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P.b.b.

Erscheinungsort: Wien
8730 W 80 U Verlagspostamt: 1090 Wien

4/2000 13. Jahrgang

Organisationsformen der Zukunft


Thomas Böhm, Stefan Doblhofer
Wonderful world, beautiful people

Rudolf Wimmer
Strategische Konsequenzen aus der Internet-Revolution

Thomas Petersmann, Alexander T. Nicolai


Mergers & Acquisitions in der Internetökonomie
– Fallbeispiel des M-Commerce-Start-ups Wap-Travel.com

Hubert Lobnig
Netzwerk – was Sie wirklich investieren sollten!

Klaus Doppler
Flexibel sein! – Auf Biegen und Brechen?

Im Gespräch mit Adrian Holter


Führung gewinnt an Gewicht

Im Gespräch mit Christoph Brunmayr


Eine »atmende« Organisation
H e r n s t e i n e r – F a c h z e i t s c h r i f t f ü r M a n a g e m e n t e n t w i c k l u n g

Organisationsformen der Zukunft


E d i t o r i a l

Der vorliegende Hernsteiner greift eine Frage auf, die derzeit heftig und kontrovers diskutiert wird: die Frage,
welche Auswirkungen das Internet und die im Zuge der Internetrevolution entstandene, so genannte New
Economy auf die Gestalt der Unternehmen hat und haben wird.

Schon im einleitenden Artikel von Stefan Doblhofer und Thomas Böhm wird deutlich, dass die Gleichsetzung
des Begriffs New Economy mit dem Bereich Internet und der damit verbundenen Informationstechnologie zu
kurz greift, da sich die unter diesem Label vereinten Firmen bei genauer Betrachtung weniger durch die Bran-
che oder ein bestimmtes Arbeitsfeld charakterisieren als durch Gemeinsamkeiten wie einen neuen Dres-
scode, starkes Wachstum, rasantes Tempo, Lifestyleorientierung, Strukturarmut und die daraus folgenden
Verhaltensmuster. Diese erfordern eine andere, sehr herausfordernde Art der Führung.

Rudolf Wimmer formuliert dann in seinem Beitrag acht Thesen zu der nicht minder interessanten Frage, wel-
che strategischen Konsequenzen das Internet auf den Bereich der sogenannten Old Economy haben wird.
Denn das Ungewöhnliche an der Internetrevolution ist, so Wimmer, dass sie alle überlebenswichtigen Pro-
zesse von Unternehmen gleichzeitig treffen kann: die Kernprozesse des unternehmensinternen Leistungsge-
schehens, die Beziehung zu den Lieferanten (d.h. das ganze Beschaffungswesen und die dazugehörige Logi-
stik) und natürlich auch die Art und Weise, wie ein Unternehmen bislang seine Kunden erreicht und bedient
hat.

Thomas Petersmann und Alexander Nicolai schildern anhand eines Fallbeispiels anschaulich die Schwierigkei-
ten, mit denen Internetunternehmen angesichts der auch in diesem Bereich immer mehr um sich greifenden
Fusionswelle konfrontiert sind. Sie zeigen auf, welche Akteure in diesem Prozess eine Rolle spielen, welche
Faktoren bei der schwierigen Integrationsaufgabe zu beachten sind und welche besonderen Risiken in den
Charakteristika der New Economy verborgen liegen.

Eng verbunden mit der Diskussion zukunftsweisender Organisationsformen ist der Begriff der Netzwerke.
Hubert Lobnig setzt sich in seinem Beitrag intensiv mit diesem Begriff auseinander, er beschreibt, was Netz-
werke ausmacht, wie und unter welchen Bedingungen sie funktionieren, wie man sie steuert und er skizziert
acht Erfolgsfaktoren zum erfolgreichen Management von Netzwerkorganisationen.

Klaus Doppler setzt sich kritisch mit einer weiteren »Tugend der Stunde« auseinander: der Flexibilität. Also
wirft er die Frage auf: Ist Flexibilität nun eine grundlegende Gesinnung, unerlässlich gegenwärtig sowohl für
Unternehmen als auch für Mitarbeiter? Eine Anforderung, die die eigene Entwicklung vorantreibt? Oder spielt
uns der Zeitgeist eine Wortmelodie vor, die zwar zeitgemäß klingt, aber im Prinzip verschleiert, was hinter
den Kulissen passiert? Ist Flexibilität lediglich ein Codewort für Zumutungen, die den Charakter verbiegen?

Adrian Holter, als Manager auf Zeit ein Wanderer zwischen den Welten der New und der Old Economy, gibt
im ersten Interview dann ein Einblick in die Veränderungen der Arbeitswelt, die mit den oben genannten Ent-
wicklungen einher gehen. Christoph Brunmayr, Geschäftsführer der Firma »Men on the Moon«, schließt im
zweiten Interview den Bogen durch die Schilderung seines »atmenden Unternehmens«, in dem die im ein-
führenden Artikel genannten Chrakteristika wie rasantes Tempo, Lifestyleorientierung, Strukturarmut und
daraus folgenden Verhaltensmuster heute schon Realität sind.

Stefan Doblhofer, Peter Wagner


Organisationsformen
der Zukunft
I n h a l t

Hernsteiner Thema
Thomas Böhm, Stefan Doblhofer
04 Wonderful world, beautiful people

Rudolf Wimmer
10 Strategische Konsequenzen aus der Internet-Revolution

Thomas Petersmann, Alexander T. Nicolai


12 Mergers & Acquisitions in der Internetökonomie
– Fallbeispiel des M-Commerce-Startups Wap-Travel.com

Hubert Lobnig
16 Netzwerk – was Sie wirklich investieren sollten!

21 Klaus Doppler
Flexibel sein! – auf Biegen und Brechen?

Im Gespräch mit Adrian Holter


23 Führung gewinnt an Gewicht

Im Gespräch mit Christoph Brunmayr


26 Eine »atmende« Organisation

Hernsteiner Aktuell

30 trans.form.a©tion:
überzeugend beraten in extremen Situationen

31 1. Kundenfest in Schloss Hernstein

32 Hernstein High Potentials Program


Lehrgang für Nachwuchsführungskräfte

33 Literatur zum Thema

34 Hello goodbye – Abschied mal drei

Mr. Stone
36 mr. stone and his business
Wonderful world, beautiful people
Thomas Böhm, Stefan Doblhofer

Zeigt uns die New Economy wirklich, wie wir in Zukunft führen und geführt
werden? Zunächst untersuchen wir, was die »New Economy« überhaupt
charakterisiert. Danach fragen wir nach der Zukunft von Führung – und
von Unternehmen überhaupt.

4 Wollen Sie eine Führungskraft eines New-Economy-Unternehmens mit allen Unternehmen in diesen Segmenten. Traditionelle Unterneh-
nachhaltig verstören? Dann sagen Sie ihr, dass ihr Unternehmen ganz men, die sich auch mit Internet beschäftigen, zum Beispiel eine Bank,
normal ist, dass es denselben Schwierigkeiten und Herausforderungen die modernste Internetbanking-Software entwickelt, würde niemand
gegenüber steht wie andere Unternehmen auch, und dass es diesen mit als Unternehmen der New Economy bezeichnen. Es sei denn, die Bank
denselben Strategien begegnet – und dass z.B. Manager eines Stahl- gründet eine Tochter, die sich vollkommen vom Image und vor allem
konzerns in ihrem Unternehmen hervorragende Führungsarbeit leisten von der Kultur der Bank löst und die eine eigene entsprechende Kultur
könnten. aufbaut. So gesehen kann man den Begriff der New Economy nicht an
Branchen oder Arbeitsfeldern festmachen.
Schließlich galt bis vor kurzem als ausgemacht: In der New Economy Die Gemeinsamkeiten, die einen gemeinsamen Überbegriff wie New
gelten andere, neue Gesetze. Die jungen Kreativen haben uns vom Kra- Economy rechtfertigen, finden wir auf einer ganz anderen Ebene. Da
wattenzwang befreit. Gründlichkeit, Termintreue, Verlässlichkeit, all das sind z.B. ein neuer Dresscode, starkes Wachstum, rasantes Tempo, Life-
wurden verhandelbare Größen gegenüber den Chancen der neuen styleorientierung, Strukturarmut und die daraus folgenden Verhaltens-
Technologien. Kein Schweinezyklus bremste die Wachstumsraten. Ge- muster. Die Gemeinschaft basiert nicht auf Themen, sondern auf kultu-
winne, für die gestandene Manager in traditionellen Branchen jahrelang rellen Eigenheiten und gemeinsamen Problemen, die aus den oben
schufteten, machten die whiz kidz in einem guten Monat. Gleichzeitig geschilderten Situationen resultieren. Und sie basiert darauf, dass diese
glaubten immer mehr Kommentatoren daran, dass die Arbeitsweise Eigenschaften oft stark ideologisiert sind.
und die Führungsmodelle der New Economy ein klares Bild abgäben,
wie unsere Arbeitswelt in Zukunft aussehen würde. Das Internet und die • Ohne Geschichte, ohne Vorbilder und ohne Einschränkungen
Telekommunikationstechnologie würde unsere Arbeitswelt stärker ver-
ändern als die Erfindung des Telefons, der doppelten Buchführung oder Unternehmen der Old Economy haben meist ein sehr umfangreiches
gar des Rads. Set an typischen Normen, Strukturen und Mustern. Dadurch bewegen
sich die Mitarbeiter auf ausgetretenen Pfaden, aus denen sie oft kaum
Die New Economy? Was soll das sein? herauskommen, wodurch sie in ihrer Kreativität und Entfaltung beengt
sind. Andererseits können derartige Muster auch Hilfen sein. Man muss
Das langsame Zerfließen der internet bubble auf den Weltmärkten seit nicht alles neu erfinden, kann auf Erprobtes zurückgreifen.
Anfang dieses Jahres erlaubt es uns jetzt, ein Stück Distanz zu dieser Eu- Die meisten Unternehmen, die das Etikett »New Economy« verdienen,
phorie zu gewinnen und zu ergründen, was an den Unternehmen der sind Unternehmen, die relativ jung sind und keine lange (kulturelle) Ge-
New Economy bleibend »anders« sein wird. Darüber hinaus können wir schichte haben. Und wenn sie von älteren Unternehmen abstammen,
erforschen, was von dem, was derzeit in den Neuen Firmen sichtbar lösen sie sich zumeist gründlich von ihren »Müttern« ab. Auch die mei-
wird, in ähnlicher Form auch auf andere Unternehmen zukommt – und sten Mitarbeiter sind jung und haben noch keine Erfahrungen in ande-
welche Phänomene auch in Zukunft auf einige besondere Branchen be- ren Branchen gesammelt. Dadurch haben sie keine Vorbilder, denen sie
schränkt bleiben werden. In diesem Artikel können wir dazu nur einige folgen müssen, und dadurch finden sie oft ihre eigenen Wege, die so in
beispielhafte Überlegungen anstellen – das Gesamtbild ist umfangrei- der Wirtschaft bisher nicht vorgekommen sind. Eine eigene Dynamik
cher und komplexer. entsteht.

• Die New Economy ist eine Kulturgemeinschaft, keine Branche • Das hat noch niemand gemacht! Die Mystik des Neuen.

Die New Economy wird meistens mit dem Internet-Bereich gleichge- Nichts hebt das Klima und die Unternehmenskulturen der neuen Firmen
setzt, teilweise mit der Informationstechnologie, manchmal auch mit stärker ab als das Bewusstsein Dinge zu tun, die vorher noch nicht ge-
bestimmten Bereichen der Telekommunikation. Allerdings auch nicht macht wurden, gedacht wurden, erreicht worden sind. Dies hat

Hernsteiner 4/2000 t h e m a Organisationsformen der Zukunft


zunächst eine technologische Seite, und diese steht oft auch im Zen- • Wo Milch und Honig fließen 5
trum des Selbstbewusstseins einer Firma: Was wir gestalten, ist die Zu-
kunft selbst! Unmittelbar daneben steht aber auch das Bewusstsein, Dass sie auch beim Einkommen anderen vielfach »voraus« sind, dazu
dass es die Firmenkultur ist, die die Innovation überhaupt erst möglich haben die Mitarbeiter der Neuen Firmen oft ein zwiespältiges Verhält-
macht. Viele Mitarbeiter schätzen an ihren Firmen vor allem die Mög- nis. Viele von ihnen hätten sich nie vorgestellt, einmal in einem Bereich
lichkeit, unbehelligt von jenen Sachzwängen und Rahmenbedingun- mit hohen Einkommen zu arbeiten. Viele versichern glaubwürdig, dass
gen, die sie in anderen Unternehmen vorfinden würden, an Problemen Geld für sie keinen wichtigen Motivator darstellt, und verweisen auf Kar-
zu arbeiten. rierewege, in denen auch eher »brotlose« Stationen eine Rolle gespielt
haben. Andererseits kommen gerade mit dem Wachstum dieser Firmen
• Ein Blick in die Zukunft vielfach Kollegen dazu, die hier ganz andere Erwartungen einbringen.
Für fast alle gilt, dass die hohen Einkünfte in vielen der Neuen Firmen
Menschen, die in den New Economy Firmen arbeiten, fühlen sich aber das Gefühl unterstreichen, an einer ganz besonderen Stelle zu stehen.
auch oft in einem anderen Aspekt »voraus«. Sie können anderen er- Zu diesem Gefühl trägt auch die ungewöhnliche Aufmerksamkeit bei,
klären, wie die Welt – oder wichtige Aspekte der Welt – in der nahen die den oft sehr jungen Mitarbeitern und Führungskräften der Neuen
oder mittleren Zukunft aussehen werden. Langfristige Voraussagen Firmen von der Öffentlichkeit entgegengebracht wird. Dieselben kidz
sind hier eher aus der Mode geraten – aber schon die kurzfristig anste- sind auch oft schon Ansprechpartner gehobener Führungskräfte aus
henden Veränderungen haben Ausmaß und Wirkungen, deren Trag- traditionellen Unternehmen. All das unterstreicht das Bewusststein, pri-
weite wenigen von uns bewusst sind. Einen Blick voraus in diese nahe, vilegiert zu sein – für viele Menschen am Anfang ihrer Berufslaufbahn
aber gleichzeitig kaum vorstellbare Zukunft zu werfen ist ein großer Teil eine schwer zu verdauende Vorgabe.
des »Kicks« vieler, die in der New Economy agieren.

• Speed wins, kills, anyway • Starke Unternehmenskulturen

Besonders auffällig ist in diesem Rahmen der Umgang mit Zeit. Schnel- Es ist vielfach darauf hingewiesen worden, dass Unternehmen der New
ligkeit ist zum selbstverständlichen Markenzeichen der Branchen der Economy oft eine bemerkenswert kohärente Unternehmenskultur
New Economy geworden. Mit dem Versprechen der Schnelligkeit treten haben. Dieser Beobachtung schließen wir uns an. So sehr auf autonome
diese Unternehmen dem Markt gegenüber, die Forderung der Schnel- Gestaltung der eigenen Arbeit Wert gelegt wird, so klar gelten auch be-
ligkeit überträgt sich meist auch auf interne Abläufe und auf Prozesse, stimmte Regeln – wie z.B. der Vorrang für Schnelligkeit (vgl. oben)
wo Tempo gar nicht gefordert wäre. Dabei ist es akzeptabler als in an- u.v.a. Wie kommt es dazu, dass eine hohe Autonomie so oft Platz neben
deren Unternehmen, dass nicht mehr geschieht, was für eine gewisse einer hohen Kulturkohärenz hat?
Zeit liegen geblieben ist. Mit einem achselzuckenden Verweis auf den Einfache soziologische Rahmenbedingungen tragen zu einer gewissen
Zeitdruck übergehen die Akteure Dinge, die fix vereinbart gewesen sein Geschlossenheit bei. Meist handelt es sich bei den Mitarbeitern um eine
mögen, die dann aber nicht realisiert wurden – »schnell oder gar nicht« Gruppe mit ähnlichem Bildungsniveau und geringen Altersunterschie-
ist hier oft die Devise. den. Die oft langen Arbeitszeiten tragen dazu bei, dass auch ein großer
Menschen, die ihren Sinn daraus schöpfen, »voraus« zu sein, kann Teil der persönlichen Beziehungen ihren Platz unter Kollegen findet.
Schnelligkeit alles bedeuten - vor allem auch Sicherheit geben, dass sie Wir glauben aber, dass die Gründe für die Stärke der Unternehmenskul-
in einem Wettbewerb, der zunehmend ein Wettlauf ist, »voraus« blei- turen eher in den oben aufgeführten Faktoren liegen. Das gemeinsame
ben werden. Bewusstsein, an einem privilegierten Ort dem Gros der Menschen »vor-
aus« in die Zukunft zu sehen und diese zu gestalten, verbindet wahr-
scheinlich mehr als alles andere.

t h e m a Organisationsformen der Zukunft Hernsteiner 4/2000


IBM Nike nokia

Real-Time-Feedback

6 Wie geht das weiter? herumtragen, treten mit einem anderen Der Zwang zur Schnelligkeit einerseits und die
Selbstbewusstsein auf als ihre früheren Kolle- Akkumulation spezialisierten Wissens bei den
Die oben zusammengetragenen Charakteristi- gen. Sie kennen den Wert, den sie für das Un- Mitarbeitern andererseits bringen Unterneh-
ken zeigen, dass die Erfahrung der Neuen Fir- ternehmen repräsentieren, und sie kennen die men beim Wechsel eines Angestellten in eine
men nicht ohne weiteres auf andere Branchen Kosten und den Zeitverlust, den ihre Kündi- schwierige Lage. Nicht umsonst wird es für
übertragbar ist: Die aufgeführten Faktoren – gung bedeuten würde. Schließlich kennen sie viele Führungskräfte zu einer zentralen Her-
die Jugend der Mitarbeiter, das extreme oft auch die Branche und die Mitbewerber, die ausforderung, ihre Leute im Unternehmen zu
Wachstum, der technologische Vorsprung u.a. ihnen einen Umstieg leicht machen würden. halten. Welche Auswirkungen diese Aufgabe
– können nicht beliebig oft zusammentreffen. Mitarbeiter werden also anspruchsvoller, und auf andere Führungssituationen hat, kann
Trotzdem sehen wir in den Neuen Firmen zwei sie können es sich leisten. Neben der finanziel- man ahnen.
große Trends, die – in z.T. abgeschwächter len Abgeltung muss heute auch die Herausfor-
Form – schon heute und in naher Zukunft tief derung stimmen, die persönliche Entwicklung Wozu in die Zukunft schauen?
greifende Auswirkungen weit über die New gewährleistet sein. Mitarbeiter spüren, wenn
Economy haben oder haben werden: sie auf der Stelle treten, und fordern die In vielen Branchen sind Führungskräfte noch
• Wissen wird immer stärker zum zentralen Chance ein, Neues und Interessanteres zu tun. heute in der glücklichen Lage, die wesentli-
Produktionsmittel, und die Wissen- Immer seltener werden unter den Jüngeren die chen Entwicklungen ihres Umfeld zu über-
produzierenden Mitarbeiter werden Vertreter jenes Typs Mitarbeiter, der sich jahre- schauen – oder dies zumindest mehr zu tun als
immer anspruchsvoller lang mit der sprichwörtlichen Karotte vor der ihre Mitarbeiter. Regelmäßige Marktstudien,
• Die Zukunft wird immer schlechter Nase motivieren ließ. Eine differenzierte Le- Kundenbefragungen und der Austausch mit
vorhersehbar. bensplanung, die häufige Wechsel von Inter- externen Beratern geben diesen Führungs-
Mit den Auswirkungen dieser Trends wollen essenschwerpunkten einschließt und gele- kräften einen Informationsvorsprung, der
wir uns nun auseinandersetzen. gentliche Wechsel des Unternehmens nicht ihnen hilft, sich wenigstens die nahe Zukunft
ausschließt, ist an die Stelle linearer Karriere- ihres Unternehmens auszumalen. Das wird es
• Die Neuen Mitarbeiter der Knowledge wege getreten. Dafür nehmen es viele – früher auch in Zukunft noch geben – aber in immer
Economy undenkbar – in Kauf, finanziell oder in der Ver- mehr Branchen wird auch schon die nahe Zu-
Jonas Ridderstrale und Kjell A. Nordström be- antwortung woanders wieder ein Stück weiter kunft ein Buch mit sieben Siegeln sein. Hier
schreiben in ihrem Buch »Funky Business« ein- »unten« neu zu beginnen. sind oft Mitarbeiter am klarsichtigsten, die zu
drucksvoll die Bedeutung, die das Produkti- Das Glaubensbekenntnis, Mitarbeiter seien die einer bestimmten Zeit mit der richtigen Tech-
onsmittel Wissen bereits heute einnimmt. Sie Schlüsselressource eines Unternehmens, be- nologie zu hantieren begonnen haben. Unter-
empfehlen zu prüfen, »ob es wehtut, wenn Sie kommt heute eine ganz andere Färbung: In nehmen, die es schaffen, auch solchen Mitar-
sich ihren Wettbewerbsvorteil auf die Zehen vielen Unternehmen werden Mitarbeiter zum beitern immer wieder zuzuhören, haben eine
fallen lassen. Ist dies der Fall, sollten Sie sich zentralen Engpass! »Wir haben nicht das Pro- größere Chance, die nächsten Innovations-
über Innovationen Gedanken machen. Denn blem, Aufträge aus dem Markt zu erhalten«, schübe aktiv mitgestalten zu können.
alles, was wehtut, besteht aus zuviel Material erklärte uns eine Führungskraft aus einer In- Nicht nur die technologische, auch die Wett-
und zu wenig Wissen.«1 ternet-Agentur. »Wir haben vielmehr das Pro- bewerbsseite vieler Branchen wird zuneh-
Mitarbeiter, denen bewusst ist, dass sie ihr blem, wie wir alle Aufträge bearbeiten – näm- mend unübersichtlicher. Vor allem im Wachs-
wichtigstes Produktionsmittel ständig mit sich lich mit welchen Leuten.« tumssektor der gehobenen Dienstleistungen

1 J o n a s R i d d e r s t r a l e , K j e l l A . N o r d s t r ö m :
Funky Business – Wie kluge Köpfe das Kapital zum Tanzen bringen, Financial Times Prentice Hall 1999, S. 29

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Innovation | Fehlertoleranz

wird es immer schneller möglich, bestehende Prozesse mit einigen we- Markt geboten hätte. Traditionell verteidigt man diese Vorgangsweise
nigen neuen Ideen zu verbinden und damit entscheidende Vorteile zu mit dem Hinweis, dass es meist besser ist, eine suboptimale Entschei-
schaffen. Das Forum Internet ermöglicht es wiederum oft den Mitarbei- dung als gar keine Entscheidung zu treffen und damit ziellos einmal die-
tern, die Performance und Angebote einzelner Mitbewerber viel ge- ser, einmal jener Gelegenheit hinterher zu laufen. Viele Beispiele haben
nauer zu verfolgen, als dies den Führungskräften möglich wäre. diese Argumentation eindrucksvoll untermauert. Aber ist nicht in
Wenn die Zukunft so wenig Planbares enthält, warum verzichtet man einem Umfeld, in dem neue Erkenntnisse fast täglich die Chancen und 7
dann nicht überhaupt auf Planung? Viele Unternehmen der New Eco- Risiken der Zukunft neu gewichten, das Gegenteil wahr? Kann es sich
nomy gehen diesen Weg, manche bewusst und konsequent, noch mehr hier nicht durchaus lohnen, immer wieder neuen Ideen nachzugehen,
gehen ihn einfach de facto. An die Stelle der Unternehmensziele treten ohne sich strategische Fesseln anzulegen?
dann vielleicht langfristig gedachte Unternehmensvisionen oder ein- Wie auch immer: In vielen der Neuen Firmen klafft eine »Strategie-
fach das Gefühl, an einem großartigen, privilegierten Ort zu stehen und Lücke«, wenigstens was Strategien betrifft, die nach innen ins Unter-
die Zukunft auf sich zukommen zu lassen. nehmen hineinwirken und z.B. in operative Ziele umgelegt werden
könnten. Darum und aufgrund des hohen Drucks vom Markt sind die
Die Zukunft von Führung mittleren Führungskräfte damit beschäftigt, »Firefighting« zu betreiben
bzw. ihren Teams zu ermöglichen, möglichst unbehelligt vom Chaos
Führungskräfte werden in der Zukunft noch stärker als heute um das immer neuer, widersprüchlicher Anforderungen, ihrer Arbeit nachzuge-
»big picture« bemüht sein. Aber dieses Gesamtbild muss viele Facetten hen. Dieses Gesamtbild wird in Zukunft wahrscheinlich auf immer mehr
und Details integrieren können. Als Führungskraft werden sich jene (auch »traditionelle«) Firmen zutreffen, die nicht ein besonderes Augen-
qualifizieren, die in ständiger Kommunikation – innerhalb und außer- merk auf ihre Führungspraxis und -instrumente legen.
halb des Unternehmens – lernfähig bleiben. Sie müssen die Kraft haben,
ihre Mitarbeiter zu laufender Weiterarbeit an den strategischen Stoß- Die »Strategielücke«
richtungen des Unternehmens zu bewegen – trotz der ständigen Revi-
sionen, die unvermeidlich werden.

• Die strategische Unsicherheit

Wer viele Unternehmen der New Economy betrachtet, dem fällt auf:
Starke Visionen bestimmen die Unternehmensführung und ihren Auf-
tritt nach außen; strategische Planung und Ausrichtung gehören dage-
gen meist nicht zu den Stärken. Viele geben an, für strategische Pla-
nung einfach nicht die Zeit zu haben. Andere stellen ihre Strategien so
oft und so tief greifend um, dass sie jede Steuerungswirksamkeit verlie- • Hierarchie? Heterarchie? Hyperlinks?
ren und »Strategie« zum running gag der Mitarbeiter wird. Strategiear-
beit reduziert sich in vielen Fällen auf Mergers & Acquisitions, also die Viele Internet-Unternehmen sind stolz darauf, »keine Hierarchien« zu
Frage, welches Unternehmen man kaufen oder mit welchem man fusio- haben, und Andy Law, der Gründer der englischen Internet-Agentur St.
nieren sollte. Luke’s, erklärte jüngst in einem Interview2: »Niemand berichtet an mich
Die New Economy steht einem Grundproblem der Unternehmensstra- [oder meinen Mitgründer]. Tatsächlich berichten wir an die anderen.«
tegie überhaupt gegenüber – nur in krasserer Form: Um die Energien Viele Mitarbeiter der Neuen Firmen bezeichnen eben dieses Fehlen von
und Ressourcen der Unternehmen zu bündeln und zu fokussieren Führung als einen wesentlichen Faktor ihrer Zufriedenheit und Motiva-
schließt die Strategie bestimmte Optionen aktiv aus – und geht damit tion. Ist »die Führungskraft« überhaupt ein Auslaufmodell, oder in Zu-
möglicherweise an den interessantesten Gelegenheiten vorbei, die der kunft eine Erscheinung ganz bestimmter traditioneller Branchen?

2 vgl. das Interview mit Andy Law im Harvard Business Review Sept/Oct 2000

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8 Diese Frage ist seit kurzem nicht mehr nur ein Gedankenspiel unter Or- kationsanlässe und -korridore schaffen: »Der moderne Manager wird zu
ganisationsberatern. Sie wird heute heiß diskutiert, nicht mehr nur im einer Art Talkmaster ... Im Mittelpunkt der FunkyInc. stehen Foren, vir-
Umfeld der Neuen Firmen. Die Autoren von »Funky Business« geben tuelle und reale Orte, an denen Menschen zusammenkommen kön-
eine klare Antwort: »Die traditionelle, hierarchische Firma wird im 21. nen5«. Denn im Zeitdruck, der auf uns zukommt, müssen die Gelegen-
Jahrhundert nicht nur zu einem Problem – es wird sie nicht mehr heiten zum miteinander Lernen gesucht, vorbereitet, moderiert und
geben«3. Während die beiden Skandinavier »Heterarchie«, also das Zu- aufbereitet werden – ansonsten werden sie einfach nicht stattfinden
sammenspiel vieler, einander überlagernder Hierarchien als Antwort auf oder ohne greifbare Folgen bleiben.
die bisherige Hierarchie proklamieren, formuliert es das »Cluetrain Ma-
nifesto« noch bündiger: »Heute ist das Organigramm hyperlinked, nicht • Zwischen Ordnung und Chaos
hierarchisch.«4
Der Hyperlink als Antwort auf die Berichtslinien der Organigramme: Führungskräfte werden in Zukunft eine Reihe scharfer Widersprüche zu
also jene Funktion, die es mir erlaubt, mit einem Mausklick Querverbin- managen haben. Die Fähigkeit, in und mit Spannungsfeldern, insbeson-
dungen zu vollziehen, die sich sonst meinem Überblick entzogen hät- dere mit Aporien6 zu leben und arbeiten zu können, wird zentrale Be-
ten. Ein attraktives Bild! Wie funktioniert es allerdings in der Praxis? Und deutung erhalten. Wir erleben derzeit, wie in einigen der Neuen Firmen
wer legt die Links? mit einer traditionell starken Chaos-Toleranz auf einmal der Wunsch
nach mehr Ordnung auftritt! Immer wieder alles neu zu erfinden, alles
• Der Schwerpunkte setzende Talkmaster entscheiden zu müssen, weil es kaum Regeln gibt und keinerlei Metho-
den zur Organisation und des Führens – also der Arbeitsteilung – zur
Mehr als alles andere wird Führung in Zukunft mit dem Setzen von Verfügung zu haben zermürbt nach einigen Jahren auch die Jungen, die
Schwerpunkten zu tun haben. In einer chaotischen Welt, in der jeden in der Ideologie der Heterarchie aufgewachsen sind. Die Führungskräfte
Tag eine neue Idee um Aufmerksamkeit kämpft, wird es immer mehr müssen in dieser Situation Spielregeln festsetzen und Strukturen ein-
darauf ankommen, dass Führungskräfte den Auswahlprozess steuern: führen, aber darauf achten, dass die bisherigen Stärken ihrer Unterneh-
Verrennen wir uns gerade in eine schöne Idee, die uns (und unseren men nicht geopfert werden. Die Mitarbeiterfluktuation wird zeitweilig
Kunden!) aber nichts bringen wird? Können wir das Potential hinter die- höher werden, wenn damit ein anderer Mitarbeitertypus benötigt wird.
ser Anregung wirklich nutzen? Warum sind wir diesen Vorschlag aus Die Gefahr besteht, dass die Neuen Unternehmen ihrer ideologischen
dem Vormonat übergangen? Zeigt uns diese Erkenntnis nicht, dass wir Kraft verlustig gehen. Und manche mögen sich fragen, wo da noch der
unsere Unternehmensstrategie neu denken müssen? Können wir diese Unterschied zur Old Economy bleibt, ein Unterschied, der aber viele Mit-
Anregung überhaupt umsetzen, oder ist das für uns unrealistisch? Bis arbeiter erst ins Unternehmen bringt.
wann können wir das erledigt haben? Wann werden wir es evaluieren?
Wer (so) fragt, der wird führen. • Zeit und Geschwindigkeit versus Reflektion und Dialog
Führungskräfte sind hier in Zukunft nicht mehr diejenigen, die es besser
wissen als ihre Mitarbeiter – aber sie können diejenigen sein, die dafür Wir haben oben Schnelligkeit als ein verbindendes Kulturmerkmal der
verantwortlich sind, den Prozess der Orientierung, Schwerpunktset- New Economy beschrieben. Allem Anschein nach setzt sich dieser Stan-
zung und Steuerung nicht aus den Augen zu verlieren. Dazu müssen sie dard in weiten Teilen unserer Wirtschaft, also auch in der Old Economy
effektive und aufmerksame Kommunikatoren sein, die aktiv Kommuni- durch. Die Gefahr dabei ist, dass nun Geschwindigkeit auch dort gefor-

3 J o n a s R i d d e r s t r a l e , K j e l l A . N o r d s t r ö m :
Funky Business, Wie kluge Köpfe das Kapital zum Tanzen bringen, Financial Times Prentice Hall 1999, S. 165
4 vgl. www.cluetrain.org, Manifesto, These 50. Zum Cluetrain Manifesto vgl. weiter unten
5 J o n a s R i d d e r s t r a l e , K j e l l A . N o r d s t r ö m :
Funky Business, Wie kluge Köpfe das Kapital zum Tanzen bringen, Financial Times Prentice Hall 1999, S. 143
6 Aporie: griechisch: a: nicht, poros: Weg, Brücke., also Widersprüchen, die sich widersprechen, obwohl beide wahr sind und ohne einander nicht existieren können.
vgl. Gerhard Schwarz: Konfliktmanagement. Gabler, Wiesbaden 1990, Seite 158
7 I m S i n n e v o n D a v i d B o h m :
Der Dialog. Das offene Gespräch am Ende der Diskussionen. Klett-Cotta, Stuttgart 1998, vor allem Seite 32-46

Hernsteiner 4/2000 t h e m a Organisationsformen der Zukunft


dert wird, wo sie eher ein Nachteil ist. Was viele der Neuen Firmen aus- Nehmen wir zum Beispiel das »Cluetrain Manifesto«8, ein Traktat aus 95
gesprochen schlecht beherrschen, ist die kontinuierliche Reflektion des Thesen zu einem neuen Verständnis »des Marktes«, das derzeit die In-
Gewesenen, um Schwächen zu erkennen und zukünftigen Fehlern vor- ternetcommunity bewegt. Darin wird in kurzen, saloppen Sätzen eine
zubeugen, sowie der Dialog7 der Mitarbeiter zu wesentlichen Themen Wirtschaft verkündet, die sich mit der Krücke »Organisation« nicht
der Organisation (außer zu technologischen Themen). mehr herumschlagen muss. These 32 erklärt z.B., »ein metaphysisches
Konstrukt namens »Die Firma« ist das Einzige, was [zwischen Mitarbei-
Führen wird in der Zukunft als wesentliche Aufgabe den bewussten Um- tern und Kunden] steht.« Die Phantasie, die hier Ausdruck findet, ist die
gang mit Zeit, das Beschleunigen und Entschleunigen jeweils zum rech- Phantasie der absoluten Grenzenlosigkeit, die durch das »Netz« ermög-
ten Zeitpunkt beinhalten. Wenn Führungskräfte diese Dynamik nicht licht werden soll. Damit ist nicht nur das Internet gemeint, sondern die
aktiv in die Hand nehmen, wird es niemand sonst im Unternehmen tun. Folge davon, die Vernetzung auf allen Ebenen, eben die Grenzenlosig-
keit. Das Cluetrain Manifesto ist nun nichts vollkommen Losgelöstes
Wird es noch »Unternehmen« geben? und eigenständiges, sondern eher der Ausdruck eines neuen Verständ-
nisses von Gemeinschaft, der sich besonders stark auch in New-Eco-
Viele Menschen, die wir bei der Arbeit von New-Economy-Unternehmen nomy-Firmen wiederfindet.
9
kennen gelernt haben, gehören einer neuen Generation an. Sie haben Das Bild der Tausenden »Me inc.’s« (oder in österreichischer Version, der
einen relativ unkomplizierten Zugang zur Hierarchie als Ordnungssy- »Ich Ges.m.b.H.’s«) trägt verlockende Züge: Die wissensgesteuerten
stem, in dem sie sie einfach als altmodisch und als nicht mehr notwen- Branchen (deren Wachstum die anderen Wirtschaftszweige auf jene
dig abtun. An ihre Stelle tritt die Demokratie der offenen Kommunika- Rolle reduziert haben wird, die etwa heute die Landwirtschaft spielt)
tion, möglich gemacht durch »das Netz«. Sie leben oft eine Art werden von zahllosen Akteuren bestimmt, die sich – perfekt vernetzt
heterarchischer, manchmal auch kampflos anarchistischer Gesinnung, –jederzeit in bestimmte Dienstleistungsprozesse ein- und wieder aus-
in der es Gurus und Visionen, aber keine Führer mehr gibt. Jeder Ein- klinken. Dazu verhandelt jeder Leistungsträger die Konditionen seiner
zelne ist ein Unternehmer für sich. Je nach Bedarf rotten sich diese Un- Leistung. Commitments bekommen ein zeitliches Limit, Loyalität be-
ternehmer aufgabenspezifisch zu Netzwerken zusammen, wie Fisch- steht zu den eigenen Qualitätskriterien, alle stehen zugleich als Kunden
schwärme, ohne sichtbare Steuerung. Die Macht liegt im Allgemeinen und Lieferanten in langen Wertschöpfungsketten, die sich ständig neu
und in der totalen Vernetzung, nicht im Individuum, denn Grenzen und öffnen und schließen.
Strukturen sind störend und verhindern die Freiheit und das Glück. Ba-
sisdemokratie par excellence. Wie weit dieses Modell bisherige Arbeitsmodelle und Organisationsfor-
men ersetzen wird, können wir nicht abschätzen. Wichtiger scheint uns
In unserer Beratungspraxis begleiten wir immer wieder New-Economy- der Umstand, dass dieses Modell bereits heute innerhalb von Unterneh-
Firmen, bei denen nach Jahren des konstruktiven Chaos der Ruf nach men eine Art Vorbildwirkung zu entfalten beginnt: Die Rede von inter-
Ordnung laut wird. nen Lieferanten und Kunden ist Allgemeingut geworden. Wenn wir dazu
Sollten Sie als Führungskraft an diesen Punkt gelangen, so könnten die Verbreitung von Telearbeit und das Anwachsen von Freelancing und
Ihnen die folgenden Aktivitäten weiterhelfen: Netzwerkarbeit auch in traditionellen Berufen stellen, dann zeigt dies:
Wo traditionelle Firmen bestehen bleiben, werden sie jedenfalls nicht
• Holen Sie sich einen Auftrag: Diskutieren Sie Sinn, Funktion und Rolle wieder zu erkennen sein.
Ihrer Führungstätigkeit mit Ihren Vorgesetzten/der Geschäftsleitung
und die dafür notwendigen Kompetenzen. • Führung als temporäre Dienstleistung
• Holen Sie sich ein Mandat Ihres Teams: Diskutieren Sie mit Ihrer
Gruppe ihren Auftrag und führen Sie einen Diskurs über Sinn, Damit stellt sich die Frage nach der Führung noch einmal schärfer.
Funktion und Rolle von (Ihrer) Führung. Wenn wir das Modell der Me Inc’s (und ihrer innerbetrieblichen Adap-
• Entwickeln Sie die Kultur: Reflektieren sie mit Ihrer Gruppe über die tierung!) zu Ende denken, dann wird auch Führung eine Dienstleistung
wesentlichen Kulturelemente Ihres Systems um diese zu erkennen werden, für die es Kunden und Lieferanten und – jawohl – zeitlich befri-
und dadurch veränderbar zu machen. stete Vereinbarungen geben wird. Wenn wir uns aber ins Gedächtnis
• Holen Sie sich Instrumente: Es gibt eine Reihe von Instrumenten, rufen, dass Lieferanten prinzipiell immer austauschbar sind, dann wer-
die die Führungsarbeit wesentlich unterstützen. Diese sind das den Sie Ihre Führungsleistung in Zukunft möglicherweise aktiv anbieten
Mitarbeiter- oder Zielvereinbarungsgespräch9, Führungskräfte- müssen. Diese Leistung könnte von den Kunden – also Ihren Mitarbei-
oder 360°-Feedback, Mitarbeiterbeurteilungssysteme etc. tern! – evaluiert werden, bevor es zur Verlängerung eines Führungskon-
• Die Lernende Organisation: Installieren Sie in Ihrer Gruppe trakts kommt. Sie werden gebraucht, wo ein »Fischschwarm« sich zu-
Wissensmanagement im Sinne der Lernenden Organisation. sammenrottet – wenn er wieder auseinanderstiebt, werden Sie für Ihr
Dabei handelt es sich nicht um eine Datenbank oder eine Führungsangebot wieder neue Märkte suchen. Wie die anderen Dienst-
andere technische Lösung, sondern um das Verhalten einer leistungen wird damit auch die Führung anspruchsvoller, unsicherer,
Gemeinschaft10. aber auch spannender und abwechslungsreicher.

8 vgl. www.cluetrain.org
9 Vergleich: Reinhart Nagel, Margit Oswald, Rudolf Wimmer: Das Mitarbeitergespräch als Führungsinstrument. Klett-Cotta 1999
10 Vergleich: Peter M. Senge et al: Das Fieldbook zur fünften Disziplin. Klett-Cotta 1996, Seite 405ff

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Strategische Konsequenzen aus der Internet-Revolution
Univ.-Prof. Dr. Rudolf Wimmer

Die dynamische Wachstumsentwicklung der New Economy schafft nicht nur ein
gewaltiges Chancenpotential für all jene Firmen und Startups, die sich unmittel-
bar in diesem Segment bewegen. Die Internet-Revolution zieht auch für einen
Großteil der Unternehmen in der sogenannten Old Economy erhebliche Konse-
quenzen mit sich. In den allermeisten Branchen werden zur Zeit gerade die
Bedingungen für den geschäftlichen Erfolg und Misserfolg neu definiert.

10 Wir befinden uns am Beginn eines gesellschaftlichen Umbruchs, der natürlich jene Firmen dran, die in beiden Dimensionen (dem Geschäft
wichtige Eckpfeiler wirtschaftlichen Handelns zum Einsturz bringen mit den jeweiligen Gütern und Dienstleistungen wie jenem mit den da-
wird. Solche Zeiten erzwingen ein Überprüfen der eigenen strategi- zugehörigen Informationen) Spitze sind. Solche »Sowohl-als-auch-Stra-
schen Grundannahmen, die bislang die Unternehmensentwicklung ge- tegien« sind allerdings sehr voraussetzungsvoll, weil sie es vielfach not-
steuert haben. Dazu im Folgenden in aller Kürze einige Thesen, die auf wendig machen, die eigenen Grundüberzeugungen bezogen auf das
dem Buch von Evans, Wurster: »Web Attack. Strategien für die Internet- bisherige Geschäft radikal in Frage zu stellen.
Revolution«1 beruhen.
These 2: Entscheidungsprobleme der neuen Art
These 1: Neuverknüpfung von Güter- und Informationsströmen
Das Ungewöhnliche an der Internetrevolution ist, dass sie alle überle-
Jedes Geschäft, gleichgültig ob es um die Herstellung und den Verkauf benswichtigen Prozesse von Unternehmen gleichzeitig treffen kann: die
von Produkten oder um das Bereitstellen von Dienstleistungen geht, Kernprozesse des unternehmensinternen Leistungsgeschehens (wie die
beruht auf einer engen Verknüpfung von Güter- und Informationsströ- administrativen Unterstützungsprozesse), die Beziehung zu den Liefe-
men. Dies gilt sowohl für die Prozesse innerhalb eines Unternehmens als ranten (d.h. das ganze Beschaffungswesen und die dazugehörige Logi-
auch für das Verhältnis desselben zu seinen Lieferanten und Kunden. stik) und letztlich natürlich auch die Art und Weise, wie ein Unterneh-
Damit die zwischen den einzelnen Gliedern der Wertschöpfungskette men bislang seine Kunden erreicht und bedient hat. Am
stattfindenden »Transaktionen« gelingen können, bedarf es eines mehr eindrucksvollsten geht zur Zeit im Geschäft zwischen Unternehmen die
oder weniger aufwendigen Informations- und Kommunikationsgesche- Post ab. Laut einer Studie der Boston Consulting Group von August
hens, für das bislang in einer ganz bestimmten Weise Sorge getragen 2000 wächst das B2B-E-Commerce in Deutschland jährlich mit 34 % und
worden ist (z.B. durch einen eigenen Verkaufsapparat oder durch eine wird in drei Jahren bereits 14 % des gesamten Beschaffungsvolumens er-
Vertreterorganisation oder durch Franchaisinglösungen etc., etc.). reichen (ca. 450 Milliarden Euro). Man wird deshalb sehr genau die
Diese traditionell enge Verschmelzung von Güter- und Informations- Funktionsweise der neu entstehenden elektronischen Marktplätze, Ein-
strömen in der Realisierung von Geschäften ist zur Zeit an vielen Stellen kaufsplattfomen, Katalogsysteme und Auktionen studieren müssen,
in Auflösung begriffen. Die neu entstehenden E-Commerce-Lösungen um herauszufinden, welche dieser Lösungen sich für welches Beschaf-
(in Richtung Kunden sowohl im Bereich B2B als auch zunehmend im fungsproblem eignet. Mit dem Bedeutungszuwachs dieser Themen ent-
B2C) senken die Transaktionskosten in einem derart radikalen Ausmaß stehen für Unternehmen Entscheidungsprobleme ganz neuer Art, die
und schaffen durch eine nie dagewesene Transparenz ganz neue Bedin- auf Grund der zugrundeliegenden Komplexität und Ungewissheit ganz
gungen für die Preisfindung, dass im Erfinden, Implementieren und Ser- ungewöhnliche Risiken entstehen lassen. Dieser Umstand wird zweifels-
vicieren solcher Lösungen ein ungeheures Wertschöpfungspotential ohne einen neuen Beratungsbedarf stimulieren, zu dessen Befriedigung
steckt, an dessen Hebung viele Unternehmen zur Zeit mit großem es darauf ankommen wird, komplexes Know-how über IT-Architekturen
Nachdruck arbeiten. mit Strategiewissen über die aktuelle Marktdynamik zu verknüpfen.
Damit werden in bestimmten Feldern IT- und Strategieberatung noch
Die Internetrevolution lässt in großem Stil neue Unternehmen entste- näher zusammenrücken.
hen, die sich auf die Bewältigung der allen Geschäftsprozessen zugrun-
deliegenden Informations- und Kommunikationsaufwendungen kon- These 3: Neukonfiguration der Wertschöpfungskette
zentrieren. Damit ist ein Prozess in Gang gekommen, der die
geschäftlichen Spielregeln in vielen Branchen zunehmend auf den Kopf Das Auseinanderbrechen der Güter- und Informationsprozesse eröffnet
zu stellen beginnt. Unternehmen müssen sich daher strategisch sehr die Chance, den bisherigen organisatorischen Zusammenhang zwi-
genau überlegen, für welche der genannten Ströme sie ihre Kernkom- schen den Gliedern der Wertschöpfungskette völlig neu zu konfigurie-
petenzen ausprägen und weiterentwickeln wollen. Am besten sind ren (auf diesen Umstand bezieht sich das neue Modewort von der »de-

1 P h . E v a n s , T h . S . W u r s t e r : Web Attack. Strategien für die Internet-Revolution, Hanser Verlag, München 2000

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construction of the value chain«). Dies kann bedeuten, dass bisherige den Prüfstand zu stellen und, wenn erforderlich, in aller Radikalität auch
Unternehmen in ihrer geschichtlich gewachsenen Form zerbrechen und zu verlassen. Die Geschwindigkeit solcher Umorientierungsprozesse
gänzlich neue Formationen entstehen, denen angesichts einer gewan- wird wohl der alles entscheidende Erfolgsfaktor sein. Die neuen Angrei-
delten Bedeutung der Informationsökonomie heute noch ganz undenk- fer aus der Informationsökonomie sind deshalb in den diesbezüglichen
bare Geschäftsmodelle zugrunde liegen. Vor diesem Hintergrund kön- Wettbewerbsauseinandersetzungen häufig im Vorteil, weil sie keine hi-
nen »Make-or-Buy-Entscheidungen« vollkommen neu durchdacht storisch gewachsenen Strukturen und Geschäftsinteressen zu verteidi-
werden. Die Möglichkeit einer Dekonstruktion der Wertschöpfungs- gen haben. Ihre Lern- und Innovationsgeschwindigkeit ist aus diesem
kette dadurch, dass rund um die Bewältigung des ursprünglichen Ge- Grunde in der Regel deutlich höher. Insbesondere dieses Phänomen be-
schäftes eigene Geschäfte mit dem zugrundeliegenden Informations- sitzt weiter reichende strategische Implikationen für viele etablierte Un-
geschehen entstehen, berührt vor allem das bisherige Verhältnis der ternehmen.
Unternehmen zu ihren bestehenden Kunden bzw. berührt es die Chan-
cen, ganz neue Kundengruppen anzusprechen. Unternehmen in reifen These 6: Die Explosion der Wahlmöglichkeiten
Branchen und Märkten droht auf diesem Wege die Gefahr, dass ganz 11
neue Wettbewerber auf dem Spielfeld erscheinen und den direkten Zu- Die Internet-Revolution beschert dem einzelnen Kunden (ob Endver-
gang zum bisherigen Kunden versperren (vgl. die Rolle von Amazon im braucher oder Unternehmen) bislang ungeahnte Informationszugänge,
Buchhandel). Besonders gefährdet sind natürlich Unternehmen, deren aber auch ganz neue Kommunikationsmöglichkeiten. Diese Explosion
Geschäft schon bisher primär im Handling von Informationen bestan- der Wahlmöglichkeiten verschärft das Problem der Selektion in einem
den hat (z.B. Reisebüros, Immobilienmakler, aber auch ein Großteil der bislang noch nie dagewesenen Ausmaß. Dieser Umstand verschafft der
Finanzdienstleistungen, etwa das Kreditkartengeschäft fällt da drunter). Funktion des »Navigators« eine ungeheure Bedeutung. Damit entste-
hen rund um diese Funktion ganz neue Geschäftsmöglichkeiten (z.B. In-
These 4: Quantensprung im Informationsgeschehen ternetsuchmachinen, neue Fachzeitschriften etc.). Aber auch her-
kömmliche Formen der Komplexitätsreduktion wie »Vertrauen« (z.B.
Betrachtet man das bisherige Informationsgeschehen zwischen Unter- der Finanzberater, zu dem man ein ganz persönliches Vertrauen aufge-
nehmen und ihren Kunden, so lässt sich feststellen, dass die zur Bewäl- baut hat) oder das »Markenimage« als Orientierungsrahmen gewinnen
tigung dieses Geschehens gefundene organisatorische Lösung (z.B. das sichtlich an Bedeutung. Dies erklärt den Umstand, warum das »Bran-
Filialnetz einer Bank, die Vertreterstruktur einer Versicherung, die Ver- ding« im Zusammenhang mit Strategieentwicklung heutzutage so eine
kaufsniederlassungen eines Automobilherstellers und seine Serviceor- große Rolle spielt.
ganisation etc.) jeweils durch einen ganz spezifischen Kompromiss zwi-
schen der dadurch ermöglichten »Reichweite« (Wie viele Kunden kann These 7: Neupositionierung der Zwischenhändler
man mit der jenseits gefundenen organisatorischen Lösung erreichen?)
und der »Reichhaltigkeit« der Informationspolitik geprägt ist. Kriterien Die klassischen Intermediatoren (Groß- und Zwischenhändler, Makler
für Letzteres sind insbesondere die Bandbreite und die Menge an Infor- etc.) sind von der geschilderten Entwicklung besonders bedroht. Sie
mationen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt zwischen dem Unter- leben vom alten Kompromiss zwischen Reichweite und Reichhaltigkeit.
nehmen und seinen Kunden bewegt werden können, oder auch der Für solche Unternehmen ist eine strategische Neupositionierung (z.B.
Grad der Individualisierung der Information (dieser ist bei einem Vertre- das Besetzen anderer Dienstleistungssegmente innerhalb der Wert-
terbesuch deutlich höher als bei einem Werbespot) – oder der Grad der schöpfungskette) unmittelbar eine Überlebensfrage.
Interaktivität und der Aktualität des Informationsgeschehens. Diese die
bisherige Geschäftspraxis prägenden Kompromisse, die ein wichtiges These 8: Das Ende der Informationsasymmetrien
Element in der Wettbewerbsauseinandersetzung dargestellt haben, zer-
brechen durch die neuen Möglichkeiten, die das Internet bietet. Die ge- Ganz allgemein lässt sich sagen, dass die Internet-Revolution die Macht
rade auf den Markt kommenden E-Commerce-Lösungen sind vielfach in der Kunden erheblich stärkt. Alte Informationsasymmetrien (der Ver-
der Lage, im Ausmaß eines Quantensprunges gleichzeitig die Reich- käufer konnte das Nichtwissen des Kunden wirtschaftlich zu seinen
weite (Kunden werden rund um den Erdball zu jedem beliebigen Zeit- Gunsten nutzen) beginnen sich zu verflüchtigen. Die Kunden-Lieferan-
punkt erreichbar) als auch die Reichhaltigkeit zu erhöhen. Dieser Um- ten-Beziehung wird damit auf eine neue, wesentlich transparentere
stand stellt – gemeinsam mit dem damit verbundenen »Terror der Grundlage gestellt. Die Fähigkeit, auf die Bedürfnisse des Kunden ganz
Transparenz« – die bisherigen Wettbewerbsbedingungen total auf den individualisiert einzugehen, ihn in seinem Kaufverhalten zu kennen und
Kopf. ihn deshalb womöglich positiv überraschen zu können wird wohl noch
relevanter werden als dies schon bislang der Fall war. Die aktuell beob-
These 5: Die Herausforderung: Lern- und Innovationsgeschwindigkeit achtbare strategische Bedeutung des Customer Relationship Manage-
ments (CRM) deutet in dieser Richtung. Wer letztlich über die Bezie-
Die zentrale Herausforderung für die Unternehmen der »Old Economy« hung zum Kunden verfügt, entscheidet über die Verteilung der
besteht wohl darin, ihre bisherigen Erfolgsmuster ganz konsequent auf Wertschöpfung zwischen den einzelnen Gliedern der Kette.

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Mergers & Acquisitions in der Internetökonomie
– Fallbeispiel des M-Commerce -Start-ups Wap-Travel.com
Thomas Petersmann, Alexander T. Nicolai

Eine Welle von Unternehmenszusammenschlüssen und Firmenkäufen steht der


so genannten New Economy bevor. Dieser Beitrag zeigt auf, welche Akteure in
diesem Prozess eine Rolle spielen und welche Faktoren bei der schwierigen Inte-
grationsaufgabe zu beachten sind.

12 Nach den großen internationalen Zusammenschlüssen klassischer Indu- auf 23 Milliarden Euro ansteigen. Später, nach Einführung des UMTS-
strieunternehmen hat das Fusionsfieber nunmehr auch die so genannte Standards, wird noch einmal mit einem deutlichen Wachstumsschub
New Economy erfasst. Internet-Startups, Unternehmensgründungen, gerechnet. Bereits 2003 sollen mehr Menschen mit dem Handy auf das
die vor allem auf dem World Wide Web (WWW) basieren, sind zuneh- Internet zugreifen können als mit dem stationären PC. Auf diesen Pro-
mend Gegenstand von Zusammenschlüssen und Übernahmen, og. gnosen basiert die Geschäftsidee der im Durchschnitt 33 Jahre alten Un-
Mergers & Acquisitions (M&A). Allein zwischen 1998 und 1999 hat sich ternehmer. Ihre Kunden können sich durch wenige Eingaben im Display
die Summe, die für »Webmergers«, für M&A von Internet-Startups, aus- des Handys eine günstige Flugverbindung suchen und eine verbindliche
gegeben wurde, versiebenfacht.1 Eine weitere Beschleunigung der Fusi- Buchung vornehmen. Zusatzinformationen über Verspätungen, An-
ons- und Übernahmedynamik in diesem Bereich wird vorhergesagt.2 schlussflüge oder das Wetter am Zielort gehören zu dem Dienstlei-
Die bisherigen Erfahrungen bei Industrieunternehmen aller Größenord- stungsangebot. Die Firma heißt Wap-Travel.com und erzielt ihre Erlöse
nungen zeigen, wie überaus schwierig die Zusammenführung vormals über Provisionen auf die vermittelten Flugtickets.
unabhängiger Unternehmen sein kann. Nicht zuletzt die von der Uni- Den Business Plan haben die drei Gründer am 20. November 1999 fer-
versität Witten/Herdecke ermittelte Quote von 60% gescheiterten tiggestellt. Sie verschicken ihn an eine Reihe von Risikokapitalgebern, so
M&A-Transaktionen gibt davon Zeugnis.3 Zwar sind die Bedingungen genannter Venture Capitalists (VCs). Bergmann, Heuringhausen und
bei den jungen Startups vollkommen andere, doch auch hier ist der Luig werden in den folgenden Wochen zu einigen Gesprächen eingela-
M&A-Prozess eine große Herausforderung. den, um ihre Geschäftsidee zu präsentieren. Dank des überzeugenden
Am Beispiel der gescheiterten Fusion von Wap-Travel.com mit Smart- beruflichen Hintergrunds des Management-Teams finden sie schließlich
flight.com wird illustriert, welche Akteure den M&A-Prozess in der In- als Finanzier das Unternehmen Trendventure, das ihnen 9 Mio. DM zur
ternetökononomie beeinflussen und welche Risiken der Prozess birgt. Verfügung stellt. Als Gegenleistung sichert sich der VC einen 20-%-An-
Der Fall ist fiktiv, basiert aber auf den praktischen Erfahrungen verschie- teil von Wap-Travel.com. Der Business Plan sieht vor, dass bis Ende 2000
dener Unternehmenszusammenschlüsse in der Internetökonomie. Flugtickets im Wert von 800 000 DM bei einer Provison von 4% vermit-
telt werden. 2001 soll der vermittelte Umsatz auf 9 000 000 DM stei-
Gründung von Wap-Travel.com gen, und 2003 wird bei einer nochmaligen Verfünfachung des Umsat-
zes der Break-Even erwartet. Dann soll das Initial Public Offering (IPO),
Am 14. September 1999 entschließen sich Christoph Bergmann, Stefan der Börsengang, anstehen. Geht die Rechung auf, sind die drei Gründer
Heuringhausen und Thorsten Luig, ein eigenes Unternehmen zu grün- nach dem IPO Millionäre, und das Kapital der VCs wird seinen Wert ver-
den. Bergmann und Heuringhausen geben dafür ihren Job bei einer in- zehnfachen.
ternational führenden Unternehmensberatung auf. Luig, ein Schul-
freund Bergmanns, kommt von einer großen Fluggesellschaft. Die Rückschläge
Geschäftsidee: Fluginformationen und -buchungen über Internet und
Mobiltelefon. Insbesondere die Chancen, die durch die Mobilfunk-An- Wap-Travel.com bezieht am 7. Januar 2000 die Geschäftsräume in
wendung entstehen, haben das Unternehmer-Trio zum Gründen be- einem Gewerbegebiet bei München. Schnell werden 15 Mitarbeiter ein-
wegt. Sie sind damit im so genannten Mobile-Commerce tätig, dem gestellt, darunter Programmierer, Call-Center-Agenten, Produktmana-
elektronischen Handel mit dem Handy. Beim M-Commerce erhält der ger und Key-Account-Manager. Die meisten von ihnen werden über per-
Nutzer über das Handy Zugang zum Internet und kann dort Transaktio- sönliche Kontakte der Gründer angeworben.
nen vornehmen. Ersten Marktforschungen zufolge soll das Umsatzvolu- Am 20. Februar ist die erste Version der Vermittlungssoftware einsatz-
men mit steigender technischer Leistungfähigkeit bis 2002 europaweit bereit, mit einer großen Kampagne wird Wap-Travel.com in den Markt

1 webmergers.com, http://www.webmergers.com, Abruf 09. 11. 2000


2 Vgl. für viele andere: KPMG/Economist Intelligence Unit; The eBusiness value chain: Winning Strategies in seven global industries, London/New York/Honkong, 2000
3 J a n s e n , S . A . / K ö r n e r , K . ; Fusionsmanagement in Deutschland, Witten/Herdecke, 2000

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eingeführt. Nach den Anfangserfolgen müs- Wettbewerber Smartflight.com plant für die- • Die VCs beider Parteien drängen darauf,
sen Bergmann, Heuringhausen und Luig meh- ses Unternehmen, dass es 51% der Anteile von dass die SMART-Travel AG den M-Commerce-
rere Rückschläge hinnehmen: Wap-Travel.com übernimmt. Bergmann, Heu- Fokus beibehält, obwohl im E-Commerce-Be-
ringhausen wollen das Angebot sofort anneh- reich höhere Umsätze erzielt werden. Sie be-
• Der Chief Information Officer (CIO), der men, Luig ist strikt dagegen. Als die Fusion gründen diese Ausrichtung damit, dass sich
Chefprogrammierer, verlangt bald eine sehr gegen seinen Willen durchgesetzt wird, steigt die großen Telekommunikationsunternehmen
deutliche Gehaltserhöhung. Nachdem ihm er aus, ohne seine Unternehmensanteile aus- derzeit an solchen M-Commerce-Unterneh-
diese nicht gewährt wird, verlässt er im bezahlt zu bekommen. Das neue Führungs- men beteiligen.
Streit das Unternehmen. Die übrigen team besteht aus Bergmann und Heuringhau- • Die Mitarbeiter der beiden Unternehmen
Programmierer müssen sich zeitaufwendig sen sowie den beiden Gründern von Smart- verstehen sich gut. Die räumliche Zusammen-
in den unstrukturierten »Spaghetti-Code« flight.com. Bis zum September 2000 tauchen legung kann schnell vollzogen werden, da 13
einarbeiten. bei der neuen SMART-Travel AG einige Pro- auch Smartflight.com in München ansässig
• Trotz hoher Marketingausgaben werden bleme auf: war. Dennoch sinkt die durchschnittliche Wo-
wesentlich weniger Kunden gewonnen als chenarbeitszeit auf unter 40 Stunden.
geplant. Die Gründe dafür bleiben größten- • Obwohl bei WAP-Travel die CIO-Stelle va- Wenn bis zum Frühjahr 2001 keine neuen Fi-
teils unklar. kant geblieben ist, verlässt der Chefprogram- nanzierungsquellen erschlossen werden, geht
• Die Prognosen zur Verbreitung der so g. mierer von Smartflight.com das neue, ge- der SMART-Travel AG das Geld aus. Angesichts
WAP-Handys, der ersten Generation von meinsame Unternehmen. Als Grund gibt er der niedrigen Umsätze will die Geschäfts-
internetfähigen Mobiltelefonen, bestätigen an, nicht für die neuen Chefs arbeiten zu wol- führung eine neue Marketingkampagne aufle-
sich nicht. In Deutschland wird weniger als len. Während die Programmierer von Wap- gen. Beide VCs sind dagegen, solange die
ein Drittel der erwarteten Geräte verkauft. Travel.com den »Spaghetti-Code« ihres Vor- technische Integration nicht vollzogen ist.
Von den Besitzern der WAP-Handys nutzt gängers immer noch nicht entwirrt haben, Daraufhin verlassen Bergmann und Heuring-
wiederum nur ein geringerer Anteil als zeigt sich die technische Integration der bei- hausen das Unternehmen, um zu ihren vorma-
erwartet die neue Technologie. den IT-Plattformen als sehr kompliziert. Sie ligen Arbeitgebern zurückzukehren. Early-
• Wegen der niedrigen Umsätze kann Wap- wird daher zurückgestellt. Man sucht einen ex- Scout und Trendventure ziehen schließlich ihr
Travel.com bei den Fluglinien keine günsti- ternen Dienstleister, der die Aufgabe bewälti- Kapital aus dem fusionierten Startup. Am 7.
gen Konditionen aushandeln. Die Preise der gen kann. Bis dahin arbeiten die beiden Sy- Dezember 2000 wird das Insolvenzverfahren
angebotenen Flüge sind daher nicht sehr steme getrennt. eingeleitet.
attraktiv für den Endkunden. • In der neuen Führungsmannschaft ist man
sich darüber klar, dass nur eine gemeinsame Wichtige Stakeholder
Mit Zustimmung der VCs werden am 5. Mai Marke dauerhaft weitergeführt werden kann.
2000 die Planzahlen im Business Plan »nach Es gibt Meinungsverschiedenheiten darüber, Die Vielzahl der beteiligten Anspruchsgrup-
unten angepasst«. Gleichwohl werden neue welche das sein wird. Beide Firmen haben pen, der so g. Stakeholder, eines Internet-
Mitarbeiter eingestellt. Nachdem anfangs die zuvor mit hohem finanziellen Aufwand ihre Start- ups erschwert den M&A-Prozess. Die
durchschnittliche Wochenarbeitszeit bei 65 Marken eingeführt. Die Frage bleibt aber Grafik zeigt die wichtigsten Stakeholder. Grau
Stunden lag, ist sie inzwischen auf 50 Stunden offen, da sie aufgrund der technischen Pro- hervorgehoben sind jene Anspruchsgruppen,
gesunken. bleme vorerst nicht gelöst werden muss. die für Internet-Startups eine besondere Be-
Die Geschäftsführung beschließt am 10. Juli deutung besitzen.
2000, das bisherige Geschäftsmodell zu modi-
fizieren und sich auf Firmenkunden zu konzen- Abb. 1: Stakeholder eines Internet-Startups und Ihre Interessen im M&A-Prozess4
trieren. Exklusivabkommen der Firmenkunden
mit großen Wettbewerbern aus der so ge-
nannten Old Economy behindern jedoch die
Neukundenakquisition.

Gescheiterte Fusion mit Smartflight.com

Am 27. Juli 2000 erhält der Chief Executive Of-


ficer (CEO) von Trendventure die Nachricht,
dass ein Fusionsangebot vorliegt. Der Riskoka-
pitalgeber Early-Scout vom E-Commerce-
4 In Anlehung an: Freeman, R.E.; Strategic Management: A Stakeholder Approach, Boston et al., 1984

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14
Typischerweise beabsichtigen die Gründer eines Internet-Startups Juni 1999 verkauften sie ihr Unternehmen an das US-amerikanische
nicht, ihr gesamtes Berufsleben in ihrem Unternehmen zu verweilen. Vorbild eBay. Schon ein Jahr später verließen fünf der sechs Gründer das
Die »Cash-out-Option«, der Verkauf der eigenen Anteile, ist meist fester Unternehmen mit der Begründung, dass sie nicht nur eine deutsche
Bestandteil der persönlichen Planung. Falls ein Börsengang nicht mög- Niederlassung leiten wollten. Besonders für Internet-Unternehmen,
lich ist, bleibt der so g. »Trade Sale«, der Verkauf an ein anderes Unter- deren Wert sich kaum durch Sach-, sondern vorwiegend durch Human-
nehmen. Der Exit-Wunsch der Gründer kann daher wichtige Triebfeder kapital bestimmt, ist eine derartige Entwicklung kritisch.
für eine M&A-Transaktion sein.
Die Einflussmöglichkeiten der VCs werden schon auf rechtlicher Ebene
Viele der Internetunternehmer müssen hingegen akzeptieren, dass die festgeschrieben. Es ist üblich, dass sich der Risikokapitalgeber vertrag-
Cash-out-Option nicht mehr realisierbar ist. Der günstige Verkauf ist lich zusichern lässt, über die Annahme eines fremden Übernahme- oder
häufig die letzte verbleibende Alternative zum Insolvenzverfahren. Fusionsangebots entscheiden zu können. Über die Kapitalgeber wird
Sogar von den großen börsennotierten Internetunternehmen soll künf- häufig die Verbindung zu möglichen Fusions- und Akquisitionspartnern
tig ein Drittel vor genau dieser Alternative stehen.5 Es bleibt für die angebahnt. Welche Interessen die VCs mit einer M&A-Transaktion ver-
Gründer ein biografischer Anreiz: In dem Moment, wo das eigene Un- binden, hängt von deren Einschätzung über die Wettbewerbsfähigkeit
ternehmen übernommen bzw. fusioniert wird, stimmt zumindest nach des von ihnen finanzierten Startups ab. Droht aus ihrer Perspektive die
außen hin die »Story«. Die Einzelheiten und Konditionen des Deals drin- Insolvenz, kann der rechtzeitig eingeleitete Zusammenschluss oder Ver-
gen selten an die Öffentlichkeit. Für die Internet-Unternehmer eröffnen kauf die letzte Chance sein, wenigstens ein Teil des eingesetzten Kapi-
sich so neue Karriereoptionen. tals zu retten. Auch die gegenteilige Motivation kann für die Risikokapi-
talgeber Ausschlag gebend sein. Das ist beispielsweise dann der Fall,
Für die Unternehmer, die weniger durch finanzielle Anreize angetrieben wenn ein aussichtsreiches Startup erst durch den Zusammenschluss mit
werden als durch ihren Gründertraum, ist die Bewahrung der eigenen einem anderen Unternehmen die für den Börsengang erforderliche
Gestaltungsmöglichkeiten der zentrale Faktor bei M&As. Schließen sich Größe erreicht.
zwei Startups zusammen, birgt die Rivalität zwischen den Gründer-
teams Konfliktpotential. Bisherige Stärken wie Durchsetzungsfähigkeit Die Beteiligung der Mitarbeiter an dem Unternehmen bzw. Beteili-
und eine klare Vision können dann in mangelnde Kompromissfähigkeit gungsoptionen sind das gängige Anreizmodell bei Internet-Startups.
umschlagen. Aus diesem partizipativen Element leiten die Mitarbeiter den Anspruch
ab, bei wichtigen unternehmenspolitischen Entscheidungen Einfluss
Eine andere Problemlage ergibt sich, wenn das Startup von einem eta- nehmen zu können. Das steigert zwar die Akzeptanz bei den Mitarbei-
blierten Großunternehmen akquiriert wird. Inzwischen haben etwa 45% tern, kann aber auch zu deutlichen Verzögerungen und Entscheidungs-
der Großunternehmen eine derartige Akquistion durchgeführt.6 In die- schwäche führen. Während M&As in vielen Branchen Ängste um den Ar-
sem Fall bleibt die Führungsstrukur des Internet-Startups erhalten. beitsplatz auslösen, sind sie jedoch in der Startup-Szene generell eher
Nicht selten jedoch wollen und können sich die »eingekauften« Gründer positiv besetzt. Jeder neue Mitarbeiter verringert die Arbeitslast des Ma-
in den neuen Konzern nicht eingliedern. Ein prominentes Beispiel sind nagement-Teams bzw. erweitert die Expansionsmöglichkeiten.
die Firmengründer von Alando. Sie gründeten im Frühjahr 1999 eine
Auktionsplattform, auf der Kunden unter anderem mit CDs, Büchern
und elektronischen Geräten privat und gewerblich handeln können. Im

5 P r i c e W a t e r h o u s e C o o p e r s ; Das Internetsegment des Neuen Marktes – Chance oder Risiko?, Frankfurt a.M., 2000
6 K P M G / E c o n o m i s t I n t e l l i g e n c e U n i t ; The eBusiness value chain: Winning Strategies in seven global industries,
London/ New York/ Honkong, 2000

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Abb. 2: Integrationsaufgaben bei Webmergers

Integrationsebenen Internet-Unternehmen gehen insbesondere bei M&As mit etablierten


Unternehmen das Risiko ein, ihre innovative und unkonventionelle Un- 15
Nur wenn die vielfältigen Interessen der Stakeholder in Einklang ge- ternehmenskultur zu verlieren. Entscheidungen muss die Führung des
bracht werden können, verspricht eine M&A-Transaktion Erfolg. Es geht Startups dann möglicherweise vom Mutterunternehmen genehmigen
dann insbesondere bei Fusionen darum, die Integrationsaufgabe zu be- lassen; die Möglichkeit, innovative Ideen schnell und unkompliziert um-
wältigen. Auch hier gelten für Internet-Startups einige Besonderheiten. zusetzen, wird empfindlich eingeschränkt. Es gilt eine neue Aufbruch-
Abb. 2 zeigt die verschieden Ebenen, die dabei zu berücksichtigen sind. stimmung und einen neuen »Entrepreneurial Spirit« zu schaffen.

Die jungen Internet-Unternehmen zeichnen sich durch schlanke Eine weitere wichtige Integrationsaufgabe liegt im Personalmanage-
Führungsstrukturen aus, die niedrige Kosten und schnelle Entschei- ment. Ohnehin scheitert jedes zweite Startup an dieser Herausforde-
dungsprozesse ermöglichen. Das Fehlen von Stäben und die knappe rung.8 Kommt es zu einem Unternehmenszusammenschluss, steigen
Management-Besetzung kann jedoch hemmend wirken. Häufig fehlen die Anforderungen ans Management noch einmal beträchtlich. So müs-
schon in der Vorbereitungsphase qualifizierte Führungskräfte, die sen etwa die Modelle für die Mitarbeiterbeteiligung angepasst werden.
neben dem operativen Geschäft beispielsweise für die Bewertung von Häufig ist eine Vielzahl von Mitarbeitern in die Entscheidungsprozesse
Akquisitionsprojekten zur Verfügung stehen. Die Folge sind zeitliche eingebunden. Das partizipative Vorgehen kann ein entschlossenes Vor-
Verzögerungen und unzureichende Arbeitsergebnisse. In der Internet- gehen verhindern. Durch die geringe Führungerfahrung der jungen Ma-
Ökonomie, wo Geschwindigkeit der kritische Erfolgsfaktor ist, stellt dies nagement-Teams – der Altersdurchschnitt beträgt in Deutschland 32
einen erheblichen Wettbewerbsnachteil dar. Erfolgreiche M&A-Transak- Jahre – steigt die Misserfolgsquote.9
tionen, das zeigen empirische Studien, werden zügig abgewickelt.7
Durch die Internetökonomie wird eine Vielzahl neuer rechtlicher Fragen
Die technische Integration der IT-Systeme der beteiligten Unternehmen aufgeworfen, die für Webmergers relevant sind. Sie kreisen beispiels-
ist im Prinzip immer möglich. Kritisch ist auch hier allein der Zeitfaktor. weise um Software-Lizenzen, Zugangs- und Nutzungsrechte für Daten-
Die Integration gleicht dem Wechsel eines Motors bei laufender Fahrt. banken, Domainnamen, Verknüpfung mit der Internetpräsenz von Part-
Das neue Unternehmen kann es sich nicht leisten, seinen wichtigsten – nerunternehmen oder markenrechtliche Aspekte.
manchmal einzigen – Vertriebskanal zu blockieren. Mittelfristig können
aber die angestrebten Synergien nur dann gehoben werden, wenn man Fazit
sich auf eine IT-Plattform einigt. Die Geschäftsmodelle bei dem hier in-
teressierenden Unternehmenstyp basieren auf den technischen Mög- In den nächsten Jahren werden Webmergers einen rasanten Bedeu-
lichkeiten des Internet. Die Integration der IT-Plattformen kann mit der tungszuwachs erfahren. Fälle wie der von Wap-Travel.com machen
Modifikation des Geschäftsmodells einhergehen. In diesem Fall ist die deutlich, welche Risiken der M&A-Prozess in der Internetökonomie
technische Integration mit der strategischen Neuausrichtung des Un- birgt. M&As bei Internet-Startups sind nicht allein durch Faktoren moti-
ternehmens eng verknüpft. viert, die unmittelbar mit der Unternehmensleistung in Verbindung ste-
Die infrastrukturelle Integration bereitet meist keine Probleme. Die be- hen. Aus dem Interessengeflecht der Stakeholder erwächst eine Dyna-
teiligten Unternehmen sind jung. Die organisationalen Routinen, die mik zu Gunsten von Unternehmenszusammenschlüssen. Für eine
sich um Managementsysteme, Rechnungswesen und operative Arbeits- erfolgreiche Umsetzung einer M&A-Transaktion müssen diese Interes-
prozesse ranken, sind noch nicht zementiert. Erschwert wird die Inte- sen im Auge behalten werden. Bei der Integrationaufgabe zählen die
gration allerdings deutlich, wenn dauerhaft zwei Unternehmensstand- Etablierung einer gemeinsamen technischen Plattform, die Schaffung
orte beibehalten werden sollen, auch wenn dies technisch durch die eines neuen »Entrepreneurial Spirit«, der Erhalt des Humankapitals
Möglichkeiten von Intranets lösbar wäre. sowie das Umschiffen der juristischen Klippen zu den wichtigsten Auf-
gaben.

7 J a n s e n , S . A . / K ö r n e r , K . ; Fusionsmanagement in Deutschland, Witten/Herdecke, 2000


8 Arthur Andersen; http://www.arthurandersen.com/website.nsf/content, Abruf 09. 11. 2000
9 B a i n & C o m p a n y ;
One Economy Study – Study of E-Business start-ups in Germany, München, 2000

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Netzwerk – was Sie wirklich investieren sollten!
Hubert Lobnig

Wer sich nicht vernetzt, hat schon verloren! Wer sich einfach so vernetzt, hat
schon manches verloren – dazu aber später! 1

16 Wer das E-Mail nicht nutzt, wer die Möglichkeiten des Internet nicht auf- Warum reden alle von Netzwerk?
greift, wer zu wenig in die Pflege seines Beziehungsnetzwerkes inve-
stiert, wer seine Geschäftspartner sträflich vernachlässigt, der dürfte im Für die wachsende Bedeutung von Netzwerken in der Welt der Unter-
Wettbewerb um die richtigen Beziehungen und Partnerschaften immer nehmen und Organisationen werden drei Gründe angeführt:
mehr den Kürzeren ziehen. Unsere Gesellschaft entwickelt sich zur 1. Das Potential neuer Technologien ermöglicht nicht nur neuartige
Netzwerkgesellschaft – ein Prinzip, das im Privaten ebenso zutrifft wie und schnellere Kommmunikation, es stellt auch traditionelle
im Geschäft. Je höher Expertise und Verantwortung, desto mehr be- Organisationsstrukturen in Frage.
deutet Netzwerken das Verfließen der Grenzen von privat und Job. Mit 2. Die Zunahme der »Knowledge Worker« hat zur Folge, dass unter-
wem tauschen Sie sich wirklich über Wesentliches aus? Wesentlicher nehmensübergreifende professionelle Netze eine starke Bedeutung
Austausch erfolgt zwischen Personen des Vertrauens. Und das ist einer für Experten bekommen.
der Knackpunkte. Vertrauen ist eine Kette gehaltener Versprechen und 3. Die wachsende Internationalisierung und Globalisierung der Märkte
Vereinbarungen, das Ergebnis von »Tauschhandel«, die insgesamt als führt zur Aufgabe allzu konzentrierter Standortorientierungen von
gelungen bilanziert werden.2 Unternehmen und zur Dezentralisierung in kleine, autonome und
So gesehen entwickeln wir uns zu einer Gesellschaft der Netzwerke, und verantwortliche Einheiten.
hier gilt eine eherne Regel: Nur wer in Netzwerke investiert, wird etwas
herausbekommen – wobei die Währungen vielfältig sein können: Wis- Für unsere Frage soll an dieser Stelle eine Unterscheidung angeboten
sen, Produkte, Beziehungen, Macht, ökonomisches Kapital. Oder aber: werden, die zumindest vier Dimensionen von Netzwerk-Aktivitäten ein-
Netzwerke, in die nichts investiert wird, werden nicht überleben – sie führt (siehe Abb. 1. rechte Seite).
waren eben nicht die richtigen. Über den Nutzen von Netzwerken spre-
chen alle, über die Investitionen hört man wenig. Flops gibt’s immer Organisationsinterne Netzwerke werden gegründet, um die Begren-
öfter, erfolgreiche Netzwerke arbeiten leise, aber solider als man glaubt. zungen der Hierarchie und bestehender Ablaufstrukturen partiell zu
Netzwerke funktionieren nicht allein mit gutem Willen. überwinden. Insbesondere im Wissensmanagement hat sich gezeigt,
dass betriebsinterne bereichs- und funktionsübergreifende Netzwerke
1. Die Hauptbotschaften gleich zu Beginn: schneller und zielorientierter in der Lage sind, bestehendes Wissen ab-
zurufen und neues zu entwickeln, als wenn man sich an formale Abläufe
• Ein Netzwerk existiert nur so lange die Beteiligten etwas lernen oder (temporäre) Projektstrukturen hält.
können oder beitragen wollen. Ein Beispiel aus der Versicherungsbranche:
• Das Engagement in ein Netzwerk bedeutet eine Investition: in die Ausgangsprobleme: Versicherungsprodukte werden in mehreren Län-
Entwicklung von tragfähigen Zielen und Visionen, in die Erstellung dern parallel erstellt, es bleibt dem Zufall überlassen, ob man es erfährt.
von Entscheidungsprozessen, den Aufbau von Arbeitsbeziehungen Statistiken und Marktdaten bleiben in einer Abteilung oder einem Land
und die Etablierung einer gemeinsamen Netzwerkkultur. Zudem und werden nicht im Konzern genutzt, Erfahrungen von Verkäufern
erfordern Netzwerke meist Beziehungspflege. werden nicht systematisch an die Produktion weitergegeben. Diese Dia-
• Der Einsatz neuer Informationstechnologien fördert Kommunika- gnose hat die Führung eines europäischen Versicherungskonzerns dazu
tion und Kooperation in Netzwerken. Er kann die personale und genutzt, ein europäisches Wissensnetzwerks aufzubauen, an dem Ex-
direkte Kommunikation an einem Ort allerdings nicht ersetzen. perten der Produktentwicklung (auch externe), Repräsentanten der
• Gleichzeitig muss in einem Netzwerk immer auch die eigene Organi- Zentrale, Personen aus dem Marketing und Vertreter der Ländercompa-
sation mitgedacht werden: Verlaufen die Entwicklungen noch ent- nies teilnehmen. Das Wissensnetzwerk wird von der Marketingabtei-
lang der Strategie der »Heimorganisation«? Wie werden sie mich mit lung eines Landes koordiniert und setzt Aktivitäten auf der Ebene des
diesem Entscheidungsergebnis »zu Hause« aufnehmen? »harten« und »weichen« Netzwerkens.

1 In diesen Beitrag gehen Erfahrungen aus eigener Projektmanagerarbeit in organisationsübergreifenden europäischen Netzwerken ein, weiters aus beratender Arbeit in der
Wirtschaft, der Forschung und Entwicklung, dem Krankenhausbereich und der Regionalpolitik.
2 S i m o n F r i t z & C / O / N / E / C / T / A ( 1 9 9 8 ) : Radikale Marktwirtschaft. Grundlagen des systemischen Managements. Heidelberg:
Verlag Carl-Auer-Systeme

Hernsteiner 4/2000 t h e m a Organisationsformen der Zukunft


Abb. 1: Vier Dimensionen organisationaler Netzwerkaktivitäten (in Anlehnung an Hastings, 1996)3

Strategische Logik/Orientierungen Kernprozess des Netzwerkens Zweck

intern organisationsinternes Netzwerken Grenzen überschreiten

extern organisationsübergreifendes Netzwerken erfolgreiche Partnerschaften entwickeln

Personen »weiches« Netzwerken Beziehungen zwischen Personen knüpfen

Technologie »hartes« Netzwerken Computer verbinden

Gleich zu Beginn der Arbeit hat sich gezeigt, Wert, und die Herausforderung eines solchen mitglieder an Prozessen der strategischen und 17
daß das Wissensnetzwerk sehr auf die Selbst- Netzwerkes wäre das Gelingen einer erfolgrei- strukturellen Gestaltung beteiligen, dass Pro-
ändigkeit und Eigeninitiative der Akteure an- chen Partnerschaft. Wie solche Netzwerkpart- zesse nicht einfach von »außen« aufgesetzt
gewiesen ist. Der Auftrag von außen konnte nerschaften gestaltet, entwickelt und beglei- werden können. Da der Aufwand für die Mitar-
nur die Rahmenideen und -bedingungen fest- tet werden können, darauf konzentrieren wir beit in einem Netzwerk nicht unterschätzt
legen, eine hinreichende Klarheit mußte erst uns nun in weiterer Folge. werden sollte, sollte die Entscheidung, sich
im Netzwerk erarbeitet werden. Die Rahmen- einem Netzwerk anzuschließen, gründlich
bedingung der je eigenen Organisation (das Partnerschaftliche Steuerung überlegt werden (siehe Abb. 2.).
Arbeitspensum) muß jeder selbst mitdenken,
die Steuerung (was genau sollen wir tun?) er- Netzwerkorganisationen zeichnen sich durch Auf der Ebene der Beziehungen sind die Mit-
folgt im hohen Ausmaß als Selbststeuerung. eine relativ geringe zentrale Steuerung und glieder bzw. Mitgliedsorganisationen »lose ge-
Eine ungewohnte Situation für die Netzwerk- gleichzeitig eine hohe Autonomie und Selbst- koppelt«, gehören dem Netzwerk freiwillig an,
mitglieder, aber auch für das Unternehmen. verantwortung der einzelnen Teile aus4. Dem- und wenn die Balance des Gebens und Neh-
entsprechend erscheinen Steuerungsmuster mens nicht mehr stimmt, so wird die Netz-
Im Unterschied dazu sind organisationsüber- der klassischen Hierarchie wie Vorgaben top werkpartnerschaft beendet. In vielen dieser
greifende Netzwerke ein soziales System von down, oder Anweisungen was bis wann zu tun Netzwerke existiert eine horizontale Form von
im Kern autonomen Organisationen, die ihre ist, wenig aussichtsreich. Die Herausforderung Entscheidungen: Die Mitglieder sind hierar-
Energien bündeln um ein Ziel zu erreichen, dabei lautet: partnerschaftliche Steuerung. chisch gleich positioniert, es gibt zwischen
dass niemand von ihnen alleine erreichen Damit wären wir bei einem weiteren Investiti- ihnen keine Über- und Unterordnungs-Bezie-
kann. Die Beteiligung an einem solchen Netz- onsthema angelangt: Partnerschaftliche hungen, Entscheidungen erfolgen meist im
werk hätte dann für jeden Partner einen Mehr- Steuerung bedeutet, dass sich alle Netzwerk- Kompromiss oder im Konsens.

Abb. 2: Wann sich die Einrichtung einer Netzwerkorganisation lohnt

Netzwerke sind geeignet, wenn: Netzwerke sind nicht geeignet, wenn:

• eine umfassende, über einen punktuellen Anlass hinausgehende • man die anstehenden Aufgaben wahrscheinlich auch selbst lösen
Kooperation mit anderen Unternehmen bzw. Organisationen ansteht. kann,
Typische Beispiele etwa: Software, Hardware und Vermarkter in der • man die andere Organisation nur punktuell braucht, was sich auch in
Telekomindustrie, Rechtsanwälte, Strategie-Berater, Graphiker und einer weniger komplexen Vertragslösung umsetzen lässt.
Venture-Capital-Geber für Start-up-Firmen. • der Eigennutzen des Unternehmens eine offene und breite
• Kooperationen zwischen Unternehmen, Öffentlicher Hand und Kommunikation mit externen Partner nicht erlaubt,
Non-profit-Einrichtungen, die die Gründung von Initiativen ermögli- • in den beteiligten Organisationen lange und komplexe
chen sollen: z.B. Business Cluster, regionale Entwicklungsgesell- Entscheidungswege existieren, sodass notwendige Entscheidungen
schaften, Private-public -Partnerschaften. für die Netzwerkarbeit blockiert werden,
• eine Verbesserung des eigenen Geschäfts durch losere Verbindungen • die Unternehmenskultur stark hierarchisch geprägt ist,
mit MitarbeiterInnen erfolgen soll: z.B: Franchising-Konzepte im • man ohnehin schon genau weiß, in welche Richtung es gehen soll,
Vertrieb von Produkten und Technologien, Beraternetzwerke etc. • der Eigenzeitlichkeit des Netzwerks (bzw. der Netzwerkpflege)
• die gemeinsame Nutzung von Infrastruktureinrichtungen Synergien keine Zeit eingeräumt werden kann.
ermöglicht und Einsparungen lukrieren kann: z.B. im Bereich von
EDV-Lösungen, der Gebäudenutzung, der Personalentwicklung.

3 H a s t i n g s C . ( 1 9 9 6 ) : The New Organization. Growing the Culture of Organizational Networking. London ...: McGraw-Hill2
4 W i m m e r R u d o l f ( 1 9 9 7 ) : Von der Hierarchie zum internen Netzwerk. Hernsteiner 2, 14-20

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Abb. 3: Die Rolle von Technologien in der Netzwerkkommunikation

18 Denn es gilt: werden im Netzwerk Entscheidungen getroffen, die gegen Lernen (umfassende Problemanalyse, Veränderung von Überzeugun-
die eigene Strategie laufen, so kann man relativ leicht aussteigen, denn gen) benötigen einen eher geringen Aufwand an technologischer Un-
man ist im Kern ja eine autonome Organisation. terstützung, aber ein Mehr an »soft networking« (Abb. 3). Allerdings för-
dert die Technologie die Routinisierung von ehemals komplexen
Aufgabenstellungen (und schafft damit neue Möglichkeiten für weitere
Technologie und Gespräche in Netzwerken komplexe Tätigkeiten).

Die Kommunikation in und für Netzwerke wird entscheidend durch die Wer kennt das nicht: eine übervolle Agenda mit vielen unwesentlichen
neuen Technologien mitgeprägt. Sie ermöglichen zeitversetzte, aber Themen, schlecht vorbereitete Tagesordnungen, Unklarheiten von Ent-
auch Real-time-Kommunikation unabhängig von Ort und Zeit. Sie er- scheidungspunkten, Präsentationen als Folienschlachten etc. Zur Ver-
möglichen aber auch die Verarbeitung und den Transfer umfassender schärfung stellen Sie sich ein Arbeitstreffen zu einem Joint-venture vor:
Informationen und in begrenztem Ausmaß auch Interaktionen. Die Sie kennen die Repräsentanten der anderen Organisationspartner gar
Möglichkeiten der technologischen Unterstützung in der Netzwerk- nicht, diese sind wiederum vom Zweck des Treffens unvollständig infor-
kommunikation sollten allerdings auch realistisch eingeschätzt werden, miert, andere maßgebliche Personen können gar nicht dabei sein und
denn eine GAU-Gefahr für Netzwerke liegt darin, dass zwar viele Infor- müssen vor allen Entscheidungen mit dem Mobiltelefon einbezogen
mationen ausgetauscht, aber nicht in gemeinsamen Prozessen aufgear- werden ...
beitet werden. Damit wird folgenschweren Missverständnissen nach
dem Motto »Das wurde doch nie besprochen!« oder »Das wurde doch Der Wert des »soft networking«, der personalen Kommunikation in
klar gesagt!« der Teppich ausgelegt. Meetings, Konferenzen und Task Forces zur Steuerung des Netzwerkes,
zum Austausch von Erfahrungen und zum Abgleichen der weiteren Vor-
Technologische Unterstützung ist dort wichtig, wo es um die Unter- gangsweise kann kaum überschätzt werden. Auch hier muss deutlich
stützung von Routinearbeit und um die Umwandlung komplexer Tätig- gemacht werden, dass Investionen nötig sind: Diese Inszenierungen
keiten in Routinearbeit geht, wie etwa das Versenden von Berichten, die sind meist mit erheblichen Ressourcen für Anreisewege und Zeit für
Dokumentation von Meetings, das Einholen von Rückmeldungen, ein- Meetings verbunden, weshalb es besonders wichtig ist, diese Events
zelne Aufgaben im Controlling etc. Das Internet (»hard networking«) produktiv zu gestalten. Neben der sachlich-inhaltlichen Kommunika-
kann in Netzwerken in der Vorbereitung und Nachbereitung von Mee- tion haben in Netzwerktreffen aber auch kreative und nicht-sprachliche
tings genutzt werden, in E-Mail-Gruppen können Netzwerkmitglieder Kommmunikationsformen eine wichtige Bedeutung, tragen sie doch
laufend informieren und um Support anfragen, und auch globale Pla- entscheidend zur Bildung von tragfähigen Arbeitsbeziehungen und zur
nung und Abstimmung im Projektmanagement ist bereits möglich – Kulturentwicklung bei. Insbesondere offene Räume, Zeiten ohne enge
die Kooperationsbeziehungen können sich auch im virtuellen Raum und begrenzende Agenda ermöglichen die Entwicklung professioneller
weiterentwickeln. An Investitionen sind hier Infrastruktur (Computer- Beziehungen und Netzwerk-Partnerschaften, die für eine lebendige Ent-
netzwerke etc.), Instrumente und Medien wie Internet, Intranetze, wicklung eines Netzwerkes unerlässlich sind. Eine attraktives Pro-
Chatrooms und spezielle Software zu bedenken. gramm und eine gute Abstimmung zwischen Arbeitseinheiten und
Möglichkeiten, sich auch informell zu treffen und auszutauschen, ist
Der Sinn der Automation verringert sich allerdings, wenn die Komple- deshalb ein Schlüsselfaktor für die erfolgreiche Netzwerkarbeit.
xität der Aufgabenstellungen im Netzwerk steigt. Hoch komplexe Auf-
gaben wie Visions- und Strategientwicklung, Reaktion auf unvorherge- In den letzten Jahren wurden von Beratern verstärkt Kompetenzen und
sehene Events und Krisenmanagement, Konfliktlösung, aber auch Qualifikationen entwickelt, die ein erfolgreiches »Conferencing« maß-
geblich unterstützen können: die Entwicklung von Konferenzdesigns,

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die Etablierung und Verteilung verantwortlicher Rollen (Referenten, Das bedeutet jedoch auch, dass in Netzwerkpartnerschaften Macht po-
Vorsitzende, Task-Force-Leiter, Berichterstatter, Beobachter etc.), die tentiell aufgegeben werden muss und an die Stelle von Auftraggeber-
Einführung unterschiedlicher Gruppenforen (Vollversammlungen in Auftragnehmer-Verhältnissen viel stärker eine Perspektive der Kopro-
Plenargruppen, Kleingruppenarbeit, Erfahrungsaustauschgruppen, der duktion und der gemeinsamen Verantwortung tritt6. Vor diesem
soziale Mix (die soziale Differenzierung) der Arbeitsweise, die Gestal- Hintergrund ist es besonders wichtig, dass zwischen Partnern in einem
tung von »Events« etc. Es gilt in knapper Zeit das Maximum herauszuho- Netzwerk gegenseitiges Vertrauen aufgebaut und weiterentwickelt
len und den Bedürfnissen nach sachlicher Information, nach zwi- werden kann.
schenmenschlicher Kommunikation, nach Entscheidung und nach
Reflexion gleichermaßen gerecht zu werden. Eine aktuelle Zusammen- 4. Beweglichkeit erhöhen
fassung solcher Methoden finden Sie in Holman & Devane5. Visionen, Produkte, Strategien, Kommunikationsformen und -inhalte
sollten dynamisch bleiben. Regelmäßige Adaptation und Veränderung
19
5. Acht Erfolgsfaktoren für das Netzwerkmanagement der Inhalte unter Berücksichtigung der Visionen und Grundüberzeu-
gungen sowie der Inputs der Netzwerkteilnehmer fördern die Attrakti-
Nochmals hervorgehoben: Will man Netzwerkorganisationen erfolg- vität von Netzwerken und damit das »commitment« der Mitglieder. Die
reich managen, so versagen die Instrumente der hierarchischen Steue- Dynamik von Informationsnetzwerken etwa im Bereich der Innovation
rung und Anweisung. Interventionen in Netzwerken erforden dement- und des Wissens wird gefördert, wenn neue Partner eintreten und neue
sprechend Instrumentarien, Medien und Strategien, die geeignet sind, Interessen, Ideen und Inhalte einbringen. Dynamisch sollte sich zudem
koproduktive Strukturen zu gestalten. auch die Struktur des Netzwerkes entwickeln, indem es eine Offenheit
für Weiterentwicklungen seiner Strukturen ermöglicht. Netzwerke kön-
1. Koordinationszentrale/homebase einrichten nen Subnetzwerke bilden, um spezifische Anliegen zu verfolgen und zu
Netzwerke bedürfen in der Regel einer Koordinationszentrale, eines bearbeiten. Erfolgreiche Netzwerkaktivitäten, gemeinsam erstellte Pro-
Knotens im Netzwerks, bei dem die Fäden zusammenlaufen, der nicht dukte schaffen neue Voraussetzungen für weitere Netzwerkaktivitäten,
nur Partialinteressen vertritt, sondern eine Verantwortungsposition für eine Basis für neue Aufgabenstellungen und Strategien. Erfolgreiche
das gesamte Netzwerk übernimmt. Aufgabe dieser Netzwerkzentrale Netzwerke können sich so immer wieder selbst »neu erfinden«.
ist die Erbringung von Koordinationsleistungen für die Aufrechterhal-
tung der Organisationsstruktur des Netzwerkes, das Zur-Verfügung- 5. Energiezuflüsse schaffen
Stellen von Serviceleistungen für die Mitglieder und die Sicherstellung Netzwerke leben vom Input der Beteiligten. Ergibt sich dabei, dass
der strategischen Steuerung. Diese Organisationsleistungen von Netz- wenig gegeben wird, aber von den Netzwerkpartnern viel herausge-
werkzentren werden in der Regel kaum gesehen und dementsprechend nommen werden möchte, so entsteht ein massives Energieproblem. Es
oft nicht mit entsprechenden Ressourcen ausgestattet. lohnt sich daher, im Vorhinein Regeln zu implementieren, die Verant-
wortlichkeiten, Pflichten und Rechte der Netzwerkpartner definieren.
2. Visionsarbeit Diese Regeln sollten einfach und transparent bleiben, um sie nicht stän-
Da die Erarbeitung eines kompletten Regelwerkes von Do`s und Don`ts dig diskutieren und adaptieren zu müssen. Gleichzeitig – und dies ist
Netzwerkorganisationen überfordern würde, kommt einer geteilten Vi- wesentlich – müssen sie die Mitglieder zu Beiträgen verpflichten.
sion (Was wollen wir?) und einem klar formulierten gemeinsamen
Zweck (Wozu gibt es (gerade) uns?) eine besondere Bedeutung als Ori- 6. Lernen installieren
entierungsrichtlinie zu. Diese Visionen und die Zwecksetzungen stellen Netzwerke müssen lernen, über sich selbst zu lernen. Das Schlagwort
die Basis für alle Ebenen des Netzwerkens dar und müssen als solche von der lernenden Organisation trifft auch auf Netzwerkorganisationen
auch von den Heim-Organisationen mitgetragen werden. Eine erste In- zu. Argyris und Schon7 betonen, dass solche Lernprozesse Investitionen
vestition in einem Netzwerk befasst sich deshalb mit der Ausarbeitung sind, die helfen, in Zukunft besser und effizienter auf Anforderungen
und Festlegung einer solchen Vision und der gleichzeitigen Abstim- reagieren zu können, aber auch neues Wissen und neue Aktivitäten zu
mung dieser mit den bestehenden Organisationstrategien der Heim- generieren. Förderliche Bedingungen für solche Lernprozesse in Netz-
Organisationen. werken sind:
•Wertschätzung des Lernens als ein legitimes Motiv seitens aller am
3. Vertrauensbeziehungen etablieren Netzwerk beteiligten Organisationen und Personen (statt: »Lernen ist
An die Stelle konkreter Verträge treten losere Vereinbarungen, an die Luxus«)
Stelle von Vertragsbeziehungen treten stärker Vertrauensbeziehungen.

5 H o m a n P e g g y & To m D e v a n e ( E d s . ) ( 1 9 9 9 ) :The Change Handbook. Group Methods for Shaping the Future.
San Francisco: Berrett-Koehler Publishers, Inc.
6 H e i n e c k e H . J . ( 1 9 9 7 ) : Netzwerke – Chancen und Risiken von Unternehmensbündnissen. Hernsteiner 2, 1997, 21–24
7 A r g y r i s C h r i s u n d D o n a l d S c h o n ( 1 9 9 6 ) : Organizational Learning II: Theory, Method and Practice. Reading,
MA: Addison-Wesley

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Abb. 4: Gegenüberstellung traditioneller und partnerschaftlicher Organisationskultur

Traditionelle Muster Partnerschaftliche Muster

Abgrenzende Beziehung zu »Externen« Suche nach gemeinsamen Zielen mit »Externen«


Dependenz Interdependenz
Grenzen ziehen Grenzen überschreiten
Compliance (Rollen befolgen) Empowerment (zu Selbstständigkeit befähigen)
Interdisziplinär Multidisziplinär
Ordnung als Orientierung Toleranz von Ambiguität und Diffusion
Macht kommt von Informationsbesitz Macht kommt von Informationen teilen
Nach Hilfe fragen ist Schwäche Nach Hilfe fragen ist Stärke (Kooperations-Kompetenz)

20 •Förderung von Verhaltensmustern und -abläufen, die ein Lernen un- 8. Vorher planen
terstützen (statt: »Warum schon wieder reflektieren«) Erfolgreiche Netzwerkpartnerschaften müssen – wenn sie in der Um-
•Entwicklung von Lernelementen in alle Aktivitäten des Netzwerkes setzungsphase sind – einige Schritte durchlaufen. Sollten Sie sich in der
(statt: »dazu haben wir ja kommendes Jahr die Auswertungssitzung«) Vorbereitung einer Kooperation befinden, gehen Sie die folgenden acht
Stufen gedanklich durch:
7. Kultur der Partnerschaftlichkeit entwickeln
Ein entscheidender Erfolgsfaktor für gelingende Partnerschaften liegt in 1) Fragestellung/Aufgabe festlegen:
der Organisationskultur. Der auf individueller Ebene geforderten Ko- Was ist die Aufgabe? Worum geht es in diesem Kooperationsprojekt?
operationsfähigkeit (meist Teamfähigkeit genannt) entsprechen auf der
Netzwerkebene Faktoren der Organisationskultur. Um als Organisation 2) Die Kooperationspartner formulieren ihre Zielsetzung an der

Netzwerkfähigkeit zu erlangen, sollte ein Kulturwandel eintreten, Kooperation:

indem traditionelle von partnerschaftlichen Mustern abgelöst werden Welches Ziel verfolgen wir mit dem Projekt?

(Abb 4.).
3) Wie schätzen wir den Kooperationsgewinn auf den Ebenen ein?
Kosten, Qualität (fachliche Qualität, Kundennutzen) – für uns,
Da solche Kulturmuster, wenn sie nachhaltig wirksam sein sollen, nicht
die Kooperationspartner und die Kunden
singulär und partiell etabliert werden können, ist zu erwarten, daß sie
auch auf Bereiche, Abteilungen und Teams ausstrahlen, die nicht direkt 4) Welche Probleme in der Kooperation können wir (vorab) sehen?
in die Netzwerkarbeit einbezogen sind. (sachlich, emotional, kulturell, technisch?)

5) Schnittstellendefinition und Gestaltung:


Welche Schnittstellen sehen wir?
Neues Hernstein Seminar: Wie wollen wir diese gestalten?
Wie wollen wir über die Organisationsgrenzen hinweg
OLD MEETS NEW ECONOMY kommunizieren?
Führen zwischen zwei Welten
6) Entwicklung eines Kooperationssystems:
Wie könnte ein Kooperationssystem aussehen?
• operativ: Ablauf, Information, Koordination
• Management: Entscheidung, Verantwortung,
Brauchen die »Kids« noch Führung?
Ressourcen (innen und außen)
– und wenn, welche?
Wie gleiche ich Ansprüche und Interessen 7) Konsequenz für die eigene Organisations(entwicklung):
von »alten« und »neuen« Mitarbeitern ab? Was bedeutet das für die eigene Organisation?
Was brauchen beide Seiten Budgetplanung, Leitungsaufgaben, Organisationskultur
für die Kooperation miteinander?
8) Aktionsplan entwerfen:
Trainer: Wie wollen wir die Kooperation umsetzen?
Dr. Wolfgang Looss Zielsetzung, Teams, Zeitplan, Ressourcen
Termin:
9) Lernen sicherstellen
01.10. – 03.10.2001
Wie wollen wir sicherstellen, dass wir aus Problemen und Fehlern
lernen? Wie können wir Praxis und Lernen möglichst verbinden?

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Flexibel sein! – Auf Biegen und Brechen?
Klaus Doppler

Veränderungen und Flexibilität gelten als die Tugenden der Stunde. Ist Flexibi-
lität nun eine Anforderung, die die eigene Entwicklung vorantreibt, oder eher ein
Codewort für Zumutungen, die den Charakter verbiegen? Ein kurzer Essay.

Flexible Strategien, flexible Organisationen, flexible Menschen – Flexibi- Genau hier greift Flexibilität im Sinne Sennets meiner Meinung nach zu 21
lität ist das Gebot der Stunde, der siamesische Zwilling von Verände- kurz. Sein Beispiel mit dem Baum finde ich entlarvend. Denn ein Mensch
rung. Nur wer flexibel ist, kann in Zeiten des Wandels überleben. Jeder ist eben kein Baum, er muss nicht am selben Platz bleiben, und er muss
muss bereit sein, mehrmals im Leben seinen Beruf oder Job – und auch nicht nur Äpfel liefern. Er ist nicht festgelegt. Identität heißt: Ich muss
den Wohnort zu wechseln. Veränderung und Flexibilität sind die Tugen- mich selbst definieren, ich muss ein Gefühl bekommen – wer bin ich
den der Stunde – fordern die einen. Flexibilität bedeute Ausbeutung, denn, was mache ich denn, was kann ich denn? Ich muss mich und mei-
diene in erster Linie der Wirtschaft, bedeute für die Betroffenen den nen Sinn definieren. Immer wieder. Identität ist aber nicht nur das Be-
Verlust von Orientierung, Verlust von Heimat, Verlust sinnvoller Lebens- ständige. Wir reduzieren Identität fahrlässigerweise häufig auf das, was
gestaltung – Flexibilität zerstöre die Identität, mahnen die anderen. bleibt, auf Gravierungen – die Bewegung selbst definieren wir aber
Was stimmt denn nun? Ist Flexibilität eine grundlegende Gesinnung, nicht als Identität. Da sagen wir, das ist jetzt die Anpassung.
unerlässlich gegenwärtig sowohl für Unternehmen als auch für Mitar-
beiter? Eine Anforderung, die die eigene Entwicklung vorantreibt und Identität als Selbstdefinition
stimuliert? Oder simuliert sie dies alles nur? Spielt uns der Zeitgeist eine
Wortmelodie vor, die zwar zeitgemäß klingt, aber im Prinzip verschlei- Das eine Konzept ist das des Wesenskerns, das andere wäre Identität als
ert, was hinter den Kulissen passiert? Ist Flexibilität lediglich ein Code- ständige Selbstdefinition: Ich kann mich als Mensch immer wieder
wort für Zumutungen, die den Charakter verbiegen? gleich definieren – oder eben auch anders. Identität in Form des We-
senskerns ist sozusagen natürlicherweise vergangenheitsorientiert. Vor
Identität als Wesenskern einem solchen Hintergrund wird der Flexibilität ein enger Rahmen ge-
setzt: Identität oder Charakter fungiert als fester Bezugspunkt, um den
Richard Sennett, der New Yorker Soziologe, erinnert an die ursprüngli- herum nur ein begrenzter Raum für Bewegung möglich ist. Wird dieser
che Ableitung des Wortes flexibel aus der Beobachtung der Natur: Ein durchbrochen, droht Entwurzelung. Könnte es aber nicht eine anders
Baum kann sich zwar im Wind biegen, kehrt dann aber zu seiner ur- definierte Form von Flexibilität geben? Zum Beispiel Flexibilität als prin-
sprünglichen Gestalt zurück. Flexibilität bezeichnet die Fähigkeit des zipiell offene Entdeckungsreise, wo sowohl Zielpunkt als auch die Art
Baumes zum Nachgeben ebenso wie jene, sich zu erholen, sowohl die des Erreichens jeweils neu zu entscheiden sind? Wo gilt, dass jede Ent-
Prüfung als auch die Wiederherstellung seiner Form. Im Idealfall sollte deckung neuer Möglichkeiten, gleich welcher Natur, zwingt, sich mit
menschliches Verhalten die gleiche Dehnfestigkeit haben, sich wech- diesen neuen Möglichkeiten auseinanderzusetzen. Nicht nur die Mög-
selnden Umständen anpassen, ohne von ihnen gebrochen zu werden. lichkeit der Wahl, sondern Zwang zur Wahl. Das trifft neue Möglichkei-
Flexibilität dient hier als Gegenbegriff zu Starre und Leblosigkeit. Diese ten aus dem Bereich der Naturwissenschaften, der technischen Fertig-
Ableitung macht zugleich ein mögliches Kernproblem deutlich: Iden- keiten und der medizinisch-psychologischen Dimensionen. Wo kein
tität wird als etwas definiert, was bereits vorhanden ist, was geworden durch welche Religion auch immer gesicherter Rahmen gesetzt wird, in-
ist, was zumindest eine innere Gestalt hat, sich innerhalb einer vorpro- nerhalb dessen man sich nur begrenzt flexibel zu verhalten bräuchte.
grammierten Leitlinie entwickelt.
Aber ist dem wirklich so? Eine alte These der Entwicklungspsychologen Identität oder Entwurzelung?
und Soziologen vertritt in etwa folgendes Bild: Die ersten Erfahrungs-
schichten werden als die »normalen« gesehen, und darauf schichten wir Zwang zur Beweglichkeit und immer neue Suche nach neuer Orientie-
in späteren Jahren dann auf. Und je älter etwas ist, je früher es war, um rung, inklusive Suche nach neuen Wurzeln? Jetzt könnte man die Klage
so mehr gilt es als das Normale. Das wird dann zum »natürlichen« Cha- der Entwurzelung zum Vorwurf der Haltlosigkeit steigern. Während
rakter. Du bist so, du warst schon immer so. Wir nehmen es als das Ge- Entwurzelung immerhin noch die Prämisse oder gar das Postulat einer
setzte. Wurzel impliziert, zu der man irgendwann zurückfinden könnte, auf

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22 jeden Fall sollte, beinhaltet Haltlosigkeit in sich etwas radikal Amorali- Meine eigene Antwort?
sches. Es gibt keine Wurzel, wohin man zurückfinden könnte. Es ist nur
etwas zu finden, dessen Halte-Wert im Vorhinein überhaupt nicht defi- • Flexibilität ist insoweit ein Wert an sich, als jeder sich grundsätzlich
niert ist, gar nicht definiert sein kann. Sinn und Orientierung nicht als in entscheiden muss, ob, in welche Richtung und in welcher Form er im
der Vergangenheit definiertes, sondern immer neu zu definierendes, zu Rahmen eines sich verändernden, von ihm nicht beeinflussbaren Ge-
suchendes und wieder aufzugebendes offenes System von Koordinaten. samtrahmens beweglich ist oder dessen, was er davon wahrzunehmen
Ist das Modell wurzelzentrierter Flexibilität werteorientiert – und des- willens und bereit ist.
halb gesellschaftlich vielversprechender? Oder bietet die Dimension der
Werte hier keine Unterscheidungsmöglichkeit – oder nur insoweit, als • Nur weil einmal getroffene Entscheidungen einen zeitlichen Vor-
im ersten Fall die Werte vorab definiert sind, während sie im zweiten Fall sprung haben, dürfen sie nicht als »normale« Grundlage für die nächst-
jeweils aktuell zu definieren sind? Greifbarer, verlässlicher, handhabba- folgenden angesehen werden. Dies würde sie nämlich auf jeden Fall un-
rer, dafür aber möglicherweise auch starrer die eine Seite – volatiler, gerechtfertigt aufwerten: minimal als Prüfschleife der alten
schlüpfriger, diffuser, dafür allerdings vielleicht in der Tat aktueller die Erfahrungen, die Zeit in Anspruch nimmt, viel häufiger darüber hinaus-
andere Seite? Ist die eine Seite eher fremd-, die andere eher selbstbe- gehend als »moralisches« Fundament, auf dem ohne weitere grundsätz-
stimmt, oder leistet auch diese Dimension kaum etwas an Differenzie- liche Prüfung aufgebaut werden könnte.
rung, weil auch die Unterwerfung unter einen Rahmen der Fremdbe-
stimmung in gewisser Weise selbstbestimmt wäre? So dass auch die • Dem Vorwurf der generellen Orientierungslosigkeit, den Menschen
Frage nach der Wahlmöglichkeit eigentlich irrelevant wäre? diesem sehr individuellen Ansatz machen könnten, die von der wurzel-
Ich denke, jeder muss diese Fragen für sich selbst beantworten, und orientierten Seite her kommen, würde ich zwei Aspekte entgegen stellen:
zwar so, dass er die über seine Antwort beeinflussten Reaktionen ande-
rer bereit ist, mitzuverantworten. Klar ist, dass das zuletzt skizzierte Mu- Erstens, grundlegende Orientierungen haben, egal in welchen Gesell-
ster nicht ein Modell ist, mit dem wir nicht groß geworden sind, das wir schaften, parallel zum Grad ihrer Orientierungssicherheit zu starren Ver-
von klein auf gelernt und deshalb auch nicht verinnerlicht haben. Das haltensroutinen geführt, die mit dem Grad ihrer inneren Sicherheit auch
neue Modell wäre auf der einen Seite ein freieres Modell, aber was man reflektionsresistend waren. Diese innere Sicherheit hat häufig nur einen
sich dafür einkauft, ist, dass man seine Sinnfrage selber klären muss. Es direkten Nutzwert nach innen für die Gruppe, die diese Werte teilt,
gibt keine absolut gesetzten Sinn-Instanzen, auf die man sich berufen nicht aber für andere, die außerhalb dieser totalitären Wertegemein-
könnte. Man muss sich somit sein Orientierungssystem selber neu zim- schaft stehen. Im Gegenteil, häufig mussten die anderen den Preis dafür
mern. Die alten Handgriffe bieten hier keine Hilfe mehr. Ebenfalls klar zahlen. Darüber hinaus war dieser Nutzwert für die im Wertekern Be-
ist, dass viele das Alte bevorzugen, sozusagen lieber über die Knecht- findlichen nicht selten nur vorübergehender Natur. Und nicht zu verges-
schaft fluchen, aber hier zumindest wissen, was Oben und was Unten, sen: Gerade im Namen von Werten wurden und werden viele Kriege ge-
was gut und was böse ist. Im neuen System gibt es kein oben und unten, führt, an deren negativen Folgen für die Opfer sich auch nichts ändert,
es ist alles vernetzt und alles eine Sache der Perspektive, aus der ich es wenn ein solcher Krieg als heiliger Krieg bezeichnet wird.
betrachte. Ich muss mich jeweils entscheiden, was ich in der Situation
als handlungsrelevant definiere und was nicht. Zweitens, es gibt durchaus einen zeitgemäßen, wenn auch anstrengen-
den Weg, um eine allgemeinere Orientierung zu erreichen, nämlich den
Dialog. Dieser zeichnet sich allerdings dadurch aus, dass einerseits die
Wahrheit nicht von Vornherein feststeht, sondern erst erfunden werden
Literatur
Klau s Doppler/Christoph L auterburg, muss und dass der Prozess des Dialogs ein prinzipiell offener ist, immer
Change Management. Den Unternehmenswandel gestalten, Frankfurt/New York,
9. Auflage 2000 gefährdet durch Betrug oder irgendeine Form von körperlicher oder
K l a u s D o p p l e r Dialektik der Führung: Opfer und Täter, Gerling Aka- auch rhetorischer Gewalt von Seiten derjenigen, die eine bestimmte
demie Verlag, München 1999
R i c h a r d S e n n e t t Der flexible Mensch. Die Kultur des neuen Kapi- Richtung verfolgen und ihr Ergebnis durch offenes Vorgehen gefährdet
talismus, Berlin Verlag 1998
sehen.

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Führung gewinnt an Gewicht
Im Gespräch mit Adrian Holter

Wo sehen Sie den Konnex zwischen Management auf Zeit und neuen Or- setzt, noch gestützt durch Entlohnungssysteme wie stock options. Ei- 23
ganisationsformen? gentlich bündeln sich dort ein Rudel von Unternehmern mit einem Leit-
hammel.
Zum einen haben die klassischen Organisationen in den letzten Jahren
die Hierarchien verknappt, und zum anderen werden immer mehr Auf- Das bringt aber wieder andere Probleme. Z.B. bei mehreren kleinen Unter-
gaben, die für die Organisation wichtig sind, in Form von Projektorgani- nehmen, die in kurzer Zeit zu einem Mittelbetrieb zusammenfusioniert
sationen erledigt, die nur auf Zeit bestehen, bis das Projektziel erfüllt ist, werden. Sechs ehemalige Eigentümer finden sich plötzlich in einem 100-
dann lösen sie sich wieder auf. Personen-Unternehmen wieder, können aber nicht mehr alle Geschäftsfüh-
rer sein.
Projektarbeit ist doch nichts Neues
Es passiert dann irgendwann eine Rollenklärung. Ab einer gewissen
Nein, natürlich nicht, aber es werden für immer mehr Aufgaben nicht Größe muss man dann entscheiden: Geht jemand auf eine Gesellschaf-
mehr wie früher komplette Organisationen mit Abteilungen und Hierar- terposition zurück, wer wird operativer Geschäftsführer, geht jemand in
chien aufgebaut, sondern nur eine schlanke Projektorganisation, die die zweite Linie, oder es kann auch sein, dass jemand mehrere Jobs
nur ihr Ziel im Visier hat und die eigentlich schön langsam die klassische gleichzeitig hat: Noch eine bestimmte Funktion in dem fusionierten Un-
Linienorganisation ersetzt. Und das geht einher mit einer Veränderung ternehmen wahrnimmt und daneben noch etwas anderes, neues
auf der Ebene der Personen, die in solch ein Projektteam hineingehen: macht. Auch das gibt es. Jobnomaden, die in mehreren Unternehmen in
Kommen die von innen oder von außen? Hier gibt es zunehmend mehr verantwortlicher Position unterwegs sind.
Offenheit, dass die auch von außen kommen. Also Experten und Ma-
nagementkapazitäten auf Zeit. Wie gut geht das?

Was ist nun wirklich new an der new economy? Viele der diskutierten Pro- Wenn man mehrere Jobs hat, wo ich eine klare Zielvereinbarung habe
bleme sind doch typische Probleme von Pionierunternehmen, oder? Der Be- und keine klassische Arbeitsplatzbeschreibung, habe ich auch sehr viel
darf nach Strukturen, nach klaren Abläufen, der Mangel an Management- Freiheit, selbst meine Zeit einzuteilen. In der Woche 1 arbeite ich im Un-
kapazität. ternehmen A, in der Woche 2 im Unternehmen B.

Ja klar, bestimmte Dinge braucht jedes Unternehmen ab einer be- Kommen die Leute dann nicht auch zwischendurch mit Fragen und Ab-
stimmten Größe. Da ist noch nichts Neues. Was sich verändert hat, ist stimmungsbedarf?
die Bindung der Mitarbeiter ans Unternehmen. Es gibt eine andere Loya-
lität, die durchschnittliche Verweildauer ist am Sinken. Was ich bei den Das kann schon sein, aber man merkt schnell, wer wieviel Kapazität
Start-ups erlebe, ist, dass es einen pfiffigen Techniker gibt mit einer braucht und wie man daher seine Zeit einteilen muss, um mit beiden
guten Idee, aber wenig Ahnung von den kaufmännischen Dingen oder Zielvereinbarungen zurecht zu kommen. Dann bekommt z.B. in der
vom Vertrieb. Da fangt es dann schnell zu knirschen an. Wo ich schon Woche 2 das Unternehmen A drei Tage, das Unternehmen B 2 Tage.
einen Unterschied sehe ist, dass die new economy sich beim Einkauf ex-
terner Managementleistung leichter tut, weil hier die Barrieren, die es Welche Anforderungen stellt das an die Organisation?
bei den Old-Economy-Unternehmen gibt, nicht existieren. Es entspricht
auch mehr der hier üblichen Arbeitsweise, immer wieder temporär mit Ich glaube, dass man die oft informell stattfindenden Prozesse, Ideen,
Experten zu kooperieren. Gerade bei der new economy wird so etwas Gedankenaustausch und Kommunikation, die man früher als keinen
wie eine unternehmerische Haltung viel eher erwartet und vorausge- Dienstweg bezeichnet hat, in diesen neu organisierten Unternehmen
der new economy viel besser organisieren und strukturieren muss.

t h e m a Organisationsformen der Zukunft Hernsteiner 4/2000


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Man muss mehr darauf achten, dass diese Abstimmung noch stattfin- sen, ich muss Gruppenprozesse erkennen und steuern können. Das
det und alle Mitspieler in regelmäßigen Abständen an einen Tisch kom- meine ich, wenn ich sage, dass der Bereich der sozialen Kompetenz stär-
men. In der traditionellen Organisation läuft diese Verknüpfung von Or- ker gefordert ist. Sowohl in der Beziehung zum Einzelnen, denn es ist ja
ganisation dank eingespielter Mechanismen quasi von selber. Bei ein permanentes Hinein- und Hinausgehen von Mitarbeitern und Ko-
virtuellen Organisationen ist die Gefahr, dass ich einen Haufen lose her- operationspartnern, als auch in der Gruppe.
umschwirrender Sterne habe, die miteinander zu wenig in Beziehung
stehen. Ein Beispiel. Ein Start-up hat mich als Manager auf Zeit angesprochen.
Ich denke, es geht in die Richtung, dass ein Kernteam, z.B. die Ge- Die wollen in einem anderen Land in den Markt hineingehen, zwei, drei
schäftsführung, fix angestellt ist. Die hat die Vision und das Unterneh- größere Kunden akquirieren und dann dort ein Büro und eine Struktur
mensziel im Auge und die koordiniert immer stärker die eigenen Pro- aufbauen. In der old economy hätte man dafür vor Ort einen Geschäfts-
jektmitarbeiter, in Richtung Kommunikation, Vernetzung unter- führer gesucht, der hätte das dann gemanagt. Heute heißt das Projekt
einander, auch in Richtung Überprüfung (ist noch jeder am Ziel dran?). Aufbau einer Vertriebsniederlassung für den Markt X, Y. Das mache ich
dann für einen bestimmten Zeithorizont, und dann übernimmt das bis
Damit gewinnt die Führungsbeziehung an Gewicht dahin aufgebaute operative Management. Da wird fix keiner mehr ein-
gestellt.
Die Führungsbeziehung und damit die soziale Kompetenz. Denn ich
muss ja emotional nicht so miteinander vertraute Personen miteinander Wo ist der Unterschied?
möglichst schnell ins Tun kriegen. Das ist einerseits viel schwieriger als
bei vielleicht schon lang bestehenden Teams in den alten Unternehmen, Der Unterschied liegt darin, dass ich im operativen Tagesgeschäft z.B.
andererseits tut man sich hier wieder viel leichter bei notwendigen Ver- Manager habe, die wahrscheinlich nur wenig Ahnung von Unterneh-
änderungen. Das, wo die old economy oft etwas neidvoll auf die new mensgründung haben, von Steuerrecht und Finanzen, von Strukturen
economy blickt, sind die Punkte Flexibilität und Schwung, andererseits und Abläufen in dieser Gründungsphase. Und wenn ich nun als Ge-
schauen die jungen Unternehmen wieder etwas neidvoll auf die alten, schäftsführer für die neue Vertriebsniederlassung jemanden fix ein-
wenn es um klare Strukturen und Abläufe und regelmäßige soziale Kon- stelle, der genau das kann, was mache ich mit dem, wenn die Niederlas-
takte geht. sung aufgebaut ist? Dann liegt dieses Know-how ja brach. Ich kann ihn,
wenn er dazu bereit ist und ich als Unternehmen weiter expandiere, in
Ein Thema, auf das man bei den neuen Unternehmen aufpassen muss, das nächste Land schicken. Die Frage ist, ob sich das zeitlich immer
ist Vereinsamung. Wobei einige Mitarbeiter dieses eigenbrötlerische Ar- genau ausgeht. Angenommen, der baut noch auf und braucht noch
beiten durchaus gerne haben. Typische EDV-Freaks sind ja nicht unbe- sechs Monate in dem einen Land. Dann würde man vielleicht noch sechs
dingt wahre Kontaktbomben, die arbeiten gerne im stillen Kämmerlein Monate warten, bis der dort abgezogen werden kann. Heute kann man
vor sich hin und führen da ein seliges Insel-Dasein. Da ist die Unterneh- aber immer weniger warten, dann in der new economy können sechs
mensführung sehr stark gefragt, damit die Gesamtvision und die ge- Monate schon heißen, dass der Markteintritt dreimal so teuer wird. Also
meinsamen Ziele auch noch zum Tragen kommen. Bei diesen Traban- wird man die Chance wahrnehmen und schauen, wo man die notwen-
ten, die ja immer öfter auch de jure selbstständig sind, muss ich eine digen Resourcen herbekommt. Da gibt es eher den deal, wir machen ein
Bereitschaft erzeugen können, auch tatsächlich in einem Team zu arbei- Projekt, das ist nach x- Monaten aus, und dann trennen wir uns wieder,
ten bzw. sich immer wieder miteinander abzustimmen. Ich muss als vielleicht gibt es einen weiteren Auftrag, aber das kann man heute noch
Führungskraft die Leute miteinander ins Reden bringen können, ich nicht sagen.
muss mit Konflikten umgehen können, mit unterschiedlichen Interes- Das passiert auch zunehmend im Bereich der old economy. Natürlich

Hernsteiner 4/2000 t h e m a Organisationsformen der Zukunft


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kann ich das auch, wenn ich die Resourcen habe, intern besetzen. Aber Ich glaube, dass dadurch die Qualifikationsanforderungen auf der
oft ist das teuer bezahlt. Ich sehe das derzeit bei Banken, die vor einigen Führungsebene unheimlich steigen. Und dass das auch eines der Grund-
Jahren Mitarbeiter in den Osten geschickt haben, um dort Filialen auf- probleme der New-Economy-Unternehmen ist, dass sie – wenn sie aus
zubauen und sie mit einem Rückkehrrecht ausgestattet haben. Nun hat den Windeln herausgekommen sind – dann mit diesen Führungsaufga-
sich hier aber in den letzten Jahren sehr viel geändert, und es gibt ei- ben nur schwer zurande kommen. Wo Manager früher noch langsam in
gentlich keinen Platz mehr für diese Leute. Da wird es dann schwierig. die Führungsverantwortung hineingewachsen sind, geht das heute in
einem unheimlichen Tempo. Daher muss ich von Anfang an wissen, was
Da ändert sich aber noch nicht die Organisation, sondern nur die Anforde- kommt wann auf mich zu, da muss ich rechtzeitig planen, wann ich was
rung an die Mitarbeiter: Es gibt immer mehr temporäre Arbeitsverhält- an Resourcen brauche. Gerade im Bereich Personalentwicklung, im Be-
nisse. reich Führungsverhalten, bei der Frage von gruppendynamischen Pro-
zessen. Da sehe ich einen fundamentalen Unterschied.
Richtig. Das ist auch nicht neu, aber vor allem auf der Ebene des Ma- Was in den 70er Jahren gerne gemacht wurde, dass sich Führungskräfte
nagements ist es noch nicht üblich. einmal eine Woche Gruppendynamik gegeben haben, um einmal über
den eigenen Zaun zu schauen, das wird heute immer mehr zum Muss,
Funktionieren denn diese projektbezogenen Netzwerke in der new eco- weil ich mit dauernd wechselnden Teams umgehen muss. Einmal mit
nomy? einer Gruppe von vier, dann von 12 Leuten. Das sind jeweils unter-
schiedliche Dynamiken, und das bedarf einer unterschiedlichen Steue-
Netzwerke funktionieren dort, wenn die Partner in dem Netzwerk für rung. Dazu habe ich Gruppen in völlig unterschiedlichen Situationen:
sich einen Mehrwert haben. Am Anfang wurde oft versucht, etwas als Ein Team formiert sich gerade, ist erst im Aufbau, ein anderes schließt
Netzwerk zu definieren, was gar keines ist, ich meine da, wo es ein rei- gerade ab, da geht es um Verabschiedungs- und Auflösungsprozess. Ich
nes Auftraggeber-Auftragnehmer-Verhältnis ist. Ein Grundelement des habe schon die Vision, dass immer mehr Organisationen in Zukunft nur
Netzwerkes ist der offene, wechselseitige Austausch von Gedanken und mehr aus einem fixen Kern bestehen, und alles andere bewegt sich.
Ideen, und da haben wir in unserer Kultur, glaube ich, durchaus Hemm-
nisse, über unseren Schatten zu springen. Wenn ich mir z.B. Berater-
netzwerke anschaue, dann gibt es da immer ein latentes Konkurrenz-
denken.

Also einerseits das Bild des eher klassischen, hierarchisch organisierten Un-
ternehmens, das sich in den letzten Jahren zunehmend dynamisiert hat.
Andererseits das Bild kleiner, schnell wachsender Unternehmen, die entwe-
der auch den klassischen Weg gehen, größer werden, Strukturen aufbauen,
sozusagen von der Pionierphase in die Organisationsphase kommen, oder
aber tendentiell in temporären Verhältnissen arbeiten, sich für ein be-
stimmtes Projekt, ein bestimmtes Produkt, einen bestimmten Markt Ar-
beitsgruppen bilden und das temporär in dieser Struktur abwickeln, es aber
vielleicht schon in kurzer Zeit wieder anders machen oder ganz fallen las-
sen, je nach neu auftretenden Marktchancen. Funktioniert das, denn das
braucht ja einen unheimlichen Management- und Koordinationsaufwand?

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Eine »atmende« Organisation
Im Gespräch mit Christoph Brunmayr

26 Wer ist die Firma »Men on the Moon«? Ressourcen orientieren müssten und nicht, so wie jetzt, immer die ge-
eignetsten Teams für Kunden zusammenstellen. Es gilt aber hier immer
Eigentlich entstand die Basis unseres Unternehmens noch in der old das »One-Face-to-Customer«-Prinzip, das heißt, Men on the Moon tritt
economy. »Men on the Moon« entstand als Division der Premedia, in allen Phasen eines Projektes als Ansprechpartner gegenüber dem Kli-
einem Full-Service-Dienstleister, der Verlage und klassisch werbende enten auf.
Kunden in den Bereichen Datenmanagement, PrePress und Media-Con-
sulting betreut. Zuerst gab es die Gründung einer Unit innerhalb der Findet man immer die Externen, die man gerade braucht?
Premedia, so eine Art NewMedia-Department. Das hat sich zuerst in-
tern einige Jahre gut entwickelt, dann wurde Men on the Moon hier in Grundsätzlich ist es so, dass wir mit allen Partnern, mit denen wir arbei-
Wien als eigenständige Division gegründet. ten, immer Resourcen eingeplant haben, die für uns zur Verfügung ste-
hen. D.h. es gibt einen Puffer, der für uns reserviert ist. Wir wissen rela-
Wir haben derzeit acht Mitarbeiter, die unser »Core-Team« bilden, rund- tiv genau, wie viele Projekte im Monat wir mit externen Partnern
herum verfügen wir über einen großen Pool von externen Partnern. Das abwickeln, um Subteile der Projekte erarbeiten zu lassen, und das ist bei
sind großteils langjährige Partner, mit denen wir in einer Art »atmender den Partnern eingeplant. Außerdem haben wir für bestimmte Aufgaben
Organisation« zusammenarbeiten. Der zentrale Fokus von Men on the immer eine Anzahl von 4–5 alternierenden Personen oder Teams, auf
Moon ist sowohl klassische Werbung, Markenentwicklung, Kampa- die wir zurückgreifen können. Natürlich geht es darum, im Idealfall
gnenkonzeption, bis hin zu unserem eigentlichen Core-Business, dem immer den zu nehmen, der für das jeweiligen Projekt die höchste Quali-
Cross-Media-Consulting. Im Vordergrund steht hier immer ein stark fikation und Expertise besitzt, und da helfen diese Pufferregelungen.
konzeptionsorientierter Ansatz, wir sehen uns als »Informationsarchi- Das Prinzip ist ja nichts Neues, das machen andere auch.
tekten« und versuchen bei jedem Projekt einen medienadäquaten Zu- Die großen Player haben eben im Haus viele Ressourcen zur Verfügung.
gang zur Aufgabenstellung zu finden. Das hat Vor- und Nachteile. Wenn ich alles im Haus habe, mußss ich
mich darauf verlassen, dass meine Mannschaft das Geforderte auch
Was sind die Aufgaben dieses Kernteams? immer kann. Das ist oft der Haken bei der Sache, weil ich immer auf die
vorhandene Kompetenz angewiesen bin und die Leute auch beschäfti-
Intern passiert vor allem die Konzeption und das daraus resultierende gen muss.
Projektmanagement. Wir stellen dann für das jeweilige Projekt einen
Pool an relevanten Personen unter den externen Partner zusammen, Haben diese Super-Profis denn immer Zeit?
der mit Beginn des Projektes auch in einer vertraglichen Vereinbarung
zusammengeht, teilweise auch Inhouse bei uns arbeitet und nach Been- Wir arbeiten ja nicht vorwiegend mit Einzelkämpfern, sondern mit an-
digung des Projektes wieder auseinandergeht. Das sind Leute aus den deren Unternehmen. Die haben selbst wieder 20–30 Leute in ihrer Ent-
verschiedensten Disziplinen, wie Art Direction, Creative Direction, Gra- wicklungsmannschaft sitzen. Da gibt es monatliche Gespräche über an-
phik, New-Media-Consulting, Screen- und Interfacedesign, Datenbank- stehende Projekte, wo geklärt wird: Habt ihr das schon gemacht, was ist
entwickler oder Content-Developer. da eure Kompetenz, habt ihr da Leute frei, die das machen können? Wir
arbeiten nur in wenigen Bereichen mit Einzelpersonen zusammen. Nur
Wir haben intern ausführlich diskutiert, ob wir Personal aufstocken sol- da, wo die Spezialisierung sehr, sehr hoch ist.
len oder mit einem Pool an Externen arbeiten und uns dann für Zweite-
res entschieden, weil die Anforderungen bei jedem Projekt sehr, sehr Wie ist nun die Rollenteilung zwischen internen und externen Mitarbeitern?
unterschiedlich sind, und es kann nicht Sinn der Sache sein, für jeden
dieser Tasks spezialisierte Units inhouse zu beschäftigen – vor allem hin- Die oberste Instanz ist das Projektmanagement, das bei uns sitzt und
sichtlich der Tatsache, dass wir uns dann eigentlich an unseren eigenen die immer überprüft, dass der Ablauf und der Informationsfluss funktio-

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nieren, dass keine Lücken entstehen. Dadurch sind wir sehr schlank und gen hinsichtlich der technischen Machbarkeit eines Projektes zu formu-
sehr schnell. Mit diesem Paradigmenwandel haben die klassischen lieren. Und sei es zu sagen: Das schaut toll aus, aber wisst ihr eigentlich,
Agenturen natürlich die größten Probleme, weil die ein eingeschwore- was das an Arbeit für mich bedeutet, das technisch umzusetzen, wenn
nenes Team haben, mit den Spezialisierungen und Strukturen, wie ihr das so konzipiert? Und das passiert in einem Rahmen, wo man sich
früher eben klassische Agenturen aufgebaut waren. Sie versuchen sich gerne trifft.
oft so zu helfen, dass sie eigene Kompetenzcenter aufkaufen. Nur funk-
tioniert das oft nicht gut: Will man z.B. eine Cross-Media-Kampagne Wie bekommt man diese Leute nun unter einen Hut?
entwickeln – also über die Grenzen von klassischer Werbung hinaus –
muss das schon in allen Vorphasen bedacht werden. Wenn ich so ein Wir machen zu Beginn des Projektes ein erstes Briefinggespräch mit
Projekt andenke, dann kann ich eben nicht sagen, die Truppe A, die den allen Beteiligten, wo das Projekt noch einmal vorgestellt wird, wo ge- 27
Kunden schon seit Jahren betreut, macht weiterhin die klassische Wer- klärt wird, wer welchen Part übernimmt, wo die Leute noch einmal ge-
bung, und die andere Gruppe macht den Web-Auftritt, sondern das fragt werden, ob sie das wirklich machen wollen und dann gegebenen-
muss nahtlos ineinandergreifen. Da ist die klassische Teilung in den falls einzelne Aufgaben noch einmal umgeschichtet werden. Dann gibt
großen Agenturen schon ein Problem. Da sehe ich intern oft die es ein Projektübergabegespräch, wo alle Meilensteine und Details aus-
Kämpfe, dass die alte Garde, die glaubt, Marketing- und Werbe-Know- gearbeitet werden. Und dann treffen wir uns regelmäßig während des
how von der Pike auf gelernt zu haben, den anderen erklärt, wie Online- Projektes, um Zwischenabnahmen zu machen. Da präsentiert jeder, wo
Marketing funktioniert. Nur ist es eben ein anderes Gebiet. Wie man er steht, damit die anderen orientiert sind und man sich wieder neu ab-
Frequenz und Traffic auf seine Site bekommt, funktioniert nach ganz an- stimmen kann.
deren, völlig neuen Regeln. Die Folge sind Konflikte, Abstimmungspro-
bleme und Geschwindigkeitsverlust. D.h. die Hauptarbeit ist das Projektmanagement?

Aber auch die Teambildung bei Projektteams dauert seine Zeit. Speziell bei Die Basiskonzeption kommt ja immer von uns, das ist unabdingbar not-
Leuten, die sehr einzelkämpferisch unterwegs sind. Wie bekommt man das wendig, damit es ein »Men on the Moon«-Produkt ist. Wenn diese Kern-
in kurzer Zeit gebacken? kompetenz wie Basiskonzeption, Begleitung und Projektcoaching im
Haus ist, dann funktioniert das. Ansonsten wird das ein Me-too-Pro-
Ich glaube, zwei Dinge machen das aus. Zum einen versuchen wir – das dukt.
klingt jetzt vielleicht ein wenig strange – einen eigenen »Spirit« zu er-
zeugen. Indem wir uns mit diesen Leuten ganz intensiv auf einer nicht Wo sind die Schwierigkeiten solch eines Systems?
nur unternehmerischen Basis auseinandersetzen – die ist sozusagen die
Grundvoraussetzung, damit wir überhaupt miteinander arbeiten kön- Das eine ist der zuverlässige Zugriff auf alle Phasen, die den Arbeitsfluss
nen – sondern indem wir einen partnerschaftlichen Boden herstellen, anbelangen. Weil Externe genauso wie Interne Termine verbocken. Da
damit es für diese Partner auch angenehm und vorteilhaft ist, mit uns zu steht und fällt alles mit der Qualität des Projektmanagements. Andere
arbeiten. Das sind ganz simple Dinge, sehr viele Treffen, sehr viel Kom- Probleme sind sicherlich die Fairness der Partner, nachdem viel auf Ver-
munikations- und Informationsaustausch und das Gefühl, dass das trauen aufbaut. Z.B. die Frage des Kundenschutzes. Es gibt natürlich
Ganze nicht eben nur auf einer geschäftlichen Ebene passiert. Dass das Verträge, die mit jedem Partner zu Projektbeginn ausgearbeitet wer-
eine Community ist, dass diese Partner auch wirklich Vorteile haben, den, wo auch dezidiert formuliert ist, wie das abzulaufen hat.
mit uns zu arbeiten. Das ist einerseits der Zugriff aufeinander, wo sie Probleme sind auch dahingehend zu erwarten, dass man genauso wie
sich gegenseitig unterstützen und weiterhelfen, Knowledge-Sharing bei Internen irgendwann einmal mit knappen Resourcen konfrontiert
betreiben, voneinander profitieren können. Das ist auch irgendwie das, ist. Das können technologische Anforderungen sein, oder Probleme in
was uns ausmacht. Da passiert eben auch viel im zwischenmenschlichen der Herangehensweise, wo der Kunde zuerst nur sehr vage definiert hat,
Bereich. was er will. Dann kommen im Lauf des Projektes ständig neue Features
dazu, dadurch dauert das Projekt doppelt so lange, und plötzlich ist bei
Wie erzeugt man so einen Spirit? einzelnen Partnern keine Zeit mehr da. Wenn es um technische Dinge
geht, ist daher das Um und Auf, dass die Dokumentation so upto date
Das hat viel damit zu tun, dass man auf die Bedürfnisse der Leute ein- ist, dass notfalls jemand anderer weiterarbeiten kann. Wenn es um krea-
geht. Beispielsweise sind Datenbankentwickler – natürlich pauschaliert tive Dinge geht, dann hat man schlicht und einfach Pech, das kann man
– meistens relativ rational denkende und sehr strukturierte Leute. Sie so einfach ja nicht übergeben.
sind ein eigenes Völkchen, und sie haben meist nicht die Möglichkeit,
sich mit den so genannten Kreativen auszutauschen oder auch ihre Sor-

t h e m a Organisationsformen der Zukunft Hernsteiner 4/2000


28 Nun sind viele Probleme schnell wachsender Unternehmen an sich nicht buchung aus Beständen, die Zuteilung zu anderen Lieferanten, z.B. zu
neu. Stichwort Bedarf an Strukturen, geregelten Abläufen, Management- Amazon, die das dann abwickeln. Dazu müssen interne Strukturen
Know-how. geändert werden. Wir begleiten das, solange es unser Business ist. Und
dann schlagen wir andere Consultants und Partner vor, die hier notwen-
Ja, das denke ich auch. Wenn man schlagartig von 15 auf 50 Personen diges Know-how einbringen können, um gemeinsam dieses Projekt zu
aufstockt, dann fehlen immer die passenden Strukturen. Ich halte mich finalisieren.
da an das Bild vom Baum. Der kann auch nicht in zwei Jahren von einem
Meter auf 30 Meter Höhe wachsen. Oberstes Ziel für uns ist immer wie- Wie schauen dann klassische Unternehmen in 10 Jahren aus?
der neue Strukturen zu schaffen. Mit jedem einzelnen Mitarbeiter, den
wir dazu bekommen, wird es wieder ein Stück schwieriger, die Struktu- Das ist je nach Produkt unterschiedlich. Klar ist, dass viele Prozesse an-
ren und Prozesse beizubehalten, die man hat. Also muss man sie per- ders organisiert sein werden. Schnell verderbliche Nahrungsmittel wird
manent neu überdenken, neue Regeln einführen und das intern kom- man auch in Zukunft in Supermärkten kaufen. Was aber ganz sicher ver-
munizieren. Also ich wüsste nicht, wie wir das machen sollten, mehrt entstehen wird, sind Konzepte, wie Marken und Unternehmen im
schlagartig zu wachsen. Netz soweit eine Nachfrage erzeugen können, dass der Konsument dar-
auf besteht, genau dieses bestimmte Produkt in seinem Supermarkt zu
Welche Auswirkungen des Internet sehen Sie bei Ihren Kundenunterneh- finden. Und da geht es eben nicht darum, das Produkt im Netz abzubil-
men? den, sondern es geht um den Aufbau einer Umgebung, wo es – um
beim Nahrungsmittel zu bleiben – um Ernährung geht, um beratende
Jeder Manager, der weiß, was da in den nächsten Jahren auf die Unter- Tools, es geht um Service und Inhalt, um medienadäquate Werkzeuge,
nehmen zukommen wird, wird froh sein, wenn er Leute hat, die eine Ah- die dem Produkt den nötigen Rückhalt geben.
nung von der Entwicklung des Mediums und von der adäquaten Um-
setzung haben. Ich erlebe durchaus sehr traditionelle Unternehmen, die Wenn es um Organisationsformen geht, wäre ein Pol das von Ihnen ange-
sehr offen und froh sind, dass es Leute gibt, die ihnen komplett neue An- sprochene »atmende« Unternehmen mit kleiner Kernmannschaft, mit vie-
sätze für ihre Produkte entwickeln. Die ihnen z.B. sagen: Schaut her, da len Freelancern, einer community als verbindendem Element und mit hoch-
gibt es einen neuen Markt für »functional food«. Warum wollt ihr da professionellem Projektmanagement, der andere Pol das klassische,
nicht aufspringen? Warum macht ihr da nicht was? Es ist immer die hierarchisch strukturierte Unternehmen.
Frage, wie man den Firmen gegenüber auftritt.
Was ich sehe, ist dass so viele neue Märkte, so viele neue Bedürfnisse
Was sind dann die konkreten Auswirkungen auf solche Unternehmen? entstehen, dass ich ein ungutes Gefühl hätte, wenn ich die hier nötigen
Kompetenzen alle intern besetzen müsste. Ich sehe, in welcher Bewe-
Natürlich geht unsere Arbeit über den Bereich der Kommunikation hin- gung der Markt ist und in welcher Dynamik das voranschreitet, und mir
aus. Mit dem Web-Auftritt sind ja meistens starke Veränderungen bei ist lieber, ich greife auf absolut professionelle Partner zu, sei es in Öster-
den internen Prozessen verbunden. z.B. wenn bei Verlagen Bücher on- reich, Deutschland, England oder wo auch immer, die mir das zuliefern
line bestellt werden können. Einerseits gibt es da natürlich Repressalien können, was ich brauche, und ich habe die Kontrolle über die Konzep-
alteingesessener Strukturen der Organisation. Aber wenn man so etwas tion und die Kontrolle der Qualität dessen, was da rauskommt, als ich
implementiert ist klar, dass das Auswirkungen nach sich zieht. Dann müsste mir die Kompetenz im Haus aufbauen.
muß man im Prinzip den Vertrieb neu organisieren und sich fragen: Was
läuft in Zukunft noch über den Buchhandel, welche Titel werden exklu- Wie gehen junge Leute und hochprofessionelles Projektmanagement zu-
siv über das Netz vertrieben, was heißt das für unsere Vertreter, für B2B sammen?
und B2C? Dann muss man schauen, was heißt das für die Logistik, wie
läuft das Procurement und das Fulfillment, die Fakturierung, die Ab- Ich glaube dass unternehmerisches Denken bei den Jungen sehr ausge-
prägt ist. Die haben meiner Erfahrung nach ein extrem hohes Verant-

Hernsteiner 4/2000 t h e m a Organisationsformen der Zukunft


wortungsbewußtsein. Die agieren auch mit einer anderen Vision als Wenn eine Führungskraft aus einem klassischen Unternehmen zu Ihnen ins 29
vielleicht wir, die wissen auch sehr genau, was sie erreichen wollen. Viel Unternehmen kommen würde, was würde die sagen?
mehr als Leute, die jung in einer unteren Position in Unternehmen ein-
gestiegen und dann langsam aufgestiegen sind. Auch deswegen, weil Das hängt von der Position ab. Wenn er z.B. Controlling machen würde,
sie schon sehr jung unmittelbar mitbekommen, was sie durch ihre Ar- dann läuft bei uns genauso ab wie in anderen Unternehmen auch. Da
beit erreichen und bewegen können. Das sind Leute, die sehr tough sind hätte er kein Problem. Ein Problem hätte er vielleicht damit, im Kreativ-
und sich sehr genau im Klaren sind über das Know-how, das sie in dieser bereich mit den vielen individuellen Typen klar zu kommen. Da ist sehr
Zeit des Umbruchs haben, und was sie damit bewegen können. Also viel Coaching im Sinn von persönlichem Eingehen nötig.
dieses Paradigma, ich muss mich da mal hocharbeiten, dann bekomme Gerade bei stark wechselnden Märkten würden klassische Führungsmo-
ich mehr Verantwortung und mehr Geld, damit können die nur sehr delle eher hinderlich sein, ganz einfach deswegen, weil man damit so
wenig anfangen. viel an Ideen und Konzepten ausschließen würde, die entwickelt wer-
den, die auf den ersten Blick so unorthodox, so »strange« sind, dass man
Da schimmert immer auch durch, dass Organisation als lästig empfunden damit viel abwürgen würde.
wird.
Was heißt da Führung?
Was wir versuchen ist, entsprechend dem Community-Gedanken, so
wenig Regeln wie möglich aufzustellen. Denn das sind extreme Indivi- Ich mag das Wort Führungskraft gar nicht. Es geht eigentlich um Be-
dualisten, die kann ich nicht in ein fixes Schema pressen, man muss gleitung. Es gibt einen Grundstock an Regeln, die eingehalten werden
ihnen so viel Spielraum einräumen, dass sie in der Lage sind, sich ihre müssen, weil sonst das Geschäft nicht funktionieren würde, es gibt Brie-
Dinge selbst gestalten zu können, nur dann arbeiten sie in ihrer Best- fings, Termine, Qualitätskontrolle, klare Zielvorgaben, dazu eine Ko-
form. stenkontrolle. Jeder arbeitet mit einem Fixbudget und verbindlichen
Auf der einen Seite gibt es Dinge, die einzuhalten sind, Regeln, die auf- Angeboten, nicht auf Stundenbasis. Das funktioniert exzellent. Wenn
gestellt werden, wie Termine, Budgets usw. Und im core-team gibt es man mit Externen arbeitet, kann man nicht mit Zahlen arbeiten, die ir-
sehr wohl klare Arbeitszeiten, klare procedures, an man sich zu halten gendwie offen gelassen werden. Das muss klar festgelegt sein.
hat. Aber bei den Leuten rundherum, die dann die Dinge exekutieren, Alles was der extremen Geschwindigkeit unterliegt, da haben wir keine
gibt es weniger Regeln im Sinne einer klassischen Organisation. Das ist Strukturen, denn da passiert ein dauerndes Neudefinieren der Struktu-
irrsinnig stressig und aufreibend für uns, es ist aber das, was dann letzt- ren, die ich dazu brauche. Da heißt es: Los geht`s, das ist die Idee, das ist
lich das gewünschte Resultat bringt. Dadurch entstehen Dinge, die das Konzept, was brauchen wir dazu an Strukturen, Prozessen, Resour-
sonst nicht entstehen würden. cen? Was da gestern sinnvoll war, interessiert heute nicht. Denn es geht
ganz entscheidend um die Geschwindigkeit, mit der Dinge hier umsetz-
Was ist das Stressige daran? bar sind. Ich vergleiche das mit einem kleinen wendigen Schnellboot ge-
genüber einem großen Supertanker, der für eine Kurskorrektur schon
Das Stressige ist, mit dieser starken Individualisierung der Leute umge- eine Stunde braucht. Wir haben Dinge in einer Woche fertig, wo andere
hen zu können. Es gibt Leute, die auf keinen Fall gegenüber dem Kunden ein bis zwei Monate brauchen. Schon allein deswegen, weil Firmen mit
präsentieren wollen, Leute, die partout nicht während der üblichen Ar- alten, gewachsenen Strukturen und zugeordneten Kompetenzen das
beitszeiten arbeiten, die am besten funktionieren, wenn sie sich für zwei intern abstimmen müssen. Aber die Anforderungen lassen sich nicht
Wochen zu Hause eingraben, um produktiv zu sein. mehr in die klassischen Abteilungen pressen, sondern die Aufgabe defi-
Wir müssen sicherstellen, dass die Leute die Rahmenbedingungen ein- niert die passende Struktur, den passenden Weg, den schnellstmögli-
halten, aber wie sie darin arbeiten, ist ihre Sache. Da sitzen dann viel- chen. Bei uns kann vieles parallel laufen, was bei anderen noch linear
leicht plötzlich 15 Leute bei uns im Studio, stoppeln ihre Rechner an, die passiert.
Truppe rottet sich zusammen und arbeitet konzentriert an der Aufgabe.

t h e m a Organisationsformen der Zukunft Hernsteiner 4/2000


trans.form.a©tion:
überzeugend beraten in extremen Situationen

Die »Wiener Schule der Organisationsberatung«


präsentierte ihren Ansatz bei der Expo

30 Wo sich in Unternehmen »sehr rasch sehr viel verändert« – also dort, wo Die Hernstein-Berater machten auch auf den veränderten Kontext auf-
Transformation stattfindet –, dort greifen die traditionellen Werkzeuge merksam: Im Transformationsprozess macht die klassische Trennung
von Beratung und Organisationsentwicklung immer weniger. Das war von Personal- und Organisationsentwicklung immer weniger Sinn.
eine der zentralen Botschaften von trans.form.a«tion – dem Event, in Wichtig ist es, die ständige Verschiebung zwischen den Kräftefeldern
dem sich die Wiener Schule der Organisationsberatung im Rahmen der Unternehmensstrategie, -struktur und -kultur im Auge zu behalten und
Expo 2000 am 28. September in Hannover präsentierte. den Anforderungen aus allen dreien gerecht zu werden (vgl. Abbil-
dung).
Damit hatten die Wiener Berater ein Thema gewählt, mit dem sie sich
derzeit selbst auseinandersetzen – und in dem noch viele Fragen offen
sind. Denn einfach ist es nicht, Mergers & Acquisitions, Spin-offs oder
radikale Wachstumsprozesse zu begleiten. Dennoch brachte die Veran-
staltung eine Fülle von Einsichten, die vielen Teilnehmern weiterhalfen.
So war das Echo der über 130 deutschen Personalmanager, Personal-
entwickler und Berater ausgesprochen positiv.

Die Berater der Beratergruppe Neuwaldegg, der Conecta, des Hernstein


International Management Institutes und der OSB führten aus, wie viele
Faktoren in Transformationsprozessen in Frage stehen: der Umgang mit
Zeit, die Einbindung von Mitarbeitern und die Erarbeitung von Zielen
verändern sich oft radikal. In diesem Umfeld muss sich auch der Berater
von bislang erfolgreichen Vorgangsweisen trennen können. Wichtig ist Das bekannte Dreieck Unternehmensstrategie, -struktur und -kultur im
es vor allem, das »Große Ganze« in den Blick zu bekommen: Die Kraft im Transformationsprozess
Transformationsprozess entsteht oft aus einer überzeugenden Zu-
kunftsvision.
Das Event in Hannover war der erste gemeinsame Auftritt der vier Fir-
Im Rahmen des Tages luden alle vier Firmen zu vertiefenden Workshops men, die im Zentrum der Wiener Schule der Organisationsberatung ste-
ein. Der Hernstein-Workshop wurde besonders von Personalentwick- hen. Es wurde deutlich, wie sehr »die Österreicher« die deutschspra-
lern besucht und widmete sich der Frage nach den Möglichkeiten von chige OE-/PE-Szene bestimmen und inspirieren; man konnte
Führungskräfteentwicklung in radikalen Veränderungssituationen. gleichzeitig auch sehen und mitvollziehen, wie viele der klassischen An-
Dabei zeigten Dr. Katharina Fischer-Ledenice und Stefan Doblhofer auf, sätze vor den neuen Fragen und Herausforderungen rasch an Gültigkeit
wie viele Maßnahmen und Vernetzungsoptionen es möglich machen, einbüßen.
Führungskräfte zu entwickeln, ohne dass solche Maßnahmen den Kon-
nex zur sich ständig wandelnden Unternehmenssituation verlieren – Der Tag verlief in einem raschen Tempo mit viel Lebhaftigkeit und Kon-
und wie man umgekehrt sicherstellen kann, dass wichtige Impulse aus zentration. Am Ende des Tages standen viele offene Fragen, lauter Bei-
der Führungskräfteentwicklung im Transformationsprozess nicht gleich fall der Teilnehmer – und Fusionsgerüchte der vier Unternehmen. Soll-
wieder verloren gehen. ten wir diese vielleicht weiter schüren?

Hernsteiner 4/2000 a k t u e l l Organisationsformen der Zukunft


1. Kundenfest in Schloß Hernstein

Am 14. September 2000 war es soweit: Das 1. Hernstein-Kundenfest Führungsmannschaft im Unternehmen qualifiziert werden soll. Typi- 31
ging an einem wunderschönen Spätsommerabend in Schloss Hernstein sche Beispiele für derartige Kooperationen seien zum Beispiel Strategie-
über die Bühne. Über 180 Manager aus der Wirtschaft mit ihren Partne- entwicklungs-Projekte mit anschließender Umsetzung und einem par-
rInnen kamen, um sich aus erster Hand über das neue Leistungspro- allel laufenden Qualifzierungsprogramm für Manager.
gramm des Instituts zu informieren.
Für all jene Gäste, die bei der Kurzvorstellung des Hernstein-Leistungs-
Begrüßt wurden alle Teilnehmer persönlich vom Hernstein-Team und – angebotes »Gusto« auf mehr bekommen hatten, folgte eine Runde von
dem Schlossrahmen gemäß – von dem bekannten Barden »Rudi von Präsentationen einzelner Produkte und persönlicher Informationen in
Lockenhaus«. Der Künstler unterhielt die versammelte Runde im ersten gemütlichen »Plauderzimmern« des Schlosses.
Teil des Abends mit erstaunlicher Wort-Virtuosität, in dem er die Pro-
fession der Manager sarkastisch in Reimform beschrieb und immer wie- Nach dem kulinarischen Teil markierte der musikalische Teil den offiziel-
der das Publikum und das Schloss in seine Spontan-Reime miteinbezog. len Schlusspunkt der Veranstaltung. Gestaltet wurde dieser von Con-
stantin Schenk und Tamara Trojani, die mit einem Potpourrie aus der
Derart schmunzelnd auf den offiziellen Teil des Abend eingestimmt, Welt der Tenöre verblüfften. Für alle Musik- und Tanzliebhaber klang der
fand auch die nachfolgende Präsentation über das Institut allgemeine Abend allerdings erst nach einigen Stunden aus.
Beachtung. Die Leiterin von Hernstein, Frau Dr. Katharina Fischer-Lede-
nice, spannte eine kurzen, aber prägnanten Bogen von den Wurzeln des
Instituts, den damals revolutionären Gruppendynamik-Trainings, über
eine aktuelle Einschätzung des Marktes für Managemententwicklung
bis hin zum heutigen Leistungsangebot von Hernstein. Dabei wurde
deutlich, dass das Institut in den beiden letzten Jahren einen deutlichen
Wachstums- und Innovationsschub erlebt hat.

Das aktuelle Angebot des Hernstein International Management Insti-


tute zeichnet sich laut Fischer-Ledenice durch ein breite Palette an diffe-
renzierten Trainings für General Manager aus. Dabei betonte sie, dass
das Management-Verständnis von Hernstein nennenswert von jenem
der Mitbewerber abweicht. »Management ist keine technokratische,
sondern eine soziale Kunst, und Unternehmen sind keine trivialen Sy-
steme, in denen eine Intervention A berechenbar eine Reaktion B her-
vorruft.« Das anzuerkennen sei wichtig für Führungskräfte und zugleich
Verständnis-Grundlage aller Entwicklungsprogramme in Hernstein.

Als zweiten Eckpfeiler der Hernstein-Dienstleistungen nannte Fischer-


Ledenice die Prozess-Beratung, die von Unternehmen angefragt wird,
wenn größere Veränderungsprojekte bevorstehen und gleichzeitig die

a k t u e l l Organisationsformen der Zukunft Hernsteiner 4/2000


Hernstein High Potentials Program
Lehrgang für Nachwuchsführungskräfte

Aufgrund der zunehmenden Anfragen über fundierte Weiterbildungsmöglich-


keiten von Nachwuchsführungskräften wurde das High Potentials Program ins
Leben gerufen. Dieser Lehrgang dient der Unterstützung von Potentialträgern
in Unternehmen zur Vorbereitung der Übernahme einer Führungsfunktion.
Neben der Vermittlung von Führungs-Know-how und sozialer Kompetenz setzt
das Curriculum auf die Vorstellung zukunftsweisender Trends in der Unterneh-
mensentwicklung.

32 Zentrale Fragestellungen im Lehrgang sind: Mentorenprogramm


• Welche Managementfähigkeiten benötigt eine angehende Das Mentoren-Programm, bei dem eine höher gestellte firmeninterne
Führungskraft? Vertrauensperson des Teilnehmers ihn/sie als Mentor begleitet, dient
• Vom Potentialträger zum Vorgesetzten – typische Dynamiken, zur zusätzlichen Ankopplung der Inhalte aus dem Lehrgang an die Or-
die entstehen können ganisation. In dieser Rolle unterstützt der Mentor den Teilnehmer bei
• Führen von Mitarbeitern und Teams – was bedeutet das? praxisbezogenen Umsetzungsvorhaben sowie der Adaption von Ma-
• Meine persönlichen Lernfelder bezogen auf das Umfeld, in nagement-Skills aus dem Lehrgang in den Arbeitsalltag. Zwischen den
dem ich mich bewege einzelnen Blöcken, in den »Praxisphasen«, setzt der Teilnehmer die an
• Welche Potentiale und Ressourcen sind bei mir für eine ihn gestellte Arbeitsaufgaben um.
Führungsposition auf- bzw. auszubauen?
• Umgang mit Erwartungen aus dem eigenen Umfeld Abendprogramm
• Wie agiere ich in Konfliktsituationen? Zusätzlich werden im Lehrgang an zwei Abenden hochkarätige
• Wie gelingt ein effektiver und effizienter Umgang mit Zeit? Führungskräfte über die Frage: »Welche Skills und welches Know-how
• Welche Faktoren sind für unternehmerischen Erfolg in Zukunft brauchen Führungskräfte heute und morgen?« diskutieren sowie über
wichtig? deren Start als Führungkraft berichten. Als Gastsprecher sind Herr Mag.
• Strategisches Denken und Handeln Georg Gruber, Director Human Resources Procter & Gamble Europe
• Welche Einflüsse bringen neue elektronische Medien für das sowie Herr Mag. Werner Eder, Vorstand Porsche Bank, geladen.
Unternehmen mit sich?
In den einzelnen Modulen findet der Teilnehmer Antworten auf die o.a. Ein Trainer begleitet die TeilnehmerInnen durch den Lehrgang. Zu
Fragen. Über Probehandeln in Rollenübungen und Praxisfälle lernen die jedem Modul wird zusätzlich ein Spezialist als Trainer zugezogen. Der
TeilnehmerInnen ihre eigenen Fähigkeiten besser einzuschätzen und Lehrgang endet mit einem Abschlussgespräch zwischen Mentor und
bauen Kompetenz für den Einstieg in die Führungsrolle auf. TeilnehmerIn, in dem die Ergebnisse und Lernerfahrungen ausgewertet
werden. Ein Hernstein-Degree wird durch die Trainer überreicht.

Inhaltlicher Aufbau des Lehrgangs Dieser Lehrgang bietet angehenden Führungskräften die Möglichkeit,
Der Lehrgang besteht aus vier dreitägigen Seminarblöcken zu den The- bereits vor deren Sprung ins »kalte Wasser« auf umfassende Weise Er-
menfeldern fahrungen und Kompetenzen für die Führungsrolle aufzubauen. Der
• Führung und Management Übergang vom Mitarbeiter zur Führungskraft wird dadurch entschärft.
u.a. Einstieg in die Führungsrolle, Motivation von Mitarbeitern, Die neue Führungskraft kann sich früher ihren eigentlichen Führungs-
Führungsstile, Delegation agenden zuwenden, da bereits im Vorfeld von einem Mehr an Know-
• Teamkompetenz und Projektmanagement how und Sicherheit für die entsprechende Funktion ausgegangen wer-
u.a. Führen von Teams, Teambuilding, Projektarbeit, den kann.
Projektmanagementinstrumente
• Zeit- und Konfliktmanagement
Zeitplanung, -planungscontrolling, Konfliktdiagnose,
Konfliktlösungsstrategien, Deeskalation
• Neue Trends in der Unternehmensentwicklung
u.a. Unternehmensstrategien, Auswirkung von E-Commerce auf
Unternehmen, Personalentwicklung als Führungsaufgabe

Das Curriculum startet im Oktober 2001.

Hernsteiner 4/2000 a k t u e l l Organisationsformen der Zukunft


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FUNKY BUSINESS ARBEIT NEU DENKEN


Wie kluge Köpfe das Kapital zum Tanzen bringen Wie wir die Chancen der New Economy nutzen können

Talentierte Köpfe sind die Produktivkraft der Zukunft. Der beschleu- New Economy – der Begriff ist zum Synonym für den Wirtschafts-
nigte Wandel erfordert im Business vernetztes und »wildes« Denken. boom in den USA und für Phänomene wie blühende Konjunktur und
Künftig werden nur Unternehmen überleben, die sich in kreative und sinkende Arbeitslosigkeit geworden. Europa hinkt den USA in dieser
unkonventionelle Denkfabriken verwandeln. Ein freches Plädoyer für Entwicklung sicher um einige Jahre hinterher. Doch gerade diese
die Funky Inc. des 21. Jahrhunderts – absolut kultverdächtig! Verzögerung könnte zum großen Vorteil werden: Es besteht die hi-
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DER FLEXIBLE MENSCH


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Die Kultur des neuen Kapitalismus People Working Across Boundaries With Technology
Nicht nur der Unternehmer, auch der Arbeitnehmer muß ständig be- There are no such things as boundaries in today’s work environ-
reit sein für Veränderungen, muß immer aufs neue wagen und ge- ment. Virtual teams from all over the world use technologies like the
winnen. Anhand mehrerer Fallgeschichten analysiert der Autor die Internet, intranets, and groupware to work together on projects - but
Folgen des flexiblen Kapitalismus für die Lebensführung der Men- the major drawback to these teams is their high failure rate. »Virtual
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Ve r s a n d k o s t e n a n t e i l ( P o r t o u n d Ve r p a c k u n g ) ö S 5 2 , – , a b B e s t e l l w e r t v o n ö S 5 0 0 , – p o r t o f re i
Hello goodbye – Abschied mal drei

34 Die Arbeitswelt wird bunter. Patchwork-Karrieren werden immer häufi-


ger. Lebensplanung wird wichtiger als vorgesteckte Karrierepfade. Oft
haben wir in Hernstein in den letzten Jahren von diesen Trends gespro-
chen, jetzt treffen sie das Institut selbst: Drei langjährige Mitarbeiterin-
nen haben uns verlassen. Das Loch, das sie reißen, mag organisatorisch
bereits nachbesetzt sein – wir werden es noch eine ganze Zeitlang
spüren. Michaela Unteregger

Michaela Unteregger trat in den letzten Jahren als Leiterin von PR und
Marketing an die Öffentlichkeit – und hatte doch schon als Frau Gratz
eine langjährige Vorerfahrung als Assistentin der Institutsleitung. Ihre
Energie war schon bis dahin aufgefallen; dennoch waren wir alle ver-
blüfft, mit welcher Durchschlagskraft sie daran ging, das Institut im
unübersichtlichen Weiterbildungsmarkt neu zu positionieren. Neben
ihrem Organisationstalent besitzt sie ein gnadenloses Verhandlungsge-
schick und eine Gabe, die erst kürzlich im Trainingsgeschäft (unzurei-
chend) als »power communications« bezeichnet wurde. Sie wechselt die
Branche, bleibt aber bei PR und Marketing. Vielleicht hören Sie ja wieder
Michaela Kanov-Spangl
einmal von ihr?

Margit Hassmann und Michaela Kanov-Spangl waren über lange Jahre


das Rückgrat das Instituts – also das Kundenservice. Gründlichkeit und
Geduld sind in diesem Job Grundvoraussetzung – aber der Charme und
die Leichtfüßigkeit, mit der die beiden unsere Kunden durch das Ange-
bot des Instituts, vom Erstkontakt bis zum Storno, vom Management-
Seminar bis zu den Events des Instituts geführt und begleitet haben,
gingen klar über das Normalmaß hinaus. Von den ordnenden, beruhi-
genden, klärenden und sonstigen Management-Funktionen, die die bei-
den sowohl für unsere externen Partner als auch für die Kollegen des In-
Margit Hassmann
stituts ausübten, soll hier lieber gar nicht die Rede sein. Frau
Kanov-Spangl widmet sich in der nächsten Zeit schwerpunktmäßig
ihrer expandierenden Familie, Frau Hassmann geht in den Event-Be-
reich, wofür sie im Hernstein Institut in den letzten Jahren sich und uns
qualifiziert hat. Die unwiederholbare Gabe beider, ein Lächeln durch
eine Telefonleitung zu schicken, werden wir schmerzlich vermissen.
Allen dreien wünschen wir von Herzen viel Glück und Erfolg!

Hernsteiner 4/2000 a k t u e l l Organisationsformen der Zukunft


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Nachfolge in Familienbetrieben
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Unternehmenserfolg messen
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Neue Rollen für das Mittelmanagement
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»Virduality – Arbeitsräume der Zukunft«
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Tabuthema: Scheitern im Management
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Wissensmanagement
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Vision – Sinn oder Unsinn?
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Beinflussbarkeit von Unternehmenskultur
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36

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