nigungssignale untersucht. Dafür werden die Erkenntnisse der in Kapitel 3 und 4 vor-
gestellten Arbeiten als Anhaltspunkte genutzt, um möglicherweise charakteristische
Frequenzbereiche zu identifizieren. Die Frequenzbandsummen der entsprechend ge-
filterten Signale sind in den Bildern 8.4 bis 8.6 dargestellt. Es zeigt sich, dass es durch
die Filterung zu Änderungen in der Rangfolge und zu einer deutlich stärkeren Streuung
der Merkmalswerte innerhalb der Klassen kommt. Die im Verhältnis zu den Medianab-
ständen deutlich gestiegene Streuung ist hierbei nachteilig für die statistische Signifi-
kanz und wirkt sich entsprechend auf die berechneten F-Werte aus.
Für die Frequenzbänder in den Bereichen der Motorfrequenz und dem vierfachen der
Motorfrequenz werden für die Signale des KS901B10 und des KS94B100 der X-Rich-
tung deutlich unterschiedliche Merkmalswerte aufgezeichnet. Hierbei streuen die
Merkmalswerte des KS901B10 kaum im Vergleich zu denen der KS94B100. Für alle
Signale dieser Frequenzbänder ist außerdem eine Veränderung der Rangfolge zu be-
obachten, wobei zwischen allen drei betrachteten Signalen Unterschiede bestehen.
Dies führt jedoch in keinem Fall zu der gewünschten monotonen Tendenz. Darüber
hinaus ist die Rangfolge nicht in allen Segmenten gleich und unterscheidet sich teil-
weise auch zwischen Hin- und Rückfahrt. Es ergibt sich daher kein eindeutiges Ergeb-
nis. Zusätzlich liegen einige der Merkmalswerte der verschiedenen Klassen sehr nahe
beieinander, was eine richtige Zuordnung der betroffenen Klassen erschwert. Alles in
allem zeigt sich für diese Frequenzbänder kein Mehrwert, der die zusätzliche Filterung
rechtfertigt. Die statistische Signifikanz sinkt, ohne dass eine klare Tendenz entsteht.
Zustandsüberwachung von Kugelgewindetrieben zur Vorspannungsklassifikation mit Methoden der multivariaten Statistik
08/2020
Frequenzanalyse 87
Anders verhält es sich für die Frequenzbänder in den Bereichen der Mutter- und der
Spindelüberrollfrequenz. Hier kommt es für die Signale der IEPE-Sensoren in X- und
Y-Richtung zu einer merklichen Sortierung der Rangfolge, die im Einklang mit der Li-
teratur steht. Wie erwartet weist C3 hierbei den niedrigsten Merkmalswert auf und es
liegt eine mit sinkender Vorspannung monoton zunehmende Frequenzbandsumme
vor. Generell werden dabei bessere Ergebnisse in den Segmenten mit konstantem
Vorschub erzielt, jedoch weisen auch die Umkehr Segmente mit Abstrichen die ge-
wünschte monotone Tendenz auf. So liegt der Merkmalswert der Klasse C3 des Fre-
quenzbandes der Mutterüberrollfrequenz des KS901B10 in den Umkehr Segmenten
zwar über denen der Klasse C1 und C2 für das Segment der Spindelüberrollfrequenz
jedoch wieder unter diesen. Das insgesamt beste Ergebnis hinsichtlich der Rangfolge,
der Streuung und den Medianabständen liefert das Signal des in Bild 8.5 dargestellten
KS94B100 Sensors der X-Richtung. Hier ist eine Klare Sortierung zu erkennen bei der
vor allem C0 einen deutlichen Abstand aufweist. Dies ist günstig da C0 ebenfalls die
größte interne Streuung aufweist. So kommt es dazu, dass für keine der Klassen zu
einer Überschneidung ihrer Quantilsbereiche kommt. Dies ist positiv für eine richtige
Zuordnung von gemessenen Werten zu den Klassen und deutet auf eine ausreichende
statistische Signifikanz hin.
Zusammenfassend zeigt die Analyse der Frequenzbandsummen aller implementierten
Filter, dass eine Bandpassfilterung im Bereich der charakteristischen Frequenzen der
Mutter- und Spindelüberrollfrequenzen einen Mehrwert bietet. Dieser ist in einer Sor-
tierung der Klassenrangfolge begründet. Hierdurch wird ein Zusammenhang abgebil-
det, der in der Literatur beschrieben wird, weshalb ein nachgewiesener kausaler Zu-
sammenhang zwischen Vorspannung und Merkmalswert vorliegt. Die dabei erzeugte
monotone Tendenz spricht außerdem für eine Generalisierbarkeit. Nachteilig bei der
Nutzung der gefilterten Signale ist jedoch das deutlich schlechtere Verhältnis aus klas-
seninterner Streuung und Medianabständen. Dies deutet auf eine geringere statisti-
sche Signifikanz hin, was im Weiteren untersucht und beziffert werden muss.
8.2.3 Auswirkungen der Filter auf die Merkmalswerte und die PCA
Ausgehend von den Beobachtungen des vorherigen Abschnitts, wird im Folgendem
das Signal des KS94B100 der X-Richtung näher untersucht. Wie zuvor wird der Fall
einer Vorschubgeschwindigkeit von 6000 mm pro min bei 0 kg Werkstückmasse be-
trachtet. Allerdings werden nun die Auswirkungen der Filter auf die übrigen 17 Merk-
male analysiert. Dazu werden die Z-Score normierten Merkmalswerte in Analogie zur
bisherigen Betrachtung der Frequenzbandsumme in der bekannten Form geplottet.
Anschließend erfolgt mithilfe der Hauptkomponentenanalyse eine Dimensionsreduk-
tion, die zur Berechnung der PCA-Scores führt. Die dadurch neu erhaltene Verteilung
entlang der ersten zwei Hauptkomponenten wird visualisiert und schließlich mit der in
Abschnitt 8.2.1 vorgestellten Methode bewertet. Dafür wird der F-Wert für die am
schwersten zu unterscheidenden Klassenkombination angegeben. Zusätzlich dazu
werden noch die Ladungen der verwendeten Hauptkomponenten betrachtet.
Zustandsüberwachung von Kugelgewindetrieben zur Vorspannungsklassifikation mit Methoden der multivariaten Statistik
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Frequenzanalyse 88
Für das ungefilterte Signal werden die in Bild 8.7 gezeigten normierten Merkmalswerte
aufgezeichnet. Es ist keine allgemein gültige Rangfolge der Klassen erkennbar und es
existieren besonders zwischen dem Hin- und dem Rücksegment teils sehr problema-
tische Unterschiede. So werden beispielsweise die gleichen Merkmalswerte des Im-
pulsfaktors oder des Maximums für das Hinsegment C3 zugeordnet, für das Rückse-
gment allerdings C1. Dies birgt große Gefahr einer Missinterpretation und macht eine
segmentspezifische Analyse zwingend erforderlich. Außerdem liegen zum Teil grö-
ßere Streuungen vor bei denen sich die Interquartilsabstände der verschiedenen Klas-
sen überlappen. Darüber hinaus liegen teils geringe Medianabstände vor.
Bild 8.7: Merkmale des ungefilterten Signals des Sensors KS94B100 X-Richtung,
Segment Vor (o.), Rück (2. v.o.), Umkehr Vor (3. v.o.), Umkehr Rück (u.)
Zustandsüberwachung von Kugelgewindetrieben zur Vorspannungsklassifikation mit Methoden der multivariaten Statistik
08/2020
Frequenzanalyse 89
Bild 8.8: PCA-Scores des ungefilterten Signals des Sensors KS94B100 X-Rich-
tung
Bild 8.9: Ladungen der Hauptkomponenten des ungefilterten Signals des Sensors
KS94B100 X-Richtung
Zustandsüberwachung von Kugelgewindetrieben zur Vorspannungsklassifikation mit Methoden der multivariaten Statistik
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Frequenzanalyse 90
Dies spiegelt sich in den berechneten F-Werten der einzelnen Merkmale und dem Er-
gebnis der Hauptkomponentenanalyse wider. Bild 8.8 zeigt die PCA-Scores des un-
gefilterten Signals entlang der ersten beiden Hauptkomponenten. Es ist zu erkennen,
dass die Klassen C0 und C2 separierbare Cluster bilden während die Klassen C1 und
C3 sehr starke Streuung aufweisen und sich zum Teil überlappen. Für die Klassen-
kombination C1 C3 wird dementsprechend der geringste F-Wert berechnet. Dieser
liegt bei 45,5 und bildet im weiterem die Ausgangsituation für einen quantitativen Ver-
gleich der Ergebnisse der unterschiedlichen Filter.
Wird durch die Filterung ein höherer F-Wert erzielt spricht dieses zunächst einmal für
ein besseres Ergebnis. Allerdings wird bei der Berechnung dieses F-Wertes die Rich-
tung der Streuung nicht mitberücksichtigt. Es muss daher im Einzelfall zusätzlich be-
urteilt werden, ob die vorhandenen Streuungen der betroffenen Klassen richtungsun-
abhängig sind oder stark in eine spezifische Raumrichtung gerichtet. Für eine isotrope
Streuung kann das Kriterium ohne weiteres angewendet werden. Im zweiten Fall kann
es hingegen dazu kommen, dass die Klassen zwar intern stark streuen die von der
Streuung betroffenen Räume sich allerding nicht überlappen. Dies ist beispielsweise
der Fall, wenn beide Klassen ausschließlich in die Richtungen streunen, die orthogonal
zur Geraden zwischen den Clusterschwerpunkten liegen. Für eine Unterscheidung ist
dies deutlich weniger kritisch als die in Bild 8.8 zusehende gerichtete Streuung mit
überlappenden Räumen. Im vorliegenden Fall ist folglich durch die Art der Streuung
mit mehr Klassifikationsfehlern zu rechnen als der F-Wert zunächst vermittelt. Dies
verdeutlich auch die Schwäche des verwendeten Kriteriums.
Der Plot der Ladungen (s. Bild 8.9) zeigt, dass zur Bildung der Hauptkomponenten
insgesamt 11 der 18 Merkmale verwendet werden. Diese fließen alle zu unterschied-
lichen Anteilen in die ersten beiden Hauptkomponenten ein. Die neue eingeführte Fre-
quenzbandsumme fließt dabei ebenfalls mit ein und weist eine ähnliche Gewichtung
auf, wie die am stärksten gewichteten Merkmale.
Als nächstes wird das mit 10 kHz tiefpassgefilterte Signal betrachtet. Für die Frequenz-
bandsumme wurde für diese Filterung kein ausreichender Mehrwert festgestellt. Es gilt
nun zu überprüfen ob sich dieser Eindruck für die übrigen Merkmale bestätigt wird oder
ob die 17 anderen Merkmalswerte positive Veränderung erfahren, welche eine solche
Filterung rechtfertigt. Wie Bild 8.10 zeigt, erfahren die Merkmalswerte zum Teil deutli-
che Veränderungen in deren Folge sich die Rangfolge verändert. Eine monotone Ten-
denz über die Klassen ist allerdings weiterhin nicht erkennbar. Die Problematik bezüg-
lich der Merkmalswerte von C1 und C3 im Hin- Und Rücksegment liegt ebenfalls wei-
terhin vor. Die Dimensionsreduktion führt jedoch zu einem deutlich besseren Resultat.
Die in Bild 8.11 abgebildete Verteilung des tiefpassgefilterten Signals zeigt vier sepa-
rate Cluster. Sie wird mit einem F-Wert von 244,6 deutlich besser bewertet, wobei
wieder die Kombination C1 C3 den geringsten und damit entscheidenden F-Wert auf-
weist. Durch die Tiefpassfilterung wird folglich eine bessere Trennung erzielt. Hier-
durch ist es möglich einen Mehrwert des implementierten Filters zu begründen.
Zustandsüberwachung von Kugelgewindetrieben zur Vorspannungsklassifikation mit Methoden der multivariaten Statistik
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Frequenzanalyse 91
Allerdings werden nur vier der insgesamt 18 Merkmale für die Hauptkomponentenana-
lyse ausgewählt (vgl. Bild 8.12). Dies ist darauf zurückzuführen, dass nur diese einen
F-Wert von mehr als 10 aufweisen. Folglich werden die übrigen Merkmale mangels
statistischer Signifikanz ausgeschlossen. Bei einer Betrachtung der normierten Merk-
malswerte des Hinsegments in Bild 8.10 wird auch ersichtlich, warum dies der Fall ist.
Die ausgewählten Merkmale besitzen ausreichende Medianabständen um im Verhält-
nis dazu geringe Streuungen.
Bild 8.10: Merkmale des mit 10 kHz tiefpassgefilterten Signals des Sensors
KS94B100 X-Richtung, Segment Vor (o.), Rück (2. v.o.), Umkehr Vor (3.
v.o.), Umkehr Rück (u.)
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Frequenzanalyse 92
Bild 8.11: PCA-Scores des mit 10 kHz tiefpassgefilterten Signals des Sensors
KS94B100 X-Richtung
Bild 8.12: Ladungen der Hauptkomponenten des mit 10 kHz tiefpassgefilterten Sig-
nals des Sensors KS94B100 X-Richtung
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Frequenzanalyse 93
Interessant ist an dieser Stelle, dass sich sowohl für das ungefilterte als auch für das
mit 10 kHz tiefpassgefilterte Signal PCA-Scores ergeben, die zu einer gewissen Ähn-
lichkeit der Verteilungen führen. Sowohl in Bild 8.8 als auch in Bild 8.11 ist die grobe
relative räumliche Lage der Cluster ähnlich. So würden man C3 am ehesten der Ecke
oben links zuordnen, C2 oben rechts, C1 unten links und C0 unten rechts. Dies wird
möglicherweise durch die nicht monotonen Trends der Merkmalswerte verursacht. Es
zeigt sich an dieser Stelle allerdings, dass durch die Hauptkomponentenanalyse, der
im vorherigen Abschnitt thematisierte Übergang von C3 zu C2 positiv beeinflusst wird.
Durch die Berücksichtigung mehrere Merkmale kommt es nicht länger zu einer Über-
schneidung mit den Klassen C1 und C0, sodass Vorspannungen zwischen den diskre-
ten Zuständen C3 und C2 seltener fehlklassifiziert werden sollten.
Als nächstes werden die bandpassgefilterten Signale betrachtet. Begonnen wird hier-
bei mit dem Bereich der Mutterüberrollfrequenz. Für die Frequenzbandsumme dieses
Bereichs wurde sowohl für das Hin- als auch das Rücksegment eine sortierte Rang-
folge der Klassen beobachtet. Wie Bild 8.13 zeigt, wird dieser Effekt auch bei den üb-
rigen Merkmalen grundsätzlich erzielt. So weisen im Hinsegment fünf Merkmale durch
die Filterung eine mit nachlassender Vorspannung fallende Tendenz und 13 der Merk-
male eine steigende Tendenz auf. Das Rücksegment zeigt grundsätzlich ein ähnliches
Verhalten, bei dem die Klasse C3 jedoch teilweise zwischen den anderen Klassen
liegt. Viele der Merkmale vermitteln durch die Medianabstände und ihre Streuung den
Eindruck Potential zur Berücksichtigung bei der Hauptkomponentenanalyse zu besit-
zen. Diesen Eindruck bestätigen auch die in Bild 8.15 gezeigten Ladungen. In diese
fließen insgesamt 11 der 18 Merkmale ein. Dies ist die gleiche Anzahl wie bei dem
ungefilterten Signal und mehr als das doppelte des tiefpassgefilterten Signals. Wobei
die Frequenzbandsumme auch in diesem Fall wieder mit in die Hauptkomponenten
einfließt.
Die mithilfe der PCA-Scores erhaltene Verteilung zeigt vielversprechende Eigenschaf-
ten. Die monotonen Tendenzen der einzelnen Merkmale spiegeln sich in der Lage der
Cluster wider. Hierdurch kommt es dazu, dass die vier Klassen entlang der ersten
Hauptkomponente in Reihenfolge des Vorspannungsverlustes abgebildet werden. Für
die Verteilung wird ein F-Wert von 45,4 berechnet, der in diesem Fall auf die Klassen-
kombination C2 C3 zurückzuführen ist. Dieser liegt damit deutlich unter dem Wert von
244,6 des tiefpassgefilterten Signals und fast genau bei dem Wert des ungefilterten
Signals (45,5). Da jedoch der Großteil der klasseninternen Streuung in Richtung der
zweiten Hauptkomponente auftritt, wird das Ergebnis im Vergleich zu dem des unge-
filterten Signals unterbewertet. So liegt in diesem Fall nur ein Punkt, der der Klasse C3
angehört, inmitten mehrerer Punkte der Klasse C2. Der Übergang zwischen den Klas-
sen erscheint auch generell deutlicher, lediglich für Werte der zweiten Hauptkompo-
nente im Bereich von -0,5 ist je nach Klassifikationsverfahren und Parametrisierung
mit Fehlern zurechnen. Insgesamt sollte es jedoch zu weniger Fehlklassifikationen
kommen als bei dem ungefilterten Signal.
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Frequenzanalyse 94
Die erzielte Verteilung zeigt in jedem Fall, dass es grundsätzlich möglich ist allein mit
dem bandpassgefilterten Signal eines Sensors eine durchaus sichtbare Trennung der
Klassen zu erreichen. Allerdings wird auch an dieser Stelle wieder deutlich, dass der
plausible Verlauf der Merkmalswerte und die monotone Tendenz durch einen Anstieg
der Streuung erkauft werden. Dies zeigen die geordneten Cluster und ihre starke in-
terne Streuung.
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Frequenzanalyse 95
Zustandsüberwachung von Kugelgewindetrieben zur Vorspannungsklassifikation mit Methoden der multivariaten Statistik
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Frequenzanalyse 96
Wird nun der Bereich um die Spindelüberrollfrequenz betrachtet, bestätigen sich für
diesen die gleichen Eindrücke wie für den der Mutterüberrollfrequenz. Es wird die glei-
che Rangfolge beobachtet, die nun auch für das Rücksegment und für mehr Merkmale
deutlicher ausgeprägt ist. Wie Bild 8.16 zeigt, nimmt für das Hinsegment außerdem
der Abstand der Mediane von C2 und C3 sichtbar zu. Dies führt dazu, dass nun 14 der
18 Merkmale mit in die PCA-Scores einfließen. Darunter die Frequenzbandsumme. Im
Vergleich zur Mutterüberrollfrequenz fließt die Varianz nicht länger mit ein. Impulsfak-
tor, Spannweite, Maximum und Schiefe werden hingegen gewichtet (s. Bild 8.18).
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Frequenzanalyse 97
Zustandsüberwachung von Kugelgewindetrieben zur Vorspannungsklassifikation mit Methoden der multivariaten Statistik
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Frequenzanalyse 98
Für die Verteilung entlang der ersten zwei Hauptkomponenten, die in Bild 8.17 zu se-
hen ist, wird in diesem Fall mit 34,1 der bisher niedrigste F-Wert berechnet. Dieser
kommt wie bereits bei der Mutterüberrollfrequenz durch die Klassenkombination C2
C3 zustande. Auch hier liegt jedoch die Hauptrichtung der Streuung aller Klassen or-
thogonal zur ersten Hauptkomponente und der Tendenz der Klassenübergänge bezie-
hungsweise des Vorspannungsverlusts. Dadurch kommt es im Allgemeinen zu keiner
Überlappung der Cluster. Die einzige Ausnahme bilden zwei Punkte, die den Klassen
C2 und C3 zuzuordnen sind. Diese weisen hohe Scores für die zweite Hauptkompo-
nente auf, für die erste jedoch Scores, die ansonsten nur die Klasse C1 besitzt. Diese
Ausreißer bergen für die angestrebte Klassifikation ein gewisses Risiko einer Fehlzu-
ordnung. Ansonsten bestätig sich hier ebenfalls der Eindruck, dass die Bandpassfilte-
rung in dem Bereich dieser charakteristischen Frequenz ein vielversprechendes Mittel
ist, um die Clusteranordnung zu sortieren und die Klassifikationsrate zu verbessern.
Wie eingangs erwähnt, handelt es sich bei den hier explizit besprochenen Ergebnissen
um die der Messreihen mit einer Vorschubgeschwindigkeit von 6000 mm pro min und
einer Werkstückmasse von 0 kg. Für diese Vorschubgeschwindigkeit wird von allen
untersuchten das beste Ergebnis erzielt. Die Sortierung der Rangfolge wird mit stei-
gendem Vorschub generell schlechter und ist für die hohen Vorschübe von 17000 und
20000 nicht mehr gegeben. Für andere Werkstückmassen wird hingegen keine Ver-
änderung der beschriebenen Effekte beobachtet. Bei jeweils eigens für die untersuchte
Werkstückmasse erfolgter Normierung liegt stets ein analoges Verhalten vor. Bei ei-
nem ersten Vergleich der normalen Merkmalswerte zeigen sich nur geringe Abwei-
chungen, weshalb sich die Frage stellt, inwieweit eine gewichtsspezifische Normierung
notwendig ist.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die in Form einer monotonen Rangfolge be-
obachtete Sortierung der Merkmalswerte der Frequenzbandsumme in gleicher oder
ähnlicher Weise auch für die übrigen 17 Merkmal auftritt. Die besten Ergebnisse wer-
den dabei für eine Vorschubgeschwindigkeit von 6000 mm pro min erzielt. Dieser Vor-
schub stellt hierbei das Optimum unter den untersuchten Vorschüben dar, allerdings
nicht zwangsweise das absolute Optimum. Für diese Konstellation wird gezeigt, dass
es grundsätzlich möglich ist allein anhand des Signals des KS94B100 Sensors PCA-
Scores zu berechnen, die die Bildung von separierbaren Clustern ermöglichen. Die
anschließend analysierten und mit dem eingeführten Kriterium beurteilten Verteilun-
gen des ungefilterten, tiefpassgefilterten und der bandpassgefilterten zeigen schließ-
lich, dass die untersuchten Filter in allen drei Fällen einen Mehrwert bieten. Dieser
besteht für den 10 kHz Tiefpassfilter in einer höheren berechneten statistischen Signi-
fikanz. Hierbei entspricht der berechnete Wert etwa dem fünffachen des Wertes des
ungefilterten Signals und impliziert für den vorliegenden Fall mit vier diskreter Vorspan-
nungsklassen eine besser Klassifizierbarkeit der Klassen. Für die Bandpassfilterungen
liegen die berechneten F-Werte hingegen in derselben Größenordnung wie der Wert
des ungefilterten Signals. In ihrem Fall besteht der Mehrwert nicht in der statistischen
Signifikanz, sondern in der relativen Anordnung der Cluster zueinander im Raum der
Zustandsüberwachung von Kugelgewindetrieben zur Vorspannungsklassifikation mit Methoden der multivariaten Statistik
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Frequenzanalyse 99
ersten beiden Hauptkomponenten. Durch den monotonen Trend dieser Anordnung er-
geben sich vielversprechende Vorteile bei einer späteren Klassifikation. Es existieren
im Allgemeinen nur drei Übergangsgebiete zwischen den Klassen, wobei die benach-
barten Klassen immer diejenigen sind die den geringsten Unterschied in der Vorspan-
nung besitzen. Dadurch existiert kein Gebiet, in dem alle vier Cluster in etwa gleichweit
entfernt liegen. In einem solchen Bereich ist die Klassifikation besonders kritisch, da
geringe Schwankungen der Messwerte in einem solchen Fall maximale Auswirkungen
haben und durch sie eine Zuordnung zu jeder der vier Klassen möglich ist. Ein solches
Szenario wird durch gezielte Bandpassfilterung vermieden, da bei kleinen Schwankun-
gen im schlimmsten Fall eine Zuordnung zur benachbarten Klasse erfolgt. Die schwere
des Klassifikationsfehlers wird somit begrenzt. Darüber hinaus ist durch das monotone
Verhalten auch für Vorspannungszustände, die zwischen den hier untersuchten, dis-
kreten Klassen liegen mit besseren Klassifikationsraten zu rechnen.
Zustandsüberwachung von Kugelgewindetrieben zur Vorspannungsklassifikation mit Methoden der multivariaten Statistik
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Frequenzanalyse 100
Zur Analyse des Einflusses der Werkstückmasse und eventuelle Veränderungen wird
mit dem ungefilterten Signal zunächst die Ausgangssituation betrachtet. Dazu werden
die PCA-Scores wie bisher berechnet. Bild. 8.19 zeigt hierfür die bekannte Darstellung
entlang der ersten zwei Hauptkomponenten. Neben der bereits aus Bild 8.8 bekannten
Verteilung der Cluster im eigens normierten Fall werden an dieser Stelle jedoch noch
vier weitere Cluster abgebildet. Diese zusätzlichen Cluster stellen die bewusst falsch
normierten Merkmalswerte der 75 kg Messreihe dar. Es zeigt sich hierbei, dass es
durch die veränderte Werkstückmasse zu deutlichen Verschiebungen der Cluster
kommt. Die Cluster der Klassen C3 und C1 rücken in beiden Hauptkomponenten zu
höheren Werten und überschneiden sich infolge der Verschiebung nicht länger. Sie
liegen nun jedoch beide in einem Bereich, der von keiner der ursprünglichen Klasse
unmittelbar beansprucht wird. Je nach Auswahl des späteren Klassifikators wird dieser
Bereich voraussichtlich zwischen den Klassen C2 und C3 aufgeteilt. Die richtige Zu-
ordnung dieser Klassen wird sich daher als problematisch erweisen. Dies trifft vor al-
lem auf die Klasse C1 zu, die nun am nächsten an dem ursprünglichen Cluster von C2
liegt und daher aller Voraussicht nach fälschlicherweise als C2 klassifiziert wird. Ein
noch problematischeres Verhalten zeigt C2 selbst. Für diese Klasse wandert der Clus-
ter sehr nahe an den Hauptteil des ursprünglichen C1 Clusters. Für C2 ist daher eben-
falls mit eine Fehlzuordnung zurechnen. Selbst die Klasse C0, deren Cluster von allen
Klassen die geringste Verschiebung aufweist, rückt in einen problematischen Bereich.
Durch die Lage zwischen den ursprünglichen Clustern von C0 und C1 droht C0 bei
einer Werkstückmasse von 75 kg zum Teil fälschlicherweise als C1 erkannt zu werden.
Zustandsüberwachung von Kugelgewindetrieben zur Vorspannungsklassifikation mit Methoden der multivariaten Statistik
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Frequenzanalyse 101
Eine Anwendung des KNN-Verfahrens bei einem k von fünf auf die vorliegenden PCA-
Scores bestätigt die aufgestellten Vermutungen, wie das im Anhang befindliche Bild
11.13 zeigt. In den Farben der ursprünglichen Cluster sind hierbei die Bereiche einge-
färbt, die von dem Verfahren den jeweiligen Klassen zugeordnet werden. Es wird er-
sichtlich, dass nur C3 richtig klassifiziert wird. Währenddessen wird C2 vollständig als
C1 klassifiziert, und C1 bis auf einen Punkt, der C3 zugeordnet wird, fälschlicherweise
als C2. Außerdem liegt der Cluster der falsch normierten C0 Werte auf der Grenze der
Klassen C0 und C1 und wird etwa zur Hälfte C1 zugeordnet. Der Anteil der richtigen
Klassifikationen liegt in dem Test daher bei deutlich unter 50%. Eine gewichtsspezifi-
sche Normierung ist demnach im ungefilterten Fall zwingend erforderlich.
Ein ähnliches Verhalten zeigt sich auch bei der Analyse des mit 10 kHz tiefpassgefil-
terten Signals. Wie im vorherigen Fall wandern die Cluster deutlich sichtbar. C1 und
C3 liegen auch hier zwischen den ursprünglichen Positionen von C2 und C3, während
C2 erneut zu C1 wandert und in diesem Fall sogar zum Großteil auf dem ursprüngli-
chen C1 Cluster liegt. Der größte Unterschied zum ungefilterten Signal besteht darin,
dass nun C0 eine viel größere Verschiebung aufweist und nicht länger damit zu rech-
nen ist, dass es zu einer teilweise richtigen Zuordnung kommt.
Auch für diesen Fall ist mit dem Bild 11.14 des Anhangs eine Testklassifikation mit
dem KNN-Verfahren erfolgt. Der Test zeigt, dass im Tiefpassgefilterten Fall nur noch
C3 richtig klassifiziert wird, was zu einer Klassifikationsrate von 25% führt. Eine ge-
wichtsspezifische Normierung ist daher auch für dieses Signal notwendig.
Zustandsüberwachung von Kugelgewindetrieben zur Vorspannungsklassifikation mit Methoden der multivariaten Statistik
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Frequenzanalyse 102
Werden nun die in Bild 8.21 dargestellten PCA-Scores des im Bereich der Mutterüber-
rollfrequenz bandpassgefilterten Signals betrachtet, ergibt sich ein grundsätzlich ver-
schiedenes Verhalten. Mit Ausnahme der Klasse C0, deren Cluster sich am stärksten
verschiebt, kommt es zu keiner größeren Veränderung durch die falsche Normierung.
Allerdings liegt in diesem Fall selbst der C0 Cluster der 75 kg Messreihe noch deutlich
näher an der Position des C0 Clusters als an den übrigen Clustern der 0 kg Messreihe.
Aus diesem Grund ist selbst für die größte beobachtete Verschiebung nicht mit fal-
schen Klassifikationen zurechnen. Dies bestätigt auch der Test mit dem KNN-Verfah-
ren. Es zeigt sich sogar, dass für die falsch normierten Messungen kein einziger Fehler
auftritt, wie Bild 11.15 zeigt. Das Ergebnis der falsch normierten 75 kg Messreihe ist
damit sogar besser als das der richtig normierten 0 kg Messreihe. Für diese wird beim
gleichen Test eine Falschklassifikation, erzeugt durch einen in Bild 8.21 zusehenden
Messwert der Klasse C3, beobachtet. Dieser Messwert liegt bei etwa -2,6 -0,2 und wird
im Test selbst bei gewichtsspezifischer Normierung fälschlicherweise als C2 klassifi-
ziert.
Bedingt durch die geringen Verschiebungen der Cluster und die fehlerfreie Klassifika-
tion im Test mit dem KKN-Verfahren, wird für das bandpassgefilterte Signal, eine sehr
geringe Sensitivität gegenüber der Störgröße Werkstückmasse festgestellt. Dies ist ein
grundsätzlich sehr positives Verhalten und zeigt einen weiteren Mehrwert, der durch
die gezielte Filterung im Bereich dieser charakteristischen Frequenz zustande kommt.
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Frequenzanalyse 103
Auch für die zweite charakteristische Frequenz zeigt sich ein ähnlich positives Verhal-
ten. Wie in Bild 8.22 kommt es auch bei dem im Bereich der Spindelüberrollfrequenz
bandpassgefilterten Signal nur zu geringen Verschiebungen der Cluster. In diesem Fall
wandern C1 und C3 etwas weiter von ihrer ursprünglichen Position ab, C0 bleib aller-
ding weitestgehend unverändert. Der in Bild 11.16 zusehende KNN-Test zeigt in die-
sem Fall jedoch insgesamt sieben Fehlklassifikationen. Dies sind im Vergleich mit dem
richtig normierten Fall fünf mehr. Dabei ist eine der Fehlklassifikationen auf einen Aus-
reißer der Klasse C3 zurückzuführen, der als C1 erkannt wird. Die übrigen sechs Feh-
ler sind je zur Hälfte C3 Werte die als C2 erkannt werden und C2 Werte die als C1
erkannt werden. Die im Test erreichte Rate der erfolgreichen Klassifikationen liegt al-
lerdings selbst in diesem Fall noch bei 91,25% und damit deutlich über denen des
ungefilterten und tiefpassgefilterten Signals.
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Frequenzanalyse 104
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Frequenzanalyse 105
Bild 8.23: PCA-Scores der fusionierten Klopfsensoren des Bereichs der Mut-
terüberrollfrequenz
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Frequenzanalyse 106
Tiefpass 5kHz RMS, MEA, RSQ, KUR, RMS, MEA, MED, SHA,
SUM, MAD, SKE, RSQ, SUM, FBSM
MED, SHA, IQR, MED, SHA,
FBSM FBSM
Noch deutlicher wird diese Problematik für das Frequenzband der zweiten charakte-
ristischen Frequenz. Wird der Bereich um die Spindelüberrollfrequenz betrachtet, wird
mit der in Bild 8.24 dargestellten Verteilung ein schlechteres Ergebnis erzielt. Hierbei
werden, wie der Tabelle 8.3 entnommen werden kann, nur noch Merkmale eines
Klopfsensors berücksichtigt. Mit einem F-Wert von 29,4 wird der bisher niedrigste F-
Wert berechnet. Dieser ist auf die Klassenkombination C1 C3 zurückzuführen und
kommt durch die gut sichtbare Überschneidung zwischen den Clustern zustande. Da-
mit liegt in diesem Fall der F-Wert der fusionierten Klopfsensoren unter dem des ein-
zelnen KS94B100 Sensors. Für diesen wird mit 34,1 ein höherer Wert berechnet. Als
kritisch ist darüber hinaus die Anordnung der Cluster anzusehen. Alle Cluster weisen
eine grundsätzlich hohe interne Streuung auf und im Verhältnis dazu nur geringe Ab-
stände zu den anderen Klassen. Besonders die Klasse C3, die im Zentrum liegt ist
hierbei problematisch. Für weitere Vorspannungen, die nicht einer der hier untersuch-
ten diskreten Stufe entsprechen erscheint eine Klassifikation an dieser Stelle als feh-
leranfällig. Durch sich verändernde Merkmalswerte und sich folglich verändernde
PCA-Scores muss es zu einem Übergang von C2 zu C1 und von C1 zu C0 kommen.
Im Bereich eines solchen Übergangs liegt in diesem Fall C3. Ausgehend von der dar-
gestellten Clusteranordnung ist daher mit einer erhöhten Rate an falschen C3 Klassi-
fikationen zu rechnen. Dies belegt auch das im Anhang zu findende Bild 11.19,
Zustandsüberwachung von Kugelgewindetrieben zur Vorspannungsklassifikation mit Methoden der multivariaten Statistik
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Frequenzanalyse 107
welches die nach der Klassenzugehörigkeit eingefärbten Bereiche zeigt. Anhand der
Darstellung wird deutlich, dass kein Übergang zwischen C1 und C0 existiert.
Die durchgeführten Überlegungen verdeutlichen den Mehrwert einer plausiblen mono-
tonen Clusteranordnung und die Tatsache, dass die Klopfsensoren bei der Überwa-
chung charakteristischer Frequenzbänder keinen adäquaten Ersatz für die IEPE-Sen-
soren darstellen.
Bild 8.24: PCA-Scores der fusionierten Klopfsensoren des Bereichs der Spindel-
überrollfrequenz
In den vorherigen Abschnitten wurde gezeigt, dass für die bandpassgefilterten Signale
eine im Vergleich zu den ungefilterten oder den tiefpassgefilterten Signalen hohe klas-
seninterne Streuung beobachtet wird. Diese drückt sich unteranderem in niedrigen be-
rechneten F-Werten aus. Zur Steigerung dieser geringen statistischen Signifikanz wird
deshalb die Möglichkeit einer signalübergreifenden Fusion untersucht. Hierfür werden
die Signale des Frequenzbandes der Mutter- und Spindelüberrollfrequenz fusioniert.
Die PCA-Scores beider Signale zeigen das gleiche vorteilhafte Verhalten. Hierdurch
sind die Cluster der einzelnen Vorspannungsstufen entlang der ersten Hauptkompo-
nente in Reihenfolge abnehmender Vorspannung angeordnet. In beiden Fällen sind
einzelne Ausreißer aus den Clustern zu erkenne. Darüber hinaus ist im Fall des Fre-
quenzbandes der Mutterüberrollfrequenz, wie in Bild 8.14 dargestellt, eine Überschnei-
dung der Cluster C2 und C3 zu sehen. Bild 8.25 zeigt, dass dieser Überschneidung
durch eine Signalfusion entgegengewirkt wird. Mit den Informationen beider Signale
gelingt es die Cluster der Klassen C2 und C3 sichtbar besser zu trennen. Außerdem
Zustandsüberwachung von Kugelgewindetrieben zur Vorspannungsklassifikation mit Methoden der multivariaten Statistik
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Frequenzanalyse 108
wird die starke Streuung entlang der zweiten Hauptkomponente reduziert. Folglich wird
für das fusionierte Signal mit 53,9 ein höherer F-Wert berechnet als für die einzelnen
Signale. Für diese werden F-Werte von 34,1 beziehungsweise 45,5 berechnet.
Bild 8.25: PCA-Scores der fusionierten Frequenzbänder der Mutter- und Spindel-
überrollfrequenz des KS94B100 Sensors der X-Richtung
Es zeigt sich folglich, dass die Fusion der bandpassgefilterten Signale eine Möglichkeit
zur Verbesserung der Clustertrennung darstellt. Hierdurch wird die erreichbare Klassi-
fikationsrate positiv beeinflusst. Das vorgeschlagene Vorgehen ist hierbei besonders
interessant, da durch die Fusion der ähnlichen Signale die monotone Tendenz erhalten
bleibt während gleichzeitig die geringe statistische Signifikanz der Klassenunter-
schiede gesteigert wird.
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Frequenzanalyse 109
Klassifikator (NB), die Support Vector Machines (SVM) und die Entscheidungsbäume
(EB). Für das kNN Verfahren wird hierbei für die Anzahl der k betrachteten Nachbarn
ein Wert von fünf verwendet. Mit jedem dieser Klassifikatoren wird für 100 zufällige
Aufteilungen in Trainings- und Testdaten die Rate der richtigen Klassifikationen be-
rechnet. Die Ergebnisse sind in Tabelle 8.4 für jedes Segment und jede nachgestellte
Werkstückmasse separat aufgelistet.
Zustandsüberwachung von Kugelgewindetrieben zur Vorspannungsklassifikation mit Methoden der multivariaten Statistik
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Frequenzanalyse 110
Es zeigt sich, dass anhand des fusionierten Signals der charakteristischen Frequenzen
zum Teil sehr gute Resultate erzielt werden. Diese liegen zwischen 91,45% und 100%
in der Regel jedoch deutlich über 95%. Allerdings ist für fünf Kombinationen aus Ge-
wicht und Segment die Berechnung einer Klassifikationsrate nicht möglich. Weitere
Untersuchungen zeigen, dass in diesen Fällen für keines der Merkmale eine ausrei-
chende statistische Signifikanz berechnet wird. Folglich werden bei der Hauptkompo-
nentenanalyse keine PCA-Scores berechnet, die eine Klassifikation zulassen. Die Ur-
sache dieser Problematik wird auf die Berechnungsmethode der F-Statistik zurückge-
führt. Diese ist zu restriktiv und schließt alle Merkmale aus. Wird die F-Statistik hinge-
gen über alle vier Klassen berechnet, werden die in der Tabelle 8.4 gekennzeichneten
Klassifikationsraten erreicht. Diese sind allerdings zum Teil deutlich niedriger. Für das
Rücksegment der 25 kg Messreihe wird auf diese Weise mit 72,15% der niedrigste
Werte berechnet. Das Segment der Vorfahrt der 75 kg Messreihe erreicht hingegen
mit der Berechnungsmethode über alle vier Klassen sehr gute Klassifikationsraten um
98%.
Es zeigt sich demnach, dass die Merkmalsselektion anhand des Minimus aus den
paarweise berechneten Werten der F-Statistik in einigen Fällen zu restriktiv ist. Allge-
mein werden mit der Methode zwar gute Ergebnisse erzielt, allerdings führt dieses
Vorgehen im vorliegenden Fall für einige Konstellationen auch zu einem Scheitern der
Klassifikation. Die Berechnungsmethode über alle Klassen liefert hingegen für jede
Konstellation ein Ergebnis.
Wird die durchschnittliche Rate an richtigen Klassifikationen für jedes der Segmente
berechnet ergeben sich die in Tabelle 8.5 aufgelisteten Werte. Es zeigt sich, dass für
die Segmente, die einen der Umkehrpunkte enthalten höhere Raten erzielt werden als
für die Segmente konstanten Vorschubs. Ein Vergleich mit den Raten des ungefilterten
Signals (vgl. Tabelle 11.3) zeigt darüber hinaus, dass eine Klassifikation anhand der
bandpassgefilterten Signale für diese Segmente eine vergleichbare Sensitivität gegen-
über der Vorspannungsklasse erreicht. Für die Segmente konstanten Vorschubs wer-
den hingegen selbst bei erfolgreicher Klassifikation im Schnitt niedrigere Raten erzielt.
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Frequenzanalyse 111
Werden die Klassifikatoren miteinander verglichen zeigt sich, dass das kNN-Verfahren
das insgesamt beste Resultat liefert. Wie Tabelle 8.6 zeigt, liefert dieses das beste
Resultat für das fusionierte Signal. Die SVM liefern mit einer um etwa 0,2% niedrigeren
Rate das zweitbeste Ergebnis und der NB Klassifikator das drittbeste. Am schlechtes-
ten schneidet der Entscheidungsbaum ab. Dieser erreicht eine Klassifikationsrate die
fast 1% unter der des kNN-Verfahrens liegt.
kNN NB SVM EB
Aus den Untersuchungen mit den verschiedenen Klassifikatoren lässt sich zusammen-
fassend folgendes festhalten. Die Frequenzbänder der charakteristischen Frequenzen
der Mutter- und Spindelüberrollfrequenz weisen grundsätzlich eine für die Klassifika-
tion ausreichende Sensitivität gegenüber der Vorspannung auf. Allerdings ist es mög-
lich das die statistische Signifikanz in einzelnen Segmenten deutlich niedriger ist als in
anderen. Hiervon sind vor allem die Segmente mit konstantem Vorschub betroffen.
Dies führt dazu, dass je nach verwendeter Berechnungsmethode der F-Statistik ent-
weder eine zum Teil niedrigere Sensitivität beobachtet wird oder die Klassifikation voll-
ständig fehlschlägt. Die Methode der paarweisen Berechnung der F-Statistik ist hierbei
als kritisch zu betrachten. Es zeigt sich, dass bei ihrer Anwendung ein Informations-
verlust nicht auszuschließen ist. Dies zeigt das Segment der Vorfahrt bei 75 kg. Für
dieses werden mit der Berechnung über alle Klassen Klassifikationsraten von bis zu
98,35% erreicht. Für die Klassifikatoren zeigt sich, dass das kNN-Verfahren die besten
Resultate erzielt.
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Zusammenfassung und Ausblick 112
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Zusammenfassung und Ausblick 113
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Literaturverzeichnis 114
10 Literaturverzeichnis
[BACK18] Backhaus, K.; Erichson, B.; Plinke, W.; Weiber, R.: Multivariate Ana-
lysemethoden – Eine anwendungsorientierte Einführung, 15. Auf-
lage, Springer-Verlag, ISBN 978-3-662-56654-1, 2018
[FLEI07] Fleischer, J.; Schopp, M.; Broos, A.; Wieser, J.: Datenbasis für last-
abhängige Prozesseingriffe – Modularisierung und Analyse von Aus-
fallursachen zur Erhöhung der Verfügbarkeit von Werkzeugmaschi-
Zustandsüberwachung von Kugelgewindetrieben zur Vorspannungsklassifikation mit Methoden der multivariaten Statistik
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Literaturverzeichnis 115
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[HIRS06] Hirschmann, J.: Ein Beitrag zur Fehlerfrüh- und Fehlerdiagnose von
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technik, Dr.-Ing. Dissertation, Universität Stuttgart, 2006
Zustandsüberwachung von Kugelgewindetrieben zur Vorspannungsklassifikation mit Methoden der multivariaten Statistik
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Literaturverzeichnis 116
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des maschinellen Lernens verständlich erklärt, 1. Auflage, Springer
Verlag, ISBN 978-3-662-56775-3, 2018
[ORTM19] Ortmaier, T.: Robotik II – Skript zur Vorlesung, Fakultät für Maschi-
nenbau der Leibniz Universität Hannover, 2019
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Literaturverzeichnis 117
[TÖNS98] Tönshoff, H.K.; Günther, G.; Schmidt, J.; Seufzer, A.: Vorbeugen o-
der Heilen? - Ausfallursachen spanender Werkzeugmaschinen und
deren Komponenten, Schweizer Maschinenmarkt – Die technische
Fachzeitschrift, Band 21, (1998), S. 80-83
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Anhang 118
11 Anhang
1 KUR Kurtosis
2 RMS Effektivwert
3 STD Standardabweichung
4 VAR Varianz
6 SKE Schiefe
8 P2P Schwingbreite
9 MAX Maximalwert
11 SUM Summe
13 IQR Interquartilsabstand
14 MIN Minimalwert
15 MED Median
16 IMP Impulsfaktor
17 SHA Formfaktor
18 FBSM Frequenzbandsumme
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Anhang 119
Tabelle 11.2: Werte der F-Statistik für das Signal des KS901B10 Sensors nach
Berechnung über alle vier Klassen und nach Auswahl des Minimus
zwischen je zwei Klassen, Vorschub 6000 mm/min, 0 Kg, Hinfahrt
1 81,73 0,09
2 12281 26,58
3 6240,8 358,64
4 4042,8 359,44
5 20720 419,81
6 182,62 0,01
7 33,80 0
8 74,94 0,71
9 74,91 0,70
10 12286 26,68
11 20743 419,75
12 12793 181,34
13 8231,2 1355,9
14 76365000000 15916000000
15 13841 2186,8
16 34,96 0
17 402,72 87,51
18 11241 1809,5
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Anhang 120
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Anhang 121
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Anhang 122
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Anhang 123
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Anhang 124
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Anhang 125
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Anhang 126
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Anhang 127
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Anhang 128
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Anhang 129
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Anhang 130
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Anhang 131
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Anhang 132
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Anhang 133
Bild 11.19: PCA-Scores der fusionierten Klopfsensoren des Bereichs der Spindel-
überrollfrequenz mit eingefärbter Klassenzugehörigkeit der Bereiche
nach KNN
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Anhang 134
SVM 1 1 1 0,9835 1 1
75 kg kNN 1 1 1 0,999 1 1
NB 1 1 0,9995 1 1 1
SVM 1 1 1 0,99 1 1
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